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315,647 | lg-dusseldorf-1984-12-04-4-o-41983 | {
"id": 808,
"name": "Landgericht Düsseldorf",
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} | 4 O 419/83 | 1984-12-04T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:04 | 2019-03-27T09:42:34 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1984:1204.4O419.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, es bei Meidung ei-nes vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Fall mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu 2 Jahren zu unterlassen,Herbizide, die N-Phosphonomethylglycin in Form des Trimethylsulfonium-Salzes enthalten im Inland, einschließlich in Feldversuchen, gewerbsmäßig zu gebrauchen.II. Im übrigen wird die Klage gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen.III. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 750.000,-- DM vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich West-Berlin ansässigen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.</p>
<p>[i]</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>T a t b e s t a n d :</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist eingetragene und alleinberechtigte </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">-       3 -</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Inhaberin des deutschen Patentes X (im folgenden Klagepatent I) betreffend die Verwendung von N-Phosphonomethylglycin und dessen Salze als Herbizide.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Dieses Patent ist unter Inanspruchnahme amerikanischer Pri­oritäten vom 1o. März 1971 und 9. August 1971 am 22. Oktober 1971 angemeldet worden. Nach Prüfung ist die Patentanmeldung am 25. Juli 1974 bekanntgemacht worden und hat anschließend zur Erteilung des Patentes geführt. Ausgabetag der Patent­schrift ist der 31. Oktober 1979 (vgl. Anlage 2). Das Patent ist in Kraft.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gegenstand des Klagepatents I ist die Verwendung von</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">N - Phosphonomethylglycin,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">das als solches aus der US-PS X bekannt war (vgl. An­lage 3)j und dessen Salze als Herbizide.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Ben erfindungsgemäßen Herbiziden kommt einerseits die vorteil­hafte Eigenschaft zu, ein breites Spektrum von einjährigen und</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">perennierenden Unkräutern durch Vernichtung der Wurzeln und des gesamten Blattwerkes wirksam zu erfassen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Andererseits werden diese Herbizide beim Kontakt mit dem Erd­reich schnell inaktiviert, so daß es möglich wird, sie im we­sentlichen gleichzeitig mit dem Ausbringen der Saat anzuwenden. Hinzukommt ihre niedrige Toxizität.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Wegen der näheren Einzelheiten dieses Verwendungspatents wird auf die als Anlage 2 überreichte Patentschrift verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der einzige Schutzanspruch des Klagepatents I hat folgenden</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Wortlaut:</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">X</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">- 4 -</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">X</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Das weitere Klagepatent X (im nachfolgenden Klagepatent II) ist für die Klägerin unter Inanspruchnahme der zum Klagepatent I erwähnten Prioritäten am gleichen Anmeldetag angemeldet worden. Diese Patentanmeldung ist am 15. März 1979 bekanntgemacht worden und hat anschließend zur Erteilung des Patents geführt. Die Patentschrift ist am 31. Oktober 1979 ausgegeben worden (vgl. Anlage 5). Auch dieses Patent ist in Kraft.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Bei dem Klagepatent II handelt es sich um ein Stoffpatent. Geschützt werden N-Phosphonomethyl-Derivate und deren Salze.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die beiden Schutzansprüche geben die Lehr dieses Patentes wie folgt wieder:</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">-       5 –</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">X</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">-       6 -</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">X</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Patentes wird auf die als Anlage 5 überreichte Patentschrift verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 3) befaßt sich mit der Herstellung und dem Vertrieb eines Herbizides, daß sie mit X bezeichnet und unter anderem in England schon auf den Markt gebracht hat.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Mit <strong>diesem </strong>Herbizid hat der Beklagte zu 1), der bei der nicht am Rechtsstreit beteiligten Firma X, Genf, im Bereich "Research und Development" tätig ist, in den Jahren 1982 und 1983 in der Bundesrepublik Deutschland Feldversuche durchgeführt.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 2) ist eine - weitere - europäische Tochterge­sellschaft der Beklagten zu 3).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Das Herbizid der Beklagten zu 3) ist ein Trimethylsulfoniumsalz des von den Beklagten kurz als "PMG" und von der Klägerin als "Glyphosat" bezeichneten N-Phosphonomethylglycins. Es enthält in wässriger Lösung die N-Phosphonomethylglycin-Anionen in Gegen­wart von Trimethylsulfonium-Kationen. Zudem sind organische </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">-       7 -</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Ammaonium-Kationen anwesend.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Wegen der näheren Einzelheiten insbesondere seiner Wirkungs­weise wird auf die von der Klägerin mit Übersetzung vorgeleg­ten Kanisteretiketten des in England schon auf dem Markt be­findlichen Herbizids der Beklagten zu 3) verwiesen (vgl. An­lagen 7a.7b).</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist der Ansicht, daß durch die Feldversuche, die der Beklagte zu 1) für die Beklagten zu 2) und 3) durchgefüht habe, beide Klagepatente - vorrangig das Verwendungspatent -verletzt worden seien.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Da die Feldversuche zur Einführung des Herbizids der Beklagten auf dem deutschen Markt erfolgt seien, komme ihnen patentver-letzender Charakter zu.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Das Herbizid der Beklagten zu 3) sei den in den Klagepatenten genannten Verbindungen glatt aequivalent. Träger der herbizi-den Wirkungen seien bei diesem Herbizid ebenso wie bei den in den Schutzansprüchen angeführten die N-Phosphonomethylglycin-Anionezio. Welche Kationen zur Bildung wasserlöslicher Salze verwendet würden, sei für die herbizide Wirkung unerheblich, so daß auch die Verwendung von Trimethylsulfonium-Kationen in aequivalenter Weise vom Schutzgegenstand der Klagepatente Ge­brauch mache.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Da der Beklagte zu 1) die Feldversuche im Inland unstreitig für die im Ausland ansässige Firma X verantwortlich durchgeführt hat, ist er nach Auffassung der Klägerin auch passivlegitimiert, weil er die patentverletzenden Handlungen eigenverantwortlich begangen habe.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">- mit der in der letzten mündlichen Verhandlung eingeführten Maßgabe, aaß sich die Anträge gegen den Beklagten zu 1) nur auf das gewerbsmäßige Gebrauchen beziehen -</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">I. Die Beklagten zu verurteilen,</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">1. es bei Meidung eines für jeden Fall der</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">-       8 -</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,— DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu 2 Jahren zu unterlassen</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Herbizide, die N-Phosphonomethylglycin in Form des Trimethylsulfonium-Salzes enthalten, zur Verwendung im Inland gewerbsmäßig feilzuhalten oder in den Verkehr zu bringen oder im Inland, einschließlich in Feldversuchen, gewerbsmäßig zu gebrauchen;</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">2. der Klägerin über den Umfang der unter Ziffer I, 1 beschriebenen Handlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Angabe der einzelnen Lieferungen unter Nennung der Liefermengen, Typenbezeichnungen, Lieferpreise und Abnehmer und unter Angabe der Angebote unter Nennung der Angebotsmengen, Typen­bezeichnungen, Angebotspreise, Angebotszeiten und Angebotsempfänger und unter Angabe der Benutzungshandlungen unter Nennung der Benutzungsmengen, Typenbezeichnungen und Benutzungszeiträume, wobei den Beklagten hinsichtlich der Nennung der Ab­nehmer und Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehält eingeräumt werden mag;</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">II. festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">durch die unter Ziffer I, 1 beschriebenen Handlungen entstanden ist und noch entsteht.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">hilfsweise,</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">ihnen im Fall der Verurteilung zur Rechnungslegung</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">den üblichen Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">-       9 –</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Im übrigen beantragen sie</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erle­digung der gegen die Klagepatente X und X erhobenen Nichtigkeitsklagen auszusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">den Aussetzungsantrag zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten sind der Ansicht, daß die Feldversuche keine patentverletzende Handlung iSd § 6 PatG 1968 darstellten. Sie seien lediglich zur Erprobung der Wirksamkeit des Herbi­zids in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt worden.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Zudem bestreiten die Beklagten vorsorglich die von der Klä­gerin behauptete Aequivalenz des Trimethylsulfoniumsalzes des N-Phosphonomethylglycins (PMG) mit den geschützten Verbindungen. Wie sich insbesondere aus der von ihnen eingeholten und vorge­legten gutachtlichen Stellungnahme des X Institut für Anorganische Chemie der X in Frankfurt ergebe, lag diese Derivatisierung der patentrechtlich geschützten Verbindungen nicht auf der Hand (vgl. Anlage B 13)</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Wegen der wirksamen Beschränkung der Klagepatente könne sich die Klägerin ohnehin nicht auf eine aequivalente Verletzung berufen.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Außerdem sei der Beklagte zu 1), der lediglich als Angestellte die Versuche durchgeführt habe, nicht passivlegitimiert. Es sei kein schützenswertes Interesse der Klägerin an seiner Verurteilung erkennbar.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Zumindest aber fehle dem Schadensersatzbegehren die Berechti­gung, da die Klägerin nicht vorgetragen habe, woraus sich die erforderliche Wahrscheinlichkeit eines Schadens ergebe.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Durch Bezugnahme auf die von der Beklagten zu 3) gegen beide Klagepatente erhobenen Nichtigkeitsklagen vom 2. Oktober 1984 (Anlagen B1, B11 mit Anlagen B2 bis B10) begründen die Beklagt ihren Aussetzungsantrag.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">-       10 -</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hält diese Nichtigkeitsklage für nicht erfolg­versprechend, da sie im wesentlichen auf im Erteilungsverfah­ren schon eingehend berücksichtigte Einwendungen gestützt werde.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst überreichten Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe :</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Die Klage gegen den Beklagten zu 1) war entscheidungsreif, insoweit konnte daher ein (Teilurteil gemäß § 301 ZPO ergehen.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist die Klage nur zum Teil begründet.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten zu 1) der auf Ver­letzung der Klagepatente gestützte Anspruch auf Unterlassung gewerbsmäßigen Gebrauchs gemäß §§ 47, 6 PatG 1968 zu.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Die begehrte Peststellung des Schadensersatzanspruchs konnte nicht erfolgen, so daß die Klage gegen den Beklagten zu 1) insoweit und hinsichtlich des Rechnungslegungsanspruchs abzu­weisen war.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Eine Aussetzung im Hinblick auf die gegen die Klagepatente anhängigen Nichtigkeitsklagen kam nicht in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann von dem Beklagten zu 1) gemäß §§ 47, 6 PatG 1968 verlangen, daß er es unterläßt, Herbizide, die N-Phosphonomethylglyoin in Form des Trimethylsulfoniumsalzes enthalten, im Inland gewerbsmäßig zu gebrauchen.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">1. Die von dem Beklagten zu 1) in der Bundesrepublik Deutsch­land mit dem Herbizid X durchgeführten Feldversuche stellen Benutzungshandlungen dar, die gemäß § 6 PatG 1968</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">-       11 -</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">dem Patentinhaber vorbehalten sind und die daher geeignet sind patentverletzend zu wirken.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber können sich die Beklagten nicht mit Erfolg darauf berufen, die Feldversuche seien lediglich aus Forschungs- und Versuchsgründen durchgeführt worden.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Da die Anmeldung der Klagepatente vor 1981 erfolgte, richtet sich die Beurteilung der Rechtslage insofern nach § 6 PatG 1968 Eine Anwendung von § 11 Nr. 2 PatG 1981 kommt schon deshalb nicht in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">a) In § 6 PatG 1968 wird dem Schutzrechtsinhaber der gewerbs­mäßige Gebrauch seiner Erfindung vorbehalten. Unter Gebrauchen ist insofern die bestimmungsgemäße Verwendung eines Gegenstandes oder Stoffes bzw. die Anwendung eines Ver­fahrens zu verstehen (vgl. Klauer-Möhring, Patentrechtskommen­tar, 3. Auflage, § 6 Rdnr. 113).</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Bei den Feldversuchen ist das Herbizid X nach dem eige­nen Vortrag der Beklagten bestimmungsgemäß als Pflanzenschutz­mittel eingesetzt worden.,</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Auch der eingehenden Schilderung der 14 Kleinparzellenversuche des Jahres 1982 und der 9 weiteren Versuche des Jahres 1983, die überwiegend wiederum auf Kleinparzellen vorgenommen wurden lassen sich keine Umstände entnehmen, die eine gegenteilige Annahme rechtfertigen könnten.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Das in England schon auf dem Markt befindliche Herbizid X wurde nach Darstellung der Beklagten in verschiedenen Aufwandsmengen bei den Kleinparzellenversuchen mit Hilfe von Rücken­spritzen und bei den Großflächenversuchen unter ausdrücklich als praxisgerecht bezeichneten Bedingungen mit Hilfe eines Traktors und einer 12 m langen Spritze aufgebracht.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Auch wenn die Aufbringung des Herbizids durch Handspritzen in der Praxis unüblich sein sollte, was allerdings keine der Parteien explizit  behauptet hat, ändert dies nichts daran, daß auch dann ein Einsatz als Pflanzenschutzmittel und damit ein bestimmungsgemäßer Gebrauch vorliegt?</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">-       12 -</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Aus entsprechenden Gründen kann auch die Größe der "bearbeiteten" Fläche nicht von einer entscheidender Bedeutung sein.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Für die Großflächenversuche des Jahres 1983 haben die Be­klagten selbst darauf hingewiesen, daß sie unter Praxisbedin­gungen durchgeführt worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Da die Feldversuche einen bestimmungsgemäßen Gebrauch des Herbizids zum Gegenstand hatten, liegt die für eine Patent­verletzung erforderliche Benutzungshandlung in Form des Ge-brauchmachens vor.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">All dies zeigt, daß der Versuchscharakter als solcher für die rechtliche Einordnung nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist. <strong>Entscheidend </strong>ist im vorliegenden Fall, daß die Feldver­suche zu einer bestimmungsgemäßen Anwendung und damit zu einer Benutzung iSv § 6 PatG 1968 führten.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">b) Diese Benutzung erfolgte auch gewerbsmäßig.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Folgt man der von Klauer-Möhring mit überzeugenden Argumenten begründeten Ansicht (vgl. aaO § 6 Rdnr. 143), so ergibt sich dies <strong>allein schon </strong>daraus, daß die Feldversuche Benutzungshand­lungen i.S.v. § 6 PatG 1968 darstellten und nicht für private Studienzwecke durchgeführt wurden.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Es kann jedoch offenbleiben, ob dieser Ansicht vor der <strong>bei­spielsweise </strong>von Benkard (vgl. Patentgesetz, 6. <strong>Auflage, </strong>§ 6 PatG Rdnr. 24) vertretenen Auffassung grundsätzlich der Vor­rang zu geben ist. Auch nach der letztgenannten Meinung sind die <strong>Feldversuche </strong>als gewerbsmäßige Benutzungshandlungen einzu­ordnen, da sie danach nur dann nicht als patent verletzend an­zusehen wären, wenn sie ausschließlich erfolgten um festzustellen, ob die Erfindung überhaupt funktioniert (vgl. insoweit auch RG GRUR 33, 292, 294 f., LG Mannheim GRUR 53, 33).</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Daß X überhaupt herbizide Wirkung hat, war bekannt. Schließlich ist es von der Beklagten zu 3) bereits 1977 ent­wickelt, am 4. Dezember 1980 in den USA und am 18. September 1981 beim Europäischen Patentamt (vgl. Anlage 8) unter genauer</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">-       13 -</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Beschreibung der herbiziden Wirkung zum Patent angemeldet worden.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Vor der Einführung in England im August 1983 waren eine ent­sprechende Erprobung und amtliche Zulassung erforderlich.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Die Feldversuche in der Bundesrepublik dienten daher nach dem Vortrag der Beklagten dazu, die genauen Aufwandsmengen, Konzentrationen und Anwendungsbereiche für das Inland zu ermitteln. Damit kann nicht mehr die Rede davon sein, daß die Tauglichkeit <u>als solche</u> versuchsweise geprüft werden sollte.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Auch aus allgemeinen Erwägungen ließe es sich nicht rechtfertigen, Feldversuche der vorliegenden Art aus dem Bereich des ge­werbsmäßigen Gebrauchs i.S.v. § 6 PatG 1968 herauszunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Mit Hilfe des Patentrechts soll der Patentinhaber als Erfinder</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">mit einem zeitlich befristeten Ausschließlichkeitsrecht an seiner Erfindung belohnt werden, damit er sich durch einen rechtlich abgesicherten Vorsprung vor seinen Mitbewerbern eine Gewinn verschaffen kann (vgl. Benkard, Patentgesetz, 7. Auflage Einleitung I Rdnr. 1a).</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Eine nichtgewerbsmäßige Benutzung durch einen Dritten, der als kein Mitbewerber ist, kann diesem Ausschließlichkeitsrecht den gemäß nicht unterfallen.</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Darüberhinaus mag es in den Fällen, in denen der Patentschutz zu einer Verhinderung von Forschung und damit von neuen Erfin­dungen führen kann, aus diesem Gesichtspunkt gerechtfertigt erscheinen, das Ausschließlichkeitsrecht des Patentinhabers insofern einzuschränken (vgl. Benkard aaO 6. Aufl. § 6 Rdnr.<em>24). </em>Aus dem oben Gesagten folgt jedoch ohne weiteres, daß die ge­schilderten Feldversuche dieser Kategorie nicht zugeordnet werden können. Vielmehr hat hier ein Mitbewerber - wenn auch im Versuchen - von einer Erfindung bestimmungsgemäß und gewerbs­mäßig - also grundsätzlich patentverletzend - Gebrauch gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Dem steht auch die von Beklagtenseite herangezogene Recht-</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">-       14 -</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">sprechung des BGH zu § 7 PatG 1968 nicht entgegen. </p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Die Europareise-Entscheidung (vgl. BGH GRUß 1969, 35, 36/37) befaßt sich in dem zitierten Teil mit "Veranstaltungen" iSv. § 7 PatG 1968. Für derartige Handlungen, die gerade noch nicht den Tatbestand einer Benutzungshandlung i.S.v. § 6 PatG 1968 erfüllen, sondern als Vorbereitungshandlung für eine Benutzung aufzufassen sind, wird ausgeführt, daß sie dann noch nicht ge­eignet sind, ein Vorbenutzungsrecht zu begründen, wenn sie erst Klarheit darüber schaffen sollen, ob die Erfindung im Inland gewerblich genutzt werden soll.</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Da die Veranstaltungen i.S.v. § 7 PatG 1968 im Vorbereitungs­bereich eigentlicher Benutzungshandlungen liegen, kann diese Rechtsprechung jedoch nicht auf die Fälle übertragen werden,</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">in denen schon eine "echte" Benutzung iSv § 6 PatG 1968 gege­ben ist.</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Das gilt auch unter weiterer Berücksichtigung der Taxilan-Entscheidung (vgl. BGH GRUR 1964, 20 = BGHZ 39, 389 ff).</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Entgegen des Auffassung der Beklagten sind die vom Be­klagten zu 1) durchgeführten Feldversuche gerade nicht den in dieser Entscheidung unter dem Gesichtspunkt der Veranstaltungen i.S.v. § 7 PatG 1968 erörterten Tierversuchen bei medizinische Produkten gleichzustellen. Diese Feldversuche erscheinen, eben weil bei ihnen das Herbizid schon bestimmungsgemäß verwendet wird, eher der klinischen Erprobung von Medikamenten am Men­schen vergleichbar. Bei den Tierversuchen liegt eben noch kein bestimmungsgemäßer Gebrauch des für Menschen entwickelten Medikaments vor.</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">2. Da der Beklagte zu 1) eine gemäß § 6 PatG 1968 allein dem Patentinhaber vorbehaltene Benutzungshandlung verwirklicht hat ist er auch persönlich dem aus dieser Patent Verletzung sich</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">ergebenden Unterlassungsanspruch der Klägerin ausgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">Bei Patentverletzungen wird ebensowenig wie sonst im allgemei­nen Recht der unerlaubten Handlungen danach differenziert, ob eine Verletzungshandlung im eigenen oder fremden Namen, auf Weisung oder auf eigene Entscheidung erfolgt ist.</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">-       15 -</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">Die Weisung durch einen Dritten nimmt der unmittelbaren Benutzungshandlung nicht den patentverletzenden Charakter, § 47 PatG 1968 stellt ebenso wie § 139 PatG 1981 allein auf die patentverletzende Tätigkeit als solche ab (vgl. Benkard, PatG, <em>7.  </em>Auflage, § 139 Rdnr. 23, a.A. Reimer, PatG, 3. Auf­lage § 47 Rdnr. 73).</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">Es sind Fälle denkbar, in denen die Inanspruchnahme eines die Zusammenhänge nicht übersehenden, untergeordneten Angestellte oder Arbeiters rechtsmißbräuchlich erscheinen kann und von da her abzulehnen sein dürfte. Grundsätzlich muß sich der Patent inhaber - zumindest mit dem Unterlassungsbegehren - jedoch gegen denjenigen zur Wehr setzen können« der das geschützte Recht durch seine Handlung verletzt, auch wenn er nicht auf eigenen Entschluß und/oder ohne die Rechtslage zu überblicken handelt (vgl. Benkard PatG, 7. Auflage, § 139 Rdnr. 23; Klaue: Möhring, PatG, 3. Auflage § 47 Rdnr. 10).</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Von einer rechtsmißbräuchlichen Inanspruchnahme des Beklagten zu 1) kann nicht ausgegangen werden. Zum einen haben die Be­klagten nicht bestritten, daß er für die oben schon erwähnte Tochterfirma der Beklagten zu 3), die Firma X in Genf, leitend tätig ist. Geschäftsgegenstand dieses Unternehmens ist die Vornahme aller Dienstleistungen für die Beklagte zu 3), insbesondere auf dem Gebiet der Patente und Lizenzen und der Forschung und Entwicklung (vgl. Anlage 13 mit Übersetzung Bl. 96 G.A.)</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">Nach dem gegenwärtigen Sachstand kommt bisher nur Begründung einer etwaigen patent verletz enden Handlung der Beklagten zu <em>2) </em>und 3) zudem nur das Tätigwerden des Beklagten zu 1) in Betracht. Unter diesen Umständen ist ähnlich wie in dem durch das Oberlandesgerichts Düsseldorf entschiedenen Fall "Inlandsvertreten (GEUR 1978, S. 588) ein hinreichendes schutzwürdiges Interesse der Klägerin anzuerkennen, gegen den im Inland ansässigen Be­klagten zu 1) direkt und nicht nur, falls die entsprechende Klage begründet sein sollte, gegen die im Ausland residierenden Be­klagten zu 2) und 3) vorgehen zu können, um sich insofern die</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">-       16 -</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">Möglichkeit einer unproblematischen Zwangsvollstreckung offenzuhalten.</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">Das von dem Beklagten zu 1) bei seinen Feldversuchen eingesetzte Herbizid X fällt Jedenfalls unter den Schutz des Klage­patents I (D-PS X - Verwendungspatent), wie noch auszuführen ist. Da die gegenüber dem Beklagten zu 1) geltend gemachten Ansprüche schon auf Grund des Verwendungspatents gerechtfertigt sind, bedarf es einer Erörterung des zweiten Klagepatents nicht mehr.</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">Die Erfindung nach dem Klagepatent I betrifft die Verbindung von N-Phosphonomethylglycinen und deren Salze als Herbizide mit breitem Wirkungsspektrum. Diese Verbindungen sind im Patentanspruch durch die dort angegebene allgemeine Formel beschrieben. Die in der Formel mit R, R1 und R2 bezeichneten Reste können die im Patentanspruch im einzelnen angegebenen Bedeutungen haben.</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">Wie sich aus den Erläuterungen ergibt (vgl. Anlage 2, Spalte <em>2 </em>Zeilen 65 ff), war das N-Phosphonomethylglycin bereits aus der US-PS X (vgl. Anlage 3 mit auszugsweiser Übersetzung) bekannt.</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">Die Erfindung besteht in der Erkenntnis der als besonders vor­teilhaft geschilderten herbiziden Wirkung des N-Phosphonometh: glycius und seiner im Patent erwähnten Derivate (vgl. z.B. Spalte te 3, Zeile 65 <em>ff </em>bis Spalte 4, Zeile 6 J, Spalte 13 Zeile 49 ff bis Spalte 16 Z. 38 sowie die Tabellen I, II, III, IV). Zusam­menfassend sind diese Vorteile schon im Tatbestand erwähnt worden.</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">Die durch den Patentanspruch erfaßten Verbindungen können - ausgehend von der allgemeinen Formel - folgendermaßen eingeteilt werden.</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">In der 1. Alternative wird N-Phosphonomethylglycin als sogenannte freie Säure erfaßt. Die Reste R, R1, R2 haben </p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">-       17 -</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">dabei die Bedeutung OH.</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">Bildhaft läßt sich die Formel dieser Verbindung wie folgt darstellen:</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">O                                          H                            O</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">"                                          "                            "</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">HO – C – CH2 – N – CH2 – P – O – H –</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">"</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">OH</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">Die nächste Alternative betrifft sogenannte Amide, die erfindungsgemäß die Löslichkeit des Herbizids verbessern sollen.</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">Da sie – ebenso wie die Erster der 2. Alternative – für den Rechtsstreit ohne ausschlaggebende Bedeutung sind, wird insoweit von einer näheren Erläuterung abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">Entscheidend ist vielmehr die Gruppe der Salze bei denen eines oder mehrere der Substituenten R, R1 und R2 statt OH die Bedeutung OR6 haben.</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">Dabei werden im Patentanspruch im einzelnen die Metalle genannt, die den Rest R6 bilden sollen (vgl. Spalte 1 Zeile 34 bis 44). Unter diese Gruppe der Salze fällt beispielsweise das Trimethylamemoniumsalz des N-Phosphonothylglycins mit der Formel:</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">O                                          H                            O</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">"                                          "                            "</p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">HO – C – CH2 – N – CH2– P – O – NHR3 –</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">"</p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">OH</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">Ausgehend von der allgemeinen Formel des Patentanspruchs ist R durch OH, R1 durch OH und R2 durch NHR3, ersetzt, wobei in NHR3, dieses "R" das dreifach vertretene Methyl CH3, bezeichnet.</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">-       18-</p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">Gegenüber der freien Säure haben die Salze den Vorteil höhere Wasserlöslichkeit (Anlage 2 Spalte 3 Zeile 4- ff). Dabei wird als überraschend hervorgehoben, daß diese und die anderen im Patentanspruch erfaßten Verbindungen dieselbe hohe herbizide Wirkung wie der Ausgangsstoff selbst zeigen (vgl. Anlage 2 Spalte 3, Zeile 16 - 20).</p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">Das Herbizid X verletzt das Klagepatent I, da es in aequivalenter Weise von der Lehre seines Schutzanspruchs Gebrauch macht.</p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">Unstreitig enthält das Herbizid SC X als wesentlichen wir samen Bestandteil ein Trisulfoniumsalz des N-Phosphonomethylglycius in wäßriger Lösung. Dessen Formel läßt sich wie folgt darstellen;</p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">O                            H                            O</p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">"              "              "</p>
<span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">HO - C - CH2 - N - CH2 - P - 0    NHR3</p>
<span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">OH</p>
<span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">Auch hier ist <em>R  </em>« Methyl – CH3, so daß das Kation vollständig mit</p>
<span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks"><img alt="Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik." src="http://lvn-itp-105.lds.nrw.de:8880/nrwe/Dateien/30315B7A83C6FDE372E686B4154F659B.4%20O%20419_83.doc.001.png" width="77" height="84" /> </p>
<span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">wiedergegeben werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">Dieses Trisulfoniumsalz des N-Phosphonomethylglycins ist den in den Klagepatenten genannten Salzen des N-Phosphonomethyl­glycins aequivalent.</p>
<span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">Es ist unstreitig, deaß diesem in dem Herbizid X schon auf den Markt gebrachten Salz die gleiche herbizide Wirkung zukommt wie den von dem Klagepatent I schon nach dem Wortlaut seines Patentanspruchs unmittelbar erfaßten Salzen. Auch von Beklagtenseite ist nicht substantiiert bestritten worden, daß diese herbizide Wirkung, die im einzelnen auf den Etiketten der in England vertriebenen 5 l Kanister beschrieben wird (vgl. Anlagen 7a, 7b) auf dem ionisierten N-Phosphonomethylglycin beruht.</p>
<span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">-       19 -</p>
<span class="absatzRechts">159</span><p class="absatzLinks">Die Verwendung des Trisulfoniumsalzes des N-Phosphonomethylglycins statt der im Patentanspruch und den Erläuterungen ausdrüclich genannten Salze dieser Verbindung konnte von dem Fachmam den Kenntnissen im Prioritätszeitpunkt dem Inhalt des Patents als naheliegend entnommen werden.</p>
<span class="absatzRechts">160</span><p class="absatzLinks">In der Erläuterung wird die bis dahin nicht erkannte herbi-zide Wirkung des an sich bekannten N-Phosphonomethylglycins offenbart (vgl. insbes. Anlage 2 Sp 2 Z. 65 ff bis Sp. 3 Z.4)</p>
<span class="absatzRechts">161</span><p class="absatzLinks">Im unmittelbaren Anschluß daran wird hervorgehoben, daß diese Verbindung relativ unlöslich ist (vgl. Sp. 2 Z. <em>M- </em>ff) und da­her für handelsübliche Zubereitungen nicht so gut geeignet is1 wie viele seiner Derivate.</p>
<span class="absatzRechts">162</span><p class="absatzLinks">Damit wird die Aufmerksamkeit des Fachmanns in verstärktem Maße wegen ihrer erhöhten Wasserlöslichkeit und der dadurch erreichten verbesserten Einsatzmöglichkeiten unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf diese Derivate gelenkt.</p>
<span class="absatzRechts">163</span><p class="absatzLinks">Weiterhin wird dann ausdrücklich betont, daß "überraschender­weise" die zuvor genannten Derivate aber auch "andere Verbin­dungen, die von der allgemeinen Formel umfaßt werden", nicht nur wasserlöslich sind, sondern auch die gleiche hohe herbizi Wirkung zeigen wie das weniger lösliche N-Phosphonomethylglycin selbst.</p>
<span class="absatzRechts">164</span><p class="absatzLinks">Da der Fachmann weiß, daß Salze in wässriger Lösung dissoziieren, sich also in frei in der wässrigen Lösung schwimmende Anionen und Kationen trennen, wird ihm damit zugleich offenbart, daß Träger der eigentlichen herbiziden Wirkung das in der all gemeinten Formel erfaßte N-Phosphonomethylglycin - und zwar bei den gelösten Salzen als Anion - ist.</p>
<span class="absatzRechts">165</span><p class="absatzLinks">Dabei ist der Patentschrift weiterhin zu entnehmen, daß die in der 4. Gruppe des Patentanspruches genannten Salze von den bevorzugt verwendeten erfindungsgemäßen Verbindungen ihrerseits als besonders vorteilhaft angesehen werden (vgl. </p>
<span class="absatzRechts">166</span><p class="absatzLinks">-       20 -</p>
<span class="absatzRechts">167</span><p class="absatzLinks">Spalte 2 Z. 43 ff), wobei in diesem Zusammenhang ausdrücklich erwähnt wird, daß der "Salzbildner" ein Kation ist.</p>
<span class="absatzRechts">168</span><p class="absatzLinks">Weiterhin war es für den Fachmann unter diesen Umständen auch naheliegend, statt der erwähnten Salze das nicht genannte Trifoniumsalz zu verwenden.</p>
<span class="absatzRechts">169</span><p class="absatzLinks">Die Patentschrift führt nicht alle überhaupt denkbaren Salz­bildner auf. Von den theoretisch zusätzlich in Betracht kom­menden Metallen scheiden aber die meisten entweder wegen ihrer toxischen bzw. strahlenden Wirkung oder aber - wie z.B. die Edelmetalle - auf Grund von Wirtschaftslichkeitsüberlegungen aus.</p>
<span class="absatzRechts">170</span><p class="absatzLinks">Das nicht genannte Metall Schwefel unterliegt diesen Bedenken jedoch nicht.</p>
<span class="absatzRechts">171</span><p class="absatzLinks">Abgesehen davon, daß nicht alle grundsätzlich in Betracht kom­menden Salze im Patentanspruch aufgeführt sind, ergeben sich aus den Erläuterungen keine Anhaltspunkte dafür, daß bei Ver­wendung eines Schwefelsalzes die herbizide Wirkung nicht ein­treten könne.</p>
<span class="absatzRechts">172</span><p class="absatzLinks">Die schon zitierte Stelle (vgl. Spalte 3 Z. 16 ff), in der die Überraschung über die Gleichwirkung anderer Verbindungen, die</p>
<span class="absatzRechts">173</span><p class="absatzLinks">von der allgemeinen Formel erfaßt werden, deutlich wird, lenkt den Blick vielmehr eher darauf, daß auch andere als die aus­drücklich genannten Verbindungen eben diese herbizide Wirkung haben durften, sofern es sich um den im Patentanspruch aus­drücklich erfaßten Verbindungen ähnlich Derivate des N-Phosphonomethylglycins handelt.</p>
<span class="absatzRechts">174</span><p class="absatzLinks">Im übrigen konnte auch kein aus chemischen Überlegungen er­wachsendes Vorurteil gegen die Verwendung des Trisulfonium-salzes festgestellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">175</span><p class="absatzLinks">So hat der von den Beklagten beauftragte Sachverständige in seiner gutachtlichen Stellungnahme, die sich die Klägerin insofern in der mündlichen Verhandlung zu eigen gemacht hat, ausgeführt, daß die Sulfonium-Ionen sich bezüglich der Lös­lichkeit ihrer Salze regelmäßig sehr ähnlich verhalten wie die im Patent u.a. als Salzbildner erwähnten Ammonium-Ionen (vgl. </p>
<span class="absatzRechts">176</span><p class="absatzLinks">-       21 -</p>
<span class="absatzRechts">177</span><p class="absatzLinks">Anlage B 13 S. 2).</p>
<span class="absatzRechts">178</span><p class="absatzLinks">Da der Fachmann nach dem oben Gesagten den Salzbildner vor­rangig gerade unter dem Gesichtspunkt der Löslichkeit auswäh­len und beurteilen mußte, spricht dies dafür, die Verwendung eines Trisulfoniumsalzes als naheliegend zu betrachten. Zudem hat Prof. Dr. X erwähnt, daß die oben genannten Ionen auch valenzelektronisch analog sind, so daß auch von daher kein Vorurteil gegen das Trisulfoniumsalz begründet erscheint.</p>
<span class="absatzRechts">179</span><p class="absatzLinks">Soweit er im weiteren auf die unterschiedliche Molekülgeometrie hinweist, ist dies nicht geeignet, die Kammer von einen das Naheliegen ausschließenden Vorurteil zu überzeugen, da er lediglich die <u>abstrakte</u> Möglichkeit unterschiedlicher chemi­scher Eigenschaften allgemein aufzeigt, ohne darzulegen, wieso der Fachmann diese gerade bei der Verbindung mit N-Phosphono-methylglycin erwarten könnte und weshalb er ausgerechnet die herbiziden Wirkungen des N-Phosphonomethylglycin-Kations da­durch in erheblichem Umfang gefährdet oder gar ausgeschlossen sehen sollte.</p>
<span class="absatzRechts">180</span><p class="absatzLinks">Entsprechendes gilt für seinen Hinweis auf die "völlig anders­artige physiologische Wirkung" von Schwefel-Verbindungen gegen­über denjenigen der Stickstoffverbindungen.</p>
<span class="absatzRechts">181</span><p class="absatzLinks">Auch hier fehlt eine Konkretisierung im Hinblick auf die ent­scheidende herbizide Wirkung des erfindungsgemäßen Kations.</p>
<span class="absatzRechts">182</span><p class="absatzLinks">Da der Patentschrift nicht zu entnehmen ist, daß es auf ein irgendwie geartetes Säre/Base Gleichgewicht für diese Wirkung ankommt, erscheinen auch die Überlegungen zum etwaigen Fehlen dieses Gleichgewichts beim Trisulfoniumsalz nicht geeignet, ein Vorurteil gegen dieses Salz zu begründen.</p>
<span class="absatzRechts">183</span><p class="absatzLinks">Lediglich ergänzend sei in diesem Zusammenhang noch darauf hin­gewiesen, daß es der Feststellung der Aequivalenz auch nicht entgegenstünde, wenn der Fachmann die erforderlichen Kenntnisse erst über einfache, erfinderische Überlegungen nicht vorausset­zende Versuche gewinnt (vgl. Benkard PatG, 7. Auflage, § 14 Rdnr 131 m.w.ff.), so daß auch dies dem gewonnenen Ergebnis nicht entgegengehalten werden könnte.</p>
<span class="absatzRechts">184</span><p class="absatzLinks">-       22 -</p>
<span class="absatzRechts">185</span><p class="absatzLinks">Insofern liegt auch keine die Verletzung ausschließende Be­schränkung des Schutzbereichs der Klagepatente vor. Zwar sind die Schutzansprüche beider Patente während des Erteilungsver­fahrens Änderungen unterworfen gewesen (vgl. zum Klagepatent I Bl. 143, 170, -172 der Erteilungsakten und zum Klagepatent II Bl. 69» 85, 87, 91 der Erteilungsakten).</p>
<span class="absatzRechts">186</span><p class="absatzLinks">Diesen Änderungen kann jedoch keine ausdrückliche Beschränkung der Schutzbereiche auf die in den Ansprüchen ausdrücklich ge­nannten <u>Salze</u> des N-Phosphonomethylglycins entnommen werden.</p>
<span class="absatzRechts">187</span><p class="absatzLinks">Sie betreffen weitestgehend ohnehin andere Gruppen der geschützten Verbindungen oder scheiden genau benannte Verbindungen wie <strong>das </strong>Kaliumsalz einzeln aus (vgl. Bl. 178 Erteilungsakten Klagepatent I; Bl. 87» 89, 91 Erteilungsakten Klagepatent II).</p>
<span class="absatzRechts">188</span><p class="absatzLinks">IV.</p>
<span class="absatzRechts">189</span><p class="absatzLinks">1. Dagegen konnte dem Antrag der Klägerin, die Schadensersatz­verpflichtung des Beklagten zu 1) festzustellen, nicht entsprochen werden.</p>
<span class="absatzRechts">190</span><p class="absatzLinks">Grundsätzlich genügt zwar für eine derartige Feststellung die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts (vgl. Benkard, PatG 7. Auflage, § 139 Rdnr. 80 m.w.N.). Weiterhin ist auch aner­kannt, daß an den Nachweis dieser Wahrscheinlichkeit keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (BGH GRUR 74, 735 –Pharmamedan).</p>
<span class="absatzRechts">191</span><p class="absatzLinks">Dies setzt jedoch voraus, daß der Kläger bzw. hier die Klägerin die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schlüssig darlegt</p>
<span class="absatzRechts">192</span><p class="absatzLinks">(vgl. Klauer-Möhring, PatG, 3o Auflage § 47 Rdnr. 26).</p>
<span class="absatzRechts">193</span><p class="absatzLinks">Dabei mag es in vielen Fällen genügen, einen oder mehrere Ver­letzungsfälle darzutun, wenn sich aus ihnen ohne weiteres auf die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen läßt.</p>
<span class="absatzRechts">194</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall hätte es dazu jedoch, wie von Beklagten­seite auch betont worden ist, der Darlegung besonderer Umstände bedurft. Da die Verletzungshandlungen im Rahmen von Feldversuch</p>
<span class="absatzRechts">195</span><p class="absatzLinks">-       23 -</p>
<span class="absatzRechts">196</span><p class="absatzLinks">erfolgten, ist der Schluß auf die Wahrscheinlichkeit eines dadurch bei der Klägerin verursachten Schadens nicht ohne weiteres gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">197</span><p class="absatzLinks">Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, ob - insbesondere auf den Flächen, die für die Kleinparzellenversuche dienten -ohne die Feldversuche überhaupt Herbizide und wenn dann gerade die der Klägerin eingesetzt worden wären. Da die Klägerin auch in übrigen keine Umstände vorgetragen hat, die die Annahme ein Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts rechtfertigen könnten war der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten zu 1) abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">198</span><p class="absatzLinks">2. Daraus folgt zugleich, daß auch der lediglich als Hilfsan­spruch zum Schadensersatzbegehren anzusehende Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 1) nicht gegeben ist.</p>
<span class="absatzRechts">199</span><p class="absatzLinks">V.</p>
<span class="absatzRechts">200</span><p class="absatzLinks">Eine Aussetzung dieses Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Erledigung der gegen die beiden Klagepatente von der Beklagten zu 3) erhobenen Nichtigkeitsklagen kam nicht in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">201</span><p class="absatzLinks">Nach ständiger Rechtsprechung der mit Patent- und Gebrauchs­musterverletzungen befaßten hiesigen Gerichte erfolgt eine Aus­setzung gemäß § 148 ZPO regelmäßig nur dann, wenn ein nachträglicher Wegfall des zunächst begründeten Patentschutzes nicht nur möglich, sondern im konkreten Fall auch wahrscheinlich ist (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 636, 637 - Ventilanbohrvor­richtung; OLG Düsseldorf GRUR 1979, 188 - Flachdachabläufe).</p>
<span class="absatzRechts">202</span><p class="absatzLinks">Diese Zurückhaltung beruht auf den, bei Ausübung des dem Gericht durch § 148 ZPO eingeräumten Ermessens zu berücksichtigenden berechtigten Interessen des Schutzrechtsinhabers. Die durch die Aussetzung bewirkte faktische Suspendierung des dem Patentinhaber mit der Patenterteilung ohnehin nur für eine begrenzte</p>
<span class="absatzRechts">203</span><p class="absatzLinks"><img alt="Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik." src="http://lvn-itp-105.lds.nrw.de:8880/nrwe/Dateien/30315B7A83C6FDE372E686B4154F659B.4%20O%20419_83.doc.002.png" width="1" height="133" />- 24 -</p>
<span class="absatzRechts">204</span><p class="absatzLinks">Zeit verliehenen Ausschließungsrechts erscheint grundsätz­lich nur dann hinnehmbar, wenn die Vernichtung dieses Rechts mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.</p>
<span class="absatzRechts">205</span><p class="absatzLinks">Beide Klagepatente haben ein Erteilungsverfahren durchlaufen, in dem sie auch auf den mit der Nichtigkeitsklage nunmehr bestrittenen technischen Fortschritt geprüft worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">206</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen dieses Erteilungsverfahrene sind die beiden wesent­lichen Entgegenhaltungen (US PS X - Anlage B2 und US PS X - Anlage B3) berücksichtigt worden.</p>
<span class="absatzRechts">207</span><p class="absatzLinks">Die Vorveröffentlichung in der US PS X betrifft Ver­bindungen, die als Weichmacher verwendet werden sollen, liegt also auf einem ganz anderen Gebiet.</p>
<span class="absatzRechts">208</span><p class="absatzLinks">Die weiteren Entgegenhaltungen erscheinen gleichfalls nicht einschlägig, da sie sich mit der Chelat-Bildung befassen. Sie legen auch in ihrer Zusammenschau die schutzrechtsgemäße Lösung nicht nahe. Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß die Kammer von der für eine Aussetzung erforderlichen Vernichtung der Klagepatente auf Grund dieser Entgegenhaltungen nicht aus­zugehen vermag.</p>
<span class="absatzRechts">209</span><p class="absatzLinks">VI.</p>
<span class="absatzRechts">210</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.</p>
<span class="absatzRechts">211</span><p class="absatzLinks">Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 709, 108 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">212</span><p class="absatzLinks">Rogge                                                        Plum                                          Paulsen</p>
<hr />
<span class="absatzRechts">213</span><p class="absatzLinks">[i] </p>
<span class="absatzRechts">214</span><p class="absatzLinks">4. Zivilkammer</p>
<span class="absatzRechts">215</span><p class="absatzLinks">Urteil</p>
<span class="absatzRechts">216</span><p class="absatzLinks">Landes-Intranet und Internet</p>
|
315,648 | lg-bonn-1984-11-29-5-t-14884 | {
"id": 804,
"name": "Landgericht Bonn",
"slug": "lg-bonn",
"city": 394,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 5 T 148/84 | 1984-11-29T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:06 | 2019-03-27T09:42:34 | Beschluss | ECLI:DE:LGBN:1984:1129.5T148.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. </p>
<p>Der Antrag der Antragstellerin, dem Antragsgegner aufzugeben, den Unterhalt durch Zahlung einer Geldrente zu erbringen, wird abgelehnt. </p>
<p>Eine Erstattung von Kosten findet nicht statt. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:177px"><u>G r ü n d e: </u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die am ##.##.19## geborene Antragstellerin ist die Tochter des Antragsgegners. Die Ehe des Antragsgegners mit der Mutter der Antragstellerin ist durch Urteil des Amtsgerichts S vom ##.##.19## geschieden worden. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Bis zur Trennung der damaligen Eheleute wohnte die Antragstellerin gemeinsam mit ihren Eltern in der noch jetzt von dem Antragsgegner innegehabten Wohnung N ## in S. Die Antragstellerin hatte dort ein eigenes und voll eingerichtetes Zimmer zur Verfügung. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Im Mai 19## zog die Mutter der Antragstellerin aus der gemeinsamen Wohnung aus. Die Antragstellerin lebte weiterhin mit dem Antragsgegner in der Wohnung. Der Antragsgegner gab ihr monatlich 400,-- DM zur freien Verfügung. Im übrigen führten die Beteiligten den Haushalt gemeinsam, wobei zwischen ihnen Streit darüber besteht, in welchem Umfang der Antragsgegner sich an den Hausarbeiten beteiligte. Lebensmittel und Haushaltswaren wurden mit vom Antragsgegner zusätzlich bereitgestelltem Geld eingekauft. Der Antragsgegner trug weiterhin einen Teil der laufenden Aufwendungen für einen der Antragstellerin überlassenen älteren Personenkraftwagen. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nach der Trennung der damaligen Eheleute bestanden zwischen ihnen Spannungen. u.a. wünschte der Antragsgegner nicht, dass seine Ehefrau wieder die ehemals gemeinsame Wohnung betreten würde. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Im Dezember 19## erschien die Ehefrau in der Wohnung, um einige Gegenstände abzuholen. Es kam zu einer Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten. Die Antragstellerin trat hinzu und redete den Antragsgegner an. Daraufhin ereignete sich ein Vorfall, der in den Einzelheiten zwischen den Beteiligten streitig ist. Nach der Darstellung der Antragstellerin griff der Antragsgegner ihr in die Haare, was für sie schmerzhaft war, so dass sie laut schrie. Nach Darstellung des Antragsgegners drückte er die Antragstellerin, die mit dem Rücken an der Wand stand und anfing zu schreien, mit der flachen Hand vor die Stirn, so dass der Kopf an die Wand gedrückt wurde. Dabei sagte er ihr nach seiner Darstellung, wenn sie nicht aufhöre zu schreien, würde er ihr das Maul stopfen. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Nach diesem Vorfall verließ die Antragstellerin die Wohnung. Zwischenzeitlich hat sie sich in C ein Zimmer angemietet. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit Schriftsatz vom ##.##.19## hat die Antragstellerin beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">dem Antragsgegner aufzugeben, den Unterhalt an sie ausschließlich durch Zahlung einer monatlichen Geldrente zu erbringen. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">Die Geldrente soll 720,-- DM pro Monat betragen. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung hat die Antragstellerin geltend gemacht, sie habe im wesentlichen den gesamten Haushalt führen müssen. Der Antragsgegner habe nur noch in geringen Mengen Lebensmittel eingekauft. Unabhängig davon sei ein zunehmend starkes Spannungsverhältnis entstanden, dem psychischen Druck habe sie sich nicht mehr gewachsen gefühlt. Die Situation sei schließlich angesichts des Vorfalls im Dezember 19## so unerträglich geworden, dass sie aus der Wohnung habe ausziehen müssen. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner ist diesem Vorbringen entgegengetreten. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Nach Anhörung der Beteiligten und von Zeugen hat das Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluss dem Antragsgegner aufgegeben, an die Antragstellerin ab Dezember 19## Barunterhalt zu leisten. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist begründet. Der Antrag der Antragstellerin ist abzulehnen, da besondere Gründe im Sinne von § 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht vorliegen, um die von den Eltern getroffene Bestimmung über die Art der Unterhaltsgewährung zu ändern.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner und seine ehemalige Frau haben als Eltern der Antragstellerin bestimmt, dass die Antragstellerin ab der Trennung der Eheleute im Mai 19## Unterhalt in Form von Naturalleistungen gewährt erhält. Denn die Bestimmung der Art der Unterhaltsgewährung an das Kind braucht von den Eltern nicht ausdrücklich erklärt zu werden, sondern kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen (vgl. BGH FamRZ 1983, 369). Das schlüssige Verhalten der Eltern ist in der praktischen Durchführung des Unterhalts von Mai 19## an zu sehen. Hierbei ist der Umstand, dass der Antragstellerin zum Teil auch Bargeld ausgehändigt wurde, nicht von Bedeutung. Die Überlassung der 400,-- DM an die Antragstellerin ist ein Teil des in der Form von Naturalleistungen gewährten Unterhalts (vgl. BGH a.a.O.). </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Unter "besonderen Gründen", aus denen das Vormundschaftsgericht die Bestimmung der Eltern über die Art der Gewährung des Unterhalts ändern kann, sind Umstände zu verstehen, die im Einzelfall schwerer wiegen als die Gründe, derentwegen das Gesetz den Eltern gemäß S 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB das Recht eingeräumt hat zu bestimmen, dass der Unterhalt in anderer Art als durch eine monatlich im voraus zu zahlende Geldrente zu gewähren ist (vgl. BayObLG NJW 1977, 680). Das elterliche Bestimmungsrecht muss dann zurücktreten, wenn es den wohlverstandenen <i> </i>Interessen des Kindes zuwiderläuft und die elterlichen Einflussnahme in einer die Menschenwürde oder das Recht des Kindes auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit verletzenden Weise erfolgt (vgl. OLG Frankfurt NJW 1977, 1297). Die Tatsache allein, dass ein unverheiratetes Kind volljährig geworden ist, stellt danach noch keinen "besonderen Grund" im Sinne des § 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB dar (vgl. BayObLG a.a.O.; OLG Bremen NJW 1976, 2265; OLG Köln NJW 1977, 202). </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Eine tiefgreifende Entfremdung zwischen Eltern und Kind kann dann einen besonderen Grund zur Abänderung der Unterhaltsgewährung darstellen, wenn die Entfremdung zu einer Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen Eltern und Kind geführt hat und die Ursache der Zerrüttung jedenfalls nicht in der Sphäre des Kindes liegt (vgl. OLG Köln a.a.O.; OLG Frankfurt a.a.O.). Auch gelegentliche Erziehungsfehler reichen zur Abänderung des Unterhalts nicht aus, nur ungewöhnlich lieblose Behandlung oder häufig grundlose Misshandlung des Kindes kann gegebenenfalls die Abänderung rechtfertigen (vgl. OLG Köln a.a.O.; BayObLG a.a.O.). Das Interesse des Kindes an selbständiger Lebensführung muss insoweit hinter die wirtschaftlichen Interessen der unterhaltsverpflichteten Eltern zurücktreten. Eine Änderung der von den Eltern getroffenen Bestimmung ist somit die Ausnahme, die für die Eltern zudem zumutbar sein muss (vgl. OLG Köln a.a.O.). </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze kann ein besonderer Grund im Sinne von § 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht festgestellt werden. Auf den Vorfall im Dezember 19## kann nicht entscheidend abgestellt werden. Denn es handelte sich um einen einmaligen Vorgang. Aufklärung darüber, ob der Antragsgegner hierbei einen Erziehungsfehler begangen hat, ist nicht notwendig. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die schriftsätzlich von der Antragstellerin vorgetragenen Bedenken hinsichtlich der Bereitstellung von Nahrungsmitteln sind bei der Anhörung der Antragstellerin unbedeutender geworden, da sie selbst einräumte, dass die Differenzen hierzu u.a. auf eine verschiedene Geschmacksrichtung der Beteiligten zurückzuführen ist. Im Vordergrund steht ersichtlich der psychische Druck, dem sich die Antragstellerin in der damaligen Situation in der Wohnung ausgesetzt glaubte. Die Kammer verkennt nicht, dass nach der Anhörung der Beteiligten und der Zeugen festzustellen ist, dass einige Zeit nach dem Auszug der Mutter der Gesprächskontakt zwischen den Beteiligten gering geworden war. Auf der anderen Seite ist aber auch deutlich geworden, dass diese Kontaktschwierigkeiten zwischen den Beteiligten auf die Spannungen zwischen dem Antragsgegner und seiner ehemaligen Ehefrau zurückzuführen waren. Dieser Zusammenhang ist der Antragstellerin auch bewusst gewesen, wie sich aus ihrer Anhörung ergeben hat. Als Studentin besitzt sie im übrigen genügend Kenntnisse um solche Auswirkungen zu verstehen</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Nach der Überzeugung der Kammer reicht die vom Auszug der Mutter bis zum Auszug der Antragstellerin verstrichene Zeit nicht aus, um bereits eine tiefgreifende Entfremdung zwischen den Beteiligten festzustellen. Die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, auch wenn diese bereits volljährig sind, sind Schwankungen unterworfen. Nicht jede Auseinandersetzung, mag sie auch längere Zeit andauern, führt bereits zu einer völligen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses. Der Antragstellerin ist es als 22jähriger Studentin auch zuzumuten abzuwarten, wie sich das Verhältnis zu ihrem Vater entwickelt, nachdem das Scheidungsverfahren inzwischen durchgeführt worden ist. Auf eine mögliche Verschlechterung des Verhältnisses dadurch, dass die Antragstellerin bereits vorzeitig im Dezember 19## die Wohnung verlassen hat, kann sich die Antragstellerin nicht berufen, da sie diesen Umstand selbst zu vertreten hat. Die räumlichen Verhältnisse in der Wohnung des Antragsgegners reichten aus, um der Antragstellerin eine hinreichende eigene Privatsphäre zu sichern. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die Nichterstattung von außergerichtlichen Kosten beruht auf § 13a FGG. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Geschäftswert: 5.000,-- DM (§§ 94 Abs. 2, 30 Abs. 3 KostO) </p>
|
315,649 | ag-bonn-1984-11-28-11-c-46384 | {
"id": 634,
"name": "Amtsgericht Bonn",
"slug": "ag-bonn",
"city": 394,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 11 C 463/84 | 1984-11-28T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:07 | 2019-03-27T09:42:34 | Urteil | ECLI:DE:AGBN:1984:1128.11C463.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p> </p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner. </p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. </p>
<p></p>
<p>Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 380,-- DM vorläufig abzuwenden, falls nicht die Beklagten vor Einleitung der Zwangsvollstreckung Sicherheit in </p>
<p>gleicher Höhe leisten. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tat b e s t a n d:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Kläger sind Eigentümer eines Hausgrundstücks mit Garten. Die Beklagten haben das daneben liegende Hausgrundstück gemietet und halten eine Katze.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Kläger behaupten, diese Katze der Beklagten betrete häufiger ihr Grundstück und dringe auch durch offene Fenster oder Türen in ihr Haus ein.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Kläger beantragen, </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Hauskatze so zu halten und zu überwachen, dass sie von dem Grundstück der Kläger fernbleibt und für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von 500,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft anzudrohen. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Klage ist unbegründet. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Den Klägern steht ein Unterlassungsanspruch der Störung ihres Besitzes durch die Katze der Beklagten nicht zu. Ein solcher sich auf §§ 906<i>, </i>1004 BGB stützender Unterlassungsanspruch steht den Klägern auch dann nicht zur Seite, wenn man unterstellt, dass es tatsächlich die Katze der Beklagten ist, die<i> </i>das Grundstück der Kläger von Zeit zu Zeit betritt. Die<i> </i>Kläger sind nämlich zur Duldung der möglichen Beeinträchtigung, die<i> </i>durch dieses Betreten verursacht wird, verpflichtet. Maßgebend für die Bewertung einer<i> </i>solchen Beeinträchtigung ist nicht das subjektive, evtl. überspitzte Empfinden eines<i> </i>Gestörten, sondern daß eines<i> </i>normalen Durchschnittsbürgers. Entscheidend kommt es hierbei auch auf die Ortsüblichkeit an. Dabei<i> </i>ist<i> </i>festzustellen, daß das Grundstück der Kläger in einer gemischt bebauten Gegend in einem Vorort von Bonn liegt, in dem das Halten einer Hauskatze durchaus üblich ist. Es würde der artgerechten Haltung einer solchen Hauskatze widersprechen, sie<i> </i>ausschliesslich in der Wohnung einzusperren. Wie gerichtsbekannt ist, ist das freie Herumlaufen von Katzen in der Wohngegend der Parteien dabei auch durchaus ortsüblich. Würde man den Abwehranspruch der Kläger als begründet ansehen (so AG Passau in<i> </i>NJW 1983 2885), würde dies darauf hinauslaufen, den Nachbarn eine artgerechte Katzenhaltung zu verbieten. Ein derartiger Eingriff verstößt jedoch gegen das nachbarrechtliche Gemein- schaftsverhältnis, das soweit wie möglich die Duldung gegenseitigen leichter Beeinträchtigungen unbeschadet etwaiger Schadensersatzansprüche bei Beschädigungen beinhaltet. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die<i> </i>Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711<i> </i>ZPO. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><u>Streitwert:</u> 2.000,00 DM</p>
|
315,650 | ag-dusseldorf-1984-11-26-47-c-31884 | {
"id": 653,
"name": "Amtsgericht Düsseldorf",
"slug": "ag-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 47 C 318/84 | 1984-11-26T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:08 | 2019-03-27T09:42:34 | Urteil | ECLI:DE:AGD:1984:1126.47C318.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat das Amtsgericht Düsseldorf</p>
<p>auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 1984</p>
<p>durch den Richter am Amtsgericht X</p>
<p></p>
<p>für R e c h t erkannt:</p>
<p></p>
<p> 1) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,</p>
<p> an den Kläger DM 198,89 nebst 4 % Zinsen seit 16. Mai</p>
<p> 1984 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p> 2) Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten</p>
<p> des Verfahrens.</p>
<p></p>
<p> 3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px"><u>T a t b e s t a n d :</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Am 16. Dezember 1983 gegen 7.50 Uhr befuhr die Tochter des Klägers, die Zeugin X, mit dem auf den Kläger zugelassenen PKW XXX, amtl. Kennzeichen XX – XX XX, den XXXX in X. Sie war auf der Suche nach einem Parkplatz auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Nachdem sie links in eine auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Parkbucht abbiegen wollte, fuhr der auf der Gegenfahrbahn in Gegenrichtung befindliche Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug rückwärts und es kam zum Zusammenstoß zwischen den beiden Fahrzeugen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Klägerin verlangt Ersatz der Reparaturkosten über DM 292,78, Nutzungsausfall für 2 Tage über DM 65,- - und allgemeine Unkostenpauschale über DM 30,- -, insgesamt DM 387,78. Die Beklagten haben hierauf unter Kürzung der Unkostenpauschale auf 20,- - DM den Schaden über 50 % reguliert.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">DM 198,89 nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Beklagen beantragen, </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Beklagten tragen vor:</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Als der Beklagte zu 1) begonnen habe rückwärts zu fahren, sei die Fahrbahn hinter ihm frei gewesen und die Zeugin X sei in diesem Zeitpunkt noch nicht neben seinem Fahrzeug gestanden. Er habe sich ordnungsgemäß in dem Rückspiegel innen und außen vergewissert, dass die Straße hinter ihm frei gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen X, XX, X, X und X. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px"><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</u></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Klage ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Der Beklagte zu 1) hat den Verkehrsunfall verschuldet, indem er sich beim Rückwärtsfahren nicht so verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist (§ 9 Abs. 5 StVO). Die Haftung der Beklagten ergibt sich aus §§ 7 StVG, 823 BGB, 3 PflVSG.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Klägers tritt hinter dem Alleinverschulden des Beklagten zu 1) zurück.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">1.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Der Unfall ist unstreitig beim Rückwärtsfahren des Beklagten zu 1) zustande gekommen. Es spricht deshalb der Anscheinsbeweis dafür, dass sich der Beklagte nicht ordnungsgemäß verhalten hat. Auf ein Vorfahrtsrecht kann sich der Beklagte nicht berufen. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. November 1983 – 5 Ss OWi 444/83 – 362/83 I und r + s 1984, Seite 88 – ist nicht einschlägig. Sie bezieht sich ausdrücklich nur auf Kreuzungen und Einmündungen und damit auf die Vorschrift des § 8 StVO, bei der ein Autofahrer immer damit rechnen muss, dass ein anderer Autofahrer – sei es vorwärts oder rückwärts – sein Vorfahrtsrecht wahrnimmt. Im vorliegenden Fall ist die Situation anders gelagert. Der Beklagte hatte sein Vorfahrtsrecht wahrgenommen dadurch, dass er an der Zeugin X vorbeigefahren war. Damit konnte die Zeugin X gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO abbiegen, da sie ordnungsgemäß das entgegenkommende Fahrzeug des Beklagten zu 1) hat durchfahren lassen. Mit einem Rückwärtsfahren musste sie nicht rechnen, da die vorgeschriebene Fahrtrichtung für den Beklagten zu 1) unter Beachtung des Rechtsfahrgebotes (§ 2 Abs. 1 StVO) vorwärts und nicht rückwärts war. Eine andere Auslegung würde nicht nur zu chaotischen Verkehrsverhältnissen führen, sondern die Vorschrift des § 9 Abs. 5 StVO über die bei Rückwärtsfahren zu beachtende Sorgfaltspflicht völlig außer Kraft setzen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">2.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Der Beklagte zu 1) hat nicht bewiesen, dass er die Sorgfaltspflicht beim Rückwärtsfahren beachtet hat. Zwar bestätigen die von ihm benannten Zeugen XX und X, der Beklagte zu 1) habe in den Innen- und Außenspiegel geschaut, bevor er zurückgesetzt habe. Das Gericht vermag diesen Zeugen nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass den Aussagen von Beifahrern nur eine sehr geringe Beweiskraft zuzumessen ist, da eine – zumindest unbewusste – Identifizierung mit dem Fahrer nicht völlig auszuschließen ist, handelt es sich bei dem Zeugen XX um den Bruder und bei der Zeugin X um eine Freundin des Beklagten zu 1), so dass beide nicht als neutrale Zeugen anzusehen sind. Unbefriedigend ist nicht nur diese ungünstige Motivlage, sondern auch der Umstand, dass sich der Zeuge XX nicht einmal an den sehr wichtigen Umstand erinnern konnte, ob sich der Beklagte umgedreht hatte, bevor er das Fahrzeug zurücksetzte.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">3.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Dass die Zeugin X nicht – auch nur teilweise – neben dem Fahrzeug des Beklagen zu 1) eingeordnet gewesen ist, sondern hinter das zurückfahrende Fahrzeug des Beklagten von der gegenüberliegenden Seite "herbeihuschte", um möglichst schnell eine Parklücke auf der linken Seite zu erreichen, ist nicht bewiesen. Zwar haben die Zeugen X und XX ausgesagt, in dem Moment, als sie angehalten hätten, habe kein Fahrzeug neben dem ihrigen gestanden. Abgesehen von den unter Ziffer 2) aufgeführten Bedenken gegen die Aussagen dieser Zeugen steht ihren Aussagen die Bekundungen der Zeugen X und XX entgegen. Die Beklagten sind insoweit für ihren Vortrag beweisfällig geblieben. Bei dieser Beweislage musste der Beklagte zu 1) beim Zurückstoßen darauf achten, dass der Gefahrraum hinter dem Kraftfahrzeug frei war und von hinten wie von den Seiten her frei blieb (vgl. Jagusch/Hentschel, 27. Aufl. Straßenverkehrsrecht, § 9 StVO RdNr. 51). Er hätte sich deshalb nicht nur auf den Innen- und Außenspiegel verlassen dürfen, sondern hätte sich insgesamt umdrehen müssen, um sicher zu gehen, dass weder von hinten noch von seitlich danebenstehenden Fahrzeugen eine Gefahr ausging.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">4.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Schadenshöhe ist zwischen den Parteien bis auf die Unkostenpauschale unstreitig. Gemäß § 287 ZPO schätzt das Gericht die im vorliegenden Fall angemessenen Kostenpauschale auf DM 30,--. Dies entspricht bei Unfallregulierungen der üblichen Pauschale.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Zinsforderung ist aus §§ 284, 288 BGB gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.</p>
|
315,651 | olgham-1984-11-23-20-u-18784 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 187/84 | 1984-11-23T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:10 | 2019-03-27T09:42:34 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1984:1123.20U187.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. März 1984 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert.</p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,- DM abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der am ... durch Selbstmord aus dem Leben geschiedene ... war bei der Beklagten haftpflichtversichert. Dem Versicherungsvertrag lagen u.a. die AHB in der früheren Fassung, nach deren §1 Versicherungsschutz für den Fall gewährt wurde, daß gegen den Versicherungsnehmer wegen eines während der Wirksamkeit des Vertrages eingetretenen "Ereignisses" (neuere Fassung: "Schadensereignisses") Haftpflichtansprüche Dritter entstanden, und außerdem die "Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen zu Privat-, Familien- und Sporthaftpflichtversicherung" zugrunde. Diese letzteren lauten u.a.:</p>
<br /><span class="absatzRechts">3</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>"I.</i>
<i>Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens - mit Ausnahme der Gefahren eines Betriebes, ... oder einer ungewöhnlichen, gefährlichen Beschäftigung - ..."</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">... hat am ... in Selbstmordabsicht den Stopfen einer stillgelegten Gasleitung in seiner Wohnung entfernt und ist dann durch das austretende Gas tötlich vergiftet worden. Als ein anderer Mitbewohner des Hauses im Treppenhaus den Lichtschalter betätigte, kam es zu einer Explosion, durch die das Haus völlig zerstört wurde. Die Eigentümer ließen das Haus wieder aufbauen und machten ihren nicht durch den Feuerversicheer ersetzten Schaden am 9.12.81 und 14.6.82 gegenüber der Beklagten geltend. Die Beklagte lehnte jede Haftung ab.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Ehefrau des Herrn ... schlug, zugleich für ihren minderjährigen Sohn, die Erbschaft durch Erklärung vom 16.11.1981 - eingegangen beim Nachlaßgericht am gleichen Tage - aus. Weitere Erben schlugen im März 1982 aus.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit Beschluß des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 2.11.1983 wurde Rechtsanwalt ... zum Nachlaßpfleger für die unbekannten Erben des Herrn ... bestellt. Er hatte die Beklagte bereits mit Schreiben vom 12.7.1983 zur Erteilung von Deckungsschutz aus der Haftpflichtversicherung aufgefordert. Diese hatte mit Schreiben vom 21.7.1983 unter Fristsetzung nach §12 III VVG abgelehnt.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit Klage vom 19.1.1984 - zugestellt am 23.1.1984 - hat er dann im Namen der unbekannten Erben Klage auf Deckungsschutz erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Er hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die durch den Nachlaßpfleger vertretenen Erben im Deckungsverhältnis hinsichtlich des Schadensersatzanspruches des Hauseigentümers freizustellen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Sie beruft sich auf Verjährung. Sie meint weiterhin, ihre Leistungspflicht bestehe nicht, da der Schaden erst nach dem Tode, also nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses, entstanden sei. Im übrigen sei der Schaden vorsätzlich herbeigeführt worden, so daß eine Einstandspflicht nach §4 II 1 AHB ausscheide. Außerdem hafte sie auch deshalb nicht, weil es sich um eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung handele.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Beide Parteien wiederholen in der Berufungsinstanz ihre erstinstanzlichen Argumente und Anträge.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die beigefügten Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat Erfolg. Die Beklagte ist aus dem mit dem verstorbenen Herrn ... abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag nicht zur Gewährung von Versicherungsschutz verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><b>1)</b></p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Versicherungsschutz entfällt nicht deshalb, weil der Versicherungsnehmer bereits vor der Explosion verstorben ist. Zwar endete der Vertrag, bei dem es sich um einen personenbezogenen und nicht um einen sachbezogenen Haftpflichtversicherungsvertrag handelte, wegen Wegfalls des versicherten Risikos nach §9 III der damaligen (§9 IV der jetzigen) AHB (Bruck-Möller-Johannsen, 8. Aufl., Allgemeine Haftpflichtversicherung, Anm. D 28; Wussow, AHB, 8. Aufl., §1 Anm. 20; §9 Anm. 15) mit dem Tode des Versicherungsnehmers. Jedoch war zu diesem Zeitpunkt das die Schadensersatzansprüche Dritter auslösende Ereignis bereits eingetreten.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Entscheidend ist hier nicht die jetzige Fassung der AHB, bei denen das Wort "Ereignis" durch "Schadensereignis" ersetzt wurde. Diese Änderung ist erst durch Verordnung des Bundesaufsichtsamtes für Versicherungen vom 15.1.1982 genehmigt worden (VBAAV 82, 65 f, 122 f). Diese Änderung kann nicht schon für den Versicherungsfall vom 6.10.1981 gelten. Unabhängig davon, ob die Änderung der AHB auch für laufende Versicherungsverträge gültig wird, kann jedenfalls eine solche Änderung nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers bei einem schon eingetretenen Versicherungsfall angewandt werden.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Aus dem Zweck einer personenbezogenen Haftpflichtversicherung ist "mit Rücksicht auf die primär hervorzuhebende Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für die Ursächlichkeit des Geschehens" grundsätzlich auf den Verstoß selbst abzustellen (Johannsen a.a.O., Anm. B 22). Danach kann es zumindest für die frühere Fassung der AHB nicht auf das Schadensereignis ankommen, wenn darunter allein die Explosion verstanden werden sollte, sondern es muß auf das Kausalereignis, die schadenstiftende Handlung des Versicherungsnehmers, abgestellt werden. Insoweit folgt der Senat der Auffassung des Bundesgerichtshofs (VersR 81, 173). Die von Prölss-Martin (23. Aufl., §149 VVG, Anm. 2 A e) dagegen vorgebrachten Bedenken überzeugen nicht. Der Versicherungsnehmer darf erwarten, daß er auch für die nach Vertragsbeendigung eintretenden Schäden, deren Ursache in die Vertragszeit fällt und für die er haftpflichtig bleibt, Versicherungsschutz hat. Demgegenüber hat er bei dieser Auslegung der Bedingungen für vor Vertragsbeginn liegende Handlungen keinen Versicherungsschutz. Ein durchschnittlicher und gewissenhafter Versicherungsnehmer wird auch nicht erwarten, daß ein Versicherer bereit sein könnte, einen schon von vornherein schadensbelasteten Vertrag abzuschließen (BGH VersR 81, 174). Daß der Versicherer bei dieser Auslegung gezwungen ist, Reserven für Schäden nach Vertragsbeendigung anzulegen, ist kein stichhaltiges Gegenargument.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Im übrigen neigt der Senat im konkreten Fall auch dazu, nicht erst die Explosion, sondern bereits das allmähliche Anfüllen des Hauses mit Gas als das eigentliche Schadensereignis anzusehen, dessen Folge erst die Explosion war. Bei dieser Auffassung ist auch das Schadensereignis bereits vor dem Tod eingetreten. Dies braucht aber wegen der vorangehenden Darlegungen nicht vertieft zu werden.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"><b>2)</b></p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist auch nicht wegen Vorsatzes des Versicherungsnehmers nach §4 II 1 AHB leistungsfrei. Der Vorsatz muß nach herrschender Meinung die Schadensfolgen mitumfassen (vgl. Prölss-Martin, nach §158 k VVG, §4 AHB, Anm. 7 m.w.N.). Dabei reicht bedingter Vorsatz aus. Der Versicherungsschutz wäre damit nur dann ausgeschlossen, wenn sich der Versicherungsnehmer die Explosion als Folge seines Tuns vorgestellt und billigend in Kauf genommen hat. Das kann die Beklagte nicht beweisen. Vorstellungen und Willensrichtungen eines Selbstmörders vor seiner Tat sind nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Möglicherweise sind seine Vorstellungen und Gedanken auf die eigene Person und auf die bestehende oder angenommene Ausweglosigkeit der eigenen Situation fixiert und eingeschränkt, so daß Auswirkungen seines Tuns auf Dritte gar nicht mehr erfaßt und bedacht werden. Daher kann aus der sich in der Tat aufdrängenden Gefährlichkeit seines Tuns nicht darauf gefolgert werden, daß ihm dies auch bewußt ist und daß er darüber hinaus etwaige Folgen noch billigend in Kauf genommen hat. Hier gibt es keine allgemeinen Erfahrungssätze. Auch besondere Umstände dieses konkreten Falles geben keine besonderen Anhaltspunkte für einen Vorsatz des Versicherungsnehmers. Die Aussage seiner Ehefrau vom 6.10.1981 vor der Polizei in ... (vgl. Bl. 69 der Strafakten) spricht eher dagegen, daß er sich eine Explosion und Zerstörung des Hauses vorgestellt haben könnte. Wenn er ihr ankündigte, sie könne am 7.10.1981 die Polizei benachrichtigen die ihn dann tot in der Wohnung vorfinden werde, spricht das gegen seine Vorstellung, er werde eine Explosion verursachen und so das Haus zerstören. Weiteren Beweis hat die Beklagte nicht angetreten.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks"><b>3)</b></p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag entfällt aber deshalb, weil die Voraussetzungen der "Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen" nicht vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Senat hält schon für zweifelhaft, ob es sich hier um Haftpflichtansprüche handelt, die Herrn Bartel, dem Versicherungsnehmer, aus "Gefahren des täglichen Lebens" erwachsen sind. Bei lebensnaher Betrachtungsweise und nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sind Schadensersatzansprüche aus Anlaß eines Selbstmords keine Verwirklichung der Gefahren des täglichen Lebens. Dieser Begriff soll die Gesamtheit der sozialen Kontakte und Berührungspunkte des Versicherungsnehmers im menschlichen Zusammenleben, aus denen er schadensersatzpflichtig werden könnte, bezeichnen und gleichzeitig eine Abgrenzung zur Betriebshaftpflicht bilden. Nur soweit sich der Versicherungsnehmer nicht bewußt grundlegende Regeln dieses sozialen Zusammenlebens mißachtet und für sich außer Kraft setzt, kann er Versicherungsschutz erwarten. Deshalb hat der Senat bei Schäden, die bei der Begehung eines Einbruchsdiebstahls verursacht wurden, Versicherungsschutz verneint (OLG Hamm, VersR 82, 566). Diese Einschränkung ist nicht auf Straftaten zu begrenzen. Auch ein Selbstmord ist eine so weitreichende Abweichung von allgemeinen Regeln und üblichem Verhalten, daß sich für den Selbstmörder damit nicht mehr die Gefahren des täglichen Lebens verwirklichen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn aber noch von Gefahren des täglichen Lebens ausgegangen werden sollte, ist hier der Schaden "bei einer ungewöhnlichen, gefährlichen Beschäftigung" entstanden. Erforderlich ist dafür, daß die schadenstiftende Handlung im Rahmen einer allgemeinen Beschäftigung erfolgt, die ihrerseits ungewöhnlich und gefährlich ist (Prölss-Martin, nach §§149 ff. VVG, nach §11 AHB, Anm. 3; Bruck-Möller-Johannsen, Anm. G 271; BGH VersR 56, 283; 81, 271/3; OLG Hamm, VersR 73, 1133; 79, 175; 81, 122; 82, 565). Es kommt nicht darauf an, ob die einzelne schadenstiftende Handlung ungewöhnlich und gefährlich ist, sondern ob die genannten Merkmale für die Beschäftigung gelten, in deren Rahmen es zu der schadenstiftenden Handlung gekommen ist (BGH VersR 81, 273). Schadenstiftende Handlung ist hier das Öffnen der Gasleitung, so daß Gas ungehindert und unbewacht ausströmen konnte und im Rahmen der Gesamtplanung auch sollte. Das ist als Einzelhandlung sicher ungewöhnlich und gefährlich. Wegen der übergeordneten allgemeinen Beschäftigung ist nicht auf das Begehen eines Selbstmords abzustellen. Das ist keine Beschäftigung des täglichen Lebens, sondern eine Reaktion in einer wirklichen oder vermeintlichen Ausnahmesituation und im übrigen auch wegen der zahlreichen unterschiedlichen Begehungsmöglichkeiten nicht signifikant. Allgemeine Handlungen sind hier das Manipulieren an einer stillgelesten Gasleitung und deren Öffnen in dem Bewußtsein, das Gas werde danach ungehindert und unbewacht ausströmen. Dies ist einmal im hohen Grad ungewöhnlich und unüblich. Nur in seltenen Ausnahme fällen wird eine solche Handlung vorgenommen werden. Es ist auch gefährlich. Es besteht nämlich die Gefahr, daß dabei Dritte - nur auf diese, nicht auf den Versicherungsnehmer kommt es bei der Haftpflichtversicherung angeschädigt und der Versicherungsnehmer und damit auch der Versicherer deshalb Ansprüchen ausgesetzt werden.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Damit entfällt hier ein Versicherungsanspruch.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks"><b>4)</b></p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Solche Haftpflichtansprüche wären übrigens entgegen der Ansicht der Beklagten nicht verjährt gewesen. Ehefrau und Sohn des Versicherungsnehmers haben die Erbschaft rechtzeitig ausgeschlagen (§1944 BGB). Deren etwaige Kenntnis von der Anspruchserhebung durch die Eigentümer ist damit nicht den jetzigen - unbekannten - Erben zuzurechnen. Damit hat der Lauf der zweijährigen Verjährungsfrist (§12 I VVG), die mit der Geltendmachung der Ansprüche der Geschädigten beginnt, erst mit der Ernennung des Nachlaßpflegers (2.11.1983) begonnen. Selbst wenn der Ablauf der Verjährungsfrist schon früher begonnen hätte, konnte diese erst sechs Monate nach diesem Zeitpunkt ablaufen (§207 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die am 23.1.1984 zugestellte Klage war damit immer rechtzeitig. -</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks"><b>5)</b></p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§91, 708 Ziffer 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der Wert der Beschwer beträgt 224.563,- DM.</p>
|
315,652 | ag-dusseldorf-1984-11-19-47-c-17184 | {
"id": 653,
"name": "Amtsgericht Düsseldorf",
"slug": "ag-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 47 C 171/84 | 1984-11-19T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:11 | 2019-03-27T09:42:34 | Urteil | ECLI:DE:AGD:1984:1119.47C171.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat das Amtsgericht Düsseldorf</p>
<p>auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 1984</p>
<p>durch den Richter am Amtsgericht X</p>
<p></p>
<p>für R e c h t erkannt:</p>
<p></p>
<p></p>
<p> Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger</p>
<p> als Gesamtgläubiger DM 285,-- nebst 4 %</p>
<p> Zinsen seit dem 20.12.1983 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p> Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p> Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die</p>
<p> Kläger 4/7, die Beklagte 3/7.</p>
<p></p>
<p> Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px"><u>Tatbestand:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Kläger buchten bei der Beklagten zu Gesamtpreis von DM 2.850,-- für die Zeit vom 4. September 1983 bis 18. September 1983 eine Flugpauschalriese mit Halbpension in dem X nach Gran Canaria. In dem von der Beklagten herausgegebenen Reiseprospekt war die Unterbringung fälschlicherweise in einem Drei-Sterne-Hotel vorgesehen, während das Hotel lediglich zu der Zwei-Sterne-Kategorie gehörte. In dem Prospekt wird ferner geworben mit "viel Animation… Bodega, Terrassenbar, Poolbar, Discothek, Folklore-Shows, abwechslungsreiches Abendprogramm…. für zwanglose Ferien mit viel Animation in legerer Club-Atmosphäre…" </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Kläger tragen folgendes vor:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">1.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Wäre ihnen bei der Auswahl des Hotels die Einstufung als Zwei-Sterne-Hotel bekannt gewesen, hätten sie sich für ein anderes Hotel entschieden, da mit der Einstufung eines Hotels gewisse Qualitätsvorstellungen verbunden seien.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">2.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Das gebuchte Hotel habe die Einstufung als Hotel nicht verdient, da bei einem Hotel üblicherweise vorausgesetzt werde, dass Rezeption und Speiseräume sich im selben Gebäude befinden würden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">3.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Das Hotel sei im unteren Bereich (Treppenhaus und Eingangsraum vor dem Aufzug) neu gestrichen worden, so dass es ständig nach Farbe gerochen habe. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">4.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Von dem vor dem Hotel liegenden Open-air-Restaurant seien bis 22,30 Uhr jeden Abend unerträglicher Lärm ausgegangen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Gäste hätten bis drei Uhr morgens täglich an der Bodega gefeiert und erheblichen Lärm gemacht, der auch noch in ihrem Zimmer im vierten Stock zu hören gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">6.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Neben der Club-Anlage in einer Entfernung von ca. 1,5 km habe sich ein Flugplatz für Sportflugzeuge und Propellermaschinen befunden. Die Flugzeuge hätten die gesamte Clubanlage in der Mitte überquert, wodurch erhebliche Lärmbeeinträchtigung entstanden sei.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Kläger verlangen Reisepreisminderung um 25 % und beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtschuldner</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">DM 712,50 nebst 4 % Zinsen seit dem 20.12.1983 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px"></p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Beklagte trägt vor:</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">1.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die falsche Einstufung sei auf ein radaktionelles Versehen zurückzuführen; im übrigen sei damit keine qualitative Beeinträchtigung für die Kläger verbunden gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">2.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Das gebuchte Hotel verdiene die Bezeichnung als Hotel.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">3.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Beklagte bestreitet, dass in dem von den Klägern angegebenen Bereich Anstricharbeiten durchgeführt wurden.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">4.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Im Bezug auf das Open-air-Restaurant hält die Beklagte eine Störung der Nachruhe für nicht gegeben, vielmehr hätten die Kläger aufgrund der Prospektbeschreibung von einem abwechslungsreichen Urlaub ausgehen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">5.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Beklagte bestreitet, dass sich in der Bodega nachts bis gegen 3.00 Uhr lärmende Gäste aufgehalten haben sollen. </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">6.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Beklagte behauptet, der Flugplatz sei einige Kilometer entfernt gewesen, auch habe es sich nur um einen kleinen Sportflugplatz gehandelt.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px"><u>Entscheidungsgründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Klage ist teilweise begründet.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">1.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Beklagte ist im Hinblick auf die falsche Katalogbeschreibung verpflichtet, den Klägern 10 % des Reisepreises (= DM 285,--) zurückzuerstatten. Unstreitig hat die Beklagte das Hotel mit Drei-Sternen eingestuft, obwohl es sich nur um ein Zwei-Sterne-Hotel gehandelt hat. Unerheblich ist es , ob dies auf ein Verschulden der Beklagten zurückzuführen ist und ob damit eine konkrete Qualitätseinbuße für die Kläger verbunden war. Selbst nach dem Prospekt der Beklagten (Seite 3) entspricht die Anzahl der Sterne der "offiziellen staatlichen Einstufung…des jeweiligen Landes" und muss damit bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen. Wenn in dem Prospekt der Beklagten weiter ausgeführt wird:</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">"Die Kategorisierung durch die "Sternchen" soll Ihnen </p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">lediglich eine grobe Vorauswahl erleichtern. Wesentlich</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">für ihre definitive Entscheidung bei der Wahl ihres Urlaubs-</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">hotels sind unsere sachlichen Beschreibungen der Häuser…" </p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">macht diese Aussage in dem Prospekt der Beklagten die Einteilung in "Sternchen" nicht wert- und wirkungslos. Falls dies der Fall sein sollte, könnte die Beklagte immer die Hotel-Klassifizierung in "Sternchen" weglassen. Indem sie trotzdem diese Einstufung vornimmt, will sie eine bestimmte Aussage über den Standard des betreffenden Hauses machen. Für den Reisenden ist diese Einstufung das wesentliche Kriterium bei der Auswahl des Reisezieles. Es muss auch berücksichtigt werden, dass gerade zwischen zwei und drei Sternen ein großer Unterschied in der Qualität anzutreffen ist, da ein Zwei-Sterne-Hotel mehr dem sehr einfachen Standard, ein Drei-Sterne-Hotel jedoch mehr dem gehobenen Standard zuzuordnen ist. Der Unterschied liegt deshalb häufig in der Qualität des Essens und Service. Dies wird jedoch aus der einzelnen Prospektbeschreibung, wie sie die Beklagte vornimmt, nicht deutlich, vielmehr drückt gerade die unterschiedliche Einstufung in "Sternchen" diesen qualitativen Unterschied aus. Nur ein abstrakter Maßstab kann insoweit der unterschiedlichen Kategorisierung der Hotelangebote gerecht werden, da sowohl aus der Sicht des Reiseveranstalters als auch der des Reisenden bei Kennzeichnung mit einem Stern mehr die Vorstellung von einem besseren Hotel verbunden ist.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">2.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Im Hinblick auf die Bezeichnung als Hotel genügte die den Klägern gewährte Unterbringung diesen Anforderungen. Nach dem Prospekt mussten die Kläger von einem weitläufigen Ferienzentrum ausgehen, in dem Hotels, Bungalows und Appartements zusammengefasst sind. Sie konnte deshalb nicht ein für das Hotel seperates Restaurant und eine getrennte Rezeption erwarten, zumal da im Prospekt gesondert erwähnt wird, dass in dem Selbstbedienungsrestaurant auch Bungalows- und Appartementsgäste essen können. </p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">3.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Offenbleiben kann, inwieweit tatsächlich Anstricharbeiten durchgeführt wurden. Der Vortrag der Kläger lässt nicht erkennen, dass sie in ihrem Zimmer in der 4. Etage noch durch eventuelle Anstricharbeiten im Erdgeschoss beeinträchtigt wurden. </p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">4.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Von dem Open-air-Restaurant mussten die Kläger Lärmbeeinträchtigungen hinnehmen. Der Prospekt spricht von vin Animation und abwechselungsreichen Abendprogramm, so dass mit Vorstellungen bis zu 23.30 Uhr gerechnet werden musste.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">5.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Offenbleiben kann, ob Gäste von der Bodega aus erheblichen Lärm verursachen. Die Kläger haben aufgrund der Prospektbeschreibung damit rechnen müssen, dass sie keinen ruhigen, sondern einen lebhaften und damit auch mit einigem Lärm verbundenen abwechselungsreichen Urlaub gebucht hatten. </p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">6.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Der Vortrag der Kläger zur Beeinträchtigung durch Fluglärm ist unschlüssig. Die Kläger tragen nicht vor, in welcher ungefähren Höhe die Flugzeuge das Gelände überflogen haben und in welchem Zeitabstand sie in der Regel gekommen sind. Da es sich nicht um einen großen Flugplatz für Düsenflugzeuge, sondern um einen reinen Sportflugplatz für kleinere Flugzeugtypen gehandelt hat, wäre insoweit ein substantiierter Vortrag erforderlich gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Zinsforderung ist aus §§ 284, 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:23px">Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 708 Nr. 11, 713 ZPO.</p>
|
315,653 | olgd-1984-11-15-8-u-2684 | {
"id": 820,
"name": "Oberlandesgericht Düsseldorf",
"slug": "olgd",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 8 U 26/84 | 1984-11-15T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:14 | 2019-03-27T09:42:33 | Urteil | ECLI:DE:OLGD:1984:1115.8U26.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 16. Dezember 1983 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>T a t b e s t a n d</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war seit Mitte Juni 1981 als Dachdecker bei der H… C… Bedachungsgeschäft GmbH in R…/W… beschäftigt. Am 11. Juli 1981 zog er sich bei einem Unfall ein Schädelhirntrauma mit intracerebraler Blutung zu. Infolge der Verletzung war er arbeitsunfähig. Nach stationärer Behandlung wurde er seit dem 06. Oktober 1981 von Dr. med. K… versorgt, der als niedergelassener Arzt mit Kassenarztzulassung in V… praktiziert. Am 04. März 1982 suchte der Kläger im Rahmen des laufenden Behandlungsverhältnisses die Praxis von Dr. K… auf, der sich damals im Urlaub befand. Dort wurde er von dem Beklagten, der noch keine Kassenarztzulassung besaß und aufgrund Privatdienstvertrages als ärztlicher Vertreter für Dr. K… in der Praxis tätig war, untersucht.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Auf dem Vordruck für die Innungskrankenkasse in R… als Krankenversicherer nach der Reichsversicherungsordnung vermerkte der Beklagte, dass der Kläger arbeitsfähig sei. Der Kläger, der bis zum 04. März 1982 Krankengeld von der Innungskrankenkasse bezogen hatte (Kalendertäglich 65,03 DM), und dessen Arbeitsverhältnis gekündigt worden war, erhielt ausweislich der Bescheinigung der Innungskrankenkasse vom 19. Januar 1983 (Bl. 47 GA) seit dem 05. März 1982 Arbeitslosengeld in geringer Höhe (44,-- DM und später 46,53 DM Werktäglich).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Vom 31. März bis 28. April 1982 hielt sich der Kläger zur Durchführung eines von der Landesversicherungsanstalt angeordneten Heilverfahrens in der Klinik A… auf. Am 29. April 1982 stellte er sich bei Dr. K… vor, der nach Untersuchung eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit feststellte und bescheinigte.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Im Rechtsstreit verlangt der Kläger vom Beklagten 8.129,60 DM als Schadensersatz. Er hat ausgeführt: Aufgrund der Verletzungen aus dem Unfall vom 11. Juli 1981 sei er <u>durchgehend</u> bis zum 14. Januar 1983 arbeitsunfähig gewesen. Die Stellungnahme des Beklagten vom 04. März 1982 sei – wie die späteren Beurteilungen zeigten – sachlich unzutreffend. Sie beruhe auf einer schuldhaften Verletzung ärztlicher Sorgfaltspflichten. In Folge dieses ärztlichen Fehlers habe er (der Kläger) mit Ablauf des 04. März 1982 das nach dem letzten Arbeitseinkommen berechnete höhere Krankengeld eingebüßt. bis zum 14. Januar 1983 würden auf der Grundlage des höheren Krankengeldes 20.449,48 DM angefallen sein. Bezogen habe er über das Arbeitslosengeld nur 12.419,88 DM, also 8.129,60 DM weniger.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nach Abweisung der zunächst auf 7.183,75 DM beschränkten Zahlungsklage durch Versäumnisurteil vom 16. September 1983 hat der Kläger Einspruch eingelegt und beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">das Versäumnisurteil aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 8.129,60 DM zu zahlen nebst 4 % Zinsen seit dem 09. März 1983.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Er hat das Vorbringen zum Grund und zur Höhe des Klagebegehrens bestritten und ein vorwerfbares Fehlverhalten geleugnet.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Am 16. Dezember 1983 hat das Landgericht das Versäumnisurteil aufrecht erhalten und in den Gründen ausgeführt: Es könne dahinstehen, ob der Beklagte den Kläger am 04. März 1982 zu Unrecht Gesund geschrieben habe. Finanzielle Einbußen in Folge einer fehlerhaften Beurteilung der Arbeitsfähigkeit müsse der Kläger alleine tragen, weil er es unterlassen habe, die unrichtige ärztliche Beurteilung und deren Auswirkungen zu beseitigen (§ 254 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Er ergänzt den Sachvortrag und führt aus: Er habe dem Beklagten bei der Untersuchung am 04. März 1982 von der Fortdauer der Unfallverletzungen und Unfallfolgen berichtet. Von der "Gesundschreibung" durch den Beklagten habe er erst nachträglich erfahren. Dem Vorwurf eines die Haftung ausschließenden Mitverschuldens stehe die durch den Unfall vom 11. Juli 1981 ausgelöste Störung des Gedächtnisses und der Merkfähigkeit entgegen. Für den Schaden habe der Beklagte jedenfalls nach den Vorschriften über die unerlaubte Handlung einzustehen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil abzuändern, das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 16. September 1983 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen ,an ihn 8.129,60 DM zu zahlen nebst 4 % Zinsen seit dem 09. März 1983. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Berufung des Klägers zurück zu weisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Er wiederholt den Sachvortrag und tritt dem Klagebegehren mit Rechtsausführungen entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</u></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Der Beklagte ist aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zum Ersatz des Vermögensschadens verpflichtet, der nach der Darstellung des Klägers dadurch ausgelöst worden ist, das der Beklagte am 04. März 1982 den Gesundheitszustand des Patienten verkannt, eine Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit verneint und durch Mitteilung dieser Beurteilung die Einstellung der nach dem letzten Arbeitseinkommen berechneten Krankengeldzahlungen durch die Innungskrankenkasse herbeigeführt hat.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"><u>1.)</u></p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Eine Haftung des Beklagten wegen schuldhafter Verletzung vertraglicher Sorgfaltspflichten scheidet aus, weil zwischen den Prozessparteien vertragliche Beziehungen nicht bestanden haben. Mit der Übernahme der Heilbehandlung wird zwischen dem Arzt und dem Patienten grundsätzlich ein privatrechtlicher Dienstvertrag begründet. Das gilt – nach § 368 b Abs. 4 RVO – auch für die Beziehungen zwischen dem zur kassenärztlichen Versorgung zugelassenen niedergelassenen Arzt und dem Patienten der Krankenversicherungsschutz nach der Reichsversicherungsordnung in Anspruch nimmt (Laufs Arztrecht 2. Aufl., Rdnr. 18). Mit der 1955 eingeführten Regelung, dass der Kassenarzt mit der Übernahme der Behandlung zur Sorgfalt <u>nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechtes verpflichtet sei, </u>hat der Gesetzgeber klargestellt, dass der Kassenpatient, der in der Arztwahl nach § 368 b Abs. 1 RVO frei ist, mit dem Kassenarzt einen privatrechtlichen Dienstvertrag schließt, der sich in der Pflichtenstellung nicht von dem Behandlungsvertrag mit dem sogenannten Selbstzahler unterscheidet (Steffen, Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht, 1984, Abschnitt A I 2 S. 8 unter dem Stichwort "Kassenpatient"; Haueisen in NJW 1956, 1745). für Schäden, die in einem derartigen Behandlungsvertrag aus Fehlern von Hilfspersonen erwachsen, hat alleine der Kassenarzt einzustehen. Erfüllungsgehilfe des Kassenarztes ist auch der ärztliche Urlaubsvertreter der aufgrund Dienstvertrages in der Praxis des abwesenden Kassenarztes Patienten behandelt (BGH NJW 1956, 1834 Nr. 2). Unterlaufen hierbei Fehler, so hat allein der Kassenarzt selbst unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Sorgfaltspflichten für den entstandenen Schaden einzustehen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks"><u>2.)</u></p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz kann auch nicht auf die Vorschriften über die unerlaubte Handlung gestützt werden.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"><u>a)</u></p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Voraussetzung für eine Inanspruchnahme nach § 823 Abs. 1 BGB wäre, dass der im Rechtstreit geltend gemachte Vermögensnachteil durch eine vom Beklagten als Arzt verschuldete Körperverletzung oder Gesundheitsbeeinträchtigung verursacht worden ist. hieran fehlt es nach der eigenen Darstellung des Klägers. Sein Vorwurf geht ausschließlich dahin, dass der Beklagte am 04. März 1982 die damals noch vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen verkannt und insbesondere deren Auswirkungen auf die Arbeitsunfähigkeit fehlerhaft beurteilt habe.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks"><u>b)</u></p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht des Klägers erfüllt die behauptete fehlerhafte Beurteilung des Gesundheitszustandes und der Arbeitsfähigkeit auch nicht den Tatbestand eines haftungsbegründenden Schutzgesetzverstosses im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Danach ist schadensersatzpflichtig, wer gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Für die Qualifizierung einer Rechtsnorm als Schutzgesetz in diesem Sinn ist ausschlaggebend, ob sie nach ihrem Inhalt und nach dem Willen des Gesetzgebers ein bestimmtes Gebot oder Verbot enthält, das neben anderen Zwecken auch gegen eine <u>bestimmte Art</u> der Schädigung individueller Rechtsgüter gerichtet ist.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der vom Kläger als Schutzgesetz in Anspruch genommene § 23 des Heilberufsgesetzes für Nordrhein-Westfalen (vom 30. Juli 1975) deckt sich nach Wortlaut und Stellung innerhalb des Gesetzes mit der Regelung, die für Niedersachsen in § 28 des Kammergesetzes für die Heilberufe vom 30. Mai 1980 getroffen worden ist. Beide Gesetze behandeln die Errichtung der Ärztekammern die unter anderem zuständig sind für den Erlaß der ärztlichen Berufsordnungen und damit für die Normierung der ärztlichen Berufspflichten. Die Bestimmungen (§ 23 des Heilberufsgesetzes und § 28 des Kammergesetzes) sind im jeweiligen Gesetz die Einleitung des Abschnittes über die "Berufsausübung". Mit der Formulierung, die Kammerangehörigen (dazu gehören unter anderem die Ärzte) seien verpflichtet, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen, hat der Gesetzgeber lediglich <u>allgemein umschrieben</u>, was zum Berufsethos gehört. Ein Gebot oder Verbot zum Schutz der Patienten ist nicht ausgesprochen worden. Das war auch nicht der Wille des Gesetzgebers. Wollte man für die Ärzte auf den allgemeinen Grundsatz des "nihil nocere" abstellen, so könnte allenfalls an ein allgemeines Verbot der Schädigung von Körper und Gesundheit durch ärztliche Tätigkeit gedacht werden, nicht aber an den Schutz von Vermögensinteressen (soweit sie nicht die Folge einer Gesundheitsschädigung oder Körperverletzung sind).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks"><u>3.)</u></p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Da das Landgericht somit im Ergebnis richtig entschieden hat, ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Beschwer des Klägers: 8.129,60 DM</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Richter am Landgericht W….</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">K…. B….. ist in seine Planstelle zurückge- treten und ist deshalb gehindert</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">zu unterschreiben.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">K…..</p>
|
315,654 | olgham-1984-11-13-2-wf-35984 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 WF 359/84 | 1984-11-13T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:15 | 2019-03-27T09:42:33 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1984:1113.2WF359.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben, soweit dem Antragsteller Prozeßkostenhilfe versagt worden ist. Die Sache wird insoweit zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, das angewiesen wird-, von den Bedenken der mangelnden Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Klage abzusehen,</p>
<p></p>
<p>2. Der angefochtene Beschluß wird, soweit der Antrag des Antragstellers auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen worden ist, wie folgt abgeändert:</p>
<p>Die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluß des Amtsgerichts - Familiengerichts - Halle/Westf• vom 28. Dezember 1933 (5a F 177/81 UE) wird für die Zeit ab 1. Mai 1984 einstweilen eingestellt, und zwar gegen Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils beizutreibenden fälligen Beträge.</p>
<p>Die Sicherheitsleistung kann durch Beibringung einer selbstschuldnerischen, unwiderruflichen und unbefristeten Bürgschaft der Volksbank Schildesche erbracht werden.</p>
<p></p>
<p>3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt; jedoch werden außergerichtliche Kosten nur nach einem Streitwert von 1.500,-.DM erstattet.</p>
<p></p>
<p>4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird wie folgt festgesetzt:</p>
<p>für die Beschwerde gegen die Versagung der Prozeßkostenhilfe auf 1.500,- DM,</p>
<p>für die Beschwerde gegen die Versagung der einstweiligen Einstellung ebenfalls auf 1.500,- DM,</p>
<p></p>
<p>5. Das Prozeßkostenhilfegesuch der Antragsgegnerin vom 5« November 1984 wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Gründe</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist zulässig, gegen die Versagung der Prozeßkostenhilfe gemäß § 127 II ZPO, gegen die Zurückweisung des Antrags auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung als sofortige Beschwerde gemäß § 795 ZPO. Das Rechtsmittel ist auch begründet,</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">1. Nach Auffassung des Senats kann dem Antragsteller die begehrte Prozeßkostenhilfe nicht mit der Begründung versagt werden, die beabsichtigte Peststellungsklage biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. § 114 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Darauf, ob sich wesentliche Veränderungen gegenüber dem Erlaß der einstweiligen Anordnung vom 28.12.1983 (5a F 177/81 UE AG Halle/Westf.) ergeben haben - nach der der Antragsteller monatlich 355,60 DM an die Antragsgegnerin zu zahlen hat -, kommt es nicht an. Eine Bindung an diese Entscheidung besteht nicht; denn eine einstweilige Anordnung stellt keine rechtskräftige Entscheidung über den Unterhaltsanspruch dar (vgl. BGH, FamRZ 1983, 355 NJW 1983,1330). § 323 ZPO ist hier nicht anwendbar.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand läßt sich ein Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin allenfalls aus § 1573 BGB herleiten. Ein Unterhaltsanspruch wegen Alters (§ 1571 BGB) scheidet bei dem Alter der Antragsgegnerin von 50 Jahren noch aus. Ein Anspruch wegen Krankheit (§ 1572 BGB) kommt ebenfalls nicht in Betracht, da keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen sind, daß die Antragsgegnerin aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten kann.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nach § 1573 BGB kann ein geschiedener Ehegatte Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessen Erwerbstätigkeit zu finden vermag. Voraussetzung hierfür ist, daß er sich intensiv um eine solche Tätigkeit bemüht hat. Die bloße Meldung beim Arbeitsamt reicht nicht aus. Die Antragsgegnerin, die für ihre Bedürftigkeit beweispflichtig ist, hätte im einzelne dartun und unter Beweis stellen müssen, was sie an Bemühungen unternommen hat. Das ist nicht geschehen. Auch im Anordnungsverfahren 5a F 177/81 SH UE hat die Antragsgegnerin im Termin vom 29.7-1982 lediglich <u>zwei</u> Stellen konkret genannt, hei denen sie sich beworben hat (XXX und XXX). Ihre weitere Angabe, sie sei auf Zeitungsanzeigen "unterwegs" gewesen, dürfte in dieser Form zu allgemein erscheinen. Der Senat hat sich nicht veranlaßt gesehen, die Antragsgegnerin im vorliegenden Beschwerdeverfahren noch einmal darauf hinzuweisen, daß ihr Vortrag unzureichend ist, nachdem bereits der Antragsteller in seiner Beschwerdeschrift auf die mangelnden Anstrengungen der Antragsgegnerin hingewiesen hat. Sie wird dadurch nicht gehindert, ihren Vortrag noch im Hauptverfahren zu ergänzen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Senat ist sich darüber im klaren, daß die Chancen der Antragsgegnerin, eine Arbeitsstelle zu finden - sei es auch nur für eine stundenweise Tätigkeit mit einem Einkommen bis zu 390,- DM -, angesichts der derzeitigen Arbeitsmarktlage und unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Voraussetzungen nicht günstig sind. Das, aber entbindet die Antragsgegnerin nicht von der Verpflichtung, sich fortlaufend um eine Erwerbstätigkeit zu bemühen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Soweit die Antragsgegnerin jetzt behauptet, sie habe während der Ehezeit keine Tätigkeit ausgeübt, ist dieser Vortrag widersprüchlich.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Im Verfahren 5a F 177/81 SH UE hat sie selbst vortragen lassen - so in ihrer dortigen Antragsschrift vom 19.8.1981 -, daß sie während der Ehezeit gearbeitet habe, und zwar bis 1978. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand wird sich nicht ausschließen lassen, daß die Antragsgegnerin, wäre sie ihrer Obliegenheit, sich intensiv um eine Tätigkeit zu bemühen, frühzeitig genug nachgekommen, eine angemessene Stellung gefunden hätte, die es ihr ermöglichte ein ebenso hohes Einkommen zu erzielen wie zur Zeit der Antragsteller.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Was die Leistungsfähigkeit des Antragstellers anlangt, der zur Zeit Arbeitslosenhilfe in Höhe von 219,78 DM wöchentlich bzw.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">952,38 DM monatlich (219,78 DM x 52 : 12) erhält, so dürften seine bisher vorgetragenen Bemühungen, einen neuen Arbeitsplatz</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">zu erlangen, ebenfalls kaum ausreichen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller hat allerdings durch ärztliche Bescheinigung des Internisten vom 16.10.1984 glaubhaft gemacht,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">daß er an einem cerebralen Anfallsleiden mit Petit-mal-Anfällen leidet und deshalb in seiner Arbeitsfähigkeit beschränkt ist, insbesondere seinen Beruf als Maurer bzw. Dachdecker nicht mehr ausüben kann. Ob und inwieweit das zutrifft, wird erforderlichenfalls im Hauptverfahren zu klären sein. Für das vorliegende Beschwerdeverfahren ist davon auszugehen, daß die bescheinigte Beschränkung der Arbeitsfähigkeit vorliegt. Aber auch diese Beschränkung der Arbeitsfähigkeit entbindet den Antragsteller nicht von der Pflicht, sich intensiv um eine andere Tätigkeit zu bemühen. Da<i> </i>aber nur noch Tätigkeiten in einem ungelernten Beruf in Betracht kommen, kann - jedenfalls für die Frage der</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Erfolgsaussichten im Rahmen des § 114 ZPO - nicht davon ausgegangen werden, daß der Antragsteller aus einer solchen Tätigkeit</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">ein höheres Einkommen erzielen könnte als die Antragsgegnerin,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">wenn sich diese rechtzeitig und mit der gebotenen Intensität um</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">eine Erwerbstätigkeit bemüht hätte.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Das Einkommen des Antragstellers ist an sich zu erhöhen um den Nutzungswert der Wohnung - im eigenen Einfamilienhaus. Auf diesen Wert werden aber die monatlichen Schuldraten von 470,- DM für den Kredit in Höhe von 55.000,- DM anzurechnen sein, den der Antragsteller zur Finanzierung des Zugewinnausgleichs aufgenommen hat.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Diese Schuldraten von 470,- DM wird man nicht deshalb unberücksichtigt lassen können, weil das - wie das Amtsgericht meint - dazu führen würde, daß die Antragsgegnerin selbst die Zugewinnzahlung finanzieren würde. Das Unterhaltsrecht unterliegt seinen eigenen Regeln. Wird die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners durch Verbindlichkeiten eingeschränkt, so kann es grundsätzlich keinen Unterschied machen, ob Gläubiger dieser Verbindlichkeiten ein Dritter ist - wie in der Regel - oder der Unterhaltsberechtigte selbst (Göppinger/Wenz, Unterhaltsrecht, 4. Aufl.; Rdnr. 1155). Auch Verbindlichkeiten gegenüber dem Unterhaltsberechtigten können deshalb zu einer Verminderung des</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">...</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Unterhaltsanspruchs führen. Entsprechendes gilt, wenn ein Kredit aufgenommen worden ist, um eine Verbindlichkeit gegenüber dem Unterhaltsberechtigten zu erfüllen- Allerdings gilt das nicht uneingeschränkt. Etwas anderes kann sich insbesondere dann ergeben, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Kredit zur Finanzierung des Zugewinns aufgenommen wird. Denn der Zugewinnausgleich ist eine Art <u>Vermögens</u>ausgleich und regelmäßig aus vorhandener Vermögenssubstanz zu leisten. Durch die Aufnahme eines Kredits wird diese vom Gesetz zugemutete Verwertung von Vermögensgegenständen abgewendet, sie führt damit zur Erhaltung des (Aktiv-)Vermögens.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Es erscheint nicht ohne weiteres gerechtfertigt, die Aufwendungen für diese Art der Vermögenserhaltung von dem anrechenbaren Einkommen des Unterhaltsverpflichteten abzusetzen. Der Unterhalt darf grundsätzlich nicht dadurch verkürzt werden, daß der Verpflichtete einen Teil seines Einkommens der Vermögensbildung zuführt. Andererseits wird man aber auch die <u>Einkünfte</u> aus den so erhaltenen Vermögensgegenständen nicht uneingeschränkt dem Einkommen zurechnen können; denn im Falle der Veräußerung dieser Gegenstände (zum Zwecke der Erfüllung der Zugewinnausgleichsforderung) würden diese Einkünfte - jedenfalls in dieser Höhe - ebenfalls nicht mehr anfallen. Es dürfte deshalb gerechtfertigt erscheinen, die Schuldraten für einen Kredit der vorliegenden Art wie Aufwendungen für die Einkünfte aus dem Vermögen zu behandeln und von diesen Einkünften abzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Für den vorliegenden Fall bedeutet das, daß der Nutzungswert des Hauses um diese Schuldraten zu vermindern ist. Maßgebend ist der Netto-Nutzungswert. Unkosten für das Haus einschließlich eines angemessenen Betrages für die Instandhaltung sind vorab zu berücksichtigen. Die nähere Klärung dieser Frage hat im Hauptverfahren zu erfolgen. Für die vorliegende Entscheidung geht der Senat davon aus, daß sich der Nutzungswert und die Schuldraten in etwa die Waage halten.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die negative Feststellungsklage bietet damit hinreichende Aussicht auf Erfolg, ohne daß es noch auf die Frage ankommt, ob auf Seiten der Antragsgegnerin der Zugewinnausgleichsbetrag von ca. 49.000,- DM völlig unberücksichtigt bleiben kann. Die Antragsgegnerin hat bislang weder <u>im einzelnen</u> dargelegt noch belegt, welche Anschaffungen sie gemacht hat und inwieweit diese Anschaffungen unter Berücksichtigung der beengten finanziellen Verhältnisse als erforderlich angesehen werden können.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Da dem Senat die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 II ZPO) nicht vorliegt, hat er sich darauf beschränkt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht mit der Maßgabe zurückverwiesen, daß von den Bedenken bezüglich der mangelnden Erfolgsaussicht abzusehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">2. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen hält es der Senat für gerechtfertigt, entsprechend § 769 ZPO die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Anordnung vom 28.12.1983 gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen. Die Anordnung der Sicherheitsleistung, zu der der Antragsteller angesichts seines unbelasteten Grundstücks in der Lage ist, erscheint im Interesse der Antragsgegnerin angezeigt, da der. Ausgang des Rechtsstreits noch offen ist, mögen auch hinreichende Erfolgsaussichten bestehen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht insoweit auf § 91 ZPO.</p>
|
315,655 | ovgnrw-1984-11-12-20-a-39383 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 20 A 393/83 | 1984-11-12T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:17 | 2019-03-27T09:42:33 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1984:1112.20A393.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>
</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin, ein Großunternehmen der
Chemie, berechtigt war, die in ihrem Werk xxx anfallende überschüssige Salzsäure
als Teil des Gesamtbetriebsabwassers in den Rhein abzuleiten. Die Salzsäure bildet
sich beim Niederschlagen von chlorwasserstoffhaltigen Abgasen, die nicht in die
Atmosphäre entlassen werden können, mit Wasser bzw. Betriebsabwasser. Für die
Abgaswäsche stehen zwei Verfahrensarten zur Verfügung. Bei der Standard-
Abgaswäsche - dem zunächst entwickelten Verfahren - bleibt eine Flüssigkeit mit ca.
5 % Chlorwasserstoffgehalt und einem relativ hohen Gehalt an organischen
Verunreinigungen zurück, bei der Spezialabgaswäsche entsteht ca. 30-prozentige
Salzsäure, die praktisch frei von organischen Verbindungen ist. Die Klägerin, in
deren Betrieb im wesentlichen die Spezialabgaswäsche zur Anwendung kommt,
verwertete die anfallende 30-prozentige Salzsäure - soweit möglich -
innerbetrieblich. Den überschüssigen Teil dieser Salzsäure leitete sie in der
Vergangenheit über die Werkskanalisation in den Rhein.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Grundlage für die Berechtigung zum Ableiten von Betriebsabwasser in den
Rhein waren nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts
(Wasserhaushaltsgesetz - WHG -) vom 27. Juli 1957 (BGBl. I S. 1110) zunächst die
wasserrechtlichen Erlaubnisse des Regierungspräsidenten xxx vom 23. Juni 1966,
verlängert durch Bescheid vom 24. Juli 1968, und vom 4. September 1973,
verlängert durch Bescheid vom 18. März 1974 bis zum 31. März 1978. In der
wasserrechtlichen Erlaubnis vom 23. Juni 1966 heißt es u.a. wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">"Der Firma xxx in xxx ... wird ... die Erlaubnis ... erteilt: Die auf dem Werkteil
xxx anfallenden Abwässer, die unter a) und b) näher bezeichnet sind, über die
Auslässe ... in den Rhein einzuleiten.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">...</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">b) Häusliche Abwässer, Kühlwässer und Betriebsabwässer aus einem ca. 156 ha
großen Einzugsgebiet mit Produktions- und Nebenbetrieben der chemischen
Industrie in einer Menge von bis zu </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">...</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">... Die Erlaubnis wird unter nachstehenden Bedingungen, Auflagen und
Vorbehalten erteilt:</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">...</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">2c) Die Abfallsäuren, insbesondere die Dünnsäure der xxx und die organisch
belastete Abfallschwefelsäure der xxx sind gemäß Terminstudie, Blatt b und
Verhandlungsniederschrift vom 22.12.1964 ab Ende 1967 in einer Menge von
300.000 t Jahr aus dem Kanalnetz abzutrennen und schadlos zu beseitigen - soweit
möglich durch Verschiffung in die Nordsee - und zwar 200.000 t Dünnsäure der xxx
und 100.000 t Abfallschwefelsäure der xxx.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">...</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">6. Für die Abfallsäure (siehe Ziffer 2c) ist ein Speicherraum zu schaffen, der für
die Menge ausreicht, die in einem Zeitraum von 10 Tagen anfällt. Wenn der
Abtransport der Säure wegen Einstellung der Schiffahrt oder aus anderen
zwingenden, von der Unternehmerin nicht zu vertretenen Gründen nicht möglich ist,
muß die anfallende Säure bis zu 10 Tagen gestapelt werden können. Eine etwaig
erforderlich werdende Einleitung in den Rhein ist vorher mit dem
Regierungspräsidenten in xxx abzustimmen. Der Inhalt der Speicherbecken ist nach
Wegfall der Hinderungsgründe zusätzlich abzutransportieren.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">7. In einer zweiten Ausbaustufe sind bis Ende 1970 der Schiffsraum und der
Stapelraum so zu vergrößern, daß sie den Gesamtanfall der Dünnsäure der xxx von
200.000 t/Jahr und einen solchen von 300.000 t/Jahr an Abfallsäure der xxx
aufnehmen bzw. 10 Tage stapeln können. Außerdem ist gemäß
Verhandlungsniederschrift vom 22.12.64 die xxx verpflichtet, in der zweiten
Ausbaustufe 300.000 t/Jahr Dünnsäure durch Betriebsverlagerung dem Rhein
fernzuhalten. Die Auflage einer dritten Ausbaustufe bleibt vorbehalten.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">8. Für den Abtransport der Abfallsäure und den Betrieb der Stapelbehälter
sowie über Beginn, Dauer und Menge einer Noteinleitung von Abfallsäure in den
Rhein ist ein Betriebsbuch zu führen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">9. Eine andere Form der Verhütung oder schadlosen Beseitigung der Abfallsäure
ist zulässig, wenn die genannten Fristen eingehalten werden. Außerdem hat sich die
Unternehmerin ständig darum zu bemühen, den Anfall an Abfallsäure und anderen
flüssigen Konzentraten entsprechend dem Stand der Technik zu verringern. Über die
in diesem Zusammenhang erzielten Ergebnisse ist bis zum 1.1.1968 dem
Regierungspräsidenten xxx zusammenfassend zu berichten.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">...</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">10.2 Nach Abtrennung der organischen Abwässer muß das Abwasser an den
Auslässen folgenden Richtwerten genügen: 1. pH-Wert zwischen 2,0 und 9,0</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">..."</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Unter dem 28. November 1977 beantragte die Klägerin die Erneuerung der
wasserrechtlichen Erlaubnis zur Abteilung der Abwässer aus dem Werk xxx in den
Rhein und - auf Anraten des Beklagten - am 29. März 1978 die Zulassung des
vorzeitigen Beginns. Der Beklagte erteilte ihr durch Bescheid vom 16. August 1978
unter Anordnung einer Reihe von Nebenbestimmungen die Zulassung des
vorzeitigen Beginns - u.a. zum Ableiten von Betriebsabwässern - rückwirkend ab
dem 1. April 1978 und befristet bis zum 1. Oktober 1980. Am 14. September 1978
legte die Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch ein mit der Begründung, sie
könne einen Teil der Bedingungen und Auflagen nicht erfüllen. In dem
Teilwiderspruchsbescheid vom 17. Januar 1980 änderte der Beklagte einige der
Nebenbestimmungen ab und wies im übrigen darauf hin, daß nach der vorzeitigen
Zulassung vom 16. August 1978 Säure oder "Säuremengen" nicht eingeleitet werden
dürften; die vorzeitige Zulassung decke lediglich die Ableitung von
Betriebsabwasser, das natürlich auch sauer reagieren könne.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat am 25. Februar 1980 Klage erhoben, mit der sie die
Abänderung bestimmter, im Bescheid vom 16. August 1980 enthaltener
Nebenbestimmungen begehrt hat. Nachdem im Oktober 1980 die zweite
Ausbaustufe des Gemeinschaftsklärwerkes fertiggestellt und der Klägerin unter dem
20. März 1981 die (endgültige) wasserrechtliche Erlaubnis zum Ableiten ihres
Betriebsabwassers in den Rhein erteilt worden war, hat die Klägerin einen
Fortsetzungsfeststellungsantrag gestellt sowie mit Schriftsatz vom 27. Mai 1982
weiterhin die Feststellung begehrt, daß sie bis zum 31. Juli 1979 berechtigt gewesen
sei, die in ihrem Werk xxx zwangsweise anfallende überschüssige nicht anders zu
entsorgende, Salzsäure als Teil des Gesamtbetriebsabwassers des Werkes in den
Rhein abzuleiten. Dieses zusätzliche Feststellungsbegehren ist Gegenstand des
Berufungsverfahrens.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung ihrer Feststellungsklage hat sie im wesentlichen vorgetragen:
Die Klage sei zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich daraus,
daß gegen leitende Personen ihres Betriebes wegen des Verdachts der
Gewässerverunreinigung ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet
worden sei. In diesem Verfahren habe der Beklagte bekundet, daß die im Werk xxx
langjährig praktizierte Einleitung von Überschußmengen der zwangsweise
anfallenden salzsauren Abwässer nicht durch wasserrechtliche Erlaubnisse gedeckt
gewesen sei. Die Klage sei auch begründet. Die in ihrem Betrieb bei der
Abgaswäsche anfallenden Salzsäuren seien Abwasser und nicht Abfall. Es handele
sich hierbei um Wasser, das infolge einer Beeinflussung in seiner Brauchbarkeit
gemindert worden sei und deshalb abgeleitet werde. Dieses Abwasser sei ein Teil
des Betriebsabwassers, das sie entsprechend den seit 1966 erteilten
wasserrechtlichen Erlaubnissen in den Rhein habe einleiten dürfen. Von der
Einleitungsbefugnis seien 1966 nur die Abfallsäuren, d.h. die Dünnsäure der Firma
xxx und die bei ihr anfallenden Abfallschwefelsäuren, ausgenommen worden.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">1. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet war, unter teilweiser Änderung
der Auflagen 3.2.1 und 4.3 des Bescheides vom 16. August 1978 in der Fassung des
Teilwiderspruchsbescheides vom 17. Januar 1980 den Antrag auf Erteilung der
wasserrechtlichen Erlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu
zu bescheiden,</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">2. festzustellen, daß sie, die Klägerin, in wasser- und abfallrechtlicher Hinsicht
bis zum 31. Juli 1979 berechtigt war, die im Werk xxx zwangsweise anfallende
überschüssige Salzsäure, die nicht in anderer Weise entsorgt werden konnte, als Teil
des Gesamtbetriebsabwassers des Werkes in den Rhein zu leiten.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Er hat vorgetragen: Die Feststellungsklage sei unzulässig; die Klägerin hätte
Verpflichtungsklage erheben müssen, hierfür fehle es aber an einem entsprechenden
Vorverfahren. Die Einleitung der anfallenden Salzsäure mit Ausnahme der bei der
Standard-Abgaswäsche entstehenden 4- bis 5-prozentigen Säuren sei durch die
erteilten wasserrechtlichen Erlaubnisse nicht gedeckt. Der Bescheid vom 23. Juni
1966 klammere die Abfallsäuren aus, zu denen auch die Salzsäure gehöre. Die
anfallende Salzsäure, die von der Klägerin nicht wiederverwendet werde, sei Abfall
und nicht Abwasser. Ihre Entsorgung hätte nach dem Abfallbeseitigungsgesetz
geregelt werden müssen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat durch das angefochtene Urteil, auf das Bezug
genommen wird, der Klage stattgegeben.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Gegen das ihm am 10. Dezember 1982 zugestellte Urteil hat der Beklagte am
4. Januar 1983 Berufung eingelegt mit dem Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern, soweit es die Feststellung beinhaltet, die
Klägerin sei in wasser- und abfallrechtlicher Hinsicht bis zum 31. Juli 1979 berechtigt
gewesen, die im Werk Leverkusen zwangsweise anfallende überschüssige Salzsäure,
die nicht in anderer Weise entsorgt werden konnte, als Teil des
Gesamtbetriebsabwassers des Werkes in den Rhein abzuleiten, und insoweit die
Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Parteien vertiefen ihre gegensätzlichen Standpunkte.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegten
Verwaltungsvorgänge sowie die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft xxx sowie
xxx Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage ist - soweit der Senat über
sie noch zu befinden hat - zulässig und begründet.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Nach § 43 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann durch Klage die
Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der
Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein
berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Unter einem
Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO sind die aus einem konkreten
Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm des öffentlichen Rechts sich ergebenden
Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache zu
verstehen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Vgl. Redeker/von Oertzen, 7. Aufl., § 43 Anm. 3; Eyermann/Fröhler, VwGO, 8.
Aufl., § 43 Rdnr. 3; Kopp, VwGO, 6. Aufl., § 43 Rdnr. 11.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Das Begehren der Klägerin ist auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses
gerichtet, nämlich darauf, ob ihr aufgrund der erteilten Erlaubnisse eine bestimmte
Einleitungsbefugnis zustand. Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der
baldigen Feststellung ihres Begehrens. Der Beklagte vertritt die Auffassung, die
Klägerin sei zur Einleitung der überschüssigen Salzsäure in den Rhein nicht befugt
gewesen, und hat diese Auffassung in Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft
xxx vertreten, die gegen die Klägerin (xxx) bzw. gegen einige ihrer Angestellten
(xxx) schweben. Trifft die Auffassung des Beklagten zu, so kann mit dem Einleiten
der überschüssigen Salzsäure in den Rhein der Tatbestand des bis zum 1. Juli 1980
geltenden § 38 WHG (nunmehr § 324 des Strafgesetzbuches - StGB -) verwirklicht
worden sein. Zwar kann sich gegen die Klägerin als juristische Person kein
Strafverfahren richten; auch sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bezüglich
des Ableitens der überschüssigen Salzsäure in den Rhein bislang nicht gegen ein
Mitglied eines vertretungsberechtigten Organs der Klägerin aufgenommen worden
(vgl. § 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten - OWiG -). Die Klägerin hat aber
ein schutzwürdiges Interesse ideeller sowie - wegen möglicher geschäftlicher
Auswirkungen - wirtschaftlicher Art, nicht einer unzulässigen Verschmutzung des
Rheins bezichtigt zu werden. Sie hat weiterhin ein schutzwürdiges Interesse daran,
ihre Mitarbeiter vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen, deren Anlaß auf einer
Tätigkeit für die Klägerin beruht. Die hier (von den Verwaltungsgerichten) zu
treffende Entscheidung ist zwar für den Strafrichter nicht bindend. Schon der Einfluß,
den eine der Klägerin günstige Entscheidung auf die Beurteilung der strafrechtlichen
Schuldfrage ausüben kann, rechtfertigt aber das Feststellungsbegehren.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Januar 1969 - 1 C
86.64 -, Buchholz 310 Nr. 31 zu § 43 VwGO; auch Urteil vom 24. Oktober 1979 - 8 C
22.78 -, BVerwGE 59, 23.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Der Klage steht nicht der Grundsatz der Subsidarität der Feststellungsklage (§
43 Abs. 2 VwGO) entgegen. Verwaltungsakte, die die Klägerin hätte anfechten
können, sind nicht ergangen. Der im Teilwiderspruchsbescheid vom 17. Januar 1980
enthaltene Hinweis zur Berechtigung der Einleitung von Säuren oder Säuremengen
stellt eben nur einen Hinweis auf eine nach Auffassung des Beklagten bereits
bestehende Regelung und keine Neuregelung dar. Eine Verpflichtungsklage kam für
die Klägerin, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht in
Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Feststellungsklage ist auch begründet. Die Klägerin war in wasser- und
abfallrechtlicher Hinsicht aufgrund der ab Juni 1966 erteilten Erlaubnisse bis zum 31.
Juli 1979 berechtigt, die im Werk xxx anfallende überschüssige Salzsäure, die nicht
in anderer Weise entsorgt werden konnte, als Teil des Gesamtbetriebsabwassers in
den Rhein abzuleiten.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Der von der Klägerin praktizierten Säureeinleitung stehen die Regelungen des
Gesetzes über die Beseitigung von Abfällen (Abfallbeseitigungsgesetz - AbfG -) vom
7. Juni 1972 (BGBl. I S. 873) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Januar
1977 (BGBl. I S. 41) nicht entgegen. Das Abfallbeseitigungsgesetz findet hier keine
Anwendung. Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 5 AbfG gilt das Abfallbeseitigungsgesetz nicht für
Abwasser, soweit es in Gewässer oder Abwasseranlagen eingeleitet wird. Die bei
der Klägerin zwangsweise anfallende, nicht anderweitig verwertbare Salzsäure ist
Abwasser im Sinne dieser Vorschrift.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der Begriff "Abwasser" ist im Abfallbeseitigungsgesetz nicht definiert. Die
Vorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 5 AbfG bedarf daher der Auslegung. Für diese
Auslegung ist maßgebend der objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich
aus der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in dem diese
hineingestellt ist.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluß vom 15. Dezember 1959 - 1
BvL 10/55 -, BVerfGE 10, 234 (244), und Beschluß vom 17. Mai 1960 - 2 BvL 11/59,
11/60 -, BVerfGE 11, 126 (130 f.).</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Hiernach vermag der Senat nicht die Auffassung zu teilen, eine Flüssigkeit,
deren sich der Besitzer entledigen wolle, sei zunächst stets als Abfall und erst mit
der Einleitung in ein Gewässer oder eine Abwasseranlage als Abwasser zu
qualifizieren.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">So Bickel, DÖV 1981, 448 ff.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Auffassung spricht bereits der Wortlaut des § 1 Abs. 3 Nr. 5 AbfG.
Dieser setzt gedanklich die Qualifikation eines Stoffes als Abwasser unabhängig
davon voraus, ob er in ein Gewässer oder eine Abwasseranlage eingeleitet
wird.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Vgl. auch Henseler, Das Recht der Abwasserbeseitigung, S. 10 f.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Des weiteren kann der Auffassung nicht gefolgt werden, Abwasser liege nur vor,
wenn als Ausgangsstoff eines Produktions- oder sonstigen Gebrauchsvorgangs
Wasser vorhanden gewesen sei; hierauf müsse eine aktive, zielgerichtete
menschliche Einflußnahme stattgefunden haben; es genüge nicht, daß irgendwann -
etwa bei der Herstellung eines Wirtschaftsguts ein Wasserverbrauch stattgefunden
habe.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">So Praml, ZfW 1983, 92 (95 f.).</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Diese Auffassung steht im Sinn und Zweck der Vorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 5
AbfG nicht im Einklang. Ziel des Gesetzgebers war es, durch die Regelung des § 1
Abs. 3 Nr. 5 AbfG Abwasser- und Abfallbeseitigung zu trennen, und zwar dergestalt,
daß die Regelungen des Abfallbeseitigungsgesetzes die bislang schon intensiv
betriebene Abwasserbeseitigung unberührt lassen sollten. Mit dem Erlaß des
Abfallbeseitigungsgesetzes sollte die bis dahin fehlende Rechtsgrundlage für
Maßnahmen zur schadlosen Beseitigung der festen und schlammigen Abfallstoffe
geschaffen werden; für Abwasser, soweit es in Gewässer oder Abwasseranlagen
eingeleitet wird, sollte es bei der bisherigen wasserrechtlichen Zuordnung
verbleiben.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Vgl. BT-Drucks. VI/2401, S. 7, 11; Breuer, Aktuelle Fragen des Wasserrechts,
veröffentlicht in der Schrift "Umwelt-Immissionsschutz-Wasserrecht" des Deutschen
Anwaltsinstitutes e.V. - Fachinstitut für Verwaltungsrecht in Bochum - von Mai 1984,
S. 103 ff.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Der Begriff des Abwassers im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 5 AbfG umfaßt vielmehr
alles, was zum Zeitpunkt des Erlasses des Abfallbeseitigungsgesetzes in
wasserwirtschaftsrechtlicher Hinsicht - eine Definition des Abwassers enthält auch
das Wasserhaushaltsgesetz bislang nicht - unter Abwasser verstanden wurde.
Demnach ist Abwasser sämtliches infolge einer Beeinflussung in seinen
Eigenschaften verändertes Wasser bzw. Wassergemisch, hinsichtlich dessen ein
Entledigungswille bzw. -bedürfnis besteht. Unerheblich für die Einstufung als
Abwasser sind der Ursprung, die Verwaltungsmöglichkeit, der Schadstoffgehalt
sowie die Höhe des Wasseranteils der Flüssigkeit.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Vgl. Breuer, a.a.O.; auch die in Einzelheiten allerdings differierenden
Umschreibungen des Abwasserbegriffs bei Gieseke-Wiedemann-Czychowski, WHG,
3. Aufl., § 7a Rdnr. 4 und 5, sowie Sieder-Zeitler-Dahme, WHG,
Loseblattkommentar, Stand: 8. Ergänzungslieferung, § 7a Rdnr. 5.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die gegen diesen "weiten" Abwasserbegriff, von dem auch das
Verwaltungsgericht in zutreffender Weise ausgegangen ist, erhobene Kritik,</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">vgl. Salzwedel, ZfW 1983, 84 ff.; Bickel, DÖV 1983, 256 f.; Hösel/von Lersner,
Recht der Abfallbeseitigung des Bundes und der Länder, Loseblattkommentar,
Stand: 19. Ergänzungslieferung, § 1 Rdnr. 26,</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">vermag letztlich nicht zu überzeugen.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Sie kann sich zunächst nicht auf die Entstehungsgeschichte des
Abfallbeseitigungsgesetzes berufen. Daß der Bundesgesetzgeber der Anregung der
Länder, die Regelung des § 1 Abs. 3 Nr. 5 AbfG auf wasserrechtlich legalisierte
Einleitungen von Abwasser zu beschränken, nicht gefolgt ist,</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">vgl. hierzu Hösel/von Lersner, a.a.O., § 1 Rdnr. 19,</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">gibt für eine Einengung des Abwasserbegriffs nichts her. Im Rahmen dieser
zwischen dem Bund und den Ländern kontrovers geführten Auseinandersetzung
stand der Begriff des Abwassers als solcher nicht in Frage. Das Argument, nach dem
allgemeinen Sprachgebrauch könnten wasserhaltige Produkte wie z.B. Salzsäure,
Fruchtsaft, Bier, Kaffee usw. nicht mehr als Wasser und damit nicht als Abwasser
bezeichnet werden, verfängt nicht. Entscheidend ist allein, ob die Beseitigung dieser
Produkte, wenn man sich ihrer entledigen will bzw. ihre Entledigung objektiv
geboten ist, herkömmlicherweise durch Rückführung in den Wasserhaushalt erfolgt.
Dies ist jedoch der Fall. Bei der Beseitigung steht das wasserhaltige Produkt als
solches nicht mehr im Vordergrund. Es geht vielmehr um die Rückführung einer
wasserhaltigen Flüssigkeit in den Wasserhaushalt, ein Vorgang der üblicherweise
mit Abwassereinleitung bezeichnet wird. Die technische Regel DIN 4045
(Abwasserwesen, Fachausdrücke, Begriffserklärung) aus dem Jahre 1964, die
Abwasser als "nach häuslichem oder gewerblichem Verbrauch verändertes,
insbesondere verunreinigtes, abfließendes und von Niederschlägen stammendes und
in die Kanalisation gelangendes Wasser" definiert, vermag den vorgenannten
Abwasserbegriff ebensowenig einzuengen wie die in den Landeswassergesetzen
(vgl. z.B. § 45a Abs. 2 HessVG, Art. 41a Abs. 1 BayWG, § 51 Abs. 1 LWG NW)
enthaltenen Definitionen des Abwassers. Die technische Regel DIN 4045 als
nichtnormative Regel kann eine direkte Änderung des Rechtsbegriffs des Abwassers
nicht herbeiführen. Sie verfolgt auch andere Ziele und weist für den
Anwendungsbereich des Wasserhaushaltsgesetzes Lücken auf - der
landwirtschaftliche Bereich ist nicht erfaßt -, so daß ihr Abwasserbegriff für den
wasserwirtschaftlichen Bereich nicht verbindlich sein kann.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Vgl. Czychowski, ZfW 1978, 280; auch Sieder-Zeitler-Dahme, a.a.O., § 7a Rdnr.
5.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die landesrechtlichen Definitionen des Abwassers lassen den Abwasserbegriff
unberührt, weil dieser bundesrechtlich festgelegt ist und damit nicht durch
landesrechtliche Regelungen ausgefüllt werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Vgl. Breuer, a.a.O.; Czychowski, ZfW 1978, 280; Stortz, ZfW 1978, 257 ff.
(269).</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Der Begriff des Abwassers im vorgenannten Sinne hat ferner keine Änderung
durch die Definition des. Abwassers in § 2 Abs. 1 des Gesetzes über Abgaben für das
Einleiten von Abwasser in Gewässer (Abwasserabgabengesetz - AbwAG -) vom 13.
September 1976 (BGBl. I S. 2721) erfahren. Der Aufgabenbereich des
Abwasserabgabengesetzes deckt sich nicht mit dem des Wasserhaushaltsgesetzes,
so daß der abgabenrechtliche Abwasserbegriff mit dem wasserwirtschaftlichen
Abwasserbegriff nicht identisch zu sein braucht.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Vgl. Gieseke-Wiedemann-Czychowski, a.a.O., § 7a Rdnr. 4; Sieder-Zeitler-
Dahme, a.a.O., § 7a Rdnr. 6; a.A., Breuer, a.a.O., der jedoch durch einschränkende
Auslegung des § 2 Abs. 1 AbwAG zum selben Ergebnis kommt.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Schließlich trifft der Einwand nicht zu, die hier vertretene Auslegung des
Abwasserbegriffs widerspreche der umweltrechtlichen Systematik. Durch die
Regelung des § 1 Abs. 3 Nr. 5 AbfG hat der Gesetzgeber eben zu erkennen gegeben,
daß in dem hier in Rede stehenden Bereich dem Abfallrecht kein Vorrang
einzuräumen ist. Daß auf der Grundlage der Regelungen des
Wasserhaushaltsgesetzes und der entsprechenden Landeswassergesetze auch bei
dem vom Senat angenommenen "weiten" Abwasserbegriff eine umweltgerechte
Abwasserbeseitigung möglich ist, dürfte außer Zweifel stehen.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin war in wasserrechtlicher Hinsicht befugt, die anfallende
überschüssige Salzsäure in den Rhein abzuleiten. Die Auslegung der
wasserrechtlichen Erlaubnis vom 23. Juni 1966 sowie der nachfolgenden Erlaubnisse
(einschließlich der vorzeitigen Zulassung vom 16. August 1978) ergibt, daß die
fragliche Salzsäure zu den Betriebsabwässern zu zählen ist, deren Einleitung in den
Rhein der Klägerin erlaubt wurde.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Bei der Auslegung wasserrechtlicher Erlaubnisse ist auf den Willen der
jeweiligen Wasserbehörde im Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnisse abzustellen,
aber unter Berücksichtigung dessen, wie der Unternehmer die Regelung nach Treu
und Glauben verstehen mußte. Eine Vermutung des Inhalts, daß die Wasserbehörde
alles erlaubt hat, was nicht im strengsten Wortsinn von der Erlaubnis
ausgeschlossen ist, kann dabei wenig aufgestellt werden, wie eine des Inhalts, daß
alles verboten ist, was sie nicht nachweislich und evident als wasserverträglich
überprüft hat.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Vgl. Salzwedel, a.a.O.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Hiervon ausgehend war die Klägerin - wie die Festsetzung des pH-Wertes
zwischen 2,0 und 9,0 in den Erlaubnissen zeigt und was vom Beklagten auch nicht in
Abrede gestellt wird - grundsätzlich berechtigt, säurehaltiges Abwasser in den Rhein
abzuleiten. Eine gesonderte Regelung ist nur hinsichtlich der Abfallsäuren erfolgt
(vgl. Nebenbestimmungen Nr. 2c, 6 - 9 des Erlaubnisbescheides vom 23. Juni 1966).
Die Abfallsäuren sollten ab Ende 1967 in einer bestimmten Menge aus dem
Kanalnetz abgetrennt und - insbesondere durch Verklappung in die Nordsee -
schadlos beseitigt werden. Zu den Abfallsäuren ist jedoch das salzsäurehaltige
Abwasser und damit auch die anfallende überschüssige Salzsäure nicht zu zählen.
Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des
Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug. Ergänzend weist der Senat
darauf hin, daß aus den vor Erlaß des Bescheides vom 23. Juni 1966 zwischen den
damaligen Beteiligten geführten Verhandlungen (vgl. u.a. Verhandlungsniederschrift
vom 22. Dezember 1964) nicht ersichtlich ist, daß unter den Begriff Abfallsäuren
noch andere Säuren als die Dünnsäure der xxx und die Abfallschwefelsäure der
Klägerin fallen sollten. Die Klägerin hat im übrigen auch in ihrem Antrag vom 4.
März 1965, auf dem die Erlaubnis vom 23. Juni 1966 beruht, als Abfallsäure nur die
bei ihr anfallende Abfallschwefelsäure bezeichnet, die ebenso zu betrachten sei wie
die Dünnsäure der xxx (vgl. C Nr. 1 des Erläuterungsberichtes zum Antrag vom 4.
März 1965). Wenn der Beklagte sich in diesem Zusammenhang auf die Regelung des
§ 7a WHG beruft - die Einleitung von Salzsäure in den Rhein entspreche nicht den
allgemein anerkannten Regeln der Technik -, ist ihm entgegenzuhalten, daß die
Vorschrift erst durch das vierte Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes
vom 26. April 1976 (BGBl. I S. 1109) in das Wasserhaushaltsgesetz eingefügt
worden ist, mithin zur Auslegung der zuvor erteilten Erlaubnisse nicht herangezogen
werden kann. Die Zulassung des vorzeitigen Beginns vom 16. August 1978 steht in
Kontinuität zu den bislang erteilten Erlaubnissen. Eine Änderung des Umfanges der
Einleitungsbefugnis der Klägerin - mögliche Anpassung der Erlaubnis an die
Regelung des § 7a WHG - hätte daher ausdrücklich erfolgen müssen. Dies ist jedoch
nicht geschehen. Der Beklagte hat auch vor dem hier in Frage stehenden Zeitpunkt -
dem 31. Juli 1979 - gegenüber der Klägerin seine gegenteilige Auffassung nicht
deutlich gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil der Rechtssache
im Hinblick auf die Abgrenzung der Begriffe Abwasser und Abfall grundsätzliche
Bedeutung beizumessen ist.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
315,656 | olgham-1984-11-07-6-uf-44284 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 6 UF 442/84 | 1984-11-07T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:19 | 2019-03-27T09:42:33 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1984:1107.6UF442.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24. Januar 1984 verkündete Urteil des Amtsgerichts Detmold abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 800,-- DM (achthundert Deutsche Mark) zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist seit 1970 Inhaberin einer rechtskräftig festgestellten Forderung in Höhe von 1.772,02 DM nebst Zinsen und Kosten gegen Frau xxx, die jetzige Ehefrau des Beklagten. Frau xxx hat früher als Frau xxx selbständig einen Baustoffhandel betrieben. Beträge auf die Schuld sind bisher nicht gezahlt worden, auch die Zwangsvollstreckung gegen Frau xxx ist ergebnislos verlaufen. Frau xxx ist nicht berufstätig. Ihr Ehemann, der Beklagte, ist Prokurist einer Maschinenfabrik und hat nach eigenen Angaben ein monatliches Nettoeinkommen von rund 4.000,-- DM. Nach dem überreichten Steuerbescheid für 1982 liegt es höher.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat gegen den Beklagten als Drittschuldner den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 20. Juli 1983 erwirkt, dem Beklagten zugestellt am 25. Juli 1983. Gepfändet und zur Einziehung überwiesen wurde "der Unterhaltsanspruch einschließlich Taschengeldanspruch gemäß §§ 1360 a ff BGB unter Bezugnahme auf die Tabelle zu § 850 c ZPO...".</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit Mahnbescheid vom 1. Oktober 1983 hat die Klägerin den Anspruch auf das gepfändete Taschengeld der Ehefrau für August/September 1983 in Höhe von je 200,-- DM geltend gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Sie hat vorgetragen, die Pfändung entspreche der Billigkeit. Der Anspruch auf Taschengeld der Ehefrau betrage mindestens 5 % des Nettoeinkommens des Beklagten. Der Beklagte lebe mit seiner Frau in gehobenen wirtschaftlichen Verhältnissen, der Unterhaltsanspruch der Ehefrau dürfte allein bei etwa 1.700,-- DM liegen. Eine etwaige Gütertrennung berühre den Taschengeldanspruch in keiner Weise.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat - unter Erweiterung ihres ursprünglichen Antrags - beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 800,-- DM zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Er hat vorgetragen, der Anspruch sei gemäß § 851 ZPO unpfändbar. Im übrigen sei zu berücksichtigen, daß er für sein Haus monatlich 1.000,-- DM abzahle und an eine Tochter aus erster Ehe monatlich 350,-- DM leiste. Außerdem habe seine Frau den Anspruch an ihn abgetreten, weil er für sie Schulden aus früherer Zeit getilgt habe. Sie habe auch noch vor Erlaß des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auf ihren Taschengeldanspruch verzichtet.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Pfändung entspreche nicht der Billigkeit, weil es sich um eine voreheliche Verbindlichkeit der Ehefrau des Beklagten handelt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin mit dem Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">den Beklagten zu Zahlung von 800,-- DM zu verurteilen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Sie wiederholt ihr Vorbringen erster Instanz und hält die Ausführungen des Amtsgerichts zur Frage der Billigkeit für verfehlt. Es sei vielmehr unbillig, daß sie, die Klägerin, seit 1970 auf die Befriedigung ihrer Forderung warte. Bei einer Pfändung der in Rede stehenden Beträge könne nicht von einer unbilligen Schmälerung des Familieneinkommens die Rede sein.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Familiensenat des Oberlandesgerichts ist zuständig, weil das Amtsgericht in einer Familiensache entschieden hat. Eine Familiensache liegt vor, weil der Rechtsstreit die durch Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht (§ 23 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 GVG) betrifft. Der Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts steht auch nicht entgegen, daß anstelle des Familiengerichts die Zivilabteilung des Amtsgerichts in erster Instanz entschieden hat. Denn das Oberlandesgericht ist zweite Instanz in allen Familiensachen, unabhängig davon, ob das erste Urteil vom Familiengericht oder vom Zivilgericht stammt. Schließlich ist der Senat auch durch die Verweisung der Zivilkammer des Landgerichts gemäß § 281 ZPO zuständig geworden.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung der Klägerin ist erfolgreich und führt zur antragsgemäßen Verurteilung des Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist im vorliegenden Verfahren die Frage, ob der Taschengeldanspruch eines Ehegatten als solcher gemäß § 850b Abs. I Nr. 2 Abs. II ZPO bedingt pfändbar oder nach § 851 ZPO unpfändbar ist, nicht zu prüfen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Nach Auffassung des erkennenden Senats hat vielmehr das Gericht im Drittschuldnerprozeß die Frage der Pfändbarkeit überhaupt nicht zu entscheiden, sondern ist verpflichtet, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß als verbindlich zu betrachten, bis er in dem dafür vorgesehenen Verfahren aufgehoben ist (so auch der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm in FamRZ 1978, Seite 602, Oberlandesgericht München in FamRZ 1981, Seite 449, Palandt-Diederichsen, 43. Aufl., § 1360 a Anm. 1 a.E.). Denn ob die Ansprüche eines Schuldners pfändbar sind, ist im Zwangsvollstreckungsverfahren zu entscheiden, das der Gläubiger aufgrund des von ihm erwirkten Titels gegen den Schuldner (hier die Ehefrau) betreibt. Insoweit sind auch besondere vollstreckungsrechtliche Rechtsbehelfe vorgesehen. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Vollstreckung ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Im gegebenen Fall steht lediglich die Feststellung der von der Gläubigerin des gepfändeten vermeintlichen Forderung der Schuldnerin - und zwar ihr Taschengeldanspruch - gegen ihren Ehemann in Rede.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Etwas anderes würde nur gelten, wenn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß nichtig wäre. Gründe hierfür sind weder ersichtlich noch vorgetragen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat folglich davon auszugehen, daß aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 20. Juli 1983 die Klägerin Inhaberin des der Ehefrau des Beklagten gegen diesen zustehenden angeblichen Taschengeldanspruchs in Höhe des eingeklagten Betrages geworden ist (§§ 1360, 1360 a BGB, §§ 829 Abs. III, 835 Abs. I, III Satz 1 ZPO). Denn gepfändet und zur Einziehung überwiesen worden ist "der Unterhaltsanspruch einschließlich Taschengeldanspruch gemäß § 1360 a ff BGB unter Bezugnahme auf die Tabelle zu § 850 c ZPO...".</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Ein Anspruch zumindest in dieser Höhe steht der Ehefrau des Beklagten gegen diesen zu. Dem Grunde nach folgt er aus § 1360, § 1360 a BGB und ist nicht abhängig von den im Haushalt erbrachten Arbeitsleistungen. Er soll als Barbetrag für den Anspruchsberechtigten frei verfügbar sein und zur Befriedigung höchstpersönlicher Bedürfnisse dienen (vgl. RGZ 97, Seite 289).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Höhe des Taschengeldes bestimmt sich nach den Einkommens- und Lebensverhältnissen sowie die dem allgemeinen Lebenszuschnitt der Ehegatten. Im allgemeinen gehen Literatur und Rechtsprechung von einem Regelsatz in Höhe von 5 - 7% des Nettoeinkommens des Zahlungspflichtigen aus (vgl. Palandt a.a.O. m.w.N. so wie die Anmerkung von Ackermann in FamRZ 1983, Seite 520).</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Verfahren ist zwischen den Parteien in erster Instanz ein monatliches Nettoeinkommen des Drittschuldners in Höhe von 4.000,-- DM unstreitig geworden. Soweit der Beklagte in zweiter Instanz nunmehr ein niedrigeres Einkommen geltend macht, ist sein Vortrag nicht schlüssig. In dem von ihm überreichten Steuerbescheid von 1982 ist das Einkommen im Ergebnis nur deshalb niedriger, weil das versteuerte Einkommen nach Abzug von Steuern und abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen durch die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beeinflußt wird. Unterhaltsrechtlich kann indessen auf solch eine Berechnungsmethode nicht abgestellt werden. Bleiben demnach diese Positionen unberücksichtigt, liegt das Jahreseinkommen des Beklagten um 20.886,-- DM oder monatlich 1.740,50 DM höher. Das hat zur Folge, daß sein monatliches Nettoeinkommen über 5.000,-- DM anzusetzen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Ebensowenig kann sich der beklagte darauf berufen, daß er für sein Hausgrundstück monatlich 1.000,-- DM aufzuwenden hat. Diese Belastungen ersetzen sie sonst üblichen Mietaufwendungen, die zur Lebenshaltung gehören. Auch der für eine Tochter aus erster Ehe gezahlte Unterhalt ist im vorliegenden Verfahren rechtlich unerheblich. Schließlich kann der Beklagte auch nicht mit Erfolg einwenden, seine Ehefrau habe den Taschengeldanspruch abgetreten bzw. auf einen solchen verzichtet, weil hierfür annähernd substantiierter Sachvortrag fehlt.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91 ZPO, § 708 Ziff. 10 ZPO.</p>
|
315,657 | olgham-1984-11-05-1-ws-27384 | {
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} | 1 Ws 273/84 | 1984-11-05T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:20 | 2019-03-27T09:42:33 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1984:1105.1WS273.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.</p>
<p>Dem Angeklagten wird Rechtsanwalt Weckmüller, Bochum, als Pflichtverteidiger beigeordnet.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Angeklagten am 30. Januar 1984 Anklage wegen Betruges erhoben. Sie hat gegen ihn den Vorwurf erhoben, er habe am 19. Oktober 1983 im Auftrage einer Bekannten, der Zeugin ..., bei der Firma ... in ... einen Gebrauch Pkw für 700,- DM gekauft, jedoch wahrheitswidrig der Zeugin erklärt das Fahrzeug habe 1.000,- DM gekostet, worauf die Zeugin ihm dieser Betrag gegeben habe.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Ferner hat die Staatsanwaltschaft Bochum den Angeklagten am 13. März 1984 wegen versuchten Diebstahls in 2 Fällen angeklagt. Er soll einmal zwischen dem 26. und 30. November und zum anderen Mal am 12. Dezember 1983 in einer Spielhalle in der ... in ... sog. Ronden (runde, durchlöcherte Metallscheiben), die in Größe und Gewicht einem 5-DM-Stück entsprachen, in Geldspielautomaten geworfen haben, um Geld zu gewinnen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Staatsanwaltschaft hat insgesamt sechs Zeugen benannt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat beide Anklagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden. In der Hauptverhandlung vom 18. Mai 1984 hat es den die Taten bestreitenden Angeklagten freigesprochen. Im Urteil hat der Strafrichter ausgeführt, es könne, entsprechend der Einlassung des Angeklagten, nicht ausgeschlossen werden, daß er zunächst auf eigene Rechnung den Pkw bei dem Gebrauchtwagenhändler für 700,- DM gekauft und alsdann das Fahrzeug, selbst als Verkäufer auftretend, einige Tage später an die Zeugin ... mit Gewinn verkauft habe. Zwar habe die Zeugin ... ausgesagt, für sie sei klargewesen, daß der Angeklagte den Pkw in ihrem Auftrage habe kaufen sollen. Die Eheleute ... die Inhaber der Gebrauchtwagenhandlung, hätten sich nur an den Verkauf des Fahrzeugs zu einem Preise von 700,- DM an den Angeklagten erinnern können.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nach den Urteilsfeststellungen steht zwar fest, daß die sog. Ronden in einem Geldspielautomaten des Spielsalons gefunden sind und durch sie im zweiten Fall der Betrieb des Apparates blockiert war, ferner, daß am 12. Dezember 1983 zuvor der Angeklagte an dem Automaten gespielt hatte, ohne daß jedoch jemand beobachtet hatte, daß er etwa die Ronden eingeworfen hatte. Doch konnte nach den Urteilsausführungen nicht ausgeschlossen werden, daß nach dem Angeklagten noch ein anderer Kunde, der somit möglicherweise als Täter in Frage kommt, an dem Automaten gespielt hat, bevor die Blockierung festgestellt wurde. Wie im Urteil ausgeführt, hat in der Hauptverhandlung der Zeuge ... (Aufsicht in dem Spielsalon) bekundet, er könne nicht sicher ausschließen, daß nach dem Angeklagten noch ein weiterer Kunde an dem Automaten gespielt habe, bevor schließlich ein weiterer Spieler ihn auf die Blockierung aufmerksam gemacht habe.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Zur Prüfung der Frage, ob die Berufung durchgeführt werden soll, hat sie durch die Kriminalpolizei die für die zwei Fälle des versuchten Diebstahls benannten Zeugen ... und ... nochmals vernehmen lassen. ... hat ausgesagt, er habe, entgegen den Urteilsausführungen, in der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter ausgesagt, er könne ausschließen, daß nach dem Angeklagten vor Feststellung der Störung des Automaten noch ein anderer Kunde mit dem Gerät gespielt habe.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Danach hat die Staatsanwaltschaft die Berufung begründet.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Sie hat insbesondere ausgeführt, durch die Zeugen ... (Mitinhaber des Unternehmens, welches die Spielhalle betreibt) und ... (Hallenleiter des Spielhallenbetriebes) könne der Angeklagte der Begehung der versuchten Diebstähle überführt werden. Hinsichtlich des Betruges sei die Aussage der Zeugin ... nicht richtig gewertet worden. Auch sei durch Befragen der Zeugen nicht geklärt worden, ob der Angeklagte tatsächlich bereits einige Tage vor dem Verkauf des Wagens an die Zeugin ... bei dem Händler gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit dem angefochtenen Beschluß hat der Vorsitzende der Strafkammer, die über die Berufung verhandeln wird, den Antrag des Angeklagten auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers zurückgewiesen, da die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO nicht vorlägen. Weder wegen der Schwe[xxxxx] der Taten noch der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage sei es geboten, daß ein Verteidiger mitwirke.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde des Angeklagten. Sie ist auch begründet.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Nach der - hier allein in Frage kommenden - Vorschrift des § 140 Abs. 2 StPO ist dem Angeklagten ein Verteidiger zu bestellen. Dieses ist zum jetzigen Zeitpunkt des Verfahrens geboten, nachdem der bisherige Wahlverteidiger mit Schriftsatz vom 31. Oktober 1984 das Mandat niedergelegt hat.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Mitwirkung eines Verteidigers ist wegen der Schwierigkeit der Sachlage geboten.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte wird sich in der Berufungshauptverhandlung vor eine schwierige Beweiswürdigung gestellt sehen. Sie überfordert ihn, einer gerade 22 Jahre alt gewordenen Lagerarbeiter. Eine nüchterne und kritische Beweiswürdigung wird für ihn dadurch erschwert, daß er weil daß viel für ihn vom Ausgang dieser Berufungshauptverhandlung abhänge Im Falle der Verurteilung droht ihm eine empfindliche Freiheitsstrafe. Daß in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht nach dem Hauptverhandlungsprotokoll die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft "nur" eine Freiheitsstrafe von vier Monaten ohne Strafaussetzung zur Bewährung beantragt hat, gibt ihm nicht die Gewähr, daß die Berufungshauptverhandlung nicht zu einer weit empfindlicheren Strafe führen kann. Das ist umso mehr möglich, als nach dem unklaren Hauptverhandlungsprotokoll des Amtsgerichtes nicht auszuschließen ist, daß diese Strafe von vier Monaten nur für die Fälle des versuchten Diebstahls beantragt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Schließlich weiß der Angeklagte, daß er im Falle der Verurteilung in dieser Sache mit dem Widerruf der Aussetzung der Vollstreckung eines sechsmonatigen Restes einer Jugendstrafe rechnen muß. Auf die Schwierigkeit der Beweiswürdigung deutet es schon hin, daß im bisherigen Verfahren der Strafrichter und die Staatsanwaltschaft zu einer unterschiedlichen Bewertung der Beweise gekommen sind. Das rechtfertigt allein allerdings noch nicht ohne weiteres die Beiordnung eines Pflichtverteidigers. In der Berufungshauptverhandlung wird hinzukommen, daß von besonderer Bedeutung die Entwicklung des Aussageverhaltens des Zeugen ... ist, dessen Bekundung für die Fälle des versuchten Diebstahls von ausschlaggebender Bedeutung sein dürfte. Nachdem, nach dem strafrichterlichen Urteil, dieser Zeuge in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht nicht hat ausschließen kennen, daß nach dem Angeklagten möglicherweise noch ein anderer Kunde die Ronden eingeworfen hat, hat er dieses nach seiner späteren polizeilichen Vernehmung mit Sicherheit ausgeschlossen und will vom Strafrichter mißverstanden worden sein. Zur sinnvollen Vorbereitung für die Berufungshauptverhandlung ist deswegen für den Angeklagten die Kenntnisnahme von dieser Vernehmung und früheren Protokollen über die Vernehmung des Zeugen wichtig. Er kann die Kenntnis jedoch nur dadurch, gewinnen, daß ein Verteidiger für ihn Akteneinsicht nimmt, da er persönlich keinen Anspruch auf Akteneinsicht hat (§ 147 StPO). Schließlich wird bei der Beweiswürdigung der nicht einfach zu beurteilende Umstand zu bewerten sein, daß nach der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht die Belastungszeugen - was allerdings entgegen der Ansicht der Verteidigung noch keineswegs rechtlich bedenklich war - nochmals vernommen und hierdurch ganz besonders auf die Umstände hingewiesen worden sind, die zu einer Überführung des Angeklagten führen können.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Da aus den aufgeführten Gründen die Beweiswürdigung den Angeklagten - unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse - überfordert, war der angefochtene Beschluß aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat - ausnahmsweise - davon abgesehen, die Sache zur Bestellung des Verteidigers durch den Vorsitzenden der Strafkammer gemäß § 141 Abs. 4 StPO an das Landgericht zurückzugeben, und hat von der ihm als Beschwerdegericht zustehenden Befugnis, selbst den Pflichtverteidiger zu bestellen, Gebrauch gemacht, um das Verfahren zu beschleunigen. Der Senat hat Rechtsanwalt Weckmüller, den früheren Wahlverteidiger, zum Pflichtverteidiger bestellt, da dieser das Vertrauen des Angeklagten hat, er bereits den Akteninhalt kennt und keine Gesichtspunkte ersichtlich sind, die gegen seine Bestellung zum Pflichtverteidiger sprechen.</p>
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"slug": "lagk",
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"state": 12,
"jurisdiction": "Arbeitsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 2 Sa 436/84 | 1984-10-31T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:22 | 2019-03-27T09:42:33 | Urteil | ECLI:DE:LAGK:1984:1031.2SA436.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Anschlußberufung des Klägers wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.</p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Die Parteien streiten über die tarifgerechte Bezahlung des Klägers.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der 42 Jahre alte Kläger ist seit dem 1.12.1972 als Angestellter bei der dem Bundesministerium für R nachgeordneten Bundesforschungsanstalt für L beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft Tarifbindung und aufgrund vertraglicher Vereinbarung der Bundesangestelltentarifvertrag in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Der Kläger erhält Vergütung nach der Gruppe IV b BAT.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Bis Mitte Oktober 1977 war der Kläger im Referat F 4 "W " tätig, seit dem arbeitet er im Referat F <em>5</em> "V ". Referatsleiter ist der Zeuge Dr.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">M</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Aufgabe der Bundesforschungsanstalt ist es, im Zusammenwirken mit verwandten Einrichtungen wissenschaftliche und informative Grundlagen zur Lösung der Aufgaben der Bundesregierung im Bereich der R zu schaffen. Im Referat "V " liegen die Arbeitsschwerpunkte nach dem Organisationsplan der Bundesforschungsanstalt auf zwei Ebenen: Zum einen geht es um eine verkehrszweigübergreifende Betrachtungsweise des Verkehrsverhaltens, der Raumwirksamkeit von Verkehrstechnologien sowie der Ordnungspolitik; zum anderen sind sektoral Fernverkehr sowie Nahverkehr/Stadtverkehr zu beobachten.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger, der 1978 die Qualifikation eines magister artium in Wirtschafts- und Sozialgeographie, historischer Geographie und Statistik erlangt hat, machte mit Schreiben vom 12.6.80 Ansprüche auf Vergütung nach der Gruppe IV a BAT schriftlich geltend.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit Datum vom 6.8.1981 erstellte der Zeuge Dr. M , der Vorgesetzte des Klägers, eine Arbeitsplatzbeschreibung, die</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">den Beobachtungszeitraum 1.1.198o bis 3o.5.1981 umfaßte. Auf diese Arbeitsplatzbeschreibung hat der Kläger im wesentlichen sein Höhergruppierungsbegehren gestützt. Auf den Inhalt der Arbeitsplatzbeschreibung, Bl. 58 bis 65 d.A. und die ausführliche Darstellung im Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils, Bl. 145 ff d.A., wird verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Arbeitsplatzüberprüfungskommission der Bundesanstalt erstellte unter dem 2o.1o.1981 einen Bericht über eine Arbeitsplatzüberprüfung, in sie die Tätigkeiten des Klägers nach den "Blöcken" statistische Analyse,logische Prüfverfahren, elektronische Datenverarbeitung, Arbeitsorganisation, Führung von Hilfskräften, verbale Darstellung der Ergebnisse, graphische Darstellungen und Kenntnis der einschlägigen wissenschaftlichen und planungspraktischen Aufgaben, denen zugearbeitet wird, aufteilte. Die Prüfungskommission kam zu dem Ergebnis, der Kläger erfülle mit 4o %, seiner Tätigkeiten die Heraushebungsmerkmale "besondere Schwierigkeit und Bedeutung" im Sinne der Vergütungsgruppe IV a, Fallgr. 1 b BAT wegen seiner Aufgaben im Bereich Luftverkehr und wegen der eigenverantwortlichen Bearbeitung zweier Einzelthemen zum Atlas zur Raumentwicklung. In einem Begleitschreiben führte die Arbeitsplatzüberprüfungskommission dazu aus, ein Höhergruppierungsanspruch des Klägers bestehe nur, wenn ihm nach Abschluß der Arbeiten zum "Atlas zur Raumentwicklung" gleichwertige Tätigkeiten übertragen würden, bzw. wenn das Themenfeld "Luftverkehr" erhalten bliebe. Wenn das Themenfeld "Luftverkehr" keine dauerhafte Aufgabe sei, seien die Voraussetzungen für einen Höherstufungsantrag nicht gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Nachdem die Beklagte der Arbeitsplatzüberprüfungskommission mitgeteilt hatte, dem Kläger sei niemals ein Themenfeld "Luftverkehr" übertragen, revidierte die Kommission ihren Bericht vom 2o.1o.1981 durch Vermerk vom 21.12.1981.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten wird auf die weiteren Ausführungen der Kommission, Bl. 55 ff d.A. Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Mit seiner am 17.12.1982 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger sein Höherstufungsbegehren weiterverfolgt und im Hauptantrag den Unterschiedsbetrag zwischen den Vergütungsgruppen IV b und IV a BAT für die Zeit vom 1.1.1980 bis zum 30.6.1982 und die Unterschiedsbeträge zwischen den Vergütungsgruppen IV b und III BAT für die Zeit ab 1.7.1982 bis zum 31.12.1982 geltend gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Mit seinem Hilfsantrag hat der Kläger den Unterschiedsbetrag zwischen den Vergütungsgruppen IV b und IV a BAT für die Zeit ab 1.1.198o bis zum 31.12.1982 verlangt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Er hat die Auffassung vertreten, er erfülle die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe III, Fallgr. 1 a BAT, jedenfalls aber für eine Eingruppierung in die Gruppe IV a, Fallgr. 1 a BAT ab 17.1 o.1977.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Arbeiten am Atlas zur Raumentwicklung, die ihm nicht nur vorübergehend übertragen worden seien und für die er 5o <em>%</em> seiner Gesamtarbeitszeit aufgewendet habe, müßten in folgende Arbeitsschritte aufgegliedert werden: Externe Datenbeschaffung, Datenprüfung und Datenbewertung und Einsatz von Methoden der deskriptiven und analytischen Statistik, Schwellenwertbildung nach inhaltlichen und formalen Kriterien, Anfertigung von Dateidokumentationen einschließlich kritischer Wertung ihrer Aussagefähigkeit, eigenverantwortliche Entwicklung von Entwürfen zu thematischen Karten, Anfertigung des Layout der AzR -Karten, Abfassen von Prüfprotokollen, Anfertigung der Datenbeschreibung, Abstimmungsgespräche mit dem Abteilungsleiter, Information in Vertretung des zur Kur weilenden Projektleiters, Abfassen von fremdsprachigen Titeln, Anfertigen von wissenschaftlichen Begleittexten zu den Karten 3.02 und 3.03, Korrekturlesen von Atlastexten und Kartenentwürfen, Arbeitsablaufplanung und Terminplanung sowie Terminüberwachung.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Zur ordnungsgemäßen Erledigung dieser Aufgaben seien folgende Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich: Kenntnisse der Datenlage und Datenquellen, englische Sprachkenntnisse,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Kenntnis der jeweils problemrelevanten Literatur, der raumordnungspolitschen Ziele und Aussagen und der einschlägigen wissenschaftlichen und planungspraktischen Aufgaben, Kenntnis der elektronischen Datenverarbeitung zur Lösung mathematischer und statistischer Aufgaben, Kenntnis der Methoden der deskriptiven und analytischen Statistik, Kenntnis von Gesetzen, Verordnungen, Entschließungen und Empfehlungen im Bezug auf Raumordnung, Verkehr und Luftfahrt, Kenntnisse der elektronischen Datenverarbeitung zur Datenabspeicherung, Kenntnisse von Prüfverfahren nach logischen, zeitlichen und räumlichen sowie inhaltlichen Kriterien, Kenntnis in kartographischer Informationsvermittlung, Kenntnisse der EDV-unterstützten Kartographie, Kenntnis der Visualisierung thematischer Inhalte in der Kartographie, Kenntnis der Erhebungstechnik und Kenntnisse von Aussagefähigkeit und Besonderheiten der verwendeten Statistiken und Kenntnisse der englischen und französischen Fachterminologie.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Mit den vorgenannten Anforderungen werde belegt, daß der Kläger zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben Kenntnisse benötige, die durch ein Hochschulstudium vermittelt würden, und daß er ein besonderes Maß an Verantwortung einbringen müsse. Auch die geforderte Bedeutung der Tätigkeit werde damit nachgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Arbeit am Atlas sei ein einheitlicher Arbeitsvorgang und rechtfertige für sich allein den Anspruch auf höhere Vergütung. Die Arbeiten an den beiden Atlasblättern, deren wissenschaftliche Betreuung ihm eigenverantwortlich übertragen sei, könne aus dem Gesamtkomplex "Arbeit am Atlas" nicht herausgelöst werden. Die einzelnen Arbeitsschritte seien unlöslich miteinander verbunden.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Das Themenfeld für Luftverkehr, das er eigenverantwortlich und im dienstlichen Auftrage strukturiert habe, und aus dem er in Abstimmung mit seinen Vorgesetzten Aufsätze veröffentlich habe, erfülle die Voraussetzungen für eine Höherstufung</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">ebenfalls. Daß die entsprechenden Arbeiten dienstlich veranlaßt worden seien, ergebe sich aus vielfachen Gesprächsprotokollen und Unterlagen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Schließlich erfüllten auch seine sonstigen Aufgaben die Merkmalen der in Anspruch genommenen höheren Vegütungsgruppe.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 15.680,83 DM brutto, nebst 4 <em>%</em> Zinsen seit dem 28.12.1982 zu zahlen;</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">hilfsweise:</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 12.982,82 DM brutto, nebst 4 <em>%</em> Zinsen seit dem 28.12.1982 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Kläger werde tarifgerecht bezahlt. Er habe die üblichen Aufgaben eines Sachbearbeiters zu erledigen, nämlich die Beschaffung von Daten aus amtlichen Statistiken, Verbandsstatistiken und behördeninternen Datensammlungen, die Aufbereitung der Daten, die Aufstellung von Tabellen, die Berechnung von Durchschnittswerten, die Anfertigung von Häufigkeitsdiagrammen, die Festlegung von signifikanten Schwellenwerten, die Anfertigung von Kartenentwürfen, schriftliche Formulierungen der erfüllten Aufgaben für den Projektleiter, Korrekturarbeiten der Tabellen der Bundesforschungsanstalt, die Anwendung logischer Prüfverfahren, die Überprüfung von Druckvorlagen und die Mitwirkung an der Farbabstimmung während des Kartendrucks. Tätigkeiten dieser Art seien bei der Mitarbeit des Klägers an den Eigenforschungsprojekten der Referatsleiter Dr. L und K ebenso angefallen wie im Rahmen der Mitarbeit des Klägers am Atlas zur Raumentwicklung.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Arbeiten des Klägers am Atlas seien im übrigen in den Geschäftsverteilungsplan nicht aufgenommen worden, weil es sich nur um vorübergehende Aufgaben gehandelt habe, so daß</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">dieser Aufgabenbereich tarifrechtlich ohnehin für die Bewertung der Tätigkeit des Klägers unbeachtlich sei.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Der Kläger habe für seine Arbeiten am Atlas keine Sprachkenntnisse gebraucht. Zur Erfüllung der Aufgaben seien auch keine wissenschaftlichen Qualifikationen notwendig gewesen, auch keine Kenntnisse der elektronischen Datenverarbeitung. Für entsprechende Spezialbereiche gebe es in der Bundesanstalt spezielle Dienste, deren Hilfe die Sachbearbeiter in Anspruch nehmen könnten.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Eine besonders herausgehobene, aber auch nur vorübergehend übertragene Tätigkeit des Klägers sei die eigenverantwortliche Bearbeitung zweier Kartenblätter gewesen. Insoweit sei ihm ein Sonderauftrag erteilt worden. Für die Erledigung dieser Aufgaben habe er 13 <em>%</em> seiner Arbeitszeit aufgewendet. Auch daraus sei ein Anspruch auf höhere Vergütung mithin nicht herzuleiten.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Veröffentlichungen des Klägers seien Privatangelegenheit gewesen. Er habe dazu keinen dienstlichen Auftrag gehabt. Auch habe die Beklagte den Kläger nicht veranlaßt, ein Themenfeld Luftverkehr zu strukturieren. Der Kläger habe sich diesem Thema aufgrund seiner privaten Interessen zugewandt, weil er Hobbyflieger sei.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung des Referatsleiters Dr. M als Zeugen die Beklagte durch Urteil vom 13.12.83 zur Zahlung von 12.982,82 DM brutto, nebst 4 <em>%</em> Zinsen ab 28.12.82 verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, der Kläger erfülle mit seiner Tätigkeit die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe IV a, Fallgr. 1 b BAT, weil er sich zu einem Drittel der Arbeitsvorgänge durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b BAT heraushebe. Die Heraushebungsmerkmale seien erfüllt bei der eigenverantwortlichen Bearbeitung der beiden Kartenblätter des Atlasses</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">zur Raumentwicklung, wobei es sich insoweit um einen gesonderten Arbeitsvorgang handele. Auch die Bearbeitung des Themenfeldes Luftverkehr, die wiederum als ein Arbeitsvorgang zu qualifizieren sei, sei eine Tätigkeit, mit der sich der Kläger durch die besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der nächstniedrigeren Vergütungsgruppe heraushebe.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 152 ff d.A. Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses ihr am 3o.3.1984 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 3o.4. durch Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 29.5.1984 begründet.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Sie führt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages aus, das Arbeitsgericht sei schon deshalb zu einem unzutreffenden Ergebnis gekommen, weil es die Mitarbeit des Klägers am Atlas zur Raumentwicklung nicht nur als vorübergehende Aufgabe angesehen habe. Die Beklagte habe schon in erster Instanz mehrfach darauf hingewiesen, daß dem Kläger ein zeitlich begrenzter Sonderauftrag zur eigenverantwortlichen Entwicklung von zwei Kartenblättern zum Atlas zur Raumentwicklung erteilt worden sei. Der gesamte Atlas sei sozusagen ein Nebenprodukt aus den laufenden Forschungsarbeiten der Beklagten gewesen. Aus den Eigenforschungsprojekten, die von Projektleitern in den Fachreferaten der Bundesforschungsanstalt erarbeitet werden, hätten kartographische Darstellungen zu einem Atlas zur Raumentwicklung zusammengestellt und durch textliche Ausführungen erläutert werden sollen. Eigenforschungsprojekte des Referats "V " seien gewesen:</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">-       großräumige Erreichbarkeitsverhältnisse(Dipl.-Ing. S )</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">-       Bestandsaufnahme "Öffentlicher Verkehr"(Dr. M )</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">-       Modellrechnungen zum Verkehr im ländlichenRaum (Dr. K )</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">- Raumwirksamkeit von Fernstraßen (Dr. L )</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Der Kläger sei <em>ab</em> 17.1 o.1977 beauftragt gewesen, als Sachbearbeiter Zuarbeiten zu den Eigenforschungsprodukten auszuführen.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Daß sich die Arbeiten am Atlas über längere Zeit hingezogen hätten als ursprünglich veranschlagt, stehe nicht der Annahme entgegen, daß es sich nur um eine vorübergehende Tätigkeit gehandelt habe.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Arbeiten des Klägers am Atlas seien deshalb für die tarifliche Bewertung seiner Tätigkeit nicht von Bedeutung.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Der Kläger habe auch niemals einen dienstlichen Auftrag zur Bearbeitung eines Themenfeldes "Luftverkehr" erhalten. Einen solchen Themenbereich gebe es bei der Bundesforschungsanstalt nicht.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der Verkehrsreferent im Bundesbauministerium, der gewußt habe, daß der Kläger Hobbyflieger sei, habe im Januar 1981 mit dem Kläger über den Luftverkehr gesprochen. Darüber habe der Kläger seinen Referatsleiter und den Abteilungsleiter Forschung in Kenntnis gesetzt und einen Vermerk mit Datum vom 22.1.1981 erstellt, der jedoch nirgends in irgendeiner Weise verwandt worden sei. Darüber hinaus sei der Kläger in der Zeit vom 2.-5.11.1981 als Zuhörer zu einem Hearing in den hessischen Landtag geschickt worden, bei dem es um die umstrittene Startbahn 18 West gegangen sei. Darüber habe er einen Dienstreisebericht erstellt, der jedoch keine für die Beklagte relevanten Informationen enthalten habe und dem Bundesministerium nur zur Kenntnis gebracht worden sei. Der Themenbereich Luftverkehr sei danach weder von der Bundesforschungsanstalt noch im Ministerium weiterverfolgt worden. Außerdem habe der Kläger den Zeitanteil für die Teilnahme am Hearing zu hoch angesetzt. Allenfalls könne ein Anteil von 1 <em>%</em> angenommen werden.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Aus der Bekundung des Zeugen Dr. M ergebe sich, daß über Fragen des Luftverkehrs im Rahmen der Aufgabenerfüllungen der Bundesforschungsanstalt nachgedacht worden sei. Daß der Kläger ein Konzept über eine nähere Strukturierung des Gebietes Luftverkehr erstellt habe, sei dem Zeugen erst durch den Informationsbericht vom 2o.1.1981 bekanntgeworden. Aus dem Umstand, daß der Bericht des Klägers zu den Unterlagen des Referats genommen worden sei, könne jedoch keineswegs geschlossen werden, der Kläger habe nunmehr einen dahingehenden dienstlichen Auftrag zum Tätigwerden gehabt.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Im Wege der unselbständigen Anschlußberufung stellt er den Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und die Beklagte zur Zahlung weiterer 2.698,o1 DM brutto, nebst 4 <em>%</em> Zinsen ab 28.12.1982 zu verurteilen.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Er macht erneut geltend, die Tätigkeit des Klägers am Atlas zur Raumentwicklung müsse als ein Arbeitsvorgang gewertet werden. Eine tarifrechtlich gesonderte Bewertung der eigenverantwortlichen Erstellung zweier Atlasblätter komme nicht in Betracht. Für den überwiegenden Anteil der damit zusammenhängenden Arbeiten benötige der Kläger Kenntnisse, die er durch sein Studium erworben habe.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Der Kläger sei auch im Aufgabenbereich Luftverkehr tätig gewesen, der zum Referat 5 gehöre. Deshalb müsse auch dieser Arbeitsbereich berücksichtigt werden. Das Arbeitsgericht hätte demgemäß von nur zwei Arbeitsvorgängen ausgehen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Mit beiden Arbeitsbereichen erfülle der Kläger die Heraushebungsmerkmale der besonderen Bedeutung und der besonderen Schwierigkeit.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Tätigkeit des Klägers könne nicht als "Zuarbeit" zu den Eigenforschungsprojekten der Forschungsanstalt gewertet werden. Es stimme auch nicht, daß es sich insoweit nur um einen vorübergehenden Aufgabenkreis des Klägers gehandelt habe.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsgericht habe zutreffend auch das Themenfeld "Luftverkehr" in die Bewertung einbezogen. Insoweit habe der Kläger auch einen dienstlichen Auftrag gehabt. Die Teilnahme des Klägers am Hearing Startbahn West sei zeitlich nicht zu hoch veranschlagt, wenn die Vorbereitung hinzugerechnet werde. Aufgabe des Klägers sei die des Zuhörers gewesen, der anschließend mit Fachkompetenz habe berichten müssen.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Formulierung "Aufbau eines Themenfeldes Luftverkehr" habe der Referatsleiter Dr. M erstmals in seiner Arbeitsplatzbeschreibung vom 6.8.1981 benutzt. Bis zum Beginn des vorliegenden Verfahrens sei der Kläger immer zu Gesprächen als Experte herangezogen worden. Es stimme nicht, daß Herr Dr. M von einem Konzept zur Strukturierung des Gebietes Luftverkehr erst erfahren habe, als der Kläger den Informationsbericht vom 2o.1.1981 gezeigt habe, denn einleitend heiße es wörtlich, der Kläger habe die Aufgabe des Berichterstatters für die BfLR mit Kenntnis und Billigung von ALF und Referatsleiter Dr. M übernommen.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">die Anschlußberufung des Klägers zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Sie meint wiederum, die Tätigkeit des Klägers am Atlas für Raumentwicklung müsse in zwei Arbeitsvorgänge aufgeteilt werden, einer davon sei die Mitwirkung (Zuarbeit)</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">an der Erarbeitung von Kartenblättern, der andere die eigene Erarbeitung von zwei Kartenblättern zu dem Altlas. Der erste Arbeitsvorgang sei mit einem Arbeitszeitanteil von 33 <em>%</em> zu bewerten, der weitere mit einem Anteil von 13 <em>%.</em></p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Der Kläger habe für seine Arbeiten auch nicht Kenntnisse aus dem Studium der Geographie benötigt. Auch das gehe aus der erstinstanzlichen Beweisaufnahme hervor. Ein abgeschlossenes Geographiestudium sei für solche Arbeiten zwar nützlich, aber nicht notwendig.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Erneut weist die Beklagte darauf hin, daß es ein Themenfeld "Luftverkehr" bei ihr nicht gebe. Für seine Teilnahme am "Hearing Startbahn West" habe der Kläger äußerstensfalls 1 <em>%</em> seiner Arbeitszeit verwendet.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Wegen aller weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze der Parteien verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">E_n_t_s_c_h_e_i_d_u_n_g_s_g_r_ü_n_d_e</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Beklagten ist nach dem Wert des              Beschwerde-gegenstandes an sich statthaft. Das Rechtsmittel              ist form-und fristgerecht eingelegt und begründet worden.              Mithin istes zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hatte auch in der Sache erfolgt. Dem Kläger steht ein Anspruch auf höhere als die ihm zur Zeit gewährte Vergütung nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Beide Parteien sind tarifgebunden. Daher gelten für das Anstellungsverhältnis die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages und der ihn ergänzenden Vorschriften unmittelbar und zwingend nach den §§ 3, 4 des Tarifvertragsgesetzes.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Daher könnte der Kläger Vergütung nach der Gruppe IV a BAT nur verlangen, wenn die Hälfte seiner Gesamtarbeitszeit oder doch ein Drittel seiner Zeit mit Arbeitsvorgängen ausgefüllt gewesen wäre, die den vom Kläger beanspruchten tariflichen Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppe IV a BAT entsprechen, § 22 I und II BAT.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Unter einem Arbeitsvorgang ist eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen (SAG, Urteil vom 25.11.81, EzA Nr. 5 zu §§ 22, 23 BAT - Vergütungsgruppe VI b - mit Hinweisen auf die frühere Rechtsprechung; zuletzt BAG, Urteil vom 6.6.84, 4 AZR 218/82, ebenfalls mit Hinweisen auf die frühere Rechtsprechung).</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Unter Anwendung obiger Grundsätze stimmt das Landesarbeitsgericht mit dem erstinstanzlichen Urteil überein, daß die Tätigkeiten des Klägers am Atlas zur Raumordnung zwei Arbeitsvorgänge umfassen. Als ein tarifrechtlich einheitlich zu bewertender Arbeitsvorgang ist anzusehen das Beschaffen, Sichten und Auswerten von Daten und deren vorbereitende Verarbeitung bis zur endgültigen wissenschaftlich  verantwortlichen Bearbeitung durch Dritte. Den Ausführungen des Arbeitsgerichts dazu stimmt das Landesarbeitsgericht in vollem Umfang zu (Bl. 12/13 d.A.).</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Als weiterer Vorgang ist die Tätigkeit des Klägers im Zu-</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">sammenhang des/eigenverantwortlichen Bearbeitung zweier</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Atlasblätter anzusehen. Insoweit oblagen dem Kläger nicht nur Beschaffung und vorbereitende Verarbeitung der Daten. Er hatte auch die Aufgabe, die Kartenblätter in wissenschaftlich verantwortlicher Weise zu erstellen.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Annahme des Klägers geht es dabei nicht um einen einzigen großen Arbeitsvorgang. Für das Vorliegen zweier Arbeitsvorgänge spricht die Verwaltungsübung bei</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">der Beklagten, bei der die oben bezeichneten Arbeitsbereiche unterschiedlich bezahlten Mitarbeitern übertragen sind. Im übrigen ergibt sich das auch aus dem Umstand, daß die oben bezeichneten beiden Arbeitsbereiche tarifrechtlich unterschiedlich zu bewerten sind. Schon deshalb können sie nicht als ein einheitlicher Arbeitsvorgang gewertet werden.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Dem steht nicht entgegen, daß ein sachlicher Zusammenhang zwischen den sogenannten vorbereitenden Arbeiten und der Erstellung der Kartenblätter in wissenschaftlich verantwortlicher Weise besteht, daß insbesondere die letzten Arbeitsgänge auf den Vorbereitungen aufbauen und ohne sie nicht möglich sind. Es ist in der Verwaltungspraxis durchaus üblich, einem Mitarbeiter vorbereitende Arbeiten zu übertragen bis hin z.B. zu einem Entscheidungsentwurf, während ein anderer Angestellter unter Verwertung der vorbereitenden Arbeiten den Vorgang eigenverantwortlich zum Abschluß bringt.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Die beiden obengenannten Arbeitsvorgänge, die nach der Arbeitsplatzbeschreibung des Referatsleiters Dr. M und nach dem Vortrag des Klägers in der Klageschrift 5o <em>%</em> der Arbeitszeit des Klägers ausfüllen, gehören zum vertraglichen Aufgabenbereich des Klägers und sind daher für die tarifrechtliche Bewertung der Tätigkeit heranzuziehen.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Die Kammer Kann sich/insoweit nicht der Auffassung der Beklagten anschließen, diese Arbeiten seien ihrer Natur nach nur vorübergehend gewesen , das habe sich für den Kläger aus den Umständen ergeben, weil der Abschluß der Arbeiten voraussehbar gewesen sei und weil darüber hinaus dieser Aufgabenbereich bewußt in den Geschäftsverteilungsplan nicht aufgenommen worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Richtig ist allerdings, daß auch eine sich über mehrere Jahre hin erstreckende Tätigkeit eine nur vorübergehende sein kann. Entscheidend ist der bei der Übertragung der Tätigkeit ausdrücklich erklärte oder stillschweigend zum Ausdruck gebrachte</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Wille des Arbeitgebers. § 24 BAT enthält keine zeitliche Obergrenze für die Übertragung einer vorübergehenden Tätigkeit.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Auf der anderen Seite muß, worauf das Arbeitsgericht bereits im Auflagenbeschluß vom 26.8.1983 ausführlich hingewiesen hat, berücksichtigt werden, daß die Beklagte ihre Mitarbeiter typischerweise mit Tätigkeiten im Zusammenhang mit Forschungspro- jekten betraut, die jeweils nur begrenzte Zeit in Anspruch nehmen. Wäre die Auffassung der Beklagten richtig, hätten die an solchen Forschungsprojekten arbeitenden Mitarbeiter überhaupt keine endgültigen vertraglich auszuübenden Aufgaben. Sie wären immer nur mit vorübergehenden Tätigkeiten betraut. Das entspräche nicht dem Sinn der tariflichen Eingruppierungsnormen und ist im Zweifel von der Beklagten auch nicht beabsichtigt.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Näher liegt deshalb auch nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts die Annahme ,  daß die dem Kläger im Zusammenhang mit der Tätigkeit am Atlas für Raumordnung übertragenen Arbeitsvorgänge seiner vertraglich auszuübenden Tätigkeit entsprechen mit der Maßgabe, daß er Anspruch darauf hat, nach Abschluß entsprechender Arbeiten mit gleichwertigen Aufgaben betraut zu werden.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Das schließt nicht aus, daß ein Arbeitgeber einem solchen Angestellten im Rahmen von Sonderaufträgen einzelne vorübergehende Arbeiten zuweist, aus denen tarifvertraglich kein Anspruch auf eine höhere Vergütung hergeleitet werden kann. Allein aus dem Umstand, daß ein übertragenes Projekt absehbare Zeit später zum Abschluß gebracht werden soll, folgt die vorübergehende Übertragung in einem solchen Fall jedoch nicht.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Der Kläger meint nun, alle seine Arbeiten am Atlas zur Raumentwicklung entsprächen den qualifizierten Merkmalen der Vergütungsgruppe IV a BAT. Da die insoweit in Anspruch genommene Vergütungsgruppe auf den Gruppen V b und IV b BAT aufbaut,</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">sind die nachfolgenden Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppen heranzuziehen, wonach zu vergüten sind</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">nach Vergütungsgruppe V b BAT Fallgruppe 1 a</span></p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">(Gründliche, umfassende Fachkenntnisse bedeuten gegenüber den in der Fallgruppe 1 a der Vergütungsgruppen VII, VI b und V c geforderten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach.)</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">nach Vergütungsgruppe IV b, Fallgruppe 1 a</span></p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a heraushebt, daß sie besonders verantwortungsvoll ist.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">nach Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 a und 1 b</span></p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a heraushebt.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich mindestens zu einem Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a heraushebt.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">nach Vergütungsgruppe III Fallgruppe 1 b</span></p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a heraushebt,</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">nach vierjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 a.</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Mit Rücksicht darauf, daß es sich um Aufbaufallgruppen handelt, mußte zunächst geprüft werden, ob der Kläger die Voraussetzungen der Gruppe V b BAT erfüllt. Das ist der Fall. Denn der Kläger benötigt zur Erledigung seiner Aufgaben, auch soweit es um die sogenannten vorbereitenden Arbeiten geht, gründliche und umfassende Fachkenntnisse. Er braucht Kenntnisse auf den Gebieten der Datenbeschaffung und Datenbearbeitung einschließlich der Kenntnisse in Statistik. Außerdem muß er umfassend über die raumpolitische Zielsetzung der Bundesrepublik informiert sein. Er benötigt Kenntnisse in Kartographie, in Datenverarbeitung und nähere Kenntnisse von Gesetzen und Verordnungen. Das ergibt sich aus der von dein Referatsleiter Dr. M erstellten Arbeitsplatzbeschreibung, Bl. 58 ff d.A. Der Kläger benötigt mithin von Umfang und Tiefe her ein beachtliches Fachwissen. Er hat außerdem unter Einsatz der erforderlichen Fachkenntnisse Gedankenergebnisse selbständig zu erarbeiten, indem er Daten beschafft und bearbeitet und bis zur wissenschaftlich verantwortlichen abschließenden Arbeit durch den Referatsleiter vorbereitet. Damit sind die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe V b BAT dargetan. Der Kläger benötigt gründliche und umfassende Fachkenntnisse und erbringt selbständige Leistungen.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hebt sich durch seine Tätigkeit am Atlas zur Raumordnung aus den Merkmalen der Vergütungsgruppe V Fallgruppe 1 a auch dadurch hervor, daß er eine besonders verantwortungsvolle Tätigkeit hat. Die besondere Verantwortung kann sich aus der Wahrnehmung von Aufsichtsfunktionen, ideellen oder materiellen Belangen des Dienstherrn, aus Gründen im Behördenapparat und aus den Auswirkungen der Tätigkeit auf die Lebensverhältnisse Dritter ergeben,(BAG, Urteil vom 18.11.75, EzA Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT, Vergütungsgruppe IV b).</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Die besondere Verantwortung im Falle des Klägers läßt sich daraus herleiten, daß seine vorbereitenden Arbeiten ohne weitere Nachprüfungen in Entscheidungshilfen für die Bundes-</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">regierung im Bereich der Verkehrsplanung einfließen.</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Die Heraushebung durch besondere Schwierigkeit erfordert, daß von dem Angestellten eine Tätigkeit auszuüben ist, die gemessen an der Gesamtheit der Tätigkeitsmerkmale der darunterliegenden Vergütungsgruppe nach den gestellten fachlichen Anforderungen erheblich schwieriger ist. Die Bedeutung kann sich aus der Größe des Aufgabengebietes ergeben, aus der außerordentlichen Bedeutung der zu bearbeitenden Materie und den Auswirkungen der Tätigkeit für den innendienstlichen Bereich und die Allgemeinheit. Im übrigen muß es sich jeweils um eine beträchtliche und gewichtige Heraushebung handeln. Denn der Tarifvertrag verlangt nicht nur eine Heraushebung durch Schwierigkeit und Bedeutung, sondern ein Herausheben durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung (SAG, Urteil vom 6.6.84, 4 AZR 218/82 mit weiteren Nachweisen).</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Im Sinne der obengenannten Anforderungen ist die Tätigkeit des Klägers, soweit er vorbereitende Arbeiten für die Herstellung von Atlasblättern ausgeführt hat, nicht von besonderer Bedeutung. Die Tätigkeit war gerichtet auf die Erstellung von Atlasblättern aus dem Bereich "V ", wobei der verantwortliche Verfasser unter Verwendung der vom Kläger geleisteten .Vorarbeiten die wissenschaftliche Auswertung unternahm. Es mag durchaus angenommen werden, daß die Atlasblätter im Ergebnis der Vorbereitung raumpolitischer Entscheidungen durch die Bundesregierung dienen und insofern erhebliche Auswirkungen auf die Allgemeinheit haben können. Daraus folgt jedoch nicht, daß auch schon die vorbereitenden Arbeiten im Sinne der tariflichen Norm besonders bedeutsam sind,</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus ist auch nicht erkennbar, daß insoweit beträchtlich gesteigerte Anforderungen hinsichtlich der Schwierigkeit der Arbeiten an den Kläger gestellt werden. Zwar hat der Kläger auch noch in der Berufungserwiderung und Anschlußberufungsbegründung behauptet, alle Arbeiten für den Atlas seien so schwierig gewesen, daß er das durch sein Hochschulstudium erworbene Fachwissen habe einsetzen müssen. Aus der Bekundung des Zeugen Dr. M und den vom Kläger vorgelegten Arbeitsproben ist jedoch zu entnehmen, daß der Kläger keine deutlich gesteigerten Kenntnisse gegen-</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">über denjenigen benötigt, die zur Erfüllung der Aufgaben nach der Vergütungsgruppe IV b BAT erforderlich sind. Der Zeuge hat vor dem Arbeitsgericht bekundet, zu der von ihm sogenannten Zuarbeit gehöre nach seiner Einschätzung keine geographische Ausbildung; es handele sich um eine Sachbearbeitertätigkeit. Dem Kläger mag zuzugeben sein, daß er Kenntnisse von einer erheblichen Breite benötigt, die in unterschiedliche Gebiete hineinreichen, etwa Kenntnisse aus dem Bereich der Datenverarbeitung, aus dem Bereich der Statistik, der Kartographie und der Geographie. Es ist jedoch nicht ersichtlich, daß es sich um Kenntnisse handeln müßte von einer Tiefe wie sie etwa durch ein Hochschulstudium vermittelt würden. Dafür, daß solche Kenntnisse nicht erforderlich sind, spricht, daß im Hause der Beklagten vergleichbare Arbeiten durchweg von Sachbearbeitern ausgeführt werden, die nicht über ein Hochschulstudium verfügen.</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Daß der Kläger aufgrund seines abgeschlossenen Studiums die Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten hat und daß er diese Fähigkeit durch vielfältige Veröffentlichungen unter Beweis gestellt hat, spielt für seine Eingruppierung keine</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">Rolle. Für die Frage, welche Vergütung er zu beanspruchen</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">hat, kommt es/ausschließlich darauf an, welche Kenntnisse er</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">einzusetzen hat, und nicht darauf, über welche Kenntnisse er darüber hinaus noch verfügt. Daher erübrigte sich auch, worauf das Arbeitsgericht bereits hingewiesen hat, die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des wissenschaftlichen Zuschnittes der vom Kläger gelieferten Arbeiten.</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">Mit dem Arbeitsgericht geht auch das Berufungsgericht davon aus, daß der Kläger sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung seines Aufgabenbereiches aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a BAT herausgehoben hat, soweit er eigenverantwortlich zwei Kartenblätter für den Atlas hergestellt hat. Insoweit ging es um die verantwortliche Zusammenstellung von Texten und um die Bewertung und Interpretation der bei den vorbereitenden Arbeiten zusammengestellten Daten. Es kann davon ausgegangen werden, daß der Kläger hier wissenschaft-</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">liche Arbeiten geleistet hat ebenso wie die verantwortlichen Verfasser der übrigen Blätter, denen er zugearbeitet hatte.</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">Unstreitig füllten diese Arbeiten jedoch nur 13 % der Arbeitszeit des Klägers aus. Das für sich allein reicht nicht für eine Einstufung in die Vergütungsgruppe IV a BAT aus.</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Nun hat das Arbeitsgericht darüber hinaus angenommen, zu der dienstvertraglich auszuübenden Tätigkeit des Klägers gehöre auch die "Bearbeitung eines Themenfeldes Luftverkehr"; dabei handele es sich um einen einheitlichen Arbeitsvorgang, mit dem sich der Kläger durch besondere Schwierigkeit und besondere Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b BAT heraushebe. Das Arbeitsgericht hat weiter angenommen, dieser Arbeitsvorgang fülle 23 <em>%</em> der Arbeitszeit aus. Diesen Ausführungen kann sich das Berufungsgericht nicht anschließen.</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">Allerdings spricht vieles für die Annahme, daß auch die Bearbeitung dieses Themenfeldes zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers gehörte. Dagegen spricht nicht, daß es im Geschäftsverteilungsplan nicht aufgeführt ist. Es ist im Zweifel auch nicht wesentlich, daß der Kläger niemals ausdrücklich in konkreter Form aufgefordert wurde, dieses Themenfeld zu bearbeiten und zu strukturieren. Denn zu den vertraglich auszuübenden Tätigkeiten, die mithin für die Bewertung infrage kommen, gehören auch solche Aufgaben, die einem Angestellten mit Wissen und Billigung seiner Vorgesetzen zuwachsen. Von einem solchen Sachverhalt ist im Bericht der Arbeitsplatzüberprüfungskommission vom 2o.1o.81 die Rede. Dort heißt es, die Arbeiten für den Bereich Luftverkehr seien dem Kläger mit Wissen des Referatsleiters und des Leiters der Bundesforschungsanstalt nach und nach zugewachsen. Auch der Referatsleiter Dr. M hatte in seiner Arbeitsplatzbeschreibung (Bl. 62 d.A.) unter "Sonderaufträge" den "Aufbau eines Themenfeldes Luftverkehr" erwähnt. Vor dem Arbeitsgericht hat der Referatsleiter als Zeuge bekundet, über Fragen des Luftverkehrs sei in seinem Referat im Rahmen der Aufgaben-</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">erfüllung nachgedacht worden. Allerdings hat der Zeuge hinzugefügt, er habe erst durch den Bericht des Klägers vom 2o.1.81 erfahren, daß der Kläger ein Konzept über eine nähere Strukturierung des Gebietes Luftverkehr erstellt habe. Über den für das Gespräch mit dem Ministerium am 2o.1.81 erstellten Bericht befindet sich ein Vermerk des Klägers vom 22.1.81 bei den Akten (Bl. 2o6 f), aus dem sich ergibt, daß der Kläger vom Ministerium um einen Sachstandsbericht über die aktuellen Probleme aus den Bereich Luftfahrt, soweit sie die Raumordnung betreffen, gebeten worden war. Letztlich bestehen deshalb keine Bedenken, auch diesen Teil der Tätigkeit des Klägers als eine vertraglich auszuübende Aufgabe zu bewerten.</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">Ob sich der Kläger mit diesem Aufgabenbereich durch besondere Schwierigkeit und besondere Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b BAT heraushebt, wie es das Arbeitsgericht angenommen hat, kann letztlich offenbleiben. Denn jedenfalls steht nicht mit einer zur Verurteilung der Beklagten hinreichenden Sicherheit fest, daß der Kläger mindestens 2o 1/3 <em>%</em> seiner Arbeitszeit für die Bearbeitung dieses Themenfeldes einsetzt. Legte man zugrunde, daß der Kläger mit der eigenverantwortlichen Erstellung zweier Atlasblätter die Heraushebungsmerkmale erfüllt und damit 13 <em>%</em> seiner Arbeitszeit ausgefüllt hat, so müßten Tätigkeiten derselben Qualifikation in einem Umfang von mindestens 2o 1/3 <em>%</em> hinzukommen, wenn im Ergebnis festgestellt werden sollte, daß sich der Kläger mit 1/3 seiner Arbeitszeit in Anspruch nehmenden Arbeitsvorgängen aus der Vergütungsgruppe IV b BAT durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung heraushebt.</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist die Arbeitsplatzüberprüfungskommission in ihrem ergänzenden Vermerk vom 23.12.81 davon ausgegangen, daß der Kläger 27 <em>%</em> seiner Arbeitszeit für die Bearbeitung von Themen aus diesem Bereich verwendet hat. Diese gliedern sich wie folgt auf:</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">-       Anfertigung eines Berichtes über geplanteNeu- und Ausbaumaßnahmen auf Flugplätzen,                            4 <em>%</em></p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">-       Information f. BMBau RS III 3 über raumordnungspolitisch bedeutsame Probleme desLuftverkehrs (2o.1.81)              4 <em>%</em></p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">-       Veröffentlichungen in BfLR-Mitteilungen</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">IzR, RzR, RuR              6 <em>%</em></p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks"><em>-</em>              Teilnahme am Hearing F Startbahn 18 West in W (2.-5.2.81)</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">und Berichterstattung an BMBau RS III 3     8 <em>%</em></p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks"><em>-</em>              Bewertung Kap. "Luftverkehr" im Gesamtverkehrsplan B 1980 an RS III 3        5 <em>%</em></p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">Davon sind nicht einzubeziehen die Veröffentlichungen in BfLR Mitteilung, die mit 6 <em>%</em> veranschlagt wurden. Denn insoweit steht aufgrund der Bekundung des Zeugen Dr. M fest, daß der Kläger keinen dienstlichen Auftrag zur Veröffentlichung wissenschaftlicher Beiträge hatte, daß vielmehr der Zeuge dem Kläger privat geraten hatte zu publizieren, um in Fachkreisen bekanntzuwerden und eine bessere Ausgangsbasis für berufliches Fortkommen zu gewinnen .</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">Es kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger letztlich 21 <em>%</em> seiner Arbeitszeit für dienstliche Aufgaben aus den Themenbereich Luftverkehr verwendet hat. Denn in der Arbeitsplatzbeschreibung des Referatsleiters Dr. M ist aufgeführt, daß für den Aufbau des Themenfeldes Luftverkehr 1o <em>%</em> der Arbeitszeit aufgewendet wurden. Auch in dieser Arbeitsplatzbeschreibung finden sich der Bericht über raumordnungspolitisch bedeutsame Probleme des Luftverkehrs für das Ministerium, die Auswertung der Programme und Pläne der Länder im Bezug auf Aussagen über Neu-und Ausbaumaßnahmen auf Flugplätzen; die Bewertung des Abschnitts Luftverkehr im Generalverkehrsplan B 1980 und die Teilnahme am Hearing "Startbahn 18 West" und Berichterstattung an den Bundesbauininister. Außerdem sind in diesen 1o <em>%</em> auch noch die Beiträge zu den institutseigenen Publikationen aufgeführt. Diese Zeitangabe hat sich der Kläger in</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">der Klageschrift (Bl. 5 d.A) zu eigen gemacht. Damals lag der Bericht der Arbeitsplatzüberprüfungskommission bereits vor. Der Kläger hat nicht im einzelnen dargetan, aus welchen Gründen nun entgegen seinen ursprünglichen Angaben und denen seines Referatsleiters ein viel höherer zeitlicher Anteil zugrundegelegt werden sollte.</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">Daß die Annahmender Arbeitsplatzüberprüfungskommission hinsichtlich des Zeitaufwandes insoweit im Zweifel zu hoch gegriffen sind, ergibt sich aus dem Abschnitt "Teilnahme am Hearing Startbahn 18 West mit anschließender Berichterstattung. Dafür sind 8 <em>%</em> der Arbeitszeit veranschlagt. Unstreitig hat die Anhörung 4 Arbeitstage in Anspruch genommen. Am 19.2., 2 Wochen später, war der Bericht des Klägers über seine Teilnahme am Hearing fertiggestellt. Selbst wenn man 3 weitere Tage für die Vorbereitung hinzurechnet und zugunsten des Klägers unterstellt, daß er nach Abschluß des Hearing bis zum 19.2.81 ausschließlich an dein Bericht gearbeitet hat, ergeben sich 17 oder 18 Tage als Zeitaufwand. Das sind nicht - bezogen auf einen Zeitraum von etwa 11/2 Jahren - 8 <em>%</em> der Arbeitszeit.</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">Nach allem bleibt festzustellen, daß sich der Kläger nicht nachweislich mit Arbeitsvorgängen, die zumindest 1/3 seiner Arbeitszeit ausfüllen, durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b BAT heraushebt. Er kann daher keine Vergütung nach der Gruppe IV a BAT verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">Daraus folgt zugleich, daß der Kläger auch keinen Anspruch auf Vergütung nach der Gruppe III BAT im Wege des Bewährungsaufstieges hat.</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">Auf die Berufung der Beklagten war mithin das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern. Der Kläger war mit der Klage</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">Die Anschlußberufung des Klägers ist unbegründet. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 97 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">Wegen grundsätzlicher  Bedeutung wurde die Revision zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">*</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Rechtsmittelbelehrung;</span> Gegen dieses Urteil kann vom Kläger Revision eingelegt werden; für den Beklagten ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision muß innerhalb einer Notfrist*) von einem Monat nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim Bundesarbeitsgericht, Graf-Bernadotte-Platz 3, 35oo Kassel-Wilhelmshöhe, eingelegt werden. Die Revision ist gleichzeitig oder innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung schriftlich zu begründen. Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Hinweis der Geschäftsstelle;</span> Das BAG bittet, sämtliche Schriftsätz in <em>..6.</em> facher Ausfertigung bei dem BAG einzureichen.</p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">*) Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.</p>
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315,659 | olgk-1984-10-25-7-u-22579 | {
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} | 7 U 225/79 | 1984-10-25T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:24 | 2019-03-27T09:42:32 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1984:1025.7U225.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 27.11.1979 - 5 0 513/76 - abgeändert und neu gefaßt:</p><p>Die Beklagte wird verurteilt,</p><p>an den Kläger zu 1)    DM    834,30,</p><p>an die Klägerin zu 2)   DM 3.567,15 und</p><p>an beide Kläger          DM    448,25 sowie jeweils 4% Zinsen auf diese Beträge seit dem 2.2.1977 zu zahlen.</p><p>Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt bis auf einen Betrag von 133,02 DM, den der Kläger zu 1) zu den Gerichtskosten zu leisten hat.</p><p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p><span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist begründet.</p><span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Unabhängig davon, ob die Beklagte den Klägern gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG schadensersatzpflichtig ist, haftet sie in entsprechender Anwendung der §§ 276, 278 BGB wegen schuldhafter Verletzung des zwischen ihr und dem klagenden Ehemann bestehenden öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses, das auf dem Anschluß des Hausgrundstücks des klagenden Ehemannes an die städtische Kanalisation beruht. Die entsprechende Anwendung dieser Bestimmungen auf ein derartiges öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis ist seit der Entscheidung des BGH vom 30.9.1970 (NJW 1970, 2208 ff) in ständiger Rechtsprechung anerkannt (vgl. auch BGHZ 71, 226 ff und BGH in NJW 1984, 615 ff). Der klagenden Ehefrau haftet die Beklagte in Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte, weil sie als Ehefrau des Anschlußnehmers in den Schutzbereich des öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses einbezogen ist. Sie gehört für die Beklagte erkennbar zu den Personen, die durch den klagenden Ehemann mit der Leistung der Beklagten in Berührung kommen und bei denen die Beklagte redlicherweise damit rechnen muß, daß die dem klagenden Ehemann geschuldete Obhut in gleicher Weise auch der klagenden Ehefrau entgegengebracht werden muß. Durch Einbeziehung der Familienangehörigen des Anschlußnehmers bleibt der Kreis der Begünstigten eng gezogen.</p><span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte haftet für die den Klägern durch Rückstau im Schmutzwasserkanal entstandenen Schäden.</p><span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben eine objektive Pflichtverletzung der Beklagten bewiesen - in Anwendung des § 282 BGB obliegt den Klägern nur dafür, nicht für das Verschulden der Beklagten, die Beweislast -, denn schon nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises beruht ein Rückstau im Schmutzwasserkanal, verursacht durch eingeleitetes Regenwasser bei Starkregen, auf fehlerhafter Planung der Entwässerungsanlage.</p><span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Dies ist durch das Gutachten des Sachverständigen T bestätigt worden. Dieser Sachverständige hat in Kenntnis der Vorgutachten der Sachverständigen H und N, die der Senat deshalb für unbrauchbar hält, weil sich nach den Feststellungen dieser Sachverständigen der Rückstau im Keller des Hauses der Kläger gar nicht ereignet haben kann, ausgeführt, daß zwar die Entwässerungsanlage bei der Herstellung im Jahre 1954 korrekt berechnet und ausreichend dimensioniert worden sei, daß aber anläßlich des Umbaus des Regenauslaßbauwerkes RA 6 im Jahre 1960 und des Einbaus eines Schiebers am überlauf des RA 6 im Jahre 1966 die hydraulischen Verhältnisse am RA 6 wegen der Wirkung der Maßnahme auf die unten folgende Trennentwässerung hätte überprüft werden müssen. Dazu hat der Sachverständige T zusammenfassend festgestellt, die Regenauslaßbauwerke der Mischentwässerung seien falsch ausgelegt; dadurch fließe bei Starkregen eine unkontrolliert hohe Wassermenge in den Schmutzwasserkanal der Trennentwässerung. Die mögliche Überlastung des Schmutzwassersammlers sei durch die zweimalige Überschwemmung des Kellers des Hauses der Kläger in den Jahren 1974 und 1975 nachgewiesen.</p><span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Bei Anwendung des Trennverfahrens durfte das Verhältnis eines maximalen Mischwasserabflusses aus den vorhandenen Regenauslässen Qmax zum Mischwasserabfluß Qu den Wert von 1,2 nicht übersteigen (S. 30 des Gutachtens). Um dies zu gewährleisten, reichte der fest eingestellte Schieber am RA 6 nicht aus, weil bei stärkeren regenfällen beim RA 6 infolge eines Rückstaus eine höhere Wassertiefe entsteht, wodurch sich der Mischwasserabfluß Qu ebenfalls erhöht. Gerade dies aber verstößt gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) und hätte in den Regenauslässen durch Installation eines Absperrorgans, das bei steigendem Wasserstand den Abflußquerschnitt weiter einengte, verhindert werden können.</p><span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Das Verhältnis Qmax zu Qu<1,2 wurde im Kanalnetz der Beklagten weit überschritten, so daß bei starken Regenereignissen der Schmutzwasserkanal der Trennentwässerung planmäßig überlastet wurde. Die Kanalstrecke ist für den Bemessungsregen ausreichend dimensioniert. Bei höheren Regenspenden wird der Schmutzwasserkanal aber planmäßig überlastet. Dies hätte mit zumutbaren Aufwendungen durch die Beklagte verhindert werden können. Durch eine solche Sanierung durch Einbau von Absperrorganen in den beiden Regenauslässen wären relativ niedrige Kosten entstanden, die sich nach Angaben des Sachverständigen auf etwa 30.000,-- DM bis 40.000,-- DM belaufen hätten. Ein Aufwand in dieser Höhe war der Beklagten zumutbar. Die Drosselung des Mischwasserabflusses hätte zum Schutz des Kanals ausgereicht und hätte auch nicht zu einer nennenswert stärkeren Belastung des Vorfluters im Vergleich zum Regenüberlauf ohne Drosselung geführt.</p><span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Ein weiterer Verstoß gegen die a.a.R.d.T. liegt in der Installation eines Schiebers in einem Kanalnetz ohne Schaffung einer Entlastungsmöglichkeit für die dann aufgestauten Wassermengen. Dies mußte klar erkennbar dazu führen, daß mit der Verhinderung der Überschwemmung der Kläranlage „F“ ein erheblicher Rückstau in das Kanalnetz bewirkt wurde. Hinzu kommt, daß bei Stromausfall während eines katastrophenartigen Regens die Leistung der netzunabhängigen Pumpen unzureichend war und dann - wenn die Überschwemmung der Kläranlage verhindert werden sollte -der Rückstau ins Kanalnetz eintreten mußte.</p><span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Frage, ob weitere objektive Verstöße der Beklagten gegen die a.a.R.d.T, vorliegen,und inwieweit diese für den Schaden der Kläger ursächlich geworden sein können, bedarf keiner Erörterung.</p><span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat den ihr gem. § 282 BGB obliegenden Beweis mangelnden Verschuldens nicht geführt, denn - wie der Sachverständige T ausgeführt hat - muß sie gewußt haben, daß bei Starkregenereignissen mit einem erhöhten Abwasseranteil zu rechnen war, da sie im Schacht 469 einen Schieber installieren ließ, mit dem der Zufluß zur Kläranlage gedrosselt werden konnte. Der Schieber konnte nur den Zweck haben, eine Überlastung der Pumpen bzw. eine Überschwemmung der Kläranlage zu verhindern.</p><span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Das Kläranlagepersonal war offenbar auf die Handhabung des Schiebers bei erhöhtem Abwasseranfall eingespielt. Durch die Drosselung des Kläranlagenzulaufs wurde dann zwar effektiv die Überschwemmung der Kläranlage verhindert, aber billigend ein Rückstau ins Kanalnetz hervorgerufen".</p><span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Diese Ausführungen des Sachverständigen treffen zu, ihnen ist nichts hinzuzufügen.</p><span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, sie habe gem. § 3 Abs. 4 der Satzung der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 2.12.1970 die Haftung für Schäden durch Rückstau aus dem Abwassernetz wirksam ausgeschlossen. Es ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt, daß diese Freizeichnung nicht für Schäden gilt, die durch schuldhaft unsachgemäße Erstellung der Entwässerungsanlage entstehen, sondern nur für solche Schäden, die unabwendbare Folge eines Naturereignisses sind oder die auf solchen Betriebsstörungen beruhen, die sich beim Betrieb der Abwasseranlage nicht vermeiden lassen (BGH /WW 1970, 2208 ff, 2210). Dazu gehört nicht ein Rück- stau der durch eine schuldhaft fehlerhaft errichtete/geänderte Anlage geradezu planmäßig herbeigeführt wurde und der unschwer und mit zumutbaren Aufwendungen hätte vermieden werden können.</p><span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte haftet voll für den den Klägern entstandenen Schaden; die Kläger trifft nicht der Vorwurf des Mitverschuldens unter dem Gesichtspunkt, daß der klagende Ehemann entgegen § 3 Abs. 4 der Satzung der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 2.12.1970 die tiefer liegenden Räume des Hauses nicht gegen Rückstau abgesichert hatte. Es bestand nämlich keine Verpflichtung, eine Rückstausicherung einzubauen, solange der klagende Ehemann davon ausgehen konnte, das Trennsystem werde ordnungsgemäß von der Beklagten betrieben. Mit klaren und einleuchtenden Worten sagt dazu der Sachverständige:</p><span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">„Im Bauschein des Klägers ist festgelegt, daß er Schmutz-und Regenwasser getrennt an das vorhandene städtische Kanalnetz (Trennverfahren) anzuschließen hat (S. 55 der Bauakte E). Im Arbeitsblatt A 105 von 1962 ist als allgemein anerkannte Regel der Technik dokumentiert, daß <span style="text-decoration:underline">Kellerüberschwemmungen</span> durch überlastete Kanäle bei <span style="text-decoration:underline">Mischverfahren </span> durch die Installation von Rückstauverschlüssen vorzubeugen ist. Beim richtigen Betrieb und der Überwachung des Trennverfahrens sind Kellerüberschwemmungen aus dem Schmutzwasserkanal ausgeschlossen. Der Kläger hat dadurch, daß er in seinem Kellerablauf keinen Rückstauverschluß installiert hatte, nicht gegen die a.a.R.d.T. verstoßen. Die Stadt hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, daß im Ortsteil S durch die Ableitung der Mischwasserabflüsse aus den Regenüberläufen der Schmutzwasserkanal der Trennentwässerung überlastet werden kann."</p><span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Auch diesen Ausführungen des Sachverständigen schließt der Senat sich an.</p><span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Kläger trifft auch nicht deshalb ein Mitverschulden, weil sie es unterließen, nach dem ersten Überschwemmungsschaden im Jahre 1974 eine Rückstausicherung einzubauen.</p><span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Für die Kläger war die eigentliche Ursache der Überschwemmung - schuldhaftes rechtswidriges Verhalten der Beklagten und ihrer Bediensteten - ebensowenig erkennbar, wie die Gefahr einer erneuten Überschwemmung. Die Kläger konnten darauf vertrauen, daß die Beklagte das Entwässerungssystem umgehend <strong>in</strong> Ordnung brachte; umgekehrt durfte die Beklagte nicht erwarten, daß die Anschlußnehmer sich ihrerseits gegen einen fehlerhaften Betrieb der Entwässerungsanlage durch Einbau von Rückstausicherungen schützten.</p><span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist auch der Höhe nach begründet.</p><span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben ihren Schaden substantiiert dargelegt (Bl.5, 6 GA) und die Schadenshöhe bewiesen.</p><span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der 66 Jahre alte im Ruhestand lebende Zeuge J hat bestätigt, daß die klagende Ehefrau im Keller des Hauses ein Fotolabor eingerichtet hatte und daß durch die Überschwemmungen die in den Regalen untergebrachten Papiere und Materialien herausgeschwemmt oder durchnäßt wurden. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen, der mit den Klägern als Nachbar gut bekannt ist, bestehen nicht. Er bekundete ruhig, sachlich und zurückhaltend zu den rund 10 Jahre zurückliegenden Ereignissen.</p><span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Zu den Schadensaufstellungen Bl.5 und 6 der Gerichtsakten hat der Senat den klagenden Ehemann gem. § 448 ZPO als Partei vernommen. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung lagen vor, weil durch die Aussage des Zeugen J, nach der Lebenserfahrung und nach dem Eindruck des Senats von der Persönlichkeit des klagenden Ehemannes eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptung der Kläger bestand (vgl. hierzu Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, 42.Aufl., § 448 Anm.1).</p><span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"><strong>Der klagende Ehemann hat eingehend die frühere Tätigkeit der Klägerin als Berufsfotografin geschildert und deutlich gemacht, daß umfangreiches unwiderbrinaliches Archivmaterial aus einer jahrzehntelangen Berufstätigkeit der Klägerin durch die Überschwemmung des Kellers im Jahre 1974 vernichtet wurde. Er hat auch glaubhaft begründet dargelegt, auf welchen Überlegungen die Wertansätze beruhen und das Bemühen der Kläger geschildert, auf keinen Fall überhöhte Ansprüche zu stellen. Dies wird bestätigt durch die Schadensaufstellungen selbst, denn der klagende Ehemann machte nach dem ersten Schaden keine Renovierungskosten geltend, obwohl er das Labor renovierte, wie der Zeuge J bekundete. Kosten für Renovierung verlangt er nur für die Schadensbeseitigung 1975. Für die Bekundung, die einzelnen Schadenspositionen seien sorgfältig und zurückhaltend beziffert worden, spricht auch der Umstand, daß die Kläger keinen Schadensersatz dafür begehren, daß das Labor 4 Wochen nicht betrieben werden konnte und daß sie den Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine Rückstausicherung noch vor Antragstellung in erster Instanz fallen ließen.</strong></p><span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks"><strong>Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 I ZPO (zur Zulässigkeit der ziffernmäßigen Belastung einer Partei vgl. BaumbachLauterbach-Albers-Hartmann, 42.Aufl., S.92 Anm. 1 C b) bb) gegen Schneider, Kostenentscheidung, 2.Auf1., S.108).</strong></p><span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks"><strong>Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.</strong></p><span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks"><strong>Gegenstandswert:</strong></p><span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks"><strong>bis 23.05.1977:              5.807,57 DM,</strong></p><span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks"><strong>ab 24.05.1977:              4.849,70</strong> DM.</p><span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Beschwer für die Beklagte:              <strong>4.849,70 DM.</strong></p>
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} | 7 U (Baul) 4/84 | 1984-10-25T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:25 | 2019-03-27T09:42:32 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1984:1025.7U.BAUL4.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung gegen <strong>das</strong> am 22. November 1983 verkündete Urteil der Kammer <strong>für</strong> Baulandsachen des Landgerichts Köln - 65 0 (Baul) 12/82 - wird zurückgewiesen.</p>
<p>Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten im Berufungsverfahren findet nicht statt. Im übrigen trägt die Antragstellerin die Kosten des Berufungsverfahrens.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> <strong><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe:</span></strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><strong>Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.</strong></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><strong>Mit dem Beschluß des Oberen Umlegungsausschusses vom 25.6.1981 (B1. 126 ff. der beigezogenen Akte des Umlegungsverfahrens), dem Gutachten des Sachverständigen C vom 26.7.1983 (Bl. 115 ff. GA) und dem angefochtenen Urteil ist davon auszugehen, daß durch die Anlage der</strong> zweiten <strong>Erschließungsstraße H in Verbindung mit der dadurch hervorgerufenen Verpflichtung der Eheleute S, zweimal Erschließungsbeiträge zu zahlen (einmal für die Straße T, zum andern für die Straße H), wenn auch mit jeweils ein Drittel Eckvergünstigung, eine Minderung des Verkehrswerts des Grundstücks eingetreten ist. Der Minderwert ist jedenfalls nicht geringer als der vom Landgericht angesetzte Betrag von 3.115,-- DM.</strong></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks"><strong>1.              Zwischen den Beteiligten herrscht kein Streit darüber, daß die Eheleute S demnächst tatsächlich zu 2 x 2/3 = 4/3 Erschließungsbeiträgen herangezogen werden. Das ist richtig.</strong></p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks"><strong>Der Umstand, daß die Stadt N durch Ratsbeschluß vom 24.11.1981 u.a. die Straßen T und H zu einer Erschließungseinheit im Sinne des § 130 Abs.2 Satz 2 BBauG zusammengefaßt hat, ist bedeutungslos. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (DVBl 1984, 194, 197) muß auch in einer Erschließungseinheit bei der Verteilung des Aufwands berücksichtigt werden, wenn ein Grundstück von mehreren Anlagen</strong> erschlossen wird.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks"><strong>Ebensowenig ist ernstlich zweifelhaft, daß das Grundstück, obwohl es bereits durch die Straße T voll erschlossen war, zu den durch die Straße H erschlossenen Grundstücken im Sinne des § 131 Abs. 1 BBauG gehört mit der Folge der Beitragspflicht. Nach § 129 Abs. 1 BBauG können Beiträge nur insoweit erhoben werden, als die Erschließungsanlagen erforderlich sind, um die Bauflächen bzw. die gewerblich zu nutzenden Flächen entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen. Das Gesetz bezieht die "Erforderlichkeit" der Anlage nicht auf das einzelne beitragsfähige Grundstück, sondern auf das "gesamte Erschließungsgebiet", d.h. auf die Bauflächen und die gewerblich zu nutzenden Flächen insgesamt (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. z.B. NJW 1966, 1832; ZMR 1979, 159 f.; s. ferner Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BBauG § 129 Rdnr. 6; Schlichter-Stich-Tittel, BbauG § 129 Rdnr. 5). An der so zu bestimmenden Erforderlichkeit der Erschließungsanlage H kann kein Zweifel bestehen; der Bau dieser Straße ist Voraussetzung für die Bebauung einiger an ihr liegender Grundstücke, weil diese nicht anderweit erschlossen sind.</strong></p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><strong>Nach § 131 Abs. 1 BBauG ist der beitragsfähige Erschließungsaufwand auf die "durch die Anlage erschlossenen Grundstücke" zu verteilen. Hierzu gehört auch das Grundstück der Eheleute S, obwohl es schon durch die Straße T voll erschlossen war. Allerdings setzt die Erhebung eines Erschließungsbeitrags voraus, daß der Eigentümer durch die Erschließungsanlage einen Vorteil erlangt, den sog. Erschließungsvorteil (BVerwGE 25, 147, 149). Dieser ist aber nicht gleichzusetzen mit einer entsprechenden Erhöhung des Verkehrswertes, d.h. des Wertes, den der gesunde Grundstücksverkehr einem Grundstück beimißt und dementsprechend</strong> bei <strong>dessen Kauf zu zahlen bereit ist. Erschlossen im Sinne des § 131 Abs. 1 BBauG sind Grundstücke, denen die Anlage in erschließungsbeitragsrechtlich relevanter Weise, d.h. in einer auf die bauliche oder gewerbliche Nutzbarkeit der Grundstücke gerichteten Funktion, die Zugänglichkeit (nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. etwa KStZ 1983, 225 ff., im Sinne der Möglichkeit einer Zufahrt, nicht eines bloßen Zugangs) vermittelt. In den Kreis der am Aufwand zu beteiligenden Grundstücke sind all diejenigen einzubeziehen, die eine Zufahrt zu der Anlage erhalten können, auch wenn diese zur Zeit noch nicht vorhanden ist; die Eigentümer müssen die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit haben, von der Erschließungsanlage eine Zufahrt zu ihren Grundstücken zu nehmen (vgl. BVerwG in NJW 1987, 438; DVBl 1971, 508; KStZ 1983, 225 ff.; Schlichter-Stich-Tittel § 131 Rdnr.3). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Eheleute S können jederzeit von ihrem Grundstück eine Zufahrt zur Straße H schaffen. Ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollen, ist für § 131 Abs. 1 BBauG belanglos. Ebensowenig kommt es darauf an, ob die Schaffung einer solchen Zufahrt wirtschaftlich sinnvoll ist und deshalb vom gesunden Grundstücksverkehr bei der Bewertung des Grundstücks positiv in Ansatz gebracht wird. Das Gesetz macht die Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands nicht von dem Nachweis abhängig, daß im konkreten Einzelfall ein wirtschaftlicher Vorteil tatsächlich entsteht; die vorteilhafte Beziehung und die angestrebte, wenigstens teilweise Abschöpfung der durch die Erschließung auf Kosten der Allgemeinheit entstehenden Wertgewinne sind gesetzgeberisches Motiv der Kostenverteilung, das Eintreten der Vorteile st aber nicht Zulässigkeitsvoraussetzung für die Verteilung im Einzelfall (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg § 131 Rdnr. 2 m.w.N.).</strong></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><strong>2. Der Obere Umlegungsausschuß, der Sachverständige</strong> C und das Landgericht sind zutreffend davon ausgegangen, daß der Erschließungsbeitragspflicht keine <strong>sie kompensierende Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks gegenübersteht. Es kann keine Rede davon sein, daß der oben beschriebene, die Beitragspflicht auslösende Erschließungsvorteil ohne weiteres einer entsprechenden Verkehrswerterhöhung entspricht. Die generalisierende Betrachtungsweise,</strong> daß <strong>nach der Lebenserfahrung die Erschließung eines Grundstücks durch eine Anlage - hier: eine Straße - eine entsprechende Steigerung des Verkehrswerts bewirkt und deshalb die Erschließungsbeitragspflicht wirtschaftlich rechtfertigt, ist nicht angängig, wenn es wie hier um</strong> die Berechnung des Sollanspruchs des betroffenen <strong>Grundstückseigentümers im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 BBauG geht. Alsdann kommt</strong> es <strong>konkret darauf an, ob der gesunde Grundstücksverkehr das "Erschlossensein" durch die betreffende Anlage werterhöhend berücksichtigt. Entgegen der Ansicht der</strong> Antragstellerin begründet die Regelung der Erschließungsbeitragspflicht in §§ 127 ff. BBauG <strong>keine unwiderlegliche Vermutung für</strong> eine entsprechende Verkehrswerterhöhung, die auch bei der Ermittlung des Sollanspruchs im <strong>Umlegungsverfahren maßgebend ist.</strong> Es handelt sich vielmehr um zwei verschiedene Gesichtspunkte: Voraussetzung der Beitragspflicht ist <strong>zwar</strong> ein Erschließungsvorteil, der aber nicht mit einem entsprechenden wirtschaftlichen <strong>Vorteil gleichzusetzen ist, sondern nur auf der Lebenserfahrung aufbaut, daß üblicherweise eine Grundstückserschließung eine Verkehrswerterhöhung zur Folge hat. Im Umlegungsverfahren bedarf es dagegen einer konkreten Festlegung des Verkehrswertes, d.h. des Betrages, den der gesunde Grundstücksverkehr für das betreffende Grundstück zu zahlen bereit ist. Auch hierbei kann die Lebenserfahrung durchaus eine Rolle spielen. So wird in aller Regel davon ausgegangen werden müssen, daß, wenn ein Grundstück erstmals durch eine Straße erschlossen wird, die Erschließungsbeitragspflicht durch eine entsprechende Erhöhung des Verkehrswertes zumindest kompensiert wird. Von einer solchen Lebenserfahrung, die auch der nach § 287</strong> ZPO <strong>vorzunehmenden Schätzung des Verkehrswerts im Rahmen des Umlegungsverfahrens zugrundegelegt werden kann, kann aber dann keine Rede sein, wenn ‑ wie hier - das betroffene Grundstück bereits voll erschlossen ist und zudem die zweite Erschließungsstraße keine zusätzliche Verkehrsanbindung bewirkt, sondern nur dazu führt, daß die erste Erschließungsstraße (T) nunmehr statt unmittelbar auch mittelbar über die zweite Erschließungsstraße (H) erreicht werden kann.</strong></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><strong>Ein konkreter Vorteil, der dem gesunden Grundstücksverkehr Anlaß geben könnte, die Anlage der zweiten Erschließungsstraße verkehrswerterhöhend zu berücksichtigen - also die Minderung durch die entstehende Erschließungsbeitragspflicht ganz oder teilweise kompensierend - ist hier nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht substantiiert vorgetragen. Eine Bebauung des Grundstücks an der Straße H ist nach den derzeitigen Rechtsverhältnissen nicht möglich. Der Bebauungsplan, dessen Verwirklichung die Um</strong>legung diente, sieht entsprechende Baugrenzen vor. Unverständlich ist die Behauptung der Antragstellerin S. 4 des Schriftsatzes vom 16.12.1981 (B1. 9 GA), es könne damit gerechnet werden, daß diese Beschränkung, von der sowieso Ausnahmen gemäß der Baunutzungsverordnung zulässig seien, gelockert oder aufgehoben werde, da es kaum denkbar sei, ein an eine neu gebaute Straße angrenzendes Grundstück auf Dauer von einer zu dieser Straße orientierten Bebauung auszuschließen. Wenn dem so wäre, ist unverständlich, warum die Antragstellerin im Bebauungsplan entsprechende Baugrenzen vorgesehen und damit eine Bebauung des Grundstücks der Eheleute S zur Straße H hin ausgeschlossen hat. Der gesunde Grundstücksverkehr orientiert sich jedenfalls nicht an der ungewissen Hoffnung, eine Gemeinde werde, nachdem sie kurz zuvor durch einen entsprechenden Bebauungsplan eine Bebauung zur Erschließungsstraße hin ausgeschlossen hat, später doch eine solche Bebauung ermöglichen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, die Eheleute S könnten die Zufahrtsmöglichkeit zur Straße H dadurch wirtschaftlich nutzen, daß sie dort Stellplätze oder ggf. Garagen errichteten, setzt sie sich nicht mit der ohne weiteres nachvollziehbaren Darstellung S. 1 des Schriftsatzes der Eheleute S vom 8.3.1982 (Bl. 19 GA) auseinander, sie selbst bedürften keiner weiteren Garagen, weil diese schon vorhanden und über die Straße T zu erreichen seien, die Anlage von Stellplätzen oder Garagen zwecks Vermietung sei wirtschaftlich unsinnig, weil die Grundstückseigentümer in dem betreffenden Bereich bei Errichtung von Wohnhäusern erfahrungsgemäß selbst Garagen bauten, eine Vermietung an im Stadtkern wohnende Fahrzeughalter aber wegen der großen Entfernung zwischen Stadtkern und dem betroffenen Grundstück nicht in Betracht komme.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der S. 6 der Berufungsbegründung (Bl. 186 GA) genannte Gesichtspunkt, die Pflege des Gartens im hinteren Grundstücksbereich werde dadurch erleichtert, daß dieser nunmehr (auch) von der Straße H aus erreicht werden könne, ist nicht geeignet, den durch die zusätzliche Erschließungsbeitragspflicht hervorgerufenen Minderwert ganz oder auch nur zu einem nennenswerten Betrag zu kompensieren. Eine solche zusätzliche Möglichkeit der Zufahrt fällt im gesunden Grundstücksverkehr erfahrungsgemäß nur dann ins Gewicht, wenn andernfalls die Pflege des Gartens u.ä. wesentlich erschwert ist. Davon kann hier keine Rede sein.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Was schließlich die S. 4 unten des Schriftsatzes vom 16.12. 1981 (B1. 9 GA) aufgestellte Behauptung angeht, schon jetzt sei ein seitlicher Anbau an das Wohnhaus zulässig, der zur Straße H orientiert wäre, so haben die Eheleute S hierauf S. 1 des Schriftsatzes vom 8.3.1982 (B1. 19 GA) erwidert, dies komme ernsthaft nicht in Betracht, weil dadurch der Wohnung des Untergeschosses das Licht genommen, außerdem die Einfahrt zur Untergeschoß-Garage versperrt würde. Hierauf hat die Antragstellerin nichts erwidert, obwohl das betreffende Vorbringen erheblich ist. Denn es kommt für die Frage des Verkehrswerts nicht nur darauf an, ob ein solcher Anbau baurechtlich zulässig ist, sondern auch darauf, ob er wirtschaftlich vernünftig ist, denn <strong>nur dann</strong> bewertet der gesunde Grundstücksverkehr eine solche zusätzliche Bebauungsmöglichkeit werterhöhend. Was <strong>rechtlich machbar, aber wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, spielt für den Verkehrswert keine Rolle.</strong></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><strong>3.              Zu Unrecht beruft sich die Antragstellerin S. 2 ff</strong></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><strong>der Berufungsbegründung (B1. 182 ff. GA) darauf, daß die Heranziehung zu einem zweiten Erschließungsbeitrag keinen umlegungsbedingten Nachteil darstelle und deshalb gem. § 57 Satz 3 BBauG außer Betracht bleiben müsse, weil die Straße H schon in dem 1977 verbindlich gewordenen Bebauungsplan vorgesehen war, die - von ihr bestrittene -Verkehrswertminderung daher schon vor dem maßgeblichen Zeitpunkt (Umlegungsbeschluß vom 14.12.1977) eingetreten sei. Sie verkennt, daß es hier nicht um den Mehrwertausgleich (§ 57 Satz 5 BBauG) geht - insoweit findet tatsächlich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Abschöpfung des Planungsgewinns des Grundstückseigentümers statt -, sondern um den Sollanspruch gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 BBauG. Geht wie hier die Umlegungsstelle für die Errechnung der den beteiligten Grundstückseigentümern an der Verteilungsmasse zustehenden Anteile (Sollanspruch) von dem Verhältnis der Werte aus, in dem die früheren Grundstücke vor der Umlegung zueinander gestanden haben, so ist die Verteilungsmasse in dem Verhältnis zu verteilen, in dem</strong> die <strong>zu berücksichtigenden Eigentümer an der Umlegung beteiligt sind (§§ 56 Abs. 1, 57 Satz 1 BBauG). Jedem Eigentümer ist möglichst ein Grundstück mit dem gleichen Verkehrswert zuzuteilen, den sein früheres Grundstück im Zeitpunkt des Umlegungsbeschlusses hatte (§ 57 Satz 2 BSauG). Gerade um diesen Sollanspruch und um den Anspruch auf wertgleiche Abfindung der Eheleute S geht es hier; diese machen</strong> geltend - und darin sind ihnen der Obere Umlegungsausschuß und das Landgericht zu Recht gefolgt -, durch die Anlage einer zweiten Erschließungsstraße in Verbindung mit der dadurch hervorgerufenen Beitragspflicht entspreche der Wert <em>des</em> Zuteilungsgrundstücks nicht mehr dem des Einwurfsgrundstücks und dürfe deshalb nicht mit demselben Preis in Ansatz gebracht werden; die Zuteilung bleibe hinter dem Sollanspruch zurück. Für diesen ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1980, 1633 f.) anerkannt, daß der Zeitpunkt des Umlegungsbeschlusses (§ 57 Satz 2 BBauG) nur Bezugspunkt für die maßgebenden Preisverhältnisse ist, während sich die Qualitätsmerkmale des Einwurfsgrundstücks grundsätzlich nicht nach den Festsetzungen des Bebauungsplans richten, dessen Verwirklichung die Umlegung dient, weil sich ansonsten willkürliche Differenzierungen ergäben, je nach dem ob die Umlegung vor oder nach Aufstellung des Bebauungsplans (§ 45 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BBauG) eingeleitet worden ist. Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Hier geht es bezüglich der Anlage der zweiten Erschließungsstraße nicht um die Preisbemessung, also den Bewertungsstichtag (für den der Zeitpunkt des Umlegungsbeschlusses maßgebend ist), sondern um die Ermittlung des Zustands des Grundstücks (Qualitätsbestimmung), "Genommen" wurde den Eheleuten S ein Grundstück an einer Erschließungsstraße, zugeteilt erhielten sie eines an zwei Erschließungsstraßen mit dementsprechend erhöhter Beitragspflicht.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Allerdings müßte die Anlage einer zweiten Erschließungsstraße und damit verbunden der Anfall eines entsprechend höheren Erschließungsbeitrags bei der Wert- (Qualitäts-) ermittlung dann berücksichtigt werden, wenn im gesunden Grundstücksverkehr schon vor Aufstellung des Bebauungsplans zugrundegelegt worden wäre, daß in absehbarer Zeit der im hinteren Bereich des Grundstücks vorhandene Feldweg zu einer Erschließungsstraße ausgebaut werden würde. Dafür sind jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich. Nach dem vorgetragenen Sachverhalt ist noch nicht einmal klar, wie der seinerzeit vorhandene Feldweg verlief und ob die heutige Straße H aus ihm hervorgegangen ist.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">4.                      Der Obere Umlegungsausschuß und das Landgericht</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">sind zutreffend davon ausgegangen, daß die Erklärung der Eheleute S vom 22.4.1969 (81. 18 GA) - Anerkennung der künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans gem. § 33 BBauG - die Geltendmachung des hier in Rede stehenden Nachteils im Umlegungsverfahren nicht ausschließt. Auf diesen Gesichtspunkt ist die Stadt in der Berufungsinstanz zu Recht nicht mehr zurückgekommen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">5.                      Die vom Landgericht im Anschluß an das Gutachten des</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Sachverständigen C angenommene Höhe der Wertminderung von 3.115,-- DM, bemessen nach einem (fiktiven) Erschließungsbeitrag von 10,15 DM/qm per 14.12.1977, beschwert die Antragstellerin nicht. Der Sachverständige hat den betreffenden Betrag <strong>anhand</strong> von Vergleichs-Erschließungsbeiträgen ermittelt (S. 6 des Gutachtens, Bl. 120 GA).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der gesunde Grundstücksverkehr orientiert sich in einem Fall der vorliegenden Art vornehmlich jedoch daran, was für das konkrete Grundstück zusätzlich an Erschließungsbeitrag zu zahlen sein wird. Zu diesem Zweck kann und wird der potentielle Käufer bei der Gemeinde nachfragen. Eine solche Nachfrage hätte hier mit Sicherheit einen über 10,15 DM/qm liegenden Betrag ergeben. Mit Schreiben vom 10.12.1980 (B1. 82 der Akte des Umlegungsverfahrens) hat die Antragstellerin selbst eine Erschließungsbeitragsbelastung von 20,-- DM/qm zugrundegelegt. Zwar muß dieser Betrag auf den für die Preisbemessung maßgebenden Zeitpunkt 14.12.1977 zurückgerechnet werden; es ergibt sich sodann jedoch ein Ansatz von deutlich über 10,15 DM/qm. Das zeigen sowohl die Rückrechnungen des Sachverständigen a.a.O. als auch diejenigen der Antragstellerin in der Anlage zum Schriftsatz vom 24.10.1983 (B1. 144 GA).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Schon deshalb kommt es nicht auf die S. 6 der Berufungsbegründung (Bl, 186 GA) aufgestellte Behauptung an, das Grundstück habe durch die Umlegung einen besseren Zuschnitt erfahren mit einer entspredhenden Wertverbesserung; es sei ursprünglich trapezförmig gewesen und nunmehr nahezu rechteckig geschnitten. Diese - angebliche - Wertverbesserung liegt nämlich keinesfalls so hoch, daß der vom Landgericht zuerkannte Betrag von 3.115,-- DM unterschritten würde. Schon vor der Änderung des Zuschnitts war das Grundstück bebaut. Seine damalige (1972) Form - ersichtlich aus B1.7 der Akte des Umlectingsverfahrens - war keineswegs sonderlich ungünstig. Nichts spricht dafür, daß der trapezförmige Zuschnitt die Nutzung des bebauten Grundstücks in irgendeiner Weise behinderte. Wenn sich eine Zuschnittänderung der hier in Rede stehenden Art im Grundstücksverkehr überhaupt auswirkt - was durchaus in Zweifel gezogen werden kann -, so jedenfalls nur so geringfügig, daß die angesetzte Wertminderung von 3.115,-- DM nicht ernsthaft in Frage gestellt ist. Von der Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens zu diesem Punkt sieht der Senat in Anwendung des § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO ab. Die zwischen den Beteiligten zu 1) und 3) streitige Frage, ob die Änderung des Zuschnitts als umlegungsbedingter Vorteil anzusehen ist — was durchaus zweifelhaft erscheint, da die Änderung 1972 durchgeführt worden ist, d.h. zu einer Zeit, als noch nicht einmal die Aufstellung des Bebauungsplans, dessen späterer Verwirklichung die Umlegung dienen sollte, beschlossen war -, kann unter den gegebenen Umständen offenbleiben.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">6.              Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 97</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Abs. 1, 168 Abs. 2 BBauG. Die Beteiligten zu 2) bis 4) haben einen Antrag, die Erstattung ihrer außergericht‑</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">lichen Kosten anzuordnen (§ 168 Abs. 2 BBauG), nicht gestellt.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Es besteht kein Anlaß, die Revision zuzulassen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die von der Antragstellerin als grundsätzlich angesehene Frage des umlegungsbedingten Nachteils, wenn sich die einem Grundstückseigentümer nachteilige Straßenführung aus dem Bebauungsplan ergibt (oben zu 3), erachtet der Senat durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs 1JW 1980, 1633 f. für hinreichend geklärt. Daß es in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Fall nicht um <strong>die Lage eines Grundstücks im Zusammenhang mit einer Straßenführung ging, sondern um die Einstufung als Grünfläche (gem. Bebauungsplan) oder Bauerwartungsland, spielt für die allgemeine Problematik keine Rolle.</strong></p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks"><strong>Streitwert zweiter Instanz</strong></p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks"><strong>und Wert der Beschwer:              3.115,-- DM</strong></p>
|
315,661 | olgham-1984-10-24-11-u-10384 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 11 U 103/84 | 1984-10-24T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:27 | 2019-03-27T09:42:32 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1984:1024.11U103.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. Januar 1984 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Es beschwert die Klägerin in Höhe von 12.815,61 DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Jugoslawe xxx war Kunde der Klägerin, er unterhielt bei ihr ein laufendes Konto sowie ein Darlehnskonto; letzteres stand im Mai 1980 mit 4.340,-- DM im Soll.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 28.5.1980 beantragte er bei der Klägerin einen Ratenkredit über netto 20.000,-- DM, brutto 23.970,-- DM, zurückzuzahlen in 24 Monatsraten; in Höhe von 4.340,-- DM sollte der Neukredit zur Ablösung des Altkredits verwendet werden. Am gleichen Tage unterschrieb der Beklagte, ein Landsmann des xxx, bei der Klägerin ein Bürgschaftsformular. Nach dessen Inhalt übernahm er zur Sicherung "aller gegenwärtigen und künftigen Ansprüche und Forderungen aus der Geschäftsverbindung, insbesondere aus gewährten oder noch zu gewährenden Krediten irgendwelcher Art" gegen xxx bis zum Höchstbetrage von 23.970,-- DM die selbstschuldnerische Bürgschaft; diese sollte "nicht durch eine vorübergehende Tilgung der Schuld erlöschen und nicht an eine bestimmte Zeit gebunden sein", aus der Gewährung weiterer Kredite sollten "Einwendungen nicht erwachsen".</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin belastete dann das Darlehnskonto mit insgesamt 23.970,-- DM. Den Betrag von 15.770,56 DM schrieb sie dem laufenden Konto gut, das damals nicht im Soll stand. Der Schuldner verfügte alsbald über diesen Betrag.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mitte April 1982 stand das Darlehnskonto nur noch mit 1.000,-- DM im Soll, das laufende Konto wurde im Haben geführt. Nunmehr beantragte der Schuldner bei der Klägerin einen erneuten Ratenkredit über netto 10.000,-- DM, brutto 11.850,-- DM, zurückzuzahlen in 22 Monatsraten; in Höhe von 1.000,-- DM sollte der Neukredit zur Ablösung des Altkredits verwendet werden. Die Klägerin belastete daraufhin das Darlehnskonto mit 11.850,-- DM, während sie dem laufenden Konto 9.000,-- DM gutschrieb. Der Schuldner verfügte anschließend alsbald über diesen Betrag. Der Beklagte erfuhr von dieser Darlehnsgewährung nichts.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Im Herbst 1982 kehrte der Schuldner wieder in seine Heimat zurück, von jetzt ab ging sein Lohn nicht mehr auf dem laufenden Konto ein. Nunmehr geriet das laufende Konto durch weitere Abbuchungen, unter anderem zugunsten des Darlehnskontos, immer weiter ins Soll. Am 21.4.1983 buchte die Klägerin von dem Darlehnskonto den noch offenen Rest von 5.400,-- DM auf das laufende Konto um, das auf diese Weise mit insgesamt 11.194,-- DM in Soll geriet. Ferner belastete sie ein neu eingerichtetes Abwicklungskonto mit weiteren 1.621,61 DM.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit der Klage nimmt die Klägerin den Beklagten aus der Bürgschaft auf Zahlung des Gesamtbetrages von 12.815,61 DM nebst Zinsen in Anspruch. Der Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, die Bürgschaft erstrecke sich nicht auf das neue Darlehen; hilfsweise hat er insoweit mit einem Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung von Aufklärungs- und Hinweispflichten aufgerechnet. Das Landgericht hat die Klage zunächst durch Versäumnisurteil abgewiesen; nach Einspruch der Klägerin hat es das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Die Kammer hat ausgeführt, die Bürgschaft des Beklagten sei mit der Tilgung des ersten Ratenkredits erloschen; soweit die Bürgschaft formularmäßig auf weitere Forderungen erstreckt sei, seien die entsprechenden Klauseln gemäß § 3 AGB-Gesetz nicht Vertragsbestandteil geworden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie ist weiterhin der Auffassung, die vom Beklagten übernommene Bürgschaft erstrecke sich auch auf den zweiten Ratenkredit. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Sie beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">abändernd den Beklagten zu verurteilen, an sie unter Aufhebung des Versäumnisurteils 12.815,61 DM nebst 14 % Zinsen aus 12.117,39 DM seit dem 28.6.1983 und weiteren 14 % aus 629,22 DM seit dem 14.6.1983 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Er behauptet: Der Sachbearbeiter der Klägerin habe ihm erklärt, er solle die Bürgschaft für das Darlehen über 23.970,-- DM übernehmen; von der Haftung für andere Schulden sei keine Rede gewesen. Die Bürgschaftsurkunde habe er erstmalig in dem jetzigen Prozeß erhalten; im übrigen sei er der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen, wegen der weiteren Angaben der Parteien bei ihrer persönlichen Anhörung auf den Berichterstattervermerk vom 24.10.1984.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat zu Recht angenommen, daß die Bürgschaft des Beklagten mit der Tilgung des vom Hauptschuldner aufgenommenen ersten Ratenkredits erloschen ist und daß die in dem Formularvertrag enthaltene Regelung, die Bürgschaft sichere auch andere gegenwärtige und zukünftige Forderungen gegen den Hauptschuldner aus der Geschäftsverbindung, gemäß § 3 AGB-Gesetz nicht Vertragsbestandteil geworden ist.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Es kann dahingestellt bleiben, ob die unter Beweis gestellte Behauptung des Beklagten richtig ist, die Parteien hätten entgegen dem Wortlaut der Formularurkunde tatsächlich übereinstimmend die Übernahme einer auf den ersten Ratenkredit begrenzten Bürgschaft gewollt. Denn auch wenn eine derartige Individualabrede im Sinne des § 4 AGB-Gesetz tatsächlich nicht getroffen worden ist, hat die Bürgschaft gemäß § 3 AGB-Gesetz tatsächlich keinen weitergehenden Umfang.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Auszugehen ist davon, daß es grundsätzlich rechtlich möglich ist, die Bürgschaft für alle gegenwärtigen und künftigen Ansprüche einer Bank gegen den Hauptschuldner aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung zu übernehmen; insbesondere ist eine derartige Bürgschaft nicht mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam (BGHZ 25/318; BGH in NJW 1965/965; in NJW 1979/2040; in NJW 1981/761). Wird eine derart umfassende Bankbürgschaft aber formularmäßig übernommen, können sich im Einzelfall Wirksamkeitsbedenken aus § 3 AGB-Gesetz oder aus § 9 AGB-Gesetz ergeben. Unter welchen Voraussetzungen im Einzelfalle ein Verstoß gegen § 3 AGB-Gesetz oder § 9 AGB-Gesetz vorliegt, ist umstritten. Teilweise wird gefordert, die Bürgschaft müsse bei Übernahme durch eine Privatperson jedenfalls zeitlich und betraglich beschränkt sein (z.B. Wolf in Wolf-Horn-Lindacher, AGB-Gesetz, § 9 Rdn. B 12; OLG Düsseldorf in WM 1984/82 = JR 1984/331 mit Anm. Lindacher). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt; denn die Bürgschaft ist der Höhe nach begrenzt, sie sollte sich auch nur auf Forderungen aus der Geschäftsverbindung erstrecken. Der Senat ist aber der Auffassung, daß hier auch die Erstreckung der Bürgschaft auf andere Forderungen als die aus dem ersten Ratenkreditvertrag gegen § 3 AGB-Gesetz verstößt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Nach § 3 AGB-Gesetz werden Bestimmungen in einem Formularvertrag, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, daß der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Hier sollte der Beklagte die Bürgschaft nicht für einen Kontokorrentkredit, sondern für einen Ratenkredit über netto 20.000,-- DM, brutto 23.970,-- DM übernehmen. Darum hatte ihn der Schuldner gebeten, in dieser für die Klägerin erkennbaren Vorstellung hat der Beklagte das Bürgschaftsformular unterschrieben. Die Bürgschaftsübernahme erfolgte in unmittelbarem Zusammenhang mit der Gewährung dieses Ratenkredits, der Bruttobetrag wurde maschinenschriftlich in die Bürgschaftsurkunde übernommen. Die Klägerin behauptet selbst nicht, daß dem Beklagten bei Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde erläutert worden sei, daß er die Bürgschaft nicht nur für den Ratenkredit, sondern auch für andere Forderungen übernehmen solle. Der Senat hat keinen Zweifel daran, daß der Beklagte die Bürgschaftsurkunde in der Vorstellung unterschrieben hat, eine auf den Ratenkredit beschränkte Bürgschaft zu übernehmen. Es ist glaubhaft, daß der Beklagte die Urkunde ungelesen unterschrieben hat; er war schon aufgrund seiner sehr begrenzten Deutschkenntnisse kaum in der Lage, den Sinn des Formulartextes zu erfassen. Zwar war die Klägerin nicht verpflichtet, dem Beklagten das Formular in einer Übersetzung zur Verfügung zu stellen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Wählen Vertragspartner nämlich die deutsche Sprache als Verhandlungs- und Vertragssprache, muß der ausländische Vertragspartner grundsätzlich den gesamten deutschsprachigen Vertragsinhalt einschließlich der zugrundeliegenden allgemeinen Geschäftsbedingungen gegen sich gelten lassen (BGH in BB 1983/1053). Damit ist aber nicht die Frage beantwortet, ob eine einzelne Vertragsklausel "überraschend" im Sinne des § 3 AGB-Gesetz ist. Diese Frage ist dann zu bejahen, wenn der Vertragspartner des Verwenders nach den gesamten Umständen nicht damit zu rechnen braucht, mehr als die Haftung für die Rückzahlung des Ratenkredits zu übernehmen. So liegt es hier. Unstreitig wurde das laufende Konto des Hauptschuldners damals nicht im Soll geführt, die noch bestehende Belastung auf dem Darlehnskonto sollte in den Neukredit einbezogen werden. Schon deshalb brauchte der Beklagte nicht mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die Bürgschaft auch zur Absicherung anderer gegenwärtiger Forderungen bestellt werden sollte. Es ging um die Gewährung eines bestimmten Kredits und um dessen Absicherung. Der Beklagte konnte deshalb darauf vertrauen, daß ihm auch nur insoweit eine Bürgschaft abverlangt wurde; alles andere war ungewöhnlich. Insoweit kommt es nicht auf die Bankenpraxis, sondern darauf an, was allgemein bei Bestellung einer Bürgschaft zur Absicherung eines bestimmten Kredits üblich ist (Lindacher in JR 1984/334). Daß er ein weitergehendes Haftungsrisiko übernehmen sollte, war auch in der Bürgschaftsurkunde selbst nicht irgendwie drucktechnisch hervorgehoben. Der Beklagte hat deshalb mit der Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde tatsächlich nur eine Bürgschaft für den ersten Ratenkredit übernommen; der weitergehende Inhalt der Bürgschaftsurkunde ist gemäß § 3 AGB-Gesetz nicht Vertragsbestandteil geworden (vgl. BGH in NJW 1982/1035 für den Fall einer Sicherungsgrundschuld; OLG Stuttgart in BB 1977/415; Ulmer-Brandner-Hensen, 4. Aufl., AGB-Gesetz, § 3 Rdn. 26; Wolf-Horn-Lindacher, AGB-Gesetz, § 9 Rdn. B 13; a.A. OLG Karlsruhe in WM 1984/1049).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Den ersten Ratenkredit hat der Hauptschuldner unstreitig voll zurückgezahlt. Mit der Rückzahlung dieses Kredits ist die Bürgschaft des Beklagten erloschen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Klägerin war deshalb zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 546 Abs. 2, 706 Nr. 10, 711, 713 ZPO.</p>
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315,662 | lg-bonn-1984-10-23-5-t-15884 | {
"id": 804,
"name": "Landgericht Bonn",
"slug": "lg-bonn",
"city": 394,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 5 T 158/84 | 1984-10-23T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:28 | 2019-03-27T09:42:32 | Beschluss | ECLI:DE:LGBN:1984:1023.5T158.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 05.09.1984 - 37 XVI 18/84 - wird aufgehoben. </p>
<p>Die Sache wird zur weiteren Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen. </p>
<p>Für den Fall, dass das Amtsgericht die Annahme als Kind ausspricht, wird das Amtsgericht angewiesen, mit dem Ausspruch der Annahme dem neuen Familiennamen des Anzunehmenden dessen bisherigen Familiennamen hinzuzufügen. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>G r ü n d e</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte zu 2. ist der Sohn der Beteiligten zu 3. aus deren erster Ehe mit Herrn F. Die Ehe ist rechtskräftig geschieden worden. Die Beteiligten zu 1. und 3. haben am ##.##.19## in C geheiratet. Seit dieser Zeit lebt der Beteiligte zu 2. in der Familie der Eheleute X. Der leibliche Vater des Beteiligten zu 2. ist am ##.##.19## verstorben. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">In notarieller Urkunde vom ##.##.19## haben die Beteiligten zu 1. und 2. bei Zustimmung der Beteiligten zu 3. beantragt, dass das Vormundschaftsgericht ausspricht, dass der Beteiligte zu 2. von dem Beteiligten zu 1. als Kind angenommen worden ist. Weiter haben sie die Bestimmung des Vormundschaftsgerichts beantragt, dass sich die Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richten und dass das Vormundschaftsgericht für das angenommene Kind den Namen X-F zulässt. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung des Antrags auf Beifügung des Namens F haben die Beteiligten zu 1. und 2. ausgeführt, dass der Beteiligte zu 2. unter den Namen F bekannt sei. Die Beziehungen und der Bekanntenkreis des Beteiligten zu 2. beschränke sich nicht auf den nächsten Bereich, derzeit schließe er sein Universitätsstudium ab. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag auf Beifügung des Namens zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat Erfolg. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 1767 Abs. 2 gelten für die Annahme Volljähriger die Vorschriften über die Annahme Minderjähriger sinngemäß. Nach § 1757 Abs. 2 BGB kann das Vormundschaftsgericht dem neuen Familiennamen den bisherigen Familiennamen hinzufügen, wenn dies aus schwerwiegenden Gründen zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Die in § 1767 Abs. 2 BGB angeordnete <u>sinngemäße</u> Anwendung dieser Vorschrift bei der Annahme eines Volljährigen führt dazu, dass die besonderen Umstände, die die Annahme eines Volljährigen von der eines Minderjährigen unterscheiden, zu berücksichtigen sind. Weiter ist zu beachten, dass der Begriff "aus schwerwiegenden Gründen" schon dann erfüllt ist, wenn dem Wohle des Anzunehmenden bei der Hinzufügung des Namens erheblich besser gedient ist, als wenn er nur den neuen Familiennamen führt (vgl. hierzu auch KG FamRZ 1978, 208 (209) ). Dies trifft vorliegend zu. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte zu 2. hat als Volljähriger ein Interesse daran, seine Beziehungen zu seinem bisherigen Lebensbereich, die mit seinem bisherigen Familiennamen verknüpft sind, aufrecht zu erhalten. Dass dieses Interesse bei einem Volljährigen grundsätzlich bestehen kann, ergibt sich auch aus der Regelung des § 1355 Abs. 3 BGB, wonach ein Ehegatte dem Ehenamen seinen Geburtsnamen oder den zur Zeit der Eheschließung geführten Namen voranstellen kann. Das Interesse des Beteiligten zu 2. an dem Erhalt seines bisherigen Familiennamens entfällt nicht deshalb, weil die Beteiligten beantragt haben, dass sich die Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richten. Denn der tatsächliche bisherige Lebensablauf des Beteiligten zu 2. bleibt davon unberührt. In diesem Zusammenhang haben nicht nur die vielfältigen Beziehungen, die der Beteiligte zu 2. unter seinem bisherigen Namen aufgebaut hat, Bedeutung. Von erheblichem Gewicht ist auch der Umstand, dass die Beziehung zu dem leiblichen Vater des Beteiligten zu 2. nie verleugnet worden ist und der Annahmeantrag erst nach dessen Tod gestellt worden ist. Es ist nachvollziehbar, wenn der Beteiligte zu 2. dieses Stück seines Lebens auch in seinem Namen aufrechterhalten will. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Kammer verkennt nicht, dass bei der Adoption von Volljährigen entsprechend dieser Rechtsauffassung häufig schwerwiegende Gründe im Sinne von § 1757 Abs. 2 BGB zu bejahen sein werden. Dies rechtfertigt jedoch keine andere Entscheidung. Wie bereits ausgeführt ordnet § 1767 Abs. 2 BGB an. Bei der Adoption von Minderjährigen mag die Zufügung des bisherigen Namens häufig der Entwicklung von Kleinkindern und deren Integration in die neue Familie, wie sie in § 1741 Abs. 1 BGB erwartet wird, widersprechen. Im Gegensatz dazu wird bei Volljährigen nicht selten die Annahme begründet sein, dass der völlige Verlust des bisherigen Namens zu Störungen im weiteren Leben des Volljährigen führen wird. Die Gefahr einer Beeinträchtigung des Eltern-Kind- Verhältnisses durch die Hinzufügung des bisherigen Namens ist bei der Annahme eines Volljährigen nicht begründet. Regelmäßig setzt nämlich die Annahme eines Volljährigen voraus, dass zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden trotz der unterschiedlichen Namen bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist (§ 1767 Abs. 1 BGB). </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Eine abschließende Entscheidung durch die Kammer war nicht möglich, da das Amtsgericht bisher nur über den Antrag betreffend die Zufügung des Namens entschieden hat. Die Sache musste daher an das Amtsgericht zurückverwiesen werden. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung ergeht gem. § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO gebührenfrei. </p>
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315,663 | olgk-1984-10-23-4-uf-13684 | {
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"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 4 UF 136/84 | 1984-10-23T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:30 | 2019-03-27T09:42:32 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1984:1023.4UF136.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - das am 29. März 1984 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bonn - Familiengericht - (Az.: 46 F 93/83 ) teilweise dahin abgeändert, daß der Kläger an die Beklagte ab 1. August 1984 nur noch monatliche Unterhaltsbeträge von 344,- DM zahlen muß.</p>
<p></p>
<p>Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagte 1/10 und der Kläger 9/10.</p>
<p>Von den Kosten der Berufung tragen die Beklagte 2/25 und der Kläger 23/25.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p></p>
<p>- Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs.1 ZPO abgesehen. -</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung des Klägers hat lediglich einen Teilerfolg, soweit er den Unterhalt ab 1. August 1984 leisten muß. Im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger verfolgt mit der Berufung die eigene Abänderungsklage nicht mehr, bittet aber um Abweisung der Widerklage der Beklagten. Diese Abänderungswiderklage ist gemäß § 323 Abs.1 ZPO zulässig, weil die Beklagte bei Erlaß des früheren Urteils noch Schülerin am Wohnort der Mutter war, während sie seit Oktober 1983 an der Fachhochschule L. auswärts studiert. Es liegt auf der Hand, daß ihr Unterhaltsbedarf</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">hierdurch erheblich gestiegen ist. Hinzu kommt, daß sie damals noch nicht volljährig war und sie schon wegen des Eintritts der Volljährigkeit mehr Unterhalt benötigt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">An der Bedürftigkeit der Beklagten bestehen keine Zweifel. In der Zeit, die hinsichtlich der Höhe des Unterhalts in der Berufungsinstanz noch umstritten ist, also die Zeit</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">ab 1.0ktober 1983, hatte sie nur einmal einen Nebenverdienst in Höhe von 682,36 DM, weil sie bei der Firma M. in C. vorübergehend Werkstudentenarbeit leistete. Daß sie danach noch weiteren Nebenverdienst hatte, ist von keiner Partei vorgetragen worden. Da es für die Frage der Bedürftigkeit auf das Durchschnittseinkommen in einem Jahr ankommt, sind diese Einnahmen auf einen Zeitraum von 12 Monaten aufzuteilen. Es ergibt sich, daß sie demnach in den ersten zwölf Monaten ihres Studiums monatliche Durchschnittseinnahmen von nur 56,86 DM hatte. Eine derartig</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">geringfügige Werkstudentenarbeit ist nach Randziffer 9.3 der Kölner Unterhaltsrichtlinien, die der Senat in ständiger Rechtsprechung anwendet, nicht anrechenbar (vgl.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">FamRZ 1982,100 ff).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die<i> </i>Höhe des der Beklagten nach den §§ 1601, 1602, 1603 BGB zustehenden Unterhaltsanspruchs bestimmt sich gemäß § 1610 Abs.1 BGB nach ihrer Lebensstellung und umfaßt den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf (vgl. § 1610 Abs.2 BGB). Da ihre Lebensstellung bisher ausschließlich vom Einkommen der Eltern geprägt worden ist, kommt es für die Höhe ihres Unterhalts auf die Einkommensverhältnisse der Eltern an.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Für die Zeit vom 1.<b> </b>Oktober 1983 bis zum 31.Juli 1984 richtet sich die Höhe des Unterhalts allerdings allein nach den Erwerbsverhältnissen des Klägers, weil die Mutter</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">der Beklagten - wie durch Vorlage von Bescheinigungen des Arbeitsamtes nachgewiesen ist - in dieser Zeit als arbeitslos geführt wurde und weniger als den angemessenen Selbstbehalt von 1.200,- DM monatlich verdient hat. Zwar hat die Mutter der Beklagten neben dem Arbeitslosengeld regelmäßig monatlich 400,- DM überwiesen bekommen. Die<i> </i>von der Beklagten überreichten Bankunterlagen zeigen aber, daß dieses Geld zweckentsprechend zur Tilgung des von der Mutter und ihrem getrennt lebenden zweiten Ehemann gemeinschaftlich aufgenommenen Kredit von ursprünglich 28.797,30 DM verwendet wird. Damit stimmt die eingereichte Bescheinigung des Ehemannes der Mutter der Beklagten vom 23.Juli 1984 überein, in der er ausdrücklich erklärt, für die Mutter der Beklagten keinen Unterhalt zu zahlen und bestätigt, daß die monatlich gezahlten 400,- DM zur Mitbegleichung der Monatsraten des gemeinsamen Anschaffungskredits bestimmt sind.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Das sonach maßgebende Nettoeinkommen des Klägers betrug im Jahre 1983 unstreitig 1.998,82 DM im Monat. Keine der Parteien hat vorgetragen, daß sich dieses Einkommen im Jahre 1984 erhöht hat. Außerdem hat er für das Jahr 1983 im Jahre 1984 eine Steuerrückzahlung von 1.937,- DM erhalten. Legt man diese Steuerrückzahlung auf das Jahr um, so beträgt sein Nettoeinkommen 2.160,24 DM monatlich.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Von diesem Betrag sind zunächst die Werbungskosten abzuziehen. Nach seinem überzeugenden Vortrag legt er täglich von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte 16 km mit dem Pkw zurück. Es ist anzunehmen, daß er - wie bei einem vollschichtig Berufstätigen üblich - an 220 Werktagen im Jahr zur Arbeit fahren muß. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird für den Kilometer der berufsbedingten Fahrtkosten</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">ein Betrag von 0,32 DM zugrunde gelegt. Unter Berücksichtigung dieser Daten hat er jährliche Werbungskosten von 2.252,80 DM, also auf den Monat umgerechnet Fahrtkosten von 187,73 DM. Eine Steuerersparnis ist hiervon nicht abzuziehen, da die ihm für das Jahr 1983 zugeflossene Steuerrückerstattung bereits die Werbungskosten voll mit enthält. Bei der Ermittlung des anrechnungsfähigen Nettoeinkommens sind auch die nachgewiesenen Kosten für die Berufskleidung mit zu berücksichtigen. Der Kläger hat nachgewiesen, daß diese pro Monat 20,90 DM betragen. Nach Abzug der genannten Werbungskosten verbleibt ein Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von 1.951,61 DM monatlich.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Nach den Düsseldorfer Sätzen, die der Senat in ständiger Rechtsprechung anwendet (vgl. dazu FamRZ 1982,100 ff), wäre der Kläger bei diesem Einkommen an sich in die Gruppe 2 einzustufen. Da er jedoch nur zwei Kinder, nicht dagegen seine frühere oder eine zweite Ehefrau zu unterhalten hat, wovon die Düsseldorfer Tabelle ausgeht, stuft der Senat ihn bei dem genannten Einkommen in Gruppe 3 ein. Hiernach beträgt der Tabellenunterhalt für ein Kind im Alter von 12 - 18 Jahren monatlich 340,- DM. Da die Beklagte volljährig ist, ist die Differenz der Altersstufen 2 und 3 von 50,- DM dem Unterhaltsbetrag hinzuzusetzen, so daß sich ein monatlicher Unterhaltsanspruch von 390,- DM ergibt. Hierauf hat das Amtsgericht die Hälfte des der Mutter für die Beklagte zufließenden Kindergeldes in Abzug gebracht. Gegen diese Anrechnungsmethode haben die Parteien sich nicht gewandt. Deshalb ist der Tabellenunterhalt von 390,- DM um das hälftige Kindergeld von 37,50 DM auf 352,50 DM zu kürzen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Zu berücksichtigen sind weiter die ausbildungsbedingten Fahrtkosten und etwaige sonstige Ausbildungskosten der Beklagten, denn der Tabellenunterhalt berücksichtigt nur solche Fahrtkosten, die innerhalb des Wohnortes normalerweise entstehen. Die Beklagte hat durch Vorlage von Wochenkartenabschnitten nachgewiesen, daß sie im Jahre 1983 monatliche Fahrtkosten von etwa 90,- DM und im Jahre 1984 monatliche Fahrtkosten von 106,- DM hatte. Sie hat ferner nachgewiesen, daß sie auch in den Semesterferien Wochenkarten gelöst hat. Jedoch ist ihre Behauptung, daß sie auch in den Semesterferien regelmäßig die Bibliothek der Fachhochschule benutzen muß, nicht erwiesen. Wenn sie sich in der Bibliothek die notwendigen Ablichtungen machen oder Bücher borgen würde, könnte sie in den Semesterferien teilweise zu Hause arbeiten. Der Senat schätzt deshalb die Fahrtkosten, die sie während des Semesters treffen und die sie<i> </i>für gelegentliche Fahrten in<i> </i>die Bibliothek hat, auf monatlich etwa 70,- DM, so daß ihr Unterhaltsbedarf sich auf 422,50 DM erhöht. Hiervon muß der Beklagte nach dem angefochtenen Urteil für die Zeit von Oktober 1983 bis Februar 1984 nur monatlich 291,- DM und für die Zeit von März 1984 bis Juli 1984 nur monatlich 396,- DM tragen. Zur Zahlung dieses Unterhalts ist er auch nach Abzug des für den 14jährigen Sohn der Parteien geleisteten Unterhalt von 259,50 DM in<i> </i>der Lage, ohne seinen angemessenen Selbstbehalt zu gefährden.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Zieht man nämlich von seinem monatlichen Nettoeinkommen von 2.160,24 DM den Kindesunterhalt von 259,50 DM ab, ferner die genannten Werbungskosten von 208,33 DM, so verbleibt ein Nettoeinkommen von rund 1.692,- DM. Wenn er hiervon von März 1984 bis Juli 1984 monatlich 396,- DM leisten muß, so verbleibt ihm ein Betrag von 1.296,-- DM, also 96,- DM mehr als der noch gültige angemessene Mindestselbstbehalt von 1.200,- DM. Hiervon kann er seine angebliche Zusatzverpflegung bezahlen, wobei aber fraglich bleibt, ob ihm hierdurch wirklich höhere Kosten entstanden sind, weil auch berücksichtigt werden muß, daß er für die zusätzliche</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Milchkost andere Getränke oder Lebensmittel erspart haben wird.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Für die Zeit ab 1. August 1984 trifft den Kläger eine geringere Unterhaltslast, weil die ebenfalls unterhaltspflichtige Mutter der Beklagten jetzt einer Berufstätigkeit als Zahnarzthelferin nachgeht. Eine Gehaltsbescheinigung ihres Arbeitgebers, eines Facharztes für Kieferorthopädie, ergibt ein Gehalt von monatlich 1.415,04<i> </i>DM. Ob sie</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder sonstige Zusatzgelder erhalten wird, ist nach der eidesstattlichen Versicherung des Kieferorthopäden noch offen, da er sich vorbehält,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">die Zahlung und die Höhe der Beträge von der Einsatzfreude der Beklagten abhängig zu machen. Fehlt es aber an einer vertraglichen Vereinbarung über Zusatzleistungen und sind auch derartige Zahlungen bisher nicht erfolgt, so ist eine Berücksichtigung derzeit unzulässig. Daß andere Mitarbeiter des Arbeitgebers nach mehrjährigen Zahlungen von Zusatzleistungen möglicherweise einen Rechtsanspruch darauf erworben haben, ändert nichts daran, daß ein Rechtsanspruch der Mutter der Beklagten noch nicht besteht. Einer Vernehmung des Arbeitgebers bedurfte es zu den vom Kläger aufgeworfenen Fragen nicht.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Deshalb ist zunächst von diesem Einkommen auszugehen, während das maßgebende Einkommen des Klägers bereits errechnet wurde. Da jetzt beide Eltern unterhaltspflichtig sind, richtet sich der Unterhaltsbedarf der Beklagten nunmehr nach der Summe der beiderseitigen Einkünfte. Jedoch ist den Eltern ein Freibetrag wegen doppelter Haushaltsführung und den damit verbundenen Mehrkosten zuzubilligen. Der Senat hält hier einen monatlichen Gesamtfreibetrag von 500,- DM angesichts der Einkommensverhältnisse der Eltern der Beklagten, die wegen doppelter Haushaltsführung zusammen nicht unerhebliche Mehrkosten haben, für angemessen. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Das beiderseitige Nettoeinkommen beträgt sonach 1.415,04 DM + 1.692,01 DM - 500,- DM = 2.607,05 DM. Bei diesem Einkommen käme an sich eine Eingruppierung in Gruppe 4 der Düsseldorfer Sätze in Betracht. Da aber die Düsseldorfer Tabelle von einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Ehegatten und 2 Kindern ausgeht, die Eltern aber von dem errechneten Gesamteinkommen nur die Beklagte unterhalten</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">müssen, weil die Unterhaltsleistung für den 14-jährigen B. schon vorweg vom Einkommen des Klägers abgezogen worden sind, ist eine Höherstufung in Gruppe 5 notwendig (Eink. zw. 2700 - 3200). Hiernach steht der bei der Mutter lebenden Beklagten ein Unterhaltsanspruch von 420,- DM zuzüglich der Differenz der zweiten und dritten Altersklasse von 60,- DM, also 480,- DM zu.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Hinzuzusetzen sind die ausbildungsbedingten Fahrtkosten,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">die - wie dargelegt - im Monatsdurchschnitt 70,- DM betragen, so daß sich ein Unterhaltsanspruch von 550,- DM ergibt.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Diesen Betrag müssen die Eltern gemäß § 1606 Abs.3 BGB anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen aufbringen. Hier richtet sich der Grad der Haftung, da es an Vermögen fehlt, allein nach den Einkommensverhältnissen der Eltern. Dabei kommt für die Beantwortung der Frage, in welchem Verhältnis jeder Elternteil der Beklagten haftet, nur das Einkommen in Betracht, das für den Unterhalt auch zur Verfügung steht, weil die Eltern der Beklagten auch nur bis zu dieser Grenze haften. Deshalb ist von dem bereinigten Nettoeinkommen auch der jedem Elternteil zustehende angemessene Selbstbehalt abzuziehen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">§ 1606 Abs.3 Satz 1 BGB stellt entscheidend auf die Leistungsfähigkeit der Eltern ab. Demnach können die Anteile, zu denen sie haften, nicht einfach durch das Verhältnis der Gesamteinkünfte, sondern nur der unterhaltspflichtigen Einkommensbestandteile zueinander bestimmt werden. Es sind also unter den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen im Sinne dieser Bestimmung auch ihre sonstigen Verpflichtungen und ihr jeweiliger Eigenbedarf zu berücksichtigen. Nur so wird eine gleichmäßige Belastung erreicht. Von den Einkünften jedes Elternteils ist daher vorweg sein voller angemessener Unterhalt ebenso in Abzug zu bringen wie andere notwendige Ausgaben, z.B. Werbungskosten und der Unterhalt für vorrangige Berechtigte ( so auch Ehlert, FamRZ 1980, 648 <i>f.i </i>Göppinger, Unterhaltsrecht, 1981, Rz.1230). </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze beträgt das haftende Nettoeinkommen des Klägers 1.692,01 ./. 1.200,- = 492,01 DM und das der Mutter der Beklagten 1.415,04 ./.<i> </i>1.200,- = 215,04 DM, da ihnen der angemessene Mindestselbstbehalt von derzeit noch 1.200,- DM verbleiben muß.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Von dem Gesamteinkommen der Eltern, das für den Unterhalt der Beklagten haftet (707,05 DM), hat der Kläger einen Anteil von etwa 70 % und die Mutter der Beklagten einen Anteil von etwa 30 %. Eine Haftung nach diesen Prozentsätzen führt zu einer Unterhaltspflicht des Klägers von (70 % von 550,- DM) = 385,- DM. Da jedoch die Mutter der Beklagten das volle Kindergeld für beide Kinder erhält, Obwohl das</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Kindergeld nach seiner Zwecksetzung beiden Eltern zu gleichen Teilen zusteht, wenn sie beide Unterhalt leisten, mußte die Mutter der Beklagten an sich die Hälfte des für die Beklagte anteilig gezahlten Kindergeldes an den Kläger zahlen. Die Parteien sind aber damit einverstanden, daß das Kindergeld anteilig auf den Unterhaltsanspruch verrechnet wird. Zieht man den Kindergeldanteil in Höhe von 37,50 DM von dem Unterhaltsanspruch von 385,- DM ab, so bleibt ein Anspruch von 347,50 DM gegen den Kläger. </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Hierdurch wird der errechnete Unterhaltsanspruch der Beklagten insgesamt nicht gesenkt, da sie den Kindergeldanteil von der Mutter erhalten muß. Der Anspruch der Beklagten von 344,- DM ist also nicht übersetzt.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der angemessene Selbstbehalt beider Eltern wird nicht gefährdet, da dem Kläger 1.692,01 DM ./. 344,- DM = 1.348,-- DM verbleiben und der Mutter der Beklagten</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">1.415,04 DM ./. 165,- DM (30 %) = 1.250,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Ob der angemessene Selbstbehalt der Mutter der Beklagten ab 1. Januar 1985 gefährdet wird, wenn dieser auf 1.300,- DM heraufgesetzt wird, bedarf keiner Entscheidung.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Beklagten hat also nur Erfolg, soweit die Beklagte ihre Widerklage in zweiter Instanz ermäßigt hat.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 91 a, 92, 97, 273 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Das Urteil war gemäß § 708 Ziffer 10 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks"><u>Streitwert für die Berufung:</u></p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">a) bis zum 10. September 1984: 1.638,- DM (136,50 x 12),</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">b) ab 11. September 1984: 1.014,- DM (12 x 84,50 DM).</p>
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315,664 | lg-bonn-1984-10-19-5-t-19584 | {
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} | 5 T 195/84 | 1984-10-19T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:32 | 2019-03-27T09:42:32 | Urteil | ECLI:DE:LGBN:1984:1019.5T195.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Beschluss des Amtsgerichts Bonn - Nachlassgericht - vom 19.10.1984 - 35 VI 197/84 E - wird aufgehoben.</p><p>Das Amtsgericht wird angewiesen, unter Zurückstellung seiner in dem aufgeführten Beschluss geäußerten Bedenken über den Antrag der Antragstellerin auf Erteilung eines gemeinschaftlichen gegenständlich beschränkten Erbteiles nach Maßgabe der nach- folgenden Gründe neu zu entscheiden.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Gründe:</p><span class="absatzRechts">2</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">I  </p></li></ul><span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin ist die Ehefrau des Erblassers, die weiteren Beteiligten sind die beiden aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder. Die Antragstellerin hat mit dem Erblasser, der bis zu seinem Tode griechischer Staatsangehöriger war, am ##.##.1974 in C die Ehe geschlossen und seitdem in Deutschland gelebt.</p><span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Unter dem 28.02.1984 hat die Antragstellerin die Erteilung eines gemeinschaftlichen, gegenständlich auf den in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Nachlass beschränkten Erbscheines beantragt, wonach sie zu 1/2 und die beiden anderen Beteiligten gesetzliche Erben zu je 1/4 geworden sind.</p><span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Auffassung vertreten, vor Erteilung des Erbscheines in der beantragten Form müsse durch ein Rechtsgutachten geklärt werden, ob das griechische Zivilrecht eine dem § 1371 Abs. 1 BGB entsprechenden Norm beinhalte. Im Einverständnis mit den Vertretern aller Beteiligten, die übereinstimmend diese Frage nicht für maßgeblich gehalten haben, hat es sodann durch den angefochtenen Beschluss vom 19.10.1984 ohne Einholung eines solchen Gutachtens den Antrag abgelehnt und ausgeführt, der Erbschein könne in der beantragten Form nur unter Anwendung des § 1371 Abs. 1 BGB erteilt werden. Dem stehe jedoch entgegen, daß diese Vorschrift erbrechtliche Bezüge habe und auf das vorliegende Verfahren griechisches Erbrecht anzuwenden sei.</p><span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Dieser Auffassung tritt die Antragstellerin mit ihrer am 14.11.1983 eingegangenen Beschwerde entgegen, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.</p><span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere den Rechtsausführungen der Vertreter der Beteiligten im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.</p><span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">II.</p><span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die gemäß §§ 19, 20 FGG nicht fristgebundene Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Anweisung an das Amtsgericht, über den Antrag nach Maßgabe der nachfolgenden Gründe neu zu entscheiden.</p><span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, daß im vorliegenden Verfahren griechisches Erbrecht Anwendung findet. Dies ergibt sich aus Artikel 25 S. 1 EGBGB, wonach ein Ausländer, auch wenn er im Zeitpunkt seines Todes seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hatte, nach den Gesetzen seines Heimatstaates beerbt wird. Die Ausnahmevorschrift des Artikels 25 Satz 2 EGBGB greift nicht ein, weil Artikel 28 des griechischen Zivilgesetzbuches für den umgekehrten Fall des Todes eines Deutschen in Griechenland deutsches Erbrecht für anwendbar erklärt.</p><span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Das griechische Erbrecht sieht in den Artikeln 1813 und 1820 griechisches ZGH vor, daß Abkömmlinge des Erblassers zu gleichen Teilen und der überlebende Ehegatte neben diesen Verwandten der 1. Ordnung zu 1/4 als Erben berufen seien.</p><span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Das griechische Erbrecht beinhaltet demnach die dem Erbscheinsantrag zugrunde liegende Erbquote von 1/2 zugunsten der Beteiligten zu 1. und je 1/4 zugunsten der Beteiligten zu 2. und 3. nicht.</p><span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Gleichwohl ist dem zu erteilenden Erbschein die beantragte Quote zugrundezulegen, weil § 1371 Abs. 1 BGB die Erhöhung der Erbquote des überlebenden Ehegatten um 1/4 vorsieht und diese Vorschrift im vorliegenden Verfahren Anwendung findet.</p><span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Es entspricht zunächst herrschender Auffassung, daß bei fehlendem gemeinschaftlichen Heimatrecht der Ehepartner sich das eheliche Güterrecht nach den Gesetzen des Landes richtet, in dem die Ehegatten zur Zeit der Eheschließung gemeinsam ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort hatten (vgl. Palandt-Heldrich, 44. Aufl., Art. 15 EGBGB, Anm. 2b m.w.N.). Abweichende Regelungen des Artikels 15 EGBGB sind nicht mehr anwendbar, nachdem das Bundesverfassungsgericht die hier maßgeblichen Teile dieser Vorschrift durch seinen Beschluss vom 22.02.1983 (NJW 83, 1986) für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt hat. Es ist danach deutsches Güterrecht anzuwenden, weil beide Ehegatten vom Zeitpunkt der Eheschließung in Deutschland gewohnt haben.</p><span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Anwendung des § 1371 Abs. 1 BGB auf Fälle der vorliegenden Art ist umstritten. Sie hängt von der Qualifizierung dieser Norm sowie davon ab, ob die Anwendung dieser Vorschrift wegen ihres engen Bezuges zum Erbrecht voraussetzt, daß auch deutsches Erbrecht zur Anwendung kommt. Die von dem Amtsgericht ins Auge gefasste Einholung eines Rechtsgutachtens zum griechischen Recht kommt danach nicht in Betracht, weil nach dem Vorhergesagten lediglich griechisches Erbrecht zur Anwendung kommt und dessen Regelung dem erwähnten Artikel 1820 des griechischen Zivilgesetzbuches zu entnehmen ist. In der Literatur werden zu der aufgeworfenen Frage unterschiedliche Standpunkte vertreten. So wird zwar ganz überwiegend § 1371 Abs. 1 BGB als güterrechtliche Norm qualifiziert, aber von einigen (Erman-Marquordt, Artikel 15 EGBGB, Anm. 13; BRAGA in FamRZ 57, 341; Staudinger-Firsching, BGB, 12. Auflage, Anm. 227 vor Art. 24-26; Münchner Kommentar-Birk vor Art. 24-26 EGBGB Rdn. 108, 109) seine Anwendung davon abhängig gemacht, daß auch deutsches Erbrecht zur Anwendung kommen müsse. Dies wird damit begründet, daß § 1371 BGB zwar eine güterrechtliche Norm sei, jedoch in engem Zusammenhang mit § 1931 BGB stehe und eine Erhöhung des Erbteiles auch dann vorsehe, wenn gar kein Zugewinn entstanden sein könne. Seinem Umfang nach sei die Erhöhungsvorschrift des § 1371 BGB auf das deutsche Erbrecht zugeschnitten. Andere (Thiele in FamRZ 58, 393, 397; Staudinger von Bar, BGB, 12. Auflage, Art. 15 EGBGB, Anm. 99ff, Palandt-Heldrich, a.a.O. Anm. 4b, Soergel-Kegel BGB, 11. Auflage, Rdnr. 11 zu Art. 15 EGBGB) halten die Verknüpfung der Vorschrift des § 1371 BGB mit dem Erbrecht für nicht so eng, daß nicht auch ausländisches Erbrecht der Erhöhung der Ehegattenquote um 1/4 zugrundegelegt werden könne. Die Vertreter dieser Auffassung sehen kollisionsrechtliche Probleme nur dann entstehen, wenn das ausländische Erbrecht eine höhere Erbquote für den überlebenden Ehegatten als das deutsche Recht vorsieht bzw. wenn das ausländische Erbrecht nach der ausländischen Rechtsordnung auch die güterrechtlichen Ansprüche des Überlebenden mitausgleicht (vgl. Thiele a.a.O.). In diesen Fällen soll eine Angleichung der beteiligten Rechtssysteme verhindern, daß dem überlebenden Ehegatten mehr zukommt, als in den jeweils beteiligten Rechtsordnungen vorgesehen ist.</p><span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Kammer schließt sich für den vorliegenden Fall der Anwendbarkeit griechischen Erbrechts der letztgenannten Auffassung an und stellt dabei insbesondere darauf ab, daß das griechische gesetzliche Erbrecht in seinem hier maßgeblichen, die Erbquoten der Abkömmlinge und des überlebenden Ehegatten betreffenden Teil den deutschen Bestimmungen entspricht (vgl. §§ 1924 Abs. 1, 1931 Abs. 1 BGB). Für einen solchen Fall nimmt auch Siehr in Münchner Kommentar, Anm. 101 zu Art. 14 EGBGB die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 1371 Abs. 1 BGB an.</p><span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum in einem solchen Fall die praktische und einfache Regelung des § 1371 Abs. 1 BGB keine Anwendung finden sollte (vgl. Soergel-Kegel a.a.O; Palandt-Heldrich a.a.O). § 1371 Abs. 1 BGB stellt einen pauschalierten Zugewinnausgleichsanspruch dar und ist demnach güterrechtlicher Natur, was auch bereits seine Stellung im 4. Buch des BGB belegt (vgl. Staudinger von Bar a.a.O.).</p><span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Soweit die Vertreter der erstgenannten Auffassung auf die enge Verzahnung dieser Vorschrift mit dem deutschen Erbrecht hinweisen, hat dies im vorliegenden Fall keine Auswirkung, weil das griechische Erbrecht für die Ehefrau dieselbe Erbquote wie das deutsche Erbrecht vorsieht.</p><span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Durch die Anwendung des § 1371 Abs. 1 BGB wird der Beteiligten zu 1. auch nicht mehr zugesprochen, als sie nach deutschem Recht erben würde. Auch dies ergibt sich daraus, daß die vorgesehenen Erbquoten in beiden Rechtssystemen gleich groß sind.</p><span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten kommt nicht in Betracht.</p>
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 40/84 | 1984-10-17T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:34 | 2019-03-27T09:42:32 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1984:1017.20U40.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Beklagten gegen das am 6. Dezember 1983 verkündete Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Zinssatz sich durchgehend auf 4 % ermäßigt.</p>
<p>Die Kosten der Berufung werden dem Beklagten auferlegt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Halter eines BMW, für den er bei der Beklagten seit dem 17.3.1980 eine Fahrzeugvollversicherung abgeschlossen und für den der Beklagte der ... Bank in ... einen Sicherungsschein erteilt hatte. Mit diesem Fahrzeug befuhr der Kläger am 22.09.1982 um 7.50 Uhr den Parkplatz vor den ... in ... mit überhöher Geschwindigkeit. Auf diesem Parkplatz befanden sich ca. 80 Schulkinder, die ihre Schultaschen abgestellt hatten. Der Kläger fuhr auf die abgestellten Schultaschen zu und überfuhr diese. Danach verlor er die Gewalt über sein Fahrzeug und prallte mit diesem gegen eine Mauer, wobei sein Fahrzeug beschädigt wurde. Da der Kläger nach dem Unfall ein anormales Verhalten zeigte, wurde er noch am selben Tag mit Beschluß des Amtsgerichts Bielefeld - 2 XIV 3626/L - wegen einer akuten Exacerbation einer schizophrenen Psychose in dem Haus ... der ... Anstalten in ... einstweilen untergebracht. Eine entnommene Blutprobe ergab beim Kläger einen auf 7.50 Uhr zurückgerechneten Blutalkoholgehalt von 0,99 %o.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war schon vor dem 22.9.1982 in stationärer psychatrischer Behandlung gewesen, und zwar 1973 im Hause ... der ... Anstalten und 1976 in .... In der Zeit vom 5.2.1982 bis 10.3.1982 war er aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts Bielefeld - 2 XIV 3543/L im Hause ... der ... Krankenanstalten wegen einer akuten schizophrenen Psychose untergebracht gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit der ... Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung der Reperaturkosten für sein beschädtiges Fahrzeug abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung in Anspruch genommen. Der Kläger hat behauptet, er sei im Zeitpunkt des Unfalls am 22.09.1982 wegen es akuten schizophrenen Schubes nicht zurechnungsfähig gewesen; der Blutalkoholgehalt von 0,99 %o habe auf den Unfall keinen Einfluß gehabt ....</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat mit der Behauptung, daß er in Höhe der Klageforderung Bankkredit in Anspruch nehme und dafür 14 % Zinsen zu zahlen habe, beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">den Beklagten zu verurteilen, auf das Konto des Klägers bei der ... Bank in ... Nr. ... 10.506,66 DM nebst 14 % Zinsen seit dem 22.01.1983 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Er hat die Auffassung vertreten, das er nach §61 VVG von seiner Leistungspflicht freigeworden sei, da der Kläger den Unfall zumindest grob fahrlässig herbeigeführt habe. Der Beklagte hat bestritten, daß der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls zurechnungsfähig gewesen sei. Zumindest habe der Kläger, so hat der Beklagte behauptet, durch seinen Alkoholgenuß den Zustand mit herbeigeführt, in dem er dann den Unfall verursacht habe. Darüber hinaus hat sich der Beklagte darauf berufen, daß er wegen einer durch die psychische Krankheit des Klägers verursachten Gefahrerhöhung gemäß §§23 ff VVG freigeworden sei.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat nach Zeugenvernehmung und Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens der Sachverständigen Frau Dr. ... der Klage bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß der Kläger den Versicherungsfall vom 22.9.1982 nicht schuldhaft herbeigeführt habe, da er infolge eines schizophrenen Schubes zurechnungsfähig gewesen sei, und zwar auch schon zu der Zeit, als der Kläger den Alkohol zu sich genommen habe, der zu einem Blutalkohlgehalt von 0,99 %o geführt habe. Eine Leistungsfreiheit des Beklagten wegen Gefahrerhöhung hat das Landgericht mit der Begründung abgelehnt, daß der Kläger eine etwaige Gefahrerhöhung nicht schuldhaft vorgenommen habe.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, Er bestreitet zwar nicht mehr, daß der Kläger bei Durchführung der Fahrt unzurechnungsfähig war. Der Beklagte behauptet jedoch weiter, daß der Kläger zu der Zeit, als er den Alkohohl zu sich genommen habe, der zu dem Blutalkoholgehalt von 0,99 %o im Zeitpunkt der Fahrt geführt habe noch zurechnungsfähig gewesen sei und daß dieser Alkohlgenuß zu der Amokfahrt geführt habe. Wie im Senatstermin vom 17.10.1983 zwischen den Parteien unstreitig geworden ist, trank der Kläger am Abend des 21.9.1982 1/4 Liter Rotwein. Am Morgen des 22.9.1982 begab sich der Kläger ohne Wissen seiner geschiedenen Ehefrau, die mit ihm lebt und ihn versorgt, in den Keller des Hauses, um von dort einen Schlauch heraufzuholen, an dem seine Frau saugen sollte. Der Kläger hatte die Vorstellung, daß die Welt unterginge und man nur durch das Saugen am Schlauch am Leben bleiben könne. Bei dem Gang in den Keller trank der Kläger einige Schlucke Korn aus der Flasche.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus vertritt der Beklagte mit näherer Begründung die Auffassung, daß der Kläger den Versicherungsfall auch dadurch grob fahrlässig herbeigeführt habe, daß er nicht zu einer Zeit, als er noch zurechnungsfähig gewesen sei, Vorkehrungen gegen eine Benutzung des Fahrzeuges während eines psychotischen Schubes getroffen habe. Schließlich ist der Beklagte auch der Auffassung, daß er nach §25 Abs. 1 VVG freigeworden sei. Die bei dem Kläger vorliegende psychische Erkrankung mit den zeitweise auftretenen psychotischen Schüben habe, so behauptet der Beklagte, eine Gefahrerhöhung dargestellt, deren sich der Kläger auch bewußt gewesen sei. Denn er habe sich in den zwischen den Schüben liegenden Zeit von seiner Ehefrau fahren lassen. Die Berechtigung der geltendgemachten Zinsen bestreitet der Beklagte dem Grund und der Höhe nach.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">das Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts vom 06.12.1983 abzuändern und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß für die Zeit ab dem 5.9.1983 nur noch 9,5 % Zinsen verlangt würden.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Kläger behauptet, daß er schon in den Tagen vor dem 22.9.1982, insbesonders am Morgen des 22.9.1982, als er den Alkohol zu sich genommen habe, wegen seines psychotischen Schubes zurechnungsunfähig gewesen sei. In der Zeit zwischen den Schüben sei er seiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen und auch stets selbst gefahren. Lediglich während der psychotischen Schübe habe ihn seine Ehefrau gefahren. Er selbst habe auch bis zum 22.9.1982 während solcher Schübe noch nie das Bedürfnis gehabt, sich an das Steuer seines Fahrzeuges zu setzen. Auch habe ihn seine Ehefrau während solcher Zustände ständig beaufsichtigt und umsorgt. Eine Leistungsfreiheit des Beklagten nach §25 VVG hält der Kläger für deshalb ausgeschlossen, da ... keine wesentliche Gefahrerhöhung vorgelegen habe.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Akten 71 JS 708/82 StA Bielefeld, 2 XIV 3543/L und 2 XIV 3626 L AG Bielefeld, haben vorgelegen und auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Sachverständigen Frau Dr. .... Die Sachverständige Frau Dr. ... hat im Senatstermin vom 17.10.1984 ausgeführt:</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Kläger leidet unter einer in Schüben verlaufenden schizoaffektiven Psychose.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">.... Bei der Krankheit des Klägers handelt es sich um eine sogenannte Mischpsychose, bei der der Patient - im Gegensatz zu einer reinen Schizophrenie - symptomfreie Intervalle zwischen den Schüben hat. Ich habe den Kläger bereits 1973 in ... behandelt und dann 1982. Der Vorfall vom 22.9.1982 hätte auch schon 1973 passieren können. Während eines Schubes besteht bei dem Kläger eine krankhaft gehobene Stimmungslage, er hat Wahngedanken und leidet unter Wahneingebungen. In solchen Momenten fühlt er sich von außen gesteuert. Zwischen den Schüben ist der Zustand des Klägers fast normal. Er konnte in der Vergangenheit autofahren und seinen Geschäften nachgehen. Da er auch aus ... bis zu dem Vorfall am 22.9.1982 immer medikamentenfrei entlassen worden ist, bestand kein Anlaß, ihm den Alkohol zu verbieten. Der Kläger hat auch früher nicht zu Alkohol gegriffen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><u>Auf Frage des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten:</u></p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Vorfall vom 22.9.1982 hätte schon bei jedem Schub seit 1973 passieren können. Bei der Erkrankung des Klägers bahnt sich ein Schub immer an, daß heißt, er kommt nicht plötzlich. In stationäre Behandlung kommt der Patient aber immer erst zuletzt, wenn er meint, daß es nicht mehr ginge.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hatte schon im Urlaub auf Elba eine nicht mehr normale gehobene Stimmungslage. Auf der Rückfahrt verschlimmerte sich dieser Zustand schon so, daß er selbst nicht mehr fahren konnte und deshalb von seiner Frau gefahren worden ist. Seine Frau hat ihn immer nur dann gefahren, wenn ein Schub sich ankündigte. Die andere Formulierung in meinem Gutachten ist mißverständlich. Sie bezieht sich auf die damalige Zeit, als ich das Gutachten erstellte. Zu dieser Zeit wurde der Kläger von seiner Frau gefahren.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"><u>Auf Frage des Gerichts:</u></p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war mit Sicherheit bereits am Morgen des 22.09.1982 zurechnungsunfähig, als er in den Keller ging, um den Schlauch heraufzuholen. Diese Handlung war schon wahnhaft, daß heißt, er "mußte" es tun.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks"><u>Auf Frage des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten:</u></p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Ob der Kläger bereits am 17.09.1982 zurechnungsunfähig war, ist schwer zu beantworten. Ich würde diese Frage aber doch wohl bejahen. Der Schub hat sich schon im Urlaub auf Elba angebahnt. Ich glaube nicht, daß der Kläger sich noch am 17.09.1982 im Griff hatte, vielmehr hatte ihn nur noch seine Frau im Griff. Sie hat ihn nach dem Urlaub zum Arzt gefahren, wobei bei dieser Fahrt der Kläger auf dem Beifahrersitz einen Kopfstand machte und die Beine zum Schiebedach heraus hielt. Dies war schon eindeutig krankhaft.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks"><u>Auf Frage des Prozeßbevollmächtigten des Klägers:</u></p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Wenn der Kläger sich ganz zu Beginn eines Schubes in einer euphorischen Stimmung befindet, hat dies eine Selbstüberschätzung zur Folge, daß heißt, der Kläger wird keine prophylaktischen Maßnahmen treffen. Im Urlaub auf Elba begann schon diese Euphorie.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks"><u>Auf frage des Gerichtes:</u></p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Zwischen den Schüben kann ein Patient mit der Krankheit des Klägers autofahren.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Beklagten ist im wesentlichen unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist gemäß §§1 VVG, 2 Abs. 1 ff c AKB zur Zahlung der von ihm geforderten Entschädigung in Höhe von 10.506,66 DM verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks"><b>1)</b></p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist nicht wegen Gefahrerhöhung von seiner Verpflichtung zur Leistung frei geworden.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Eine Leistungsfreiheit nach §§23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG scheidet aus, weil eine wesentliche Gefahrerhöhung durch den Kläger nicht vorliegt. Die Tatsache, daß der Kläger am 22.09.1982 während eines akuten psychotischen Schubes in fahruntüchtigem Zustand mit dem Auto gefahren ist, ist keine Gefahrerhönung. Eine Gefahrerhöhung setzt einen Gefährungsvorgang voraus, der seiner Natur nach geeignet ist, einen neuen Gefahrenzustand von so langer Dauer zu schaffen, daß er die Grundlage eines neuen Schadensverlaufes bilden kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalles generell zu fördern geeignet ist (vgl. Prölss-Martin, 23. Auflage, §23 Anm. 2 Ac m.w.N.). Eine einmalige Autofahrt in fahruntüchtigem Zustand, der durch einen psychotischen Schub verursacht worden ist, schafft jedoch noch keinen solchen Gefahrenzustand, was die Rechtssprechung bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt im übrigen seit langem anerkannt hat (vgl. BGH VersR 52, 387, 388; OLG Hamm VersR 54, 458, 459; OLG Düsseldorf VersR 64, 179, 180).</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Eine Leistungsfreiheit des Beklagten nach §§27, 28 Abs. 1 VVG scheidet ebenfalls aus. Entgegen der Ansicht des Beklagten bedeutet die in Schüben verlaufende schizzo-affektive Psychose des Klägers im vorliegenden Fall keine Gefahrerhöhung. Eine Gefahrerhöhung setzt eine nachträgliche Veränderung der bei Vertragsschuß vorhandenen gefährlichen Umstände voraus. Wie aufgrund des Gutachtens der Sachverständigen Dr. ... zur Überzeugung des Senats feststeht, hat sich der krankhafte Zustand des Klägers seit Versicherungsbeginn am 17.3.1980 nicht verändert, so daß sich seitdem auch nicht die Gefahrenlage für den Beklagten erhöht hat. Ob der Kläger unter Umständen verpflichtet war, bei Vertragabschluß den Beklagten gemäß §16 VVG von seinem Gesundheitszustand Mitteilung zu machen, brauchte der Senat nicht zu entscheiden. Denn der Beklagte hat insoweit keine Konsequenzen gezogen und weder den Rücktritt erklärt noch den Versicherungsvertrag angefochten.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks"><b>2)</b></p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist auch nicht gemäß §61 VVG von seiner Leistungsverpflichtung frei geworden.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Daß der Kläger zur Zeit der Durchführung der Autofahrt am 22.09.1982 wegen seiner Geisteskrankheit zurechnungsunfähig war und deshalb nicht mehr schuldhaft gehandelt hat, stellt der Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mehr in Frage. Entgegen der Ansicht des Beklagten folgt auch nicht aus der Tatsache, daß der Beklagte vor Antritt der Fahrt Alkohol zu sich genommen hat, der zu einem Blutalkoholgehalt von 0,99 %o geführt hat, eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles. Denn der Senat ist aufgrund des Gutachtens der Sachverständigen Frau Dr. ... von der Richtigkeit der Behauptung des Klägers überzeugt, daß dieser bereits am Morgen des 22.9.1982, als er den Korn trank, unzurechnungsfähig war. Dann hat der Kläger aber bereits nicht mehr schuldhaft gehandelt, als er den Alkohol zu sich nahm. Daher kann die weitere Frage, ob ... der Alkoholgenuß ... mitursächlich für die Amokfahrt war, offen bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht deshalb angenommen werden, weil der Kläger nicht in der Zeit zwischen den Schüben Vorkehrungen gegen die Benutzung des Fahrzeuges während eines psychotischen Schubes getroffen hat. Angesichts der vom Beklagten nicht widerlegten Behauptung des Klägers, daß dieser bis zum 22.09.1982 während eines Schubes noch die das Bedürfnis gehabt habe, sich an das Steuer seines Fahrzeuges zu setzen, liegt in dem Fehlen zu Vorkehrungen gegen die Benutzung des Fahrzeuges während eines psychotischen Schubes zumindest kein grob fahrlässiges Verhalten des Klägers.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte braucht jedoch nicht mehr als 4 % Zinsen seit dem 6.4.1983 zu zahlen. Insoweit hatte ihre Berufung Erfolg. Da nicht der Kläger, sondern - aufgrund der Erteilung des Sicherungsscheines - die ... Bank in ... Inhaber der Entschädigungsforderung ist, kommt es für einen auf §286 BGB gestützten Anspruch auf Ersatz eines über 4 % hinaus gehenden Zinsschadens nicht darauf an, ob der Kläger Bankkredit in Anspruch nimmt und dafür entsprechende Zinsen zu zahlen hat, sondern darauf, ob der ... Bank durch die Nichtzahlung der Klageforderung ein über 4 % hinausgehender Zinsschaden entstanden ist. Dazu hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger jedoch nichts vorgetragen.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Berufung war daher nach Maßgabe des Tenors zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf den §§97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Eines Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedurfte es nach Ansicht des Senates nicht, weil dieses Urteil mit der Revision nicht mehr angegriffen werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist durch dieses Urteil in Höhe von 10.506,66 DM beschwert.</p>
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315,666 | olgham-1984-10-12-1-ws-31084 | {
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} | 1 Ws 310/84 | 1984-10-12T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:35 | 2019-03-27T09:42:31 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1984:1012.1WS310.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.</p>
<p>Der Haftbefehl des Amtsgerichts ... vom ... wird hinsichtlich des Beschuldigten ... unter folgenden Auflagen außer Vollzug gesetzt.</p>
<p> 1. Der Angeklagte hat eine Sicherheit in Höhe von 80.000,- DM zu leisten. Sie kann auch durch Bürgschaft eines deutschen Kreditinstitutes erbracht werden.</p>
<p> 2. Der Angeklagte hat sich einmal wöchentlich auf der für seinen Wohnsitz zuständigen Polizeiwache zu melden.</p>
<p> 3. Er hat seinen Reisepaß und seinen Personalausweis bei der Staatsanwaltschaft ... zu hinterlegen.</p>
<p> 4. Ihm wird untersagt, daß Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu verlassen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte, ... sitzt aufgrund des Haftbefehls ... vom ... seit diesem Tage in Untersuchungshaft. Entsprechend dem gegen ihn im Haftbefehl gerichteten Vorwurf wurde er durch Urteil der 3. großen Strafkammer des Landgerichts ... wegen Geldfälschung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Er hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Anläßlich der Urteilsverkündung hat die Strafkammer die Haftfortdauer angeordnet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte ... hat beantragt, den Haftbefehl gegen Sicherheitsleistung außer Vollzug zu setzen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Strafkammer den Antrag abgelehnt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die zulässige Beschwerde des Angeklagten.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Sie ist auch begründet.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Im Haftbefehl und im Haftfortdauerbeschluß ist zu Recht hinsichtlich des Angeklagten ... in Anbetracht der hohen Straferwartung der auch jetzt noch bestehende Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) angenommen worden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Diese Straferwartung hat sich aufgrund der Verurteilung konkretisiert. Der Angeklagte muß damit rechnen, daß die gegen ihn gerichtete Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und 9 Monaten rechtskräftig wird, zumal aufgrund der von ihm eingelegten Revision das Urteil der Strafkammer nur auf Rechtsfehler hin überprüft werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Zur Überzeugung des Senats kann jedoch die Fluchtgefahr durch eine Sicherheitsleistung und die anderen in der Beschlußformel angeordneten Maßnahmen so weit verringert werden, daß die Aussetzung des Vollzuges des Haftbefehls nach § 116 Abs. 1 StPO verantwortet werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der bisher nicht vorbestrafte Angeklagte kann die Erwartung hegen, daß gem. § 57 Abs. 1 StPO die Vollstreckung des letzten Drittels der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden wird. Auf die Strafe wird die 7monatige bisher erlittene Untersuchungshaft angerechnet. Demgemäß steht ihm voraussichtlich eine Strafverbüßung von 1 Jahr und 11 Monaten bevor. Diese Straferwartung ist nicht so hoch, daß befürchtet werden muß, der Angeklagte werde unter Hintansetzung aller anderen persönlichen und wirtschaftlichen Rücksichten die Flucht ergreifen. Im Falle einer Flucht würde sein Druckereibetrieb, der seit etwa 10 Jahren für ihn und seine Familie die wirtschaftliche Grundlage bot und in dem er persönlich die wesentliche Arbeitsleistung erbracht hat, untergehen. Stellt er sich jedoch dem weiteren Verfahren und der Strafverbüßung, hat er die berechtigte Aussicht, den Betrieb zu erhalten. Im Falle einer Haftverschonung kann er vor Strafantritt personelle und organisatorische Maßnahmen ergreifen, damit der Betrieb auch ohne ihn fortgeführt werden kann. Es erscheint auch nicht ausgeschlossen, dass zumindest ein erheblicher Teil der gegen den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe in einer Anstalt des offenen Vollzuges nahe dem Sitz seines Unternehmens vollstreckt werden kann und er dann die Möglichkeit haben wird tagsüber in seinem Betrieb zu arbeiten.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Diese sich für den Angeklagten abzeichnenden Chancen für seine spätere Lebensgestaltung haben ein großes Gewicht.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Zudem ist nicht zu erwarten, daß, wenn der Angeklagte entsprechend seinem Angebot eine für seine Verhältnisse hohe, nur mit Hilfe von Verwandten aufgebrachte Kaution hinterlegt hat, er in Kauf nehmen wird, durch Flucht dieser Kaution verlustig zu gehen und hierdurch nicht nur seinen wirtschaftlichen Zusammenbruch, sondern auch den von Verwandten zu verursachen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Nach den Feststellungen des Urteils hat der. Angeklagte zwar Geld des Staates ... gefälscht. Es ist jedoch nichts aus dem Urteil dafür ersichtlich, daß er zu jenem Land Beziehungen unterhält, die es nahelegen, er werde dorthin flüchten und dort eine neue Existenz aufbauen können.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Somit hat der Senat den Vollzug des Haftbefehls unter den in der Beschlußformel angeführten Auflagen außer Vollzug gesetzt.</p>
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315,667 | olgham-1984-10-08-3-ss-owi-125484 | {
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} | 3 Ss OWi 1254/84 | 1984-10-08T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:37 | 2019-03-27T09:42:31 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1984:1008.3SS.OWI1254.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.</p>
<p>Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.</p>
<p>Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Herford zurückverwiesen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen einer Vorfahrtsverletzung beim Ausfahren aus einem Grundstück (§ 10 StVO) zu einer Geldbuße von 40,- DM verurteilt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Rechtsbeschwerde, die der Senat zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen hat, rügt ausschließlich die Verletzung formellen Rechts. Sie beanstandet, daß die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Verteidigers durchgeführt worden ist, obwohl dieser wenige Minuten vor der angesetzten Terminsstunde mitgeteilt hatte, er wolle an der Hauptverhandlung teilnehmen, sei jedoch wegen der Wahrnehmung eines zur gleichen Zeit angesetzten anderen Termins in demselben Gerichtsgebäude verhindert, rechtzeitig zu erscheinen. Zur weiteren Begründung führt sie aus, der Verteidiger habe den amtierenden Richter davon in Kenntnis gesetzt, er befände sich in Saal 4 desselben Gerichtsgebäudes in einer Beweisaufnahme und könne notfalls aus der Sitzung herausgerufen werden, um an der Verhandlung in vorliegender Sache teilzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Rechtsbeschwerde kann der Erfolg nicht versagt werden. Mit dem Generalstaatsanwalt ist der Senat der Auffassung, daß der Amtsrichter das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Recht der Betroffenen auf ein faires Verfahren (vgl. BVerfG 38, 105 ff) und zugleich die damit korrespondierende Pflicht des Gerichts zur prozessualen Fürsorge verletzt hat. Wie der Senat aus den Akten festgestellt hat, war die Hauptverhandlung am Terminstage auf 14.20 Uhr angesetzt. Mit Rücksicht auf die angekündigte Verspätung des Verteidigers eröffnete der Amtsrichter die Hauptverhandlung 10 Minuten später, um 14.30 Uhr, unterbrach dann nach Feststellung der Formalien und der Vernehmung der Betroffenen zur Person die Hauptverhandlung und begann um 14.40 Uhr mit der Vernehmung der Betroffenen zur Sache. Die Hauptverhandlung war um 14.50 Uhr beendet. Kurz danach erschien der Verteidiger.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">In der vom Senat eingeholten dienstlichen Äußerung des Amtsrichters bestätigt dieser zwar nicht den Vortrag der Rechtsbeschwerde, er sei von dem Verteidiger davon in Kenntnis gesetzt worden, daß jener sich in einem bestimmten Saal desselben Gerichtsgebäudes befinde und zwecks Teilnahme an der Hauptverhandlung in vorliegender Sache aus der Sitzung herausgerufen werden könne. Wohl aber ergibt sich aus dieser Äußerung, daß der Amtsrichter darüber informiert war, bei welchem Kollegen der Verteidiger sich in anderer Sache aufhielt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Unter den gegebenen Umständen durfte der Amtsrichter die Hauptverhandlung nicht ohne den Verteidiger durchführen. Zwar gibt eine Verhinderung des Verteidigers gemäß § 228 Abs. 2 StPO, der gemäß § 46 OWiG auch im Bußgeldverfahren gilt, dem Betroffenen grundsätzlich nicht das Recht, die Aussetzung der Verhandlung zu verlangen. Es ist jedoch anerkannt, daß diese Verfahrensvorschrift dann nicht angewendet werden darf, wenn ihre Anwendung mit dem Prinzip eines fairen Verfahrens nicht zu vereinbaren ist (vgl. OLG Hamm VRS 41, 45; VRS 47, 358; OLG Köln VRS 42, 284; OLG Frankfurt AnwBl. 1977, 423). So liegt es hier. Es besteht Übereinstimmung in der obergerichtlichen Rechtsprechung, daß das Gericht jedenfalls dann, wenn der Verteidiger rechtzeitig mitgeteilt hat, er könne aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig zur Terminsstunde erscheinen, hierauf Rücksicht zu nehmen hat. (Vgl. OLG Hamm VRS 47, 358 und Beschluß des hiesigen 2. Senats vom 11.4.1978 in 2 Ss OWi 611/78 sowie die oben angegebene Rechtsprechung). Der hier zu beurteilende Sachverhalt nötigt nicht zu einer Auseinandersetzung mit der unterschiedlich beantworteten Frage, um welchen Zeitraum das Gericht in solchen Fällen mit dem Beginn der Verhandlung zuzuwarten hat. (vgl. etwa OLG Frankfurt a.a.O.: 15 Minuten Wartepflicht; OLG Köln a.a.O.: mindestens 30 Minuten). Vorliegend hatte der Verteidiger dem amtierenden Richter noch unmittelbar vor der angesetzten Terminsstunde mitgeteilt, daß er an der Hauptverhandlung teilzunehmen gedachte. Da der Amtsrichter auch Kenntnis davon hatte, bei welchem Kollegen der Verteidiger sich zu dem genannten Zeitpunkt aufhielt, wäre es ohne nennenswerten Aufwand möglich gewesen, mit dem Verteidiger Verbindung aufzunehmen und Nachfrage zu halten, ob noch und ggfls. wann mit seinem Erscheinen gerechnet werden konnte. Bei dieser Verfahrensweise hätte, wie sich aus dem zeitlichen Ablauf der Verhandlung zweifelsfrei ergibt, ... ohne übermäßige Störung des übrigen Verhandlungsprogramms dem Verteidiger die Teilnahme an der Hauptverhandlung ermöglicht werden können.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Auf dem beschriebenen Verfahrensfehler kann das Urteil auch beruhen. Es ist nicht auszuschließen, daß der Verteidiger auf den Ablauf und das Ergebnis der Verhandlung in einer für die Betroffene vorteilhaften Weise hätte Einfluß nehmen können. Das angefochtene Urteil war demnach mit den getroffenen Feststellungen aufzuheben und zur neuen Verhandlung an die Vorinstanz, zurückzuverweisen.</p>
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315,668 | olgk-1984-09-24-12-u-3784 | {
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} | 12 U 37/84 | 1984-09-24T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:38 | 2019-03-27T09:42:31 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1984:0924.12U37.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12. Januar 1984 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 2 0 753/82 - abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>- Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen. -</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:94px"><u>Entscheidungsgründe: </u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:11px">Die Berufung des Beklagten begegnet keinen prozessualen Bedenken; sie ist auch begründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:11px">Abweichend vom Landgericht ist der Senat zu dem Ergebnis gekommen, daß die Klägerin vom Beklagten die Bezahlung</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:4px">von Stromrechnungen in Höhe von zusammen 1o.997,44 DM nicht fordern kann.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:4px">Dabei kann dahintehen, ob die Klage mit dem in erster Linie gestellten Zahlungsantrag überhaupt zulässig ist ,oder ob mit Rücksicht darauf, daß die sog. Masseunzulänglichkeit festzustellen ist, das Rechtsschutzinteresse für den Hauptantrag fehlt und deshalb die Klägerin nur auf ihren hilfsweise gestellten Peststellungsantrag zurückgreifen kann, denn jedenfalls ist die Klage unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:4px">Der Senat folgt in dieser Verfahrensweise dem Bundesgerichtshof, der ebenfalls das Zulässigkeitsmerkmal Rechtsschutzbedürfnis offenläßt, wenn die Klage sachlich keinen Erfolg hat (ECU WM 1978, 935).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:4px">Die Klage ist in Höhe von 954,74 DM, also betreffend die Rechnung vom 4 Q Mai 1982 für den Monat April 1(382, von vorneherein unbegründet. Unwidersprochen nämlich hat die Klägerin über diesen Betrag dem Beklagten eine Gutschrift erteilt (Kopie der Gutschriftsanzeige April bis Juli 1982, 171, 144 d.A.). </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:4px">Die Klage ist aber auch im übrigen unbegründet. Die Klägerin kann ihre Forderung nicht auf eine mit. der Beklagten zustandegekommene vertragliche Vereinbarung stützen. Sie hat einen entsprechenden Vertrag, der, durch ausdrückliche Erklärungen zustandegekommen wäre, nicht substantiiert vorgetragen. Ihre Behauptungen ergeben nicht entsprechende Willenserklärungen des Beklagten. Nach dem erstinstanzlichen Vortrag soll der Beklagte erklärt haben, er werde den Stromverbrauch seit Beginn des Sequestation bezahlen; im übrigen sei er bereit, einen Stromlieferungsvertrag gemäß dem ihm übermittelten Angebot der Klägerin, welches ihm noch schriftlich zugesandt werden solle, abzuschließen, Eine solche bloße Bereitschaftserklärung enthält nicht zugleich die Erklärung von Angebot oder Annahme eines Vertrages nach dem ausdrücklichen Vortrag der Klägerin sollte ein solches Angebot im ürigen auch erst noch dem Beklagten übersendet</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">werden.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:7px">Der zweitinstanzliche Vortrag der Klägerin bezieht sich auf die Aussage des Zeugen C. und hebt dessen Kernsatz hervor: "Es sei selbstverständlich, daß er (das ist</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:7px">der Beklagte) die Stromkosten übernehmen werde." Auch diese Erklärung besagt nichts über Angebot und Annahme eines Vertrages über die umfassende Belieferung des Betriebes P. mit Strom zu Lasten der Konkursmasse, denn in dieser Weise konnte die Klägerin nach den gegebenen Umständen die zitierte Erklärung des Beklagten keineswegs verstehen, Der unstreitige Sachverhalt im Zusammenhang mit dem fraglichen Telefonat ergibt nämlich, daß es damals allein um die Versorgung der Leute des Beklagten ging, die im Betrieb P. Inventurarbeiten ausführten und dazu entsprechend der Jahreszeit - es war Dezember - Strom für die Lampen, für die Büromaschinen und eventuell auch für die Heizung brauchten. Nicht anders als eine Zusage, solche Stromkosten für eine Überschaubare Zeit zu bezahlen, konnte die Klägerin die jetzt hervorgehobene Äußerung des Beklagten verstehen. An eine Wiederaufnahme der Produktion und die entsprechende Zusage des Beklagten, hierdurch anfallende Stromkosten zu bezahlen, durfte die Klägerin redlicherweise nicht denken. Ihre Behauptungen enthalten auch nicht etwa einen Hinweis auf Äußerungen des Beklagten mit einem entsprechenden weitergehenden Inhalt. Im Gegenteil trägt die Klägerin selbst vor, daß der Beklagte zu Umfang und Dauer der gewünschten Belieferung keinerlei Angaben gemacht hat. Dann aber ist zu beachten, was auch der Zeuge C. in seiner Aussage bestätigt hat, daß er nämlich zuvor in einem Telefonat mit einer Angestellten des Beklagten gehört habe, der Konkursverwalter lehne es ab, einen Stromlieferungsvertrag abzuschließen und empfehle, sich</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:4px">mit der Firma N. in Verbindung zu setzen. Ferner ist für das Verständnis der telefonischen Äußerung des Beklagten bedeutsam, daß die Leute des Beklagten, denen die Stromsperre der Klägerin drohte, lediglich angekündigt hatten, der Beklagte werde selbstverständlich für Kosten der Stromversorgung aufkommen, "da er den Betrieb zum Zwecke der Abwicklung weiter betreibe". Es war also hier</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:4px">lediglich von Abwicklung die Rede, nicht aber von der Fortsetzung der Produktion. Anders als die Klägerin jetzt darstellen möchte, ist der Begriff Abwicklung auch damals nicht irreführend gewesen. Die Klägerin selbst hat nämlich die damaligen Äußerungen der Mitarbeiter des Beklagten</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:4px">in der Berufungserwiderung dahin zitiert, daß diese gesagt hätten, man benötige den Strom wegen der winterlichen Temperaturen zur Beheizung, zu Beleuchtungszwecken, zum Betrieb von Büromaschinen und ähnlichem. Damit waren die' Inventurarbeiten umschrieben; von irgendwelchen Produktionsmaschinen war ausdrücklich nicht die Rede.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:11px">Die Klägerin hat ferner einen vertraglichen Anspruch auch insoweit nicht dargetan, als sie auf den angeblichen Verbrauch durch den Beklagten abstellt, also den Gesichtspunkt des sog. faktischen Vertrages anführt. Dieser ist in Rechtsprechung und einem Teil der Literatur durchaus anerkannt. Die Beiweislast jedoch und damit auch die Vertragslast für eine tatschliche Inanspruchnahme der Stromversorgungsanlage liegt in vollem Umfang bei der Klägerin. Insofern ist hier lediglich unbestritten, daß im Dezember 1981 einige Mitarbeiter des Beklagten 5 Tage lang bei Inventurarbeiten Strom für die Beleuchtung, den Betrieb von Büromaschinen - also etwa Schreibmaschinen und Rechengeräte - verbraucht haben. Darin ist nicht eine Inanspruchnahme der Stromversorgungsanlage zu sehen, wie sie die Klägerin für den Betrieb in P. zur Verfügung stellte. Der entscheidende Teil, bei dem der größte Verbrauch möglich war, lag im Bereich der Produktion. Die wenigen Inventurarbeiten im Bürobereich jedoch sind, im Sinne eines sozialtypischen Verhaltens, wie es für das Zustandekommen eines faktischen Vertrages gefordert wird, im Blick auf die Stromversorgungsanlage im ganzen nicht relevant.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:11px">Die von der Klägerin angeführten Indizien für einen Verbrauch durch den Beklagten auch im Bereich der Produktion und</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:11px">über viele Monate hin, sind nicht zwingend:</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:11px">Bezüglich der angeblichen Äußerungen der Mitarbeiter des Beklagten sei auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Die Bemerkung der Mitarbeiter, der Beklagte betreibe zum Zwecke der Abwicklung den Betrieb weiter, besagt - wie</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:11px">im einzelnen ausgeführt - nichts über die Weiterbetreibung der Produktion.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px">Die von der Klägerin angeführten hohen Stromrechnungen für die Zeit bis zur Sequestation widerlegen nicht die</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px">Darstellung des Beklagten, die Gemeinschuldnerin habe schon vor der Sequestration den Betrieb in P. stillqe1egt.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">Es_ist durchaus möglich, daß auch schon vor der Sequestration, als die Gemeinschuldnerin aus der Produktion in P. zurückgezogen hatte, die Firma N. KG oder eine andere Rechtsperson die Maschinen im Betrieb benutzte. - Damit ist nichts darüber ausgesagt, ob die</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px">Forderung der Klägerin für Stromlieferungen vor der Sequestration, die sie zur Konkurstabelle angemeldet hat, berechtigt ist oder nicht; der Senat hat hier darüber nicht zu befinden. -</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px">Auch die Behauptung der Klägerin, die Firma N. KG habe das Betriebsgrundstück in P. nicht genutzt und in den Monaten Dezember 1981 bis April 1982 den in Rechnung gestellten Strom nicht verbraucht, ist nicht erheblich. Selbst wenn die Richtigkeit der Behauptung sich erweisen würde, ist damit nicht zugleich erwiesen, daß</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px">der Beklagte den Strom verbraucht hat. Neben dem Beklagten</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px">und der Firma N. KG sind durchaus auch andere Stromverbraucher vorstellbar.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px">Die Mietschuld des Beklagten dem Vermieter Immler gegenüber (111.14o,86 DM; entnommen der Aufstellung des Beklagten zum Thema Masseunzulänglichkeit) ist ebenfalls nicht ein Beleg dafür, daß der Beklagte die Produktion in P. fortgeführt habe. § 19 der Konkursordnung nämlich zeigt, daß der Konkursverwalter Miet- und Pachtverhältnisse nur innerhalb der gesetzlichen Kündigungsfrist kündigen kann, falls nicht eine kürzere Frist bedungen war. Vorliegend handelte es sich um einen Pachtvertrag, so daß nach § 595 BGB für die Kündigung grundsätzlich die Jahresfrist galt.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:11px">Schließlich ergibt sich aus der Aufnahme von Bankkrediten</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:11px">für die Masse ("zum Zweck der Betriebsfortführung) nicht zugleich, daß der Betrieb gerade in P. fortgeführt wurde. Die Notwendigkeit der Aufnahme eines Kredites erklärt sich zwanglos aus der Maßnahme der Veräußerung des Betriebes in S.; dem entspricht es, daß in der Aufstellung des Beklagten der Verkaufspreis für "S." genannt ist.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:11px">Die Zahlungsklage ist auch nicht etwa zu einem Teil begründet, nämlich insofern, als es um den geringfügigen Stromverbrauch in den genannten 5 Tagen im Dezember 1981 geht. Die Klägerin hat insofern keine Einzelheiten vorgetragen, auf deren Grundlage der Senat von der Möglichkeit einer Schätzung nach § 287 ZPO Gebrauch machen könnte.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:11px">Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits ergeht gem. § 91 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeif gem. den §§ 7o8 Nr. 1o, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:11px"><u>Streitwert</u> für die zweite Instanz,</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:11px">zugleich Wert der Beschwer: 10.997,41 DM.</p>
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315,669 | olgham-1984-09-19-20-u-8084 | {
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<p>Auf die Berufung des Klägers wird das am 20. Dezember 1983 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert.</p>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.894,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11. August 1983 zu zahlen.</p>
<p>Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.</p>
<p>Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.</p>
<p>Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Beklagte 71 % und der Kläger 29 %.</p>
<p>Die Kosten der Berufung werden zu 79 % der Beklagten und zu 21 % dem Kläger auferlegt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war Eigentümer und Halter eines bei der Beklagten unter anderem gegen Diebstahl versicherten Motorrades (Teilkaskoversicherung). Er hatte dieses Motorrad um die Jahreswende 1981/82 für etwa 5.000,- DM gebraucht gekauft. Am 12.7.1982 zeigte er bei der Polizei in ... an, daß ihm dieses Motorrad auf einem Parkplatz der Universität ... entwendet worden sei. Ferner meldete er der Beklagten den Diebstahl. In der hierfür vorgesehenen Schadensanzeige vom 15.7.1982 gab er als Datum der Erstzulassung (zutreffend) den 6.4.1979 und den Kilometerstand mit ungefähr 20.000 km an. Die formularmäßige Frage nach der "Höhe der Reparaturkosten" - eine andere Frage ist auch für Diebstahlsfälle nicht vorgesehen - beantwortete er mit "Wiederbeschaffungskosten zwischen 12.000,- bis 13.000,-". Gleichzeitig gab er an, das Motorrad sei mit einer Vollverkleidung der Marke Vetter sowie einem Paar Vetter-Packtaschen mit Top-Case incl. Halterung ausgestattet gewesen. Bezüglich der Vollverkleidung fügte er eine von dem Zeugen ... ausgestellte Quittung vom 26.6.1982 und für die Packtaschen eine Rechnung der Firma ... in ... über 2.394,- DM bei. Diese Rechnung trägt das Datum 26.9.1982 und als Unterschrift des Verkäufers den Namenszug " ...". Die Beklagte, der das offensichtlich unzutreffende Rechnungsdatum der Firma ... auffiel lehnte die Schadensregulierung ab und erstattete Strafanzeige wegen Betruges gegen den Kläger. Das Ermittlungsverfahren (17 Js 698/82 StA Essen), in dessen Rahmen mehrere Mitarbeiter der Firma ... als Zeugen vernommen wurden, das aber keine Klärung der Frage brachte, wer die Rechnung mit dem unzutreffenden Datum 26.9.1982 ausgestellt hatte, wurde mit Bescheid vom 22.4.1983 mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Mit seiner Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung von 8.280,- DM nebst Zinsen in Anspruch genommen und zur Begründung dieser Forderung den Wert des Motorrades mit 4.900,- DM, den Wert der Packtaschen mit 2.380,- DM und den Wert der Verkleidung mit 1.000,- DM angegeben. Zum Diebstahlsgeschehen hat er behauptet, er habe das Motorrad am Morgen des 12.7.1982 auf dem für Motorräder vorgesehenen Parkplatz der Universität ... verschlossen abgestellt und bei seiner Rückkehr gegen Mittag den Verlust festgestellt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.280,- DM nebst 14 % Zinsen seit dem 1.8.1982 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Sie hat den Versicherungsfall und die Schadenshöhe bestritten. Sie hat geltend gemacht, der Kläger habe keine nachprüfbaren Tatsachen, die den hinreichend sicheren Schluß auf einen Diebstahl zuließen, beweisen können. Auch sei seine Glaubwürdigkeit erschüttert. Das ergebe sich daraus, daß er in der Schadensanzeige die Wiederbeschaffungskosten zu hoch angesetzt habe, daß er eine offensichtlich manipulierte Rechnung der Firma ... vorgelegt habe und daß er schließlich auch einen mit ihr - der Beklagten - verabredeten Termin zum Zwecke näherer Feststellungen bei der Firma ... nicht eingehalten habe.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Zur Schadenshöhe hat sie auf ein in ihrem Auftrag erstattetes Sachverständigengutachten verwiesen, in dem der Zeitwert des Motorrades mit brutto 3.500,- DM ermittelt worden ist. Im übrigen hat sie geltend gemacht, daß die vom Kläger in Ansatz gebrachte Vollverkleidung vom Versicherungsschutz nicht umfaßt sei.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe den ihm obliegenden Nachweis des Versicherungsfalls nicht geführt. Wegen weiterer Einzelheiten - auch zum Sach- und Streitstand erster Instanz - wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger seinen Anspruch in Höhe von 7.394,- DM weiter. Dieser Berechnung legt er einen Zeitwert des Motorrades von 5.000,- DM und den Wert der Packtaschen mit 2.394,- DM zugrunde. Ersatz der Vollverkleidung verlangt er nicht mehr.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mit näherer Begründung greift er die Tatsachenwürdigung des Landgerichts an und rügt, daß die von ihm benannten Zeugen nicht vernommen worden seien.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.394,- DM nebst 14 % Zinsen seit dem 1.8.1982 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte verteidigt mit näherer Begründung das angefochtene Urteil. Sie ist der Auffassung, der Kläger habe den Eintritt des Versicherungsfalls nicht bewiesen, weil aufgrund zahlreicher Indizien der Verdacht begründet sei, daß der Vortrag des Klägers nicht stimme. Im übrigen wiederholt sie ihr erstinstanzliches Vorbringen zu Grund und Höhe.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Ermittlungsakten 17 Js 698/82 StA Essen haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Der Senat hat den Kläger gemäß §141 ZPO gehört und die vom Kläger benannten Zeugen ... und ... uneidlich vernommen. Über das Ergebnis der Anhörung des Klägers und der Beweisaufnahme verhält sich ein Vermerk des Berichterstatters, der den Parteien bekannt ist und auf den Bezug genommen wird.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang überwiegend begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, den Zeitwert des Motorrades und den Wert der Packtaschen zu ersetzen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat den Nachweis des Versicherungsfalls geführt.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Versicherungsnehmer, der von einem Diebstahlsschaden betroffen wird, ist in der Regel nicht in der Lage, den Diebstahl unmittelbar durch Zeugen zu beweisen. Es ist daher - wie auch die Beklagte nicht verkennt - in der Rechtsprechung seit langem anerkannt, daß dem Versicherungsnehmer gewisse Beweiserleichterungen zugutekommen müssen. In der Regel genügt es, wenn der Versicherungsnehmer Tatsachen vorträgt und, soweit möglich, unter Beweis stellt, die die hinreichende Wahrscheinlichkeit begründen, daß der Versicherungsfall eingetreten ist. Es ist dann Sache des Versicherers, Tatsachen vorzutragen und, soweit möglich, zu beweisen, die die erhebliche Wahrscheinlichkeit für unredliches Verhalten des Versicherungsnehmers begründen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast beruht auf der Überlegung, daß der Versicherer und der Versicherungsnehmer nach Sinn und Zweck des Versicherungsvertrages den versicherten Entwendungsfall schon bei hinreichender Wahrscheinlichkeit als nachgewiesen ansehen wollen und daß im Regelfall von der Redlichkeit des Versicherungsnehmers auszugehen ist (zu diesen Fragen eingehend zuletzt BGH VersR 1984, 29 ff.).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"><b>a)</b></p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen lassen den Schluß auf eine Entwendung des Motorrades zu. Teile dieses Sachvortrags sind durch die Beweisaufnahme vor dem Senat bewiesen worden. So haben die vernommenen Zeugen bestätigt, daß der Kläger Halter des als gestohlen gemeldeten Kraftrades gewesen ist und daß dieses Kraftrad auch die vom Kläger behaupteten Ausstattungsdetails (Packtaschen, Verkleidung) aufgewiesen hat. Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen haben sich nicht ergeben. Ihre Aussagen sind differenziert und widerspruchsfrei. Die Tatsache allein, daß alle Zeugen mit dem Kläger bekannt oder sogar befreundet sind, nimmt ihnen nicht die Überzeugungskraft.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Allerdings hat keiner der Zeugen bestätigen können, daß der Kläger das Motorrad am Vormittag des 12.7.1982 ordnungsgemäß verschlossen auf dem Universitäts-Parkplatz abgestellt hat. In diesem Punkt hängt die Entscheidung allein von der Glaubwürdigkeit des Klägers ab. Der Senat hält den Kläger nach dem persönlichen Eindruck, den er von ihm in der mündlichen Verhandlung und im Verlauf der Beweisaufnahme gewonnen hat, für glaubwürdig.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks"><b>b)</b></p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Glaubwürdigkeit des Klägers wäre nur dann erschüttert, wenn aufgrund festgestellter Tatsachen die erhebliche Wahrscheinlichkeit begründet wäre, daß der Kläger sich unredlich verhalten und zumindest versucht hätte, die Beklagte zu übervorteilen. Die von der Beklagten hierzu vorgetragenen Gesichtspunkte haben Gewicht, begründen jedoch - auch in der Zusammenschau - allenfalls gewisse Verdachtsmomente und die Möglichkeit eines manipulierten Versicherungsfalls. Sichere Feststellungen, aus denen sich Schlüsse gegen den Kläger ziehen ließen, ermöglichen sie jedoch nicht.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Rechnung über die Packtaschen fällt zunächst das falsche Datum auf. Dieses Datum ist jedoch so offensichtlich falsch - es liegt mehr als zwei Monate nach dem behaupteten Versicherungsfall und nach dem Zeitpunkt, zu dem die Rechnung bereits bei der Beklagten vorgelegt wurde -, daß sich die Möglichkeit eines Schreibfehlers (z.B. Verdrehung von Zahlen: 26.9. statt 29.6.) geradezu aufdrängt. Daß jemand bewußt das offensichtlich falsche Datum 26.9.82 gewählt haben könnte, um <u>damit</u> die Beklagte zu täuschen, kann ausgeschlossen werden.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte macht, gestützt auf die Aussage von Mitarbeitern der Firma ... im gegen den Kläger gerichteten Ermittlungsverfahren, weiter geltend, das Rechnungsformular stamme aus einer Serie von Formularen, die nach dem 14.7.1982 und damit erst nach dem Versicherungsfall bei der Firma ... entwendet worden seien. Die von den Mitarbeitern der Firma ... gezogene Schlußfolgerung ist jedoch nicht zwingend. Nach der Aussage des vom Senat vernommenen Zeugen ... erscheint es durchaus möglich, daß die Rechnungsformulare nicht erst nach dem 14.7.1982, sondern auch schon längere Zeit davor entwendet worden sein können. Die. Möglichkeit, daß einer der zahlreichen und häufig wechselnden Mitarbeiter und Aushilfskräfte der Firma ... sich bei Gelegenheit einen Vorrat an Formularen angeeignet hat, um damit "auf eigene Rechnung". Waren zu verkaufen und den Kaufpreis zu unterschlagen, ist nicht ausgeschlossen. Zwar besteht die Möglichkeit, daß der Kläger selbst, der einmal vorübergehend bei der Firma ... ausgeholfen hatte, sich diese Rechnungsformulare besorgt haben könnte. Dies bleibt aber eine durch nichts bewiesene theoretische Möglichkeit, die durch keine auch nur einen hinreichenden Tatverdacht begründenden Tatsachen erhärtet werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Gegen die Möglichkeit, daß das hier verwendete Rechnungsformular erst nach dem Versicherungsfall entwendet worden ist, spricht vor allem die Aussage des bereits im Ermittlungsverfahren und erneut vom Senat vernommenen Zeugen ... der glaubhaft bekundet hat, er sei gemeinsam mit dem Kläger bei der Firma ... gewesen, als dieser dort die Packtaschen gekauft habe; er - der Zeuge - habe die Packtaschen dann auch an dem später entwendeten Motorrad angebracht, wenn das aber zutrifft, dann muß der Kauf der Packtaschen noch vor dem 12.7.1982, dem Diebstahlstag, erfolgt sein. Der Schluß, die Rechnungsformulare seien erst nach dem 14.7.1982 bei der Firma ... abhanden gekommen, ist danach nicht mehr zwingend.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">cc)</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Im Ergebnis bleibt danach offen, wie es zu der Rechnung über die Packtaschen gekommen ist und wer sich hinter dem Aussteller der Rechnung mit Namen " ..." verbirgt. Daß der Kläger hiermit in irgendeiner Weise in Verbindung stünde, läßt sich nicht mit der nötigen Sicherheit feststellen. Die Wahrscheinlichkeit, daß der Kläger an der Manipulation der Rechnung beteiligt gewesen sein könnte, ist angesichts der für ihn sprechenden Aussage des Zeugen ... gegen dessen Glaubwürdigkeit nichts spricht, jedenfalls nicht größer als die Wahrscheinlichkeit, daß die Ursachen für die manipulierte Rechnung allein im Bereich der Firma ... zu suchen sind. Da im Regelfall von der Redlichkeit des Versicherungsnehmers auszugehen ist, können solche Unklarheiten nicht zu Lasten des Klägers verwertet werden.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">dd)</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Auch das Verhalten des Klägers anläßlich der Schadensregulierung erschüttert seine Glaubwürdigkeit nicht. Soweit er in der Schadensanzeige die Wiederbeschaffungskosten für das Motorrad mit 12.000,- bis 13.000,- DM beziffert hat, ist er - so seine durch nichts widerlegte Darstellung in der mündlichen Verhandlung - hierbei von dem Neupreis einer gleichwertigen und gleich ausgestatteten Maschine ausgegangen. Für die Annahme, er habe diesen hohen Preis eingesetzt, um von der Beklagten eine überhöhte Versicherungssumme zu erschleichen, spricht nichts. Zum einen ist das Schadensanzeigeformular der Beklagten, obwohl es auch Diebstahlsfälle erfaßt, für die Diebstahlsschäden nicht geeignet, weil dort nur nach der Höhe der Reparaturkosten gefragt wird. Nach dem Wert des entwendeten Fahrzeugs wird nicht gefragt. Es kann daher dem Kläger nicht angelastet werden, wenn er - ausdrücklich als solche bezeichnete - "Wiederbeschaffungskosten" angesetzt und diese mit dem Neupreis eines Neufahrzeugs gleichgesetzt hat. Gegen die Annahme, dies könnte in der Absicht geschehen sein, die Beklagte zu übervorteilen, spricht, daß der Kläger an anderer Stelle des Formulars das Alter und die Laufleistung des Fahrzeugs angegeben hat, so daß erkennbar war, daß es sich um ein mehr als 3 Jahre altes Fahrzeug handelte. Auch aus der Tatsache, daß der Kläger einen mit der Beklagten abgesprochenen Termin bei der Firma ... nicht eingehalten hat, kann nicht gegen den Kläger verwendet werden. Denn der Kläger hat sein Fernbleiben alsbald mit einem Versehen entschuldigt und sich zu einem neuen Treffen bereiterklärt. Darauf ist die Beklagte nicht eingegangen. Daher ist der Schluß, der Kläger habe sich geweigert, an der Aufklärung des Schadens mitzuwirken, nicht gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Der Höhe nach ist die Klage und damit die Berufung nur zum Teil begründet. Der Zeitwert des Motorrades kann nur mit 3.500,- DM angesetzt werden. Diesen Betrag hat der von der Beklagten beauftragte Sachverständige ermittelt. Der Kläger bestreitet die Richtigkeit dieser Wertermittlung, trägt aber selbst keine konkreten Tatsachen vor, aufgrund deren eine abweichende Schätzung zu seinen Gunsten möglich wäre. So hat er erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragen, er habe das Motorrad für ungefähr 5.000,- DM gebraucht gekauft. Da er es nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung selbst etwa 8.000 km gefahren haben muß (Kilometerstand beim Erwerb 12.000 km, beim Diebstahl ausweislich der Schadensanzeige 20.000 km), kann der Zeitwert nicht, wie in der Berufungsbegründung angenommen, mit 5.000,- DM angesetzt werden. Zudem haben die polizeilichen Ermittlungen ergeben, daß das Motorrad von einem der Vorbesitzer 1980 unfallbeschädigt für lediglich 2.900,- DM angekauft und danach repariert worden war. Dieser Vorbesitzer hat es dann 1980 für 5.500,- DM weiter verkauft. Erst etwa 1 Jahr später hat es dann der Beklagte erworben. Die mehreren Vorbesitzer und die früheren Unfallschäden können sich nicht werterhöhend ausgewirkt haben, so daß kein Anlaß besteht, die Schätzung des Sachverständigen nach oben zu korrigieren. Der Senat ist daher von 3.500,- DM ausgegangen. Hinzuzurechnen ist der Wert der Packtaschen, die, da sie nach der Aussage des Zeugen ... frühestens im Juni 1982 gekauft sein können, praktisch noch neuwertig waren. Die Entschädigungssumme erhöht sich daher um 2.394,- DM auf insgesamt 5.894,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Diese Forderung ist ab Rechtshängigkeit (11.8.1983) mit dem gesetzlichen Zinsfuß von 4 % (§291 BGB) zu verzinsen. Einen weitergehenden Zinsschaden hat der Kläger weder dem Grunde noch der Höhe nach belegen können.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks"><b>3.</b></p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Wegen des teilweisen Erfolgs der Klage und der Berufung folgt die Kostenentscheidung aus §§92, 97 Abs. 1 ZPO. Eines Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil nicht statthaft ist. Die Beschwer der Beklagten beträgt 5.894,- DM, die des Klägers 1.500,- DM.</p>
|
315,670 | olgk-1984-09-14-2-ws-36884 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 Ws 368/84 | 1984-09-14T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:41 | 2019-03-27T09:42:31 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1984:0914.2WS368.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Aus den Gründen:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>A.</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Beschwerdeführer wurde vom ... durch Beschluß vom 19. Mai 1983 (Sten.Ber., 8. Sitzung, Seiten 422 ff (433)) beauftragt, zu klaren, ob - und falls ja, in welcher Weise - es der ... unternommen habe, auf Entscheidungen von Mitgliedern des ..., der ... der ... oder sonstiger Stellen der ... Einfluß zu nehmen; insbesondere soll er feststellen, auf welcher Grundlage der ... die Entscheidungen getroffen hat, die die Voraussetzungen dafür geschaffen haben, daß der ... Industrieverwaltung KGaG steuerliche Vorteile für den Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen der Firma ... im Hinblick auf gesetzlich begünstigte Wiederanlagen zu gewähren und nach Auftreten von Zweifeln zu belassen waren. Mit Beschluß vom 27. Oktober 1983 wurde der Untersuchungsauftrag des Beschwerdeführers durch den Bundestag ergänzt. Die weiteren Einzelheiten ergeben sich aus den Bundestagdrucksachen 10/34, 10/520 und 10/521.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">In seiner Sitzung vom 16. Juni 1983 beschloß der Beschwerdeführer u.a., zum Untersuchungsauftrag Beweis durch, Beiziehung der Ermittlungsakten ... zu erheben. Er teilte diesen Beweisbeschluß dem Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen mit, der ihm daraufhin die Überlassung von Ablichtungen der Ermittlungsakten zusagte. Im November 1983 wurden dem Beschwerdeführer Ablichtungen von Band I-XXI der Akten übersandt; Ablichtungen von den 36 Beweismittelordnern und den Aktenbänden XXII bis XXIV, die inzwischen durch die Abschlußverfügung der Staatsanwaltschaft Bonn und die Erhebung der öffentlichen Klage entstanden waren, erhielt der Beschwerdeführer nicht.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beweismittelordner enthalten folgende Unterlagen - zum Teil Originale, zum Teil Ablichtungen -:</p>
<br /><span class="absatzRechts">6</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">I-IV</td>
<td valign="top">Unterlagen des ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">V</td>
<td valign="top">Unterlagen des ... und des ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">VI</td>
<td valign="top">Unterlagen des ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">VII-X</td>
<td valign="top">Unterlagen des ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XI-XII</td>
<td valign="top">Unterlagen des ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XIII</td>
<td valign="top">Unterlagen der ... von ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XIV-XVII</td>
<td valign="top">Unterlagen des ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XVIII</td>
<td valign="top">Anlagen zum Schreiben des Rechtsanwalts ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XIX-XX</td>
<td valign="top">Unterlagen der Firma ... der Firma ... und des Beschuldigten ... betr. ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XXI</td>
<td valign="top">Kontounterlagen und Belege betreffend die ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XXII</td>
<td valign="top">Unterlagen betreffend ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XXIII</td>
<td valign="top">Unterlagen aus den Aufzeichnungen der ..., betreffend ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XXIV</td>
<td valign="top">Unterlagen ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XXV</td>
<td valign="top">Unterlagen betreffend ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XXVI</td>
<td valign="top">Unterlagen ... Zahlungsvorgang betreffend ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XXVII</td>
<td valign="top">Unterlagen Firma ... betreffend ... Unterlagen Firma ... betreffend Unterlagen ... Kontounterlagen ... Unterlagen ... Kontounterlagen ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XXVIII</td>
<td valign="top">Kontounterlagen ..., Unterlagen Konto ... und ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XXIX</td>
<td valign="top">Kontounterlagen ... Unterlagen ... betreffend ... Unterlagen ... betreffend ... Unterlagen ... betreffend ... Unterlagen ... betreffend ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XXX</td>
<td valign="top">Unterlage ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XXXI</td>
<td valign="top">Unterlagen Konto ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XXXII</td>
<td valign="top">Unterlagen Konto ..., Konto ... Spendenunterlagen der ... betreffend ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XXXIII</td>
<td valign="top">Unterlagen ..., Unterlagen ..., Unterlagen ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XXXIV</td>
<td valign="top">Unterlagen ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XXXV</td>
<td valign="top">Unterlagen ...; Unterlagen der ..., Spendenhefter der ... Spendenhefter der ... Spendenhefter der ... Spendenhefter der ... Spendenhefter der ... Unterlagen ... Rechnungen ... Unterlagen ... Unterlagen ... Unterlagen ...;</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">BMO</td>
<td valign="top">XXXVI</td>
<td valign="top">Auswertungsvermerk ... Unterlagen ... Unterlagen ... Darstellung des Verfahrensablaufs in ....</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 1. Dezember 1983 wandte sich der Beschwerdeführer an den Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen und bat, ihm auch Ablichtungen von den weiter entstandenen Hauptakten und den Beweismittelordnern I bis XXXVI zu übersenden. Der Justizminister teilte mit Schreiben vom 10. Dezember 1983 mit, in den Begriff "Ermittlungsakten" habe er die Beweismittelordner nicht eingeschlossen; im Hinblick auf die am 29. November 1983 erfolgte Anklageerhebung sei nunmehr aber auch der Vorsitzende der mit der Sache, befassten Strafkammer des Landgerichts Bonn für die Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht zuständig.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Nach der Erhebung der öffentlichen Klage ist die Strafsache gegen ... bei der 7. großen Strafkammer des Landgerichts Bonn anhängig.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Vorsitzende dieser Strafkammer hat es mit Schreiben vom 28. Dezember 1983 abgelehnt, dem Beschwerdeführer Ablichtungen der Beweismittelordner I-XXXVI zu erteilen. Dem Antrag auf Überlassung von Ablichtungen der Bünde XXII ff der Strafakten hat er mit Schreiben vom 9. Januar 1984 nur insoweit entsprochen, als dem Beschwerdeführer eine Ablichtung des Bandes XXII der Strafakten mit Ausnahme von Blatt 85 bis 136 übersandt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Gegen diese beiden Verfügungen richtet sich die am 24. April 1984 eingegangene Beschwerde. Der Beschwerdeführer beantragt, ihm durch Übersendung von Ablichtungen Einsicht in die Bände XXII-XXIV der Hauptakten und I-XXVI der Beweismittelordner des Strafverfahrens KLs 50 Js 36/82 StA Bonn, soweit hierin nicht Vorgänge der Bundesregierung enthalten sind, zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Vorsitzende der 7. großen Strafkammer hat der Beschwerde am 24. April 1984 nicht abgeholfen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><b>B.</b></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Ihre Statthaftigkeit ergibt sich aus § 304 Abs. 1 StPO. Nach dieser Vorschrift ist u.a. gegen die Verfügungen des Vorsitzenden die Beschwerde gegeben, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht. Die Verfügungen müssen inhaltlich Akte der Rechtspflege und nicht bloße Justizverwaltungsakte sein, für deren Anfechtung § 23 EGGVG maßgebend ist (Engelhardt in Karlsruher Kommentar, StPO, 1982, § 304 Rdnr. 2; Collwitzer in Löwe-Rosenberg, StPO, 23. Aufl., § 304 Rdnr. 9). Zu den nach § 304 Abs, 1 StPO anfechtbaren Akten der Rechtspflege gehören alles Maßnahmen eines Richters, die er im Rahmen eines anhängigen Strafverfahrens in richterlicher Unabhängigkeit getroffen hat (OLG Hamm NJW 1968, 169; Gollwitzer in Löwe-Rosenberg a.a.O.; Engelhardt in KK a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind bei den angefochtenen Verfügungen des Kammervorsitzenden erfüllt. Seine gemäß § 147 Abs. 5 StPO gefällten Entscheidungen über die Versagung der Akteneinsicht betreffen zwar nicht unmittelbar die Durchführung des anhängigen Strafverfahrens gegen ..., weil der Beschwerdeführer nicht Verfahrensbeteiligter ist. Sie wirken sich aber mittelbar auf die Gestaltung - Art der Akteneinsicht und Leitung des Verfahrens - Vermeidung von Verzögerungen - (OLG Hamm NJW 1968, 169; OLG Hamburg, NStZ 1982, 482, 483) aus und sind daher im Rahmen des anhängigen Strafverfahrens getroffen worden. Nicht entscheidend für die Bewertung von Entscheidungen über die Gewährung von Akteneinsicht als Akte der Rechtspflege ist, ob der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen zu befinden hat oder ob dem Antragsteller insoweit ein Rechtsanspruch zusteht.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die somit nach § 304 Abs. 1 StPO statthafte Beschwerde (vgl. OLG Hamm NStZ 1982; 348; OLG Hamburg NStZ 1983, 482; OLG Düsseldorf NJW 1965, 1033; OLG Hamm NJW 1968, 169; Kleinknecht-Meyer, StPO, 36. Aufl., § 147 Rdnr. 27; Laufhütte in KK a.a.O. § 147 Rdnr. 21; Dünnebier in Löwe-Rosenberg a.a.O. § 147 Rdnr. 29) ist durch § 305 StPO schon deswegen nicht ausgeschlossen, weil es sich bei den angefochtenen Verfügungen des Vorsitzenden um Entscheidungen handelt, durch die ein Dritter - der Beschwerdeführer - betroffen wird.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Beschwerdeführer ist auch zur Einlegung der Beschwerde befugt. Als parlamentarischer Untersuchungsausschuß ist er Teil des Deutschen Bundestages, des höchsten Verfassungsorgans der Bundesrepublik Deutschland. Er ist dessen Unterorgan (Maunz-Dürig-Herzog, GG, Art. 44 Rdnr. 9 ff). Durch ihn übt der Bund ... ag das ihm nach Artikel 44 GG zustehende Untersuchungsrecht aus (Maun-Dürig-Herzog, a.a.O. Art, 44 Rdnr. 10). Da Artikel 44 GG dem Beschwerdeführer zur Wahrnehmung seiner Untersuchungsaufgaben hoheitliche Befugnisse einräumt, hat er die "Eigenschaft einer Behörde" (Maunz-Dürig-Herzog, a.a.O. Art. 44 Rdnr. 27; von Mangoldt/Klein, GG, 2. Aufl., Art. 44 Abschnitt III, 3 b jew. m.w.Nachw.), zumindest kommt ihm eine "behördenähnliche Stellung" zu (Maunz-Dürig-Herzog, a.a.O.). Aus dieser Position ist er berechtigt, die zulässigen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe einzulegen (Schmidt-Bleubtreu-Klein, GG, 6. Aufl., Artikel 35 Rdnr. 8; von Münch, GG, 2. Aufl., Art. 35 Rdnr. 11).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Untersuchungsausschuß ist durch die angefochtenen Verfügungen beschwert, da seine Rechte und schutzwürdigen Interessen (vgl. hierzu: Kleinknecht-Meyer a.a.O. vor § 296 Rdnr. 12) unmittelbar beeinträchtigt worden.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist auch begründet.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Dem Beschwerdeführer ist im Wege der Amtshilfe auch Einsicht in Blatt 85 bis 136 des Bandes XXII, in die Bände XXIII und XXIV der Hauptakten und in die Beweismittelordner I bis XXXVI des Strafverfahrens KLs 50 Js 36/82 StA Bonn = 27 F 7/83 LG Bon soweit hierin nicht Akten der Bundesregierung enthalten sind, zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Beschwerdeführer hat ein Recht auf Einsicht in diese Akten.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Allerdings zählt der Beschwerdeführer nicht zu dem Kreis der Verfahrensbeteiligten, denen nach den Bestimmungen der StPO (§§ 147, 385, 397 StPO) ein solches Recht zusteht.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Senat teilt jedoch die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 17.7.1984 - 2 BvE 11/83 und 2 BvE 15/83 - S. 37 ff -), daß sich ein Recht des Untersuchungsausschusses auf Einsicht in die Akten unmittelbar aus Artikel 44 Abs. 3 GG ergibt, wonach Gerichte und Verwaltungsbehörden zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet sind (a.A.; Maunz-Düring-Herzog a.a.O. Art. 44 GG Rdnr. 46). Entsprechend der Regelung in Artikel 34 der Weimarer Reichsverfassung von 1919 ("Die Akten der Behörden sind ihnen" - den Untersuchungsausschüssen - "auf Verlangen vorzulegen") war das Aktenvorlagerecht während der Verhandlungen des Verfassungskonvents von Herrenchiemsee und des Parlamentarischen Rates Bestandteil aller Fassungen des Artikels über den Untersuchungsausschuß bis in die Schlußphase der Beratungen (BVerfG a.a.O. Seite 38). Die ursprüngliche Bestimmung: "Die Gerichte und Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, einem Ersuchen des Ausschusses um Aktenvorlage und Rechtshilfe Folge zu leisten" ist dann in der geänderten - jetzt gültigen - Fassung vom Hauptausschuß und vom Parlamentarischen Rat ohne Aussprache angenommen worden (Parl.Rat, Verhandlungen des HA, 57. Sitzung vom 5. Mai 1949 Seite 752 und Parl.Rat, StenBer., 9. Sitzung vom 6. Mai 1949 Seite 182). Dabei hat es sich lediglich um eine redaktionelle Überarbeitung gehandelt, deren Sinn es nicht war, die Befugnisse des Untersuchungsausschusses einzuschränken. "Das Recht der Aktenvorlage ist wie nach Artikel 34 WRV selbstverständlicher Bestandteil des Rechtes der Untersuchungsausschüsse durch alle Stadien der Veränderungen des Artikeln 44 GG geblieben" (BVerfG a.a.O. S. 38). Es gehört zum "Wesenskern" des Untersuchungsrechts. Daraus folgt, daß hier nicht Wie bei dem Antrag auf Akteneinsicht von anderen nicht am Verfahren Beteiligten eine an den Interessen einer geordneten Rechtspflege orientierte Ermessensentscheidung (vgl. hierzu OLG Düsseldorf NJW 1965, 1033; 1980, 1293) zu treffen ist.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Das Verlagen nach Akteneinsicht ist allerdings dann nicht gerechtfertigt, wenn ein Untersuchungsausschuß damit ersichtlich den Rahmen überschreitet, der ihm durch den Bundestag mit dem erteilten Untersuchungsauftrag gesteckt worden ist. Das ist hier aber nicht der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Nicht dagegen hängt die Gewährung der Akteneinsicht davon ab, ob sie - gemessen an dem Untersuchungsauftrag - auch erforderlich ist. Dies zu entscheiden ist allein Sache des Beschwerdeführern; denn <u>er</u> hat die Befugnis, in den Grenzen des seiner Tätigkeit zugrundeliegenden Parlamentsbeschlusses diejenigen Beweise zu erheben, die <u>er</u> für erforderlich halt (BVerfG a.a.O. S. 33).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Das Akteneinsichtsrecht des Beschwerdeführers erfährt auch weder durch das Steuergeheimnis des § 30 AO in Verbindung mit § 96 StPO (a) noch aus dem Gesichtspunkt des Schutzes von Grundrechten (b) eine Einschränkung.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Das Recht auf Wahrung des in § 30 AO gesetzlich umschriebener Steuergeheimnisses ist als solches kein Grundrecht, wenn auch die Geheimhaltung bestimmter steuerlicher Angaben und Verhältnisse, deren Weitergabe einen Bezug auf den Steuerpflichtigen oder private Dritte erkennbar werden läßt, durch eine Reihe grundrechtlicher Verbürgungen, insbesondere durch Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 und Artikel 14 i.V.m. Artikel 19 Abs. 3 GG, geboten sein kann (BVerfG a.a.O. S. 51). Ob § 30 AO im engeren Wortsinn zu den "Vorschriften über den Strafprozeß" gehört, die nach Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG auf Beweiserhebungen des Beschwerdeführers sinngemäß Anwendung finden, kann dahinstehen. Denn jedenfalls schließt der für das Vorfahren des Untersuchungsausschusses anwendbare § 96 StPO die Berücksichtigung des § 30 AO ein. (BVerfG a.a.O. S. 39). Nach § 96 StPO darf u.a. die Vorlegung von Akten durch Behörden und öffentliche Beamte nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde. Da eine solche Erklärung der obersten Dienstbehörde - das ist hier der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen - nicht vorliegt, kann schon deswegen die Ablehnung der Gewährung von Akteneinsicht nicht auf § 96 StPO gestützt werden.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Soweit die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 6. Juli 1984 ausführt, obersten Dienstbehörden sei im übrigen auch keine Gelegenheit gegeben worden, von ihrem Rocht nach § 96 StPO Gebrauch zu machen, gilt dies jedenfalls nicht im Hinblick auf den Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">In einem von zwei Oberstaatsanwälten und zwei Staatsanwälten unterzeichneten Aktenvermerk vom 16. Juni 1983, der nach der Begleitverfügung dem Leitenden Oberstaatsanwalt in Bonn zur Kenntnis gebracht werden sollte, ist angeregt worden, "auf ein eventuelles Ersuchen des Untersuchungsaussachusses des Deutschen Bundestages um Überlassung der Akten ... eine Erklärung gemäß § 96 StPO dahingehend abzugeben, daß das bekanntwerden des Inhalts der Vorgänge dem Wohle des Landes Nordrhein-Westfalen Nachteile bereiten würde". Der Leitende Oberstaatsanwalt in Bonn und der Generalstaatsanwalt in Köln haben den Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen gebeten, für die Dauer des Ermittlungsverfahrens eine Sperrerklärung nach § 96 StPO abzugeben, wie sich aus dessen Schreiben vom 21. Juni 1983 (Seite 2) an den Vorsitzenden des Beschwerdeführers ergibt. Der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen hat zwar Prüfung zugesagt, eine Sperrerklärung gemäß § 96 StPO ist aber bisher nicht abgegeben worden. Daraus folgt, daß eine solche Erklärung auch zur Zeit nicht zu erwarten ist. Anlaß, dem Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen vor der Entscheidung Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben, besteht nicht.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, die öffentliche Gewalt ausüben, haben über die in Artikel 44 Abs. 2 Satz 2 GG genannten Schranken hinaus gem. Artikel 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten, und diese können insbesondere das Beweiserhebungsrecht und das Recht auf Aktenvorlage einschränken (BVerfG a.a.O., Seite 51). Obwohl die Akten und Beweismittelordner auch Angaben über das Privat- und Geschäftsleben der Beschuldigten und anderer Betroffener enthalten und in der begehrten Akteneinsicht ein Eingriff in deren Persönlichkeittsrechte liegt (vgl. BVerfG NJW 1970, 555), ist dieser Eingriff hier gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Soweit das Grundgesetz dem einzelnen Bürger einen unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung gewährt, welcher der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist (vgl. BVerfG a.a.O.) können die hier in Betracht kommenden privaten und geschäftlichen Angaben hinsichtlich der Betroffenem diesem - schlechthin unantastbaren - Bereich nicht in dem Sinne zugerechnet werden, daß schon jeder Einblick durch Außenstehende von vornherein unzulässig wäre (vgl. BVerfG a.a.O. betr. die Angaben in Akten eines Ehescheidungsverfahrenes). Der Bereich des privaten Lebens steht nicht unter dem absoluten Schutz des Grundrechts aus Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 und 19 Abs. 2 GG (vgl. BVerf a.a.O. und NJW 1972, 1123, 1124). Als gemeinschaftsbezogener und gemeinschaftsgebundener Bürger muß vielmehr jedermann staatliche Maßnahmen, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit unter strikter Wahrung des Verhältnisgebots erfolgen, hinnehmen (BVerfG a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die somit von der Verfassung geforderte Abwägung führt hier zu dem Ergebnis, daß das Akteneinsichtsrecht des Beschwerdeführers keine Einschränkung erfährt.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Regierung, die nach dem Grundgesetz mehr auf Stabilität angelegt ist als unter der Weimarer Reichsverfassung (vgl. BVerfGE 62, 1 (40 f)), bedarf wirksamer Kontrolle. Diese auszuüben, obliegt wesentlich dem Bundestag, der sich zur Klärung von Zweifeln an der "Gesetzlichkeit oder Lauterkeit von Regierungs- oder Verwaltungsmaßnahmen" (vgl. § 52 des Preußischen Entwurfs zur Weimarer Reichsverfassung in: Triepel, Quellensammlung zum Deutschen Reichsstaatsrecht, 5. Aufl., 1931, S. 14) eines Untersuchungsausschusses als Instrument bedienen kann. Damit kommen dem Untersuchungsausschuß und seiner Tätigkeit von Verfassungswegen überragende Bedeutung zu. Das gilt hier bei Art, Umfang und Gewicht der gegen frühere Regierungsmitglieder, leitende Beamte und Politiker erhobenen Vorwürfe in einem besonderen Maße. Bei Nichtaufklärung oder Verschleierung der Vorwürfe kann das parlamentarische Regierungssystem, nicht zuletzt, auch im Ansehen der Bürger, erheblichen Schaden erleiden.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Da auch die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse öffentliche Gewalt ausüben, haben sie über die in Artikel 44 Abs. 2 Satz 2 GG benannten Schranken hinaus gemäß Artikel 1 Abs. 3 GG die Grundrechts zu beachten (BVerfG-Urteil vom 17. Juli 1984 S. 51). In eigener Verantwortung haben die Untersuchungsausschüsse daher dafür zu sorgen, daß geheimzuhaltende und schutzwürdige Angaben aus den Strafakten nicht bekannt werden. Das kann auf verschiedene Weise geschehen: u.a. durch Verhandeln in nicht-öffentlicher Sitzung, durch die Verwertung von Aktenteilen, ohne sie zum Gegenstand der Verhandlung zu machen, durch die Anwendung der Geheimschutzordnung des .... Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Bestimmungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353 b Abs. 2 StGB bekräftigt.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Allerdings wird die Gefahr, daß geheimzuhaltende Aktenbestandteile in der Öffentlichkeit bekannt werden, durch das Recht des Untersuchungsausschusses auf Akteneinsicht vergrößert. Das Verständnis von den Aufgaben und der Bedeutung parlamentarischer Untersuchungsausschüsse hat sich gelindert. Die Möglichkeit, mit Hilfe eines Untersuchungsausschusses Mißstände aufzudecken, war ursprünglich als Recht des gesamten Parlaments gegen die Regierung und damit allgemein gegen die Verwaltung gerichtet (vgl. Artikel 82 Preuß. Verfassung 1850; von Münch a.a.O. Artikel 44 Rdnr. 1). In den modernen Demokratien wird darin eher ein Rocht der Opposition gesehen, das sie gegen die Regierung und die sie tragenden Regierungsparteien einsetzen kann (von Münch, a.a.O.). Das Interesse der Parlamentsmehrheit an einer Untersuchung von zweifelhaften Vorgängen innerhalb der von ihr getragenen Regierung oder in den Reihen ihrer eigenen Abgeordneten ist häufig geringer als das der Opposition (vgl. Schlußbericht der Enquetekommission Verfassungsreform 1976 Bundestagdrucksache 7/5924 S. 50). Die Untersuchungsausschüsse sind zu einem Instrument der politisch Auseinandersetzung zwischen der Parlamentsmehrheit und der Opposition geworden. Die sich daraus ergebende erhöhte Gefahr für den Bereich des privaten Lebens vermag jedoch eine andere Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers ist von so überragender Bedeutung, daß sie nicht durch die Verweigerung von Akteneinsicht erschwert werden darf.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Der Rechtsanspruch des Beschwerdeführers auf Akteneinsicht erfährt auch durch die Tatsache, daß das Strafverfahren inzwischen anhängig ist, keine Einschränkung.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kammervorsitzende seine ablehnenden Verfügungen mit dem Interesse an einem geordneten und von äußeren Einflüssen möglichst frei zu haltenden Strafverfahren begründet hat, hat er diesem Verfahren einen gewissen Vorrang vor dem Verfahren des Beschwerdeführers eingeräumt. Die gebotene Abwägung von Bedeutung und Gewicht der beiden Verfahren verbietet es, diese Einordnung aufrechtzuerhalten. Das Interesse der Allgemeinheit an der Strafverfolgung Einzelner ist nicht höher zu bewerten als das an der Erledigung des vom Deutschen Bundestag erteilten Untersuchungsauftrags. Strafverfahren und Ausschußverfahren können deshalb nebeneinander durchgeführt werden (vgl. Maunz-Dürig-Herzog, a.a.O. Art. 44 Rdnr. 62), wenn auch der Beschwerdeführer das Recht hat, seine Ermittlungen bis zum rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens auszusetzen. Bei der gleichzeitigen Durchführung beider Verfahren ist zu beachten, daß eine im Rechtsstaatsprinzip verankerte grundgesetzliche Pflicht zur Gewährung eines rechtsstaatlichen Verfahrens besteht (BGHSt NJW 1980, 464, 465; BVerfGE 38, 105, 111; Pfeiffe in KK a.a.O. Einl. Rdnr. 18). Hierauf hat jeder Beschuldigte Anspruch. Ein rechtsstaatliches Verfahren muß insbesondere dem Gebot der Fairness (fair trial) entsprechen. Im Hinblick darauf und auf das Gebot der Verhältnismäßigkeit staatlicher Maßnahmen ist der Beschwerdeführer gehalten, sein Verfahren so zu gestalten, daß er einerseits seinem Untersuchungsauftrag gerecht wird und daß andererseits die Beeinträchtigungen und Störungen des Strafverfahrens auf das nicht vormeidbare Maß reduziert werden. Sein Recht auf Akteneinsicht wird dadurch nicht berührt.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">5.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Ablehnung der Anträge ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil ein Untersuchungsausschuß nicht selbst die strafprozessualen Möglichkeiten zur Durchsuchung und Beschlagnahme hat. Denn dem Beschwerdeführer steht das Recht zu, im Wege der Rechtshilfe nach Artikel 44 Abs. 3 GG i.V.m. §§ 156 ff GVG beim zuständigen Gericht Beschlagnahme- und Durchsuchungsbeschlüsse zu erwirken (BVerfG-Vorprüfungsausschuß- NStZ 1984, 175; StGH Bremen, NJW 1970, 1309; LG Hamburg, NStZ 1982, 391; Lässig DÖV 1976, 727, 728; von Münch, a.a.O. Art. 44 Rdnr. 19), so daß er sich dir; in dem Beweismittelordnern enthaltenen Beweisunterlagen ebenfalls hätte beschaffen können.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Das Rocht des Beschwerdeführers auf Einsicht in die Akten erstreckt sich nicht nur auf die Hauptakten, sondern auch auf die Beweismittelordner. Soweit sie ausschließlich Ablichtungen enthalten, sind sie als Teil der Strafakten anzusehen (Schäfer NStZ 1984, 203, 205). Der Beschwerdeführer kann aber auch Hinsicht in die Beweismittelordner verlangen, die außer Ablichtungen Originale enthalten. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Beweismittelordner als Teil der Strafakten oder als Beweisstücke anzusehen sind. Das Recht auf Akteneinsicht erfaßt auch das Recht, die dem Gericht zur Kenntnis gebrachten Beweisgegenstände des Verfahrens zu besichtigen, und soweit es sich hierbei um Urkunden und Schriftstücke handelt, diese einzusehen (vgl. Kleinknecht-Meyer, a.a.O. § 147 Rdnr. 11; Dünnebier in Löwe-Rosenberg a.a.O. § 147 Rdnr. 7).</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks"><b>IV.</b></p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Nach allem ist dem Verlangen des Beschwerdeführers nach Akteneinsicht in dem beantragten Umfang zu entsprechen. Die Akteneinsicht kann durch Übersendung von Ablichtungen gewährt werden (BGH MDR 1973, 371; OLG Hamburg NJW 1963, 1024; Kleinknecht Meyer, a.a.O. § 147 Rdnr. 14).</p>
|
315,671 | olgham-1984-09-12-11-uf-1884 | {
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<p>Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Hamm vom 18. Januar 1984 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien haben am 12. August 1965 die Ehe miteinander geschlossen, aus der zwei noch minderjährige Kinder hervorgegangen sind. Sie leben seit dem 1. April 1982 getrennt, nachdem der Verfügungskläger die Ehewohnung verlassen hat. Die Parteien haben Mitte 1983 ihr gemeinsames Hausgrundstück ..., veräußert. Der Verfügungsbeklagten ist der auf sie entfallende Verkaufserlösanteil im Oktober 1983 ausgezahlt worden.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Zwischen den Parteien ist das Scheidungsverfahren AG Hamm mit den Folgesachen "elterliche Sorge, Versorungsausgleich und Zugewinnausgleich" rechtshängig. Der Scheidungsantrag des Verfügungsklägers ist der Verfügungsbeklagten am 13. April 1983 zugestellt worden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit der Begründung, ihm stehe gegen die Verfügungsbeklagte ein künftiger Zugewinnausgleichsanspruch von über 20.000,- DM zu, der auf Grund ihres verschwenderischen Verhaltens gesichert werden müsse, hat der Verfügungskläger erstinstanzlich den Erlaß einer einstweiligen Verfügung auf Leistung einer Sicherheit in Höhe von 24.000,- DM begehrt, und zwar nach ihrer Wahl durch die in § 232 Abs. 1 BGB aufgeführten Sicherheitsmittel.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Durch Urteil vom 18. Januar 1984, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe im übrigen verwiesen wird, hat das Amtsgericht Hamm den Antrag zurückgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Dagegen richtet sich die Berufung des Verfügungsklägers. Er beantragt, nachdem er den Sicherungsumfang zunächst durch einen Betrag von 18.912,64 DM angegeben hat,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung gemäß den §§ 1389, 232, 262 BGB, 935, 940 ZPO aufzugeben, dem Kläger wegen eines voraussichtlichen Zugewinnausgleichsanspruchs in Höhe von etwa 10.000,- DM Sicherheit zu leisten, und zwar nach ihrer Wahl</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">- durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">durch Verpfändung von in das Staatsschuldbuch eingetragenen Forderungen,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">durch Verpfändung beweglicher Sachen,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">durch Bestellung von Hypotheken an inländischen Grundstücken oder Schiffen oder Schiffsbauwerken, die in einem deutschen Register eingetragen sind, durch Verpfändung von Forderungen, für die eine Hypothek an einem inländischen Grundstück besteht, oder durch Verpfändung von Grundschulden oder Rentenschulden an inländischen Grundstücken,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><u>hilfsweise,</u></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">gegen die Beklagte den dinglichen Arrest anzuordnen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Verfügungsbeklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Wegen der Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze und der überreichten. Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Anspruch auf Sicherheitsleistung wegen Gefährdung des Anspruchs auf künftigen Ausgleich des Zugewinns nach § 1389 BGB kann durch einstweiligen Rechtsschutz gesichert werden. Diese Sicherung erfolgt jedoch nicht durch eine einstweilige Verfügung, sondern - wie nunmehr auch mit dem zulässigen Hilfsantrag begehrt - im Wege der Anordnung eines Arrestes.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die einstweilige Verfügung und der Arrest schließen sich nach der Systematik und ihrer jeweiligen Zweckrichtung gegenseitig aus. Die einstweilige Verfügung dient der Sicherung eines Individualanspruchs auf gegenständliche Leistung (§ 935 ZPO) oder der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile (§ 940 ZPO). Demgegenüber sichert der Arrest die künftige Zwangsvollstreckung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen wegen einer Geldforderung oder eines Anspruchs, der in eine Geldforderung übergehen kann (§ 916 ZPO). Der Senat marmag nicht der zum Teil in der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung zu folgen, für die Sicherung des Anspruchs auf Sicherheitsleistung nach § 1389 BGB seien noch Wahl des die Sicherheitsleistung verlangenden Ehegatten beide Verfahren zulässig. Die Frage, ob die Sicherung eines Anspruchs durch den Erlaß einer einstweiligen Verfügung oder durch die Anordnung eines Arrestes zu erfolgen hat (vergl. zum Streitstand OLG Köln FamRZ 83, 709 ff. m.w.N.), bestimmt sich vielmehr allein nach dem zu sichernden Anspruch. Dabei ist indessen zu beachten, daß es sich nur um eine vorläufige Maßnahme handelt, also die geschuldete Hauptleistung nicht vorweggenommen werden kann bzw. darf.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Unter Beachtung dieser Grundsätze hält der Senat die Sicherung des Anspruchs gemäß § 1389 BGB durch die Anordnung eines Arrestes für sachgerechter. Der materielle Anspruch auf Sicherheitsleistung ist kein Individualanspruch im Sinne des § 935 ZPO, da gemäß §§ 232 ff BGB gerade verschiedene Möglichkeiten in Bezug auf die zu leistende Sicherheit vorgesehen sind. Auch würde die Anordnung einer Sicherheitsleistung im Wege der einstweiligen Verfügung die geschuldete Hauptleistung aus § 1389 BGB vorwegnehmen. Zwar ist anerkannt, daß trotz des vorläufigen Charakters der einstweiligen Verfügung eine zur Befriedigung des Gläubigers führende Leistungsverfügung möglich ist. Eine derartige, allein aus der praktischen Notwendigkeit heraus zugelassene Leistungsverfügung ist indessen nach der Rechtsprechung nur in engen Grenzen und zur Existenzsicherung des Gläubigers zulässig (vergl. z.B. die nur auf die Sicherung des Notbedarfs gerichtete einstweilige Unterhaltsverfügung für die Dauer von längstens sechs Monaten).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Es kommt hinzu, daß der Anspruch auf § 1389 BGB - wie § 916 Abs. 1 ZPO voraussetzt - auch in eine Geldforderung übergehen kann. Kommt nämlich der Schuldner dem Titel auf Sicherheitsleistung nicht nach, ist dieser nur über § 887 Abs. 2 ZPO durch Verurteilung zur Zahlung vollstreckbar. Die Individualisierung auf eine bestimmte Sicherheit erfolgt erst nach erfolgreicher Vollstreckung der nach § 887 Abs. 2 ZPO bewirkten Zahlungsverurteilung. Danach ist die Sicherung des Anspruchs auf Sicherheitsleistung nach § 1389 BGB durch die Anordnung eines Arrestes aus verfahrensrechtlichen Gründen geboten und auch sachgerechter. Dem steht nicht entgegen, daß der Anspruch des Bauunternehmers aus § 648 BGB durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden kann. Denn dieser Anspruch sieht nur eine bestimmte Sicherheit, die Sicherungshypothek, vor.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Zudem wird durch die einstweilige Verfügung lediglich Sicherheit durch eine Vormerkung, also ein Weniger gegenüber dem Hauptanspruch selbst, gewährt.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf Anordnung des dinglichen Arrestes ist jedoch unbegründet. Der Verfügungskläger hat einen Arrestanspruch nicht im Sinne der §§ 916, 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Zwar reicht zur glaubhaften Darlegung einer künftigen Zugewinnausgleichsforderung aus, daß der Gläubiger das Bestehen der Forderung der Höhe nach wahrscheinlich macht. Der im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO alsdann ermittelte Betrag stellt den Sicherungsumfang dar.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Dies vorausgesetzt, vermag der Senat einen künftigen Zugewinnausgleichsanspruch des Verfügungsklägers jedoch nicht als wahrscheinlich festzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Sein zum Stichtag am 13. April 1983 geschätztes Endvermögen von rund 78.000,- DM setzt sich aus folgenden Positionen zusammen:</p>
<br /><span class="absatzRechts">27</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td valign="top">1)
Hälftiger, nach Abzug gemeinsamer Verbindlichkeiten der Parteien verbleibender Kaufpreisanteil (Hausgrundstück ...)
=
72.415,65
DM
2)
Rückkaufswert der 1980 abgeschlossenen Lebensversicherung
=
357,-
DM
3)
Rückkaufswert der Lebensversicherung "Volksfürsorge"
=
3.500,-
DM
4)
Guthaben "Bausparvertrag"
=
700,-
DM
5)
Kostenforderung gegenüber der Verfügungsbeklagten
=
<u>958,24</u>
<u>DM</u>
 
Summe
=
77.930,89
DM</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Dem steht als Anfangsvermögen zum Stichtag am 12. August 1965 der Wert des hälftigen "Miteigentumsanteils" an dem Hausgrundstück ... gegenüber. Dieser ist unter Zugrundelegung des Ende 1968 erzielten Kaufpreises von 80.000,- DM wie folgt anzusetzen:</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die nach Eheschließung bis zum Verkauf des Hausgrundstücks durchgeführten Wertverbesserungen (Renovierungskosten) von 30.000,- DM sowie die zu Gunsten der Mutter des Verfügungsklägers eingetragene Grundschuldbelastung von 10.000,- DM nebst 4 % Zinsen vom 6. Januar 1961 bis zum 12. August 1965 (= rund 1.800,- DM) und die vom Stichtag bis Ende 1968 zu entrichtende Hypothekengewinnabgabe von rund 7.600,- DM sind von dem Kaufpreis in Abzug zu bringen. Danach beträgt der Wert des gesamten Hausgrundstückes allenfalls 30,600,- DM, so daß für den hälftigen Miteigentumsanteil <u>höchstens</u> 15.300,- DM angesetzt werden können. Bei dieser Berechnung ist die überproportionale Steigerung der Bodenpreise in den Jahren von 1965 bis Ende 1968 unberücksichtigt geblieben.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Verfügungsbeklagte hatte zum Stichtag am 13. April 1983 ein Endvermögen von rund 63.900,- DM, das sich wie folgt errechnet:</p>
<br /><span class="absatzRechts">31</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td valign="top">Hälftiger Kaufpreisanteil von
 
72.415,65
DM
abzüglich folgender Verbindlichkeiten
 
 
 
1)
Forderungen der Stadtwerke Hamm
./.
1.557,52
DM
 
./.
2.118,80
DM
2)
Debetsaldo ihres Kontos bei der Sparkasse Hamm
./.
3.923,95
DM
3)
Kostenforderung des Verfügungsklägers
./.
<u>958,24</u>
<u>DM</u>
 
 
63.857,14
DM</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Ihr Anfangsvermögen zum 12. August 1965 ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand jedenfalls auf rund die Hälfte des Wertes des Anfangsvermögens des Verfügungsklägers anzusetzen. Nach den Angaben der Parteien vor dem Senat ist davon auszugehen, daß die Verfügungsbeklagte ein nicht unbedeutendes Vermögen in Form einer Aussteuer in die Ehe eingebracht hat. Deren Wert ist nicht unter 6.500,- DM zu veranschlagen, da sie - auch nach den Erklärungen des Verfügungsklägers - zumindest ein neues Schlafzimmer, ein Sideboard und Bettwäsche umfaßte. Die Aussteuer ist - entgegen der Auffassung der Berufung - auch Anfangsvermögen der Verfügungsbeklagten. Die Vermögensgegenstände waren vor der Eheschließung allein von ihr angeschafft worden und damit ihr Eigentum (vergl. dazu auch BGH FamRZ 1984, 147 ff). Unter Einbeziehung der unstreitigen Rentenbeitragserstattung von 1.184,40 DM ergibt sich mithin ein geschätztes Anfangsvermögen von rund 7.700,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Nach Hochrechnung des Anfangsvermögens beider Parteien auf den Stichtag am 13. April 1983 entsprechend den Grundsätzen des Bundesgerichtshofes zum Kaufkraftschwund des Geldes (BGHZ 61, 385 ff) ergeben sich folgende zu berücksichtigende Werte:</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Verfügungskläger</p>
<br /><span class="absatzRechts">35</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td valign="top"><u>15.300,- × 129,3</u>
=
31.007,68 DM
63,8</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Verfügungsbeklagte</p>
<br /><span class="absatzRechts">37</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td valign="top"><u>7.700,- × 129,3</u>
=
15.605,17 DM
63,8</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Danach beträgt der geschätzte Zugewinn des Verfügungsklägers - Endvermögen von 78.000,- DM abzüglich Anfangsvermögen von 31.000,- DM - rund 47.000,- DM</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">und der der Verfügungsbeklagten - Endvermögen von 63.900,- DM abzüglich Anfangsvermögen von 15.600,- DM - rund 48.300,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Da auf seiten des Verfügungsklägers indessen die Steigerung der Bodenpreise wie auch die Steigerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten bei der Wertermittlung des Hausgrundstückes ... unberücksichtigt geblieben sind, läßt sich insgesamt ein künftiger Zugewinnausgleichsanspruch des Verfügungsklägers nicht als wahrscheinlich feststellen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Nach alledem war die Berufung mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.</p>
|
315,672 | lg-bonn-1984-09-12-5-t-10984 | {
"id": 804,
"name": "Landgericht Bonn",
"slug": "lg-bonn",
"city": 394,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 5 T 109/84 | 1984-09-12T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:44 | 2019-03-27T09:42:31 | Beschluss | ECLI:DE:LGBN:1984:0912.5T109.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1.) Die Beschwerde wird zurückgewiesen. </p>
<p>2.) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller </p>
<p>zu tragen, der der Antragsgegnerin auch eventuelle außergerichtliche Kosten zu ersetzen hat. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Gründe</u>:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller lebte in der Vergangenheit eine Zeit lang mit der Antragsgegnerin, der Mutter des betroffenen Kindes, zusammen, nachdem deren Ehemann im März 19## verstorben war. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nachdem sich der Antragsteller und die Antragsgegnerin inzwischen wieder getrennt haben, begehrt der Antragsteller im vorliegenden Verfahren, ihm ein Besuchsrecht für das betroffene Kind einzuräumen. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Er trägt dazu vor, der - nichteheliche - Vater des Kindes zu sein und bei diesem bis zur Trennung von der Antragsgegnerin die Vaterrolle auch tatsächlich eingenommen zu haben. Es seien dabei enge Beziehungen zu dem Kinde entstanden, die trotz seiner Trennung von der Antragsgegnerin auch im Interesse des Kindes aufrechterhalten werden müssten. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Weiter beruft er sich auf eine auf den ##.##.19## datierte schriftliche "Vereinbarung" mit der Antragsgegnerin , in der festgeschrieben ist, dass N das gemeinsame Kind beider sei, und aus Anlass der Trennung ein Besuchsrecht für den Antragsteller vereinbart worden ist. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin ist der Behauptung entgegengetreten, dass der Antragsteller der Vater des Kindes sei, und hat - zutreffend - darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner inzwischen mit einer Uerin, einer Landsmännin. verheiratet sei. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat nach Anhörung der Beteiligten den Antrag als unzulässig mit der Begründung zurückgewiesen, das betroffene Kind sei mangels rechtskräftiger Feststellung seiner Nichtehelichkeit als eheliches Kind der Antragsgegnerin und ihres verstorbenen Ehemannes anzusehen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der Entscheidung des Amtsgerichts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit seiner gegen die amtsgerichtliche Entscheidung gerichteten Beschwerde. wegen deren Einzelheiten ebenfalls auf den Akteninhalt Bezug genommen wird, trägt der Antragsteller vor, ihm stehe jedenfalls in analoger Anwendung von § 1711 Abs. 2 BGB ein Umgangsrecht mit dem betroffenen Kinde zu. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">II. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist gem. § 20 Abs. 1 FGG zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Zutreffend hat das Amtsgericht darauf abgestellt, dass der Antragsteller aus der allein in Betracht kommenden Gesetzesnorm des § 1711 Abs. 2 BGB ein Besuchsrecht nicht ableiten kann, weil nicht feststehe, dass er überhaupt der - nichteheliche - Vater des betroffenen Kindes ist. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller mag Anhaltspunkte für die Annahme haben, tatsächlich der Vater des betroffenen Kindes zu sein - hierfür spricht in der Tat z.B. der Text der vorerwähnten Vereinbarung - er kann indes die vor einer eventuellen Anwendung des § 1711 Abs. 2 BGB notwendige Feststellung der Nichtehelichkeit des betroffenen Kindes nicht selbst herbeiführen. Das Recht, die Ehelichkeit eines Menschen anzufechten, steht nämlich aus - trotz der damit im vorliegenden Einzelfall möglicherweise verbundenen Härte für den Antragsteller - guten Gründen lediglich dem Ehemann der Kindesmutter oder unter besonderen Umständen dessen Eltern oder dem Kinde selbst zu (§§ 1594 - 1596 BGB). </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Eine analoge Anwendung des § 1711 Abs. 2 BGB auf solche Personen, die zwar nicht der Vater des betreffenden Kindes sind, aber dem Kind und seiner Mutter auf Grund langen Zusammenlebens nahestehen, verbietet sich deswegen, weil der Fall der fehlenden Blutsverwandtschaft mit dem gesetzlichen Anwendungsfall der Beziehungen des nichtehelichen Vaters zu seinem Kinde nicht vergleichbar ist. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn im übrigen § 1711 Abs. 2 BGB- direkt oder analog anwendbar wäre, so stünde nicht fest, dass die übrigen Voraussetzungen dieser Norm überhaupt vorliegen. So kann nicht übersehen werden, dass der Antragsteller aus einem anderen Kulturkreis stammt, dorthin durch die erst vor kurzem erfolgte Eheschließung auch besondere Beziehungen pflegt und mithin nicht ausgeschlossen ist, dass der Antragsteller in absehbarer Zeit die Bundesrepublik Deutschland wieder verlässt. Vor diesem Hintergrund kann die Aufrechterhaltung der bisher entstandenen Bindungen zu dem betroffenen Kind nicht ohne weiteres als für dieses erforderlich angesehen werden, zumal nach der Trennung des Antragstellers von der Antragsgegnerin die Aufrechterhaltung dieser Bindungen gegen den Willen der Antragstellerin zu einer Verunsicherung des heranwachsenden Kindes führen müssten. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Schließlich kann der Antragsteller ein Besuchsrecht auch aus der erwähnten Vereinbarung nicht ableiten. Wie das Amtsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, kann dieses Schriftstück lediglich als eine Absichtserklärung der Beteiligten zu 1) und 2) im damaligen Zeitpunkt angesehen werden. Eine weitere Bindungswirkung kann der "Vereinbarung" schon deswegen nicht beigemessen werden, weil die Antragsgegnerin als Mutter des betroffenen Kindes im damaligen Zeitpunkt über das zukünftige Umgangsrecht mit dem Kind nicht mit Bindungswirkung gegen sich selbst verfügen durfte. Wollte man der "Vereinbarung" tatsächlich einen derartigen Inhalt beimessen, so würde Sie insoweit wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB als nichtig anzusehen sein. Es verstößt nämlich gegen die guten Sitten, sich als Mutter vertraglich so zu binden, dass zukünftige Entscheidungen über das Umgangsrecht nicht mehr allein an dem Kindeswohl ausgerichtet werden können. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 131 Abs. 1 KostO und 13 a Abs. 1 S. 2 FGG. Eine Anwendung von § 131 Abs. 3 KostO kann nicht erfolgen, weil die Beschwerde - wie sich aus den obigen Ausführungen der Kammer ergibt -nicht im Interesse des Kindes eingelegt worden ist. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Gegenstandswert:5.000, 00 DM (§ 30 Abs. , 2 KO). </p>
|
315,673 | olgham-1984-08-22-20-u-2584 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 25/84 | 1984-08-22T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:46 | 2019-03-27T09:42:30 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1984:0822.20U25.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 14. November 1983 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.</p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger schloß am 25. Februar 1981 bei der Beklagten eine Hausrat- und eine Reisegepäckversicherung ab. Der Reisegepäckversicherung lagen die allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Reisegepäck (AVB Reisegepäck 1980) zugrunde.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines behaupteten Diebstahlschadens vom 6. Januar 1982 in Anspruch. Der Kläger wohnte bis zu diesem Tage in einer Pension in ... in Österreich. Das Zimmer des Klägers war bis zum 8. Januar 1982 angemietet. Als der Kläger am 6. Januar 1982 vom Skisport zurückkehrte, lag sein Gepäck auf dem Flur. Der Kläger zahlte den Pensionspreis und begab sich zur Gendarmerie, wo er den Verlust zweier Wollpullover, einer goldenen Herrenarmbanduhr der Marke Cartier, einer Lederbrieftasche mit Bargeld, eines Notizbuches und einer Skijacke anzeigte (Bl. 41, 42 d.A.). Das aufgrund der Anzeige des Klägers gegen die Pensionswirtin ... eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Der Kläger meldete der Beklagten den Schaden mit Schadensanzeige vom 11. Februar 1982 (Bl. 7 bis 9 d.A.). Die Frage Nr. 10 nach früheren Reisegepäckschäden beantwortete der Kläger mit: "Ja, siehe Vertragsakte". Der Kläger hatte am 20. Februar 1979, 6. September 1979 und am 10. Dezember 1979 jeweils bei der ... Versicherungsanstalt, am 16. Januar 1980 bei der ... Reiseversicherungs AG und am 24. Juni 1981 bei der Beklagten Reisegepäckschäden angemeldet. Der Kläger forderte die Beklagte letztmalig mit Schreiben vom 21. September 1982 (Bl. 105 d.A.) zur Leistung auf. Diese wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 22. Dezember 1982 abgelehnt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger begehrt mit der Klage Schadensersatz wegen des Verlustes der vorstehend angeführten Sachen und hat behauptet: Sämtliche abhanden gekommenen Sachen hätten sich in dem verschlossenen Kleiderschrank seines Zimmers befunden. Den Schlüssel zu dem Kleiderschrank habe er mit sich geführt. Der Kleiderschrank sei von der Wirtin ... aufgebrochen oder, mit einem falschen Schlüssel geöffnet worden. Er habe der formularmäßigen Schadensanzeige vom 11. Februar 1982 eine maschinengeschriebene Zusatzerklärung folgenden Wortlauts beigefügt gehabt:</p>
<br /><span class="absatzRechts">5</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>"Anlage zur Schadensanzeige Nr. ...</i>
<i>Die Beantwortung des Punktes 10 der Schadenanzeige soll wie folgt ergänzt werden:</i>
<i>Vorversicherungen mit Reisegepäckschäden bestanden bei</i>
 
1)
... Versicherung, ...
 
2)
... Reiseversicherung AG, ...
<i>Zeitpunkt und Umfang der Schäden liegen mir zur Zeit nicht vor.</i>
<i>Gegebenenfalls kann bei den vorgenannten Gesellschaften angefragt werden.</i>
<i>Sollten dazu noch Fragen bestehen, bitte ich Sie, mich entsprechend zu informieren.</i>
9. Februar 1982
Unterschrift"</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger, die die Klage in Höhe von 1.850,- DM zurückgenommen hat, hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.130,- DM nebst 14,87 % Zinsen seit dem 1. Januar 1983 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<br /><span class="absatzRechts">9</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="1">
<tr>
<td> </td>
<td>1)</td>
<td>die Klage abzuweisen,</td>
</tr>
<tr>
<td> </td>
<td>2)</td>
<td>widerklagend, den Kläger zu verurteilen, an sie 7.000,- DM nebst 4 % Zinsen seit Widerklagezustellung zu zahlen.</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Widerklage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat den Versicherungsfall vom 6. Januar 1982 bestritten. Sie hat ferner die Auffassung vertreten, sie sei zur Leistung nicht verpflichtet, da der Kläger seine Obliegenheiten aus §§10 Abs. 1, 11 AVB Reisegepäck vorsätzlich verletzt habe. So habe er in der Schadensanzeige vom 9. Februar 1982 die Frage nach Vorschäden falsch beantwortet.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Sein Hinweis auf die Vertragsakte sei nicht ausreichend gewesen. Im übrigen habe der Kläger auch bei der an die ...-Versicherungsgesellschaft gerichteten Schadensanzeige vom 16. November 1982 die Frage nach Vorschäden falsch beantwortet, da er lediglich Reisegepäckschäden für das Jahr 1978 angegeben habe.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Mit der Widerklage hat die Beklagte Rückzahlung des Betrages von 7.000,- DM verlangt, den sie auf die Schadensanzeige des Klägers vom 24. Juni 1981, betreffend den Versicherungsfall vom 13. Juni 1981, am 3. Dezember 1981 an den Kläger gezahlt habe. Sie habe ohne Rechtsgrund gezahlt, weil sie auch insoweit infolge einer Obliegenheitsverletzung des Klägers gemäß §§10 Abs. 1, 11 AVB Reisegepäck leistungsfrei sei.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">§10 Abs. 1 AVB Reisegepäck lautet:</p>
<br /><span class="absatzRechts">16</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>"§10 Obliegenheiten</i>
 
1)
Der Versicherungsnehmer hat
...
c) alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich sein kann.
 
4)
Verletzt der Versicherungsnehmer eine der vorstehenden Obliegenheiten, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, daß die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Bei grob fahrlässiger Verletzung der unter den Nummern 1) a), c), 2) und 3) bestimmten Obliegenheiten bleibt der Versicherer zur Leistung insoweit verpflichtet, als die Verletzung keinen Einfluß auf die Feststellung oder den Umfang der Entschädigungsleistung gehabt hat. ..."</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die in dem Schadensanzeigeformular vom 24. Juni 1981 vorgedruckte Frage Nr. 10 Abs. 3:</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">"Haben Sie bereits bei anderen Gesellschaften Transportversicherungsschäden gehabt? Zutreffendenfalls wann und bei welcher Gesellschaft?" hatte der Kläger nicht beantwortet. Die Fragen Nr. 10 Abs. 1 und 2 nach anderweitigem Versicherungsschutz war beantwortet mit: "Hausratversicherung siehe Vertragsakte". Die in dem anhängenden "Anlagebogen zur Schadensanzeige für Reisegepäckschäden" vorgedruckte Frage Nr. 6: "Hatten Sie und/oder eine der mitversicherten Personen früher bereits einen Reisegepäckschaden? Wann, wodurch, in welcher Höhe? Bei welcher Gesellschaft?" war ebenfalls nicht beantwortet. Mit Schreiben vom 23. Juli 1981 bat die Beklagte um Übersendung von Originalrechnungen, Kaufquittungen und Rechnungsbelegen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Ferner bat sie den Kläger, den Punkt der Schadensanzeige, der die Beschreibung des Versicherungsfalles betrifft, möglichst vollständig auszufüllen. Mit Schreiben vom 31. Juli 1981 übersandte der Kläger die von der Beklagten geforderten Unterlagen und fügte hinzu: "Sollten Sie bestimmte Auskünfte wünschen, so bitte ich Sie, diese zu detaillieren." Daraufhin regulierte die Beklagte den Diebstahlsschaden durch Übersendung eines Verrechnungsschecks mit Schreiben vom 3. Dezember 1981 (Bl. 227 d.A.).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Unter dem 16. November 1982 meldete der Kläger bei der ...-Versicherung einen weiteren Diebstahlsschaden an. Die in der Schadensanzeige vorgedruckte Frage nach Vorschäden beantwortete der Kläger mit: "Ja, 1978." Die Klage des Klägers auf Bezahlung dieses Schadens ist abgewiesen worden, seine Berufung ist durch Urteil des Senats vom 27. Juni 1984 zurückgewiesen worden (20 U 31/84).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat auf die Widerklage erwidert: Sein Hinweis auf die Vertragsakte sei ausreichend gewesen, da die Beklagte ihm bereits im Jahre 1981 für einen Reisegepäckschaden Deckungsschutz gewährt und bereits deshalb Kenntnis von den Vorschäden gehabt habe. Im übrigen habe er den Versicherungsvertreter der Beklagten bei Vertragsschluß auf die Vorschäden hingewiesen. Der Beklagten seien die Vorschäden auch durch den ...-Versicherungsverband (DTV) gemeldet worden. Die Beklagte sei der zentralen Kartei dieses Verbandes angeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe den Versicherungsfall vom 6. Januar 1982 nicht bewiesen. Die Beweiserleichterungen des Beweises auf erste Sicht kämen zugunsten des Klägers nicht zur Anwendung, weil der Kläger das Schadensformular vom 16. November 1982 bezüglich der Vorschäden falsch ausgefüllt habe und die Zahl der gemeldeten Reisegepäckschäden Bedenken errege. Die Widerklage sei begründet, weil die Beklagte wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers leistungsfrei sei. Der Kläger habe die Frage nach Vorschäden in dem Schadensformular vom 24. Juni 1981 vorsätzlich unbeantwortet gelassen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers. Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und ergänzt dieses wie folgt: Das Strafverfahren gegen Frau ... sei noch nicht abgeschlossen, sondern nach Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen die Tochter ... erweitert worden. Er, der Kläger, habe sofort, nachdem er den Verlust festgestellt habe, Anzeige bei der Polizei erstattet. Die Beklagte stelle üblicherweise sofort Ermittlungen an, wenn die Frage nach Vorschäden bejaht werde. Sie frage bei der DTV-Kartei und anderen Versicherern nach. Davon sei er, der Kläger, ausgegangen. Die Beklagte habe die Anlage zur Schadensanzeige auch erhalten, da diese in einem Umschlag mit der unstreitig zugegangenen Schadensanzeige abgeschickt worden sei. Zudem seien der Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag sämtliche früheren Schadensfälle bekannt. Auch im Versicherungsfall bei der ... (Schadensanzeige vom 16. November 1982) habe er wahrheitsgemäße Hinweise auf Vorschäden gegeben. Der Kläger bestreitet, vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt zu haben und behauptet, daß eine eventuelle Obliegenheitsverletzung keinen Einfluß auf die Feststellung des Versicherungsfalles gehabt habe. Er stützt seine Ansprüche auch auf die Hausratsversicherung, da die Sachen jedenfalls aus dem verschlossenen Schrank entfernt worden seien.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hält die Widerklage für unbegründet. Eine Obliegenheitsverletzung liege nicht vor. In dem Schadensanzeigeformular vom 26. Juni 1981 (Bl. 69 d.A.) habe die Beklagte - unstreitig - nach Transportversicherungsschäden und nicht nach Reisegepäckschäden gefragt. Darüber hinaus habe er auch dort auf die Vertragsakte verwiesen, ohne daß die Beklagte sich in dem Schriftwechsel auf eine Obliegenheitsverletzung berufen oder weitere Aufklärung gewünscht habe. Im übrigen sei dieser Schaden durch einen Vergleich abgewickelt worden.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil abzuändern und</p>
<br /><span class="absatzRechts">27</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="1">
<tr>
<td> </td>
<td>1)</td>
<td>die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.130,- DM nebst 14,87 % Zinsen seit dem 1. Januar 1983 zu zahlen,</td>
</tr>
<tr>
<td> </td>
<td>2)</td>
<td>die Widerklage abzuweisen.</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und nimmt auf ein in Ablichtung überreichtes Urteils des Bezirksgerichts ... (Österreich) vom 31. Dezember 1983 Bezug, durch das die Klage des Klägers gegen den Pensionsinhaberin ... abgewiesen worden ist (Bl. 201 bis 207 d.A.). Im übrigen habe der Kläger nicht nur im vorliegenden Fall, sondern auch, wie die Beklagte im einzelnen darlegt, in den geltend gemachten Versicherungsfällen vom 16. Januar 1980, 13. Juni 1981 (betreffend die Widerklage) und vom 8. Juli 1982 falsche oder unvollständige Angaben gemacht. Der Kläger habe in der Schadensanzeige vom 11. Februar 1982 nicht auf eine Anlage hingewiesen. Er habe auf das Ablehnungsschreiben vom 16. Februar 1983 (Bl. 212 f d.A.) auch - unstreitig - nicht geltend gemacht, daß er der Schadensanzeige eine Anlage beigefügt habe. Im übrigen sprächen, wie die Beklagte im einzelnen näher darlegt, mehrere Umstände für ein unredliches Zusammenwirken des Klägers mit seinem Bruder.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Zur Widerklage trägt die Beklagte vor: Es treffe nicht zu, daß sie sich in jedem Falle an den ... wende. Auskünfte würden in zweifelhaften Fällen bei den dem DTV angeschlossenen Mitgliedsunternehmen eingeholt. Im vorliegenden Fall habe sie - unstreitig - erst mit Schreiben vom 2. Dezember 1981 (Bl. 226 d.A.) eine entsprechende Anfrage an den DTV gerichtet.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der überreichten Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat den Kläger persönlich gehört und Beweis durch Vernehmung der Zeugen ... und ... erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat erklärt;</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Ehemann der Pensionsinhaberin war als rauflustig bekannt. Ich selbst war sechsmal in ... und habe auch wiederholt in der Pension ... gewohnt, auch schon gegenüber im Hause der Töchter.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Ich hatte erst beim Zusammenpacken meiner Sachen festgestellt, daß Sachen fehlten. Es fehlten auch Sachen, die in dem Schrank gewesen waren. Ich war so perplex, daß ich nichts gesagt habe.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge ... hat ausgesagt:</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Ich habe meinem Bruder hin und wieder in seinem Büro geholfen. Ich bin kein ausgebildeter Versicherungskaufmann. Ich habe die Karteien geführt und die Korrespondenz abgeheftet.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Auf Fragen:</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Am 11. Februar 1982 habe ich die Schadensunterlagen für meinen Bruder zur Post gegeben. Die Schadensanzeige habe ich kuvertiert und als Einschreiben aufgegeben. Die Schadensanzeige hatte mein Bruder, allerdings nicht in meiner Gegenwart, ausgefüllt. An den Vorgang kann ich mich deswegen erinnern, weil meinem Bruder die Uhr abhanden gekommen ist. Die Uhr hat einen besonderen Wert gehabt. Die Anzeige bestand aus einem Schadensformular und einem Begleitschreiben. Es war ein Zusatzpapier, auf dem noch Namen von Versicherungsgesellschaften standen. Ich meine, die Papiere wären mit einem sog. Klammeraffen zusammengeheftet gewesen. Ich war seinerzeit in ... gewesen und habe die Uhr auf ihre Echtheit prüfen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Auf Fragen:</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Ich selbst habe auch schon Reisegepäckschäden gehabt. Ich weiß nicht, ob ich gegen eine andere Versicherungsgesellschaft noch Ansprüche geltend mache. Soweit ich mich erinnere, ist die andere Sache geregelt.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge ... hat ausgesagt:</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der vorliegende Fall ist mir gegenwärtig. Die Sache kam von der Filialdirektion ... Die Schadensanzeige Bl. 7 d.A. ist mir zugesandt worden. Bei der Schadensanzeige war keine Anlage. Ob es ein Anschreiben gab, kann ich nicht sagen. Die Anzeige ist in ... eingegangen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger stehen wegen des behaupteten Versicherungsfalles vom 6. Januar 1982 keine Ansprüche aus der Reisegepäck- oder Hausratversicherung gegen die Beklagte zu.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat den behaupteten Versicherungsfall nicht bewiesen. Allerdings werden in der Diebstahlversicherung an den dem Versicherungsnehmer obliegenden Beweis des Diebstahls im allgemeinen keine großen Anforderungen gestellt (z.B. Senat, VersR 75, 749 ff). Der Versicherungsnehmer genügt seiner Beweislast zunächst durch den Nachweis eines Sachverhalts, der nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf schließen läßt, daß die versicherte Sache in einer den Versicherungsbedingungen entsprechenden Weise entwendet worden ist. Auch wenn sich der Versicherungsnehmer nicht auf einen typischen Geschehensablauf und damit auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises stützen kann, sondern auf einen Anzeichenbeweis angewiesen ist, genügt es im Normalfall, wenn sich aus den festgestellten Beweisanzeichen das äußere Bild eines Diebstahls mit hinreichender Deutlichkeit erschließen läßt (BGH VersR 77, 610, VersR 84, 29 ff). Bereits an der Darlegung eines solchen Sachverhalts fehlt es hier.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Meldung des angeblichen Diebstahls bei der Polizei genügt als Grundlage eines Anscheinsbeweises nicht (BGH VersR 77, 368 und 78, 733). Allerdings kann der Tatrichter im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses (§286 ZPO) den Behauptungen und Angaben des Versicherungsnehmers unter Umständen auch dann Glauben schenken, wenn dieser ihre Richtigkeit nicht beweisen kann. Dies kann in Betracht kommen, wenn keine Umstände gegen die Darstellung des Versicherungsnehmers sprechen (BGH VersR 78, 733).</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Letzteres ist hier jedoch der Fall. Der Kläger trägt - unbestritten - vor, er habe den sogleich bemerkten Verlust seiner Sachen, darunter der nach seiner Behauptung sehr wertvollen Uhr, nicht sofort der Pensionswirtin angezeigt, sondern erst seine Rechnung bezahlt und sich dann zur Polizei begeben, wo er Anzeige erstattet habe. Diese Darstellung erscheint nicht glaubhaft und begründet Zweifel an dem behaupteten Vorgang insgesamt. Für den Kläger bestand kein vernünftiger Grund dafür, nicht schon beim Zusammenpacken seiner Sachen auf dem Flur und jedenfalls bei der Bezahlung auf den Verlust hinzuweisen. Der Kläger behauptet zwar, er habe dies deswegen nicht getan, weil der Ehemann der Pensionswirtin als rauflustig bekannt gewesen sei, er habe einer eventuell tätlichen Auseinandersetzung aus dem Wege gehen wollen. Diese Erklärung überzeugt nicht. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren wie auch schon in dem Verfahren gegen die Wirtin ... nicht vorzutragen vermocht, worauf sich seine Annahme einer Rauflust und Gefährlichkeit des Ehemannes der Wirtin gründete (Urteil des Bezirksgerichts Saalfelden vom 31. Dezember 1983, Bl. 201 bis 207 d.A.). Zudem war der Kläger seit Jahren Gast im Hause ..., was die Gefahr einer tätlichen Auseinandersetzung nicht gerade wahrscheinlicher machte. Außerdem bestand auch aus der Sicht des Klägers die naheliegende Möglichkeit, daß die Wirtin die wertvolle Uhr und einige weitere Sachen wie die Brieftasche und das Notizbuch an sich genommen hatte, um diese Dinge nicht unbeaufsichtigt im Flur liegen zu lassen. Es konnte daher durchaus sein, daß die fehlenden Sachen in den Privaträumen der Vermieterin oder sonst an einem sicheren Ort aufbewahrt worden waren. Zumindest der Vorgang der Bezahlung hätte Anlaß sein müssen, nach dem Verbleib der Sachen zu fragen, was sich um so mehr aufgedrängt haben mußte, als sich darunter die Brieftasche mit dem deutschen Geld des Klägers und die wertvolle Uhr befanden. Hinzu kommt noch, daß sich einige fehlende Sachen, ebenso wie andere Sachen, die auf dem Flur lagen, in dem verschlossenen Kleiderschrank befunden hatten, zu dem der Kläger den einzigen Schlüssel mit sich geführt hatte. Es hätte daher zunächst einmal geklärt werden müssen, wie und durch wen der Schrank geöffnet worden ist. Diese naheliegende Überlegung will der Kläger indessen nicht angestellt haben. Er hat auch nicht vorgetragen, gerade diesen aus seiner Sicht schwerwiegenden Umstand einer Klärung durch die Polizei vorbehalten zu haben. Denn die Polizei ist nicht von ihm darauf hingewiesen worden, daß sich die vermißten Sachen im Schrank befunden hätten. Die Polizei hat, wie der Postenkommandant ... als Zeuge in dem Verfahren des Klägers gegen Frau ... ausgesagt hat (Bl. 80 d.A.), keine Veranlassung gesehen, das geräumte Zimmer des Klägers und den Kleiderschrank zu besichtigen, was sicherlich der Fall gewesen wäre, wenn der Kläger darauf hingewiesen hätte.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Die Widerklage ist gemäß §812 BGB begründet. Der Kläger ist um den von der Beklagten gezahlten Betrag von 7.000,- DM rechtsgrundlos bereichert. Eine Leistungspflicht der Beklagten bestand gemäß §§10 Nr. 1 c, Nr. 4 AVB Reisegepräck, 6 Abs. 3 VVG nicht, weil der Kläger seine Aufklärungsobliegenheit verletzt hat. Der Versicherungsnehmer hat gemäß §10 Nr. 1 c AVB Reisegepäck alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich sein kann. Er hat dem Versicherer nach dem Eintritt des Versicherungsfalles insbesondere jede Auskunft zu erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist (§34 Abs. 1 VVG). Hiergegen hat der Kläger verstoßen. Der Kläger hat in der Schadensanzeige vom 24. Juni 1981 die Fragen nach früheren Reisegepäckschäden unbeantwortet gelassen. Eine derartige Frage ist in der Reisegepäckversicherung sachdienlich (Senat, Urteil vom 1. Juli 1981, VersR 82, 695).</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Es kann dahingestellt bleiben, ob auf die Frage Nr. 10 der Schadensanzeige nach früheren Transportversicherungsschäden auch die Reisegepäckschäden hätten angegeben werden müssen. Dies ist zweifelhaft, weil die Reisegepäckversicherung seit 1977 nicht mehr als Transportversicherung angesehen wird (Prölss-Martin, 23. Aufl. 1984, vor §1 AVB Reisegepäck). Der Kläger hat jedenfalls die Frage Nr. 6 des Anlagebogens der Schadensanzeige (Bl. 72 d.A.) unbeantwortet gelassen. Seine neben Frage Nr. 10 Abs. 1 und 2 der Schadensanzeige: "Besteht für die Gegenstände ganz oder teilweise anderweitig Versicherungsschutz? Bei welcher Gesellschaft und gegen welche Gefahren?" gemachte Eintragung: "Hausratversicherung, siehe Vertragsakte" bezieht sich ersichtlich nicht auf die Frage des nächsten Absatzes, ganz abgesehen davon, daß dort, wie oben erwähnt, nur nach Transportversicherungsschäden gefragt war und der Kläger auch nicht vorträgt, hierunter auch Reisegepäckschäden verstanden zu haben. Erst recht bezieht sich die Antwort: "Ja, Hausrat, siehe Vertragsakte" neben der Frage 5 des Anlagebogens nicht auch auf die Frage 6, die unbeantwortet geblieben ist. Abgesehen davon war die Beklagte auch nicht in der Lage, aus der Vertragsakte die früheren Versicherungsfälle vom 13. Februar, 5. September und 6. Dezember 1979 bei der Berlinischen und vom 16. Januar 1980 bei der Europäischen zu ersehen. Im Versicherungsantrag vom 12. Februar 1981 (Bl. 30 d.A.), der Bestandteil der Vertragsakte ist, ist lediglich die Frage durch Ankreuzen bejaht, daß bisher nur Hausratschäden unter 1.000,- DM eingetreten seien. Daß die bis dahin eingetretenen Reisegepäckvorschäden von der Beklagten mit Hilfe des DTV hätten ermittelt werden können, ist unerheblich. Der Versicherungsnehmer hat gestellte Fragen eindeutig zu beantworten. Er darf nicht darauf verweisen, der Versicherer habe durch weitere Ermittlungen die von ihm nicht angegebenen Einzelheiten erfahren können.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger waren seine drei Reisegepäckschäden aus dem Jahre 1981 noch bekannt. Die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit geschah daher vorsätzlich.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist nach Treu und Glauben nicht gehindert, sich auf die Obliegenheitsverletzung des Klägers zu berufen. Sie hat zwar mit Schreiben vom 23. Juli 1981 (Bl. 214 d.A.) nicht <u>nochmals</u> nach Reisegepäckvorschäden gefragt. Dieses Verhalten konnte der Kläger, der eine ausdrücklich gestellte Frage vorsätzlich unbeantwortet gelassen hatte, indessen nicht als Verzicht auf die Beantwortung auffassen.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist auch nicht deshalb an der Rückforderung des Betrages gehindert, weil sie diesen aufgrund eines Vergleichs geleistet hätte. Zwar hatte der Kläger einen Betrag von 9.156,- DM geltend gemacht. Die Beklagte, hat mit Regulierungsschreiben vom 3. Dezember 1981 (Bl. 96, 97 d.A.) aber die vorgenommenen Abzüge im einzelnen erläutert. Es ist auch nicht ersichtlich, daß zwischen den Parteien die gesamte Ersatzforderung im Streit war. Das Regulierungsschreiben der Beklagten vom 3. Dezember 1981 spricht zudem dagegen, daß ein Streit durch gegenseitiges Nachgeben beigelegt werden sollte. Vielmehr wollte die Beklagte nur die bedingungsgemäß vorgesehenen Leistungsausschlüsse und Abzüge vornehmen und im übrigen den vollen Schaden ersetzen.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §91 ZPO. Eines Ausspruchs der vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil der Rechtsstreit nicht der Revision unterliegt.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die Beschwer des Klägers beträgt 14.130,- DM.</p>
|
315,674 | olgk-1984-08-17-4-uf-6484 | {
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} | 4 UF 64/84 | 1984-08-17T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:47 | 2019-03-27T09:42:30 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1984:0817.4UF64.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1)</p>
<p>Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Rheinbach vom 31.1.1984 (6 F 304/83) abgeändert und wie folgt neu gefaßt:</p>
<p></p>
<p>Die Zwangsvollstreckung aus dem am 2.5.1977 vor dem Amtsgericht Rheinbach (3 C 348/76) geschlossenen Vergleich wird für unzulässig er-klärt. Die Beklagte hat die vollstreckbare Ausfertigung dieses Vergleichs an den Kläger herauszugeben.</p>
<p></p>
<p>2)</p>
<p>Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.</p>
<p></p>
<p>3)</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>T a t b e s t a n d :</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der 70-jährige Kläger und die 62-jährige Beklagte leben seit Juli 1983 voneinander getrennt, seit Dezember 1983 ist ein Scheidungsverfahren anhängig.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Schon früher war es zwischen den Parteien zu Streitigkeiten gekommen, die zum Verfahren 3 C 348/76 vor dem Amtsgericht Rheinbach führten, wobei beide Parteien anwaltlich vertreten waren. Dieser Rechtsstreit wurde am 2.5.1977 durch folgenden Vergleich beendet:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">"1. Der Beklagte zahlt ab 1.3.1977 an die Klägerin einen Haushaltsvorschuß in Höhe von 650,-- DM; davon zahlt die Klägerin bis zum fünften Werktag eines Monats 550,-- DM in bar, daneben stellt der Beklagte der Klägerin Naturalien (Gemüse, Getränke, Obst, Fleisch oder ähnliches) im Wert von 100,-- DM zur Verfügung.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">2. ..."</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nach der Trennung der Parteien hat die Beklagte am 23.9.1983 die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich in Höhe von 11.000,-- DM betrieben. Schon im Juli 1983 hatte sie den Beklagten durch anwaltliches Schreiben auffordern lassen, einen Unterhaltsrückstand von 10.750,-- DM an sie zu zahlen, da von Dezember 1979 bis einschließlich Juni 1983 monatlich 250,-- DM zu wenig Unterhalt bezahlt worden seien (43 x 250,-- = 10.750,-- DM).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit der Vollstreckungsgegenklage hat der Kläger vorgetragen, er habe seine Verpflichtungen aus dem Vergleich voll erfüllt. Soweit in einzelnen Monaten ausnahmsweise geringe Beträge gezahlt worden seien, sei dies einverständlich geschehen, weil die gezahlten Beträge genügt hätten. Hinsichtlich der Naturalien fehle es an einem vollstreckbaren Titel.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Zwangsvollstreckung aus dem am 2.5.1977 vor dem Amtsgericht Rheinbach – 3 C 348/76 – geschlossenen Vergleich für unzulässig zu erklären und</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">der Beklagten aufzugeben, die vollstreckbare Ausfertigung an ihn herauszugeben.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Sie hat behauptet, es seien regelmäßig nur 400,-- DM monatlich gezahlt worden. Naturalien habe sie nicht erhalten. Die Reduzierung habe der Kläger eigenmächtig vorgenommen, sie habe sich damit nie einverstanden erklärt und die Minderleistung gerügt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Es hat den Vergleich als Titel über 650,-- DM Barunterhalt mit Ersetzungsbefugnis angesehen. Dem Erfüllungseinwand des Beklagten ist es nicht gefolgt, da er weder eine weitergehende Erfüllung noch eine stillschweigende Herabsetzung des zu zahlenden Unterhalts bewiesen habe. Es hat es als unerheblich angesehen, daß es sich um Vorschüsse zur Versorgung beider Parteien handelte. Da der Kläger keine Einschränkungen in seiner Versorgung behauptet habe, sei davon auszugehen, daß die Einschränkungen durch Teilerfüllung voll die Beklagte habe hinnehmen müssen, so daß sie auch nachträglich den nicht gezahlten Rest verlangen könne.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Mit der Regelung des Klägers gegen diese Entscheidung macht dieser geltend, daß einer Nachforderung der Beklagten schon der Charakter der geschuldeten Leistung als Vorschußanspruch entgegenstehe. Das Familiengericht habe die Beweislast verkannt.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinen erstinstanzlichen Anträge zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Sie verteidigt insbesondere die vom Familiengericht angenommene Beweislastverteilung. Die Beklagte habe die Minderzahlung des Haushaltsgeldes hingenommen, weil der Kläger sie psychisch und physisch massiv eingeschüchtert habe. Sie habe die nicht gezahlten Beträge regelmäßig angemahnt. An einem Tag im Sommer 1982 sei auch ihre Schwester dabeigewesen (Zeugnis: G. P.).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte mitgeteilt, daß ihr außer dem vom Kläger gezahlten Unterhaltsbetrag eigene Einkünfte von 3000,-- bis 4000,-- DM; jährlich zuflossen (Gewinnanteile aus dem vom Sohn übernommenen Gartenbaubetrieb). Das Haus, in dem die Parteien zusammen lebten, stand im Eigentum der Beklagten, die es jedoch unter Einräumung eines unentgeltlichen Nießbrauchs auf den gemeinsamen Sohn übertragen hat.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Klägers als Partei.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks"><b><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</u></b></p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Senat ist als Familiensenat zuständig (§ 119 I Ziff. 1 GVG), auch wenn es sich um eine Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) gegen einen seinerzeit noch vor der allgemeinen Zivilabteilung des Amtsgerichts geschlossenen Vergleich handelt, denn der Streit "betrifft" einen ehelichen Unterhaltsanspruch, so daß die Familiengerichte ausschließlich zuständig sind (§§ 23 Beklagte Abs. 1 Nr. 6 GVG, 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO; vgl. BGH NJW 1978, 1811 ff.).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Das Familiengericht hat die Vollstreckungsgegenklage mit Recht als in vollem Umfang zulässig angesehen, denn es liegt in Höhe eines Montagsbetrages von 650,-- DM ein vollstreckbarer Titel vor. Der Wortlaut des Vergleiches ergibt, daß der Gesamtbetrag von 650,-- DM, der in erster Linie genannt wird, geschuldet war und tituliert werden sollte und dem Kläger – von Beruf Gärtner – lediglich die Befugnis eingeräumt werden sollte, einen Teilbetrag in Naturalien zu leisten (Ersetzungsbefugnis).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Familiengerichts ist die Vollstreckungsgegenklage aber auch begründet, denn der Kläger beruft sich zu Recht darauf, daß die geschuldeten Leistungen durch Erfüllung erloschen sind.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Nach den übereinstimmenden Angaben beider Parteien ist durch den Vergleich nicht das "Wirtschaftsgeld" im umfassenden Sinn des § 1360 a Abs. 1, Abs. 2 BGB geregelt worden, sondern lediglich das "Haushaltsgeld" als Teilbereich dieses Unterhaltsanspruchs (vgl. Göppinger-Häberle, 4. Aufl., Rn. 455), der sich mit Recht gegen die Gleichsetzung der Begriffe Wirtschaftsgeld und Haushaltsgeld wendet. Der Betrag sollte lediglich dazu dienen, die Ausgaben für Essen, Trinken, Waschen und kleinere laufende Ausgaben zu decken. Nicht darin enthalten waren Beträge für Kleidung und größere Ausgaben und nach den Umständen auch nicht das Taschengeld des haushaltsführenden Ehepartners. Die Angabe der Beklagten, sie habe sich vorgestellt, sich davon auch einmal ein Stück Kuchen kaufen zu können, steht dem nicht entgegen, denn solche Ausgaben fallen nicht in den Bereich des Taschengeldes, sondern noch in den Bereich der Nahrungskosten. Dieses Verständnis des Vergleichs entspricht auch den objektiven Gegebenheiten, denn die Beklagte hatte laufende Eigeneinkünfte von mindestens 300 – 400 DM monatlich, aus denen sie ihre persönlichen Bedürfnisse decken konnte. </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Vollstreckung aus dem Titel auf Haushaltsgeldvorschuß ist allerdings nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil es sich um einen Vorschußanspruch handelt, dessen Erfüllung durch Zeitablauf nachträglich unmöglich geworden ist (§ 275 Abs. 1 BGB). Die Eigenart eines Unterhaltsanspruchs, zur Befriedigung laufender Bedürfnisse zu dienen, hindert nicht seine nachträgliche Geltendmachung, wie schon §§ 1613 Abs. 1, 1585 Abs. 2 und 3 BGB zeigen. Erst recht gilt die nachträgliche Erfüllbarkeit für den titulierten Anspruch, da die Titulierung gerade eine Vollstreckungsmöglichkeit unabhängig von der freiwilligen Erfüllung schafft.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der Umstand, daß die Beklagte für einen zurückliegenden Zeitraum keine Leistungen mehr erbringen kann, steht daher der Durchsetzung des Anspruchs nicht entgegen; die Frage ist allenfalls, ob die Beklagte die Erfüllung noch in vollem Umfang verlangen kann, wenn die Leistungen – die ja das Taschengeld nicht umfaßten – zu gleichen Teilen für Gläubiger und Schuldner zu verwenden waren.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Diese Frage kann jedoch offenbleiben, da die Beklagte die erbrachten Leistungen als Erfüllung angenommen hat und ihrerseits nicht bewiesen hat, daß die Leistung nicht die geschuldete oder unvollständig gewesen sei (§ 363 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Vermutung des § 363 BGB greift allerdings nur ein, wenn der an sich für die Erfüllung beweispflichtige Schuldner die Umstände dargelegt und bewiesen hat, aus denen sich der Schluß ergibt, daß der Gläubiger die Leistung als im wesentlichen vertragsgemäße Erfüllung hinnehmen wollte (vgl. schon RGZ 109, 295 f.; Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. I, § 363, Anm. 3; Rosenberg, Beweislast, 5. Aufl., S. 349).</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat hier dargelegt und bewiesen, daß die den Haushalt führende Beklagte jahrelang die Haushaltskosten mit den gezahlten Beträgen bestritten hat. Ungeachtet der Tatsache, daß die Leistungen des Klägers zur laufenden Deckung von Kosten erforderlich waren (insoweit spielt der Vorschußcharakter der Leistungen eine Rolle) und sie aufgrund der von ihr herbeigeführten Titulierung der Ansprüche die laufend erforderlichen Mittel hätte vollstrecken können, hat sie sich mit den tatsächlich gestellten Beträgen zur Finanzierung des Haushalts zufriedengegeben. An einer Geltendmachung der Ansprüche ist sie nicht durch Drohung des Klägers gehindert worden, denn die behaupteten Drohungen haben sie weder gehindert, die durchaus ungewöhnliche Titulierung des Haushaltsgeldes herbeizuführen noch hätte später ein Hindernis bestanden, sich bei auftretenden Schwierigkeiten nochmals an die Anwältin zu wenden, die sie damals vertreten hat. Bei seiner Parteivernehmung hat der Kläger auch glaubhaft Drohungen in Abrede gestellt.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der Grund für die Beweislastumkehr bei Annahme als Erfüllung liegt darin, daß dem Schuldner der Nachweis vollständiger und ordnungsgemäßer Erfüllung nicht mehr zugemutet werden kann, wenn er den geleisteten Gegenstand nicht mehr in Händen hat, während der Gläubiger noch im Besitz des Leistungsgegenstandes ist (Baumgärtel/Strieder a.a.O. Anm. 2).</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">So ist die Sachlage hier zwar nicht, weil auch die Beklagte nicht mehr im Besitz des Leistungsgegenstandes ist. Dennoch trifft der Sinn der gesetzlichen Regelung auch hier zu, denn bei laufender Leistung von Haushaltsgeldvorschüssen während des Zusammenlebens von Ehepartnern ist es nicht zu erwarten, daß der Unterhaltsschuldner sich Quittungen ausstellen läßt, während es umgekehrt vom Unterhaltsgläubiger der Vorschußansprüche jedenfalls bei Titulierung zu erwarten ist, daß er sich alsbald meldet und die unzureichende Leistung geltend macht. Das gilt umsomehr als der haushaltsführende Ehegatte den Haushalt in eigener Verantwortung führt (§ 1356 Abs. 1 BGB) und so allein beurteilen kann, ob die zur Verfügung gestellten Mittel ausreichen, den laufenden Bedarf zu decken. Ebenso hat er über die Verwendung der Vorschüsse in groben Zügen Rechnung zu legen und darf eventuelle Überschüsse jedenfalls nicht ohne weiteres für sich behalten (vgl. Göppinger/Häberle, 4. Aufl., Rn. 459 ff.). Auch diese Umstände rechtfertigen es, der Beklagten die Beweislast für den Empfang unvollständiger Leistungen aufzuerlegen, wenn restliche Vorschußansprüche erst erhebliche Zeit nach den Zeiträumen, für die sie bestimmt waren, geltend gemacht werden.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Diesen Beweis hat die Beklagte nicht erbracht.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Parteivernehmung des Klägers hat nicht ergeben, daß die zur Haushaltsführung erforderlichen Vorschüsse nicht ordnungsgemäß geleistet worden sind oder die Beklagte fehlende Beträge ständig angemahnt hat. Das gibt auch insoweit als der Kläger eingeräumt hat, nicht immer den vollen Barbetrag geleistet zu haben. Zwar war die Höhe des Haushaltsgeldes durch den gerichtlichen Vergleich geregelt, das ändert aber nichts daran, daß es sich um Vorschußansprüche handelte und die Parteien den tatsächlich erforderlichen Betrag abweichend regeln konnten. In der langjährigen Annahme eines Teilbetrages des an sich geschuldeten Betrages liegt daher nach der Natur dieses Anspruchs eine einverständliche Abänderung der für den jeweiligen Monat zu zahlenden Vorschüsse. </p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die von der Beklagten noch als Zeugin dafür, daß sie die Restbeträge abgemahnt habe, benannte Schwester der Beklagten brauchte der Senat nicht zu hören. </p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte vorgetragen, sie habe die unvollständige Zahlung im Sommer 1982 in Gegenwart ihrer Schwester gerügt. Diese Behauptung zu diesem Einzelfall kann als richtig unterstellt werden, denn die Klägerin hat sich letztlich doch mit dem gezahlten Betrag zufriedengegeben, so daß von einer nachträglichen einverständlichen Abänderung der Vorschußhöhe auszugehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Entsprechend § 371 BGB hat der Kläger auch einen Anspruch auf Herausgabe des vollstreckbaren Titels (OLG Düsseldorf MDR 1953, 557;M MK-Heinrichs, § 371 Rn. 8). Da der Titel mit der Trennung der Parteien im Juli 1983 erloschen ist, ist der Herausgabeanspruch zur Vermeidung künftiger mißbräuchlicher Verwendung gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen für die Revisionszulassung liegen nicht vor; die Beweislastverteilung bei der hier gegebenen Einzelfallgestaltung ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.</p>
|
315,675 | ovgnrw-1984-08-08-2-a-18184 | {
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} | 2 A 181/84 | 1984-08-08T00:00:00 | 2019-03-13T15:10:59 | 2019-03-27T09:42:30 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1984:0808.2A181.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>
</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Durch Grundsteuer- und Gebührenbescheid vom 17. Januar 1983 zog der
Beklagte den Kläger u.a. zu kommunalen Entwässerungsgebühren in Höhe von 74,16
DM heran. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage mit dem
Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">den Bescheid vom 17. Januar 1983 und den Widerspruchsbescheid vom 6. Mai
1983, soweit er Abwassergebühren betrifft, aufzuheben,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">hat das Verwaltungsgericht durch Gerichtsbescheid vom 16. Dezember 1983, auf
dessen Inhalt Bezug genommen wird, abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers mit der er (sinngemäß)
beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem in erster Instanz gestellten
Klageantrag zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen und macht
geltend, die Form der angefochtenen Entscheidung (Gerichtsbescheid statt Urteil
aufgrund einer mündlichen Verhandlung) verletze seinen Anspruch auf rechtliches
Gehör. Die streitige Heranziehung verstoße gegen Art. 6 Grundgesetz (GG), weil
diese Verfassungsbestimmung eine Begünstigung von kinderreichen Familien in
sämtlichen Bereichen, somit auch auf dem Gebiet des Abgabenrechts, gebiete. Daher
habe er wegen seiner Familie einen Anspruch auf Herabsetzung der
Entwässerungsgebühr. Statt einer Gebührendregression für Kinderreiche würden
entgegen dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) Landwirten und anderen
Gruppen Subventionen zugebilligt. Es verstoße gegen den verfassungsmäßigen
Grundsatz des sozialen Rechtsstaates, wenn beispielsweise die Stadt ... 90 % der
Kosten für das staatliche Opern- und Schauspielhaus subventioniere, somit zu
Gunsten finanziell gut gestellter Bevölkerungskreise öffentliche Mittel aufbringe,
während nach ihm vorliegenden statistischen Erhebungen 85 % der Kosten
kommunaler Entwässerungseinrichtungen durch deren Benutzer finanziert werden
müßten.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sämtliche Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung einverstanden erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Im Einverständnis der Parteien ergeht das Urteil ohne mündliche Verhandlung
(§101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat durch den mit
der Berufung angefochtenen Gerichtsbescheid die Klage zu Recht abgewiesen, weil
die in Höhe von 74,16 DM streitige Heranziehung zu kommunalen
Entwässerungsgebühren rechtmäßig ist.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die angefochtene Entscheidung beruht entgegen der Ansicht des Kläger nicht auf
einer Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Verwaltungsgericht, unter welchen
Voraussetzungen statt eines Urteils ein Gerichtsbescheid ergehen darf, ist vom
Gesetzgeber in Art. 2 §1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der
Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978, BGBl. I S. 446, jetzt
gültig in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 22. Dezember 1983, BGBl. I S.
1515 (Entlastungsgesetz - EntlG -) geregelt. Indem der Berichterstatter des
Verwaltungsgerichts die Parteien durch Schreiben vom 21. Oktober 1983 darauf
hingewiesen hatte, daß über die vorliegende Streitsache durch Gerichtsbescheid
entschieden werden könne, war den aus Art. 2 §1 Satz 3 EntlG sich ergebenden
Anforderungen an das Gewähren rechtlichen Gehörs entsprochen. Kläger und
Beklagter konnten sich zu dieser Verfahrensfrage vor Ergehen des
Gerichtsbescheides äußern; ihres Einverständnisses mit dieser Form der
Entscheidung bedurfte es nicht.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, bestehen keine Anhaltspunkte
dafür, daß das der streitigen Heranziehung zugrundeliegende Ortsrecht, die
Abwassergebührensatzung der Stadt ... vom 9. Dezember 1980 in der Fassung der
Zweiten Änderungssatzung vom 17. Dezember 1982, nicht wirksam
zustandegekommen oder in ihren hier anzuwendenden Bestimmungen materiell
ungültig wäre.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Anwendung dieser Vorschriften verstößt auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG.
Entgegen der Ansicht des Klägers hat diese Verfassungsbestimmung nicht zur Folge,
daß eine Ermäßigung der Entwässerungsgebühr für Grundstückseigentümer mit
kinderreicher Familie geboten wäre. Dies ist vom Verwaltungsgericht unter Hinweis auf
die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zutreffend ausgeführt worden,
worauf verwiesen wird. Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im
Berufungsverfahren wird hinzugefügt:</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der in Art. 6 Abs. 1 GG verankerte besondere Schutz der staatlichen Ordnung für
die Familie beinhaltet zwar nicht nur das Verbot, die Familie zu beeinträchtigen,
sondern auch das Gebot an den Staat, sie durch geeignete Maßnahmen zu fördern.
Auf welche Weise er diesen ihm vom Grundgesetz aufgegebenen besonderen Schutz
verwirklichen, d.h., die Familie fördern will, hat aber der jeweilige Gesetzgeber im
Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit selbst zu bestimmen. Daher ist es auch eine dem
Ermessen des Gesetzgebers anheimgegebene Entscheidung, ob und in welcher
Weise diese Förderung etwa durch Maßnahmen auf dem Gebiet des Abgabenrechts
erfolgen soll.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluß vom 13. Dezember 1966 -
1 BvR 512/65 -, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 21, 1
(6).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Hierbei muß er allerdings ihm durch die Verfassung gezogene Schranken
beachten, insbesondere den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), der es für den
Bereich des Gebührenrechts gebietet, die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze so
zu wählen und zu staffeln, daß sie unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten
Leistung Rechnung tragen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"> Vgl. BVerfG, Beschluß vom 6. Februar 1979 - 2 BvL 5/76 - BVerfGE 50, 217
(226 f.)</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Wie das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung zu Recht bemerkt,
unterscheidet sich die Gebühr von der Steuer dadurch, daß durch sie Einnahmen
erzielt werden sollen, um die Kosten der individuell zurechenbaren Leistung zu decken.
Art. 3 Abs. 1 GG habe zur Folge, daß bei gleichartig beschaffenen Leistungen, die
rechnerisch in Leistungseinheiten erfaßt werden könnten, die Gebührensätze so zu
staffeln seien, daß sie unterschiedliche Ausmaße in der Leistung berücksichtigten, am
die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern zu wahren (BVerfG
a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Dieser Rechtslage entspricht es, daß das der Heranziehung des Klägers
zugrundeliegende Ortsrecht keine Ermäßigung für Benutzer der städtischen
Entwässerungsanlage vorsieht, die auf ihrem zu Wohnzwecken genutzten Grundstück
mit ihrer kinderreichen Familie leben. Dies entspricht des weiteren den den
Ortsgesetzgeber bindenden Anforderungen der landesrechtlichen Ermächtigungsnorm
an den Inhalt einer solchen ortsrechtlichen Benutzungsgebührenregelung. Hiernach ist
bei der ortsrechtlichen Gebührensatzung nicht auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des
Benutzers, sondern auf den Umfang der Inanspruchnahme durch den Benutzer
abzustellen (§6 Abs. 3 Satz 1 und 2 Kommunalabgabengesetz NW (KAG)). Eine
Staffelung der Gebühr nach der finanziellen Leistungsfähigkeit des Benutzers wäre mit
diesen grundlegenden, den Ortsgesetzgeber bindenden Gebührenprinzipien
unvereinbar. Die in §6 Abs. 3 Satz 1 und 2 KAG enthaltene Regelung ist Ausdruck des
Bundesrechtlichen Äquivalenzprinzips, welches besagt, daß die Gebühr nicht in einem
Mißverhältnis zu der von der Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf; sie muß
leistungsbezogen sein. In Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG)
gebietet dieses Prinzip, die ortsrechtliche Benutzungsgebührenregelung so
auszugestalten, daß bei gleicher Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung etwa
gleich hohe Gebühren und bei unterschiedlicher Benutzung diesen Unterschieden in
etwa angemessene Gebühren gezahlt werden.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. September 1981 - 8 C 48.81 -,
Die öffentliche Verwaltung (DÖV) 1982, 154 (155) = Kommunale Steuer-Zeitschrift
(KStZ) 1982, 69 (71); OVG NW, Beschluß vom 18. November 1983 - 2 B 2037/83 -
Der Gemeindehaushalt (Gemht) 1984, 12 = KStZ 1984, 78; Hessischer
Verwaltungsgerichtshof, Beschluß vom 28. September 1976 - V N 3/75 -, Deutsches
Verwaltungsblatt (DVBl) 1977, 216 = Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1977,
452.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Insoweit ist das Benutzungsgebührenrecht nicht vergleichbar mit anderen
Bereichen des Abgabenrechts wie etwa der Einkommensteuer, bei der die
Steuerprogression ein zulässiger Nebenzweck ist, um eine Entlastung von sozial
schwächeren oder finanziell stark belasteten Bevölkerungsgruppen zu erreichen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Das schließt nicht aus, eine Gebührenermäßigung vorzunehmen, wenn das
Erheben der vollen Gebühr im Einzelfall eine das Übermaßverbot verletzende
Unbilligkeit zur Folge hätte. Dann besteht auch bei kommunalen Benutzungsgebühren
die Möglichkeit einer Gebührenermäßigung gemäß §12 Abs. 1 Nr. 4 b und 5 a KAG in
Verbindung mit §§163, 227 Abgabenordnung 1977 (AO) wegen persönlicher
Unbilligkeit. Hierdurch entstehende Gebührenausfälle sind jedoch aus allgemeinen
Haushaltsmitteln und nicht durch die übrigen Benutzer der kommunalen Einrichtung zu
finanzieren. Daß im vorliegenden Fall das Vorliegen einer solchen persönlichen
Unbilligkeit in Betracht zu ziehen wäre, ist schon in Anbetracht der geringen Höhe der
streitigen Gebühr zu verneinen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Berufung war daher mit der sich aus §154 Abs. 2 VwGO ergebenden
Kostenentscheidung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach §132 Abs.
2, §137 Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
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<p>Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Hauptsache erledigt ist.</p>
<p></p>
<p>In diesem Umfang ist das Urteil des Verwaltungsgerichts unwirksam.</p>
<p></p>
<p>Die Berufung wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>
</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Die Klägerin ist Eigentümerin des Wohn- und Betriebsgrundstückes ..., G. Straße
14-16 (Gemarkung ..., Flur. und ..., Flurstücke ... und ...), das an die städtische
Entwässerungsanlage angeschlossen ist. Im Betrieb der Klägerin werden
Metallveredelungen ausgeführt; zu diesem Zweck verfügt er über eine
Galvanisierungsanlage, die mit den erforderlichen Neutralisations- und
Entgiftungsvorrichtungen ausgestattet ist. Für das Einleiten der Grundstücksabwässer
wird die Klägerin vom Beklagten zu kommunalen Benutzungsgebühren herangezogen.
Die Parteien streiten über die Frage, ob das dieser Heranziehung zugrundeliegende
Ortsrecht der Stadt ... rechtsgültig ist, wonach die Gebührenbemessung auf der
Grundlage des Wasserverbrauchsmaßstabes (Frischwassermaßstab) sowohl für
Schmutz- als auch für Regenwasser erfolgt, und des weiteren darüber, inwieweit sich
die auf dem Grundstück der Klägerin erfolgte Abwasserbehandlung auf die
Gebührenhöhe auswirkt.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die vom Grundstück der Klägerin eingeleiteten Abwässer gelangen über
städtische Sammler in den mit "W. sammler" bezeichneten Transportsammler des
W.verbandes, von wo aus sie der verbandseigenen Gemeinschaftskläranlage in ...
zugeführt werden. Die Klägerin ist Mitglied des W.verbandes, der sie zu
Verbandsbeiträgen heranzieht. Der Zuständigkeitsbereich dieses Verbandes erstreckt
sich über das gesamte Niederschlagsgebiet der W. von der Quelle bis zur Mündung in
den R. Seine Aufgabe ist im wesentlichen die Verwaltung des Wasserschatzes sowie
die Reinhaltung und Unterhaltung der W. und ihrer Nebenflüsse, ferner der Ausgleich
von Wassernutzungen sowie die Regelung und Erhaltung der Vorflut (§§ 1, 2 W.
gesetz vom 8. Januar 1930, PBrGS 5, und Satzung des W.verbandes vom 21. Januar
1957, Amtsblatt für den Regierungsbezirk D. 1957, 45).</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Gebiet der Stadt ... besteht infolge seiner topografischen Lage aus zwei
Entwässerungsbereichen, die von der das Stadtgebiet durchquerenden
Wasserscheide (vgl. Plan Heft 7 der Beiakten, dort mit gelber Farbgebung
gekennzeichnet) getrennt werden. Das Gebiet ostwärts dieser Wasserscheide, in dem
das Grundstück der Klägerin liegt, gehört zum Einzugsbereich des W.verbandes, der
die in diesem Gebiet anfallenden Abwässer aus den städtischen Sammlern übernimmt
und in seinen Klärwerken reinigt. Die Stadt ... betreibt weder in diesem östlichen noch
im westlich dieser Wasserscheide gelegenen Bereich eigene Kläranlagen. Die im
westlichen Stadtgebiet von der städtischen Anlage gesammelten Abwässer werden
den Kläranlagen des B. Wasserverbandes zugeführt, in dessen Einzugsbereich dieses
Stadtgebiet liegt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Beklagte die Klägerin für das Jahr 1975 (unter Zugrundelegen einer
Abwassermenge von 126.167 cbm) bereits zu Entwässerungsgebühren in Höhe von
88.101,23 DM herangezogen hatte, setzte er durch Berichtigungsbescheid vom 24.
November 1975 für den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Dezember 1975 eine
Gebührennachforderung in Höhe von 39.700,56 DM fest. Den gegen diesen
Berichtigungsbescheid eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom
4. Februar 1976 zurück.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit ihrer am 29. Februar 1976 erhobenen Klage hat die Klägerin vor allem die
Gültigkeit des zur Anwendung des Wasserverbrauchsmaßstabes führenden
Ortsrechts der Stadt ... verneint und geltend gemacht, daß sie hierdurch als
Großeinleiterin gegenüber dem Durchschnitt der Benutzungsfälle in unverhältnismäßig
großem Umfang mit den von der Stadt aufgewandten Kosten für die
Regenwasserbeseitigung belastet werde.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Durch Bescheid vom 3. Dezember 1977 setzte der Beklagte den streitigen Betrag
um 14.887,60 DM herab, worauf beide Parteien insoweit den Rechtsstreit in der
Hauptsache für erledigt erklärt haben. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Umfang
das Verfahren eingestellt.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Dem nunmehr von der Klägerin gestellten Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">den berichtigten Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 24. November 1975
in der nach Erlaß des Berichtigungsbescheides vom 3. Dezember 1977 noch
bestehenden Höhe von 24.812,96 DM und den Widerspruchsbescheid vom 4. Februar
1976 aufzuheben,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">hat das Verwaltungsgericht in vollem Umfang mit der Begründung stattgegeben,
daß die der Heranziehung zugrundeliegende Gebührenregelung materiell ungültig sei.
Auf den Inhalt dieses Urteils und das erstinstanzliche Parteivorbringen wird Bezug
genommen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, zu deren Begründung
er in Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens geltend macht: Entgegen der
Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts seien im Stadtgebiet von ... die
Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG erfüllt. Die Stadt und beide
Wasserverbände (W. verband sowie B. Wasserverband) erbrächten im Sinne dieser
Vorschrift gleichartige Leistungen auf dem Gebiet der Ortsentwässerung. Die
Abgrenzung zwischen W. verband und B. Wasserverband durchquere das gesamte
Stadtgebiet, und zwar genau auf der Wasserscheide; es gebe keine leistungsmäßige
Verbindung zwischen den Anlagen der beiden Verbände. Der W. verband, in dessen
Einzugsgebiet das Grundstück der Klägerin liege, unterhalte einmal eine
Abwassertransportleitung entlang der Grenze zur Stadt ..., die das aufgenommene
Abwasser der Verbandskläranlage ... zuführe. Sodann unterhalte der W. verband ein
Netz von natürlichen Gewässern, die nicht nur dem Abwassertransport dienten,
sondern Sammlerfunktion erfüllten, soweit es sich um sogenannte Direkteinleiter
handele. Außer den ihm bekannten Direkteinleitern gebe es noch eine große Anzahl
von für ihn nicht ermittelbaren sogenannten Alteinleitern (Einleitungen aus der Zeit vor
Inkrafttreten des Landeswassergesetzes NW). Die vom W. verband unterhaltenen
Gewässer hätten teilweise infolge Verrohrung ihre Gewässereigenschaft verloren;
auch die noch vorhandenen Gewässer seien Bestandteil des Kanalisationsnetzes
geworden. Er, der Beklagte, teile nicht die vom Senat zu § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG
vertretene Rechtsauffassung, an einer Gleichartigkeit der Leistungen fehle es, wenn
die Gemeinde im wesentlichen das Abwasser nur einsammele und der Verband
(neben der Reinigung) den Abwassertransport betreibe. Denn Ortsentwässerung
beschränke sich nie auf das Sammeln der Abwässer, sondern umfasse stets auch
deren Fortleitung; andererseits übernehme der Verband im Zuge des
Abwassertransports auch unmittelbar Abwässer z.B. von Industriegrundstücken.
Infolgedessen werde Ortsentwässerung im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG auch in
... von Gemeinde und Wasserverbänden gemeinsam geleistet. Abgesehen von den
Direkteinleitern (in Anlagen der Wasserverbände) leiteten die übrigen Mitglieder der
Wasserverbände ihre Abwässer zunächst in das städtische Kanalisationsnetz ein.
Dadurch lägen auch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 KAG vor, so daß es
unschädlich sei, wenn in der dem Gebührensatz zugrundeliegenden
Gebührenbedarfsrechnung § 7 Abs. 2 KAG in Bezug genommen werde. Überdies
ergebe sich für diesen Veranlagungszeitraum auch kein wesentlicher Unterschied in
der Höhe des Gebührensatzes, wenn dieser unter Anwendung von § 7 Abs. 1 oder
von § 7 Abs. 2 KAG errechnet werde. Die Bezugnahme auf § 7 Abs. 2 KAG in der
Gebührenbedarfsberechnung beeinträchtige deshalb nicht die Rechtmäßigkeit des
Gebührensatzes. Entsprechend den Anforderungen des § 7 Abs. 1 KAG habe die
Stadt ihre eigenen Kosten mit den Verbandslasten zu einer einheitlichen
Gebührenmasse zusammengefaßt und hieraus einen einheitlichen Gebührensatz
ermittelt. Von der sich dann im einzelnen Veranlagungsfall ergebenden
Gebührensumme sei (so auch im Fall der Klägerin) der vom Benutzer jeweils
entrichtete Verbandsbeitrag in Abzug gebracht worden. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1
KAG dürfe die Stadt über ihre Kanalbenutzungsgebühr sowohl die von der Stadt an
den W. verband als auch die an den B. Wasserverband erbrachten Verbandsbeiträge
umlegen, und zwar auch im Verhältnis zur Klägerin, obwohl deren Grundstück im
Bereich des W.verbandes liege. Zwar bestehe zwischen dem Einzugsbereich beider
Verbände keine leitungsmäßige Verbindung; weil die städtische Entwässerungsanlage
ihre Abwässer beiden Verbänden zuleite, bestehe auch die städtische Anlage aus zwei
leitungsmäßig getrennten Anlagen. Diese beiden nur technisch voneinander getrennten
Anlagen seien aber auch nach der Rechtsprechung des Senats als eine wirtschaftliche
Einheit aufzufassen. Das Gewähren von Vorteilen im Sinne der zweiten Alternative des
§ 7 Abs. 1 Satz 1 KAG setze keine unmittelbare Nutzung von Verbandseinrichtungen
durch den im Einzelfall zu städtischen Gebühren herangezogenen Benutzer voraus. Es
genüge das Gewähren von mittelbaren Vorteilen, wie beispielsweise das Erhalten des
Gewässernetzes im gesamten Stadtgebiet, die der B. Wasserverband (in gleicher
Weise wie der W. verband) für alle im Gebiet der Abgabenhoheit der Stadt ...
liegenden Grundstücke erbringe.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht der Klägerin bestünden auch keine Bedenken gegen die
Gültigkeit des Wasserverbrauchsmaßstabes. Insoweit stimme er den Ausführungen
des Verwaltungsgerichts bis auf die Frage der Notwendigkeit eines Billigkeitserlasses
zu. Unter Berücksichtigung der vom Senat im Urteil II A 28/70 vom 12.3.1973
aufgestellten Grundsätze bei Anwenden des Wasserverbrauchsmaßstabes auf
Wassergroßverbraucher sei eine etwaige Benachteiligung der Klägerin durch diesen
Maßstab nicht so schwerwiegend, daß ein grobes Mißverhältnis zwischen städtischer
Leistung und Gebühr bestehe. Die vom Verwaltungsgericht durchgeführte Berechnung,
wonach eine Mehrbelastung der Klägerin durch den Wasserverbrauchsmaßstab von
21 % vorliege, sei rechnerisch fehlerhaft. Nur höchst vorsorglich reduziere er, der
Beklagte, den bereits in erster Instanz auf 24.812,96 DM herabgesetzten
Gebührenbetrag nochmals um 5.905,46 DM auf 18.907,50 DM. Auch wenn man von
der vom Verwaltungsgericht fehlerhaft errechneten Mehrbelastung von 21 % ausgehe,
ergebe sich infolge dieser erneuten Herabsetzung eine Verringerung der
Mehrbelastung der Klägerin auf 12,4 %; dies entspreche dem, was der Senat im o.a.
Urteil vom 12.3.1973 als zulässige Mehrbelastung erachtet habe. In Höhe des
Betrages von 5.905,46 DM erkläre er den Rechtsstreit in der Hauptsache für
erledigt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt (sinngemäß),</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit die
Hauptsache nicht (in Höhe von 5.905,46 DM) erledigt ist.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin erklärt in Höhe dieses Betrages ebenfalls die Hauptsache für erledigt
und beantragt im übrigen,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Sie verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht ergänzend geltend:
Der Beklagte habe unbeschränkt Berufung eingelegt; soweit sie sich gegen die in Abs.
1 des Urteilstenors enthaltene teilweise Einstellung des Verfahrens richte, sei sie
unzulässig. Im übrigen sei dem angefochtenen Urteil zwar im Ergebnis, nicht aber in
allen Teilen seiner Begründung zu folgen. Entgegen der Ansicht des
Verwaltungsgerichts sei der Wasserverbrauchsmaßstab (Frischwassermaßstab)
ungültig, weil er gegen das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitsgrundsatz verstoße.
Das vom Verwaltungsgericht festgestellte Mißverhältnis zwischen Leistung und
Gebühr liege nicht nur bei ihr, der Klägerin, sondern einer größere Anzahl von
Anschlußnehmern vor; es sei nicht auf Gewerbebetriebe beschränkt, sondern betreffe
auch zahlreiche hohe Gebäudekomplexe. Sie schließe sich zwar dem vom Beklagten
während des Berufungsverfahrens abgegebenen (teilweisen)
Hauptsacheerledigungsantrag an. Die Heranziehung sei aber auch in der nunmehr noch
streitigen Höhe rechtswidrig, weil der Wasserverbrauchsmaßstab im Gebiet der Stadt
... aus vorgenannten Gründen ungültig sei; hierzu beantrage sie die Einholung eines
Sachverständigengutachtens. Die Ungültigkeit des Wasserverbrauchsmaßstabes
wegen unverhältnismäßig hoher Belastung der Wassergroßverbraucher ergebe sich
bereits aus dem Inhalt des Ortsrechts der Stadt ... Denn nach § 24 Abs. 6 Satz 2 der
Entwässerungssatzung werde nur 40 % der vollen Gebühr je cbm Abwasser bei
einem Anschluß allein von Schmutzwasser erhoben, jedoch 60 % bei einem Anschluß
allein von Niederschlagswasser. Die Gebührenbedarfsberechnung (Ratsvorlage vom
20.9.1974, Heft 4 der Beiakten Bl. 22) bestätige, daß ein Anteil von 60 % des
Aufkommens aus der nach dem Wasserverbrauchsmaßstab berechneten
Benutzungsgebühr für die Kosten der Niederschlagswasserableitung bestimmt sei.
Ferner werde hiernach (a.a.O. Bl. 23) außer dem 60 %-Anteil aus dem
Gebührenaufkommen der Benutzer noch ein Anteil von 15 % der gesamten
Entwässerungskosten von der Stadt für das Entwässern der öffentlichen
Verkehrsflächen selbst getragen, der somit ebenfalls auf die
Niederschlagswasserbeseitigung entfalle. Hierdurch erhöhe sich der für die
Niederschlagswasserbeseitigung zu bemessende Gesamtaufwand auf etwa 64 % der
Gesamtkosten, sofern dieser Anteil nicht nach anderen Berechnungsmethoden noch
wesentlich höher ausfalle. Die im angefochtenen Urteil vertretene Ansicht, die Kosten
der Regenwasserbeseitigung beliefen sich schätzungsweise auf nicht mehr als 30 %
der für die städtische Entwässerungsanlage aufgewandten Unterhaltungskosten, sei
nach alledem unzutreffend.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Des weiteren sei die der streitigen Heranziehung zugrundeliegende
Gebührenregelung (§ 24 Abs. 2.1 Entwässerungssatzung) auch deshalb rechtswidrig,
weil für die Veranlagung der Fischwasserverbrauch des vorletzten Kalenderjahres
zugrundegelegt werde. Diese Regelung verstoße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz;
denn die Gebührenhöhe sei im Zeitpunkt der Benutzung nicht vorhersehbar, so daß
sich der Benutzer auf Gebührenerhöhungen nicht rechtzeitig einrichten könne. Es treffe
nicht zu, daß durch die regelmäßig längere Benutzungsdauer ein Ausgleich zwischen
den jährlichen Veranlagungen stattfinde. Denn bei steigenden Gebühren würden sich
Betriebe mit hohem Wasserverbrauch auf Wassersparmaßnahmen umstellen,
während Haushalte in der Regel ihren steigenden Wasserbedarf beibehielten. Diese
Maßstabsregelung sei auch nicht aus Gründen der Praktikabilität gerechtfertigt;
vielmehr könne durch vorläufige Gebührenveranlagung den Interessen der Gemeinde
entsprochen und zugleich der Bestimmtheitsgrundsatz gewahrt werden.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Rechtsauffassung des Beklagten, von Seiten beider in ... tätiger
Wasserverbände werde Ortsentwässerung im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG
betrieben, sei unhaltbar. Die großen wasserwirtschaftlichen Verbände des R. ...andes
betrieben lediglich Abwasserreinigung und hätten sich im Laufe der Jahre durch
Übertragen auch größerer Sammler an die Gemeinden von jeglicher Tätigkeit auf dem
Gebiet der Ortsentwässerung zurückgezogen. Seitens der Verbände werde durch
Unterhalten natürlicher Gewässer auch dann keine Ortsentwässerung betrieben, wenn
von einzelnen Grundstücken unmittelbar Abwasser in ein Gewässer eingeleitet werde.
Weil das Heranziehen von Gewässerbenutzern zu kommunalen
Entwässerungsgebühren unzulässig sei, brauche die Gebührenbedarfsberechnung der
Stadt derartige Abwassereinieitungen auch nicht zu erfassen; die gegenteilige Ansicht
des Verwaltungsgerichts sei unzutreffend.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat zu der Streitsache nicht Stellung
genommen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Sämtliche Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung einverstanden erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere des
Parteivorbringens in beiden Rechtszügen, wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und
der vom Beklagten vorgelegten Satzungsunterlagen, Verwaltungsvorgänge und
Lagepläne Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 125 Abs. 1 und des § 92
Abs. 2 VwGO eingestellt worden, soweit die Hauptsache erledigt ist. In diesem
Umfang ist das angefochtene Urteil unwirksam.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die im übrigen zulässige Berufung, die sich bei richtiger Auslegung der
Berufungsschrift nur auf den der Klage stattgebenden Teil des Urteils vom 30. August
1978 bezieht, ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht
stattgegeben, weil die angefochtenen Bescheide rechtswidrig sind.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Als Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zur streitigen
Benutzungsgebühr kommt § 24 der Entwässerungssatzung der Stadt ... vom 27.
Dezember 1972 (Entwässerungssatzung - ES -) in Betracht. Die zwischenzeitlich in
Kraft gesetzte III. Änderungssatzung vom 14. Dezember 1983 zur
Entwässerungssatzung der Stadt ..., die in ihrem Art. II die
Benutzungsgebührenregelung neu gefaßt hat, ist erst am 1. Januar 1984 in Kraft
getreten und scheidet deshalb schon wegen fehlender Rückwirkungsanordnung als
Rechtsgrundlage der streitigen Heranziehung aus. § 24 ES 1972 verweist in seinem
Abs. 6 hinsichtlich der Festsetzung des Gebührensatzes je cbm Abwasser auf eine
besondere sogen. Eckgebührensatzung, d.h. eine Satzung, in der der Rat der Stadt ...
die Gebührensätze für verschiedene städtische Einrichtungen festgesetzt hat; hier
handelt es sich um die Eckgebührensatzung - EGebS - vom 27. Dezember 1972, in
der Fassung der VI. Änderungssatzung vom 4. Oktober 1974, die in § 4 Nr. 2 die
Kanalbenutzungsgebühr bei einem Anschluß für Schmutz- und Niederschlagswasser
auf 1,18 DM/cbm festsetzt. Ob diese Satzungsvorschriften formell gültiges Ortsrecht
sind, kann dahingestellt bleiben. Denn die der Heranziehung der Klägerin
zugrundeliegende Gebührenregelung verstößt gegen höherrangiges Recht und ist
deshalb materiell ungültig.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Wie sich aus § 23 Abs. 1 und § 24 Abs. 9 EntwS ergibt und aus der dem
Gebührensatz des § 4 Nr. 2 EGebS zugrundeliegenden Gebührenbedarfsberechnung
hervorgeht, beruht die Festsetzung des Gebührensatzes u.a. auf einer Anwendung
des § 7 Abs. 2 KAG (vgl. BA 4 Bl, 15). Hiervon geht auch der Beklagte in seiner
Berufungsbegründung aus, der die Anwendung des § 7 Abs. 2 KAG als rechtmäßig
verteidigt. Dem Verwaltungsgericht ist jedoch darin zuzustimmen, daß die
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG jedenfalls im hier
streitigen Veranlagungszeitraum in ... nicht erfüllt gewesen sind. Die unter Anwendung
dieser Vorschrift vom Rat der Stadt ... beschlossene Gebührenregelung ist daher
nichtig, weil sie gegen § 7 Abs. 2 KAG verstößt. Infolgedessen fehlt dem
angefochtenen Bescheid eine gültige Rechtsgrundlage, so daß er auch in seiner
jetzigen Fassung (nach Herabsetzen der Gebührensumme durch den Beklagten im
Berufungsverfahren auf 18.907,50 DM) keinen Bestand haben kann; das der Klage
stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts ist daher zu Recht ergangen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Senat teilt bereits die vom Verwaltungsgericht geäußerten Bedenken gegen
einen für das gesamte Stadtgebiet geltenden, auf einer Anwendung des § 7 Abs. 2
Satz 1 KAG beruhenden Gebührensatz, wenn die Stadt wie hier die
Grundstücksentwässerung durch zwei leitungsmäßig voneinander getrennte
Entwässerungssysteme betreibt, die mit ihren Haupt- und Nebensammlern in zwei
leitungsmäßig ebenso völlig getrennte (hier nach dem Verlauf der das Gebiet der
Stadt ... teilenden Wasserscheide; im Plan BA 7, mit gelber Farbgebung
gekennzeichnet) Anlagen zweier Entwässerungsverbände einmünden, die die
Abwässer zwecks endgültiger Beseitigung (Reinigung) übernehmen. Die Anwendung
von § 7 Abs. 2 Satz 2 KAG führt nämlich dazu, daß die Stadt ... sowohl ihre an den
W. verband als auch die an den B. Wasserverband geleisteten Beiträge (zusammen
mit den Kosten der städtischen Einrichtung) als einheitliche Gebührenmasse
zusammengefaßt hat, um aus dieser einen einheitlichen Gebührensatz für alle
Benutzer des gesamten Stadtgebietes festzusetzen. Durch das Veranlagen nach
diesem (einheitlichen) Gebührensatz werden jedoch Grundstückseigentümer
(Anschlußnehmer) aus dem Einzugsbereich des W. verbandes auch mit von der Stadt
an den P. Wasserverband entrichteten Verbandsbeiträgen belastet, ohne daß ihnen im
Hinblick auf ihre zu entwässernden Grundstücke die Entwässerungstätigkeit dieses
Verbandes in irgendeiner Weise (mittelbar) zugute kommt. Denn in Anbetracht der
örtlichen Gegebenheiten entwässert jeder der beiden Verbände nur seinen Bereich
der Stadt ... (Vgl. Plan BA 7). Dies wirkt sich umgekehrt in gleicher Weise auf
Anschlußnehmer im Bereich des B. Wasserverbandes aus: Sie werden mit städtischen
Verbandsbeiträgen für den W. verband belastet, obwohl dieser keine
Abwasserbeseitigung in ihrem Stadtgebiet und damit im Hinblick auf ihre dort
gelegenen Grundstücke durchführt. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt,
setzt jedoch eine Anwendung des § 7 Abs. 2 KAG schon nach dem Wortlaut dieser
Vorschrift das Vorliegen einer "technischen Einheit" voraus; ist diese vorhanden, dann
erbringt die dadurch fingierte Gesamtanlage eine einheitliche (Entwässerungs-
)Leistung. Dann kommt auch dem Einleiter in einen städtischen Straßensammelkanal
durch die Entwässerungsleistung der Gesamtanlage die Tätigkeit des an dieser
technischen Einheit beteiligten Verbandes zugute. Unerläßliche Voraussetzung hierfür
ist demnach das Vorhandensein einer leitungsmäßigen Verbindung zwischen
städtischer und Verbandsanlage in dem örtlichen Bereich, für den die Fiktion der
einheitlichen Anlage des § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG gelten soll.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Vgl. Urteile des Senats vom 21. September 1976 - II A 1279/72 - OVGE 33, 1,
vom 4. Mai 1979 - II A 578/74 -, OVGE 34, 111 = Gmht 1980, 91 und vom 4. Juni
1981 - 2 A 1069/77 - (n.v.).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">In Anbetracht der Entwässerungssituation in ... fehlt jedoch - wie das
Verwaltungsgericht zutreffend ausführt - eine solche leitungsmäßige Verbindung
zwischen Anlagen des W.verbandes und des B. Wasserverbandes (vgl. Plan BA 7 und
das damit übereinstimmende Vorbringen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung
vor dem Verwaltungsgericht, S. 3 des Verhandlungsprotokolls vom 30. August 1978,
Bl. 79 G). Da die städtischen Sammelkanäle jeweils an die Anlagen eines der beiden
Verbände angeschlossen sind, um die Grundstücksabwässer dorthin abzuleiten,
besteht nicht einmal mittels der städtischen Straßensammelkanäle eine
abwassertechnische Verbindung zwischen den beiden Entwässerungsnetzen
(städtische Sammelkanäle und die sich an sie anschließenden Sammler oder Vorfluter
jeweils eines Verbandes).</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Zwar hat der Senat in seinem</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Urteil vom 17. November 1975 - II A 203/74 -, OVGE 31, 352 = KStZ 1976,
229,</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">für das Anschlußbeitragsrecht entschieden, eine Gemeinde sei berechtigt,
technisch (leistungsmäßig) voneinander getrennte Entwässerungsanlagen i.S. von § 8
Abs. 2 Satz 1 KAG als einheitliche Einrichtung oder Anlage anzusehen und hierfür
einheitliche Entwässerungsabgaben zu erheben; es bedürfe hierzu keiner
leitungsmäßigen Verbindung der einzelnen Entwässerungssysteme der Gemeinde;
ausreichend sei vielmehr die wirtschaftliche und rechtliche Einheit der Anlage, die im
einheitlichen Betrieb der Ortsentwässerung (z.B. der einheitlichen Wartung und
Unterhaltung der Anlage sowie der haushaltsrechtlichen und finanzwirtschaftlichen
Einheit) zum Ausdruck komme. Demgegenüber betrifft aber § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG
nicht Anlagen eines, sondern mehrerer Träger öffentlicher Verwaltung, wobei diese
leitungsmäßig miteinander verbunden sind und dann kraft gesetzlicher Fiktion für den
Bereich des Benutzungsgebührenrechts als einheitliche Einrichtung gelten. Über den
Bereich dieser Fiktion hinaus verbleibt es jedoch bei anstaltsrechtlich getrennten
Anlagen; es wird nicht etwa die kommunale Anlage im anstaltsrechtlichen Sinne um die
(im Gemeindegebiet liegenden Teile) der Verbandsanlage erweitert. Inhalt und Zweck
dieser landesrechtlichen Ermächtigungsnorm sind vielmehr darauf beschränkt, für den
Bereich des Benutzungsgebührenrechts die sich aus §§ 4 Abs. 2, 6 KAG für den
kommunalen Satzungsgeber ergebenden Schranken zum Erlaß von
Gebührenregelungen zu erweitern; § 7 Abs. 2 KAG ermächtigt ihn, kommunale
Benutzungsgebühren nicht nur für die von der gemeindlichen, sondern auch für die von
der Verbandsanlage erbrachte Entwässerungsleistung erheben zu dürfen. Diese
weitergehende Ermächtigung hat jedoch der Landesgesetzgeber an das Vorliegen der
tatbestandlichen Voraussetzung einer technischen Einheit geknüpft; hierbei ist er von
der Annahme ausgegangen, wenn diese vorliege, sei es (abgesehen von weiteren
Voraussetzungen) über den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 KAG hinaus
gerechtfertigt, kommunale Benutzungsgebühren zu erheben, weil dann die gegenüber
den Grundstückseigentümern erbrachten Entwässerungsleistungen von Gemeinde
einerseits und Verband andererseits nicht mehr getrennt festzustellen und
abzurechnen seien.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu im einzelnen das Urteil des Senats vom 4. Mai 1979 - II A 578/74 -,
a.a.O., mit weiteren Nachweisen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Dieser in § 7 Abs. 2 KAG geregelte Lebenssachverhalt liegt jedoch nicht vor,
wenn statt der vom Gesetzgeber geforderten technischen Einheit nur eine
anstaltsrechtliche Verklammerung zweier technisch getrennter Entwässerungssysteme
(Anlagen des W.verbandes und die an diese angeschlossenen städtischen
Anlagenteile einerseits, Anlagen des B. Wasserverbandes mit dessen städtischen
Anlagenteilen andererseits) durch die städtische Anlage in Betracht kommen kann. Die
Fiktion einer einheitlichen Einrichtung oder Anlage greift vielmehr erst ein, nachdem die
in § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG geforderte technische Einheit vorliegt; fehlt diese, dann
vermag die bloß anstaltsrechtliche Einheit der städtischen Anlage (i.S. der
Entscheidung des Senats vom 17. November 1975, a.a.O.) das Fehlen der
technischen Einheit i.S. von § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG nicht zu ersetzen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Indes bedarf es hier keiner Entscheidung der Frage, ob § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG
auch dann anwendbar ist, wenn statt des Vorliegens einer technischen Einheit von
städtischer und Verbandsanlage das Stadtgebiet zwar von technisch (leitungsmäßig)
getrennten Systemen entwässert wird, die an beiden Systemen beteiligte städtische
Anlage aber als Einheit i.S. des Anstaltsrechts anzusehen ist. Denn wie das
Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, ist § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG deshalb
unanwendbar, weil im Gebiet der Stadt ... (im hier streitigen Veranlagungszeitraum)
keine gleichartigen Leistungen i.S. dieser Gesetzesbestimmung erbracht werden.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Wie der Senat bereits in seinen</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Urteilen vom 21. September 1976, vom 4. Mai 1979 (a.a.O.), und vom 4. Juni
1981 - 2 A 1069/77 - (n.v.),</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">entschieden hat, ist der Begriff "Leistung" i.S. von § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG nicht
(wie in § 4 Abs. 2 KAG) auf das Verhältnis Leistender zum Leistungsempfänger
(Grundstückseigentümer) als (Benutzer) bezogen, sondern auf das Verhältnis
Gemeinde zu Verband. Mit "gleichartigen Leistungen" ist die Summe der technischen
Leistungen gemeint, die jeder der beiden Anstaltsträger (Gemeinde einerseits,
Verband andererseits) zur gemeinsamen Erfüllung des von beiden verfolgten Zweckes
(Grundstücksentwässerung im Gemeindegebiet) erbringt.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Vgl. im einzelnen die in vorgen. Urteilen gegebene Begründung (OVGE 34, 113)
auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Wie des weiteren in den</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Urteilen vom 4. Mai 1979 (a.a.O.) (OVGE 34, 116 ff.) und vom 4. Juni 1981
(n.V.),</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">näher ausgeführt ist, setzt § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG voraus, daß die für die Fiktion
einer einheitlichen Anlage erforderlichen Leistungen innerhalb der technischen Einheit
von Verbands- und Gemeindeanlage erbracht sein müssen; die der technischen
Einheit zugrundeliegende Fläche muß dem Gebiet entsprechen, in dem der Verband
im Rahmen seines Verbandszweckes tätig ist, dessen Leistungen mit denen der
Gemeinde als gleichartige Leistungen gelten sollen. Daher müßten hier gleichartige
Leistungen von Verband und Stadt ... in dem Gebiet erbracht sein, in dem sich das zu
entwässernde Grundstück der Klägerin befindet; Verband könnte hier nur der W.
verband sein, weil dieser örtliche Bereich in seinem Verbandsgebiet liegt.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Stadt ... unterhält (jedenfalls im hier streitigen Veranlagungszeitraum) keine
eigenen Kläranlagen in dem zum Wupperverbandsgebiet gehörenden Bereich der
Stadt. Vielmehr erfolgt das Klären der Grundstücksabwässer dieses Gebietes
ausschließlich in Kläranlagen des W.verbandes (... und ...). Infolgedessen scheidet die
Möglichkeit aus, daß die Stadt ... und der W. verband gleichartige Leistungen i.S. von
§ 7 Abs. 2 Satz 1 KAG auf dem Gebiet der Abwasserreinigung erbringen. Ob in dem
zum B. Wasserverband gehörenden Stadtgebiet gleichartige Leistungen durch
Abwasserreinigung erbracht werden, ist nach dem soeben Ausgeführten für die
Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG rechtsunerheblich. In Anbetracht des vom
Beklagten vorgelegten Planes (BA 7) sei jedoch darauf hingewiesen, daß hiernach im
zu diesem Verband gehörenden Stadtgebiet die gleiche Entwässerungssituation
besteht. Auch hier werden die im Stadtgebiet anfallenden Abwässer ausschließlich in
verbandseigenen Klärwerken (... und ...) gereinigt.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Für das Vorliegen gleichartiger Leistungen auf dem Gebiet der Ortsentwässerung
hat der Senat in seinen</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Urteilen vom 21. September 1976 und 4. Mai 1979 (a.a.O.) und vom 4. Juni
1981 (n.v.)</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">als tatbestandlich wesentlich angesehen "das Vorhandensein eines Netzes von
Kanalisationsleitungen das sich über das ausgeschlossene Gebiet einer Gemeinde
nicht unwesentlich ausdehnt und verzweigt, um die in seinem Einzugsbereich auf den
angeschlossenen Grundstücken anfallenden Abwässer aufzunehmen, zu sammeln und
über sich jeweils vergrößernde Hauptsammler den Abwassertransportleitungen oder
Kläranlagen zuzuführen." Aus dem vom Beklagten vorgelegten Plan (BA 7) geht jedoch
hervor, daß im Einzugsbereich des W. Verbandes (gleiches dürfte für den
Einzugsbereich des B. ... Wasserverbandes gelten) zwar die Stadt ... nicht aber der
Verband ein solches Kanalisationsnetz betreibt. Dies wird für den hier maßgeblichen
Einzugsbereich, in dem das Grundstück der Klägerin liegt, durch die vom
Verwaltungsgericht eingeholte Auskunft des W.verbandes (GA 68 f.) bestätigt, in der
es u.a. heißt:</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">"Der W. verband unterhält als Wasser- und Bodenverband gemäß §§ 48 und 49
LWG und gemäß § 5 seiner Satzung in seinem Verbandsgebiet die natürlichen,
fließenden Gewässer. Dies also auch in ..., allerdings nur in dem Teilgebiet, das
ostwärts der Wasserscheide bzw. der Grenze zwischen den Gebieten des
W.verbandes und des ... Wasserverbandes liegt. Seitens des Verbandes werden im
Stadtgebiet von ... aber weder die natürlichen Gewässer als Abwassersammler
benutzt noch erfolgen durch ihn in diese Einleitungen oder Abschläge von
behandeltem oder unbehandeltem Schmutz- oder Regenwasser. Das dem W.
verband von der Stadt über das örtliche Entwässerungsnetz übergebene Abwasser
wird teils im Gruppenklärwerk K. und teils im Gemeinschaftsklärwerk L. behandelt.
Das mit Vorflut zum Gemeinschaftsklärwerk L. abgeleitete Abwasser wird in ... in
den mit "W.sammler" bezeichneten Transportkanal des W.verbandes übernommen.
Aus den Klärwerken des W. verbandes fließt das behandelte Abwasser im Falle ...
auf W. Stadtgebiet in die W.und im Falle ... auf ... Stadtgebiet in die ...als Abwasser
des Stadtteiles wird über das Gruppenklärwerk ... im Stadtgebiet ... der W.
zugeführt."</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Zu Unrecht macht der Beklagte demgegenüber in seiner Berufungsbegründung
geltend, der W. verband unterhalte entlang der Grenze zur Stadt ... einmal eine
künstliche Transportleistung, die herangeführte Abwasser aufnehme, um es der
Kläranlage ... zuzuleiten. Sodann unterhalte er ein nicht unwesentliches Netz von
natürlichen Gewässern, denen eine Sammlerfunktion zukomme, soweit es sich um
Direkteinleiter handele. Dieses Vorbringen wird schon durch die eigene zeichnerische
Darstellung des Beklagten im von ihm vorgelegten Lageplan (BA 7) widerlegt, in dem
die (mit roter Farbgebung gekennzeichneten) städtischen Hauptsammler bereits bei
weitem den Umfang der (grün gekennzeichneten) Verbandsstrecken überschreiten. In
diesem Plan sind nicht einmal die Streckenlängen von Straßensammelkanälen mit roter
Farbgebung eingetragen, die jedoch ebenfalls zu dem für das Betreiben von
Ortsentwässerung erforderlichen Kanalnetz gehören und die Streckenlänge der (vom
Beklagten rot gekennzeichneten) städtischen Hauptsammler vervielfachen.
Desweiteren ergibt sich aus der Auskunft des W. verbandes (a.a.O.), daß nur die im
verbandseigenen "W.sammler" gesammelten Abwässer des ... Stadtgebietes noch
einer abwassertechnischen Behandlung (Reinigung) zugeführt werden. Außer diesem
Transportkanal unterhält der W. verband in ... zwar Verfluter (mit oder ohne
Gewässereigenschaft), in die möglicherweise die vom Beklagten mit Schriftsatz vom
29. August 1978 (GA 75) behaupteten "Regen- und Abwassereinleitungen über
Grundstückskläranlagen" (nach DIN 4261) erfolgen. Diese Vorfluter dienen aber nach
dieser Auskunft des W.verbandes gerade nicht dem Abwassertransport zu
Kläranlagen, sondern leiten in sie (wie in andere natürliche Vorfluter mit oder ohne
Gewässereigenschaft) etwa eingeleitetes Abwasser endgültig in den natürlichen
Wasserkreislauf ab, so daß das Wasser dieser Vorfluter ohne Klärung zunächst in die
W. und dann in den ... gelangt (so Vorbringen des Beklagten, S. 22 des
angefochtenen Urteils). In seinen</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Urteilen vom 14. September 1977 - II A 700/72 -, OVGE 33, 122 (124) = KStZ
1978, 139, und vom 26. Februar 1982 - 2 A 1667/79 - Gemht 1983, 113 = Hessische
Städte- und Gemeindezeitung (HSGZ) 1982, 268,</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">hat der Senat jedoch entschieden, daß die gemeindliche Kanalisationsanlage auf
jeden Fall an der Stelle endet, an der gesammeltes Abwasser ohne weitere
Behandlung dem natürlichen Wasserkreislauf übergeben wird. Deshalb kann ein
unmittelbares Einleiten von Abwasser jenseits dieser Stelle nicht mehr als
Inanspruchnahme der Kanalisation i.S. des Anstaltsrechts und damit auch nicht als
Verwirklichung eines kommunalen Gebührentatbestandes i.S. von §§ 4 Abs. 2 und 6
KAG angesehen werden. Für das Einleiten in Verbandsvorfluter gilt nichts anderes,
wobei dahingestellt bleibt, inwieweit diese überhaupt (sofern sie Gewässer sind) einer
technischen Einheit i.S. von § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG zugehören können. Selbst wenn
daher entgegen den oben dargelegten Bedenken das Vorliegen einer technischen
Einheit bejaht werden könnte, würde die als Folge dieser Einheit fingierte "einheitliche
Einrichtung oder Anlage", die i.S. des kummunalen Benutzungsgebührenrechts (§§ 6, 7
KAG) in Anspruch genommen werden kann, an der Stelle enden, an der diese
Abwässer dem natürlichen Wasserkreislauf zugeführt werden, ohne daß im
Gemeindegebiet noch eine abwassertechnische Behandlung stattfindet. Ob der
Verband für derartige Einleitungen Verbandsbeiträge erheben kann oder künftig
Abgaben nach dem Abwasserabgabengesetz erhöben werden, ist nach dem bereits
Ausgeführten für die Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG rechtlich
unerheblich.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf S. 5 ff. der Berufungsbegründung (GA 126 ff.) wonach der
Beklagte glaubt, den vom W. verband im Stadtgebiet unterhaltenen Gewässern eine
das Tatbestandsmerkmal "Ortsentwässerung" i.S. von § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG
erfüllende Funktion zuweisen zu können (somit auch dann, wenn diese nicht ihre
Gewässereigenschaft infolge Verrohrung verloren haben), wird ebenfalls auf das
genannte</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Urteil des Senats vom 4. Juni 1981 - 2 A 1069/77 - (n.v.)</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Bezug genommen. Dort hat der Senat im einzelnen ausgeführt, warum nicht
unterstellt werden kann, daß § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG den (für das Bejahen der
technischen Einheit) maßgeblichen Begriff der Anlage auch auf vom Verband
unterhaltene Gewässer ausdehnt. Diese Rechtsfrage bedarf weder damals noch
heute einer Entscheidung durch den Senat. Der Beklagte sei jedoch darauf
hingewiesen, daß die vom Senat im vorgenannten Urteil geäußerten Bedenken gegen
eine Einbeziehung der von einem Verband unterhaltenen Gewässer (i.S. vom § 1
WHG) in den Anlagenbegriff des § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG verstärkt werden durch das
W. gesetz vom 8. Januar 1930 (PrGS 5). Denn in dessen §§ 2 und 3 wird scharf
unterschieden zwischen "Anlagen" des Verbandes, die von ihm "herzustellen und zu
betreiben" sind einerseits und den "das Verbandsgebiet durchfließenden
Wasserläufen" (i.S. von § 1 Preussisches Wassergesetz) andererseits, die der W.
verband "auszubauen und zu benutzen" berechtigt ist (§ 2 Abs. 2 a.a.O.). Diese
Unterscheidung zwischen "Anlagen" (die herzustellen und zu betreiben sind) und
"Wasserläufen" (die ausgebaut und benutzt werden) hat auch die als Folge der
Umstellung der gesetzlichen Grundlage des W. verbandes vom W. gesetz auf die
Erste Wasserverbandsverordnung vom 3. September 1937 (RGBl I. 933) erlassene
Satzung des W.verbandes vom 21. Januar 1957 (Regierungsamtsblatt Düsseldorf
1957, 45 ff.) beibehalten (vgl. u.a. §§ 5 lit. f, 7, 8 Abs. 1, 9, 10 Abs. 1, 12 Abs. 1
a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Muß nach alledem das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1
KAG verneint werden, dann ist die unter Anwendung dieser Vorschrift gleichwohl
erfolgte Festsetzung des der streitigen Heranziehung zugrundeliegenden
Gebührensatzes durch den Rat der Stadt ... rechtswidrig, so daß es nicht mehr darauf
ankommt, ob bei Anwenden der Absätze 2 und 3 dieser Vorschrift weitere
Rechtsirrtümer unterlaufen sind. Dem angefochtenen Bescheid fehlt daher eine gültige
Rechtsgrundlage. Hieran vermag auch nichts der Umstand zu ändern, daß - wie vom
Beklagten auf S. 6 seines Schriftsatzes vom 13. Januar 1981 vorgetragen - die
Anwendung des § 7 Abs. 2 KAG bei Festsetzung des Gebührensatzes hier im
Ergebnis unschädlich sei, weil ohne Anwenden dieser Vorschrift die dann zulässige
Anwendung des § 7 Abs. 1 KAG rechnerisch zu demselben Ergebnis geführt, d.h. sich
derselbe Gebührensatz (in DM/cbm) ergeben hätte. Mit diesem Einwand wird
verkannt, daß das Festsetzen des Gebührensatzes notwendiger Bestandteil der
Gebührensatzung ist (§ 2 Abs. 1 Satz 2 KAG), die der Rat der Gemeinde zu erlassen
hat (§ 28 Abs. 2 lit. g GO); er ist das Ergebnis der Teilung der Gesamtkosten durch
die Gesamtzahl der Maßstabseinheiten. Ist aber der Gebührensatz das Ergebnis
dieses Rechenvorgangs, dann muß der Rat der Gemeinde ihn auch in seine
Beschlußfassung einbeziehen. Der Rat kann nicht einen Gebührensatz unabhängig von
dessen Zustandekommen beschließen; auch das Ermitteln des Gebührensatzes fällt
somit in die Kompetenz des Ortsgesetzgebers.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Vgl. die Urteile des Senats vom 21. Juni 1979 - II A 849/77 - KStZ 1979, 220 =
MittNWStGB 1979, 298, und vom 15. Oktober 1980 - 2 A 1041/80 - (n.v.).</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Der Gemeindedirektor bereitet zwar die Beschlüsse des Rates vor (§ 47 Abs. 1
Satz 1 GO); hierbei schlägt er etwa auch vor, die Gebühr auf der Grundlage von § 7
Abs. 2 oder nur von § 7 Abs. 1 KAG zu ermitteln. Mit der Beschlußfassung über die
Gebührensatzung einschließlich dem Festsetzen des Gebührensatzes entscheidet
jedoch der Rat in eigener Kompetenz, ob und inwieweit er sich diese
Verwaltungsvorlage zu eigen macht, d.h. hier, ob er § 7 Abs. 2 oder § 7 Abs. 1 KAG
anwenden will, was ihm nach § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG freigestellt ist ("können die
Gemeinden ..."). Dem Rat der Gemeinde steht des weiteren im Hinblick auf den
Kostendeckungsgrundsatz ein Einschätzungsermessen bezüglich der voraussichtlichen
Kostenentwicklung (Veranschlagungsmaxime) zu; es kann für ihn Gründe geben,
entgegen dem Verwaltungsvorschlag zeitweilig von einer vollen Kostendeckung
abzusehen, um etwa ein sprunghaftes Ansteigen der Benutzungsgebühr mit Rücksicht
auf den Bürger (vgl. § 63 Abs. 2 Nr. 1 GO) zu vermeiden, wenn voraussichtlich alsbald
eine größere Anschlußdichte mit besserer Auslastung des Kanalnetzes (z.B. Anschluß
von kanalisierten Neubaugebieten) und dadurch eine günstigere Einnahmeentwicklung
im Verhältnis zur Kostenbelastung eintreten wird.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Indem der Rat der Stadt ... bei Beschließen des Gebührensatzes die von der
Verwaltung erstellte Gebührenbedarfsberechnung billigte, hat er sich im Rahmen
dieses seines Ermessens für die Anwendung des § 7 Abs. 2 KAG entschieden. Das
Anwenden des § 7 Abs. 2 Satz 2 ff. KAG führt jedoch zu einer anderen
Gebührenkalkulation als eine Anwendung des § 7 Abs. 1 KAG. Welche der beiden
Möglichkeiten er wählt, ist dem Rat überlassen und daher einer nachträglichen
Korrektur durch die Verwaltung oder gar durch das Gericht entzogen. Im übrigen
vermag auch nicht ohne weiteres zu überzeugen, daß die Anwendung des § 7 Abs. 2
KAG hier das rechnerische Ergebnis nicht beeinflußt haben sollte. Denn das würde
bedeuten, daß die Stadt schon auf der Grundlage des § 7 Abs. 1 KAG zu demselben
Gebührensatz gelangen und dabei dasselbe Gebührenaufkommen erzielen könnte.
Schließlich sei darauf hingewiesen, daß die Stadt zwar ihre eigenen Verbandslasten in
die Kosten einbeziehen darf, nicht aber auch die Summe der Verbandsbeiträge der im
Stadtgebiet ansässigen übrigen Verbandsmitglieder (z.B. der Klägerin).</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 26. Februar 1982 - 2 A 1667/79 -,
a.a.O.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Nach alledem fehlt der streitigen Heranziehung schon infolge Nichtvorliegens der
Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG eine gültige Rechtsgrundlage. Deshalb
bedarf es im vorliegenden Rechtsstreit keiner Entscheidung der weiteren Frage, ob
der Wasserverbrauchsmaßstab (Frischwassermaßstab) in Anbetracht der örtlichen
Verhältnisse in der Stadt ... noch ein gültiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist. Dem
Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, daß zwar im allgemeinen dieser Maßstab
trotz seiner Mängel als gültig angesehen werden kann. Der
Wasserverbrauchsmaßstab beruht aber auf der Annahme, daß im Durchschnitt der
Benutzungsfälle (d.h. der jeweiligen Inanspruchnahme durch den Eigentümer des
einzelnen angeschlossenen Grundstücks) eine ungefähr gleichbleibende Relation
besteht zwischen der vom Grundstück abgeleiteten Schmutzwassermenge und der
Regenwassermenge; deshalb werden in Anwendung dieses Maßstabes die Kosten
auch der Niederschlagswasserbeseitigung im Durchschnitt ungefähr entsprechend
dem Regenwasseranfall der einzelnen Grundstücke auf die Benutzer der
gemeindlichen Entwässerungsanlage verteilt. Diese für die Gültigkeit des Maßstabes
unverzichtbare Relation kann jedoch bei größeren Gemeinden gestört sein, wenn
diese eine, intensivere Grundstücksnutzung in Kerngebieten (z.B. hohe Büro-,
Geschäfts-, und Verwaltungsgebäude auf kleinen Grundflächen) sowie in Gewerbe-
und Industriegebieten (mit einer größeren Anzahl von Wassergroßverbrauchern)
aufweisen. Bei diesen Grundstücken entspricht dann der Anteil des abgeleiteten
Regenwassers oftmals nicht mehr dem bei den übrigen Benutzern bestehenden
Verhältnis der Niederschlagswassermenge zu der Menge des abgeleiteten
Schmutzwassers. Dann aber reichen Billigkeitsmaßnahmen gemäß §§ 163, 227 AO
(früher § 131 RAO) für eine verhältnismäßig geringe Anzahl von
Wassergroßverbrauchern nicht mehr aus; vielmehr ist der auch auf die
Regenwasserableitung angewandte Wasserverbrauchsmaßstab für diese Gemeinde
wegen der örtlichen Verhältnisse ungültig. Zwar kann eine solche Benachteiligung von
Wassergroßverbrauchern in gewissem Umfang durch eine degressive
Gebührenstaffelung ausgeglichen werden. Ob die durch die Entwässerungssatzung
der Stadt ... vom 14. Dezember 1983 eingeführte Degression hierfür ausreicht, ist
nicht zu überprüfen, weil diese Satzung nicht für den hier streitigen
Heranziehungszeitraum, sondern erst ab 1. Januar 1984 gilt. Es sei aber darauf
hingewiesen, daß der Senat den Ausführungen auf S. 8 des angefochtenen Urteils
nicht zuzustimmen vermag, wonach eine erhebliche Gebührendegression für
Wassergroßverbraucher hier nicht erforderlich sei, weil (nach der vom
Verwaltungsgericht aufgrund des Beklagtenvorbringens aufgestellten
Vergleichsberechnung) die Kosten der Regenwasserbeseitigung nur 15 % der
gesamten Unterhaltungskosten der Kanalisationseinrichtungen der Stadt ausmachten.
Denn nach § 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 KAG ist maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die
Gültigkeit sowohl eines Wirklichkeits- als auch eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabes
nicht die Kostenverursachung, sondern die Inanspruchnahme. Deshalb ist nicht auf das
Verhältnis der Kosten der Regenwasserbeseitigung zu den Kosten der
Schmutzwasserbeseitigung abzustellen, sondern auf das Verhältnis
Regenwassermenge zu Schmutzwassermenge (Frischwassermenge abzüglich der auf
dem Grundstück zurückgehaltenen Menge). Dem Rat der Stadt ... bleibt es
überlassen zu überprüfen, ob die nunmehr eingeführte Gebührendegression diesen
und sonstigen an die Gültigkeit des Wasserverbrauchsmaßstabes zu stellenden
Anforderungen genügt und ob er weiterhin diesen Maßstab anwenden will oder es
vorzieht, anderen Städten zu folgen, die nur für die Schmutzwasserableitung den
Wasserverbrauchsmaßstab vorschreiben, für die Regenwasserableitung jedoch einen
anderen Maßstab, etwa den der befestigten und überbauten Fläche, wie dies
beispielsweise von</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Bauernfeind/Zimmermann, KAG NW, 2. Aufl., § 6 Rdnr. 53 (S. 177),</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">für derartige Fälle vorgeschlagen wird. Denn diese getrennte Maßstabsregelung
dürfte die bei größeren Gemeinden sich ergebenden rechtlichen Bedenken gegen die
Gültigkeit der Benutzungsgebührenregelung im Hinblick auf das Verhältnis
Schmutzwassermenge zu Regenwassermenge und dadurch bestehende
Unsicherheitsfaktoren im Hinblick auf das zu erwartende Gebührenaufkommen
weitgehend ausräumen.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die Berufung war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §
154 Abs. 2 und auf § 161 Abs. 2 VwGO; soweit die Hauptsache erledigt ist, hat der
Beklagte ebenfalls die Kosten zu tragen, weil er durch Herabsetzen der streitigen
Gebührenforderung in Höhe von 5.905,46 DM die Erledigung selbst herbeigeführt
hat.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die Revision konnte nicht zugelassen werden, weil die hierfür erforderlichen
Voraussetzungen (§§ 131 Abs. 2, 137 Abs. 1 VwGO) nicht vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
315,677 | ovgnrw-1984-08-07-5-b-125784 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
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"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 5 B 1257/84 | 1984-08-07T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:01 | 2019-03-27T09:42:30 | Beschluss | ECLI:DE:OVGNRW:1984:0807.5B1257.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das Verfahren wird eingestellt.</p>
<p>Der Beschluß des Verwaltungsgerichts Köln vom 3. Mai 1984 ist mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung wirkungslos.</p>
<p>Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.</p>
<p>Der Streitwert wird für beide Rechtszüge - für den ersten Rechtszug in Änderung des angefochtenen Beschlusses - auf 4.000,-- DM festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Nachdem die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen, der angefochtene Beschluß des Verwaltungsgerichts für wirkungslos zu erklären und über die Kosten nach dem bisherigen Sach- und Streitstand sowie billigem Ermessen zu entscheiden (§ 92 Abs. 2 entsprechend, § 161 Abs. 2, § 173 VwGO; 269 Abs. 3 ZPO entsprechend).</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Danach hat die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Denn sie wäre ohne den Eintritt der Erledigung der Hauptsache voraussichtlich unterlegen; eine andere Kostenverteilung unter Billigkeitsgesichtspunkten hält der Senat für nicht geboten.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Antragsbegehren richtete sich nach dem Wortlaut auf die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin, die jeweils auf Samstag angesetzten Klausurtermine des Praktikums für physiologische Chemie des Sommersemesters 1984 auf einen anderen Wochentag zu verlegen, hilfsweise, den Antragstellerinnen Nachklausuren an einem entsprechenden Wochentag zu bewilligen. Zweck und Vorgeschichte des Anordnungsverfahrens lassen aber erkennen, daß diese Alternativen nur beispielhaft für jede Prüfung stehen sollen, in der die Antragstellerinnen ihre erfolgreiche Teilnahme an dem Praktikum nachweisen können, ohne durch den Prüfungstermin in Konflikt mit ihrer religiösen Überzeugung als Siebenten-Tags-Adventisten zu geraten (Sabbatheiligung durch Arbeitsruhe).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Es spricht vieles dafür, daß die Antragstellerinnen einen Anspruch auf Verlegung der Klausurtermine oder Bewilligung gesonderter Prüfungen (Nachklausuren, mündliche Prüfungen) glaubhaft gemacht hatten, wobei dieser Anspruch als Gegenstück einer entsprechenden Ermessenseinschränkung der Antragsgegnerin erscheint (§ 123 Absätze 1 und 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegnerin steht bei der Organisation des Lehr-und Studienbetriebs einschließlich der Bestimmung von Klausurterminen ein weites Ermessen zu. Das ist im Beschluß des Verwaltungsgerichts zutreffend dargelegt. Den dortigen Ausführungen ist auch darin beizupflichten, daß der verantwortliche Hochschullehrer bzw. die Antragsgegnerin nach ihrem Ermessen darüber zu entscheiden haben, in welcher Form die erfolgreiche Teilnahme am hier in Rede stehenden Praktikum festzustellen ist. Anders als das Verwaltungsgericht geht der Senat bei summarischer Prüfung aber von einer Ermessenseinschränkung im Sinne des Antragsbegehrens aus. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die religiös motivierte Weigerung der Antragstellerinnen, an den samstags stattfindenden Praktikumsklausuren teilzunehmen, unterliegt dem Schutzbereich des Artikels 4 Abs. 2 GG.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 1980 - 7 RAr 93/79 -, NJW 1981, 1526.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Sie stellt ein nicht zu vertretendes Prüfungshindernis dar, das außerdem Sperrwirkung für die Zulassung der Antragstellerinnen zur Ärztlichen Vorprüfung äußert, weil dafür die erfolgreiche Teilnahme an diesem (Pflicht-)Praktikum vorgeschrieben ist. Dies wiederum berührt den Gewährleistungsbereich des Artikels 12 Abs. 1 GG, aufgrund dessen die Antragstellerinnen nicht nur Anspruch auf Teilnahme an den Lehr- und Studienveranstaltungen einschließlich der Prüfungen, sondern auch - als Gegenstück des im Prüfungserfordernis liegenden Eingriffs - Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Berücksichtigung eines von ihnen nicht zu vertretenden Prüfungshindernisses haben. Diese Rücksichtnahme ist vorliegend nur in der Weise möglich, daß dem Antragsbegehren entsprochen wird, weil anderenfalls die Antragstellerinnen den vorklinischen Studienabschnitt nicht abschließen, ihr Berufsziel nicht erreichen und damit über die grundrechtlich vertretbare Opfergrenze hinaus belastet würden.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vgl. BVerfG, Beschluß vom 13. Juni 1983 - 1 BvR 1239/82 -, NJW 1984, 912; BSG, Urteil vom 23. Juni 1982 - 7 RAr 89/81 -, NJW 1983, 701 (703 f.).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerinnen haben die eigenen Möglichkeiten, Abhilfe zu schaffen, ausgeschöpft. Sie haben den verantwortlichen Hochschullehrer schon Ende 1982 über die Konfliktsituation unterrichtet, die sich für sie aus dem Gebot zur Einhaltung der Sabbatruhe einerseits und der regelmäßigen Terminierung der Praktikumsklausuren auf Samstage andererseits ergab. Der Hochschullehrer hat sich aber, auch nach Einschaltung des Rektors der Universität, zu einem Entgegenkommen nicht bereit gefunden. Im Sommersemester 1983, Wintersemester 1983/84 und Sommersemester 1984 sind die Klausurtermine erneut auf Samstage festgelegt worden. Gleiches ist nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Antragstellerinnen auch für das kommende Wintersemester 1984/85 geschehen. Die vom Rektor und von dem Beauftragten für Studentenfragen ihrer Religionsgemeinschaft unterstützten Bemühungen der Antragstellerinnen, als Gasthörer an einer anderen Hochschule in der Bundesrepublik den Praktikumsschein zu erwerben (u. a. Hamburg, Düsseldorf, Aachen, Bonn, Heidelberg, Gießen), haben nichts erbracht. Ein Hochschulwechsel unter Aufgabe des von der Zentralstelle zugeteilten Studienplatzes erscheint nach den Umständen als nicht zumutbar.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerinnen haben wesentliche Nachteile in Kauf genommen und dadurch sowie durch ihre nachhaltigen Bemühungen um Abhilfe die Ernsthaftigkeit ihrer religiösen Bindung glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin      hat bereits zwei Semester Leerlauf in ihrem Studium aufzuweisen; aufgrund der beibehaltenen Terminierungspraxis der Antragsgegnerin droht ihr und der Antragstellerin       ein weiterer Studienleerlauf auf nicht absehbare Zeit. Das ist nicht hinzunehmen, zumal es auch dem öffentlichen Interesse widerspricht, knappe nc - Studienplätze organisatorischer Schwierigkeiten wegen faktisch ungenutzt zu lassen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Im Spannungsfeld zwischen den Interessen der Antragstellerinnen und den Organisationsinteressen der Antragsgegnerin und des verantwortlichen Hochschullehrers haben letztere zurückzutreten. Sie haben mehrere Semester faktisch den Vorrang gehabt und können zudem in gewisser Weise berücksichtigt werden, wenn darüber befunden wird, auf welche Art eine erfolgreiche Praktikumsteilnahme der Antragstellerinnen festgestellt werden soll (Terminsverlegung, Nachklausur, mündliche Prüfung). Es<sup>-</sup>mag dahinstehen, ob eine Terminsverlegung tatsächlich unmöglich ist, was die Antragsgegnerin behauptet hat. Denn einer individuellen Leistungskontrolle durch Nachklausur oder mündliche Prüfung steht jedenfalls nichts entgegen. Sie ist wegen der besonderen Umstände mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung (Chancengleichheit, Artikel 3 Abs. 1 GG) vereinbar, zumal es hier nur um den schlichten Nachweis einer erfolgreichen Praktikumsteilnahme, nicht um zu benotende Zwischen- oder Endexamina geht. Der Einwand, eine Einzelprüfung vertrage sich nicht mit dem didaktischen Konzept des verantwortlichen Hochschullehrers, greift ebenfalls nicht durch. Die Wissenschaftsfreiheit (Artikel 5 Abs. 3 GG) findet, soweit es um Prüfungen geht, in den Grundrechten der Antragstellerinnen aus Artikel 12 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 4 Abs. 2 GG ihre immanente Grenze.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Festsetzung des Streitwertes für beide Rechtszüge beruht auf § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1, § 25 Abs. 1 Satz 3 GKG.</p>
|
315,678 | olgham-1984-07-24-11-u-17284 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 11 U 172/84 | 1984-07-24T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:03 | 2019-03-27T09:42:30 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1984:0724.11U172.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Beklagten, die im übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 4. April 1984 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund teilweise abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin DM 5.325,95 nebst 21,07 % Zinsen vom 15. März 1983 bis 31. August 1985 und 9 % Zinsen seit dem 1. September 1985 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Die weitergehende Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Es beschwert die Beklagte in Höhe von DM 5.325,95, die Klägerin um DM 58,--.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte lebte von 1976 bis Ende Mai/Anfang Juni 1982 mit dem xxx. Sie ist Hausfrau und Rentnerin. Mit einem am 22. März 1982 bei der klagenden Teilzahlungsbank eingegangenen undatierten Schreiben bat sie darum, xxx 5.000,-- DM zu überweisen. Dabei sicherte sie zu, daß das Geld pünktlich in Monatsraten zurückgezahlt werde. Unter dem 29. März 1982 beantragten die Beklagte und xxx auf einem Formular der Klägerin bei dieser einen Ratenkredit in folgender Höhe:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">Beantragter Kredit DM 5.475,--</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">Restschuldversicherungsbeitrag <u>DM 164,80</u></p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">Antragssumme DM 5.639,80</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">Kreditgebühren 0,9% p.M. DM 2.030,40</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">Bearbeitungsgebühren <u>DM 164,30</u></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">Gesamtkreditbetrag DM 7.834,50</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte und xxx verpflichteten sich in dem mit xxx überschriebenen Formular zur Rückzahlung des Gesamtkreditbetrages in 40 Monatsraten, beginnend mit dem 1. Mai 1982. Der effektive Jahreszins wurde in dem Formular mit 22,8 % angegeben. Mit einem an xxx gerichteten Schreiben vom 30. März 1982 teilte die Klägerin diesem mit, daß sie dem Kreditwunsch entsprochen und den Kreditbetrag weisungsgemäß ausgezahlt habe. Nach einer auf dem Schreiben befindlichen Kreditabrechnung setzte sich der "beantragte Kredit" von DM 5.475,-- aus einem neuen Kredit von DM 3.000,-- und aus der Ablösung eines Vorkredits in Höhe von restlichen DM 2.475,-- (netto) zusammen. Von dem Schreiben erhielt auch die Beklagte Kenntnis. Am 3. April 1982 wurden per Postanweisung DM 2.981,30 von der Post an xxx ausgezahlt; DM 18,70 hatte die Klägerin für Postgebühren einbehalten. Auch davon erfuhr die Beklagte. Die Barauszahlung war für einen xxx des xxx bestimmt. Bis November 1982 wurden die vereinbarten Kreditraten gezahlt. Am 25. Oktober 1982 gab xxx auf Betreiben eines anderen Gläubigers die eidesstattliche Versicherung ab. Da weitere Ratenzahlungen ausblieben, kündigte die Klägerin den Kredit mit einem an xxx gerichteten Schreiben vom 31. Januar 1983 zur sofortigen Rückzahlung. Sie hat im Anschluß daran ihre Restforderung auf DM 5.383,95 ermittelt. Insoweit wird auf den überreichten Kontoauszug per 10. Februar 1983 Bezug genommen (Bl. 20 der Akten). Die Klägerin hat über diesen Betrag zuzüglich Zinsen und vorgerichtliche Mahnkosten Mahnbescheide gegen die Beklagte und xxx erwirkt. Gegen xxx ist auch am 20. April 1983 Vollstreckungsbescheid ergangen. Im streitigen Verfahren hat die Klägerin von der Beklagten Zahlung von DM 5.383,95 nebst 21,07 % Zinsen seit dem 1. Februar 1983 verlangt. Die Beklagte hat sich im wesentlichen damit verteidigt, daß mit ihr ein Darlehnsvertrag nicht zustande gekommen sei, weil die Klägerin die Annahme des Darlehnsantrages lediglich gegenüber xxx erklärt habe. Ferner hat sie geltend gemacht, der Darlehnsvertrag sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie meint weiterhin, daß der Darlehnsvertrag wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig und daß mangels Erklärung der Annahme ihr gegenüber ein wirksamer Darlehnsvertrag nicht zustande gekommen sei. Ferner wendet sie sich gegen die geltend gemachte Zinsforderung, gegen die berechneten Mahnkosten und gegen die Kosten der Anfrage beim Einwohnermeldeamt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">abändernd die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Sie verteidigt das angefochtene Urteil.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil sowie auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung hat nur zu einem geringen Teil Erfolg</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht der Berufung ist ein wirksamer Darlehnsvertrag auch mit der Beklagten zustande gekommen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Darlehnsvertrag ist nicht wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der der Senat folgt, ist ein Ratenkreditvertrag als wucherähnliches Ausbeutungsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn zwischen den Leistungen des Kreditgebers und den durch einseitige Vertragsgestaltung festgelegten Gegenleistungen des Kreditnehmers ein auffälliges Mißverhältnis besteht und darüber hinaus besondere Umstände vorliegen, die dem Vertrag ein sittenwidriges Gesamtgepräge geben. Vorliegend fehlt es bereits an einem auffälligen Mißverhältnis, so daß eine Sittenwidrigkeit des Darlehnsvertrages nicht in Betracht kommt. Der vereinbarte effektive Jahreszins - berechnet nach der sog. Uniformmethode - beträgt ohne Berücksichtigung der Kosten der Restschuldversicherung 22,83 %. Der marktübliche effektive Jahreszins belief sich zur damaligen Zeit - März 1982 - auf 16,62 %. Da der Vertragszins den Marktzins lediglich um 37,36 % überschreitet, ist die Annahme eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung nicht gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Nicht haltbar ist die Auffassung der Berufung, daß Nr. 4 Abs. 1 der Kreditbedingungen der Klägerin der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG nicht standhalte und <u>deswegen</u> der gesamte Darlehnsvertrag unwirksam sei. Wie sich aus § 6 Abs. 1 AGBG ergibt, bleibt ein Vertrag bei Unwirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen im übrigen wirksam. Nur unter ganz besonderen Umständen tritt Unwirksamkeit des ganzen Vertrages ein (vgl. § 6 Abs. 3 AGBG). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Berufung kann auch nicht darin gefolgt werden, daß ein Darlehnsvertrag mit der Beklagten nicht zustande gekommen sei, weil die Klägerin das Schreiben vom 30. März 1982 nur an xxx gerichtet habe.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Richtig ist, daß das mit xxx überschriebene Formular nur einen Antrag der Beklagten und xxx auf Abschluß eines Darlehnsvertrages enthielt.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Diesen Vertragsantrag hat die Klägerin auch gegenüber der Beklagten wirksam angenommen. Nach allgemeiner Ansicht kann die Annahme eines Vertragsantrages auch durch konkludente Willenserklärung ausgedrückt werden (Kramer in MünchKomm. z. BGB, 2. Aufl., § 151, Rdnr. 3 ). Die Beklagte hat - ebenso wie ihr damaliger Lebensgefährte xxx - der Klägerin den Abschluß eines Darlehnsvertrages angeboten. Der Darlehnsbetrag sollte ersichtlich xxx zufließen. Das ergibt sich aus dem undatierten, bei der Klägerin am 22. März 1982 eingegangenen Schreiben der Beklagten, in dem diese die Klägerin um ein Darlehen von DM 5.000,-- für xxx bittet (das weitere von der Klägerin erstinstanzlich überreichte Schreiben der Beklagten stammt ausweislich des Eingangsstempels aus dem Jahre 1980 und hat daher mit der vorliegenden Darlehnsgewährung nichts zu tun). Wenn die Klägerin im Anschluß an den ihr zugegangenen Darlehnsantrag der Beklagten und des xxx die Darlehnsvaluta (soweit sie nicht zur Ablösung des Vorkredits benötigt wurde) an xxx auszahlte, wovon die Beklagte alsbald Kenntnis erlangte, weil sie mit xxx zusammenlebte, dann beinhaltete die tatsächliche Auszahlung des Darlehnsbetrages zugleich die Annahme des Darlehnsantrages auch gegenüber der Beklagten. Im übrigen liegen aber auch die Voraussetzungen des § 151 Satz 1 BGB vor. Danach braucht die Annahme dem Antragenden gegenüber nicht erklärt zu werden, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet. Aus einer Vielzahl von Ratenkreditsachen ist dem Senat bekannt, daß die Annahme des formularmäßigen Darlehnsantrages vielfach durch die Auszahlung des Darlehns an den Darlehnsnehmer zum Ausdruck gebracht wird, ohne daß die Annahme ausdrücklich gegenüber dem Kreditbewerber schriftlich oder mündlich erklärt wird. Vielfach sehen sogar die Kreditbedingungen der Teilzahlungsbanken vor, daß der Darlehnsvertrag mit der Auszahlung der Darlehnsvaluta an den Kreditnehmer zustande kommt. Diese Handhabung rechtfertigt die Annahme einer entsprechenden Verkehrssitte. Zumindest sprechen die Umstände dafür, daß die Beklagte und xxx auf eine Annahmeerklärung ihnen gegenüber verzichtet haben. Denn ihnen kam es auf eine baldige Auszahlung des beantragten Kredits an. Eine Annahmeerklärung seitens der Klägerin liegt vor. Sie hat die Darlehnsgewährung, wie dem Darlehnsantrag entnommen werden kann, "genehmigt". Ferner hat sie die Darlehnssumme, soweit sie nicht zur Ablösung des Vorkredits verwendet wurde, ausgezahlt. Deutlicher kann der Annahmewillen nicht betätigt werden. Daß der Darlehnsbetrag - abzüglich der Postgebühren - an xxx ausgezahlt wurde, entsprach dem Willen der Beklagten. Denn nach dem Schreiben der Beklagten von März 1982 sollte der Darlehnsbetrag im Innenverhältnis xxx zur Verfügung stehen. Er hatte, wie die Beklagte bei ihrer Anhörung vor dem Senat angegeben hat, Kreditbedarf, weil er Geld für einen Autokauf benötigte.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Da hiernach der Darlehnsvertrag wirksam zustande gekommen ist, ist auch die Beklagte zur Rückzahlung des Darlehns verpflichtet, wenn das Darlehen gewährt worden ist (§ 607 Abs. 1 BGB). Darüber hinaus liegt ein Vereinbarungsdarlehen vor, soweit der Vorkredit aus der Darlehnssumme abgelöst werden sollte (§ 607 Abs. 2 BGB). Auch insoweit hat sich die Beklagte zur Darlehnsrückzahlung verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Das Bardarlehen hat die Klägerin gewährt. Es ist, wie bereits im anderen Zusammenhang erwähnt worden ist, vereinbarungsgemäß an xxx ausgezahlt worden. Die Beklagte war den Umständen nach hiermit einverstanden.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die geltend gemachten Mahnkosten von DM 50,-- und die Kosten für die Anfrage beim Einwohnermeldeamt in Höhe von DM 8,-- kann die Klägerin von der Beklagten nicht beanspruchen. Die (bestrittenen) Mahnkosten sind nicht belegt. Die Anfrage der Klägerin beim Einwohnermeldeamt hat sich auf xxx bezogen. Für dadurch möglicherweise veranlagten Kosten hat die Beklagte nicht einzustehen (§ 425 Abs. 2 BGB). Nr. 1 der Kreditbedingungen bietet keine Anspruchsgrundlage für die Geltendmachung der Kosten der Wohnungsanfrage.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Nach alledem kann die Klägerin von der Beklagten als Gesamtschuldnerin mit xxx Zahlung von insgesamt DM 5.325,95 verlangen. Dieser Betrag errechnet sich wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">Gesamtkreditbetrag DM 7.834,50</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">abzüglich Zahlungen DM 1.366,50</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">abzüglich Rückvergütung von Kreditgebühren <u>DM 1.142,05</u></p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:43px">DM 5.325,95</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Zinsen von diesem Betrag kann die Klägerin in Höhe des (bereinigten) effektiven Jahreszinses von 21,07 % lediglich bis 31. August 1983 fordern, also bis zum Ende der ursprünglich vereinbarten Laufzeit des Darlehens; danach stehen ihr Zinsen lediglich in Höhe von 9 % zu.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Allerdings hat die Klägerin sich nach Nr. 4 Abs. 2 ihrer Kreditbedingungen ausbedungen, daß die nach Rückrechnung verbleibende Restforderung vom Eintritt der Gesamtfälligkeit mit dem vereinbarten Jahreszins verzinst wird, und zwar ohne jede zeitliche Begrenzung. Wie der Senat zwischenzeitlich für eine ähnliche AGB-Klausel in seinem nichtrechtskräftigen Urteil vom 28. Juni 1985 - 11 U 129/84 - entschieden hat, halten Klauseln der vorliegenden Art nur teilweise der Inhaltskontrolle nach § 11 Nr. 5 AGBG stand. Nach dieser Vorschrift ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung unwirksam, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach den gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt (Nr. 5a) oder dem anderen Vertragsteil der Nachweis abgeschnitten wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale (Nr. 5b). Im vorliegenden Fall ist den Darlehnsnehmern der Nachweis eines geringeren Schadens durch Nr. 4 Abs. 2 der Kreditbedingungen nicht abgeschnitten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der der Senat folgt, braucht eine Schadenspauschalierungsklausel nicht den ausdrücklichen Vorbehalt des Rechts des Gegenbeweises zu enthalten, allerdings darf sich auch aus der Formulierung der Klausel nicht konkludent ergeben, daß der Gegenbeweis ausgeschlossen sein soll (BGH WM 1985, 473, 474 mit weiteren Nachweisen). Durch die hier gegebene Formulierung "berechnet die Bank" will sich der Verwender erkennbar nur die Darlegung der Schadenshöhe erleichtern und seine Beweislage verbessern; dem Kunden soll aber nicht die Möglichkeit des Gegenbeweises genommen werden (BGH a.a.O). Eine Unwirksamkeit der Klausel nach § 11 Nr. 5b AGBG scheidet deshalb aus.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die Klausel ist aber teilweise nach § 11 Nr. 5a AGBG unwirksam.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Nr. 4 Abs. 2 der Kreditbedingungen der Klägerin beinhaltet die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwender auf Schadensersatz im Falle des Verzuges des Darlehnsnehmers mit der Rückzahlung des Restdarlehens. Die Klausel betrifft sowohl die Zeit bis zum Ende der ursprünglich vereinbarten Laufzeit als auch die Zeit nach dem vorgesehenen Vertragsende. Es handelt sich dabei um zwei verschiedene Regelungsgegenstände, die zwar in einer Klausel zusammengefaßt und dort sprachlich nicht unterschieden sind, sachlich aber doch voneinander getrennt werden können. Der Senat hält es für zulässig und geboten, die Klausel nach den beiden Regelungsgegenständen getrennt einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz zu unterziehen. Es handelt sich dabei nicht um eine (unzulässige) sog. geltungserhaltende Reduktion, sondern um eine differenzierende Beurteilung einer teilbaren Klausel.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Klausel ist unbedenklich, soweit sich die Klägerin damit Zinsen in Höhe des vereinbarten Effektivzinses bis zum Ablauf der ursprünglich festgelegten Laufzeit des Darlehns ausbedungen hat. Denn für diesen Zeitraum entspricht der vereinbarte Effektivzins im Rahmen einer zulässigen generalisierenden Betrachtungsweise dem Schaden, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge im Verzugsfall zu erwarten ist.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Mit der wirksamen Kündigung des Darlehns wird das Schuldverhältnis beendet. Es erlöschen dann auch die beiderseitigen Verpflichtungen zur Erfüllung des Darlehns. Der Darlehnsnehmer hat zwar jetzt das empfangene Darlehn zurückzuerstatten (§ 607 BGB). Er schuldet aber, da das Schuldverhältnis in das Abwicklungsstadium getreten ist, keine Vertragszinsen mehr für die Nutzung des Kapitals.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Durch eine vom Darlehnsnehmer zu vertretende Kündigung und durch den Verzug mit der Rückzahlung des Darlehns entstehen dem Darlehensgeber Vermögensnachteile, deren Ausgleich dieser beanspruchen kann. Für die ursprünglich vereinbarte Laufzeit entsteht dem Darlehnsgeber ein Schaden insoweit, als er wegen der Vorenthaltung des Darlehenkapitals weiterhin mit den Refinanzierungskosten belastet bleibt; diese fallen bei wirtschaftlicher Betrachtung während der gesamten Laufzeit des Darlehens an, auch wenn die Bank die Refinanzierungskosten im Einzelfall nicht laufend, sondern durch Einmalzahlung oder durch Teilzahlungen in bestimmten Zeitabschnitten aufbringen sollte. Dem Darlehnsgeber entgeht darüber hinaus wegen der vom Darlehnsnehmer zu vertretenden Kündigung und des dadurch bedingten Wegfalls des Anspruchs auf Vertragszinsen der Gewinnanteil, der in den Vertragszinsen typischerweise enthalten ist. Es trifft nicht zu, daß sich der Schaden des Darlehnsgebers lediglich in den Refinanzierungskosten ausdrückt (so allerdings Reifner BB 1985, 87, 91); neben diesem Verzögerungsschaden entsteht vielmehr bei einer hier gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise ein Nichterfüllungsschaden. Dieser liegt im wesentlichen in dem Gewinn, den sich der Darlehensgeber von der Durchführung des Vertrages versprochen hat und der jetzt ausbleibt. Bei vertragsgemäßer Abwicklung wäre dieser Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit der Zahlung der vereinbarten Zinsen dem Darlehnsgeber zugeflossen. Das gilt für die gesamte Dauer der vereinbarten Laufzeit und nicht nur bis zu dem Termin, zu dem der Darlehnsnehmer den Darlehnsvertrag frühestens hätte kündigen können. Für den Ersatz entgangenen Gewinns kommt es auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge an (§ 252 BGB). Nach dem gewöhnlichen Verlauf kann davon ausgegangen werden, daß der Darlehnsnehmer den Vertrag nicht vorzeitig kündigt, sondern über die volle Laufzeit bestehen läßt (so auch Löwisch BB 1985, 959/960).</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Gegen den Ansatz des zu erwartenden Gewinns als Schadensposten kann nicht eingewandt werden, mit der Erstattung der Refinanzierungskosten im Rahmen des Schadensersatzes werde die Bank in die Lage versetzt, Kompensationsgeschäfte abzuschließen und sich den entgangenen Gewinn auf diese Weise zu verschaffen (so offenbar Reifner a.a.O. S. 91).</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Dabei wird übersehen, daß die Bank ohnehin so viele Kreditgeschäfte abschließt wie sie meint vertreten zu können. Trotzdem entgeht ihr bei dem konkreten, notleidend gewordenen Kreditgeschäft der Gewinn, den sie nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge erwarten durfte. Der Bank kann daher nach Auffassung des Senats der Gewinn nicht mit der Begründung vorenthalten werden, sie könne den Gewinnausgleich mit Hilfe der zugebilligten Refinanzierungskosten bei einem anderen Kreditgeschäft suchen (wobei ohnehin nicht sicher ist, daß der anderweitig erzielbare Gewinn dem Gewinn entspricht, der aus dem notleidend gewordenen Kreditgeschäft zu erwarten war). Der hier vertretenen Auffassung entspricht auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu AGB-Klauseln, mit denen sich die Bank insbesondere für den Fall, daß ein Darlehen nicht abgenommen wird, die Zahlung einer sogenannten Nichtabnahmeentschädigung ausbedingt (vgl. dazu BGH ZIP 1985, 673, 675 m. w. Nachweisen). Vielfach dient eine solche Nichtabnahmeentschädigung nicht nur der Abgeltung entstandener Aufwendungen der Bank, sondern auch dem Ausgleich des entgangenen Gewinns. Auch insoweit kann die Bank nicht darauf verwiesen werden, sich den ausgebliebenen Gewinn aus der Ausleihung des freigewordenen Darlehnsbetrages zu verschaffen. Die gleichen Überlegungen gelten, soweit mit den Vertragszinsen die allgemeinen Geschäftsunkosten ausgeglichen werden sollten.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Zusammenfassend ist mithin davon auszugehen, daß der Schaden der Bank bei Verzug des Kunden mit der Rückzahlung des Darlehens während der Dauer der vereinbarten Laufzeit typischerweise zum einen in den auf das Darlehnskapital entfallenden Refinanzierungskosten und zum anderen in dem entgangenen Gewinn aus dem gekündigten Vertrag besteht. Nach Auffassung des Senats ist im Rahmen einer zulässigen Schadenspauschalierung der ursprünglich vereinbarte Effektivzins geeignet, diesen Schaden auszudrücken, den der Darlehensgeber nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge erleidet, wenn er das Darlehen wegen vertragswidrigen Verhaltens des Darlehnsnehmers - vorzeitig - kündigt und der Darlehnsnehmer die Darlehnssumme dann nicht sofort zurückzahlt.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Soweit die Klausel in Nr. 4 Abs. 2 der Kreditbedingungen der Klägerin im Verzugsfall auch über die vereinbarte Laufzeit hinaus Zinsen in Höhe des vereinbarten Effektivzinses zubilligt, hält sie der Inhaltskontrolle nach § 11 Nr. 5a AGB-Gesetz nicht stand. In diesem Falle übersteigt die Schadensersatzpauschale den Schaden, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten ist. Denn nach Beendigung der ursprünglich vereinbarten Laufzeit des Darlehens besteht der Schaden wegen der Vorenthaltung der Darlehenssumme (und etwaiger anderer Beträge) typischerweise nur noch in den Refinanzierungskosten, die erheblich unter dem vereinbarten effektiven Jahreszins liegen können. Als Schaden kommt ein entgangener Gewinn nach Ende der vereinbarten Laufzeit nicht in Betracht. Denn es ist davon auszugehen, daß die darlehnsgewährende Bank sich bei Verzug des Kunden mit der Darlehensrückzahlung anderweitig refinanziert und auf diese Weise die Möglichkeit kompensiert, mit dem von dem Kunden geschuldeten Betrag gewinnbringend zu arbeiten.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Der teilweise Wegfall der Klausel Nr. 4 Abs. 2 der Kreditbedingungen führt indes nicht dazu, daß die Klägerin lediglich Verzugszinsen in Höhe von 4 % beanspruchen könnte (§ 288 Abs. 1 BGB). Vielmehr kann die Klägerin grundsätzlich für die Zeit nach der ursprünglich vereinbarten Laufzeit des Darlehens - also ab 1. September 1985 - nach § 288 Abs. 2 BGB Verzugszinsen in Höhe eines marktüblichen und tragbaren Wiederanlagezinses verlangen. Der Senat schätzt diesen Zins in ständiger Rechtsprechung anhand der in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank ausgewiesenen durchschnittlichen Sollzinssätzen für Kontokorrentkredite unter 1 Mio. DM. Er beträgt hier 9 %. Der Ausspruch über die künftig fällig werdenden Verzugszinsen ist nach § 258 ZPO zulässig (vgl. auch Wilczorek, ZPO, 2. Aufl., § 258 Anm. B II).</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Zutreffend hat das Landgericht der Klägerin Verzugszinsen ab 15. März 1983 zugesprochen. Verzug der Beklagten mit der Rückzahlung des Restdarlehens ist mit der Zustellung des Mahnbescheids xxx eingetreten. Der Zugang des Mahnbescheids enthält zugleich die fristlose Kündigung des Darlehens.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">IV.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Hiernach ist das angefochtene Urteil in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang abzuändern.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.</p>
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315,679 | olgham-1984-07-20-7-uf-32784 | {
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 7 UF 327/84 | 1984-07-20T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:04 | 2019-03-27T09:42:29 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1984:0720.7UF327.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Familiengerichts Meschede vom 19. März 1984 wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten der Berufung fallen der Antragstellerin zur Last.</p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien haben am 23. November 1979 geheiratet. Das vorliegende Verfahren ist mit Antrag der Ehefrau vom 11. April 1983 auf Scheidung der Ehe eingeleitet worden. Nachdem in dem Verfahren 3 C 217/82 AG Schmallenberg mit Urteil vom 26.10.1983 rechtskräftig festgestellt worden ist, daß das am 28. Februar 1979 geborene Kind xxx kein leibliches Kind des Antragsgegners ist, hat dieser Widerklage auf Aufhebung der Ehe erhoben. Mit dem angefochtenen Urteil, auf das gemäß § 543 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, hat das Familiengericht der Aufhebungsklage stattgegeben. Das Familiengericht sieht das Aufhebungsbegehren des Antragsgegners gem. § 32 EheG als begründet an; dieser habe sich bei Eingehung der Ehe über eine wesentliche Eigenschaft der Antragstellerin geirrt. Der Antragsgegner habe die Ehe nur deshalb geschlossen, weil er davon überzeugt gewesen sei, Vater des Kindes xxx zu sein. Die Bedeutung dieser Annahme für die Eheschließung gehe daraus hervor, daß der Antragsgegner sich vor der Heirat immer wieder dahin versichert habe, daß nur er Vater des Kindes sein könne. Die Antragstellerin habe dies gegenüber dem Antragsgegner und auch dessen Eltern ständig unterstrichen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit ihrer Berufung wiederholt die Antragstellerin die Auffassung, daß ein Irrtum über die Vaterschaft des Kindes xxx keinen Irrtum über eine persönliche Eigenschaft ihrer Person im Sinne von § 32 EheG darstelle. Vorsorglich weist sie darauf hin, daß auch der Aufhebungsgrund wegen arglistiger Täuschung gem. § 33 EheG nicht gegeben sei. Sie selbst sei der sicheren Überzeugung gewesen, daß nur der Antragsgegner Vater des Kindes sein könne.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin beantragt demgemäß,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den Aufhebungsantrag des Antragsgegners zurückzuweisen und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf die in der Rechtsmittelinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hat persönlich vor dem Senat ausgeführt: Sie möchte mit der Berufung erreichen, nicht "als Betrügerin" dazustehen. Sie sei der festen Überzeugung gewesen, daß nur der Antragsgegner Vater des Kindes sein könne. Ihr Verhältnis zu diesem habe bis Mai 1973 gedauert. Kontakte seien dann erst wieder nach und wegen der Geburt des Kindes geknüpft worden. Ihre Mutter habe den Antragsgegner xxx von der Geburt "seines" Kindes unterrichtet, man habe den Bruder des Antragsgegners zum Paten gebeten. Der Antragsgegner sei über diese Entwicklung zunächst unglücklich gewesen, er habe ihr gegenüber gesagt, daß er eigentlich eine Spanierin heiraten wolle. Wegen des Kindes hatten die Beziehungen sich dann aber doch wieder bis zur Heirat verdichtet.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Berufung muß ohne Erfolg bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Zu Recht ist das Familiengericht zu der Feststellung gelangt, daß der Antragsgegner die Aufhebung der Ehe wegen Irrtums über eine persönliche Eigenschaft der Antragstellerin gem. § 32 EheG begehren kann.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Nach dieser Vorschrift kann ein Ehegatte die Aufhebung der Ehe begehren, wenn er sich bei der Eheschließung über solche persönlichen Eigenschaften des anderen Ehegatten geirrt hat, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten haben würde.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Umstand, daß die Antragstellerin Mutter eines nicht vom Antragsgegner abstammenden Kindes ist, stellt eine persönliche Eigenschaft im Sinne dieser Vorschrift dar. Bereits das Reichsgericht (RGZ 104, 335) hat zu der für die Zeit vor Inkrafttreten des Ehegesetzes vergleichbaren Vorschrift, nämlich § 1333 BGB damaliger Fassung, die Auffassung vertreten, daß bei Beantwortung der Frage, was als persönliche Eigenschaft des anderen Ehegatten anzusehen ist, nicht eng am Wortlaut zu haften sei. Als Eigenschaften im Sinne dieser Vorschrift seien auch die dauerhaften persönlichen Verhältnisse anzusehen, die eng mit der Persönlichkeit des anderen Ehegatten verbunden sind. Das Reichsgericht hat in dem damals zu entscheidenden Fall einen zur Aufhebung berechtigenden Irrtum bejaht. Dem lag zugrunde, daß dem Ehemann bei Eingehung der Ehe nicht bekannt war, daß die Ehefrau Mutter eines lebenden vorehelichen Kindes war.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Mit vergleichbarer Begründung hat das Oberlandesgericht Celle ein Recht zur Aufhebung wegen Irrtums für den Fall bejaht, daß ein Mann die Ehe in der unzutreffenden Annahme schließt, die Braut sei von ihm schwanger, eine Schwangerschaft tatsächlich aber nicht besteht (OLG Celle, FamRZ 1958, 133; abweichend Reichsgericht Juristische Wochenschrift 1927, 1192, wo ohne Auseinandersetzung mit RGZ 104, 335 die Auffassung vertreten wird, daß die Schwangerschaft als solche keine Eigenschaft im Sinne der Aufhebungsvorschrift darstelle).</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der 4. Zivilsenat des erkennenden Gerichts hat entschieden, daß ein Irrtum über persönliche Eigenschaften im Sinne von § 32 EheG vorliege, wenn der Mann bei der Eheschließung fälschlich annimmt, Vater des (tatsächlich) erwarteten Kindes zu sein (FamRZ 1966, 150). Dieser Auffassung ist der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 4.4.1979 in einem obiter dictum beigetreten (FamRZ 1979, 470, 471).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Literatur vertritt überwiegend die Auffassung, daß der Irrtum über die Vaterschaft einen Aufhebungsgrund darstelle (vgl. z.B. Müller-Gindullis, MünchKomm., § 32 EheG, Anm. 41; Erman-Ronke, 7. Aufl., § 32 EheG, Anm. 3; mit Einschränkungen Gernhuber, Familienrecht, 3. Aufl., S. 134 Fußnote 9; Palandt-Diederichsen, 43. Aufl., § 32 EheG, Anm. 2, Stichwort "voreheliches geschlechtliches Verhalten"; jeweils m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist nach Auffassung des Senats auch der Irrtum über die Vaterschaft eines im Zeitpunkt der Eheschließung schon geborenen Kindes als zur Aufhebung berechtigender Irrtum anzusehen. Das Vorhandensein eines von einem anderen Mann abstammenden Kindes prägt die persönlichen Verhältnisse der Mutter auf Dauer; insoweit erscheint die vom Reichsgericht in RGZ 104, 335 vertretene Auffassung unverändert zutreffend. Es erscheint ferner nicht sachgerecht, den Irrtum über die Vaterschaft nur im Falle der im Zeitpunkt der Eheschließung bestehenden Schwangerschaft als Irrtum über eine Eigenschaft anzusehen. Ein innerer Grund für eine Differenzierung danach, ob das zur Eheschließung führende Kind bereits geboren ist, läßt sich nicht finden.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Demzufolge ist als Irrtum im Sinne von § 32 EheG anzusehen, daß sich der Antragsgegner bei Eingehung der Ehe über die Vaterschaft hinsichtlich des Kindes xxx geirrt hat. Das Familiengericht ist unter eingehender Würdigung insbesondere der Anhörung der Antragstellerin zu der von der Berufung nicht mehr angegriffenen Feststellung gelangt, daß der Antragsgegner ohne diesen Irrtum die Ehe nicht eingegangen wäre. Dies bestätigen die persönlichen Ausführungen der Antragstellerin vor dem Senat.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Antragstellerin wegen ihres Verhaltens im Zusammenhang mit der Heirat ein Vorwurf zu machen ist. Es kann also offenbleiben, ob die Antragstellerin in der Lage und verpflichtet war, den Antragsgegner über Zweifel an der Vaterschaft aufzuklären.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Da Reichsgericht und Bundesgerichtshof einen Fall, wie er vorliegend gegeben ist, noch nicht ausdrücklich entschieden haben und da in der Literatur vereinzelt die Auffassung vertreten wird, der Irrtum über die Vaterschaft berechtige nicht zur Aufhebung gem. § 32 EheG (so Soergel-Häberle, 11. Aufl., § 32 EheG, Anm. 5 und Dölle, Familienrecht, Bd. 1 S. 324), läßt der Senat zu dieser Frage von grundsätzlichem Interesse die Revision zu. Der Senat geht allerdings davon aus, daß seine Auffassung der Linie entspricht, die durch die Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 104, 335 sowie das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 4.4.1979 (FamRZ 1979, 470, 471) vorgezeichnet ist.</p>
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"id": 754,
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} | 5 Ca 853/84 | 1984-07-12T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:06 | 2019-03-27T09:42:29 | Urteil | ECLI:DE:ARBGAC:1984:0712.5CA853.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1.)          Die Beklagte wird verurteilt, aride Klägerin 783,33 DM (i.W.: siebenhundertdreiundachtzig 33/100 DM) nebst 4% Zinsen seit dem 3. 5. 1984 zu zahlen.</p>
<p>2.)          Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.</p>
<p>3.)          Der Streitwert wird auf 783,33 DM festgesetzt.</p>
<p>4.)          Die Berufung wird zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Tatbestand:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten über die Höhe des von der Beklagten zu zahlenden Zuschusses zum Mutterschaftsgeld der Klägerin nach § 14 Abs. 1 MuSchG.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist bei der Beklagten beschäftigt und befindet sich derzeit in Mutterschaftsurlaub. Im Jahre 1983 war auf ihrer Lohnsteuerkarte für das Jahr 1933 die Lohnsteuerklasse I eingetragen. Auf der ab 1.1.1984 geltenden Lohnsteuerkarte 1984 ist die Lohnsteuerklasse V eingetragen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">In der Zeit vom 10.1.1984 bis 24.4. 1984 unterlag die Klägerin dem Beschäftigungsverbot für werdende Mütter nach 3 Abs. 2 MuSchG bzw. dem Beschäftigungsverbot nach der Entbindung gem. § 6 Abs. 1 MuSchG. Während dieser Zeit erhielt sie von ihrer Krankenkasse, derilli ein Mutterschaftsgeld in Höhe von 25,-- DM pro Tag. Für den gleichen Zeitraum zahlte die Beklagte ihr einen Arbeitgeberzuschuß zum Mutterschaftsgeld in Höhe von 8,01 DM pro Tag. Bei der Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld legte die Beklagte den Bruttolohn der Klägerin für die Monate Oktober, November und Dezember 1983 zugrunde, ging dann jedoch nicht mehr von der in diesen Monaten geltenden Lohnsteuerklasse I aus, sondern ermittelte den Nettolohn der Klägerin aus deren Bruttolohn für die Monate Oktober bis Dezember 1983 bei gleichzeitiger Berücksichtigung der ab dem 1.1.1984 geltenden Lohnsteuerklasse V der Klägerin. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die von der Beklagten zu den Akten gereichte Aufstellung ( Bl. 12 d. A. ) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist der Ansicht, diese Berechnung stehe nicht in Einklang mit § 14 Abs. 1 Satzl und Satz 2 MuSchG. Danach seien für die Errechnung des Nettolohns und des sich daraus ergebenden Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld die letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Mutterschutzfrist maßgebend. Daß die Klägerin ab Januar 1984 eine andere Lohnsteuerklasse, nämlich die Lohnsteuerklasse V, habe, könne nicht zu ihrem Nachteil berücksichtigt werden. Lege man für die hier maßgeblichen Monate Oktober bis Dezember 1983 richtigerweise die Lohnsteuerklasse 1 zugrunde, betrage der Arbeitgeberzuschuß der Beklagten pro Tag 15,67 DM, so daß sich unter Verrechnung von unstreitigen Überzahlungen eine noch zu fordernde Differenz zugunsten der Klägerin in Höhe von 783,33 DM ergebe. Wegen der Einzelheiten der von der Klägerin vorgenommenen Berechnung wird auf Blatt 3 der Akten verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 783,33 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 3. 5. 1984 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Auffassung, für die Berechnung des Arbeitgeberzuschusses sei die ab Januar 1984 für die Klägerin geltende Lohnsteuerklasse V zugrunde zu legen. Die für den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld maßgebliche Steuerklasse sei nicht gesetzlich festgelegt. Aus Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 MuSchG ergebe sich jedoch, daß der Arbeitnehmerin während der Schutzfrist ( nur ) ihre Nettobezüge zu erhalten seien. Es entspreche nicht dem Schutzzweck dieses Gesetzes, der Arbeitnehmerin ein höheres Nettoeinkommen zu verschaffen, als sie bei voller Arbeitsleistung im Zeitraum der Mutterschutzfrist haben würde. Es komme für die zu berücksichtigende Steuerklasse nicht darauf an, daß die letzten drei Monate vor Beginn der Schutzfrist Berechnungsgrundlage seien. Vielmehr sei immer diejenige Steuerklasse entscheidend, die im Zeitpunkt der Fälligkeit der Zahlungen auf die betreffende Arbeitnehmerin anzuwenden sei.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze sowie auf die von den Parteien zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung des Arbeitgeberzuschusses der Beklagten zum Mutterschaftsgeld in Höhe des rechnerisch insoweit unstreitigen -Restbetrags von</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">733,33 DM.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG steht der Klägerin ein Anspruch auf Zuschuß zum Mutterschaftsgeld während der Schutzfristen der §§ 3 Abs. 2 und 6 Abs. 1 MuSchG zu. Der Zuschuß beläuft sich auf den Unterschiedsbetrag zwischen 25,-- DM und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertägliohen Arbeitsentgelt. Maßgebend für die Berechnung des durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelts sind nach § 14 Abs. 1 Satz 2 MuSchG die letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Mutterschutzfrist. Diese Regelung läßt nach Meinung der Kammer nur den Schluß zu, daß für dieerechnung des Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld der Nettolohn der Arbeitnehmerin maßgebend ist - abgesehen von den Sonderfällen des § 14 Abs. 1 Satz 3 MuSchG -, den diese während des dreimonatigen Bezugszeitraums erhalten hat. Bereits der Wortlaut des Gesetzes spricht nach Ansicht des Gerichts gegen die von der Beklagten vorgenommene Berechnung und gegen die von der Beklagten berücksichtigte und erst ab 1. 1. 1984 geltende Lohnsteuerklasse V der Klägerin. Wenn nämlich nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Arbeitsentgelt aus den letzten drei abgerechneten Kalendermonaten zugrunde zu legen ist, dann kann dies nach Ansicht der Kammer nur heißen, daß für die Ermittlung des Nettolohnes auch die in dem dreimonatigen Bezugszeitraum geltende Lohnsteuerklasse maßgebend ist, hingegen nicht diejenige Lohnsteuerklasse, die im Zeitraum der Fälligkeit des Zuschusses gilt. Andernfalls käme man dazu, zwar den Bruttolohn vergangenheitsbezogen aus den letzten drei Monaten zu ermitteln, die gesetzlichen Abzüge jedoch lediglich fiktiv aus einem anderen Zeitraum zu ermitteln. Dies würde insbesondere dann zu Verwirrung stiftenden Ergebnissen führen, wenn sich beispielsweise zwischen dem Ablauf des dreimonatigen Bezugszeitraums aus § 14 Abs. 1 Satz 2 MuSchG und dem Zeitpunkt der Fälligkeit des Arbeitgeberzuschusses - im vorliegenden Streitfall beispielsweise ab 1. 1. 1954 - der Steuersatz oder der Satz der Sozialabgaben geändert hätte. Wollte man derartige Änderungen - ebenso wie die Änderung der Lohnsteuerklasse -berücksichtigen, stünde dies nicht mehr im Einklang mit dem " um die gesetzlichen Abzüge verminderten ... Arbeitsentgelt ... aus den letzten drei abgerechneten Kalendermonaten ... <strong>",</strong> wie dies § 14 Abs. 1 MuSchG ausdrücklich vorschreibt.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Diesem Ergebnis stehen auch nicht Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 MuSchG entgegen. Sinn dieser Berechnungsformel ist es —insoweit in Übereinstimmung mit der wortgleichen Regelung für die Zahlung des Mutterschaftsgeldes durch die Krankenkasse nach § 200 Abs. 2 Satz 1 RVO -, dem Arbeitgeber wie auch der Krankenkasse verläßliche und von zufälligen Schwankungen bereinigte Ausgangswerte zur Verfügung zu stellen ( ebenso BSG, Urteil vom 22. 2. 1972 - 3 RK 85/69 - ). Durch das strikte Abstellen auf den Dreimonatszeitraum vor Beginn der Mutterschutzfrist soll dem Arbeitgeber eine praktikable Regelung zur Berechnung des Zuschusses an die Hand gegeben werden ( Bulla - Buchner, Mutterschutzgesetz, 5. Auflage, § 14 Rdn. 64 ). Die Lohnsteuer ist daher in der Höhe zu berücksichtigen, wie sie vom Arbeitgeber nach den gesetzlichen Bestimmungen aufgrund der Eintragung in der Lohnsteuerkarte der Arbeitnehmerin im maßgeblichen Zeitpunkt berechnet und einbehalten worden ist ( ebenso Bulla - Buchner, a. a. 0., § 13 Rdn. 117 ). Die Berechnung des Arbeitgeberzuschusses zum Mutterschaftsgeld ist daher ebenso wie die Berechnung des Mutterschaftsgeldes durch die Krankenkasse strikt vergangenheitsbezogen, so daß es also keine Rolle spielt, was die Frau verdient hätte, wenn sie gearbeitet hätte - Lebensstandariprinzip bzw. Bezugsmethode, nicht,rsatz des entgangenen Arbeitsentgelts - ( ebenso Töns, Muttersrthaftshilfe und Mutterschutzgesetz, § 14 MuSchG, Anm. 2 a (1) ).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Kammer verkennt nicht, daß diese gesetzliche Regelung im Einzelfall zu einer vorübergehenden einkommensmäßigen Begünstigung der in Mutterschutz befindlichen Arbeitnehmerin führen kann und daß durch eine Änderung der Steuerklasse - wie im vorliegenden Streitfall - in beschränktem Umfang ein finanzieller Vorteil der Arbeitnehmerin eintreten kann. Diese im Einzelfall entstehende Begünstigung kann nach Ansicht der Kammer aber nicht dazu führen, die vom Gesetzgeber geschaffene und nach Ansicht der Kammer eindeutige Bezugsmethode in derartigen Fällen praktisch außer kraft zu setzen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 28<sup>1</sup>: Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 3 ff. ZPO in Verbindung mit § 61 Abs. 1 ArbGG.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Zulassung der Berufung erfolgt nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG. Soweit ersichtlich ist eine einschlägige arbeitsgerichtliche oder sozialgerichtliche Rechtsprechung zu der hier aufgeworfenen Rechtsfrage bislang nicht veröffentlicht.</p>
|
315,681 | ag-aachen-1984-07-06-14-c-7584 | {
"id": 620,
"name": "Amtsgericht Aachen",
"slug": "ag-aachen",
"city": 380,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 14 C 75/84 | 1984-07-06T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:07 | 2019-03-27T09:42:29 | Urteil | ECLI:DE:AGAC1:1984:0706.14C75.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen. </p>
<p></p>
<p> Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen. </p>
<p></p>
<p> Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger nimmt die Beklagten aus Anlaß eines Verkehrsunfalles am 31.10.1983 auf Schadensersatz in Anspruch. Der Kläger hatte seinen Pkw seinerzeit im Einmündungsbereich N-Straße/P-Straße geparkt. Der Beklagte zu 2) befuhr mit einem Leichtlastkraftwagen der Beklagten zu 1) die P-Straße und bog nach rechts in die NStraße ein. Dabei kam es zur Berührung beider Fahrzeuge. Dem Kläger ist ein Schaden von insgesamt 955,-- DM entstanden. 764,-- DM hat die Beklagte zu 1) dem Kläger erstattet. Der Kläger meint, die Beklagten müßten ihm auch noch die restlichen 20 % seines Schadens ersetzen. Die Beklagten meinen, mehr als 80 % könne der Kläger nicht ersetzt verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 191,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12.01.1984 zu zahlen. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen, </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist unbegründet. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen über die bereits gezahlten 764,-- DM hinausgehenden Ersatzanspruch. Die dem Grunde nach unstreitige Eintrittspflicht der Beklagten aus §§ 823 ff. BGB, 7, 18 StVG beschränkt sich auf höchstens 80 % des dem Kläger entstandenen Schadens. Dies ergibt die im Rahmen des § 17 StVG vorzunehmende Abwägung aller Umstände des vorliegenden Falles. Im Rahmen dieser Abwägung ist zu berücksichtigen, daß nicht nur der Beklagte zu 1) den Unfall schuldhaft verursacht hat sondern daß auch dem Kläger ein Verschulden an dessen Zustandekommen anzulasten ist. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger durfte sein Fahrzeug seinerzeit nicht so parken, wie er es getan hat. Der Kläger verstieß gegen § 12 Abs. 3 Ziffer 1 StVO. Sinn dieses Parkverbotes ist es gerade, Gefahren und Belästigungen von Einbiegern abzuhalten (vergl. Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 18. Aufl., Randnummer 412). Im vorliegenden Falle handelt es sich also um den typischen Fall eines Unfalles, den das Parkverbot nach § 12 Abs. 3 Ziffer 1 StVO verhindern will. Der Kläger hat aber nicht nur gegen dieses Parkverbot verstoßen sondern den fließenden Verkehr noch zusätzlich dadurch behindert, daß er sein Fahrzeug so abstellte, daß dieses in die P-Straße hineinragte. Wieso eine Behinderung des fließenden Verkehrs deshalb nicht vorgelegen haben soll, weil auf der rechten Fahrbahn der P-Straße andere Fahrzeuge geparkt waren, ist nicht ersichtlich. Fahrzeuge, die unmittelbar im Einmündungsbereich geparkt sind, stellen für den fließenden Verkehr insbesondere für den abbiegenden Verkehr ein weitaus größeres Hindernis dar, als Fahrzeuge, die in ausreichender Entfernung von der Einmündung geparkt sind. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sein Fahrzeug habe nur geringfügig in die P-Straße hineingeragt. Denn nach seiner eigenen mit der Klageschrift vorgelegten Skizze ragte sein Fahrzeug immerhin ca. 1,5 Meter in die P-Straße hinein. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat daher den Verkehrsunfall in einem Maße mitverursacht und mitverschuldet, daß es nicht gerechtfertigt wäre, den Kläger im Rahmen der Abwägung gemäß § 17 StVG von seiner Haftung völlig freizustellen. Eine Mithaftung des Klägers in Höhe von 20 % ist das mindeste, was unter den gegebenen Umständen angezeigt ist. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 11, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Stritzel </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Richter am Amtsgericht </p>
|
315,682 | lg-dusseldorf-1984-06-25-4-o-31084 | {
"id": 808,
"name": "Landgericht Düsseldorf",
"slug": "lg-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 4 O 310/84 | 1984-06-25T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:09 | 2019-03-27T09:42:29 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1984:0625.4O310.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p> I.</p>
<p> Die Klageanträge zu I. 1a), II. 1) und II. 3) werden abgewiesen. Der Klagean- trag zu I. 2) wird abgewiesen, soweit er sich auf die im Klageantrag zu I. 1a) bezeichneten Handlungen bezieht.</p>
<p></p>
<p> II.</p>
<p> Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>T a t b e s t a n d :</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland die Erzeugnisse der Firma ( … ) . Die ( … ) ist Inhaberin des europäischen Patents ( … ) und deren Derivate (Klagepatent I). Das Patent wurde unter Inanspruchnahme der Priorität der Vereinigten Staaten von Amerika vom 22. Juli 1977 am 30. Juni 1978 angemeldet. Die Patentanmeldung wurde am 7. Februar 1979 offengelegt; die Erteilung des Patents am 14. Oktober 1981 bekannt gemacht. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die ( … ) ist ferner Inhaberin des europäischen Patents ( … ) ). Das Klagepatent II beruht auf einer ebenfalls unter Inanspruchnahme der Priorität der Vereinigten Staaten von Amerika vom 22. Juli 1977 am 30. Juni 1978 getätigten Anmeldung, die am 29. Oktober 1980 offengelegt wurde. Die Erteilung des Patents wurde am 2. März 1983 bekannt gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Ansprüche 1 und 2 des Klagepatents II lauten wörtlich wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">( … ) </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><b> - hier folgt eine Skizze –</b></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">worin </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">T Sauerstoff oder Schwefel und</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Y H oder C1 bedeutet.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">4-(5-Trifluormethyl-2-pyridyloxy)phenol.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist von der ( … ) ermächtigt worden, die sich aus den Klagepatenten I und II ergebenen Unterlassungsansprüche gegenüber der Beklagten gerichtlich geltend zu machen. Der Klägerin sind ferner von der ( … ) die sich aus Verletzungen der Klagepatente ergebenden Ansprüche auf Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz abgetreten worden.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland ein Nachauflauf-Grasherbizid mit der Bezeichnung "Fusilade", dessen Wirkstoff Butyl 2-(4-(5-trifluoromethyl-2-pryridyloxy phenoxy) propionat Gegenstand des Anspruchs I des Klagepatents I ist.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin nimmt die Beklagte aus beiden Klagepatenten auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz in Anspruch. Sie behauptet, der Wirkstoff des Erzeugnisses "Fusilade" sei auf dem Wege über das Zwischenprodukt 4-(5-Trifluormethyl-2-pryridyloxy)phenol (im folgenden als TFP bezeichnet) gewonnen worden, das den Gegenstand des Anspruchs 2 des Klagepatents II bildet. Diese Verbindung sei auch in einer Menge von 0,4 % in dem von der Beklagten vertriebenen Erzeugnis vorhanden.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu verurteilen,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ord- nungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, zu unter- lassen,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Nachauflauf-Grasherbizide mit dem die Verbindung 4-(5Trifluoromethyl-2- pyridyloxy)phenol der Strukturformel</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks"><b> - hier folgt eine Skizze –</b></p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">als Zwischenprodukt enthaltenden Wirkstoff</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Buty12-(4-(5-trifluoromethyl-2-pyridyloxy) phenoxy)-propionat (Common name: Fluazifop-butyl) der Strukturformel</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks"><b> - hier folgt eine Skizze –</b></p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">gewerbsmäßig feilzuhalten oder in den Verkehr zu bringen;</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">hilfsweise: Nachauflauf-Grasherbizide der vorstehend angegebenen Struktur- formel in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich West-Berlin ge- werbsmäßig feilzuhalten oder in den geschäftlichen Verkehr zu bringen, die im Ausland unter Verwendung des mit der vorstehend wiedergegebenen Struk- turformel gekennzeichneten Zwischenprodukts gewonnen worden sind;</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Nachauflauf-Grasherbizide mit dem Wirkstoff Buty12-(4-(5-trifluoromethyl-2- pyridyloxy) phenoxy)propionat (Common name: Fluazifop-butyl) der Struktur- formel</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks"><b> - hier folgt eine Skizze –</b></p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">gewerbsmäßig feilzuhalten oder in Verkehr zu bringen;</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">ihr unter Angabe der Liefermenge, -zeiten, -preise und Abnehmer, wobei der Beklagten mit Bezug auf die Mitteilung der Abnehmer der übliche Wirtschafts- prüfervorbehalt bewilligt werden möge, sowie unter Angabe ihrer nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs- und Vertriebskosten sowie des erzielten Gewinns über den Umfang der zu I. 1) im bezeichneten, im Fall des Klageantrags I. 1a) seit dem 29. November 1980, im Fall des Kla- geantrags I. 1b) seit dem 7. März 1979 begangenen Handlungen Rechnung zu legen;</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">II. </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">für die im Klageantrag I. a) bezeichneten, in der Zeit vom 29. November 1980 bis zum 2. April 1983 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädi- gung zu leisten;</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">für die im Klageantrag I. 1b) bezeichneten, in der Zeit vom 7. März 1979 bis zum 14. November 1981 begangenen Handlungen eine angemessene Ent- schädigung zu leisten;</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">allen Schaden zu ersetzen, der der Inhaberin der europäischen Patente 483 und 17767 durch die im Klageantrag I 1) bezeichneten, seit dem 2. April 1983 begangenen Handlungen der Beklagten entstanden ist und noch entstehen wird;</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">4.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">allen Schaden zu ersetzen, der der Inhaberin des europäischen Patents 483 durch die im Klageantrag I 1b) bezeichneten, seit dem 14. November 1981 begangenen Handlungen der Beklagten entstanden ist und noch entstehen wird.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Sie beruft sich gegenüber dem Klagepatent I auf ein älteres Recht. Mit Beschluß vom 27. Februar 1985 hat das Deutsche Patentamt der japanischen ( … ) , das deutsche Patent ( … ) betreffend 2-(4-(5-Trifluormethyl-2-pyridyloxy)-phenoxy)-propionsäurederivate und Herbicide, die diese Verbindungen enthalten, erteilt; die Veröffentlichung der Patentschrift steht noch bevor. Das bevorstehende Patent beruht auf einer Anmeldung vom 22. März 1978, bei der eine japanische Priorität vom 21. Juli 1977 in Anspruch genommen wurde. An der japanischen Prioritätsanmeldung hat die ( … ) und Lieferantin der Beklagten eine ausschließliche Lizenz erteilt. Die Beklagten sind der Auffasung, hieraus ergebe sich nicht nur gegenüber dem Klagepatent I, sondern auch gegenüber dem Klagepatent II ein Benutzungsrecht, das im Hinblick auf die bereits am 1. Februar 1979 erfolgte Offenlegung der Patentanmeldung 2812571 auch Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche der Klägerin wegen des erst seit Mai 1983 in der Bundesrepublik Deutschland vertriebenen Erzeugnisses "Fusilade" ausschließe. Von diesem Erzeugnis behauptet die Beklagte, es enthalte lediglich Spuren von TFP, die in dem Bereich von 0,1 % und oft auch darunter lägen und eine ungewollte und unvermeidliche Verunreinigung des Endproduktes darstellten.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Gegen den Einwand des älteren Rechts wendet sich die Klägerin mit der Behauptung, die japanische Prioritätsanmeldung offenbare kein Verfahren, mit dem die in der Patentanmeldung ( … ) beanspruchten Verbindungen hergestellt werden können. Teils seien die Ausgangssubstanzen zum Prioritätszeitpunkt gar nicht bekannt gewesen, teils führten die angegebenen Verfahrensmaßnahmen nur zur Herstellung von anderen Verbindungen, die nicht Gegenstand der Anmeldung seien.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks"><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</u></p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Der Rechtsstreit ist zur Endentscheidung reif, soweit die Klägerin die Beklagte aus dem europäischen Patent ( … ) (Klagepatent II) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz in Anspruch nimmt. Insoweit sind die Klageanträge unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, da die Beklagten durch den Vertrieb des Herbicids "Fusilade" nicht der Vorschrift des § 6 Patentgesetz (PatG) 1968 zuwider den Gegenstand der Erfindung in Verkehr bringen.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Eine der Patentinhaberin vorbehaltene Benutzung ergibt sich weder dann, wenn das Herbicid, wie die Klägerin behauptet, unter Verwendung der geschützten Verbindung als Zwischenprodukt hergestellt wird, noch bei einem Anteil von 0,4 % der geschützten Verbindung in dem Pflanzenschutzmittel. Es kann deshalb offenbleiben, ob der Hilfsantrag zum Klageantrag I. 1a) nicht bereits von dem Hauptantrag umfaßt ist.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte verletzt das Klagepatent II nicht, wenn sie Herbicide vertreibt, die – im Ausland – in einem Verfahren hergestellt worden sind, bei dem die geschützte Verbindung als Zwischenprodukt Verwendung gefunden hat.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Die Erfindung betrifft nach der Beschreibung in der Patentschrift neue Pyridiyloxy(thio)phenole, die Zwischenprodukte zur Herstellung neuer Substanzen für die Kontrolle von unerwünschtem Pflanzenwachstum, insbesondere von grasartigen Unkräutern, sind.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die Erfindung soll eine Trifluormethyl-pyridyl-(oxy/thio)-phenol-Verbindung der Formel</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks"><b>- hier folgt eine Skizze –</b></p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">schaffen, bei der T Sauerstoff oder Schwefel und Y H oder C1 sind. Die Verbindungen dieser Formel hätten sich als geeignet erwiesen zur Herstellung neuer Verbindungen, die insbesondere aktiv seien als Herbicide für die Kontrolle unerwünschter Vegetation, wie dies im Detail in der europäischen Patentschrift ( … ) offenbart sei.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch 2 ist wie Anspruch des 1 des Klagepatents II ein Stoffanspruch. Das Klagepatent II beansprucht, obwohl es die Pyridyloxy(thio)phenole als Zwischenprodukte bezeichnet, weder Schutz für ein Verfahren zur Herstellung des Endprodukts noch für das Endprodukt selber. Das angegriffene Endprodukt fiele deshalb nur dann als solches in den Schutzbereich des Klagepatents 17767, wenn es die geschützte Trifluormethyl-pyridylthiophenol-Verbindung enthielte. Das ist jedoch, abgesehen von dem, wie noch auszuführen sein wird, unerheblichen Restanteil von allenfalls 0,4 %, nicht der Fall. Das von der Beklagten vertriebene Herbicid enthält vielmehr den Wirkstoff Buty12-(4-(5-trifluoromethyl-2-pyridyloxy(phenoxy)propionat der Strukturformel</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks"><b>- hier folgt eine Skizze –</b></p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Dieser Stoff ist mit der geschützten Verbindung weder identisch noch kann er als deren Äquivalent bezeichnet werden.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus dem Trioxanbeschluß des BGH (BGHZ 57, 1) nicht hergeleitet werden, daß der Vertrieb eines unter Verwendung eines patentierten Zwischenprodukts hergestellten Wirkstoffs stets einen Eingriff in das für das Zwischenprodukt bestehende Patent bedeute. Wenn der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung ausführt, der durch einen Stoffanspruch gegebene Schutz, bei dem der Stoff durch das Verfahren zu seiner Herstellung gekennzeichnet sei, reiche weiter als der beschränkte Schutz der Erzeugnisse eines Verfahrens nach § 6 Satz 2 PatG 1968 (BGHZ 57, 1, 24), so besagt dies noch nichts darüber, in welcher Hinsicht der Schutzbereich eines Stoffanspruchs weiter ist als derjenige eines Verfahrens zur Herstellung des gleichen Stoffes.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Insoweit nämlich ist der Stoffanspruch weiter, als das Stoffpatent zu einem Schutz des Stoffes unabhängig von der Art seiner Herstellung führt (BGHZ 53, 274, 282/283 –Schädigungsbekämpfungsmittel; BGHZ 57, 1, 22 –Trioxan; Benkard/Ullmann, Patentgesetz, 7. Auflage, § 14, Rdnr. 48) und von dem absoluten Schutz des Stoffes jede Art seiner Verwendung erfaßt wird (BGHZ 51, 378, 389 – Disiloxan; BGH GRUR 1972, 638, 640 – Aufhellungsmittel; Benkard-Ullmann a.a.O., § 14, Rdnr. 49). Ist der geschützte Stoff in einem durch Weiterverarbeitung gewonnenen Endprodukt unverändert enthalten, so verletzt auch das in Verkehrbringen des Endproduktes das Stoffpatent (Benkard-Ullmann, a.a.O., § 14, Rdnr. 50), auch wenn das Endprodukt kein unmittelbares Erzeugnis des Verfahrens zur Herstellung des Stoffes mehr darstellt.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">All dies besagt aber noch nicht, daß der Schutzbereich eines Stoffanspruches auch insoweit über denjenigen eines Verfahrensanspruches hinaus ginge, als auch jedes "mittelbar" aus dem Stoff gewonnene Erzeugnis dem Patent unterfiele. Die Kategorie der unmittelbaren und mittelbaren Erzeugnisse ist vielmehr für den Stoffanspruch bedeutungslos; seine Reichweite richtet sich nicht nach § 6 Satz 2 PatG 1968, sondern ist unabhängig hiervon allein nach den für Sachansprüche geltenden Grundsätzen zu bestimmen (vgl. BPatG GRUR 1981, 122/123 – Benzothioxanthene).</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Insoweit stellt sich allerdings die Frage, ob der Schutz eines Erzeugnisses mit jeder Weiterverarbeitung endet, bei der der geschützte Gegenstand nicht unverändert erhalten bleibt. Hierzu wird die Auffassung vertreten, bei patentierten Zwischenprodukten und Halbfabrikaten erfasse der Schutz auch die Endprodukte, deren Eigenschaften wesentlich durch die Zwischenprodukte oder Halbfabrikate beeinflußt seien (Benkard/Bruchhausen a.a.O., § 9, Rdnr. 30 a; Moser von Filseck, GRUR 1977, 351, 353 ff, 356). Dies erscheint der Kammer jedoch zumindestens in der Formulierung als zu weit gehend; im Ergebnis können jedenfalls im vorliegenden Fall die Eigenschaften des Endproduktes die angestrebte Erstreckung des Schutzumfangs des Zwischenproduktes auf das Endprodukt nicht begründen.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Nach dem hier maßgeblichen Artikel 69 Abs. 1 des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente (EPÜ) wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt des Patentanspruchs bestimmt. Die Rechtsprechung hat stets betont, daß Erfindungen, die auf chemischen Wege hergestellte Stoffe betreffen, nach denselben Regeln zu behandeln sind wie Erfindungen auf allen übrigen Gebieten der Technik (BGHZ 53, 283, 288/289 – Anthradipyrazol; BGHZ 58, 280, 285 – Imidazoline; BGHZ 64, 86, 94 –Metronidazol). Für die Auslegung eines Stoffanspruchs bedeutet dies, daß sein unmittelbarer Gegenstand nur soweit reichen kann, wie der geschützte Stoff als chemische Verbindung bestimmter Konstitution verwirklicht wird.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">An einer solchen Verwirklichung fehlt es, wenn der geschützte Stoff als solcher nicht mehr vorhanden, sondern durch eine chemische Umsetzung in einen neuen Stoff umgewandelt worden ist, dessen pysikalische Eigenschaften (wie z.B. Schmelzpunkt) und dessen technische Verwendbarkeit andere als diejenigen des Ausgangsstoffes sind (vgl. von Pechmann, GRUR 1977, 377, 383; Utermann, GRUR 1981, 537, 539). Eben dies ist hier der Fall, da sich das TFP und die chemische Verbindung des Endprodukts unstreitig sowohl hinsichtlich ihrer pysikalischen Eigenschaften als auch hinsichtlich ihrer Verwendbarkeit unterscheiden, da das TFP die herbicide/Wirkung des Endprodukts gerade nicht aufweist.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der Klägerin kann es nicht ausreichen, daß das Zwischenprodukt bereits diejenige Trifluoromethyl-Gruppe in 5-Stellung des Pyridin-Ringes enthält, der das Endprodukt seine überlegenen herbiciden Eigenschaften v e r - d a n k e n soll.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Zwar hat der BGH in der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung GRUR 1969, 265 (Disiloxan) ausgeführt, Eigenschafteneinen auf chemischen Wege hergestellten, zur Weiterverarbeitung bestimmten neuen Stoffs, die Ursache seien für überlegene Eigenschaften bzw. Wirkungen, die sich bei der Verwendung des durch die Weiterverarbeitung gewonnenen Endprodukts zeigten, könnten, falls für das Zwischenprodukt Patentschutz begehrt werde, bei der Beurteilung des technischen Fortschritts und der Erfindungshöhe des Zwischenprodukts auch dann heranzuziehen seien, wenn bei der Weiterverarbeitung des Zwischenprodukts zu dem Endprodukt eine chemische Umsetzung erfolge. Auch hat der BGH in dem Dilactame-Beschluß (GRUR 1970, 506, 508) und in der Entscheidung GRUR 1974, 718 (Chinolizine) erläuternd dargelegt, daß für die Berücksichtigung der fortschrittlichen Eigenschaften des Endprodukts der bloße Kausalzusammenhang zwischen Eigenschaften des Zwischenproduktes und den bei der Verwendung des Endprodukts sich zeigenden – anderen – vorteilhaften Eigenschaften ausreiche. Daraus läßt sich aber nicht herleiten, daß die bloße Kausalität zwischen Eigenschaften des Zwischenprodukts und solchen des Endprodukts bereits ausreicht, auch den S c h u t z b e r e i c h des Zwischenprodukts auf das Endprodukt zu erstrecken. Hierfür kommt es vielmehr allein auf die Frage an, ob das Endprodukt den geschützten Stoff enthält.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Wenn der BGH (GRUR 1969, 265, 267 – Disiloxan; GRUR 1974, 718, 719 – Chinolizine) weiterhin ausführt, es müsse dem Anmelder überlassen bleiben, ob er seine Erfindung dort schützen lassen wolle, wo der mit seiner neuen Lehre zu erzielende technische Fortschritt begründet werde (das sei bei dem neuen Zwischenprodukt und dem Verfahren zur Herstellung des neuen Zwischenprodukts) oder dort, wo der technische Fortschritt in Erscheinung trete (das sei bei dem Endprodukt oder seiner Verwendung, eventuell auch bei dem zu dem Endprodukt führenden Gesamtverfahren), so ergibt sich auch hieraus nicht, daß eine Benutzung des Endproduktes zugleich auch einer Benutzung des Zwischenproduktes darstellt. Vielmehr gewähren die denkbaren unterschiedlichen Patente und Patentkategorien, wie der BGH in dem Disiloxan-Beschluß ausdrücklich anspricht, naturgemäß auch unterschiedlichen Schutz. Hierin liegt gerade der Sinn der Wahlmöglichkeit des Anmelders. Auch die Inhaberin des Klagepatents II hat sich diese Möglichkeit zu Nutze gemacht, indem sie mit dem Klagepatent I für das Endprodukt Schutz beansprucht hat. Daraus läßt sich aber nicht herleiten, auch das Klagepatent II müsse das Endprodukt erfassen.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Nach Auffassung der Kammer liegt hierin auch keine unbillige Beschränkung des Schutzbereichs eines Stoffpatents für ein Zwischenprodukt. Der Schutzbereich ist vielmehr demjenigen eines Patents vergleichbar, bei dem Schutz für eine Vorrichtung beansprucht wird, mit der in vorteilhafter Weise bestimmte Gegenstände hergestellt werden können. Auch der Schutzbereich eines solchen Patents erstreckt sich nicht auf die Erzeugnisse, die mit Hilfe der geschützten Vorrichtung hergestellt worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob und gegebenenfalls inwieweit der Schutzbereich eines Stoffpatents über den Gedanken der Äquivalenz auf abgewandelte Stoffe erstreckt werden kann. Jedenfalls könnte auch unter diesem Gesichtspunkt nur ein gleichwirkender, mit den erfindungswesentlichen Eigenschaften ausgestatteter Stoff als Verletzung der geschützten Verbindung angesehen werden. Insoweit mag Raum dafür sein, naheliegende Abwandlungen eines geschützten Stoffes zu erfassen, die seine Gebrauchstauglichkeit zu bestimmten in der Patentschrift offenbarten Zwecken unberührt lassen.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">An diesen Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall, da das Endprodukt, wie bereits ausgeführt, gerade nicht mit den Eigenschaften des Zwischenproduktes ausgestattet ist. Das angegriffene Endprodukt ist nicht geeignet zur Herstellung neuer Verbindungen, die insbesondere aktiv sind als Herbicide für die Kontrolle unerwünschter Vegetation (Spalte 1, Zeilen 22 bis 26 der Klagepatentschrift II), sondern stellt selbst eine solche Verbindung dar. Die Klägerin behauptet im übrigen auch nicht, daß es naheläge, das Zwischenprodukt in der in der EU-PS 483 beschriebenen Weise zu dem Endprodukt weiter zu verarbeiten.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Der Vertrieb des Herbicids "Fusilade" stellt auch nicht deshalb eine verbotene Benutzung der geschützten Verbindung dar, weil das Endprodukt einen Anteil von 0,1 oder 0,4 % TFP enthält.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Unstreitig stellt das TFP keinen Wirkstoff des Herbicids dar; es ist vielmehr entweder – wie die Klägerin behauptet – ein Restanteil des bei der Herstellung verwandten und nicht vollständig umgesetzten Zwischenprodukts oder aber eine – wie die Beklagte behauptet – unabhängig von der Art der Herstellung stets auftretende Verunreinigung des Endprodukts.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">In beiden Fällen wird das TFP a l s s o l c h e s von der Beklagten nicht der Vorschrift des § 6 PatG 1968 zuwider benutzt. Zwar kann nicht in Abrede gestellt werden, daß die Beklagte bei dem Vertrieb des Herbicids gewerbsmäßig handelt. Mit der Beschränkung des Ausschließlichkeitsrecht auf die gewerbsmäßige Benutzung bringt das Gesetz jedoch zum Ausdruck, daß es nur wirtschaftlich sinnvolle Benutzungshandlungen dem Patentinhaber vorbehalten will. So läßt es sich auch erklären, daß die Rechtsprechung bei verschlechterten Ausführungsformen für die Annahme einer Patentverletzung verlangt, daß die vom Patent erstrebte eigentümliche vorteilhafte technische Wirkung noch p r a k t i s c h w i r k s a m in Erscheinung tritt (vgl. BGH, GRUR 1962, 575, 576 – Standtank; Benkard/Ullmann a.a.O., § 14, Rdnr. 149). Eine rechtserhebliche Benutzung setzt nach Auffassung der Kammer eine zweckgerichtete, sinnvolle Verwendung des Erfindungsgegenstands voraus (vgl. auch Benkard/Ullmann a.a.O., § 14, Rdnr. 114). Dabei kommt zwar bei einem Stoffpatent grundsätzlich jeder Verwendungszweck in Betracht, mag er auch in der Patentschrift nicht offenbart worden sein. Als Bestandteil des Herbicids erfüllt die geschützte Verbindung jedoch überhaupt keinen Zweck (mehr), sie ist vielmehr funktionslos und könnte ohne Nachteil für das Endprodukt ausgeschieden werden, wenn dies technisch und unter vertretbaren Aufwand möglich wäre. Unter diesen Umständen ist in dem Vertrieb des Erzeugnisses "Fusilade" eine dem Patentinhaber vorbehaltene Benutzung des geschützten Zwischenproduktes nicht zu sehen.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Der Rechtsstreit über die auf das Klagepatent I gestützten Ansprüche ist noch nicht zur Endentscheidung reif, da insoweit der Aufklärung bedarf, ob die japanische Patentanmeldung vom 21. Juli 1977 eine ausführbare technische Lehre offenbart. Mit Rücksicht hierauf ist die Kostenentscheidung dem Schlußurteil vorzubehalten.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO. Jedoch bedarf es der Bestimmung einer Sicherheitsleistung nicht, da eine Zwangsvollstreckung der Beklagten aus dem Urteil mangels eines Kostenausspruchs nicht in Betracht kommt.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Rogge Paulsen Meier-Beck</p>
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315,683 | lg-kleve-1984-06-25-3-t-5984 | {
"id": 811,
"name": "Landgericht Kleve",
"slug": "lg-kleve",
"city": 445,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
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} | 3 T 59/84 | 1984-06-25T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:10 | 2019-03-27T09:42:29 | Beschluss | ECLI:DE:LGKLE:1984:0625.3T59.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde des Prozeßbevollmächtigten des Klägers gegen den Streitwertheschluß des Amtsgerichts Geldern vom 5. Juli 1984 - 3 C 206/84 - wird zurückgewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:86px">Gründe:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:86px">Durch den angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht den Streitwert für die vom Kläger erhobene Räumungsklage auf 4.200,0 DM festgesetzt; bei der Berrechnung nach § 16 GKG ist es von dem vereinbarten Mietzins von monatlich 350,00 DM ohne die zusätzlich vereinbarten Nebenkosten ausgegangen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:86px">Die dagegen eingelegte Beschwerde, die eine Einbeziehung der Nebenkosten in die Streitwertberechnung fordert, ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:86px">Bei der Berechnung des Gebührenstreitwertes für eine Räumungsklage nach §16 GKG ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob und in welchem Umfange Nebenkosten mit zu berücksichtigen sind. Bereits mit Beschluß vom 30. Juni 1982 - 3 T 57/82 -hat die Kammer die Auffassung zum Ausdruck gebracht, daß der Streitwert nach § 16 GKG für eine B1umungsklage nach dem Nettomietzins ohne die vereinbarten Nebenkosten zu berechnen ist. Die Kammer hält es nämlich hei der Streitwertbemessung nach § 11 GKG für sachgerecht, die Leistungen des Vermieters in die "eigentliche Raumüberlassung" und "zusätzliche Leistungen" aufzuteilen, wenn die Parteien in dem Mietvertrag für die einzelnen Teile der Vermieterleistungen gesonderte Ansätze ausgeworfen haben. Denn durch eine derartige Vereinbarung haben die Vertragsschließenden zu erkennen gegeben, daß sie selbst differenzieren zwischen der Überlassung des Wohnraumes und den Nebenleistungen des Vermieters.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:85px">Zudem sind die wertmäßig besonders relevanten Nebenkosten, nämlich die für Heizung, Warmwasser, Kanalisation, Elektrizität, Gas, entweder vom Verbrauch oder von der Personenzahl der Mietpartei abhängig. Wenn etwa im Falle hoher Verbrauchskosten die vom Vermieter insoweit zu erbringenden Leistungen den Wert der Vermieterleistung in ihrer Gesamtheit nicht unerheblich steigern, so bleibt doch der reine Nutzungswert des überlassenen Wohnraumes gleich und spiegelt sich allein in der vom Mieter zu zahlenden Grundmiete, nicht aber in den verbrauchsahhingigen Nebenkosten wieder (siehe LandgerichtUlm, MDT 1979,768 mit weiteren Nachweisen).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:86px">Ferner werden die verbrauchsabhängigen Nebenkosten von den Mietvertragsparteien bewußt von dem eigentlichen Mietzins getrennt, weil die erheblichen Schwankungen auf dem. Energiesektor diese Kosten für den Vermieter nicht mehr kalkulierbar machen und es angemessen erscheint, das Risiko dieser vom Verbrauch des Mieters abhängigen Kosten dem Vermieter nicht anzulasten.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:86px">Weiter ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund der Nutzungstwert einer Wohnung davon abhängen soll, oh der Mieter die zur Versorgung mit Wärme, Wasser, Strom etc. nötigen Energieverträge mit dem Vermieter oder unmittelbar mit dem Versorgungsunternehmen abgeschlossen hat. Damit steht im Zusammenhang, daß der Vermieter fiir die Versorgungsleistungen kein Entgelt erhält, sondern daß die dafür entstehenden Kosten bei dem Vermieter lediglich ein durchlaufender Posten sind, den er nach den üblichen mietvertraglichen Vereinbarungen ohne irgendwelchen Zuschlag dem Mieter anteilmäßig in RechnuSchließlich spricht für eine ausschließliche Berückichtigung der Grundmiete hei der Berechnung des Nietzinses im Sinne des § 16 GKG auch die dann mögliche einfachere und damit praktikabelere Berechnungsweise. Denn die Einbeziehung gerade der verbrauchsabhängigen Nebenkosten erfordert zumindest die Vorlage der Nehenkostenabrechnung für den letzten Berechnungszeitraum, wenn nicht sogar die erst noch anzustellende Abrechnung für den unmittelbar vor dem Urteil über das Räumungsbegehren liegenden Zeitraum. Wenn nämlich die Nebenkosten als Bestandteil des Mietzinses in die Streitwertberechnung aufgenommen würde, so ist nicht einzusehen, aus welchem Grunde lediglich die monatlichen Vorauszahlungen zugrunde gelegt werden sollten (so aber LG Anwaltsblatt 1081, 286); vielmehr müßten dann nicht Fiktive, sondern die tatsäichlich entstandenenng stellt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:86px">Nebenkosten in die Streitwertberechnung einfließen. Da die Nebenkosten also meist nur nach weiteren Nachforschungen zu ermitteln sind, erscheint es auch aus Gründen der Praktikabiltät angebracht, sie bei der Streitwertberechnung außer Ansatz zu lassen, wenn und soweit die Parteien sie im Mietvertrag bewußt vom eigentlichen Mietzins getrennt haben.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:85px">Auch abweichende Entscheidungen einzelner Gerichte geben der Kammer keine Veranlassung, von ihrer bisherigen Rechtsprechung zur Frage der Streitwertfestsetzung bei Räumungsklagen abzuweichen. Sie befindet sich mit ihrer Hinsicht vielmehr in Übereinstimmung mit der überwiegenden Rechtsnrechung sowie der herrschenden Meinung (vgl. Gelhaar, zum Streitwert in Räumungssachen in ZMR 1982, 359; LG Frankfurt in MDR 1982, 504 u. a. ).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:85px">Die Entscheidung {über die Beschwerde ergeht gerichtsgebührenfrei. Eine Auslagenerstattung findet nicht statt (§ 25 Abs. 3 GKG)</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:85px">Beschwerdewert: 160,-- DM</p>
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315,684 | lg-munster-1984-06-20-13-o-baul-1182 | {
"id": 815,
"name": "Landgericht Münster",
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"city": 471,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 13 O (Baul.) 11/82 | 1984-06-20T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:11 | 2019-03-27T09:42:29 | Urteil | ECLI:DE:LGMS:1984:0620.13O.BAUL11.82.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Bescheid des <strong>Regierungspräsidenten Münster</strong> vom 30.09.1982 (Aktenzeichen: 35.3.4. – 6704) wird aufgehoben.</p><p>Es wird festgestellt, dass auch der Ausbau der <strong>B ###</strong> innerhalb des förmlich festgesetzten Sanierungsgebiets „Stadtzentrum“ lt. Sanierungssatzung vom 17.07.1972 sanierungsbedingt ist und dass die <strong>Stadt J</strong> verpflichtet ist, der <strong>Deutschen Bundespost</strong> alle entstehenden sanierungsbedingten Folgekosten aus der Verlegung, Änderung und dem Ersatz von Fernmeldeanlagen zu erstatten, und zwar insbesondere die Kosten</p><ul><li><p>1 Der Fernmeldebaumaßnahmen im Bereich der <strong>B ###</strong> innerhalb des Sanierungsgebiets;</p></li><li><p>2 Der Fernmeldemaßnahmen im Einzugsbereich der <strong>verlängerten X / C</strong> innerhalb des Sanierungsgebiets.</p></li></ul><p>Im Übrigen wird der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.</p><p>Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 89 % die Beteiligte zu 2) und zu 11% die Beteiligte zu 1).</p><p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beteiligte zu 1) jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 DM.</p><p>Der Beteiligten zu 1) wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500 DM abzuwenden, wenn nicht die Beteiligte zu 2) vorher Sicherheit in dieser Höhe leistet.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Tatbestand:</strong></p><span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für Fernmeldebaumaßnahmen in <strong>J.</strong></p><span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Durch das Stadtgebiet von <strong>J</strong> verläuft von Süden nach Norden die Bundesstraße ###, die bislang nördlich der Altstadt die Bundebahnstrecke S / P höhengleich kreuzte. Durch einen unter dem 16.04.1982 erlassenen Planfeststellungsbeschluss des Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen ist u.a. die kreuzungsfreie Unterführung der Bundesstraße ### vorgesehen; die hierzu erforderlichen Ausbauarbeiten sind derzeit im Gange.</p><span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Ein Teil der Bundesstraße ### sowie ihrer Kreuzung mit der Bahnlinie liegt im Bereich des durch Satzung der Beteiligten zu 2) vom 17.07.1972 festgelegten Sanierungsgebietes „Stadtzentrum“, welches im Norden durch die C, im Osten durch die B ###, im Westen durch die <strong>L</strong> und im Süden durch die C1, die L1 und die O begrenzt wird. Gleichzeitig wird das fragliche Gebiet vom Geltungsbereich des seit 1979 rechtsverbindlichen Bebauungsplans Nr. 108 „O1“ erfasst.</p><span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Aufgrund des Ausbaus der Bundesstraße ### werden Fernmeldebaumaßnahmen (Kabel- und Kabelkanalverlegungen u.ä.) erforderlich, für deren Kosten die Beteiligte zu 1) die Beteiligte zu 2) in Anspruch nimmt. Zur Begründung ihres zu diesem Zweck nach erfolglosem Vorverfahren gestellten Antrages auf gerichtliche Entscheidung trägt die Beteiligte zu 1) im wesentlichen vor, es sei ein Ersatzanspruch gegen die Beteiligte zu 2) nach Maßgabe des § 24 Städtebauförderungsgesetz gegeben, da ihr, der Beteiligtem zu 1), die fraglichen Fernmeldeanlagen infolge der Durchführung der Sanierung seitens der Beteiligten zu 2) nicht mehr zur Verfügung stünden. Ohne den sanierungsbedingten Ausbau der Bundesstraße ### und ohne die Schaffung der Kreuzung B1 / X hatte für sie, die Beteiligte zu 1), kein Anlass bestanden, die vorhandenen Kabel und Kabelkanäle zu ändern, zu verlegen oder zu ersetzen. Das die erforderlichen Kabelarbeiten aufgrund der Sanierung des Stadtkerns erforderlich geworden seien, ergebe sich zum einen schon daraus, dass nahezu alle betroffenen Fernmeldeanlagen im Bereich des förmlich festgelegten Sanierungsgebietes lägen, zum anderen aber auch aus den in verschiedenen Bebauungsplänen und Bebauungsplanentwürfen der Beteiligten zu 2) zum Ausdruck gekommenen Planungsabsichten, die auf der Gesamtkonzeption einer untrennbaren Verknüpfung vom Sanierung und Untertunnelung der Bundesstraße ### beruhten. Da es herbei ausreiche, dass die fraglichen Fernmeldebaumaßnahmen durch die Sanierungsziele mit verursacht würden, müssten die entstehenden Kosten als erstattungspflichtig angesehen werden. Erstattungsfähig seien schließlich auch die Kosten für südlich der Gabelung B1 / P1 und damit zwar außerhalb des förmlich festgesetzten Sanierungsgebiets notwendig werdende Fernmeldebaumaßnahmen, die aber sanierungsbedingt und aus technischen und wirtschaftlichen Grüßen nur einheitlich mit den übrigen im Bereich der Bundesstraße ### verlaufenden Fernmeldeanlagen zu verlegen seien.</p><span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligte zu 1) beantragt,</p><span class="absatzRechts">7</span><ul class="absatzLinks"><li><span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">1 den Bescheid des Regierungspräsidenten Münster vom 30.09.1982 (Aktenzeichen: 35.3.4-6704) aufzuheben;</p></li><li><span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">2 ferner festzustellen, dass auch der Ausbau der B ### innerhalb des förmlich festgesetzten Sanierungsgebietes „Stadtzentrum“ lt. Sanierungssatzung vom 17.07.1972 sanierungsbedingt ist und das die Stadt J verpflichtet ist, der Deutschen Bundespost alle entstehenden sanierungsbedingten Folgekosten aus der Verlegung, Änderung und dem Ersatz von Fernmeldeanlagen zu erstatten, und zwar insbesondere die Kosten</p></li></ul><span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">(1)   der Fernmeldebaumaßnahmen im Bereich der B ### innerhalb des Sanierungsgebiets;</p><span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">(2)   der Fernmeldebaumaßnahmen im Einzugsbereich der verlängerten X / C innerhalb des Sanierungsgebiets;</p><span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">(3)   der Fernmeldebaumaßnahmen südlich und östlich des Sanierungsgebiets, soweit sie mit dem vor dem Hause P1 4 gelegenen  Kabelschacht Nr. 7 im Zusammenhang stehen, und zwar</p><span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">a.)    Die Verlegungs- und Anschlusskosten für das vom Kabelschacht Nr. 7 zur Lötstelle 2 hinführende Ortskabel, das teilweise innerhalb, teilweise außerhalb des Sanierungsgebiets liegt,</p><span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">b.)    Die Verlegungs- und Anschlusskosten für das vom Kabelschacht Nr. 7 zur Lötstelle 1 hinführende und außerhalb des Sanierungsgebiets liegende Ortskabel,</p><span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">c.)    Die Verlegungs- und Anschlusskosten der Fernmeldebaumaßnahmen vom Kabelschacht Nr. 7 bis zur Grenze des Sanierungsgebiets des aus nördlicher Richtung auf den Kabelschacht Nr. 7 zulaufenden Kabelkanals nebst Fernmeldekabeln,</p><span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">d.)    Die Verlegungs- und Anschlusskosten der Fernmeldeleitung vom Kabelschacht Nr. 7 bis zum Kabelverzweiger A 97 und der vom Kabelverzweiger A 97 in das Sanierungsgebiet abgehende Verzweigerleitungen.</p><span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligte zu 2) beantragt,</p><span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">die Anträge zurückzuweisen.</p><span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Sie trägt im Wesentlichen vor, die geltend gemachten Ansprüche bezögen sich teilweise auf Maßnahmen außerhalb des Sanierungsgebiets und seien damit nach dem eindeutigen Wortlaut des § 24 Städtebauförderungsgesetz nicht erstattungsfähig. Die Straßenbaumaßnahme sie auch in zeitlicher Hinsicht unabhängig von der Sanierungsmaßnahme erfolgt. Der Bundesstraßenabschnitt, der im Sanierungsgebiet liege, sei Teil einer Verkehrsführung, die nicht nur die gesamte Ortsdurchfahrt der Stadt J, sondern das großräumige, überörtliche Verkehrskonzept betreffe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Verbindung zwischen Bundesstraße und Sanierungsgebiet als zufällig und additiv in dem Sinne anzusehen sei, dass ein innerer Zusammenhang zwischen Straßenbau, Eisenbahnunterführung und Sanierungsgebiet nicht bestehe. Die Bundesstraße diene auch nur der Aufnahme des überörtlichen und gesamtstädtischen Verkehrs, nicht aber dem Verkehr innerhalb des Sanierungsgebiets oder der Erschließung des Sanierungsgebiets selbst. Auf die Frage, ob die Verlegungskosten etwa durch das Sanierungskonzept der <strong>Stadt J</strong> insgesamt veranlasst worden seien, komme es nicht an, da die Kostenerstattungspflicht nur eintreten könne, wenn die Planungen im Sanierungsgebiet selbst für die Verlegungskosten kausal gewesen wären.</p><span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Berichterstatter hat am 30.05.1984 eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Auf das darüber gefertigte Protokoll wird Bezug genommen.</p><span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Wegen des Sachverhalts im Übrigen und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der dazu vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.</p><span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks"><strong>Entscheidungsgründe:</strong></p><span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zum überwiegenden Teil begründet.</p><span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">§ 24 Abs. 1 S. 1 Städtebauförderungsgesetz – StBauFG – sieht (u.ä.) vor, dass – wenn in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet Fernmeldeanlagen der Deutschen Bundepost infolge der Durchführung der Sanierung nicht mehr zur Verfügung stehen und besondere Aufwendungen erforderlich sind, die über das bei ordnungsgemäßer Wirtschaft erforderliche Maß hinausgehen z.B. der Ersatz oder die Verlegung dieser Anlagen, die Gemeinde dem Träger der Aufgabe die ihm dadurch entstehenden Kosten zu erstatten hat.</p><span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Was hierbei die – im Mittelpunkt des vorliegenden Rechtsstreits stehende – Voraussetzung „infolge der Sanierung“ anlangt, so wäre dieses Tatbestandsmerkmal nur zu verneinen, wenn ganz besondere Umstände im Einzelfall belegen würden, dass die verkehrlichen Belange für den Neu- bzw. Ausbau der Straße – hier der Bundesstraße ### – ganz überwiegend im Vordergrund stünden, d.h. die Kausalität zwischen Sanierung und Verlegung der Anlage wäre nur dann ausgeschlossen, wenn die Änderung oder der Ausbau der Straße aus „sonstigen allgemeinen Gründen des Verkehrs vorgenommen wurde, die mit der Sanierung allenfalls mittelbar im Zusammenhang stehen.“</p><span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Vgl. OLG Hamm, Urteil vom 14.09.1981 – 16 U (Baul.) 12/79 –</p><span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Davon ist aber nach der sich aus den Verwaltungsvorgängen ergebenden Vorgeschichte der Sanierung der Stadt J gerade nicht auszugehen. Die Planfeststellung der Bundesstraße ### in dem hier fraglichen Bereich stellt sich nicht etwa – wie die Beteiligte zu 2) meint – als von den Sanierungszielen losgelöst dar; sie übernahm vielmehr - wie sich aus dem Planfeststellungsbeschluss vom 16.04.1982 und dem dazugehörigen Erläuterungsbericht ergibt – eher nachrichtlich die gemeindlichen Planungsvorstellungen, wie sie in dem bereits seit 1979 rechtsverbindlichen Bebauungsplan Nr. 108 „O1“ ihren Niederschlag gefunden haben. Die wird besonders augenfällig, wenn man zunächst einen Blick auf den Erläuterungsbericht zu den Planfeststellungsunterlagen wirft. Dort ist u.a. folgendes ausgeführt:</p><span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">„Zur Beseitigung des Bahnübergangs wird die B ### im Kreuzungsbereich mit der Eisenbahnstrecke abgesenkt und unterführt. Die hier vorliegenden Planunterlagen stimmen mit den im Bebauungsplan Nr. 108 (O1) ausgewiesenen Verkehrsflächen überein. Der Bebauungsplan ist rechtskräftig seit dem 10.11.1979. Die Baumaßnahme fällt zum Teil in Sanierungsgebiet. Bebauungsplan- und Sanierungsgebietsgrenzen sind im Übersichtslageplan 1 : 5000 eingetragen.“</p><span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">An anderer Stelle heißt es:</p><span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">„Der Bahnübergang im Bahnhof J wird durch ein Eisenbahnüberführungsbauwerk ersetzt. Die Bahngleise verbleiben in alter Höhenlage und die B ### wird entsprechend abgesenkt. Dadurch bedingt müssen die Einmündungen der C und der K ## seitlich verlegt werden. Zur Schaffung einer leistungsfähigen Straßenkreuzung wird die X so weit verlegt, dass sie mit der verlegten <strong>C</strong> eine echte Kreuzung bildet. Zur Hebung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs in diesem neuen Knotenpunkt, wird die Einmündung der B1 so umgestaltet, dass künftig der Verkehr von der B1 und der einmündenden C2 nur noch als Rechtseinbieger in die B ### einfließen kann. Der Verkehr in die Innenstadt wird künftig über die verlegte <strong>C</strong> geleitet.“</p><span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">In engem Zusammenhang hiermit müssen die Aufstellungsvorgänge zum Bebauungsplan Nr. 108 gesehen werden. So heißt es etwa in der öffentlichen Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses vom 23.01.1978:</p><span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">„Der Bebauungsplanentwurf Nr. 108 soll im Rahmen einer geordneten städtebaulichen Entwicklung die Gestaltung des O1-gebietes einschließlich Fußgängerbereich und der notwendigen Bereitstellung der Flächen für den ruhenden Verkehr regeln. Der schienengleiche Bahnübergang der Bundesstraße ### im Zuge der Bundesbahnstrecke P / S wird aufgehoben und durch eine Straßenunterführung ersetzt.“</p><span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">In der Begründung des Bebauungsplans ist sodann unter den Überschriften „Erschließung und Versorgung“ sowie „Fahrverkehr“ folgendes dargelegt:</p><span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">„Hauptbestandteil des Bebauungsplanes ist die Festsetzung der notwendigen Verkehrsflächen für die Bahnunterführung der Bundesstraße ### und der damit verbundenen Umgestaltung des vorhandenen Verkehrsnetzes sowie für die Fußgängerbereiche und eine Tiefgarage auf dem O1-gelände…“</p><span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Gerade der vorstehend wiedergegebene Textvergleich macht deutlich, in welchem Maße die Planungsabsichten der Stadt J in das Planfeststellungsverfahren einbezogen und mit diesem verzahnt worden sind. Es kommt hinzu, dass sich der Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 108  - dies wird insbesondere auch anhand des der Kammer vorliegenden Kartenmaterials deutlich – in seiner räumlichen Ausdehnung ersichtlich an den Grenzen des seit 1972 förmlich festgelegten Sanierungsgebiets orientiert und dadurch kongruent die durch die Festlegung des Sanierungsgebiets aufgezeigten Vorgaben einhält. Dieser Umstand belegt ebenfalls, auf welch enge Weise Sanierung, Bauleitplanung und schließlich Straßenplanung miteinander verzahnt sind, wobei die verkehrlichen Gesichtspunkte des Ausbaus der B ### ohne weiteres auf den spätestens im Jahre 1972 initiierten Sanierungsgedanken zurückgeführt werden können. Dies wird vollends dadurch belegt, dass schon in einer „Zusammenfassung der vorbereiteten Untersuchungen“ zur Stadtsanierung J des Architektenbüros <strong>E</strong> vom 08.05.1972 u.a. von der Beseitigung der schienengleichen Kreuzung der Bundesstraße ### mit der Bundesbahn die Rede ist; auch hier wird deutlich, dass über eine lange Zeitspanne hinweg Sanierung und Straßenausbau Hand in Hand gegangen sind.</p><span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Schließlich kann in diesem Zusammenhang auch die hervorgehobene Stellung nicht außer Betracht bleiben, welche der Beteiligten zu 2) im Rahmen der Planfeststellung der Bundesstraße ### eingeräumt worden ist und beispielsweise in der UA-Vereinbarung des Jahres 1975 oder auch in der Vereinbarung nach § 5 Eisenbahnkreuzungsgesetz aus dem Jahre 1982 (vgl. dort etwa § 4 Ziff. 1) zutage tritt. Dabei spricht es für sich, wenn § 2 Ziff.1 der letztgenannten Vereinbarung wiederum eng an die Regelung der Ziff. 2.2 des Erläuterungsberichts zu den Planfeststellungsunterlagen – damit mittelbar wiederum an das quasi nur nachrichtlich übernommene Planungskonzept der Beteiligten zu 2)  - anknüpft.</p><span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Im Ergebnis steht der Beteiligten zu 1) daher gegen die Beteiligte zu 2) ein Anspruch auf der Grundlage des § 24 Abs. 1 S.1 StBauFG zu. Nicht erstattungsfähig sind hierbei allerdings die mit dem Antrag zu 2) (3) geltend gemachten Kosten für Baumaßnahmen außerhalb des Sanierungsgebiets, auch wenn sich diese – wie die Beteiligte zu 1) vorträgt – als unmittelbare Folge der Baumaßnahmen im Sanierungsgebiet darstellen mögen. Insoweit steht nämlich einem weitergehenden Anspruch der eindeutige Wortlaut des § 24 Abs. 1 StBauFG entgegen, der für eine extensive Auslegung der Norm keinen Raum lässt. Eine solche über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehende Auslegung ist auch nach Sinn und Zweck des Gesetzes nicht geboten; anderenfalls wären unübersehbaren Abgrenzungsschwierigkeiten und Kostenausuferungen Tür und Tor geöffnet.</p><span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 168 BbauG, 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils auf den §§ 709, 712 ZPO.</p>
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315,685 | vg-munster-1984-06-13-7-k-184583 | {
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<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheits-leistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Be-klagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>T a t b e s t a n d</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Eigentümer von Grundstücksflächen in 0000 E.      , Ortsteil I.          , auf denen er ein Fischteichgut mit einer Gesamtwasserfläche von ca. 120 ha betreibt. Das Teichgut besteht aus sieben größeren Fischteichen zur Größe bis zu 28,5 ha, in denen vorwiegend Karpfen und Schleie gezüchtet werden, die größtenteils an Kleinteich- und Fischteichvereine zur Versorgung der Fischgewässer mit ausreichendem Satzfischmaterial verkauft werden. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Durch Ordnungsbehördliche Verordnung vom 13. März 1981 wurde das Teichgut des Klägers gemäß § 32 Abs. 1 i. V. m. § 20 Landschaftsgesetz zum Zwecke des Naturschutzes auf die Dauer von vier Jahren einstweilig sichergestellt. Gemäß § 1 Abs. 2 dieser Verordnung erfolgte die Sicherstellung zur Erhaltung von Lebensgemeinschaften oder Lebensstätten bestimmter wildlebender Pflanzen und wildlebender Tierarten und wegen der Seltenheit, besonderen Eigenart oder hervorragenden Schönheit einer Fläche oder eines Landschaftsanteiles. Für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Unterschutzstellung, insbesondere zur Aufrechterhaltung des Bewässerungssystemes wurden dem Kläger durch den Beigeladenen im Jahre 1980 66.150,-- DM und im Jahre 1981 70.000,-- DM Entschädigungsleistung gewährt. Für die folgenden Jahre hat der Beigeladene die jeweils beantragten Entschädigungsleistungen abgelehnt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 5. März 1982 stellte der Kläger einen Antrag auf befristete Aufhebung der Schonzeiten für Graureiher auf dem Teichgut E.      . Zur Begründung führte er aus, die Zählung des letzten Jahres habe ergeben, daß sich bis zu 80 Graureiher auf dem Teichgut E.      aufhielten und die Fischbestände dezimierten. Zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit müsse diesem Zustand Einhalt geboten werden. In Ergänzung seines Antrages teilte der Kläger mit Schreiben vom 3. Juni 1982 mit, daß ausweislich des von Dr. Jens erstellten Gutachtens vom 3. Mai 1982 ein Drittel der im Teichgut in E.      gezogenen Fische den Reihern zum Opfer falle.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 23. Juli 1982 lehnte der Beklagte den Antrag auf Freigabe des Abschusses von Graureihern auf dem Teichgut in E.      ab. Den dagegen vom Kläger eingelegten Widerspruch lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26. November 1982 ab.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 25. März 1983 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf befristete Aufhebung der Schonzeit für Graureiher auf dem Teichgut in E.      . Zur Begründung führte er aus, gegen die ablehnenden Entscheidungen aus dem Jahre 1982 sei nur deshalb keine Klage erhoben worden, weil davon ausgegangen worden sei, dass der Beigeladene, wie auch in den Vorjahren, eine Entschädigung zahlen werde. Wenn der Beigeladene nun mitgeteilt habe, daß eine Entschädigungsleistung nicht mehr gewährt werde, müsse der Antrag auf Reiherabschuß erneut gestellt werden. Technische Maßnahmen zur Minderung des Graureihereinfalls seien aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht möglich. Der Abschuß von mindestens 40 Graureihern sei daher erforderlich, um das Teichgut überhaupt in seiner Existenz erhalten zu können. Die wirtschaftlichen Zahlen des Teichgutes aus den letzten Jahren zeigten, daß die Überschüsse mit zunehmendem Graureiherbefall ständig gesunken seien und daß in den Fischwirtschaftsjahren 1980/81, 1981/82 kein Ertrag bzw. ein Verlust erwirtschaftet worden sei. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 22. Juni 1983 lehnte der Beklagte den Antrag auf Freigabe des Abschusses von etwa 40 Graureihern auf dem Gebiet des Teichgutes E.      ab. Zur Begründung ist ausgeführt, gemäß § 24 Abs. 3 Landesjagdgesetz Nordrhein-Westfalen könne die obere Jagdbehörde im Einzelfall die Jagd auf Wild, für das wie beim Graureiher eine Jagdzeit nicht festgesetzt sei, unter anderem zu Vermeidung übermäßiger Wildschäden zulassen. Bei der nach pflichtgemäßen Ermessen zu treffenden Entscheidung seien die allgemeinen Belange des Natur- und Umweltschutzes, die sich in der Einbeziehung des Graureihers in den besonderen Artenschutz dokumentierten, gegenüber den privatwirtschaftlichen Interessen des betroffenen Fischzüchters abzuwägen. Da zweifelhaft sei, ob der Abschuß einiger oder mehrerer Graureiher überhaupt ein geeignetes Mittel sei, eine nachhaltige Verringerung der Fischreiherschäden zu bewirken, könne dem Antrag nicht stattgegeben werden. Solange nicht feststehe, ob der Abschuß ein wirksames Mittel zur Schadensminderung sei, verbiete es sich nach dem ordnungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dieses Mittel entgegen den übergeordneten Belangen des Natur- und Umweltschutzes einzusetzen. Im übrigen treffe es auch nicht zu, daß alle technischen bzw. akustischen Maßnahmen ergebnislos geblieben seien.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 28. Juni 1983 Widerspruch ein und trug hierzu zur Begründung vor, der Reihereinfall auf dem Teichgut E.      habe sich gegenüber den Vorjahren weiter verstärkt. Anfang Mai seien 30 - 40 Stück gezählt worden. Dies stelle eine Verdoppelung gegenüber den Vorjahren dar. Es bedürfe aufgrund vorliegender Gutachten über Fischreiherschäden keiner Frage, daß bei einer Verdopplung des Reiherbestandes die Schäden nunmehr weitaus größer würden. Da nach § 24 Landesjagdgesetz Nordrhein-Westfalen die obere Jagdbehörde zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden die Bejagung des Graureihers zulassen könne, sei sie im Hinblick auf den entstandenen Schaden verpflichtet, den Abschuß von 40 Graureihern zu gestatten. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 1983 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Vertiefend wird ausgeführt, daß gemäß § 24 Abs. 3 Landesjagdgesetz Nordrhein-Westfalen kein unbedingter Rechtsanspruch auf die beantragte Abschußfreigabe bestehe, diese Entscheidung vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung innerhalb der gesetzlichen Grenzen zu treffen sei. Grundsätzlich obliege es dem Betreiber einer intensiven Fischwirtschaft, sein Eigentum durch alle verfügbaren Maßnahmen von mechanischen und sonstigen Schutzvorrichtungen bis zu einer Umgestaltung der Produktionsflächen selbst auf eigene Kosten gegen Schäden durch wildlebende Tiere zu schützen. Sei dies wegen der tatsächlichen Gegebenheiten und der Beschränkungen durch den Naturschutz nicht möglich, konzentriere sich die Problematik auf die entscheidende Frage, ob der tödliche Abschuß mehrerer Graureiher zur nachhaltigen Schadensverringerung geeignet sei. Nach vorliegenden bayrischen Forschungsergebnisses sei aber die Wirksamkeit einer Bejagung als Vertreibungsmittel schon deshalb fraglich, weil die Reiher ein günstiges Nahrungsgebiet nicht verließen, sondern eher ihre Jagdzeit vom hellen Tag in die Dämmerung und Nacht verlegten. Der Einzelabschuß ohne weitere Verscheuchungsmaßnahmen habe sich als völlig wirkungslos erwiesen, denn neben den im Todeskampf zuckenden Reihern fielen bereits weitere Reiher ein und würden zu fischen beginnen. Die überlebenden Reiher nähmen tote Artgenossen nicht zur Kenntnis, wenn diese nicht durch deutliche Angstbewegungen auf eine Gefahr aufmerksam machten. Aber auch angeschossene Reiher lösten bei den übrigen eher Aggressionen statt deren Flucht aus. Der Abschuß könne daher nicht als geeignetes Mittel zur Vermeidung von übermäßigen Schäden anerkannt werden. Darüberhinaus würde der Abschuß zwangsläufig wieder die Gefahr der Ausrottung begründen, zu deren Abwendung gerade die ganzjährige Schonzeit eingeführt worden sei. Es lasse sich daher feststellen, daß die Fischzuchtanlage sich bei einer Bejagung wegen der bekannten Sogwirkung des optimalen Nahrungsangebotes lediglich als Reiherfallen auswirken würden, ohne daß der Entstehung von Schäden nachhaltig entgegengewirkt würde. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit der dagegen rechtzeitig am 4. August 1983 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Vertiefend weist er darauf hin, daß vor der Unterschutzstellung im Jahre 1974 übermäßige Schäden dadurch hätten abgewehrt werden können, daß die Graureiher bejagd worden seien, sobald sie die Gewohnheit angenommen hatten, ihren ständigen Futterplatz an den Fischteichen einzunehmen. In den Jahren nach der Unterschutzstellung habe sich die Anzahl der Graureiher ständig vermehrt. In der Ortschaft Sythen bei Haltern sei eine starke Kolonie entstanden. Von dort seien alljährlich eine große Anzahl Graureiher zu seinen Fischteichen gekommen und hätten dort hohe Fischverluste verursacht. Die zuständige Behörde habe daher im Jahre 1975 20 Graureiher und im Jahre 1976 5 Graureiher zum Abschuß freigegeben. Im Jahre 1977 und 1978 seien die Anträge auf Abschuß von Graureihern abgelehnt worden, um zunächst wissenschaftlich untersuchen zu lassen, ob eine Vertreibung der Graureiher durch gezielte Schüsse auf futterplatztreue Vögel wirksam erreicht werden könne. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Durch alle nur denkbaren Maßnahmen hätten jedoch die hohen Fischverluste nicht verringert werden können. Der von ihm daher beauftragte Sachverständige Dr. Jens habe für das Wirtschaftsjahr 1981 einen Schaden in Höhe von 188.700,00 DM ermittelt. Die Belastung des Erntewertes durch die Graureiherschäden betrage danach 29,5 %. Die Ablehnung der Abschußfreigabe sei daher ermessenswidrig. Jahrelange Erfahrungen hätten gezeigt, daß alle mechanischen und sonstigen Schutzvorrichtungen im Ergebnis wirkungslos seien. Die jagdliche Erfahrung zeige jedoch, daß durch gezielten Beschuß ein starker Abschreckungseffekt erzielt werde. Die Durchführung des beantragten Abschusses sei die einzige aussichtsvolle Maßnahme, um den hohen Schaden abzuwenden. Eine Gefährdung der gesamten Graureiherpopulation im münsterländischen Raum sei nicht gegeben, da die Graureiherbestände sich unter dem Schutz des Bejagungsverbotes so stark entwickelt hätten, daß keine Gefahr für ihren Bestand als Tierart mehr sichtbar sei.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">festzustellen, daß der Bescheid des Beklagten vom 22. Juni 1983 und der Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 1983 rechtswidrig gewesen sind.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte vertieft die Ausführungen der angefochtenen Bescheide und trägt ergänzend vor, die eingeholte gutachterliche Stellungnahme der Bundesforschungsanstalt bestätige, daß der Abschuß von Graureihern in Fischzuchtbetrieben keine nachhaltige Scheuchwirkung besitze. Im übrigen sei der Kläger auch weniger an der beantragten Abschußfreigabe interessiert, vielmehr gehe es ihm um die Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen gegen das Land Nordrhein-Westfalen. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der streitbefangenen Teichgüter durch den Berichterstatter sowie durch Vernehmung der Sachverständigen Prof. Dr. Stichmann und Dr. Ueckermann in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 1984. Das Gericht hat ferner die Sachverständigen Dr. Mebs und Dr. Heddergott informatorisch gehört. Wegen der Aussage der Sachverständigen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 2984 Bezug genommen. Wegen des Ergebnisses des Ortstermins wird auf das Protokoll vom 9. Mai Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten und wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf den gesamten Inhalt der Streitakte, auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 1984, auf die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (3 Hefte) sowie auf die von dem Beigeladenen vorgelegten Verwaltungsvorgänge (3 Hefte) ergänzend Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><b><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</u></b></p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klage hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig, denn die Frage, ob der Kläger Anspruch auf den erstrebten Verwaltungsakt hatte, ist präjudiziell für die vom Kläger beabsichtigte Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist aber nicht begründet, denn die Versagung der beantragten Abschußgenehmigung für den Abschuß von 40 Graureihern ist zu Recht erfolgt. Mithin ist der Bescheid des Beklagten vom 22. Juni 1983 und der hierzu ergangene Widerspruchbescheid vom 26. Juli 1983 nicht rechtswidrig.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 24 Abs. 3 b) des Landesjagdgesetzes Nordrhein-Westfalen - LJG NW - in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Juli 1978 (GV NW S. 318). Danach kann die obere Jagdbehörde in Einzelfällen die Jagd auf Wild, für das eine Jagdzeit nicht festgesetzt ist, zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden zulassen. Die beantragte Abschußfreigabe für 40 Graureiher, für die gemäß § 22 Abs. 2 des Bundesjagdgesetzes - BJG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. September 1976 (BGBl. I 2849) i. V. m. § 1 der Verordnung über Jagdzeiten - JagdzeitVO - vom 2. April 1977 (BGBl. I 531) eine Jagdzeit nicht festgesetzt ist und die danach gemäß § 22 Abs. 2 BJG während des ganzen Jahres mit der Jagd zu verschonen sind, stand in pflichtgemäßem Ermessen des Beklagten. Gemäß § 40 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - VwVfG NW - in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Dezember 1976 (GV NW S. 438) hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Die Verwaltungsgerichte haben demnach lediglich darüber zu entscheiden, ob die sachlichen Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung vorgelegen haben und ob die Ablehnung des Verwaltungsaktes rechtswidrig gewesen ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. § 114 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Bei der nach § 24 Abs. 3 b) LJG NW zu treffenden Ermessensentscheidung ist einerseits dem wirtschaftlichen Interesse des durch Wildschäden Betroffenen, andererseits den Belangen des Natur- und Tierschutzes Rechnung zu tragen. Der Beklagte hat sämtliche in Betracht kommenden Gesichtspunkte gesehen und bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Die Abwägung der widerstreitenden Interessen hat er in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden ermessensfehlerfreien Weise vorgenommen. In nicht zu beanstandender Weise ist er dabei zu dem Ergebnis gelangt, daß unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles dem Schutz der Graureiher Vorrang vor den privatwirtschaftlichen Interessen des Klägers gebührt. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes ergibt sich insbesondere nicht daraus, daß der Beklagte in unzutreffender Weise davon ausgegangen wäre, der Kläger hätte nicht alle möglichen und verfügbaren Maßnahmen von mechanischen und sonstigen Schutzvorrichtungen zum Schutz seiner Fischteichanlage vor Schäden durch Graureiher erprobt. Soweit der Beklagte in seinem Bescheid vom 22. Juni 1983 darauf hingewiesen hat, daß nicht alle Abwehrmaßnahmen ergebnislos geblieben seien, insbesondere der sogenannte "Winkemann" guten Erfolg gehabt habe, hat zwar die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung ergeben, daß bei dem gegenwärtigen Erkenntnisstand mechanische oder akustische Schutzmaßnahmen wegen der Größe der einzelnen Teiche des Klägers nicht möglich sind. Bezüglich des Einsatzes eine "Winkemanns" hat der Sachverständige Dr. Ueckermann ausgeführt, daß die Versuche mit dem "Winkemann" noch nicht abgeschlossen seien, und daher eine wissenschaftlich fundierte Aussage zur Zeit noch nicht getroffen werden könne. Der Beklagte hat jedoch erkennbar seine Entscheidung nicht maßgeblich darauf gestützt, daß andere - im Hinblick auf den Vorrang des Naturschutzes vorrangig zu treffende - Abwehrmaßnehmen nicht erprobt worden seien. Sollte sich jedoch im Rahmen der Versuchsreihe herausstellen daß der "Winkemann" geeignet ist, den Graureiherbefall wirksam zu verhindern, wäre ein Abschuß der Graureiher schon deshalb zu versagen, weil der Abschuß der unter Naturschutz stehenden Tiere aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur als ultima ratio für den Fall des Ausscheidens anderer zumutbarer Mittel in Betracht kommen kann.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Vielmehr hat der Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers zu Recht darauf abgestellt, daß der tödliche Abschuß kein geeignetes Mittel zur Verminderung der durch die Graureiher verursachten Schäden ist. Aufgrund des dem Beklagten vorliegenden Ergebnisses des Forschungsauftrages des Diplombiologen Hans Utschik über die ökologische Situation des Graureihers in Bayern in den Jahren 1977 bis 1979 konnte der Beklagte davon ausgehen, dass der Einzelabschuß von Graureihern völlig wirkungslos ist. Die von dem Diplombiologen Utschik in seinem Gutachten getroffene Feststellung, abgeschossene Reiher würden bei entsprechender Attraktivität der Fischgewässer sehr rasch wieder ersetzt (Falleneffekt), ist in der mündlichen Verhandlung durch den Sachverständigen Prof. Dr. Stichmann in eindrucksvoller Weise bestätigt worden. Danach geht von einem Abschuß eine verscheuchende Wirkung auf andere Artgenossen nicht aus. Nach Ansicht des Gutachters nehmen die Tiere von dem Tod von Artgenossen so gut wie keine Notiz. Im Einzelfall können sie sogar aggressiv reagieren. Auch Angstschreie von angeschossenen Tieren zeigten auf Dauer keine Wirkung. Auf ausdrückliches Befragen hat der Gutachter erklärt, daß der Abschuß von 40 Graureihern während eines Jagdjahres für das Teichgut I.          keine Entlastung hinsichtlich des Graureihereinfalls bedeuten würde. Nach Ansicht des Gutachters wäre die verscheuchende Wirkung im Ergebnis gleich Null. Der dezimierende Effekt würde nach seiner Auffassung nur für kurze Zeit anhalten. Im Hinblick auf die von dem Teichgut ausgehende Sogwirkung würde der Bestand jedoch nach einiger Zeit wieder aufgefüllt sein. Die von dem Kläger angezweifelte Sogwirkung hat der Gutachter insoweit in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Diplombiologen Utschik nach Auffassung der Kammer überzeugend damit begründet, daß die Graureiher sehr mobil sind und daher Graureiher aus den Gebieten, in denen wenige Nahrungsmöglichkeiten vorhanden sind, zu dem Teichgut des Klägers, das hervorragende Futterbedingungen für Graureiher aufweist, abwandern würden. Die Kammer hat keinen Anlaß, an den klaren, in sich widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachters zu zweifeln. Da nach den Ausführungen des Gutachters die erhoffte Schadensminderung durch den beantragten Abschuß von 40 Graureihern nicht eintreten kann, hat der Beklagte im Ergebnis zu Recht den beantragten Abschuß der Graureiher als ungeeignetes Mittel abgelehnt. Der Beklagte hat dabei auch zutreffend in seine Überlegungen mit einbezogen, daß im Hinblick auf die durch den Gutachter bestätigte Sogwirkung eine Schadensminderung erst dann zu erwarten ist, wenn der Gesamtbestand der Reiherpopulation, die das Teichgut E.      anfliegen können, derart stark dezimiert worden ist, daß die Sogwirkung auf im übrigen Bundesgebiet vorhandene Graureiher nicht mehr zum Tragen kommen kann. In letzter Konsequenz würde das - wie der Gutachter ausgeführt hat - zum Abschuß des letzten Reihers Deutschlands an einem der vorhandenen Teichgüter führen können.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Da der Beklagte danach im Ergebnis zu Recht die Abschußfreigabe mit der Begründung abgelehnt hat, durch den Abschuß der Graureiher könne der Schaden nicht vermindert werden, kam es auf die vorrangig zu klärende Frage, ob überhaupt ein übermäßiger Wildschaden vorliegt, nicht mehr an. Die Beteiligten gehen zwar aufgrund des vom Kläger eingeholten Gutachtens des Dr. Jens vom 3. Mai 1982 übereinstimmend davon aus, daß es sich bei dem von Dr. Jens mit 29,5 % errechneten Schaden um einen übermäßigen Wildschaden handelt. Da der von Dr. Jens ermittelte Schaden jedoch nach den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung nach Abzug der natürlichen Schäden, bezogen auf die tatsächlich erzielte Ernte, errechnet worden ist, ist diese Schadensberechnung nach Auffassung der Kammer nicht geeignet, einen übermäßigen Wildschaden nachzuweisen. Der zur Höhe des Schadens informatorisch gehörte Dr. Heddergott, Geschäftsführer des Landesfischereiverbandes, hat hierzu auf Befragen erklärt, daß die Verluste in der Teichwirtschaft durch Reiher abhängig von der Bewirtschaftung des Teichgutes sind. Danach ist der Verlust um so höher, je kleiner die Fische sind. Den natürlichen Verlust an Kleinfischen in der hier streitbefangenen Fischzuchtanlage hat Dr. Heddergott mit 50 - 55 % geschätzt. Wenn diese Zahlen zutreffen und gleichzeitig die Aussage zutreffend ist, daß die Graureiherschäden bei kleinen Fischen besonders hoch sind, dann müßte dies bedeuten, daß bei dem behaupteten 30%igen Graureiherschaden, bei dem alle Fischgrößen einbezogen sind, der Verlust durch Graureiherschäden bei kleinen Fischen die verbleibenden 40 % ausmacht mit der Folge, daß bei kleinen Fischen ein ca. 90%iger Ernteausfall besteht. Einen ca. 90%igen Ernteausfall bei kleinen Fischen hat der Kläger jedoch nicht behauptet und erscheint auch wenig glaubhaft. Nach Auffassung der Kammer hätte daher der Schaden in der Weise ermittelt werden müssen, daß der allein durch Graureiher verursachte Schaden in Bezug gesetzt wird zu dem Schaden, der auf andere Ursachen zurückzuführen ist. Nach Auffassung der Kammer ist nicht auszuschließen, daß die dann ermittelte Prozentzahl deutlich niedriger liegt. Dies ist nach Auffassung der Kammer deshalb erforderlich, weil der Gesetzgeber durch die Verwendung des Begriffes "übermäßig" zum Ausdruck gebracht hat, daß nicht schon jede übliche Schadensverursachung durch die dem Jagdrecht unterliegenden Tiere eine Verringerung des Wildbestandes rechtfertigt. Vielmehr wird ein Eingriff in die vom Verordnungsgeber festgesetzten Schonzeiten nur dann zu rechtfertigen sein, wenn, insbesondere an Zuchtteichen, ein das übliche Maß erheblich übersteigender Wildschaden entstanden ist, so daß eine notstandsähnliche Lage eingetreten ist, die mit normalen und zumutbaren Möglichkeiten nicht zu meistern ist und Abhilfe durch außerordentliche Maßnahmen verlangt.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">Vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 28. Juli 1977, V OE 12/77, in: Recht der Landwirtschaft, 1978 S. 10 ff. m. w. N.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Besonders strenge Anforderungen an die Ermittlung des "übermäßigen" Wildschadens wird man nach Auffassung der Kammer auch deshalb stellen müssen, weil der Kläger durch die Form der Bewirtschaftung des Teichgutes  geringe Tiefe, große Flächen - eine maßgebliche Ursache für den ungewöhnlichen Reiherbefall gesetzt hat. Eine Verlagerung des damit grundsätzlich vom Kläger zu tragenden Schadensrisikos ist nur ganz ausnahmsweise und unter besonderen Voraussetzungen, die, wie ausgeführt, vorliegend nicht gegeben sind, zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1, Abs. 2 VwGO. Es bestand kein Anlaß, dem Kläger aus Billigkeitsgründen die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, der selbst nicht mit dem Kostenrisiko belastet war, da er keine Anträge gestellt hat.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.</p>
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315,686 | olgk-1984-06-07-3-ss-29584 | {
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"name": "Oberlandesgericht Köln",
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 3 Ss 295/84 | 1984-06-07T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:16 | 2019-03-27T09:42:28 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1984:0607.3SS295.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I. Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen hinsichtlich der Verurteilung wegen der Tat am 7. September 1982 sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>II. Hinsichtlich der Verurteilung wegen der Tat am 30. März 1982 wird die Revision als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).</p>
<p></p>
<p>III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Aachen zurückverwiesen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Durch Urteil des Amtsgerichts Düren ist die Angeklagte wegen Diebstahls (§§ 242, 25 Abs. 2 StGB; Tat am 30. März 1982) zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 50,- DM verurteilt worden. Ferner hat das Amtsgericht Eschweiler die Angeklagte wegen eines weiteren Diebstahls (§ 242 StGB; Tat am 7. September 1982) zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Auf ihre Berufungen hat das Landgericht die Verfahren verbunden und die Angeklagte wegen Diebstahls in zwei Fällen unter Aufrechterhaltung der Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts rügt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Soweit sich die Revision gegen die Verurteilung der Angeklagten wegen des am 30. März 1982 begangenen Diebstahls richtet, war das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat einen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht ergeben.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Verurteilung der Angeklagten wegen des weiteren Diebstahls greift jedoch die Rüge einer Verletzung des § 265 Abs. 1 StPO durch. Insoweit war das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 349 Abs. 4, § 354 StPO).</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Wie die Revision in zulässiger Weise geltend macht, ist der Angeklagten zunächst zur Last gelegt worden, am 7. September 1982 im E.-Warenhaus in E. Waren im Wert von ca. 57,- DM entwendet zu haben. Die Verurteilung durch das Landgericht hat zwar dieselbe Tat im verfahrensrechtlichen Sinne zum Gegenstand. Die Strafkammer hat jedoch nicht ausschließen können, daß die Angeklagte wegen eines unwiderstehlichen Hangs zum Stehlen im Zeitpunkt der angeklagten Tat schuldunfähig war (§ 20 StGB). Sie hat die Verurteilung darauf gestützt, daß die Angeklagte von ihrem Hang schon seit langem gewußt habe. Dementsprechend habe sie es schon vor Erreichen des Zustand es der Schuldunfähigkeit in Kauf genommen, daß es zu jenem Diebstahl kommen werde (sog. actio libera in causa).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Bei dieser Sachlage hätte es vorliegend eines förmlichen Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO bedurft, um die Angeklagte auf die veränderte Sachlage hinzuweisen. Diese Vorschrift, die nach ihrem Wortlaut nur die Fälle einer Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts betrifft, war auf den vorliegenden Fall analog anzuwenden. Der Senat folgt damit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dieser hat in früheren Entscheidungen (BGHSt 19, 88; 28, 196; ebenso OLG Schleswig MDR 1980, 516; s.a. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, 21. Aufl., § 265 StPO Rn. 81; Dünnebier, JR 1964, 66; a.A. Paulus in KMR, 7. Aufl., § 265 StPO Rn. 33; Meyer, GA 1965, 257) ausgeführt, daß es eines förmlichen Hinweises jedenfalls dann bedarf, wenn die Änderung für die Verurteilung wesentlicher tatsächlicher Gesichtspunkte - wie hier die Tatzeit - betrifft. Nunmehr hat sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dahin gefestigt, daß ein förmlicher Hinweis jedenfalls dann erforderlich ist, wenn in dem betreffenden Fall der Schuldvorwurf durch die Änderung der Tatzeit eine wesentliche Veränderung erfährt oder die Tatzeit für den Schuldvorwurf von ausschlaggebender Bedeutung ist (BGH NStZ 1981, 191 m.w.N.; s.a. KK-Hürxthal, § 265 StPO, Rn. 24; offengelassen: BGHSt 19, 144).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">So liegt es hier. Zwar hat das Berufungsgericht die Tatzeit nicht ausgetauscht. Hinsichtlich des objektiven Geschehens der Wegnahme fremder Sachen ist die Tatzeit unverändert geblieben; die Strafkammer hat jedoch der Tat einen wesentlich erweiterten Tatzeitraum zugrundegelegt (dazu vgl. OLG Schleswig MDR 1980, 516). Während nach der Anklage die Tat nur am 7. September 1982 im E. - SB - Warenhaus in E. begangen worden sein soll, hat nach den Feststellungen der Strafkammer die Angeklagte möglicherweise schon wesentliche Zeit früher schuldhaft den späteren Kausalverlauf in Gang gesetzt. Bei der vorsätzlichen "actio libera in causa" liegt der Schuldvorwurf nicht in der Begehung der im Zustand der Schuldunfähigkeit ausgeführten Tat, sondern in dem zielgerichteten Sichversetzen in den Zustand der Schuldunfähigkeit (vgl. BGHSt 17, 333, 334 f). Die Änderung war für den Schuldvorwurf von ausschlaggebender Bedeutung, da sich der Schuldvorwurf objektiv auf eine neue Tatsachengrundlage stellt. Die Veränderung war danach mindestens ebenso schwerwiegend für die Angeklagte und ihre Verteidigung wie eine Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes, für den § 265 Abs. 1 StPO unmittelbar gilt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Nach Lage der Sache ist auch nicht auszuschließen, daß das Urteil auf dem gerügten Verstoß beruht.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Im übrigen wäre die Verfahrensrüge auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 265 Abs. 4 StPO begründet. Jedenfalls danach durfte das Landgericht die Angeklagte nicht darüber im unklaren lassen, daß die Verurteilung auf eine andere tatsächliche Grundlage gestellt werden sollte. Allerdings bedurfte es insoweit eines förmlichen Hinweises nicht. Es hätte genügt, daß die erforderliche Unterrichtung der Angeklagten schon durch den Gang der Verhandlung geschehen wäre, was auch aufgrund eingeholter Äußerungen erwiesen werden kann. Der vorliegende Fall entspricht indes der Fallgestaltung, die der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. November 1978 (BGHSt 28, 196) zugrundeliegt. Auch hier ist schon den Urteilsgründen zu entnehmen, daß den Anforderungen nicht hinreichend Rechnung getragen worden ist, da die neuen Tatsachen außer in der rechtlichen Würdigung nur im Zusammenhang mit dem Sachverständigengutachten erwähnt sind. Die Rechtsausführungen lassen aber nicht erkennen, daß die diesbezüglichen Gesichtspunkte Gegenstand einer besonderen Erörterung mit der Angeklagten gewesen sind. Auch die Wiedergabe der Bemühungen, die Angeklagte zu einer Einlassung zu dem Tatgeschehen zu bewegen, lassen die Annahme zu, daß die Angeklagte nicht auch eindeutig darüber aufgeklärt worden ist, daß ihre Schuld nunmehr auf tatsächliche Umstände gestützt werden sollte, die der Wegnahmehandlung vorausgingen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Für die erneute Hauptverhandlung wird darauf hingewiesen, daß eine Verurteilung wegen vorsätzlicher "actio libera in causa" die Feststellung verlangt, daß der Täter zu einem bestimmten Zeitpunkt, in dem er - jedenfalls noch eingeschränkt - schuldfähig war, durch ein konkretes Tun oder pflichtwidriges Unterlassen eine entscheidende Ursache für das spätere Geschehen in Gang setzte. Der Vorsatz muß sich dabei auf die Begehung eines bestimmten, nicht notwendig schon in allen Einzelheiten konkretisierten, Delikts beziehen (vgl. BGHSt 17, 259; 21, 381; BGH NJW 1977, 590; Lenckner in Schönke/Schröder, 21. Aufl., § 20 Rn. 36). Auch muß sich der Vorsatz auf die Herbeiführung des unfreien Zustandes selbst erstrecken (BGHSt 23, 133, 135; BayObLG bei Rüth, DAR 1982, 250; Puppe, JuS 1980, 346, 348 m.w.N.; str.). Insoweit würde es im Falle einer erneuten Verurteilung unter dem Gesichtspunkt der vorverlagerten Schuld zusätzlicher Feststellungen (insbesondere dazu, wann die Ursache für die spätere Tat gesetzt worden ist, inwieweit diese schon bestimmt war und wann der unfreie Zustand eintrat) im Urteil bedürfen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><b>IV.</b></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Im übrigen hätte auch der Rechtsfolgenausspruch allein keinen Bestand haben können, da die Verurteilung der Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Monaten das Verbot der Schlechterstellung (§ 331 StPO) verletzt. Da die Angeklagte in beiden Urteilen des ersten Rechtszuges insgesamt nur zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat sowie einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt worden war, durfte sie auf ihr alleiniges Rechtsmittel nach Verbindung der Sachen nicht zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt werden, welche die Höhe der im ersten Rechtszug ausgesprochenen Freiheitsstrafe überstieg. Vorliegend ist übersehen, daß eine Freiheitsstrafe stets gegenüber einer Geldstrafe als die schwerere Strafe gilt, d.h. auch dann; wenn sie niedriger als die der Geldstrafe entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe bemessen wird (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO, 23. Aufl., § 331 Rn. 71; KMR-Paulus, StPO, 7. Aufl., § 331 Rn. 22, 33 je m. weit. Nachw.; s.a. BGH bei Holtz, MDR 1977, 109; BayObLG MDR 1975, 161; OLG Karlsruhe NStZ 1983, 137 m. Anm. Ruß). Wird danach in der erneuten Verhandlung wegen der Tat vom 7. September 1982 erneut auf eine Einzelstrafe von einem Monat Freiheitsstrafe erkannt, ist die Bildung einer Gesamtstrafe nicht möglich.</p>
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315,687 | lg-krefeld-1984-06-07-3-s-22083 | {
"id": 813,
"name": "Landgericht Krefeld",
"slug": "lg-krefeld",
"city": 448,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 3 S 220/83 | 1984-06-07T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:18 | 2019-03-27T09:42:28 | Urteil | ECLI:DE:LGKR:1984:0607.3S220.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 05. Juli 1983 ver-</p>
<p>kündete Urteil des Amtsgerichts Krefeld (8 C 159/83) wird</p>
<p>auf seine Kosten zurückgewiesen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">ZPO abgesehen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache selbst je-</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">doch ohne Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch gemäß § 812</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">BGB aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">auf Rückzahlung des klageweise geltend gemachten Betrages in</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Höhe von 775,43 DM nach Maßgabe seiner Berechnung vom 27. 01.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">1983 (Blatt 8 der Akten).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat die in § 6 des Fernwärmelieferungs-Vertrages</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">in seiner letzten Fassung vereinbarte Preisgleitklausel zum</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">01.06.1981 rechtswirksam geändert.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Mithin war der Kläger zur Zahlung derjenigen Beträge ver-</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">pflichtet, deren Rückerstattung er nunmehr klageweise ver-</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">langt.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Befugnis der Beklagten, den bestehenden Fernwärmelieferungs-</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">vertrag, insbesondere die ursprünglich vereinbarte Preisgleit-</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">klausel, einseitig zu ändern, ergibt sich aus § 24 Abs. 3 der</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">AVB-Fernwärme. Die gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß dieser</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Verordnung wiederum folgt aus § 27 AGBG.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">In Übereinstimmung mit der 1. Zivilkammer des Landgerichts</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Krefeld (Urteil vom 22.12.1982 1 S 143/82) steht die Kammer</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">auf dem Standpunkt, daß die Beklagte nach Maßgabe der zitierten Vorschriften grundsätzlich dazu berechtigt ist, in der hier vorgenommenen Form die bisher vereinbarte Preisgleitklausel einseitig zu ändern. Insbesondere ist die rückwirkende</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Einbeziehung "alter Verträge" unter die AVB-Fernwärme als ver-</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">fassungsrechtlich unbedenklich anzusehen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">§ 27 AGBGB entspricht den Erfordernissen des Artikel 80 Abs. 1</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Grundgesetz, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der den Verordnungs-</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">gebern erteilten Ermächtigung gesetzlich hinreichend bestimmt</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">sein müssen und ist daher als Verordnungsgrundlage wirksam.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Diesen Bestimmtheitserfordernissen nach Artikel 80 Grundgesetz</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">steht nicht entgegen, daß § 27 AGBGB dem Verordnungsgeber auf-</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">gibt, die allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Fern-</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">wärme "ausgewogen" zu gestalten. Der Begriff der Ausgewogenheit</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der inhaltlich be-</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">stimmbar und daher gerichtlich nachprüfbar ist (vgl. dazu Witzel,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">mit Fernwärme (Seite 30; LG Krefeld a.a.0.).</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">AVB-Fernwärme wiederum, insbesondere der hier maßgebliche</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">§ 24 Abs. 3 AVB-Fernwärme, findet ihre Rechtsgrundlage in § 27</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">AGBGB.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Kammer stimmt der von der 1. Zivilkammer vertretenen Auf-</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">fassung zu, daß auch die Regelung der Preisgleitklausel durch § 27</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">AGBGB gedeckt ist. § 27 AGBGB sieht vor, daß durch Rechtsverordnung</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Regelungen über den Vertragsschluß, den Gegenstand und die Be-</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">endigung der Verträge getroffen sowie die Rechte und Pflichten</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">der Vertragspartner festgelegt werden können. Dem muß entnommen</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">werden, daß alle für einen Energielieferungsvertrag wesentlichen</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Elemente unter die Verordnungsermächtigung fallen. Zu diesen</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">wesentlichen Elementen des Vertrags ist insbesondere die Zahlung</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">des Entgelts als Pflicht des Fernwärmeabnehmers zu rechnen. Berück-</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">sichtigt man ferner, daß es sich beim Fernwärmelieferungsvertrag</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">um ein Dauerschuldverhältnis handelt, so stellt eine Preisänderungs-</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">klausel bei einem solchen auf längere Zeit angelegten Vertragsver-</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">hältnis ein wesentliches Element dieses Vertrags dar. Insofern</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">wird daher die Regelung der Preisgleitklausel nach Maßgabe des §</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">24 Abs. 3 AVB-Fernwärme durch die Ermächtigungsnorm § 27 AGBG ge-</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">deckt.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die Bestimmung des § 24 Abs. 3 AVB-Fernwärme ermöglicht ferner die Er-</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">mächtigung zur einseitigen Änderung von Preisgleitklauseln auch</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">in bestehende Verträge. In Übereinstimmung mit der zitierten Ent-</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">scheidung ist festzuhalten, daß die rückwirkende Einbeziehung</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">alter Verträge unter die AVB-Fernwärme verfassungsrechtlich unbe-</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">denklich ist. Es handelt sich nämlich hier nicht um einen Fall</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">echter, sondern um einen solchen unechter Rückwirkung. Unechte</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Rückwirkung deshalb, weil es hier um eine Einwirkung auf gegen-</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">seitige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbe-</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">ziehungen geht. In Fällen dieser Art ist das Vertrauen des</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">einzelnen auf den Fortbestand einer Regelung (so des Vertrages)</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">mit der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Allgemeinheit abzuwägen (LG Krefeld a.a.O.). Die Abwägung er-</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">gibt, daß das Vertrauen des einzelnen Abnehmers zurückzutreten</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">hat hinter Belangen des Allgemeinwohls. Die Möglichkeit der ein-</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">seitigen Änderung der Preise bei der Versorgung mit Fernwärme</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">ist geschaffen worden, um alle Bezieher möglichst unter gleichen</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">preislichen Bedingungen beliefern zu können. Dies dient insbe-</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">sondere in Zeiten der Verknappung und Verteuerung der Energie dem</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Allgemeinwohl. Das bedeutet, daß im Einzelfall die Änderung der</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">bisherigen Rechtsposition hingenommen werden muß. Verfassungs-</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">rechtliche Bedenken bestehen daher nicht (LG Krefeld a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Beklagte im vorliegenden</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Fall darüber hinaus den Erfordernissen des § 24 Abs. 3 AVB-Fern--</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">wärme gerecht geworden ist, als sie im April 1981 die Änderung der</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">bisher vereinbarten Preisänderungsklausel vornahm.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">§ 24 Abs. 3 AVB-Fernwärme schreibt vor, daß Preisänderungs-</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">klauseln nur so gestaltet sein dürfen, daß sie sowohl die Kosten-</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">entwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Wärmemarkt angemessen berücksichtigen. Ferner müssen die maßgeb-</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">lichen Berechnungsfaktoren vollständig und in allgemein ver-</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">ständlicher Form ausgewiesen werden.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Diesen Erfordernissen ist die Beklagte, jedenfalls in dem hier</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">zu entscheidenden Fall, in ausreichender Weise gerecht geworden.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Wie sich aus der Formulierung von § 24 Abs. 3 AVB-Fernwärme er-</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">gibt, müssen bei Preisänderungsklauseln die maßgeblichen Be-</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">rechnungsfaktoren vollständig und in allgemein verständlicher</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Form ausgewiesen werden. Diesem Erfordernis hat die Beklagte</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Rechnung getragen. Im Rahmen der öffentlichen Bekanntgabe der Preisänderungsklausel vom 08.04.1981(veröffentlicht am 15.04.1981, Blatt 40 der Akten) hat die Beklagte die neue Preisänderungsklausel erläutert, indem sie die</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Berechnungsformel dargelegt hat, nach der der nunmehr geforderte</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Preis berechnet wird. Ferner hat sie die einzelnen Elemente der</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Formel jedenfalls soweit näher bezeichnet, daß für den Abnehmer</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">erkennbar war, aus welchen Elementen sich die neue Klausel zu-</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">sammensetzt und zu welchen Prozentsätzen die einzelnen Berechnungs-</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">faktoren Anwendung gefunden haben. Zwar ist dem Kläger zuzugeben,</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">daß es für einen Laien nicht immer einfach ist, die einzelnen</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Kriterien der neuen Preisänderungsklausel zu erfassen und nachzu-</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">vollziehen. In dem Zusammenhang ist aber darauf zu verweisen, daß</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">die branchenüblichen Preisänderungsklauseln bei der Fernwärmever-</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">sorgung grundsätzlich verhältnismäßig kompliziert sind, anderer-</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">seits aber eine wesentliche Vereinfachung kaum möglich sein</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">dürfte (vgl. dazu Hermann Recknagel-Schmidt-Salzer, Kommentar</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">zu den allgemeinen Versorgungsbedingungen, Band II § 24 Anmerkung 33)</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">Die hier streitige Klausel war jedoch hinreichend erläutert , wobei anzumerken ist, dass der Kläger selbst in seiner Berechnung (Bl. 40d.A.) it der Formel zu arbeiten weiß.</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Falle hat die Beklagte die maßgeblichen Berechnungsfaktoren, nämlich die wesentlichen Kosteneinflußgrößen ( Brennstoffkosten, Lohn usw.) dargelegt. So ist auch für einen Laien bei sorgfaltigem Studium der Preisänderungsklausel erkennbar, zu welchen Prozentsätzen welche Berechnungsfaktoren in die neue Formel Eingang gefunden haben. Höhere Anforderungen wird man angesichts der nicht zu vermeidenden Schwierigkeit des</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Sachverhaltes jedenfalls im Rahmen des § 24 Abs. 3 AVB-Fern-</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">wärmeverordnung nicht fordern können. Eine andere Frage ist,</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">ob die Beklagte bei der Gestaltung der hier, streitigen neuen</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">Preisänderungsklausel den weiteren Erfordernissen des § 24 Abs.</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">3 AVB-Fernwärme Rechnung getragen hat.</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">In dem Zusammenhang kam die bereits mehrmals zitierte Ent-</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">scheidung der 1. Zivilkammer des Landgerichts zu dem Ergebnis,</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">daß die Beklagte in dem damals zu entscheidenden Fall nicht</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">ausreichend dargelegt habe, die jeweiligen Verhältnisse auf dem</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">Wärmemarkt angemessen berücksichtigt zu haben. Dieser Dar-</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">legungsverpflichtung ist die Beklagte nunmehr jedoch in aus-</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">reichender Weise nachgekommen. Sowohl in ihrem Schreiben an den</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">Kläger vom Februar 1983 als auch im Rahmen ihres Prozeßvor-</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">trages hat sie im einzelnen dargelegt, welche Kriterien für</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">die Abfassung der Preisänderungsklausel in der neuen Form maß-</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">geblich gewesen sind. Gegen die detaillierten Ausführungen der Be-</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">klagten hat sich der Kläger nicht gewandt, so daß das Vorbringen der Beklagten insoweit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu behandeln war. Die Kammer ist nicht der Auffassung, dass die Beklagte im Rahmen der Erläuterung der Klausel nach § 24 III AVB -Fernwärme verpflichtet war, bereits vorprozessual darzulegen, ob und inwieweit den den Verhältnissen aus dem Wärmemarkt Rechnung getragen worden ist. Dieses Erfordernis ist § 24 Abs. 3 AVB-Fernwärme nicht zu entnehmen, so dass bezüglich der Preisänderungsklausel nur die Berechnungsfaktoren selbst zu erläutern sind. Unter Berechnungsfaktoren sind die einzelnen Klauselbestandteile zu verstehen (Witzel a.a.O. S. 111). Diese hat aber die Beklagte in verständlicher Form aufgeschlüsselt.</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">Daß dabei die mathematisch ausgedrückte Preisänderungsklausel</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">den Kriterien des § 24 Abs. 3 AVB-Fernwärme nicht in der ge-</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">botenen Weise Rechnung getragen hat, kann nicht festgestellt</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">werden.</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">§ 24 Abs. 3 AVB-Fernwärme soll das Versorgungsunternehmen ver-</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">pflichten, in Preisänderungsklauseln sowohl Kostenentwicklungen</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">als auch die Verhältnisse am Wärmemarkt zu berücksichtigen, und</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">zwar in angemessener Weise. Dabei betrifft die zu berück-</p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">sichtigende Kostenentwicklung sowohl die Kosten der Erzeugung</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">als auch die der Bereitstellung. Die Erzeugungskosten werden über-</p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">wiegend durch die Brennstoffkosten und erst in zweiter Linie</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">durch Lohnkosten beeinflußt, während die Bereitstellungskosten</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">überwiegend auf Lohnkosten beruhen und nur in geringerem Maße</p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">auch durch Materialkosten bestimmt werden. Die einfachste</p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">Möglichkeit, § 24 Abs. 3 zu entsprechen, ist somit ein Kosten-</p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">faktor, der ein Brennstoff- und ein Lohnelement enthält. Es</p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">können allerdings auch andere oder eine Kombination von mehreren</p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">anderen Kostenfaktoren benutzt werden, wie dies die Beklagte ge-</p>
<span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">tan hat (vgl. Witzel a.a.0. Seite 106). So hat die Beklagte in</p>
<span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">die Klausel einen Fixanteil von 30 % einfliessen lassen, auf den</p>
<span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">Änderungen beim Lohn, beim Preis für leichtes Heizöl und</p>
<span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks">beim Kohlepreis keine Auswirkungen haben können. Die Einfügung</p>
<span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">eines derartigen konstanten Elementes unterliegt keinen Be-</p>
<span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">denken, da es letztlich kundenfreundlich ist, weil dadurch die</p>
<span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">jeweiligen Preissteigerungen der Energie und der Löhne nicht in</p>
<span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">vollem Umfang an die Kunden weitergegeben werden. Im übrigen hat</p>
<span class="absatzRechts">159</span><p class="absatzLinks">die Beklagte, was den variablen Teil des Preises betrifft, 20 %</p>
<span class="absatzRechts">160</span><p class="absatzLinks">an den Lohn und 40 % an den Preis für leichtes Heizöl gebunden.</p>
<span class="absatzRechts">161</span><p class="absatzLinks">Hinzu tritt eine 10 %-ige Bindung des variablen Teils des</p>
<span class="absatzRechts">162</span><p class="absatzLinks">Preises an den Kohlepreis. Damit hat die Beklagte die jeweiligen</p>
<span class="absatzRechts">163</span><p class="absatzLinks">Verhältnisse auf dem Wärmemarkt im Sinne von § 24 Abs. 3 AVB</p>
<span class="absatzRechts">164</span><p class="absatzLinks">angemessen berücksichtigt. Insbesondere die starke Bindung des</p>
<span class="absatzRechts">165</span><p class="absatzLinks">Preises an den Preis für leichtes Heizöl entspricht den Markt-</p>
<span class="absatzRechts">166</span><p class="absatzLinks">verhältnissen, da allgemein der Preis für leichtes Heizöl den</p>
<span class="absatzRechts">167</span><p class="absatzLinks">der anderen Energieträger mitbestimmt. Gesichtspunkte, die gegen</p>
<span class="absatzRechts">168</span><p class="absatzLinks">ein angemessenes Verhältnis zwischen Kosten und Marktorientierung</p>
<span class="absatzRechts">169</span><p class="absatzLinks">in der hier streitigen Klausel sprechen, haben sich jedenfalls nicht</p>
<span class="absatzRechts">170</span><p class="absatzLinks">ergeben und sind vom Kläger auch nicht vorgetragen. Auch die weiteren Ausführungen der Beklagten zu ihrer Kostensituation und dem Betriebsergebnis ihrer Betriebsstelle lassen nicht erkennen, daß in die Preisgleitklausel Elemente ein-</p>
<span class="absatzRechts">171</span><p class="absatzLinks">geflossen sind, die mit der AVB-Fernwärmeverordnung nicht in Ein-</p>
<span class="absatzRechts">172</span><p class="absatzLinks">klang zu bringen sind.</p>
<span class="absatzRechts">173</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat somit in diesem Verfahren schlüssig dargelegt,</p>
<span class="absatzRechts">174</span><p class="absatzLinks">hinsichtlich der hier streitigen Preisgleitklausel den gesetzlich</p>
<span class="absatzRechts">175</span><p class="absatzLinks">vorgeschriebenen Erfordernissen in ausreichender Weise Rechnung</p>
<span class="absatzRechts">176</span><p class="absatzLinks">getragen zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">177</span><p class="absatzLinks">Hinzuzufügen ist, daß die Preisgleitklausel nach der Recht-</p>
<span class="absatzRechts">178</span><p class="absatzLinks">sprechung des Bundesgerichtshofes einer Genehmigung der zu-</p>
<span class="absatzRechts">179</span><p class="absatzLinks">ständigen Landeszentralbank nach § 3 Satz 2 Währungsgesetz nicht</p>
<span class="absatzRechts">180</span><p class="absatzLinks">bedarf (vgl. BGH BB 1979, 1214). </p>
<span class="absatzRechts">181</span><p class="absatzLinks">Da somit die neue Preisgleitklausel als wirksam zu behandeln ist,</p>
<span class="absatzRechts">182</span><p class="absatzLinks">besteht der klageweise geltend gemachte Rückzahlungsanspruch des</p>
<span class="absatzRechts">183</span><p class="absatzLinks">Klägers nicht. Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">184</span><p class="absatzLinks">Streitwert: 775,43 DM.</p>
|
315,688 | lg-bonn-1984-06-06-5-s-24883 | {
"id": 804,
"name": "Landgericht Bonn",
"slug": "lg-bonn",
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"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 5 S 248/83 | 1984-06-06T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:19 | 2019-03-27T09:42:28 | Urteil | ECLI:DE:LGBN:1984:0606.5S248.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 27 Oktober 1983 – 12 C 189/83 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin betreibt unter Einsatz elektronischer Datenverarbeitung bundesweit "Partnerschaftsvermittlungen". Sie wirbt dafür in ganzseitigen Illustriertenanzeigen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte unterschrieb aufgrund einer solchen Anzeige am 20. Dezember 1982 eine schriftliche Vereinbarung. Der von der Klägerin hierzu verwendete Vordruck ist mit "Werkvertrag" überschrieben und hat unter anderem folgenden Wortlaut:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">" Ich beauftrage hiermit W mit der unverzüglich zu erbringenden Werkleistung einer qualifizierten Erarbeitung und Auswahlprüfung von 25 individuellen auf meine Person und meine Partnerwünsche abgestimmten Partnervorschlägen aus dem gegenwärtigen Datenbank- Partnerbestand der W von mehr als 25.000 Partnersuchenden sowie einer elektronischen Bereitstellung der 25 Partnervorschläge in einem speziell für mich bei W eingerichteten elektronischen Partneradressenabrufdepot."</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Parteien vereinbarten außerdem die "Allgemeinen Werkvertragsbedingungen" der Klägerin. Nach diesen Geschäftsbedingungen ist eine Ehevermittlung, Eheanbahnung oder ein auf das Zustandekommen einer Ehe oder Partnerschaft gerichtetes Tätigsein nicht Gegenstand des Vertrages, sondern lediglich die als Werkleistung bezeichnete Herstellung eines "Partner-Adressen-Abrufdepots", und die von dem Kunden dafür geschuldete Vergütung mit dessen Bereitstellung fällig. Zugleich unterzeichnete die Beklagte eine Mitgliedschaft bei der Klägerin als Passivpartner nach Beendigung der aktiven Partnersuche. Mit Schreiben vom 21.Dezember 1982 kündigte die Beklagte die Verträge.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe die Partnervorschläge bei Zugang des Kündigungsschreibens bereits erstellt gehabt. Ihr stehe ein Anspruch aus Werkvertragsrecht zu, da § 656 BGB keine Anwendung finden könne.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Sie hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:34px">den Beklagten zu verurteilen, an sie 3474,75 DM nebst 12% Zinsen zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:34px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Ansicht, auf den Vertrag finde § 656 BGB Anwendung.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Im zweiten Rechtszug haben die Parteien im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung des eingeklagten Betrages zu. Die geltend gemachte Forderung ist nicht einklagbar, da § 656 BGB entsprechend anwendbar ist. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Vertrag ist nicht gemäß einer in Rechtsprechung und Literatur teilweise vertretenen Ansicht (z. B.: LG Schweinfurt, FamRZ 83, 909; Gilles NJW 1983, 361 ff.) als reiner Werkvertrag einzustufen und wie ein solcher zu behandeln.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Zwar wird als Gegenstand des Vertrages nach dem Vertragsinhalt und den "allgemeinen Werkvertragsbedingungen" "eine einmalige unverzügliche zu erbringende Werkleistung (§ 631 BGB)" bezeichnet und wird in den Vertragsbedingungen ausdrücklich betont, dass der Gegenstand des Vertrages" keine Ehevermittlung, Eheanbahnung oder ein fortdauerndes und wiederkehrendes dienstvertragliches Tätigsein irgendwelcher Art, das auf ein unmittelbares Zustandekommen einer Partnerschaft oder eine Ehe gerichtet ist" sei. Überdies ist der Vertrag auch in seiner übrigen Ausgestaltung den werkvertraglichen Vorschriften nachgebildet.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Diese äußerliche Vertragsgestaltung kann jedoch nicht dazu führen, auf den Vertrag ausschließlich Werkvertragsrecht anzuwenden, da die für den Werkvertrag geltenden Bestimmungen für den im Vertrag geregelten Lebenssachverhalt nicht passen, dieser Lebenssachverhalt vielmehr nach Sinn und Zweck des § 656 BGB eine entsprechende Anwendung dieser Norm erfordert. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Beim Werkvertrag schuldet der Unternehmer ein körperliches oder geistiges Arbeitsprodukt von bestimmter, messbarer, wertschöpfender Qualität. Seinem Wesen nach müssen sich also an das Leistungsergebnis bestimmte Qualitätskriterien herantragen lassen, die es ermöglichen, die werkvertragstypischen Gefahr- und Gewährleistungsregelungen anzuwenden und von einer Mangelfreiheit bzw. Mangelhaftigkeit des Produkts zu reden. (vgl. Gilles NJW 83, 365). An diese Bestimmungen knüpft demgemäß auch die Klägerin unter Ziffer 5 ihrer vorgelegten allgemeinen Werkvertragsbedingungen an. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Eine sich an den Gewährleistungsvorschriften der §§ 633 ff. BGB orientierende Überprüfung der von der Klägerin erstellten Partnervorschläge ist jedoch nicht in dem erforderlichen Umfange möglich. Zwar kann die Klägerin ihr Werk durch Erstellung neuer Partnervorschläge "nachbessern", wenn einzelne Vorschlagspartner ausgefallen sind. Die für die Beurteilung der Qualität ihre Arbeit entscheidende Frage der Geeignetheit der Vorschläge ist jedoch mit den Mitteln des werkvertraglichen Gewährleistungsrechts nicht nachprüfbar (ebenso: LG Essen, NJW 84, 178 ff.; AG Offenburg FamRZ 84, 265 ff.).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Zwischenmenschliche Beziehungen sind von Unwägbarkeiten und subjektiven Wertvorstellungen geprägt. Deswegen versagt auch die von Gilles (NJW 83, 361 ff.) propagierte besondere Geeignetheit des vorgeschlagenen Partners auf Grund der an Vergleichsdaten ausgerichteten Auswahl der Klägerin als Kontrollmaßstab. Es gibt keine objektivierbare Geeignetheit von Menschen in ihre Beziehung zueinander. Für den einen mögen gleiche Interessen, für den anderen gewisse Charaktereigenschaften, für andere der Status wichtig sein. Selbst subjektive Kriterien, die von dem Partnerwilligen formuliert werden mögen, versagen nicht selten, da Partner, zu denen man eine nicht nur flüchtige oder vorübergehende Beziehung anknüpfen möchte, meist nicht auf Grund rational vorherprogrammierbarer Entscheidungen gewählt werden und der einzelne Mensch in der dem Menschen eigenen Individualität nicht nach "Passensgraden" programmierbar ist.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Zudem wäre das von der Klägerin zu erstellende "Werk" jedenfalls mit den Mitteln des Prozesses nicht überprüfbar. Die Mangelhaftigkeit eines Werkes wird in einem Rechtsstreit regelmäßig durch ein Sachverständigengutachten überprüft. Eine entsprechende – bei einem Rechtsstreit nicht zu vermeidende Handhabung - widerspräche dem Schutz der Intimsphäre des Partnersuchenden und des als Partner Vorgeschlagenen. Dies widerspricht der Anwendung werkvertraglicher Regelungen und spricht zugleich für die entsprechende Anwendung des § 656 BGB, der unter anderem den Schutz der Intimsphäre gewährleisten soll (vgl. LG Essen, NJW 84, 178). Im Prozess über die Qualität des Werks der Klägerin würden auch die speziellen Wünsche des Suchenden an den gesuchten Partner sowie das Urteil der Klägerin über die Qualität des vorgeschlagenen Passivpartners bekannt. Zur Begutachtung der Qualität des Werks (Partnervorschlags) wäre insbesondere bei der Überprüfung der "inneren Merkmale" (wie z. B. Humor usw.) eine umfassende Persönlichkeitsanalyse erforderlich, insbesondere da die Klägerin nach den vorgelegten allgemeinen Werkvertragsbedingungen sogar die Erstellung eines Kundenpersönlichkeitsprofils und eines Wunschpartnerprofils schuldet. Solche Persönlichkeitsanalysen führen zu einem schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten. Sie führen zu einer Offenbarung der geheimsten Wünsche und einer völligen Durchleuchtung, schlagwortartig zu einem "gläsernen Menschen" (LG Freiburg, NJW 1984, Seite 179). Die Erstellung eines solchen Persönlichkeitsprofils und damit die Begutachtung durch einen Sachverständigen wäre wegen der damit verbundenen Persönlichkeitsverletzung jedenfalls nicht ohne Einwilligung des vorgeschlagenen Passivpartners möglich. Dies führte im Prozess regelmäßig dazu, dass ein entsprechendes Gutachten nicht erstellt werden kann, da der Dritte regelmäßig nicht in die Begutachtung einwilligen wird. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Wenn nach den vorstehenden Ausführungen die wesentlichen Regelungen des Werkvertragsrechtes auf den vorliegenden Vertrag nicht passen, so sprechen neben dem Schutz der Intimsphäre der Betroffenen noch weitere Gesichtspunkte für die entsprechende Anwendung des § 656 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Bei der konkreten Entscheidung fallen in erheblichem Maße die von der Klägerin benutzten Werbeanzeigen ins Gewicht (ebenso im dortigen Fall: LG Freiburg, FamRZ 83, 909; LG Essen, a. a. O.). Diese zielen ersichtlich nicht auf vorübergehende Gelegenheitsbekanntschaften ab. Sie sprechen vielmehr den Wunsch an, einen Dauerpartner für eine gemeinsame Zukunft zu finden.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Damit sind sie letztlich auf das Ziel ausgerichtet, das in § 656 BGB geregelt ist. Es kommt dabei nicht darauf an, dass die Klägerin in ihren Anzeigen und auch in dem Vertragstext die Verwendung des Wortes "Ehe" meidet. Entscheidend ist vielmehr, dass ihre Tätigkeit letztlich auf eine dauerhafte Partnerbeziehung und damit auf einen vergleichbaren Lebenssachverhalt zu dem in § 656 BGB geregelten hinzielt. </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Diese Ähnlichkeit rechtfertigt es, § 656 BGB entsprechend anzuwenden, obgleich es sich dabei um eine Ausnahmevorschrift handelt. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, wonach Ausnahmevorschriften nicht analogiefähig sind. Der entsprechenden Anwendung einer Ausnahmevorschrift steht nur regelmäßig entgegen, dass die Ausnahmesituation regelmäßig in anderen zu entscheidenden Fällen nicht gegeben ist. Wenn ein anderer vergleichbarer Lebenssachverhalt vorliegt, ist eine entsprechende Anwendung der Norm in den Grenzen des Grundgedankens der Ausnahmevorschrift, der hier zutrifft, jedoch sehr wohl statthaft. Demgemäß wendet die Rechtsprechung § 656 BGB auch entsprechend auf den sogenannten Ehemaklerdienstvertrag an (vgl. BGH FamRZ 1983, 987; LG Freiburg, NJW 84, 129 m. w. N.). Die Anbahnung einer dauerhaften Partnerbeziehung stellt jedoch einen zur Eheanbahnung ähnlichen Lebenssachverhalt dar. Sie wird zumindest nach der Vorstellung der Betroffenen auch heute noch häufig in der Ehe münden. Selbst dann, wenn sie nur zu einer nichtehelichen Partnerschaft führt, ist diese regelmäßig nach der zunächst vorhandenen Vorstellung der Partner als Eheersatz auf Dauer angelegt. Gerade nach der Werbung und dem Vortrag der Klägerin im Verfahren sollen ihre Partnervorschläge auf eine möglichst ideale Übereinstimmung des Aktivkunden und des Passivpartners hinzielen. Damit möchte sie jedoch gerade suggerieren, dass die Wahrscheinlichkeit, eine dauerhafte Partnerbeziehung zu finden, besonders groß ist. Auch dies spricht dafür, § 656 BGB entsprechend anzuwenden. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Insbesondere trifft auch der rechtspolitische Zweck des § 656 BGB, das Geschäft mit der Einsamkeit zu verhindern, auch auf den zu entscheidenden Lebenssachverhalt zu. Die Vorschrift schützt einen Vertragspartner, der Aufgrund seines Wunsches, einen Lebenspartner zu finden, in der Gefahr ist, unüberlegte vertragliche Verpflichtungen einzugehen, dadurch, dass er ohne tatsächliche Zahlung keine einklagbare Verpflichtung eingeht. Dies kann voreilige Verpflichtungen auf Grund eines verständlichen Wunsches nach einem Partner verhindern, da mit der Zahlung regelmäßig der rechtsgeschäftliche Charakter des Vertrages und der Umfang der Verpflichtung voll ins Bewußtsein dringt. Dass dieser Schutz auch bei der hier zu entscheidenden Vertragsgestaltung erforderlich ist, zeigt sich besonders deutlich an den zahlreichen von der Klägerin vorgelegten Gerichtsentscheidungen, aus denen hervorgeht, dass zahlreiche Kunden schon kurz nach Vertragsschluß vom Vertrag Abstand nehmen wollen. Die von der Klägerin in die allgemeinen Werkvertragsbedingungen aufgenommene Vergütungsregelung, wonach die Vergütung bereits mit der Bereitstellung des Depots fällig werden soll, zielt offensichtlich darauf ab, auch in diesen Fällen die volle Vergütung sicherzustellen. In sämtlichen vorgelegten Gerichtsentscheidungen waren die Partnervorschläge unverzüglich erstellt, wie es auch nach der Vertragsgestaltung vorgesehen ist. Diese Handhabung lässt Ziffer 6 der allgemeinen Werkvertragsbedingungen, die § 649 BGB entspricht, von vornherein ins Leere laufen. Auch diese Vergütungsregelung widerspricht in ihrem Ergebnis der nach dem Werkvertragsrecht grundsätzlich gegebenen Vorleistungspflicht des Werkunternehmers. Vielmehr besteht nach der Interessenwertung letztlich eine Vorleistungspflicht des Kunden wie sie § 656 BGB vorsieht. Nach der Interessenlage geht das Interesse des Kunden nicht auf die "Bereitstellung" der Partnervorschläge, sondern ausschließlich auf die Bekanntgabe der Partneradressen. Die Aushändigung der Partnerzusammenstellung kann die Klägerin jedoch nach § 320 BGB sowie nach Ziffer 3 Abs. 4 der Allgemeinen Werkvertragsbedingungen verweigern, wenn der Kunde nicht vorher die nach der Vertragskonstruktion fällige Vergütung gezahlt hat. Damit besteht letztlich eine Vorleistungspflicht des Interessenten, die § 656 BGB entspricht (ebenso: LG Freiburg, FamRZ 1983, 909).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Letztlich spricht auch das Argument amaiore adminus nach den vorstehenden Ausführungen dafür, § 656 BGB entsprechend anzuwenden. Wenn schon der Makler, der eine Ehe anbahnen will, als Ehemakler oder als Ehedienstmakler in entsprechender Anwendung des § 656 BGB (BGH FamRZ 1983, 987 ff.) nicht einmal im Erfolgsfalle ein Honorar einklagen kann, so kann dies derjenige erst recht nicht, der nur die erste Stufe der Anbahnung einer festen Partnerbeziehung als Verpflichtung übernimmt. </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Kammer hielt es nach den vorstehenden Ausführungen nicht für erforderlich, auch die Frage zu erörtern, ob der abgeschlossene Vertrag trotz der entgegenstehenden Ausgestaltung der Geschäftsbedingungen unter Umständen als Dienstvertrag anzusehen ist. Wenn man ihn als solchen ansieht, fände § 656 BGB ebenfalls entsprechende Anwendung, da sich hinsichtlich des geregelten Lebenssachverhalts insoweit keine Abweichung ergäbe. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. </p>
|
315,689 | lg-krefeld-1984-06-06-6-t-5384 | {
"id": 813,
"name": "Landgericht Krefeld",
"slug": "lg-krefeld",
"city": 448,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 6 T 53/84 | 1984-06-06T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:21 | 2019-03-27T09:42:28 | Beschluss | ECLI:DE:LGKR:1984:0606.6T53.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Kostenrechnung werden die von den Beschwerdeführern an den Beschwerdegegner zu leistenden Gebühren und Auslagen zu UR-Nr. 1118/83 auf 675,47 DM festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">G r ü n d e</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Am 21. April 1983 schlossen die Firma X Baugesellschaft mbH & Co. KG als Verkäufer und die Beschwerdeführer als Käufer vor dem Beschwerdegegner einen Grundstückskaufvertrag ab. Auf die Urkunde Nr. 1118 vom 21. April 1983 des Notars Dr. Kremer, Kempen,( in Hülle Blatt 3 der Akten) wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Unter II der vorgenannten Urkunde ist bestimmt, daß der Kaufpreis 90,-- DM je Quadratmeter des verkauften Grundbesitzes, bei der angenommenen Flächengröße von 574 qm somit 51.660,—— DM betrage. Ferner enthält die Urkunde unter II unter anderem die Klausel, daß sich die Käufer dem Verkäufer gegenüber wegen der in der Urkunde übernommenen Zahlungsverpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde mit der Maßgabe unterwerfen, daß dem Verkäufer jederzeit ohne weiteren Nachweis eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde erteilt werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Unter IV der Urkunde ist sodann unter anderem folgendes bestimmt:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Erschließung des Kaufobjektes wird im Auftrage der Gemeinde X durch die Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft für den Kreis X Aktiengesellschaft in X durchgeführt. Der Käufer verpflichtet sich gegenüber der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft Aktiengesellschaft als Erschließungsträger zur Zahlung der Erschließungskosten auf das Konto des Erschließungsträgers bei der, Konto Nr., Verwendungszweck .</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Erschließungskosten betragen voraussichtlich bei einer eingeschossigen Bauweise 44,51 DM je qm der Grundstücksfläche und bei einer zweigeschossigen Bauweise 62,15 DM je qm der Grundstücksfläche. Das Kaufobjekt wird eingeschossig gebaut, so daß die voraussichtlichen Erschließungskosten 44,51 DM x 574 = 25.548,74 DM betragen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die voraussichtlichen Erschließungskosten sind wie folgt fällig:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">a) </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">zu 90 % unverzüglich nach Eingang der Bauerlaubnis für das auf dem gekauften Grundstück zu errichtende Gebäude, spätestens jedoch zu dem gemäß b) festgelegten Zeitpunkt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">zu 10 % vier Wochen nach Aufforderung durch den Erschließungsträger aufgrund der von der Gemeinde X genehmigten Abrechnung für den jeweiligen Bauabschnitt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Dem Käufer ist bekannt, daß die Gemeinde X über die voraufgeführten Erschließungskosten hinaus Kanalanschlußbeiträge nach dem zum Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht geltenden Ortsrecht erhebt. Die Beitragspflicht entsteht, wenn die Entwässerungsanlage betriebsfertig hergestellt ist und das gekaufte Grundstück an das Entwässerungsnetz angeschlossen werden kann. Die Beteiligten sind darüber einig, daß alle Erschließungsbeiträge und sonstigen Anliegerbeiträge sowie der Kanalanschlußbeitrag zu Lasten des Käufers gehen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Am 02.01.1984 erteilte der Beschwerdegegner den Beschwerdeführern zu UR—Nr. vom 21.01.1983 — Kaufvertrag — folgende Kostenrechnung:</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Wert: 51.660,-- DM+ 25.548,74DM</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Gebühr § 36 II KostO 390,00 DM</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Gebühr § 146 KostO 82,50 DM</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Gebühr § 147 KostO 82,50 DM</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Gebühr § 136 KostO 96,00 DM</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Gebühr § 137 KostO 85,54 DM</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">10 % MWSt <u>85,54 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">743,54 DM.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeführer wenden sich dagegen, daß bei der Ermittlung des Geschäftswertes künftige Erschließungskosten in Höhe von 25.548,74 DM berücksichtigt worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Beschwerdegegner hat vorgetragen:</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Da die Gemeinde X nach § 123 Abs. 3 Bundesbaugesetz die Erschließung durch Vertrag der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft AG übertragen habe, müsse der Erwerber eines Baugrundstückes die Verpflichtung zur Zahlung der Erschließungskosten vertraglich übernehmen. Die vertragliche Übernahme der Erschließungskosten gegenüber dem privaten Erschließungsträger sei Bedingung des Vertrages gewesen. Der Erschließungsträger habe einen Titel gegen die einzelnen Käufer haben wollen. Auch die Fälligkeit der Erschließungskosten habe vereinbart werden müssen. Die Verkäuferin, Firma X Baugesellschaft mbH & Co. KG habe sich gegenüber dem Erschließungsträger verpflichtet, in jeden Kaufvertrag die Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Erschließungsträger ausdrücklich aufzunehmen. Bei der Vereinbarung in dem Kaufvertrag handele es sich also nicht um einen Hinweis auf eine gesetzlich bestehende Pflicht zur Zahlung von Erschließungskosten sondern um eine vertraglich festgelegte Verpflichtung.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Beschwerdegegner ist deshalb der Ansicht, daß die Erschließungskosten bei der Berechnung der Gebühren dem Kaufpreis zuzurechnen seien.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Präsident des Landgerichts als vorgesetzte Dienstbehörde des Notars vertritt demgegenüber die Auffassung, dass auch in diesem Falle noch nicht fällige Erschließungsbeiträge dem Kaufpreis nicht hinzugerechnet werden könnten. Im einzelnen wird auf die Stellungnahmen vom 19.03.1984 und 27.04.1984 verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die gemäß § 156 Abs. 1 zulässige Beschwerde der Beschwerdeführer gegen die Kostenberechnung ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Nach § 20 Abs. 1 KostO ist beim Kauf eines Grundstückes grundsätzlich der Kaufpreis für die Kostenberechnung maßgebend. Hinzuzurechnen sind die vom Käufer übernommenen oder die ihm sonst infolge der Veräußerung obliegenden Leistungen. Dabei muß es sich um Leistungen handeln, die ebenso wie der Kaufpreis dem Verkäufer zugute kommen. Durch die in § 20 KostO vorgesehene "Hinzurechnung" von sonstigen Leistungen außerhalb des nominellen Kaufpreises soll nämlich erreicht werden, dass der Gebührenberechnung der tatsächliche wirtschaftliche Wert der Käuferleistung für den Verkäufer zugrunde gelegt wird.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Abreden der vertragschließenden Parteien über die Erschließungskosten unter IV des notariellen Vertrages vom 21.04.1983 stellen keine zusätzliche Leistung dar, die der Käufer zugunsten des Verkäufers übernommen hat. Der Erschließungsbeitrag ruht gemäß § 134 Abs. 2 Bundesbaugesetz als öffentliche Last auf dem Grundstück. Beitragspflichtig ist derjenige, der zum Zeitpunkt der Zustellung des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstücks ist (§ 134 Abs. 1 Satz 1 Bundesbaugesetz). Den Erwerber eines noch unerschlossenen und nicht bebauten Grundstücks, für das ein Beitragsbescheid noch nicht zugestellt worden ist, trifft daher die Beitragspflicht für noch vorzunehmende Erschließungsmaßnahmen. Der Erwerber haftet für künftige Erschließungsbeiträge und der Veräußerer ist von solchen befreit, ohne daß eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Vertragschließenden getroffen werden muß. Die Übernahme künftig fällig werdender Erschließungsbeiträge durch einen Grundstückskäufer ist daher dem Kaufpreis nicht hinzuzurechnen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Etwas anderes gilt hier auch nicht deshalb, weil sich die Käufer gegenüber der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft AG als Erschließungsträger zur Zahlung der Erschließungskosten auf das Konto des Erschließungsträgers verpflichtet haben. Wirtschaftlich haben die Käufer damit nicht mehr übernommen, als sie ohnehin aufgrund gesetzlicher Vorschrift zu tragen haben. Für die Käufer hat sich nur der Adressat der ohnehin von ihnen zu erbringenden Erschließungsbeiträge geändert. Auch die Abrede über die Fälligkeit der Erschließungsbeiträge stellt keine echte Zusatzleistung dar. Auch für den Fall, dass die Gemeinde selbst die Erschließung vornimmt, kann sie Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag verlangen, wenn ein Bauvorhaben auf dem Grundstück genehmigt wird (§ 133 Abs. 3 Bundesbaugesetz). Da eine von der Gemeinde genehmigte Abrechnung für die Erschließungskosten vorliegen muß, bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, daß die Käufer in dem notariellen Vertrag höhere Beitragslasten übernommen haben, als von ihnen ohne die Abrede zu Gunsten der Erschließungsträgerin gegenüber der Gemeinde geschuldet würden.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Andererseits handelt es sich bei den Zusatzabreden über die Erschließungsbeiträge zu Gunsten der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft AG nicht um eine Leistung an den Verkäufer, durch die wirtschaftlich der Grundstückskaufpreis erhöht wird. Die Verkäuferin hat zwar, wie der Beschwerdegegner dargelegt hat, sich vertraglich verpflichtet, mit allen Grundstückseigentümern die Zusatzabrede über die Erschließungskosten zu Gunsten der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft und für den Kreis X AG zu schließen. Dies dient einer reibungslosen und möglichst schnellen Aufschließung des gesamten Baugebietes. Dadurch werden auch die Verkaufs- und Bebauungsmöglichkeiten seitens der Verkäuferin sicherlich gefördert. Solche Vorteile bei der technischen Abwicklung eines größeren Verkaufs und Bauvorhabens stellen aber keine dem Kaufpreis zuzuschlagende Leistung dar. Der Kaufpreis ändert sich durch eine Vertragsgestaltung, die die Abwicklung eines Großbauvorhabens durch einen Bauträger o.ä. erleichtert, nicht. Im Sinne von § 20 KostO sind dem Kaufpreis nur solche Leistungen des Käufers an den Verkäufer hinzuzurechnen, die sich konkret aus dem Grundstücksgeschäft an sich ergeben und deshalb Kaufpreischarakter haben. Dies ist bei Abreden darüber, an wen und in welcher Form vom Käufer zu erbringende Erschließungsbeiträge zu leisten sind, nicht der Fall. Es handelt sich nicht um dem Kaufpreis zuzurechnende echte Leistungen des Käufers an den Verkäufer wegen des konkreten Grundstücksgeschäftes sondern um Zusatzabreden über die Zahlungsmodalitäten der jedenfalls geschuldeten Erschließungsbeiträge. Für letztere ist auch mit der notariellen Urkunde zugunsten der Erschließungsträgerin kein Titel geschaffen worden. Die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in Ziffer III des notariellen Vertrages betrifft eindeutig nur die vorausgehenden Kaufpreisansprüche. Die Regelung über die Erschließungsbeiträge folgt unter IV nach und ist bereits deshalb von der Unterwerfungsklausel nicht umfaßt.. Es verbleibt dabei, dass die Erwerber die künftigen Erschließungsbeiträge in bestimmter Weise unmittelbar an die Erschließungsträgerin zu leisten haben, der reibungslosen Durchführung des Großbauvorhabens in einem Neubaugebiet dient. Die Abrede über die Zahlungsweise der Erschließungsbeiträge kommt damit Verkäufer, Käufer und Erschließungsträger in gleicher Weise zugute, ohne dass sich dadurch das Gewicht der Leistungen von Käufer und Verkäufer bei dem eigentlichen Grundstücksgeschäft verschiebt. Für die Ermittlung des Geschäftswertes sind daher die unter IV des des notariellen Vertrages geregelten "Erschließungsbeiträge" von 25.548,74 DM nicht zu berücksichtigen. Nach § 20 KostO ist maßgeblich allein der Grundstückskaufpreis von 51.660,-- DM. Nach diesem Wert sind folgende Gebühren entstanden:</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Beurkundungsgebühr § 36 Abs. 2 KostO</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">(2 x 165,-- DM) 330,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Vollzugsgebühr § 146 KostO</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">(1/2 von 165.-- DM) 82,50 DM</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Gebühr für Nebentätigkeit § 147 KostO</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">(z.B. Feststellung der Fälligkeitsvoraus-</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">setzungen (1/2 von 165,-- DM) 82,50 DM</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Schreibauslagen gemäß § 136 KostO 96,00 DM</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Sonstige Auslagen wie Porto etc.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">gemäß § 137 KostO 7,00 DM</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">13 % MWSt <u>77,74 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks"> 675,74 DM.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Auf diesen Betrag war die Kostenrechnung vom 2.1.1984 zu der Urkundennummer 118/83 vom 21.04.1983 abzuändern.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Von der Auferlegung gerichtlicher Auslagen wird abgesehen (§ 156 Abs. 4 Satz 2 und 4 KostO).</p>
|
315,690 | olgham-1984-05-30-20-u-38583 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 385/83 | 1984-05-30T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:23 | 2019-03-27T09:42:28 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1984:0530.20U385.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Beklagten wird das am 23. September 1983 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert.</p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.800,- DM abzuwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragte am 25. Juni 1981 bei der Klägerin den Abschluß einer dynamischen Gruppenunfallversicherung mit Versicherungssummen für den Invaliditäts- und Todesfall sowie einem Tagegeld von 100,- DM. In dem Antrag (Bl. 11 d.A.) war nach weiteren bestehenden oder beantragten Unfallversicherungen nicht gefragt. Die Klägerin nahm den Antrag an. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB) zugrunde.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">§15 AUB lautet auszugsweise:</p>
<br /><span class="absatzRechts">4</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>II. Abs. 4</i>
<i>Binnen einer Woche nach Zustellung des von dem Versicherer zu liefernden Vordrucks für Schaden - anzeigen ist dieser sorgfältig auszufüllen und ihm zuzusenden; außerdem sind alle weiterverlangten sachdienlichen Auskünfte zu erteilen.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">§17 AUB lautet:</p>
<br /><span class="absatzRechts">6</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Folgen von Obliegenheitsverletzungen Wird eine Obliegenheit verletzt, die nach dem Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, daß die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Bei grob fahrlässiger Verletzung bleibt der Versicherer zur Leistung insoweit verpflichtet, als die Verletzung weder Einfluß auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus schloß der Beklagte mit Antrag vom 25. Juni 1981 für die Zeit ab 1. Juli 1981 bei der ... versicherung ( ...) eine Unfallversicherung mit gleichem Inhalt ab. Ferner besteht für den Beklagten aufgrund eines Antrags vom 26. August 1981 mit Wirkung ab 1. September 1981 eine Unfallversicherung bei der ... Versicherung, für die dem Beklagten der Versicherungsschein am 23. Oktober 1981 zugestellt wurde. Schließlich ist der Beklagte bei der ... gegen Unfall versichert. Sämtliche Versicherungen wurden von der Generalagentur ... vermittelt, die auch für die Klägerin freiberuflich als Vermittler tätig ist. Von diesen weiteren Versicherungen erfuhr die Klägerin erst in der Zeit nach dem 17. Februar 1982.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Am 5. August 1981 meldete der Beklagte der Klägerin einen Auslandsunfall vom 9. Juli 1981. Die Frage Nr. 15 des Schadensanzeigeformulars der Klägerin (Bl. 12, 13 d.A.) lautet:</p>
<br /><span class="absatzRechts">9</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Bestanden oder bestehen noch weitere Unfall- oder Lebensversicherungen? (Anschriften und Az. der Gesellschaften angeben).</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">In der Antwortspalte "Unfallversicherungen" findet sich im Formular die Eintragung "nein", in der danebenliegenden Spalte "Lebensversicherungen" findet sich ein diagonaler Strich. Über der Unterschrift des Klägers steht der vorgedruckte Satz:</p>
<br /><span class="absatzRechts">11</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>"Es wird darauf hingewiesen, daß bewußt unwahre und unvollständige Angaben zum Verlust des Anspruchs auf Versicherungsschutz führen, auch wenn dem Versicherer durch diese Angaben kein Nachteil entsteht."</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin leistete an den Beklagten wegen dieses Unfalls Tagegeldzahlungen von 2.160,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Einen weiteren Auslandsunfall vom 13. September 1981, meldete der Beklagte der Klägerin unter dem 14. Oktober 1981, wobei er ein gleiches Schadensmeldungsformular benutzte und zu der Frage nach dem Bestehen weiterer Unfall- oder Lebensversicherungen angab, daß eine Unfallversicherung bei der ... und Lebensversicherungen bei der Klägerin und dem ... bestünden. Auf die Ablichtung der Schadensanzeige (Bl. 14-15 d.A.) wird verwiesen. Die Klägerin zahlte hierauf 2.300,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Schließlich meldete der Beklagte unter dem Datum des 25. Januar 1982 einen Unfall vom 18. Januar 1982. Auf der dazugehörigen Schadensanzeige (Bl. 16-17 d.A.) gab er als weitere Unfallversicherung die ... und als weitere Lebensversicherung wiederum die Klägerin und den ... an. Darauf leistete die Klägerin keine Zahlungen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 10. März 1982 (Bl. 18, 19 d.A.) entzog die Klägerin dem Beklagten wegen unrichtiger bzw. unvollständiger Angaben in den Schadensmeldungen den Versicherungsschutz, wobei sie zugleich auf die Möglichkeit, vermeintliche Ansprüche binnen 6 Monaten gerichtlich geltend zu machen, hinwies. Der Beklagte hat keine Klage gegen die Klägerin erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage Rückzahlung der von ihr erbrachten Versicherungsleistungen aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. Sie hat die Ansicht vertreten, von der Verpflichtung zur Leistung frei gewesen zu sein, weil der Beklagte unter Verstoß gegen §15 Nr. II Abs. 4 AUB durch falsche Angaben vorsätzlich gegen seine Obliegenheiten verstoßen habe. Darüber hinaus hat sie gemeint, daß ihre Leistungspflicht bereits gegen §12 Abs. 3 VVG entfallen sei.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat den Beklagten mit Schreiben vom 26. Oktober (Bl. 44 d.A.) und 30. November 1982 zur Rückzahlung der erbrachten Versicherungsleistungen aufgefordert. Unter Hinweis auf die ihr entgangene Möglichkeit einer gewinnbringenden Anlage in Höhe von 8 % pro Jahr hat sie beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 5.260,- DM nebst 8 % Zinsen seit dem 1. März 1983 sowie 4,- DM vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Er hat vorgetragen, nach seiner Erinnerung in der Schadensanzeige zum Unfall vom 9. Juli 1981 keine Angaben zu weiteren Unfallversicherungen gemacht zu haben. Im übrigen hat er die Ansicht vertreten, mit den unvollständigen Ausführungen in den Schadensanzeigen keine die Leistungsfreiheit der Klägerin begründende Obliegenheitsverletzung begangen zu haben. Er habe bei den Schadensanzeigen bezüglich der Unfälle vom 13. September 1981 und 18. Januar 1982 nur einen Teil der bestehenden Versicherungen angegeben, weil er davon ausgegangen sei, daß der Klägerin die übrigen Versicherungen bekannt gewesen seien. Im übrigen hat er die Auffassung vertreten, daß die unvollständige Beantwortung der Frage nach anderweitigen Unfall- und Lebensversicherungen keine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung im Sinne der §§15 und 17 AUB darstelle, da die Beantwortung dieser Fragen für die Leistungspflicht der Klägerin nicht sachdienlich sei. Schließlich hat er behauptet, daß er das gezahlte Geld verbraucht habe.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Beklagte sei ungerechtfertigt bereichert, weil die Klägerin wegen einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung des Beklagten leistungsfrei sei. Der Beklagte habe in der Schadensmeldung jedenfalls die Unfallversicherung bei der DBV verschwiegen. Die Frage nach anderen Versicherungsverträgen sei sachdienlich, weil deren Kenntnis für den Versicherer wichtige Aufschlüsse im Hinblick auf eine eventuelle mißbräuchliche Inanspruchnahme biete.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten. Der Beklagte wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und bezieht sich zum Problem der Sachdienlichkeit von Fragen nach anderweitig bestehenden Versicherungen auf die Rechtsprechung des Senats.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin, die den Anspruch auf 4,- DM vorgerichtliche Mahnkosten fallen läßt, beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin wiederholt ihr Vorbringen erster Instanz und führt aus: Der Beklagte habe seine Aufklärungspflicht verletzt. Die Versicherung müsse sich, um sachgemäße Entschlüsse fassen zu können, darauf verlassen können, daß der Versicherungsnehmer von sich aus richtige und lückenlose Angaben über den Versicherungsfall mache. Die fehlende Kenntnis von dem Bestehen eines weiteren Unfallversicherungsvertrages sei geeignet, ihre, der Klägerin, Interessen in ernster Weise zu gefährden. Im übrigen habe der Beklagte die Frage nach anderweitig bestehenden Unfallversicherungen teilweise beantwortet und daher offenbar selbst nicht für belanglos gehalten. Zudem seien sowohl die Häufung als auch die Art und Weise der Unfälle des Beklagten auffällig. Schließlich sei der Beklagte schon allein deshalb zur Rückzahlung verpflichtet, weil er die Klagefrist gemäß §12 Abs. 3 VVG nicht gewahrt habe.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der überreichten Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung hat Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückzahlung der für die Versicherungsfälle vom 9. Juli und 13. September 1981 erbrachten Leistungen aus ungerechtfertigter Bereicherung (§812 BGB) zu.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nicht bereits deshalb begründet, weil der Beklagte die ihm mit Schreiben vom 10. März 1982 (Bl. 18 d.A.) gesetzte Frist hat verstreichen lassen. Das Schreiben enthält keine wirksame Fristsetzung. Eine wirksame Fristsetzung gemäß §12 Abs. 3 VVG setzt voraus, daß ein Anspruch auf die Leistung erhoben werden kann. An dieser Voraussetzung fehlt es hier. Die Klägerin hatte die Leistungen für die Unfälle vom 9. Juli und 13. September 1981 bei Fristsetzung bereits erbracht. Eine Klage auf die Leistung der Versicherungssumme - nur darüber verhält sich im übrigen die Belehrung der Klägerin in dem Schreiben vom 10. März 1982 - wäre dem Beklagten somit nicht möglich gewesen. Zu einer negativen Feststellungsklage, daß die Klägerin keine Rückgriffsansprüche gegen ihn habe, war der Beklagte nicht verpflichtet. Dieser Grundsatz ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht ... auf die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung beschränkt (BGH NJW 56, 825, 826; BGH VersR 75, 229; Prölss-Martin VVG, 23. Aufl., §12 Anm. 8 g).</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist auch nicht gemäß §§15 Nr. II Abs. 4, 17 AUB leistungsfrei. Der Beklagte hat, indem er in den Schadensanzeigen vom 5. August und 14. Oktober 1981 (Bl. 13, 15 d.A.), beantragte Unfall- oder Lebensversicherungen nicht und bestehende Unfall- oder Lebensversicherungen nur unvollständig angegeben hat, keine Obliegenheit verletzt.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks"><b>a)</b></p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Zwar hatte der Beklagte am 26. August 1981 einen Antrag auf Abschluß einer Unfallversicherung bei der Ersten Allgemeinen Versicherung gestellt, den er in seiner Unfallanzeige vom 14. Oktober 1981 nicht angegeben hat. Darin kann jedoch schon deshalb keine Obliegenheitsverletzung liegen, weil in dem Schadensformular der Klägerin nach <u>beantragten</u> Versicherungen nicht gefragt wird. Wenn im Versicherungsantragsformular nur nach bestehenden anderweitigen Versicherungsverträgen gefragt ist, kann der Versicherungsnehmer im Regelfall davon ausgehen, daß der Versicherer an einer Auskunft über noch nicht bestehende, sondern erst beantragte weitere Versicherungsverhältnisse nicht interessiert ist (Senat VersR 78, 1137). Dieser Grundsatz, an dem der Senat festhält, gilt auch bei der Beantwortung von Fragen in Schadensanzeigen. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin zudem ausdrücklich gefragt: <u>"Bestanden</u> oder <u>bestehen</u> noch weitere Unfall- oder Lebensversicherungen?", und um Angabe der Aktenzeichen gebeten. Darunter kann auch ein sorgfältiger Versicherungsnehmer nicht die Frage nach erst beantragten Versicherungsverträgen, für die auch noch kein Aktenzeichen des Versicherers vorliegt oder bekannt ist, verstehen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks"><b>b)</b></p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Soweit der Beklagte die Frage Nr. 15 nach anderweitig <u>bestehenden</u> Unfallversicherungen unrichtig (mit Schadensanzeige vom 5. August 1981) und unvollständig (mit Schadensanzeige vom 14. Oktober 1981) beantwortet hat, ist davon auszugehen, daß er diese Angaben vorsätzlich gemacht hat. Auch wenn in dem Schadensformular vom 5. August 1981 die Antwort "nein" vom Beklagten nicht selbst eingetragen, sondern nur unterschrieben worden ist, liegt eine vorsätzlich unrichtige Angabe vor. Der Beklagte hatte den Versicherungsschein der Deutschen Beamtenversicherung am 20. August 1981 zugestellt bekommen. Dies sowie seine Einlassung, er habe angenommen, daß die übrigen Versicherungen der Klägerin über den Versicherungsvertreter bekannt gemacht worden seien, läßt, wie schon das Landgericht zutreffend angenommen hat, nur den Schluß zu, daß er den Versicherungsvertrag mit der DBV bewußt nicht angegeben hat.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Insoweit liegt jedoch keine Obliegenheitsverletzung vor, weil die Frage nach anderweitig bestehenden Versicherungen in der Schadensanzeige nicht sachdienlich ist (Senat, VersR 78, 1137 und VersR 70, 319).</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der Versicherungsnehmer hat nach §34 VVG auf Verlangen des Versicherers jede Auskunft zu erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistung erforderlich ist. Dazu gehören nicht Angaben, die der Versicherer zur Prüfung der Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses benötigt (Senat, VersR 70, 319; zustimmend Prölss-Martin a.a.O. §34 Anm. 2 A). Da §34 Abs. 1 VVG im Unterschied zu Abs. 2 nicht zwingend ist (§34 a S. 1 VVG), können die allgemeinen Versicherungsbedingungen die Auskunftspflichten des Versicherungsnehmers allerdings erweitern. Das ist in §15 Nr. II Abs. 4 AUB geschehen. Aber auch hiernach dürfen nur sachdienliche Auskünfte verlangt werden; nicht sachdienliche Fragen braucht der Versicherungsnehmer nicht zu beantworten (Prölss-Martin, a.a.O. §15 AUB Anm. 3).</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Sachdienlichkeit von Fragen nach anderweitig bestehenden Versicherungen ist zu verneinen:</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Frage betrifft nicht den Hergang des gemeldeten Unfalls, sondern die Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers und damit die Glaubhaftigkeit seiner Angaben. Zwar kann die persönliche Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers eine Rolle bei der Frage spielen, ob das geschilderte äußere Bild eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Unfalls bietet oder ob dieses äußere Bild entkräftet ist (Prölss-Martin a.a.O. §15 AUB Anm. 3 b). Es ist auch nicht zu verkennen, daß Mehrfachversicherungen im Rahmen einer Gesamtwürdigung des dem Versicherer gemäß §180 a VVG obliegenden Beweises für das Fehlen der Unfreiwilligkeit eines Unfalls von Bedeutung sein können. Gleichwohl darf der Versicherer nicht formularmäßig und ohne greifbaren Anlaß Fragen stellen, die allein auf die Prüfung der Glaubwürdigkeit seines Vertragspartners abzielen. Der Begriff der Sachdienlichkeit ist auf den konkreten Versicherungsfall zu beziehen. Dieser muß zumindest Anhaltspunkte dafür bieten, daß der Betroffene die Gesundheitsbeschädigung nicht unfreiwillig erlitten hat (Senat VersR 70, 320). Das gilt umso mehr, wenn der Versicherer, wie hier, im Versicherungs <u>antrag</u> nicht nach anderweitigen Versicherungen - die nach den AUB auch nicht untersagt sind - gefragt hat. Fragt er dann erstmalig in der Schadensanzeige, so dient die Frage ersichtlich nicht dem Zweck, den Sachverhalt zu ermitteln, sondern der einseitigen Schaffung einer Obliegenheit, die in den Bedingungen keine Grundlage findet. Zur Stellung derartiger Fragen ist der private Versicherer nicht befugt. Bei aller Würdigung eines berechtigten Interesses an der Prüfung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers sind ihre Fragen an den Versicherungsnehmer verwehrt, die allein diesem Zweck dienen (etwa nach Vorstrafen oder Vermögensverhältnissen). Zur Ermittlung solcher Umstände ist er auf andere Erkenntnisquellen angewiesen als auf Fragen an den Versicherungsnehmer. Das ist der Sinn der Beschränkung der Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers auf "sachdienliche" Auskünfte in §15 II 4 AUB.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der Versicherer, der weder in den Versicherungsbedingungen anderweitige Versicherungen an Bedingungen knüpft noch im Antrag auch nur danach fragt, darf demnach auch in dem Formular der Schadensanzeige diese Frage nicht stellen. Aus der Falschbeantwortung einer unzulässigen Frage darf er Leistungsfreiheit nicht herleiten.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Hinzu kommt die Erwägung, daß das Verschweigen von Mehrfachversicherungen selbst im Versicherungs <u>antrag</u> die Leistungspflicht der Beklagten nicht ohne weiteres entfallen lassen würde. Weitere Versicherungsverträge sind nach §21 VVG als "vertragsgefährliche Umstände" ohne Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalls (Prölss-Martin a.a.O. §21 Anm. 2).</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Beschwer der Klägerin beträgt 5.260,- DM.</p>
|
315,691 | olgk-1984-05-25-19-u-584 | {
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} | 19 U 5/84 | 1984-05-25T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:25 | 2019-03-27T09:42:28 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1984:0525.19U5.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das am 25. November 1983 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen - 43 (13) 0 189/78 -wird auf ihre Kosten mit der Klarstellung zurückgewiesen, daß zu den Verfahrenskosten auch die Kosten des Berufungsrechtsstreits 19 U 21/80 OLG Köln gehören.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicher­heitsleistung in Höhe von 310.000,-- DM abwenden, wenn der Klage nicht vor der Vollstreckung Sicher­heit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten dürfen auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer Deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand</p><span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten zu 2), die ihrerseits als GmbH persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1) ist, Herr I. war zusammen mit seiner Ehefrau, J., Gesellschafter  und Geschäfts­führer der Firma G. in Robertville/Belgien.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Über das Vermögen der letztgenannten Firma wurde am 2. September 1976 durch das Handelsgericht Verviers das Konkursverfahren eröffnet. Zum Konkursverwalter wurde zunächst Rechtsanwalt N. bestellt, der die vorliegende Klage im eigenen Namen erhoben hat. Er wurde in diese Eigenschaft durch das Handelsgericht Verviers am 4. Juni 1933 durch Rechtsanwalt P. ersetzt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Am 29. Dezember 1975 hatte die Beklagte zu 1) der Gemein­schuldnerin schriftlich den Auftrag zur Herstellung und Lieferung von Fruchtsaftgetränken erteilt. Dieser Auftrag bezog sich auf einen "Miet- und Leihvertrag" vom 15. Juli 1975, durch den die Beklagte zu 1) der Gemeinschuldnerin zwei. Abfüllmaschinen, einen Gabelstabler, einen 2.000 l. -Tank sowie einen Zuckerrelevator zur Verfügung stellte. In dem genannten Miet- und Leihvertrag wurde für die Abfüllanalage und den Gabelstabler ein jährlicher Mietzins in Höhe von 10.000,-- DM bestimmt, die Miete für die beiden anderen Gegenstände sollte noch festgesetzt werden. Der Vertrag enthält auch eine Regelung, daß für die Geschäftsbeziehungen der Beklagten zu 1) und der Gemeinschuldnerin Deutsches Recht gelten sollte, als Gerichtsstand wurde Aachen vereinbart.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Aus dieser Geschäftsbeziehung ist aufgrund von Warenlieferungen der Gemeinschuldnerin eine Forderung gegen die Beklagten ent­standen, die sich bis zum 15. Februar 1977 auf unstreitig ins­gesamt Bfrs. 6.100.000, belief.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Gemeinschuldnerin bezog ihre Verpackungsfolien von der in Burgdorf/Schweiz ansässigen Firma T. AG. Diese meldete im Konkurs eine Forderung aus Warenlieferungen in Höhe von DM 593.454,75 an. Ein. Teilbetrag von 363.880,75 DM ist durch Entscheidung des Handelsgericht Verviers vom 20. November 1978 rechtskräftig zur Konkurstabelle anerkannt worden.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Anfang des Jahres 1977 verlangten die Bek1gten vom damaligen Konkursverwalter N. die Herausgabe der Abfüllmaschinen. Dieser machte die Herausgabe von einer Zahlung auf die Forderung der Gemeinschuldnerin in Höhe von 6.100.000 Bfrs. abhängig.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten leisteten daraufhin durch ihren Geschäftsführer I. am 15. Februar 1977 eine Zahlung in Höhe von Bfrs. 1.300.000. Für den ausstehenden Restbetrag erhielt der</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Konkursverwalter auf sein Verlangen hin ein schriftliches Schuld­anerkenntnis über Bfrs. 4.700.000.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Gestützt auf dieses Schuldanerkenntnis hat der Kläger zunächst im Urkundenverfahren einen Teilbetrag von 1.640.000 Bfrs oder</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">DM 100.000,-- nebst 5 % Zinsen seit dem 15. Februar 1977 geltend gemacht und auch zugesprochen bekommen. Im Nachverfahren hat er</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">zunächst beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">das Vorbehaltsurteil vom 2. März 1977 für vorbehaltlos zu erklären.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten haben den Antrag gestellt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">das Vorbehaltsurteil vom 2. März 1979 aufzuheben und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><img src="19_U_5_84_Urteil_19840525_0.png" alt="Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik." height="32" width="2" />Sie haben behauptet, der Kläger habe bei Abgebe des schriftlichen Schuldanerkenntnisses am 15. Februar 1977 erklärt, er wolle</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">aus dieser Urkunde nichts gegen die Beklagten herleiten; er benötige sie lediglich zu seiner eigenen Absicherung für seine Akten.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Hilfsweise haben die Beklagten die Aufrechnung mit einer Reihe von Gegenforderungen</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">erklärt. In erster Linie handelt es sich um eine Forderung in Höhe von 368.378,-- DM, die ursprünglich der Firma T. AG zugestanden habe. Da sie, die Beklagten, unter dem 11. August 1976 für die jeweiligen Forderungen der T. AG gegen die Gemeinschuldnerin eine Bürgschaft übernommen hätten, aufgrund dieser Bürgschaft von der Firma T. AG in Anspruch genommen worden seien und eine Zahlung in Höhe dieser Forderung an die Firma T. geleistet hätten, sei diese Forderung in dieser Höhe auf sie übergegangen. Ausserdem sei die Forderung durch die T. AG mit Erklärung vom 9. September 1977 an die Eheleute I. abgetreten worden, diese hätten die Forderung ihrerseits wiederum am 20. Februar 197an die Beklagten abgetreten.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Weiterhin haben die Beklagten hilfsweise die Aufrechnung mit einer Forderung über Bfrs. 175.000,-- DM erklärt, Diesen Betrag hat Herr I. am 6. September 1976 zum Ausgleich einer Forderung der Sociètè Gènèrale de Banque gegen die Gemein­schuldnerin überwiesen. Die Beklagten haben hierzu vorgetragen, diese Zahlung sei aufgrund einer Bürgschaftserklärung gegen­über der Bank vorn <em>29. </em>Januar 1975 geleistet worden.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Weiterhin haben die Beklagten hilfsweise mit einer Forderung</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">in Höhe von DM 7.000,-- aufgerechnet, die die Gemeinschuldnerin noch aufgrund des Miet- und Leihvertrages vom 15. Juli 1975 geschuldet habe.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Schließlich haben die Beklagten mit einer eigenen Gegenforderung in Höhe von 180.000,-- DM aus laufender Geschäftsverbindung mit der Gemeinschuldnerin die Aufrechnung erklärt, des weiteren mit einer Forderung in Höhe von Bfrs. 263.770,--,die die Firma R. am 22. November 1977 an sie abgetreten habe, weil sie in dieser Höhe Schulden der Gemeinschuldnerin beglichen hätten. Ausserdem sei eine Forderung der Firma E. GmbH in Höhe Von 165.750,-- DM gegen die Gemeinschuldnerin ebenfalls von ihnen befriedigt worden. Diese Forderung sei daraufhin von der Gläubigerin an sie abgetreten worden.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Nach Beweisaufnahme hat das Landgericht mit Urteil vom 23. November 1979 das Urteil vom 2. März 1979 bestätigt und für vorbehaltlos erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Diese Entscheidung ist durch Urteil des Senates vom 27. Juni 1980 - 19 U 21/80 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückge­wiesen worden.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Sodann hat der Kläger die Klage erweitert und. beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">1.)  das Vorbehaltsteil des Landgerichts vom 2. März 1979 für vorbehaltslos zu erklären,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">2.)  die Beklagten als Gesamtschuldner zu ver­urteilen, an den Kläger weitere Bfrs. 3.060.000,-- oder DM 197.510,-- nebst 5 % Zinsen seit dem 15. Februar 1977 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten haben beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">das Vorbehaltsurteil vom 2. März 1979 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Gegenüber dem mit der erweiterten Klage geltend gemachten Rest­betrag aus dem Schuldanerkenntnis vom 15. Februar 1977 haben die Beklagten die Einrede der Verjährung erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Nach weiterer Beweisaufnahme hat das Landgericht mit Urteil vom 25. November 1983 den Anträgen des Klägers stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß der Kläger als Konkurs‑</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">8              0(3</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">verwalter nach belgischem Recht befugt sei die Forderung im eigenen Namen geltend zu machen. Aufgrund des schriftlichen Anerkenntnisses bestehe die Forderung und sei nicht verjährt, die Beklagten hätten nicht beweisen können, daß der Kläger bei Abgabe des Schuldanerkenntnisses erklärt habe, aus diesem keine Rechte herleiten zu wollen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Bezüglich der im Wege der Hilfsaufrechnung geltend gemachten Gegenforderungen hat es ausgeführt, daß die Zulässigkeit sich nach belgischem Konkursrecht beurteile. Danach seien nicht komexe  Forderungen im Konkurs nicht aufrechnungsfähig,</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">die einzige komexe  Forderung der Beklagten, nämlich die aus dem Mietverhältnis, könne deshalb nicht zum Zuge kommen, weil diese durch das Schuldanerkenntnis abgeschnitten sei.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses den Beklagten am 5. Dezember 1983 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung, die am 5. Januar 1984 einge­gangen und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 5. April 1984 an diesem Tag begründet worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten vertreten die Auffassung, der Kläger sei nicht berechtigt, die Forderung im eigenen Namen geltend zu machen. Er könne allenfalls als Vertreter der Gemeinschuldnerin auftreten.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Ausserdem habe das Landgericht die Frage der Zulässigkeit der Hilfsaufrechnung nicht richtig beurteilt. Vorliegend seien die Vorschriften der §§ 53 ff KO über die Zulässigkeit der Aufrechnung nicht anzuwenden, da es sich um einen ausländischen Konkurs</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">handele. Auch das belgische Konkursrecht könne keine Anwendung finden, wie sich mittelbar aus den Vorschriften der §§ 237, 238 KO ergebe. Selbst wenn man die Anwendung des belgischen</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Konkursrechts bejahe, führe dies dazu, daß sich die Aufrechnung nach allgemeinen deutschen Vorschriften richte, da das belgische Recht seinerseits eine Rückverweisung vorsehe.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Ausserdem tragen sie vor, daß aus dem schriftlichen Schuld- anerkenntnis nicht hergeleitet werden könne, daß Einwendungen</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">und Aufrechnungen, die zum Zeitpunkt der Abgabe des Anerkenntnisses möglich gewesen wären, ausgeschlossen seien.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Im übrigen wiederholen und vertiefen sie ihren Vortrag zur Begründetheit der zur Hilfsaufrechnung gestellten Forderungen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks"><img src="19_U_5_84_Urteil_19840525_1.png" alt="Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik." height="20" width="4" />Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des Urteils erster Instanz . des Landgerichts Aachen vom 25. November 1983 43 (13) 0 189/78 - die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der Kläger stellt den Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Er tritt den Rechtsausführungen der Beklagten entgegen und bestreitet wie bereits in erster Instanz, die Begründetheit der zur Hilfsaufrechnung gestellten Forderung.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in zweiter</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Instanz wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, desgleichen auf die von den Parteien vorgelegten Unterlagen.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p><span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht kommt in dem angefochtenen Urteil zutreffend zu dem Ergebnis, daß dem Kläger gegen die Beklagten gemäß</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">§§ 651, 433 Abs. 2 BGB aus dem am 29. Dezember 1975 über die Herstellung und die Lieferung von Fruchtsaftgetränken ge­schlossenen Vertrag in Verbindung mit dem schriftlichen An­erkenntnis vom 15. Februar 1977 noch eine Forderung in Höhe von insgesamt 297.510,-- DM bzw. 4.700.000 Bfrs. zusteht.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist als Konkursverwalter über das Vermögen der</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Firma G. befugt, diese Forderung der Gemeinschuldnerin</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">im eigenen Namen geltend zu machen. Wie das Landgericht zu­treffend festgestellt hat, beurteilt sich die Rechtsstellung</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">des Klägers nach belgischem Konkursrecht. Dies wird auch von</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">der Berufung nicht angegriffen. Dem Konkursverwalter ("curateur") obliegt gemäß Artikel 479 Code de Commerce die Forderungs­einziehung. Da das belgische Konkursrecht dem Konkurs universelle  Wirkung beimißt, beschränkt sich diese Befugnisdes Konkursverwalters nicht auf inländisches Vermögen, sondern erstreckt sich auch auf im Ausland belegene Forderungen.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Dem steht deutsches Recht nicht entgegen. Zwar geht die frühere Rechtsprechung (vgl. BGH in MW 1960, Seite .774; BGH in NJW 1962, Seite 1511; BGHZ 53, Seite 332, 336) davon aus, daß aus der Vorschrift des § 237 KO zu folgern sei, daß ein Auslandskonkurs im Inland gelegenes Vermögen der ausländischen Gemeinschuldnerin nicht erfasse. Der Senat folgt dieser Auffassung nicht, zumal der Wortlaut der vorge­nannten Vorschrift das daraus von dieser Auffassung her­geleitete sogenannte Territorialitätsprinzip nicht zwingend gebietet. Vielmehr gibt diese Vorschrift unter bestimmten Voraussetzungen dem Gläubiger einer ausländischen Gemein­schuldnerin eine zusätzliche Befriedigungsmöglichkeit an deren inländischen Vermögen. Dem kann nicht entnommen werde, daß das Inlandsvermögen der ausländischen. Gemeinschuldnerin nicht von den Wirkungen der Konkurseröffnung im Ausland erfaßt wird (vgl. BGH in NJW 1983, Seite 2147; OLG Düsseldorf in ZIP 1982, Seite 1341; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, KO, 9. Auflage, 1979, § 237 Rdnr. 1; Böhle-Stamschräder/Kilger, KO, 14. Auflage, 1983, § 237, Anm. 5.).</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Handelt es sich somit bei der eingeklagten Forderung um eine Konkursforderung, so ist der Kläger befugt, diese im eigenen Namen einzuklagen. Wie der Sachverständige M. in seinem schriftlichen Gutachten vorn 28. Oktober 1982 ausge­führt hat, entspricht die vom Kläger gewählte Bezeichnung des Aktivrubrums demjenigen, was in Belgien für Verfahren, an</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">denen der Konkursverwalter beteiligt ist, üblicherweise ge­braucht wird. Daraus folgt, daß der Kläger aufgrund seiner. Stellung nach belgischem Recht befugt ist, Forderungen der Gemeinschuldnerin klageweise geltend zu machen und Zahlung an sich zu verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Das Fehlen der Prozeßführungsbefugnis und der Aktivlegitimation des Klägers ergibt sich auch nicht daraus, daß, wie die Beklagten meinen, die Ent­scheidung über die Eröffnung des Konkurses fehlerhaft und das Verfahren selbst mit Verstößen belastet gewesen sei. Vielmehr ist das Konkurseröffnungsurteil des Handelsgerichts Verviers vom 2. September 1976 wirksam und von deutschen Gerichten anzu­erkennen. Diese Entscheidung ist nach den allgemeinen Regeln des deutschen Internationalen Zivilprozeßrechts zu beurteilen, da das EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil-und Handelssachen vom 27. September 1963 (BGBl 1972, II, 773) gemäß Artikel 1 Abs. 1 Nr. 2 sowie das Deutsch-Belgische Ab­kommen vom 30. Juni. 1958 (BGBl 1952, II, 765) gemäß Artikel 1 Abs. 4 auf Konkursverfahren keine Anwendung; findet.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Demgemäß beurteilt sich die Anerkennung des Konkurseröffnungs­urteils nach § 328 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 ZPO, der auf aus­ländische Entscheidungen auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichts­barkeit entsprechend anzuwenden ist (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 13. Auflage 1981, § 328, M; Sörgel-Tegel, BGB, vor Artikel 7 EGBGB, Rdn. 650; Staudinger-Kropholler, BGB 12. Aufl., 1969, Rdn. 341 zu Artikel 19 EGBGB). Danach ist das Konkurseröffnungs­urteil anzuerkennen, da das belgische Gericht für die Ent­scheidung über die Eröffnung des Konkurses der belgischen Gemeinschuldnerin zuständig war Und die Entscheidung auch nicht gegen die guten Sitten oder gegen Zweck eines deutschenGesetzes verstößt.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Das Fehlen der Zuständigkeit des Handelsgerichts Verviers für die Entscheidung über die Konkurseröffnung wird von den Beklagten nicht gerügt.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Die von den Beklagten behaupteten Subsumtions- und Verfahrensfehler des belgischen Gerichtes tragen - ihre Richtig­keit unterstellt - nicht die Annahme eines Verstosses gegen den deutschen "ordre nublic". Ob das Handelsgericht Verviers bei seiner Entscheidung über die Eröffnung des Konkurses die tatsächlichen Voraussetzungen für eine solche Konkurseröffnung nach belgischem Recht zutreffend oder nicht zutreffend beurteilt</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">hat, unterliegt nicht der Nachprüfung durch das deutsche Gericht. Daß die Eröffnung willkürlich gewesen sei, läßt sich den Ausführungen der Beklagten nicht entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Auch die behauptete Nichtzustellung des Konkurseröffnungsurteils an die Gemeinschuldnerin bzw. deren Geschäftsführer, Herrn</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">I. habe nach den eigenen Ausführungen der Beklagten nicht dazu geführt, daß der Gemeinschuldnerin bzw. Herrn I. das rechtliche Gehör abgeschnitten worden ist. Vielmehr hat der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin bereits am 8. September 1976 Einspruch gegen die Konkurseröffnung beim Handelsgericht Verviers eingelegt, über diesen Einspruch ist sachlich ent­schieden worden. Die Gemeinschuldnerin bzw. deren Geschäfts­führer haben somit Gelegenheit gehabt, im Verfahren über die Konkurseröffnung ihre tatsächlichen und rechtlichen Einwendungen vorzubringen bzw. deren Geschäftsführer hätten keine Einladung zur Gläubiger­versammlung vom 14. Dezember 1976 erhalten, so ist nicht er­sichtlich, welchen Einfluß dieser etwaige Verfahrensverstoß auf die Wirksamkeit der Konkurseröffnung bzw. die Bestellung des Klägers bzw. desssen Vorgängers zum Konkursverwalter gehabt haben soll.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Da somit die Klage vom wirksam bestellten Konkursverwalter er­hoben worden ist, der prozeßführungsbefugt und aktivlegitimiert ist, kommt die von den Beklagten für den Fall der Umstellung, des Rubrums erhobene Einrede der Verjährung nicht zum Zuge.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Der Einwand der Beklagten, der damalige Konkursverwalter, Herr Rechtsanwalt N. habe bei Unterzeichnung, des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses vom 15. Februar 1977 erklärt, er wolle aus diesem Anerkenntnis keine Rechte herleiten, wird mit der Berufung nicht weiter aufrecht erhalten.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Gegenüber der in vollem Umfang begründeten Klageforderung in Höhe von Bfrs 4.700.000 oder DM 297.510,-- greift die von der</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Beklagten zu 1) hilfsweise erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen nicht durch. Diese Aufrechnung ist bezüglich der Gegenforderungen, die die Beklagte zu 1) nach Eröffnung des Konkurses erworben hat, unzulässig, bezüglich der behaupteten Restforderung aus dem </p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Miet- und Pachtvertrag aufgrund des Schuldanerkenntnisses vom 15. Februar 1977 ausgeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Die Zulässigkeit einer Aufrechnung richtet sich zwar grund­sätzlich nach dem Recht der Hauptforderung, der gegenüber die Aufrechnung erklärt wird, vorliegend wäre dies deutsches Recht. Die Regeln über die Zulässigkeit der Aufrechnung im Konkurs sind jedoch besonders anzuknüpfen. Sie folgen dem Recht des Staates, dem der Konkurs eröffnet wird (so Jaeger-Jahr, KO, 8. Auflage 1973, Rdn. 399 zu §§ 237, 238; Thieme, Inlandsvollstreckung und Auslandskonkurs, Rabels Z 37, 689, 703, Fußnote 50; mit Ein­schränkungen Reithmann - V. Hoffmann, internationales Vertrags­recht, 9. Aufl. 1972, 2dn. 729). Demgemäß beurteilt sich vor­liegend die Zulässigkeit der erklärten Aufrechnung nach belgischem Recht.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Wie bereits dargelegt, ist der Senat der Auffassung, daß derim Ausland eröffnete Konkurs sich auch auf inländisches Vermögen, also auch auf Forderungen des Gemeinschuldners erstreckt,soweit das Recht des Konkurseröffnungsstaates eine derartige Erstreckung vorsieht. Dies gebietet der Grundsatz der Universalität des Konkurses und. der Gleichbehandlung aller Konkursgläubiger, die auch dem deutschen Konkursrecht zu eigen ist. Die Vorschrift des § 237 KO steht dem, wie bereits ausgeführt, bei der gebetenen engen Auslegung nicht entgegen; der hieraus von der früheren Rechtsprechung abgeleitete Grundsatz der Territorialität läßt sich der Vorschrift nicht zwingend entnehmen und trägt auch den geänderten wirtschaftlichen Umständen, insbesondere der starken Ausbreitung des internationalen Handels keine Rechnung, wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Eine Abgrenzung gegen konkursrechtliche Beschränkungen der Aufrechnung im vorliegenden Fall ist auch nicht aus Gründen fehlender Gegenseitigkeit geboten, denn das belgische Recht erkennt grundsätzlich die Wirkungen eines Auslandskonkurses aus belgischer Sicht an, wie sich aus dem Urteil des Tribunal de Commerce de Bruxelles vom 20. Juli 1975 (KTS 1978, 247) ergibt, in dem lediglich aus Gründen des belgischen ordre public die Wirkungen eines Konkurses in Deutschland auf Belgien mit dem Argument verneint worden sind, daß eine Gegenseitigkeit nach deutschem Recht nicht bestehe.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Der Senat vermag auch nicht die Auffassung der Beklagten zu teilen, aus der Vorschrift des § 237 KO lasse sich zumindest folgern, daß im Falle des Auslandskonkurses die Aufrechnung gegen eine im Inland belogene Forderung der Gemeinschuldnerin zulässig sei. Denn § 237 KO läßt lediglich die Vollstreckung in Inlandsvermögen eines ausländischen Gemeinschuldners zu, das setzt aber voraus, daß der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel besitzt. Ein solcher fehlt bezüglich der von der Beklagten zu 1) zur Aufrechnung gestellten Forderungen.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Das belgische Recht sieht für den Fall, daß im Konkurs einem aus­ländischen Schuldner der Gemeinschuldnerin die Aufrechnung erklärt, bezüglich der Zulässigkeit dieser Aufrechnung keine, Rückverweisung auf das Statut der Hauptforderung vor. Diese von den Beklagten vertretene Auffassung läßt sich der von ihnen zitierten Kommentar stelle bei Cloquet, Les Novelles, Druit commercial,2. Auf1.1975,Bar</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">4 Nr. 1744 nicht entnehmen. Vielmehr ergibt sich aus dieser Kommentierung lediglich, daß in den Fällen, in denen das Recht des Konkurseröffnungsstaates die Aufrechnung im Konkurs zuläßt, die Aufrechenbarkeit sich nach allgemeinem belgischen Recht richtet, wenn die Forderung des-Gemeinschuldners sich nach belgischem Recht richtet. Zu der Frage, wie die Aufrechnung zu beurteilen ist, wenn das Recht des Konkurseröffnungsstates die Aufrechnung grundsätzlich nicht zuläßt, ergibt sich hier­aus nichts. Da nach belgischem Recht aber, wie noch auszu­führen ist, die Aufrechnung grundsätzlich mit einer Ausnahme im Konkurs ausgeschlossen ist, handelt es sich vorliegend um eine andere Rechtslage.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Der Ausschluß der Aufrechnung nach Konkurseröffnung ergibt sich aus Artikel 444 Abs. 1 und 2 der Belgischen Konkursordnung Eine Ausnahme gilt nur für wechselseitige Forderungen aus dem selben Rechtsverhältnis (vgl. Cloquet a.a.O., Nr. 1758).</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Somit ergibt sich mit Ausnahme des angeblichen Mietzins­anspruches aus dem Leih- und Pachtvertrag für alle zur Auf­rechnung gestellten. Forderungen der Beklagten zu. 1) die Un­zulässigkeit der Aufrechnung. Denn die Beklagte zu 1) hat diese Forderungen nach ihrem eigenen Vorbringen erst nach Konkurs­eröffnung und nicht unmittelbar von der Gemeinschuldnerin, sondern von dritter Seite erworben. Es fehlt damit an der er­forderlichen Konnexität.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Ob eine derartige Konnexität bezüglich der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Mietforderung in Höhe von 7.000,-- DM gegeben ist, kann letztlich offen bleiben. Die Gegenforderung bestand schon zum Zeitpunkt der Abgabe des Schuldanerkenntnisses vom 15. Februar 1977 und hätte zum damaligen Zeitpunkt seitens der Beklagten zu 1) erklärt worden können. Aufgrund des schriftlichen Anerkenntnisses ist die Beklagte zu 1) mit dieser Aufrechnung gegen die anerkannte Forderung ausgeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Insoweit folgt der Senat der Auffassung des Landgerichts wonach ein Anerkenntnis in der Regel die Wirkung hat, daß es alle Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Natur für die Zukunft ausschließt, die der Schuldner bei der Abgabe des Anerkenntnisses kannte. Umstände, die vorliegend eine ab­weichende Würdigung des Anerkenntnisses geboten erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich und von den Beklagten auch nicht dargelegt.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagten schließlich mit einer Gegenforderung in Höhe von 180.000,-- DM aus laufender Geschäftsverbindung mit der Gemeinschuldnerin aufrechnen, fehlt es an jeglicher Dar­legung, wann, in welcher Form und aus welchen Geschäftsbeziehungen diese Forderung entstanden sein soll, so daß schon die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung nicht beurteilt werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Gemäß § 708 Ziffer 10 war das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären und gemäß § 711 ZPO dem Beklagten die Möglichkeit einzuräumen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Gegenstandswert und Beschwer der Beklagten: 297.510,-- DM.</p>
|
315,692 | olgk-1984-05-22-9-u-26283 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 9 U 262/83 | 1984-05-22T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:26 | 2019-03-27T09:42:28 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1984:0522.9U262.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat der Kläger zu tragen.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Aufnahme in die beklagte Genossenschaft. Eine Aufnahmeverpflichtung der Beklagten ergibt sich weder aus der Satzung der Beklagten oder aus den Grundsätzen des Kontrahierungszwanges bzw. aus dem allgemeinen Verbot des Rechtsmißbrauchs (§ 242 BGB), noch stellt die Ablehnung der Aufnahme des Klägers einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot der §§ 26, 27 GWB oder das Verbot der sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB dar.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils wird in vollem Umfang Bezug genommen (§ 543 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Lediglich ergänzend wird auf folgende Gesichtspunkte hingewiesen:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Rechtslehre kann ein in der jeweiligen Satzung nicht vorgesehener Aufnahmezwang in einen Verein oder eine Genossenschaft nur angenommen werden, wenn die Ablehnung der Aufnahme eines Bewerbers zu einer sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung oder unbilligen Benachteiligung dieses Bewerbers führte (vgl. BGHZ 63, 282 ff unter Bezugnahme auf § 826 BGB; vgl. auch Müller: Genossenschaftsgesetz § 1 Anm. 16). Eine sittenwidrige Schädigung oder unbillige Benachteiligung kann danach, konkreter gesprochen, nur angenommen werden, wenn die Genossenschaft eine Monopolstellung für Waren und gewerb - liche Leistungen innehat, auf die der Beitretende angewiesen ist, oder wenn sie marktbeherrschend oder machtstark ist und die Aufnahme als Genosse das einzige Mittel ist, um die Diskriminierung zu beseitigen (Meyer‑Meulenbergh-Beuthien: Genossenschaftsgesetz, § 15 Anm. 21). Hiernach muß sich also die ungleiche Behandlung und unbillige Benachteiligung auf die Leistungen der Genossenschaft beziehen, in denen sie gerade die Monopolstellung innehat, vorliegend also auf die Lieferung von elektrischer Energie. Der Sinn der Lehre vom Kontrahierungszwang bei Monopolstellungen ist es, den ansonsten bestehenden Ausschluß von der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern, zu verhindern die wegen des Monopols von anderer Seite nicht erlangt werden können, und den Antragsteller berechtigten Zugang zu der Ware oder anderen gewerblichen Leistungen zu verschaffen. Dies regelt ausdrücklich auch § 6 Energiewirtschaftsgesetz, wonach die Beklagte verpflichtet ist, alle Abnehmer in ihrem Verteilungsgebiet zu den gleichen Bedingungen und Tarifen mit elektrischer Energie zu versorgen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Gerade dies tut die Beklagte aber vorliegend. Auch ohne Mitglied bei der Beklagten zu sein, erhält der Kläger von dieser unstreitig elektrische Energie zu den Bedingungen und Tarifen, wie sie auch Mitglieder der Beklagten erhalten. Eine Benachteiligung des Klägers ist nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Tatsächlich geht es dem Kläger, wie er selbst vorträgt, auch nur darum, in den Genuß der sogenannten Warenrückvergütungen zu kommen (wirtschaftliches Interesse) und gesellschaftliche Rechte zu erlangen, die ihm eine Einflußnahme auf die Geschäftsführung der Beklagten und auch die Sicherung seiner Vertragsbeziehungen gestatten sollen (gesellschaftsrechtliches Interesse).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Wenn der Kläger als Nichtmitglied der Beklagten an eventuellen Warenrückvergütungen nicht beteiligt ist, wird er hierdurch nicht ungleich behandelt oder unbillig benachteiligt. Die sogenannte Warenrückvergütung stellt keinen Preisnachlaß dar. Sie hat ihre Wurzeln nicht, wie der Preisnachlaß, im einzelnen Liefergeschäft. Ihr Umfang hängt vielmehr vom Gesamtergebnis der Geschäfte ab und ist daher mitgliedschaftsrechtlich gebunden (BGH NJW 1964, 355). Die Warenrückvergütung ist daher keine Preisrückgewähr und kann auch nicht als Rabatt bezeichnet werden (Lang/Weitmüller, Genossenschaftsgesetz § 19 Anm. 7; Meyer: Genossenschaftsgesetz § 19 Anm. 15). Sie entspringt vielmehr dem mitgliedschaftlichen Anspruch jedes Genossen auf Förderung durch die Genossenschaft und ist daher gesellschaftsrechtlicher Natur. Hierauf besteht ebensowenig ein Anspruch des Klägers wie auf die Einflußnahme auf die Geschäftsführung der Beklagten zur Sicherung seiner Vertragsbeziehung mit dieser. Die Belieferung des Klägers mit Strom ist auch ohne diese Möglichkeit der Einflußnahme in ausreichendem Maße gesichert (vgl. § 6 Energiewirtschaftsgesetz).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mangels irgendwelchem Nachteils des Klägers bei der Belieferung mit Strom ist der Beklagte aus keinem ersichtlichen Grund auf die Aufnahme bei der Beklagten angewiesen. In der Verweigerung seiner Aufnahme als Mitglied ist damit kein berechtigtes Interesse des Klägers verletzt und schon gar nicht eine sittenwidrige Benachteiligung ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Berufungsstreitwert und Beschwer des Klägers: 4.000,-- DM.</p>
|
315,693 | olgham-1984-05-18-20-u-37883 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 378/83 | 1984-05-18T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:28 | 2019-03-27T09:42:27 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1984:0518.20U378.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung und die Anschlußberufung gegen das am 30. August 1983 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bochum werden zurückgewiesen.</p>
<p>Von den Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger 1/10 und der Beklagten 9/10 auferlegt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger den Feuerschaden vom 17./18. April 1982 in Höhe von unstreitig 10.000,- DM zu ersetzen. Sie ist nicht gemäß §§6 Abs. 1 Satz. 2 AFB, 23, 25, 27 VVG wegen Gefahrerhöhung leistungsfrei. Die Beklagte hat nicht bewiesen, daß seit der Übernahme des Risikos ... in ... eine Gefahrerhöhung eingetreten ist.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Gefahrerhöhung ist eine nachträgliche Änderung der bei Vertragsschluß tatsächlich vorhandenen gefahrerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht (Prölss-Martin, VVG, 23. Aufl. 1984 §23 Anm. 2 A). Daß diese Voraussetzungen eingetreten sind, kann nicht festgestellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Verbindung der Häuser Nr. 10 und 12 über das Kellergeschoß derart, daß man vom Flur über den Keller des Hauses Nr. 12 in den Keller und Flur des Hauses Nr. 10 (Versicherungsgrundstück) gelangen konnte, bestand unstreitig seit der Übernahme des Risikos. Insoweit liegt eine Veränderung der maßgebenden Umstände nicht vor. Auch in der Tatsache, daß der Gebäudekomplex, bestehend aus den Gebäuden Nr. 10 und 12, zum Abriß bestimmt war, liegt keine Gefahrerhöhung. Diese Tatsache stand ebenfalls seit der Veränderungsanzeige vom 12. November 1981 (Bl. 21 d.A.) fest und ist vom Beklagten auch, wie die Vernehmung des Zeugen ... in erster Instanz ergeben hat, angezeigt worden.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Als Gefahrerhöhung ist es allerdings auch, in der Feuerversicherung anzusehen, wenn ein Wohngebäude nicht mehr bewohnt wird und längere Zeit leersteht (Prölss-Martin, a.a.O. §23 VVG, Anm. 2 C a m.w.N.). Denn ein leerstehendes Gebäude zieht Hausbesetzer, Stadtstreicher oder spielende Kinder an und dies bringt es erfahrungsgemäß mit sich, daß mit Feuer hantiert wird, sei es, um in dem Gebäude zu "biwakieren", sei es um zu spielen. Dabei ist nach Ansicht des Senats hier nicht nur auf das Haus Nr. 10, sondern, wegen der vorgeschilderten Verbindung der beiden Gebäude, auch auf ein Leerstehen des Hauses Nr. 12 abzustellen. Jedoch hat die Beklagte nicht bewiesen, daß diese Voraussetzungen vorliegen und dem Kläger bekannt waren (§6 Abs. 1 Satz 2 AFB).</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Bezüglich des Hauses Nr. 10 steht nicht einmal fest, ob es bei Vertragsänderung, am 12. November 1981, überhaupt bewohnt war, d.h., ob insoweit eine Veränderung eingetreten ist. Der Gastwirt und die alleinstehende Frau wohnten, wie der Kläger auch angegeben hatte, in dem Haus, in dem sich die Gaststätte befand. Von anderen Bewohnern war, wie der Zeuge ... ausgesagt hat, bei der Anzeige der Risikoänderung oder auch später nicht die Rede. Wenn es in der Veränderungsanzeige heißt, das Haus sei bewohnt, so beruht das ersichtlich darauf, daß der Zeuge ... und der Kläger die Gebäude als Einheit angesehen haben. Dieser Umstand ist für die vorliegende Frage jedoch ohne Bedeutung.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Bezüglich des Hauses Nr. 12 steht zwar aufgrund des Berichts der Kriminalpolizei ... vom 19. April 1982 (Beiakte 14 a UJs 447/83 StA Duisburg Bl. 5) fest, daß es zur Zeit des Schadenfeuers unbewohnt war und daß die dort befindliche Gaststätte " ..." seit wenigen Tagen ebenfalls nicht mehr in Betrieb war. Indessen ist bereits ungeklärt, ob das Nachbarhaus wenigstens während eines solchen Zeitraums leerstand, in welchem diese Veränderung sich im Sinne einer Erhöhung der Einbruchs- und Feuergefahr auswirken konnte. Regelmäßig tritt diese Gefahr nicht sogleich nach dem Auszug des letzten Bewohners ein. Einem Hause ist nicht immer alsbald anzusehen, daß es vollständig von Bewohnern verlassen und unbewohnt und damit für Unbefugte leicht zugänglich ist. Dies gilt hier umso mehr, als sich im Gebäude Nr. 10 noch zwei Lokale, nämlich der Hundesalon und das Spielcasino des Klägers, befanden. Nach dem Inhalt der Ermittlungsakte, der die Aussage des als Partei vernommenen Klägers entspricht, hatte der Gastwirt die Wirtschaft erst wenige Tage zuvor aufgegeben; es spricht alles dafür, daß er auch erst zu diesem Zeitpunkt ausgezogen ist.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sollte das Haus tatsächlich längere Zeit unbewohnt gewesen sein, so steht jedenfalls nicht fest, daß der Kläger das gewußt hat. Er hat als Partei ausgesagt, daß ihm nicht einmal bekannt gewesen sei, daß der Gastwirt <u>endgültig</u> ausgezogen sei. Zumindest kann das Gegenteil nicht festgestellt werden, zumal die Lampe über dem Eingang zur Gaststätte nach der Aussage des Klägers noch gebrannt hatte.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Einen Umstand, der den Eintritt eines Schadensfalles wahrscheinlicher macht, würde es nach dem Gesagten ferner darstellen, wenn sich Stadtstreicher in dem Gebäudekomplex aufgehalten hätten. Aber auch insoweit ist bereits unklar, ob eine Veränderung im Sinne einer Gefahrerhöhung eingetreten ist: Nach der Behauptung der Beklagten im Senatstermin sollen sich schon bei Auszug der Zeugin ..., im Dezember 1981, Stadtstreicher in dem Hause aufgehalten haben. Dann liegt die Möglichkeit nahe, daß dieser Zustand auch schon bei Einzug des Klägers - im November/Dezember 1981 - bestanden hatte. Jedenfalls hat der Kläger, ohne daß das Gegenteil festgestellt werden könnte, bei seiner Parteivernehmung in Abrede gestellt, daß ihm die Anwesenheit von Stadtstreichern bekannt gewesen ist. Aus der Tatsache, daß der Kläger eine Tür vernagelt hat, kann eine solche Kenntnis nicht geschlossen werden, da diese Maßnahme dem Schutz vor Einbrechern gedient hat.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Schließlich stellt der - unstreitige - Umstand, daß in die Gaststätte eingebrochen worden ist, keinen gefahrerhöhenden Umstand dar. Die Tatsache eines Einbruchdiebstahls kann ein Indiz dafür sein, daß gefahrerhöhende Umstände eingetreten sind und sich ausgewirkt haben. Im allgemeinen stellt ein Einbruchdiebstahl selbst aber keinen Umstand dar, der den Eintritt der versicherten Gefahr in Gestalt eines weiteren Einbruchs oder, wie hier, der Entstehung eines Brandes, wahrscheinlicher macht.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Anschlußberufung ist unbegründet. Der Kläger hat einen Zinsschaden von 16,03 % nicht bewiesen. Aus dem überreichten Mahnbescheid vom 27. Dezember 1983 (Beiheft Prozeßkostenhilfe) geht nur hervor, daß die ... sich eines Zinsanspruchs gegen den Kläger in dieser Höhe seit dem 18.11.1982 berühmt, nicht aber, daß dieser Anspruch begründet ist. Ein Vollstreckungsbescheid liegt nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht, auf §§97, 92 ZPO. Des Ausspruchs der vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil der Rechtsstreit unzweifelhaft nicht der Revision unterliegt.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beschwer der Beklagten beträgt 10.000,- DM.</p>
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315,694 | olgham-1984-05-16-20-u-38783 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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} | 20 U 387/83 | 1984-05-16T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:29 | 2019-03-27T09:42:27 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1984:0516.20U387.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 16. September 1983 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger, der den Beruf eines ... erlernt hat, ist als Meister in der technischen Betriebsverwaltung der Universität ... beschäftigt. Zur Betriebsverwaltung gehört eine Werkstatt, die u.a. für die Pflege und Wartung der Fahrzeuge der Universität zuständig ist. Außerdem werden dort alle technischen Geräte wie Notstromaggregate und Gartenmaschinen gewartet und repariert. Fahrzeugreparaturen werden in der Werkstatt üblicherweise nicht vorgenommen, sondern durch Fremdaufträge erledigt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Seit 1974 unterhält der Kläger bei der Beklagten eine Privathaftpflichtversicherung. Dieser liegen die Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) sowie weitere Bedingungen zugrunde.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">§4 AHB lautet auszugsweise:</p>
<br /><span class="absatzRechts">5</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>"§4 Ausschlüsse</i>
<i>I. Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf: ...</i>
<i>6) Haftpflichtansprüche wegen Schäden</i>
 
a)
an fremden Sachen, die der Versicherungsnehmer gemietet, gepachtet, geliehen hat oder die Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrages sind,
 
b)
die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen (z.B. Bearbeitung, Reparatur, Beförderung, Prüfung und dergleichen) entstanden sind. ..."</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">§5 Nr. 5 AHB lautet:</p>
<br /><span class="absatzRechts">7</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>"Der Versicherungsnehmer ist nicht berechtigt, ohne vorherige Zustimmung des Versicherers einen Haftpflichtanspruch ganz oder zum Teil oder vergleichsweise anzuerkennen oder zu befriedigen. Bei Zuwiderhandlungen ist der Versicherer von der Leistung frei, es sei denn, daß der Versicherungsnehmer nach den Umständen die Befriedigung oder Anerkennung nicht ohne offenbare Unbilligkeit verweigern konnte. ..."</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Bezüglich der weiteren Bedingungen ist streitig, ob dem Versicherungsvertrag die Bedingungen des Beiblatts "Umfang, der Privat-Haftpflichtversicherung" (Bl. 13 d.A.) oder die "besonderen Bedingungen und Risikobeschreibung für die Privat-Haftpflichtversicherung" (Bl. 32 d.A.) zugrunde liegen. In diesen Bestimmungen heißt es unter I gleichlautend:</p>
<br /><span class="absatzRechts">9</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>"I. Versichert ist im Umfang der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AHB) die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens -mit Ausnahme der Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes, Amtes. ..."</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">In Nr. IV der besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Privat-Haftpflichtversicherung ist ausgeschlossen die Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraftfahrzeuges wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden. Nach Nr. IV des Beiblatts "Umfang der Privat-Haftpflichtversicherung" sind ausgeschlossen Haftpflichtansprüche aus Schäden, die im Zusammenhang stehen mit dem Besitz oder Führen von Kraftfahrzeugen. ...</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Am 29. Juli 1982 reparierte der Kläger in der Werkstatt der Universität den Pkw seines Verwandten .... An dem Fahrzeug war der Auspuff gerissen und mußte geschweißt werden. Zur Vornahme dieser Arbeit holte sich der Kläger aus der ebenfalls zu seinem Zuständigkeitsbereich gehörenden Müllanlage der Universität ein Schweißgerät und hob das Fahrzeug mittels einer Hebebühne an. Er führte sodann die Schweißarbeiten durch, nachdem er zuvor die Fahrzeugteile im Bereich des Auspuffs mit nassen Lappen abgedeckt hatte. Nach Durchführung der Schweißarbeiten schlug plötzlich eine Flamme aus dem Auspuff, und Benzin tropfte auf den Werkstattboden. Dort breitete sich ein Feuer aus und erfaßte den aufgebockten Wagen und Teile der Werkstatt und deren Einrichtung. An dem Pkw entstand laut Schreiben des Landwirtschaftlichen Versicherungsvereins ... an den Kläger vom 29. November 1982 (Bl. 6 d.A.) ein Sachschaden von 5.636,56 DM. Hinsichtlich des Schadens an der Werkstatt und deren Einrichtung gibt der Kläger den Betrag entsprechend einer Aufstellung der Universität ... vom 2. Dezember 1982 (Bl. 7/8 d.A.) mit 23.537,20 DM an.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Bereits unter dem 3. August 1982 (Bl. 34 d.A.) hatte der Kläger gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen einen Schaden in Höhe von 41.126,25 DM schriftlich anerkannt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 7. September 1982 (Bl. 211 f d.A.) und vom 5. November 1982 (Bl. 14 d.A.) eine Schadensregulierung ab.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Kläger begehrt die Feststellung, daß die Beklagte als Privathaftpflichtversicherer verpflichtet ist, ihm für den Schaden Deckungsschutz zu gewähren. Er ist der Auffassung, die Beklagte könne sich nicht auf einen Haftungsausschluß berufen. Der Schaden sei nämlich nicht beim Gebrauch eines Kraftfahrzeugs entstanden. Die Reparatur habe auch nicht im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit gestanden. Die Haftung der Beklagten sei auch nicht gemäß §4 Ziffer 6 b AHB ausgeschlossen. Er habe vielmehr am 29. Juli 1982 nach Dienstschluß zunächst die Werkstatt verlassen und sei erst nach etwa 1 1/2 Stunden zurückgekehrt. Er sei nicht im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses, sondern ohne Genehmigung seines Arbeitgebers und außerhalb seiner beruflichen Tätigkeit aus Gefälligkeit tätig geworden. Die Beklagte könne ihm nicht zum Vorwurf machen, daß er den Anspruch des Landes Nordrhein-Westfalen nach Grund und Höhe anerkannt habe, denn er habe sich andernfalls einer Klage seines Arbeitgebers ausgesetzt gesehen und nicht zuletzt im Interesse am Erhalt seines Arbeitsplatzes gehandelt.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen aus dem Schadensfall vom 29.7.1982 in der Kraftfahrzeugwerkstatt der Universität ... in Höhe von 23.537,20 DM und gegenüber dem Landwirtschaftlichen Versicherungsverein ... zur Schadensnummer ... in Höhe von 5.636,56 DM Versicherungsschutz zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Sie hat sich auf Leistungsfreiheit berufen, weil die Tätigkeit des Klägers, die den Brand ausgelöst habe, im Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit gestanden habe. Im übrigen sei der Schaden auch durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht worden. Außerdem habe der Kläger den Schaden nicht ohne ihre, der Beklagten, Zustimmung anerkennen dürfen. Die Beklagte hat gemeint, das Land Nordrhein-Westfalen habe keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil der Kläger die Reparatur, wie die Beklagte behauptet hat, während der Dienstzeit verrichtet habe und diese Tätigkeit in den Bereich der gefahrgeneigten Arbeit falle. Auch der Zeuge Binder könne von dem Kläger keinen Schadensersatz verlangen, da in jenem Verhältnis von einem stillschweigend vereinbarten Haftungsausschluß auszugehen sei. Im übrigen hat die Beklagte die Höhe des vom Kläger angegebenen Schadens bestritten.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat den Kläger persönlich gehört und durch Urteil vom 16. September 1983 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Beklagte sei leistungsfrei, weil der Schaden durch die berufliche Tätigkeit des Klägers entstanden sei. Die Schweißarbeiten am Auspuff gehörten im weiteren Bereich zu der vom Kläger ausgeübten Berufstätigkeit als Meister einer Kraftfahrzeugwerkstatt, auch wenn in dieser üblicherweise die Fahrzeuge nicht repariert, sondern nur gewartet und gepflegt würden.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers. Der Kläger macht unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags geltend: Er habe den Schaden nicht bei seiner beruflichen Tätigkeit verursacht, zumal er in deren Rahmen - unstreitig - nicht damit befaßt sei, Kraftfahrzeuge zu reparieren. Arbeiten dieser Art verrichte er für Dritte sonst nicht. Die Reparatur sei auch nicht während der Arbeitszeit ausgeführt, sondern erst gegen 18.00 Uhr begonnen worden. Es liege auch keine Obliegenheitsverletzung nach §5 Ziffer 5 AHB vor, weil er die Anerkennung des Anspruchs des Landes Nordrhein-Westfalen nicht ohne offenbare Unbilligkeit habe verweigern dürfen. Außerdem habe er in dem Bemühen gehandelt, seine vorgesehene Entlassung zu verhindern. Ihm sei die Bestimmung des §5 Ziffer 5 AHB - unstreitig - nicht bekannt gewesen. Bei Ablehnung des Versicherungsschutzes habe der Beklagte von dem Anerkenntnis noch nichts gewußt. Der Schaden sei auch nicht aus der Gefahr eines Betriebes entstanden, weil er, der Kläger, bei der Reparatur des Fahrzeugs nicht in dem Betrieb der Werkstatt eingegliedert gewesen sei. Diese Tätigkeit habe er vielmehr selbständig und in eigener Verantwortung ausgeübt, ohne an Weisungen seines Dienstherren, der von der Tätigkeit unstreitig nichts gewußt habe, gebunden zu sein.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm für den Schadensfall in der Werkstatt der Universität Bielefeld vom 29.7.1982 Versicherungsschutz zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor: Der Kläger habe nicht zum ersten Mal seine Arbeitsstätte benutzt, um an fremden Fahrzeugen Reparaturen durchzuführen. Er habe daher eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt. Im übrigen habe sich bei dem Haftpflichtfall die Gefahr eines Betriebes verwirklicht.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der überreichten Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat den Kläger persönlich gehört und Beweis durch Vernehmung der Zeugen Moll, Binder und Wolf erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Kläger, persönlich gehört, hat erklärt:</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Ich bin Leiter der mechanischen Werkstatt. Diese betreut u.a. die Heizung, Fenster, Türen, Elektroleitungen und Aufzüge. Mir untersteht auch die Werkstatthalle und u.a. noch der Ein- und Verkauf. In der Halle sind auch die Fahrer tätig. Die Kraftfahrzeughalle untersteht der Technischen Betriebsverwaltung.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge ... hat ausgesagt:</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Ich bin der Chef der Technischen Betriebsverwaltung. Darunter gibt es die Ebene der Fachingenieure. Darunter ist die Meisterebene, der u.a. der Kläger angehört, und die Handwerkerebene. Die Kraftfahrzeughalle fällt in die Verantwortung des Fachingenieurs für die Betriebsverwaltung, in der darunter liegenden Ebene ist der Kläger für die Halle verantwortlich. Unter anderem werden da Gartenmaschinen und alle anderen Geräte (z.B. Notstromaggregate usw.) gewartet. Eine eigentliche Kraftfahrzeugwerkstatt ist das nicht. In dieser Werkstatt sind auch die Fahrer tätig, die dem Kläger nicht unterstellt sind. Wir haben verschiedene Schweißgeräte.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der Kläger erklärte:</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Ich habe das Schweißgerät der Müllanlage benutzt.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge fuhr fort:</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Wir haben als Landesbehörde keine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Die Arbeiten des Klägers waren mir nicht bekannt. Solche Arbeiten sind auch nicht gang und gäbe. Das weiß ich selbst aufgrund eigener Überprüfungen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Auf Vorhalt des Schreibens vom 26. Oktober 1982 (Verweis) Bl. 58 d.A.:</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Auch nach dem Vorfall ist kein weiterer derartiger Fall bekannt geworden.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Auf Vorhalt des Berichts vom 3. August 1982 (Bl. 46 d.A.):</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Das bezieht sich nicht auf unsere Universität. Meine Information beruht auf einer Angabe über eine andere Universität, die im übrigen später widerrufen worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Das Anerkenntnisverbot ist mir vom Straßenverkehr her bekannt. Hier ging es um die Entlassung des Klägers, die im Gespräch war und die ich abblocken mußte. Nur so konnte ich mich weiter für den Kläger einsetzen. Die Höhe war noch nicht geklärt. Hier kam es auf ein Anerkenntnis zum Grunde an. Der Kläger hat keine Einwendungen gegen das Anerkenntnis wegen seiner Versicherung erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge ... hat ausgesagt:</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">An meinem Fahrzeug (Ascona B) war der Auspuff kaputt. Wir hatten bei einem Kollegen des Klägers geschweißt. Wir kamen dort nicht weiter. Deshalb sind wir zur Universität gefahren. Das war an einem Donnerstag gegen 18.00 Uhr. Wir haben das Gelände durch das Tor betreten. Nach 10 Minuten war die Schweißarbeit beendet. Der Kläger hatte den Brenner schon gelöscht. Plötzlich kam eine Flamme aus dem Auspuff. Wir haben noch versucht zu löschen.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge ... hat ausgesagt:</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Ich war an diesem Tag Diensthabender in der zentralen Leitwarte. Dort laufen eventuelle technische Störungen für das gesamte Gelände zusammen. Zur Technischen Leitwarte gehören sieben Personen. Mein Dienst war von 16.00 bis 22.00 Uhr. Ich kann auch späte Besucher einlassen. Die zentrale Anlieferung wird um 17.00 Uhr automatisch geschlossen. Herr Hedrich hatte sich an der Sprechanlage vorgestellt, und ich habe ihn dann durch ein anderes Tor, für das er den Schlüssel hatte, hereingelassen. Bald darauf, gegen 18.25 Uhr, kam der Anruf.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist im Ergebnis nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage ist zulässig. Ihr fehlt nicht das Feststellungsinteresse (§256 ZPO). Eine an sich vorrangige Leistungsklage könnte dann erhoben werden, wenn die Ansprüche des Klägers schon jetzt bezifferbar wären. Das ist zwar regelmäßig dann der Fall, wenn der Versicherungsnehmer den Anspruch anerkannt hat. Hier steht das Anerkenntnis des Klägers vom 3. August 1982 (Bl. 34 d.A.), durch das dieser einen Anspruch des Landes Nordrhein-Westfalen in Höhe von 41.126,25 DM anerkannt hat, einer Erhebung der Feststellungsklage aber nicht entgegen. Denn das abgegebene Anerkenntnis ermöglicht dem Kläger keine Bezifferung des Anspruchs, weil das Land Nordrhein-Westfalen daran unstreitig nicht festhält und nur mehr einen Schaden in Höhe von 23.537,20 DM geltend macht. Zudem müßte der Kläger wegen der Ansprüche des LVM ohnehin Feststellungsklage erheben. Bei dieser Sachlage ist das Feststellungsinteresse insgesamt nicht zu verneinen.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist jedoch nicht begründet, weil die Beklagte nicht verpflichtet ist, dem Kläger wegen des Schadensfalles vom 29. Juli 1982 Deckungsschutz zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist es für das Bestehen eines Deckungsschutzanspruchs ohne Bedeutung, ob die gegen den Kläger von seiten des Landes Nordrhein-Westfalen und des LVM erhobenen Haftpflichtansprüche begründet sind. Hierüber ist im Deckungsschutzprozeß nicht zu entscheiden (Prölss-Martin, 23. Aufl., §149 Anm. 1 und 5 A). Für die Geltendmachung des Deckungsschutzanspruchs genügt, daß gegen den Versicherungsnehmer Haftpflichtansprüche geltend gemacht werden (Prölss-Martin a.a.O., §149 Anm. 1 b). Das ist hier der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Die Haftpflichtgefahr, die sich durch das Handeln des Klägers verwirklicht hat, fällt jedoch nicht unter das Risiko der Privathaftpflichtversicherung.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Nach §1 Nr. 2 a AHB erstreckt sich der Versicherungsschutz der Privat-Haftpflichtversicherung auf die gesetzliche Haftpflicht aus den im Versicherungsschein und seinen Nachträgen angegebenen Eigenschaften, Rechtsverhältnissen oder Tätigkeiten des Versicherungsnehmers (versichertes Risiko). Nach der zusätzlich vereinbarten Bestimmung I ist die gesetzliche Haftpflichtversicherung des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes, Amtes ... versichert. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Klausel als Bestandteil des dem Kläger ausgehändigten Versicherungsscheins vereinbart ist, wie der Kläger behauptet, oder als Teil der nach der Behauptung der Beklagten vereinbarten "Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Privat-Haftpflichtversicherung". In jedem Fall hat die nach beiden Klauselwerker gleichlautende Bestimmung Geltung erlangt. Sie ist als negative Risikobeschreibung anzusehen (BGH VersR 81, 271). Ihre Voraussetzungen liegen hier vor.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Es kann offen bleiben, ob die Gefahr, die sich in dem zum Haftpflichtanspruch führenden Ereignis verwirklicht hat, dem <u>beruflichen</u> Bereich zuzurechnen ist (vgl. dazu BGH VersR 81, 272; Senat VersR 80, 1037, 79, 179 und 73, 1133). Denn es steht aufgrund der Beweisaufnahme fest, daß hier Gefahren eines <u>Betriebes</u> wirksam geworden sind. Die Kraftfahrzeughalle, in der der Kläger tätig geworden ist, stellt einen "Betrieb" im Sinne dieser Bestimmung dar. Diese Werkstatt war mit Vorrichtungen und Geräten ausgestattet, die dazu dienten, anfallende Reparaturen und Wartungsarbeiten an allen technischen Geräten der Universität wie z.B. an den Gartenmaschinen und den Notstromaggregaten auszuführen. Zu diesem Zweck waren u.a. verschiedene Schweißgeräte und ferner eine Hebebühne für Kraftfahrzeuge vorhanden. Daß dort keine Kraftfahrzeugreparaturen ausgeführt wurden, die Hebebühne somit im wesentlichen nur zur Wartung der drei Kraftfahrzeuge benutzt wurde, ändert nichts an der Einstufung des Ganzen als Betrieb. Entscheidend kann hierfür nur sein, daß es sich um eine Einrichtung handelt, die - auf Dauer - für Reparatur- und Wartungszwecke bestimmt und dementsprechend personell und sachlich ausgestattet ist. Darin liegt der maßgebende Unterschied zu dem vom BGH VersR 81, 272 = Senat VersR 79, 175, entschiedenen Fall, bei dem es an sämtlichen Voraussetzungen für einen Betrieb fehlte. Hier hat sich auch die typische Gefahr eines derartigen Betriebes verwirklicht: Durch die Benutzung der Betriebseinrichtungen wie der Hebebühne und des Schweißgeräts ist der Schaden herbeigeführt worden. Daß der Kläger diese Arbeiten außerhalb seiner Dienstzeit verrichtet hat, ist demgegenüber unbeachtlich. Die von einem Betrieb ausgehende Gefahr kann sich verwirklichen, ohne daß der Betriebsinhaber etwas von der Tätigkeit des Versicherungsnehmers erfahren hat. Die von einem Betrieb ausgehenden Gefahren sind im Gegenteil nicht geringer, sondern eher noch größer, wenn in dem Betrieb außerhalb der Üblichen Betriebszeit und sogar heimlich gearbeitet wird. Unerheblich ist auch, daß der Kläger nicht den Beruf des Kraftfahrzeugschlossers erlernt hat: Auch insoweit gilt, daß ein Betrieb in der Hand von Laien und Schwarzarbeitern noch gefährlicher ist. Es wäre widersinnig, die allgemein vorgesehene Risikobeschränkung gerade in einem solchen Fall nicht eingreifen zu lassen.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob die Beklagte etwa auch noch gemäß §§4 I Nr. 6 b (wegen Eingreifens der Bearbeitungsklausel) und 5 Nr. 5 Satz 2 AHB (wegen Eingreifens des Anerkenntnisverbots) leistungsfrei ist.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §97 Abs. 1 ZPO. Des Ausspruchs der vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil der Rechtsstreit nach dem Ermessen des Senats unzweifelhaft nicht der Revision unterliegt.</p>
|
315,695 | olgk-1984-05-09-16-w-3684 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 16 W 36/84 | 1984-05-09T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:31 | 2019-03-27T09:42:27 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1984:0509.16W36.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 16. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 15. Februar 1984 - 16 O 652/82 - wird zurückgewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die gemäß § 25 GKG zulässige Beschwerde des Klägers ist sachlich nicht begründet, da die Streitwertfestsetzung des Landgerichts zu keinen Beanstandungen Anlass gibt. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Soweit das Landgericht den Streitwert aus Hauptsumme, rückständigen Zinsen auf andere Forderungen und Mehrwertsteuer unter Berücksichtigung der variierenden Anträge des Klägers hierzu festgesetzt hat, entspricht dies den rechtlichen Gegebenheiten und wird auch von keiner Partei angegriffen. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Eine weitere Erhöhung des Streitwerts kommt nicht in Betracht. Die Einwendung des Klägers, das Landgericht hätte die in der Klageerwiderung erklärte Aufrechnung des Beklagten mit verschiedenen Forderungen streitwerterhöhend berücksichtigen müssen, geht fehl. Denn der Beklagte hat mit diesen Forderungen nicht hilfsweise aufgerechnet. Wie sich aus seinem Vorbringen hierzu ergibt, hat er vielmehr insoweit die vom Kläger geltend gemachte Forderung unbestritten gelassen und ihr nur die Aufrechnung entgegengesetzt (vgl. Blatt 47). Dies gilt entsprechend dem Vortrag des Beklagten auch für eine weitere noch in einem späteren Schriftsatz nachgeschobene Forderung (Blatt 54). Insoweit führen mithin auch Gegenforderungen des Klägers nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nur hinsichtlich der verbleibenden Restforderung des Klägers hat der Beklagte alsdann weitere Einwendungen erhoben. Er hat vorgetragen, die gebotene Anpassung des vereinbarten Kaufpreises an die von den Parteien nicht vorhergesehene geschäftliche Entwicklung der Praxis führe dazu, dass die vom Kläger geltend gemachte Restforderung entfalle. Vorsorglich hat er mit einem Schadensersatzanspruch aufgerechnet mit der Begründung, der Kläger habe ihm bei den Vertragsverhandlungen verschwiegen, von den Mandanten nur Freundschaftshonorare verlangt zu haben, die er, der Beklagte, nicht hebe einhalten können, so dass aus diesem Grund zahlreiche Mandanten keine Aufträge mehr erteilt hätten. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Gesamtvortrag des Beklagten hierzu lässt - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - durchaus den Schluss zu, dass er in Wahrheit nur eine Herabsetzung des Kaufpreises wegen Wegfalls - Veränderung - der Geschäftsgrundlage anstrebte und auch die erklärte "vorsorgliche Aufrechnung" mit einem Schadensersatzanspruch unter einer allerdings irreführenden rechtlichen Bezeichnung nur diesem Ziel diente. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Einer abschließenden Klärung dieser Frage bedarf es aber nicht, da dem Begehren des Klägers auch dann nicht entsprochen werden kann, wenn der Beklagte tatsächlich auch einen Schadensersatzanspruch der Klageforderung entgegengestellt hätte. In diesem Fall wären zwar sein Begehren um Anpassung - Herabsetzung - des Kaufpreises und die Schadensersatzforderung zu trennen. Gleichwohl liegt aber keine Hilfsaufrechnung im Sinne des § 19 Abs. 3 GKG vor. Denn letztlich macht der Beklagte dann eine Art Gewährleistungsanspruch geltend, der zwar auf Verschulden bei Vertragsschluss gestützt ist, letztlich aber nur zum Ziel hat, eine Herabsetzung des Kaufpreises zu erreichen, eine Folge, die rechtlich möglich ist (vql . BGHZ 69/53 ff; NJW 81/2050 f). Der Fall ist mithin vergleichbar mit den Fällen, in denen der Käufer dem Kaufpreisverlangen Minderung oder Schadensersatzansprüche nach § 463 BGB entgegensetzt. Dies wird aber zutreffend als eine Art Verrechnung angesehen, bei der die gegenseitigen Forderungen nur Rechnungsposten sind, die nicht streitwerterhöhend berücksichtigt werden können (vgl. OLG Karlsruhe, Justiz 71/104 f; OLG Köln TLL § 19 GKG Nr. 17 mit Anm. von Schneider; Schneider, Streitwert, 6. Aufl., unter "Aufrechnung" Ziffer 23; auch Zöller, ZPO, 13. Aufl., § 322 Anm. II </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">1). Der entgegenstehenden Ansicht des OLG Düsseldorf (MDR 70/59 f) vermag sich der Senat nicht anzuschließen, da sie dem einheitlichen Vorgang der Abwicklung eines Kauf - bzw. Werkvertrages nicht gerecht wird, soweit es um die Gewährleistung für Mängel geht und da sie daher den "Gegenforderungen" des Käufers zu Unrecht eine selbständige Bedeutung beimisst, die eine Entscheidung über sie gemäß § 322 Abs. 2 ZPO der Rechtskraft fähig werden lässt. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Kaufpreisforderung Ansprüche auf Ersatz von Mangelfolgeschäden entgegengestellt würden (vgl. Schneider a.a.O.). Das ist hier aber nicht der Fall. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Tatsache allein, dass der Kläger seinen Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss herleitet, kann unter diesen Umständen eine andere Betrachtung nicht rechtfertigen. Das folgt auch nicht aus der Kommentierung Schneiders zur Bewertung der vergleichbaren Forderungen aus positiver Forderungsverletzung (a.a.O.). Denn auch bei diesen wird eine Streitwerterhöhung nur dann für berechtigt gehalten, halten, wenn die positive Forderungsverletzung in keinem Zusammenhang mit Mängeln steht. Hier ist der Zusammenhang aber offenbar, da der Beklagte dem Kläger vorwirft, ihn nicht über Umstände der Praxis unterrichtet zu haben, die seiner Ansicht nach ihre mangelhafte Entwicklung verursacht haben.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Da somit keine Gegenforderungen des Beklagten bei der Streitwertfestsetzung berücksichtigt werden müssen, kommt es auch nicht mehr darauf an, ob der Beklagte nur hinsichtlich einer Restforderung des Klägers in Höhe von 15.550,35 DM "vorsorglich aufgerechnet" hat (Blatt 47) oder ob entsprechend der Entwicklung des Rechtsstreits in diesem Zusammenhang von einer höheren Summe auszugehen ist. </p>
|
315,696 | olgham-1984-05-07-20-w-284 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 W 2/84 | 1984-05-07T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:33 | 2019-03-27T09:42:27 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1984:0507.20W2.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.</p>
<p>Der Antragstellerin wird für die beabsichtigte Klage Prozeßkostenhilfe bewilligt. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts bleibt dem Landgericht überlassen.</p>
<p>Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.</p>
<p>Beschwerdewert: 5.000,- DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Mit der beabsichtigten Klage verlangt die Antragstellerin als Begünstigte aus einem Lebensversicherungsvertrag ihres am 1. Juli 1982 verstorbenen Ehemannes von der Antragsgegnerin die Zahlung der Versicherungssumme von 40.000,- DM. Die Antragsgegnerin verweigert die Zahlung unter Hinweis auf das Schreiben des Ehemannes der Antragstellerin vom 3. Mai 1981. Darin kündigte dieser "mit sofortiger Wirkung" seine unter der Versicherungsschein-Nr. ... bei der Antragsgegnerin abgeschlossene Lebensversicherung und bat, ihm "unbürokratisch den Wert zurückzuzahlen". Mit Schreiben vom 26. Mai 1981 erwiderte die Antragsgegnerin, eine Auflösung des Vertrages sei nach ihren AVB entweder zum Schluß des laufenden Versicherungsjahres oder innerhalb des Versicherungsjahres mit Frist von drei Monaten auf den Monatsschluß möglich. Die Versicherung werde daher unter Zugrundelegung der mit dem Versicherungsnehmer am 29. April 1981 geführten telefonischen Unterredung und seiner Kündigung vom 3. Mai 1981 zum 1. August 1981 aufgelöst. In diesem Schreiben gab die Antragsgegnerin auch den am 1. August 1981 - vorbehaltlich laufender Beitragszahlung - voraussichtlich verfügbaren Rückvergütungswert mit 4.904,70 DM an, der nach dem 1. August 1981 gegen Vorlage des Versicherungsscheins überwiesen werde. Zugleich bot sie ihm an, diesen Beitrag sofort unter Abzug entsprechender Diskontzinsen für die Zeit vom Auszahlungstag bis zum 31. Juli 1981 auszuzahlen. Dafür bat sie um Rückgabe einer von ihr vorbereiteten Erklärung und Vorlage des Versicherungsscheins.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Auf dieses Schreiben reagierte der Ehemann der Antragstellerin nicht, auch nicht auf die Schreiben vom 14. August und 29. Oktober 1981, mit denen die Antragsgegnerin an Obersendung des Versicherungsscheins erinnerte und darauf hinwies, daß sie ohne dessen Vorlage nicht zahlen könne.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Entsprechend ihrer Ankündigung im Schreiben vom 26. Mai 1981 zog die Antragsgegnerin letztmalig am 1. Juli 1981 den fälligen Vierteljahresbeitrag ein.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat der Antragstellerin die beantragte Prozeßkostenhilfe verweigert, weil die beabsichtigte Klage keinen Erfolg verspreche. Es hat sich der Ansicht der Antragsgegnerin angeschlossen und ausgeführt, die Kündigung des Versicherungsnehmers "mit sofortiger Wirkung" vom 3. Mai 1981 sei gemäß §140 BGB in eine ordentliche Kündigung zum 1. August 1981 umzudeuten. Der Versicherungsvertrag sei daher wirksam aufgelöst. Ein Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme stehe der Antragstellerin deshalb nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie macht geltend, ihr Ehemann habe <u>sofort</u> aus dem Vertrag herausgewollt, nicht aber erst zu einem späteren Zeitpunkt. Außerdem habe er damals wegen eines unheilbaren Magenkarzinoms und dadurch bedingten Alkoholmißbrauchs das Kündigungsschreiben im Zustand einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit verfaßt (§105 Abs. 2 BGB); es sei daher nichtig.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Beschwerde ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die beabsichtigte Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin ist unstreitig Begünstigte des zwischen ihrem Ehemann und der Antragsgegnerin 1972 geschlossenen Lebensversicherungsvertrages. Mit dem Tode ihres Ehemannes kann sie daher Auszahlung der Versicherungssumme verlangen, es sei denn, das Versicherungsverhältnis ist vor dem Tode des Ehemannes aufgelöst worden. Den Nachweis für eine solche vorzeitige Auflösung hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Antragsgegnerin bisher nicht geführt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Durch das Schreiben des Ehemannes der Antragstellerin vom 3. Mai 1981 ist das Versicherungsverhältnis nicht vorzeitig aufgelöst worden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Dabei kann dahinstehen, ob die in dem Schreiben ausgesprochene Kündigung schon deshalb nichtig ist, weil der Ehemann der Antragstellerin bei Abgabe dieser Erklärung unter dem psychischen Druck seiner tödlichen Krankheit und des Alkoholabusus sich im Zustand einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befand (§105 Abs. 2 BGB), wie die Antragstellerin behauptet. Denn die streitige Kündigungserklärung ist jedenfalls aus einem anderen Grunde unwirksam.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Nach dem Wortlaut des Kündigungsschreibens vom 3. Mai 1981 wollte der Ehemann der Antragstellerin den Versicherungsvertrag "mit sofortiger Wirkung" kündigen. Für eine solche außerordentliche Kündigung lagen aber unstreitig die Voraussetzungen nicht vor. Sie war daher nichtig.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Eine Umdeutung dieser nichtigen außerordentlichen Kündigung in eine wirksame Willenserklärung anderer Art kommt nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht in Betracht. Nach §140 BGB kann ein nichtiges Rechtsgeschäft in ein anderes Rechtsgeschäft umgedeutet werden, wenn es dessen Erfordernissen entspricht und anzunehmen ist, daß der Erklärende dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt hätte. Diese Voraussetzungen liegen nach dem gegenwärtig vorgetragenen Sachverhalt nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerdebegründung ist eine Umdeutung in ein Verlangen auf Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung (§174 VVG) nicht möglich. Denn diese setzt voraus, daß der vorhandene Versicherungswert bestehen bleibt. Das hat der Ehemann der Antragstellerin gerade nicht gewollt. Vielmehr hat er ausdrücklich die sofortige Auszahlung des Versicherungswertes verlangt.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Annahme des Landgerichts in dem angefochtenen Beschluß kommt aber auch eine Umdeutung in eine ordentliche Kündigung nicht in Betracht. Denn nach dem gegenwärtig vorgetragenen Sachverhalt läßt sich nicht feststellen, daß der Ehemann der Klägerin eine ordentliche Kündigung gewollt hätte, wenn er gewußt hätte, daß seine außerordentliche Kündigung nichtig war.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin trägt selbst vor, der Ehemann der Antragstellerin sei in dem mit ihm am 29. April 1981 geführten Telefongespräch darauf hingewiesen worden, daß er gemäß §6 AVB eine Kündigungsfrist von drei Monaten auf den Monatsschluß einhalten müsse. Wenn er dennoch - trotz Erläuterung der für ihn nur bestehenden Möglichkeit der ordentlichen Kündigung - unter Bezugnahme auf dieses Telefongespräch eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat, so ergeben sich daraus Zweifel gegen die Annahme der Versicherungsnehmer würde eine ordentliche Kündigung gewollt haben, wenn er die Nichtigkeit der erklärten außerordentlichen Kündigung gekannt hätte. Möglich ist zwar, daß die ihm gegebenen Erläuterungen über Kündigungsfristen unrichtig waren oder von ihm falsch verstanden wurden. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, daß der Ehemann der Antragstellerin aufgrund des Telefonats vom 29. April 1981 zwar wußte, daß er eine dreimonatige Kündigungsfrist einhalten mußte, aber dennoch versuchen wollte, eine sofortige Auflösung des Vertrages zu erreichen. Dafür spricht weiter, daß er mit seiner Kündigung "mit sofortiger Wirkung" noch in demselben Satz die Bitte aussprach, ihm "unbürokratisch" den Wert zurückzuzahlen. Diese Formulierung legt zumindest nahe, daß der Versicherungsnehmer bewußt etwas erreichen wollte, worauf er - bei "bürokratischer" Abwicklung - keinen Anspruch hatte. Das kann sowohl für die Kündigung mit sofortiger Wirkung als auch für die Auszahlung gemeint gewesen sein. Aus den vorhergehenden Ausführungen des Kündigungsschreibens ergibt sich nämlich, daß es dem Ehemann der Antragstellerin nicht nur darum ging, sofort Geld von der Antragsgegnerin zu bekommen, sondern auch darum, keine weiteren Beiträge mehr leisten zu müssen. Bei einer ordentlichen Kündigung war aber zum 1. Juli 1981 eine weitere Vierteljahresprämie in Höhe von 226,- DM zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens des Ehemannes der Antragstellerin im Zeitpunkt der Kündigung ist ferner zu berücksichtigen, daß der Ehemann damals schwer krebskrank war und seinen nahen Tod vor Augen hatte. In dieser Situation war die Kündigung des Lebensversicherungsvertrages, der offenbar auch zur Absicherung der Ehefrau abgeschlossen war, alles andere als vernünftig. Verständlich wäre allenfalls der Wunsch des Versicherungsnehmers, mit sofortiger Wirkung zu kündigen, um sofort selbst noch in den Genuß des Rückvergütungswertes zu kommen und sofort von der Beitragslast befreit zu werden.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Schon danach kann nicht ohne weiteres gesagt werden, der Ehemann der Antragstellerin hätte sich bei Kenntnis von der Nichtigkeit der außerordentlichen Kündigung für eine ordentliche Kündigung entschieden. Gegen eine solche Annahme spricht aber weiter noch der Umstand, daß er auch nach Erhalt der Schreiben der Antragsgegnerin vom 26. Mai, 14. August und 29. Oktober 1981 nichts unternommen hat, um Konsequenzen aus einer möglichen Beendigung des Versicherungsvertrages durch ordentliche, befristete Kündigung zu ziehen und sich um die Auszahlung des Wertes zu bemühen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Zwar hat er den Schreiben auch nicht nach Ablauf der Kündigungsfrist widersprochen. Daraus ist jedoch weder auf seinen mutmaßlichen Willen im Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung noch auf ein Einverständnis mit einer Beendigung des Vertragsverhältnisses zum 1. August 1981 zu schließen. Die Voraussetzungen dafür, daß Schweigen ausnahmsweise als Zustimmung gilt, liegen nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Im Gegenteil legt die Tatsache, daß der Ehemann der Antragstellerin sich nicht entsprechend den Aufforderungen der Antragsgegnerin um eine Auszahlung des Rückvergütungswertes der Versicherung unter den Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung bemüht hat, eher den Rückschluß näher, daß er am 3. Mai 1981 keine Umdeutung seiner außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche gewollt hätte, wenn ihm die Nichtigkeit der außerordentlichen Kündigung bewußt geworden wäre.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Schließlich ergibt auch die Tatsache, daß fällig die Prämien zum 1. Oktober 1981, 1. Januar und 1. April 1982 nicht mehr bezahlt worden sind, keinen sicheren Hinweis auf den Willen des Versicherungsnehmers. Zum einen wurden die Prämien von der Antragsgegnerin vom Konto des Versicherungsnehmers abgebucht, so daß er dabei selbst nicht aktiv zu werden brauchte. Zum anderen hat ihn möglicherweise seine fortschreitende Krankheit so beeinträchtigt, daß ihm schon deshalb die unterbliebenen Prämienabbuchungen nicht bewußt geworden sind.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die aufgezeigten Zweifel an den Voraussetzungen für eine Umdeutung gehen zu Lasten der Antragsgegnerin. Eine Leistungsfreiheit der Antragsgegnerin nach §39 VVG wegen Nichtzahlung der Folgeprämien scheitert schon daran, daß die Antragsgegnerin keine qualifizierte Mahnung gemäß §39 Abs. 1 VVG vorgenommen hat.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung ergibt sich aus Nr. 1181 GKG-Kostenverzeichnis und aus §118 Abs. 1 S. 3 ZPO.</p>
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315,697 | olgham-1984-04-27-20-u-32783 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 327/83 | 1984-04-27T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:36 | 2019-03-27T09:42:27 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1984:0427.20U327.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Klägerin gegen das am 12. Juli 1983 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Siegen wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.500,-- DM abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand;</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin betrieb als Pächterin des Hausgrundstücks xxx in xxx im Erdgeschoß das Nachtlokal xxx, in dem in der Nacht vom 15. zum 16.8.1982 ein Brand ausbrach. In dem Gebäude befanden sich außerdem mehrere Fremdenzimmer, ein Büroraum und eine kleinere Zwei-Zimmer-Wohnung, die die Klägerin mit ihrem Lebensgefährten, dem Zeugen xxx, dem früheren Pächter, bewohnte, bis sie und der Zeuge im Mai 1982 in eine größere Wohnung in xxx umzogen. Dabei wurde ein Teil der Wohnungseinrichtung mitgenommen. Im xxx verblieb der Rest und auch die Wohnungseinrichtung der früheren xxx Wohnung der Klägerin.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Bis zu dem Auszug bestand eine Hausratsversicherung über 150.000,-- DM bei der xxx Versicherungsgesellschaft, die der Zeuge abgeschlossen hatte. Im Rahmen einer Besprechung am 26.7.1982 in der neuen Wohnung zwischen dem Zeugen xxx und dem Prokuristen xxx der xxx wegen der Betriebsrechtsschutzversicherung bei der Beklagten wurde auch der Abschluß einer neuen Hausratsversicherung bei der Klägerin bezüglich der Fremdenzimmer, des Büroraums und der verbliebenen Wohnungseinrichtung erörtert. Die Klägerin unterzeichnete einen Antrag auf Hausratsversicherung über 120.000,-- DM bei der Beklagten. Die Bindungsfrist für diesen Antrag betrug zwei Wochen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Fotokopie des Antrags (14 f. d.A.) verwiesen. Am folgenden Tage schrieb der Zeuge xxx an die xxx Versicherungsgesellschaft und bat darum, den bestehenden Versicherungsvertrag auf die neue Wohnung abzuändern und den Beitrag neu zu errechnen. Etwa eine Woche später fragte der Mitarbeiter der xxx fernmündlich bezüglich der Beschaffenheit des Hauses bei dem Zeugen xxx zurück. Am 18.8.1982 teilte xxx der Klägerin mit, daß der Brandschaden bekannt sei und die Angelegenheit dem zuständigen Sachbearbeiter für Brandschäden weitergeleitet worden sei. Danach, am 24.8.1982, lehnte die Beklagte die Annahme des Versicherungsantrages der Klägerin ab.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin behauptet, bei dem Brand einen Schaden in Höhe von 119.614,-- DM erlitten zu haben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung Bl. 16 ff. d.A. verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei zahlungspflichtig. Bei Ausbruch des Brandes habe Versicherungsschutz bestanden. Dazu behauptet sie, sowohl der Prokurist xxx als auch der Versicherungsvertreter xxx hätten erklärt, gegen die Annahme des Vertrages beständen keine Bedenken. Außerdem meint sie, die Beklagte habe den Vertrag verspätet abgelehnt. Bei rechtzeitiger Ablehnung hätte sie nach ihrer Behauptung sich anderweitig Versicherungsschutz beschaffen können.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Beklagte zu verurteilen, an sie 119.614,-- DM nebst 11 % Zinsen seit dem 1.11.1982 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie hält sich nicht für leistungspflichtig. Ein Vertrag sei nicht zustandegekommen. Der Antrag sei durch Ablauf der Bindungsfrist erloschen. Ein Grund zu beschleunigter Bearbeitung sei für sie nicht erkennbar gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil, auf das verwiesen wird, die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Sie meint, die Beklagte sei nach den Grundsätzen des Verschuldens beim Vertragsschluß schadensersatzpflichtig. Hier habe eine Verpflichtung zur beschleunigten Bearbeitung bestanden, da den Herren xxx und xxx das dringende Interesse der Klägerin am baldigen Abschluß der Hausratsversicherung bekannt gewesen sei. Dazu behauptet sie, diese hätten gewußt, daß die im Zeitpunkt des Antrags noch bestehende Hausratsversicherung bei der xxx Versicherungsgesellschaft wegen des Antrags auf die neue Wohnung übertragen werden sollte und daß damit der bis dahin bestehende Versicherungsschutz entfallen werde. Auf diesen habe aber die Klägerin erkennbar besonderen Wert gelegt, da die Brandgefahr wegen der Art des von ihr unterhaltenen Betriebes besonders groß gewesen sei. Zudem hätten auch beide Herren erklärt, daß es keinerlei Schwierigkeiten geben werde und daß der Vertragsantrag angenommen werde.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin stellt den Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte entsprechend dem erstinstanzlichen Antrag (jedoch unter Ermäßigung des Zinssatzes auf 4 %) zu verurteilen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Sie bestreitet, daß den Mitarbeitern xxx und xxx die bei der xxx Versicherungsgesellschaft bestehende Hausratsversicherung und deren Übertragung auf die neue Wohnung bekannt gewesen seien. Deshalb habe für sie auch kein Grund zu beschleunigter Bearbeitung bestanden.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die beigefügten Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen xxx. Insoweit wird auf das Protokoll der Verhandlung vom 27.4.1984 Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat wegen des Brandschadens keinen Anspruch gegen die Beklagte.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">1. Ein vertraglicher Anspruch auf Versicherungsschutz besteht nicht.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Ein Versicherungsvertrag ist nicht abgeschlossen worden. Der Antrag der Klägerin ist unstreitig von der Beklagten nicht angenommen worden.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Es ist auch unstreitig nicht zugesagt worden, daß von Antragstellung an Deckung bestehe. Damit entfällt die Annahme einer vorläufigen Deckungszusage.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">2. Die Beklagte ist auch nicht nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluß schadensersatzpflichtig.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Zwar entstehen auch im Versicherungsvertragsrecht durch den Eintritt in die Vertragsverhandlungen und das dadurch begründete vertragsähnliche Vertrauensverhältnis Sorgfaltspflichten der Parteien, deren schuldhafte Verletzung zur Haftung im Rahmen des § 276 führen kann (BGH VersR 66, 457 = NJW 66, 1407; OLG Hamm VersR 78, 1014/1015, 1134/1136; Prölls-Martin, § 3 Anm. 5). Voraussetzung dafür wäre hier, daß die Beklagte die Erledigung des Antrags vom 26.7.1982 schuldhaft verzögert hätte und die Klägerin bei einer früheren Ablehnung bei einem anderen Versicherer Deckung gefunden hätte (OLG Hamm VersR 82, 1066/1067). Jedoch besteht weder nach allgemeinen Vertragsrecht noch nach dem Versicherungsvertragsrecht eine Verpflichtung des Versicherers, sich sogleich mit dem Antrag des Versicherungsnehmers zu befassen und ihn zu bescheiden. Dem Versicherer steht die volle Annahmefrist - als solche ist die im Antrag festgelegte Bindungsfrist nach herrschender Meinung aufzufassen (Prölls-Martin, § 3 Anm. 3) - zur Verfügung (BGH a.a.O.; OLG Hamm VersR 78, 1015 und 1136). Äußert sich der Versicherer bis zu deren Ablauf nicht, ist der Antrag damit abgelehnt (§ 146 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Diese Situation war am 9.8.1982 eingetreten, als die zweiwöchige Bindungsfrist abgelaufen war. Von diesem Tag an war die Klägerin nicht mehr gebunden. Sie hätte sich anderweitig um Versicherungsschutz bemühen können.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Bei besonderer, für den Versicherer erkennbarer Eilbedürftigkeit auf Seiten des Versicherungsnehmers mag in Ausnahmefällen auch eine Entscheidung vor Ablauf der Frist verlangt werden können, insbesondere dann, wenn die Bedingungen eine lange Annahmefrist vorsehen. Hier betrug aber die Bindungsfrist nur zwei Wochen. Zumindest diese kurze Frist dürfte die Beklagte voll ausschöpfen (OLG Hamm VersR 82, 1067), auch wenn ihr das Interesse der Klägerin an rascher Erlangung von Versicherungsschutz bekannt gewesen sein sollte.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Nach Auffassung des Senates kann auch nicht verlangt werden, daß der Versicherer auf die Folge eines Verstreichens der Bindungsfrist, das Erlöschen des Antrags (§ 146 BGB), ausdrücklich hinweist. Der Text des Antrags (Ziffer 7) sagt klar, daß der Antragsteller sich an den Antrag zwei Wochen lang gebunden hält. Daraus folgt auch für den Laien klar, daß er nach Ablauf dieser zwei Wochen nicht mehr gebunden ist. Der Versicherer braucht insoweit nicht damit zu rechnen, daß der Versicherungsnehmer den Wortlaut des von ihm unterschriebenen und bei ihm belassenen Antrags nicht durchliest und dessen Bedeutung nicht erkennt. Gerade wenn der Versicherungsnehmer auf einen schnellen Abschluß besonderen Wert legt, obliegt es ihm, sich über die Bindungsfrist und die Folgen ihres Ablaufs durch Nachlesen im Antrag zu informieren.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Im übrigen hat die Klägerin auch nicht bewiesen, daß der Beklagten oder ihren Vertretern ein Grund für eine besondere Beschleunigung erkennbar war. Sie hat nicht bewiesen, daß die Beklagte davon wußte, daß das Risiko, auf das der Antrag sich bezog, nicht versichert war und daß eine bestehende Versicherung aufgrund des Antrags aufgehoben und auf die neue Wohnung übertragen werden sollte. Der Zeuge xxx hat nämlich die Behauptung der Klägerin nicht bestätigt, den bei der xxx Versicherungsgesellschaft bestehenden Versicherungsvertrag oder überhaupt einen bestehenden und in Zukunft etwa entfallenden Versicherungsschutz gegenüber dem Prokuristen xxx und dem Versicherungsvertreter xxx erwähnt zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Damit ist die Klage zu Recht abgewiesen worden.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97, 708 Ziff. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der Wert der Beschwer beträgt 119.614,-- DM.</p>
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315,698 | olgham-1984-04-04-6-uf-61383 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 6 UF 613/83 | 1984-04-04T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:37 | 2019-03-27T09:42:27 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1984:0404.6UF613.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde des Antragstellers gegen das am 13. September 1983 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Detmold wird auf seine Kosten zurückgewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Gründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien, der Antragsteller ist 37, die Antragsgegnerin 26 Jahre alt, haben am 23. März 1981 geheiratet. Für den Antragsteller war es die zweite Ehe. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Bereits am 20. Januar 1982 kam es zur Trennung der Parteien; die Antragsgegnerin zog an diesem Tage wieder zu ihren Eltern.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Inzwischen nahm die Antragsgegnerin Beziehungen zu einem anderen Manne auf. Seit dem 1. Januar 1983 ist sie arbeitslos.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit am 25. und 28. Februar 1983 zugestellten Anträgen haben beide Parteien die Scheidung der Ehe beantragt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin hat daneben den Antrag gestellt, den Antragsteller zur Zahlung einer monatlichen Unterhaltsrente von 685,-- DM zu verurteilen, da sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller hat Zurückweisung dieses Antrages beantragt, da die Antragsgegnerin durchaus arbeiten könne, wenn sie wolle, und wegen der Kürze der Ehe eine Unterhaltszahlung durch ihn grob unbillig sei.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Gleichzeitig hat er beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Er hat dazu die Auffassung vertreten, wegen der kurzen Ehedauer sei auch ein Versorgungsausgleich grob unbillig; denn eine Versorgungsgemeinschaft zwischen der Antragsgegnerin und ihm sei praktisch noch nicht zustande gekommen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung dieses Antrages begehrt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Nach den vom Familiengericht eingeholten Rentenauskünften haben der Antragsteller während der Ehezeit monatliche Rentenanwartschaften von 58,60 DM, die Antragsgegnerin solche von 20,90 DM erworben.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Durch das Verbundurteil vom 13. September 1983 hat das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden, den Unterhaltsantrag der Antragsgegnerin wegen der Kürze der Ehe aus Billigkeitsgründen zurückgewiesen, den Versorgungsausgleich jedoch durchgeführt und dabei monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 18,85 DM auf das Rentenkonto der Antraggegnerin übertragen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung letzterer Entscheidung ist ausgeführt, eine kurze Ehedauer allein könne die Annahme einer groben Unbilligkeit nicht rechtfertigen. Ein Ausschluß des Versorgungsausgleichs komme nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allenfalls bei einer extrem kurzen Ehedauer, beispielsweise einer solchen von lediglich einen Monat, in Betracht, die hier nicht vorliege.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Entscheidung über den Versorgungsausgleich wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde. Er trägt zur Begründung vor, es müsse auf die Dauer des tatsächlichen Zusammenlebens und nicht auf die Zeit zwischen der Eheschließung und der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages abgestellt werden. Sei die Dauer des Zusammenlebens zu kurz, um eine Versorgungsgemeinschaft richtig gebildet zu haben, müsse der Versorgungsausgleich ausgeschlossen werden, zehn Monate tatsächlichen Zusammenlebens reichten für eine echte Versorgungsgemeinschaft nicht aus. Zumindest müsse eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs insoweit erfolgen, als Versorgungsanwartschaften während des Trennungsjahres erworben worden seien, da durch diese Einrichtung die Ehezeit nur künstlich verlängert werde.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin hat sich in der Beschwerdeinstanz nicht anwaltlich vertreten lassen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die gemäß §§ 629 a Abs. 2, 621 e Abs. 1 und 3, 516, 519 ZPO zulässige Beschwerde hat sachlich keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist kein Grund ersichtlich, der einen Ausschluß des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB wegen grober Unbilligkeit rechtfertigen könnte.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Insbesondere kommt die Kürze der<i> </i>Ehezeit regelmäßig nicht als ein solcher Grund in Betracht. Das hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 24. Juni 1981 (FamRZ 944<i> </i>(945)) bereits unmißverständlich klargestellt. Der Antragsteller irrt, wenn er meint, dem Beschluß des Bundesgerichtshofs könne nicht entnommen werden, daß im hiesigen Falle die Ausschlußwirkung des § 1587 c BGB nicht eingreife. Der Bundesgerichtshof, der in einer anderen Entscheidung (FamRZ 1982, 32 (34)) die Heranziehung, der Rechtsgedanken des § 1579 BGB zur Auslegung des § 1587c Nr. 1 BGB ausdrücklich abgelehnt hat, geht im Urteil vom 24<i>. </i>Juni 1981 gerade davon aus, daß auch bei einer kurzen Ehe grundsätzlich ein Versorgungsausgleich stattfindet. Hierbei handelt es sich um zumindest eine der Hauptaussagen der Entscheidung, und nicht nur um ein "obiter dictum". Der Bundesgerichtshof hat dann lediglich zur Besonderheit des damals zu entscheidenden konkreten Falles weiter ausgeführt, das Berufungsgericht habe ohne Rechtsfehler einen <u>Ausnahmefall</u> angenommen, in welchem angesichts der ungewöhnlich kurzen Ehedauer von sechs Wochen die Durchführung des Versorgungsausgleichs - jedenfalls aus Billigkeitsgründen - nicht gerechtfertigt erscheine, da eine Versorgungsgemeinschaft der damaligen Parteien in dieser Zeit nicht entstanden sei.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Daß die Rechtsprechung des Bundesgerichtshof anders zu verstehen sei, ergibt sich entgegen den Ausführungen des Antragstellers auch nicht aus der Darstellung von Lohmann, (Neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Familienrecht, 3. Auflage, 1983, Seite 178 ff). Dort ist im Gegenteil lediglich unter Bezugnahme auf die als unveröffentlicht bezeichnete Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24<i>. </i>Juni 1981 ausgeführt, eine <u>extrem kurze Ehedauer</u> könne den Ausschluß des Versorgungsausgleichs rechtfertigen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Angesichts der klaren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, kommt es vorliegend darauf, ob man das Entstehen einer Versorgungsgemeinschaft zwischen den Parteien nach der vom Bundesgerichtshof in ständiger Praxis (vgl. u.a. FamRZ 1980, 552 und a.a.O.) angenommenen Ehedauer bis zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages oder lediglich nach der Dauer des tatsächlichen Zusammenlebens beurteilt. Auch wenn die Parteien nur zehn Monate zusammen gelebt haben, ist davon auszugehen, daß eine ursprünglich auf Lebenszeit angelegt gewesene eheliche Lebens- und Versorgungsgemeinschaft zwischen ihnen entstanden ist. Selbst diese Zeit war dazu nicht zu kurz. Der Bildung einer Lebens- und Versorgungsgemeinschaft steht auch nicht entgegen, daß die Parteien während des Zusammenlebens beide berufstätig geblieben sind. Sie haben in dieser Zeit ebenfalls zusammen gewirtschaftet, wie es bei Eheleuten üblich ist, und auf eine gemeinsame Alterssicherung hingearbeitet.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Als Aequivalent für die zweifelsohne nicht lange Dauer der Ehezeit werden - anders als im Unterhaltsrecht - auch nur entsprechend geringe Anwartschaften zwischen den Parteien ausgeglichen. Insoweit kann gleichfalls nicht von einer groben Unbilligkeit des Versorgungsausgleichs angesichts der Ehedauer gesprochen werden.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Antragstellers erscheint es auch nicht grob unbillig, die während des Trennungsjahres erworbenen Rentenanwartschaften in den Ausgleich einzubeziehen. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, gehört die Zeit, in der die Parteien gemäß § 1565 Abs. 2 BGB bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages getrennt gelebt haben, zur Dauer der Ehe im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB. Darin liegt auch dann keine unzumutbare Härte, wenn sie länger ist als die Zeit des tatsächlichen Zusammenlebens der Eheleute. Sie ist als regelmäßige Scheidungsvoraussetzung kein schicksalhaftes Geschehen, sondern von jedem eine Scheidung erstrebenden Ehegatten von vornherein einzukalkulieren. Wenn einmal eine eheliche Lebens- und Versorgungsgemeinschaft zustande gekommen ist, kann die Zeit des Trennungsjahres als notwendiger Bestandteil der Ehe nicht aus dieser Gemeinschaft ausgeklammert werden. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Ebenso wenig konnte ein Ausschluß des Versorgungsausgleichs unter dem Gesichtspunkt in Betracht kommen, daß beide Ehegatten bei kinderloser Ehe voll berufstätig gewesen seien, gemeinsam den Haushalt versorgt hätten, nicht unterschiedlich verdient hätten und keine ehebedingten beruflichen Nachteile erlitten hätten (vgl. AG München NJW 1978, 1011 und AG Düsseldorf NJW 1978, 2039). Es kann auf sich beruhen, ob bei einem solchen Tatbestand eine grobe Unbilligkeit des Versorgungsausgleichs anzunehmen ist (dagegen Palandt-Diederichsen, BGB, 43. Auflage, § 1587 c Anm. 2 (3. Absatz)). Vorliegend fehlt es jedenfalls an der Voraussetzung eines nicht unterschiedlichen Verdienstes beider Ehegatten; die Antragsgegnerin hat während der Ehezeit und auch während des Zusammenlebens einen geringeren Arbeitsverdienst erzielt als der Antragsteller.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Kein Ausschlußgrund ist auch darin zu sehen, daß die Antragsgegnerin sich nach der Trennung einem anderen Manne zugewandt hat, da der Versorgungsausgleich lediglich eine Teilung der Versorgungsanwartschaften aus der Vergangenheit bezweckt (vgl. BGH FamRZ 83, 32 ff).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Versorgungsausgleich ist auch nicht deswegen als grob unbillig anzusehen, weil die Übertragung von Anwartschaften auf die Antragsgegnerin dieser keinen Nutzen, dem Antragsteller allein Nachteile brächte. Nach den eingeholten Anwartschaftsauskünften ist der Ausgleich für die Antragsgegnerin durchaus von Vorteil, da ihr Rentenkonto bereits über 60 Beitragsmonate mit eigener Erwerbstätigkeit aufweist. Außerdem ist sie trotz ihrer gegenwärtigen Arbeitsunfähigkeit altersmäßig durchaus in der Lage, auch noch die Voraussetzungen der sogenannten "großen Wartezeit" zu erfüllen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Nach alledem war die Beschwerde mit der Kostenfolge gemäß § 97 ZPO zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Eine Zulassung der weiteren Beschwerde gemäß §§ 621e Abs. 2<i> </i>in Verbindung mit § 546 Abs. 1 Satz 2 ZPO kommt nicht in Betracht, da sich der Senat bei seiner Entscheidung in Übereinstimmung mit der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs sieht.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Hollwitz </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Schulte-Tamburen </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Richter am OLG Fischaleck ist beurlaubt und darum verhindert zu Hollwitz</p>
|
315,699 | ag-neuss-1984-04-04-50-c-3184 | {
"id": 713,
"name": "Amtsgericht Neuss",
"slug": "ag-neuss",
"city": 473,
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"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 50 C 31/84 | 1984-04-04T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:38 | 2019-03-27T09:42:27 | Urteil | ECLI:DE:AGNE:1984:0404.50C31.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 385,89 DM nebst 4% Zinsen seit dem 08.12.1983 zu zahlen.</p>
<p>2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p>3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.</p>
<p>4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Am 21.10.1983 ereignete sich in … ein Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug des Klägers erheblich beschädigt wurde. Der Unfall ist von einem Fahrzeug verursacht worden, welches bei der Beklagten haftpflichtversichert ist. Die Beklagte hat den dem Kläger entstandenen Schaden auch bis auf den hier streitigen Betrag ersetzt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Nachdem das Fahrzeug des Klägers bei der Firma … in … repariert worden war, rief der Zeuge … beim Prozessbevollmächtigten des Klägers an und teilte mit, dass das Fahrzeug am nächsten Tage fertiggestellt sei und die Rechnung sich auf 14.000,-- DM belaufe; angesichts des hohen Rechnungsbetrages werde er das Fahrzeug, da der Kläger keinerlei Sicherheiten geleistet habe, nicht freigeben. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat den Zeugen … sodann darüber informiert, dass bei der Beklagten, die infolge des Unfallherganges zahlen müsse, bereits eine Akontozahlung angefordert worden sei, und dass im übrigen der Kläger einen Kreditvertrag für den Fall unterzeichnet habe, wenn seitens der Beklagtn nicht bzw. nicht rechtzeitig gezahlt werde. Das Fahrzeug ist dem Kläger am 10.11.1983 ohne sofortige Gegenleistung von seiten der Firma … übergeben worden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit der Klage macht der Kläger eine Besprechungsgebühr gem. § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO geltend.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 684,-- DM nebst 4 % Zinsen seit </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">dem 08.12.1983 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Auffassung, dass hier ein Fall des § 118 Abs. 1 Ziffer 2 BRAGO nicht vorliege.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist gem. §§ 823 BGB, 7 StVG i. V. m. § 118 Abs. 1 Ziffer 2 BRAGO in dem genannten Umfang begründet, im übrigen ist sie abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Es steht für das Gericht nach dem von dem Kläger geschilderten Verlauf des Gespräches seines Prozessbevollmächtigten mit der Firma …, welcher von der Beklagten nicht bestritten worden ist, fest, dass durch dieses Gespräch die Schadenssache gefördert worden ist. Da der Zeuge … mitgeteilt hatte, er werde bei dem hohen Rechnungsbetrag das Fahrzeug nicht freigeben, muss davon ausgegangen werden, dass er sich insoweit auf sein Werkunternehmerpfandrecht berufen hat. Wenn daraufhin der Prozessbevollmächtigte des Klägers Mitteilung über die angeforderte Akontozahlung und den vom Kläger aufgenommenen Kreditvertrag macht, und die Firma … am darauffolgenden Tage den Pkw ohne sofortige Gegenleistung an den Kläger herausgibt, so lässt dies nur den Schluss zu, dass dies aufgrund der Informationen des Prozessbevollmächtigten des Klägers geschehen ist. Dadurch ist durch die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers die Sache dahingehend gefördert worden, dass dem Kläger sein Fahrzeug bereits zu einem Zeitpunkt zur Verfügung stand, der bei Ausübung des Werkunternehmerpfandrechtes seitens der Firma … nicht möglich gewesen wäre. Der Kläger war im Rahmen seiner Schadensminderungsverpflichtung insoweit auch durchaus gehalten, eine möglichst schnelle Herausgabe des Fahrzeuges zu betreiben, da ansonsten entweder weitere Mietwagenkosten oder aber Kreditkosten entstanden wären, die schließlich auch zu Lasten der Beklagten gegangen wären. Das Telefongespräch des Prozessbevollmächtigten des Klägers ging somit eindeutig über eine bloße Nachfrage hinaus, so dass die Beklagt als Schadensersatzpflichtige auch zur Erstattung einer Besprechungsgebühr gem. § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO verpflichtet ist (vgl. dazu auch Gerold-Schmidt, Kommentar zur BRAGO, 7. Aufl., § 118, Anm. 6 f) mit weiteren Nachweisen).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Bei der Bemessung der Höhe der geschuldeten Gebühr war jedoch zu berücksichtigen, dass es sich auf seiten des Prozessbevollmächtigten des Klägers lediglich um ein einfaches Telefongespräch gehandelt hat, welches weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht irgendwelche Schwierigkeiten bereitet haben dürfte, zumal der Prozessbevollmächtigte des Klägers noch am 08.11.1983, als er sein Forderungsschreiben an die Beklagte richtete, mit der Sache befasst und somit über den Sachstand bestens informiert war, ohne dass am 10.11.1983 eine Einarbeitung in den Sachstand oder Einholung von weiteren Informationen erforderlich gewesen wäre. Das Gericht hält es daher für angemessen, lediglich die Mindestgebühr des § 118 BRAGO – eine halbe Gebühr – anzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Des weiteren richtet sich der Streitwert dieser halben Gebühr lediglich nach dem Streitwert, um den es bei der genannten Besprechung ging. Da Gegenstand der Besprechung zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Kläger s und dem Zeugen … lediglich die Reparaturrechnung und deren Bezahlung bzw. die damit zusammenhängende Herausgabe des Fahrzeugs an den Kläger war, kann auch der Streitwert lediglich in dieser Höhe festgesetzt werden, zumal die übrigen vom Kläger geltend gemachten Schäden wie Gutachterkosten, Mietwagenkosten sowie allgemeine Unkosten im Verhältnis des Klägers zur Firma … keine Rolle spielen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Ausgehend von einem Streitwert bis 16.000,-- DM betrug die halbe Gebühr incl. Mehrwertsteuer somit 385,89 DM, so dass die Beklagte auch insoweit zur Zahlung zu verurteilen war; im übrigen war die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Richter am Amtsgericht</p>
|
315,700 | olgk-1984-03-30-19-u-19683 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 19 U 196/83 | 1984-03-30T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:40 | 2019-03-27T09:42:26 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1984:0330.19U196.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21. September 1983 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 23 0 342/83 - wie folgt abgeändert und neu gefaßt:</p>
<p></p>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.058,25 DM nebst 4 % Zinsen</p>
<p>seit dem 2. Juli 1982 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. </p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 17.000, --- DM abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beide Parteien können die Sicherheit auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>T a t b e s t a n d :</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Am 12. August 1977 verschuldete der bei der Beklagten haftpflichtversicherte S. G. mit seinem Motorrad einen Verkehrsunfall, bei dem der bei der Klägerin versicherte U. C. als Beifahrer erhebliche Verletzungen davontrug. Sein rechtes Bein mußte teilweise amputiert werden. Da er seinen erlernten Beruf als Werkzeugmacher nicht mehr ausüben konnte, absolvierte er eine von der Klägerin finanzierte Umschulung zum Güteprüfer , deren Kosten von der Beklagten getragen wurden. Um den Verletzten sodann wieder in das Arbeitsleben einzugliedern, zahlte die Klägerin an die Firma F. E. GmbH & Co. KG in N. in der Zeit vom 19. Januar 1981 bis zum 18. Januar 1982 eine Eingliederungshilfe nach § 567 Abs. 1 RVO in der unstreitigen Höhe von 13.058,25 DM.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch diesen Betrag zu ersetzen, den diese kraft Forderungsübergangs nach § 1542 RVO geltend macht.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.058,25 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 2. Juli 1982 sowie 1,50 DM vorgerichtliche Kosten zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Klageabweisung beantragt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Sie hat die Ansicht vertreten, wegen des geltend gemachten Betrages stehe der Klägerin kein übergangsfähiger Anspruch zu. Sie hat behauptet, der Verletzte habe keinen Verdienstausfall gehabt, da er z.Zt. des Unfalls arbeitslos gewesen sei. Dem hatte die Klägerin in erster Instanz nicht ausdrücklich widersprochen. Im übrigen wäre nach Ansicht der Beklagten ein evtl. bei dem Verletzten entstandener Schaden nicht kongruent zu der von der Klägerin gewährten Eingliederungshilfe.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses ihr am 18. Oktober 1983 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18. November 1983 Berufung eingelegt und hat diese nach Fristverlängerung bis zum 180 Januar 1984 an diesem Tag begründet.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Sie vertritt weiterhin ihre Ansicht, daß auch die berufliche Rehabilitation des Verletzten von dem Schädiger herbeizuführen und deshalb dafür aufgewendete Kosten von ihm zu</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">ersetzen seien. Im übrigen trägt sie nunmehr vor, der Verletzte sei zum Unfallzeitpunkt nicht arbeitslos gewesen, vielmehr sei er als Werkzeugmacher und Kunststoffspritzer</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">bei der Firma Dr. H. T. GmbH in L. beschäftigt gewesen. Nur mit der Eingliederungshilfe sei es nach der Umschulung möglich gewesen, den Verletzten in seinem neu erlernten Beruf als Güteprüfer bei einem Arbeitgeber unterzubringen. Der dort erzielte Verdienst sei geringer als derjenige, den er erreicht hätte, wenn er ununterbrochen weiter in seinem alten Beruf hätte arbeiten können.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.058,25 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 2. Juli 1982 sowie 1,50 DM vorgerichtliche Kosten zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Sie tritt der von der Klägerin vertretenen Rechtsansicht entgegen und behauptet im übrigen, das vor dem Unfall bestehende Arbeitsverhältnis des Verletzten sei am 11. August 1977, d.h. bereits vor dem Verkehrsunfall, aufgelöst worden. Es sei auch nicht richtig, daß der Verletzte jetzt weniger verdiene als er bei einem Verbleiben in seinem alten Beruf verdient hätte.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Wegen des Sach- und Streitstandes im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"><b><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</u></b></p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegt und begründete Berufung der Klägerin hat Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin die von ihr aufgewandte Eingliederungshilfe zu ersetzen, weil auch insoweit ein nach § 823 Abs. 1 BGB entstandender Schaden des verletzten U. C. auf die Klägerin gemäß § 1542 RVO übergegangen ist.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Für die Entscheidung kommt es nach Ansicht des Senats Nicht wesentlich darauf an, ob der verletzte U. C. seine alte Arbeitsstelle bereits vor dem Unfall verloren oder aufgegeben hatte, und in welchem Verhältnis sein jetziger Verdienst im Vergleich zu dem vor dem Unfall bezogenen steht. Es sei jedoch bemerkt, daß auch dann, wenn der Vortrag der Beklagten zutrifft, daß das Arbeitsverhältnis mit der Firma T. unfallunabhängig gelöst</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">worden ist, von einer Arbeitslosigkeit des Verletzten zum Zeitpunkt des Unfalls nicht gesprochen werden kann. Daß er ohne den Unfall nicht in absehbarer Zeit eine neue, seiner Ausbildung entsprechende Stellung gefunden hätte, ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht. Eine durch einen Wechsel des Arbeitgebers bedingte kurzfristige</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Beschäftigungslosigkeit ist aber mit einer länger dauernden Arbeitslosigkeit nicht zu vergleichen. Hierauf kommt es aber auch nicht an. Denn der Schädiger und damit die Beklagte als sein Haftpflichtversicherer muß nach dem Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 BGE) dem Verletzten die Aufwendungen ersetzen, die zu seiner vollen beruflichen Rehabilitation, d.h. auch zu seiner Wiedereingliederung in das Arbeitsleben erforderlich waren. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Senat tritt der neueren Rechtsprechung darin bei, daß Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation wie solche der medizinischen Rehabilitation bei Verletzung von Körper und Gesundheit schon im Rahmen der Naturalrestitution zu ersetzen sind, die der Schädiger nach § 249 BGB in erster Linie schuldet. Der Verletzte soll dadurch in die Lage versetzt werden, die nachteiligen Auswirkungen bleibender körperlicher Behinderungen durch Ausweichen auf ein anderes Arbeitsfeld "in natura" abzuschwächen oder ganz abzuwenden (vgl. BGH VersR 1982, 768 = NJV; 1982, 1638; Baltzer in VersR 1976, 1, 6 ff; MK-Grunsky § 249 Rdnr. 6). Die Lage, in der ein Verletzter sich vor einem Unfall befand, wird nur dann soweit wie möglich wiederhergestellt, wenn er wieder in die Lage versetzt wird, seinen alten oder - soweit nötig – neu erlernten Beruf auszuüben. Der vom Bundesgerichtshof a.a.O. zusätzlich erwähnte Gesichtspunkt, daß Rehabilitationskosten jedenfalls als Aufwendungen zur Minderung oder Abwehr von Verdienstausfallschäden in den Grenzen des Vertretbaren zur Belastungssphäre des Schädigers gehörten und deshalb von ihm zu erstatten seien, wird in vielen Fällen hinzukommen, nennt aber keine unbedingt notwendigen Voraussetzungen für den Anspruch. Denn selbst derjenige, der vor dem Unfall arbeitslos gewesen ist, wird erst durch die beruflichen Rehabllitatlonsmaßnahmen in einen Zustand versetzt, der ihn mit anderen Arbeitssuchenden gleichstellt. Ist der Verletzte bei einem Verkehrsunfall, den ein anderer verschuldet hat, zum Schwerbeschädigten geworden, dann gehört zu dieser Gleichstellung auch die von der Klägerin bezahlte Eingliederungshilfe. Denn einem Schwerbeschädigten entstehen zusätzliche Nachteile, die seine Wiedereingliederung in eine aktive Berufsfähigkeit behindern, die über die allgemein heutzutage bei der Arbeitssuche bestehenden Schwierigkeiten hinausgehen. Ohne Eingliederungshilfe wird der Schwerbeschädigte wie auch im vorliegenden Falle nicht in der Lage sein, mit anderen Arbeitssuchenden erfolgreich in Konkurrenz zu treten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber, wie<i> </i>hier nach der Behauptung der Beklagten die Firma E., es etwa darauf anlegt, durch die Einstellung von Schwerbeschädigten Eingliederungshilfen zu beziehen. Auch wenn das zutrifft, spricht doch, nichts dafür, daß der Arbeitgeber auch dann zur Einstellung des Verletzten bereit gewesen wäre, wenn die Eingliederungshilfe nicht gezahlt worden wäre.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, daß der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung über Umschulungskosten zu entscheiden hatte, die auch zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits nicht streitig gewesen sind. Unter diese Umschulungskosten fielen aber nach dem mitgeteilten Sachverhalt u.a. auch Aufwendungen für die Arbeitserprobung des Verletzten in einem Berufsförderungswerk. Diese Arbeitserprobung gehört ebenso wie die hier streitige Eingliederungshilfe an einen Arbeitgeber zu den berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation (Berufshilfe) nach § 567 RVO. Die Berufshilfe hat ebenso wie die Heilbehandlung nach § 556 Abs. 1 Nr. 2 RVO u.a. das Ziel, den Verletzten nach seiner Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung seiner Eignung, Neigung und bisherigen Tätigkeit möglichst auf Dauer einzugliedern. Sowohl bei den vom Bundesgerichtshof als ersatzfähig anerkannten Aufwendungen für die Arbeitserprobung als auch bei der hier streitigen Eingliederungshilfe handelt es sich um Maßnahmen beruflicher Rehabilitation, die <u>dem Verletzten</u> zugute kommen. Gerade dies, daß es sich nämlich um eine Leistung zugunsten des Verletzten handelt, um seine berufliche Rehabilitation zu fördern, darf gegenüber dem Umstand, daß die Eingliederungshilfe an den einstellenden Arbeitgeber ausgezahlt wird, nicht außer Acht gelassen werden. Würde im vorliegenden Fall die Unterstützung des Verletzten durch die Klägerin mit der Umschulung beendet gewesen sein, dann wäre die berufliche Rehabilitation des Verletzten nicht zu Ende geführt worden, er wäre als Schwerbeschädigter nicht mit anderen Arbeitsuchenden gleichgestellt worden. Etwaiger Verdienstausfallschaden wäre nicht behoben oder wenigstens verringert worden. Daß tatsächlich der Verletzte erfolgreich eingegliedert werden konnte, ist eben auf die Eingliederungshilfe zurückzuführen. Erst damit kam die berufliche Rehabilitation des Verletzten zum Ziel.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Als Abgrenzungskriterium für die Belastung des Schädigers mit Rehabilitationskosten hat der Bundesgerichtshof genannt, daß im Zeitpunkt der Entschließung zu der Rehabilitationsmaßnahme diese bei verständiger Beurteilung der Erfolgsaussichten für die Rückgewinnung einer der verlorenen bestmöglich entsprechenden Erwerbstätigkeit und des Verhältnisses dieser Chancen zum wirtschaftlichen Gewicht des anderenfalls absehbaren Erwerbsschadens geeignet und sinnvoll erscheint. Ist die Rehabilitationsmaßnahme in diesem Sinne zur Schadensbeseitigung oder -abwehr vertretbar, dann kann der Sozialversicherungsträger von dem Schädiger gemäß § 1542 RVO Erstattung von ihm dem Verletzten gewährter Aufwendungen zur beruflichen Rehabilitation verlangen. Nur soweit der Schädiger den eingeschlagenen Weg als zur Schadensbeseitigung ungeeignet oder als dem Aufwand nach unzumutbar verweigern durfte, hat der Sozialversicherungsträger die Kosten der Maßnahme selbst zu tragen. Von Unvertretbarkeit kann im vorliegenden Falle nach dem Sachverhalt nicht die Rede sein. Es liegt auch nicht so, daß der Verletzte nach dem Vortrag der Berufungsbegründung nach seiner Umschulung und Wiedereingliederung in das Arbeitsleben seine Erwerbssituation im Sinne eines beruflichen Aufstiegs gegenüber früher verbessert hätte. Ein etwaiger Mehrverdienst nach Ablauf einiger Jahre seit dem Unfall in seinem jetzigen Beruf besagt noch nichts darüber, daß die Rehabilitation von dem Verletzten zu einem beruflichen Aufstieg genutzt worden wäre. Es liegt daher hier kein Fall vor, in dem die Rehabilitation möglicherweise mehr Aufwendungen erfaßt, als der Schädiger dem Verletzten schuldet , so daß insweit ein Forderungsübergang nach § 1542 RVO nicht in Betracht käme (vgl. BGH a.a.O.; Baltzer a.a.O. S. 8).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Nach allem ist ausdrücklich festzustellen, daß der Schaden des Verletzten und damit der Klägerin nicht nur in der Differenz zwischen dem früheren Einkommen des</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Verletzten und seinem jetzigen Einkommen liegt. Vielmehr kann der Verletzte sein jetziges Einkommen überhaupt nur erzielen, weil aufgrund der ihm zustehenden Berufshilfe</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">die Eingliederungshilfe durch die Klägerin gezahlt worden ist. Diese Aufwendungen mußten gemacht werden, um ihm eine bezahlte Arbeitstätigkeit zu sichern. Wie bereits</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">oben erwähnt, kann nicht angenommen werden, daß der jetzige Arbeitgeber des Verletzten ihn auch ohne Eingliederungshilfe eingestellt hätte. Dies hat zwar die Beklagte in erster Instanz einmal behauptet, es widerspricht aber jeder Lebenserfahrung und ist auch ohne Beweisantritt geblieben. Wenn ein Arbeitgeber für die Einstellung eines Behinderten eine Leistung des Sozialversicherungsträgers beziehen kann, dann liegt es auf der Hand, daß der den Behinderten nur einstellt, wenn diese Hilfe auch tatsächlich gezahlt wird. Genau dies ergibt sich auch aus dem Schreiben der Firma F. E. vom 20. April 1982 (BI. 13 d.A.).</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Abschließend sei bemerk, daß es auch nicht unbillig erscheint, wenn ein Schädiger alle die Maßnahmen trägt, die dazu dienen, den Verletzten auch in beruflicher Hinsicht nach Möglichkeit in eine Lage zu versetzen, die derjenigen vor dem Unfall möglichst gleich ist.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Mögen für die Berufshilfe auch sozialpolitische Gründe eine wesentliche Rolle gespielt haben, so ist doch kein Grund dafür ersichtlich, die Kosten hierfür dem Sozialversicherungsträger und damit der Allgemeinheit aufzubürden, wenn sie durch einen von dem Schädiger verschuldeten Unfall letztlich verursacht worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten konnten der Klägerin nicht ersetzt werden, weil aus ihrem Vortrag nicht ersichtlich ist, daß diese auf dem Verzug der Beklagten beruhen. Dagegen stehen der Klägerin die verlangten Zinsen nach den §§ 288 Abs. 1, 291 ZPO zu.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Das Urteil ist nach den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Revision zugelassen, weil es von grundsätzlicher Bedeutung ist, ob ein Schädiger dem Verletzten im Rahmen des Schadensersatzes nach § 249 BGB auch die von dem Sozialversicherungsträger dem Verletzten gewährte Eingliederungshilfe zu ersetzen hat.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Wert der Beschwer der Beklagten:: 13.058,25 DM.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Asper ist in Urlaub und kann deshalb</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">nicht unterschreiben</p>
|
315,701 | olgham-1984-02-29-20-w-784 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 W 7/84 | 1984-02-29T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:42 | 2019-03-27T09:42:26 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1984:0229.20W7.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Kläger auferlegt.</p>
<p>Der Beschwerdewert wird auf 4.200,- DM festgesetzt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Die nach §91 a II ZPO zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits gemäß §§91 a, 93 ZPO den Klägern auferlegt. Die Beklagte durfte nämlich auch nach Auffassung des Senats die Entschädigung bis zur vorgenommenen Auszahlung zurückhalten.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Da zumindest die Sparkasse ... als Realgläubigerin die Auszahlung an die Kläger daran geknüpft hatte, daß die Versicherungsleistung zur Wiederherstellung des Wohnhauses verwendet wurde, durfte die Beklagte nur auszahlen, wenn und soweit die Verwendung zur Wiederherstellung gesichert war (§19 III 1 VGB). Die Kläger hätten dies durch Vorlage von Handwerkerrechnungen oder auch durch Vorlage von bindenden Verträgen nachweisen können. Angebote, bei denen nicht festzustellen war, ob sie zu einem bindenden Vertragsschluß geführt hatten, konnten nicht ausreichen. Darauf sind die Kläger auch entgegen ihrem jetzigen Vorbringen durch Schreiben an ihre Anwälte vom 6.9. und 13.9.1983 (Bl. 51, 52 d.A.) ausdrücklich von der Beklagten hingewiesen worden. Da die Vorlage von aussagekräftigen Unterlagen unterblieb, war die Verwendung zur Wiederherstellung frühestens mit dem Nachweis, daß der Bau wieder errichtet war, sichergestellt. Dies war durch eine entsprechende Bescheinigung der Stadt ... vom 16.9.1983 belegt. Die Beklagte hat noch rechtzeitig die Zeitwertentschädigung am 20.9.1983 ausgezahlt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der über den Zeitwert hinausgehende Neuwertanteil (§7 III a VGB) brauchte zu diesem Zeitpunkt noch nicht gezahlt zu werden. Die Wiederrichtung des Hauses besagt noch nichts dazu, ob dabei Beträge in Höhe der Versicherungsentschädigung aufgewandt werden. Es besteht immer die Möglichkeit, den Neubau weniger aufwendig mit geringeren Kosten zu errichten. Deshalb konnte die Beklagte zu Recht auf Unterlagen in Höhe der vollen Ersatzsumme bestehen. Diese sind aber erst mit Schriftsatz vom 3.11.1983 vorgelegt worden, nach dessen Erhalt unverzüglich von der Beklagten gezahlt wurde.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Soweit die Kläger nunmehr behaupten, ihr Anwalt habe diese Rechnungen bereits in der mündlichen Verhandlung vom 11.10.1983 vorgelegt, widerspricht das dem Inhalt des Protokolls. Danach hat Rechtsanwalt ... erklärt, "er habe Rechnungen über die Wiederherstellung des abgebrannten Gebäudes vorliegen, die einen Gesamtbetrag von 71.925,- DM ergäben". Im übrigen sind diese Unterlagen auch damals nicht zu den Gerichtsakten eingereicht worden. Die Beklagte hatte damit keine Möglichkeit, diese nachzuprüfen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Unerheblich ist auch die im übrigen bestrittene Behauptung, der Direktionsschadensregulierer ... der Beklagten habe sich an Ort und Stelle von dem Fortgang der Bauarbeiten überzeugen können. Selbst wenn das zuträfe, könnte der Zeuge über die Höhe der Aufwendungen dadurch kaum Feststellungen treffen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §97 ZPO.</p>
|
315,702 | olgk-1984-02-28-1-ss-9784 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 1 Ss 97/84 | 1984-02-28T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:44 | 2019-03-27T09:42:26 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1984:0228.1SS97.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.</p>
<p></p>
<p>II. Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Leverkusen zurückverwiesen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>G r ü n d e :</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.<b> </b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht Leverkusen hat den Betroffenen am 21<b>. </b>Oktober 1983 wegen eines fahrlässigen Rotlichtverstosses zu einer Geldbuße von 100, <b>-- </b>DM verurteilt. Hiergegen richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der in formeller Hinsicht unbedenkliche Zulassungsantrag ist auch sachlich begründet. Er führt unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zur Zulassung der Rechtsbeschwerde und über diese zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">III<b>.</b></p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil es sachlich-rechtlich unvollständig ist. Die von dem Amtsgericht getroffenen Feststellungen lassen eine abschließende Beurteilung der Frage, ob dem Betroffenen ein schuldhafter Rotlichtverstoß anzulasten ist, nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Eine Verurteilung wegen eines Rotlichtverstosses macht grundsätzlich Feststellungen zur Dauer der Gelbphase, der zulässigen und der vom Betroffenen eingehaltenen Geschwindigkeit sowie dazu erforderlich, wie weit der Betroffene mit seinem Fahrzeug</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">noch von der Ampel entfernt war, als diese von Gelb auf Rot wechselte (OLG Köln VRS 51, 229, 230 = DAR 1976, 250; OLG Celle DAR 1977, 220; vgl. auch OLG Hamm VRS 57, 453; vgl. auch Jagusch-Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 27. AufI., § 37 StVO, Rd. 48, 48 a). Denn nur bei Kenntnis dieser Umstände läßt sich entscheiden, ob der Betroffene bei zulässiger Geschwindigkeit und mittlerem Bremsen (OLG Köln a.a.O., OLG Celle a.a.O<b>.; </b>Jagusch-Hentschel a.a.0.) in der Lage gewesen ist, dem von dem Gelblicht ausgehenden Anhaltegebot zu folgen, was Voraussetzung für die Vorwerfbarkeit des Rotlichtverstoßes ist. Hat der Betroffene die vor der Lichtzeichenanlage zulässige</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Geschwindigkeit überschritten, und hätte er bei Einhalten der zugelassenen Geschwindigkeit rechtzeitig anhalten können f so begründet bereits die Geschwindigkeitsüberschreitung die Vorwerfbarkeit des Rotlichtverstosses, wenn der Betroffene bei der von ihm tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit nicht mehr vor dem Kreuzungsbereich anhalten konnte.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat festgestellt, daß die Gelbphase vor hier in Rede stehenden Lichtzeichenanlage auf vier Sekunden eingestellt und der Betroffene mit seinem Fahrzeug noch fünf Meter von der Haltelinie entfernt war, als die Ampel von Gelb auf Rot wechselte. Das angefochtene Urteil enthält hingegen keine Feststellungen zu der zulässigen und zu der vom Betroffenen tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit; es teilt nur mit s der Betroffene habe sich vor der Polizei dahin eingelassen, 60 - 65 km/h gefahren zu sein.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Feststellungen insoweit waren auch nicht nach den Grundsätzen entbehrlich, die von der Rechtsprechung (OLG Celle a.a.O.; OLG Hamm a.a.0.; OLG Köln a.a.0.; Sen E vom 31.03.1983 - 1 Ss 774/82 – und vom 29.07.1983 - 1 Ss 475/83; vgl. auch Jagusch- Hentschel a.a.0.) zu Rotlichtverstößen im innerörtlichen Bereich aufgestellt worden sind. Danach ist zwar anerkannt, daß für diesen Bereich grundsätzlich von einer zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h ausgegangen werden kann, bei der eine Gelbphase von drei Sekunden - statt wie hier vier Sekunden - zum rechtzeitigen Anhaltenausrecht. Von einer zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h kann hier aber nicht ausgegangen werden, weil das angefochtene Urteil nicht erkennen läßt, ob sich der Verstoß im innerörtlichen Bereich ereignet hat. Diese Frage ist auch nicht durch die Ortsangabe</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">"in M." geklärt; denn diese gibt nur einen Hinweis darauf, daß die Ordnungswidrigkeit</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">in der politischen Gemeinde M. begangen worden ist, was nicht ausschließt, daß die in Rede stehende Örtlichkeit außerhalb einer geschlossenen Ortschaft gelegen ist. Aber auch dann, wenn die Lichtzeichenanlage im innerörtlichen Bereich läge, könnte in diesem konkretem Fall gleichwohl nicht ohne weiteres von einer zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h ausgegangen werden, weil sich aus den übrigen Feststellungen des Amtsgerichts Anhaltspunkte dafür ergeben, daß hier eine höhere als die normalerweise im innerörtlichen Bereich geltende Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h zugelassen ist. Das Amtsgericht hat nämlich festgestellt, daß die Gelbphase der Ampel mit vier Sekunden eingerichtet ist, was gemeinhin (vgl. Ziffer IX der Verwaltungsvorschriften zu § 37 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Stvo; abgedruckt bei Jagusch-Hentschel, a. a. O., § 37 StVo Rn. 24) nur dann geschieht, wenn höhere Geschwindigkeiten als 50 km/h zugelassen sind.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Wenn der Betroffene sich darüberhinaus nach den Urteilsgründen vor der Polizei unbeanstandet dahin eingelassen hat, er sei 60 - 65 km/h gefahren, so deutet auch dies darauf hin, daß vor der Lichtzeichenanlage eine höhere Geschwindigkeit als 50 km/h zulässig ist.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Nach alledem kann mangels der erforderlichen Feststellungen zu der von dem Betroffenen gefahrenen, aber auch zu der höchstzulässigen Geschwindigkeit nicht abschließend beurteilt werden, ob dem Betroffenen zu Recht der Vorwurf eines schuldhaften Rotlichtverstoßes gemacht worden ist. Das Amtsgericht wird daher in der neuen Verbandlung die erforderlichen Feststellungen treffen und sodann in die Prüfung der Frage eintreten müssen, ob die festgestellten Umstände dem Betroffenen ein rechtzeitiges Anhalten seines Fahrzeugs erlaubt haben (vgl. zu der Methode der Berechnung OLG Köln VRS</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">51, 229 = DAR 1976, 250).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">IV.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Zurückverweisung erfolgt an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts, die entscheiden hat (§ 79 Abs. 6 OWiG).</p>
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315,703 | olgham-1984-02-16-15-w-4284 | {
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"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 15 W 42/84 | 1984-02-16T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:47 | 2019-03-27T09:42:26 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1984:0216.15W42.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 16. Februar 1984 auf die weitere Beschwerde der Beteiligten vom 9. Januar 1984 gegen den Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 8. Dezember 1983 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Kuntze, den Richter am Oberlandesgericht Arps und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Müller beschlossen:</p>
<p></p>
<p>Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Gründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das eingangs genannte Kind wurde am 20. Mai 1977 als eheliches Kind der Beteiligten im Kreiskrankenhaus XXX geboren. Die Eltern haben ihren jetzigen Verfahrensbevollmächtigten aufgesucht, um Schadenersatzansprüche für ihr Kind gegen den Krankenhausträger und die behandelnde Geburtsärztin zu verfolgen. Dieser hat den 17-seitigen Entwurf einer Klageschrift mit darin enthaltenen Anträgen auf Verurteilung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes und auf Feststellung der Ersatzpflicht für den entstandenen und entstehenden Schaden, der aus der Verletzung ärztlicher Pflichten anläßlich des Geburtsvorganges herrühre, gefertigt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Eltern haben mit Antrag vom 7. November 1983 beim Vormundschaftsgericht XXX angeregt, für ihren Sohn XXX eine Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis der Vertretung bei der Geltendmachung sämtlicher Schadenersatzansprüche aus fehlerhaften geburtshilflichen Maßnahmen anzuordnen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Durch Beschluß vom 8. November 1983 hat das Amtsgericht Bielefeld - Rechtspfleger - die Einleitung einer Ergänzungspflegschaft abgelehnt, da ein Bedürfnis hierfür nicht bestehe.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Entscheidung haben die Beteiligten Erinnerung vom 10. November 1983 eingelegt und zur Begründung im wesentlichen vorgetragen: Ihr Sohn leide an einem Hirnschaden, der auf ärztliches Fehlverhalten bei der Geburt zurückzuführen sein dürfe. Ein Bedürfnis für eine Pflegschaftsanordnung sei zu bejahen, weil für das Kind ein lebenswichtiger Prozeß mit hohen Schadenersatzansprüchen geführt werden müsse, der mit einem erheblichen Kostenrisiko verbunden sei. Diese Kosten müßten sie als Eltern auf Grund ihrer Unterhaltspflicht tragen. Es bestehe die Gefahr für ihr Kind, daß sie im Hinblick auf dieses Risiko und die voraussichtlich lange Prozeßdauer im Verlaufe des Rechtsstreits den Mut verlören und vor den hohen Kosten zurückschreckten. Sie seien an der Vertretung ihres Kindes in dem zu führenden Prozeß verhindert, weil ihr finanzielles und gesundheitliches Interesse dem des Kindes an der Durchsetzung seiner lebenswichtigen Ansprüche entgegenstehe. Sie müßten außerdem ihrem Kind im Prozeß als Zeugen zur Verfügung stehen, um die Prozeßsituation zu verbessern. Bei einer Ablehnung der Pflegschaft behielten sie die Stellung als gesetzliche Vertreter ihres Kindes innerhalb dieses Wirkungskreises und könnten nicht als Zeugen auftreten.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Rechtspfleger und Richter des Amtsgerichts haben dieser Erinnerung nicht abgeholfen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die von ihm als Beschwerde gegen die Rechtspflegerentscheidung vom 8. November 1983 behandelte Erinnerung durch Beschluß vom 8. Dezember 1983 zurückgewiesen, da die Beteiligten weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen verhindert seien, etwaige Schadenersatzansprüche ihres Kindes geltend zu machen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Gegen die landgerichtliche Entscheidung wenden sich die Beteiligten mit ihrer weiteren Beschwerde vom 9. Januar 1984, mit der sie weiterhin die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft anstreben.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die statthafte und in der rechten Form eingelegte weitere Beschwerde der Beteiligten ist auch sonst zulässig (§§ 27, 29 FGG). Die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführer folgt bereits daraus, daß ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist (Keidel/Kuntze/Winkler, FG, 11. Aufl., Rz. 10 zu § 27 FGG). Die Beteiligten sind als Beschwerdeführer anzusehen, da das Rechtsmittel von ihrem Verfahrensbevollmächtigten ausdrücklich in ihrem Namen eingelegt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die weitere Beschwerde der Beteiligten ist aber unbegründet, weil die angefochtene Beschwerdeentscheidung nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 FGG). Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht die Voraussetzungen für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft verneint.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">1) Die Vorinstanz war mit einer statthaften und formgerecht angebrachten Erstbeschwerde der Beteiligten befaßt. Die Erinnerung gegen die ablehnende Entscheidung des Rechtspflegers war nach § 11 Abs. 2 Sätze 4 und 5 RPflG als Beschwerde im Sinne des § 19 EGG zu behandeln. Gegen die Ablehnung der Anordnung der Ergänzungspflegschaft durch den gemäß §§ 3 Nr. 2a, 14 Nr. 4 RPflG hierfür zuständigen Rechtspfleger fand nach der Nichtabhilfe die unbefristete Beschwerde statt (Palandt/Diederichsen, BGB, 43. Aufl., Anm. 5 zu § 1909 BGB). Das Beschwerderecht stand nach § 57 Abs. 1 Nr. 3 FGG den Eltern des Kindes zu. Im Wege der Auslegung hat das Landgericht bedenkenfrei nur die Eltern als Beschwerdeführer angesehen, denn in der Erinnerungsschrift vom 10. November 1983 sind diese von ihrem Verfahrensbevollmächtigten als Antragsteller im Pflegschaftsverfahren bezeichnet. Den Hinweis im erläuternden Schriftsatz vom 17. November 1983, die Gegenvorstellungen vom 10. November 1983 als Erinnerung namens des Kindes aufzufassen, hat das Landgericht erkennbar bedenkenfrei dahin gedeutet, daß die Eltern damit ihr rechtliches Interesse an der Vornahme dieser Verfahrenshandlung haben aufzeigen wollen, das aus dem Eltern-Kind-Verhältnis herrührt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">2) In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat das Landgericht ohne durchgreifenden Rechtsfehler von einer persönlichen Anhörung der Eltern und des Kindes gemäß §§ 50a, 50b FGG abgesehen, die auch das Amtsgericht unterlassen hat. In dieser vermögensrechtlichen Angelegenheit sollte nach der Vorstellung der Eltern nicht zwangsweise in ihre Rechte eingegriffen werden, sondern sie wollten sich freiwillig eines Teils ihrer Elternrechte begeben. Wegen des fehlenden Eingriffstatbestandes und des für eine Ergänzungspflegschaft von vornherein unschlüssigen Vortrags war eine persönliche Anhörung der schriftlich hinreichend zu Wort gekommenen Eltern nicht geboten. Außerdem waren für die Anhörung des Kindes die Voraussetzungen des § 50b Abs. 1 FGG nicht erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">3) In sachlicher Hinsicht hält die angefochtene Entscheidung der rechtlichen Nachprüfung stand.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB erhält eine unter elterlicher Sorge stehende Person für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern verhindert sind, einen Pfleger. Eine Ergänzungspflegschaft für ein Kind hängt mithin von drei Voraussetzungen ab: Die schutzbedürftige Person muß unter elterlicher Sorge stehen - davon kann hier im Verhältnis der Beteiligten zu ihrem Kind gemäß § 1626 Abs. 1 BGB ausgegangen werden - , die Eltern (oder der allein vertretungsberechtigte Elternteil) müssen an der Besorgung einer Angelegenheit oder einzelner Angelegenheiten des Kindes verhindert sein und es muß ein Fürsorgebedürfnis vorliegen. Dabei kann die Verhinderung an der Wahrnehmung von persönlichen oder vermögensrechtlichen Angelegenheiten tatsächlicher (etwa Abwesenheit, Haft oder Krankheit des Elternteils) oder rechtlicher Art (z.B. Ausschluß der Vertretungsmacht gemäß §§ 1629 Abs. 2, 1670 in Verbindung mit 1680, 1666 1667, 1680, 1795, 1796 BGB) sein. Eine solche Verhinderung läßt sich vorliegend nicht feststellen. Die Eltern sind nach der rechtlich bedenkenfreien Auffassung des Landgerichts gegenwärtig tatsächlich und rechtlich zum Handeln für ihr Kind in der Lage, mögen sie im Verhältnis zu den meisten anderen Eltern durch den Gesundheitszustand ihres Kindes auch ungleich stärker belastet sein.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">a) Die Furcht vor dem Kostenrisiko des beabsichtigten Schadenersatzprozesses bedeutet keine Verhinderung im dargelegten Sinne. Sollten die Eltern Prozeßkosten kraft ihrer Unterhaltspflicht für das Kind bestreiten müssen, so würde die Einrichtung einer Pflegschaft an ihrer fortbestehenden Unterhaltspflicht nichts ändern. Von ihr würden sie durch das Vorhandensein eines Pflegers nicht entbunden. Sollten bei dem Kind Hilfsbedürftigkeit vorliegen und außerdem die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage gegeben sein, dann können die Eltern für das Kind Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung des zur Vertretung bereiten Rechtsanwalts gemäß §§ 114, 115, 121 ZPO beantragen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">b) Neben dem Kostenrisiko berufen sich die Beteiligten darauf, daß die Umstände der Prozeßführung ihre Gesundheit angreifen könnten. Damit ist aber eine gegenwärtige Verhinderung nicht dargelegt. Einen Sachverhalt, daß sie etwa nach dem Stand ihrer Einsicht und Erfahrung, insbesondere aber mangels ausreichender Geschäftsgewandtheit, für einen Geschäftskreis ihres Kindes keine geeigneten Sachwalter ihres Kindes seien, machen die Beteiligten mit ihrem Vortrag nicht geltend. Bei einer derartigen Sachlage ist schon eine "tatsächliche Verhinderung" des Vertretungsberechtigten angenommen worden (BayObLGZ 1976, 214, 217; kritisch dazu: Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, § 70 V 1). Denn die Beteiligten haben sich einen rechtskundigen Anwalt als Prozeßbevollmächtigten ausgewählt, der bereits einen umfangreichen Entwurf einer Klageschrift gefertigt hat und auf Grund des mit ihm geschlossenen Vertrags zur fortlaufenden Beratung der Beteiligten verpflichtet ist. Die Eltern sind derzeit erkennbar bereit, Ansprüche ihres Kindes gerichtlich geltend zu machen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die bloße Furcht vor etwaigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nimmt den Beteiligten nicht die gegenwärtige Handlungsfähigkeit für ihr Kind. Die ergänzende Fürsorge des § 1909 BGB ist an <u>gegenwärtige Aufgaben</u> gebunden, die an sich von den Eltern zu lösen sind, von diesen aber nicht gelöst werden können. Nur befürchtete zukünftige Entwicklungen rechtfertigen dagegen keinen Ergänzungspfleger, weil § 1909 BGB weder eine "Beobachtungspflegschaft" noch eine vorsorglich eingerichtete Pflegschaft kennt (BGH, NJW 1976, 49, 51; Erman/H. Holzhauer, BGB, 7. Aufl., Rz. 3 zu § 1909 BGB; Gernhuber, § 70 V 3; Palandt/Diederichsen, Anm. 2b zu § 1909 BGB). Bei zusammenlebenden Eltern und tatsächlicher Verhinderung eines vertretungsberechtigten Elternteils an der Ausübung der elterlichen Sorge würde im übrigen zunächst der andere Elternteil die elterliche Sorge allein ausüben und das Recht der Vertretung des Kindes haben (vgl. § 1678 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">c) Auch die Tatsache, daß die Beteiligten in einem von ihnen als den gesetzlichen Vertretern ihres Kindes geführten Rechtsstreit nicht als Zeugen auftreten können, hat das Landgericht rechtsfehlerfrei nicht als berechtigten Anlaß für eine Ergänzungspflegschaft bewertet. Die Behinderung der Eltern, als Zeugen ihres Kindes in dem Schadenersatzprozeß aufzutreten, kann nicht mit einer Behinderung der Eltern in der Ausübung ihrer Stellung als gesetzliche Vertreter gleichgesetzt werden. Zwar liegt in der prozessualen Behinderung unter Umständen für das Kind ein Nachteil. Aber dies bedeutet keinen Widerstreit materieller Interessen zwischen Eltern und dem Kind, wie er etwa in § 1796 Abs. 2 BGB vorausgesetzt wird. Die materiellen Interessen von Eltern und Kind, stehen bei dem Klagevorhaben nicht im Gegensatz, sondern sind gleichgerichtet. Sowohl Eltern als auch Kind erstreben die Verurteilung der beiden Beklagten zu Schadenersatzleistungen. Die verbleibende nur prozeßrechtliche Unvereinbarkeit rechtfertigt keine Anwendung des § 1909 BGB (KG, OLG 16, 36, Fußnote 1; OLG 46, 197; OLG Dresden, JW 1931, 1380; RGRK-Scheffler, BGB, 10./11. Aufl., Anm. 6 zu § 1909 BGB). Im übrigen liegt das Schwergewicht der Beweisantritte im Entwurf der Klageschrift dem Streitgegenstand gemäß bei der Vorlage der Krankenunterlagen und bei dem Sachverständigenbeweis. Auch bleibt dem Kinde als Beweismittel die Parteivernehmung der Eltern erhalten.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">4) Die weitere Beschwerde ist unter diesen Umständen als unbegründet zurückzuweisen. Eine Kostenentscheidung gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG ist nicht veranlaßt.</p>
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315,704 | olgham-1984-01-23-3-ws-60883 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 3 Ws 608/83 | 1984-01-23T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:48 | 2019-03-27T09:42:26 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1984:0123.3WS608.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1.) Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben, soweit die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt worden ist.</p>
<p>2.) Die Anklage der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 26. Juli 1982 (21 Js 534/82) wird zur Hauptverhandlung auch insoweit zugelassen, als dem Angeklagten fortgesetzter Betrug durch Mißbrauch der Kreditkarten der Firmen ... zur Last gelegt wird. Das Hauptverfahren wird insoweit vor der I. großen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld eröffnet.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Mit Anklage vom 26. Juli 1982 hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld den Angeklagten zur Last gelegt, in den Jahren 1981 und 1982 die Firmen ... und ... durch zwei fortgesetzte Handlungen betrügerisch geschädigt und ferner sich durch zwei weitere selbständige Handlungen des Betruges zum Nachteil der Firma ... und der Zeugin ... sowie eines Verstoßes gegen das Waffengesetz schuldig gemacht zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht Bielefeld hat die Anklage mit Beschluß vom 8. Februar 1983 bzgl. der Betrugsvorwürfe zum Nachteil der Firma ... und zum Nachteil der Zeugin ... sowie des Vorwurfs eines Vergehens gegen das Waffengesetz zur Hauptverhandlung zugelassen und insoweit das Hauptverfahren gegen den Angeklagten eröffnet. Hinsichtlich des Vorwurfs des fortgesetzten Betruges zum Nachteil der Firmen ... und ... hat das Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens mit näher ausgeführten Rechtsgründen abgelehnt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bielefeld, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Rechtsmittel ist auch begründet.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Bezüglich des Vorwurfs des fortgesetzten Betruges zum Nachteil der Firmen ... und ... liegt der Anklage folgendes Ermittlungsergebnis zugrunde:</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte erwarb im Jahre 1979 sowohl die Mitgliedschaft bei der Firma ... als auch bei der Firma ... Bei beiden Firmen handelt es sich um sogenannte Kreditkartenunternehmen, die ihren Mitgliedern, vor deren Aufnahme eine Bonitätsprüfung stattfindet, gegen eine geringe Jahresgebühr - 100,- DM - die Möglichkeit eröffnen, bei den diesen Firmen angeschlossenen Vertragsunternehmen im In- und Ausland bargeldlos Waren und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Zu diesem Zweck wird den Mitgliedern eine sogenannte Kreditkarte ausgehändigt, die jährlich erneuert wird und bei Inanspruchnahme der Leistungen der Vertragsunternehmen vorgelegt werden muß. Die Bezahlung der auf diese Art getätigten Geschäfte erfolgt dergestalt, daß die Kreditkartenherausgeber diese Leistungen ihrer Vertragsunternehmen in bestimmten, vertraglich festgelegten Zeitabständen begleichen und ihre Vorleistungen durch monatliche Abrechnungen gegenüber dem einzelnen Mitglied zahlbar stellen. Das Mitglied ist zur unverzüglichen Bezahlung verpflichtet. Ein laufendes Guthabenkonto führen die Mitglieder bei den hier interessierenden Kreditkarteninstituten nicht. Irgendwelche Begrenzungen, insbesondere an ein Guthaben oder aber einen entsprechenden Überziehungskreditrahmen bestehen nicht. Die Mitglieder der Firma ... verpflichten sich jedoch im Rahmen der allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Kreditkarte nur dann zu verwenden, "wenn die Einkommens- und Vermögensverhältnisse den Kontoausgleich gestatten". Ob eine vergleichbare ausdrückliche vertragliche Vereinbarung auch in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Firma ... Verwendung findet, ist vorliegend nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Ferner haben sich beide Kreditkartenherausgeberfirmen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber ihren Mitgliedern das Recht vorbehalten, die Mitgliedschaft jederzeit ohne Angabe von Gründen zu kündigen. In diesem Falle erlischt das Recht zur Benutzung der Karte. Diese ist auf Verlangen herauszugeben.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Den Mitgliedern dieser Kreditkartenherausgeber wird demgegenüber ein System angeschlossener Vertragsunternehmen angeboten, die sich ihrerseits gegenüber den Kreditkartenherausgebern vertraglich verpflichtet haben, an die Mitglieder dieser Kartenherausgeber bargeldlos zu leisten, und zwar zu denselben Preisen und Bedingungen, wie sie für barzahlende Kunden gelten.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Gegenüber den Vertragsunternehmen verpflichtet sich die Firma ... die aus den Geschäften mit den Mitgliedern resultierenden Belastungen "zu kaufen", während die Firma ... die Bezahlung der Beträge "garantiert", sofern die übrigen Vertragsbedingungen eingehalten worden sind. Für diese "Garantie" oder "Ankaufsverpflichtung" bringen die Kreditkartenherausgeber den Vertragsunternehmungen von den Rechnungen einen nach Umsatzhöhe gestaffelten Prozentsatz in Abzug. In diesen Verträgen mit den angeschlossenen Unternehmen, die in der Regel unbefristet abgeschlossen werden, wird den Vertragsunternehmen aufgegeben, bei Geschäften mit den Mitgliedern der Kreditkartenherausgeber zu überprüfen, ob die Karte innerhalb des Gültigkeitszeitraumes vorgelegt wird und die Karte vom Karteninhaber unterschrieben ist. Sie haben ferner Mitgliedsnummer und Namenszug auf dem vom Mitglied zu unterzeichnenden normierten "Belastungsbeleg" mit denjenigen auf der Karte zu vergleichen und zu überprüfen, ob das betreffende Mitglied bzw. dessen Mitgliedsnummer in der von den Kartenherausgeberfirmen an die Vertragsunternehmen ausgegebenen sogenannten Sperrlisten verzeichnet ist. Zusätzlich wird in den von der Firma ... an die Vertragsunternehmen herausgegebenen sogenannten "wichtigen Hinweisen" auf die Erforderlichkeit der Überprüfung dieser Formalien zum Zwecke der Mißbrauchsverhütung ausdrücklich hingewiesen. Im übrigen werden von den genannten Kreditkartenunternehmen in den Einzelverträgen je nach Branche (Restaurants, Hotels, Einzelhandelsgeschäfte etc.) pro Tag und Mitglied bestimmte Höchstbeträge vereinbart, bei deren Überschreitung das einzelne Vertragsunternehmen verpflichtet ist, sich durch Rückruf bei dem Kreditkartenherausgeber eine entsprechende Genehmigung einzuholen. Unterläßt das Vertragsunternehmen dieses, so hat der Kreditkartenherausgeber das vertraglich vereinbarte Recht, das Einzelunternehmen mit dem Gesamtbetrag rückzubelasten. Bargeldauszahlungen an die Mitglieder der genannten Kreditkartenherausgeber sind den Vertragsunternehmen untersagt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Angeklagte, der zum Zeitpunkt seines Eintritts in die genannten Vertragssysteme der Firmen ... und ... die Stellung eines Apothekenarbeiters bekleidete, die ihm im November 1981 fristlos gekündigt wurde, seine Mitgliedskarten zunächst nicht bzw. beanstandungsfrei eingesetzt hatte, fiel beiden Kreditkartenunternehmen auf, daß im Dezember 1981 bzw. Januar 1982 die Rechnungen für den jeweiligen Vormonat nicht beglichen wurden. Diese betrugen für die Firma ... circa 3.500,- DM und für die Firma ... circa 3.000,- DM. Recherchen der Firma ... ergaben, daß das Girokonto des Angeklagten bereits im März 1981 von der kontoführenden Bank wegen abredewidriger Dispositionen gekündigt worden war und gegen den Angeklagten in verschiedenen Zwangsvollstreckungsverfahren Haftbefehle erlassen worden sein sollten. Daraufhin kündigte die Firma ... am 22. Januar 1982 per Telegramm die Mitgliedschaft des Angeklagten unter Aufforderung zur Rückgabe der Mitgliedskarte. Dieses Telegramm sowie ihm folgende Mahnschreiben blieben unbeantwortet. Ebenso kündigte die Firma ... am 19. Februar 1982 per Einschreiben und Normalbrief die Mitgliedschaft des Angeklagten, verbunden mit dem Verbot, die Mitgliedskarte weiter zu benutzen. Dies sowie die weiteren Schreiben blieben ebenfalls unbeantwortet.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte tätigte folgende Umsätze: Bezüglich der Firma ... in der Zeit von Dezember 1981 bis Februar 1982 circa 14.500,- DM und bzgl. der Firma ... von November 1981 bis Mai 1982 circa 17.000,- DM. Von der zuletzt genannten Summe wurden zwei Vertragsunternehmen der Firma ... aufgrund der vertraglichen Bestimmungen mit 9.971,- DM bzw. 2.972,90 DM rückbelastet.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Nach diesem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens ist der Angeklagte hinreichend verdächtig, das Vermögen der Firmen ... und ... oder, je nach Sachlage, der betroffenen Vertragsunternehmen auf strafbare Weise geschädigt zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Dem Landgericht ist allerdings darin zuzustimmen, daß der der Anklage vom 26. Juli 1982 zugrunde liegende Sachverhalt den Tatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB nicht erfüllt. Für beide Alternativen des § 266 StGB ist nach herrschender Meinung eine Vermögensbetreuungspflicht erforderlich (vgl. BGHSt 24, 387; OLG Hamm NJW 1977, 1835; OLG Köln NJW 1978, 714; OLG Hamburg NJW 1983, 768; Hübner in LK, 10. Aufl., § 266 Rdn. 5 ff. und das dort weiter aufgeführte Schrifttum). Soweit Heimann-Trosien (JZ 1976, 549 ff) und Samson (SK, 266 StGB, Rdn. 13, m.w.N.) eine andere Meinung vertreten, vermag der Senat sich dieser nicht anzuschließen. An einer solchen Vermögensbetreuungspflicht fehlt es hier. Zwar unterliegt die Frage, ob der Kreditkarteninhaber Vertreter der Kreditkartenherausgeber ist, vorliegend keinem Zweifel. Ihm ist aufgrund des ineinandergreifenden Vertragssystems zwischen Kartenherausgeber und Karteninhaber einerseits und Kartenherausgeber sowie Vertragsunternehmen andererseits die Befugnis eingeräumt, den Kreditkartenherausgeber bei Inanspruchnahme der Leistungen der diesem angeschlossenen Vertragsunternehmen durch Vorlage der Kreditkarte und namentliche Quittierung zur Zahlung bzw. zum "Ankauf" der Verbindlichkeiten zu verpflichten. Aufgrund dieser "Verpflichtungsbefugnis" ist dem Kreditkarteninhaber der unmittelbare Zugriff auf das Vermögen des Kreditkartenherausgebers eröffnet. Dies allein reicht jedoch für eine Vermögensbetreuungspflicht im Rahmen des § 266 StGB nicht aus (vgl. OLG Hamm NJW 1977, 1835). Auch infolge der sonstigen Vertragsgestaltung ist der Kreditkarteninhaber zu einer Vermögensfürsorge für den Kreditkartenherausgeber nicht verpflichtet. Bei den zwischen diesen bestehenden vertraglichen Beziehungen handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag - je nach Fallgestaltung mit Elementen des Werk- bzw. Dienstvertrages - des Kreditkartenherausgebers für die einzelnen Mitglieder (vgl. Zahrnt NJW 1972, 1079; Canaris, HGB Großkommentar, 3. Bd., Teil 3, Bankvertragsrecht, Rdn. 1628; Baumbach-Duden-Hopt, HGB, 25. Aufl., 2. Teil, Handelsrechtliche Nebengesetze, III 6). Der Kreditkartenherausgeber nimmt die Interessen der einzelnen Kreditkarteninhaber wahr, indem er ihnen die bargeldlose Inanspruchnahme der angeschlossenen Vertragsunternehmen zu jeder Zeit und als Nebeneffekt auch Zinsgewinne durch die erst später erfolgende Rechnungslegung ermöglicht. Der Kreditkarten-Inhaber hat aber umgekehrt keine Vermögensbelange des Kreditkartenherausgebers zu betreuen. Dies verdeutlicht auch die wirtschaftliche Interessenlage. Die wirtschaftlichen Interessen des Kreditkartenherausgebers sind nicht in den vertraglichen Beziehungen zu den einzelnen Mitgliedern, sondern in denjenigen mit den angeschlossenen Vertragsunternehmen begründet. Dort werden Umsatz und Verdienst realisiert. Daß der einzelne Kreditkarteninhaber als notwendiges Zwischenglied zwischen Kreditkartenherausgeber und Vertragsunternehmen die Umsätze vermittelt und damit auch den Verdienst, ändert an der Interessenlage und der rechtlichen Einordnung der vertraglichen Beziehungen zwischen Kartenherausgeber und -inhaber nichts. Auf diese kommt es jedoch bei der Frage, ob der Karteninhaber durch mißbräuchliche Verwendung seiner Mitgliedskarte eine Untreue gemäß § 266 StGB begehen kann, an. Soweit die Verpflichtung, die Kreditkarte nur dann zu verwenden, wenn die Einkommens- und Vermögensverhältnisse den Kontoausgleich gestatten, wie im Falle der Firma ... ausdrücklich vertraglich fixiert worden ist, handelt es sich ähnlich der Fallgestaltung beim garantierten Scheck lediglich um einen Hinweis auf die jedem Vertrag innewohnende allgemeine Pflicht zu Vertragstreue und zur Rücksicht auf den Vertragspartner. Eine ausdrückliche vertragliche Erwähnung vermag diese Nebenpflicht nicht in eine Hauptpflicht umzuwandeln (so allerdings noch OLG Hamm NJW 1972, 298 ff). Daß eine derartige allgemeine auf Treu und Glauben begründete Pflicht nicht ausreicht, eine Vermögensfürsorgepflicht im Sinne des § 266 StGB zu begründen, steht jetzt außer Frage (vgl. BGHSt 24, 386 ff; OLG Köln NJW 1978, 713 ff; Hübner in: LK, § 266 StGB, Rdnr. 28 m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Im übrigen legt die Verpflichtung zum Rechnungsausgleich die Sorge für das Sicherungsinteresse des Kreditkartenherausgebers nicht in die Hände des Kreditkarteninhabers. Dieser ist nicht mit der vertraglichen Absicherung des Konten- oder Rechnungsausgleichs "betraut" (so jedoch Bringewat, NStZ 1983, 459). Die vorliegende Fallgestaltung kann nicht anders beurteilt werden, als die sonst im Wirtschaftsleben übliche Darlehnshingabe oder Kreditierung, die erst dann besondere Sorgfaltspflichten im Sinne des § 266 des Darlehns- bzw. Kreditnehmers begründen kann, wenn die Geldhingabe oder Kreditierung an die Erreichung eines bestimmten Zwecks gebunden worden ist, so daß dieser Zweck vertragsbestimmenden Charakter erlangt (vgl. BGH MDR 1967 (D), 174; MDR 1969 (D) 533 f., GA 1977, 18 f).</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht der Strafkammer besteht jedoch hinreichender Tatverdacht, daß der Angeklagte sich des Betruges schuldig gemacht hat. Soweit die Kammer den Tatbestand des Betruges bereits deshalb verneint hat, weil es an einer Täuschungshandlung fehle, da der Vorlage der Kreditkarte lediglich der Erklärungswert zukomme, daß derjenige, der die Karte vorlegt, konkludent zum Ausdruck bringt, mit der auf der Karte benannten Person identisch zu sein, und diese Erklärung in den dem Angeklagten zur Last gelegten Fällen den Tatsachen entspreche, trifft diese Wertung nicht zu. Es kann kein Zweifel bestehen, daß über den von der Kammer zugrunde gelegten Erklärungswert hinaus der Vorlage der Kreditkarte bei den entsprechenden Vertragsunternehmen weiter die Erklärung innewohnt, der Vorlegende sei Mitglied des aus der Kreditkarte erkennbaren Kreditkarteninstituts und zur Benutzung der Karte bzw. bargeldlosen Inanspruchnahme der Leistungen der Vertragsunternehmungen berechtigt. Aufgrund des Vertragssystems zwischen Kreditkartenherausgeber, Kreditkarteninhaber und Vertragsunternehmen dient die Kreditkarte der Legitimation und nicht nur der Identifizierung des Vorlegenden. Deshalb steht außer Frage, daß der Angeklagte nach Kündigung seiner Mitgliedschaften durch die Firmen ... und ... über seine Befugnis, die Rechte aus dem Kreditkartenvertrag wahrnehmen zu dürfen, getäuscht hat. Aber auch vor der formellen Kündigung durch die Firmen ... und ... kommt bei einem den bisherigen Ermittlungen entsprechenden Beweisergebnis eine Täuschungshandlung des Angeklagten in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Durch Vorlage der Kreditkarte erklärt der Inhaber - konkludent -, im Innenverhältnis gegenüber dem Kreditkartenherausgeber zu deren Benutzung auch deshalb berechtigt zu sein, weil es seine wirtschaftlichen Verhältnisse gestatten, die aus den Vorleistungen der Kreditkartenherausgeber entstandenen bzw. entstehenden Forderungen zu begleichen. Zwar ist den entsprechenden Klauseln - soweit in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten - kein über die allgemeine vertragliche Sorgfalts- und Treuepflicht hinausgehender selbständiger Verpflichtungscharakter beizumessen. Dies ändert jedoch nichts daran, daß dem Kreditkarteninhaber bei mangelnder Liquidität die Benutzung der Karte im Innenverhältnis nicht gestattet ist.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Auch ein dieser Täuschung entsprechender Irrtum der Vertragsunternehmen ist zu bejahen. Dies bedarf keiner näheren Begründung, soweit der Angeklagte Geschäfte nach Kündigung der Mitgliedschaft durch die betroffenen Kreditkartenherausgeber getätigt hat. Zwar trägt im Vertragssystem der Kreditkarten zunächst der Kreditkartenherausgeber das Liquiditätsrisiko seiner Mitglieder. Ähnlich der vertraglichen Gestaltung des garantierten Schecks steht er bei entsprechender Beachtung der übrigen Vertragsbedingungen für den wirtschaftlichen Ausgleich der von seinen Mitgliedern in Anspruch genommenen Leistungen der Vertragsunternehmen ein bzw. übernimmt diese. Anders als beim garantierten Scheck beruhen jedoch die vertraglichen Beziehungen zwischen Kreditkartenherausgeber und Vertragsunternehmen auf einem eigenständigen Vertrag, der vor den mit den einzelnen Kreditkarteninhabern getätigten Geschäften geschlossen worden ist und letztere erst ermöglicht. Gleich, ob man die rechtlichen Beziehungen zwischen Kreditkartenherausgeber und Vertragsunternehmen als Krediteröffnungsvertrag (vgl. Canaris a.a.O., Rdn. 1640), als Rahmenvertrag auf Ankauf einzelner Forderungen (vgl. Baumbach-Duden-Hopt, a.a.O.) oder als Garantievertrag (so Schönle, Bank- und Börsenrecht, § 29, 2 a) versteht, in jedem Fall besteht zwischen diesen Vertragsparteien eine Dauerbeziehung, die eine gesteigerte Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Beteiligten konstituiert. Diese findet in den zur Vermeidung von Kreditkartenmißbräuchen vertraglich vereinbarten Kontrollpflichten der Vertragsunternehmen ihren Niederschlag. Die Behauptung, beim Kreditkartengeschäft sei eine Orientierung an der Regelhaftigkeit der Geschäftsbedingungen nicht möglich (vgl. Knauth NJW 1983, 1291), trifft jedenfalls für die hier zugrunde liegenden Kreditkartensysteme nicht zu. Ähnlich den Fällen des Scheckkartenmißbrauchs liegt es deshalb auch hier schon im Interesse der einzelnen Vertragsunternehmen, die rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten des Kreditkartensystems zu berücksichtigen. Bei Mißachtung der von den Kreditkartenherausgebern aufgestellten Sicherungsmaßnahmen läuft das Vertragsunternehmen Gefahr, daß es mit den Umsätzen rückbelastet wird. Bereits deshalb ist es daran interessiert, nur solche Verträge mit den Karteninhabern abzuwickeln, bei denen mit einem Widerspruch der Kartenherausgeber nicht zu rechnen ist. Aber auch soweit die vertraglichen Sicherungsmaßnahmen eingehalten werden, muß das Vertragsunternehmen damit rechnen, bei positiver Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der mangelnden Liquidität des Kreditkarteninhabers sich einem Anspruch aus positiver Vertragsverletzung oder dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung auszusetzen (vgl. für den garantierten Scheck BGHZ NJW 1982, 1466 f. im Anschluß an BGHZ, 64, 79 ff.). Daraus kann auch hier nur gefolgert werden, daß die einzelnen Vertragsunternehmen gutgläubig von der formellen und wirtschaftlichen Berechtigung des Kreditkarteninhabers ausgehen müssen und diese in ihre Vorstellungen aufnehmen (Für die Fälle des garantierten Schecks vgl. BGHSt 24, 389; OLG Köln NJW 1978, 714; OLG Hamburg NJW 1983, 769). Im übrigen geben im vorliegenden Fall die bisherigen Ermittlungsergebnisse hinreichenden Anlaß zu der Annahme, daß einige der betreffenden Vertragsunternehmen - so jedenfalls die Inhaberin des Restaurants "... und der Geschäftsführer der Firma ..." - konkrete Vorstellungen über die "Bonität" des Angeklagten hatten.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Keiner näheren Erörterung bedarf, daß die Vertragsunternehmen durch Leistung eine Vermögensverfügung getroffen haben und der Angeklagte einen hierauf beruhenden Vermögensvorteil erlangt hat. Die Frage, wer durch diese Vermögensverfügung geschädigt ist, kann je nach Sachlage unterschiedlich zu beantworten sein. Soweit die Kreditkartenherausgeber die Forderungen ihrer Vertragsunternehmen gegen den Angeklagten übernommen und bezahlt haben, erhält das Vertragsunternehmen ein schadenskompensierendes Äquivalent. In diesen Fällen ist der Kreditkartenherausgeber geschädigt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Bedenken hinsichtlich Unmittelbarkeit und Stoffgleichheit bestehen nicht. Denn mit der bargeldlosen Leistung der Vertragsunternehmen gegen Vorlage der Kreditkarte und Quittierung des Rechnungsbelegs durch den Karteninhaber fällt die Entstehung der Eintritts- bzw. Zahlungspflicht der Kreditkartenherausgeber als sich unmittelbar daraus ergebende Folge zusammen. Der Vermögensvorteil wird daher "zu Lasten" des Kartenherausgebers erlangt. (Vgl. Lackner in: LK, § 263, Rdnr. 265; OLG Köln NJW 1978, 715; OLG Hamburg NJW 1983, 769; a.A. neuestens Schroth, NJW 1963, 716 ff. unter Hinweis auf die dort genannten Gegenstimmen zur Betrugslösung des Scheckkartenmißbrauchs). Soweit die Zahlungsverpflichtung der Kreditkartenherausgeber durch möglicherweise später festgestellte Vertragsverstöße der Vertragsunternehmen entfallen kann, ist das lediglich für die Frage der internen Schadensverteilung von Bedeutung. Der Umstand, daß die Verfügung des Vertragsunternehmens den Vermögensnachteil unmittelbar und stoffgleich hervorruft, bleibt hiervon unberührt.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">In den Fällen, in denen die einzelnen Vertragsunternehmen wegen ungenehmigter Überschreitung der Höchstbetragsgrenze oder deswegen mit den einzelnen Forderungen rückbelastet worden sind, weil entgegen dem vertraglich vereinbarten Verbot der Bargeldauszahlung Bargeldsummen an den Angeklagten gegen Vorlage der Kreditkarte ausgehändigt worden sind, liegt ohne Zweifel ein dem Vermögensvorteil des Angeklagten stoffgleicher Schaden der Vertragsunternehmen vor. Die Ansicht der Kammer, diesbzgl. fehle es am erforderlichen Schädigungsvorsatz des Angeklagten, weil ihm die unternehmensspezifischen Einlösungsgrenzen der Kreditkartenherausgeber nicht bekannt gewesen seien, trifft nicht zu. Für den Schädigungsvorsatz ist es unerheblich, ob der Täter sich den konkret Geschädigten als solchen vorgestellt hat bzw. möglicherweise davon ausgegangen ist, der Schaden werde bei einer anderen Person oder bei einem anderen Unternehmen als tatsächlich geschehen eintreten (vgl. BGH HDR (D) 1972, 571, Cramer in Schönke-Schröder, § 263 StGB Rdn. 165; Dreher-Tröndle, § 263 StGB Rdn. 40).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Ob der Angeklagte sich im Rahmen des angeklagten Sachverhalts fortgesetzter Betrugshandlungen schuldig gemacht hat, insbesondere, ob die Voraussetzungen des erforderlichen Gesamtvorsatzes festgestellt werden können oder ob tatmehrheitlich Betrugshandlungen, ggfls. zum Nachteil der Firmen ... und ... und/oder aber zum Nachteil der einzelnen Vertragsunternehmen in Betracht kommen, ist Tatfrage. Dies bleibt dem Ergebnis der Hauptverhandlung vorbehalten.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Demgemäß war die Anklage auch im Hinblick auf den Vorwurf des Betruges zum Nachteil der Firmen ... und ... zuzulassen und das Hauptverfahren auch insoweit zu eröffnen.</p>
|
315,705 | olgk-1984-01-20-1-ss-91483-14- | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 1 Ss 914/83 - 14 - | 1984-01-20T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:50 | 2019-03-27T09:42:26 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1984:0120.1SS914.83.14.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>G r ü n d e :</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht Köln hat den Betroffenen durch Beschluß vom 22.
März 1983 "wegen Ordnungswidrigkeit nach § 7 c Abs. 1 Nr. 4 b und 7
a Abs. 1 Nr. 1 d FahrpersG in Verbindung mit Artikel 17 Abs. 3 der
Verordnung (EWG) 1463/70 und Artikel 11 der Verordnung (EWG)
543/69" (so der Urteilstenor), zu einer Geldbuße von 470,-- DM
verurteilt. Der mit einer deutschsprachigen Rechtsmittelbelehrung
nach dem Formular Owi 25 versehene Beschluß wurde dem Betroffenen
durch die dänischen Behörden am 7. Juli 1983 zugestellt. Hiergegen
richtet sich eine von dem Betroffenen in dänischer Sprache verfaßte
Eingabe vom 11.08.1983, die am 16.08.1983 bei Gericht eingegangen
ist. Die auf gerichtliche Veranlassung vorgenommene Übersetzung ist
am 26.09.1983 bei Gericht eingegangen und ergibt, daß sich der
Betroffene gegen seine Verurteilung wendet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Eingabe des Betroffenen ist als das statthafte Rechtsmittel
der Rechtsbeschwerde zu behandeln. Diese ist allerdings gemäß §§
346 Abs. 1 StPO, 79 Abs. 3 OWiG als unzulässig zu verwerfen, weil
sie nicht innerhalb von einer Woche nach Zustellung des
angefochtenen Beschlusses (07.07.1983) bei Gericht eingegangen ist.
Vielmehr ist die auf Veranlassung des Gerichts angefertigte
Übersetzung der Eingabe vom 11.08.1983 dem Gericht erst am
26.09.1983 zugegangen. Auf diesen Zeitpunkt kommt es für die
Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Rechtsmitteleinlegung an, nicht
hingegen auf den - im übrigen ebenfalls nach Fristablauf liegenden
-, vom 16.08.1983 erfolgten Eingang der dänischsprachigen Eingabe
des Betroffenen (vgl. BGHSt 30, 182; BGH NStZ 1981, 487; KG JR
1977, 129).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Es besteht auch keine Veranlassung, dem Betroffenen von Amts
wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der
Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde zu gewähren; denn ein
Wiedereinsetzungsgrund ist weder aus der Eingabe des Betroffenen
noch aus den übrigen Verfahrensumständen ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">1)</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Als ein Grund zur Wiedereinsetzung kommt vorliegend insbesondere
nicht die Tatsache in Betracht, daß dem Betroffenen die
Rechtsmittelbelehrung nach dem Formular Owi 25 nur in deutscher
Sprache zugestellt worden ist. Nach § 184 GVG ist die
Gerichtssprache deutsch. Die Rechtsmittelbelehrung, die in
deutscher Sprache verfaßt ist, sich aber an einen des Deutschen
nicht mächtigen Ausländer richtet, steht auch keiner
Rechtsmittelbelehrung gleich, die ganz unterblieben ist, § 44 Satz
2 StPO. Ein der deutschen Sprache nicht mächtiger Ausländer hat
keinen Anspruch darauf, daß ihm eine schriftliche
Rechtsmittelbelehrung in seiner Muttersprache erteilt wird (vgl.
Maul in KK, StPO, 1982, § 35 a Rdn. 8; Kleinknecht-Meyer, StPO, 36.
Aufl., § 35 a Rdn. 7). Vielmehr ist ihm zuzumuten, sich selbst um
eine Übersetzung zu bemühen. Allerdings verbieten es die
Rechtsschutzgarantien der Artikel 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1 GG, die
Versäumung der einwöchigen Einspruchsfrist durch einen Ausländer,
dem ein Bußgeldbescheid oder ein Strafbefehl mit deutschsprachiger
Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden ist, als verschuldet
anzusehen, wenn die Versäumung der Frist auf dessen unzulänglichen
Sprachkenntnissen beruht (vgl. BverfGE 40, 95 ff; 42, 120 ff).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vorliegend kann unerörtert bleiben, ob der letztgenannte
Grundsatz lediglich für Fälle des erstmaligen Zugangs zum Gericht
gelten muß oder ob er auch auf Rechtsmittelbelehrungen im Rahmen
des weiteren gerichtlichen Verfahrens Anwendung findet; denn dem
Betroffenen ist jedenfalls deshalb keine Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand von Amts wegen zu gewähren, weil er die
Rechtsmittelfrist von einer Woche unabhängig von seinen - hier
unterstellten - mangelnden Sprachkenntnissen jedenfalls nicht ohne
sein Verschulden versäumt hat. Wie sich aus dem Inhalt seiner
Eingabe vom 11.08.1983 ergibt, hat der Betroffene aus dem Inhalt
des Beschlusses vom 22.03.1983 entnommen, daß es sich um eine ihn
belastende Entscheidung wegen des Vorfalles vom 10.11.1981 in B.
handelt. Wenn er sich gleichwohl keine Gewißheit über den genauen
Inhalt der Sendung verschafft hat, so ist ihm dies als Verschulden
anzurechnen; denn unzureichende Sprachkenntnisse entheben Ausländer
nicht jeglicher Sorgfaltspflicht in der Wahrnehmung ihrer Rechte
(vgl. BverfGE 42, 120, 126 f).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">2)</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Als Wiedereinsetzungsgrund kommt auch nicht in Betracht, daß in
der Rechtsmittelbelehrung kein Hinweis darüber enthalten ist, daß
die Rechtsbeschwerde in deutscher Sprache einzulegen ist. Denn mag
die Rechtsmittelbelehrung aus diesem Grund auch nicht ordnungsgemäß
gewesen ein (vgl. BGH NStZ 1981, 487; KG JR 1977, 129) und das
Verschulden des Betroffenen insoweit entfallen, als die für die
Übersetzung der Eingabe benötigten Zeit (16.08. - 26.09.1983) in
Rede steht, so nötigt dies gleichwohl nicht zur Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand, weil auch die dänischsprachige Eingabe des
Betroffenen erst am 16.08.1983, mithin lange nach Ablauf der
Wochenfrist des § 341 Abs. 1 StPO, bei Gericht eingegangen ist.
Damit ist ersichtlich, daß die in diesem Punkt nicht ordnungsgemäße
Rechtsmittelbelehrung für die Fristversäumung jedenfalls nicht
ursächlich geworden ist (vgl. Kleinknecht-Meyer a.a.O., § 44 Rdn.
13).</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">3)</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.</p>
|
315,706 | olgk-1984-01-17-22-u-23583 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 22 U 235/83 | 1984-01-17T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:52 | 2019-03-27T09:42:25 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1984:0117.22U235.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das am 7. Juni 1983 verkündete Urteil der</p>
<p></p>
<p>5. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 5 0 427/81 - wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">ENTSCHEIDUNGSGRüNDE</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Zu Recht ist das Landgericht in der angegriffenen Entscheidung davon ausgegangen, daß die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin den dieser im Zusammenhang mit dem Abhandenkommen</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">der Grüstteile entstandenen Schaden zu ersetzen, durch die zu Ziffer I 1 der besonderen Vertragsbedingungen getroffene Regelung nicht ausgeschlossen ist.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat auch nicht beweisen können, daß sie mit der hierfür erforderlichen Sorgfalt ihr zumutbare Maßnahmen ergriffen hat, das Abhandenkommen der Gerüstteile zu ver­meiden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Im einzelnen:</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">1.              Aus den von der Beklagten verwandten VB (1 2.) ergibt</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">sich nicht mit der hierfür erforderlichen Klarheit, daß das Diebstahlsrisiko dem Auftragnehmer auch für solche zur Durchführung des Bauwerks erforderliche Sachen aufge­bürdet werden sollte, die dieser - wie dies bei Gerüsten typischer Weise der Fall ist zur zeitweisen eigenen Nutzung überläßt. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der vorgenannten Regelung. Die dort beispielhaft aufgeführten "Diebstähle von Materialien, Bauteilen, Apparaturen usw." betreffen allein solche Sachen, die der jeweilige Auftrag­nehmer zur <strong>Herstellung seines von </strong>ihm geschuldeten Gewerkes benötigt, nicht dagegen solche Hilfsmittel, deren sich der Auftraggeber selbst zur Herstellung des Bauwerks bedient.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Auch eine interessengerechte Auslegung führt zu keiner über diesen Wortlaut hinausgehenden Regelungsumfang von Ziffer 12 VB. Erkennbar knüpft nämlich diese Vereinbarung an die typischer Weise bei der Ausführung von Bauleistungs­verträgen gegebene rechtliche Risikoverteilung an, wonach der Auftragnehmer bis zur Abnahme des von ihm zu erstellten Gewerks grundsätzlich die Gefahr für dessen Beschädigung oder Untergang trägt, und zwar nicht nur hinsichtlich des jeweiligen Zustandes des Gewerkes selbst, sondern auch für die zu dessen Erstellung erforderlichen Materialien, Werkzeuge, Maschinen und sonstigen Hilfmitteln, § 644 Abs. 1 Satz 1 BGB. Entsprechendes gilt auch nach <strong><em>der </em></strong>zwischen den Parteien vereinbarten Bedingungsordnung für Bauleistungen, § 4 Nr.5 VOB/B. Diese Risikoverteilung wird den tatsächlichen an einer Baustelle typischer Weise anzutreffenden Situation gerecht, wonach es der Entscheidungsfreiheit des Unter­nehmers überlassen ist, in welchem Umfang er die von ihm verwandten Materialien und Hilfsmittel vor Zugriffen Dritter während der Bauausführung schützt. Dabei liegt es auch regelmäßig in seinem organisatorischem Ermessen, ob er die von ihm benötigten Materialien und Hilfsmittel all abendlich von der Baustelle abzieht - was er aus Gründen der regelmäßig unterlassen wird ‑oder diese auf der Baustelle beläst. Daß die Beklagte mit den ihr verwandten VB den bauausführenden Unternehmern das Diebstahlsrisiko aufbürdete, ist somit nicht zu be­anstanden. Dies gilt umso mehr, da sie den Auftragnehmern nach Ziffer I 2 Abs. 2 VB die Möglichkeit einräumte, auf der Baustelle entsprechende Sicherungsmaßnahmen durch die Schaffung abschließbarer Räume zu treffen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Anders liegt es indes bei der von der Klägerin zu erbringenden Leistung.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Diese sollte ihre Gerüste der Beklagten nämlich für die Durchführung der Baumaßnahmen zur selbständigen oder zur Nutzung durch Dritte überlassen, und zwar auch bei eigener Abwesenheit und darüber hinaus - was sich aus der Natur der Sache ergibt - ohne die in Ziffer I 2 Abs. 2 VB genannten Sicherungsmöglichkeiten. Entgegen dem zu Ziffer I 2 VB geregelten Sachverhalt war Vertragsgegenstand der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung gerade Überlassung der Gerüste in fremde Obhut, ohne daß die Klägerin zu­gleich vertraglich verpflichtet gewesen wäre, ihre Gerüste fortwährend zu bewachen. Hieran ändert auch der Umstand nichts, daß sich die Mitarbeiter der Klägerin häufiger zur Umrüstung auf der Baustelle aufhielten. Dafür, daß die Verluste von Gerüstteilen gerade während dieser Rüstungszeiten eintraten, bestehen keine Anhaltspunkte.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Danach kann sich die Klägerin zur eigenen Entlastung nicht auf die zuvor erörterte Regelung in ihren Vertragsbedingungen berufen. Vielmehr durfte die Klägerin sich angesichts deren Wortlaut und unter Berücksichtigung ihrer sich aus dem Vertrag ergebenden Leistungspflichten darauf verlassen, daß der Beklagten - zumindest hinsichtlich des Diebstahls­risikos - die Obhut für die Gerüste oblag.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Um dieses Risiko auf die Klägerin abzuwälzen, hätte die Beklagte diese bei Vertragseschluß - schon mit Rücksicht auf die Kalkulation der von der Klägerin angebotenen Preise -hierauf klarstellend hinweisen müssen. Daß die Beklagte sich anstelle einer zweifelsfreien Regelung lediglich darauf beschränkte, ihre insoweit unklaren, formularmäßig verwandten Vertragsbedingungen zum Gegenstand der Partei­vereinbarung zu machen, geht zu ihren Lasten.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Ob darüber hinaus die Verpflichtung der Beklagten, die Diebstahlsgefahr zu tragen, auch aus Ziffer 3.9 der DIN 18 451 zu entnehmen ist - wie das Landgericht meint ‑ bedarf nach dem Vorangehenden keiner näheren Untersuchung.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">2. Zu Recht geht die angefochtene Entscheidung auch davon aus, daß die Beklagte - was ihr gemäß § 28o, 282 BGB oblag, nicht hat darlegen und beweisen können, unter Be­achtung der ihr für das Gerüst der Klägerin obliegenden Sorgfaltspflichten ausreichende Vorkehrungen getroffen zu haben, das Abhandenkommen von Gerüstteilen zu verhindern. Dies ergibt sich zunächst nicht aus dem Vorbringen der Beklagten, mit der Sicherung der Baustelle nach Arbeitsende einen Wach- und Schutzdienst beauftragt zu haben. Anhalts­punkte dafür, daß die Verluste am Feierabend oder zur Nachtzeit eintraten, hat die Beklagte nicht behauptet. Vielmehr hat die Klägerin - von der Beklagten unwidersprochen dargelegt, daß der gerade durch die Aneignungseitens anderer Bauhandwerker während der üblichen Arbeits­zeiten eintrat. Zu den für diese Arbeitszeiten von ihr ergriffenen Schutzmaßnahmen hat die Beklagte jedoch lediglich - trotz eines hierzu erfolgten ausdrücklichen Hinweises der Kammer - vorgetragen, daß "die Bauüberwachung durch die Bauleitung selbst stattfand, die die gesamte Baustelle im Rahmen ihrer Aufgabe regelmäßig kontrollierte". Diesem allgemeinen Hinweis ist jedoch nicht zu entnehmen, mit welchen konkreten Maßnahmen die Bauleitung die ihr obliegende Bauüberwachung wahrnahm. Dies hat die Beklagte auch in der Berufungsinstanz nicht zu substantiieren vermocht.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Das Ergebnis der vom Landgericht hierzu durchgeführten Beweis­aufnahme hat ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte für eine Entlastung der Beklagten erbracht. Dies ist in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils hineichend dargelegt. Insbesondere hat das Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht die in erster Instanz aufgestellte - in der Berufungsinstanz jedoch nicht mehr aufrechterhaltene -Behauptung der Beklagten bestätigt, daß praktisch immer Angestellte der Klägerin auf der Baustelle gewesen seien.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Danach ist davon auszugehen, daß die Beklagte den Verlust der Gerüstteile zu verttreten hat. Diese Annahme wird auch durch den Inhalt der von der Klägerin an die Planungs­gemeinschaft gerichteten Schreiben vom 21. April, 22. April und 12. Mai 1980 bestätigt, nach dessen Inhalt sie die Beklagte vertretende Bauleitung auf die zu den damaligen Zeitpunkt bereits eingetretenen Verluste hinwies. Daß diese hierauf in geeigneter Weise reagierte, ist nicht erkennbar. Vielmehr muß davon ausgegangen werden, daß die Bauleitung sich - was der Beklagten gemäß § 278 BGB zuzurechnen ist - weiterhin nicht um den Bestand der Gerüste kümmerte; dies möglicherweise in Anlehnung an die von der Beklagten auch in diesem Rechtsstreit zu vertretenen Auffassung, daß ihr "eine Überwachungspflicht oder ähnliches nicht oblag".</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">3.              Danach hat das Landgericht die Beklagte zutreffend zum Ersatz des der Klägerin bereits nach dem Sachstand</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">in erster Instanz unstreitigen Schaden in Höhe von 4.524,98 DM verurteilt. Auch den zuerkannten Zinsanspruch hat die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mehr angegriffen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach g 7o8 Nr. 1o, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Streitwert für die Berufungsinstanz und Beschwer der Beklagten:              4.524,98 DM.</p>
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315,707 | olgham-1984-01-16-10-wf-15984 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 10 WF 159/84 | 1984-01-16T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:55 | 2019-03-27T09:42:25 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1984:0116.10WF159.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die nach § 127 II S. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat dem Beklagten zu Recht Prozeßkostenhilfe versagt, weil es zutreffend seiner Rechtsverteidigung die Erfolgsaussicht abgesprochen hat. Was die Leistungsfähigkeit des Beklagten betrifft, kann auf die Ausführungen des Amtsgerichts in dem angefochtenen Beschluß und in der den Parteien bekanntgegebenen Nichtabhilfe-Verfügung vom 18.11.1983 verwiesen werden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Inanspruchnahme des Beklagten "für die Vergangenheit" (§ 7 II Unterhaltsvorschußges., BGBl I 1979, 1184, 1186) gilt folgendes:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Dem Beklagten ist einzuräumen, daß es zweifelhaft ist, ob angesichts des die Unterhaltsbeträge nicht aufschlüsselnden Schreibens vom 6.4.1981 die Voraussetzungen des Verzuges (§ 1613 I BGB) zu bejahen sind. Nach der genannten Vorschrift ist indessen eine Inanspruchnahme für die Vergangenheit <u>außer</u> unter den Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts dann zulässig, wenn dem Verpflichteten die Bewilligung der Unterhaltsleistung unverzüglich schriftlich mitgeteilt worden ist. Nach dem Vorbringen des Klägers in Verbindung mit den dazu von ihm vorgelegten Urkunden ist diese Mitteilung als gegeben anzunehmen. Der Bewilligungsbescheid datiert vom 28.10.1981, ebenso die Mitteilung an den Beklagten (Bl. 5 d.A.). Er hat sie ersichtlich (vgl. Bl. 4 d.A.) am 26.11.1981 erhalten. Danach dürfte die Inanspruchnahme des Beklagten ab 1.10.1981 (Bl. 2 d.A.) gerechtfertigt sein.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 118 I S. 4 ZPO analog.</p>
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315,708 | olgham-1984-01-05-3-ws-384 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 3 Ws 3/84 | 1984-01-05T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:56 | 2019-03-27T09:42:25 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1984:0105.3WS3.84.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die weitere Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Mit Anklage vom 8. Dezember 1981 ist dem Beschwerdeführer zur Last gelegt worden, sich seit dem 1. Februar 1978 der gesetzlichen Unterhaltspflicht gemäß § 170 b StGB gegenüber seiner am ... geborenen Tochter ... entzogen zu haben. In der Hauptverhandlung vom 13. Mai 1982 vor dem Amtsgericht ... hat er sich darauf berufen, infolge von Depressionen nicht in der Lage zu sein, seiner Unterhaltspflicht nachzukommen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Er legte eine nervenärztliche Bescheinigung vor.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Daraufhin ordnete das Amtsgericht ... die Untersuchung auf seine strafrechtliche Verantwortlichkeit durch einen fachpsychiatrischen Sachverständigen an. Nachdem der Beschwerdeführer die ihm angebotenen Arzttermine sämtlich nicht eingehalten hatte, hat das Amtsgericht ... nach Beiordnung eines Pflichtverteidigers und nach einer im Rahmen des § 81 a StPO durchgeführten Sachverständigenbegutachtung am 30. Juni 1983 die Unterbringung des Beschwerdeführers zur Beobachtung für die Dauer von höchstens sechs Wochen gemäß § 81 StPO angeordnet. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten hat das Landgericht, nachdem weitere Versuche einer freiwilligen Untersuchung fehlgeschlagen waren, mit Beschluß vom 8. November 1983 als unbegründet verworfen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14. November 1983 mit dem er erkennbar den Bestand des Beschlusses des Landgerichts vom 8. November 1983 angreifen will.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Dieses Schreiben beinhaltet eine weitere, unzulässige Beschwerde.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 310 StPO können Beschlüsse, die vom Landgericht auf eine Beschwerde hin erlassen worden sind, durch die weitere Beschwerde nur dann angefochten werden, wenn sie die Verhaftung oder die einstweilige Unterbringung betreffen. Dabei besteht Einigkeit, daß der Begriff "Verhaftung" solche Entscheidungen beinhaltet, die sich auf die Untersuchungshaft beziehen, während der Vorführungsbefehl, der Sicherungs- und Vollstreckungshaftbefehl sowie die Erzwingungshaft von dieser Vorschrift nicht erfaßt werden (vgl. Kleinknecht/Meyer, 36. Aufl., § 310 Rdn. 3; Engelhardt in KK, § 310 StPO Rdn. 10; KMR, § 310 Rdn. 7 f., jeweils m.w.N.; BGHSt 30, 52). Ebenso war bisher in Rechtsprechung und Literatur unbestritten, daß die Unterbringung zur Beobachtung gemäß § 81 StPO nicht von § 310 Abs. 1 StPO erfaßt wird (vgl. BayObLG Bd. 27 alte Folge zu § 310 StPO a.F. OLG Bremen NJW 1949, 74; OLG Hamburg, JR 1956, 192 jeweils m.w.N.). Nunmehr wird die insoweit vorliegende Rechtsprechung teilweise für nicht überzeugend gehalten (vgl. Engelnardt a.a.O. Rdn. 11; a. A. ohne nähere Begründung KMR a.a.O., Kleinknecht/Meyer a.a.O. Rdn. 3) oder aber für prüfungsbedürftig erachtet, ggfls. unter Verzicht auf eine enge Formalinterpretation des § 310 Abs. 1 StPO die weitere Beschwerde auch in sonstigen Fällen schwerwiegender Eingriffe in die Freiheit zu eröffnen (vgl. Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, 23. Aufl., § 310 StPO Rdn. 21, 22, Fn. 14).</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Senat hält seine mit der bisher herrschenden Meinung und den diese tragenden Gründen in Einklang stehende Rechtsprechung aufrecht. Es besteht insbesondere kein Anlaß, den Begriff der "einstweiligen Unterbringung" über § 126 a StPO hinaus auch auf ... Anordnungen gemäß § 81 StPO auszudehnen. § 126 a StPO wurde mit Gesetz vom 24. November 1933 (RGBl I 1933, Seite 1000, 1002), eingeführt und zugleich die weitere Beschwerde gem. § 310 Abs. 1 StPO für die Fälle der einstweiligen Unterbringung erweitert. Die Unterbringung zur Beobachtung gemäß § 81 StPO wurde vom Gesetzgeber hier ebensowenig in Betracht gezogen wie bei Erlaß des Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit vom 12. September 1950 (BGBl 1950, Seite 455 ff. 495) des Strafrechtsänderungsgesetzes vom 30. August 1951 (BGBl 1951, Seite 739) und die späteren Gesetzesnovellen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Im Übrigen kann aus der Tatsache, daß in § 304 Abs. 4 Ziff. 1 StPO die Verhaftung, die einstweilige Unterbringung und die Unterbringung zur Beobachtung nebeneinander aufgeführt werden, gefolgert werden, daß der Gesetzgeber unter dem Begriff der einstweiligen Unterbringung nicht auch zugleich die Unterbringung zur Beobachtung verstanden, sondern zwischen beiden Unterbringungsarten differenziert hat. Soweit die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde gegen die Anordnung der vorläufigen Heimunterbringung gem. § 71 Abs. 2 JGG damit begründet worden ist, die in § 71 Abs. 2 JGG in Bezug genommenen Vorschriften der Strafprozeßordnung ließen erkennen, daß der Gesetzgeber dieser Anordnung dieselbe Bedeutung beigemessen habe wie der Untersuchungshaft und der einstweiligen Unterbringung gem. § 126 a StPO (vgl. OLG Hamburg NJW 1963, 1168), treffen diese Erwägungen für § 81 StPO ersichtlich nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Auch in der Sache besteht keine Notwendigkeit, die Unterbringung gemäß § 81 StPO im Rahmen des § 310 Abs. 1 StPO mit der "Verhaftung" im Sinne der §§ 112 ff. StPO oder der einstweiligen Unterbringung gem. §§ 126 a StPO gleichzustellen. Die Unterbringung gem. § 81 StPO hat vorbereitenden Charakter und ist von Gesetzes wegen zeitlich auf die Höchstdauer von sechs Wochen beschränkt. Zwar können auch derartige Unterbringungen unzweifelhaft einschneidende Maßnahmen bedeuten und den Betroffenen erheblich belastende Eingriffe in seine persönliche Freiheit darstellen. Anders als in den Fällen der Untersuchungshaft und der einstweiligen Unterbringung wird dem Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör sowie auf wirksame Vertretung seiner Interessen bei der Anordnung der Unterbringung zur Beobachtung gem. § 81 StPO aber bereits <u>vor</u> der durchsetzbaren gerichtlichen Anordnung Rechnung getragen. Die Anhörung eines Sachverständigen, des Verteidigers, ggfls. Beiordnung eines Pflichtverteidigers, sowie der Umstand, daß der sofortigen Beschwerde gegen die Anordnung der Unterbringung gem. § 81 StPO aufschiebende Wirkung zukommt, lassen die "Garantie der doppelten Entscheidung eines Kollegialgerichts" (vgl. Gollwitzer a.a.O. Rdn. 11) nicht erforderlich erscheinen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die somit unzulässige weitere Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO zu verwerfen.</p>
|
315,709 | olgham-1984-01-03-1-wf-73983 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 1 WF 739/83 | 1984-01-03T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:58 | 2019-03-27T09:42:25 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1984:0103.1WF739.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Die Ratenzahlung wird auf 90,- DM herabgesetzt.</p>
<p></p>
<p>Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat der Antragsgegnerin für das Scheidungsverfahren Prozeßkostenhilfe unter Anordnung einer Ratenzahlung von 120,- DM ab 1.11.1983 bewilligt. Zur Begründung hat es, darauf hingewiesen, daß im Rahmen der Einkommenshöhe der Antragsgegnerin zu berücksichtigen sei, daß sie in ehelicher Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann lebe und sich hierfür Betreuungsleistungen in Höhe von 750,- DM monatlich als Einkommen anrechnen lassen müsse.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Hiergegen wendet sich die Antragsgegner in mit der Beschwerde. Das Rechtsmittel ist gem. § 127 ZPO zulässig. Es führt zur Herabsetzung der Ratenzahlung auf 90,- DM. Soweit die Beschwerde der Auffassung ist, die Betreuung ihres Lebensgefährten spiele im Rahmen der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe einkommensmäßig keine Rolle, kann dem nicht gefolgt werden. Nach § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld und Geldeswert. Durch das Zusammenleben mit ihrem Lebensgefährten erzielt die Antragsgegnerin Einkünfte in Geldeswert. Sie ist nicht berufstätig und führt ihm den Haushalt. Entsprechende Gegenleistungen des auf diese Weise Versorgten sind zu unterstellen (vgl. § 122 BSHG). Im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin dargelegte eingeschränkte Leistungsfähigkeit ihres Lebensgefährten setzt der Senat als Wert ihrer Betreuungseinkünfte nur den Mindestsatz von 605,- DM nach Ziffer 33 der Hammer Leitlinien an. Als weitere Einkünfte verfügt die Antragsgegnerin über ihren Lohn von 350,- DM, 250,- DM Unterhalt von seiten ihres Ehemanns und 313,- DM Kindesunterhalt. Ihr Gesamteinkommen beläuft sich mithin auf 1.513,- DM. Danach ist sie bei Unterhaltsleistung aufgrund gesetzlicher Unterhaltspflicht für eine Person zur Zahlung, einer Rate von 90,- DM verpflichtet. Dazu ist sie auch in der Lage, selbst wenn man bedenkt, daß das Einkommen aus der Betreuung des Lebensgefährten ein fiktives ist, also nicht in Form von Geld gezahlt wird. Letztlich erhält sie als Gegenleistung für ihre Betreuung Unterkunft und Verpflegung. Andererseits hat sie 913,- DM Bargeld zur Verfügung. Bei Zahlung einer Räte von 90,- DM ist sie immer noch zu einer angemessenen Beteiligung an den Lebenserhaltungskosten ihrer eheähnlichen Lebensgemeinschaft sowie zur Tragung ihrer sonstigen Aufwendungen in der Lage. Die weitergehende Beschwerde auf Wegfall der Ratenzahlungsverpflichtung war daher zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 118 Abs. 1 ZPO entsprechend.</p>
|
315,710 | olgham-1983-12-28-2-ws-42883 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 Ws 428/83 | 1983-12-28T00:00:00 | 2019-03-13T15:11:59 | 2019-03-27T09:42:25 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1983:1228.2WS428.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten verworfen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Durch den angefochtenen Beschluß hat die Strafvollstreckungskammer eine bedingte Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft, in der er sich aufgrund Urteils des Landgerichts ... vom 30. Mai 1975 befindet, abgelehnt. Die hiergegen gerichtete statthafte und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses an. Auch nach Auffassung des Senats läßt die mehrfache eigenmächtige Unterbrechung der Strafhaft durch den Verurteilten, und zwar für jeweils beträchtliche Zeiträume - die vor einem Jahr erfolgte Urlaubsüberziehung um vier Monate beging der Verurteilte, obwohl er gegen einen die bedingte Entlassung ablehnenden Beschluß der Strafvollstreckungskammer Beschwerde eingelegt hatte - erkennen, daß der Verurteilte nicht bereit ist, sich den ihm gestellten Anforderungen entsprechend zu verhalten. Eine günstige Prognose läßt sich derzeit nicht stellen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.</p>
|
315,711 | ovgnrw-1983-12-21-12-a-151482 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 12 A 1514/82 | 1983-12-21T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:01 | 2019-03-27T09:42:25 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1983:1221.12A1514.82.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in derselben Höhe leistet.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>
</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger trat am 1. September xxx als Verwaltungslehrling in den
kommunalen Verwaltungsdienst ein. Nach dem Ende der Lehrzeit wurde er zum 1.
September 1937 als Verwaltungsangestellter übernommen. Am 1. Oktober 1937
wurde er zum Reichsarbeitsdienst (RAD) und anschließend zum Wehrdienst
einberufen. Nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft wurde er ab 12. Juni 1947
als Verwaltungsangestellter wiederverwendet. Am 1. April 1955 wurde er als
Amtsinspektor in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. Zum 1. November
1956 ernannte ihn die Gemeinde xxx zu ihrem Gemeindedirektor. Dieses Amt übte
er nach seiner Wiederwahl im Jahre 1968 bis Ende 1969 aus. Zum 1. Januar 1970
wurde die Gemeinde xxx im Zuge der kommunalen Neugliederung in die beklagte
Stadt eingegliedert, die den Kläger als Beigeordneten und Stadtkämmerer
übernahm. Mit Ablauf seiner Amtszeit trat der Kläger zum 31. Oktober 1980 in den
Ruhestand.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 4. November 1980 die
Versorgungsbezüge des Klägers fest. Die dem Bescheid als Anlage beigefügte
Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berücksichtigt die Zeiten, in denen der
Kläger als Beamter tätig war, ferner seine Vordienstzeiten als Angestellter und die
RAD- und Wehrdienstzeiten sowie die Zeit der Kriegsgefangenschaft. Aufgrund
dieser Berechnung wurden in dem Bescheid 43 volle Dienstjahre als ruhegehaltfähig
anerkannt und der Ruhegehaltssatz auf 75 v.H. festgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 28. November 1980 Widerspruch
ein und führte zur Begründung aus: Bei einem Beamten auf Zeit, der - wie er - eine
Amtszeit von 24 Jahren erreicht habe, betrage der Ruhegehaltssatz gemäß § 66 Abs.
2 Satz 2 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) 75 v.H. Hiermit habe der
Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß in diesem Fall die für Beamte auf
Lebenszeit geltende Regelung über die Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit
keine Anwendung finde.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 29. Januar 1981 -
zugestellt am 10. Februar 1981 - zurück und führte zur Begründung aus: Die
Sonderregelung des § 66 Abs.2 BeamtVG finde auf Zeitbeamte nur unter der
Voraussetzung Anwendung, daß sie für diese günstiger sei. Aus diesem Grunde
werde der sich nach den allgemeinen Vorschriften ergebende .Ruhegehaltssatz mit
dem Ruhegehaltssatz vergleichen, der nach der Regelung des § 66 Abs.2 BeamtVG
festzusetzen wäre. Erreiche der Beamte bereits nach den allgemeinen Vorschriften
einen Ruhegehaltssatz vom 75 v.H., so sei für die Anwendung des § 66 Abs.2
BeamtVG kein Raum mehr.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die daraufhin am 24. Februar 1981 erhobene Klage, mit der der Kläger
beantragt hat,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">den Bescheid der Beklagten vom 4. November 1980 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1981 insoweit aufzuheben, als bei der
Festsetzung ruhegehaltfähige Vordienstzeiten unter Außerachtlassung des § 66 Abs.2
Satz 2 BeamtVG berücksichtigt worden sind,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">hat das Verwaltungsgericht durch das angefochtene Urteil abgewiesen und zur
Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Vorschrift des § 66 Abs. 2 BeamtVG
habe im Falle des Klägers außer Betracht zu bleiben, weil er den höchstmöglichen
Ruhegehaltssatz schon nach § 66 Abs. 1 BeamtVG erreiche. Entgegen der vom
Kläger vertretenen Rechtsansicht stehe die Vorschrift des § 66 Abs. 2 BeamtVG der
Anrechnung weiterer ruhegehaltfähiger Dienstzeiten auch dann nicht entgegen,
wenn damit Nachteile bei der Rentenbemessung oder der Anrechnung von
Rententeilen auf die Versorgungsbezüge verbunden sein sollten. Die genannte
Vorschrift enthalte lediglich eine abweichende Sonderregelung für die Bemessung
des Ruhegehaltssatzes. Die Festsetzung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit und die
sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Höhe einer Rente würden davon nicht
berührt. § 66 Abs. 2 BeamtVG diene der angemessenen Versorgung der
Zeitbeamten. Er habe nicht die Aufgabe, Zeitbeamte den Beamten auf Lebenszeit
gegenüber insofern besser zu stellen, als diese dann neben den vollen
Versorgungsbezügen noch die ungeschmälerte Rente erhielten, während bei jenen
die "Doppelversorgung" verhindert werde.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der erneut auf die
Unzuträglichkeiten hinweist, die sich für ihn bei der Rentenberechnung ergeben
würden, falls der angefochtene Bescheid nicht geändert werde.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt sinngemäß,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem zuletzt in erster Instanz
gestellten Antrag zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Sie macht sich die Ausführungen des angefochtenen Urteils zu eigen und tritt
dem Vorbringen des Klägers entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung
verzichtet.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Berufung, über die gemäß § 101 Abs. 2 i.V.m. § 125 Abs. 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entschieden
werden konnte, ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht
abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die vom Verwaltungsgericht vertretene Auslegung des § 66 BeamtVG ist
zutreffend. Nach § 66 Abs. 1 BeamtVG gelten für die Versorgung der Beamten auf
Zeit die Vorschriften für die Versorgung der Beamten auf Lebenszeit entsprechend,
soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Höhe des Ruhegehalts regelt sich
somit auch für Beamte auf Zeit grundsätzlich nach der Ruhegehaltsskala des § 14
Abs. 1 BeamtVG, die eine Festsetzung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit gemäß den
§§ 6 ff. BeamtVG erfordert. Eine abweichende Regelung enthält § 66 Abs. 2
BeamtVG. Diese Vorschrift setzt in Anlehnung an die bis zum Inkrafttreten des
BeamtVG geltende Rahmenvorschrift des § 95 Abs. 3 des
Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG a.F.) Mindestruhegehaltsätze fest, die sich
nach der Amtszeit des Beamten auf Zeit richten.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 66, BT-Drucksache 7/2505, S.
54.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Gesetzgeber hat damit dem Umstand Rechnung getragen, daß ein Beamter
auf Zeit im allgemeinen kaum eine so lange Amtszeit zurücklegen kann wie andere
Beamter eine ruhegehaltfähige Dienstzeit.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Vgl. Fürst-Finger-Mühl-Niedermeyer, Beamtenrecht des Bundes und der Länder,
Band I Teil 3, § 66 RdNr. 6; Kümmel, Kommentar zum BeamtVG, Stand: Dezember
1982, § 66 Anm. 4.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Um den Beamten auf Zeit dennoch eine angemessene Versorgung zu
gewährleisten, sieht § 66 Abs. 2 BeamtVG vor, daß für sie der Aufstieg in der
Ruhegehaltsskala bereits nach einer Amtszeit von acht Jahren mit dem
Ruhegehaltssatz von 42 v.H. beginnt und sie den Höchstsatz von 75 v.H. schon nach
einer Amtszeit von 24 Jahren erreichen. Die besondere Ruhegehaltsskala gilt für
Beamte auf Zeit aber nur, "wenn es für sie günstiger ist" (§ 66 Abs. 2 Satz 1
BeamtVG). Das ist dann nicht mehr der Fall, wenn - wie beim Kläger - eine
Vergleichsberechnung ergibt, daß der Beamte auf Zeit in der Ruhegehaltsskala nach
§ 14 Abs. 1 BeamtVG den gleichen oder einen höheren Ruhegehaltssatz erreicht hat.
Dagegen ist es ohne Bedeutung, ob die Festsetzung ruhegehaltfähiger Dienstzeiten
für den Beamten auf Zeit im Einzelfall deswegen Nachteile auslöst, weil
rentenversicherungsrechtliche Anrechnungsvorschriften zur Anwendung gelangen.
Wie die bereits zitierten Gesetzesmaterialien zeigen, hatte der Gesetzgeber bei der
Formulierung des § 66 Abs. 2 BeamtVG über die Garantie eines bestimmten
Ruhegehaltssatzes hinaus nicht die Absicht, die Beamten auf Zeit von den für andere
Beamte geltenden Vorschriften freizustellen, die eine sog. Doppelversorgung
verhindern. Die Regelung bewirkt dementsprechend auch nur, daß an die Stelle des
sich nach § 14 Abs. 1 BeamtVG ergebenden Ruhegehaltssatzes ein anderer -
günstigerer - Ruhegehaltssatz trifft, der nach 24 Amtsjahren 75 v.H. beträgt. Der
Ansatz der ruhegehaltfähigen Dienstzeiten und die evtl. daran geknüpften
Rechtsfolgen bleiben im übrigen unberührt.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Vgl. Stegmüller-Schmahlhofer-Bauer, BeamtVG - Handkommentar, Stand:
August 1981, § 66 RdNr. 2 mit Hinweis auf Tz. 66.2.1 Satz 1 der Allgemeinen
Verwaltungsvorschrift zum Beamtenversorgungsgesetz vom 3. November 1980 -
GMBl 1980, S. 742 - (BeamtVGVwV).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Kläger will demgegenüber § 66 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG als eine
"eigenständige Regelung für Amtszeiten von 24 Jahren" verstanden wissen, in der
im Sinne von § 66 Abs. 1 für Beamte auf Zeit etwas anderes bestimmt ist als für
Beamte auf Lebenszeit - mit der Folge, daß eine Festsetzung der ruhegehaltfähigen
Dienstzeiten unterbleiben muß. Diese Überlegung vermag schon deswegen nicht
überzeugen, weil sie dem systematischen Zusammenhang zwischen den Sätzen 1
und 2 des § 66 Abs. 2 BeamtVG vernachlässigt. Es trifft nämlich nicht zu, daß - wie
der Kläger meint - hier "zwei unterschiedliche Fallalternativen behandelt" werden.
Vielmehr bilden die Sätze 1 und 2 des § 66 Abs. 2 BeamtVG eine einheitliche
Regelung. Der Beamte auf Zeit erreicht nämlich nach der Ruhegehaltsskala des § 66
Abs. 2 Satz 1 BeamtVG mit 24 Amtsjahren den Ruhegehaltssatz von 74 v.H. und §
60 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG korrigiert dieses Ergebnis lediglich dahingehend, daß sich
in diesem Fall der Ruhegehaltssatz auf den - für andere Beamte nach § 14 Abs. 1
Satz 1 BeamtVG - geltenden Höchstsatz von 75.V.H. steigert.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Nach alledem muß die Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO
zurückgewiesen werden. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung
ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozeßordnung (ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Revision kann nicht zugelassen werden, weil die Voraussetzungen des §
132 VwGO und des § 127 BRRG n.F. nicht erfüllt sind.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
315,712 | lg-arnsberg-1983-12-19-3-s-17783 | {
"id": 801,
"name": "Landgericht Arnsberg",
"slug": "lg-arnsberg",
"city": 384,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 3 S 177/83 | 1983-12-19T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:02 | 2019-03-27T09:42:25 | Urteil | ECLI:DE:LGAR:1983:1219.3S177.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 1983 durch </p>
<p>für R e c h t erkannt:</p>
<p></p>
<p>Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.09.1983 verkündete Urteil des Amtsge-richts Arnsberg (3 C 576/83) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten um Leistungen aus einer Krankenhaustagegeldversicherung.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die damals 31-jährige Klägerin stellte am 28.06.1982 unter Vermittlung ihres Vaters, der als örtlicher Generalvertreter für die Beklagte tätig ist, einen Antrag auf Abschluss einer Krankenversicherung mit einem Tagegeld von 30,00 DM. Dabei füllte der Vater der Klägerin die Zeile 1 des Formulars (bestehen gegenwärtig Krankheiten, Unfallfolgen oder Beschwerden?) mit "nein" aus. In den Spalten 4 und 6, in denen nach der Erforderlichkeit einer stationären Behandlung in früherer Zeit sowie nach Krankheiten und Beschwerden in den letzten fünf Jahren gefragt wurde, gab der Vater der Klägerin lediglich das Einsetzen eines Magenbypasses im Jahre 1977 in einer Klinik in E. an. Die Klägerin unterschrieb das Antragsformular, in dem sich der Antragsteller durch vorgedruckten Text u.a. mit der Einholung von Auskünften von Versicherungsträgern einverstanden erklärte.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Tatsächlich war die Klägerin in den fünf Jahren vor Antragstellung mehrfach erkrankt. So war sie nach dem Inhalt des Krankenblattes für 1979 in diesem Jahr 84 Tage arbeitsunfähig krankgeschrieben. Wegen einer Gallenkolik befand sie sich eine Woche in stationärer Behandlung. Im Jahre 1968 wurde die Klägerin wegen einer Mandelentzündung stationär behandelt, 1976 wegen einer spastischen Bronchitis. Anfang der 70er Jahre hielt sich die Klägerin mehrmals zur Behandlung ihres Übergewichts im Krankenhaus auf. Außerdem hatte sie noch einen mehrwöchigen Kuraufenthalt unternommen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Vom 01.10. bis 27.10.1982 wurde die Klägerin wegen Schmerzen im Thoraxbereich ins Krankenhaus eingewiesen und dort behandelt, wobei sechs verschiedene Krankheiten diagnostiziert wurden. Nachdem die Klägerin für diese Zeit einen Anspruch auf Tagegeld geltend gemacht hatte, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 14.12.1982 wegen unvollständiger Angaben über die Vorerkrankungen den Rücktritt vom Versicherungsvertrag, da die Klägerin ambulante Behandlungen aus 1979 bis 1981 und stationäre Versorgungen aus den ersten 70er Jahren verschwiegen habe. Am 14.01.1983 zahlte die Beklagte für den oben angeführten Zeitraum ein Tagegeld von 810,00 DM.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 05.05.1983 forderte die Beklagte die Klägerin auf, ihr einen Auszug aus dem Krankenblatt bei der Krankenkasse für 1972 und 1982 zu übersenden, da die stationäre Behandlung der Gallenkolik 1979 wie diejenige der Übergewichtigkeit verschwiegen worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 10.06.1983 erklärte die Beklagte die Anfechtung ihrer Annahmeerklärung vom 09.07.1982 und forderte die gezahlten 810,00 DM zurück.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat für weitere Krankenhausaufenthalte im Dezember 1982 und Januar 1983 (29 Tage) das Tagegeld begehrt und beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Beklagte zu verurteilen, an sie 870,00 DM nebst 9,5 % Zinsen seit dem 14.12.1982 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Klage abzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">sowie widerklagend,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Klägerin zu verurteilen, an sie 810,00 DM nebst 8,5 % Zinsen seit dem 01.02.1982 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Widerklage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Mit am 28.09.1983 verkündetem Urteil hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen, der Widerklage stattgegeben und ausgeführt, wegen unvollständiger Angaben im Antragsformular und arglistiger Täuschung seien Rücktritt und Anfechtung der Beklagten berechtigt.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung der Klägerin.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Sie bestreitet falsche Angaben im Antragsformular und vertritt die Auffassung, weitere Krankheiten und Krankenhausaufenthalte habe sie nicht anzugeben brauchen, da die durchgeführten stationären Behandlungen im wesentlichen nicht erforderlich gewesen seien (Mandelentzündung 1968, Schwangerschaftsprobleme 1971, Fehlgeburt 1976, Entschlackungskur 1977).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin behauptet:</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Ihr Vater habe ihr die Fragen des Antragsformulars nur vorgelesen und diese dann nach eigenem Gutdünken beantwortet; ihr selbst habe er den Antrag nur kurz zur Unterschrift vorgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin meint, die Beklagte müsse sich das Handeln ihres Vaters als Vertreter zurechnen lassen; sie selbst habe nicht getäuscht; die Rückforderung der 810,00 DM verstoße gegen Treu und Glauben.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Schließlich beruft sich die Klägerin auf einen Wegfall der Bereicherung.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Sie verteidigt die Erwägungen des Amtsgerichts, verweist auf die fehlenden Krankenblätter für 1972 bis 1982 und meint, die Klägerin müsse sich eine Täuschung durch ihren Vater zurechnen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht für die stationären Krankenhausaufenthalte vom 14.12.1982 bis 21.12.1982 und vom 03.01.1983 bis 25.01.1983 kein Anspruch auf Tagegeld (29 Tage zu je 30,00 DM) zu.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 14.12.1982 ist die Beklagte vor Eintritt des Versicherungsfalles gemäß § 16 Abs. 2 VVG wirksam vom Vertrag zurückgetreten. Im Antragsformular vom 28.06.1982 hat die Klägerin über mehrere erhebliche Umstände unrichtige Angaben gemacht. Zunächst ist unstreitig in Zeile 4 von der Vielzahl stationärer Krankenhausaufenthalte (Mandelentzündung 1968, Schwangerschaftsprobleme 1971, Übergewichtsbehandlung mehrfach Anfang der 70er Jahre, Fehlgeburt 1976, Entschlackungskur 1977) nur die 1977 erfolgte Behandlung in der Klinik in E. erwähnt (Einsetzen eines Magenbypasses). Sämtliche stationären Behandlungen müssen als erforderlich im Sinne der Zeile 4 angesehen werden, da sie aufgrund ärztlicher Einweisung und mit </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">– unstreitiger – Kostenübernahme durch die Krankenkasse erfolgten. Die Frage der Zeile 6 a (Krankheiten der letzten fünf Jahre) ist ebenfalls objektiv unrichtig nur unter Erwähnung des Klinikaufenthaltes in E. (1977) beantwortet worden. Tatsächlich war die Klägerin, wie im Verhandlungstermin vom 19.12.1983 erörtert worden ist, im Jahre 1979 nach dem vorliegenden Krankenblatt allein 84 Tage arbeitsunfähig krankgeschrieben, davon noch 6 Tage wegen einer Kolik und 9 Tage wegen vorzeitiger Wehen in stationärer Krankenhausbehandlung. Allein der in der Berufungsbegründung so bezeichnete blaue Fleck am rechten Knie führte für 23 Tage zur Arbeitsunfähigkeit (12.04. bis 04.05.1979).</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die vorbezeichneten, unrichtigen Angaben in den Zeilen 4 und 6 a des Antragsformulars betrafen erhebliche Umstände im Sinne der §§ 16 Abs. 1 Satz 3, 3 Abs. 2 VVG. Nach § 16 Abs. 1 Satz 3 VVG gilt ein Umstand, nach dem der Versicherer schriftlich gefragt hat, schon deshalb im Zweifel als erheblich. Vorliegend kommt hinzu, dass selbst Krankenhausaufenthalte oder Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen leichterer Erkrankungen durchaus erheblich sind, weil sie nämlich auf den Gefahrenumstand einer besonderen Anfälligkeit des Versicherungsnehmers hindeuten. Die behauptete, subjektiv geringere Bewertung der Krankheiten durch die Klägerin ist ohne Belang. Dies folgt schon daraus, dass in Zeile 6 a sogar unwesentliche oder gar nicht behandelte Krankheiten angegeben werden sollen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der Rücktritt war nicht nach § 16 Abs. 3 VVG wegen Kenntnis des Versicherers oder fehlenden Verschuldens des Versicherungsnehmers (der Klägerin) ausgeschlossen. Wenn dieser einen Gefahrenumstand, nach dem ausdrücklich und schriftlich gefragt wird, für unerheblich hält, so schließt dies sein Verschulden nicht aus (Prölss-Martin, VVG, 20. Auflage, München 1975, §§ 16, 17 Anmerkung 2). Insoweit schadet schon einfache Fahrlässigkeit (OLG Hamm Versicherungsrecht 1973, 834). Diese liegt auch vor, wenn der Agent dem Versicherungsnehmer unrichtig erklärt, die Angaben seien reine Formsache (OLG Köln Versicherungsrecht 1973, 1017).</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Eine den Rücktritt ausschließende Kenntnis der Beklagten käme nur dann in Betracht, wenn sie sich den Wissensstand des Vaters der Klägerin – ihres "Generalvertreters" – gemäß § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen müsste. Dies ist jedoch nicht der Fall. Eine derartige Zurechnung erfolgt gemäß § 44 VVG grundsätzlich nur für den Abschlussagenten, nicht jedoch für den allein mit der Vermittlung von Versicherungen betrauten Vertreter. Ausweislich des Antragsformulars hat der Vater der Klägerin nur als Vermittlungsagent gehandelt. Die Beklagte muss sich auch nicht nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als hätte ihr Vertreter Abschlussvollmacht gehabt. Die Bezeichnung als Generalvertreter reicht vorliegend allein nicht aus, da sie noch keinen Rechtsschein für eine Vollmacht begründen kann.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist auch insoweit erfolglos, als sich die Klägerin gegen die Verurteilung auf die Widerklage hin wendet. Das Amtsgericht hat der Widerklage zu Recht stattgegeben.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte kann aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 2, erste Alternative BGB) die Rückzahlung der für den Krankenhausaufenthalt von Oktober 1982 geleisteten 810,00 DM (27 Tage zu je 30,00 DM) verlangen. Der Rechtsgrund für diese Leistung – der Versicherungsvertrag – ist nach erfolgreicher Anfechtung seitens der Beklagten vom 10.06.1983 wegen arglistiger Täuschung (§§ 123 Abs. 1, 142 BGB) nachträglich weggefallen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Der zuvor erklärte Rücktritt vom 14.12.1982 ließ diese spätere Anfechtung nach § 123 BGB noch zu (vgl. § 22 VVG). Mit der Erklärung der objektiv unrichtigen Angaben in den Zeilen 4 und 6 a des Antragsformulars hat die Klägerin eine arglistige Täuschung begangen. Dazu ist subjektiv erforderlich, dass der Versicherungsnehmer auf die Entschließung des Versicherers Einfluss nehmen will und sich bewusst ist oder zumindest billigend in Kauf nimmt, dass der Versicherer im Falle wahrheitsgemäßer und vollständiger Angaben den Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen wird (Pröhlss-Martin, a.a.O., § 22 Anmerkung 2). Diese innere Vorstellung muss vorliegend bei der Klägerin angenommen werden: Sie hat objektiv eine Vielzahl stationärer Krankenhausaufenthalte und ambulanter Behandlungen verschwiegen. Auch für einen versicherungsrechtlichen Laien wie die Klägerin musste dabei klar sein, dass gerade beim Abschluss einer Krankenhaustagegeldversicherung wahrheitsgemäße Angaben über die in der Vergangenheit diagnostizierten und – teilweise stationär – behandelten Krankheiten möglicherweise zur Ablehnung des Antrages durch den Versicherer führen würden.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus muss sich die Klägerin aber auch eine arglistige Täuschung seitens ihres Vaters zurechnen lassen, der das Formular für sie ausgefüllt und ihr zur Unterschrift vorgelegt hat. Als berufsmäßiger Vermittlungsagent mit der herausgehobenen Bezeichnung "Generalvertreter" muss die entsprechende Kenntnis des Vaters von einer Offenbarungspflicht bezüglich der vollständigen Angaben zu den Zeilen 4 und 6 a ebenso vorausgesetzt werden wie sein Wissen um die Gefahr der Ablehnung des An-trages für den Fall, dass die zahlreichen Erkrankungen etwa in 1979 sowie alle stationären Krankenhausaufenthalte angegeben wurden.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Der Vater der Klägerin war nicht im Verhältnis zur Beklagten Dritter im Rahmen des § 123 Abs. 1 BGB, mit der Folge, dass sich die Klägerin seine Täuschungshandlung nur unter den engen Voraussetzungen des § 123 Abs. 2 BGB zurechnen lassen müsste. Dritter im Sinne dieser Vorschrift ist derjenige nicht, der auf Seiten des Erklärungs-gegners steht und maßgeblich am Zustandekommen des Geschäftes mitgewirkt hat, so insbesondere nicht der Vertreter einer Partei (Palandt-Heinrichs, BGB, 41. Auflage, München 1982, § 123 Anmerkung 1 dcc). Hier ist der Generalvertreter der Beklagten aber in seiner verwandtschaftlichen Stellung als Vater der Klägerin beim Ausfüllen der Zeilen 4 und 6 a gerade für diese – seine Tochter – tätig geworden. Die Klägerin trägt auf Seite 10 der Berufungsbegründung ausdrücklich vor, ihr Vater habe ihr die entscheidenden Fragen lediglich vorgelesen, sodann aber nach eigenem Gutdünken beantwortet. Damit hatte die Klägerin ihren Vater auf ihrer Seite in den Abschluss des Versicherungsvertrages eingeschaltet.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Ein Rückforderungsausschluss nach § 814 BGB liegt nicht vor. Die Klägerin hat nicht unter Beweis gestellt, dass die Beklagte schon vor dem 14.01.1983 (Tag der Zahlung) Kenntnis von den stationären Behandlungen wegen einer Gallenkolik (1979) und wegen erheblicher Übergewichtigkeit (Anfang der 70er Jahre) hatte. Einen die Rückforderung ausschließenden Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB hat die Klägerin nicht hinreichend dargetan. Der Vortrag, sie habe die 810,00 DM ausgegeben, reicht so nicht aus, da auch ein Verbrauch für allgemeine Lebenshaltungskosten in Betracht kommt. Ein Hinweis gemäß § 139 ZPO war insoweit jedoch entbehrlich, da die Allgemeinen Versicherungsbedingungen in § 6 Nr. 14 die Geltendmachung eines Wegfalls der Bereicherung ohnehin ausschließen. Bedenken gegen die Wirksamkeit einer solchen Regelung bestehen nicht.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung des Amtsgerichts zur Verzinsung der Widerklageforderung ist nicht angegriffen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.</p>
|
315,713 | lg-duisburg-1983-12-15-9-o-23981 | {
"id": 807,
"name": "Landgericht Duisburg",
"slug": "lg-duisburg",
"city": 408,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 9 O 239/81 | 1983-12-15T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:04 | 2019-03-27T09:42:24 | Urteil | ECLI:DE:LGDU:1983:1215.9O239.81.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.03.1980 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auch den weiteren Schaden aus der medizinischen Behandlung vom 06.11.1979 zu ersetzen, soweit der Ersatzanspruch nicht gemäß § 1542 RVO übergegangen ist. </p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,00 DM vorläufig vollstreckbar, wobei die Sicherheit auch durch selbstschuldnerische Bürg-schaft einer inländischen Großbank oder Sparkasse erbracht werden kann. </p>
<p></p>
<p></p>
<p> T a t b e s t a n d : </p>
<p></p>
<p>Der Kläger nimmt den Beklagten wegen einer Schädigung des nervus accessorius in Anspruch, die bei ihm anlässlich einer von dem Beklagten am 06.11.1979 in dessen Praxis vorgenommenen Lymphknotenexstirpation entstanden ist. Bei dieser Lymphknotenexstirpation handelt es sich um einen diagnostischen Eingriff nach vorangegangener Knotenbildung; er wurde mit Infiltrationslokalanästhesie durchgeführt und dauerte etwa 15 Minuten, wobei es während des Eingriff zu einer Blutung im Operationsgebiet kam, die mit Ligatur versorgt wurde; die pathologische Untersuchung ergab, dass die Knoten nicht bösartig waren. Eine in Vollnarkose vorgenommene Nachoperation im St. Josef-Hospital in Oberhausen am 04.11.1980 blieb erfolglos, weil das kopfwärts gelegene Ende des nervus accessorius nicht mehr gefunden werden konnte, so dass ein Zusammennähen der Nervenenden nicht möglich war. Zum Zeitpunkt der Operation befand sich der Kläger im letzten Ausbildungsabschnitt seines damaligen Medizinstudiums; er ist seit 1980 approbierter Arzt und hatte vom 17.02. bis 17.04.1978 bei dem Beklagten famuliert. </p>
<p></p>
<p>Der Kläger begehrt vom Beklagten Schmerzensgeld und Feststellung dessen Er-satzpflicht unter dem Gesichtspunkt mangelnder Einwilligung aufgrund fehlender Aufklärung und kunstfehlerhafter Behandlung. Er behauptet, der Beklagte habe ihn lediglich auf Wundschmerz – und Infektionsrisiken, nicht jedoch – trotz ausdrückli-chen Befragens nach weiteren Risiken – auf mögliche andere Gefahren hingewie-sen, wobei eine Schädigung des nervus accessorius bei Operationen im seitlichen Halsdreieck – wie hier – auch zwischen den Parteien unstreitig ein Risiko von mehr als mindestens 1 % bedeutet; über die genaue Höhe des Risikos bestehen unter-schiedliche Angaben. Eigene Kenntnis vor der Operation über dieses Risiko auf-grund des medizinischen Studiums bestreitet der Kläger. Er ist zudem der Auffas-sung, der Beklagte habe unter den vorhandenen Lymphknoten falsch ausgewählt und gegen den Grundsatz des risikoärmsten Eingriffs verstoßen, wobei er Knoten auf beiden Halsseiten zur Zeit der Operation behauptet. Auch sieht der Kläger Kunstfehler in einer unterlassenen Vollnarkose, in einer von ihm behaupteten falschen Behandlung der während der Operation aufgetretenen Blutung und in dem Unterlassen der Benutzung eines Nervenreizgerätes zur Feststellung des nervus accessorius. Als Folgen der Operation und der damit verbundenen Schädi-gung des nervus accessorius nennt der Kläger insbesondere Einschränkungen in seiner sportlichen Freizeitbetätigung, Schmerzen durch Überbeanspruch der Muskulatur und einen Wechsel in seinem beruflichen Zielen vom Facharzt für Augenheilkunde zum Anästhesisten.</p>
<p></p>
<p>Der Kläger beantragt,</p>
<p></p>
<p>den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ein angemessenes Schmerzens-geld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4 % Zin-sen seit dem 01.03.1980 zu zahlen,</p>
<p></p>
<p>festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger auch den weiteren Schaden aus der medizinischen Fehlbehandlung vom 06.11.1979 zu ersetzen hat, soweit der Ersatzanspruch nicht einem öffentlich-rechtlichen Versicherungsträger zusteht. </p>
<p></p>
<p>Der Beklagte beantragt,</p>
<p></p>
<p>die Klage abzuweisen.</p>
<p></p>
<p>Er bestreitet zunächst das Vorliegen von Kunstfehlern, insbesondere ein Auswahl-verschulden unter den vorhandenen Knoten, mit der Behauptung, es seien lediglich drei tastbare Knoten auf der rechten Halsseite vorhanden gewesen; als Ursache für die Schädigung des nervus accessorius nennt der Beklagte Narbenzug nach der Operation, wobei er im übrigen der Auffassung ist, dass trotz Beachtung aller Vorsichtsmaßnahmen Schädigungen des nervus accessorius bei dieser Art Operation unvermeidlich sein können. Bezüglich des Vorwurfs mangelnder Aufklärung behauptet der Beklagte zunächst, dass der Kläger als damals angehender Arzt bei seinem Ausbildungsstand positives Wissen hätte haben müssen und konkret auch gehabt habe, so dass insoweit eine Aufklärung wegen bereits vorhandenen positiven Wissens überflüssig gewesen sei; jedenfalls, so meint der Beklagte, könne man ihm keinen Schuldvorwurf daraus machen, dass er davon ausgegangen sei, dass der Kläger bei seinem Ausbildungsstand entsprechendes Wissen gehabt habe. </p>
<p></p>
<p>Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den münd-lich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug ge-nommen.</p>
<p></p>
<p>Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Klägers und des Be-klagten als Partei sowie durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Professor Dr. . dessen Bestandteil ein EMG des</p>
<p>Sachverständigen Professor Dr. ist; der Sachverständige Professor Dr. hat sein schriftliches Gutachten in der mündlichen Verhandlung vom 24.11.1983 erläu-tert; wegen der Einzelheiten der Bekundungen der Parteien sowie des Sachverständigen wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 24.11.1983 sowie auf die schriftlichen Gutachten vom 11.03.1983 und 15.04.1983 Bezug genommen.</p>
<p></p>
<p> E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e : </p>
<p></p>
<p>Die Klage ist begründet; dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nach den §§ 847 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB, 256 ZPO gegen den Beklagten zu.</p>
<p></p>
<p>Hierbei hat sich die Kammer vom Vorliegen eines Kunstfehlers keine hinreichende Gewissheit verschaffen können. Auf diese Frage und darauf, ob insoweit eine Um-kehrung der Beweislast zu Lasten des Beklagten vorzunehmen ist, weil er nicht, wie der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung ausgeführt hat, der Forderung der Ärztekammer nach Fertigung eines Operationsberichtes nachgekommen ist, braucht jedoch nicht mehr eingegangen zu werden, weil der Beklagte bereits deshalb gemäß § 823 Abs. 1 BGB haftet, weil die Behandlung und der damit verbundene Eingriff in den Körper des Klägers mangels Einwilligung rechtswidrig waren. Unstreitig zwischen den Parteien hat der Beklagte die generell gebotene Aufklärung, für deren Durchführung er beweispflichtig ist, nicht vorgenommen; unstreitig zwischen den Parteien ist ebenfalls, dass bei dieser Art Operation eine Aufklärung auch über mögliche Folgen hinsichtlich einer Schädigung des nervus accessorius im Regelfall zu erfolgen hat. Diese Aufklärungspflicht wäre zunächst dann entfallen, wenn der Kläger bereits positive Kenntnis gehabt hätte; wer bereits aufgeklärt ist, kann aus der nicht erfolgen Aufklärung des anderen keine Rechte herleiten, weil die erfolgte Einwilligung in die Operation bei Kenntnis die Widerrechtlichkeit ausschließt und deshalb wirksam ist. Insoweit hat der Kläger bei seiner Vernehmung als Partei positive Kenntnis verneint, so dass der Beklagte den ihm obliegenden Beweis für seine Behauptung hinreichender Kenntnis des Klägers über die bei einer Exstirpation von Lymphknoten drohenden Schädigungen des nervus accessorius nicht hat führen können. Der Beklagte kann aber auch nicht damit gehört werden, dass der Eingriff beim Kläger auch ohne die nicht erfolgte Aufklärung jedenfalls schuldlos erfolgt sei, weil er ohne Fahrlässigkeit habe davon ausgehen dürfen, dass der Kläger aufgrund seines Ausbildungsstandes unmittelbar vor Abschluss des medizinischen Studiums hinreichende Kenntnis über die Risiken hätte haben müssen. Insoweit hat der Sachverständige Professor Dr. im Rahmen seines schriftlichen Gut-achtens auf den Seiten 16 und 17 klargestellt, dass eine solche Annahme zwar für Medizinstundenten, die ihre Ausbildung nach den Bestimmungen der alten Bestal-lungsordnung (1939/1953) erworben haben, durchaus gerechtfertigt gewesen sei, dass eine gleichartige Annahme für Mediziner, die ihre Ausbildung nach der 1970 in Kraft getretenen Approbationsordnung durchgeführt haben, aber nicht ohne weiteres möglich und sogar fragwürdig sei. Auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung hat der Sachverständige noch einmal bestätigt, dass Studenten der Medizin mit dem damaligen Ausbildungsstand des Klägers die vom Beklagten unterstellten Kenntnisse zwar haben sollten, dass es jedoch nicht ungewöhnlich sei, dass sie tatsächlich über diese Kenntnisse nicht verfügten. Insoweit hätte sich der Beklagte, wie auch der Sachverständige ausgeführt hat, durch Rückfragen vergewissern müssen, zu welcher Kategorie von Studenten, ob zu den Wissenden oder zu den Unwissenden, der Kläger gehörte. Da nach Erlass der Studienordnung von 1970 bis zur Operation vom 06.11.1979 auch eine nicht geringe Zeit verstrichen war, hätte der Beklagte stillschweigende hinreichende Kenntnisse des Klägers nicht mehr ohne Rückfrage unterstellen dürfen, zumal er selbst jedenfalls noch einen gewissen Kontakt zur medizinischen Ausbildung dadurch unterhielt, dass er sich als Ausbilder für famuliee zur Verfügung stellte. </p>
<p></p>
<p>Bei der Höhe des dem Kläger zugesprochenen Schmerzensgeldes hat das Gericht berücksichtigt, dass der Kläger in seiner beruflichen Wahlfreiheit einerseits be-schränkt wurde, andererseits aber gleichwohl noch in der Lage war, als Facharzt für Anästhesie einen seiner Ausbildung entsprechenden Beruf zu ergreifen, weiterhin sind die Auswirkungen auf die Fähigkeiten des Klägers im Bereich der Freizeitgestaltung gewürdigt worden, die allerdings durch den nicht vollständigen Funktionsausfall des Musculus trapezius, wie der Sachverständige ausgeführt hat, und durch rechtzeitiges Training des Klägers eher im unteren Bereich der üblichen Schäden liegen; die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 15 % und die durch die Nachoperation erlittenen Beeinträchtigungen des Klägers sind ebenfalls in die Gesamtbewertung eingeflossen.</p>
<p></p>
<p>Insoweit ist ein Betrag von 8.000,00 DM angemessen, aber auch ausreichend.</p>
<p></p>
<p>Bezüglich der Feststellungsklage hat das Gericht ein Feststellungsinteresse des Klägers noch bejaht, weil nach den Ausführungen des Sachverständigen Professor Dr. </p>
<p> , denen das Gericht sich wie auch im übrigen anschließt, Folgeschäden erheblicher Art zwar nicht mehr zu erwarten sind, andererseits aber auch nicht aus-geschlossen werden können.</p>
<p></p>
<p>Bezüglich der Zinsen ergeben sich diese aus Verzug gemäß § 286 Abs. 1 BGB, weil der Kläger eine Frist im Schreiben vom 14.02.1980 zum 01.03.1980 gesetzt hat. Zinsen über die gesetzliche Höhe von 4 % hinaus waren nicht zuzusprechen. Zum einen hat der Kläger den höheren Zinsantrag auf Blatt 7 seines Schriftsatzes vom 07.07.1983 nicht in der letzten mündlichen Verhandlung verlesen, so dass insoweit bereits keine 7 % zuzusprechen waren, abgesehen davon ist das Vorbringen auch nicht hinreichend substantiiert. </p>
<p></p>
<p>Die Nebenentscheidungen ergehen aufgrund der §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.</p>
<p></p>
<p>Der Streitwert für den Feststellungsantrag wird auf 5.000,00 DM festgesetzt. </p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)</p>
|
315,714 | olgham-1983-12-12-14-w-20883 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 14 W 208/83 | 1983-12-12T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:06 | 2019-03-27T09:42:24 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1983:1212.14W208.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des weiteren Beschwerdeverfahrens an das Landgericht Arnsberg zurückverwiesen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus vier vollstreckbaren Kostenrechnungen vom 10.10.1980 (...), 08.04.1981 (...), 02.11.1982 (...) und 06.12.1982 (...) über insgesamt 9.709,- DM. Als der Schuldner die Kostenrechnungen trotz Mahnung nicht bezahlte, beauftragte die Gläubigerin am 17.03.1983 den Vollstreckungsbeamter des Amtsgerichts Werl mit der Vollstreckung. Dieser traf den Schuldner bei einem Vollstreckungsversuch nicht an und vermerkte in seinem Erledigungsbericht vom 25.03.1983, ein Vertreter des Schuldners habe die Durchsuchung der Räume des Schuldners verweigert.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Daraufhin hat die Gläubigerin am 12.04.1983 beim Amtsgericht Werl die Anordnung der Durchsuchung der Wohnung des Schuldners beantragt. Das Amtsgericht hat dem Antrag am 19.04.1983 ohne vorherige Anhörung des Schuldners entsprochen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Beschluß, der nicht förmlich zugestellt worden ist, hat der Schuldner am 02.08.1983 "Beschwerde" erhoben. Er hat geltend gemacht, die Durchsuchungsanordnung habe nicht erfolgen dürfen. Die ihm in Rechnung gestellten Gerichtskosten dürften wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht erhoben werden. Das Verhalten der Gläubigerin sei arglistig, da er, der Schuldner, gegen das Land Nordrhein-Westfalle Schadensersatzansprüche in Höhe von mindestens 250.000,- DM habe. Außerdem fehle es an einer förmlichen Zustellung der vollstreckbaren Kostenrechnungen. Ferner habe das Amtsgericht seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Gläubigerin ist der Beschwerde des Schuldners entgegengetreten und hat geltend gemacht, seine Einwendungen gegen die Kostenrechnungen hätten auf deren Fälligkeit und Einziehbarkeit keinen Einfluß. Einer förmlichen Zustellung der vollstreckbaren Kostenrechnungen bedürfe es vor der Zwangsvollstreckung nicht.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Beschwerde des Schuldners dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat durch den angefochtenen Beschluß eine Entscheidung abgelehnt und dazu in den Gründen, auf die wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird, ausgeführt, bei dem vom Schuldner eingelegten Rechtsmittel handele es sich um eine Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO, über die das Amtsgericht zu entscheiden habe. Die Durchsuchungsanordnung vom 19.04.1983 stelle eine Vollstreckungsmaßnahme und keine Entscheidung im Sinne des § 793 ZPO dar, da der Schuldner zuvor nicht gehört worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Beschluß, der dem Schuldner nicht förmlich zugestellt worden ist, richtet sich seine weitere sofortige Beschwerde vom 16.09.1983. Er wiederholt sein Vorbringen aus der Beschwerdeinstanz und macht außerdem geltend, er habe die Durchsuchung seiner Wohnung gar nicht verweigert. Bei seinem in dem Erledigungsbericht des Vollstreckungsbeamter genannten "Vertreter" handele es sich um seinen Nachbarn. Dieser sei nicht befugt gewesen, für ihn irgendwelche Erklärungen abzugeben und habe dies auch nicht getan. Bei seinem gegen die Durchsuchungsanordnung eingelegten Rechtsmittel handele es sich nicht um eine Vollstreckungserinnerung, sondern um eine sofortige Beschwerde, über die das Landgericht habe entscheiden müssen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Gläubigerin wiederholt ebenfalls ihr Vorbringen aus der Beschwerdeinstanz und macht außerdem geltend, wenn der Schuldner die Verfahrensweise des Vollstreckungsbeamter rügen wolle, so müsse er dies im Wege der Vollstreckungserinnerung tun.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst allen Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die gem. § 793 ZPO statthafte und gem. §§ 569 Abs. 2, 577 Abs. 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegte weitere sofortige Beschwerde des Schuldners ist zulässig. § 568 Abs. 2 ZPO steht der Zulässigkeit nicht entgegen, da die angefochtene Entscheidung des Landgerichts für den Schuldner einen neuen selbständigen Beschwerdegrund enthält, da das Landgericht eine Entscheidung überhaupt abgelehnt hat (vgl. Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 42. Aufl., § 568 Anm. 2 B b).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die weitere sofortige Beschwerde ist auch begründet. Das Landgericht hätte es nicht ablehnen dürfen, über die Beschwerde des Schuldners vom 02.08.1983 überhaupt zu entscheiden. Dabei handelt es sich nämlich nicht um eine Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO, sondern um eine sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO. Von einem Teil der Rechtsprechung und Literatur wird zwar die Ansicht vertreten, gegen eine ohne vorherige Anhörung des Schuldners erfolgte Durchsuchungsanordnung nach § 758 ZPO finde nur die Vollstreckungserinnerung statt, da mangels Beteiligung des Schuldners keine Entscheidung im Sinne des § 793 ZPO, sondern eine die Zwangsvollstreckung ermöglichende Maßnahme gem. § 766 ZPO vorliege (so Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 42. Aufl., § 758 Anm. 5; Peters, Festschrift für Baur, S. 549 (560); Behr DGVZ 1980 49 (59 FN 96); für § 761 ZPO auch OLG Stuttgart NJW 1970, 1329; Noack MDR 1973, 549 (550)). Auch findet sich in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung, bei der Durchsuchungsanordnung bzw. der Erlaubnis der Vollstreckung zur Nachtzeit und an Sonn- und Feiertagen handele es sich noch gar nicht um Entscheidungen im Rahmen der Zwangsvollstreckung, sondern um Verfügungen, die dieser vorausgingen, so daß als Rechtsmittel insoweit - allenfalls - die einfache Beschwerde nach § 567 ZPO gegeben sei (so Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 761 Anm. B I und II; Stein-Jonas-Münzberg, ZPO, 19. Aufl., § 761 Anm. I).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Senat vermag diese Ansichten aber nicht zu teilen. Entscheidungen nach §§ 758 Abs. 1 und 761 Abs. 1 ZPO ergehen, wie der erkennende Senat bereits in seinem nicht veröffentlichen Beschluß vom 12.06.1981 - 14 W 27/81 - ausgeführt hat, nicht im Vorraum der Zwangsvollstreckung, sondern im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Ein Antrag auf Genehmigung der Durchsuchung der Wohnung des Schuldners zum Zwecke der Zwangsvollstreckung ist erst zulässig wenn der Schuldner mit der Durchsuchung nicht einverstanden ist oder der Gerichtsvollzieher ihn nicht angetroffen hat, d.h. ein Vollstreckungsversuch erfolglos verlaufen ist (vgl. LG Berlin DGVZ 1979 166; LG Berlin DGVZ 1980, 86 (87); LG Köln DGVZ 1979, 183; LG Hannover DGVZ 1979, 184; LG München JurBüro 1980, 775 f.; Schneider NJW 1980, 2377 (2382)). Darüber hinaus wird das Zwangsvollstreckungsverfahren durch eine Durchsuchungsanordnung gem. § 758 Abs. 1 ZPO in besonderer Weise ausgestaltet. Es handelt sich daher um eine Entscheidung im Zwangsvollstreckungsverfahren, gegen die die sofortige Beschwerde gem. § 793 ZPO und nicht die einfache Beschwerde gem. § 567 ZPO gegeben ist.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">§ 766 ZPO greift insoweit entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht ein, da es sich bei der Durchsuchungsanordnung nach § 758 Abs. 1 ZPO nicht um eine Vollstreckungsmaßnahme, sondern um eine gerichtliche Entscheidung unter rechtlicher und tatsächlicher Würdigung des Sachverhalts, handelt. Eine Durchsuchungsanordnung tangiert das Grundrecht des Schuldners aus Art. 13 Abs. 1 GG. ... Das Amtsgericht hat daher zu prüfen, ob die beantragte Anordnung nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt und deshalb unterbleiben muß (BVerfG NJW 1979, 1539 (1540); OLG Stuttgart NJW 1970, 1329; LG Frankfurt DGVZ 1980, 23 f.; LG Trier DGVZ 1981, 13; Dürig in Maus-Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 63).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Dabei hat es gerade auch die Belange des Schuldners zu berücksichtigen. Deshalb bedarf es grundsätzlich der vorherigen Anhörung des Schuldners, der Gelegenheit erhalten soll, durch Geltendmachung seiner Belange auf die gerichtliche Entscheidung Einfluß zu nehmen (BVerfG NJW 1981, 2111 (2112)). Wenn ihm diese Möglichkeit eingeräumt worden ist, handelt es sich bei der Durchsuchungsanordnung nach § 758 Abs. 1 ZPO zweifelsfrei um eine Entscheidung. (so auch Baumbach Lautterbach - Albes-Hartmann, ZPO 42. ff., § 758 bzw. 5; Peter, Festschrift für Baur, S. 549/560). Behr DGVZ 1980, 49 (59)). Gleiches muß im Ergebnis aber auch dann gelten, wenn die vorherige Anhörung des Schuldners - unzulässig erweise oder gerechtfertigt durch besondere Umstände - unterblieben ist. Der Charakter der Anordnung nach § 758 Abs. 1 ZPO hängt nämlich nicht entscheidend davon ab, ob der Schuldner zuvor gehört worden ist oder nicht. Auch wenn dies nicht geschehen ist, hat das Gericht stets über die Verhältnismäßigkeit, der beantragten Durchsuchungsanordnung zu entscheiden und dabei die Belange des Schuldners zu berücksichtigen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dazu sei es mangels Beteiligung des Schuldners gar nicht in der Lage. Vielfach sind dem Gericht die Weigerungsgründe des Schuldners nämlich, bekannt, da er bereits dem Gerichtsvollzieher erklärt hat, weshalb er mit einer Durchsuchung seiner Wohnung nicht einverstanden sei. Außerdem ist die Situation des Gerichts, das ohne vorherige Anhörung des Schuldners über eine Antrag nach § 758 Abs. 1 ZPO entscheidet, nicht wesentlich anders als die Lage, in der sich das Gericht befindet, wenn der Schuldner dem Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist, sich nicht äußert. Der Senat ... wertet daher Anordnungen nach § 758 Abs. 1 ZPO wegen der Notwendigkeit, stets über die Verhältnismäßigkeit des begehrten Eingriffs in den grundgesetzlich geschützten Rechtsbereich des Schuldners zu befinden, stets als Entscheidungen im Sinne des § 793 ZPO, gegen die die sofortige Beschwerde stattfindet (ebenso LG Koblenz DGVZ 1982, 91; Stein-Jonas-Münzberg, 20. Aufl., § 761 Rdn. 3; Zöller-Scherübl, ZPO, 13. Aufl., § 758 Anm. V 1; Thomas-Putzo, 12. Aufl., § 761 Anm. 2 d; Schneider NJW 1980, 2377 (2385); für den Fall der Ablehnung der beantragten Anordnung auch OLG Köln Rpfl. 1976, 24 (25); LG Köln DGVZ 1979, 183; LG Berlin DGVZ 1979, 166 (167); LG Berlin Rpfl. 1981, 444; LG München JurBüro 1980, 776; LG Trier DGVZ 1981, 13; Mümmler JurBüro 1980, 185 (191)).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hätte daher über die ihm vorgelegte sofortige Beschwerde des Schuldners vom 02.08.1983 entscheiden müssen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Da es eine Entscheidung insoweit überhaupt abgelehnt hat, war der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung gem. § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO analog an das Landgericht zurückzuverweisen. Eine abschließende Entscheidung durch den Senat kommt nicht in Betracht, da es in einer Vorentscheidung, des Landgerichts über die sofortige Beschwerde des Schuldners überhaupt fehlt. In der Insoweit nachzuholenden Entscheidung hat das Landgericht auch über die Kosten des weiteren Beschwerdeverfahrens zu entscheiden.</p>
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} | 20a S 106/83 | 1983-11-25T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:07 | 2019-03-27T09:42:24 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1983:1125.20A.S106.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16. Mai 1983 verkündete Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf - 39 C 6o2/82 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:</p>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7o9,33 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14. Oktober 1982 zu zahlen.</p>
<p>Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen, die weitergehende Klage abgewiesen.</p>
<p>Von den erstinstanzlichen Kosten tragen der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3. Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3-</p>
<p>Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 ZPO abgesehen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Beklagten ist zulässig und zum Teil begründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Unfallschadens gemäß § 7 Abs. 1 StVG in Höhe von 7o9,33.DM zu.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Unfall war für die Beklagte nicht unabwendbar im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG. Vielmehr steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass sie mit ihrem Fahrverhalten gegen §§ 4 Abs. 1 S. 2 und 7 Abs. 4 S. 2 StVO verstoßen hatte. Nach der Bekundung des Zeugen XXX hatte die vor ihm auf der rechten Fahrspur der Rheinkniebrücke in Richtung Rheinallee-Tunnel fahrende Beklagte scharf gebremst, um in eine Lücke der sich auf der linken Fahrspur befindenden Fahrzeugschlange einzufahren. Diesen beabsichtigten Fahrstreifenwechsel hatte sie nach der weiteren Aussage nicht zuvor durch Blinkzeichen angekündigt. Diese Aussage ist glaubhaft. Sie stimmt überein mit den Angaben des Zeugen, welche er ausweislich der Bußgeldakte des Oberstadtdirektors der Stadt Düsseldorf - V 523-4-677-O-SB 1o - unmittelbar nach dem Unfall gegenüber dem unfallaufnehmenden Polizeibeamten gemacht hatte. Diesem hatte er erklärt, "Die Frau ging stark in die Bremse". Für die Richtigkeit der Zeugenaussage spricht auch die von der Beklagten selbst in erster Instanz gegebene Unfallschilderung. Danach war sie mit einer um ca. 2o km/h höheren Geschwindigkeit an dem sich auf der linken Fahrspur befindenden Fahrzeugstau vorbeigefahren und hatte, als sie eine Lücke entdeckte, ihr Fahrzeug abgebremst. Diese Unfallschilderung der Beklagten weicht damit im wesentlichen nur hinsichtlich der Intensität des Bremsvorganges von den Angaben des Zeugen ab. Bedenken, den Angaben des Zeugen den Vorzug zu geben, bestehen nicht. Die Aussage des Zeugen ist im wesentlichen Kern in sich schlüssig und nachvollziehbar. Soweit er im weiteren Verlauf seiner Vernehmung bekundet hat, die Fahrzeuge auf der linken Fahrspur seien fast mit der gleichen Geschwindigkeit wie die auf der rechten Fahrspur gefahren, kann dem keine größere Bedeutung beigelegt werden. Zuvor hatte der Zeuge unmissverständlich angegeben, hinsichtlich der Geschwindigkeit auf der linken Spur könne er keine Angaben machen. Zudem steht bereits aufgrund des übereinstimmenden Parteivortrages erster Instanz fest, dass sich auf der linken Fahrspur eine Fahrzeugschlange mit einer Geschwindigkeit von lediglich 3o km/h vorwärts bewegte. Bei diesen Gegebenheiten ist aber das von dem Zeugen bekundete starke Abbremsen der mit c. 5o-6o km/h vorausfahrenden Beklagten, um nach links herüber in eine Lücke einzuscheren, in sich schlüssig. Das danach als erwiesen anzusehende starke Abbremsen der Beklagten war nicht durch einen zwingenden Grund im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 2 StVO gerechtfertigt. Ein solcher liegt nur in Fällen einer plötzlichen ernsten Gefahr vor (vgl. OLG Düsseldorf VM 1975, 7). Eine solche war nicht gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Bei der gemäß § 17 StVG erforderlichen Abwägung erscheint eine Haftungsverteilung von 2/3 zu Lasten des Klägers und 1/3 zu Lasten der Beklagten gerechtfertigt. Auch der Kläger haftet für die Unfallfolgen gemäß § 7 Abs. 1 StVG, da der Unfall für ihn kein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG darstellte. Vielmehr trifft ihn ein erhebliches unfallursächliches Verschulden. Er war auf den vorausfahrenden Zeugen XXX aufgefahren, der entweder bereits ebenfalls auf das Fahrzeug der Beklagten aufgefahren war oder aber durch den Aufprall des Klägers auf den PKW der Beklagten geschoben wurde. Fährt aber ein Verkehrsteilnehmer auf ein vorausfahrendes Fahrzeug auf, so ist nach den Regeln des Beweises des ersten Anscheines ein unfallursächliches Verschulden anzunehmen, weil der Auffahrende entweder keinen genügenden Abstand eingehalten oder aber zu spät gebremst hatte (vgl. hierzu Frankfurt, VersR 1973, 719, 72o; OLG Stuttgart, VersR 45, 243).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Diesen Anschein eines ihn treffenden Verschuldens hat der Kläger nicht ausgeräumt. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gebietet es, gemäß § 4 Abs. 1 StVO zu dem vorausfahrenden Verkehrsteilnehmer einen hinreichenden Sicherheitsabstand einzuhalten und den weiter vorausfahrenden Verkehr sorgfältig zu beobachten. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Kläger bei Beachtung dieser Sorgfalt nicht das Abbremsen der Beklagten hätte rechtzeitig erkennen und hierauf reagieren können. Nach der Aussage des Zeugen Becker hätte dieser ohne das Auffahren des Klägers seinen PKW noch hinter dem Wagen der Beklagten anhalten können oder wäre zumindest nur leicht auf diesen aufgefahren. Hätte der hinter dem Zeugen fahrende Kläger zu diesem einen hinreichenden Sicherheitsabstand eingehalten und die vorausfahrende Beklagte sorgfältig beobachtet, so hätte für den Kläger erst recht ein Anhalten möglich sein müssen. Bei einem unverzüglich nach Aufleuchten der Bremslichter am Beklagtenfahrzeug eingeleiteten Abbremsen hätte ihm eine hinreichende Bremsstrecke zur Verfügung gestanden. Dieses nach dem Beweis des ersten Anscheins feststehende unfallursächliche Verschulden hatte die von dem PKW des Klägers ausgehende Betriebsgefahr erheblich gesteigert. Die Vorschriften über den Sicherheitsabstand dienen dazu, eine der häufigsten Ursachen von Straßenverkehrsunfällen zu vermeiden. Dabei liegt die Verantwortung in erster Linie bei dem nachfolgenden Verkehrsteilnehmer, der den Vorausfahrenden weitaus besser beobachten kann als umgekehrt der Vorausfahrende den Nachfolgenden. Aus diesem Grunde ist es gerechtfertigt, den Haftungsanteil des Auffahrenden doppelt so hoch wie den des Vorausfahrenden zu bewerten, der ohne verkehrsgemäßen Grund plötzlich bremst (vgl. hierzu KG VM 1976, 60).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Entsprechend dieser Haftungsverteilung kann der Kläger Ersatz seines Unfallschadens in Höhe von 7o9,33 DM verlangen. Nach dem mit der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils beträgt der Unfallschaden des Klägers insgesamt 2.128,— DM. Ein Drittel hiervon macht den oben ausgeworfenen Betrag aus.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 291, 288 BGB begründet.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.064,-- DM</p>
|
315,716 | olgk-1983-11-24-7-u-6382 | {
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} | 7 U 63/82 | 1983-11-24T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:09 | 2019-03-27T09:42:24 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1983:1124.7U63.82.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>a) das am 9. Dezember 1981 verkündete Teilurteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 14 0 557/79 - Aufgehoben, soweit die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen worden ist; insoweit wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Ent­scheidung an das Landgericht zurück­verwiesen;</p>
<p></p>
<p>b) unter teilweiser Abänderung des ange­fochtenen Urteils der Beklagte zu 2) verurteilt, an den Kläger 10.000,-- DM (statt der vom Landgericht zuerkannten 100.00O,-- DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 29. August 1979 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>2. die Berufung des Beklagten zu 2) gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>3. Der Beklagte zu 2) trägt seine eigenen außer­gerichtlichen Kosten beider Instanzen selbst.</p>
<p></p>
<p>Im übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits - auch die des Berufungsverfahrens - dem Schlußurteil des Landgerichts vorbehalten.</p>
<p></p>
<p>4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten zu 2) wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 180.000,-- DM abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung kann auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse erfolgen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der am 10.11.1939 geborene Kläger erkrankte Anfang November 1978 an einem fieberhaften Infekt der Atemwege. Seine Körpertemperatur betrug am 13.11.1978 40,2°. In­folge der eingeleiteten ärztlichen Behandlung sank die Temperatur auf etwa 36° sowohl am Morgen des 14., als auch des 15.11.1978. Jedoch traten am Morgen des 15.11.1978 Verwirrtheitszustände auf. So behauptete der Kläger gegenüber seiner Ehefrau, aus Decken und Wänden käme Feuer, Rauch, Ruß und Wasser, überall ständen die kleinen Männer mit den großen Messern. Die hinzugerufene Hausärztin verabreichte zwei Injektionen (Haldol und Atosil). Da diese den Kläger nicht beruhigten, wurde er am Vormittag dieses Tages in das Krankenhaus C1, dessen Träger die Beklagte zu 1) ist, ein­gewiesen, u.a. mit der von der Hausärztin gestellten Diagnose "beginnendes Delirium" (Bi. 37 GA). Er wurde in die innere Abteilung aufgenommen, deren Chefarzt der Beklagte zu 2) ist (dieser behandelte auch den Kläger); der Beklagte zu 2) besitzt außer der Facharzt­anerkennung für innere Krankheiten die für Neurologie und Psychiatrie. Im Anamnesebogen der Krankengeschichte ist unter "Vorgeschichte: Jetzige <em>Krankheiten und </em>Beschwerden" u.a. folgendes festgehalten (B1, 13 GA):</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">"Seit Montagmorgen (scil.: der Einweisungstag 15.11.1978 war ein Mittwoch) 40,2°C Fieber zu Hause rectal gemessen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Dienstag: 36 °C rectal gemessen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Seit Mittwochmorgen plötzlich Verwirrtheit, optische Halluzinationen. Paranoide Züge</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">(„Die Kleinen werfen mit Steinen ... So Große stehen da, die haben Messer ... Die Decke (des Zimmers) ist schief.")</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Nervöses Erschöpfungs-Syndrom. Patient ist zur Person und zeitlich orientiert, nicht aber räumlich. Klare Bewußtseinszustände wechseln mit Zuständen der Benommenheit."</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Kläger wurde in einem Zimmer im ersten Obergeschoß des Krankenhauses untergebracht, dessen Fenster nicht gesichert waren. Vor dem Fenster befand sich ein eben- falls ungesichertes Flachdach mit einer Höhe von ca. 6 m gegenüber dem Erdboden. Außer dem Kläger waren drei Mitpatienten in dem betreffenden Zimmer untergebracht; davon waren zwei Aufsteh-Patienten. Gegen 12°° Uhr und 18°° Uhr erhielt der Kläger jeweils 5 Tropfen Haldol und 15 Tropfen Atosil. Trotzdem traten auch im weiteren Verlauf des Tages mehrfach Verwirrtheitszustände auf; über deren Schweregrad herrscht Streit. Unstreitig ist dagegen, daß beim Kläger ein alkoholisches Delir be­stand <em>(s. </em>Seite 2 des Schriftsatzes der Beklagten vom 15.10.1981, Bl. 166 GA). Maßnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Klägers wurden nicht ge­troffen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Um 20°° Uhr erhielt der Kläger 4 Kapseln Distraneurin zwecks Ruhigstellung. Nachdem er gegen 21°° Uhr die Toilette aufgesucht hatte, kehrte er in sein Kranken­zimmer zurück, rückte einen Stuhl an das Fenster, stieg von diesem auf das Flachdach und stürzte von diesem auf den Erdboden. Dabei erlitt er eine Fraktur des 12. Brust­wirbels und Frakturen beider Fersenbeine. Verletzungsfolge ist eine komplette Querschnittslähmung ab dem dritten Lendenwirbel sowie eine inkomplette ab dem ersten Lenden­wirbel mit Blasen- und Mastdarmlähmung. Der Kläger ist nicht mehr in der Lage, den Geschlechtsverkehr auszu­üben. Er wird zeitlebens auf die Benutzung eines Roll­stuhls angewiesen sein.</p><span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Als der Beklagte zu 2), der ihn noch an der Unfallstelle behandelte danach fragte, warum er das Flachdach be­treten habe, erklärte der Kläger, er habe nachsehen wollen, ob "dahinten die Kumpel noch Skat spielen".</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger nimmt beide Beklagte auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 150.000,- DM in Anspruch. Er hat vorgetragen, der Beklagte zu 2) habe die Gefahr, in der er, Kläger, sich aufgrund des Delirs befunden habe, unterschätzt und deshalb Sicherungsmaßnahmen, die objektiv geboten gewesen seien, nicht getroffen. Seine Ehefrau habe bei der Krankenhausaufnahme in allen Einzelheiten sein Verhalten vor der Einweisung geschil­dert, insbesondere auf die Halluzinationen hingewiesen und darauf, daß sich der Zustand trotz der zwei von der Hausärztin verabreichten Beruhigungsspritzen ver­schlimmert habe. Im Laufe des Tages sei eine weitere Verschlechterung in seinem Zustand eingetreten - inso­weit wird insbesondere verwiesen auf die Darstellung Seite 3, 4 des Schriftsatzes vom 17.1.1980 (Bl. 31, 32 GA). Da die verabreichten Medikamente offenbar nicht ausreichend gewesen seien, um ihn ruhigzustellen, hätte der Beklagte zu 2) andere Maßnahmen zu seinem Schutz er­greifen müssen - intensivere Überwachung, notfalls Fesselung ans Bett oder, falls solche Schutzmaßnahmen im Krankenhaus der Beklagten zu 1) nicht durchführbar gewesen seien, Überweisung in ein anderes Krankenhaus. Jedenfalls sei es völlig verfehlt gewesen, ihm, Kläger, trotz der aufgetretenen Verwirrtheitszustände Bewegungs­freiheit zu lassen und ihn in einem Zimmer unterzubringen, das unmittelbar an ein Flachdach mit beträchtlicher Höhe gegenüber dem Erdboden grenzte. Eine etwaige Beobachtung durch Mitpatienten sei jedenfalls keine ausreichende Schutzmaßnahme gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">an ihn 150.000,-- DM nebst 8 % Zinsen seit dem 29.8.1979 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Sie haben vorgetragen, infolge der medikamentösen Behand­lung sei der gesamte Zustand des Klägers während seines stationären Aufenthalts am 15.11.1978 so harmlos gewesen, daß ihm eine gewisse Freizügigkeit und das Aufsuchen von Bereichen, in denen sich Aufsteh-Patienten üblicherweise aufzuhalten pflegten, habe gestattet werden können.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Es sei nicht richtig, daß die Verwirrtheitszustände im Laufe des Tages ständig zugenommen hätten. Nach dem Krankheitsbild sei mit einem Unfall der eingetretenen Art nicht zu rechnen gewesen. Durch die Anwesenheit von Mitpatienten sei für eine gewisse kontinuierliche Beobachtung gesorgt worden. Da keine besonderen Auffälligkeiten bestanden hätten, sei eine ständige Beauf­sichtigung, etwa durch die Nachtschwester, nicht geboten gewesen, erst recht keine Fixierung ans Bett mittels Riemen oder gar eine Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung eines anderen Krankenhauses. Die vom Beklagten zu 2) eingeleitete Initialbehandlung des Deliriums sei richtig, eine stärkere Sedierung in Anbetracht des Infekts (angeblich Lungenentzündung) des Klägers zu gefährlich gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Schließlich haben die Beklagten behauptet, der Unfall hätte sich auch dann ereignet, wenn der Kläger intensiver beobachtet worden wäre. Er sei so schnell und ziel­strebig auf das Flachdach gestiegen, daß ein recht­zeitiges Eingreifen unmöglich gewesen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat durch Vernehmung von Zeugen sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben. Es wird Bezug genommen auf die Sitzungsnieder­schriften vom 2.4.1980 (B1. 82 ff. GA), 9.7.1930 (Bl. 102 GA) und 17.9.1980 (Bl. 111 ff. GA) sowie auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T vom 19.6.1981 (B1. 140 ff. GA).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten haben gegen das Gutachten des Prof. Dr. T unter Bezugnahme auf ein von ihnen einge­holtes Privatgutachten des Prof. Dr. C vom 31.8.1981, auf dessen Inhalt verwiesen wird (Bl. 175 ff. GA) sachliche Einwendungen erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Mit dem angefochtenen Teilurteil, das dem Kläger am 29.12.1981, den Beklagten am 30.12.1981 zugestellt worden ist, hat das Landgericht den Beklagten zu 2) zur Zahlung von 100.000,-- DM nebst Zinsen verurteilt. Wegen des darüber hinaus verlangten Betrages von 50.000,-- DM nebst Zinsen hat es die Klage gegen beide Beklagte abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Beklagte zu 2) habe fahrlässig die sich aus dem deliranten Zustand des Klägers ergebenden Gefahrenmomente nicht erkannt oder unterschätzt und deshalb Maßnahmen, die zum Schutz des Klägers erforderlich gewesen seien, unter­lassen; dessen Unterbringung in einem Zimmer vor einem ungesicherten Flachdach sei gefährlich gewesen; die sich aus dieser Unterbringung ergebenden Gefahren hätte der Beklagte zu 2) berücksichtigen müssen. Es komme jedoch nur ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000,-- DM in Betracht, u.a. deshalb, weil das Verschulden des Beklagten zu 2) nicht gravierend sei; insoweit, d.h. wegen des 100.000,-- DM übersteigenden Betrages, hat das Landge­richt dementsprechend eine Haftung auch der Beklagten zu 1) verneint; im übrigen hat es insoweit eine weitere Sachaufklärung für erforderlich gehalten.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Sowohl der Kläger als auch der Beklagte zu 2) haben gegen das vorgenannte Urteil Berufung eingelegt, der Kläger am 14.1.1982, der Beklagte zu 2) am 29.1.1982. Nach entsprechender Fristverlängerung haben sie ihre Rechtsmittel am 15.3.1982 (einem Montag) bzw. 13.4.1982 (Dienstag nach Ostern) begründet.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanz­liches Vorbringen, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob der Beklagte zu 2) hinreichenden Anlaß hatte, Siche­rungsmaßnahmen bezüglich des Klägers zu treffen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat ein von ihm eingeholtes Privatgutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. C2 vom 14.6.1982 vorgelegt und unter Bezugnahme hierauf geltend gemacht, der Beklagte zu 2) habe es unterlassen, einen Behandlungsplan aufzustellen; die tagsüber verabreichten Medikamente (Atosil und Haldol) seien in der Dosierung viel zu niedrig angesetzt gewesen. Ein Wirkungseintritt der gegen 20°° Uhr verabreichten 4 Distraneurin sei erst nach 20 - 60 Minuten zu erwarten gewesen; außerdem sei wegen unterschiedlicher Resorptionsverhältnisse bei deliranten Patienten eine Wirkung dieses Medikaments nicht im vorhinein sicher gewesen; offenkundig sei zur Zeit des Unfalls ja auch noch keine sedierende Wir­kung aufgrund des verabreichten Distraneurin eingetreten; jedenfalls bis zum Eintritt der - erstrebten, aber nicht sicheren - sedierenden Wirkung sei eine intensive pflegerische Beobachtung notwendig gewesen; wäre diese erfolgt, hätte es nicht zu dem Unfall kommen können. Wegen weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt des vorgelegten Gutachtens des Dr. C2 (Bl. 275 ff. GA).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Zur Schmerzensgeldhöhe behauptet der Kläger, sein Zustand habe sich zwischenzeitlich verschlimmert. Aufgrund der Blasenlähmung seien ständig Entzündungen aufgetreten.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Es werde deshalb operativ ein künstlicher Blasenausgang geschaffen werden müssen. Er müsse eine Vielzahl von Medikamenten einnehmen. Nach wie vor sei er nicht schmerzfrei. An eine berufliche Umschulung sei auf Jahre hinaus nicht zu denken.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Schließlich macht der Kläger geltend, das verlangte Schmerzensgeld von 150.000,-- DM - statt der vom Land-gericht zuerkannten 100.000,-- DM - sei auch mit Rück­sicht auf den Verschuldensgrad auf Seiten des Beklagten zu 2) angemessen; entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen Ansicht sei diesem nicht nur leichte Fahr­lässigkeit vorzuwerfen. Ergänzend wird insoweit auf die Ausführungen Seite 3 - 5 der Berufungsbegründung (B1. 236 - 238 GA) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">die Berufung des Beklagten zu 2) zurückzuweisen und auf seine, des Klägers, Berufung unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu 2) zu verurteilen, an ihn 150.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. August 1979 zu zahlen, sowie das Urteil aufzuheben, soweit die weitergehende (d.h. die über den Betrag von 100.000,-- DM hinaus­gehende) Klage gegenüber der Beklagten, zu 1) abgewiesen worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Beide Beklagte beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">die Berufung des Klägers zurückzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">vorsorglich, ihnen zu gestatten, Sicherheit auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffent­lichen Sparkasse leisten zu können.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 2) beantragt ferner,</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">unter teilweiser Abänderung des angefochtenen</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Urteils die gegen ihn gerichtete Klage in vollem Umfang abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Über ihr erstinstanzliches Vorbringen hinaus bestreiten sie die Verwertbarkeit des vom Landgericht eingeholten Gutachtens des Prof. Dr. T mit der Begründung, gemäß Beschluß vom 16.12.1980 (B1. 130, 131 GA) sei Prof. Dr. I (Direktor der Universitäts-Nervenklinik und Poliklinik C3, an der seinerzeit auch Prof. Dr. T tätig war) zum Sachverständigen bestellt worden; dieser habe jedoch - das trifft zu - das Gut­achten vom 19.6.1981 nicht mitunterzeichnet.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks"> In der Sache selbst machen die Beklagten geltend, außer der medikamentösen Behandlung seien keine weiteren Sicherungsmaßnahmen erforderlich gewesen. Jedenfalls die gegen 20°° Uhr verabreichten 4 Distraneurin hätten - zumindest im Zusammenwirken mit dem schon vorher verabreichten Atosil und Haldol - zur Ruhigstellung ausgereicht. Zur Unfallzeit gegen 21°° Uhr - hätte die sedierende Wirkung längst eingetreten sein müssen. Kurz vor dem Unfall habe der Kläger außerhalb seines Zimmers noch mit der diensthabenden Ärztin Frau Dr. P gesprochen; dabei habe er nicht desorientiert gewirkt und es habe kein Anzeichen für eine so un­sinnige Handlung gegeben, wie sie der Kläger kurz darauf alsdann vorgenommen habe. Im übrigen sei der Kläger nach Rückkehr in sein Zimmer so schnell auf den Stuhl und von diesem durch das Fenster auf das Flachdach gestiegen, daß ein Eingreifen unmöglich gewesen sei, der Unfall deshalb auch im Falle ständiger Beobachtung durch eine Pflegerin bzw. einen Pfleger nicht zu ver­hindern gewesen wäre </p><span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Mit Beschluß vom 12.7.1982 hat der Senat den Beklagten aufgegeben, u.a. dazu Stellung zu nehmen, ob der Kläger in einem Zimmer im Erdgeschoß hätte untergebracht werden können und aus weichem Grund kein Anlaß gesehen worden sei, die Ehefrau des Klägers zu bitten, bis zum Eintritt der sedierenden Wirkung der verabreichten Medikamente am Bett ihres Mannes Wache zu halten. Mit Schriftsatz vom 13.8.1982 (B1. 326, 327 GA) haben die Beklagten hier­zu geltend gemacht, eine gefahrlosere Unterbringung des Klägers sei - wegen der Hanglage des Krankenhauses - auch im Erdgeschoß nicht möglich gewesen. Die Ehefrau des Klägers hätte, wenn sie bei diesem geblieben wäre, gegen 2000 Uhr das Krankenzimmer verlassen müssen, da zu dieser Zeit die Nachtschicht ihren Dienst begonnen habe, ferner mit Rücksicht auf die drei anderen männlichen Patienten im Krankenzimmer ein längerer Besuch der Ehe­frau nicht hätte in Kauf genommen werden können.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat eine ergänzende Begutachtung durch Prof. Dr. T angeordnet. Es wird insoweit verwiesen auf dessen Ergänzungsgutachten vom 25.3.1983 (B1. 313 ff. GA).</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten haben Einwendungen gegen dieses Gutachten erhoben und sich dabei auf eine von ihnen eingeholte gutachtliche Stellungnahme des Prof. Dr. C vom 20.6.1983 (B1. 338 ff. GA) gestützt, auf deren Inhalt verwiesen wird.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Im Termin vom 24.10.1983 hat der Sachverständige Prof. Dr. T sein Gutachten erläutert und zu Fragen des Gerichts der Parteien sowie _ des von den Beklagten zu ihrer Unterstützung hinzugezogenen Prof. Dr. C Stellung ge­nommen. Auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls (B1. 347 - 349 GA) wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Beide Berufungen sind zulässig. Nur die des Klägers hat Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 2) ist gemäß §§ 823, 847 BGB zur Zah­lung von Schmerzensgeld verpflichtet, weil er als be­handelnder Arzt des Klägers schuldhaft - wenn auch nicht ­grob fahrlässig - Sicherungsmaßnahmen unterlassen hat, die den Unfall vermieden hätten.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Unstreitig lag beim Kläger ein alkoholisches Delir vor. Der Sachverständige Prof. Dr. T hat Seite 9 seines Gutachtens vom 19.6.1981 (B1. 148 GA) überzeugend dargelegt, es sei bei einem deliranten Zustand der hier in Rede stehenden Art geradezu typisch, daß der Bewußtseinsspiegel des Patienten sehr rasch schwanken könne. Von einem Augenblick zum andern könne sich der Grad der Orientierung entsprechend den Schwankungen der Bewußtseinslage ändern, ebenso die Aufmerksamtkeit, Auffassung, Stimmungslage und emotionale Ansprechbar­keit, die oft zwischen Extremen fluktuiere; ein Patient, der jetzt noch bewußtseinsklar wirke, könne sich kurze Zeit später in einem Zustand deliranter Bewußtseins­trübung befinden und sei nach Zeit und Ort unsicher orientiert oder völlig desorientiert, während die Orientierung hinsichtlich der persönlichen Daten oft noch intakt sei.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die Bedenken der Beklagten gegen die Verwertbarkeit dieses Gutachtens sind schon deshalb nicht stichhaltig, weil der Senat seinerseits Prof. Dr. T mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt und dieser so­dann seine früheren Ausführungen bestätigt hat, und zwar jetzt unter Berücksichtigung auch der ihm erst nach Erstattung seines früheren Gutachtens bekannt gewordenen tatsächlichen Umstände, als da sind:</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">a)    Art der medikamentösen Therapie.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">b)    Der Beklagte zu 2) ist nicht nur Facharzt für innere Krankheiten, sondern auch für Neurologie und Psychiatrie.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">c)    Zwei der in demselben Zimmer untergebrachten Mit­patienten waren nicht bettlägerig.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus ist die Rüge bezüglich der Verwertbarkeit des Gutachtens des Prof. Dr. T vom 19.6.1981 gemäß § 295 ZPO ausgeschlossen, weil die Beklagten in der Schlußverhandlung erster Instanz vom 28.10.1981, ohne Widerspruch gegen die Verwertung des Gutachtens zu erheben, mündlich verhandelt haben (Sitzungsproto­koll Bl. 185 G). Bei dieser Verhandlung lag das betreffende Gutachten vor. Es war selbstverständlich, daß das Gericht es verwerten wollte, denn ansonsten hätte es alsbald nach Eingang des Gutachtens die Sache an den mit Beschluß vom 16.12.1980 zum Sachverständigen be­stellten Prof. Dr. I senden müssen. Stattdessen hatte das Landgericht den Parteien eine Frist zur Stellungnahme zum Gutachten gesetzt (B1. 150 R, 155 R, 157 R GA). Der - angebliche - Verfahrensfehler des Land­gerichts lag nicht erst in der Verwertung des Gutachtens im Urteil, also in einem der Verhandlung vom 28.10.1981 zeitlich nachfolgenden Umstand, sondern darin, daß das nicht vom beauftragten Sachverständigen stammende Gut­achten in den Prozeß eingeführt wurde. Dies war spätestens in der Verhandlung vom 28.10.1981 der Fall und hätte dort von den Beklagten gerügt werden müssen. Es ist unschädlich für die Anwendung des § 295 ZP0, daß der Ver­handlung vom 28.10.1981 keine weitere Verhandlung nach­folgte, sondern alsbald das Urteil verkündet wurde. Unter "nächster mündlicher Verhandlung" im Sinne des § 295 Abs. 1 ZPO ist nämlich auch diejenige im Anschluß an die Beweisaufnahme in demselben Termin zu verstehen; ein neuer Termin, ist nicht notwendig (vgl. BVerwG NJ W 1977, 313, 314). Davon abgesehen ist die Rüge gegen die Verwertung des in erster Instanz eingeholten Gutachtens des Prof. Dr. T unbeachtlich, weil sie auf leeren Formalismus hinausläuft. Mit Beschluß vom 24.9.1980 (B1. 118, 119 GA) hatte das Landgericht die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler um die Benennung eines geeigneten Sachverständigen gebeten. Die Ärztekammer Nordrhein, schlug daraufhin Prof. Dr. T als Sachverständigen vor (Bl. 124 GA). Diesem wurden die Akten zwecks Gutachtenerstattung übersandt (Bl. 127 GA). Nur mit Rücksicht auf die Mit­teilung der Universitäts-Nervenklinik und Poliklinik C3 vom 10.12.1980 (Bl. 129 GA), die Begutachtung solle durch den Direktor der Klinik Prof. Dr. I oder dessen Vertreter im Amt erfolgen, kam es alsdann zur Bestellung des Prof. Dr. I zum Sachverständigen. Deren Anlaß war also ersichtlich nichts weiter als die klinikinterne Regelung, der sich das Landgericht - ob zu Recht oder zu Unrecht, sei hier dahingestellt - gebeugt hat. Auch nach dem Schreiben der Klinik vom 10.12.1980 ("oder Vertreter im Amt') konnte letztlich kaum ein vernünftiger Zweifel darüber bestehen, daß Prof. Dr. T der Sachbearbeiter sein würde - er hatte das Schreiben in Vertretung für den Direktor der Klinik unterschrieben - und daß Prof. Dr. I, wenn überhaupt, dann "nur" das Gutachten mitunterzeichnen würde.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Ansicht Prof. Dr. T, bei einem Alkohol­delir sei es typisch, daß die Bewußtseinslage sehr rasch schwanke und der im einen Moment noch bewußtseins­klar wirkende Patient im nächsten zeitlich und örtlich unsicher orientiert oder völlig desorientiert sein und in diesem Zustand - ohne Selbstschädigungsabsicht -selbstschädigende Handlungen begehen könne, ist auch der von den Beklagten beauftragte Sachverständige Prof. Dr. C in seinen Gutachten vom 31.8.1981 und 20.6.1983 sowie im Senatstermin vom 24.10.1983 nicht entgegengetreten. Im Gegenteil hat er - bezogen auf den konkreten Fall - einen wechselnden Zustand der Bewußtseinstätigkeit und eine ebenfalls wechselnd aus­geprägte notorische Unruhe des Klägers zugrunde gelegt <em>(S. </em>2 unten, 3 oben des Gutachtens vom 31.8.1981, Bl. 176, 177 GA). Es kommt nicht darauf an, daß er die hier in Rede stehende Fehlhandlung des Klägers als einen zwar "sicher in solchen Zuständen immer möglichen, aber sich auch in dieser Weise außergewöhnlich seltenen Vorgang" bezeichnet hat (S. 7 des Gutachtens vom 31.8.1981, Bl. 181 GA; s. ferner S. 3 des Gutachtens vom 20.6.1983, Bl. 340 GA), der ex ante so unwahrschein­lich erscheinen müßte, daß weder eine Einweisung des Klägers in ein psychiatrisches Krankenhaus noch dessen Fesselung geboten gewesen sei. Auch der Senat sieht keinen Fehler in dem Unterlassen der einen wie der anderen Maßnahme. Auf die Frage, ob es erwünscht oder unerwünscht ist, Alkoholdeliriker möglichst in psychia­trischen statt Allgemeinkrankenhäusern unterzubringen oder umgekehrt, kommt es nicht an; zumindest scheitert deren regelmäßige Unterbringung in geschlossenen oder halboffenen Anstalten an den tatsächlichen Möglichkeiten.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Daß die Überweisung des Klägers in ein psychiatrisches Krankenhaus oder dessen Fesselung zu seinem eigenen Schutz nicht geboten waren, daß ferner- auch davon geht der Senat zugunsten der Beklagten im Anschluß an deren Schriftsatz vom 13.8.1982 aus - dessen gefahrlosere Unterbringung im Krankenhaus C1 nicht <em>möglich </em>war, rechtfertigt bzw. entschuldigt aber nicht, daß der Beklagte zu 2) trotz der erkennbaren Gefahr einer Eigenschädigung den Kläger weitgehend sich selbst über-lassen hat, statt ihn bis zum Eintritt der sedierenden Wirkung des verabreichten Distraneurin unterlaufender Beobachtung zu halten. So harmlos war das tagsüber ge­zeigte Verhalten des Klägers keineswegs, daß man ihm eine gewisse Freizügigkeit und das Aufsuchen von Be­reichen gestatten konnte, in denen sich üblicherweise Aufstehpatienten aufzuhalten pflegen (so die Beklagten S. 2 ihres Schriftsatzes vom 18.12.1979, Bl. 24 GA), zumindest nicht ab dem späten Abend, da zum einen der Nachtdienst personell schwächer besetzt ist als der Tagesdienst, die gewissermaßen automatische Kontrolle durch das Krankenhauspersonal deshalb notwendig geringer ist, zum andern das Delirsyndrom sich im allgemeinen am späten Nachmittag und Abend verstärkt (Prof. Dr. T S. 2 des Sitzungsprotokolls vom 24.10.1983, Bl. 348 GA; S. 4 des Gutachtens des Dr. C2 vom 14.6.1982, Bl. 278 GA), mag auch - ex post betrachtet - aus den vor­liegenden Unterlagen über den Tagesablauf im konkreten Fall eine Verschlimmerung des Zustands gegen Abend hin nicht zu erkennen sein (so Prof. Dr. T, a.a.0.). Ob es schon fehlerhaft war, den Kläger tagsüber unbe­obachtet zu lassen und zu seiner Ruhigstellung nur 2 x 15 Tropfen Atosil und 5 Tropfen Haldol zu verab­reichen - eine Dosis, die sowohl der Sachverständige Prof. Dr. T (S. 4 unten des Ergänzungsgutachtens vom 25.3.1983, Bl. 316 GA) als auch Dr. C2 (S. 3 seines Gutachtens vom 14.6.1982, Bl. 277 GA) als unzu­reichend bezeichnet haben, - kann dahingestellt bleiben. Ein diesbezüglicher Fehlerhat sich nämlich nicht ausgewirkt, da der Unfall sich erst am späten Abend er­eignet hat, nachdem der Kläger wirksamere Sedativa - nämlich 4 Distraneurin - erhalten hatte. Aber bis zum Eintritt der sedierenden Wirkung dieser gegen 20°° Uhr gegebenen Medikämente hätte der Kläger unter ständiger Beobachtung gehalten werden müssen. Der diesbezüglichen Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. T (s. insbesondere S. 3 des Ergänzungsgutachtens vom 25.5.1985, Bl. 315 GA), die mit derjenigen des Dr. C2 übereinstimmt (S. 6 des Gutachtens vom 14.6.1982, Bl. 280 GA), schließt sich der Senat an. Den beiden Gut­achten des Prof. Dr. C vom 31.8.1981 und 20.6.1983 sind keine substantiellen Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß eine Sitzwache am Bett des Klägers bis zum Eintritt der sedierenden Wirkung bei der - maßgebenden - Betrachtung ex ante entbehrlich erschienen sei. Das gilt um so mehr deshalb, weil das Verhalten des Klägers während des Tagesverlaufs schon für sich genommen, also ohne Berücksichtigung der üb­licherweise eintretenden Verschlimmerung zum späten Nachmittag bzw. Abend hin, die hier angeblich nicht festzustellen war, zeigte, daß das Syndrom sich in sehr stark wechselnder Weise zeigte und vor dem Hinter- grund des ganzen Tagesablaufs klar sein mußte, daß es sich, bezogen auf die Fluktuation des in Erscheinung tretenden Syndroms, um einen recht schweren Fall handelte (Prof. Dr. T S. 2 des Sitzungsprotokolls vom 24.10.1985, Bl. 548 GA). Dieser Feststellung des Sachverständigen Prof. Dr. T hat Prof. Dr. C i Im Termin vom 24.10.1983 nicht wider­sprochen.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Der entsprechende Schweregrad - und daraus resultierend der Grad der Eigengefährdung des Klägers - wird bereits durch die Anamnese in der Krankengeschichte nahegelegt, in der es heißt (B1. 13 GA), der Patient sei zwar zur Person und zeitlich, nicht aber räumlich orientiert, klare Bewußtseinszustände wechselten mit Zuständen der Benommenheit. Auch die a.a.O. wiedergegebenen Halluzinationen ("die Kleinen werfen mit Steinen ... so Große stehen da, die haben Messer <strong>...“) </strong>sind recht massiv.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Auch die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme hat eine wechselnde Bewußtseinslage des Klägers und - während der Zeiten der Bewußtseinstrübung - erhebliche Wahnideen und teilweise auch Fehlhandlungen (ersichtlich als Folge zeitweise vorhandener räumlicher Desorientiertheit) ergeben.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Was die Zeit unmittelbar vor der Einlieferung ins Krankenhaus angeht, so haben die Schwiegermutter des Klägers und dessen Ehefrau über massive Halluzinationen berichtet (S. 6 unten, 8 unten, 9 des Sitzungsprotokolls vom 2.4.1980, Bl. 87, 89, 90 GA); diese sind dem Be­klagten zu 2) jedenfalls im wesentlichen bekannt geworden; sie haben nämlich ihren Niederschlag in der Anamnese (B1. 13 GA) gefunden. Auch während seiner stationären Unterbringung am 15.11.1978 war der Kläger zeitweise erheblich verwirrt. So äußerte er gegenüber der Zeugin Krankenschwester N, es fielen Steine aus der Wand (S. 2 unten des Sitzungsprotokolls vom 2.4.1980, Bl. 83 GA). Mehrfach machte sich der Kläger im Kranken­hausflur zu schaffen und wollte dort irgendwelche Kisten abladen (Bekundungen der Krankenschwester E und der Krankenpflegerin E2, S. 4, 5 des Sitzungsprotokolls vom 2.4.1980, BI. 85, 86 GA); dabei sah er offenbar seinen Lastwagen auf dem Krankenhausflur stehen (Zeugin E2 Bl. 86 oben). Es blieb beim Kläger also nicht bei Wahnideen und Halluzinationen, sondern er verhielt sich auch entsprechend diesen Trugbildern, nahm also im Zu­stand räumlicher Desorientierung Fehlhandlungen vor.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Weiter führte er imaginäre Telefongespräche bzw. suchtet diese von den unmöglichsten Orten aus zu .führen <img src="7_U_63_82_Urteil_19831124_3.png" alt="Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik." height="53" width="1" />(Bekundung der Zeugin B S. 6 des Sitzungsprotokolls vom 2.4.1980, Bl. 87 GA: Kläger schaute unter sein Bett und sagte, er müsse telefonieren; Bekundung des Zeugen N2 eines Mitpatienten des Klägers, S. 8 des Sitzungs­protokolls, Bl. 89 GA: Tat so, als telefoniere er; Bekundung des Zeugen S, ebenfalls Patient, Sitzungsprotokoll vom 9.7.1980, Bl. 102 R GA: Kläger führte von der Toilette aus ein vermeintliches Telefon­gespräch). Schließlich hat der Zeuge N2 (a.a.O. Bl. 89 GA) zusätzlich bekundet, der Kläger habe die Wände ab­geklopft und gefragt, wo der Schalter zum Gabelstapler sei. Anderen Zeugen fiel am Kläger dagegen nichts Besonderes auf; zeitweise konnte man sich mit ihm ganz vernünftig unterhalten. Hierin kommt die von dem Sachverständigen Prof. Dr. T hervorgehobene sprung­haft sich verändernde Bewußtseinslage zum Ausdruck. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch die Be­kundung des auf demselben Zimmer untergebrachten Mitpatienten N2 a.a.O., dem das Verhalten des Klägers unstet erschien, ferner die Bekundung des Zeugen S a.a.O., der mit dem Kläger insgesamt dreimal zusammenge­troffen ist, wobei er beim ersten Mal mit ihm über 10 oder 15 Minuten ein. vernünftiges Gespräch führen konnte, während er beim zweiten Mal feststellte, daß der Kläger von der Toilette aus ein imaginäres Telefongespräch führte, und beim dritten Zusammentreffen eben­falls räumlich nicht orientiert erschien: Der Kläger stand unmittelbar vor seinem Krankenzimmer und erklärte dem Zeugen, er wolle "nach oben" in sein Krankenzimmer.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Unter den gegebenen Umständen war es erforderlich, den Kläger bis zum Eintritt der sedierenden Wirkung der um 20oo Uhr verabreichten vier Kapseln Distraneurin unter ständiger Beobachtung zu halten. Nachdem er immer wieder räumlich desorientiert gewesen war und entsprechend seinen Trügbildern gehandelt hatte, lag es nicht fern, daß er eine selbstgefährdende Handlung begehen würde.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Dabei spielt die konkrete Wahrscheinlichkeit gerade in Bezug auf das hier dann stattgefundene Geschehen ( Sturz vom Flachdach), die Prof.Dr.C anders als Prof.Dr. T als sehr gering veranschlagt hat, nicht die entscheidende Rolle. Es ging darum, den Kläger allgemein vor selbstgefährdenden bzw. selbstschädigenden Handlungen im Zustand der Bewußtseinstrübung zu schützen. So hätte sich ein Schaden derselben Art z.B. ergeben können, wenn der Kläger in einem solchen Zustand aus dem Krankenhaus auf die Straße und dort vor ein Auto gelaufen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die "allgemeine“ Gefahr selbstschädigender Handlungen (ohne Selbstmordabsicht-Suicidgefahr bestand tatsächlich nicht) kann nach den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. T jedenfalls nicht so gering ange­setzt werden, daß der Beklagte zu 2) sie vernachlässigen durfte. In welcher konkreten Form sich diese Gefahr realisierte, ist für die Sicherungspflicht belanglos.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 2) durfte nicht darauf vertrauen, daß der Kläger durch die in seinem Zimmer untergebrachten Mitpatienten genügend beobachtet würde. In Überein­stimmung mit dem Sachverständigen Prof. Dr. T (S. 2 unten des Gutachtens vom 25.3.1983, Bl. 314 GA) hält der Senat eine solche Beobachtung für unzureichend, auch wenn es sich um sog. Aufsteh-Patienten handelt. Diese sind meist im wesentlichen mit ihren eigenen Leiden beschäftigt und deshalb überfordert, aber auch nicht zuständig dafür, ihren Mitpatienten zu über­wachen, um selbstgefährdende Handlungen zu verhindern.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Es kommt hier hinzu, daß den Mitpatienten nicht einmal gesagt worden ist, daß der Kläger u.U. selbstgefährdende Handlungen begehen könne und sie deshalb auf ihn ein Auge haben sollten.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die Seite 4 des Schriftsatzes vom 15.10.1981 (B1. 168 GA) behauptete allgemeine Anweisung an das Pflegepersonal hinsichtlich der besonderen Beobachtung von Patienten mit einer Erkrankung, wie sie hier beim Kläger vorlag, ist schon deshalb bedeutungslos, weil die Beklagten den Inhalt dieser Anweisung nicht näher konkretisiert haben, obwohl der Kläger Seite 4 seiner Berufungsbegründung (B1. 237 GA) zu Recht darauf hingewiesen hat, daß das diesbezügliche Vorbringen viel zu wenig konkret sei.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks"> Im übrigen:</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Wenn der Beklagte zu 2) den Zustand des Klägers selbst als so harmlos ansah, daß ihm eine gewisse Freizügigkeit und das Aufsuchen von Bereichen gestattet wurde, wo Aufsteh-Patienten sich üblicherweise aufzuhalten pflegen (so <em>S. </em>2 des Schriftsatzes vom 18.12.1979, Bl. 24 GA), so konnte er kaum erwarten, daß das Pflegepersonal den Zustand des Klägers als weniger harmlos einstufte.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Daß für den Abend dem Kläger Bettruhe verordnet war, wie die Zeugin J, Nachtschwester bei der Beklagten zu 1), bekundet hat (S. 2 oben des Sitzungsprotokolls vom 2.4.1980, Bl. 83 GA), war selbstverständlich keine ausreichende Sicherungsmaßnahme. Es lag auf der Hand, daß der Kläger sich an diese Anordnung nicht halten würde, sobald er seine räumliche Orientierung wieder verlor. Tatsächlich hat er sich an die Anordnung auch nicht ge­halten, wie die Bekundungen der Nachtschwester a.a.O. und der an dem betreffenden Abend diensthabenden Ärztin Dr. P (S. 2 des Sitzungsprotokolls vom 17.9.1980, Bl. 112 GA) zeigen. Daß der Kläger diesen beiden Zeuginnen ansprechbar und vernünftig erschien und daß er ihren Anordnungen willig Folge leistete, besagt nichts gegen eine Sicherungspflicht, sondern zeigt allenfalls, daß der Kläger in dem Zeitpunkt der betreffenden Gespräche bewußtseinsklar war. Das konnte sich aber im nächsten Moment ändern, wie der Sachverständige Prof. Dr. Tler) aufgrund seines Erfahrungswissens und aufgrund der hier getroffenen konkreten Feststellungen ausgeführt hat.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks"> Es ist unerheblich, daß sich der Unfall zu einem Zeit­punkt ereignet hat, zu dem die sedierende Wirkung der gegen 20°° verabreichten 4 Kapseln Distraneurin an sich schon hätte eingetreten sein müssen. Bei seiner Anhörung hat der Sachverständige Prof. Dr. T ausgeführt, es gebe immer wieder Fälle, in denen auch die Gabe von 4 Distraneurin nicht reiche und die Dosis erheblich höher liegen, notfalls zur Infusionstherapie übergegangen werden müsse (S. 1 unten des Sitzungsprotokolls vom 24.10.1983, Bl. 347 GA). Dieser Feststellung hat der Sachverständige Prof. Dr. C nicht widersprochen.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Auch Dr. C2 hat Seite 5 seines Gutachtens vom 14.6.1982 (B1. 279 GA) ausgeführt, bei oraler Verab­reichung von Distraneurin sei die Wirksamkeit nicht von vornherein anzunehmen; manchmal spreche der Patient auf die betreffende Behandlung nicht an; als Ursache hierfür würden Resorptionsstörungen im Magen-Darm-Trakt angenommen; deshalb sei trotz ausreichend hoher Einzel­dosis von Distraneurin die sorgfältige Beobachtung und Überwachung des Patienten notwendig.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Es ist nicht ersichtlich, daß eine Sitzwache am Bett des Klägers bis zum Eintritt der sedierenden Wirkung aus personellen Gründen nicht möglich war. Augenschein­lich wurde die Sitzwache deshalb nicht angeordnet, weil die Gefahr für den Kläger unterschätzt wurde. Selbst wenn eine Sitzwache durch eine Krankenschwester nicht möglich gewesen wäre, entschuldigt das den Beklagten zu 2) nicht. Er hätte sodann die Ehefrau des Klägers über die Gefahr unterrichten und sie bitten müssen, bis zum Eintritt der sedierenden Wirkung am Bett ihres Mannes Wache zu halten. Daß die Ehefrau hierzu bereit gewesen wäre, wenn ihr die für ihren Ehemann bestehende Gefahr vor Augen geführt worden wäre, kann keinem vernünftigen Zweifel unter­liegen, wird von den Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Deren Einwand Seite 2 des Schriftsatzes vom 13.8.1982, mit Rücksicht auf die drei andern männlichen Patienten im Krankenzimmer habe ein längerer Besuch der Ehefrau nicht in Kauf genommen werden können, hält der Senat für abwegig unter Berücksichtigung der für den Kläger bestehenden Gefahrenlage. Wenn die Beklagten nicht in der Lage waren, aus dem Personal des Krankenhauses eine Sitzwache für die Zeit bis zum Eintritt der sedierenden Wirkung abzustellen, und wenn sie auch nicht bereit waren, die Ehefrau des Klägers über 2000 Uhr hinaus im Krankenzimmer zu dulden, so hätten sie dessen Verlegung in ein anderes Krankenhaus veranlassen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Der Senat ist davon überzeugt, daß im Falle einer Sitz­wache der Unfall vermieden worden wäre. Daß der Kläger so schnell auf den Stuhl und von dort aus dem Fenster auf das Flachdach stieg, daß seine Mitpatienten nicht mehr eingreifen konnten, besagt nichts gegen den Kausalzusammenhang. Die Mitpatienten wurden durch das Ver­halten des Klägers naturgemäß völlig überrascht. Sie hatten ihn nicht ständig im Auge und ihnen war über dessen Eigengefährdung auch nichts gesagt worden. Dies wäre bezüglich der Sitzwache ganz anders gewesen. So schnell konnte der Kläger kaum aus dem Fenster steigen, daß die Wachperson nicht die Möglichkeit gehabt hätte,</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">ihn hieran notfalls gewaltsam zu hindern. Im übrigen ist nach dem gesamten Verhalten des Klägers, das er während des Tages gezeigt hat, zweifelsfrei, daß er nicht einmal gewaltsam an dem Besteigen des Flachdaches hätte gehindert werden müssen. Auch während der Zeiten, zu denen er räumlich desorientiert war, ließ er sich durch gutes Zureden von seinen unsinnigen Vorhaben abbringen. So kehrte er jeweils willig in sein Kranken­zimmer zurück, wenn ihm dies geboten wurde. Der Sach­verständige Prof. Dr. T hat im Termin vom 24.10.1983 ausgeführt, die leidliche Lenkbarkeit des Klägers tagsüber spreche nicht gegen die Voraussehbar­keit einer selbstgefährdenden Handlung; gerade bei Alkoholdelirien sei es typisch, daß die Patienten für eine kurze Zeit einer gegebenen Weisung oder einem Auf­trag durchaus willig folgten; das schließe nicht aus, daß alsbald danach eine völlige Fehlaktion erfolge (S. 2 unten, 3 oben des Sitzungsprotokolls vom 24.10. 1983, Bl, 348, 349 GA).</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Angesichts der Tatsache, daß im gesamten Tagesverlauf des 15.11.1978 gegenüber dem Kläger keine Gewalt angewendet werden mußte, um ihn von unsinnigen Vorhaben abzubringen, spricht kein nachvollziehbarer Grund für die Annahme der Beklagten, eine Sitzwache wäre nicht in der Lage gewesen, den Kläger vom Besteigen des Flachdaches abzubringen.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Die Höhe des Schmerzensgeldes bemißt der Senat mit 150.000,-- DM entsprechend dem Antrag des Klägers. Auf die Seite 2 der Berufungsbegründung (B1. 235 GA)</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">behaupteten zusätzlichen Beschwerden, die die Beklagten bestritten haben, kommt es dabei nicht an. Bereits die unstreitigen Beeinträchtigungen - komplette Querschnitt- lähmung ab dem dritten Lendenwirbel, inkomplette ab dem ersten Lendenwirbel; Blasen- und Mastdarmlähmung; Unfähigkeit, den Geschlechtsverkehr auszuüben; auf Lebenszeit an den Rollstuhl gefesselt - sind bei einem zum Schadenszeitpunkt 39-jährigen Menschen so gravierend, daß ein Schmerzensgeld von 150.000,-- DM erforderlich erscheint, dies auch unter Berücksichtigung des Umstands, daß die sog. Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes hier nicht zugunsten des Klägers ins Gewicht fällt, weil den Beklagten zu 2) kein grobes Verschulden trifft; er hat in der konkreten Situation die Gefahrenlage unterschätzt; ein solcher Fehler kann auch einem an sich gewissenhaften Arzt im Einzelfall durchaus unter­laufen -. Auch die Tatsache, daß der Schaden unmittelbar durch eine eigene Handlung des Klägers herbeigeführt worden ist, die er zwar im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen hat, die aber letztlich zurückgeht auf über­mäßigen Alkoholkonsum zu früheren Zeiten (also kein Anwendungsfall des § 8<em>27 </em>Satz 2 BGB), hält der Senat unter Berücksichtigung der schweren Beeinträchtigung des Klägers für nicht ausreichend; um das Schmerzensgeld unter 150.000,--DM anzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Was die Berufung des Klägers gegenüber der Beklagten zu 1) angeht, so ist auf dessen Antrag in entsprechender Anwendung des § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß die Abweisung der über 100.000,-- DM hinausgehenden Klage mit der vom Landgericht gegebenen Begründung, ein höheres Schmerzensgeld stehe dem Kläger keinesfalls zu, nach Ansicht des Senats unzutreffend ist. Über der Anspruchsgrund hat das Landgericht bezüglich der Be-klagten zu 1) nicht entschieden; es hat insoweit eine Klärung der Frage für erforderlich gehalten, ob der Beklagte zu 2) als deren Organ (§ 31 BGB) oder Verrich­tungsgehilfe (§ 831 BGB) anzusehen ist. Die Vorschrift des § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO betrifft den umgekehrten Fall, nämlich, daß das Landgericht nur über den Anspruchsgrund, nicht aber über die Anspruchshöhe entschieden hat. Der dieser Vorschrift zugrunde liegende Gedanke, daß nach Möglichkeit sowohl bezüglich des Anspruchsgrundes als auch bezüglich der Anspruchshöhe zwei Tatsacheninstanzen zur Verfügung stehen sollen, läßt es aber geboten er­scheinen, diese Bestimmung auch im hier zur Erörterung stehenden Fall anzuwenden. Eine eigene Sachentscheidung (§ 540 ZPO) hinsichtlich der Beklagten zu 1) hält der Senat nicht für angemessen, sie ist auch nicht beantragt.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Für das weitere Verfahren vor dem Landgericht wird auf folgendes hingewiesen:</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Sofern das Landgericht auch nach Vorlage des Dienstver­trages zwischen den beiden Beklagten (B1. 216 - 221 GA)  noch Zweifel an der Organstellung des Beklagten zu 2) gemäß § 31 BGB haben sollte, ergibt sich daraus keines­wegs, daß eine Haftung der Beklagten zu 1) nicht in Betracht kommt. War der Beklagte zu 2) nicht Organ im Sinne des § 31 BGB, so war er Verrichtungsgehilfe im Sinne des § 831 BGB (vgl. BGH NJW 1980, 1901 ff.) Den Entlastungsbeweis nach der letztgenannten Vorschrift hat die Beklagte zu 1) bisher nicht angetreten, aller­dings hatte sie hierzu mit Rücksicht auf den Hinweisbe­schluß des Landgerichts vorn 9.12.1981 (B1. 209 GA) auch keinen Anlaß.</p><span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPo. Im übrigen hängt die Kostenverteilung davon ab, wie der Rechtsstreit gegenüber der Beklagten zu 1) ausgeht.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Sie ist deshalb dem Landgericht vorzubehalten.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks"> Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Streitwert zweiter Instanz: 150.000,-- DM. Beschwer:</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">a)    der Beklagten zu 1)              50.000,-- DM,</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">b)    des Beklagten zu 2))              150.000,-- DM.</p>
|
315,717 | olgham-1983-11-23-1-ws-17283 | {
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"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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} | 1 Ws 172/83 | 1983-11-23T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:11 | 2019-03-27T09:42:24 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1983:1123.1WS172.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.</p>
<p>Dem Angeklagten wird Rechtsanwalt ... aus ... zum Pflichtverteidiger für das Revisionsverfahren bestellt.</p>
<p>Die Bestellung umfaßt nicht die Vertretung des Angeklagten in einer etwaigen Revisionsverhandlung.</p>
<p>Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Dem Angeklagten war unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses ein Pflichtverteidiger für die Revisionsinstanz zu bestellen, weil die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO dafür vorliegen. Die Strafkammer hat im Urteil vom 16.8.1983 festgestellt, bei dem Angeklagten handele es sich um eine gemütsarme, primitiv strukturierte Persönlichkeit, die zu außerordentlich starker Aggressivität besonders gegenüber Behörden und Amtsträgern neige. Der Angeklagte sei offensichtlich von einem andauernden Mißtrauen gegenüber seiner Umwelt erfüllt und glaube ständig, man wolle ihm Unrecht tun. Es sei nicht auszuschließen, daß in dem Verhalten des Angeklagten paranoide Züge im Sinne einer schweren seelischen Abartigkeit gemäß § 20 StGB zum Ausdruck kämen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Bei dieser möglicherweise bestehenden seelischen Abartigkeit, für die auch die dem Angeklagten, zur Last gelegte Straftat und sein Verhalten bei Einlegung der Berufung sprechen, erscheint die Mitwirkung eines Verteidigers in der Revisionsinstanz geboten, weil die Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten schwierig erscheint und der Angeklagte sich offenbar selbst nicht sinnvoll verteidigen kann. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit, die Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären. Denn von dem Angeklagten kann nicht erwartet werden, daß er die Rechtslage so übersieht oder entsprechenden Belehrungen des Urkundsbeamten ausreichend zugänglich ist, um zu erkennen, welche Revisionsanträge zu stellen und welche Rügen zu erheben für ihn zweckmäßig sein könnte.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Daß der bisherige Wahlverteidiger die Revision bereits schriftsätzlich begründet hat und die Revisionsbegründungsfrist abgelaufen ist, steht der Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht entgegen. Denn die Beiordnung ist vor der Begründung der Revision beantragt worden. In den Fällen der notwendigen Verteidigung muß der Angeklagte außerdem auch nach Einlegung und Begründung der Revision einen Verteidiger haben (OLG Hamm, 3 Ws 459/69 vom 15.10.1969; vgl. auch Kleinknecht/Meyer, StPO, 36. Aufl., § 140 Rz. 4). Rechtsanwalt ... hat erklärt, daß er für den Fall seiner Bestellung zum Pflichtverteidiger, "ausschließlich zur Herbeiführung der formellen Voraussetzungen" (der Bestellung) das Wahlmandat niederlege. Darin liegt die Erklärung, daß die Wahlverteidigung mit der Bestellung des Wahlverteidigers zum Pflichtverteidiger enden soll.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beiordnung des Pflichtverteidigers war nicht auf die etwaige Revisionsverhandlung zu erstrecken (vgl. insoweit BGHSt 19, 258).</p>
|
315,718 | olgham-1983-11-23-20-u-3683 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 36/83 | 1983-11-23T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:14 | 2019-03-27T09:42:24 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1983:1123.20U36.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10. November 1982 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.</p>
<p>Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für den Schadensfall vom 18./19.12.1981 Versicherungsschutz aus der Betriebshaftpflichtversicherung zu gewähren, soweit nicht die Ausschlußklauseln §4 I 6 a AHB und §4 II 2 AHB eingreifen. Soweit Ersatz für Gewässerschäden begehrt wird, ist der Deckungsschutz auf 2/3 beschränkt.</p>
<p>Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung zurückgewiesen.</p>
<p>Zur Entscheidung über die Anspruchshöhe wird der Rechtsstreit an das Landgericht Dortmund zurückverwiesen.</p>
<p>Die Kostenentscheidung - auch über die Kosten der Berufung - bleibt dem Schlußurteil des Landgerichts vorbehalten.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für Landschaftsgestaltung und Tiefbau. Sie hat bei der Beklagten
eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Nach dem Versicherungsschein vom 20.4.1979 (Bl. 117 d.A.) waren
die beigefügten Bedingungen Gegenstand des Versicherungsvertrages (Bl. 118 ff.). Diese Bedingungen enthalten
unter anderem folgende Bestimmungen:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><i>4. Mitversicherte Nebenwagnisse</i></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks"><i>Mitversichert ist im Rahmen dieses Vertrages, auch ohne besondere Anzeige, die gesetzliche Haftpflicht aus allen
betriebsüblichen Nebenwagnissen, insbesondere die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers</i></p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks"><i>4.4 aus Besitz und Unterhaltung von Zapfstellen und Tankanlagen ...</i></p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks"><i>6. Besondere Bedingungen für das Baugewerbe</i></p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><i>Mitversichert ist im Rahmen dieses Vertrages die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers</i></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><i>6.1 aus Gewässerschäden - <u>außer Anlagenrisiko</u> sowie Abwässer- und Einwirkungsrisiko -
gemäß den besonderen Bedingungen für die Versicherung der Haftpflicht aus Gewässerschäden im
Rahmen der Berufs- und Betriebshaftpflichtversicherung.</i></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><i>11. Versehensklausel</i></p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><i>Versichert sind auch versehentlich nicht gemeldete, nach Beginn der Versicherung eingetretene Risiken, die im Rahmen
des versicherten Betriebs liegen und weder nach den allgemeinen noch besonderen Bedingungen des Vertrages von der
Versicherung ausgeschlossen sind.</i></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Nach Ziffer 13 des Vertrages waren die allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB)
sowie die besonderen Bedingungen für die Versicherung der Haftpflicht aus Gewässerschäden - außer
Anlagenrisiko ... - Gegenstand des Versicherungsvertrages. Dieser Vertrag wurde aufgrund einer Verhandlung im Hause der
Beklagten in Münster geschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Ursprünglich und auch zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses befand sich auf dem Betriebsgrundstück der
Klägerin, das diese von ihrem Gesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ... gepachtet
hatte, zur Sicherstellung der Kraftstoffversorgung des Fahrzeugparks der Klägerin eine oberirdische Behälteranlage
mit aufgesattelter Zapfsäule und einem Inhalt von ca. 3.000 Litern. 1980 wurde diese Anlage nach längerer Bauzeit
durch eine unterirdisch eingebaute ordnungsbehördlich genehmigte Lagerbehälteranlage von 5.000 Litern Benzin und
25.000 Litern Dieselkraftstoff ersetzt. Die Inbetriebnahme erfolgte im Oktober 1980.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Am 17./18.12.1981 liefen durch ein Leck im ölführenden Rohrleitungssystem der Zapfsäule ca. 20.000 Liter
Dieselöl aus und sickerten zum Teil in den Boden bis zur Grundwasserzone ein. Der überwiegende Teil floß
über das unbefestigte Gelände in einen Wegeseitengraben und von dort in den ...bach und den ... Bach - ... Bach
bis zur Kläranlage ....</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Nach ihrer Darstellung in erster Instanz entstand der Klägerin ein damals schon bezifferbarer Schaden in Höhe
von 150.670,26 DM. Die Beklagte hat Leistungen abgelehnt, da für Gewässerschäden nach dem Inhalt des
Versicherungsvertrages kein Versicherungsschutz bestehe.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin meint, die Beklagte sei schon nach dem abgeschlossenen Versicherungsvertrag leistungsverpflichtet.
Zumindest hafte die Beklagte aber deshalb, weil sie in den Versicherungsvertrag die dafür nötigen Bestimmungen
nicht aufgenommen habe, obwohl sie die Klägerin, durch ihren Geschäftsführer ... bei der Verhandlung in ...
deutlich gemacht habe, daß sie umfassenden Versicherungsschutz habe erreichen wollen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat den Antrag gestellt</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an sie 150.670,26 DM nebst 14 % Zinsen seit dem 16.7.1982 zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr aus dem Versicherungsvertrag Nr. ... für das
Schadensereignis vom 18./19.12.1981 Versicherungsschutz zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Sie hat behauptet, der Zeuge ... habe sich bei Aufstellen des neuen unterirdischen Tanks um den Abschluß eines
zusätzlichen Versicherungsvertrages bemüht. Die Klägerin habe erklärt, dessen Abschluß solle
bis zur Inbetriebnahme zurückgestellt werden. Danach sei der Zeuge ... nicht mehr von der Klägerin
benachrichtigt worden.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten
Berufung.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin wiederholt im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Beklagte hafte zumindest wegen
Verschuldens bei Vertragsschluß. Sie, die Klägerin, habe wegen Auslegungsschwierigkeiten bei einem anderen
Versicherungsfall ausdrücklich gewünscht, für die Zukunft gegen "alles" versichert zu sein, und
das habe ihr die Beklagte bei der Neuordnung des Vertrages zugesagt. Die Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, auf den
etwa fehlenden Versicherungsschutz bei Gewässerschäden habe hinzuweisen. Außerdem sei der Zeuge ... auch
noch ausdrücklich bei der Inbetriebnahme des größeren Tanks benachrichtigt worden. Er habe dennoch nichts
veranlaßt.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Von den gesamten schon bezifferten Kosten seien wegen der Wasserverschmutzung solche in Höhe von 70.776,76 DM,
wegen der Bodenverschmutzung 129.608,29 DM und für die Instandsetzung der Tankanlage 1.093,05 DM (insoweit wurde die
Klage zurückgenommen) entstanden. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Schriftsatz vom 22.9.1983
(215 ff. d.A.) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Nach Rücknahme der Klage in Höhe von 1.390,05 DM nebst Zinsen beantragt die Klägerin nunmehr,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 149.577,21 DM nebst 14 % Zinsen seit
dem 16.7.1982 zu zahlen sowie festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, für das fragliche Schadensereignis
Deckung aus dem Versicherungsvertrag zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Sie wiederholt ebenfalls ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie vertritt die Ansicht, daß zwar nur
Gewässerschäden ausgeschlossen seien. Dies führe im konkreten Fall jedoch zu ihrer völligen
Leistungsfreiheit. Bei den Kosten der Beseitigung der Bodenverschmutzung handele es sich nämlich in Wirklichkeit
um Kosten der Gewässerschäden, da diese nur notwendig geworden seien, um weitere Gewässerschäden
zu verhindern. Im übrigen seien diese Schäden auch deshalb ausgeschlossen, da §4 II 2 AHB eingreife, da
das Grundstück Eigentum des Gesellschafters und des Geschäftsführer der Klägerin ... sei.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die
beigefügten Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ... und .... Diese haben bekundet:</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">... (früher: ...):</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Ich habe einige Male mit dem Zeugen ... von der ... während der längeren Bauzeit der neuen unterirdischen
Anlage darüber gesprochen, wie und daß die Tankanlage versichert werden sollte. Dies ist von mir angeregt worden.
"Es hätte ja etwas passieren können." Ich dachte an eine besondere zusätzliche Versicherung und
habe deshalb mehrfach Herrn ... angesprochen. Ob die Anlage schon aufgrund des allgemeinen Versicherungsvertrages versichert
gewesen wäre, weiß ich nicht. Ich bin hier aber auch besonders vorsichtig. Wir haben uns schließlich
darauf geeinigt, abzuwarten, bis das Bauvorhaben abgeschlossen und die neue Anlage in Betrieb genommen werde. Als das
geschehen war, habe ich im Laufe der folgenden Woche angerufen und im Büro des Zeugen ... mit dessen Tochter
gesprochen. Diese habe ich davon benachrichtigt, daß die Anlage nunmehr in Betrieb genommen sei. Ich nahm nun an,
daß nun "irgend etwas oder irgendwer kommen werde". Ich selbst bin aber dann bei der Klägerin Anfang
November 1980 ausgeschieden. Die Anlage ist September/Oktober 80 in Betrieb genommen worden. Solange ich bei der
Klägerin noch tätig war, habe ich von dem Zeugen ... hinsichtlich der Tankanlage nichts mehr gehört. Sonst
sind irgendwelche Änderungen von Herrn ... oder seinem Büro immer gleich bearbeitet worden.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Als Herr ... nach Abschluß des Vertrages aus ... zurückkam, sagte er mir: "So, jetzt sind wir gegen alles
versichert."</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Zeuge ...:</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">In meiner Eigenschaft als Versicherungsvertreter war ich häufig bei der Klägerin. Bei einer Gelegenheit sagte
mir die damalige Frau ... und jetzige Frau ..., der neue Tank müsse versichert werden. Ich hatte bereits begonnen,
den Antrag auszufüllen, als Herr ... hinzukam und sagte, dies sei jetzt noch nicht nötig. Man solle abwarten,
bis der neue Tank in Betrieb genommen werde. Bei dem Antragsformular, das ich bereits begonnen hatte auszufüllen,
handelte es sich um ein solches für die Versicherung von Gewässerschäden einschließlich des
Anlagerisikos. Damals war mir bekannt, daß der Grundvertrag hier Gewässerschäden nicht versicherte. Ich
meinte, daß das Auslaufen von Öl und Benzin aus dem Tank nicht versichert war. Später habe ich dann von
der Klägerin nichts mehr hinsichtlich der Versicherung dieses Tankes gehört. Meine Tochter, die seit 10 Jahren
in meinem Büro tätig ist und den Schadensaußendienst übernommen hat, hat mich nicht benachrichtigt.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Ich nehme auch an, daß Herr ... bei der Vereinbarung in ..., bei der ich ebenfalls zugegen war, sich gegen alles
versichern wollte. Er brachte zum Ausdruck, daß er eine "Rundumabsicherung" wollte. Ob ich damals gemerkt
habe, daß der Gewässerschaden nicht versichert war, und weshalb ich dann nichts gesagt habe, weiß ich
nicht mehr. Ich hatte die Verhandlung den Herren von der Beklagten überlassen, die Fachleute sind.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Nach dem Schadensfall habe ich zunächst gemeint, Versicherungsschutz bestehe eventuell aufgrund der
Vorsorgeversicherung. Die Beklagte hat mir dann aber erklärt, es bestehe kein Versicherungsschutz. Sie hat sich
deshalb auch geweigert, bei dem Schadensfall irgendwie tätig zu werden, um auch nicht einen Anschein für das
Bestehen von Versicherungsschutz zu erwecken.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat nur zum Teil Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Aufgrund des zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungsvertrages besteht nur eingeschränkter
Versicherungsschutz für die Tankanlage in dem hier streitigen Schadensfall. Versicherungsschutz ist ausgeschlossen,
soweit es sich um Gewässerschäden handelt. Soweit andere Schäden entstanden sind, sind die
Ausschlußklauseln der AHB zu beachten. Es kommen hier ganz oder teilweise §4 I 6 a und II 2 AHB in Betracht,
da das Betriebsgrundstück der Klägerin, auf dem der Schaden zumindest überwiegend entstanden ist, von dem
Gesellschafter ... gepachtet war.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Der Versicherungsvertrag vom 20.4.1979 gewährt keinen Versicherungsschutz für Gewässerschäden,
die durch Schadensfälle eintreten, bei denen sich das typische Anlagerisiko einer Tankanlage für Öl und
Benzin verwirklicht.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Nach der Anlage zum Haftpflichtvertrag ist auch die gesetzliche Haftpflicht aus allen Nebenwagnissen, die bei einem
Betrieb von der Art der Klägerin betriebsüblich sind, Gegenstand des Vertrages. Dazu gehört nach Ziff. 4.4
auch die gesetzliche Haftpflicht aus Besitz und Unterhaltung von Zapfstellen und Tankanlagen. Dieser umfassende
Versicherungsschutz wird für das Baugewerbe ausgeschlossen nach Ziff. 6.1 für Gewässerschäden,
soweit sie auf das Anlagenrisiko zurückgehen. Wenn im übrigen auf die Zusatzbedingungen für die
Versicherung der Haftpflicht aus Gewässerschäden verwiesen wird, wird dieser Ausschluß damit nicht
aufgehoben oder hinfällig. Damit wird nur verdeutlicht, daß das Restrisiko, vom Versicherungsschutzes
umfaßt wird.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Diese Regelung folgt noch ausreichend deutlich aus dem Gesamtzusammenhang der Versicherungsbedingungen. Auf den
Ausschluß des Anlagenrisikos bei Gewässerschäden ist im übrigen bei dem zugrundeliegenden Antrag auf
Haftpflichtversicherung, der hier allerdings nicht von der Klägerin unterschrieben wurde, hingewiesen (Bl. 117
a d.A.).</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Eine Versicherungspflicht der Beklagten folgt auch nicht aus Ziff. 11. Unabhängig davon, ob überhaupt eine
Anzeigepflicht bestand, läßt sich über diese "Versehensklausel" nur ein dem übrigen
Versicherungsvertrag entsprechender Versicherungsschutz begründen. Dieser wird von der Beklagten für die
Zapfanlage auch mit dem unterirdischen großen Tank nicht bestritten, bezieht sich aber nicht auf die hier entstandenen
Gewässerschäden.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Andere durch die Anlage entstandenen Schäden sind versichert, soweit nicht die Ausschlußtatbestände
des §6 AHB eingreifen. Ob und inwieweit dies der Fall ist und ob überhaupt Ersatz für Schäden
verlangt wird, die nicht Gewässerschäden sind, muß noch im Betragsverfahren geklärt werden. Insoweit
ist noch nicht abschließend vorgetragen und der Fall noch nicht zur Entscheidung reif.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte haftet aber auch für die hier entstehenden Gewässerschäden nach den Grundsätzen des
Verschuldens bei Vertragsschluß. Diese Haftung ist nach §254 BGB um 1/3 gemindert.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat ihr obliegende Aufklärungs- und Beratungspflichten gegenüber der Klägerin verletzt.
Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß der Geschäftsführer ..., der für die Klägerin bei der
Beklagten in deren Zentrale in ... verhandelte, deutlich machte, daß er einen umfassenden Versicherungsschutz
wünschte. In Kenntnis dieses Willens ist der von der Beklagten formulierte Versicherungsvertrag abgeschlossen
worden, der bei Gewässerschäden das Anlagenrisiko ausschloß. Darauf hätte die Beklagte angesichts
des erkannten Wunsches ihrer Versicherungsnehmerin hinweisen müssen. Wenn das nicht geschah, lag nahe, daß
die Versicherungsnehmerin meinte, mit dem abgeschlossenen Versicherungsvertrag sei ihr Sicherheitsbedürfnis in
dem weitest möglichen Umfang befriedigt. Das gilt erst recht dann, wenn es sich wie hier, um einen komplexen und
nicht einfachen Versicherungsvertrag handelt, bei dem ein Versicherungsnehmer darauf vertrauen können muß,
daß dieser entsprechend seinen geäußerten Wünschen formuliert wird und ihm - im rechtlich
zulässigen und möglichen Rahmen - den verlangten Versicherungsschutz gewährt. Es bestand hier auch kein
Anlaß, das Anlagerisiko bei Gewässerschäden aus dem Versicherungsschutz herauszunehmen. Die dann
zusätzlich zu zahlende Prämie wäre gegenüber der Gesamtprämie nicht nennenswert ins Gewicht
gefallen. Die Klägerin hätte auch einen zusätzlichen Versicherungsvertrag abgeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Damit hat die Beklagte die hier bei Vertragsschluß obliegenden Pflichten verletzt. Ein Schadensersatzanspruch
entfällt auch nicht deshalb, weil die Klägerin aufgrund der Versicherungsunterlagen hätte bemerken
müssen, daß das Anlagerisiko teilweise nicht versichert war. Sie durfte einmal den Fachkenntnissen der Beklagten
vertrauen. Im übrigen ist die Formulierung der Vertragsanlagen aber auch nicht von der an sich wünschenswerten
Klarheit. Einem juristischen Laien ist nicht vorzuwerfen, wenn er bei Durchsicht einen unrichtigen Eindruck von dem
bestehenden Versicherungsschutz gewann.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch der Klägerin mindert sich aber nach §254 BGB um 1/3. Die Klägerin trifft ein Mitverschulden
daran, daß sie bei Eintritt des Versicherungsfalles nur unzureichenden Versicherungsschutz hatte. Spätestens
nach den Verhandlungen und Gesprächen mit dem Zeugen ... im Sommer/Herbst 1980 hätte ihr oder der als ihre
Vertreterin handelnden Zeugin ... bewußt werden müssen, daß wegen der Anlage kein voller Versicherungsschutz
bestand. Es ist zwar nicht festzustellen, daß der Zeuge ... ausdrücklich den Umfang des bisherigen
Versicherungsschutzes geklärt hat. Jedenfalls wußte die Zeugin aber, daß nach der Inbetriebnahme der neuen
Anlage noch irgendetwas hinsichtlich des Versicherungsschutzes veranlaßt werden mußte. Deshalb hat sie auch das
Büro des Zeugen ... benachrichtigt. Als dieser nicht reagierte, hätte von seiten der Klägerin erinnert
werden müssen. Daß dies nicht geschehen ist, rechtfertigt den Vorwurf des Mitverschuldens. Wenn nämlich
nachgefragt worden wäre, wäre nach Auffassung des Senates bis zum Schadensfall mehr als ein Jahr später
sicher der zusätzliche Versicherungsschutz vertraglich vereinbart gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachung und des beiderseitigen Verschuldens ist zu berücksichtigen,
daß die Beklagte zunächst die erste Ursache schuldhaft gesetzt hat. Es ist auch nicht bewiesen, daß sie
durch eine deutliche Aufklärung den zunächst von ihr verursachten unrichtigen Eindruck der Klägerin
eindeutig richtig stellte. Demgegenüber tritt das Mitverschulden der Klägerin etwas zurück. Sie hätte
zwar bei dem Zeugen ..., als dieser nicht erschien und nichts veranlaßte, nachfragen müssen. Jedoch ist hier zu
beachten, daß dieses Unterlassen wohl darauf zurückzuführen ist, daß die Zeugin ... die die
Versicherungssachen bei der Klägerin bearbeitete, damals bei der Klägerin ausschied. Außerdem könnte
die Klägerin auch der Auffassung gewesen sein, daß eine Anzeige ihrerseits ausreichte, weil man meinte, durch
den ursprünglichen Vertrag schon abgesichert zu sein. Hinzu kommt auch, daß auch der Zeuge ... seinerseits
hätte nachfragen können und müssen, da er hätte wissen müssen, daß die Anlage inzwischen
in Betrieb genommen wurde. Für eine solche Anfrage bestand deshalb erhöhter Anlaß, da der bis dahin
fehlende Versicherungsschutz auf eine vorvertragliche Pflichtverletzung der Beklagten zurückzuführen war.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Unter Abwägung aller Umstände erscheint es gerechtfertigt, daß die Beklagte auch bei den
Gewässerschäden Versicherungsschutz in Höhe von 2/3 gewährt.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Über die Höhe des Anspruchs kann noch nicht entschieden werden. Isoweit ist der Rechtsstreit gemäß
§538 I 3 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen. Dieses hat im Betragsverfahren unter Berücksichtigung
der vorstehenden Ausführungen zu entscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung auch über die Kosten der Berufung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Der Wert der Beschwer beträgt für die Klägerin und für die Beklagte je 75.000,- DM.</p>
|
315,719 | olgk-1983-11-18-3-ss-65883 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 3 Ss 658/83 | 1983-11-18T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:16 | 2019-03-27T09:42:23 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1983:1118.3SS658.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Bonn zurückverwiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen die §§ 1, 4, 5, 16 StVO zu einem Bußgeld von 360,- DM verurteilt. Mit der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene Verletzung formellen und materiellen Rechts.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Betroffene rügt insbesondere, das Amtsgericht habe pünktlich zur Termins stunde mit der Hauptverhandlung begonnen und den Betroffenen vernommen, ohne auf den Verteidiger zu warten; die Zeugen hätten nach der Belehrung alle den Gerichtssaal verlassen, so daß der Zeuge B. bei der anschließenden Gegenüberstellung den Betroffenen ohne weiteres als den beschuldigten Fahrer habe identifizieren können.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Verfahrensrüge greift durch.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Unerheblich ist, ob - wie der Betroffene vorträgt und das Protokoll ausweist - tatsächlich alle Zeugen zunächst in den Sitzungssaal gerufen wurden und ihn nach Belehrung wieder verlassen haben oder ob - wie die Amtsrichterin in ihrer dienstlichen Äußerung darlegt - die Zeugen B. und K. nicht in den Sitzungssaal gebeten wurden und von den übrigen Personen bis zur Gegenüberstellung niemand den Saal verlassen hat. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die Sitzungsniederschrift insoweit gemäß § 274 StPO unwiderlegbare Beweiskraft hat. Das Verfahren des Amtsgerichts war schon deshalb fehlerhaft, weil es mit der Hauptverhandlung vor Eintreffen des Verteidigers begonnen hat.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß die prozessuale Fürsorgepflicht es gebieten kann, bei einem Ausbleiben des Verteidigers auch in Bußgeldsachen - je nach Lage des Einzelfalls - 15 Minuten oder bei bekannten Erschwernissen auch länger auf das Erscheinen des Verteidigers zu warten (OLG Köln VRS 42, 284; Bay ObLG VRS 60, 304; OLG Hamm VRS 55, 438 und 59, 449; OLG Koblenz VRS 45, 455; Senatsentscheidung vom 17.8.1982 - 3 Ss 545/82). Unter den konkreten Umständen des vorliegenden Falles hätte das Amtsgericht jedenfalls 15 Minuten abwarten müssen. Das Amtsgericht beabsichtigte eine Gegenüberstellung von 2 Belastungszeugen mit mehreren Personen zur Identifizierung des Betroffenen. Die Durchführung einer solchen Gegenüberstellung bedarf besonderer Sorgfalt, um Fehlerquellen auszuschließen, da einmal unterlaufene Fehler, die dem Zeugen eine Identifizierung erleichtert oder gar ermöglicht haben, nicht mehr rückgängig gemacht werden können; jede neue Gegenüberstellung würde nämlich allenfalls zu einem wiederholtem Wiedererkennen führen, dessen Beweiswert fragwürdig ist (vgl. BGH NJW 1961, 2070). Bei der Gegenüberstellung ist daher alles zu vermeiden, was dem Zeugen Anhaltspunkte dafür geben könnte, wer derjenige ist, der als Täter in Betracht kommt. Auch bei Aufruf der Sache ist schon entsprechende Vorsicht geboten. Angesichts dieser Schwierigkeiten ist stets bei Durchführung einer Gegenüberstellung zur Identifizierung des Betroffenen in der Hauptverhandlung bei Nichterscheinen des Verteidigers zumindest die übliche Wartezeit von 15 Minuten einzuhalten, um dem Verteidiger Gelegenheit zu geben, nicht nur an der Durchführung der Gegenüberstellung selbst teilzunehmen, sondern auch den vorausgehenden Teil der Verhandlung zu beobachten und darauf zu achten, daß alles vermieden wird, was Einfluß auf den Ausgang der Gegenüberstellung haben könnte.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Wie dem Protokoll zu entnehmen ist, erschien der Verteidiger um 12.00 Uhr, also 10 Minuten nach der pünktlich zur Terminsstunde begonnenen Hauptverhandlung. Es ist nicht auszuschließen, daß der Verteidiger bei Anwesenheit zu Beginn der Hauptverhandlung Einfluß auf die Verfahrensweise des Amtsgerichts hätte nehmen können.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Für die neue Hauptverhandlung wird auf folgendes hingewiesen:</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Sollte erneut eine Gegenüberstellung zur Identifizierung des Betroffenen vorgenommen werden und der Zeuge B. dabei den Betroffenen wieder als Fahrer bezeichnen, so wird zu beachten sein, daß der Beweiswert wiederholten Wiedererkennens fragwürdig ist (vgl. BGH NJW 1961, 2070).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich des Vorwurfs, in zu geringem Abstand hinter dem Zeugen B. hergefahren zu sein, bedarf es der näheren Feststellung, in welchem Abstand der Betroffene hinter dem Zeugen B. hergefahren ist. Der Abstand muß in der Regel der in 1,5 Sekunden durchfahrenen Strecke entsprechen; ein gefährdender Abstand (§ 1 Abs. 2 StVO) liegt vor, wenn er geringer ist als die in 0,8 Sekunden durchfahrene Strecke (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsentscheidung vom 03.08.1982 - 3 Ss 335/82; vgl. ferner OLG Köln, 1. Strafsenat, Beschluß vom 8.3.1983 1 Ss 126/83). Eine Verurteilung setzt außerdem die Feststellung voraus, daß der gebotene Sicherheitsabstand "nicht nur ganz vorübergehend" mißachtet worden ist (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. Senatsentscheidung VRS 60, 62 m.w.N. und Senatsentscheidung vom 22.07.1983 - 3 Ss 471/83). Bei höherer Geschwindigkeit muß der Abstand jedenfalls auf einer Strecke von 250 bis 300 Metern unterschritten sein (vgl. Senatsentscheidung vom 06.09.1983 - 3 Ss 555/83).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 StVO dürfen beim Überholen außerhalb geschlossener Ortschaften Schall- und Leuchtzeichen gegeben werden., Nach § 5 Abs. 5 Satz 1 StVO darf das Überholen allerdings nur durch kurze Schall- und Leuchtzeichen angekündigt werden. Ein Verstoß gegen § 5 Abs. 5 Satz 1 StVO ist aber nicht bußgeldbewährt (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 StVO). Wer sich nicht auf notwendige Warnzeichen beschränkt, also zu oft oder zu lange hupt oder blinkt, kann nur nach § 1 Abs. 2 StVO belangt werden, wenn durch sein verkehrswidriges Verhalten andere gefährdet oder belästigt werden (vgl. Senatsentscheidung vom 20. Mai 1983 - 3 Ss 258/83; vgl. ferner Full-Möhl-Ruth, Straßenverkehrsrecht, § 16 StVO Randnummer 13 und § 5 StVO Randnummer 39).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Werden im Bußgeldverfahren bei der Bemessung der Geldbuße zum Nachteil des Betroffenen Voreintragungen berücksichtigt, so muß der Tatrichter in seinem Urteil Zeit, Art und Umfang der Verfehlungen sowie Datum des ersten Urteils bzw. - bei Bußgeldverfahren - den Tag der Rechtskraft angeben, damit die Verwertbarkeit der Vorbelastungen (prognostischer Aussagewert? Tilgungsreife?) überprüfbar ist (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsentscheidung vom 20. Mai 1983 - 3 Ss 258/83). Darüberhinaus bedarf es bei Geldbußen über 200,- DM näherer Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsentscheidung vom 20. Mai 1983 - 3 Ss 258/83).</p>
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315,720 | lg-kleve-1983-11-09-2-o-10083 | {
"id": 811,
"name": "Landgericht Kleve",
"slug": "lg-kleve",
"city": 445,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 2 O 100/83 | 1983-11-09T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:17 | 2019-03-27T09:42:23 | Urteil | ECLI:DE:LGKLE:1983:1109.2O100.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4 % Zinsen von 3 000,-- DM für die Zeit vom 19. Mai 1982 bis zum 10. März 1983 zu zahlen; </p>
<p>im übrigen wird die Klage, soweit sie nicht in der Hauptsache erledigt ist, abgewiesen.</p>
<p> </p>
<p>Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5 zu tragen.</p>
<p> </p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung von 750,00 DM abwenden, sofern nicht vorher die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250,-- DM abwenden, sofern nicht vorher die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistungen können auch durch Bürgschaft einer westdeutschen Großbank oder Sparkasse erbracht werden. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand </p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin wurde am 19. Mai 1982 bei einem Verkehrsunfall in pp verletzt. Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des PKW …. LT …, der den Unfall zumindest mit verursacht hat. Die Klägerin verlangt von der Beklagten ein Schmerzensgeld sie hält einen Betrag von 7 000,-- DM für angemessen. Unstreitig hat die Klägerin eine Commotio cerebri, ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule, multiple Körperprellungen und eine Prellung des rechten Knies erlitten. Sie behauptet zudem eine Herzmuskelprellung.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat nach Klagezustellung am 11. März 1983 3 000,-- DM an die Klägerin gezahlt. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an sie ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zu zahlen nebst 4 % Zinsen seit dem 19. Mai 1983, abzüglich am 11. März 1983 gezahlter 3 000,-- DM. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Ansicht, der Klägerin stehe kein weiterer Anspruch zu. Sie macht zudem geltend, die Klägerin müsse sich ein Verschulden des Fahrers anrechnen lassen, in dessen PKW sie sich zum Unfallzeitpunkt befunden habe. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Strafakten StA waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Schmerzensgeldes ist durch die Zahlung vom 11. März 1983 erfüllt worden; offen sind lediglich noch Zinsansprüche. Die weitergehende Klage war daher abzuweisen. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 847 BGB. Sie wurde bei dem Verkehrsunfall vom 19. Mai 1982 unstreitig verletzt. Der Unfall wurde verursacht durch den Fahrer des PKW …- LJ …. Dieser hatte die Vorfahrt verletzt. Das Verschulden ist daher zu bejahen. Ein Mitverschulden der Klägerin kommt nicht in Betracht, da sie lediglich Beifahrerin war. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grunde sie sich ein etwaiges Mitverschulden des Fahrers ihres PKW zurechnen lassen sollte.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Angesichts der Verletzungen dar Klägerin hält die Kammer ein Schmerzensgeld in Höhe von 3 000,-- DM für angemessen. Die Klägerin hat unstreitig eine Commotio cerebri, ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule, multiple Körperprellungen und eine Prellung des rechten Knies erlitten. Die von der Klägerin behauptete Herzmuskelprellung ist nicht nachgewiesen. Eine solche ist zwar in der ärztlichen Bescheinigung Dr. med. H. xy vom 29. Juni 1982 aufgeführt, derselbe Arzt hat jedoch in seinem Gutachten vom 26. Oktober 1982 ausgeführt, der Verdacht auf Contusiocordis habe sich nicht bestätigt. Es ist davon auszugehen, daß die letzte Bescheinigung zutrifft, da sie ausführlicher begründet ist. Letztlich kann diese Frage aber auch dahingestellt bleiben, da die Klägerin nicht im einzelnen vorgetragen hat, in welcher Art und Weise sich diese Verletzung auf ihr Wohlbefinden ausgewirkt hat. Unstreitig ist sodann, dass die Klägerin bis zum 29. Juni 1982 stationär behandelt worden ist. Die Dauer der 100 %igen Arbeitsunfähigkeit wird von dem behandelnden Arzt Dr. med. Johannes mm in seinem (Gutachten vom 6. September 1982 bis zum 8. Juli 1982 angegeben, dagegen nimmt Dr. med. xy bereits vom 30. Juni 1982 nur noch eine Erwerbsminderung von 20 % an (vgl. Schreiben vom 16. Februar 1983). Dr. med. mm nimmt sodann für die Zeit vorn 8. Juli bis zum 1. August 1982 eine Erwerbsminderung von 50 % an (vgl. Gutachten vom 6. September 1982). Der Facharzt für Neurologie Dr. cc hat sodann in seinem Gutachten vom 28. Januar 1983 die Erwerbsfähigkeit der Klägerin im ersten Halbjahr nach dem Unfall als um 20 % gemindert angesehen, ferner um 10 % für ein weiteres halbes Jahr. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Klägerin bei dem Unfall nicht unerheblich verletzt worden ist, und der Heilungsprozess eine geraume Zeit gedauert hat. Erhebliche Beeinträchtigungen hatte die Klägerin indessen nur während der ersten 10 Tage hinzunehmen, als sie ständig an den Tropf angeschlossen war. Danach lagen zwar noch Schmerzen und Schwellungen im Bereich des rechten Kniegelenkes und der Halswirbelsäule vor, es traten auch Kopfschmerzen und Schwindelgefühle auf, jedoch wurde das Wohlbefinden der Klägerin hierdurch nicht ernstlich beeinträchtigt. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Kammer hält angesichts dieser Verletzungen das von der Beklagten gezahlte Schmerzensgeld von 3 000,-- DM einerseits für erforderlich, andererseits aber auch für ausreichend. Sie hat sich dabei im Rahmen anderer vergleichbarer Fälle bewegt. Besonderheiten, die ein Abweichen rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Klägerin waren nach allem lediglich noch 4 % Zinsen für die Zeit vom 19. Mai 1982 bis 10. März 1983 zuzuerkennen. Die weitergehende Klage war abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91 a, 92 ZPO und berücksichtigt das wechselseitige Obsiegen bzw. Unterliegen. Soweit die Beklagte gezahlt hat, waren die Kosten ihr aufzuerlegen. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Anordnungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. </p>
|
315,721 | olgd-1983-10-25-u-kart-2682 | {
"id": 820,
"name": "Oberlandesgericht Düsseldorf",
"slug": "olgd",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | U (Kart) 26/82 | 1983-10-25T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:19 | 2019-03-27T09:42:23 | Urteil | ECLI:DE:OLGD:1983:1025.U.KART26.82.00 | <h2>Tenor</h2>
<p></p>
<p>Auf die Berufung der Klägerinnen wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 21. Februar 1980 über die Entscheidung des Senats vom 20. Januar 1981 hinaus weiterhin teilweise wie folgt abgeändert:</p>
<p></p>
<p>Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, über die durch Urteil des Senats vom 20. Januar 1981 zuerkannten Beträge hinaus an die Klägerin-nen zu 1) und 3) gemeinschaftlich 300.813,23 DM zuzüglich folgender Mehrwertsteuerbeträge zu zahlen:</p>
<p>11 % aus 170.831,03 DM,</p>
<p>12 % aus 267,89 DM und</p>
<p>13 % aus 6.022,28 DM.</p>
<p></p>
<p>Die weitergehende Zahlungsklage, soweit hierüber noch zu entscheiden ist, und die Zwischenfeststellungsklage gegen die Beklagte zu 1) werden abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerinnen zu 1) und 3) 1/12 und die Beklagte zu 1) 11/12.</p>
<p>Von den im ersten Rechtszug durch die Nebenintervention der Firma K. GmbH (jetzt A. GmbH) verursachten Kosten tragen die Klägerinnen zu 1) und 3) 1/12 und die Nebenintervenientin 11/12.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des zweiten Rechtszuges werden wie folgt verteilt:</p>
<p>a) Von den Gerichtskosten tragen die Klägerinnen zu 1) und 3)</p>
<p> 18/44 und die Beklagte zu 1) 26/44.</p>
<p>b) Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen zu 1) und 3)</p>
<p> tragen die Beklagte zu 1) 2/3 und die Klägerinnen zu 1) und 3)</p>
<p> 1/3.</p>
<p>c) Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) tragen die</p>
<p> Klägerinnen zu 1) und 3) 1/5 und die Beklagte zu 1) 4/5.</p>
<p>d) Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) bis 6) tragen die</p>
<p> Klägerinnen zu 1) und 3).</p>
<p>e) Von den im zweiten Rechtszug durch die Nebenintervention der </p>
<p> Firma K. GmbH (jetzt A. GmbH) verursachten Kosten </p>
<p> tragen die Klägerinnen zu 1) und 3) 1/5 und die Nebeninter-</p>
<p> venientin 4/5.</p>
<p>f) Von den im zweiten Rechtszug durch die Nebenintervention der</p>
<p> Firma H. R. GmbH & Co.KG verursachten Kosten tragen</p>
<p> die Beklagte zu 1) 14/15 und die Nebenintervenientin 1/15.</p>
<p></p>
<p>Von den Kosten der Revisionsinstanz tragen die Klägerinnen zu 1) und 3) 7/26 und die Beklagte zu 1) 19/26.</p>
<p>Von den in der Revisionsinstanz durch die Nebenintervention der Firma K. GmbH (jetzt A. GmbH) verursachten Kosten tragen die Klägerinnen zu 1) und 3) 7/26 und die Nebenintervenientin 19/26.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Die Vollstreckung kann jedoch durch Sicherheitsleistung oder Hinterle-gung abgewendet werden, und zwar der Klägerinnen zu 1) und 3) in </p>
<p>Höhe von 12.000,- DM (Vollstreckung der Beklagten zu 1), in Höhe von 9.000,- DM (Vollstreckung der Beklagten zu 2 – 6) und in Höhe von 12.000,- DM (Vollstreckung der Nebenintervenientin A.), der Beklagten zu 1) in Höhe von 50.000,- DM (Vollstreckung der Klägerinnen zu 1 und 3) und in Höhe von 15.000,- DM (Vollstreckung der Nebenintervenientin R.), wenn nicht die Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in der genannten Höhe leisten.</p>
<p></p>
<p>Die Sicherheit kann in allen Fällen durch die selbstschuldnerische Bürg-schaft einer Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich West-Berlin erbracht werden.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird zugelassen, soweit die Zwischenfeststellungsklage ge-gen die Beklagte zu 1) abgewiesen worden ist.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px"><u>Tatbestand</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Wegen des Sach- und Streitstandes bis zum 25.11.1980 wird auf den Tatbestand des Senatsurteils vom 20.1.1981 verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Der Senat hat unter teilweiser Abänderung und Neufassung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu 1) unter Abweisung der weitergehenden Zahlungsklage verurteilt, an die Klägerinnen zu 1) bis 3) gemeinschaftlich 140.009,12 DM nebst Zinsen und Mehrwertsteuer zu zahlen. Der Senat hat dabei die Auffassung vertreten, daß die Klägerinnen Lizenzgebühren von der Beklagten zu 1) auch für Lieferungen der Beklagten zu 1) an die Auslandsgesellschaften der K.-Gruppe verlangen könne, daß aber Lieferungen der Beklagten zu 1) an die K. GmbH (jetzt A. GmbH) wegen Ziffer 2. der Vereinbarung vom 27.9.1967 von der Lizenzpflicht ausgenommen seien. Wegen der Berechnung des den Klägerinnen zu 1) bis 3) zuerkannten Betrages wird auf die Seiten 31 bis 34 der Ausfertigung des Senatsurteils vom 20.1.1981 Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Außerdem hat der Senat die Zwischenfeststellungsklagen gegen die Beklagten zu 1) bis 6) abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Gegen dieses Urteil haben die Klägerinnen zu 1) bis 3) Revision eingelegt, soweit die Zahlungsklage und die Feststellungsklage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen wurden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Der Bundesgerichtshof hat durch Urteil vom 23.3.1982 die Revision wegen eines Betrages von 9.429,79 DM nebst Zinsen und Mehrwertsteuer als unzulässig verworfen und im übrigen das Urteil des Senats im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Zahlungsklage und die Feststellungsklage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Nach Zurückverweisung haben die Klägerinnen zu 1) und 3) erklärt, daß die Klägerin zu 2) aus der BGB-Gesellschaft der Patentinhaber ausgeschieden sei, daß ihnen der Gesellschaftsanteil der Klägerin zu 2) zugewachsen sei und daß sie deshalb den Prozeß anstelle der Klägerin zu 2) übernähmen. Die Beklagten und die beiden Nebenintervenienten haben dem zugestimmt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die Klägerinnen zu 1) und 3) machen geltend: Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs stehe fest, daß auch die Lieferungen an die frühere K. GmbH in den Jahren 1971 bis 1976 lizenzpflichtig seien. Insoweit sei laut Prüfbericht vom 3.6.1982 (Anlage F 13) einschließlich Zinsen bis zum 30.6.1982 ein Anspruch in Höhe von 294.224,51 DM entstanden. Hinzu kämen weitere 2.658,72 DM für nicht gezahlte Lizenzen in den Jahren 1977 bis 1981 sowie 3.930,- DM für den Prüfbericht vom 3.6.1982, so daß sich eine Gesamtsumme von 300.813,23 DM zuzüglich Mehrwertsteuer ergebe. Auf diese Summe und die bereits zuerkannten Beträge habe die Beklagte – was unstreitig ist – inzwischen Zahlung geleistet. Obwohl die Beklagte zu 1) die Zahlung hinsichtlich der Lizenzgebühren für die K.-Lieferungen unter dem Vorbehalt des Ausganges des vorliegenden Rechtsstreits geleistet habe, sei durch diese Zahlung die bestehende Schuld getilgt, so daß der Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache erledigt sei.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Ebenso sei durch die zwischenzeitliche Abrechnung der Lizenzgebühren bis 1981 (Ablauf des Patents) die Zwischenfeststellungsklage erledigt. Auch insoweit seien der Beklagten zu 1) die Kosten aufzuerlegen, da die Klage bis dahin zulässig und begründet gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Im letzten Termin haben die Klägerinnen zu 1) und 3) für die bestrittene Behauptung, daß auch ab 1977 noch Lieferungen an K. erfolgt seien, Beweis durch Zeugnis des Herrn L. angetreten.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die Klägerinnen zu 1) und 3) beantragen:</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">1. den Rechtsstreit hinsichtlich der von der Beklagten an die Klägerinnen zu zahlenden Lizenzgebühren für erledigt zu erklären,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px"><u> hilfsweise:</u></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">auf die Berufung der Klägerinnen das Urteil des Landgerichts Düssel- dorf vom 21.2.1980 abzuändern und die Beklagte zu 1) weiterhin zur</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">Zahlung von DM 300.813,23 zuzüglich 13 % Mehrwertsteuer aus DM 177.121,20 zu verurteilen, und zwar an die Klägerinnen zu 1) und 3),</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">2. den Rechtsstreit hinsichtlich der Feststellungsklage betreffend die Ver- barungen R.-K. für erledigt zu erklären,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">3. den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die Nebenintervenientin R. schließt sich den den ursprünglichen Zahlungsanspruch betreffenden Anträgen an, soweit es um die Lieferungen an die K.-Gruppe geht.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die Beklagte zu 1) widerspricht den Erledigungserklärungen, stimmt einer etwaigen Klagerücknahme zu und beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Berufung der Klägerinnen insoweit zurückzuweisen, als über sie nicht bereits rechtskräftig entschieden ist.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die Beklagte zu 1) macht geltend:</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Trotz der Entscheidung des Bundesgerichtshofes sei eine Zahlungspflicht wegen der Lieferungen an die frühere K. GmbH nicht gegeben, weil der Lizenzvertrag solche Lieferungen nicht erfaßt habe. Jedenfalls verstoße das Vorgehen der Klägerinnen gegen § 242 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die Zwischenfeststellungsklage sei von Anfang an unzulässig, aber zumindest unbegründet gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die Nebenintervenientin A. (früher K.) schließt sich den Anträgen der Beklagten an (die bezüglich dieses Antrages im Protokoll vom 8.3.1983 angegebene Blattzahl ist irrtümlich).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Im übrigen nehmen die Parteien und Nebenintervenienten auf ihren früheren Vortrag Bezug.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Soweit vorstehend Einzelheiten des Parteivortrags nicht mitgeteilt sind, wird auf die ergangenen Urteile, die Schriftsätze, Protokolle und überreichten Unterlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">I. Hinsichtlich des <u>Zahlungsanspruchs</u> hat die Berufung der Klägerinnen (jetzt nur noch Klägerinnen zu 1 und 3) überwiegend Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">1. Allerdings ist der insoweit gestellte Hauptantrag, den Rechtsstreit hinsichtlich der von der Beklagten zu zahlenden Lizenzgebühren für erledigt zu erklären, nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Im letzten Termin wurde klargestellt, daß sich die Erledigungserklärung nicht auf die bereits ausgeurteilten Beträge bezieht. Darüber hinaus kann sich die Erledigungserklärung nicht auf diejenigen Beträge beziehen, die mit Schriftsatz vom 3.3.1983 erstmals in den Rechtsstreit eingeführt worden sind (Lizenzgebühren 1977 bis 1981 sowie Kosten für den WP-Bericht vom 3.6.1982), da diese Beträge zu keiner Zeit Gegenstand eines Haupt-Zahlungsantrages waren. Der Erledigungserklärung unterliegen deshalb nur diejenigen Zahlungsansprüche, welche die Klägerinnen für Lieferungen der Beklagten an die Nebenintervenientin K. (jetzt A.) bisher geltend gemacht hatten.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die einseitige Erledigungserklärung in dem beschriebenen Umfange kann jedoch keinen Erfolg haben. Wie die Klägerinnen selbst einräumen, erfolgte die Zahlung der Beklagten unter dem Vorbehalt des Ausganges des vorliegenden Rechtsstreits. Die Klägerinnen haben diesen Vorbehalt hingenommen. Die Erfüllungswirkung der Zahlung ist deshalb aufschiebend bedingt bis zur Rechtskraft des vorliegenden Streits über den Zahlungsanspruch; denn es war gerade der Sinn des von der Beklagten gemachten Vorbehalts, daß den Klägerinnen der gezahlte Betrag nur dann endgültig verbleiben soll, wenn die Berechtigung ihres Anspruchs gerichtlich bestätigt wird.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">2. Demgegenüber ist der Zahlungshilfsantrag der Klägerinnen zu 1) und 3) im wesentlichen bis auf einen Teil der geltend gemachten Mehrwertsteuer begründet.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">a) Die Klägerinnen zu 1) und 3) können über den durch Urteil des Senats den Klägerinnen zu 1) bis 3) zuerkannten Betrag hinaus von der Beklagten zu 1) Zahlung eines weiteren Betrages von 300.813,23 DM verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Der genannte Betrag setzt sich wie folgt zusammen:</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">aa) Lizenzgebühren für Lieferungen der Beklagten an die K. GmbH in den Jahren 1971 – 1974 einschl. Zinsen (vgl. Blatt 10 der Anlage F 13) 294.224,51 DM</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">bb) Lizenzgebühren für die Zeit von 1977 bis 1981 einschl. Zinsen (vgl. Bl. 7 der Anlage F 13) 2.658,72 DM</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">cc) Kosten für den WP-Bericht vom 3.6.1982 3.930,00 DM.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die Positionen bb) und cc) sind nach Grund und Höhe unstreitig.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Auch die Position aa) ist rechnerisch nicht streitig. Soweit die Beklagte zu 1) und die Nebenintervenientin K. (jetzt A.) weiterhin geltend machen, eine Verpflichtung zur Zahlung von Lizenzgebühren für Lieferungen an die frühere K. GmbH bestehe nicht, ist im einzelnen folgendes festzustellen:</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die Anregung der Nebenintervenientin K. (jetzt A.), die Frage des Fortbestandes der Nutzungserlaubnis über den Zeitpunkt der Veräußerung des Patents hinaus erneut zu überprüfen, scheitert an § 565 Abs. 2 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die von der Nebenintervenientin vertretene Auffassung, die Nutzungserlaubnis bestehe jedenfalls dann fort, wenn der Erwerber bösgläubig sei, findet in der zurückverweisenden Entscheidung des Bundesgerichtshofes keine Stütze. Im Gegenteil ergibt sich aus der Begründung der Entscheidung, daß die hier vereinbarte Nutzungserlaubnis rein schuldrechtlicher Natur ist und deshalb Wirkungen nur und ausschließlich im Verhältnis zwischen den damaligen Vertragsparteien entfalten konnte.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Es kann auch nicht festgestellt werden, daß die Parteien entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Lizenzvertrages vom 6.12.1973 vereinbart hätten, daß Lieferungen an die K. GmbH nicht lizenzpflichtig seien. Der Senat kann hierzu im wesentlichen auf die Ausführungen auf den Seiten 17/18 der Ausfertigung seines Urteils vom 20.1.1981 verweisen. Soweit die Beklagte zu 1) zu dieser Frage nach Schluß der damaligen mündlichen Verhandlung ergänzend vorgetragen hat, ergibt sich keine andere Beurteilung. Bei der Besprechung vom 25.4.1973 wurde der Inhalt eines Lizenzvertrages nicht ausgehandelt. Es ist nicht einmal festzustellen, daß bei diesem Gespräch der Beklagten der Abschluß eines Lizenzvertrages überhaupt konkret in Aussicht gestellt worden wäre. Die angebliche Erklärung des Herrn Dr. S., dann müsse man sich an Herrn Dr. R. halten, konnte deshalb von Herrn L. nicht als Zusage über den Inhalt des später abgeschlossenen Lizenzvertrages verstanden werden.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die Beklagte zu 1) kann sich auch nicht auf die Regelungen der §§ 154, 155 BGB (offener oder versteckter Einigungsmangel) berufen. Die Annahme eines versteckten Einigungsmangels scheitert bereits daran, daß der Inhalt des Lizenzvertrages vom 6.12.1973 eindeutig ist. Daß die Beklagte zu 1) – wie sie behauptet – eine Vereinbarung mit diesem Inhalt nicht schließen wollte, ist im Rahmen des § 155 BGB unerheblich (vgl. BGH in NJW 1961, 1668 f). Aber auch ein offener Einigungsmangel ist nicht dargetan, da die Frage der K.-Lieferungen im Vertrag nicht offengeblieben, sondern durch die eindeutige Fassung des Vertrages mitgeregelt ist.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Das Verlangen der Klägerinnen verstößt auch nicht gegen § 242 BGB. Wenn, wie dargestellt, eine Zusage der Klägerinnen, die K.-Lieferungen von der Lizenzpflicht auszunehmen, nicht feststellbar ist, kann auch die Inanspruchnahme der Rechte aus dem Vertrag vom 6.12.1973 nicht treuwidrig sein.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Schließlich kann sich die Beklagte aufgrund der durch das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 23.3.1982 eingetretenen Situation auch nicht auf einen Fortfall der Geschäftsgrundlage berufen; denn die Klägerinnen hatten durch die Vorlage des Lizenzvertragsentwurfs eindeutig zu erkennen gegeben, daß sie die Position der Beklagten, die Lieferungen an die K. GmbH seien durch die Nutzungserlaubnis vom 27.9.1967 gedeckt, nicht teilen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">b) Außerdem können die Klägerinnen zusätzlich die gesetzliche Mehrwertsteuer verlangen, soweit nicht Zinsen geltend gemacht werden. Dies ergibt sich für die Lizenzgebühren aus Ziffer 3.40 des Vertrages und für die Kosten des WP-Berichts daraus, daß die Klägerinnen für diesen Betrag mit Sicherheit auch Mehrwertsteuer bezahlen mußten. Die Höhe der Mehrwertsteuer richtet sich nach dem Zeitpunkt, in welchem die umsatzsteuerpflichtige Leistung bewirkt wurde (§ 13 UStG). Bei Lizenzen ist insoweit in der Regel der jeweils vereinbarte Abrechnungszeitpunkt – hier jedes Quartalsende – maßgebend (vgl. Rau-Dürrwächter-Flick-Geist, UStG § 13 Rdn. 131). Demgemäß hatten die Klägerinnen die Lizenzgebühren in der Berufungsbegründung auch mit einem Steuersatz von 11 % abgerechnet. Weshalb die Klägerinnen nunmehr für alle Leistungen 13 % verlangen, ist trotz entsprechenden Hinweises des Berichterstatters nicht dargetan und auch nicht ersichtlich. Die Mehrwertsteuerbeträge sind dementsprechend im Tenor dieser Entscheidung entsprechend abgestaffelt; dabei wurde der unterschiedliche Steuersatz im Jahre 1979 jeweils auf die Hälfte des für 1979 bewirkten Umsatzes angerechnet.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">c) Die Verurteilung der Beklagten zu 1) wegen der vorstehend behandelten noch offenen Forderung erfolgt zu Gunsten der Klägerinnen zu 1) und 3), da die Klägerin zu 2) aus dem Rechtsstreit wirksam ausgeschieden ist.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">II. Die Zwischenfeststellungsklage gegen die Beklagte zu 1) ist in der Hauptsache abzuweisen, da eine Erledigung nicht eingetreten ist (vgl. BGH in NJW 1982, 767 f).</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">1. Von der ursprünglichen Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage ist aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs auszugehen (vgl. Seite 10 des Urteils vom 23.3.1982), obwohl die Frage der Wirksamkeit der beiden Verträge vom 10.2.1966 und 27.9.1967 für die Entscheidung über die Zahlungsklage nicht präjudiziell ist.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">2. Die Zwischenfeststellungsklage war jedoch von Anfang an unbegründet, da ein Verstoß der Verträge gegen § 1 GWB nicht festzustellen ist.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Der Senat geht mit den Klägerinnen davon aus, daß der Vertrag vom 10.2.1966 in den Ziffern 3) und 6) und auch – nachdem die Klägerinnen hierzu ergänzend vorgetragen haben – in Ziffer 2) Abreden enthält, welche die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Nebenintervenientin R. erheblich einengten. Demgegenüber kann die Regelung nach Ziffer 4) nicht als Wettbewerbsbeschränkung der Firma R. angesehen werden, da nach dem eigenen Vortrag der Klägerinnen die Zahlungen nach Ziffer 5) aus steuerlichen Gründen als Werbekostenzuschüsse deklariert wurden, was ersichtlich nach den Vorstellungen der Vertragsparteien eine Vereinbarung, wie sie in Ziffer 4) enthalten ist, voraussetzte. Im Ergebnis liefen die getroffenen Vereinbarungen darauf hinaus, daß die Nebenintervenientin K. zwar zusätzlich in den Kreis der V.-Lizenznehmer aufgenommen wurde, gleichzeitig aber eine etwaige Konkurrenz der Nebenintervenientin R. auf dem Gurtmarkt weitgehend entfiel; denn die Nebenintervenientin R. war in ihren Wettbewerbsmöglichkeiten gegenüber der Nebenintervenientin K. nachhaltig beeinträchtigt, nachdem sie sich verpflichtet hatte, alle Entwicklungen zur Mitbenutzung zur Verfügung zu stellen und ihren gesamten Bedarf an Gurtzeug Halb- und Fertigteilen von der Nebenintervenientin K. zu beziehen. Darüber hinaus hatte die Nebenintervenientin K. das Recht, von der Nebenintervenientin R. die Aufgabe des Gurtverkaufs zu verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Der Senat vermag jedoch nicht festzustellen, daß die genannten Wettbewerbsbeschränkungen zu einem gemeinsamen Zweck vereinbart wurden. Zwar genügt insoweit, daß die Wettbewerbsbeschränkungen und der durch sie zu bewirkende Erfolg einem gemeinsamen Interesse entsprechen und gemeinsam angestrebt werden (vgl. BGHZ 68, 6, 10 – Fertigbeton). Es ist aber im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, worin ein solches gemeinsames Interesse bestanden haben könnte. Die vereinbarten Wettbewerbsbeschränkungen gehen insgesamt und ausschließlich zu Lasten der Nebenintervenientin R. und entsprachen dem erkennbaren Interesse der Nebenintervenientin K., R. gegen entsprechende Bezahlung an sich zu binden und notfalls gänzlich vom Gurtmarkt zu verdrängen. Das Interesse der Nebenintervenientin R. bestand allein darin, die vereinbarten Zahlungen zu erhalten. Dies reicht aber zur Annahme eines gemeinsamen Zwecks nicht aus. Zwar kann ein gleichgerichtetes Interessse der durch Wettbewerbsbeschränkungen allein belasteten Vertragspartei u.U. dann bejaht werden, wenn sie zumindest indirekt an den durch die Wettbewerbsbeschränkungen erstrebten Marktergebnissen partizipieren soll (vgl. BGH in NJW 1979, 1605 und NJW 1982, 2000 f). Aber auch ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Eine irgendwie geartete Beteiligung der Nebenintervenientin R. an den von der Nebenintervenientin K. erstrebten Marktergebnissen war nicht vorgesehen. Auch ist nichts dafür dargetan, daß K. in irgendeiner Weise auf die vereinbarten Wettbewerbsbeschränkungen angewiesen war, um in der Lage zu sein, die gegenüber R. versprochenen Zahlungen zu leisten. Die Klägerinnen weisen selbst darauf hin, daß die Nebenintervenientin K. damals wesentlich marktstärker gewesen sei als R.. Außerdem hatte K. schon damals eine Reihe von Niederlassungen oder Tochterfirmen im Ausland. Es erscheint unter diesen Umständen nicht vorstellbar, daß die jährlichen Zahlungen von 50.000,- DM für K. eine spürbare Beschwernis darstellten, die nur erfüllt werden konnte, wenn die Nebenintervenientin R. den übernommenen Verpflichtungen nachkam. Der Sache nach handelt es sich bei dem Vertrag vom 10.2.1966 um einen bloßen "Abkauf" von Wettbewerb, der als solcher nicht gegen § 1 GWB verstößt.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Soweit in der Literatur (vgl. z.B. Immenga/Mestmäcker, GWB § 1 Rdn. 159) und auch von den Klägerinnen die Auffassung vertreten wird, bei der Beurteilung des Merkmals "zu einem gemeinsamen Zweck" sei auf die Außenwirkungen der Vereinbarung abzustellen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Dann nämlich würde jede Fusion und jeder Firmenkauf gegen § 1 GWB verstoßen, was erkennbar nicht den Vorstellungen des Gesetzes entspricht.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Darüber hinaus ist nach dem bisherigen Vortrag auch nicht feststellbar, daß die Vereinbarung vom 10.2.1966 geeignet war, die Verhältnisse auf dem Gurtmarkt in spürbarer Weise zu beeinflussen. Die Klägerinnen verweisen insoweit auf die starke Rechtsposition der Nebenintervenientin R. vor Abschluß der Vereinbarung. Dieser Hinweis führt aber nicht weiter, da äußerstenfalls – wenn nämlich K. die Option nach Ziffer 6) des Vertrages ausübte – K. die Stelle von R. als V.-Lizenznehmer eingenommen hätte. Es kommt jedoch in diesem Zusammenhang entscheidend darauf an, ob durch die Ausübung der Option oder durch die sonstigen Bindungen R. an K. die wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten und die zur Verfügung stehenden Alternativen der anderen Marktbeteiligten merklich beeinträchtigt werden konnten (vgl. BGHZ 68, 6, 11 – Fertigbeton). Hierzu sind jedoch mangels geeigneten Vortrags keine konkreten Feststellungen möglich. Einer weiteren Aufklärung zu diesem Punkt bedurfte es jedoch nicht, da die Klage wegen dieses Vertrages ohnehin wegen des Fehlens eines gemeinsamen Zwecks abzuweisen ist.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Was vorstehend zu dem Vertrag vom 10.2.1966 hinsichtlich des gemeinsamen Zwecks ausgeführt wurde, gilt in verstärktem Maße auch für den Vertrag vom 27.9.1967.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Mit sonstigen Gründen, die die Unwirksamkeit der beiden Verträge zur Folge haben könnten, kann sich der Senat nicht befassen. Die von den Klägerinnen in der letzten mündlichen Verhandlung vertretene Auffassung, die Zwischenfeststellungsklage habe von Anfang an alle geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe zum Gegenstand gehabt, ist mit der eindeutigen Antragsfassung und auch mit der Begründung nicht vereinbar. Die Klägerinnen konnten auch in der letzten mündlichen Verhandlung die Feststellungsklage nicht mehr erweitern, nachdem die Zulässigkeit der Klage entfallen war.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92, 97 Abs. 1, 101, 108, 269 Abs. 3, 546, 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die Kostenentscheidung bezieht sich auf die Kosten des gesamten Prozesses; dementsprechend sind die Klägerinnen zu 1) und 3) befugt, die bei der Klägerin zu 2) bis zu deren Ausscheiden entstandenen Kosten bei der Kostenausgleichung mit in Ansatz zu bringen.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Für die erste Instanz und die Revisionsinstanz wurde über Kosten der Nebenintervenientin R. nicht befunden, da diese an den genannten Instanzen nicht beteiligt war. Die Entscheidungen zur Höhe der Sicherheitsleistungen betreffen nur die Kosten des Verfahrens, da die Hauptsumme nebst Zinsen und Steuern bereits bezahlt ist.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die Revision wird hinsichtlich der Abweisung der Zwischenfeststellungsklage zugelassen, da die Frage, wie in Fällen der vorliegenden Art das Handeln "zu einem gemeinsamen Zweck" zu beurteilen ist, von grundsätzlicher Bedeutung ist.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die Zulassung war insoweit erforderlich, da das Interesse der Klägerinnen an der Feststellung der Erledigung – soweit ersichtlich – über das Kosteninteresse nicht hinausgeht, nachdem feststeht, daß es für die Zahlungsansprüche auf die Verträge aus 1966 und 1967 nicht ankommt. </p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px"><u>Beschwer der Klägerinnen zu 1) und 3):</u></p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Zahlungsklage 3.419,29 DM Feststellungsklage <u>15.000,00 DM</u> 18.419,29 DM</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px"><u>Beschwer der Beklagten zu 1):</u> 196.727,66 DM</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px"><u>Beschwer der Nebenintervenientin A.:</u> 196.727,66 DM</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px"><u>Beschwer der Nebenintervenientin R.:</u> keine</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Dr. W. Dr. N. M.</p>
|
315,722 | olgham-1983-10-19-20-u-183 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 1/83 | 1983-10-19T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:21 | 2019-03-27T09:42:23 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1983:1019.20U1.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. November 1982 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 555.000,- DM abzuwenden, sofern nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.</p>
<p>Die Beklagte darf die Sicherheit durch unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft der Deutscher Bank, ... erbringen, die Kläger durch ebensolche Bürgschaft der Kreissparkasse Halle.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Kläger sind Bezugsberechtigte aus einem Lebensversicherungsvertrag, den ihr am 1.12.1981 gegen 8.55 Uhr tödlich verunglückter Sohn bei der Beklagten abgeschlossen hatte. Der ar 26.10.1981 gestellte Versicherungsantrag belief sich auf eine Versicherungssumme von 250.000,- DM, die sich bei Unfalltod verdoppelte. In dem Antrag sind unter der Rubrik "Beitragszahlweise" die Kästchen "monatlich" und "EEV ab Beginn" angekreuzt. Gleichzeitig wurde die Beklagte beauftragt, die Beiträge bei Fälligkeit zu Lasten des Kontos des Versicherungsnehmers einzuziehen. Als Versicherungsbeginn war der 1.11.1981 angegeben.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Ein entsprechender Versicherungsschein wurde den Versicherungsnehmer am 25. oder 26.11.1981 ausgehändigt. Auf diesem war unter der Rubrik "Einlösungsbetrag erhalten" eingetragen "wird abgebucht". Außerdem war unter "Für Sie zuständig: Inkassostelle" niedergelegt: "Der Beitrag wird von der Hauptverwaltung der ... Abbuchungsverfahren erhoben".</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nach dem Tod des Versicherungsnehmers ging die Lastschrift bei dessen Bank ein. Mit dieser Lastschrift wurden zwei Beträge über je 700,- DM, insgesamt 1.400,- DM angefordert. Dabei handelt es sich um die Erst- und um die Folgeprämie. Die Lastschrift wurde nicht eingelöst, da die Bank bereits vom Tode des Versicherungsnehmers unterrichtet war.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nach dem Tode des Versicherungsnehmers hatte die Beklagte den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Kläger zunächt mitgeteilt, die Erstprämie sei gezahlt worden. Dies wurde dem Anwalt gegenüber dann später mit Schreiben vom 14.12.1981 richtiggestellt. Darauf bot dieser im Schreiber, vom 29.12.1981 Zahlung der Prämien von Seiten der Kläger an. Diese schlugen später die Erbschaft nach ihrem Sohn aus. Dies teilten sie der Beklagten mit Schreiben vom 27.1.1982 mit.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an sie je 250.000,- DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie hält sich für leistungsfrei nach §38 II VVG, da die erste Prämie bei Versicherungsfall noch nicht gezahlt worden sei. Im übrigen habe auf den Konto des Versicherungsnehmers auch zu dessen Lebzeiten keine ausreichende Deckung bestanden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und ausgeführt: Leistungsfreiheit bestehe nicht. Der Versicherungsnehmer habe das Erforderliche getan, da er dafür gesorgt habe, daß die Prämie hätte abgebucht werden kennen. Wenn der Versicherungsnehmer nicht am Vortage tödlich verunglückt wäre, wäre nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme am 2.12.1981 die Lastschrift eingelöst worden.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Genen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Sie hält nicht für erwiesen, das der Versicherungsnehmer für eine ordnungsgemäße Einlösung der Lastschrift gesorgt habe. Sein Konto habe kein ausreichendes Guthaben ausgewiesen und ihm sei auch kein Kredit fest zugesagt gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte stellt den Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">hilfsweise ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Beibringen einer Bankbürgschaft der Deutschen Bank ... abzuwenden.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Kläger beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen und ihnen nachzulassen, eventuelle Sicherheitsleistungen durch Bankbürgschaft der ... zu erbringen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Sie wiederholen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie äußern weiterhin die Ansicht, die Lastschrift sei nur deshalb nicht eingelöst worden, weil sie von der Beklagten schuldhaft verspätet vorgelegt worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die beigefügten Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat keinen Erfolg. Dem Kläger steht nach §§13 der allgemeinen Versicherungsbedingungen, 15 ALB 167, VVG ein Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme zu.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Vertragsschluß, Eintritt des Versicherungsfalles und auch die Bezugsberechtigung der Kläger sind zweifelsfrei. Die Beklagte ist auch nicht leistungsfrei.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"><b>1)</b></p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">§28 II VVG, wonach der Versicherungsschutz erst mit der Zahlung des Einlösungsbetrages nach §1 der allgemeinen Versicherungsbedingungen beginnt, setzt voraus, daß die Erstprämie trotz einer bestehenden Zahlungsverpflichtung nicht gezahlt wird (vgl. Prölss-Martin, §38 Anm. 5). Daran fehlt es unter anderem bei einer Stundung (vgl. Prölss-Martin §38 Anm. 4).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Eine solche Stundung liegt hier in der Vereinbarung des Einzugs-Ermächtigungs-Verfahrens. Diese Vereinbarung bewirkt, daß der Einlösungsbetrag nicht bar bezahlt zu werden braucht. Das wird in dem Versicherungsschein verdeutlicht, in den keine Inkassostelle angegeben und unter der Rubrik "Einlösungsbetrag erhalten:" nur eingetragen ist: "wird abgebucht". Die Zahlungsverpflichtung des Versicherungsnehmers war damit bis zum Eingang des Abbuchungsersuchens bei seiner Bank gestundet. Da diese Vorlage erst nach dem Tode erfolgt ist, war die Versicherungsprämie zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles noch nicht fällig.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks"><b>2)</b></p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Parteien sind unterschiedlicher Auffassung darüber, welchen Einfluß diese Stundung auf die Leistungspflicht der Beklagten hat. Die Beklagte leitet aus §38 Abs. 2 VVG her, daß bis zur tatsächlichen Zahlung der Versicherungsschutz trotz der Stundung nicht beginne, während die Kläger meinen, es liege eine sogenannte deckende Stundung vor, die dazu führe, daß Versicherungsschutz zunächst bestehe, aber von der rechtzeitiger. Zahlung der Prämie bei Fälligwerden abhänge und damit eventuell auch rückwirkend entfallen könne. Welche der Alternativen vereinbart ist, ist durch Auslegung zu ermitteln (Brück-Möller, VVG, §25 Anm. 34).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Nach Auffassung des Senates ist von einer deckenden Stundung auszugehen. Dies entspricht dem erkennbaren Interesse des Versicherungsnehmers. Die Vereinbarung des Einzugs-Ermächtigungs-Verfahrens liegt nämlich weitgehend im Interesse der Versicherer, da sie so die Konten der Versicherungsnehmer einfacher buchungstechnisch bearbeiten und verwalten können. Wenn der Versicherungsschutz erst bei Einlösung der Lastschrift einträte, hinge dieser Zeitpunkt überwiegend von Umständen in der Sphäre des Versicherers ab. Er wäre dem Einfluß des Versicherungsnehmers weitgehend entzogen. Dessen direkte und unmittelbare Zahlung ist aus buchungstechnischen Gründen dem Versicherer kaum erwünscht und jedenfalls im Vertrag nicht vorgesehen. Der Versicherungsnehmer wäre bei Ablehnung einer deckenden Stundung regelmäßig in der Zeit zwischen der Obersendung des Versicherungsscheins und der von ihm nicht zu beeinflussenden Abbuchung der Erstprämie trotz bestehenden Versicherungsvertrages und bestehender Leistungspflicht ohne Versicherungsschutz. Dies widerspricht schon der allgemeinen Vermutung, daß niemand gewillt ist, ohne angemessene Gegenleistung seinerseits Zahlungen zu erbringen. Davon muß auch der Versicherer ausgehen. Dieser Interessenlage entspricht es, daß ab Aushändigung des Versicherungsscheins Versicherungsschutz besteht. Es kann im Zweifel nicht angenommen werden, daß nur eine unvollkommene Stundung gewollt ist (Bruck-Möller, a.a.O).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Damit bestand zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls Versicherungsschutz, da beim Tod des Versicherungsnehmers die Prämie noch nicht fällig war.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks"><b>3)</b></p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der Versicherungsschutz ist auch nicht rückwirkend deshalb entfallen, weil nachträglich bei Anforderung der Prämien nicht rechtzeitig gezahlt wurde. Dabei wäre nach allgemeiner Meinung (BGH NJW 76, 215; OLG Kamm Versicherungsrecht 76, 536; 79, 413; Prölss-Martin §35 Anm. 6 B c), die im übrigen auch die Beklagte vertritt, allein darauf abzustellen, ob der Versicherungsnehmer das seinerseits Erforderliche getan hat, damit zum Fälligkeitstermin der geschuldete Betrag von seinen: Konto abgebucht werden konnte. Diese Vorsorge braucht sich nach der Auffassung des Senats aber nicht auf einen Zeitpunkt nach dem Tode des Versicherungsnehmers zu erstrecken. Dieser braucht nicht sicherzustellen, daß auch nach seinem Tod noch abgebucht werden kann. Insbesondere bei einer Lebensversicherung kann der Versicherungsschutz nicht rückwirkend dadurch entfallen, daß die Prämie von einem Konto des verstorbenen Versicherungsnehmers nicht mehr abgebucht werden konnte. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob zwischen dem Tod und dem Abbuchungsversuch wie hier ein geringer oder ein längerer Zeitraum verstrichen ist.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"><b>4)</b></p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Im übrigen hat die Beweisaufnahme im ersten Rechtszuge ergeben, daß der Versicherungsnehmer die Möglichkeit der Abbuchung der Erstprämie durch Vereinbarung mit seiner Bank hinreichend sichergestellt hatte. Auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Urteil, denen sich der Senat anschließt, wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks"><b>5)</b></p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Abgesehen von alledem fehlt es an einer ordnungsgemäßen Anforderung der Erstprämie. Die bei der Hausbank des Versicherungsnehmers vorgelegte Lastschrift verhielt sich nämlich zugleich über die Erst- und die Folgeprämie. Da ein Einziehungsauftrag nur ganz oder gar nicht ausgeführt werden kann, ist damit dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit genommen, Versicherungsschutz durch Zahlung nur der Einlösungsprämie zu erlangen. Dadurch wird die Regelung der §§38, 39 VVG, die zwingend ist, unterlaufen. Deshalb ist diese Art der Lastschrift keine wirksame Fälligstellung für die Einlösungsprämie. Es muß eine Lastschrift vorgelegt werden, mit der allein und erkennbar nur die Erstprämie eingezogen werden soll. Die Nichteinlösung der Lastschrift führt auch aus diesem Grund nicht zu einem rückwirkender Wegfall des Versicherungsschutzes.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks"><b>6)</b></p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">In der Folgezeit hat die Beklagte die Prämienzahlung nicht mehr angefordert. Sie hat vielmehr auf ein Zahlungsangebot der Kläger nicht reagiert. Daraus, daß nach dem 2.12.1982 die Zahlung nicht nachgeholt wurde, können sich daher keine Rechtsfolgen zugunsten der Beklagten ergeben.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§97, 708 Ziffer 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Der Wert der Beschwer beträgt 500.000,- DM.</p>
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315,723 | olgk-1983-10-12-ss-54183 | {
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | Ss 541/83 | 1983-10-12T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:22 | 2019-03-27T09:42:23 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1983:1012.SS541.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Dem Betroffenen wird auf seinen Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Antrages auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 22. April 1983 gewährt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">G r ü n d e :Der Betroffene hat durch anwaltliche Versicherung seines Verteidigers glaubhaft gemacht, daß es dieser trotz rechtzeitiger Beauftragung unterlassen hat, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde fristgerecht stellen. An der Versäumung dr Frist trifft den Betroffenen deshalb kein Verschulden, so daß ihm die beantragte Wiedereinsetzung zu gewähren ist.Der Betroffene wird darauf hingewiesen, daß mit der Zustellung dieses Beschluesses die Frist von einem Monat zur Begründung des Zulassungsantrages zu laufen beginnt. Der die Begründung entahltende Schriftsatz muß von dem Verteidiger oder einem anderen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Auch kannd ie Begründung zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Köln erklärt werden.</p>
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315,724 | olgham-1983-10-10-15-w-15683 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 15 W 156/83 | 1983-10-10T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:24 | 2019-03-27T09:42:23 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1983:1010.15W156.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p>Der Wert des Gegenstandes der weiteren Beschwerde wird auf 10.000,- DM festgesetzt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten haben am 12. November 1982 beim Amtsgericht Essen die Eintragung des Vereins " ... e.V." in das Vereinsregister beantragt. Nach §10 der in der Gründungsversammlung vom 28. Oktober 1982 beschlossenen Satzung sind Vorstand im Sinne des §26 BGB der Präsident der " ...", der Vizepräsident, der Schatzmeister und der Generalsekretär. Diese Satzungsbestimmung sieht ferner vor, daß zwei Vizepräsidenten zum Präsidium gehören. Der Verein wird gerichtlich und außergerichtlich durch den Präsidenten mit dem Schatzmeister oder Generalsekretär und in seiner Vertretung durch einen der Vizepräsidenten mit Schatzmeister oder Generalsekretär vertreten. In der Gründungsversammlung wurden der Beteiligte zu 1) zum Präsidenten, der Beteiligte zu 2) zu einem Vizepräsidenten, die Beteiligte zu 3) zur Generalsekretärin und der Beteiligte zu 4) zum Schatzmeister gewählt. Der Posten eines Vizepräsidenten ist unbesetzt geblieben.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nachdem die Rechtspflegerin des Amtsgerichts in einer Zwischenverfügung vom 20. Dezember 1982 verschiedene Beanstandungen erhoben hatte, ist diese Anmeldung durch Beschluß des Amtsgerichts vom 25. Januar 1983 zurückgewiesen worden, da der Verein von allen Vorstandsmitgliedern anzumelden sei, wovon ein zweiter Vizepräsident nicht angemeldet habe.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Beschluß haben die Beteiligten sofortige Erinnerung vom 31. Januar 1983 eingelegt, der der Richter des Amtsgerichts abgeholfen hat. Das Landgericht hat die als sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung der Rechtspflegerin behandelte Erinnerung mit Beschluß vom 15. Februar 1983 zurückgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gegen die landgerichtliche Entscheidung wenden sich die Beteiligten mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde vom 16. März 1983.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die sofortige weitere Beschwerde ist form- und fristgerecht angebracht worden und auch sonst zulässig (§§27, 29, 160 a FGG). Sie ist vom Beglaubigungsnotar (§§159, 129 FGG) im Namen der Vorstandsmitglieder, die die die Eintragung des Vereins in das Vereinsregister angemeldet haben, eingelegt worden. Die Beschwerdeberechtigung dieser Vorstandsmitglieder folgt schon daraus, daß ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist (Keidel/Kuntze/Winkler, FG, 11. Aufl., Rz. 10 zu §27 FGG).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die somit zulässige sofortige weitere Beschwerde ist aber unbegründet, weil die angefochtene Entscheidung nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§27 FGG).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Zutreffend ist das Landgericht von einer zulässigen sofortigen Erstbeschwerde ausgegangen, die vom Notar für die anmeldenden Beteiligten eingelegt worden war. Diese waren beschwerdeberechtigt. Zwar ist gegen die Zurückweisung eines Antrages nur die Gesamtheit der Antragsberechtigten beschwerdeberechtigt, wenn eine gerichtliche Verfügung nach dem materiellen Recht den gemeinschaftlichen Antrag mehrerer Personen erfordert (vgl. z.B. K/K/W, Rz. 102 zu §20 FGG). Wären hier also alle Vorstandsmitglieder zur Anmeldung des Vereins verpflichtet, so müßten auch alle gemeinsam das Beschwerderecht ausüben. Dieser Grundsatz ist jedoch dann einzuschränken, wenn der Antrag der Beschwerdeführer gerade wegen der nicht gemeinsamen Ausübung als unzulässig zurückgewiesen worden ist. In diesem Fall ist die Frage der Antragsberechtigung der Beschwerdegegenstand, der von den tatsächlichen Antragstellern zur Überprüfung durch das Beschwerdegericht gestellt werden kann. Die sofortige Erstbeschwerde war auch form- und fristgerecht erklärt worden.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">In der Sache hat das Landgericht im Ergebnis mit Recht die Anmeldung des Vereins durch alle Vorstandsmitglieder, wie sie in der Satzung vorgesehen sind, gefordert.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Den Streitstand in der umstrittenen Frage, ob Anmeldungen zum Vereinsregister nur von sämtlichen Mitgliedern des Vorstands gemeinsam rechtswirksam vorgenommen werden können, oder ob im Falle der Einzel- oder teilweisen Gesamtvertretungsbefugnis jedes einzelne vertretungsberechtigte Vorstandsmitglied oder die gesamtvertretungsberechtigten einzelnen Vorstandsmitglieder die Eintragung anmelden können, haben das Bayerische Oberste Landesgericht in seinem Beschluß vom 12. August 1981 (BReg. 2 Z 94/80 = BayObLGZ 1981, 270 = DNotZ 1982, 115 = Rpfleger 1981, 487 = MDR 1981, 1015) und Stöber (Rpfleger 1980, 369, 370) ausführlich mit Belegstellen dargelegt. Danach wird auf der einen Seite der Standpunkt vertreten, alle Anmeldungen zum Vereinsregister könnten nur durch die sämtlichen Vorstandsmitglieder gemeinsam vorgenommen werden. Vertreter einer anderen Meinung sehen in allen Fällen die Anmeldung durch Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl als ausreichend an. Schließlich findet sich die Auffassung, zwar müsse die Eintragung des Vereins (§59 Abs. 1 BGB) von allen Mitgliedern des Vorstands angemeldet werden, in allen anderen Fällen genüge jedoch die Anmeldung durch Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Das BayObLG hat sich für den von ihm entschiedenen Fall der Änderung des Vorstands in diesem Beschluß der zuletzt von Stöber (a.a.O.) begründeten Ansicht angeschlossen, daß die Anmeldung von einem vertretungsberechtigten Vorstandsmitglied allein vorgenommen werden kann. Danach ist die durch §67 Abs. 1 S. 1 BGB auferlegte Pflicht, jede Änderung des Vorstands zur Eintragung im Vereinsregister anzumelden, den Vorstandsmitgliedern in dieser Eigenschaft, d.h. als Organen des Vereins, nicht als Privatpersonen auferlegt. Da die Vorstandsmiglieder als Organe Teil des Vereins selbst seien, sei die Pflicht zur Anmeldung einer Veränderung des Vorstands deshalb eine solche des Vereins selbst, der aber als juristische Person diese Pflicht nur durch seine Organe erfüllen könne, denn nur diese seien handlungsfähig. Die Vorstandsmitglieder würden deshalb bei der Anmeldung als Organe des Vereins tätig, den sie vertreten. Das BayObLG hat seine Auffassung in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Regelung gesehen, wie sie für die Aktiengesellschaft und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei der Anmeldung einer Änderung des Vorstands oder in der Person der Geschäftsführer zur Eintragung im Handelsregister getroffen sei, weil in den Fällen der §81 Abs. 1 AktG, 39 Abs. 1 GmbHG nur so viele Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer bei der Anmeldung mitwirken müßten, wie zur <u>Vertretung</u> der Gesellschaft erforderlich seien. Auch der Vorstand des §34 Abs. 3 HGB sei derjenige gemäß der satzungsmäßigen Vertretungsmacht. Das BayObLG hat es als wenig verständlich beurteilt, hinsichtlich der Änderungen von Registereintragungen bei den wirtschaftlich oft wesentlich bedeutsameren handelsrechtlichen Gesellschaften geringere Anforderungen an die Anmeldeberechtigung und -verpflichtung zu stellen als bei Vereinen, denen vom Regelfall her betrachtet eine geringere Bedeutung im Wirtschaftsleben und Rechtsverkehr zukomme als den handelsrechtlichen Gesellschaften. Es hat deshalb eine Gleichbehandlung der Anmeldeberechtigung zum Vereinsregister und zum Handelsregister von der Sache her jedenfalls insoweit gefordert, als Anmeldungen zum Vereinsregister nicht strengeren Voraussetzungen unterworfen sein sollten als solche zum Handelsregister.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber hatte sich der Senat in seinem Beschluß vom 14. April 1980 (15 W 52/79 = DNotZ 1982, 118 = Rpfleger 1980, 384 = OLGZ 1980, 389) zu der erstgenannten Auffassung bekannt, wonach die Anmeldung von Änderungen des Vorstands eines Vereins zur Eintragung in das Vereinsregister durch <u>alle</u> Vorstandsmitglieder, die den Vorstand im Sinne des §26 BGB bilden, zu bewirken ist, ohne daß zwischen der Erstanmeldung und späteren Anmeldungen zu unterscheiden ist. Der Senat hat damals ausgeführt, daß die Anmeldung von Vorstandsänderungen stets von allen Vorstandsmitgliedern im Sinne des §26 BGB zu bewirken sei, weil es sich bei der Anmeldung um eine den Vorstandsmitgliedern obliegende <u>persönliche Verpflichtung</u> handele, die sich nicht aus ihrer rechtsgeschäftlichen Vertretungsbefugnis, sondern aus ihrer Stellung als gesetzlicher Vorstand ergebe. Diese Bewertung folge aus der im Gesetzeswortlaut ("der Vorstand") klar zum Ausdruck gekommenen Entscheidung des Gesetzgebers für die Anmeldung beim eingetragenen Verein, so daß der Vergleich mit der Rechtslage bei Gesellschaften keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen vermöge. Gegenüber dieser persönlichen Verpflichtung seien die Regelung der Satzung über die Vertretungsbefugnis ohne Bedeutung, da sie nur die rechtsgeschäftliche Vertretung des Vereins beträfen, um die es hier nicht gehe, sondern um eine den Vorstandsmitgliedern in dieser Eigenschaft vom Gesetz auferlegte persönliche Verpflichtung, die ein Recht des Vorstands auf Mitwirkung bei der Anmeldung bedeute.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Bei der vorliegenden Fallgestaltung, die die Eintragung des Vereins in das Vereinsregister betrifft, ist der Senat nicht zur erneuten grundsätzlichen Prüfung der Frage gezwungen, ob es sich bei der Anmeldung einer eintragungsfähigen Tatsache in das Vereinsregister um eine die Vorstandsmitglieder treffende persönliche Verpflichtung handelt, oder ob sie als Organe des Vereins tätig werden, den sie vertreten (so BayObLG, a.a.O. mit beachtlichen Gründen). Gemäß §59 Abs. 1 BGB hat "der Vorstand" den Verein zur Eintragung anzumelden. Nach der zitierten Rechtsprechung des Senats bedeutet dies ohne weiteres, daß diese Anmeldung durch <u>alle</u> Vorstandsmitglieder, die den Vorstand im Sinne des §26 BGB bilden, zu bewirken ist. Der Kreis der Anmeldepflichtigen ist hier unvollständig, weil ein Vizepräsident, der noch nicht bestellt ist, nicht mit angemeldet hat.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Anmeldung ist jedoch auch dann nicht rechtswirksam vorgenommen worden, wenn der Vorstand bei ihr als Vertretungsorgan tätig werden und sie durch Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl ausreichend sein sollte. Das BayObLG hat seine entsprechende Auffassung in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Regelung für Handelsregistereintragungen bei Vorstandsänderungen oder Geschäftsführeränderungen bei der AG oder GmbH gesehen und eine Gleichbehandlung der Anmeldeberechtigung zum Vereinsregister und zum Handelsregister für diesen Kreis der einzutragenden Tatsachen als sachlich geboten gefordert. Eine solche Betrachtungsweise führt nach der Auffassung des Senats bei der Ersteintragung des Vereins zur Mitwirkungspflicht sämtlicher Vorstandsmitglieder (a.A.: Stöber, a.a.O.). Hierfür sind zwei Gründe maßgebend:</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Ersteintragung von Personenvereinigungen in das Handelsregister ist in dieser Weise ausgestaltet. Für die Eintragung der Aktiengesellschaft in das Handelsregister bestimmt §36 Abs. 1 AktG ausdrücklich, daß alle Mitglieder des Vorstands anmelden müssen. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist gem. §§7 Abs. 1, 78 GmbHG durch "sämtliche Geschäftsführer" anzumelden. Anmeldungen zum Genossenschaftsregister sind nach §157 GenG ohnehin unterschiedslos durch sämtliche Mitglieder des Vorstands einzureichen. §33 Abs. 1 HGB wiederum sieht vor, daß eine juristische Person, deren Eintragung in das Handelsregister mit Rücksicht auf den Gegenstand oder auf die Art und den Umfang ihres Gewerbebetriebes zu erfolgen hat, von "sämtlichen Mitgliedern" des Vorstands zur Eintragung anzumelden ist. Diese Vorschrift bezieht sich nicht auf die juristischen Personen des Handelsrechts, die (wie z.B. die AG, die KGaA, die GmbH usw.) eine Sonderregelung erfahren haben, sondern sie will den Besonderheiten Rechnung tragen, die sich daraus ergeben, daß juristische Personen ohne solche Sonderregelungen den Vorschriften des HGB unterliegen, weil sie ein Handelsgewerbe nach §§1, 2 oder 3 des HGB betreiben. Darunter fallen neben anderen insbesondere rechtsfähige Vereine mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb (§§22, 23 BGB) oder eingetragene Vereine, deren Zweck zwar nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist (§21 BGB), die aber einen Nebenbetrieb unterhalten, der sich als Handelsgewerbe darstellt (Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan, HGB, 5. Aufl., Rz. 2 zu §33 HGB; Würdinger in Großkomm. HGB, Rz. 2 zu §33 HGB; Baumbach/Duden, HGB, 24. Aufl., Anm. 1 zu §§33-35 HGB). Während sich an der Erstanmeldung nach §33 Abs. 1 HGB sämtliche Mitglieder des Vorstandes, auch die nur stellenvertretenden zu beteiligen haben, ist gemäß §34 Abs. 3 HGB jede Änderung der nach §33 Abs. 2 HGB einzutragenen Tatsachen nach der handelsrechtlichen Kommentarliteratur durch "den Vorstand" gemäß der satzungsmäßigen Vertretungsmacht anzumelden.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Für alle Ersteintragungen fordert das Gesetz also ein vollständiges Mitwirken aller Mitglieder der Vertretungsorgane. Der Grund hierfür liegt darin, daß diesen Ersteintragungen eine besondere Bedeutung zukommt und eine erhöhte Richtigkeitsgewähr gegeben sein muß, wenn diese Körperschaften in das Rechtsleben treten. Dieser Zweck der gesetzlichen Regelungen beeinflußt auch die Auslegung des §59 Abs. 1 BGB in dem Sinne, daß <u>alle</u> Vorstandsmitglieder den Verein zur Eintragung in das Vereinsregister anzumelden haben und eine Mitwirkung in lediglich vertretungsberechtigter Anzahl nicht genügt (a.A.: Stöber, Rpfleger 1980, 369, 374).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Daß der Kreis der anmeldepflichtigen Personen <u>nur</u> dann gesetzlich weiter gefaßt sei, wenn zur Sicherung des Wirtschaftsverkehrs Eintragungen hinsichtlich des haftenden Kapitals zusätzliche Erklärungen oder Angaben erforderten, deren Richtigkeit durch zivil- und/oder strafrechtliche Verantwortlichkeit der Anmeldenden gesichert werde (so Stöber, Rpfleger 1980, 369, 372), läßt sich einer Gesamtschau der einschlägigen Gesetzesbestimmungen nicht ohne weiteres entnehmen. Dieser Gesichtspunkt hat z.B. für §33 Abs. 1 HGB keine ausschlaggebende Bedeutung.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Des weiteren wird diese Auslegung des §59 Abs. 1 BGB einer Rechtsmeinung gerecht (vgl. Sauter/Schweyer, Der eingetragene Verein, 11. Aufl., S. 6, Rz. 13), wonach sich der Verein vor der vollständigen Bildung eines mehrgliedrigen Vorstands in der noch nicht abgeschlossenen Gründungsphase befindet. Danach ist zwar mit der Feststellung der Satzung durch die Gründer die rechtliche Grundlage des Vereins geschaffen, aber seine Organisation, die ihn erst zur Körperschaft macht, noch nicht vollendet. Dazu gehört die Bildung des Vereinsvorstands als dem wesentlichen Organ, ohne das der Verein nicht handlungsfähig ist. Besteht der von den Gründern zu bestellende Vorstand nach der Satzung aus mehreren Personen, so müssen nach der zitierten Rechtsmeinung <u>alle</u> in der Satzung vorgesehenen Vorstandsposten besetzt werden, weil sonst der Vorstand als Organ nicht gebildet ist. Der Einwand von Stöber (Vereinsrecht, 4. Aufl., Rz. 298; Rpfleger 1980, 369, 373), es sei mißlich, lediglich zur Mitunterzeichnung einer Registeranmeldung die gerichtliche Bestellung eines Vorstandsmitgliedes zu betreiben (§29 BGB), hat jedenfalls für das Gründungsstadium keinerlei Berechtigung, in dem die Bildung des vollzähligen Vorstands wesentlich für die Entstehung der handlungsfähigen Körperschaft ist.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Für die Ersteintragung eines neu gegründeten Vereins (§59 Abs. 1 BGB) ist daher die Anmeldung durch alle Vorstandsmitglieder erforderlich. Zur Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof gem. §28 Abs. 2 FGG besteht kein Anlaß. Die Entscheidung des BayObLG (a.a.O.), die zur Anmeldung einer <u>Änderung des Vereinsvorstands</u> ein einzelvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied für befugt ansieht, nötigt schon deshalb nicht dazu, weil die Beurteilung des §67 Abs. 1 BGB eine andere Rechtsfrage betrifft.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die weitere Beschwerde ist unter diesen Umständen zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks"><b>3.</b></p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Festsetzung des Gegenstandswerts der weiteren Beschwerde beruht auf §§131 Abs. 2, 30 KostO. Sie ist in dieser Höhe gerechtfertigt, weil es um die Ersteintragung des Vereins insgesamt und damit um dessen Eintritt in das Rechtsleben geht und der Zweck des Vereins von internationaler Bedeutung ist.</p>
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315,725 | olgham-1983-10-06-2-u-11283 | {
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 U 112/83 | 1983-10-06T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:26 | 2019-03-27T09:42:22 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1983:1006.2U112.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Beklagten gegen das am 3. Februar 1983 verkündete Zwischenurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts ... wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten als unstatthaft zurückgewiesen wird.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des zweiten Rechtszuges trägt der Beklagte.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte war alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter mit 19.000,- DM Stammeinlage der Firma ... mit Sitz in .... Weitere Gesellschafterin war seine Ehefrau mit einer Stammeinlage von 1.000,- DM. Das Stammkapital der Gesellschaft betrug 20.000,- DM. Der Gesellschaftsvertrag wurde am 12. August 1977 geschlossen, die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 18. August 1978. Die Firma ... trat als alleinige persönlich haftende Gesellschafterin in die Firma ... ein, die am 19. Februar 1979 in das Handelsregister eingetragen wurde .... Kommanditist dieser Gesellschaft mit einer Einlage von 20.000,- DM war der Beklagte. Die Kommanditgesellschaft betrieb die Herstellung von Tankanlagen, Tankschutzanlagen und zentralen Heizölversorgungsanlagen. Das von der Kommanditgesellschaft und ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin, der ..., ausgeübte Gewerbe wurde jedenfalls seit 1981 in ..., betrieben. Die Wohnung des Beklagter befand sich stets in .... Durch Beschluß des Amtsgerichts ... vom 12. November 1962 (10 N 115-116/82) wurde über das Vermögen beider Firmen das Konkursverfahren eröffnet. Durch Beschluß desselben Gerichts vom 13. Dezember 1982 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der ... mangels Kasse eingestellt. Diese Tatsache wurde am 1. März 1983 in das Handelsregister der ... eingetragen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 2. August 1982 erwirkte die Klägerin beim Amtsgericht ... (B 004435/82) gegen den Beklagten persönlich über insgesamt 11.819,40 DM nebst Zinsen einen Vollstreckungsbescheid. Der Betrag von 11.819,40 DM setzt sich aus der Beträgen von 4 Rechnungen vom 31. Dezember 1981, 18. Februar, 19. März und 1. April 1982 über Warenlieferungen zusammen. In der ersten dieser vier Rechnungen ist als Adressat der Rechnung die ... genannt. Als Anschrift des Beklagten ist in dem Vollstreckungsbescheid angegeben: "...". Die Zustellung des Vollstreckungsbescheids an der Beklagten erfolgte im Parteibetrieb durch den Gerichtsvollzieher ... im Wege der Ersatzzustellung durch Übergabe an die Zeugin Frau vor ..., die in dem Gewerbebetrieb ... tätig ist, am 24. September 1982. Mit der am 2. Dezember 1982 beim Amtsgericht ... eingegangenen Schriftsatz seiner Anwälte legte der Beklagte gegen den Vollstreckungsbescheid Einspruch ein und stellte in der Einspruchsfrist gleichzeitig den Antrag auf Gewährung vor Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Einspruchsfrist.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nach Abgabe der Sache an das Landgericht ... haben die Parteien im ersten Rechtszug bisher nur über den Wiedereinsetzungsantrag verhandelt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat geltend gemacht, er habe durch die von ihm näher dargelegten Umstände nicht so rechtzeitig Kenntnis von der Zustellung des Vollstreckungsbescheids erhalten, daß er die zweiwöchige Einspruchsfrist habe einhalten können. Im übrigen sei er nicht Schuldner der von der Klägerin gegen ihn persönlich geltend gemachten Beträge, da es sich um Lieferungen an die Kommanditgesellschaft gehandelt habe.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">ihn Wiedereinsetzung zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">das Wiedereinsetzungsgesuch zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie hat im einzelnen darzutun versucht, weshalb das Wiedereinsetzungsgesuch keinen Erfolg haben könne.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlicher Vorbringens der Parteien wird auf ihre zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift des Landgerichts vom 3. Februar 1983 verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Zwischenurteil vom 3. Februar 1983 hat das Landgericht des Wiedereinsetzungsgesuch mit der Begründung verworfen, der Beklagte sei jedenfalls nicht ohne sein Verschulden an der Wahrung der Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen der Vollstreckungsbescheid verhindert gewesen. Im übrigen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses ihm am 1. März 1983 zugestellte Zwischenurteil wendet sich der Beklagte mit seiner am 10. März 1983 eingelegten und nach entsprechender Fristverlängerung am 4. Mai 1983 begründeten Berufung. Er macht geltend, die Ersatzzustellung des Vollstreckungsbescheids sei unwirksam, und beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Gesuch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unstatthaft zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Sie hält die Zustellung des Vollstreckungsbescheids an der Beklagten im Wege der Ersatzzustellung für wirksam.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf ihre zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig und führt dazu, daß das Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten nicht wegen Fehlens eines Wiedereinsetzungsgrundes, sondern als unstatthaft zurückgewiesen wird.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Nachdem das Landgericht durch das angefochtene Zwischenurteil nur das Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten zurückgewiesen hat, ohne (wie es aus seiner Sicht richtig gewesen wäre, vgl. BGHZ 47, 289 = NJW 67, 1566; Thomas-Putzo, ZPO, 12. Aufl., Anm. 2 b zu § 238 ZPO) sofort durch Endurteil über den Einspruch zu entscheiden, ist gegen dieses Zwischenurteil die Berufung an sich statthaft (BGHZ 47, 289 = NJW 67, 1566; Thomas-Putzo, a.a.O., Anm. 5 b bb zu § 238 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Berufung war jedoch mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß der Wiedereinsetzungsantrag als unstatthaft zurückgewiesen wird.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Das Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten ist unstatthaft.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Statthaftigkeit eines Wiedereinsetzungsgesuchs (§§ 238 ff. ZPO) setzt voraus, daß im Anwendungsbereich des Wiedereinsetzungsrechts eine Frist versäumt worden ist (andernfalls ist der Antrag auf Wiedereinsetzung unstatthaft, vgl. Thomas-Putzo, a.a.O., Anm. 3 a zu § 233 ZPO), also eine Notfrist oder eine der in § 233 ZPO genannten speziellen Begründungsfristen versäumt worden ist. Die Frist für die Einlegung des Einspruchs gegen einer Vollstreckungsbescheid ist eine Notfrist (§§ 223 Abs. 3, 700 Abs. 1, 339 Abs. 1 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Falle ist jedoch diese Frist für die Einlegung des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid vom 2. August 1982 nicht versäumt. Die Einspruchsfrist beträgt nach §§ 700 Abs. 1, 339 Abs. 1 ZPO 2 Wochen und beginnt mit der Zustellung des Vollstreckungsbescheids zu laufen. Voraussetzung für den Beginn des Fristablaufs ist also eine wirksame Zustellung des Vollstreckungsbescheids. Der Vollstreckungsbescheid vom 2. August 1982 ist dem Beklagten jedoch nicht wirksam zugestellt worden.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Allerdings schadet es der wirksamen Zustellung des Vollstreckungsbescheids nicht, daß die Zustellung nicht vor Amts wegen erfolgt ist. Zwar ist ein Vollstreckungsbescheid grundsätzlich von Amts wegen zuzustellen (§ 699 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Das ist hier nicht geschehen; vielmehr ist die Zustellung im vorliegenden Falle auf Betreiber der Klägerin (Parteibetrieb) erfolgt. Das ist jedoch nach § 699 Abs. 4 Satz 2 ZPO ebenfalls zulässig, wenn der Antragsteller des Vollstreckungsbescheids (hier die Klägerin) die Übergabe des Vollstreckungsbescheids an der Antragsteller zum Zwecke der Zustellung im Parteibetrieb beantragt. So ist es hier geschehen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Trotzdem liegt eine wirksame Zustellung nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Zustellung erfolgt in erster Linie durch Übergabe (§ 170 Abs. 1 ZPO) des zuzustellenden Schriftstücks an die Partei (Zustellungsadressat) persönlich (§ 171 Abs. 1 ZPO), und zwar dort, wo diese Partei gerade angetroffen wird (§ 180 ZPO). Eine Zustellung an den Beklagten selbst ist jedoch nicht erfolgt. Allerdings kann, wenn der Zustellungsadressat (hier der Beklagte) nicht angetroffen wird, die Zustellung im Wege der sogenannten Ersatzzustellung gemäß §§ 181- 185 ZPO erfolgen. Da eine Ersatzzustellung durch Niederlegung (§ 182 ZPO) nicht vorgenommen worden ist und es sich auch nicht um eine Zustellung an eine juristische Person, OHG oder KG oder eine der sonst in § 184 ZPO genannten Stellen als Zustellungsadressaten handelt, kam hier nur noch eine Ersatzzustellung gemäß § 181 ZPO oder gemäß § 183 ZPO in Betracht. Eine wirksame Ersatzzustellung ist aber auch nach diesen Vorschriften nicht vorgenommen worden.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks"><b>1.)</b></p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Nach § 181 ZPO kann, wenn die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung nicht angetroffen wird, die Zustellung i<u>n der Wohnung</u> an einen zu der Familie gehörenden erwachsenen Hausgenossen oder an eine in der Familie dienende erwachsene Person erfolgen (§ 181 Abs. 1 ZPO) oder, wenn auch eine solche Person nicht angetroffen wird, an den Hauswirt oder Vermieter, falls dieser in dem selber Hause wohnt und außerdem zur Annahme des Schriftstücks bereit ist (§ 181 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen für eine Ersatzzustellung sind jedoch nicht erfüllt. Es ist weder eine Zustellung an den Vermieter oder Hauswirt (§ 181 Abs. 2 ZPO), noch eine Zustellung in der Wohnung des Beklagten vorgenommen worden. Vielmehr ist die Zustellung in dem auch räumlich von der in der S. in ... gelegenen Wohnung des Beklagten getrennten und in der Straße ... gelegenen Gewerbebetrieb, dessen Komplementär-GmbH-Geschäftsführer der Beklagte zur Zeit der Zustellung war, erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"><b>2.)</b></p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Nach § 183 Abs. 1 ZPO kann für Gewerbetreibende, die ein besonderes Geschäftslokal haben, wenn sie in dem Geschäftslokal nicht angetroffen werden, die Zustellung an einen darin befindlichen Gewerbegehilfer erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte war jedoch nicht Gewerbetreibender hinsichtlich des in ... in der Straße ... betriebenen Unternehmens. Zwar war der Beklagte zur Zeit der Zustellungshandlung (2. August 1982) Kommanditist der Firma ... und außerdem alleiniger Geschäftsführer und mit 19/20 Anteilen Gesellschafter der Firma .... Daraus ergibt sich aber nicht die Eigenschaft eines Gewerbetreibender im Sinne des § 183 ZPO. Nach allgemeiner Meinung (vgl. Thomas-Putzo, a.a.O., Anm. 2 zu § 183 ZPO; Stein-Jonas-Pohle, ZPO, 19. Aufl., Anm. II zu § 183 ZPO) ist Gewerbetreibender im vorgenannten Sinne der Inhaber (Mitinhaber) des Gewerbebetriebes, also der Handwerker bezüglich seines Handwerkbetriebes, der Einzelkaufmann, der OHG-Gesellschafter, der persönlich haftende Gesellschafter einer KG, nicht aber der Kommaditist. Bei einer GmbH ist die GmbH selbst die Gewerbetreibende, nicht aber ihr Geschäftsführer oder ihre Gesellschafter (allgemeine Meinung, vgl. Baumbach-Duder-Hopt, HGB, 25. Aufl., Anm. 3 B zu § 1 HGB; Schlegelberger-Hildebrandt, HGB, 5. Aufl., Anm. II 4, Randziffern 21 und 22 zu § 1 HGB). Denn ein Gewerbe und demgemäß auch ein Handelsgewerbe betreibt (nur) derjenige, in dessen Namen es geführt wird, also der, der durch die in dem Betrieb abgeschlossenen Rechtsgeschäfte berechtigt wird und für die Verbindlichkeiten aus diesen Geschäften ohne weiteres persönlich haftet (RG JW 35, 947). Das trifft für den Geschäftsführer einer ... ebensowenig zu wie für ihre Gesellschafter. Deshalb kann nach herrschender Meinung, der der Senat unbedenklich folgt, an einen Geschäftsführer einer GmbH nicht nach § 183 ZPO zugestellt werden, und zwar auch dann nicht, wenn er ihr alleiniger oder hauptsächlicher Gesellschafter ist (OLG Celle MDR 57, 234; OLG Karlsruhe Justiz 79, 14; Thomas-Putzo, a.a.O., Anm. 2 a zu § 183 ZPO; Zöller-Stephan, ZPO, 13. Aufl., Anm. 2 zu § 183 ZPO; Wieczorek, ZPO, Aufl. 1960, Anm. A II a 2 zu § 183 ZPO; Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl., § 74 III 1 c, Seite 419; ebenso für den Geschäftsführer der GmbH Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 41. Aufl., Anm. 1 zu § 183 ZPO). Gewerbetreibender ist nämlich nur der Inhaber des Betriebs (Stein-Jonas-Pohle, a.a.O., Anm. II zu § 183; soweit dort, Anm. I zu § 183 ZPO, weiter unter Bezugnahme auf RGZ 16, 351 gesagt ist, daß es gleichgültig sei, ob die Zustellung sich auf den Gewerbebetrieb oder eine persönliche Angelegenheit beziehe, steht dies der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen, weil es sich in dem in RGZ 16, 351 entschiedenen Fall um die Zustellung an einen OHG-Gesellschafter, also an einen Betriebs(-mit-)inhaber, handelte und in der Entscheidung ausdrücklich gesagt ist, daß eine derartige Ersatzzustellung, die einen Gewerbetreibenden betreffe, sich auch auf Privatangelegenheiten des Gewerbetreibenden beziehen dürfe).</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist dazu in der Vergangenheit auch die Auffassung vertreten worden, eine an den Geschäftsführer einer GmbH gerichtete Zustellung könne ihm auch im Wege der Ersatzzustellung nach § 183 ZPO zugestellt werden, wenn für den Zusteller (Postboten) kein Zweifel an der Geschäftsherreneigenschaft (des Geschäftsführers) bestanden habe (BVerwG MDR 74, 338 und ihm ohne Begründung folgend Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, a.a.O., Anm. 1 A zu § 183 ZPO). Zur Begründung dieser Auffassung wird ausgeführt (vgl. BVerwG MDR 74, 338), der Geschäftsführer einer GmbH sei zwar "juristisch" kein Gewerbetreibender und deshalb könne eine Ersatzzustellung an einen GmbH-Angestellten für den Geschäftsführer fehlerhaft sein, es möge auch für große juristische Personen wie die AG richtig sein, nur die juristische Person "zustellungsrechtlich" als Gewerbetreibenden anzusehen; bei der GmbH, die häufig wie eine Einzelfirma in Erscheinung trete, komme es darauf an, wie die Geschäftsführer nach außen aufgetreten seien. Denn auch sonst gelte der Satz, daß derjenige, der als Gewerbetreibender aufgetreten sei, eine Zustellung nach § 183 ZPO gegen sich gelten lassen müsse. Dieser Ansicht vermag der Senat sich nicht anzuschließen (im Ergebnis ebenso OLG Karlsruhe Justiz 79, 15).</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">1.1</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Zunächst gibt der Gesetzeswortlaut (§ 183 Abs. 1 ZPO) keinen Anhalt für die Unterscheidung zwischen dem allgemeinen Begriff des Gewerbetreibenden (derjenige, für der das Geschäft geführt wird und der durch die in dem Betrieb abgeschlossenen Geschäfte berechtigt wird und für die Verbindlichkeiten aus diesen Geschäften ohne weiteres haftet) und einen Gewerbetreibenden im "zustellungsrechtlichen" Sinne; es ist vielmehr davor auszugehen, daß das Gesetz in § 183 ZPO vom allgemeinen Begriff des Gewerbetreibenden ausgehend für diesen als Ausnahme von dem Grundsatz der Zustellung durch Übergabe an der Zustellungsadressaten eine besondere Möglichkeit der Ersatzzustellung zuläßt; diese Ausnahmeregelung auf Zustellungen für den Geschäftsführer anzuwenden, hält der Senat nicht für statthaft.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">2.2</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die abweichende Meinung berücksichtigt darüberhinaus mit ihrem Argument, die zustellungsrechtliche Behandlung allein der juristischen Person als Gewerbetreibender möge für die großen juristischen Personen wie die Aktiengesellschaft zutreffen, während es bei der GmbH, die häufig wie eine Einzelfirma oder Gesellschaft in Erscheinung trete, dagegen darauf ankomme, wie die Geschäftsführer nach außen hin aufgetreten seien, nicht genügend, daß es in Wirtschaftsleben Gesellschaften mbH gibt, deren Geschäftsbetrieb größer als der vieler Aktiengesellschafter ist; es ist in der Praxis auch kaum möglich, zwischen einem "größeren" und einem "kleineren" Unternehmen im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit einer Ersatzzustellung einer für einen gesetzlichen Vertreter bestimmten Sendung (§ 183 Abs. 1 ZPO) nur einigermaßen zuverlässig zu unterscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">3.3</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Ungeeignet zur Unterscheidung im Hinblick auf die Zulässigkeit der Ersatzzustellung erscheint dem Senat vor allem die Abstellung darauf, wie die Geschäftsführer der ... nach außen aufgetreten sind. Es ist ohnehin häufig nicht einfach, das Auftreten der für ein Unternehmen handelnden Personen rechtlich dahin zu werten, ob dies aus Handeln im eigenen Namen oder Namens des Inhabers des Unternehmens aufzufassen ist. Mit dieser Entscheidung den Postboten zu belasten, hieße, diesen völlig zu überfordern: Zunächst einmal ergeben sich die tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, wie die Geschäftsführer einer ... nach außen auftreten, im wesentlichen nur im Handelsverkehr, also da, wo die Geschäftsführer bei Vertragsverhandlungen usw. ihrem Geschäftspartner gegenüber treten. Davon erfährt der Postbote regelmäßig nichts, weil er den Inhalt der Geschäftspost nicht kennt. Darüberhinaus fehlt dem Postboten die erforderliche Fachkenntnis, um diese Frage auch nur einigermaßen brauchbar beurteilen zu können. Schließlich muß der Postbote seine Entscheidung, ob er eine Ersatzzustellung nach § 183 Abs. 1 ZPO vornehmen kann und soll, angesichts der Vielzahl der vor ihm in einer Arbeitsschicht vorzunehmenden (förmlicher und formlosen) Postzustellungen so schnell treffen, daß ihm auch nicht die erforderliche Zeit zur Anstellung der erforderlichen Überlegungen darüber zur Verfügung steht, wie die Geschäftsführer aufgetreten sind und ob dies als ein Auftreten wie ein Gewerbetreibender (also wie der Inhaber des Gewerbebetriebes selbst) zu werten ist. Nach Auffassung des Senats kann ein Postbote diese Fragen kaum auch nur in einer einigermaßen brauchbaren Weise beantworten. Andererseits ist die von der richtigen Beantwortung dieser Fragen abhängige Wirksamkeit der Zustellung von so großer Bedeutung für das Rechtsleben, daß es unvertretbar erscheint, diese Wirksamkeit im Falle der Zustellung von für einen Geschäftsführer einer GmbH persönlich bestimmten Sendungen durch die Abwälzung, so schwieriger Fragen auf den Postboten solchen berechtigten erheblichen Zweifeln anzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Zustellung des Vollstreckungsbescheids an den Beklagten durfte nach allem im Wege der Ersatzzustellung gemäß § 183 Abs. 1 ZPO nicht erfolgen. Die gleichwohl vorgenommene Ersatzzustellung nach § 183 Abs. 1 ZPO ist fehlerhaft und deshalb unwirksam (Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, a.a.O., Übersicht 5 A vor § 166 ZPO; Stein-Jonas-Pohle, a.a.O., Übersicht IV 1 vor § 166 ZPO; Thomas-Putzo, a.a.O. Vorbemerkung IV 2 vor § 166 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Im übrigen kann zwar nach § 187 Satz 1 ZPO im allgemeinen auch dann, wenn ein Schriftstück ohne den Nachweis formgerechter Zustellung oder unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften dem Zustellungsadressaten zugegangen ist, die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt angesehen werden, in dem das Schriftstück dem Adressaten zugegangen ist; im vorliegenden Falle war auch jedenfalls zur Zeit der Einspruchseinlegung der Vollstreckungsbescheid dem Beklagten zugegangen. Jedoch gilt § 187 Satz 1 ZPO nach § 187 Satz 2 ZPO dann nicht, wenn durch die Zustellung eine Notfrist in Lauf gesetzt werden soll; das Letzte trifft hier zu, weil die Zustellung die Einspruchsfrist in Gang setzen sollte; die Einspruchsfrist ist eine Notfrist (§§ 700 Abs. 1, 339 Abs. 1 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Bei dieser Sachlage sind der Antrag auf Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Einspruchsfrist und das die Wiedereinsetzung ablehnende angefochtene Urteil ins Leere gegangen (vgl. BGH NJW 67, 1566) mit der Folge, daß das Wiedereinsetzungsgesuch durch den Senat als unstatthaft zurückzuweisen war. Das Landgericht wird jedoch nunmehr in der Sache zu befinden und dabei zu prüfen haben, ob und wieweit der Vollstreckungsbescheid weiter aufrechtzuerhalten oder unter entsprechender Abweisung der Klage aufzuheben ist (§§ 700 Abs. 1, 343 ZPO). Bisher hat das Landgericht darüber nicht entschieden. Allein die Versagung von Wiedereinsetzung ergab nicht schon die Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheids (BGH, wie zuvor).</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 238 Abs. 4 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Ziffer 10 ZPO.</p>
|
315,726 | lg-bonn-1983-10-05-5-t-15883 | {
"id": 804,
"name": "Landgericht Bonn",
"slug": "lg-bonn",
"city": 394,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 5 T 158/83 | 1983-10-05T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:27 | 2019-03-27T09:42:22 | Beschluss | ECLI:DE:LGBN:1983:1005.5T158.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Gründe</span>:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Eltern der Antragstellerin errichteten im Jahre 1957 ein gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Vorerben und die Antragstellerin als ihre gemeinsame Tochter als Nacherbin einsetzten. Nach dem Tod des Vaters im Jahre 1963 wurde daraufhin am 17.12.1963 vom Amtsgericht ein Erbschein erteilt, in dem als Vorerbin des Verstorbenen seine Witwe, die Mutter der Antragstellerin, und als Nacherbin die Antragstellerin ausgewiesen sind.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nachdem im Jahre 1982 die in diesem Erbschein als Vorerbin benannte Mutter der Antragstellerin verstorben ist, hat die Antragstellerin am 4.5.1983 den Antrag auf Erteilung je eines Erbscheins nach beiden Erblassern gestellt. Zugleich hat sie ausdrücklich beantragt, von einer Einziehung des am 17.12.1963 ausgestellten Erbscheines abzusehen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, daß sie eine Einziehung dieses Erbscheins nach Eintritt des Nacherbfalls nicht für rechtmäßig halte, weil der zum Nachlass des vorverstorbenen Erblassers vorliegende Erbschein nach Eintritt der Nacherbfolge zwar "überholt", aber nicht <span style="text-decoration:underline">unrichtig</span> geworden sei.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Gleichwohl hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 27.6.1983 den die Vorerbfolge ausweisenden Erbschein vom 17.12.1963 mit der Begründung eingezogen, daß dieser unrichtig sei, nachdem die Nacherbfolge eingetreten ist.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 21. Juli 1983 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin; zur Begründung nimmt die Beschwerdeführerin auf ihre Ausführungen Bezug, mit denen sie mit Schriftsatz vom 15.6.1983 ihren Antrag auf Nichteinziehung des Erbscheins begründet hat.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Beschwerde der erkennenden Kammer zur Entscheidung vorgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die gegen die Einziehung des Erbscheins gerichtete Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß §§ 19, 20 FGG zulässig (vgl. Münchner Kommentar-Promberger, 1982, § 2361 Rdnr. 42), aber nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Zu Recht hat das Amtsgericht den die Vor- und Nacherbfolge ausweisenden Erbschein vom 17.12.1963 eingezogen, weil dieser nach dem Tod der Vorerbin unrichtig geworden ist.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Lehre wird der gemäß § 2363 BGB erteilte Erbschein für den Vorerben beim Eintritt des Nacherbfalls unrichtig mit der Folge, daß er gemäß § 2361 BGB von Amts wegen eingezogen werden muss (vgl. Staudinger-Firsching, BGB, 12. Aufl. 1983, Rdz, 22 zu § 2363; Jauernig-Schlechtriehm-Stürner, BGB, 2. Aufl. 1981, § 2363 Anm. 2.; Ermann-Bartholomeyczik-Schlüter, BGB, 2. Band, 6. Aufl. 1975, § 2363 Rdnr. 8; Brox, Erbrecht, 6. Auf1. 1979, Rdnr. 359).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die von der Antragstellerin vertretene Gegenmeinung wird soweit ersichtlich in der Literatur in jüngster Zeit lediglich von Becher (Rechtspfleger 1978, Seite 87 ff.) vertreten.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">An der herrschenden Meinung ist festzuhalten.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Unrichtig im Sinne von § 2361 BGB ist ein Erbschein nach der Definition des Bundesgerichtshofs dann, "wenn die Voraussetzungen für die Erteilung schon ursprünglich nicht gegeben waren oder nachträglich nicht mehr vorhanden sind; die Einziehung muss angeordnet werden, wenn die zur Begründung des Erbscheinsantrages erforderlichen Tatsachen nicht mehr als festgestellt zu erachten sind; das Nachlassgericht muss sich bei seiner Entscheidung über die Einziehung in die Lage versetzen, als hätte es über die Erteilung des Erbscheins nach § 2359 BGB zu befinden. Es hat ihn also einzuziehen, wenn es ihn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr erteilen dürfte, falls es jetzt über die Erteilung zu entscheiden hätte (BGHZ40, 54; vgl. auch Staudinger-Firsching a.a.O., Rdnr. 14 zu § 2361 m.w.N.).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Ausgehend von dieser Definition ist der die Nacherbfolge ausweisende Erbschein des Vorerben mit dem Tod des Vorerben unzweifelhaft unrichtig: ein Erbschein dieses Inhalts könnte nämlich nicht mehr ausgestellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beschwerdeführerin die Rechtsansicht vertritt, der Erbschein werde entgegen der Definition des Bundesgerichtshofs durch den Eintritt des Nacherbfalls gar nicht unrichtig, sondern behalte vollinhaltlich seine Richtigkeit, ist dieser Auffassung nicht zuzustimmen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Zwar ist der Beschwerdeführerin zuzugestehen, daß der Erbschein ursprünglich richtig war und auch nach dem Eintritt des Nacherbfalls die frühere Rechtslage und die damalige Erbfolgeregelung nach wie vor richtig wiedergibt; der Erbschein ist aber nachträglich allein deswegen unrichtig geworden, weil er im gegenwärtigen Zeitpunkt die erbrechtliche Situation eben nicht mehr zutreffend wiedergibt.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Richtigkeit der Aussage des vom Amtsgericht eingezogenen Erbscheins beschränkt sich nämlich auf die Dauer eines bestimmten Sachverhalts, der inzwischen – nämlich durch den Eintritt des Todes der Vorerbin – nicht mehr fortdauert. Der Erbschein weist eine rechtliche Situation aus, die zwischenzeitlich durch den Eintritt eines Ereignisses, das sich aus dem Erbschein selbst nicht ergibt, nicht mehr mit den rechtlichen Gegebenheiten übereinstimmt. Der ausweislich des Erbscheins in der Verfügungsmacht über den Nachlass beschränkte Vorerbe lebt nicht mehr; der als Nacherbe benannte Erbe ist Vollerbe geworden mit der Folge, daß die Rechtszuständigkeit für den Nachlass allein bei ihm liegt.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Da der Erbschein den tatsächlichen Rechtszustand nach dem Tod des Vorerben nicht mehr richtig wiedergibt, ist der Erbschein durch den Eintritt eines tatsächlichen Ereignisses nachträglich unrichtig geworden.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Kammer teilt deshalb im Ergebnis die formalen Bedenken der Beschwerdeführerin gegen den Begriff der "Unrichtigkeit" im Zusammenhang mit einem den Vorerben ausweisenden Erbschein nach Eintritt des Nacherbfalls nicht.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeführerin vertritt darüber hinaus die Ansicht, daß ein Erbschein zwar dann einzuziehen sei, wenn es sich bei ihm um eine unrichtige Legitimation handele, daß aber eine derartige Legitimation dann nicht einzuziehen sei, wenn sie – wie vorliegend – ihre Grenzen, ihre Beschränkungen und ihr Ende in sich selbst verbriefe; diese Legitimation bedürfe ähnlich wie etwa eine befristete Vollmacht keiner Beseitigung.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Auch dieser Ansicht vermag die Kammer nicht zu folgen. Das Ende der Berechtigung des Vorerben – vorliegend der Tod des Vorerben – wird zwar abstrakt als Ende der Legitimation des Vorerben im Erbschein zum Ausdruck gebracht, der konkrete Eintritt der Nacherbfolge, nämlich das Todesdatum, lässt sich hingegen aus dem Erbschein selbst nicht ersehen, well der genaue Zeitpunkt naturgemäß bei der Ausstellung dieses Erbscheins noch gar nicht bekannt ist. Entgegen dem von der Beschwerdeführerin angeführten Beispiel einer befristeten Vollmacht, die das Datum des Ablaufs der Vollmacht ausweist, weist der Erbschein das Ende der Verfügungsmacht des beschränkten Vorerben über den Nachlass und den Eintritt des Nacherben als Vollerben in die Rechtszuständigkeit für den Nachlass gerade nicht aus sich selbst heraus aus. An einen gültigen Erbschein ist aber das Erfordernis zu stellen; daß dieser im jeweiligen Zeitpunkt seiner Benutzung den derzeit gültigen und richtigen Zustand wiedergibt.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Diese Anforderungen erfüllt der eingezogene Erbschein gerade nicht. Er gibt die gegenwärtige Rechtslage, daß nämlich der Nacherbe bereits Vollerbe geworden ist, noch nicht wieder und ein unbeteiligter Dritter, der nicht durch außerhalb des Erbscheins liegende Umstände vom Tod der im Erbschein als Vorerbe benannten Person Kenntnis erlangt hat, geht vom Vorliegen einer falschen Rechtszuständigkeit für den Nachlass aus.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Zur Vermeidung daraus entstehender Rechtsunsicherheiten ist der Erbschein deshalb richtigerweise gemäß der Vorschrift des § 2361 BGB einzuziehen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beschwerdeführerin insoweit die Ansicht vertritt, eine Gefährdung durch den Erbschein sei nicht gegeben, da aufgrund des Todes des Vorerben die Gefahr eines Missbrauchs durch diesen gar nicht mehr bestehe, verkennt sie, daß als Ende der beschränkten Verfügungsmacht des Vorerben nicht allein der Tod des Vorerben denkbar ist; vielmehr sind auch andere Fälle der Beendigung denkbar, z.B. das häufig vereinbarte Ende der Verfügungsmacht des Vorerben im Falle seiner Wiederverheiratung. Zwecks einheitlicher Handhabung im Interesse der Rechtssicherheit kann aber keine Unterscheidung bei verschiedenen Gründen für den Eintritt des Nacherbfalls gemacht werden, so daß auch unter diesem Gesichtspunkt die Einziehung jedes eine Vorerbschaft ausweisenden Erbscheins Erfolgen muss. Im übrigen reicht die möglicherweise bei Dritten entstehende Rechtsunsicherheit aus, um die Einziehung zu rechtfertigen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Den Bedenken der Beschwerdeführerin, daß auch nach Eintritt des Nacherbfalls ein Bedürfnis für den Nachweis der zuvor bestehenden Vorerbschaft bestehen könne, wird dadurch Rechnung getragen, daß insoweit ein nachträglich erteilter Erbschein auf den Vorerben gerechtfertigt sein kann, der allerdings den späteren und im Zeitpunkt der Erteilung des Erbscheins bereits erfolgten Wegfall mit anzugeben hat (vgl., Münchner Kommentar-Promberger; BGB, Band 6 -Erbrecht- 1982, Rdnr. 9 zu § 2353).</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.</p>
|
315,727 | olgk-1983-10-05-2-w-8783 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 W 87/83 | 1983-10-05T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:29 | 2019-03-27T09:42:22 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1983:1005.2W87.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I. Der Beschwerdewert für das Verfahren 2 W 87/83 wird auf 1.000,-- DM festgesetzt.</p>
<p>II. In Abänderung der Streitwertfestsetzung am Ende des landgerichtlichen Beschlusses vom 9. Mai 1983 - 8 0 150/83 - wird der Streitwert für den ersten Rechtszug ebenfalls auf 1.000,-- DM festgesetzt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Gründe:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Streitwert ist nach §§ 20 Abs. 1, 12 Abs. 2 S. 1 GKG auf 1.000,-- DM festzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 S. 1 GKG ist anwendbar. Es handelt sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit. Der Antragsgenner ist ein nicht wirtschaftlicher Verein imSinne des § 21 BGB. Dementsprechend betrifft auch die Frage der Zugehörigkeit des Antragstellers zu diesem Idealverein einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch. Das Begehren des Antragstellers ist nicht auf Geld oder Geldeswert gerichtet und entspringt nicht einem vermögensrechtlichen Verhältnis.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Für die Bemessung des Streitwertes sind neben den Umständen des Einzelfalles Umfang und Bedeutung der Sache maßgebend. In tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht lag das Verfügungsverfahren einfach und überschaubar. Eine Beweisaufnahme (§ 294 Abs. 2 ZPO) hat nicht stattgefunden. Die Bedeutung der Sache ist gering. Sie betrifft im Kern vereinsinterne Differenzen. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, daß Verfügungsverfahren wegen ihrer lediglich vorläufigen Regelung ohnehin geringer zu bewerten sind, erscheint ein Wertansatz von mehr als 1.000,-- DM nicht vertretbar.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die abweichende Wertfestsetzung des Landgerichts ist nach § 25 Abs. 1 S. 3 GKG von Amts wegen abzuändern.</p>
|
315,728 | olgham-1983-09-26-4-uf-18883 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 4 UF 188/83 | 1983-09-26T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:30 | 2019-03-27T09:42:22 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1983:0926.4UF188.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die angefochtenen Entscheidungen werden abgeändert und wie folgt neu gefaßt:</p>
<p></p>
<p>„3) Vom Rentenkonto Nr. ######## des Antragsgegners bei der</p>
<p>Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in C werden Anwart-</p>
<p>schaften auf Altersruhegeld in Höhe von monatlich 348,10 DM, </p>
<p>bezogen auf den 31. März 1982, auf das Rentenkonto Nr. </p>
<p>######## der Antragstellerin bei der Landesversicherungs-</p>
<p>anstalt Westfalen in N übertragen.</p>
<p></p>
<p>4) Zu Lasten der Anwartschaft des Antragsgegners auf Leistungen aus </p>
<p>der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes gegenüber der </p>
<p>Zusatzversorgungskasse der Stadt Z1 – Versicherungsnummer</p>
<p>############# – wird auf dem Rentenkonto Nr. ######## der</p>
<p>Antragstellerin bei der Landesversicherungsanstalt Westfalen in</p>
<p>N eine Anwartschaft auf Altersruhegeld in Höhe von monatlich</p>
<p>18,19 DM, bezogen auf den 31. März 1982, begründet.</p>
<p></p>
<p>Soweit der Antragsgegner während der Ehezeit bei der Zusatz-</p>
<p>versorgungskasse der Stadt Z1 eine über monatlich</p>
<p>36,38 DM hinausgehende Anwartschaft auf eine dynamische Ver-</p>
<p>sorgungsrente erworben hat, die noch verfallbar ist, bleibt der</p>
<p>Antragstellerin der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbe-</p>
<p>halten.“</p>
<p></p>
<p>Hinsichtlich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens bleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Verbundurteils.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den Parteien gegeneinander aufgehoben.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Gründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien haben einander am 10.11.1961 geheiratet. Die Ehescheidungsantragsschrift der Antragstellerin ist dem Antragsgegner am 3. April 1982 zugestellt worden. Beide Parteien haben während der Ehezeit vom 01.11.1961 bis zum 31.03.1982 (§ 1587 Abs. 2 BGB) Anwartschaften auf Altersruhegeld in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, der Antragsgegner außerdem eine Anwartschaft auf Leistungen aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (Zusatzversorgungskasse der Stadt Z2. Bezüglich der Anwartschaft der Antragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung lag dem Amtsgericht die Auskunft der Landesversicherungsanstalt Westfalen (LVA) vom 02.06.1982 vor, aus der sich ergab, daß die Antragstellerin während der Ehezeit eine Rentenanwartschaft in Höhe von monatlich 20,60 DM erworben hatte. Mit der Auskunftserteilung hatte die LVA darauf hingewiesen, daß das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 16.06.1981 (NJW 1981, 2177) entschieden hatte, daß die Zugrundelegung unterschiedlicher Tabellenwerte für die Bewertung der Pflichtbeiträge der ersten fünf Kalenderjahre seit Eintritt in die gesetzliche Rentenversicherung für Frauen und Männer mit dem Grundgesetz unvereinbar sei. Sie hatte ferner erläutert, daß der erteilten Auskunft statt der nicht mehr anwendbaren Tabellenwerte die tatsächlichen Bruttoarbeitsentgelte der ersten fünf Jahre zugrunde lägen und daß sie nach Vorliegen einer gesetzlichen Neuregelung eine ergänzende Auskunft erteilen werde. Das Amtsgericht hat jedoch eine neue Auskunft nicht abgewartet, sondern das Rentensplitting nach § 1587 b Abs. 1 BGB auf der Grundlage der LVA-Auskunft vom 02.06.1982 vorgenommen. Es hat der in dieser Auskunft ausgewiesenen monatlichen Rentenanwartschaft der Antragstellerin in Höhe von 20,60 DM die auf die Ehezeit entfallende Rentenanwartschaft des Antragsgegners in Höhe von monatlich 739,20 DM (BfA-Auskunft vom 10.12.1982) gegenübergestellt und die Hälfte des Differenzbetrages, nämlich 359,30 DM, vom BfA-Rentenkonto des Antragsgegners auf das LVA-Rentenkonto der Antragstellerin übertragen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Anwartschaft des Antragsgegners auf Leistungen aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes hat das Amtsgericht auf der Grundlage der Auskunft der Zusatzversorgungskasse der Stadt Z1 vom 04.01.1983 gemäß § 1587 b Abs. 3 BGB ausgeglichen. Es hat dem Antragsgegner aufgegeben, zur Begründung einer Rentenanwartschaft der Antragstellerin in Höhe von monatlich 18,19 DM auf deren LVA-Rentenkonto Beiträge in Höhe von 3.359,00 DM in monatlichen Raten von 100,00 DM zu zahlen. Damit wollte es den Ausgleich der Anwartschaft des Antragsgegners auf eine nicht dynamische Versicherungsrente ausgleichen, die nach der genannten Auskunft der Zusatzversorgungskasse der Stadt Z1 in Höhe von monatlich 161,84 DM auf die Ehezeit entfiel. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das amtsgerichtliche Urteil Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Gegen die nach § 1587 b <u>Abs. 3</u> BGB vorgenommene Ausgleichung der Anwartschaft des Antragsgegners auf Zusatzversorgung richtet sich die nach den §§ 629 a Abs. 2, 621 e ZPO, § 53 b Abs. 2 FGG statthafte Beschwerde der LVA. Diese verweist auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.01.1983 (FamRZ 1983, 342), mit der § 1587 b Abs. 3 BGB für verfassungswidrig erklärt worden ist, und bittet um verfassungskonforme Abänderung.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner hat sich der Beschwerde mit einer unselbständigen Anschlußbeschwerde angeschlossen, mit der er sich gegen die nach § 1587 b <u>Abs. 1</u> BGB vorgenommene Rentensplitting-Entscheidung des Amtsgerichts wendet. Er beruft sich auf die unter dem 05.05.1983 erteilte neue Rentenauskunft der LVA, nach der die Antragstellerin während der Ehezeit eine monatliche Rentenanwartschaft von 43,00 DM erworben hat und nicht nur von 20,60 DM, wie die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Auskunft ausgewiesen hatte. Die neue Auskunft stützt sich auf die gesetzliche Neuregelung der Tabellenwerte für die ersten fünf Kalenderjahre der Versicherungszeit im Haushaltsbegleitgesetz 1983.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Beschwerde und Anschlußbeschwerde sind zulässig. Die Zulässigkeit der Beschwerde ergibt sich im Hinblick auf das Erfordernis einer Beschwer aus der besonderen Stellung der am Versorgungsausgleichsverfahren beteiligten Versicherungsträger. Diese sind grundsätzlich bereits dann durch eine Versorgungsausgleichsentscheidung in ihrem Recht beeinträchtigt, wenn der angeordnete Ausgleich mit einem im Gesetz nicht vorgesehenen Eingriff in ihre Rechtsstellung verbunden ist, ohne daß es auf eine finanzielle Mehrbelastung ankommt (BGH FamRZ 1981, 132 = NJW 1981, 1274; FamRZ 1982, 155). Da der vom Amtsgericht vorgenommene Ausgleich der Anwartschaft des Antragsgegners auf Zusatzversorgung ohne gesetzliche Grundlage erfolgt ist - § 1587 b Abs. 3 BGB, auf den sich die Entscheidung stützt, ist verfassungswidrig -, kann dem Rechtsmittel der LVA eine Beschwer im Sinne der BGH-Rechtsprechung nicht abgesprochen werden. Andererseits ist die LVA jedenfalls dadurch beschwert, daß das Amtsgericht, ohne daß der Antragsgegner einen dahingehenden Antrag gestellt hatte, ihm gestattet hatte, die ihm aufgegebene Beitragszahlung in monatlichen Raten zu entrichten.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Auch die Anschlußbeschwerde ist zulässig. Daß grundsätzlich Anschlußrechtsmittel auch im Bereich der im Ehescheidungsverbundurteil entschiedenen familienrechtlichen Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit statthaft sind, entspricht überwiegender Meinung und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH FamRZ 1980, 233 = NJW 1980, 702; FamRZ 1982, 475; FamRZ 1983, 154 = BGHZ 86, 51; Zöller/Philippi, ZPO, 13. Auflage, § 629 a Anm. VII; Rolland, 1. EheRG, 2. Auflage, § 629 a ZPO Rdnr. 8 ff.). Die zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs betreffen jedoch eine Verfahrenssituation, in der ein <u>Ehegatte</u> ein Rechtsmittel eingelegt hat und der andere sich diesem Rechtsmittel angeschlossen hat, Situationen also, in denen die parteimäßig gegensätzliche Interessenlage, wie sie dem normalen Zivilprozeß eigen ist und wie sie vielfach als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Anschließung in FGG-Rechtsmittelverfahren angesehen wird, gegeben ist. Es könnte demnach nicht zweifelhaft sein, daß die Anschlußbeschwerde des Antragsgegners zulässig wäre, wenn die Antragstellerin statt der LVA Beschwerde mit demselben Änderungsbegehren eingelegt hätte. Die Tatsache, daß nunmehr die LVA – wenn auch im eigenen Interesse – ein Beschwerdeziel verfolgt, das im Ergebnis gerade auch der Antragstellerin gegenüber der amtsgerichtlichen Entscheidung Vorteile bringt, bedeutet hier jedoch aus der Sicht des Antragsgegners und in der Auswirkung auf seine Rechtsposition nichts wesentlich anderes, als wenn die Antragstellerin selbst mit einem eigenen Rechtsmittel die zu seinen Lasten gehende Besserstellung erstrebte. Der Erfolg der Beschwerde ist in jedem Falle auch ein Erfolg der Antragstellerin, so daß auch in der hier gegebenen Konstellation letztlich eine Auseinandersetzung um gegenläufige Interessen der Parteien stattfindet. Der Senat sieht deshalb die Bedenken der Antragstellerin gegen die Zulässigkeit der Anschließung als unbegründet an.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Auffassung kann aus dem Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 14.10.1981 (FamRZ 1982, 36, 38) nichts hergeleitet werden. Der BGH hat darin zwar die Anschlußbeschwerde eines Ehegatten, der sich der weiteren Beschwerde eines Versorgungsträgers (Freistaat Bayern) angeschlossen hatte, als unzulässig angesehen. Die Unzulässigkeit war jedoch in mangelndem Rechtsschutzinteresse begründet, weil mit der Anschließung ohne jede Abweichung dasselbe Ziel, das der Freistaat Bayern mit der weiteren Beschwerde erreichen wollte, erstrebt wurde. Die Frage, ob für eine Anschließung im Versorgungsausgleichsverfahren die Gegnerstellung zu dem Hauptrechtsmittel zu fordern ist und ob diese im Verhältnis zwischen einem Versicherungs- oder Versorgungsträger und dem anschlußrechtsmittelführenden Ehegatten gegeben sein kann, konnte der BGH infolgedessen offen lassen. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Beschwerde und Anschlußbeschwerde hatten den erstrebten Erfolg. Auf die Beschwerde war die das Anrecht des Antragsgegners betreffende amtsgerichtliche Entscheidung (Ziffer 4 der Urteilsformel) nach den Regeln des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) vom 21.02.1983 (BGBl. I 1983, 105), das am 01.04.1983 in Kraft getreten ist, abzuändern. Die Bestimmungen des VAHRG sind an die Stelle des am 27.01.1983 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten § 1587 b Abs. 3 BGB getreten, auf dem die angefochtene Entscheidung beruht. Zum Ausgleich der Anwartschaft des Antragsgegners auf die nicht dynamische Versicherungsrente, die die Zusatzversorgungskasse der Stadt Z1 als Träger der Versicherung in ihrer Auskunft vom 04.01.1983 mit ihrem auf die Ehezeit entfallenden Anteil auf 161,84 DM monatlich beziffert hat, waren zu Lasten des bei der Zusatzversorgungskasse bestehenden Versorgungsanrechts des Antragsgegners auf dem LVA-Rentenkonto der Antragstellerin Anwartschaften auf Altersruhegeld in Höhe von monatlich 18,19 DM zu begründen (§ 1 Abs. 3 VAHRG in Verbindung mit § 1587 b Abs. 2 BGB). Die Begründung war in dieser Weise vorzunehmen, weil die Zusatzversorgungskasse ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsträger im Sinne von § 1 Abs. 3 VAHRG ist und ihr Versorgungswerk, wie ihrer Auskunft vom 10.05.1983 zu entnehmen ist, eine Realteilung, die vor dem "Quasi-Splitting" durch Begründung Vorrang hätte (§ 1 Abs. 2 VAHRG), nicht vorsieht.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Auszugleichen war nur die Anwartschaft auf die nicht dynamische Versicherungsrente, weil die Anwartschaft auf die dynamische Zusatzversorgungsrente nicht als unzerfallbar (§ 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB) angsehen werden konnte (BGH FamRZ 1982, 899 = NJW 1982, 1989). Die Dynamisierung der statischen Versicherungsrente unter Anwendung der BarwertVO (BGBl. I 1977, 1014) führte zu dem vom Amtsgericht zutreffend errechneten Monatsbetrag von 36,38 DM einer wertmäßig entsprechenden Anwartschaft auf Altersruhegeld in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Hälfte dieses Betrages, nämlich 18,19 DM, unterlag dem Ausgleich durch "Quasi-Splitting".</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Erwirbt der Antragsgegner später bei Eintritt des Versorgungsfalles den Anspruch auf die dynamische Versorgungsrente, die mit ihrem auf die Ehezeit entfallenden Anteil in der Auskunft der Zusatzversorgungskasse vom 04.01.1983 mit 282,00 DM monatlich beziffert worden ist, dann ist die Differenz zwischen dem auf die Ehezeit entfallenden Anteil dieser Rente einerseits und der bereits jetzt im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich ausgeglichenen – dynamisierten – Versicherungsrente andererseits (36,38 DM monatlich) gemäß § 1587 f Nr. 4 BGB im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich auszugleichen. Auf diese Rechtsfolge hat der Senat in der Beschlußformel deklaratorisch hingewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die von der beteiligten Zusatzversorgungskasse in ihrer Eingabe vom 04.08.1983 geäußerten Bedenken gegen den Ausgleich durch "Quasi-Splitting" konnten bei der getroffenen Entscheidung keine Berücksichtigung finden. Sie betreffen interne Schwierigkeiten, die die tatsächliche Abwicklung des "Quasi-Splitting" nach sich ziehen mag, die jedoch an dem für den Senat verbindlichen Willen des Gesetzgebers, daß der Ausgleich nach den Regeln des VAHRG vorzunehmen ist, nichts zu ändern vermögen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Auf die Anschlußbeschwerde des Antragsgegners war der Tatsache Rechnung zu tragen, daß die Antragstellerin während der Ehezeit nicht nur eine Anwartschaft auf Altersruhegeld in Höhe von monatlich 20,60 DM in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hat, sondern eine solche von 43,00 DM. Dies führte zur Herabsetzung des vom Rentenkonto des Antragsgegners auf das Rentenkonto der Antragstellerin zu übertragenden Anwartschaftsbetrages von 359,30 DM – so die angefochtene Entscheidung – auf 348,10 DM monatlich (§ 1587 b Abs. 1 BGB). Das ergibt sich aus nachfolgender Berechnung:</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Auf die Ehezeit entfallende Rentenanwartschaft </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">des Antragsgegners: 739,20 DM.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Auf die Ehezeit entfallende Rentenanwartschaft </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">der Antragstellerin: <u> 43,00 DM</u></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Mehrerwerb des Antragsgegners: 696,20 DM</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Durch Übertragung auszugleichende Hälfte: 348,10 DM.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat ohne die in § 53 b Abs. 1 BGB vorgesehene mündliche Verhandlung entschieden, weil der klare Sachstand keinen Anlaß zur Erörterung mit den Beteiligten gab und lediglich Rechtsfragen zu bescheiden waren, zu denen sich die Beteiligten schriftlich haben äußern können. Gegen die ihnen mitgeteilte Absicht des Senats, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, haben die Beteiligten Bedenken nicht erhoben.</p>
|
315,729 | ag-solingen-1983-09-21-10-11-c-43983 | {
"id": 733,
"name": "Amtsgericht Solingen",
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"city": 493,
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"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 10 (11) C 439/83 | 1983-09-21T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:33 | 2019-03-27T09:42:22 | Urteil | ECLI:DE:AGSG:1983:0921.10.11C439.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kraftwagen des Klägers ist, als er geparkt auf der straße in stand, von dem Kraftfahrzeug des bei der Beklagten haftpflichtversicherten angefahren worden. Nach dem Unfall kannte der Kläger weder die gegnerische Haftpflichtversicherung noch die Versicherungsscheinnummer.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger behauptet, einer seiner Prozeßbevollmächtigten habe persönlich eine telefonische Anfrage bei dem Zentralruf der Haftpflichtversicherer in Köln getätigt. Hierüber sind in der Kostenrechnung DM ausgewiesen, die die Beklagte nicht reguliert hat.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist der Ansicht, diese Besprechungsgebühr nach § 118, Abs. I, Satz 2 BRAGO beanspruchen zu können und beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zur Zahlung von DM nebst % Zinsen seit dem zu verurteilen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Sie hält den Anspruch nicht für gerechtfertigt. Der Anruf hätte vom Büropersonal vorgenommen werden können. Außerdem hätte eine schriftliche Auskunft vom Straßenverkehrsamt eingeholt werden können.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der in den Akten enthaltenen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Es kann dahingestellt bleiben, ob ein telefonischer Anruf eines Rechtsanwalts bei dem Zentralruf der Haftpflichtversicherer die Besprechungsgebühr nach § 118, Abs. I, Satz 2 BRAGO auslöst. Denn im vorliegenden Fall, in dem es lediglich darum ging, Haftpflichtversicherung und Versicherungsscheinnummer zu erfahren, bedurfte es keiner Beauftragung eines Rechtsanwalt, um diese telefonische Auskunft zu erhalten. Dieser Anruf konnte und mußte, um der Schadensminderungspflicht nachzukommen, entweder vom Kläger selbst oder von einer anderen Person, etwa aus dem Büro der Prozeßbevollmächtigten, vorgenommen werden. Darüber hinaus wäre auch die Inanspruchnahme des Straßenverkehrsamts möglich gewesen, um auf schriftlichem Wege die entsprechenden Auskünfte zu erhalten. Die dadurch möglicherweise eingetretene Verzögerung hätte der Kläger hinnehmen können. Es spricht nichts dafür, daß gerade in diesem Fall die sofortige Bekanntgabe von Versicherung und Versicherungsnummer unbedingt erforderlich gewesen ist.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 718, Ziffer 11, 713 ZPO.</p>
|
315,730 | lagham-1983-09-21-12-sa-102483 | {
"id": 794,
"name": "Landesarbeitsgericht Hamm",
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} | 12 Sa 1024/83 | 1983-09-21T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:34 | 2019-03-27T09:42:22 | Urteil | ECLI:DE:LAGHAM:1983:0921.12SA1024.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Kläger wird das am o9. Mai 1983 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Herford - 2 Ca 15o/b3 - wie folgt abgeändert:</p>
<p>Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zur gesamten Hand DM 17«5oo,-- nebst 5 Zinsen seit dem 12. Juni 1982 zu zahlen.</p>
<p>Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p>Die weitergehende Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.</p>
<p>Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte 1/2 und die Kläger - zu gleichen Teilen - ebenfalls 1/2.</p>
<p>Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> <b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Kläger verlangen mit der vorliegenden Klage von dem Beklagten Ersatz des in der Belegschaftskantine in einer Zeit entstandenen Schadens, als der Beklagte als Be- triebsratsvorsitzender für diese Kantine verantwortlich war.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Kläger sind die Mitglieder des bei der Firma H GmbH & Co. KG gebildeten Betriebsrates. In diesem Betrieb besteht seit 1957 eine Belegschaftskantine. Im</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Dezember 1956 trat der Betriebsrat an die Geschäftsleitung heran mit der Bitte, eine Kantine zu eröffnen. Das wurde von der Geschäftsleitung abgelehnt. Daraufhin schlug der Betriebsrat vor, daß die Belegschaft die Kantine in eigener Regie betreiben solle. Es wurde eine Einigung dahin erzielt, daß der Betriebsrat eine Kantine eröffnen und in eigener Regie und auf eigene Kosten verwalten durfte. Dabei bestand die "Kantine" zunächst nur aus einem Schrank mit Waren für den Verkauf an die Belegschaftsmitglieder in einem bereits vorhandenen Gemeinschaftsraum. Der Arbeitgeber stellte für den Betrieb der Kantine die Räumlichkeiten und das erforderliche Kantinenpersonal, das er auch entlohnte. Steuerlich wurde die Kantine als selbständige Einrichtung "Belegschaftskantine der Firma F geführt, wie sich zum Beispiel aus der Körperschaftssteuererklärung für das Kalenderjahr 1957 (Bl. 12<strong>o</strong> d.A.) aus der Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr 1962, unterzeichnet vom "Betriebsrat i.V. Scheffer" (Bl. 125/ 126 d.A.), und dem Schreiben des Betriebsrats vom 06.o3« 1969 an das Finanzamt Herford, unterzeichnet vom Beklagten (Bl. 133 d.A.), ergibt. Der Betriebsrat berichtete über die Entwicklung der Kantine (siehe Tätigkeitsbericht für die Zeit vom 15.05.1957 bis o9.1o.1957 - Bl. 117/118 d.A. -) und beschloss, die Überschüsse der Kantine den Belegschaftsmitgliedern zugutekommen zu lassen (Bl. 121 d.A.), zum Beispiel zu Ostern 1959 Waren Päckchen im Werte von 5>5o DM auszugeben (Protokoll der Sitzung vom 06.03.1959 - Bl. 124 d.A. -). In der Sitzung vom 18.<strong><em>ok.</em></strong>1972 beschloss der Betriebsrat, ab 19.o4.1972</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">sämtliche Artikel in der Kantine mit einem Aufschlag von 2 °/o auf den Einkaufspreis zuzüglich Mehrwertsteuer zu kalkulieren (Bl. 136 d.A.).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gegen Ende eines jeden Jahres wurde eine Inventur in der Kantine durchgeführt, die den Warenbestand, die Außenstände, den Kassenbestand und die Bankschulden auswies (vgl. die Inventuren für 1973 - Bl. 144 d.A. -, für 1974 - Bl. 145 d.A. - und für 1975 - Bl. 146 d.A. -).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte, der ab 1964 bei der Firma H GmbH & Co. KG beschäftigt war, war in der Zeit von 1966 bis <strong>06.06.</strong>1980 von der Arbeitsleistung freigestellter Vorsitzender des Betriebsrats. Von dem Zeitpunkt, in dem er zum Vorsitzenden gewählt wurde, hatte er über die Geschäftstätigkeit der Kantine eine Aufsichts- und Kontrollfunktion, wie sie auch schon dem vorhergehenden Betriebsratsvorsitzenden vom Betriebsrat übertragen war (siehe Beschluß vom o9.o5.1963 - Bl. 131 d.A. -). Dementsprechend überprüfte der Beklagte auch die dem Betriebsrat vorgelegten Inventuren. 1968 wurde unter der Bezeichnung "WG Kantine F ein Geschäftskonto bei der Stadtsparkasse Herford eröffnet, über das der Beklagte bis zur Niederlegung seines Amtes verfügungsberechtigt war. Mit Schreiben vom 2o.o7.1971 "An die Kantine der Firma F verlangte die Stadtsparkasse Herford eine Zurückführung der Kontoüberziehung und die Übersendung eines Beschlusses des Betriebsrats, aus dem die Haftung des Betriebsrats für den jeweiligen Schuldsaldo auf dem Konto hervorgehe (Bl. 134 d.A.).</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Bis zum Jahre 1977 arbeitete die Kantine mit Gewinn. So weist die Gewinnermittlung des Steuerberaters für das Jahr 1977 noch einen Gewinn von 1.734,79 DM bei einem Warenverkauf (ohne Mehrwertsteuer) von 23<strong>o</strong>.267,61 DM aus (Bl. 39 d.A.). Die Gewinnermittlung für das Jahr 1978 zeigt bei Einnahmen von 213.624,9o DM (ohne Mehrwertsteuer) dagegen einen Verlust von 1.343,39 DM (Bl. 4<strong>o</strong> d.A.) und für das Jahr 1979 einen Verlust von 26.o54,35 DM bei Einnahmen von 187.088,35 DM (Bl. 41 d.A.). Die Gewinnermittlung für 1980 zeigt noch einen Verlust von 9.159,o3 DM bei Verkaufserlösen (ohne Mehrwertsteuer) von 191.452,4o DM (Bl. 42 d.A.), dabei betrug für die Zeit vom o1.o1. - 3o.o4.198o der Warenumsatz 69.71o,26 DM und der Wareneinsatz aber 80.946,43 DM (Bl. 44 d.A.).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Geschäftskonto bei der Stadtsparkasse Herford wies am 03.01.1979 einen Sollbestand von 13.116,55 DM aus, der sich in der Folgezeit bis zum 3o.o4.198o auf 35.1o4,52 DM erhöhte (vgl. die Zahlen über die Kontoentwicklung in der Zeit vom o3.o1.1979 bis 3o.12.1980 auf Bl. 12 d.A.), obwohl der Arbeitnehmer u aus eigenen Mitteln einen Betrag von 10.000,— DM eingezahlt hatte, den er gegenüber dem Betriebsrat als Forderung geltend macht.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Nachdem am o5.o5.198o zwischen der Firma H und der Belegschaftskantine der Firma H, vertreten durch den Beklagten als Betriebsratsvorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden, ein Darlehensvertrag über 35.ooo,— DM mit 5 Jahreszinsen geschlossen worden war (vgl. B1. 45 d.A.) wurden von der Firma H am o7.o5.198o 35.ooo,-- DM auf das Geschäftskonto der Betriebskantine bei der Stadtsparkasse eingezahlt. Das Darlehen sollte aus den Einnahmen in der Kantine getilgt werden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Wareneinkauf und -verkauf in der Kantine wurde von 197o bis zu seinem Schlaganfall am 17.11.1978 im Wesentlichen von dem Arbeitnehmer u der Firma F2  wahrgenommen. Sodann wurden diese Arbeiten vor allem von der Arbeitnehmerin M ausgeübt, die seit November 1978 ganztägig in der Kantine tätig war.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Betriebsrat hatte nach dem Jahreswechsel 1978/79 den Beklagten nach dem fälligen Kantinenbericht gefragt. In Erwartung einer baldigen Rückkehr des Herrn u hat der Beklagte darauf verwiesen, daß dieses dann Herr u machen sollte.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Unter dem 29.o5.198o erstattete der Betriebsrat, vertreten durch den Beklagten, bei der Kriminalpolizei Anzeige gegen Unbekannt, in der es unter anderem heißt</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">"Die Firma H unterhält auf dem Firmengelände eine Einkaufsmöglichkeit für Belegschaftsmitglieder, kurz Kantine genannt. Seit ca. 1o Jahren - bis zum November 1978 - wurde die Kantine von dem Kollegen u und Kollegin W, beide aus Herford, betreut. Die Oberaufsicht obliegt dem Betriebs rat. Der Umsatz der Kantine beträgt ca.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">25o.ooo,-- DM im Jahr. Seit November 1978 wurde durch die Krankheit des Kollegen u bedingt, eine Umbesetzung vorgenommen. Für den Kollegen u wurde die Kollegin N mit der Betreuung beauftragt. Im August 1979 wurde erstmals festgestellt, daß Unregelmäßigkeiten in der Kantine vorgekommen sein müßten. Trotzdem von diesem Zeitpunkt an verschärfte Kontrollen durchgeführt wurden, war es nicht möglich, den oder die dafür Verantwortlichen zu erfassen. Nach dem bisherigen Überblick haben die Unregelmäßigkeiten im Umfang seit der Zeit etwas nachgelassen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Inhalts dieses Schreibens wird auf B1. 2o/21 d.A. verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Bei seiner polizeilichen Vernehmung erklärte der Beklagte am 26.06.1980:</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">it</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">...</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Weiter wurde mir die Aussage des Kollegen u bezüglich seiner Tätigkeiten in der Kantine während der Ferienzeit 1979 vorgelesen. Diese Angaben kann ich, soweit sie mich betreffen, bestätigen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Es ist richtig, daß ich zu jenem Zeitpunkt erstmalig von dem überhöhten Minus auf unserem Kantinenkonto Kenntnis erhielt. Ich weiß selbst, daß jenes sehr unwahrscheinlich klingt, doch muß ich hierauf verweisen, daß die Kantine jahrelang durch den Herrn u ordnungsgemäß geführt wurde und eine Kontrolle meinerseits überflüssig war. Ich möchte sogar noch hinzufügen, daß ich froh war, mich gar nicht mit den</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">buchungstechnischen Angelegenheiten der Kantine befassen zu müssen, denn Herr u hatte mein vollstes Vertrauen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Ich bin auch heute noch davon überzeugt, daß unter Herrn u alles seine Richtigkeit hatte. Es läßt sich auch anhand der genannten Zahlen beweisen, daß die Unregelmäßigkeiten der Kantine erst nach dem krankheitsbedingten Ausscheiden des Herrn u begannen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Als ich nun damals durch Herrn u von dem überhohen Sollstand des Kontos informiert wurde zog ich zwei Möglichkeiten Anbetracht. Entweder den Betriebsrat zu informieren oder selbst Licht in die Angelegenheit zu bringen. Ich entschied mich für die zweite Möglichkeit. Mir war klar, daß dort irgendetwas nicht stimmen konnte. Falschbuchungen in jener Höhe konnte ich ausschließen. Ich suchte also einen Anhaltspunkt für jene Ungereimtheiten, um dann mit konkreten Fakten den Betriebsrat informieren zu können. Ich führte zunächst innerhalb der Kantine ein Kassenbuch ein, in welchem Wareneingang und das eingenommene Bargeld sowie die Überweisungen an die Stadtsparkasse eingetragen wurden. Ich konnte nun feststellen, ob der Sollbestand wöchentlich weiter anstieg. Bedingt durch andere Tätigkeiten habe ich mich dann aber doch nicht so um die ganze Angelegenheit gekümmert, wie ich es eigentlich hätte machen sollen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Erstmals auf einer Betriebsversammlung im April/Mai 1980 unterrichtete der Beklagte die Belegschaft über den eingetretenen Verlust in der Kantine. Am o4.06.1980 fand eine Betriebsversammlung statt, deren Hauptthema der Verlust der Kantine war. Im Juni 1980 trat der Beklagte als Betriebsratsvorsitzender und als Betriebsratsmitglied zurück.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Am o5.o9.198o kündigte die Firma H das mit dem Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis fristlos. Das folgende Kündigungsschutzverfahren (2 Ca 938/8o Arbeitsgericht Herford = 3 Sa 24l/8l LAG Hamm) wurde durch einen gerichtlichen Vergleich vom o9.o9.1981 beendet, in dem auch eine Ausgleichsklausel vereinbart wurde.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Den nach der Zahlung des Betrages von 35.000,— DM durch die Firma H auf dem Geschäftskonto der Kantine verbleibenden Restbetrag in Höhe von 6.735,76 DM hatte die Stadtsparkasse klageweise gegen den Beklagten geltend gemacht. Nachdem das Landgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben hatte, haben die Parteien vor dem Oberlandesgericht Hamm (11 U 229/82) einen Vergleich geschlossen, in dem der Beklagte sich zur Zahlung von 800,-- DM in monatlichen Raten von 2oo,— DM verpflichtete, die der Beklagte nach seinen Behauptungen ab April 1983 auch pünktlich gezahlt hat.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Mit der am 26.o1.1983 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage haben die Kläger von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von 35.000,— DM verlangt.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Sie haben die Ansicht vertreten, die Kantine sei als eine soziale Einrichtung der Firma H GmbH & Co.KG von dem Betriebsrat in Form eines nicht rechtsfähigen Vereins betrieben worden. Daher seien sie auch berechtigt, Schadensersatz gegenüber dem Beklagten gerichtlich geltend zu machen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte habe aufgrund pflichtwidrig nicht wahrgenommener Kontroll- und Aufsichtsfunktionen den Soll-Bestand von über 35.ooo,-- DM auf dem Geschäftskonto der Kantine zu vertreten.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Sie behaupten, der Beklagte sei über das Geschäftskonto alleinverfügungsberechtigt gewesen und habe auch der Sparkasse gegenüber eine Bürgschaft übernommen (das Letzte ist unstreitig). Der Beklagte habe die Kantine im Jahre 1966, als er Betriebsratsvorsitzender geworden sei, in ordnungsgemäßem Zustand von seinem Amtsvorgänger Samland übernommen. Der Beklagte habe in dem Strafverfahren als Zeuge ausgesagt, daß keine echten Kontrollen in der Kantine stattgefunden hätten. Von Oktober 1978 bis September 1979 sei keine Überprüfung der Kasse und der Bestände vorgenommen worden.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Auf der Betriebsversammlung vom o4.o6.198o sei der Beklagte gefragt worden, warum er den Betriebsrat nicht schon vorher, sondern erst im Frühjahr 198o informiert habe. Der Beklagte habe erwidert, daß er das nicht getan habe, weil im Herbst 1979 Kommunalwahlen stattgefunden hätten, bei denen er sich um einen Sitz im Stadtparlament beworben habe. Seine Wiederwahl habe er damals als gefährdet angesehen, wenn er den Kantinenfehlbestand an die Öffentlichkeit gebracht hätte.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte habe überhaupt nichts unternommen, um seine Betriebsratskollegen zu informieren und zu verhindern, daß der Kontofehlbestand weiter anstieg.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Seit der Ablösung des Beklagten als Betriebsratsvorsitzender habe der neue Betriebsrat sofort Maßnahmen eingeleitet, um zu verhindern, daß ein weiterer Verlust entstehe. Das Geschäftskonto bei der Stadtsparkasse sei nicht mehr benutzt worden. Der Kantinenkassenbestand sei täglich abgerechnet worden, wodurch ein ständiger Überblick über Warenausgang und Geldeingang verschafft worden sei. Seitdem habe die Kantine wieder mit Gewinn gearbeitet.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Wenn der Beklagte den Betriebsrat sofort Ende 1978, spätestens Anfang 1979 unterrichtet hätte, hätten sofort diese Maßnahmen ergriffen werden können, um weitere Verluste auszuschließen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Aus Vereinfachungsgründen werde der Beklagte nur in Höhe des von dem Betriebsrat bei der Firma H aufgenommenen Darlehens in Anspruch genommen. Ein entsprechendes Mahnschreiben vom 11.06.1982 sei dem Beklagten am 12.06.1982 zugegangen und von ihm unbeantwortet gelassen (das ist von dem Beklagten nicht bestritten worden).</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger 35.ooo,— DM nebst 5 Zinsen seit dem 12.o6.1982 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Er hat die Ansicht vertreten, die Kläger seien nicht aktiv legitimiert hinsichtlich der Klageforderung. Die Belegschaftskantine sei als soziale Einrichtung ohne eigene Rechtspersönlichkeit und sonstige Selbständigkeit anzusehen und in den Betrieb der Firma H GmbH & Co. KG eingegliedert. Da es sich hierbei um eine rechtlich unselbständige Betriebseinrichtung handele, treffe die Ansicht der Kläger, der Betriebsrat betreibe die Kantine als nicht rechtsfähigen Verein, nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat bestritten, durch pflichtwidriges Verhalten einen Fehlbetrag von 35.ooo,— DM verursacht zu haben. Die Kantine habe auch keinen Schaden erlitten, weil die Firma H GmbH & Co. KG ihrer Verpflichtung, finanzielle Mittel für den Kantinenbetrieb zur Verfügung zu stellen, durch die Scheckzahlung von 35.ooo,— DM am o7.o5.198o nachgekommen sei. Daß ein Wirtschaftsbetrieb auch mal mit Verlust arbeite, sei eine normale Sache. Es sei erfreulich, daß die Kantine jetzt mit Gewinn arbeite, so daß keine Probleme bestünden, das Darlehen zurückzuführen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Außerdem hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsgericht hat die Klage durch am o9.o5.19&3 verkündetes Urteil als unbegründet abgewiesen, weil die Kläger hinsichtlich der eingeklagten Forderung nicht aktiv legitimiert seien. Bei zutreffender Würdigung ihres eigenen Vorbringens könne ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung allenfalls für die Firma H GmbH & Co. KG entstanden sein. Insoweit scheide ein Anspruch aber wegen des Verzichts der Firma H in dem gerichtlichen Vergleich mit dem Beklagten aus.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die Belegschaftskantine werde nicht von dem Betriebsrat als wirtschaftlicher nicht rechtsfähiger Verein im Sinne des § 22 BGB geführt. Die Kantine sei vielmehr selbständig von dem Beklagten und zwei von dem Arbeitgeber gestellten Mitarbeitern - ohne Einschaltung des Betriebsrats als Gremium bzw. der einzelnen Betriebsratsmitglieder als Mitglieder eines gegründeten wirtschaftlichen Vereins - für die Firma H als soziale Einrichtung verwaltet worden.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Daraus folge auch, daß die Kläger sich nicht zu einer BGB-Gesellschaft hinsichtlich der Verwaltung der Belegs- chaftskantine zusammengeschlossen hätten.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Das Urteil, wegen dessen weiteren Inhalts auf B1. 83 - 09 d.A. Bezug genommen wird, ist den Klägern am 07.06. 1983 zugestellt worden. Sie haben hiergegen am 09.06. 1983 Berufung eingeigt und diese am Montag, dem 11.o7.1983, begründet.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Sie sind der Ansicht, daß das Arbeitsgericht sich über den unstreitigen oder durch Urkunden nachgewiesenen Sachverhalt hinweggesetzt habe, wenn es zu dem Ergebnis gelangt sei, der Betriebsrat habe mit der Verwaltung der Kantine nichts zu tun gehabt, sondern daß es sich um eine soziale Einrichtung der Firma H gehandelt habe, die von dem Beklagten und zwei Mitarbeitern verwaltet worden sei. Der Beklagte selbst habe in einem Schreiben vom 08.I0.1980 an die Geschäftsleitung der Firma H die Auffassung vertreten, daß für die Kantine von je her der gewählte Betriebsrat verantwortlich gewesen sei. Das sei auch ihre Ansicht.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Als für die Jahre 1978 und 1979 keine Inventur durchgeführt worden sei, so behaupten die Kläger weiter, hätten sich mehrere Betriebsratsmitglieder in verschiedenen Gesprächen an den Beklagten gewandt und ihn daran erinnert. Der Beklagte habe auf diese Vorhaltungen sinngemäß geantwortet: "Hinsichtlich der Kantine macht Euch keine Gedanken, das ist Vertrauenssache. Für die Kantine bin ich verantwortlich. Im Augenblick befinden sich die Unterlagen beim Steuerberater, so daß ich sowieso keine genauen Angaben machen kann."</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Die Kläger beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem Klageantrag erster Instanz zu erkennen, und zwar mit der Maßgabe, daß die Zahlung an die Kläger zur gesamten Hand zu erfolgen habe.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Er vertritt weiterhin die Ansicht, daß die Kläger nicht aktiv legitimiert seien und die Kantine ein unselbständiger Teil der Firma H sei. Außerdem sei kein Schaden entstanden. Die Firma H habe ihre Verpflichtung für den Kantinenbetrieb gesehen und die entsprechenden finanziellen Mittel zur Glattstellung des Geschäftskontos zur Verfügung gestellt.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Im übrigen werde der Verwertung anderer Aktenvorgänge, insbesondere aus den Strafermittlungsver- fahren, widersprochen.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze<sup>-</sup> und Anlagen sowie auf die Vernehmungsprotokolle Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Kläger ist an sich statthaft. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden <strong><em>(§§ 6k</em></strong> Abs. 1, 2 und 6 und 66 Abs. 1 ArbGG, 51Ö, 519 ZPO). Die sonach zulässige Berufung hat auch teilweise Erfolg, weil das Arbeitsgericht die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen hat.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die Schadensersatzforderurig der Kläger ist in Höhe von 17.500,— DM begründet, weil der Beklagte als Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins die ihm obliegenden Geschäftsführungspflichten verletzt und hierdurch einen Schaden verursacht hat, der die Kläger als Vereinsmitglieder betroffen hat (§§ 54, 7o5, 7oö, 276 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">1. Entgegen der Ansicht des Beklagten und der Entscheidung des Arbeitsgerichts ist die Belegschaftskantine keine unselbständige Einrichtung der Firma H GmbH & Co, KG, sondern wird von dem Betriebsrat der Firma H insoweit als nicht rechtsfähiger Verein betrieben. Das ergibt sich unzweifelhaft aus der unstreitigen Entstehungsgeschichte der Kantine und der tatsächlichen Handhabung.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">a) Diß Firma H hat von Anfang an erklärt, daß sie keine Kantine betreiben wolle. Die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten und Personal durch die Firma H stellt lediglich eine Unterstützung des Betriebs der Kantine durch den Arbeitgeber dar. Aus diesen Handlungen läßt sich aber nicht ableiten, daß der Arbeitgeber auch die Kantine betreiben, das heißt alle Geschäfts Vorfälle in der Kantine in eigenem Namen oder für eigene Rechnung abwickeln wolle. Dagegen spricht zunächst der eindeutige Wille des Arbeitgebers bei der Gründung der Kantine. Er war nur bereit, der Belegschaft den Betrieb einer Kantine in eigener Regie zu gestatten. Gegen eine Einrichtung der Kantine als eine solche des Arbeitgebers spricht auch, daß dieser niemals nach außen als Verantwortlicher in Erscheinung getreten ist. Das Geschäftskonto bei der Stadtsparkasse wurde auf den Namen der Kantine eröffnet, wobei auch von der Sparkasse der Betriebsrat als verantwortlicher Träger angesehen wurde. Die Entscheidung über Preise in der Kantine und über die Verwendung des Gewinns traf <span style="text-decoration:underline">allein</span> der Betriebsrat ohne Abstimmung mit dem Arbeitgeber. Der Betriebsrat bezeichnete sich selbst in verschiedenen Verlautbarungen gegenüber Dritten (so beispielsweise bei der Anzeige gegenüber der Kriminalpolizei) als verantwortlich für den Betrieb der Kantine. Schließlich wurden auch Steuererklärungen von der Kantine, vertreten durch den Betriebsrat, abgegeben. Die Kontrolle der Geschäftsvorfälle in der Kantine wurde nicht von dem Arbeitgeber, sondern ausschließlich von dem Betriebsrat und seinem Vorsitzenden ausgeübt. An keiner Stelle wird deutlich, daß für die Kantine Personen in Vertretung des Arbeitgebers gehandelt hätten oder hätten handeln wollen.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Das alles macht deutlich, daß die Belegschaftskantine keine Einrichtung des Arbeitgebers ist, mit der Folge, daß nur dieser aus Rechtsgeschäften der Kantine berechtigt oder verpflichtet und auch nur er zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs bei Eintritt eines Schadens berechtigt wäre.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">b) Träger der Kantine war vielmehr der Betriebsrat in der Form eines nicht rechtsfähigen Vereins. (§ 54 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Daß der Betriebsrat und nicht die gesamte Belegschaft der Firma H als Verein in Betracht kommt, ergibt sich aus der Tatsache, daß alle Beschlüsse, die die Kantine betreffen, stets vom Betriebsrat und nicht etwa von der Belegschaft getroffen wurden. Insoweit kann die Betriebsratsversammlung als Mitgliederversammlung des Vereins gewertet werden. Beim Betriebsrat sind auch die Voraussetzungen eines Vereins gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Nach der Rechtsprechung ist ein Verein eine auf Dauer berechnete Verbindung einer größeren Anzahl von Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes, die nach ihrer Satzung körperschaftlich organisiert ist, einen Gesamtnamen führt, und auf einen wechselnden Mitgliederbestand angelegt ist (Staudinger-Coing, BGB, 12. Aufl., § Rdz. 1 m.w.N. aus der Rechtsprechung).</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">aa) Als Vereinszweck kommt hier die Bewirtschaftung der Verkskantine in Betracht. Es ist bereits entschieden worden, daß ein von der Belegschaft und dem Betriebsrat gegründeter Verein mit diesem Zweck (Betrieb einer Werkskantine) in das Vereinsregister eigetragen werden kann (BayObLG, BB 197^, S. 9«o).</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">bb) Zur Erreichung dieses Zwecks haben sich auch die Betriebsratsmitglieder zusammengeschlossen, indem sie neben ihrem Betriebsratsamt die Aufgabe des Betriebs einer Kantine übernommen haben. Insoweit haben sie sich neben dem Betriebsrat zu einer weiteren Personenvereinigung zusammengeschlossen, deren Zweck der Betrieb der Kantine ist. Dieser Zusammenschluß ist freiwillig, weil sich jedes Betriebsratsmitglied dieser Aufgabe hätte entziehen können. Durch die Handlungen und Beschlüsse im Hinblick auf die Verwaltung der Kantine (Preiskalkulation, Verwendung von Überschüssen, Vorlage der Jahresinventur), die mit der eigentlichen Betriebsratsarbeit im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes nichts zu tun hatten, war ihnen auch bewusst, daß sie neben dem Betriebsratsamt gemeinschaftlich eine weitere Aufgabe übernommen hatten.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Dieser Zusammenschluss ist auch auf Dauer berechnet, nämlich für die Zeit des Bestehens der Werkskantine, und außerdem - und das unterscheidet ihn von einer sonst möglicherweise in Betracht zu ziehenden bürgerlich rechtlichen Gesellschaft im Sinne von §§ 7o5 ff BGB - auf wechselnden Mitgliederbestand angelegt. Bei jeder Betriebsratswahl und Veränderung in der Zusammensetzung des Betriebsrats wird auch ein Wechsel in der Mitgliedschaft zum Verein möglich.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Schließlich besteht der Zusammenschluß aus einer größeren Anzahl von Mitgliedern, nämlich der Anzahl der Betriebsratsmitglieder. Der Betriebsrat hat, wie sich den vorgelegten Unterlagen entnehmen läßt, seit geraumer Zeit neun Mitglieder, das sind mehr als zum Beispiel nach § 56 BGB als Mindestmitgliederanzahl bei der Eintragung eines Vereins gefordert werden.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">cc) Der nicht rechtsfähige Verein hat auch eine sich aus der Satzung ergebende körperschaftliche Verfassung. Mindestinhalt einer solchen Satzung sind Bestimmungen über Zweck und Namen des Vereins, Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft, über die Bildung des Vorstands und über die Einberufung der Mitgliederversammlung (Palandt- Heinrichs, BGB, 41 . Aufl., § 25 Anm. 2 a).</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Hier liegt eine schriftlich abgefaßte Vereinssatzung allerdings nicht vor. Für den eingetragenen Verein ergibt sich die Forderung nach einer schriftlichen Satzung als Rückschluß aus § 59 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Für den nicht rechtsfähigen Verein fehlt eine entsprechende Regelung, so daß sich das Formerfordernis nach der Rechtsnatur der Satzung bemißt. Diese ist aber nach der Rechtsprechung ein von den Vereinsgründern geschlossener Vertrag (BGHZ 47, 179). Für einen solchen Vertrag besteht grundsätzlich kein Formzwang, wenn dieses nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist. An einer solchen Vorschrift - wie bereits ausgeführt - mangelt es hier, so daß die Satzung keiner Form bedarf und daher auch "stillschweigend" vereinbart werden kann (Staudinger-Coing, aaO, § 54 Rdz. 31 )•</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Zumindest aufgrund der Entscheidung im Jahre 1956, eine Werkskantine in eigener Regie des Betriebsrats zu führen, und der sodann jahrelang praktizierten Handhabung ist davon auszugehen, daß eine Satzung des Inhalts vereinbart wurde, daß die Betriebsratsmitglieder auch Mitglieder des Vereins "Belegschaftskantine der Firma F sind und der Vorsitzende des Vereins der jeweilige Betriebsratsvorsitzende ist. Aus der gleichzeitigen Zugehörigkeit der Vereinsmitglieder zum Betriebsrat ergibt sich auch die Regelung über Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Daß der Betriebsratsvorsitzende zugleich auch Vorsitzender des nicht rechtsfähigen Vereins sein soll, ergibt sich aus der Übertragung der besonderen Befugnisse im Hinblick auf die Verwaltung der Kantine. Ihm war von der Mitgliederversammlung (= Mitglieder des Betriebsrats) die Leitung und Überwachung der Kantine übertragen worden und er - und nicht etwa andere Vereinsmitglieder - nahm auch für die Kantine Rechtsgeschäfte gegenüber Dritten wahr. Da der Zweck des Vereins allein in dem Betrieb der Kantine bestand, kann die Übertragung dieser Aufgaben nur als Vorstandsbestellung im Sinne des § 27 Abs. 1 BGB gewertet•werden und nicht etwa als bloße Übertragung von besonderen Aufgaben im Rahmen der Vereinstätigkeiten, die von der Vorstandsbestellung zu trennen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">2. Der Beklagte hat die ihm als Vorstand des Vereins obliegenden Geschäftsführungspflichten verletzt, weil er die ihm im Hinblick auf die Kantine obliegenden Kontroll- und Meldepflichten nicht erfüllt hat.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">a) Die Rechte und Pflichten des Vorstands hinsichtlich der Geschäftsführung nach innen bestimmen sich wie beim rechtsfähigen Verein nach den für den Auftrag geltenden Vorschriften in §§ 664 - 670 BGB (Staudinger-Coing, aaO, § 54 Rdz. 37} RGRK, BGB, 12. Aufl., § 54 Rdz.ö). Danach</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">• • •</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">hat der Vorstand grundsätzlich den ihm von der Mitgliederversammlung erteilten Weisungen nachzukommen und hat überdies die Pflicht nach § 666 BGB, der Mitgliederversammlung (hier also dem Betriebsrat) die erforderlichen Nachrichten zu geben, wobei bei drohendem Schaden auch eine Warnungspflicht des Beauftragten bestehen kann (Erman-Hauß, BGB, 7. Aufl., § 666 Rdz. 1).</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat zunächst als Vorstand gegenüber der Kantine Aufsichts- und Kontrollpflichten. Gegen diese Pflichten hat er verstoßen. Gegenüber der Polizei hat er selbst eingeräumt, daß in der Kantine keine echten Kontrollen stattgefunden hätten. Solange dem Arbeitnehmer u die tatsächliche Bewirtschaftung der Kantine oblag, führte das nicht zu Schäden. Als der Arbeitnehmer u aber Ende 1978 infolge Krankheit ausscheiden mußte und die Kantine nicht mehr bewirtschaften konnte, hätte für den Beklagten Veranlassung bestanden, der Kontrolle der Kantine mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Statt dessen verschob er sogar die Erstellung der zum Jahresende 1978 erforderlichen Inventur im Vertrauen auf eine Rückkehr dieses Arbeitnehmers.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Aus den ihm zugänglichen Bankauszügen hätte der Beklagte sehr schnell schon Anfang 1979 feststellen können, daß in der Kantine Verluste entstanden, weil sich der Schuldsaldo auf dem Bankkonto schlagartig erhöhte. Das hätte ihn veranlassen müssen, seine Kontrollen zu verschärfen, geeignete Überwachungsmaßnahmen einzuführen und auch den Betriebsrat über die Situation zu informieren, damit in der Mitgliederversammlung über Gegenmaßnahmen hätte beraten werden können.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">3.          Gegen diese Pflichten hat der Beklagte grob fahrlässig verstoßen. Dem Beklagten mußte sich nämlich aufdrängen, daß spätestens nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers u die Gefahr einer nicht so sorgfältigen Bewirtschaftung und damit der Eintritt von Verlusten bei nicht sorgfältiger Bewirtschaftung der Kantine bestand. Der Beklagte hat sich auch bewußt - wie seine Aussage bei der Polizei ergibt - gegen eine Information der Mitgliederversammlung- entschieden. Insoweit waren die Angaben des Beklagten bei der Polizei auch gegen seinen Widerspruch zumindest im Wege des Urkundenbeweises verwertbar (Baumbach-Lauterbach-Alvers- Hartmann, ZPO, 41 . Aufl., § 286 Anm. 4 b). Wegen des hier festzustellenden grob fahrlässigen Verhaltens</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">kann auch unentschieden bleiben, ob für das Verschulden des Beklagten hier der Verschuldensmaßstab des § 7o8 BGB in Betracht kommt, oder ob § 7o8 BGB unanwendbar ist (RGRK, aaO, § 54 Rdz. 8). Auch das hiernach erforderliche Verschulden ist jedenfalls im vorliegenden Fall gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">4.         Durch das Verhalten des Beklagten ist auch ein Schaden von mindestens 35»ooo,— DM verursacht worden. Dieser Schaden ergibt sich bereits aus der Gewinnermittlung für die Jahre 1978, 1979 und 198o (Bl. 4o - 42 d.A.). Die dort genannten Beträge sind von dem Beklagten nicht substantiiert bestritten worden, so daß von ihnen auszugehen ist. Bei den Verlusten für das Jahr 1980 ist</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">zu berücksichtigen, daß der Beklagte nur bis Anfang Juni 1980 für die Kantine verantwortlich war. Nach den - insoweit ebenfalls nicht von dem Beklagten bestrittenen - Zahlen in dem Kantinenbericht vom 16.06.1980 (Bl. <strong><em>hh</em></strong> d.A.) ist aber bereits bis zum 30.04<strong><em>,</em></strong>1980 ein Verlust von 11.236,16 DM entstanden. Dabei ist zugunsten des Beklagten nur der ausgewiesene Verlust als Schaden berücksichtigt worden, obwohl der Schaden in Wahrheit in der Differenz zwischen dem sonst erzielbaren Gewinn und dem Verlust zu sehen ist (§ 252 BGB). Immerhin ist nach der Gewinnermittlung für 1977 noch ein Gewinn von 1.739,79 DM erwirtschaftet worden.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Unstreitig ist weder in den Jahren davor noch danach bei der Kantinenbewirtschaftung ein Verlust eingetreten, sondern immer ein Gewinn gemacht worden. Demgemäß ist davon auszugehen, daß der Verlust in den Jahren 1978 bis 1980 nur deshalb entstanden ist, weil der Beklagte seine Kontroll- und Mitteilungspflichten schuldhaft verletzt hat. Die nach dem Ausscheiden des Beklagten von dem Betriebsrat getroffenen Maßnahmen haben sofort den Verlust beendet. Daher ist davon auszugehen, daß der Verlust nicht eingetreten wäre, wenn der Beklagte zumindest nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers u die Geschäfte der Kantine sorgfältig kontrolliert und er bei den ersten Anzeichen eines Verlustes auch den Betriebsrat unterrichtet hätte. Hätte sich der Beklagte spätestens ab Anfang 1979 so verhalten, wären jedenfalls die in den Jahren 1979 und 1980 eingetretenen Verluste vermieden worden. Diese ergeben aber bereits den von den Klägern geltend gemachten Schaden.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Der Schaden ist auch nicht - wie der Beklagte meint - dadurch entfallen, daß der Arbeitgeber 35»ooo,— DM auf das Geschäftskonto der Kantine bei der Stadtsparkasse eingezahlt hat. Da die Kantine nicht als Einrichtung des Arbeitgebers geführt wurde, war er nicht zu einer solchen Zahlung verpflichtet. Der Verein ist vielmehr aufgrund des geschlossenen Darlehensvertrages zur Rückzahlung dieses Betrages an den Arbeitgeber verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Der Schaden könnte sich allenfalls um die Beträge mindern, die der Beklagte aufgrund des mit der Sparkasse geschlossenen Vergleichs an diese zurückzahlen muß, wenn insoweit die Verbindlichkeiten des Vereins gegenüber der Sparkasse reduziert würden. Da sich der gesamte Schaden des Vereins aber auf mehr als 35«ooo,-- DM beläuft, können etwa bisher erbrachte Tilgungsleistungen des Beklagten unberücksichtigt bleiben, weil sie selbst nach dem Vortrag des Beklagten im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung allenfalls 1.2oo,— DM betragen haben könnten (ab April 1983 monatlich 2oo,— DM).</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">5.         Die Schadensersatzforderung steht den Klägern zur gesamten Hand als Mitgliedern des nicht rechtsfähigen Vereins "Belegschaftskantine der Firma F zu.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">6.          Die Kläger müssen sich jedoch bei der Entstehung des Schadens ein Mitverschulden anrechnen lassen, das nach Auffassung der Berufungskammer mit der Hälfte anzunehmen ist (§ 254 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben es nämlich unterlassen, den Beklagten nachdrücklich zur Einhaltung seiner Kontroll- und Mitteilungspfliehten zu veranlassen. Es kann dahingestellt bleiben, ob es überhaupt als ausreichend anzusehen ist, daß die Mitgliederversammlung sich mit einer jährlichen Inventur begnügte. Angesichts des nicht unerheblichen Umsatzes in der Kantine (ca. 2oo.ooo,— DM jährlich) hätte es nahegelegen, den Beklagten zu regelmäßigen und eingehenden Berichten über die Geschäftsführung der Kantine zu veranlassen und ihm nicht.- wie jedenfalls dem Vortrag der Parteien zu entnehmen ist - praktisch freie Hand bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben als Kontrolleur zu lassen, was schließlich auch dazu geführt hat, daß der Beklagte seinerseits seine Kontrollpflichten nicht ernsthaft wahrgenommen hat. Nur der ordentlichen Geschäftsführung durch den Arbeitnehmer u ist es zu verdanken, daß nicht bereits früher Verluste entstanden sind.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Spätestens nach Ablauf des Jahres 197& hätten die Kläger, als der Beklagte wegen der Krankheit des Arbeitnehmers u die jährliche Inventur nicht vorlegen konnte, sich nicht vertrösten lassen dürfen, sondern auf einem Bericht bestehen müssen. Hätten die Kläger aber den Beklagten zu einem Bericht über die Geschäftslage veranlaßt, dann hätten sie auch eher den Verlust bemerken und Gegenmaßnahmen einleiten können. Dabei geht die Kammer jedoch davon aus, daß jedenfalls in den ersten Monaten des Jahres 1979 die eingetretenen Verluste nicht zu vermeiden gewesen wären. Durch rechtzeitigere Gegenmaßnahmen wäre der Verlust aber nicht in der jetzt festgestellten Höhe entstanden. Wenn man die Entwicklung des Schuldsaldos auf dem Geschäftskonto der Kantine als Maßstab für die Entwicklung der Verluste ansieht, so dürfte bei einem Eingreifen etwa in den Monaten April bis Juni 1979 die Hälfte der Verluste vermieden worden sein. Daher sieht die Kammer den Anteil des Mitverschuldens der Kläger an dem entstandenen Schaden mit 1/2 als angemessen an.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Von dem geltend gemachten Schaden von 35,ooo,— DM konnte den Klägern demgemäß nur 1/2 = 17,5oo,— DM zugesprochen werden.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Diese Forderung ist nicht verjährt, weil sie nicht der kurzen Verjährung des § 852 BGB unterliegt, sondern für sie die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB gilt.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Die Zinsforderung ist gemäß §§ 28b Abs. 1, <strong><em>2tik</em></strong> BGB begründet.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Die Revision gegen dieses Urteil ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen worden-(§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).</p>
|
315,731 | ovgnrw-1983-09-20-2-a-139882 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
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"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
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} | 2 A 1398/82 | 1983-09-20T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:35 | 2019-03-27T09:42:21 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1983:0920.2A1398.82.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>
</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist Eigentümerin des nicht an die städtische Kanalisation
angeschlossenen Grundstücks N. in D.. Das auf dem Grundstück errichtete
Einfamilienhaus wird von fünf Personen bewohnt. Die Entwässerung erfolgt über eine
Klärgrube. Der Beklagte zog die Klägerin durch Bescheid vom 20. Januar 1981 u.a. zu
einer "Kleineinleitergebühr" von (5 × 6,60 =) 33,- DM für das Kalenderjahr 1981 heran.
Den Widerspruch der Klägerin wies er mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 1981
zurück.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit der am 12. Juni 1981 erhobenen Klage hat die Klägerin u.a.
verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gegenüber Kleineinleitern erhobene
Abwasserabgabe geltend gemacht und beantragt, den Abgabenbescheid des
Beklagten vom 20. Januar 1981, soweit er die Kleineinleitergebühr betrifft, und den
Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 13. Mai 1981 aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten und hat
beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 20. April 1982
abgewiesen. Es hat die Abwasserabgabe als eine verfassungsrechtlich zulässige
Sonderabgabe angesehen und die streitige Heranziehung der Klägerin für rechtmäßig
erachtet.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Gegen das der Klägerin am 29. Mai 1981 zugestellte Urteil hat diese am 18. Juni
1982 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin macht geltend: Die Regelungen des Ortsrechts der Stadt D. über das
Abwälzen der Abwasserabgaben in Form von Benutzungsgebühren seien
verfassungswidrig. Eine Gebühr, nämlich die Gegenleistung für eine öffentliche
Leistung, liege begrifflich nicht vor. Es handele sich bei der Abwasserabgabe um eine
Steuer, deren Verwaltung verfassungsrechtlich den Landesfinanzbehörden vorbehalten
sei. Die Einnahmen aus der Erhebung der Abgabe flössen letztlich dem Land zu, das
sie für Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der Gewässerqualität verwenden
solle. Damit ziele die Abgabe auf einen Zweck ab, der als öffentliche Angelegenheit in
die staatliche Gesamtverantwortung falle. Infolgedessen diene das Aufkommen der
Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben; das Land könne die Einnahmen in den
Grenzen, die für Zwecksteuern gelten, frei verwenden. Unter diesen Umständen sei
die Abwasserabgabe keine zulässige Sonderabgabe im Sinne der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts; der durch sie belastete Personenkreis weise
gegenüber der Allgemeinheit keine deutlich größere Sachnähe zu den Aufgaben auf,
deren Finanzierung die Abgabe diene.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Er hält die Abwasserabgabe nicht für eine Steuer, sondern für eine Abgabe, bei
der "eine Antriebs- und Anreizfunktion" im Vordergrund stehe.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat auf eine Stellungnahme
verzichtet.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der
beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Heranziehung der
Klägerin zu der als "Kleineinleitergebühr" bezeichneten Abgabe ist rechtmäßig.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Mit einer derartigen Heranziehung wälzt der Beklagte die Abwasserabgaben, die
er an Stelle der sogenannten Kleineinleiter entrichten muß, auf diese Einleiter von
Abwasser ab. Sie beruht im vorliegenden Fall auf der richtigen Anwendung von
gültigen Vorschriften des Bundes-, Landes- und Ortsrechts.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Nach §1 des Gesetzes über die Abgaben für das Einleiten von Abwasser in
Gewässer (Abwasserabgabengesetz - AbwAG -) vom 13. September 1976, BGBl. I
2721, wird durch die Länder für das Einleiten in ein Gewässer im Sinne des §1 Abs. 1
des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) eine Abgabe erhoben (Abwasserabgabe). Das
Aufkommen der Abwasserabgabe ist nach §13 Abs. 1 Satz 1 AbwAG für
Maßnahmen, die der Erhaltung oder Verbesserung der Gewässergüte dienen,
zweckgebunden. Abgabepflichtig ist nach §9 Abs. 1 AbwAG grundsätzlich derjenige,
der Abwasser (§2 Abs. 1 AbwAG) einleitet (§2 Abs. 2 a.a.O.). Die Länder können
jedoch nach §9 Abs. 2 Satz 1 AbwAG bestimmen, daß an Stelle der Einleiter
Körperschaften des öffentlichen Rechts abgabepflichtig sind. An Stelle von Einleitern,
die im Jahresdurchschnitt weniger als acht Kubikmeter je Tag Schmutzwasser aus
Haushaltungen und ähnliches Schmutzwasser einleiten - dies sind die sogenannten
Kleineinleiter - sind die von den Ländern zu bestimmenden Körperschaften des
öffentlichen Rechts abgabepflichtig (§9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Bemessung der Abwasserabgabe richtet sich nach der Schädlichkeit des
Abwassers, die nach näherer Regelung des §3 AbwAG und der Anlage hierzu in
Schadeinheiten bestimmt wird. Bei Kleineinleitungen von Schmutzwasser aus
Haushaltungen und ähnlichem Schmutzwasser, für das nach §9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG
eine Körperschaft des öffentlichen Rechts abgabepflichtig ist, wird die Zahl der
Schadeinheiten jedoch pauschaliert. Sie beträgt nach §8 Satz 1 AbwAG die Hälfte der
Zahl der nicht an die Kanalisation angeschlossenen Einwohner, soweit die Länder
nichts anderes bestimmen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Das Land Nordrhein-Westfalen hat die zur Erhebung der Abwasserabgabe
notwendigen Regelungen im Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen
(Landeswassergesetz - LWG -) vom 4. Juli 1979, GV NW 488, getroffen. Nach §64
Abs. 1 LWG sind die Gemeinden außer für eigene Einleitungen auch an Stelle der
Abwassereinleiter abgabepflichtig, deren Abwasser sie im Rahmen ihrer
Abwasserbeseitigungspflicht gemäß §53 LWG zu behandeln haben; sie sind ferner an
Stelle der Abwassereinleiter abgabepflichtig, die im Jahresdurchschnitt weniger als
acht Kubikmeter je Tag Schmutzwasser aus Haushaltungen oder ähnliches
Schmutzwasser einleiten. Die Gemeinden wälzen jedoch nach den in §9 Abs. 2 Satz 3
AbwAG vorbehaltenen, in §65 LWG getroffenen Regelungen alle von ihnen zu
entrichtenden Abwasserabgaben auf die Eigentümer und Nutzungsberechtigten der
Grundstücke, auf denen das Abwasser anfällt, und auf die Abwassereinleiter ab. Für
die Bemessung der von den Gemeinden zu entrichtenden Abwasserabgaben für
Kleineinleitungen hat das Land Nordrhein-Westfalen keine (nach §8 Satz 1 AbwAG
mögliche) abweichende Regelung getroffen. Für das Abwälzen der
Kleineinleiterabgabe wird vorgeschrieben, daß die Abwälzung durch Gebühren nach
§6 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) erfolgen muß (§65 Abs. 1 Satz 1 LWG)
und daß bei der Abwälzung von Maß Stäben auszugehen ist, die zu der Schädlichkeit
des Abwassers nicht in einem offensichtlichen Mißverhältnis stehen (§65 Abs. 3
LWG).</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Stadt D. hat die zur Abwälzung der Kleineinleiterabgabe erforderlichen
Bestimmungen in ihrer Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung getroffen. In §1
der Gebührensatzung in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 26. November
1980 (GebS) heißt es:</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"> "Für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage und für die nach
§9 AbwAG zu entrichtende Abwasserabgabe erhebt die Stadt D. zur Deckung der
Kosten im Sinne des §6 Abs. 2 und der Verbandslasten nach §7 Abs. 1 und 2 KAG
Benutzungsgebühren."</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">§4 Abs. 1 GebS trifft folgende Regelung:</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks"> "Die laufende Benutzungsgebühr für einen Kubikmeter beträgt</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">1,30 DM.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Für Kleineinleiter im Sinne des §8 AbwAG, das sind die nicht an die Kanalisation
angeschlossenen Einwohner, beträgt die pauschale jährliche
Entwässerungsgebühr</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">6,60 DM je Einwohner.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Für die Ermittlung der Einwohnerzahlen gilt der 20.09. des Vorjahres als
Stichtag."</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Nach der ortsrechtlichen Regelung der Stadt D. wird demnach entsprechend der
Vorschrift des §65 Abs. 1 Satz 1 LWG die von der Stadt zu entrichtende
Kleineinleiterabgabe durch Gebühren nach §6 KAG, also durch Benutzungsgebühren,
auf die Kleineinleiter abgewälzt. Gleichwohl ist die Geldleistung des Kleineinleiters,
welche in der zitierten Satzung als "Entwässerungsgebühr" und in dem angefochtenen
Bescheid des Beklagten als "Kleineinleitergebühr" bezeichnet wird, keine
Benutzungsgebühr im Sinne des Kommunalabgabenrechts.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Es ist schon fraglich, ob hier überhaupt von einer Gebühr gesprochen werden
kann. Gebühren sind nach allgemeiner Auffassung Geldleistungen, die aus Anlaß
individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine
hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an
diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 6. Februar 1979 - 2 BvL 5/76 -,
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 50, 217 (226).</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die individuell zurechenbare öffentliche Leistung besteht hier nicht im
Zurverfügungstellen des Untergrundes, in den die Kleineinleiter in der Regel das
Abwasser (über Klärgruben) einleiten (§2 Abs. 2 Halbsatz 2 AbwAG); denn der
Untergrund wird von der Gemeinde ebensowenig zur Verfügung gestellt wie das von
der Einleitung betroffene Grundwasser (§1 Satz 1 AbwAG i.V.m. §1 Abs. 1 Nr. 2
WHG). Allenfalls besteht die Leistung der Gemeinde darin, daß sie die an sich von den
Kleineinleitern zu entrichtende Abgabe anderen Stelle entrichtet. Hierbei dürfte es sich
aber kaum um eine individuell zurechenbare Leistung handeln, da die Gemeinde vom
Landesamt für Wasser und Abfall (§76 LWG) nicht für den jeweiligen Kleineinleiter,
sondern nach der (halbierten) Zahl ihrer nicht an die Kanalisation angeschlossenen
Einwohner veranlagt wird (§8 Satz 1 AbwAG).</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Jedenfalls ist die vom Kleineinleiter an die Gemeinde zu entrichtende Geldleistung
keine Benutzungsgebühr im Sinne des geltenden Kommunalabgabenrechts. Sie ist
nämlich nicht - wie es §4 Abs. 2 KAG für Benutzungsgebühren bestimmt - die
Gegenleistung für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage.
Wenn die Gemeinde auf Grund einer gesetzlichen Regelung an Stelle der Kleineinleiter
die an sich von ihnen zu tragende Abwasserabgabe entrichtet, stellt sie den
Kleineinleitern nicht eine Einrichtung zur Verfügung, die von diesen in Anspruch
genommen wird. Sie erfüllt vielmehr an Stelle der Kleineinleiter eine Abgabepflicht. Die
Abwälzung der Abgabe ähnelt der Gebührenerhebung nur insofern, als sie der
Deckung des durch die Abgabenentrichtung verursachten Finanzbedarfs der
Gemeinde dient, wie es auch der Fall ist, wenn die Gemeinde gemäß §6 Abs. 2 Satz
3 KAG den Gebührenpflichtigen die von ihr gezahlte Umsatzsteuer auferlegt.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die von den Kleineinleitern der Gemeinden zu erbringende Geldleistung wird
demnach lediglich nach den für Benutzungsgebühren geltenden Vorschriften des KAG
erhoben, soweit nicht speziellere Normen etwas anderes bestimmen. Die rechtliche
Qualifizierung dieser Geldleistung richtet sich dagegen nach der Qualifizierung der von
der Gemeinde dem Land geschuldeten Kleineinleiterabgabe, da diese mit der
Abwälzung nicht ihre abgabenrechtliche Qualität ändert.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die von den Gemeinden zu entrichtende Kleineinleiterabgabe ist eine
verfassungsrechtlich zulässige Sonderabgabe.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Sonderabgaben sind öffentliche Abgaben, die weder Steuern noch sogenannte
Vorzugslasten (Gebühren oder Beiträge) sind. Sie dürfen als im Grundgesetz (GG)
nicht erwähnte Abgaben nur unter besonderen Voraussetzungen erhoben werden.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks"> Vgl. hierzu insbesondere Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10.
Dezember 1980 - 2 BvF 3/77 -, BVerfGE 55, 274 ff = Neue Juristische
Wochenschrift (NJW) 1981, 329 ff.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Diese besonderen Voraussetzungen liegen bei der Abwasserabgabe und damit
auch bei der Kleineinleiterabgabe vor.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Sonderabgaben sind außersteuerliche Geldleistungen, die einem begrenzten
Personenkreis im Hinblick auf vorgegebene besondere wirtschaftliche oder soziale
Zusammenhänge auferlegt werden. Es bedarf hierzu keiner verfassungsrechtlichen
Spezialermächtigung. Die Kompetenz zur Einführung außersteuerlicher Abgaben sowie
die Regelung ihrer Verwendung wird vielmehr aus den allgemeinen
Sachzuständigkeiten nach Art. 73 ff GG hergeleitet.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 10. Dezember 1980, a.a.O. (NJW
1981, 330).</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Für die Einführung der Abwasserabgabe folgt das Recht des Bundes zum Erlaß
eines entsprechenden Gesetzes aus Art. 75 Nr. 4 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 GG.
Danach hat der Bund das Recht, Rahmenvorschriften (u.a.) über den Wasserhaushalt
zu erlassen, soweit ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung besteht, weil die
Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung der
Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus sie
erfordert. Daß es sich bei dem Abwasserabgabengesetz um ein Gesetz über den
Wasserhaushalt handelt, ergibt sich insbesondere aus der Regelung des
Abgabetatbestandes (§1) und der Verwendung (§13). Rahmenvorschriften enthält das
Abwasserabgabengesetz insofern, als seine Bestimmungen die Materie nicht
erschöpfend regeln, vielmehr darauf angelegt sind, durch Landesgesetze ausgefüllt zu
werden.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 1. Dezember 1954 - 2 BvG 1/54 -,
BVerfGE 4, 115 (127/129).</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Dies kommt insbesondere in den vom Innenausschuß des Bundestages unter
rahmenrechtlichen Gesichtspunkten gekürzten Vorschriften des Vierten Abschnitts
über Festsetzung, Erhebung und Verwendung der Abgabe zum Ausdruck.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Drucksache 7/5183, S.
5.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Daß zur Wahrung der Rechtseinheit über das Gebiet eines Landes hinaus eine
bundesgesetzliche Regelung der Materie erforderlich ist, liegt auf der Hand.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die Abwasserabgabe ist ihrer Zielrichtung nach keine Steuer. Steuern sind
Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für besondere Leistungen darstellen und
von einem öffentlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt
werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht
knüpft. An diesen Begriff des allgemeinen Abgabenrechts (§1 Abs. 1 der
Reichsabgabenordnung, §3 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -) knüpft der
Steuerbegriff des Grundgesetzes an. Um Steuern handelt es sich immer dann, wenn
das Aufkommen aus der Abgabe einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen endgültig
zufällt und von diesem mindestens in den Grenzen, die für Zwecksteuern gelten, frei
verwendet werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 10. Dezember 1980, a.a.O., (NJW
1981, 331).</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Das Aufkommen aus der Abwasserabgabe dient nicht der Finanzierung
allgemeiner Staatsaufgaben. Es ist für Maßnahmen, die der Erhaltung oder
Verbesserung der Gewässergüte dienen, zweckgebunden (§13 Abs. 1 S. 1 AbwAG);
als Beispiele hierfür werden bestimmte Maßnahmen aufgezählt (§13 Abs. 2 AbwAG).
Das Aufkommen ist demnach nur im Rahmen seiner Zweckbestimmung verwendbar.
Damit wird die Abwasserabgabe aber nicht zu einer Zwecksteuer. Vom Aufkommen
einer Zwecksteuer wird eine (bestimmte, aber) allgemeine Aufgabe finanziert, vom
Aufkommen einer Sonderabgabe dagegen eine besondere Aufgabe, deren
Bewältigung nach den Vorstellungen des Gesetzgebers in einer herausragenden,
spezifischen Verantwortung des durch die Abgabe belasteten Personenkreises
liegt.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 10. Dezember 1980, a.a.O. (NJW
1981, 333).</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ist die Erhaltung und Verbesserung der
Gewässergüte eine besondere Aufgabe, die in den Verantwortungsbereich der
Einleiter fällt. Dies ergibt sich aus der Begründung zum Entwurf dieses Gesetzes, in
der es u.a. wie folgt heißt (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Drucksache
7/2272, S. 22):</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks"> "Durch das Abwasserabgabengesetz wird eine wirksamere Reinhaltung der
Gewässer und eine gerechtere Zuordnung der Kosten für die Vermeidung, die
Beseitigung und den Ausgleich der durch die Gewässerverschmutzung verursachten
Schäden erreicht werden.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">...</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Die gerechtere Zuordnung der Kosten für die Vermeidung, die Beseitigung und
den Ausgleich der durch die Gewässerverschmutzung verursachten Schäden wird
dadurch erreicht, daß diese Kosten in Zukunft grundsätzlich in vollem Umfang von
den Verursachern anstatt von der Allgemeinheit oder von Dritten getragen werden.
..."</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die Einleiter von Abwasser als Verursacher der durch die
Gewässerverschmutzung bedingten Schäden sind - wie es für die Zulässigkeit einer
Sonderabgabe erforderlich ist - eine von der Allgemeinheit durch besondere
gemeinsame Gegebenheiten abgegrenzte und in diesem Sinne homogene Gruppe. Sie
steht dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck evident näher als jede andere
Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler. Diese Sachnähe darf allerdings nicht
erst durch das die Sonderabgabe einführende Gesetz geschaffen sein. Vielmehr ist
bei der Beurteilung, ob eine die Sonderabgabe rechtfertigende Sachnähe vorliegt, auf
die vorgegebenen Strukturen der Lebenswirklichkeit bei Berücksichtigung der Rechts-
und Sozialordnung abzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 10. Dezember 1980, a.a.O. (NJW
1981, 332).</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Einleiter von Abwasser stehen der Aufgabe, die Gewässergüte zu erhalten
und zu verbessern, offensichtlich näher als die Allgemeinheit. Zwar ist an der
Entstehung von Abwasser letztlich jeder Mensch beteiligt. Die Gefährdung der
Gewässer einschließlich des Grundwassers entsteht aber erst durch das unmittelbare
Verbringen des Abwassers in ein Gewässer. Durch das Verknüpfen der
Abgabenpflicht mit dem unmittelbaren Verbringen des Abwassers in ein Gewässer
(§§1, 2 Abs. 2 AbwAG) und mit der grundsätzlichen Bestimmung des Einleiters zum
Abgabepflichtigen (§9 Abs. 1 AbwAG) geht der Gesetzgeber daher von den
vorgegebenen tatsächlichen Verhältnissen aus; er schafft sie nicht etwa erst. Indem er
Produzenten und Einleiter von Abwasser unterschiedlich behandelt, berücksichtigt der
Gesetzgeber auch die schon bestehende Rechtsordnung, die
wasserhaushaltsrechtliche Regelungen (nur) für das Einbringen und Einleiten von
Stoffen in Gewässer enthält (§3 Abs. 1 Nr. 4, 4 a und 5 WHG).</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die besondere Belastung von Angehörigen einer Gruppe mit einer Abgabe setzt
des weiteren voraus, daß zwischen den Belastungen und den Begünstigungen, welche
die Sonderabgabe bewirkt, eine entsprechende Verknüpfung besteht. Das ist der Fall,
wenn das Abgabeaufkommen im Interesse der Abgabepflichtigen, also
"gruppennützig" verwendet wird. "Fremdnützige" Sonderabgaben sind unzulässig, es
sei denn, daß die Natur der Sache eine finanzielle Inanspruchnahme der
Abgabepflichtigen zugunsten fremder Begünstigungen aus triftigen Gründen eindeutig
rechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 10. Dezember 1980, a.a.O. (NJV
1981, 332).</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">So kann das Erfordernis der "Gruppennützigkeit" von geringerer Bedeutung sein
bei Abgaben, bei denen nicht die Finanzierung einer besonderen Aufgabe, sondern
andere Ziele, wie etwa eine Antriebsfunktion, im Vordergrund stehen.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 26. Mai 1981 - 1 BvL 56, 57, 58/78 -
, BVerfGE 57, 139 (167/169).</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Das Abwasserabgabengesetz verfolgt, wie sich aus der oben zitierten
Begründung des Gesetzentwurfs ergibt, zwei Ziele: Eine wirksame Reinhaltung der
Gewässer und eine gerechtere Zuordnung der Kosten für die Vermeidung, die
Beseitigung und den Ausgleich der durch die Gewässerverschmutzung verursachten
Schäden. Im Zusammenhang mit dem zuerst genannten Ziel sagt die angeführte
Begründung (a.a.O., S. 22):</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks"> "Die Höhe der Abgabe ist so zu bemessen, daß von ihr ein erheblicher Anreiz
ausgeht, weniger Schadstoffe in die Gewässer einzuleiten."</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Dem nach hat die Abwasserabgabe zumindest auch eine Antriebsfunktion, wobei
dahingestellt bleiben kann, ob diese die Finanzierungsfunktion überwiegt. Die
Antriebsfunktion wirkt sich jedoch nur bei den Einleitern aus, welche durch eigene
Maßnahmen die Höhe der Abwasserabgabe über die Zahl der Schadeinheiten
beeinflussen können. Kleineinleiter können dies jedenfalls im Lande Nordrhein-
Westfalen nicht, da die für sie von der Gemeinde zu entrichtende Abwasserabgabe
gemäß §8 S. 1 AbwAG nach einer pauschalierten Zahl von Schadeinheiten bemessen
wird.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Kleineinleiterabgabe kann demnach
nur deren Finanzierungsfunktion von Bedeutung sein. Dies mag, wie auch das
Verwaltungsgericht angenommen hat, den Gesetzgeber zu der Bestimmung veranlaßt
haben, als Zahl der Schadeinheiten für die Bemessung der Kleineinleiterabgabe (nur)
die Hälfte der Zahl der nicht an die Kanalisation angeschlossenen Personen zugrunde
zu legen (§8 S. 1 AbwAG). Doch wären damit nach Auffassung des Senats
verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser Abgabe noch nicht
behoben, wenn das Abgabenaufkommen vorwiegend "fremdnützig" verwendet würde,
ohne daß die Natur der Sache dies aus triftigen Gründen eindeutig rechtfertigte.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Maßnahmen der Erhaltung und Verbesserung der Gewässergüte, für die das
Aufkommen aus der Abwasserabgabe nach §13 Abs. 1 S. 1 AbwAG zu verwenden
ist, liegen sowohl im Interesse der Allgemeinheit als auch im Interesse der Einleiter
von Abwasser. Daß die Allgemeinheit ein Interesse an der Erhaltung und
Verbesserung der Gewässergüte hat, die letztlich für alle Menschen lebensnotwendig
ist, liegt auf der Hand. Die Einleiter haben ein Interesse an Maßnahmen der Erhaltung
und Verbesserung der Gewässergüte, weil ohne solche Maßnahmen die weitere
Einleitung in Frage gestellt werden könnte oder doch mit Schadenersatzansprüchen zu
rechnen wäre. Daß die rechtliche Position der Einleiter nur durch die Änderung von
Gesetzen verschlechtert werden könnte, ändert nichts anderen Interesse daran, daß
die derzeitige Rechtslage auch bei Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit
erhalten bleibt. Um die Verwendung des Aufkommens aus der Abgabe (noch) als
"gruppennützig" anzusehen, genügt es, daß sie mittelbar im Interesse der
Abgabepflichtigen erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 10. Dezember 1980, a.a.O. (NJW
1981, 334).</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist für die Zulässigkeit einer Sonderabgabe unter dem Gesichtspunkt
der "Gruppennützigkeit" nach der angeführten Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts weiter zu fordern, daß die Allgemeinheit nur sekundär
Vorteile von der Abgabenverwendung hat. Ob dies hinsichtlich der Verwendung der
Abwasserabgabe angenommen werden kann, erscheint zweifelhaft. Doch kann dies
offen bleiben. Auch wenn man davon ausgeht, daß in erster Linie die Allgemeinheit
Vorteile von der Verwendung des Aufkommens der Abwasserabgabe hat und die
Sonderabgabe daher mehr "fremdnützig" als "gruppennützig" ist, liegen die
verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit dieser Abgabe vor. Denn
hier rechtfertigt die Natur der Sache eindeutig aus triftigen Gründen die finanzielle
Inanspruchnahme der Abgabepflichtigen zugunsten der Allgemeinheit, so daß der
Gruppennützigkeit keine entscheidende Bedeutung zukommt.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 10. Dezember 1980, a.a.O. (NJW
1981, 332).</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Die Einleiter von Abwasser verursachen unmittelbar die Gewässerverschmutzung
und die daraus resultierenden Schäden, während die Menschen, die das Abwasser
produzieren oder als Verbraucher industrielle Abwasserproduktion veranlassen, nur als
mittelbare Verursacher angesehen werden könnten. Die Belastung der Einleiter
zugunsten der Allgemeinheit dient gerade, wie die - insoweit zitierte - Begründung des
Gesetzentwurfs ausführt, der gerechteren Zuordnung der Kosten für die Vermeidung,
Beseitigung und den Ausgleich der durch die Gewässerverschmutzung verursachten
Schäden. Gerechter ist die Belastung der unmittelbaren Verursacher dieser Schäden
deshalb, weil nur sie wegen ihrer Sachnähe auch eine größere Verantwortung trifft.
Dies sind triftige Gründe, welche die insoweit "fremdnützige" Abwasserabgabe
eindeutig rechtfertigen.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Daß auch die Kleineinleiter Verursacher der Schäden sind, deren Vermeidung,
Beseitigung und Ausgleich durch die Abwasserabgabe finanziert werden soll, wird vom
Gesetzgeber vermutet. Das Verbringen von Abwasser in den Untergrund, also in die
Bodenschichten unterhalb des Mutterbodens und der Bodenkrume,</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks"> - vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Drucksache 7/2272, S. 27
(zu §3 Abs. 3 des Entwurfs) -,</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">gilt nach §2 Halbsatz 2 AbwAG als Einleiten in ein Gewässer, soweit es nicht im
Rahmen landbaulicher Bodenbehandlung geschieht. Der Gesetzgeber geht, wie die in
§10 Abs. 2 AbwAG vorbehaltene Ausnahmeregelung für das nicht zur
Trinkwassergewinnung geeignete Grundwasser zeigt, davon aus, daß das Verbringen
von Abwasser in den Untergrund, wie es Insbesondere beim Betrieb von privaten
Kläranlagen geschieht, das Grundwasser gefährdet; ein Nachweis der Gefährdung im
Einzelfall wird nicht verlangt; er würde auch einen unverhältnismäßigen Aufwand
erfordern. Daß die vom Abwasseraufkommen zu finanzierenden Maßnahmen zur
Erhaltung oder Verbesserung der Gewässergüte (§13 Abs. 1 S. 1 AbwAG)
unmittelbar das Grundwasser zum Gegenstand haben müßten, ist wegen der
Verbindung des Grundwassers mit sonstigen Gewässern nicht erforderlich.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Die Abwasserabgabe ist schließlich auch insoweit eine zulässige Sonderabgabe,
als der Gesetzgeber keine zeitliche Begrenzung für ihre Erhebung bestimmt hat. Bei
einer auf längere Zeit angelegten Finanzierung einer in die spezifische Verantwortung
einer Gruppe fallenden Aufgabe durch Erhebung einer Sonderabgabe ist der
Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten, stets zu überprüfen, ob seine
ursprüngliche Entscheidung aufrecht zu erhalten oder wegen veränderter Umstände zu
ändern oder aufzuheben ist.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 10. Dezember 1980, a.a.O. (NJW
1981, 332).</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Diese Überprüfung muß nicht im Gesetz selbst vorbehalten sein. Daß der
Gesetzgeber sie nicht vornehmen wolle, ergibt sich nicht daraus, daß die Höhe der
Abgabensätze in §9 Abs. 4 AbwAG bis zu der Zeit ab 1. Januar 1986 bestimmt
worden ist, und daß die Freistellungsregelung des §9 Abs. 6 AbwAG von einer
Erhebung der Abgabe auch noch nach dem 31. Dezember 1989 ausgeht. Der
Gesetzgeber hatte bei Erlaß des Gesetzes und hat auch jetzt keinen Anlaß,
anzunehmen, daß mit einer wesentlichen Beeinträchtigung der Gewässergüte infolge
der Einleitung von Abwasser schon in absehbarer Zeit nicht mehr zu rechnen sei.
Vielmehr war und ist die Annahme gerechtfertigt, daß die Kosten für die Vermeidung,
die Beseitigung und den Ausgleich der durch die abwasserbedingte
Gewässerverschmutzung verursachten Schäden zunächst steigen werden; dem
entspricht die in §9 Abs. 4 AbwAG vorgenommene jährliche Erhöhung des
Abgabensatzes bis zum Jahre 1986. Daß die Erfüllung des mit der Erhebung der
Sonderabgabe verfolgten Zwecks schon bei ihrer Einführung feststehen oder
zumindest wahrscheinlich sein muß, ist entgegen der vom Prozeßbevollmächtigten der
Klägerin in der Berufungsverhandlung vertretenen Auffassung nicht erforderlich.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Als Sonderabgabe unterfällt die Abwasserabgabe nicht den für Steuern geltenden
Bestimmungen der Artikel 104 a ff GG.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 10. Dezember 1980, a.a.O. (NJW
1981, 334).</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Daher bedurfte das Abwasserabgabengesetz nicht nach Art. 105 Abs. 3 GG der
(hier fehlenden) Zustimmung des Bundesrates, obwohl das Aufkommen aus der
Abgabe den Ländern zufließt. Die Verwaltung der Aufgabe mußte auch nicht gemäß
Art. 108 Abs. 2 S. 1 GG den Landesfinanzbehörden übertragen werden.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Ist demnach die von den Gemeinden zu entrichtende Kleineinleiterabgabe eine
Sonderabgabe, so ist es auch die Geldleistung, welche die Kleineinleiter der
Gemeinde auf Grund der Abwälzung der Kleineinleiterabgabe zu erbringen haben.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks"> So auch Honert/Rüttgers, Landeswassergesetz Nordrhein-Westfalen, Köln,
1981, §65, Erl. 7, S. 167.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Daß die Abwälzung nach den für Benutzungsgebühren geltenden Vorschriften des
Kommunalabgabengesetzes erfolgensoll, soweit das Landeswassergesetz nichts
anderes bestimmt, begegnet keinen Bedenken. Der Bezeichnung der Abgabe in der
nach §2 Abs. 1 S. 1 KAG erforderlichen Satzung kommt keine Bedeutung zu.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Die oben wiedergegebenen Regelungen der §§1 und 4 Abs. 1 GebS entsprechen
den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Sie enthalten gemäß §2 Abs. 1 S. 2 KAG Regelungen über den Kreis der
Abgabepflichtigen, den Abgabetatbestand, den Maßstab und den Satz der Abgabe.
Bestimmungen über die ebenfalls satzungsrechtlich zu regelnde Fälligkeit sind in §6
GebS getroffen. Daß hinsichtlich der Abwälzung der Kleineinleiterabgabe der
Abgabetatbestand teilweise und der Kreis der Abgabepflichtigen sowie der Maßstab
vollständig in §4 GebS geregelt werden, der die Überschrift "Gebührensatz" trägt und
außer dem Gebührensatz für die abgewälzte Kleineinleiterabgabe auch den
Gebührensatz für die Benutzungsgebühr der an die Kanalisation angeschlossenen
Grundstückseigentümer enthält, erschwert das Verständnis der Satzung nur
unwesentlich und ist daher unschädlich.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks"> Vgl. im übrigen Honert/Rüttgers, a.a.O., S. 167 f, die eine besondere Satzung
für die Heranziehung der Kleineinleiter empfehlen.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Der in §4 Abs. 1 GebS normierte Personenmaßstab ist mit höherrangigem Recht
vereinbar.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Die Vorschrift ist allerdings gesetzeskonform auszulegen, da der bloße Wortlaut
entgegen der gesetzlichen Regelung auf eine Identität von Kleineinleitern und nicht an
die Kanalisation angeschlossenen Einwohnern im Sinne des §8 S. 1 AbwAG schließen
läßt. Kleineinleiter sind demgegenüber (nur) die Grundstückseigentümer, die von ihrem
Grundstück im Jahresdurchschnitt weniger als 8 Kubikmeter Schmutzwasser aus
Haushaltungen und ähnliches Schmutzwasser einleiten (§9 Abs. 2 S. 2 AbwAG).
Einwohner sind dagegen die auf dem Grundstück des Kleineinleiters wohnenden
Personen, deren Zahl die Menge des eingeleiteten Schmutzwassers beeinflußt. Wenn
die Satzung ihrem Wortlaut nach die Kleineinleiter als die nicht an die Kanalisation
angeschlossenen "Einwohner" bezeichnet, so lehnt sie sich zu Unrecht an die
Formulierung des §8 S. 1 AbwAG an, in der als Zahl der Schadeinheiten für die
Bemessung der Kleineinleiterabgabe die Hälfte der Zahl "der nicht an die Kanalisation
angeschlossenen Einwohner" der Gemeinde bestimmt wird. Mit den Einwohnern sind
hier nicht die Kleineinleiter gemeint, sondern die Personen, die auf den nicht
angeschlossenen Grundstücken wohnen und insofern - mittelbar - nicht an die
Kanalisation angeschlossen sind. Die Bestimmung des §4 Abs. 1 S. 2 GebS hat
demnach bei Berücksichtigung des noch erkennbaren Willens des Ortsgesetzgebers,
die vorgegebene Rechtslage nach dem Abwasserabgabengesetz zu berücksichtigen,
folgenden Inhalt:</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks"> Für Kleineinleiter im Sinne des §8 AbwAG, das sind die nicht an die
Kanalisation angeschlossenen Grundstückseigentümer, beträgt die pauschale
jährliche Entwässerungsgebühr 6,60 DM für jeden auf dem Grundstück wohnenden
Einwohner.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Mit diesem Inhalt enthält die Satzungsbestimmung eine gültige
Maßstabsregelung.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Die Verweisung auf §6 KAG in §65 Abs. 1 S. 1 LWG erstreckt sich auch auf die in
§6 Abs. 3 getroffenen Bestimmungen über die Bemessung der Gebühr. Danach wird
die Gebühr nach der (wirklichen) Inanspruchnahme der Einrichtung bemessen (S. 1).
Ist dies besonders schwierig oder wirtschaftlich nicht vertretbar, kann ein
Wahrscheinlichkeitsmaßstab gewählt werden, der nicht in einem offensichtlichen
Mißverhältnis zu der Inanspruchnahme stehen darf (S. 2). Die Anwendung dieser
Bestimmungen ist nicht durch §65 Abs. 3 LWG ausgeschlossen, wonach bei
Abwälzung der Abwasserabgabe von Maßstäben auszugehen ist, die zur Schädlichkeit
des Abwassers nicht in einem offensichtlichen Mißverhältnis stehen. Die Schädlichkeit
des Abwassers ist vielmehr ein zusätzlicher bei der Maßstabsregelung zu beachtender
Gesichtspunkt. Wenn die Maßstabsregelung des §6 Abs. 3 KAG gleichwohl nicht nach
ihrem Wortsinn auf die Bemessung der abgewälzten Kleineinleiterabgabe angewandt
werden kann, so liegt das daran, daß die Kleineinleiter - wie schon ausgeführt - keine
Einrichtung der Gemeinde in Anspruch nehmen. Die Verweisung auf die in §6 Abs. 3
KAG getroffene Maßstabsregelung in §65 Abs. 1 S. 1 LWG besagt demnach, soweit
es um die Kleineinleiterabgabe geht, nur, daß bei der Bemessung der abgewälzten
Abgabe - wie bei der Inanspruchnahme einer Einrichtung - die Menge des Abwassers
von Bedeutung sein soll. Es liegt auf der Hand, daß hierbei nicht ein
Wirklichkeitsmaßstab, sondern nur ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab in Betracht
kommt. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab muß von einem Zusammenhang zwischen
der Menge des von einzelnen Kleineinleitern eingeleiteten Schmutzwassers und der
Höhe der von der Gemeinde für sie zu entrichtenden Kleineinleiterabgabe ausgehen;
es genügt, daß der Zusammenhang denkbar und nicht offensichtlich unmöglich ist.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks"> Vgl. zu dieser Auslegung des §6 Abs. 3 S. 2 KAG bei Inanspruchnahme einer
öffentlichen Einrichtung die Urteile des Senats vom 22. März 1982 - 2 A 1584/79 -,
Der Gemeindehaushalt (Gemht) 1983, 69 (70) und vom 5. Juli 1982 - 2 A 1440/81 -,
Städte- und Gemeinderat (StGR) 1983, 142.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Gleiches gilt von der nach §65 Abs. 3 LWG außerdem zu berücksichtigenden
Schädlichkeit des Abwassers. Die Bemessung der abgewälzten Kleineinleiterabgabe
muß von einem denkbaren und nicht offensichtlich unmöglichen Zusammenhang
zwischen der Schädlichkeit des Abwassers und der Höhe der von der Gemeinde zu
entrichtenden Kleineinleiterabgabe ausgehen. Da die Kleineinleiterabgabe von der
Gemeinde für die Einleitung zu entrichten ist, kommt es auch bei ihrer Abwälzung auf
die Schädlichkeit des Abwassers bei der Einleitung, also nach Reinigung in der
Klärgrube, an.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Vgl. Honert/Rüttgers, a.a.O., §65, Erl. 5.5, S. 165 f.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Die in §4 Abs. 1 S. 2 GebS getroffene Regelung geht davon aus, daß die Menge
des eingeleiteten Abwassers eines Kleineinleiters von der Zahl der auf seinem
Grundstück wohnenden Einwohner abhängt, und daß die Schädlichkeit des Abwassers
bei der Einleitung bei allen Kleineinleitern etwa gleich groß ist. Dies ist nicht zu
beanstanden. Die so bemessene Menge des eingeleiteten Abwassers steht im
Zusammenhang mit der Höhe der von der Gemeinde zu entrichtenden
Kleineinleiterabgabe, die ebenfalls nach der (halbierten) Zahl der Einwohner bemessen
wird, die auf nicht an die Kanalisation angeschlossenen Grundstücken leben. Diese in
§8 S. 1 AbwAG getroffene Regelung geht davon aus, daß es - bezogen auf die
gleiche Abwassermenge - keine wesentlichen Unterschiede in der Schädlichkeit des
Abwassers der verschiedenen Kleineinleiter gibt. Daher konnte auch der
Ortsgesetzgeber bei der Gestaltung der Maßstabsregelung diese Annahme zugrunde
legen.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf
Kleinkläranlagen einiger Sportplätze hingewiesen und behauptet, diese Grundstücke
würden nur nach der Zahl der auf ihnen wohnenden Personen (z.B. Hausmeister-
Familien) zur Kleineinleiterabgabe herangezogen, während die Zahl der
Sportplatzbesucher unberücksichtigt bleibe, obwohl auch sie deren sanitäre
Einrichtungen benutzten. Entgegen der Auffassung der Klägerin führt dies jedoch nicht
zur Ungültigkeit der hier anzuwendenden Satzungsregelung (§4 Abs. 1 Satz 2 GebS).
Denn die Stadt D. wird vom Land zur Kleineinleiterabgabe nur nach der Summe der
von der Stadt dem Land mitgeteilten (auf dem Grundstück wohnenden) Einwohner
herangezogen; die nach Maßgabe des §6 KAG durchgeführte Abwälzung dieser
Kleineinleiterabgabe auf die Grundstückseigentümer erfolgt nach Gesamtbetrag und
Verteilungsschlüssel in gleicher Weise, wie sie das Land gegenüber der Stadt
anwendet. Die von der Klägerin gerügte "Benachteiligung" wäre allenfalls darin zu
sehen, daß die Stadt bei Mitteilen der nach §8 AbwAG maßgeblichen Einwohnerzahl
an das Land sich auf die Zahl der auf dem jeweiligen Grundstück wohnenden
Einwohner beschränkt und nicht zusätzlich auf in Einzelfällen höhere Einleitungsmengen
hinweist, die durch Benutzer von Sanitäranlagen einzelner Sportplätze verursacht
werden; hierbei bleibt allerdings offen, ob und wie diese zusätzlichen
Abwassermengen vom Land gegenüber der Stadt im Rahmen der durch §8 AbwAG
getroffenen Regelung zu berücksichtigen wären. Aber selbst wenn dies zulässig und
auch geboten wäre, hätte das nur zur Folge, daß das Land nicht sämtliche i.S. von §8
AbwAG "nicht ... angeschlossenen Einwohner" bei Bemessung der Abwassergebühr
gegenüber der Stadt D. erfaßt hätte, ohne daß sich dies auf den Gesamtbetrag der
von der Klägerin und den übrigen Kleineinleitern an die Stadt zu entrichtenden Abgabe
auswirken würde. Die Stadt darf aber Kleineinleiterabgaben nur in Höhe des
Gesamtbetrages verlangen, den das Land gemäß §8 Abs. 1 AbwAG gegenüber der
Stadt geltend macht. Der Gleichheitsgrundsatz gebietet im übrigen nur eine gleiche
Belastung aller Abgaben Schuldner. Es kann jedoch niemand verlangen, in gleicher
Weise wie jemand behandelt zu werden, der möglicherweise zu Unrecht überhaupt
nicht oder zu niedrig zu einer Abgabe herangezogen wird. Ein Anspruch auf
Gleichbehandlung im Unrecht läßt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht herleiten.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Schließlich bestehen auch keine Bedenken gegen den in §4 Abs. 1 S. 2 GebS
festgesetzten Abgabesatz von 6,60 DM. Da die Stadt D. im Kalenderjahr 1981 für
jeden Einwohner, der auf einem nicht an die Kanalisation angeschlossenen Grundstück
wohnt, eine Kleineinleiterabgabe von 6,- DM entrichten muß (§8 S. 1 i.V.m. §9 Abs. 4
AbwAG), entsteht der Stadt ein entsprechender Finanzbedarf. Die Stadt war auch
berechtigt, einen Verwaltungskostenzuschlag von 10 v.H. der von ihr zu entrichtenden
Kleineinleiterabgabe auf die Kleineinleiter umzulegen. Die Einbeziehung der
Verwaltungskosten in die Kalkulation der Geldleistung, mit deren Forderung die
Kleineinleiterabgabe abgewälzt wird, ist nach §6 Abs. 2 KAG gerechtfertigt, dessen
Anwendung §65 Abs. 1 S. 1 LWG vorschreibt.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks"> Vgl. Honert/Rüttgers, a.a.O., §65, Erl. 7.1, S. 168.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Gegen die Pauschalierung dieser Kosten durch einen 10 %-igen Zuschlag
bestehen jedenfalls bei der für das Jahr 1981 pro Person zu entrichtenden
Kleineinleiterabgabe von 6,- DM keine Bedenken. Ob dies auch bei Zugrundelegung
der höheren Abgabesätze für die folgenden Jahre (§9 Abs. 4 AbwAG) gilt, wird
gegebenenfalls zu prüfen sein. Zu beachten ist insbesondere, daß im Rahmen der
Abwälzung der Kleineinleiterabgabe nur die Kosten ansatzfähig sind, die der
Gemeinde infolge der Entrichtung und der Abwälzung dieser Abgabe entstehen. Die
Kosten der wasserrechtlichen Überwachung der Kleineinleitungen gehören nicht hierzu.
Sie können daher entgegen der von</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks"> Honert/Rüttgers, a.a.O., S. 168,</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">vertretenen Auffassung auch nicht mit der Begründung im Rahmen der Abwälzung
der Kleineinleiterabgabe umgelegt werden, anderenfalls würden die Kleineinleiter
besser behandelt als "normale Kanalbenutzer". Damit ist nichts darüber gesagt, ob die
nicht mit der Entrichtung und Abwälzung der Kleineinleiterabgabe
zusammenhängenden Überwachungskosten nicht auf andere Weise, etwa durch
Verwaltungsgebühren, den Kleineinleitern auferlegt werden könnten.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Nach den somit gültigen abwasserabgabenrechtlichen Vorschriften ist die Klägerin
dem Grunde und der Höhe nach zu Recht zu der als "Kleineinleitergebühr"
bezeichneten Geldleistung herangezogen worden. Ihre Klage konnte keinen Erfolg
haben. Die Berufung mußte daher mit der sich aus §154 Abs. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ergebenden Kostenfolge zurückgewiesen
werden.</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil der Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung zukommt und das Urteil auch nicht von einer Entscheidung
des Bundesverwaltungsgerichts abweicht (§132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO). Soweit
Bundesrecht anzuwenden war (§137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), handelt es sich im
wesentlichen um Verfassungsrecht. Die entscheidungserheblichen
verfassungsrechtlichen Fragen sind aber bereits durch die vom Senat angeführte
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt.</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
315,732 | olgham-1983-09-15-2-ws-29983 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 Ws 299/83 | 1983-09-15T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:36 | 2019-03-27T09:42:21 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1983:0915.2WS299.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.</p>
<p>Das Amtsgericht Essen wird angewiesen, dem Rechtshilfeersuchen des Amtsgerichts Hannover vom 15. Juni 1983 zu entsprechen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht Hannover hat durch Beschluß vom 25. Mai 1983 den Angeklagten für den Fall, daß er den entsprechenden Antrag stellt, von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung gemäß § 233 Abs. 1 StPO befreit. Zugleich hat es angeordnet, daß der Angeklagte zu der Frage, ob er diesen Antrag stellen wolle, ebenso wie - nach Antragstellung - zu der ihm zur Last gelegten Beschuldigung durch das für seinen Wohnsitz zuständige Amtsgericht in Essen vernommen werden solle. In diesem Beschluß ist der Angeklagte darüber hinaus darauf hingewiesen worden, daß eine Vernehmung durch das Amtsgericht Essen sich erübrige, wenn der Angeklagte innerhalb einer Woche nach Erhalt des Beschlusses mitteile, daß er an der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Hannover teilzunehmen beabsichtige. Der Beschluß ist dem Angeklagten zugestellt worden. Eine Mitteilung darüber, daß der Angeklagte an der Hauptverhandlung in Hannover teilnehmen wolle, ist nicht eingegangen. Daraufhin hat das Amtsgericht Hannover das Amtsgericht Essen durch Verfügung vom 15. Juni 1983 ersucht, dem Angeklagten, falls er den Antrag stellt, von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung befreit zu werden, den genannten Beschluß zu eröffnen, ihn nach § 233 Abs. 2 StPO zu belehren sowie über die Anklage zu vernehmen. Dieses Vernehmungsersuchen hat das Amtsgericht Essen durch Beschluß vom 23. Juni 1983 mit der Begründung abgelehnt, daß die Voraussetzungen für eine Vernehmung durch einen ersuchten Richter bisher nicht vorlägen; der Angeklagte habe den nach § 233 Abs. 1 StPO erforderlichen Entbindungsantrag noch nicht gestellt, so daß der Entbindungsbeschluß noch nicht wirksam sei; darüber hinaus sei es nicht Sache des ersuchten Richters zu klären, ob der Angeklagte einen Entbindungsantrag stellen wolle. Die hiergegen erhobenen Gegenvorstellungen des Amtsgerichts Hannover hat das Amtsgericht Essen mit dem Hinweis zurückgewiesen, daß eine gerichtliche Vorladung dem Sinn und Zweck des § 233 StPO widerspräche. Die in dieser Vorschrift vorgesehene Verfahrensweise setze eine freiwillige Entschließung des Angeklagten voraus; das Gericht habe sich "in Achtung der Entschlußfreiheit des Angeklagten jeden Zwanges zu enthalten". Eine gerichtliche Vorladung bedeute aber stets die Ausübung eines psychischen Druckes auf den Angeklagten. Zur Begründung dieser Auffassung stützt sich das Amtsgericht Essen auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in BGHSt 25/42 f. Zusätzlich weist das Amtsgericht Essen darauf hin, daß wegen personaler Unterbesetzung des Gerichts für die Erledigung von Aufgaben, die in der Strafprozeßordnung nicht vorgesehen seien, kein Raum sei.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Auf den Antrag des Amtsgerichts Hannover vom 29. August 1983 auf Entscheidung des Oberlandesgerichts gemäß § 159 GVG war der angefochtene Beschluß aufzuheben. ... aufzuheben. Das Amtsgericht Essen müßte dem Rechtshilfeersuchen des Amtsgerichts Hannover stattgeben. Gemäß § 158 Abs. 2 GVG darf ein Rechtshilfeersuchen nur dann abgelehnt werden, wenn die gewünschte Handlung ausdrücklich verboten ist, d.h. durch eine gesetzliche Vorschrift untersagt oder nach dem Sinn der gesetzlichen Bestimmungen unzulässig ist (vgl. Löwe-Rosenberg, StPO, 23. Aufl., § 158 GVG, Rdz. 3; Kleinknecht StPO, 36. Aufl., § 158 GVG, Rdz. 2). Dabei ist erforderlich, daß die vorzunehmende Handlung schlechthin - in abstracto - rechtlich unzulässig ist; über die konkrete Unzulässigkeit hat ausschließlich das ersuchende Gericht zu entscheiden (vgl. OLG Hamm JMBl. NW 1974/53/88). Daß vorliegend die Vernehmung des Angeklagten durch das Amtsgericht Essen gegen ein gesetzliches Verbot verstieße, ist nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Essen stellt es auch keinen Hinderungsgrund dar, daß der Angeklagte bisher den Entbindungsantrag nach § 233 Abs. 1 StPO noch nicht gestellt hat. Es wird allgemein für zulässig erachtet, daß ein Gericht um die Vernehmung eines Angeklagten für den Fall ersucht, daß er die Befreiung von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung beantragt (vgl. Löwe-Rosenberg, StPO, § 233, Rdz. 25; BGH NJW 73/204 f = BGHSt 25/42 f). Soweit das Amtsgericht der zuletzt genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs entnimmt, eine gerichtliche Vorladung eines Angeklagten vor Stellung des Entbindungsantrages sei deshalb unzulässig, weil mit einer derartigen Ladung psychischer Druck auf den Angeklagten ausgeübt werde und das Gericht sich gerade in Achtung der Entschlußfreiheit des Angeklagten jeden Zwanges zu enthalten habe, verkennt es, daß der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung eine <u>zwangsweise Vorführung</u> des Angeklagten zum Zwecke der kommissarischen Vernehmung nach § 233 StPO erst dann für statthaft hält, wenn ein Entbindungsantrag seitens des Angeklagten gestellt worden ist. Über die Zulässigkeit einer einfachen Ladung zu einem Vernehmungstermin verhält sich diese Entscheidung nicht ausdrücklich; im Gegenteil ist ihr zu entnehmen, daß eine kommissarische Vernehmung ohne zwangsweise Vorführung eines Angeklagten sehr wohl statthaft ist, auch wenn nicht schon vorher ein Antrag nach § 233 Abs. 1 StPO vorliegt, dieser vielmehr erst vor dem ersuchten Richter gestellt wird, der den Angeklagten auch über seine diesbezüglichen Rechte belehrt. Andernfalls würde sich die in der genannten Entscheidung behandelte Frage gar nicht erst stellen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Daß eine Überlastung des Rechtshilfegerichts eine Ablehnung des Rechtshilfeersuchens nicht rechtfertigen kann, liegt auf der Hand (vgl. hierzu OLG Hamm MDR 1971/69).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nach alledem war der angefochtene Beschluß ... aufzuheben. Das Amtsgericht Essen war anzuweisen, dem gestellten Rechtshilfeersuchen des Amtsgerichts Hannover zu entsprechen.</p>
|
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<p>Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.</p>
<p>Die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung des von der H Versicherungsbank VVag mit Schreiben vom 4.5.1983 vorgeschlagenen Vergleichs, wonach die Versicherung bereit ist, zur Abdeckung der Unterhaltsschadensersatzansprüche des Mündels auf Grund des Verkehrsunfalls vom 3.10.1981 70.000 DM zu zahlen, wird erteilt.</p>
<p>Geschäftswert: 7.000 DM (§ 30 I KostO).</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Amtsvormund hat im Namen seines Mündels den Antrag gestellt, die gemäß § 1822 Ziffer 12 BGB
erforderliche vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zu einem Vergleich zwischen seinem Mündel und der H
Versicherungsbank mit dem im Schreiben der Versicherung vom 4.5.1983 vorgeschlagenen Inhalt zu genehmigen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Dem angestrebten Vergleich liegt folgender Sachverhalt zugrunde:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Mutter des Mündels verunglückte bei einem Verkehrsunfall am 3.10.1981 tödlich. Der PKW, in dem die
Mutter zum Unfallzeitpunkt auf dem Beifahrersitz saß, wurde von deren Verlobten, der bei der H Versicherung
haftpflichtversichert ist, gefahren. Der Verlobte verlor in einer scharfen Rechtskurve die Gewalt über das Fahrzeug,
worauf das Fahrzeug gegen einen am rechten Fahrbahnrand befindlichen Baum prallte. Die Mutter des Mündels verstarb in
Folge der beim Unfall erlittenen Verletzungen. Sie war im Unfallzeitpunkt nicht angeschnallt gewesen. Bei ihrem Verlobten
wurde unmittelbar nach dem Unfall eine Blutalkoholkonzentration von 1,75 °/oo gemessen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Amtsvormund hat im Namen seines Mündels gegenüber der H Versicherung Schadensersatzansprüche
gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 3 Nr. 1 Satz 1 PflVersG geltend gemacht und in diesem Zusammenhang den Ersatz
der Beerdigungskosten sowie Unterhaltsschadensersatz gemäß § 844 Abs. 2 BGB verlangt. Die Forderung
hinsichtlich der Beerdigungskosten erkannte die Versicherung im wesentlichen an. Über die
Unterhaltsschadensersatzansprüche wurden umfangreiche Vergleichsverhandlungen geführt. Die H Versicherung wollte
zunächst die Ansprüche dem Grunde nach nur zu 50 % anerkennen. Sie behauptet, die Mutter habe die alkoholbedingte
Fahruntüchtigkeit ihres Verlobten erkennen können, außerdem wäre die Mutter dann nicht tödlich
verunglückt, wenn sie angeschnallt gewesen sei. Der Amtsvormund behauptet demgegenüber, das Nichtanlegen der
Sicherheitsgurte sei nicht ursächlich für den Tod der Mutter gewesen; im übrigen habe die Mutter den hohen
Alkoholkonsum ihres Verlobten nicht erkennen können, da dieser keine Ausfallerscheinungen gezeigt habe</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 4.5.1983 hat die H Versicherung schließlich angeboten, dem Mündel zum Ausgleich der
Schadensersatzansprüche nach § 844 Abs. 2 BGB (bis zum 18. Lebensjahr) eine Gesamtentschädigung von
70.000,— DM zu zahlen. Dieser Betrag ist wie folgt errechnet worden. Die Versicherung erkennt die Ansprüche des
Mündels dem Grunde nach zu 75 % an und berechnet den monatlichen Unterhaltsschadensersatz mit 500,- DM. Bei einem
Jahresunterhalt in Höhe von 6.000,— DM ergibt sich ein Kapitalisierungsfaktor von 10.6228 bis zum 18. Lebensjahr.
Für die Zeit vom 3. bis zum 18. Lebensjahr sollen danach 63.736,80 DM, für die vergangene Zeit ab dem
Unfallzeitpunkt soll ein pauschaler Betrag von 6.263,20 DM gezahlt werden.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Einwilligung zu dem Vergleich abgelehnt mit der
Begründung, die Höhe der monatlichen Unterhaltsleistung sei im Hinblick auf die Entscheidung des BGH (VersR 83,
4-58) zu niedrig veranschlagt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde des Mündels ist zulässig, § 20 ff FGG, und auch begründet.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der von der H Versicherung mit Schreiben vom 4.5.1983 vorgeschlagene Vergleich hinsichtlich der
Unterhaltsschadensersatzansprüche des Mündels gemäß § 844 Abs. 2 BGB ist zu genehmigen, da der
angebotene Vergleich dem Wohl und Interesse des Mündels dient.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Es ist nicht hinreichend sicher, daß das Mündel im Falle der Durchführung der Unterhaltsschadensersatzklage
mehr als durch die Annahme des Vergleiches erreicht. Es besteht sogar die Möglichkeit, daß die Ansprüche
des Mündels im Prozeß in nur geringerem Umfang durchsetzbar sind.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">1. Der Vergleich geht von einem Mitverschulden der Mutter an dem Unfall von 25 % aus.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Kammer hat die Erfolgsaussicht de Klage im wesentlichen anhand des Klageentwurfes vom 6.4.1983 und der Stellungnahmen
der H Versicherung 4.10.1982 und vom 5.7.1983 überprüft. Hiernach ist damit zu rechnen, daß bei einer
gerichtlichen Entscheidung die Mitverschuldensquote der Mutter höher als mit 25 % bemessen wird.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Unstreitig hatte die Mutter zum Unfallzeitpunkt keine Sicherheitsgurte angelegt, Sie kam - ebenfalls unstreitig -
dadurch zu Tode, daß sie beim Aufprall des Wagens auf den Baum vom Sitz herabrutschte und in den Bereich zwischen
Sitz und Vorderteil des Wagens gelangte, während der Motor in Richtung auf den Fahrgastraum geschoben wurde. Sie
erlitt dabei innere Verletzungen, aufgrund deren sie an Unfallort starb. Bei einem solchen Unfallhergang ist damit zu
rechnen, daß der Versicherung im Prozeß der Nachweis der Ursächlichkeit des Verstoßes gegen die
Anschnallpflicht für den Tode der Mutter gelingt, zumal im Strafverfahren gegen den Verlobten ein Polizeibeamter
ausgesagt hat, daß die Verformungen im Innenraum des Kfz. nach dem Unfall nicht derart stark gewesen seien, daß
auch ein angeschnallter Fahrgast getötet worden wäre. Nach der Entscheidung des BGH, VersR 1981, 59 kann ein
Verstoß gegen die Anschnallpflicht unter Umständen bis zu einer Mithaftungsquote von 50 % und darüber
hinaus führen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall dürfte die Mithaftungsquote bezüglich des Verstoßes gegen die Anschnallpflicht
wegen des erheblichen Verschuldens des Verlobten der Mutter zwar unter 50 <i>% </i>liegen, und zwar höchstens bei
40 %, mindestens aber bei 25 %.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Es besteht ferner die Möglichkeit, daß bei gerichtlicher Überprüfung des Klageanspruchs des
Mündels ein weiteres Mitverschulden der Mutter an dem Unfall festgestellt wird; und zwar mit der Begründung,
die Mutter habe sich einem erkennbar untüchtigen Fahrer anvertraut. Nach dem Entwurf der Klageschrift war der
Verlobte der Mutter am Abend vor dem Unfall Gast auf einer Party, die u.a. von der Mutter veranstaltet wurde und hatte
dort in erheblichem Umfang alkoholische Getränke zu sich genommen. Das Mündel behauptet zwar, die Mutter sei
während des Abends in der Küche beschäftigt gewesen und habe deshalb den Alkoholkonsum ihres Verlobten
nicht erkennen können; außerdem habe der Verlobte keine Ausfallerscheinungen gezeigt. Auf der anderen Seite
weist jedoch die Versicherung darauf hin, daß der Verlobte an dem Abend die Ausgabe der Getränke übernommen
und dabei ständig "an der Quelle" gesessen habe. Nach der Rechtsprechung des BGH (VersR 1971, 474) kann
dem Beifahrer eines alkoholbedingt fahruntüchtigen Fahrers schon dann ein Mitverschulden angelastet werden, wenn
sich dem Beifahrer bei zumutbarer Aufmerksamkeit aus den für ihn erkennbaren Gesamtumständen begründete
Zweifel an der Fahruntüchtigkeit des Fahrers aufdrängen mußten, so daß ein in angemessener Weise auf
seine Sicherheit bedachter Fahrgast verständigerweise von der Mitfahrt Abstand genommen hätte. Es besteht die
Möglichkeit, daß der Versicherung im Prozeß der Nachweis des Mitverschuldens in diesem Sinne gelingt.
Diese Mitverschuldensquote dürfte jedenfalls mit 20 % bemessen werden.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Zusammenfassend ist festzustellen, daß das Mündel bei Durchführung der Klage damit rechnen muß,
daß die Klageforderung wegen Mitverschuldens der Mutter um 45 % bis 60 % gemindert wird.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">2. Der von der H Versicherung vorgeschlagene Vergleich geht von einer monatlichen Rente von 500,— DM bis zur
Vollendung des 18. Lebensjahres aus. Nach Auffassung der Kammer wird im Prozeß keine wesentlich höhere Rente
zu erreichen sein.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">In der vom Amtsgericht zitierten Entscheidung des BGH (VersR 1983, 458 ff) wurde die Arbeitskraft der verstorbenen
Ehefrau und Mutter von 2 Kindern (9 und 7 Jahre alt) unter Zugrundelegung der Nettovergütung einer ganztägig
tätigen Haus- und Familienpflegerin mit 1.800,— DM bemessen. Nach Auffassung der Kammer kann diese
Vergütung im vorliegenden Fall nicht in vollem Umfang zugrundegelegt werden, da die verstorbene Mutter des
Mündels im Zeitpunkt ihrer Tötung nur einem Kind, das 1 1/2 Jahre alt war, zum Unterhalt verpflichtet war. Es
ist damit zu rechnen, daß in einem Prozeß im vorliegenden Fall die weggefallene Arbeitskraft der getöteten
Mutter höchstens mit 1.260,— DM (70 % von 1.800,— DM) mindestens jedoch mit 1.000,— DM bemessen wird.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Unter Zugrundelegung der oben festgestellten Mitverschuldensquote und der Höhe der monatlichen Rente, ist in
einem Prozeß mit einer monatlichen Rente von mindestens 400,— DM, höchstens 693,— DM zu rechnen.
Der Mittelwert beträgt 546,50 DM. Unter diesen Umständen ist der Vergleich über eine monatliche Rente von
500,— DM annehmbar, zumal er einen sicher schwierigen und langen Prozeß vermeidet.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der von den Rechtsanwälten im Schreiben vom 19.5.1983 (Seite 3) ermittelte Kapitalisierungsfaktor bei einem
Jahresunterhalt von 6.000,— DM für die Zeit vom 3. bis 18. Lebensjahr, ist zutreffend. Es ist auch angemessen,
für die Zeit vom Unfalltag bis zum 3. Lebensjahr des Mündels pauschal die Rente mit 6.263,23 DM zu berechnen.</p>
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315,734 | lg-munster-1983-08-31-14-o-60382 | {
"id": 815,
"name": "Landgericht Münster",
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"city": 471,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 14 O 603/82 | 1983-08-31T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:40 | 2019-03-27T09:42:21 | Urteil | ECLI:DE:LGMS:1983:0831.14O603.82.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.525,29 DM (eintausendfünfhundertfünfundzwanzig 29/100 Deutsche Mark) nebst 15 % Zinsen seit dem 15.01.1981 sowie 309,62 DM vorgerichtliche Kosten zu zahlen.</p><p>Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p><p>Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 8 % der Beklagte und zu 92 % der Kläger.</p><p>Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.800 DM, für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.900,-- DM vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">T a t b e s t a n d</span></p><span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger verlangt restlichen Werklohn für Renovierungsarbeiten (Heizung, Sanitär und Elektro) anläßlich eines Wasserschadens im Privathaus des Beklagten gemäß Rechnung vom 15.12.1980 (Bl. 20/21 der Akten).</p><span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Auf den Gesamtrechnungsbetrag von 11.345,25 DM zahlte der Beklagte am 27.04.1981 einen Abschlag in Höhe von 6.000,-- DM.</p><span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte wurde mehrfach, unter anderem mit Fristsetzung zum 14.01.1981 zur Zahlung aufgefordert. Der Kläger schaltete, da Einwendungen nicht geltend gemacht wurden, den Verein D ein, wodurch ihm Kosten in Höhe von 309,62 DM entstanden.</p><span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">In Höhe der Klageforderung nimmt der Kläger Bankkredit in Anspruch, der mit 15 % zu verzinsen ist.</p><span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p><span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 5.345,08 DM nebst 15 % Zinsen hieraus seit dem 15.01.1981 sowie 309,62 DM vorgerichtliche Kosten zu zahlen.</p><span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Er beantragt ferner, festzustellen,</p><span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">daß der Kläger nicht verpflichtet ist, an den Beklagten angeblich zuviel berechnete 15.000,--  DM zurückzuzahlen.</p><span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p><span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">bezüglich beider Anträge Klageabweisung.</p><span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hält die Klageforderung für verjährt.</p><span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Im übrigen ist er der Meinung, der Kläger müsse nach Einheitspreisen und nicht auf Stundenlohnbasis abrechnen.</p><span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Ferner hält er die in der Rechnung geltend gemachten 239 Stunden unter Hinweis auf ein Privatgutachten A vom 15. September 1982, wegen dessen Inhaltes auf Blatt 61 bis 64 Bezug genommen wird, für weit übersetzt.</p><span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus hat der Beklagte vorgetragen, aus zwei weiteren Rechnungen vom 30.06.1979, die die gleichen Arbeiten betreffen und die der Beklagte voll bezahlt hat, allein an Arbeitslöhnen eine Überzahlung von rund 15.000,-- DM vorgenommen zu haben.</p><span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.</p><span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Kammer hat gemäß Beweisbeschluss vom 19.01.1983 über die Erforderlichkeit der in Ansatz gebrachten Stundenanzahl Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen P.</p><span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Wegen des Gutachtens vom 23.03.1983 wird auf Blatt 93 ff., wegen der ergänzenden Stellungnahme vom 22.07. auf Blatt 120 ff Bezug genommen.</p><span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</span></p><span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist in dem erkannten Umfang begründet, im übrigen ist sie unbegründet.</p><span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Zunächst ist festzustellen, daß die verbleibende Restforderung nicht verjährt ist, da die Verjährung durch Abschlagszahlung des Beklagten vom 27.04.1981 gemäß § 208 BGB unterbrochen worden ist. Auch ist nicht ersichtlich, daß der Kläger verpflichtet war, nach Einheitspreisen und nicht nach Stundenlohn abzurechnen, zumal der Beklagte auch selbst die Abrechnung  nach Stundenlohn in den Rechnungen vom 30.06.1979 nicht angegriffen und diese Rechnungen bezahlt hat.</p><span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die vom Kläger in Ansatz gebrachten Stunden aus seiner Rechnung vom 15.12.1980 sind nach den überzeugenden Ausführungen des Gutachters weit übersetzt. Im Besichtigungstermin vom 18.03.1983, bei dem auch die Parteien persönlich zugegen waren, wurde übereinstimmend davon ausgegangen, daß für die drei im Erdgeschoß liegenden Räume zur Durchführung der Rohmontage saubere und einwandfreie Verhältnisse vorlagen. Die gleichen Feststellungen wurden für die vom Kläger durchzuführenden Feininstallationen getroffen, nachdem in allen drei Räumen die Verfliesung nun vollständig fertiggestellt war. Besondere Schwierigkeiten oder Beeinträchtigungen bei der Durchführung der Arbeiten waren nicht gegeben. Entsprechend der vorgelegten Rechnung vom 15.12.1980 und den Erläuterungen hierzu hat der Sachverständige für die in der Rechnung ausgeworfenen Materialien Montagezeiten für eine Montagegruppe von insgesamt 33,9 Stunden ermittelt. Dabei besteht eine Montagegruppe aus einem Monteur und einem Helfer oder einem Lehrling. Der Gutachter hat die Rechnung des Klägers Punkt für Punkt untersucht und den nach seiner Erfahrung jeweils erforderlichen Zeitaufwand im einzelnen in seiner Anlage zu dem Gutachten ausgeführt.</p><span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Kammer zweifelt nicht an den Feststellungen des Gutachters, daß die Kalkulationstafeln für Sanitäranlagen von Ende und die hierin enthaltenen Kalkulationssätze in der Praxis viel zu hoch sind und Zeiten und Preise enthalten, die im Sanitärhandwerk nicht zu erzielen sind.</p><span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Zweifel an der Sachkunde des Gutachters, die er bereits in vielen anderen Verfahren unter Beweis gestellt hat, teilt die Kammer nicht. Die Einholung eines Obergutachtens zu dieser Frage war deshalb nicht erforderlich.</p><span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Nicht zu beanstanden ist auch die weitere Feststellung des Gutachters, daß für das Haus ein 20 %iger Zuschlag angemessen ist dafür, daß die Arbeiten in bewohntem Zustand durchgeführt werden mußten. Dies steht auch nicht im Widerspruch dazu, daß für die Durchführung der Montagearbeiten im übrigen saubere und einwandfreie Verhältnisse vorherrschten. Gleiches gilt für die vom Gutachter geschätzten weiteren 9 Stunden für vorbereitende Maßnahmen und für An- und Abtransport der Werkzeuge und Materialien.</p><span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Nach diesen Ausführungen beträgt der Gesamtaufwand des Klägers 49,68 Stunden, jeweils pro Monteur und Helfer.</p><span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann nicht damit gehört werden, daß angeblich zahlreiche Nebenarbeiten an zwei Doppelwaschtischen, ferner eine zusätzlich Feininstallation bezüglich mehrerer, im Schriftsatz vom 07.06.1983 im einzelnen aufgeführter Gegenstände erforderlich war. Abgesehen davon, daß der Gutachter auch vom Kläger offenbar anläßlich der Besichtigung auf derartige Arbeiten nicht hingewiesen wurde, sind sie auch nicht Gegenstand der Rechnung vom 15.12.1980. Bezüglich dieser Positionen ist die Rechnung,  da sie den nunmehr behaupteten Aufwand nicht ausweist, nicht überprüfbar. Dies aber ist auch im Interesse des Beklagten erforderlich und Voraussetzung der Fälligkeit der entsprechenden Forderung.</p><span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die vom Gutachter für die vom Kläger nachgeschobenen behaupteten Arbeiten geschätzten Stunden von 2 x 5,17 = 10,34 Stunden kann der Kläger aus diesen Gründen nicht verlangen.</p><span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 26.08.1983 weitere Ausführungen auch zu dem Gutachten und der Ortsbesichtigung macht, sind diese verspätet. Die Ortsbesichtigung fand am 18.03.1983 statt, das Gutachten datiert vom 23.03.1983. Der Kläger hatte ausreichend Gelegenheit, etwa im Ortstermin erwähnte und im Gutachten nicht berücksichtigte Tatsachen vorzutragen.</p><span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Aus der Rechnung vom 15.12.1980 war somit von dem Nettobetrag von 10.040,04 DM der Gesamtaufwand an Stunden zunächst abzuziehen. Rechnerisch verbleibt dann zu Gunsten des Klägers – ohne Berücksichtigung der Stunden – ein Betrag von 3.810,40 DM. Diesem Betrag waren die von dem Gutachter ermittelten Stunden hinzuzurechnen. Unter Berücksichtigung von 49,68 Monteurstunden á 33,21 DM ergibt sich ein Betrag von 1.649,87 DM, weitere 49,68 Stunden für den Helfer á 24,14 DM ergeben einen Betrag von 1.199,28 DM.</p><span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Nettoforderung des Klägers beträgt demnach 6.659,55 DM, einschließlich der Mehrwertsteuer insgesamt 7.525,29 DM. Abzüglich des Abschlages von 6.000,--  DM verbleibt die zuerkannte Werklohnforderung von 1.525,29 DM.</p><span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">In dieser Höhe ist die Klage begründet, im übrigen ist sie unbegründet.</p><span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die negative Feststellungsklage des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Zwar ist davon auszugehen, daß der Beklagte mit seiner behaupteten Überzahlung und der vorbehaltenen Widerklage Anlaß für den entsprechenden Feststellungsantrag gegeben hat.</p><span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der Antrag ist jedoch unbegründet, da jeder Vortrag des Klägers zu seiner sachlichen Berechtigung fehlt. Der Kläger hätte im einzelnen vortragen müssen, daß alle seine Arbeiten aus den anderen Rechnungen vom 30.06.1979 ordnungsgemäß erbracht und nach Stunden und Aufwand richtig berechnet waren, die Behauptung des Beklagten, auch insoweit seien überhöhte Positionen geltend gemacht worden, somit unberechtigt ist. Da dieser Vortrag fehlt – und seine Richtigkeit nach dem vorliegenden Gutachten auch zweifelhaft wäre – war die Klage insoweit abzuweisen.</p><span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Gemäß den §§ 284, 286 BGB hat der Kläger schließlich noch Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 309,62 DM. Nach seinem unbestrittenen Vortrag konnte der Kläger davon ausgehen, daß die Einschaltung des Vereins D sachgerecht war, den Beklagten zur Zahlung der Forderung zu veranlassen. Der Beklagte hatte vorprozeßual Einwendungen gegen die erhobene Rechnung nicht geltend gemacht.</p><span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Da die Kosten ein anwaltliches Honorar im Falle der Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht übersteigen, sind sie erstattungsfähig.</p><span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Zinsforderung ist berechtigt gemäß §§ 284, 286 BGB.</p><span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die prozeßualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92, 709 ZPO.</p>
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315,735 | ovgnrw-1983-07-29-4-a-106382 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
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"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 4 A 1063/82 | 1983-07-29T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:42 | 2019-03-27T09:42:21 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1983:0729.4A1063.82.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung wird zurückgewiesen.</p>
<p>Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.</p>
<p>Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.</p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die beigeladene Schützenbruderschaft beantragte unter dem 26. Januar 1981 die Festsetzung des ... Volks- und Heimatfestes 1981 (Schützenfest mit Kirmes) als Volksfest gemäß den §§ 60 b, 69 Gewerbeordnung (GewO). Das Schützenfest war für die Zeit von Samstag, dem 13. Juni 1981 bis einschließlich Dienstag, dem 16. Juni 1981 geplant und sollte auf einem Platz südlich der Bundesautobahn A 52 östlich der Landstraße L 154 in unmittelbarer Nähe der ... Straße in ... stattfinden. Das fragliche Gelände liegt im Bereich des Bebauungsplanes Nr. 2 "An der alten Mühle", Teilabschnitt A vom 23. März 1974, der die für die Festveranstaltung und die für ihre Besucher als Parkplätze zur Verfügung gehaltenen Flächen wie folgt ausweist:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Gemarkung ..., Flur 18</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Flurstück 936: Fläche für Schulsport, Verkehrsgarten, Kinderspielplatz;</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Flurstücke 938, 947, 948: Allgemeines Wohngebiet (WA), IV, g;</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Flurstücke 940-943: Reines Wohngebiet (WR), I.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten der Lage des Festplatzes und der planerischen Festsetzungen wird auf die von dem Beklagten vorgelegten Katasterkarten und den Bebauungsplan 2 A verwiesen. Die Wohnbebauung des durch den genannten Bebauungsplan festgesetzten reinen Wohngebietes setzt unmittelbar jenseits der den Festplatz nach Osten und Süden begrenzenden Straßen oder Wege ein.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Entsprechend dem Antrag vom 26. Januar 1981 erließ der Beklagte am 5. Juni 1981 einen Festsetzungsbescheid, der Gegenstand, Zeit, Öffnungszeit und Platz des ... Volks- und Heimatfestes 1981 regelte. Es war bestimmt, daß die im Wohngebiet liegenden unbebauten Grundstücke Flurstücke 938, 940-943, 947 und 948 für die Zeit der Veranstaltung als Parkplätze in Anspruch genommen werden sollten. Die Öffnungszeiten des Volksfestes waren wie folgt geregelt:</p>
<br /><span class="absatzRechts">9</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td valign="top">1.)</td>
<td valign="top">Veranstaltungen im Sinne der §§ 55 Abs. 1 Nr. 3, 60 b GewO mit Ausnahme der unter 2.) genannten Betriebe: täglich von 11.00-24.00 Uhr</td>
</tr>
<tr>
<td> </td>
<td valign="top">2.)</td>
<td valign="top">Schützenzelt, Getränkepavillons, Imbißwagen und -stände: am 13., 14. und 15. Juni jeweils von 7.00-2.00 Uhr des folgenden Tages; am 16. Juni von 7.00-1.00 Uhr des folgenden Tages.</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Festsetzung der Öffnungszeiten war verbunden mit einer zeitlich entsprechenden gaststättenrechtlichen Sperrzeitverkürzung und einer zeitlich entsprechenden Ausnahmegenehmigung für musikalische Darbietungen im Schützenzelt nach den §§ 9, 10 und 14 des Gesetzes zum Schütze vor Luftverunreinigungen, Geräuschen und ähnlichen Umwelteinwirkungen (Landes-Immissionsschutzgesetz - LImSchG - vom 180 März 1975, GV NW 232).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten der Festsetzung wird auf den Bescheid des Beklagten vom 5. Juni 1981 Bezug gekommen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung führte der Beklagte an, das ... Schützenfest sei eine Traditionsveranstaltung, die seit Jahrhunderten durchgeführt werde. Durch die in der Festsetzung enthaltenen Beschränkungen sei in hinreichendem Maße gewährleistet, daß die dem Festplatz benachbarten Wohngebiete nicht unzumutbar belästigt würden. Die durch die in die Nachtstunden hineinreichenden Öffnungszeiten notwendigen gaststätten- und immissionsschutzrechtlichen Erlaubnisse seien zu erteilen, weil das öffentliche Interesse an der Durchführung der Traditionsveranstaltung das private Interesse überwiege.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger, sämtlich Eigentümer von mit Wohnhäusern bebauten Grundstücken, die in unmittelbarer Nachbarschaft des Festplatzes an der ... Straße, am Stichweg zur ... Straße (Flurstück 748) bzw. am ... Weg liegen, mit Schreiben vom 11. Juni 1981 Widerspruch, über den vor Durchführung des Schützenfestes jedoch nicht mehr entschieden wurde.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Durch Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 1981, zugestellt am 28. Juli 1981, stellte der Oberkreisdirektor des Kreises die Erledigung des Widerspruches fest und legte der Stadt die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf, weil er den Festsetzungsbescheid wegen der Regelung über die Öffnungszeiten für rechtswidrig hielt.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben am 28. August 1981 Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben und vorgetragen: Die Festsetzung des Schützenfestes sei dem Grunde nach und in ihren Einzelheiten rechtswidrig. Die Durchführung der Veranstaltung verstoße gegen Bauplanungsrecht. Zudem sei die Lärmentwicklung, die an den Veranstaltungstagen jeweils bis zum frühen Morgen andauere, unerträglich.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß der Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 5. Juni 1981 rechtswidrig gewesen ist.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat der Klage durch Urteil vom 2. März 1982 stattgegeben. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Gegen das am 29. März 1982 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 29. April 1982 Berufung eingelegt.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Kläger beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Beigeladene stellt keinen Antrag.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat die Akten 3 K 3500/80, 3 L 633/78, 3 L 676/80, 3 L 622/81, 3 L 796/82, 3 L 858/83 Verwaltungsgericht Düsseldorf, beigezogen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird ergänzend auf die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge, den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist entsprechend anwendbar, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt vor Klageerhebung erledigt hat.</p>
<br /><span class="absatzRechts">33</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Urteil vom 9. Februar 1967 - I C 49/64 -, Amtliche Entscheidungssammlung (BVerwGE), Bd. 26, 161 (165); Urteil vom 1. Juli 1975 - I C 35.70 -, BVerwGE 49, 36 (39).</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Das für die Erhebung einer Fortsetzungsfeststellungsklage notwendige Feststellungsinteresse folgt aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Wie die Rechtsstreitigkeiten der Folgejahre (3 L 796/82, 3 L 858/83 Verwaltungsgericht Düsseldorf) und die beabsichtigte Änderung des Bebauungsplanes 2 A der Stadt ... zeigen, will der Beklagte an dem umstrittenen Festplatz festhalten. Zudem sind zwar in den Jahren 1982 und 1983 die streitigen Regelungen über die Öffnungszeiten gegenüber den Jahren 1981 modifiziert worden. Die Änderungen sind jedoch aus der Sicht der Kläger unerheblich, weil die neuen Öffnungszeiten ebenfalls tiefer in die Nacht hineinreichen als sie - die Kläger - dies für zumutbar halten. Der Beklagte hat im übrigen in der mündlichen Verhandlung erklärt, er wolle in Zukunft die Öffnungszeit wieder auf 2 Uhr ausdehnen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist begründet. Der Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 5. Juni 1981 war rechtswidrig und verletzte die Kläger in ihren Rechten.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Volks- und Heimatfestes sind die §§ 60 b, 69, 69 a GewO. Nach §§ 60 b Abs. 2, 69 Abs. 1 GewO hat die zuständige Behörde - hier gemäß Nr. 1.34 der Anlage zur Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Gewerbeüberwachung vom 10. Dezember 1974 (GV NW 1558) in der Fassung der 3. Änderungsverordnung vom 26. April 1977 (GV NW 170) der Beklagte als örtliche Ordnungsbehörde - ein Volksfest auf Antrag des Veranstalters nach Gegenstand, Zeit, Öffnungszeit und Platz schriftlich festzusetzen. Der Antrag ist gemäß § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO abzulehnen, wenn die Durchführung der Veranstaltung dem öffentlichen Interesse widerspricht, insbesondere der Schutz der Veranstaltungsteilnehmer vor Gefahren für Leben und Gesundheit nicht gewährleistet ist oder sonstige erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu befürchten sind.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Der angefochtene Festsetzungsbescheid hätte mit dem Inhalt, mit dem er ergangen ist, nicht erlassen werden dürfen, weil die Durchführung der festgesetzten Veranstaltung erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO befürchten ließ. Auf die Nichtbeachtung des § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO können sich die Kläger im vorliegenden Fall berufene §§ 69, 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO sind nachbarschützend jedenfalls insoweit, als die zuständige Behörde im Rahmen der Festsetzung Rechtsvorschriften zu prüfen hat, die ihrerseits nachbarschützenden Charakter haben.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Festsetzung eines Volksfestes ist ein Verwaltungsakt, der sich an den Veranstalter richtet und unbeschadet sonstiger öffentlich-rechtlicher Erlaubnis-, Genehmigungs- oder Anzeigeerfordernisse sowie privater Abwehransprüche ergeht.</p>
<br /><span class="absatzRechts">39</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Vgl. Landmann-Rohmer-Bender, Loseblattkommentar zur Gewerbeordnung, Bd. 1, § 69 Rdnr. 10, 11; Begründung des Regierungsentwurfes des Gesetzes zur Änderung des Titels IV der Gewerbeordnung vom 14. Juli 1975, Bundestagsdrucksache (BTDS) 7/3859, Abs. 2, 3 und 4 der Begründung zu § 69 Abs. 1, abgedruckt bei Fuhr, Loseblattkommentar zur Gewerbeordnung, Bd. II, Vorbemerkung zu § 69; Fröhler-Kormann, Kommentar zur Gewerbeordnung, § 69 Rdnr. 7 a.E.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist die Festsetzung kein rechtliches Erfordernis für die Durchführung der Veranstaltung. Diese kann durch entsprechende Festsetzung auch als "privates Volksfest" stattfinden.</p>
<br /><span class="absatzRechts">41</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Landmann-Rohmer-Bender, a.a.O.,</i>
<i>§ 69 Rdnrn. 2, 13.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Aus dieser rechtlich eingeschränkten Bedeutung der Marktfestsetzung und der Unbestimmbarkeit des über die Person des Veranstalters hinaus betroffenen Personenkreises wird zum Teil geschlossen, die §§ 69, 69 a GewO beinhalteten keinerlei Drittschutz, auch nicht zugunsten etwa belästigter Nachbarn.</p>
<br /><span class="absatzRechts">43</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Fröhler-Kormann, § 69 Rdnr. 7 a.E.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Das trifft in dieser generellen Form jedoch nicht zu. Die §§ 69, 69 a GewO enthalten jedenfalls zum Teil Regelungen, die zum Schutz der von der Veranstaltung betroffenen Anlieger in der Nachbarschaft des Festplatzes erlassen worden sind.</p>
<br /><span class="absatzRechts">45</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Zu den Voraussetzungen an drittschützende Normen generell: Kopp, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl., § 113 Rdnr. 21.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Der Nachbarschutz durch die §§ 69, 69 a GewO ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut dieser Vorschriften, folgt aber aus - dem Zusammenhang mit den zu ihrer Ausfüllung heranzuziehenden Rechtsnormen. Im Rahmen des § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO ist die Vereinbarkeit der Durchführung eines Volksfestes mit den Belangen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung festzustellen. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung deckt sich mit demjenigen des allgemeinen Ordnungsrechtes. Schutzgut der öffentlichen Sicherheit ist unter anderem die gesamte Rechtsordnung. Die Festsetzungsbehörde hat deshalb beispielsweise die Einhaltung der Vorschriften der Bauleitplanung und des Immissionsschutzes bereits bei Erlaß der Festsetzung zu berücksichtigen.</p>
<br /><span class="absatzRechts">47</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Vgl. dazu amtliche Begründung, BTDS 7/3859, a.a.O., zu § 69 a Abs. 1; Ausführungsanweisung zum Titel 4 der Gewerbeordnung vom 27. Mai 1977, 7/B2-66-2-26/77 (MBl NW, 648 ff.) Ordnungsnummer 3.2.2.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Soweit diese Rechtsvorschriften nachbarschützenden Charakter haben, gilt dies auch für die §§ 69, 69 a GewO.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Dem (relativen) Nachbarschutz der Vorschriften über die Marktfestsetzung steht nicht entgegen, daß § 69 Abs. 1 Nr. 3 GewO die öffentliche Sicherheit als Unterfall des allgemeinen öffentlichen Interesses behandelt, dem die Durchführung der Veranstaltung nicht widersprechen darf. Weil § 69 a GewO über das Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Sicherheit die Einbeziehung von durch Rechtsvorschriften geschützten Belangen der dem Festplatz benachbarten Anlieger ermöglicht und der Widerspruch der Veranstaltung zum öffentlichen Interesse deshalb gerade in der Verletzung der Rechte der Nachbarn liegen kann, ist davon auszugehen, daß insoweit § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO zumindest auch zum Schutz dieses Personenkreises und nicht ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit erlassen worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Der Nachbarschutz scheitert schließlich nicht daran, daß die Veranstaltung auch unabhängig von der Festsetzungsverfügung durchgeführt werden kann. Obwohl die Möglichkeit besteht, ein Volksfest als "Privatveranstaltung" abzuhalten, und der Nachbar sich unabhängig von einer behördlichen Festsetzung gegen die Durchführung auf zivilrechtlichem Wege zur Wehr zu setzen vermag (§ 906 BGB), können die Festsetzungsverfügung und die mit der Durchführung der Veranstaltung verbundenen Beeinträchtigungen nicht losgelöst voneinander betrachtet werden. Die Festsetzung nach § 69 GewO verleiht die sogenannten Marktprivilegien.</p>
<br /><span class="absatzRechts">51</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Vgl. Landmann-Rohmer, Bender, a.a.O.,</i>
<i>§ 69 Rdnr. 13, 14,</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">die die Veranstaltung wirtschaftlich oft erst ermöglichen. Die Festsetzungsverfügung ist damit zumindest mitursächlich für eventuelle negative Auswirkungen auf Nachbargrundstücke des Festplatzes.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Soweit der angefochtene Bescheid vom 5. Juni 1981 den Platz des Volksfestes bestimmte, haben die Kläger keinen Anspruch auf Feststellung, daß die Festsetzung nach § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO rechtswidrig war. Die Durchführung des ... "Volks- und Heimatfestes 1981" bedeutete wegen der Benutzung des Platzes entgegen der Ansicht der Kläger keine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit auf die die Kläger sich berufen können. Nachbarschützende Vorschriften der Bauleitplanung waren nicht verletzt.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Soweit die Nutzung des Platzes im Widerspruch zu den im Bebauungsplan Nr. 2 A enthaltenen Ausweisungen "Schulsportgelände und Verkehrsgarten" stehen, liegt keine Rechtsverletzung der Kläger vor. Diese planerischen Ausweisungen sind nicht zum Schütze der Nachbarn erlassen.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Nachbarschützenden Charakter hat die angrenzende Ausweisung als reines oder allgemeines Wohngebiet. Diese Ausweisungen schließen die Veranstaltung eines Volksfestes mit Kirmes jedoch nicht aus.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Das Volksfest ist als solches keine bauliche Anlage im Sinne des § 29 Bundesbaugesetz (BBauG). Bauliche Anlagen sind Einrichtungen, die in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden sind.</p>
<br /><span class="absatzRechts">57</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>BVerwG, Urteil vom 31. August 1973, - IV C 33.71 -, BVerwGE 44, 59.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Abgesehen davon, daß das Volksfest als Ausdruck menschlicher Betätigung keine "Anlage" sein kann, erfüllen nicht einmal die mit der Durchführung notwendig verbundenen Einrichtungen wie Festzelt, Kirmesattraktionen, Getränke- und Imbißstände diese Voraussetzungen, weil sie lediglich befristet auf dem Platz der Veranstaltung aufgestellt werden.</p>
<br /><span class="absatzRechts">59</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Vgl. Ernst-Zinkhahn-Bielenberg, Loseblattkommentar zum Bundesbaugesetz, Bd. II, § 29 Rdnr. 5.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Ob der Festplatz als solcher, etwa wegen der festen Installation von Versorgungseinrichtungen oder des Baus einer festen Bodenplatte für das Festzelt eine bauliche Anlage ist, kann offen bleiben. Die bauliche Herrichtung des Platzes ist nicht Gegenstand der Festsetzung im Sinne der §§ 69, 69 a GewO.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die Feststellung, daß das vorliegend streitige Volksfest keine bauliche Anlage ist, hindert allerdings nicht die Prüfung, ob es als sonstige Nutzung gegen Bauplanungsrecht verstößt.</p>
<br /><span class="absatzRechts">62</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Vgl. Grauvogel in: Kohlhammers Kommentar zum Bundesbaugesetz, Bd. 2, § 29 Rdnr. 26.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Bebauungspläne entfalten auch für sonstige Nutzungen Negativwirkungen insoweit, als durch sie die plangemäße Nutzung verhindert oder erheblich erschwert würde oder die sonstige Nutzung wahrhaft baugebietswidrig ist und die vorhandene Situation mehr als nur geringfügig verschlechtert.</p>
<br /><span class="absatzRechts">64</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>BVerwG, Urteil vom 2. März 1973 - IV C 40.71 -, BVerwGE 42, 30 = Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 1973, 636; Urteil vom 28. April 1978 - 4 C 59.75 -, DVBl 1979, 149.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Eine derart planwidrige Nutzung durch die Durchführung des Volksfestes liegt jedoch nicht vor. Dabei läßt der Senat ausdrücklich offen, ob der Bebauungsplan Nr. 2 A der Stadt Kaarst rechtswirksam oder nichtig ist.</p>
<br /><span class="absatzRechts">66</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 14. Mai 1981 - 9 K 1579/80 -.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Das Volksfest verhindert oder erschwert eine plangemäße Nutzung des reinen Wohngebietes nicht, noch verschlechtert es die Situation des Wohngebietes mehr als geringfügig. Das gilt unabhängig davon, ob wegen der Lage des eigentlichen Festplatzes außerhalb des Wohngebietes die Grundsätze des "gebietsübergreifenden Nachbarschutzes" anwendbar sind,</p>
<br /><span class="absatzRechts">68</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Ernst-Zinkhahn-Bielenberg, a.a.O., § 31 Rdnr. 141; Grauvogel, a.a.O., § 31 Rdnr. 25, Gelzer, Bauplanungsrecht, Rdnr. 837,</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">oder ob wegen der mit der Veranstaltung verbundenen Inanspruchnahme von Parkplätzen innerhalb des Wohngebietes angeommen werden muß, das Volksfest finde jedenfalls teilweise im Wohngebiet statt.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Die Veranstaltung des ... Volks- und Heimatfestes 1981 in der Nähe oder innerhalb des den Restplatz umschließenden Wohngebietes steht nicht in erheblichem Widerspruch zur Eigenart dieses Gebietes. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, daß das Volksfest lediglich ein- oder zweimal im Jahr für wenige Tage stattfindet. Angesichts der zeitlich beschränkten Auswirkungen kann eine erhebliche Verschlechterung der Situation nur dann vorliegen, wenn das Gebiet besondere Wohnruhe gewährleistet und dadurch schon Störungen geringeren Umfangs die Wohnlage fühlbar entwerten. Das ist jedoch nicht der Fall. Nach Lage und Umgebung handelt es sich nicht um einen Bereich, der sich durch absolute Wohnruhe und verkehrsarme Straßen auszeichnet. Die plangemäße Nutzung des Festplatzes als Schulsportgelände und Verkehrsgarten führt tagsüber zu Lärmbelästigungen, die zwar in ihrem Ausmaß geringer sind als die von einem Volksfest ausgehenden, dafür jedoch nahezu das ganze Jahr über regelmäßig wiederkehren. Das Wohngebiet befindet sich zudem in unmittelbarer Nähe erheblich befahrener Verkehrswege (Bundesautobahn A 52, Landstraße L 154), die ein absolut ruhiges Wohnen nicht zulassen.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Das Ergebnis ändert sich nicht, wenn der Bebauungsplan 2 A der Stadt Kaarst nichtig ist. Im unbeplanten Innenbereich (vgl. § 34 BBauG) besteht Nachbarschutz nur insoweit, als der Eigentumsschutz des Nachbarn berührt und seine Grundstückssituation schwer und unerträglich verschlechtert wird.</p>
<br /><span class="absatzRechts">72</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Ernst-Zinkhahn-Bielenberg, a.a.O., § 34 Rdnr. 85, m.w.N.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Entsprechend den Ausführungen zur planwidrigen Nutzung des Festplatzes ist für eine derart schwerwiegende Beeinträchtigung nichts ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Aus dem in § 34 BBauG wurzelnden Gebot der Rücksichtnahme,</p>
<br /><span class="absatzRechts">75</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>BVerwG, Urteil vom 13. März 1981 - 4 C 1.78 -, Baurecht 1981, 354; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW), Urteil vom 21. April 1983 - 11 A 424/82 -,</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">schließlich ergibt sich ebenfalls nichts zugunsten der Kläger. Die in diesem Zusammenhang an Hand des Kriteriums der Zumutbarkeit vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, daß der Beklagte auch unter Berücksichtigung schutzwürdiger Belange der Nachbarschaft nicht rücksichtslos handelt, wenn er ein- bis zweimal im Jahr ein Traditionsfest in einem dazu aufgrund der Gesamtsituation nicht gänzlich ungeeigneten Wohngebiet veranstaltet.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Die Festsetzungsverfügung vom 5. Juni 1981 war jedoch rechtswidrig und verletzte die Kläger in ihren Rechten, weil die Veranstaltung wegen ihrer täglichen Dauer erheblich die öffentliche Sicherheit störte. Der mit der Durchführung des Volksfestes verbundene Lärm zur Nachtzeit bedeutete einen schweren Verstoß gegen §§ 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 LImSchG NW, den der Beklagte zum Schütze der Kläger durch eine andere Öffnungszeitenregelung hätte eindämmen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Nach § 9 Abs. 1 LImSchG NW sind Inder Zeit von 22 bis 6 Uhr Betätigungen verboten, welche die Nachtruhe zu stören geeignet sind. § 10 Abs. 1 LImSchG NW verbietet es, Geräte, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen (Musikinstrumente, Tonwiedergabegeräte und ähnliche Geräte), in einer Lautstärke zu betreiben, daß unbeteiligte Personen gestört werden.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">§§ 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 LImSchG NW sind nachbarschützend. Das folgt aus dem Zweck dieser Vorschriften. Die Beseitigung nächtlicher Lärmquellen und die Drosselung der Geräuschentwicklung schallerzeugender Geräte liegt in erster Linie im Interesse der durch den Lärm unmittelbar betroffenen Umgebung.</p>
<br /><span class="absatzRechts">80</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Vgl. Oberlandesgericht Köln, Beschluß vom 28. Oktober 1977, Ss 726 Bz/77, Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR) 1978, S. 250; zum alten Recht vgl. Wiethaup, Lärmbekämpfung in der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1967, S. 162.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Der auf die Nachbarschaft bezogene Schutzzweck des Landesimmissionsschutzgesetzes hat im übrigen durch die Verweisung der §§ 1, 2 LImSchG NW auf § 3 BImSchG auch gesetzlich Ausdruck gefunden.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 9 Abs. 1 LImSchG NW war die Durchführung des unzweifelhaft mit ruhestörendem Lärm verbundenen Volksfestes über 22 Uhr hinaus verboten. Zusätzlich war gemäß § 10 Abs. 1 LImSchG NW die Benutzung von Musikinstrumenten und Tonwiedergabegeräten auf dem Veranstaltungsplatz jedenfalls zur Nachtzeit grundsätzlich unzulässig. Da nach dem Inhalt der festgesetzten Öffnungszeiten das Volksfest an allen Veranstaltungstagen länger als 22 Uhr andauerte, lag grundsätzlich ein Verstoß gegen die Rechtsordnung und damit eine Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO vor.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Etwas anderes gilt nur dann, wenn im gleichen zeitlichen Umfange wie die festgesetzten Öffnungszeiten eine Ausnahme nach den §§ 9 Abs. 2 Satz 2, 10 Abs. 3 LImSchG NW zugelassen werden konnte.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Die Befugnis zu einer Ausnahme im Umfang der für 1981 festgesetzten Öffnungszeiten bestand jedoch nicht. Dabei kann offen bleiben, ob eine Ausnahmegenehmigung überhaupt beantragt worden ist und ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 9 Abs. 2, 10 Abs. 3 LimSchG NW vorlagen. Bei der über den Umfang der Ausnahme im Rahmen der Ermessensausübung vorzunehmenden Interessenabwägung hat der Beklagte die Interessen an der Durchführung des Volksfestes zur Nachtzeit in unvertretbarer Weise überbewertet und damit von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (vgl. § 114 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen der Ermessensentscheidung über eine Ausnahme nach den §§ 9 Abs. 2 Satz 2, 10 Abs. 3 LImSchG NW ist der ungestörten Nachtruhe im Hinblick auf den Gesundheitsschutz der Bevölkerung ein hohes Gewicht beizumessen.</p>
<br /><span class="absatzRechts">86</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Vgl. Boisser-Oels-Hansmann-Schmitt, a.a.O., LImSchG NW, § 9 Rdnr. 3.1.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Das entspricht nicht nur der gesetzgeberischen Absicht, sondern auch den Bedürfnissen der modernen Arbeits- und Freizeitwelt. Mit dem allgemein gestiegenen alltäglichen Lärmpegel geht die Notwendigkeit einher, wenigstens die Nachtruhe nach Möglichkeit ungestört zu lassen. Das gilt insbesondere innerhalb oder in der Nähe reiner Wohngebiete. Selbst wenn Wohngebiete tagsüber bis zu einem gewissen Grade lärmvorbelastet sind, herrscht dort nachts besondere Stille. Im vorliegenden Fall ist das nicht anders. Schulsport oder Verkehrsunterricht finden nur tagsüber statt und auch der Lärm der Verkehrswege ebbt nachts deutlich ab. Angesichts dieser Umstände durfte der Beklagte Ausnahmen von der Wahrung der Nachtruhe nicht weitergehend zulassen, als dies bei Abwägung mit dem Veranstaltungsinteresse des Volksfestes unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit unvermeidbar erschien.</p>
<br /><span class="absatzRechts">88</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Vgl. zu den Auswirkungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf hoheitliche bewirkte Immissionen: OVG NW, Urteil vom 10. September 1982 - 15 A 654/79 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1983, 356 (357) m.w.N.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Öffnungszeiten, wie sie der Beklagte im Rahmen der Festsetzung des ... Volks- und Heimatfestes 1981 gewählt hat, waren auch zu den in der Begründung des Bescheides genannten Zwecken nicht unvermeidbar. Der Beklagte hat eine sehr weitgehende Regelung getroffen und, wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, an vier Tagen hintereinander die Nachtruhe, noch dazu überwiegend in Nächten vor oder zwischen Arbeitstagen, (unter Einrechnung der Dauer des Auflösungslärms einer Veranstaltung wie der vorliegenden) auf drei bis vier Stunden verkürzt. Damit vernachlässigte der Beklagte die Belange der Nachbarn für die Dauer des Festes nahezu vollständig, ohne daß sachliche Gründe mit erheblichem Gewicht dies stützen konnten. Die von dem Beklagten vorgetragenen bürgerverbindenden Aufgaben eines Volksfestes lassen sich auch zur Tages- oder Abendzeit erfüllen, insbesondere, wenn das Fest vier Tage lang andauert. Was den Gesichtspunkt der Traditionspflege angeht, ist festzuhalten, daß Tradition und Brauchtums sich den veränderten Lebensbedingungen anpassen und auf die besondere Schutzbedürftigkeit einer enger zusammengerückten Wohnbebauung Rücksicht nehmen müssen. Ob dies auch dann gilt, wenn dadurch die Pflege des Brauchtums in ihrem Kern getroffen wird, kann offen bleiben. Dafür ist, jedenfalls was die Auswirkungen verkürzter Öffnungszeiten angeht, vorliegend nichts ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Die Störung der öffentlichen Sicherheit war auch erheblich im Sinne des § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO. Die Veranstaltung beeinträchtigt angesichts der Intensität und Dauer der Lärmentwicklung die gesetzlich geschützte Nachtruhe nachhaltig. Die Störung wiegt nicht weniger schwer als die Verursachung der durch § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO im übrigen ausdrücklich als Regelbeispiel erwähnten Gefahren für die Gesundheit der Veranstaltungsteilnehmer. Das ergibt sich schon daraus, daß §§ 9 und 10 LimSchG NW selbst der Abwehr von Gesundheitsgefahren dienen. Des Nachweises einer konkreten Gefahr für die Gesundheit der Nachbarn des Festplatzes bedarf es entgegen der Ansicht des Beklagten nicht. §§ 9, 10 LImSchG NW dienen der Abwehr abstrakter Gefahren, die durch Lärm zur Nachtzeit oder durch bestimmte Lärmquellen hervorgerufen werden.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Der Senat ist gehindert, eine Öffnungszeitenregelung für das ... Volks- und Heimatfest 1981 anzugeben, die keine erheblichen Störungen der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO mit sich gebracht hätte. Die Frage der Öffnungszeiten hängt, wiewohl die Festsetzung gewerberechtlich als gebundene Entscheidung ergeht, untrennbar mit der Zulassung einer Ausnahme nach den §§ 9 Abs. 2 Satz 2, 10 Abs. 3 LImSchG NW zusammen, die im Ermessen des Beklagten steht, dem das Gericht nicht vorgreifen darf.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Die rechtswidrige Festsetzung der Öffnungszeiten bewirkte die Rechtswidrigkeit der Festsetzungsverfügung vom 5. Juni 1981 insgesamt. Die Festsetzung einer Marktveranstaltung oder eines Volksfestes nach § 69 GewO ist unteilbar und ohne Regelungen der Öffnungszeiten unvollständig und damit unwirksam.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.</p>
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} | 36 C 276/83 | 1983-07-22T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:43 | 2019-03-27T09:42:21 | Urteil | ECLI:DE:AGNE:1983:0722.36C276.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Beklagte wird verurteilt, zuzustimmen, dass der von ihm zu zahlende Kaltmietzins für die von ihm bewohnte Wohnung im Hause O, K, mit Wirkung ab 01.04.1983 510,61 DM beträgt.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 300,00 DM abzuwenden, wenn nicht der Kläger vorab in gleicher Höhe Sicherheit leistet.</p>
<p>Die Sicherheitsleistung kann auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer westdeutschen Großbank oder Sparkasse erbracht werden.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Mit Mietvertrag vom 30.04.1976, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 5/11 d.A.), hat der Beklagte von dem Kläger eine Wohnung im Hause K in O angemietet. An der angemieteten Wohnung stand dem Regierungspräsidenten in E bis zum 28.02.1983 ein Besetzungsrecht zu.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 30.11.1982, auf das im einzelnen Bezug genommen wird, (Bl. 12, 13 d.A.), begehrte der Kläger von dem Beklagten die Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete von bisher 332,71 DM auf nunmehr 510,61 DM. Der Beklagte hat vorprozessual einer Mieterhöhung um 99,84 DM, d.h. um 30 % zugestimmt. Im übrigen hat er die Abgabe der Zustimmungserklärung unter Hinweis auf die Kappungsgrenze des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG verweigert.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">wie tenoriert.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte erklärt seine Zustimmung zur Erhöhung des Mietzinses von 332,71 DM auf 432,52 DM, beginnend ab dem 01.05.1983.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Im übrigen beantragt er,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Klage ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht gemäß § 2 I MHG in der seit dem 01.01.1983 geltenden Fassung ein Anspruch auf Zustimmung zu einer Anhebung des monatlichen Nettokaltmietzinses auf insgesamt 510,61 DM zu. Der vom Kläger verlangte Mietzins übersteigt die in der Stadt O für nicht preisgebundenen Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung und M gezahlten üblichen Entgelte nicht.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Nach dem Neusser Mietpreisspiegel (Stand Dezember 81), der dem Zustimmungsanspruch gemäß § 2 VI MHG zu Grunde zu legen ist, beträgt der Mittelwert vergleichbarer Wohnungen 6,30 qm. Der von dem Kläger beanspruchte Mietzins von 5,97 DM/qm liegt deutlich unter diesem Mittelwert.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist nicht berechtigt, seine Zustimmung unter Hinweis auf § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG zu verweigern, denn diese Regelung ist auf das Mieterhöhungsverlangen des Klägers nicht anzuwenden. Die Frage, ob die neu eingeführte 30 % Kappungsgrenze bei der erstmaligen Mieterhöhung nach Ablauf der Preisbindung gilt oder nicht, ob also der Vermieter nur die Zustimmung zu einer Erhöhung der früheren Kostenmiete (nach Herausrechnung der Betriebskosten) um maximal 30 % verlangen kann oder ob ihm gegebenenfalls ein Anspruch auf unmittelbare und stufenlose Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete zusteht, wird in Rechtsprechung und Literatur - sofern das Problem überhaupt gesehen wird - unterschiedlich beantwortet. Für eine uneingeschränkte Geltung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG haben sich ausgesprochen: Landfermann "Das Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen 1983, Seite 41; Heitgreß WM 83, 44 ff; Merkl WM 83, 99, 101; Hemming WM 83, 183 f; im Ergebnis Köhler ZMR 83, 217, 218; unklar Sternel ZMR 83, 73, 74; offen gelassen bei Barthelmess WM 83, 63, 64.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Anwendbarkeit der Kappungsgrenze wird demgegenüber verneint von:</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">AG O - 36 C 566/82 -, Teilurteil vom 04.03.1983 in WM 83, 114; AG O - 50 C 228/83 -, Urteil vom 06.07.83; Vogel-Welter NJW 83, 432, 433; Blümmel GrundE 83, 144, 145; Gelhaar DWW 83, 58, 60 f; Deggau BlGBW 83, 81, 82 f.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Das erkennende Gericht hält an seiner mit Teil-Urteil vom 04.03.1983 (WM 83, 114) begründeten Rechtsprechung fest. Danach ist § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG restruktiv dahingehend auszulegen, dass die 30%-Klausel auf die erstmalige Mieterhöhung nach Wegfall der Preisbindung keine Anwendung findet. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist dabei der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (grundlegend BGHZ 46, 74, 76). Die Beachtung dieser Grundsätze führt zu dem Ergebnis, dass § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG lediglich Mieterhöhungen innerhalb des Systems der ortsüblichen Vergleichsmiete erfasst.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Dieses Resultat lässt sich allerdings nicht bereits aufgrund einer Wortauslegung der Gesetzesbestimmung erzielen. Insoweit ist den Befürwortern einer umfassenden Geltung der 30%-Schranke zuzugeben, dass der Wortlaut des Gesetzes eine Einschränkung des Geltungsbereichs bei Übergang von der Kostenmiete zur ortsüblichen Vergleichsmiete nicht enthält (Heitgreß, a.a.O., Seite 45 a.E.; Köhler a.a.O., Seite 218 a.E.; Hemming a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Entgegen Köhler zwingt der Gesetzeswortlaut aber auch nicht dazu, die Kappungsgrenze unbeschränkt auf jedes Mieterhöhungsbegehren anzuwenden. Dies zeigt sich bereits darin, dass Erhöhungen gemäß §§ 3 bis 5 MHG aus dem Geltungsbereich ausdrücklich ausgenommen sind.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Sinnzusammenhang der gesetzlichen Regelung verbietet es jedoch, die Kappungsgrenze unterschiedslos auch auf solche Mieterhöhungsverlangen anzuwenden, die erstmals nach Beendigung der Preisbindung gestellt werden. Wie § 10 III Ziffer 1 MHG ausdrücklich anordnet, ist der Anwendungsbereich der §§ 1 bis 9 MHG auf Mietverhältnisse über preisfreien Wohnraum beschränkt. Grundgedanke dieser Regelung ist es, Mietsteigerungen bei freifinanziertem Wohnraum zu begrenzen (vgl. Gelhaar a.a.O.). Dieses gesetzgeberische Ziel wird dadurch verwirklicht, dass die Vergleichsmietenregelung die frei vereinbarte, marktorientierte Miete voraussetzt, mithin Erstmieten schon begrifflich dem Regelungsbereich des Gesetzes nicht unterliegen. Mit Ablauf der Preisbindungen fällt die Sperrwirkung des § 10 III Ziffer 1 MHG und der Vermieter ist, wenn er den Mietzins für die unmittelbar an das Ende der Preisbindung anschließende Zeit erhöhen will, an die Einhaltung des Zustimmungsverfahrens gemäß § 2 MHG gebunden (vgl. KG WM 82, 102, 103; OLG I WM 80, 262). Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die bisherige Kostenmiete zwar eine vereinbarte Miete ist (AG O WM 83, 114), wegen ihrer Bindung an preisrechtliche Vorschriften und ihrer fehlenden Marktorientiertheit gleichwohl nicht als frei zustande gekommene Miete im Sinne des § 2 MHG angesehen werden kann (vgl. auch Schade-Schubert-Wienecke, Wohn- und Mietrecht 1983, § 2 MHG, Anm. 4). Für die Auslegung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG bedeutet das, dass die bisherige Kostenmiete wie eine Erstmiete zu behandeln ist. Erstmieten werden aber von der Kappungsgrenze nicht erfasst (Barthelmess WM 83, 63, 64; im Ergebnis ebenso Gelhaar a.a.O.; Deggau a.a.O.). Auch der Schutzgedanke der neu eingeführten 30 %-Klausel, zu verhindern, dass die mit der Neufassung des Gesetzes bezweckte allgemeine Mietsteigerung in Einzelfällen ein zu starkes Ausmaß annimmt, vermag die Einbeziehung der ersten Mietanhebung nach der Preisfreigabe nicht zu rechtfertigen (so aber Hemming a.a.O.; Merkl a.a.O.; Heitgreß a.a.O.). Denn die über § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG nur stufenweise mögliche Angleichung des Mietzinses an die ortsübliche Vergleichsmiete ist letztlich auf den Umstand zurückzuführen, dass der Vermieter - aus welchen Gründen auch immer - sich in der Vergangenheit aufgrund eigener Entscheidung mit einem weit unter der erzielbaren Marktmiete liegenden Mietzins begnügt und hierdurch seinem Mieter Veranlassung gegeben hat, sich in seinen Dispositionen auf eine billige Miete einzurichten (so Klas WM 83, 98). Diese Ausgangslage ist mit derjenigen eines Vermieters, der aufgrund der Preisbindung lediglich die Kostenmiete verlangen konnte, nicht zu vergleichen. Gerade weil er auf die Festsetzung der Kostenmiete keinen Einfluss hat, wäre er durch die Regelung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG besonders hart betroffen. Dass dies vom Gesetzgeber mit der Einführung der Kappungsgrenze nicht beabsichtigt war, liegt auf der I2 (AG O - 50 C #####/####-, Urteil vom 06.07.83).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass der Gesetzgeber bewusst keine Unterscheidung zwischen einer niedrigen Miete bei von Anfang an preisfreiem Wohnraum und einer niedrigen Miete aufgrund früherer Preisbindung gemacht habe (so aber Hemming a.a.O., Seite 183). Weder die amtliche Begründung, noch die Gesetzesmaterialien lassen diesen Rückschluss zu. Aus dem Schweigen des Gesetzgebers muss vielmehr entnommen werden, dass er dieses Problem nicht erkannt hat. So ist auch die Stellungnahme des Bundesbauministeriums zu verstehen, dass die Mieterhöhungsgrenze dann nicht anwendbar ist, wenn bei einer Sozialwohnung die Bindungsfristen abgelaufen sind und erstmals die Marktmiete verlangt wird (zitiert nach "Die X2" vom 04.07.83). Im gleichen Sinne hat sich der an den Gesetzesberatungen beteiligte wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Dr. H geäußert. Er meint sich nach einer Information der FAZ (vom 25.06.1983) zu erinnern: "Wir haben nicht daran gedacht."</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Bei der Auslegung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG ist darüber hinaus zu beachten, dass grundsätzlich diejenige Auslegung den Vorzug verdient, die einer Wertentscheidung der Verfassung besser entspricht (Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung). Auch eine verfassungskonforme Auslegung führt vorliegend zur Nichtbeachtung der Kappungsgrenze, denn die unterschiedslose Anwendung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG auf das erste Mieterhöhungsverlangen nach Wegfall der Preisbindung schränkt den Vermieter in seiner verfassungsrechtlich durch Artikel 14 I GG geschützten Eigentümerposition in unzumutbarer und die Grenzen der Sozialbindung übersteigender Weise ein (AG O WM 83, 114; Blümmel a.a.O.; Vogel-Welter a.a.O.; Gelhaar a.a.O.; Deggau a.a.O.). Das Gericht verkennt nicht, dass das Eigentum gemäß Artikel 14 GG in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht. Dabei zeichnet sich das Privateigentum in seinem rechtlichen Gehalt durch Privatnützlichkeit und grundsätzliche freie Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand aus, sein Gebrauch soll aber zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen (vgl. BVferG NJW 74, 1499). Ebensowenig wie aber die Eigentumsgarantie eine die soziale Funktion eines Eigentumsobjekts mißachtende Nutzung schützt, kann Artikel 14 II GG eine übermäßige durch die soziale Funktion nicht mehr gebotene Begrenzung privatrechtlicher Befugnisse rechtfertigen. Letztere ist hier darin zu sehen, dass die uneingeschränkte Handhabung der 30 %-Mieterhöhungsgrenze für den Vermieter einer ehemals preisgebundenen Wohnung praktisch zu einem Mietpreisstop auf lange Sicht und einer Beseitigung des rechtlichen Anspruchs auf die ortsübliche Vergleichsmiete führt. Köhler (a.a.O.) weist zu Recht darauf hin, dass das Maß der Sozialpflichtigkeit des Eigentums schon durch die §§ 15 ff WoBindG gesetzlich geregelt ist und insbesondere die 8-jährige Wartefrist für die Mietfreigabe bei vorzeitiger Rückzahlung der öffentlichen Mittel bereits einen Maßstab gesetzt hat, der durch die schrankenlose Geltung der Kappungsgrenze den Vermieter in verfassungswidriger Weise benachteiligen würde. Die Gegenmeinung berücksichtigt zudem nicht in ausreichender Weise, dass der Kostenmiete für Verwaltungs- (§ 26 II BV) und Instandhaltungskosten (§ 28 II. BV) Pauschalbeträge zu Grunde liegen, die in der Regel nicht ausreichen, um die anfallenden Aufwendungen zu decken. Insbesondere die Instandhaltungspauschale ist so niedrig angesetzt, dass gerade die bei älteren Sozialwohnungen auftretenden Instandhaltungsarbeiten nicht finanziert werden können (so ausdrücklich Gelhaar a.a.O.). Soweit demgegenüber Hemming (a.a.O., Seite 184) argumentiert, der Reparaturbedarf eines Gebäudes sei in den ersten 15 bis 20 Jahren ziemlich gering, hat die hiesige gerichtliche Erfahrung gezeigt, dass gerade auch bei 15 bis 20 Jahre alten Sozialbauten größere Instandhaltungsarbeiten häufig anfallen. Darüber hinaus kann bei der Abwägung der von Artikel 14 GG geschützten Interessen nicht außer Acht gelassen werden, dass der Vermieter insbesondere von älteren Sozialbauten einen zumeist nicht unerheblichen Teil der darlehensweise erhaltenen öffentlichen Mittel zurückgezahlt und insoweit Eigenkapital gebildet hat, das - wenn überhaupt - ebenso wie das von ihm als Bauherr zur Verfügung gestellte Anfangskapital nur ganz geringfügig verzinst wird und dass der Grund- und Bodenwert zum Nachteil des Vermieters stets äußerst gering angesetzt worden ist (Gelhaar a.a.O.). Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Vermieter preisgebundenen Wohnraums erhalte über die Kostenmiete von Anfang an eine Verzinsung seines eingesetzten Kapitals in Höhe von 4 %, soweit der Eigenkapitalanteil 15 % der Kosten nicht übersteige und für den 15 % übersteigenen Eigenanteil könne er sogar eine Verzinsung in Höhe des marktüblichen Zinssatzes für erste Hypotheken ansetzen, sofern die öffentlichen Mittel vor dem 01.01.74 bewilligt worden seien (so aber Hemming a.a.O., Seite 183). Denn allein hierdurch wird dem Vermieter eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung seines Eigentums noch nicht ermöglicht. Dies soll anhand eines Beispiels für den Raum E verdeutlicht werden. Die Kostenmiete für Sozialwohnungen, die in den 50er und 60er Jahren errichtet worden sind, beträgt derzeit 2,80 DM bis knapp 4,00 DM/qm und ist zuletzt 1979 erhöht worden. Demgegenüber liegt der ortsübliche Mietzins für vergleichbaren, preisfreien Wohnraum zwischen 7,00 und 7,50 DM/qm. Liefe die Nachwirkungsfrist infolge vorzeitiger Rückzahlung der öffentlichen Mittel beispielsweise Ende 1985 aus, dann könnte der Vermieter bei Anwendung der Kappungsgrenze und einer angenommenen bisherigen Kostenmiete von 3,00 DM/qm, den Mietzins von 1986 auf maximal 3,90 DM/qm anheben, 1989 auf 5,07 DM/qm und von 1992 an auf 6,59 DM/qm. Bei einer durchschnittlichen Wohnungsgröße von ca. 70 qm und gleichbleibender ortsüblicher Vergleichsmiete entspräche dies bereits einem Einkommensverlust (ohne Verzinsung) von mindestens 3.360,00 DM pro Jahr und Wohnung (70 qm x 4,00 DM x 12). Der Vermieter wäre demnach auf Jahre hinaus an einer wirtschaftlich sinnvollen Nutzung seines Eigentums gehindert und im Kernbereich seiner verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsposition betroffen. Die Bindung des Vermieters ehemals preisgebundenen Wohnraums an § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG steht zudem in Wertungswiderspruch zu dem in § 16 WoBindG zum Ausdruck gekommenen objektivierten Willen des Gesetzgebers. T und Zweck der vorzeitigen Rückzahlung der öffentlichen Mittel ist es nämlich, den Bestand der Sozialwohnungen allmählich in marktwirtschaftliche Verhältnisse zu überführen (vgl. Fischer-E2/Pergande/Schwender, § 16 WoBindG (1982 f.), Anm. 2.1). Dieser Anreiz für die vorzeitige Ablösung öffentlicher Mittel entfiele aber, wenn der Vermieter nach Ablauf der Nachwirkungsfrist gleichwohl an die Kappungsgrenze gebunden bliebe. Dafür, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG eine derart einschränkende wohnungspolitische Zielvorstellung durchsetzen wollte, sind keinerlei Anhaltspunkte erkennbar. Vielmehr ist es das erklärte Ziel des Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen, die Investitionsbereitschaft der Vermieter zu fördern und den Mietwohnungsbau anzukurbeln (vgl. BTDrucks 9/2079/Seite 7 ff).</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Den Interessen des Mieters wird bei dieser Auslegung in ausreichender Weise dadurch Rechnung getragen, dass ihm die Möglichkeit offen steht, bei finanziell übermäßigen Belastungen Wohngeld zu beantragen. Dass das Wohngeld vom Gesetzgeber in nur unzureichender Weise erhöht und der Kreis der Wohngeldberechtigten beschränkt worden ist, kann nicht zu Lasten des Vermieters gehen, denn Artikel 14 GG verbietet es, gesetzgeberische Fehlentscheidungen auf dem Rücken des Vermieters einer früher preisgebundenen Wohnung auszutragen. Als weitere Möglichkeit, sich für ihn nicht tragbaren Mietbelastungen zu schützen, verbleibt dem Mieter immer noch die Möglichkeit der Kündigung gemäß § 9 II MHG.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die danach vorzunehmende einschränkende Auslegung des § 2 I Satz 1 Ziffer 3 MHG gilt auch für solche Wohnungen, für die ein Wohnbesetzungsrecht der öffentlichen I2 zu Gunsten öffentlich Bediensteter bestand. Zwar unterfallen diese Wohnungen grundsätzlich nicht den Regelungen des Wohnungsbindungsgesetzes (vgl. § 6 II c WoBauG i.V.m. § 1 III b WobindG), denn der Gesetzgeber wollte der öffentlichen I2 zur vertraglichen Gestaltung bei der Förderung dieser Bauvorhaben einen größeren Spielraum lassen (so Deggau a.a.O., Seite 83). Es besteht jedoch Einigkeit, dass auch diese Wohnungen als preisgebunden zu betrachten sind. Der Vermieter einer Wohnung, bei der - wie es hier der Fall ist - ein Belegungsrecht des Regierungspräsidenten besteht, bzw. bestand, befindet sich in derselben rechtlichen und wirtschaftlichen Situation wie der Eigentümer preisgebundenen Wohnraums, denn auch für ihn gilt die Kostenmiete als preisrechtlich zulässige Obergrenze (vgl. Deggau a.a.O.; Sternel, Mietrecht, 2. Aufl., III. 59; AG O a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Nach alledem war der Klage in vollem Umfange stattzugeben.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Für die Anwendung des § 93 ZPO bestand kein Raum, da der Beklagte das im Prozess erklärte Anerkenntnis bereits vorprozessual abgegeben hatte und die Parteien allein noch über die Berechtigung des weitergehenden Mietzinsanspruches streiten.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Streitwert: 937,08 DM (12 x 78,09 DM).</p>
|
315,737 | lg-arnsberg-1983-07-18-1-o-12983 | {
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"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 1 O 129/83 | 1983-07-18T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:44 | 2019-03-27T09:42:21 | Urteil | ECLI:DE:LGAR:1983:0718.1O129.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld von 2.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23.03.1983 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtstreits trägt zu 84 % der Kläger; zu 16 % tragen sie die Beklag-ten.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung von 2.600,-- DM und für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung von 2.300,-- DM vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger begehrt vollen Ersatz des ihm durch einen Verkehrsunfall vom 13.01.1981 gegen 12:15 Uhr entstandenen materiellen Schadens sowie ein weiteres Schmerzensgeld.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger, der ein Abschleppunternehmen betreibt, war zum Unfallzeitpunkt beauftragt, in F.-W. ein verunfalltes Kraftfahrzeug der Firma des Beklagten zu 1) zu bergen. Er hängte das Kraftfahrzeug hinter seinen Abschlepp-LKW, Typ P. C., amtliches Kennzeichen XX-XX 000, indem er mit einer Seilwinde die vorderen Räder des PKW anhob. Nachdem dies geschehen war, holte er das Warndreieck ein. Dieses hatte er zur Absicherung vor einer unübersichtlichen Rechtskurve aufgestellt, die in Fahrtrichtung des Abschleppgespanns gesehen sich hinter diesem befand. Das abzuschleppende Fahrzeug ragte zu diesem Zeitpunkt vom rechten Straßenrand aus zu 0,90 m in die Fahrbahn und das Abschleppfahrzeug wegen seiner größeren Breite zu 1,10 m der insgesamt 5,60 m breiten Straße. Als sich der Kläger, nachdem er das Warndreieck eingeholt hatte, nochmals zwischen die Fahrzeuge begab, um die Anhängung zu kontrollieren, näherte sich von hinten aus der Kurve der Beklagte zu 1) mit seinem PKW, Typ E., amtliches Kennzeichen XX-X 000, das bei der Beklagten zu 2) pflichtversichert ist. Wegen Gegenverkehrs konnte er das Gespann nicht überholen und wegen Schneeglätte nicht rechtzeitig halten. Er prallte mit seinem Fahrzeug gegen das linke überstehende Heck des Abschleppfahrzeuges, wodurch auch sein Fahrzeug beschädigt wurde. Der Kläger wurde durch den Aufprall zwischen dem Abschleppfahrzeug und dem angehängten Fahrzeug eingeklemmt und schwer verletzt. Dem Beklagten zu 1) war nicht bekannt, dass hinter der Kurve ein Fahrzeug seiner Firma geborgen wurde. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger erlitt einen Fahrzeugschaden einschließlich Gutachterkosten und einer Auslagenpauschale von insgesamt 4.355,26 DM, den die Beklagte zu 2) zu 2/3 regulierte. Er errechnete sich desweiteren für Aushilfskräfte, die er eingestellt haben will, Unkosten von 12.240,40 DM und ließ sich hierauf Verletztengeld und Renten durch die Berufsgenossenschaft in Höhe von 9.202,40 DM. Die Beklagte zu 2) zahlte ein Schmerzensgeld von 9.400,-- DM, wobei sie ein Mitverschulden von 1/3 berücksichtigte.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger behauptet, der Unfall habe sich weit mehr als 30 m hinter der Kurve ereignet. Die zur Zeit des Unfallgeschehens fehlende Absicherung der Unfallstelle sei nicht kausal geworden. Der Beklagte zu 1) habe vielmehr das Gespann hinter der Kurve rechtzeitig erkannt gehabt und hätte rechtzeitig vor dem Hindernis anhalten können. Er habe sich stattdessen aber entschlossen zu überholen und sei dazu bereits ausgeschert, als er den Gegenverkehr erkannt habe. Nunmehr sei der Unfall nicht mehr abzuwenden gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn</p>
<span class="absatzRechts">8</span><ol class="absatzLinks"><li>4.489,75 DM nebst 12 % Zinsen seit dem 20.03.1982 zu zahlen.</li></ol>
<span class="absatzRechts">9</span><ol class="absatzLinks" start="2"><li>Über den bereits gezahlten Betrag von 9.400,-- DM hinaus ein weiteres Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einschließlich des gezahlten Betrages 50.000,-- DM aber nicht unterschreiten soll, nebst 12 % Zinsen seit Klagezustellung – 23.03.1983 – zu zahlen.</li></ol>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 1)sei etwa 40 km/h und damit vorsichtig gefahren. Der Aufprall habe sich etwa 30 m hinter der unübersichtlichen Kurve ereignet. Sie halten nunmehr ein Mitverschulden von 50 % für gerechtfertigt. Sie bestreiten, daß der Kläger Bankkredit in Anspruch nehme.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Zur weiteren Sachdarstellung im übrigen wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Kammer hat Beweis erhoben über den Unfallhergang durch nichteidliche Vernehmung der Zeugen T., I., X., C. und U., Inaugenscheinnahme der von den unfallaufnehmenden Polizeibeamten gefertigten Lichtbilder und der Verkehrsunfallskizze (Blatt 4-7 der Ermittlungsakte 3 Ds 20 Js 58/81 StA Arnsberg) sowie durch Ortsbesichtigung.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27.06.1983 verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist hinsichtlich des Schmerzensgeldantrages nur teilweise und im übrigen nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten haften dem Kläger, wie sie auch selbst einräumen, grundsätzlich als Gesamtschuldner auf Ersatz des diesem entstandenen materiellen und immateriellen Schadens, §§ 823 Abs. 1, 847 BGB i. V. m. § 3 Ziffer 1 und 3 PflVG, wobei sich der Kläger sein Mitverschulden anspruchsmindernd anrechnen zu lassen hat, § 254 Abs.1 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten können allerdings keinen Mitverschuldensbeitrag, der 1/3 übersteigt, mehr geltend machen, weil sie einen eigenen Verursachungsbeitrag von 2/3 bereits anerkannt hatten. Hieran sind sie als Folge dieses sog. Deklaratorischen Anerkenntnisses gebunden. Die Beklagten wenden im übrigen jedoch zu Recht ein, daß sich bei der gebotenen Abwägung der beiderseits wirksam gewordenen Betriebsgefahr der Fahrzeuge sowie des beiderseitigen Verschuldens auf Seiten des Klägers ein anrechenbares Mitverschulden von 1/3 ergibt. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Den Beklagten zu 1) trifft ein erhebliches Verschulden. Er hat seine Geschwindigkeit entgegen § Abs. 1 StVO nicht den erschwerten Straßenverhältnissen angepaßt. Jeder Kraftfahrzeugführer hat seine Geschwindigkeit so zu wählen, daß er auch bei schwierigen Straßenverhältnissen innerhalb der übersehbaren Strecke halten kann, § 3 Abs. 1 StVO. Hiergegen hat der Beklagte zu 1) nach eigenem Vorbringen verstoßen. Er hat sich, wie er – persönlich gehört – erklärt hat, zum Überholen des Gespanns allein deshalb entschlossen, weil es ihm wegen der Straßenverhältnisse nicht möglich war, rechtzeitig vor dem Hindernis anzuhalten. Er hatte sich somit auf dieses nicht eingestellt. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Den Kläger trifft zunächst die Betriebsgefahr seines Gespanns, die erhöht ist, weil es sich um einen LKW handelt und weil das Gespann noch innerhalb des Gefahrenbereichs der unübersichtlichen Kurve die Fahrspur zu mehr als 1/3 versperrte und auch nicht abgesichert war. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat auch fahrlässig gehandelt. Er war verpflichtet, das Gespann abzusichern. Zwar war sein Fahrzeug nicht liegengeblieben i. S. d. § 15 StVO, jedoch durfte er an der Unfallstelle grundsätzlich nicht halten, § 12 Abs. 1 Ziffer 1 und 2 StVO. Denn diese befindet sich – wie noch ausgeführt wird – im Bereich einer unübersichtlichen und scharfen Kurve. Wenn er ausnahmsweise gezwungen war, hier zu halten, um das liegengebliebene Fahrzeug zu bergen, mußte er, falls diese nicht bereits ordnungsgemäß abgesichert war, sein Fahrzeug absichern. Hierzu war es wegen der Kurve erforderlich, vor dieser ein Warndreieck aufzustellen. Der Kläger hat seine Verpflichtung auch selbst zutreffend erkannt und ein Warndreieck aufgestellt. Fahrlässig hat er sich jedoch insoweit verhalten, als er das Warndreieck eingeholt hat, bevor das gefährliche Hindernis hinter der Kurve beseitigt war und er zudem nach dem Einholen des Warndreiecks nicht sofort sein Fahrzeug bestiegen hat und losgefahren ist, sondern sich nochmals zwischen das Gespann begeben hat, um die Anhängung zu kontrollieren. Der Kläger hätte die Gefahr wesentlich entschärft, wenn er das Gespann zunächst nur 30 m vorgezogen hätte.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger kann auch nicht in seiner Ansicht gefolgt werden, die fehlende Absicherung sei nicht kausal geworden, weil das Gespann nicht mehr in dem durch die Unübersichtlichkeit der Kurve gefährdeten Bereich befunden habe. Dem steht das Ergebnis der Beweisaufnahme entgegen. Die Zeugen I. und T. bestätigen vielmehr die Darstellung des Beklagten zu 1), daß es der geringe Abstand des Hindernis hinter der Kurve dem Beklagten zu 1) im Hinblick auf die Straßenverhältnisse und die von ihm gewählte Geschwindigkeit nicht erlaubt habe, rechtzeitig vor dem Hindernis anzuhalten, sondern die einzige Möglichkeit darin bestand, das Gespann zu überholen, was jedoch an dem Gegenverkehr scheiterte. Dem entspricht das Ergebnis des Augenscheins. Hiernach war der linke Heckscheinwerferbereich eines anstelle des abgeschleppten Fahrzeuges aufgestellten Fahrzeuges aus einem PKW auf der Fahrspur des Beklagten zu 1) etwa 46 m vorher gerade zu sehen. Hiervon ist zunächst noch die Strecke abzuziehen, bis zu der der Beklagte zu 1) das Hindernis völlig übersehen und sich somit erst auf die Gefahr voll einstellen konnte. Dieser beträgt bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h auf trockener Fahrbahn bei einer angenommenen Bremsverzögerung von 7,0 m/sek.2 bereits 28 m. Durch die Schneeglätte erhöhte sich der Anhalteweg bei einer Geschwindigkeit von 40 km/h und einer angenommenen Bremsverzögerung von 2,5 m/sek.2 auf 36 m. Dies setzt bereits eine Vollbremsung voraus. Nach Auffassung des Gerichts war das Hindernis auch durch den höheren Fahrzeugaufbau des Abschleppfahrzeugs nicht früher zu erkennen. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß einen höheren Fahrzeugaufbau nur das Führerhaus besaß, dieses aber um die Länge der Ladefläche, des Abstandes zwischen den Fahrzeugen und der Länge des abgeschleppten Fahrzeuges weiter vorne stand und somit später in den Sichtbereich geriet.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Bei Abwägung bereits dieser Gegebenheiten hält das Gericht aus Seiten des Klägers ein Mitverschulden von mindestens 1/3 für gerechtfertigt. Hierbei kann dahinstehen, ob der Kläger nicht auch insoweit fahrlässig gehandelt hat, als er das abzuschleppende Fahrzeug nicht auf dem Hof des Zeugen X., wo dieses nach dessen Bekunden stand, angehängt hat.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Den Sachschaden einschließlich Gutachterkosten und Unkosten hat die Beklagte zu 2) auf dieser Haftungsbasis ausgeglichen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfallsschadens ist auf den Sozialversicherungsträger übergegangen, da dieser zu mehr als 2/3 diesem Schaden entsprechende Leistungen erbracht hat, § 1542 RVO.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Ein Schmerzensgeld steht dem Kläger allerdings noch zu. Der Kläger hat lebensgefährliche Verletzungen erlitten, u. a. mehrere Rippenbrüche und einen doppelseitigen Beckenbruch. Es bestand Verdacht auf Beeinträchtigung der Leber und Milz. Desweiteren erlitt er eine Gehirnerschütterung mit Kopfwunden und einen Nasenbeinbruch. Im Beckenbereich lag ein Bruch der rechten Kreuzbeinhälfte sowie des linken Schambeinastes mit Eindellung vor. Er befand sich vom 13.01 bis 11.03.1981 in stationärer Behandlung. Sodann war er bis zum 31.05.1981 zu 100 %, bis zum 13.07.1981 zu 40 %, bis zum 31.07.1981 zu 30 % und bis in das Jahr 1983 hinein zu 20 % erwerbsbehindert. Der Kläger war hierdurch in der Ausübung seines Berufes erheblich beeinträchtigt. Er konnte keine schweren Arbeiten, wie es in seinem Unternehmen notwendig ist, tätigen. Er hat heute noch erhebliche Beeinträchtigungen, was die Bewegungsfähigkeit im Beckenbereich angeht. Er ist wetterfühlig und noch nicht wieder belastbar und hat lange unter erheblichen Schmerzen gelitten. Diese erheblichen Verletzungen und die lange Genesungszeit rechtfertigt auch ein Schmerzensgeld von weiteren 2.000,-- DM. Hierbei war auch zu berücksichtigen, daß gerade die Verletzung im Schambereich für den am 04.12.1935 geborenen Kläger erhebliche Beeinträchtigungen nach sich zog und noch nach sich zieht. </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die zugesprochenen Zinsen rechtfertigen sich auch § 2912 ZPO. Die Berechtigung höhere Zinsen hat der Kläger nicht dargelegt.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Insoweit war der Klage stattzugeben; im übrigen war sie abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Der Streitwert für den Schmerzensgeldantrag wird gemäß § 3 ZPO auf 7.700,-- DM festgesetzt. Das entspricht der nach dem Klagevortrag angemessenen Summe (vgl. Baumbach-Hartmann, Anhang zu § 3 ZPO "Schmerzensgeld").</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO.</p>
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315,738 | olgham-1983-07-14-17-u-11682 | {
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"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 17 U 116/82 | 1983-07-14T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:46 | 2019-03-27T09:42:20 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1983:0714.17U116.82.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 15. April 1982 so abgeändert:</p>
<p></p>
<p>Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsbeklagte.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543IZPO abgesehen)</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Auf Antrag der Klägerin,<i> </i>dem die Beklagte widersprochen hat, war durch Urteil die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache auszusprechen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Hauptsache hat sich dadurch erledigt, daß aufgrund der freiwilligen Bewilligung der Verfügungsbeklagten eine weitere Vormerkung mit dem gleichen Inhalt ins Grundbuch eingetragen worden ist. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Sodann hat sich die Hauptsache dadurch erledigt, daß die Verfügungsklägerin die Löschung beider Vormerkungen bewilligt hat und die Vormerkungen daraufhin gelöscht worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Hauptsache war für erledigt zu erklären, weil die einstweilige Verfügung bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses berechtigt und damit aufrecht zu erhalten war. Es liegen keine "veränderte Umstände" im Sinne von §§ 927 I, 936 ZPO vor, die eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung gerechtfertigt hätten. Diese liegen entgegen der Auffassung des Landgerichts insb. nicht darin begründet, daß die Verfügungsklägerin die Vollziehungsfrist nach § 927 ZPO nicht gewahrt hätte. Die Verfügungsklägerin hat die ursprünglich vom Amtsgericht durch Beschluß vom 26.1.1981 erlassene einstweilige Verfügung nämlich vollzogen. Sie hat diese zustellen lassen und die Vormerkung binnen 1 Monats beantragt. Diese ist daraufhin auch eingetragen worden. Das war ausreichend. Die Verfügungsklägerin brauchte diese Vollziehung nicht ein zweites Mal zu wiederholen, weil das Landgericht durch Urteil vom 26.6.1981 die einstweilige Verfügung aufgehoben hatte. Zwar hatte dies materiell-rechtlich zur Folge, daß die Vormerkung erlosch. Dies ergibt sich aus § 895 Satz 2 ZPO in entsprechender Anwendung. Es läßt sich darüber hinaus mit dem Bundesgerichtshof (BGH Z 39, 23) aus § 25 S. 1 GBO folgern, bei dessen Anwendung auf § 868 Abs. 1 ZPO Bedacht zu nehmen ist. Das bedeutet, daß dann, wenn aufgrund eines vollstreckbaren Titels eine Zwangshypothek eingetragen war, bei Aufhebung des Titels der Eigentümer des Grundstücks die Hypothek bewirbt. Da es keine Eigentümer-Vormerkung gibt, heißt dies hier sinngemäß, daß die Vormerkung erlischt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Dies bedeutet indes nicht, daß zur Neubegründung eine Neueintragung aufgrund neuen Antrags erforderlich war. Dazu ist zwar gemäß § 885 BGB regelmäßig neben der vom Senat erfolgten Bestätigung der einstweiligen Verfügung die Eintragung nötig, die normalerweise der einstweiligen Verfügung nachfolgt. Hier bestand jedoch zum Zeitpunkt des Senatsurteils am 25.1.1982 die Eintragung der ursprünglichen Vormerkung unverändert fort. Es wäre ein kostenaufwendiger Formalismus, in einem solchen Fall eine erneute Eintragung aufgrund einer entsprechenden Antrags zu verlangen, um eine inhaltlich gleiche Eintragung zu erreichen. Dies würde auch zu einer verwirrenden Doppeleintragung führen. Zwar wird in der Literatur eine solche Forderung gleichwohl erhoben (so offenbar Stein-Jonas-Grunsky, § 929 ZPO, Anm. A. I. 1; Thomas-Putzo, § 929 Anm. 2a ZPO). Dies kann jedoch bereits aus den angeführten Erwägungen heraus nicht überzeugen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Auch Sinn und Zweck der Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO gebieten keine erneute Vollziehung. Die Vollziehungsfrist soll eine Vollstreckung nach Veränderung der Umstände und eine Überrumpelung des Schuldners verhindern (Thomas-Putzo, § 929 Anm. 2a ZPO). </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Umstände haben sich aber nicht verändert, wenn nach zwischenzeitlicher Aufhebung die ursprünglich ergangene einstweilige Verfügung bestätigt wird. Der Schuldner wird auch nicht überrumpelt: er hat die zwischenzeitlich erloschene Vormerkung im Grundbuch belassen und wird dadurch, daß das unrichtig gewesene Grundbuch nunmehr wieder mit der wahren Rechtslage übereinstimmt, nicht überrascht.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Dies wäre nur anders zu beurteilen - und nur so läßt sich auch die Entscheidung des Kammergerichts in RPfl. 1981, 119 verstehen -, wenn der Schuldner in der Zwischenzeit die Löschung im Grundbuch bewirkt hätte. Dann verdient er erneut Schutz durch eine erneute Vollziehungsfrist; dann bedarf es auch zur Neubegründung der Vormerkung der erneuten Eintragung. Bei bestehenbleibender Eintragung entfallen diese Gesichtspunkte jedoch. Mit Zöller-Scherübl, § 929 Anm. II und Baumbach-Lauterbach-Hartmann, § 929 Anm. 2 A ist demzufolge davon aus zugehen, daß es dann keiner erneuten Eintragung und keiner erneuten Vollziehung bedarf.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Dies gebieten auch die Rangverhältnisse nicht. Rangprobleme sind im vorliegenden Fall belanglos, da zwischen Aufhebung der einstweiligen Verfügung durch das Landgericht (10.09.1981) und Bestätigung der einstweiligen Verfügung durch den Senat (25.01.1982) keine weiteren Eintragungen erfolgt sind. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, könnten die Rangverhältnisse durch einfache Berichtigung nach §§ 25, 22 GBO richtig gestellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen hinsichtlich der Kosten aus § 91 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus der Tatsache, daß es sich um eine Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren handelt.</p>
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315,739 | olgk-1983-07-13-16-u-183 | {
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} | 16 U 1/83 | 1983-07-13T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:48 | 2019-03-27T09:42:20 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1983:0713.16U1.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 24. November 1982 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 2 0 424/82 - wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.650,-- DM (in Worten: Zweitausendsechshundertundfünfzig Deutsche Mark) abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte darf Sicherheit durch die unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse leisten.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand: </u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war von 1953 bis 1965 Landesbeamter (Oberregierungsrat) in Baden-Württemberg. Da er ohne beamtenrechtliche Versorgungsbezüge ausschied, wurde er vom Land Baden-Württemberg bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BFA) nachversichert; außerdem versicherte er sich selbst in geringem Umfang freiwillig nach. Von 1965 bis 1980 war der Kläger bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Vorstandsmitglied tätig. Seit 01.06.1980 befindet er sich im Ruhestand. Er bezieht neben seiner Rente von der BFA eine Altersversorgung von der Beklagten. Auf diese wurden zunächst 49,11 % seiner BfA-Rente angerechnet; mit Wirkung vom 01.01.1982 an rechnet die Beklagte 97,81 % an im Hinblick auf die Änderung von § 55 BeamtVG durch das 2. HaushaltsstrukturG. Die Beklagte glaubt sich zu dieser Anrechnung aufgrund der mit dem Kläger im Anstellungsvertrag vereinbarten Altersversorgungsregelung berechtigt; der Kläger ist der Auffassung, daß sich die Anrechnung in diesem Umfang nicht auf die vertraglichen Vereinbarungen stützen lasse.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Altersversorgung des Klägers wurde im Anstellungsvertrag vom 25.01./23.03.1967 wie folgt geregelt (Blatt 24 ff):</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">§ 10</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">(3) Tritt her G... in den Ruhestand, so gewährt ihm die E-Bank eine Altersversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen in entsprechender Anwendung der für Bundesbeamte geltenden Vorschriften.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">(4) Als ruhegehaltsfähige Dienstbezüge werden das Höchstgehalt eines Beamten der Besoldungsgruppe 16 der Bundesbesoldungsordnung A - Anlage zum Bundesbesoldungsgesetz - in der jeweils geltenden Fassung, einschließlich Ortszuschlag und evtl. Kinderzuschlägen, und als Beginn der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit der 1. Dezember 1935 vereinbart.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">§ 11</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Im Falle des Todes von Herrn G erhalten seine Hinterbliebenen Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen in entsprechender Anwendung der für Bundesbeamte geltenden Vorschriften und unter Zugrundelegung des sich nach § 10 Abs. 4 dieses Vertrages ergebenden jeweiligen Ruhegehaltes.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">§ 12</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen umfaßt auch die Zahlung einer Vergütung entsprechend dem Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung vom 15. Juli 1965 ... und den hierzu ggfls. eintretenden Änderungen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Außerdem enthält der Anstellungsvertrag folgende Bestimmungen:</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">§ 5</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Wird Herr G durch einen Dienstunfall verletzt, so wird ihm und ggf. seinen Hinterbliebenen Unfallfürsorge in sinngemäßer Anwendung der §§ 134 bis 141, § 144, § 145 und § 148 des Bundesbeamtengesetzes in der jeweiligen Fassung gewährt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">§ 6</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die entsprechende Anwendung der Beihilfevorschriften für Bundesbeamten vom 28. Oktober 1965 in der jeweiligen Fassung wird vereinbart, und zwar außer für die Zeit des aktiven Dienstes auch für die Zeit des Ruhestandes sowie beim Tode des Herrn G für seine Hinterbliebenen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">§ 7</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Bei Dienstreisen erhält Herr G Reisekostenvergütung nach Stufe D der für die Bundesbeamten gültigen Reisekostenvorschriften.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">§ 9</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Zur Übernahme einer Nebentätigkeit im Sinne der §§ 64 bis 69 des Bundesbeamtengesetzes, zu der auch die Mitgliedschaft in Aufsichts- und Verwaltungsräten gehört, bedarf Herr G der Einwilligung des Vorsitzenden des Verwaltungsrates. Etwaige Einnahmen aus der Nebentätigkeit werden Herrn G belassen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">In der Folgezeit wurde die Ruhegehaltsregelung mehrfach wie folgt geändert:</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><u>1. Nachtrag</u> vom 14.11.1967 (Blatt 32 f)</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">…</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">(3) § 10 Abs. 4 des Anstellungsvertrages erhält folgende Fassung:</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Als ruhegehaltsfähige Dienstbezüge werden das Gehalt eines Beamten der Besoldungsgruppe 5 ... der Bundesbesoldungsordnung B in der jeweils geltenden Fassung einschließlich Ortszugschlag und evtl. Kinderzuschlägen, und als Beginn der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit der 1. Dezember 1935 vereinbart.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks"><u>2. Nachtrag</u> vom 01.10.1968 (Blatt 48 f)</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">1) ...</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">2) § 10 erhält folgende Fassung:</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">…</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">(3) Tritt Herr G ... in den Ruhestand, so gewährt ihm die E-Bank ein monatliches Ruhegehalt von 2.917,-- DM zuzüglich Kinderzuschlag nach § 4. Das Ruhegehalt wird der allgemeinen Einkommensentwicklung angepasst. Es erhöht sich jeweils um den Prozentsatz, um den sich die Gehälter der Bundesbeamten generell vom 1. Juli 1968 ab erhöhen....</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">(4) Auf die Altersversorgung finden im übrigen die für Bundesbeamte geltenden beamtenrechtlichen Grundsätze und Vorschriften entsprechende Anwendung.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">3.) …</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">4.) § 12 entfällt</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"><u>11. Nachtrag</u> vom 01.02.1978 (Blatt 50 f)</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">1.) ...</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">2.) In § 10 werden die Absätze 3 und 4 wie folgt geändert:</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">(3) Tritt Herr G gemäß vorstehendem Absatz 1 oder Absatz 2 in den Ruhestand, so gewährt ihm die E-Bank eine Altersversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen in entsprechender Anwendung der für Bundesbeamte geltenden Vorschriften. Diese Regelung umfaßt nicht die Erbringung einer Leistung entsprechend dem Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung vom 15.07.1965 ... in der jeweiligen Fassung.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">(4) Das Ruhegehalt beträgt nach 10 Jahren ruhegehaltsfähiger Dienstzeit 35 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezügen und steigert sich in den darauffolgenden 15 Jahren um je 2 %, von da an um je 1 % jährlich bis zu einem Höchstruhegehalt von 75 %. Die ruhegehaltsfähige Dienstzeit beginnt am 1. Dezember 1935. Die ruhegehaltsfähige Dienstbezüge betragen 103.036,17 DM; sie werden der allgemeinen Einkommensentwicklung angepaßt; sie erhöhen oder vermindern sich jeweils in dem Umfang, in dem sich die Gehälter der höchsten Tarifgruppe des Gehaltstarifvertrages für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken erhöhen oder vermindern.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">3.) § 11 wird um folgen Satz 2 ergänzt:</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Diese Regelung umfaßt nicht die Erbringung einer Leistung entsprechend dem Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung ... in der jeweiligen Fassung.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks"><u>14. Nachtrag</u> vom 10.12.1979 (Blatt 52)</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">…</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">§ 10 Absatz 4 des Anstellungsvertrages ... wird wie folgt geändert:</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">…</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge betragen 115.872,66 DM; sie betragen minestens 75 % des monatlichen Festgehaltes einschließlich der Dienstaufwandsentschädigung zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Durch einen <u>15. Nachtrag</u> vom 30.05.1980 (Blatt 53) wurden mit Wirkung vom 1. März 1980 das monatliche Festgehalt für die aktive Dienstzeit sowie die monatliche Dienstaufwandsentschädigung letztmalig erhöht.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 19.05.1980 (Blatt 54) übersandte die Beklagte dem Kläger einen "Vermerk - Betr.: Altersversorgung G" vom 30.04.1980.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">In dem Schreiben vom 19.05.1980 heißt es u. a.: "Gemäß § 10 Ihres Anstellungsvertrages in der Fassung des 14. Nachtrages vom 10. Dezember 1979 erhalten Sie ab 1. Juni 1980 ein Ruhegehalt in entsprechender Anwendung der für Bundesbeamte geltenden beamtenrechtlichen Grundsätze und Vorschriften.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">…</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Unter Berücksichtigung der Anrechnungsvorschriften bezüglich der Rente aus der Angestelltenversicherung (vgl. Vermerk vom 30. April 1980) errechnet sich Ihr Ruhegehalt demnach wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">50</span><table class="absatzLinks" cellpadding="0" cellspacing="0">
<tbody><tr>
<td>
<p>ruhegehaltsfähige Dienstbezüge monatlich</p>
</td>
<td>
<p>10.312,67 DM</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>davon Ruhegehalt 75 %</p>
</td>
<td>
<p>7.734,51 DM</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>darauf anzurechnen:</p>
<p>Rente der BfA aus der Nachversicherung sowie Rentenanteil aus der Zeit vom 02.05.1947 - 31.03.1953, in der sich ein öffentlicher Arbeitgeber an den Beiträgen beteiligt hat</p>
</td>
<td>
<p>733,23 DM</p>
</td>
</tr>
<tr>
<td>
<p>Das Ruhegehalt wird am 1. Juni 1980 festgesetzt auf brutto</p>
</td>
<td>
<p>7.001,28</p>
</td>
</tr>
</tbody></table>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Der anzurechnende Rentenanteil macht 49,11 % der Gesamtrente aus. Diesen Prozentsatz werden wir bei künftigen Neuberechnungen zugrunde legen.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">…“</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Nach mehrmaliger Erhöhung des Ruhegehaltes infolge der Erhöhung der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge, wonach der Kläger ab 01.01.1982 7.299,33 DM und ab 01.03.1982 7.639,77 DM Ruhegehalt bekam, teilte die Beklagte dem Kläger durch Schreiben vom 28.05.1982 mit, daß infolge der Änderung des § 55 BeamtVG ab 01.01.1982 eine Neuberechnung des Ruhegehaltes stattfinden müsse mit der Folge, daß 98,42 % (mit Schreiben vom 29. Juni 1982 korrigiert auf 97,81 %) der Rente anzurechnen seien. Danach wurde unter Berücksichtigung einer Ausgleichsregelung gemäß § 2 des Art. 2 des 2. HaushaltsstrukturG das Ruhegehalt des Klägers für die Monate Januar und Februar 1982 um 43,53 DM und ab März 1982 um 213,75 DM pro Monat gekürzt.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Diese Differenz macht der Kläger bis einschließlich August 1982 mit der Klage geltend und begehrt außerdem die Feststellung, daß die Beklagte nur 49,11 % seiner Rente mit dem Ruhegehalt verrechnen dürfe.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Er hat die Auffassung vertreten, daß auf seinen privatrechtlichen Versorgungsvertrag die gesetzlichen Bestimmungen für Beamte nicht schlechthin anwendbar seien, sondern nur die beamtenrechtlichen Grundsätze. Dies folge daraus, daß das Ruhegehalt nicht in Höhe von 75 % des Festgehaltes gewährt werde, und daraus, daß die Anpassung nicht nach beamtenrechtlichen Bestimmungen, sondern nach Bankentarifrecht erfolge. Er erhalte auch nicht - wie Beamte - ein 13. Ruhegehalt sowie einen Ortszuschlag. Da mithin beamtenrechtliche Bestimmungen nicht in vollem Umfang Anwendung fänden, könne ebensowenig aus neuen beamtenrechtlichen Regelungen eine Verminderung seines Ruhegehaltes abgeleitet werden. Die Parteien hätten nur die Grundstruktur einer beamtenrechtlichen Versorgung in den Vertrag einbeziehen wollen. In der Vergangenheit habe man daher bei strukturellen beamtenrechtlichen Änderungen stets durch ausdrückliche Regelung im Vertrag reagiert und so z. B. vereinbart, daß das Gesetz betreffend eine jährliche Sonderzuwendung keine Anwendung finde. Eine entsprechende Vereinbarung enthalte der Vermerk vom 30.04.1980. Die dortige Regelung, daß seine Rente zu 49,11 % anrechenbar sei, sei zwischen den Parteien erörtert und zumindest konkludent vereinbart worden. Schließlich sei § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes i. d. Fassung des 2. HaushaltsstrukturG auch deshalb nicht anwendbar, weil dessen Regelungsinhalt darauf abziele, eine Überversorgung von Beamten zu verhindern. Diese sollten nicht mehr als 75 % ihres letzten Bruttoverdienstes erhalten. Bei ihm - dem Kläger - bestehe aber eine solche Versorgungslage nicht, da er lediglich 56,25 % seines Gehaltes als Ruhegehalt bekomme bzw. insgesamt unter Hinzurechnung des Rentenanteils 63 %.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Kläger zunächst angekündigt hatte, neben dem Feststellungsantrag den Antrag zu stellen, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.374,04 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen, hat er beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.369,56 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 8. September 1982 zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">2. festzustellen, daß die Beklagte nur berechtigt ist, 49,11 % seiner monatlichen BfA-Rente mit seinem monatlichen Ruhegehalt zu verrechnen.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Sie hat folgende Auffassung vertreten:</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Die beamtenrechtlichen Vorschriften seien in dem Anstellungsvertrag umfassend einbezogen. Dies sei auch legitim, da der Status des Klägers dem eines Beamten weitgehend angenähert gewesen sei. Dem widerspreche nicht, daß dem Kläger nicht 75 % seines Festgehaltes als Ruhegehalt zuständen, die Differenz zwischen Gehalt und ruhegehaltsfähigen Bezügen habe beim Kläger den Charakter einer Zulage gehabt. Auch bei Beamten gebe es entsprechende nicht ruhegehaltsfähige Zulagen. Daher ständen Sinn und Zweck der Neufassung des § 55 BeamtVG einer Anwendung der Vorschrift nicht entgegen. Ebenso könne der Kläger sich nicht darauf berufen, daß er weder Ortszuschlag noch Weihnachtsgeld erhalten habe: Seine Jahresvergütung habe alles eingeschlossen. Unzutreffend sei schließlich, daß der Vermerk vom 30.04.1980 eine Vereinbarung der Parteien beinhalte; vielmehr handele es sich dabei nur um die Fixierung der sich bereits aus Vertrag und Gesetz ergebenden Rechtsfolgen. Verbindliche Regelungen könne - dies ist zwischen den Parteien unstreitig - im Verhältnis zu den Vorstandsmitgliedern der Beklagten nur der Verwaltungsratsvorsitzende treffen.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat durch Urteil vom 24. November 1982 die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung hat es ausgeführt: § 55 BeamtVG i. d. F. des Art. 2 § 1 Ziff 7 des 2. HaushaltsstrukturG (BGBl. 1981 Teil 1, 1524) sei bei der Berechnung des Ruhegehaltes des Klägers zu berücksichtigen; dies ergebe sich aus den vertraglichen Vereinbarungen über die Altersversorgung des Klägers einschließlich aller nachträglichen Änderungen. Die Klausel des § 10 Abs. 3 i. d. Fassung des 11. Nachtrages sei dahin auszulegen, daß sich das Ruhegehalt entsprechend allen jeweils geltenden beamtenrechtlichen Vorschriften bemesse, soweit nicht konkrete andere Bestimmungen getroffen seien und sofern nicht Sinn und Zweck einer Vorschrift ausnahmsweise entgegenstehe. Weder aus der Stellung des Klägers noch aus dem Vertragswortlaut oder dem Zustandekommen einzelner Änderungen des Vertrages sei Gegenteiliges abzuleiten. Auch Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung stünden der Anwendung nicht entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat gegen dieses ihm am 1. Dezember 1982 zugestellte Urteil mit einem bei dem Berufungsgericht am 3. Januar 1983 (Montag) eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Diese hat er nach wirksamer Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 3. März 1983 mit einem an diesem Tage eingegangenen Schriftsatz begründet.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und vertritt darüberhinaus die Auffassung, aus der bloß entsprechenden Anwendbarkeit der beamtenrechtlichen Grundsätze folge, daß auch eine Anrechnung der Rente nur nach billigem Ermessen erfolgen könne. Nachträgliche Veränderungen der arbeitsrechtlichen erdienten Position seien nicht ohne weiteres zum Nachteil des Arbeitnehmers hinzunehmen. Er, der Kläger, habe aufgrund der privatrechtlichen Versorgungszusage davon ausgehen dürfen, daß eine Anrechnung seiner Rente nur im klar geregelten Umfang erfolgen werde. Im übrigen bestünden gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 55 BeamtVG n. F. erhebliche Bedenken. Letzlich sei die Höchstbegrenzungsregelung des § 55 BeamtVG nicht einschlägig; dies folge daraus, daß die Parteien anders als in der Beamtenversorgung eine größere Differenz zwischen Festgehalt und Ruhegehalt vereinbart hätten.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Er beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts Bonn</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">die Beklagte gemäß den erstinstanzlichen Schlußanträgen zu verurteilen.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">1. die Berufung zurückzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">2. Sicherheit auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse leisten zu können.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Sie verteidigt die Entscheidung des Landgerichts und vertritt die Auffassung, für eine Ermessensprüfung sei kein Raum, verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gültigkeit des § 55 BeamtVG bestünden nicht.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Bonn vom 27.10.1982 Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Seine Klage, insbesondere auch der Feststellungsantrag, ist zwar zulässig. Denn der Kläger hat ein rechtliches Interesse im Sinne von § 256 ZPO an einer alsbaldigen Feststellung darüber, in welchem Umfang die Beklagte zur Anrechnung seiner BfA-Rente auf seine sonstigen Versorgungsbezüge befugt ist, zumal zwischen den Parteien Streit über die Anwendbarkeit des § 55 BeamtVG auf den Fall des Klägers besteht. Hinsichtlich der seit September 1982 einbehaltenen Monatsbeträge ist das Feststellungsinteresse nicht dadurch weggefallen, daß der Kläger insoweit inzwischen teilweise Leistungsklage hätte erheben können. Im Zeitpunkt der Erhebung der Feststellungsklage war diese in vollem Umfang zulässig. Dann muß ein Kläger nicht zur erst später möglich werdenden Leistungsklage übergehen (vgl. BGH WPM 1978, 470). Die Klage ist aber sachlich nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat keinen Anspruch auf Auszahlung der einbehaltenen oder zurückgeforderten Beträge für die Monate Januar bis August 1982, ebensowenig kann die begehrte Feststellung getroffen werden.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat die BfA-Rente des Klägers zu Recht gemäß § 55 BeamtVG n. F. bei der Berechnung der Versorgungsbezüge des Klägers zu 97,81 % angerechnet, die danach unter Berücksichtigung der Ausgleichsregelung des Art. 2 § 2 des Haushaltsstrukturgesetzes zuviel gezahlten Beträge für Januar bis August 1982 zu Recht einbehalten bzw. zurückgefordert, und sie wendet auch weiterhin § 55 BeamtVG zu Recht an.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">§ 55 BeamtVG ist in der Fassung, die er durch Art. 2 § 1 Ziff. 7 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes vom 22.12.1981 (BGBl. 1981 Teil I, S. 1524) gefunden hat, als Bestandteil der vertraglichen Versorgungsregelung bei der Berechnung des Ruhegehaltes des Klägers zu berücksichtigen. Dies ergibt sich aus dem Anstellungsvertrag und den dazu vereinbarten Änderungen, wonach dem Kläger gemäß § 10 Abs. 3 i. d. F. des 11. Nachtrages "eine Altersversorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen in entsprechender Anwendung der für Bundesbeamte geltenden Vorschriften" gewährt wird. Diese Vertragsregelung ist nämlich dahin auszulegen, daß auf die Versorgung des Klägers <u>alle</u> beamtenrechtlichen Versorgungsvorschriften in ihrer <u>jeweils</u> geltenden Fassung anzuwenden sind, sofern nicht im Einzelfall vertraglich abweichende Bestimmungen getroffen sind oder der Sinn und Zweck einer Vorschrift einer Anwendung auf den Kläger entgegensteht. Letzteres ist hier nicht der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Der Wortlaut des § 10 Abs. 3 i. d. F. des 11. Nachtrages, der insoweit die letzte Regelung der Parteien enthält, besagt dies zwar nicht ausdrücklich. Verträge sind aber gemäß § 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Hiernach ist anzunehmen, daß bei einer allgemeinen Verweisung auf die Versorgungsregelung der Bundesbeamten im Zweifel auf die <u>jeweilige</u> Fassung der in Bezug genommenen Bestimmungen verwiesen werden soll. Beiden Parteien war bei Vertragsschluß klar, daß die gesetzliche Versorgungsregelung für Bundesbeamte einem steten Wandel unterliegt. Mit der Unterwerfung unter die für Bundesbeamte geltende Versorgungsregelung erhebten die Parteien gerade eine jeweilige Anpassung der Versorgungslage des Klägers an die veränderten Umstände in demselben Maße, in dem der Gesetzgeber diese nun Anlaß nahm, die gesetzliche Versorgungsregelung für Bundesbeamte neu zu gestalten. Den Parteien kam es entscheidend darauf an, den Kläger in versorgungsrechtlicher Hinsicht einem entsprechenden Bundesbeamten möglichst gleichzustellen, wobei künftige Veränderungen dieser Rechtsposition sowohl zugunsten als auch zu Lasten des Klägers Berücksichtigung finden sollten. Dies entsprach der beiderseitigen Interessenlage. Ebenso hat das Bundesarbeitsgericht in einem ähnlich gelagerten Fall entschieden, in dem die Parteien wegen der Altersversorgung auf die Bestimmungen des Bochumer Verbandes der Bergwerke Westfalen, im Rheinland und im Saargebiet in Bochum verwiesen hatten (vgl. ZIP 1983, 104 ff). Dieser Rechtsprechung ist auch für den vorliegenden Fall zu folgen.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Diesem Auslegungsergebnis stehen im Fall des Klägers keine besonderen Umstände entgegen. Insbesondere läßt sich aus den unterschiedlichen Formulierungen § 10 Abs. 3 des Anstellungsvertrages i. d. F. des 11. Nachtrages, der <u>keine</u> ausdrückliche Verweisung auf die <u>jeweils</u> geltenden Vorschriften enthält, und in den §§ 5, 6, 10 Abs. 4 und 12 des ursprünglichen Anstellungsvertrages, in denen auf die <u>jeweilige</u> Fassung der in Bezug genommenen Vorschriften bzw. die hierzu gegebenenfalls eintretenden Änderungen verwiesen wird, nichts Entscheidendes herleiten. Auch §§ 7 und 9 des ursprünglichen Anstellungsvertrages enthalten keine Verweisung auf die <u>jeweilige</u> Fassung der in Bezug genommenen beamtenrechtlichen Vorschriften. Die unterschiedlichen Formulierungen - einmal mit ausdrücklichem Bezug auf die jeweils geltenden Bestimmungen, einmal ohne eine derartige Bestimmung - sind als redaktionelles Versehen aufzufassen. Insbesondere hinsichtlich der in § 7 geregelten Reisekostenerstattung, die seither nie geändert wurde, gilt, daß sie nach Treu und Glauben dahin auszulegen ist, daß die Erstattungssätze nicht auf dem Stand von 1967 eingefroren werden sollten; es ist im Gegenteil auch diese Bestimmung als dynamische Verweisung aufzufassen.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Nichts anderes gilt für die sonstigen Verweisungen.</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Dem Auslegungsergebnis steht auch nicht die Fassung der im zweiten Nachtrag vereinbarten Verweisungsbestimmungen entgegen. Wenn es dort heißt, daß "auf die Altersversorgung ... im übrigen die für Bundesbeamte geltenden beamtenrechtlichen Grundsätze und Vorschriften entsprechende Anwendung" finden, so stellt dies eher eine weniger direkte Verweisung als die jetzige Fassung dar, die im übrigen auch die Formulierung des ursprünglichen Anstellungsvertrages wieder aufgreift. Nach der Formulierung des zweiten Nachtrages waren auch die beamtenrechtlichen Grundsätze nur entsprechend anwendbar, während sie nunmehr direkte Anwendung finden sollen. Letztlich kann diesen unterschiedlichen Formulierungen jedoch keine unterschiedliche Bedeutung beigelegt werden, da auch die Formulierung des zweiten Nachtrages nach Treu und Glauben als dynamische Verweisung auszulegen war.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Der Annahme einer dynamischen Verweisung steht nicht entgegen, daß nur eine "entsprechende" Anwendung der für Bundesbeamte geltenden Vorschriften vereinbart war. Diese Formulierung stellt gegenüber einer denkbaren anderen Formulierung " die ... Vorschriften finden auf die Altersversorgung ... Anwendung" nur klar, daß im Falle des Klägers, der ja kein Beamter war, nur eine entsprechende, nicht eine unmittelbare Anwendung in Betracht kam. Vom Regelungsgehalt her hätte auch die aufgezeigte andere Formulierung die Vereinbarung einer entsprechenden, nämlich sinngemäßen, Anwendung bedeutet.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Daß durch die Benutzung des Wortes "entsprechend" darüber hinaus die Vereinbarung einer nur statischen Verweisung ausgedrückt werden sollte, läßt sich aus dem Wortsinn nicht herleiten.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Die gegenteilige Auffassung des Klägers läßt sich auch nicht darauf stützen, daß die Parteien strukturelle Veränderungen des Beamtenversorgungsrechtes jeweils nur durch gesonderte Vereinbarungen in ihren Vertrag aufgenommen hätten. Eine derartige Handhabung ist entgegen der Auffassung des Klägers gerade nicht erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Die Auffassung des Klägers läßt sich insbesondere nicht darauf stützen, daß man im 11. Nachtrag § 10 Abs. 3 dahin geändert hat, daß die Regelung über die Versorgung nicht die Erbringung einer Leistung entsprechend dem Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung vom 15.07.1965 in der jeweiligen Fassung umfaßte. Gerade diese Regelung im 11. Nachtrag spricht nicht für die Auffassung des Klägers, sondern gegen sie. Durch § 2 Abs. 2 BeamtVG wurde erstmals mit Wirkung ab 01.01.1977 bestimmt, daß zur Versorgung "ferner die jährliche Sonderzuwendung" gehört. Die Parteien hatten jedoch bereits durch den zweiten Nachtrag vereinbart, daß das Gehalt und die Versorgung auf feste Beträgen, die alles beinhalteten, gegründet war. Im zweiten Nachtrag war § 12 des ursprünglichen Anstellungsvertrages, der für die Alters- und Hinterbliebenenversorgung die Zahlung einer jährlichen Sonderzuwendung vorgesehen hatte, bereits wieder gestrichen worden. Angesichts dieser Gehaltsvereinbarungen spricht der ausdrückliche Ausschluß einer Sonderzuwendung dafür, daß die Parteien die Geltung der beamtenrechtlichen Versorgungsbestimmungen selbst als dynamische Verweisung aufgefaßt haben. Nur bei einer dynamischen Verweisung war der Ausschluß angesichts der Neuregelung des § 2 Abs. 2 BeamtVG erforderlich, um die ursprüngliche Gehaltsvereinbarung des zweiten Nachtrages in dieser Form beizubehalten. Dafür, daß die Parteien demgegenüber von einer statischen Verweisung ausgegangen sind und insofern durch diese Formulierung nur eine Klarstellung bewirken wollten, spricht nichts.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Auch die Fassung, die § 10 Abs. 4 des Anstellungsvertrages durch den 11. Nachtrag gefunden hat, gibt für die Auffassung des Klägers nichts her. Mit dieser Regelung, die den wesentlichen Inhalt des § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG wiedergibt, wurde die Vereinbarung eines Festbetrages, die seit dem zweiten Nachtrag galt, abgelöst. Die Regelung stellte angesichts des vereinbarten Beginns der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit am 1. Dezember 1935 der Sache nach die Vereinbarung eines Ruhegehaltes in Höhe von 75 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge, die im 11. Nachtrag ziffernmäßig benannt waren, dar. Aus dem Umstand, daß bei einer Auslegung der Verweisung in § 10 Abs. 3 des Anstellungsvertrages als dynamischer Verweisung eine derartige ausdrückliche Aufnahme des Inhaltes des § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG an sich nicht erforderlich war, läßt sich hier dennoch nichts herleiten, was gegen die Annahme einer dynamischen Verweisung spricht. Vor der Änderung des § 10 Abs. 4 stand dem Kläger als Ruhegehalt ein Festbetrag mit einer Anpassungsregelung zu. Die ausdrückliche Aufnahme des § 14 BeamtVG läßt sich angesichts dessen wiederum nur dadurch erklären, daß die Parteien die Verweisung selbst als dynamische Verweisung angesehen haben. Der Interessenlage des Klägers, der sonst seine frühere abgesicherte Position aufgegeben hätte, entsprach es, ihn durch eine ausdrückliche Aufnahme des für die Parteien wesentlichen Inhaltes des § 14 BeamtVG gegen etwaige Änderungen des § 14 BeamtVG zu seinen Ungunsten abzusichern.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Ob die Stellung des Klägers der eines Beamten weitgehend glich oder nicht - etwa weil beamtenrechtliche Bestimmungen nach dem Anstellungsvertrag während seiner aktiven Dienstzeit nicht im vollen Umfang Anwendung fanden - kann letztlich dahingestellt bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Selbst dann, wenn ein Arbeitnehmer eine Stellung einnimmt, die der eines Beamten nicht gleicht, gleichwohl aber <u>für die Altersversorgung</u> die Geltung beamtenrechtlicher Grundsätze und die entsprechende Anwendung beamtenrechtlicher Vorschriften vertraglich vereinbart wird, bedeutet dies, daß nach den oben dargelegten Grundsätzen diese Bestimmung im Vertrage als Verweisung auf die Versorgungsvorschriften in der jeweils geltenden Fassung auszulegen ist. Insofern besagt weder der Umstand, daß die aktiven Bezüge des Klägers seit Beginn des Anstellungsverhältnisses nicht durch Bezug auf eine Besoldungsgruppe, sondern als Festgehalt vereinbart waren, noch der Umstand, daß der Kläger weder Ortszuschlag noch eine jährliche Sonderzuwendung erhielt - zumal die Vergütung des Klägers nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten alle Leistungen der Beklagten pauschal einschloß -, noch der Umstand, daß seit dem 2. Nachtrag auch zu den Versorgungsbezügen weder ein Ortszuschlag noch eine Sonderzuwendung gehörten, etwas gegen die Annahme einer dynamischen Verweisung.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Für die Auffassung des Klägers spricht auch nicht, daß ab dem 2. Nachtrag als Ruhegehalt ein Festbetrag vereinbart wurde - zunächst als bezifferter Festbetrag, später ab dem 11. Nachtrag als prozentualer Teilbetrag der ziffernmäßig festgelegten ruhegehaltsfähigen Bezüge unter Vereinbarung einer %-Staffel - und daß ab dem 11. Nachtrag die Veränderung der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge nicht mehr an die Erhöhung oder Verminderung der Beamtenversorgung, sondern diejenige der Tarifgehälter des privaten Bankgewerbes und der öffentlichen Banken geknüpft wurde.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Alle diese Vereinbarungen beziehen sich allein auf die ziffernmäßige Höhe der Versorgungsbezüge, nicht dagegen auf die Geltung sonstiger beamtenrechtlicher Versorgungsbestimmungen.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Auch der Anwendung gerade des § 55 BeamtVG auf den Kläger steht nichts entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">Über die Anrechnung seiner BfA-Rente ist insbesondere nicht im Einzelfall nach Billigkeit zu entscheiden. Der Vertrag selbst enthält keine derartige Bestimmung. Auch die im Mai 1980 bei Eintritt des Klägers in den Ruhestand geltenden, durch die dynamische Verweisung in Bezug genommenen einschlägigen Bestimmungen des Beamtenversorgungsrechts sahen keine Einzelfallentscheidung über die Anrechnung vor, bei der ggf. gemäß § 315 BGB zu prüfen sein kann, ob die vorgenommene Anrechnung der Billigkeit entspricht. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von dem Sachverhalt, den das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung aaO. zu beurteilen hatte. Dort war dem Arbeitgeber vorbehalten, im Einzelfall eine Bestimmung über die Anrechnung zu treffen. Daran fehlt es hier. Die im Mai 1980 noch geltenden, seit dem 01.01.1977 in Kraft befindlichen §§ 6 Abs. 3 und 10 Abs. 2 BeamtVG a. F. sahen vielmehr jeweils eine zwingende Anrechnung bestimmter Rententeile vor.</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Auch aus der vereinbarten bloß "entsprechenden" Anwendung der versorgungsrechtlichen Bestimmungen ist angesichts der oben dargelegten Bedeutung dieser Formulierung nicht abzuleiten, daß eine Anwendung jeweils nur nach einer Einzelfallentscheidung erfolgen sollte; der mögliche Wortsinn läßt eine dahingehende Auslegung nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">§ 55 BeamtVG ist auch nach seinem Sinn und Zweck auf die Versorgungslage des Klägers anzuwenden.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Sinn und Zweck des § 55 BeamtVG - sowohl alter als auch neue Fassung - läßt es, durch Verhinderung einer ungerechtfertigten Überversorgung Besoldungsgerechtigkeit zu erreichen (vgl. Fürst/Loschelder, ZBR 1983, S. 3). Da die Versorgung des Klägers nach beamtenrechtlichen Grundsätzen erfolgt (§ 10 Abs. 3 des Anstellungsvertrages), ist dieser Gesichtspunkt der Besoldungsgerechtigkeit auch bei der Bemessung seiner Versorgung zu beachten.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Dieser gesetzgeberische Zweck erfordert für die Anwendbarkeit des § 55 BeamtVG allerdings nicht, daß im Einzelfall auch tatsächlich eine Überversorgung festgestellt wird, um eine Anrechnung der Rente auf die beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge vornehmen zu können. Vielmehr hat der Gesetzgeber die Tatsache, daß es in vielen Fällen des Zusammentreffens von Rente und Pension zu einer Überversorgung kommt, bereits genügen lassen, um generell eine Anrechnung vorzusehen ohne daß im Einzelfall geprüft wird, ob eine derartige Überversorgung tatsächlich gegeben wäre. Angesichts dieser generalisierenden Regelung muß der Kläger die Anrechnung auch dann gegen sich gelten lassen, wenn in seinem Falle eine Überversorgung tatsächlich nicht in Betracht kommt.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus ist es im Falle des Klägers aber auch durchaus so, daß die Kürzung seiner Versorgungsbezüge dem Anliegen des Gesetzgebers nach mehr Besoldungsgerechtigkeit Rechnung trägt. Die Versorgung des Klägers stimmt in den für die Anwendbarkeit des § 55 BeamtVG maßgeblichen Kriterien mit der eines Beamten überein. Auch sie ist durch den in seinem Vertrag für die Berechnung der Versorgung vereinbarten Ausgangspunkt der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge auf den gleichen Anknüpfungspunkt bezogen, auf den § 14 BeamtVG und auch § 55 BeamtVG abstellen. Demgegenüber stellt der Umstand, daß die Höhe der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge des Klägers anders als beim Beamten vertraglich festgelegt wurde, keinen entscheidenden Unterschied dar. Auch die Differenz zwischen den ruhegehaltsfähigen Dienstbezügen und den letzten aktiven Bezügen des Klägers stellt keinen gravierenden Unterschied dar. Unterschiede zwischen aktiven Dienstbezügen und ruhegehaltsfähigen Dienstbezügen sind auch im Beamtenrecht nichts ungewöhnliches. So ist z. B. der Ortszuschlag nur bis zur Stufe 2 ruhegehaltsfähig (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BeamtVG), Erschwerniszulagen gemäß § 47 BeamtVG sind nicht ruhegehaltsfähig, Stellenzulagen sind gemäß § 42 Abs. 3 BBesG nur ausnahmsweise ruhegehaltsfähig.</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung des Klägers sind demnach nach den beamtenrechtlichen Grundsätzen, die in den genannten Bestimmungen und in §§ 5, 14 BeamtVG ihre konkrete gesetzliche Ausgestaltung erfahren haben, nicht die aktiven Dienstbezüge Maßstab für eine angemessene Versorgung, sondern nur die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge, unabhängig davon, ob und in welchem Maße diese von den letzten aktiven Dienstbezügen abweichen.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Auf den tatsächlichen Abstand zwischen aktiven Dienstbezügen und ruhegehaltsfähigen Dienstbezügen - der hier auf der vertraglichen Vereinbarung der Parteien beruht - kommt es demnach für die Anwendbarkeit des § 55 BeamtVG entgegen der Auffassung des Klägers ebensowenig an wie auf das Verhältnis zwischen seinen Ruhebezügen und seinen aktiven Dienstbezügen.</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Der Anwendung des § 55 BeamtVG steht auch nicht entgegen, daß die Beklagte mit dem Kläger als Beginn der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit den 1. Dezember 1935 vereinbart hat (§ 10 Abs. 4 Anstellungsvertrag vom 23.01./23.03.1967 sowie stets gleichlautende Nachträge), obwohl er erst seit dem 1. September 1965 bei ihr tätig war.</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">Hierdurch wurde dem Kläger zwar eine weit höhere Versorgung zugestanden, als sie ihm durch die Anwendung des § 10 Abs. 4 Anstellungsvertrag i. d. F. des 11. Nachtrages an sich zugestanden hätte.</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Im Falle einer gesetzlich zwingenden Rentenanrechnung spricht auch die Einräumung einer Überversorgung nicht gegen die Rentenanrechnung. Das vertragliche Zugeständnis der Überversorgung bezieht sich hier nur auf den vorverlegten Beginn der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit. Es enthält dagegen keine Aussage über etwaige Rentenanrechnungen aufgrund zwingender gesetzlicher Bestimmungen. Daß die Beklagte hierauf verzichten wollte, kann dem Vertragswerk der Parteien nicht entnommen werden. Angesichts dessen sich die Erwägungen, aus denen heraus das BAG (aao.) bei einer im Einzelfall zu treffenden Entscheidung über die Anrechnung einer bestimmten Art von Versorgungsbezügen die Unbilligkeit der Anrechnung angenommen hat, auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Die Anwendbarkeit des § 55 BeamtVG n. F. ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß dessen Änderung erst nach Eintritt des Klägers in den Ruhestand erfolgte.</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Der Auffassung des BAG, es könne nicht davon ausgegangen werden, daß eine neue Anrechnungsklausel der Leistungsordnung (dort des Bochumer Verbandes) auf bereits in den Ruhestand versetzte Arbeitnehmer anzuwenden sei, da dadurch nachträglich in vertragsrechtliche Positionen eingegriffen würde, die die Leistungsordnung zuvor jahrzehntelang geschützt habe, ist nicht zu folgen. Ihr steht entgegen, daß es sich bei der Vereinbarung der Parteien um eine dynamische Verweisung handelt, wie sie das BAG im dort entschiedenen Fall zuvor ebenfalls angenommen hatte. In einem solchen Falle beinhaltet die vertraglich eingeräumte Position von vorneherein, daß sich diese durch Änderungen der in Bezug genommenen Normen selbst ändern kann, sei es mit für den Arbeitnehmer günstigen, sei es mit für ihn ungünstigen Folgen.</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Mit diesem Risiko ist er bei der Vereinbarung einer dynamischen Verweisung stets belastet. Besondere Gründe, diese Dynamik nach Eintritt des Ruhestandes etwa nur noch zu Gunsten des Arbeitnehmers gelten zu lassen, bestehen nicht, es sei denn, dies wäre vertraglich vereinbart. Im vorliegenden Fall besteht eine derartige Vereinbarung nicht. Eine nur noch einseitige Wirkung der Dynamik der Verweisung, wie dies die Konsequenz der Auffassung des BAG wäre, würde dem von den Vertragsparteien selbst gewollten Ergebnis widersprechen.</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">Die vertraglich vereinbarte dynamische Verweisung und damit die Anwendbarkeit des § 55 BeamtVG n. F. ist auch durch das Schreiben der Beklagten vom 19.05.1980 und den mit dem Kläger durchgesprochenen Vermerk vom 30. April 1980 nicht außer Kraft gesetzt worden.</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">Die im Schreiben vom 19.05.1980 enthaltenen Sätze "Der anzurechnende Rentenanteil macht 49,11 % der Gesamtrente aus. Diesen Prozentsatz werden wir bei künftigen Neuberechnungen zugrunde legen." stellen nach dem objektiven Erklärungswert des Schreibens und des Vermerks nur eine Festlegung des sich bei Anwendung der <u>damals</u> geltenden Anrechnungsvorschriften ergebenden Prozentsatzes der anzurechnenden Rente dar. Sie bedeuteten jedoch keine dauerhafte Festschreibung dieses Prozentsatzes auch für den Fall einer künftigen Änderung der beamtenrechtlichen Versorgungsvorschriften. Unter Berücksichtigung der Umstände, die die Beteiligten kannten, konnte der Kläger als Erklärungsempfänger das Schreiben nicht als eine derartige dauerhafte Festschreibung auffassen. Das gesamte Schreiben stand unter dem für den Kläger erkennbaren Vorbehalt, daß sich die gesetzlichen Grundlagen der beamtenrechtlichen Versorgungsbestimmungen nicht änderten. Dies folgt daraus, daß in den einleitenden Sätzen des Briefes die Versorgungsvereinbarung nochmals sinngemäß zitiert wurde, die von den Parteien selbst, wie sich aus ihrer Reaktion auf die Neufassung des § 2 Abs. 2 BeamtVG und der ausdrücklichen Aufnahme des wesentlichen Inhaltes des § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in den Vertragstext zeigt, als dynamische Verweisung aufgefaßt worden war. Gegen ein Verständnis des Schreibens als Festschreibung des Prozentsatzes spricht zudem, daß dies von der Sache her der Regelung entsprochen hätte, die durch die wörtliche Aufnahme des wesentlichen Inhaltes des § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG durch den 11. Nachtrag erfolgt war. Damals war dies durch einen förmlichen Nachtrag zum Vertrag geschehen. Angesichts dessen konnte der Kläger nicht davon ausgehen, daß eine ähnlich bedeutsame Vereinbarung durch ein einfaches Schreiben erfolgen sollte, zumal eine in ihrer Auswirkung für die gesamte Zukunft weit weniger wichtige Frage, nämlich die Erhöhung der aktiven Bezüge für März bis Mai 1980, noch am vorletzten Tage seiner Dienstzeit wiederum durch einen Nachtrag geregelt worden war. Dies zeigt, daß der Kläger durchaus wußte, daß verbindliche Vereinbarungen stets nur auf diesem Wege erfolgten und daß er anderen Erklärungen keinen derart verbindlichen Erklärungswert beilegen konnte.</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">Der Umstand, daß der Inhalt des Vermerks vom 30.04.1980 zwischen den Parteien erörtert wurde, hat demgegenüber auf den Erklärungswert des Schreibens vom 19.05.1980 keinen Einfluß, zumal viel dafür spricht, daß sich die Erörterung auf die Rechtsgrundlagen der damals vorgenommenen Anrechnung bezog, die der Vermerk nicht nennt.</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">Angesichts dessen kann es dahinstehen, ob sich die Beklagte bei einem anderen objektiven Erklärungswert des Schreibens ohne Verstoß gegen Treu und Glauben darauf hätte berufen können, daß verbindliche Regelungen gegenüber den Vorstandsmitgliedern nur vom Vorsitzenden des Verwaltungsrates getroffen werden können.</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">Der Anwendung des § 55 BeamtVG stehen schließlich auch verfassungsrechtliche Bedenken nicht entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">§ 55 BeamtVG verstößt weder gegen Art. 33 Abs. 5 GG noch gegen Art. 14 Abs. 1 GG oder gegen Art. 3 Abs. 1 GG.</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">Das BVerfG hat Verfassungsbeschwerden, sie sich gegen § 55 BeamtVG bzw. gleichlautende andere Versorgungsbestimmungen richteten, wegen mangelnder Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. BVerfG NVwZ 1982, 429; BVerfG NVwZ 1982, 553). Die hiergegen vorgebrachten Bedenken greifen nicht durch.</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Der vom Gesetzgeber mit § 55 BeamtVG beschrittene Weg verstößt nicht gegen Art 33 Abs. 5 GG. Durch die Regelung wird der durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Kernbereich der Alimentation (BVerfG 16, 94 ff), zu dem nicht die Erhaltung einer summenmäßig erreichten Besoldung oder Versorgung gehört (BVerfG NJW 1980, 696), nicht berührt. Der Gesetzgeber kann, auch im Wege einer Anrechnung von Renten (BVerfGE 17, 337, 350 f), die Bezüge der Beamten aus sachgerechten Gründen unter Beachtung des Grundsatzes der Alimentationspflicht herabsetzen (BVerfGE 18, 159, 166 f). Das Ziel des Gesetzgebers, durch die Anrechnung von Renten diejenige Überversorgung abzubauen, die sich aus kumulativ zusammentreffenden Höherbewertung vergleichsweise kurzer Arbeitszeiten sowohl bei der Beamtenversorgung als auch in der gesetzlichen Rentenversicherung ergibt und demnach ungerechtfertigt ist (so auch Fürst/Loschelder ZBR 1983, S. 3), ist ein sachgerechter Grund für eine derartige Herabsetzung. Der Umstand, daß der Gesetzgeber in § 55 BeamtVG an die Besoldungsgruppe des zuletzt bekleideten Amtes anknüpft und nicht etwa an eine hypothetische Nachzeichnung eines beruflichen Aufstiegs während eines gesamten Beamtenlebens, verstößt entgegen der Auffassung von Fürst/Loschelder (ZBR 1983, S. 8 - 11) nicht gegen die Alimentationspflicht. Der Anspruch des Beamten auf amtsangemessene Alimentierung ist nach der Bedeutung des Amtes abgestuft (Schmidt-Bleibtreu-Klein, GG, Art. 33 Rdn. 26, 28; BVerfGE 4, 135; 21, 215; 26, 158), wobei unter Amt in diesem Sinne nichts anderes als das tatsächlich erreichte Amt verstanden werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">Gemessen hieran berücksichtigt § 55 BeamtVG auch die gesamte Lebensarbeitszeit eines Versorgungsempfängers bereits ausreichend dadurch, daß er in § 55 Abs. 2 Nr. 1 für die Berechnung der Höchstgrenze der Versorgung auf die Endstufe der erreichten Besoldungsgruppe abstellt und zudem unabhängig von der tatsächlichen ruhegehaltsfähigen Dienstzeit die Zeit seit dem vollendeten 17. Lebensjahr als ruhegehaltsfähige Dienstzeit annimmt. Es ist nicht ersichtlich, daß demgegenüber eine hypothetische Nachzeichnung eines weiteren beruflichen Aufstiegs im Beamtenverhältnis den in Betracht kommenden Fallgestaltungen um so vieles gerechter würde als der mit § 55 BeamtVG beschrittene Weg. Wollte man einen hypothetischen Aufstieg berücksichtigen, so ergäbe sich, daß die Zeiten, die außerhalb des Beamtenstatus verbracht. wurden, auch bei einer Rentenanrechnung erneut doppelt zugunsten derartiger Versorgungsempfänger zu Buche schlügen - einerseits über den Erwerb von Rentenanwartschaften, andererseits über die hypothetische Nachzeichnung eines Berufsweges im Beamtenstatus. Diese Auswirkung müßte dann ihrerseits wieder ausgeglichen werden.</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">Diese Erwägungen zeigen, daß sich der Gesetzgeber mit der Regelung des § 55 BeamtVG in sachgerechter Weise innerhalb des ihm unter Berücksichtigung des Alimentationsgrundsatzes bei der Versorgungsgesetzgebung eingeräumten Spielraumes gehalten hat.</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG scheidet aus. Die Versorgungsanwartschaften der Beamten, die durch § 55 BeamtVG allein betroffen werden, werden nicht, wie etwa Versicherungsrenten durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt, sondern durch Art. 33 Abs. 5 GG, der den Kernbestand der Alimentationsansprüche in gleicher Weise sichert, wie er durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sein würde (BVerfGE 16, 94, 115). Ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG liegt aber, wie dargelegt, nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">Die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rentenanwartschaften (BVerfG NJW 1980, 692 ff) sind von der Regelung des § 55 BeamtVG nicht betroffen.</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">Die Gesamtversorgung wird als solche nicht als eigenständiges Rechtsgut durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt, sondern nur durch den Schutz ihrer einzelnen Elemente durch die jeweils einschlägigen Artikel des Grundgesetzes.</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">§ 55 BeamtVG verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich zwar auch ein Willkürverbot für beamtenrechtliche Vorschriften. Wie bereits oben dargelegt, stellte § 55 BeamtVG jedoch keine willkürliche, sondern eine sachgerechte Regelung dar.</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">Die Ausweitung des Adressatenkreises des § 55 BeamtVG durch Art. 2 § 1 Nr. 7 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes verstößt angesichts der Übergangsregelung des Art. 2 § 2 dieses Gesetzes nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes.</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">Die von der Rechtsprechung des BVerfG für Eingriffe in durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte vermögenswerte Rechtsgüter entwickelten Kriterien können auf Regelungen des Beamtenrechtes, die für die Betroffenen ebenfalls vermögensrechtliche Auswirkungen haben, gleichfalls angewandt werden; dies ist sachgerecht, da Art. 33 Abs. 5 GG den Kernbereich der Versorgung in der gleichen Weise sichert, wie er durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sein würde (BVerfGE 16, 94, 115).</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">Nach den Grundsätzen, die das BVerfG für die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten sozialversicherungsrechtlichen Versorgungsanwartschaften entwickelt hat (BVerfG NJW 1982, 155 ff, 158), war die Erweiterung des Adressatenkreises zulässig. Sie war durch Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt. Sowohl die Entlastung der öffentlichen Haushalte als auch die durch Art. 3 Abs. 3 GG gebotene Gleichbehandlung aller Beamten stellen derartige Gründe dar. Durch die Übergangsregelung, die die Gewährung eines Ausgleichsbetrages für diejenigen Versorgungsempfänger vorsieht, die bisher von § 55 BeamtVG nicht erfaßt wurden, wurde auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügende Möglichkeit, das Vertrauen auf den Fortbestand einer Regelung zu schützen, besteht darin, Übergangsregelungen zu schaffen (Sondervotum Benda/Katzenstein NJW 1982, S. 160, die mit der Forderung nach einer Übergangsregelung schärfere Anforderungen stellen als die Mehrheit des BVerfG).</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">Angesichts dessen liegt auch kein Verstoß gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG vor.</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">Auch § 52 BeamtVG steht einer Anrechnung der BfA-Rente des Klägers nach Maßgabe des § 55 BeamtVG nicht entgegen. Abs. 1 dieser Bestimmung ist nicht einschlägig, da die Erweiterung des Adressatenkreises des § 55 BeamtVG nicht mit rückwirkender Kraft erfolgte. Anhaltspunkte dafür, daß die Zurückforderung der überzahlten Beträge etwa i. S. des § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG gerade im Fall des Klägers unbillig gewesen wäre, hat der Kläger selbst nicht vorgebracht.</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks"><u>Wert der Beschwer:</u> 7.546,17 DM</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">Die Kosten des Berufungsverfahrens waren dem Kläger gemäß § 97 Abs. 1 ZPO aufzuerlegen.</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">Die Zulassung der Revision beruht auf § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO. Die Frage, ob entgegen der Rechtsauffassung des BAG bei einer vertraglichen Verweisung auf eine andere Versorgungsordnung Änderungen dieser Versorgungsordnung auch nach Eintritt des Versorgungempfängers in den Ruhestand auf dessen Versorgung anwendbar sind, hat grundsätzliche Bedeutung, da derartige Verweisungen eine geläufige Vertragspraxis darstellen.</p>
|
315,740 | olgham-1983-07-06-20-u-8482 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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"jurisdiction": null,
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} | 20 U 84/82 | 1983-07-06T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:49 | 2019-03-27T09:42:20 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1983:0706.20U84.82.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20. Januar 1982 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster/Westf. abgeändert.</p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Auf die Widerklage werden die Kläger verurteilt, an die Beklagte 1.350,- DM nebst 8 % Zinsen seit dem 27.08.1982 zu zahlen.</p>
<p>Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Kläger sind die minderjährigen Kinder und Erben des Versicherungsnehmers der Beklagten, ... der im
vorliegenden Rechtsstreit die Beklagte auf Zahlung von 7.300,- DM Krankentagegeld in Anspruch genommen hat. Der
Versicherungsnehmer (künftig: Kläger) ist im Laufe dieses Rechtsstreits verstorben; seine Kinder haben den
Rechtsstreit an seiner Stelle aufgenommen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hatte unter dem 15.11.1980, bei der Beklagten eingegangen am 26.11.1980, einen Antrag auf
Krankenversicherung gestellt, in dem als Versicherungsbeginn der 01.12.1980 angegeben und der Erlaß der in den
allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) vorgesehenen dreimonatigen Wartezeit beantragt worden war. Da für den
Wartezeiterlaß eine ärztliche Untersuchung erforderlich war, hatte die Beklagte dem Kläger unter dem
28.11.1980 einen Arztfragebogen zugeschickt, der - ausgefüllt - erst am 22.01.1981 wieder bei der Beklagten einging.
Der Arztbericht gab der Beklagten Anlaß, dem Kläger unter dem 27.01.1981 ein Angebot für eine
ergänzende Vereinbarung zu unterbreiten, nach der bei einem Prämienzuschlag von 90,- DM (50 % der regulären
Prämie) Versicherungsschutz auch für "vegetative Dystonie" gewährt werden solle. Aus Gründen,
die streitig sind, unterzeichnete der Kläger diese ergänzende Vereinbarung erst am 22.04.1981. Der Beklagten
ging die Erklärung am 28.04.1981 zu. Unter dem 29.04.1981 stellte die Beklagte den Versicherungsschein aus, der
dem Kläger frühestens an diesem Tage, vermutlich aber - wegen eines auf dem Begleitschreiben befindlichen
Eingangsstempels - erst am 05.05.1981 zuging. Als Versicherungsbeginn war der 01.12.1980 ausgewiesen. Mit Wirkung von
diesem Tag berechnete die Beklagte auch die Prämien.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">In der Zwischenzeit, nämlich am 27.02.1981, hatte der Kläger sich eine Verletzung an der Hand zugezogen
und davon sowie von der durch diese Verletzung verursachten Arbeitsunfähigkeit der Beklagten telefonisch Mitteilung
gemacht. Der Mitarbeiter der Beklagten hatte darauf hingewiesen, daß für diesen Fall kein Versicherungsschutz
bestehe. In einer Anlage zum Versicherungsschein, die besondere Vereinbarungen sowie den Hinweis enthielt, daß der
Vertrag an den rot kenntlich gemachten Stellen vom Versicherungsantrag abweiche und solche Abweichungen als genehmigt
gälten, wenn nicht innerhalb eines Monats widersprochen werde, heißt es im Hinblick auf diese Verletzung:
"Für den Unfall (Handbruch) werden keine Leistungen gewährt". Im Senatstermin ist nach Erörterung
unstreitig geworden, daß dieser Zusatz rot angestrichen war. Der Kläger widersprach diesem Zusatz nicht.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Noch während der Arbeitsunfähigkeit infolge der Handverletzung hatte sich der Kläger am 24.04.1981
eine Schnittverletzung am Fuß zugezogen. Hiervon unterrichtete er die Beklagte unter dem 16.05.1981 (Eingang
21.05.1981) unter Beifügung zweier ärztlicher Bescheinigungen vom 28.04. und 15.05.1981. Die zuletzt genannte
Bescheinigung wies aus, daß ab 18.05.1981 wieder Arbeitsfähigkeit bestehe.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es habe ab 01.12.1980 und damit für beide Unfälle
Versicherungsschutz bestanden. Er hat für insgesamt 73 Tage Arbeitsunfähigkeit (17.02. bis 17.05.1981
abzüglich 7 Tage vertraglich vereinbarter Karenzzeit) Zahlung des vereinbarten tariflichen Krankentagegeldes von
100,- DM pro Tag verlangt und hilfsweise seinen Anspruch auf Rückzahlung anteiliger Versicherungsprämie
gestützt, falls kein Versicherungsschutz ab 01.12.1980 bestanden habe.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Er hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.300,- DM nebst 15,5 % Zinsen seit dem 16. Juni 1981 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Sie hat die Auffassung vertreten, Versicherungsschutz habe jedenfalls nicht vor dem 29.04.1981 (Ausfertigung des
Versicherungsscheins) bestanden, so daß sie für die Handverletzung vom 27.02.1981 keine Versicherungsleistungen
schulde. Hinsichtlich der Fußverletzung vom 24.04.1981 hat sie geltend gemacht, der Kläger habe diese Verletzung
verspätet gemeldet. Als sie nämlich davon erfahren habe, habe bereits wieder Arbeitsfähigkeit bestanden.
Im übrigen hat die Beklagte bestritten, daß der Kläger überhaupt arbeitsunfähig gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 1.722,- DM stattgegeben. Es hat ausgeführt, Versicherungsschutz
habe erst ab 29.04.1981 bestanden, so daß der Unfall vom 27.02.1981 nicht versichert gewesen sei. Eine
Rückwärtsversicherung auf den 01.12.1980 liege nicht vor. Bezüglich des zweiten Unfalls vom 24.04.1981
hat es Versicherungsschutz ab 29.04.1981 angenommen und unter Berücksichtigung der 7-tägigen Karenzzeit
1.200,- DM Krankentagegeld (12 Tage vom 06.05. bis 17.05.1981) zuerkannt. Darüber hinaus hat es die Beklagte als
verpflichtet angesehen, 522,- DM Versicherungsprämie zurückzuerstatten, weil der sogenannte technische
Versicherungsbeginn (01.12.1980) und der sogenannte materielle Versicherungsbeginn (29.04.1981) fast fünf Monate
auseinander gelegen hätte, so daß Leistung und Gegenleistung aus dem Versicherungsvertrag nicht mehr in einem
angemessenen Verhältnis zueinander gestanden hätten.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Angemessen sei das Auseinanderfallen von technischem und materiellem Versicherungsbeginn allenfalls für einen
Zeitraum von drei Monaten (entsprechend der allgemeinen Wartezeit gemäß §3 Ziffer 2 AVB - MB/KT 78 -).
Für den darüber hinausgehenden Zeitraum müsse die Prämie zurückerstattet werden.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Beklagten verfolgt mit näherer Begründung das Ziel der Klageabweisung weiter. In
tatsächlicher Hinsicht bestreitet sie, daß infolge des zweiten Unfalls der Versicherungsfall
(Arbeitsunfähigkeit) eingetreten sei. In rechtlicher Hinsicht vertritt sie die Auffassungs, sie sei wegen
vorsätzlicher, jedenfalls aber grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung des Klägers leistungsfrei geworden,
weil der Kläger diesen Unfall verspätet gemeldet habe, als ihr keine Feststellungen zum Versicherungsfall mehr
möglich gewesen seien.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Ferner tritt sie der Ansicht entgegen, sie sei zur anteiligen Rückzahlung der Versicherungsprämie verpflichtet.
In diesem Zusammenhang verweist sie darauf, daß - unstreitig - durch den technischen Versicherungsbeginn am 01.12.1980
der Kläger in eine für ihn günstigere Altersklasse eingestuft worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Gegenüber der gegnerischen Berufung, die das Klageziel in vollem Umfang weiterverfolgt, verteidigt die Beklagte
das angefochtene Urteil.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Mit Schriftsatz vom 25.08.1982, zugestellt am 27.08.1982, hat die Beklagte Widerklage erhoben mit der Begründung,
der Kläger schulde noch 1.350,- DM Prämien für die Zeit vom 01.08. bis 01.12.1981 (5 × 270,- DM =
1.350,- DM). Sie behauptet, die Lastschriften seien von der Sparkasse zurückgegeben worden; auf Mahnungen habe der
Kläger nicht reagiert.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen;</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">die gegnerische Berufung zurückzuweisen;</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">3.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">die Kläger zu verurteilen, an sie 1.350,- DM nebst 8 % Zinsen seit Zustellung der Widerklage zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Erben des im August 1982 verstorbenen Klägers beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">die gegnerische Berufung zurückzuweisen;</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang nach dem in der Schlußverhandlung
erster Instanz gestellten Antrag zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Sie wiederholen mit näherer rechtlicher Begründung die vom Kläger vertretene Rechtsansicht, daß
eine echte Rückwärtsversicherung ab 01.12.1980 anzunehmen sei, so daß für beide Unfälle voller
Versicherungsschutz bestehe. Soweit das Landgericht der Klage stattgegeben hat, verteidigen sie gegenüber der
gegnerischen Berufung das angefochtene Urteil.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Gegenüber der mit der Widerklage geltend gemachte Prämienforderung hat die gesetzliche Vertreterin der
Kläger im Senatstermin behauptet, die Prämien seien bezahlt worden; Belege darüber müßten bei
ihren erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten liegen. Die Beklagte hat daraufhin im Senatstermin fünf
rückläufige Lastschriften über zusammen 1.350,- DM vorgelegt. Die Kläger haben sich hierzu nicht
eingelassen, sondern um Vertagung, hilfsweise um Bewilligung einer Schriftsatzfrist gebeten.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen und
auf die in den nachstehenden Entscheidungsgründen ergänzend mitgeteilten Tatsachen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Beklagten ist begründet, die der Kläger unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Für die durch die Handverletzung am 27.02.1981 ausgelöste Arbeitsunfähigkeit besteht kein
Versicherungsschutz.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Nach §2 der dem Vertrag zugrunde liegenden allgemeinen Versicherungsbedingungen (MB/KT 78) beginnt der
Versicherungsschutz nicht vor Abschluß des Versicherungsvertrages, insbesondere nicht vor Zugang des
Versicherungsscheins. Diese Regelung, auf die schon im Antragsformular hingewiesen worden ist, bezeichnet den Beginn
des <u>materiellen</u> Versicherungsschutzes. Nur für Versicherungsfälle, die nach diesem Zeitpunkt eintreten,
ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Hiervon zu unterscheiden ist der sogenannte <u>technische</u> Versicherungsbeginn, d.h. der Zeitpunkt, ab dem der
Versicherer die Prämien berechnen darf (Prölss/Martin, VVG, 22. Aufl. 1980, §2 Anm. 1).</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Der technische Versicherungsbeginn war hier der 01.12.1980, während der materielle Versicherungsbeginn nicht vor
dem 29.04.1981 (Datum des Versicherungsscheins und des Begleitschreibens) einsetzte. Nach dem auf dem vom Kläger
vorgelegten Exemplar des Begleitschreibens befindlichen Eingangsstempel begann der Versicherungsschutz sogar erst am
05.05.1981. Dieses Datum dürfte nämlich den Eingang des Versicherungsscheins beim Kläger ausweisen. Denn
es muß die Ausfertigung des Versicherungsscheins und des Begleitschreibens sowie die Dauer der Postbeförderung
berücksichtigt werden. Zwischen dem 29.04.1981 (Mittwoch) und dem 05.05.1981 (Dienstag) lagen der Maifeiertag und
ein Wochenende.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der Unfall vom 27.02.1981 und die durch ihn ausgelöste Arbeitsunfähigkeit fallen somit in die Zeit nach
dem technischen, aber vor dem materiellen Versicherungsbeginn. Für ihn bestünde eine Leistungspflicht der
Beklagten nur dann, wenn die Vertragsparteien Einigkeit darüber erzielt hätten, daß mit dem 01.12.1980
auch der materielle Versicherungsschutz einsetzen solle. Die Parteien müßten also eine
Rückwärtsversicherung gewollt haben. Das ist entgegen der von den Klägern vertretenen Rechtsansicht
jedoch nicht der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Allerdings hat der Bundesgerichtshof in seiner in NJW 82, 2776 ff veröffentlichen Entscheidung die Auffassung
vertreten, ein Versicherungsnehmer, der einen bestimmten Versicherungsbeginn in seinen Versicherungsantrag aufnehme,
meine damit in der Regel den Beginn des materiellen Versicherungsschutzes, so daß eine Rückwärtsversicherung
vorliege, sofern der Versicherer später diesen Antrag unverändert (§5 VVG) annehme. Der BGH hat es jedoch
ausdrücklich offengelassen, ob dies auch für die Krankenversicherung gelte. Die Besonderheiten der
Krankenversicherung können nämlich deshalb eine andere Bewertung rechtfertigen, weil schon der lediglich
technische Versicherungsbeginn dem Versicherungsnehmer Vorteile bringen kann. So kann sich die Wartezeit (§3 MB/KT 78)
verkürzen, ferner kann der Versicherungsnehmer in eine für ihn günstigere Altersklasse eingestuft werden,
so daß er - für die gesonderte Dauer des Versicherungsverhältnisses - eine günstigere, nämlich
niedrigere Prämie zu zahlen hat (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 22.09.1982 - 20 U 73/82 -).</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Der letztgenannte Fall (günstigere Altersklasse) war im vorliegenden Fall gegeben. Unstreitig ist der im Februar
1956 geborene Klage aufgrund des mit dem 01.12.1980 angenommenen technischen Versicherungsbeginns in die Altersklasse
20-24 Jahre eingestuft worden, wähend er nach den Tarifbedingungen bei einem erst im Jahre 1981 liegenden
Versicherungsbeginn in die Altersklasse 25-29 Jahre gekommen wäre, in der eine höhere Prämie zu zahlen
gewesen wäre. Ob allein dies schon die Annahme einer echten Rückwärtsversicherung auszuschließen
vermag, bedarf jedoch ebensowenig einer abschließenden Entscheidung wie die vom Bundesgerichtshof und vom
erkennenden Senat in den vorstehend zitierten Entscheidungen offengelassene grundsätzliche Frage, wann in der
Krankenversicherung eine Rückwärtsversicherung anzunehmen ist. Denn die Beklagte hat sowohl im Vertragsantrag
als auch im Versicherungsschein darauf hingewiesen, daß der Versicherungsvertrag erst mit der Vertragsannahme bzw.
dem Zugang des Versicherungsschein zustande komme. Damit hat sie deutlich gemacht, daß sie für Krankheiten vor
diesem Zeitpunkt keine Leistungen erbringen, also keine Rückwärtsversicherung wollte. Hinzu kommt, daß sie
in den besonderen Vereinbarungen zum Versicherungsvertrag auch noch einmal ausdrücklich die Handverletzung vom
Versicherungsschutz ausgenommen hat. Auch das unterstreicht, daß sie keinen Versicherungsschutz für
zurückliegende Krankheiten gewähren, also keine Rückwärtsversicherung wollte. Sofern sie damit
von dem im Versicherungsantrag angegebenen Versicherungsbeginn (01.12.1980) abwich, hat die Beklagte darauf in einer
§5 Abs. 1, Abs. 2 VVG genügenden Weise hingewiesen und über die Möglichkeit belehrt, gegen eine
solche Abweichung Widerspruch einzulegen. Da der Kläger nicht widersprochen hat, gilt diese Abweichung gemäß
§5 Abs. 1 VVG als genehmigt.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Für den zweiten Unfall vom 24.04.1981 kann schon deshalb keine Leistung verlangt werden, weil der Kläger
diesen Versicherungsfall jedenfalls verspätet angezeigt hat. Ob überhaupt Versicherungsschutz bestand, weil
der Unfall selbst sich vor Beginn des materiellen Versicherungsschutzes ereignet hat, und ob die behauptete
Arbeitsunfähigkeit ausreichend nachgewiesen ist, kann dahinstehen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Nach §9 Ziffer 1 MB/KT 78 ist die ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit dem Versicherer
unverzüglich anzuzeigen. Bei verspätetem Zugang der Anzeige wird das Krankentagegeld erst vom Zugangstage an
gezahlt. Da die Beklagte die Anzeige des Klägers mit den beigefügten ärztlichen Bescheinigungen erst am
21.05.1981 erhalten hat, hätte ihre Leistungspflicht auch erst mit diesem Tage einsetzen können. Doch bestand
am 21.05.1981 schon keine Arbeitsunfähigkeit mehr. Nach §10 Ziffer 1 MB/KT 78 tritt die Leistungsfreiheit des
Versicherers im Falle einer verspäteten Anzeige der Arbeitsunfähigkeit nur unter den Voraussetzungen des §6
Abs. 3 VVG ein. Das heißt, daß dem Versicherungsnehmer mindestens grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sein
muß und es nicht ausgeschlossen erscheinen darf, daß die verspätete Anzeige auf die Feststellung des
Versicherungsfalls oder der Versicherungsleistung Einfluß gehabt hat. Beide Voraussetzungen sind erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat den Versicherungsfall grob fahrlässig verspätet angezeigt. Denn noch im Versicherungsschein
vom 29.04.1981, der dem Kläger zuging, als er nach eigenen Angaben bereits wegen der Fußverletzung
arbeitsunfähig war, hatte die Beklagte darauf hingewiesen, daß jede Arbeitsunfähigkeit unverzüglich
anzuzeigen sei. Eine Postkarte für diesen Zweck mit weitgehend vorformulierten Angaben zur Arbeitsunfähigkeit
war beigefügt. Ferner war auf die Geltung der AVB mit der Bitte, sich über deren Inhalt zu informieren,
hingewiesen worden. Unter diesen Umständen stellt es eine grobe Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt
dar, wenn der Kläger noch weitere zwei Wochen wartete, bis er den zweiten Unfall anzeigte. Das gilt auch deshalb,
weil er den ersten Unfall alsbald telefonisch angezeigt hatte, also ohnehin wußte, daß er die Beklagte schnell
zu unterrichten hatte.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die grob fahrlässig verspätete Anzeige hat der Beklagten auch die sachgerechte Prüfung des
Versicherungsfalls wesentlich erschwert, denn die beigefügten ärztlichen Bescheinigungen waren wenig
aussagekräftig, die nachträgliche Feststellung, ob Arbeitsunfähigkeit bestanden hatte oder nicht, daher
schwierig, wenn nicht gar unmöglich, nachdem die Arbeitsfähigkeit inzwischen bereits wiederhergestellt war.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Danach besteht kein Anspruch auf die verlangte Versicherungsleistung in Höhe von insgesamt 7.300,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks"><b>3.</b></p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Ein Anspruch auf anteilige Rückzahlung der Versicherungsprämie besteht nicht. Ein den Grundsätzen von
Treu und Glauben widersprechendes Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung liegt nicht vor. Es ist nichts
dafür dargetan, daß die Beklagte treuwidrig den Abschluß des Versicherungsvertrages hinausgezögert
hätte. Ihre Gegenleistung während des prämienbelasteten Zeitraums ab 01.12.1980 lag zudem darin, daß
sie den Kläger in die günstigere Altersklasse 20-24 Jahre einstufte. Der dadurch bedingte Prämienvorteil
des Klägers hätte sich für die gesamte Vertragsdauer in der Weise ausgewirkt, daß die Beklagte
materiellen Versicherungsschutz wie für einen Versicherungsnehmer zu gewähren hatte, der erst mit 25 Jahren
versichert worden wäre, daß sie dafür aber Prämien nach der niedrigeren Altersklasse bis 24 Jahre
zu beanspruchen hatte. Müßte die Beklagte, wie vom Landgericht angenommen, für rund zwei Monate Prämien
zurückerstatten, läge im Ergebnis der technische Versicherungsbeginn im Jahre 1981, und es bestünde dann
kein Grund mehr, den Kläger wie einen 24-jährigen Mann einzustufen.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks"><b>4.</b></p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die im Rahmen der Berufung der Beklagten erhobene Widerklage ist sachdienlich (§530 2. Alternative ZPO), weil
sie entscheidungsreif ist und den Rechtsstreit nicht verzögert.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben die Behauptung der Beklagten, es seien Prämien in der geltend gemachten Höhe nicht
bezahlt worden, bis zum Senatstermin nicht bestritten. Daß die Prämien bezahlt worden sind, wie die gesetzliche
Vertreterin der Kläger im Senatstermin behauptet hat, müßten die Kläger beweisen, da sie insoweit die
Erfüllung der Prämienforderungen einwenden. Einen Beweis haben sie aber nicht angeboten, obwohl seit der Aufnahme
des Rechtsstreits durch sie bis zum Senatstermin rund 4 1/2 Monate Zeit vergangen sind, in denen die Kläger bzw. deren
gesetzliche Vertreterin sich über den Stand des Prozesses hätten informieren können und müssen. Sie
hatten daher ausreichend Gelegenheit, Beweismittel für die Erfüllung der Forderung zu beschaffen oder wenigstens
zu benennen.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Ein Grund, die Verhandlung zu vertagen oder den Klägern eine Schriftsatzfrist zu gewähren, bestand angesichts
des verspäteten Sachvortrags in der mündlichen Verhandlung (§§282 Abs. 1, 296 Abs. 2 ZPO) nicht. Die
von der Beklagten vorgelegten Überweisungsträger rechtfertigen eine solche Maßnahme nicht. Denn dies war
kein neuer Sachvortrag der Beklagten. Auf die Überweisungsträger ist schon im Widerklageschriftsatz vom 25.08.1982
hingewiesen worden.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die mit der Widerklage verlangten Verzugszinsen sind begründet und der Höhe nach nicht bestritten.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks"><b>5.</b></p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§91, 97 Abs. 1 ZPO. Einer Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht statthaft ist. Die Beschwer der
Kläger wird auf 8.650,- DM (7.300,- DM + 1.350,- DM) festgesetzt.</p>
|
315,741 | lg-dusseldorf-1983-07-05-4-o-36282 | {
"id": 808,
"name": "Landgericht Düsseldorf",
"slug": "lg-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 4 O 362/82 | 1983-07-05T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:51 | 2019-03-27T09:42:20 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1983:0705.4O362.82.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreit trägt die Klägerin.</p>
<p>Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheits-leistung in Höhe von 17.000,— DM vorläufig voll-streckbar. Die Sicherheitsleistung darf, auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich West-Berlin ansässigen Großbank oder öffentlichen Spar¬kasse erbracht werden.</p>
<p>Tatbestand :</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:97px">Tatbestand :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage Rechte aus dem Europäischen Patent X geltend. Inhaber dieses Patentes (Klagepatents) ist Dipl.-Ing. X, 624o Königstein. Dieser hat mit "Abtretungs- und Ermächtigungserklärung" gemäß Anlage 2 die Klägerin ermächtigt, die ihm gegenüber Dritten, insbesondere den Beklagten, zustehenden Ansprüche wegen Verletzung des Klagepatents im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen. Zugleich hat er mit dieser am 8. November 1982 abgegebenen und von der Klägerin angenommenen Erklärung, die ihm wegen Verletzung des Klagepatents gegenüber Dritten, insbesondere den Beklagten, zustehenden Ansprüche auf Entschädigung, Schadensersatz und Rechnungslegung an die Klägerin abgetreten.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Klagepatent beruht auf einer Anmeldung vom 2o. Dezember 1978, wobei die Priorität der deutschen Patentanmeldung X vom 23. Januar 1978 in Anspruch genommen worden ist. Die Anmel-</p>
|
315,742 | ag-borken-1983-06-16-3-c-36483 | {
"id": 635,
"name": "Amtsgericht Borken",
"slug": "ag-borken",
"city": 395,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 3 C 364/83 | 1983-06-16T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:52 | 2019-03-27T09:42:20 | Urteil | ECLI:DE:AGBOR1:1983:0616.3C364.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> <span style="text-decoration:underline">Tatbestand:</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger bezieht bei der Beklagten Gas. Am 13.12.1982 wurde der</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Zählerstand der Gasuhr mit 7.260 Kubikmeter abgelesen. In der</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Jahresabrechnung vom 31.12.1982 wurde der Zählerstand mit 7.575</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Kubikmetern angegeben. Diese Zahl beruhte auf einer Hochrechnung</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">der Beklagten vom Zählerstand vom 13.12.1982 auf den Zählerstand</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">zum 31.12 .1982. Der Kläger hat einen restlichen Betrag auf die</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Jahresabrechnung 1982 von 206,10 DM unter Vorbehalt an die Beklagte</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">gezahlt. Er verlangt diesen Betrag nunmehr zurück. Der Betrag setzt</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">sich wie folgt zusammen:</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">315 cbm zu viel errechneter Gasverbrauch                            185,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">dadurch erhöhte 2 Monats Pauschalen                                   15,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">mir auferlegte Mahngebühren                                                  5,40 DM</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">+ Mehrwertsteuern                                                                <span style="text-decoration:underline">0,70 DM</span></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Gesamtbetrag                                                                      206,10 DM</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hält die Berechnungsweise der Beklagten für nicht korrekt.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Er beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 206,-- DM nebst 10 %</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Zinsen zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">Entscheidungsgründe:</span></p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Berechnungsweise der Beklagten trifft auf keine durchgreifenden</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Bedenken. Sie hat aus verschiedenen Gründen ein Interesse daran, daß</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">der Gasverbrauch für alle Kunden einheitlich zu einem bestimmten</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Stichtag ermittelt und berechnet wird. Sie kann dies nur in der von</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">ihr praktizierten Weise erreichen, da sie die organisatorischen und</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">personellen Voraussetzungen dafür, daß bei allen Kunden an einem</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Tag der Gasverbrauch abgelesen wird, nicht erbringen kann. Die Verfahrensweise</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">der Beklagten ist deshalb nach dem ein Vertragsverhältnis</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">bestimmenden Grundsatz von Treu und Glauben von dem Kläger hinzunehmen,</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">es sei denn, daß ihm durch diese Berechnungsweise tatsächlich</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Nachteile entstehen. Solche vermag das Gericht nicht zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die sich auf einen Zeitraum von wenigen Tagen beziehende Hochrechnung</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">hat als Grundlage den durchschnittlichen Jahresverbrauch. Da die</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">von der Hochrechnung betroffene Zeit in die kälteste Jahreszeit</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">fällt, dürfte der gemäß Hochrechnung ermittelte Verbrauch regelmäßig unter dem tatsächlichen Verbrauch liegen. So hat der Beklagte,</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">wie aus einer späteren Ablesung hervorgeht, bis zum 31.12.1983 mehr</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">als 315 cbm Gas verbraucht.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Im übrigen ist, da der hochgerechnete Jahresverbrauch Grundlage</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">der Verbrauchsermittlung für das nächste Jahr ist, und zu Beginn</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">und Beendigung des Vertragsverhältnisses eine Zählerablesung erfolgt</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">gesichert, daß letztlich dem Kunden nur der tatsächliche Verbrauch</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">in Rechnung gestellt wird. Selbst wenn die Auffassung des Beklagten</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">richtig wäre, daß die Abrechnung konkret auf die Ablesung vom</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">13.12.1982 abgestellt sein müßte, hätte dies zur Folge, daß für</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">die Zeit bis zum 31.12.1982 eine Vorauszahlung zu leisten wäre,</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">deren Höhe dem hochgerechneten Betrag entsprechen würde.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Ziff. 11 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Unterschrift</p>
|
315,743 | olgham-1983-06-13-1-ss-owi-188682 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 1 Ss OWi 1886/82 | 1983-06-13T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:53 | 2019-03-27T09:42:20 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1983:0613.1SS.OWI1886.82.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1.) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.</p>
<p></p>
<p>2.) Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht ... zurückverwiesen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 70 Abs. I Ziffer 9 des Landschaftsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 1980 (GVBl.NRW 1980 S. 734) - im folgenden LG genannt - zu einer Geldbuße von 40,- DM verurteilt. Nach seinen Feststellungen ritt die Betroffene am 22. Februar 1982 gegen 14.45 Uhr mit ihrem Pferd, dem das Kennzeichen RE 183 erteilt ist, im Revierteil "..." durch de ... Stadtwald. Sie ritt auf einem Pfad quer durch den Wald, der schon seit längerem - seit Jahrzehnten - als Reitweg benutzt wird, jedoch nicht durch das Zeichen 239 der StVO als Sonderweg für Reiter gekennzeichnet war.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht ist der Ansicht, das Reiten im Walde sei nach § 50 Abs. 2 LG nur noch auf den nach den Vorschriften der StVO als Reitwege gekennzeichneten Privatstraßen und Wegen gestattet. Im übrigen sei das Reiten im Walde nicht gestattet, wobei es unerheblich sei, ob sich der Wald im Eigentum von Privatpersonen oder der öffentlichen Hand befinde. Auch wenn im Bereich der Stadt ... für das Reiten im Walde zur Zeit noch kein ausreichendes Reitwegenetz bestehe, es nämlich mit dem Zeichen 239 der StVO gekennzeichnete Reitwege noch nicht gebe, sei das Reiten im Walde auf Wegen, die nicht durch Zeichen 239 der StVO als Reitwege gekennzeichnet seien, verboten.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Betroffene rügt mit der Rechtsbeschwerde, deren Zulassung sie beantragt hat, die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsbeschwerde war entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft zuzulassen, da es geboten erschein, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 80 Abs. 1 OWiG).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Während die formelle Rüge mangels Begründung unbeachtlich ist (vgl. §§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. 79 Abs. 3, 80 Abs. 2 OWiG), greift die Sachrüge durch.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nach § 70 Abs. 1 Nr. 9 LG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 50 Abs. 1 und 2 LG in der freien Landschaft außerhalb von Wegen oder im Wald außerhalb von Reitwegen oder ohne Zulassung auf anderen Wegen reitet. Nach § 50 Abs. 1 LG ist das Reiten in der freien Landschaft über den Gemeingebrauch an öffentlichen Verkehrsflächen hinaus auf privaten Straßen und Wegen gestattet. Das Reiten im Walde ist dagegen nach § 50 Abs. 2 Satz 1 LG nur auf den nach den Vorschriften der StVO als Reitwege gekennzeichneten privaten Straßen und Wegen gestattet. Die mögliche Ausnahmeregelung nach § 50 Abs. 2 Satz 3 bis 5 LG kann hier außer Betracht bleiben, weil weder aus dem angefochtenen Urteil ersichtlich ist noch von der Rechtsbeschwerde behauptet wird, daß für den ... Stadtwald eine solche Ausnahmeregeluns gelte.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Aus § 50 Abs. 2 LG ist jedoch nicht, wie es das Amtsgericht anscheinend getan hat, zu folgern, daß im Walde nur auf mit Zeichen 239 der StVO gekennzeichneten Reitwegen geritten werden dürfe. § 50 Abs. 2 Satz 1 LG enthält eine entsprechende Einschränkung lediglich für private Straßen und Wege. Was damit gemeint ist, ergibt sich bereits aus einem Vergleich des § 50 Abs. 2 Satz 1 mit § 50 Abs. 1 LG. § 50 Abs. 1 LG gestattet das Reiten in der freien Landschaft "über den Gemeingebrauch an öffentlichen Verkehrsflächen hinaus" auf privaten Straßen und Wegen. Auch § 50 Abs. 2 Satz 1 LG enthält eine entsprechende Gestattung, die jedoch auf die als Reitwege gekennzeichneten privaten Straßen und Wege im Walde beschränkt ist. Obwohl in § 50 Abs. 2 Satz 1 LG die Worte "über den Gemeingebrauch an öffentlichen Verkehrsflächen hinaus" fehlen, kann auch diese Vorschrift, da sie wie § 50 Abs. 1 LG eine Erlaubnis zum Reiten auf <u>privaten</u> Straßen und Wegen enthält, nur dahin verstanden werden, daß das Recht zur Benutzung öffentlicher Verkehrsflächen - die grundsätzlich auch den Reitern offenstehen - dadurch nicht eingeschränkt werden soll. Dementsprechend bleiben nach § 50 Abs. 3 die Vorschriften des Straßenrechts und des Straßenverkehrsrechts unberührt. "Private Straßen und Wege" im Sinne des § 50 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 LG sind daher Straßen und Wege, die nicht dem öffentlichen Straßenverkehr gewidmet sind oder ihm ohne eine Widmung zur Verfügung stehen. Dagegen kommt es für die Frage, ob eine Straße oder ein Weg öffentlich im Sinne des Verkehrsrechts ist oder ob es sich dabei um eine Privatstraße oder einen Privatweg handelt, auf die Eigentumsverhältnisse nicht entscheidend an. Auch ein im Eigentum einer Privatperson stehender Weg kann öffentlich sein (BGH VRS 22, 185), wie aber andererseits auch im Eigentum der öffentlichen Hand stehende Straßen und Wege "Privat" im Sinne des § 50 Abs. 1 und 2 LG sein, also nicht dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung stehen können.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Ob es sich bei dem "Pfad", den die Betroffene benutzt hat, um einer öffentlichen oder um einen privaten Weg i.S. des § 50 Abs. 2 Satz 1 LG handelt, hat das Amtsgericht nicht untersucht. Das angefochtene Urteil enthält keine Feststellungen, die es ausgeschlosser erscheinen lassen, daß der Pfad ein öffentlicher Weg ist. Dafür könnte insbesondere sprechen, daß das Amtsgericht davon ausgegangen ist, daß der Pfad seit Jahrzehnten als Reitweg genutzt wird. Ein Weg ist - ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse oder eine verwaltungsrechtliche Widmung i.S. des öffentlichen Wegerechts - öffentlich im Sinne des Verkehrsrechts, wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird. Der tatsächliche Zugang für die Allgemeinheit genügt allein allerdings nicht als Voraussetzung für die Bewertung eines Weges als eines öffentlichen. Hinzu kommen muß die Zweckbestimmung zum öffentlichen Weg durch den Verfügungsberechtigten, die auch in einer stillschweigenden Duldung einer tatsächlich erfolgenden Benutzung durch die Allgemeinheit erblickt werden kann (BGH VRS 22, 185). Bei nur beschränkter Zulassung öffentlichen Verkehrs ist ein Verkehrsraum auch dann öffentlich im Sinne des Verkehrsrechts, wenn er zu einem nach sachlichen Gesichtspunkten bestimmten Zweck - z.B. zum Gehen, Radfahren oder Reiten - von jedermann benutzt werden darf und dementsprechend benutzt wird (OLG Bremen VRS 28, 24; BayObLG VM 1971, 53, 54). Darauf, ob der Verkehr stark oder schwach ist, kommt es nicht entscheidend an (OLG Bremen a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall ist nach den bisherigen Feststellungen des Amtsgerichts - die gegenteilige Erklärung der Stadt ... vom 31.1.1983 kann tatgerichtliche Feststellungen nicht ersetzen - nicht auszuschließen, daß der von der Betroffenen zum Reiten benutzte Pfad seit längerer Zeit entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten - der Stadt ... - als Reitweg für jedermann zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird. Dann wäre der Pfad ein öffentlicher Weg, der jedermann zur Benutzung als Reitweg zur Verfügung stünde, ohne daß es insoweit auf seine Kennzeichnung durch Zeichen 239 der StVO ankäme. Die Kennzeichnung eines Weges durch Zeichen 239 der StVO ist keine Voraussetzung für die Bewertung des Weges als öffentlicher Reitweg. Für öffentliche Wege bedeutet die Kennzeichnung durch Zeichen 239 der StVO nach § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO vielmehr, daß Reiter die für sie bestimmten Sonderwege benutzen müssen, während andere Verkehrsteilnehmer sie nicht benutzen dürfen, und daß auf den Reitwegen auch Pferde geführt werden dürfen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Im Sinne des Landesstraßengesetzes NRW vom 28. November 1961 (SGV. NW 91) könnte der von der Betroffenen benutzte Pfad eine Gemeindestraße im Sinne des § 3 Abs. 4 c oder eine sonstige öffentliche Straße im Sinne des § 3 Abs. 5 LStrG sein. Öffentliche Straßen im Sinne des Landesstraßengesetzes sind nach dessen § 60 Abs. 2 auch diejenigen Straßen, Wege und Plätze, welche nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße besaßen. Der Verfügungsberechtigte, der - ohne verwaltungsrechtliche Widmung im Sinne des öffentlichen Wegerechts - die allgemeine Benutzung eines Weges ausdrücklich gestattet oder stillschweigend geduldet hat, kann die Freigabe allerdings jederzeit zurücknehmen. Das muß er jedoch der Allgemeinheit gegenüber deutlich erkennbar und unmißverständlich kundtun (BayObLGSt 1965, 63).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Da das Amtsgericht keine Feststellungen getroffen hat, aus denen entnommen werden kann, ob die Betroffene am 22. Februar 1982 einen öffentlichen oder einen Privatweg im Sinne des § 50 Abs. 2 LG zum Reiten benutzt hat, mußte das angefochtene Urteil mit den Feststellungen auf die Sachrüge aufgehoben werden. Die Sache war gemäß §§ 354 Abs. 2 StPO, 79 Abs. 6 OWiG zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen, da eine abschließend Entscheidung des Senats ohne entsprechende Feststellungen noch nicht möglich ist. Denn die von der Rechtsbeschwerde gegen die Rechtsverbindlichkeit der §§ 50 ff LG geltend gemachten Bedenken greifen, wie nachstehend dargelegt wird, jedenfalls für den hier gegebenen Fall nicht durch.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Rechtsbeschwerde trägt vor, das Landschaftsgesetz könne als Landesgesetz die bundesrechtliche Verkehrsregelung nicht zuungunsten der Reiter aufheben oder einschränken. Wie vorstehend dargelegt, schränkt § 50 LG jedoch das Recht zur Benutzung öffentlicher Straßen, Wege und Plätze gemäß dem Bundesrecht (insbesondere der Regelung im StVG, der StVO und der StVZO) einschließlich des Grundsatzes der Verkehrsfreiheit (§ 1 StVZO) auch für Reiter nicht ein. Das Landschaftsgesetz enthält keine über das Bundesrecht hinausgehende Reitverbote für öffentliche Verkehrsflächen. Zu der in § 50 Abs. 2 LG enthaltenen Beschränkung des Rechts zum Reiten im Walde auf privaten Straßen und Wegen war der Landesgesetzgeber gemäß §§ 5, 14 Abs. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 des Bundeswaldgesetzes vom 2. Mai 1975 (BGBl. I S. 1037) ermächtigt. Diese Beschränkung, die dem Schutz der sonstigen Waldbesucher, der Erhaltung des Waldes und den Belangen der Waldbesitzer dient (vgl. dazu § 1 Nr. 3 und § 14 Abs. 2 des Bundeswaldgesetzes), verstößt nicht gegen das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG), welches das Grundgesetz jedermann nicht schrankenlos, sondern u.a. nur zubilligt, "soweit er nicht die Rechte anderer verletzt". Daß die Stadt ... bisher noch keine Privatwege durch Kennzeichnung mit dem Zeichen 239 der StVO als Reitwege ausgewiesen hat, vermag entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ebenfalls nicht darzutun, daß § 50 Abs. 2 LG gegen Art. 2 Abs. 1 GG verstößt. Das Gesetz (§ 50 Abs. 7 LG) sieht vor, daß die Landschaftsbehörden im Zusammenwirken mit den Forstbehörden, den Gemeinden, den Waldbesitzern und den Reiterverbänden für ein ausreichendes und geeignetes Reitwegenetz sorgen. Dadurch, daß das bisher in bestimmten Gebieten noch nicht geschehen ist, kann eine Grundgesetzwidrigkeit der landesgesetzlichen Regelung nicht hergeleitet werden. Die Möglichkeit eines rechts- und verfassungswidrigen Mißbrauches macht die Regelung noch nicht verfassungswidrig; vielmehr ist bei der Auslegung und Würdigung einer Norm davon auszugehen, daß sie in einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie korrekt und fair angewendet wird (BVerfGE 30, 1, 27; BVerfG NStZ 1983, 273, 274). Zudem verbleibt den Reitern das Recht auf Benutzung der öffentlichen Wege im Rahmen des Straßenverkehrsrechts und ist ihnen darüber hinaus das Reiten in der freien Landschaft nach § 50 Abs. 1 LG auch auf privaten Straßen und Wegen gestattet.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 GG) sieht die Rechtsbeschwerde darin, daß anderen Personengruppen nach dem Gesetz die Nutzung des Waldes zur Erholung gestattet werde und diese Nutzung auch tatsächlich möglich sei, den Reitern wegen des Fehlens von Reitwegen in ... jedoch nicht. Davon, daß die Bestimmungen des Landschaftsgesetzes über das Reiten im Walde den Gleichheitsgrundsatz verletzen, kann indessen keine Rede sein. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich, noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln (BVerfGE 4, 114, 155; 27, 364, 371 f; 46, 55, 62). Eine unterschiedliche Behandlung der Reiter gegenüber sonstigen Erholungssuchenden ist schon deshalb gerechtfertigt, weil das Reiten eine qualitativ andere Benutzungsart darstellt als etwa das Gehen, Wandern und Radfahren. Die Reiter im Walde weitgehend auf Reitwege zu verweisen, dient zudem außer z.B. der Vermeidung erheblicher Schäden und dem Schutz der übrigen Waldbesucher (vgl. § 14 Abs. 2 des Bundeswaldgesetzes) auch dem Interesse der Reiter und ihrer Pferde und ist deshalb alles andere als willkürlich.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Betroffene sieht in der "Schaffung von Reitwegen" mit der Ausschilderung nach Nr. 239 StVO im Walde, der im Privateigentum steht und darin, daß "der Grundstückseigentümer seinen Wald nicht mehr mit Freunden bereiten darf, soweit nicht ein Schild nach Nr. 239 StVO aufgestellt ist", Verstöße gegen Art. 14 GG. Ob die Bestimmungen des Landschaftsgesetzes über das Reiten im Walde zu entsprechenden Verletzungen des Eigentumsrechts der privaten Waldbesitzer führen können, ist jedoch für den vorliegenden Fall unerheblich. Die Betroffene hat einen Pfad im Stadtwald von ... benutzt. Sie ist weder Eigentümerin dieses Pfades noch steht dieser überhaupt im Eigentum einer Privatperson. Die behaupteten Grundrechtsverletzungen können sich auf die der Betroffenen zur Last gelegten Ordnungswidrigkeit nicht auswirken.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Dasselbe gilt für den mit der Rechtsbeschwerde geltend gemachten angeblichen Verstoß gegen Art. 12 GG, den die Betroffene darin sieht, daß eine Reihe von Waldbesitzern, die im Rahmen ihres Berufs das Reiten auf von ihnen selbst in ihrem eigenen Walde angelegten Reitwegen gegen Entgelt gestattet hätten, dies nach dem Landschafts gesetz nicht mehr tun dürften, wenn sich die Behörde nicht bereit finde, eine Ausschilderung nach Nr. 239 StVO vorzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Schließlich macht die Betroffene geltend, obwohl die Stadt ... bislang nicht einen einzigen Meter Reitweg ausgewiesen habe, kassiert sie von den Reitern die jährliche Reitabgabe für die Benutzung dieser Wege, die es gar nicht gebe. Die Reitabgabe sei nach dem Gesetz zweckgebunden zu verwenden und werde von den einzelnen Gemeinden dem Regierungspräsidenten zugeführt, der diese Abgabe zur Ausbesserung der Wege und zur Beseitigung der Schäden, die durch das Reiten entstanden seien, ausschütte. Von den dazu zur Verfügung stehenden Beträgen habe die Stadt ... bisher noch nicht eine Mark abzurufen vermocht, da es diese Wege in Dortmund nicht gebe. Die Reitabgabe solle, so trägt die Betroffene vor, eine Gebühr darstellen. Der Begriff der Gebühr beinhalte zwangsläufig als Element die Gegenleistung. Eine Gegenleistung werde von der Stadt ... aber nicht erbracht. Nach der Definition der öffentlichen Abgaben stellt eine Abgabe ohne jede Gegenleistung eine Steuer dar. Zur Einführung einer Reitsteuer sei aber weder der Landesgesetzgeber Doch die Gemeinde berechtigt. Auch insoweit seien die §§ 49 ff LG verfassungswidrig. - Ob und gegebenenfalls inwieweit diesen Überlegungen zu folgen ist, braucht der Senat indessen ebenfalls nicht zu prüfen und zu erörtern. Denn die von der Betroffenen dargelegten Erwägungen betreffen lediglich die Rechtmäßigkeit der nach § 51 LG zu erhebenden Reitabgabe, die allerdings für die Unterhaltung von Reitwegen und für Ersatzleistungen nach § 53 Abs. 3 LG zweckgebunden ist. Ob daraus hergeleitet werden kann, daß die zweckentsprechende Verwendung auch gebietsweise entsprechend der Höhe der abgeführten Reitabgabe zu erfolgen hat, erscheint indessen - ohne daß es darauf im vorliegenden Fall ankäme - zumindest zweifelhaft.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Für die neue Entscheidung des Amtsgerichts weist der Senat noch auf folgendes hin:</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die §§ 50 ff LG stehen allerdings im Abschnitt VII des Gesetzes, der die amtliche Überschrift "Erholung in der freien Landschaft" aufweist. Das bedeutet jedoch nicht, wie die Rechtsbeschwerde anzunehmen scheint, daß das Reiten im Walde auf privaten Straßen und Wegen der einschränkenden Vorschrift des § 50 Abs. 2 LG nicht unterliegt, wenn es zu anderen als zu Erholungszwecken erfolgt. Vielmehr darf nach § 50 Abs. 6 LG die Befugnis zum Reiten auf privaten Straßen und Wegen nach § 50 Abs. 1 und 2 LG (d.h. in der freien Landschaft und im Walde) nur zu Zwecken der Erholung ausgeübt werden. Das bedeutet, daß die nicht dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen und Wege sowohl in der freien Landschaft als auch im Walde - letzte mit der in § 50 Abs. 2 LG enthaltenen Einschränkung - zum Reiten nicht zu anderen Zwecken als denen der Erholung benutzt werden dürfen. Reiten zu anderen als Erholungszwecken ist also nicht in einem größeren, sondern in einem erheblich geringeren Umfang zulässig als das Erholungszwecken dienende Reiten.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Sollte festgestellt werden können, daß die Betroffene einen nicht dem öffentlichen Verkehr dienenden Weg zum Reiten benutzt hat, kommt es für das Verschulden der Betroffenen möglicherweise auf den von ihr - nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils unwiderlegt - behaupteten Tatbestands - (Annahme, durch einen im Privateigentum stehenden Wald zu reiten) <u>und</u> Verbotsirrtum (Annahme aufgrund der Erlaubnis des Waldeigentümers auf dem Weg reiten zu dürfen) an. Soweit dabei die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums (§ 11 Abs. 2 OWiG) in Frage steht, wird das Amtsgericht berücksichtigen müssen, daß die Vorschriften des Landschaftsgesetzes über das Reiten in der freien Landschaft und im Walde durch das Gesetz vom 6. Mai 1980 (GV NW S. 498) mit Wirkung vom 1. Januar 1981 abgeändert worden sind und in der heute geltenden Fassung nicht bereits seit dem 1. April 1975 gelten.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung entspricht im Ergebnis, jedoch nicht in allen Teilen der Begründung, der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft.</p>
|
315,744 | olgham-1983-06-10-20-u-23282 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 232/82 | 1983-06-10T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:55 | 2019-03-27T09:42:20 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1983:0610.20U232.82.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Klägerin gegen das am 3. Mai 1982 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 11.500,- DM abzuwenden, die auch durch Bankbürgschaft der ...bank in ... erbracht werden kann, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin, eine Versicherungsagentur, verlangt von der Beklagten, die unter anderem Auktionen von Münzen und Uhren veranstaltet, die Zahlung von Prämien für eine Auktionsversicherung.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte schloss über die Klägerin im Jahre 1976 eine Auktionsversicherung ab, an der die ... Versicherungs-AG als führende Versicherungsgesellschaft mit 25 % und acht weitere Versicherungsgesellschaften beteiligt waren. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 55 bis 61 d.A. verwiesen. Unter dem 10. Mai 1976 bevollmächtigte die Beklagte die Klägerin schriftlich unter anderem, bestehende Versicherungen zu kündigen oder abzuändern und Versicherungsneuabschlüsse in ihrem Namen zu tätigen (Bl. 62 d.A.). Das ursprüngliche Versicherungsverhältnis wurde bis 1980 fortgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">1979 kam es zu Streitigkeiten zwischen den Parteien. In deren Verlauf teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 8. Januar 1979 (Bl. 68 d.A.) mit, sie sehe sich nicht mehr in der Lage, die Interessen der Beklagten zu vertreten. Sie übersandte gleichzeitig zu ihrer Entlastung die Vollmachtsurkunde vom 10. Mai 1976.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">1981 änderte die Klägerin den Versicherungsvertrag der Beklagten mit Wirkung ab Beginn 1981. Einzelne Versicherungsgesellschaften, u.a. die bisher führende Versicherungsgesellschaft, schieden aus. Führend sollte nunmehr die ... Versicherung mit einer Beteiligung von 15 % sein. Dies teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 19. November 1981 (Bl. 64 d.A.) mit. Mit. Schreiben vom 26. November 1981 (Bl. 66 d.A.) erklärte die Beklagte, daß sie mit dieser Änderung nicht einverstanden sei. Sie hatte bereits ... mit Wirkung vom 14. August 1981 eine neue Auktionsversicherung bei der " ..." Allgemeinen Versicherungs-AG abgeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist der Ansicht, auch für 1981 bestehe ein wirksames Versicherungsverhältnis zwischen der Beklagten und dem von der Klägerin vertretenen Versicherungspool mit der ... Versicherung als führender Versicherungsgesellschaft. Von diesen Versicherungsgesellschaften sei sie zur Prozeßführung bevollmächtigt worden. Für Auktionen vom 9. Mai, 26. September und 21. November 1981 verlangt sie Prämien in einer Gesamthöhe von 47.162,60 DM.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat den Antrag gestellt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an sie 47.164,60 DM nebst 4 % Zinsen von 13.562,60 DM seit dem 1. Oktober 1981, von je 16.800,- DM seit dem 15. Oktober 1981 und ab Klageerhebung zuzüglich 13 % Mehrwertsteuer auf die Zinsen zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Sie vertritt die Ansicht, daß kein Versicherungsverhältnis 1981 mehr bestanden habe, da die Klägerin zur Abänderung des früheren Versicherungsvertrages nicht bevollmächtigt gewesen sei. Soweit sie, die Beklagte, in Unkenntnis dessen, daß der ursprüngliche Versicherungsvertrag nicht mehr bestanden habe, Prämien an die Klägerin geleistet habe, verlangt sie Rückzahlung im Wege der Widerklage.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Sie hat widerklagend beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Klägerin zu verurteilen, an sie 3.265,40 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 15. April 1982 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Widerklage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin. Beide Parteien verfolgen in der Berufungsinstanz ihre früheren Anträge.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist der Auffassung, der Wechsel in der Beteiligung der Mitversicherungsgemeinschaft habe den Bestand des Versicherungsvertrages nicht berührt. Der Wechsel habe sich erst Mitte 1981 vollzogen und habe dem mutmaßlichen Willen der Beklagten entsprochen. Im übrigen habe die Beklagte auch nach diesem Zeitpunkt noch um Stundung eines Prämienteils von 13.562,60 DM gebeten. Darin sei die Genehmigung einer etwaigen Vertragsänderung zu sehen. Selbst wenn aber zwischen der Beklagten und der von der Klägerin vertretenen Gemeinschaft der Versicherer kein Vertragsverhältnis bestanden habe, sei die Beklagte nach bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten zur Zahlung verpflichtet. Wäre der Beklagten bekannt gewesen, daß das Vertragsverhältnis nicht mehr bestand, hätte sie für eine anderweitige Deckung ihres Risikos sorgen müssen. Aus diesem Grunde entfalle auch eine Rückforderung der gezahlten Prämie.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte bestreitet die Prozeßführungsbefugnis der Klägerin. Im übrigen wiederholt sie ihre erstinstanzlichen Argumente und hält das landgerichtliche Urteil für zutreffend.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf den Inhalt der vorgetragenen Schriftsätze und die beigefügten Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks"><b>1.)</b></p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist für die Versicherungsgesellschaften des neuen Versicherungspools prozeßführungsbefugt. Dies ergibt sich allerdings nicht ohne weiteres aus der Prozeßführungsklausel des Vertrages (§14). Dort werden ausdrücklich nur Klagen des Versicherungsnehmers gegen die Versicherer angesprochen. Daraus läßt sich nicht ohne weiteres auf einen Aktivprozeß der Versicherer rückschließen. Es spricht viel dafür, daß der führende Versicherer die Klägerin zur Führung des Prozesses im Namen der übrigen Versicherer nur dann wirksam bevollmächtigen konnte, wenn er selbst von diesen dazu ermächtigt war (so auch: Prölss-Martin vor §58 VVG, Anm. 3 - S. 343 -). Hier kann das aber offenbleiben, da die Erteilung der Prozeßführungsbefugnis an die Klägerin durch die führende Gesellschaft von den übrigen Versicherern genehmigt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks"><b>2.)</b></p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist aber nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">2.1)</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Ein Versicherungsvertrag zwischen den Teilnehmern des neuen Versicherungspools unter Führung der Zürich Versicherung und der Beklagten, der zunächst Grundlage der geltend gemachten Versicherungsprämienforderung sein könnte, besteht nicht.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Nach §13 des Versicherungsvertrages handelt es sich um eine Mitversicherung, da eine solidarische Haftung der einzelnen Versicherungsgesellschaften ausgeschlossen wurde und diese nur entsprechend der jeweiligen Quote haften. In diesem Fall liegt ein Zusammenschluß von voneinander abhängigen Verträgen des Versicherungsnehmers mit den jeweiligen Versicherern vor (Prölss-Martin vor §58 VVG, Anm. 1). Daraus folgt, daß der Austausch des vertragsführenden Versicherers und der Austausch weiterer beteiligter Versicherer eine Vertragsänderung bedeuten, genauer Vertragsaufhebungen und neue Vertragsabschlüsse.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Diese Vertragsänderung ist nicht wirksam geworden.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Eine wirksame Vertretung der Beklagten durch die Klägerin bei Vertragsänderung entfällt ebenso, da die Beklagte nicht mehr dazu bevollmächtigt war. Die Vollmachtsurkunde vom 10. Mai 1976, die eine ausreichende Bevollmächtigung enthalten hätte, hat die Klägerin mit Schreiben vom 08. Januar 1979 zurückgegeben und zwar mit der erklärten Absicht, ihre Interessenwahrnehmung für die Klägerin zu beenden. Mit widerspruchsloser Annahme dieses Schreibens durch die Vollmachtsurkunde durch die Beklagte war die Vollmacht der Klägerin erloschen (§168 BGB). Die Klägerin erloschen (§168 BGb). Die Urkunde hatte keine Wirkung mehr (§172 II BGB). Aus dem Versicherungsvertrag selbst ergibt sich keine Bevollmächtigung der Klägerin. §15 des Versicherungsvertrages behandelt nur die Frage, ob und inwieweit die Klägerin die einzelnen Versicherungsgesellschaften vertreten durfte. Im übrigen wäre eine solche Vollmacht durch die dargestellten Vorgänge erloschen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Für eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht der Klägerin ergeben sich keine Anhaltspunkte.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag, die die Klägerin anspricht, begründen ebenfalls keine Vollmacht der Klägerin.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Das Handeln der Klägerin als vollmachtlose Vertreterin der Beklagten ist auch nicht später durch diese genehmigt worden. An sich könnte zwar in der Zahlung der Versicherungsprämie, einer Bitte um Stundung und auch in einer Schadensmeldung bei den Versicherern eine solche Genehmigung gesehen werden. Voraussetzung dafür wäre aber, daß all dies in Kenntnis der Vertragsänderung durch die Klägerin geschehen wäre. Eine solche Kenntnis der Beklagten lag unstreitig nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">2.2)</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Ob in Wirklichkeit durch stillschweigende Verlängerung die Verträge mit den Gesellschaften des früheren Versicherungspools fortgesetzt worden sind, ist unerheblich. Selbst wenn dies angenommen würde, hätte die Klägerin die diesen Versicherungsgesellschaften zustehenden Prämien nicht geltend gemacht. Im übrigen wäre sie dann auch nicht prozeßführungsbefugt. §15 des Versicherungsvertrages enthält wie dargelegt, keine Klagevollmacht. Die Ermächtigung ist hier nur von der neuen führenden Gesellschaft und nicht von der früheren erteilt worden, wie das dann notwendig wäre.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">2.3)</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der Klägerin besteht auch kein Anspruch auf Zahlung der Prämien nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung (§812 BGB). Da unstreitig keine Versicherungsleistungen für 1981 erbracht worden sind, käme als Erlangtes nur der Versicherungsschutz selbst, d.h. die abstrakte Möglichkeit, bei Eintritt eines Versicherungsfalles Ersatz zu verlangen, in Frage. Dies setzt aber eine Leistungspflicht des Versicherers und damit einen Versicherungsvertrag voraus, der hier nicht besteht. Damit fehlt es an einer Bereicherung der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks"><b>3.)</b></p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Widerklage ist begründet. Ein Anspruch ergibt sich aus §812 BGB. Die Klägerin hat durch Abbuchung von der Beklagten unstreitig 3.265,40 DM erlangt. Der Rechtsgrund für diese Vermögensverschiebung ist nachträglich entfallen, da die Klägerin für die Beklagte die zunächst bestehenden Versicherungsverträge mit Wirkung ab Beginn 1981 abänderte oder zum Teil auch aufhob. Trotz der fehlenden Vollmacht der Klägerin ist diese rückwirkende Aufhebung aufgrund der Genehmigung der Beklagten, die zumindest in der Erhebung der Widerklage liegt, wirksam (§184 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist auch bereichert. Sie mag zwar das Geld ganz oder zum Teil an die Versicherungsgesellschaften, die Mitglieder des Versicherungspools sind, weitergeleitet haben. Das kann sie aber der Beklagten nicht entgegenhalten, weil sie wusste, daß sie zur Vertretung der Interessen der Beklagten gegenüber dem neuen Pool und demzufolge auch zur Entgegennahme von Versicherungsprämien für diesen Pool nicht befugt war (§819 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks"><b>4.)</b></p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§97, 708 Ziffer 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Der Wert der Beschwer beträgt 50.430,- DM.</p>
|
315,745 | olgk-1983-05-26-4-wf-7383 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 4 WF 73/83 | 1983-05-26T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:56 | 2019-03-27T09:42:19 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1983:0526.4WF73.83.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Beschwerde wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Siegburg vom 15.3.1983 insoweit abge­ändert als der Antragstellerin für das Verfahren FS-GÜ Prozeßkostenhilfe zur Geltendmachung einer Forderung von insgesamt 10.900,- DM unter Beiordnung von Rechtsanwältin C., C1, be­willigt wird.</p>
<p></p>
<p>Die weitergehende Beschwerde wird zurück­gewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Gründe:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien sind seit dem 27.3.1954 miteinander verheiratet und leben seit Ende November 1980 voneinander getrennt. Am 19.11.1981 hat die Antrag­stellerin einen Ehescheidungsantrag eingereicht, der zunächst nur zur Information dem Antragsgegner zugeleitet worden ist. Im Termin vom 15.1.1982 ist sodann Prozeßkostenhilfe für das Scheidungsverfahren bewilligt worden und die beiderseitigen Anwälte haben zur einstweiligen Anordnung betreffend den Unterhalt verhandelt und in der Folgezeit weitere Anträge zu Scheidungsfolgesachen eingereicht.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Unter anderem verlangt die Antragstellerin im Scheidungsverbund Zugewinnausgleich in Höhe von 30.000,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Sie begründet diesen Anspruch im wesentlichen damit, daß während der Ehe von den Parteien auf dem im Erbbaurecht der Eltern des Antragsgegners stehenden Grundstück ein Anbau im Wert von ca. 100.000,- DM errichtet worden ist. Sie behauptet, dieser Anbau sei im wesentlichen durch die Arbeitsleistung der Parteien und mit ihren Geldmitteln errichtet worden und zwar mit Rücksicht auf die Absicht</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">der Eltern, ihnen später das Erbbaurecht zu</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">übertragen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Am 5.11.1980 ist auch zwischen der Mutter des Antragsgegners, die Alleinerbin des vorverstorbenen Vaters des Antragsgegners war, und dem Antragsgegner ein notarieller Übertragungsvertrag (URNR. 2xxx/1980 Notar S., T.) geschlossen worden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">In diesem Vertrag heißt es u.a.: " Im Wege der Vorweggenommenen Erbfolge ließen die Erschienenen folgenden <u>Übertragungsvertrag</u> beurkunden ... " weiter heißt es :</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><strong>" </strong>Herr L. hat sich die Übertragung nicht auf sein Erb- und Pflichtteilsrecht am Nachlaß seiner Eltern anrechnen zu lassen .. " Für die damals 74-jährige Mutter des Antragsgegners wurde ein Wohnrecht an verschiedenen Räumen als beschränkt persönliche Dienstbarkeit vereinbart und der Antragsgegner verpflichtete sich weiter, " seine Mutter in gesunden und kranken Tagen zu pflegen und zu verpflegen, wie es ihren Gewohnheiten entspricht". In § 5 heißt <em>es </em>weiter : = Die erforderlichen behörderlichen und privaten Genehmigungen bleiben vorbehalten und werden beantragt". In § 4 ist die Auflassung erklärt und die Eintragung des "Eigentumswechsels " im Grundbuch bewilligt. Nach § 6 des Erbbaurechtsvertrages vom 3.12.1952 (URNr. 1xxx/52 S1) darf das Erbbaurecht nicht ohne vorherige schriftliche Genehmigung der Katholischen Kirchengemeinde in L1, der Grundstückseigentümerin, veräußert werden.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Diese Genehmigung liegt bisher nicht vor. Die Katholische Kirchengemeinde hat ihre Zustimmung davon abhängig gemacht, daß der bisher seit 1952 unveränderte Erbbauzins von 0,04 DM/qm jährlich auf 0,19 DM jährlich angehoben wird.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><em>Der </em>Antragsgegner macht geltend, an dem Erbbaurecht nach Er­höhung des Erbauzinses nicht mehr interessiert zu sein, auch verweigere seine Mutter die Vollziehung des Vertrages, weil er mit einer anderen Frau zusammenlebe, mit der sie sich nicht verstehe und er daher seine Pflegeverpflichtung aus dem Vertrag nicht einhalten könne.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Anbau sei außerdem ausschließlich von seinen Eltern finanziert worden. Lediglich ein Darlehen in Höhe von 10.000.- DM bis auf den von seinem Vater abgelösten Rest von 4.200,68 DM und ein weiteres Darlehen in Höhe von 15.000 DM sei von den Parteien zurückgezahlt worden.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Diese Leistungen seien mit Rücksicht darauf erbracht worden, daß die Parteien - wie insoweit unstreitig ist - seit 1960 unentgeltlich im elterlichen Haus wohnten.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das Familiengericht hat Prozeßkostenhilfe mit Rücksicht auf einen Lebensversicherungsvertrag des Antragsgegners nur in Höhe von 900,- DM bewilligt, im übrigen Prozeß­kostenhilfe mangels Erfolgsaussicht abgelehnt. Er hat einen Zugewinnausgleichsanspruch verneint, weil dem Antragsgegner das Erbbaurecht im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zugewandt worden sei und daher gemäß § 1374 Abs.2 BGB dem Anfangsvermögen zuzurechnen sei. Das gelte auch, wenn die Übertragung vorwiegend zum Ausgleich der In­vestitionen in den Altbau erfolgt sei, weil insoweit jeden­falls kein Übertragungsanspruch bestanden habe, die Mutter über das Erbbaurecht habe frei verfügen können und die, Zuwendung allein auf ihrer persönlichen Beziehung zum Antragsgegner beruht.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die gemäß § 127 Abs. 2 8. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Die Zugewinnausgleichsklage hat in Höhe eines Teilbetrages von 10.000,- DM Aussicht auf Erfolg und eine auf eigene Kosten prozessierende Partei würde den Anspruch derzeit nur in dieser Höhe geltend machen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Für die Berechnung der Ausgleichsforderung kommt es nach §§ 1378,1384 BGB auf den Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags an (nicht den der Einreichung, vgl. OLG München FamRZ 1982, 279). Das ist hier der Termin vom 15.1.19821 da, der Scheidungsantrag vorher nur formlos übersandt worden ist und er erst nach Bewilligung der Prozeßkostenhilfe und weiterer Verhandlung zur Sache als zugestellt angenommen anzusehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hat unstreitig keinen Zugewinn erzielt. Ihr steht gemäß § 1378 BGB aber eine Ausgleichsforderung zu, da der Antragsgegner über die bereits berücksichtigte Lebensversicherung hinaus einen Zugewinn in Gestalt des Anspruchs auf Übertragung des Erbbaurechts erzielt hat, von dem glaubhaft gemacht ist (§ 118 Abs. 2 ZPO), daß er in Höhe von 10.000.- DM auszugleichen ist.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Am 15.1.1982 hatte der Antragsgegner aus dem notariellen Vertrag vom 5.11.1980 einen Anspruch auf Übertragung des Erbbaurechts.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Es kann dabei dahinstehen, ob angesichts der Tatsache, daß im notariellen Vertrag bereits die Auflassung erklärt ist und die Bewilligung der Eintragung des "Eigentumswechsels" im Grundbuch abgegeben ist, der Antragsgegner als Inhaber eines dinglichen Anwartschaftsrechtes anzu­sehen ist, obwohl der Eintragungsantrag beim Erbbaugrundbuch noch nicht gestellt war und eine Auflassungsvermerkung nicht eingetragen war (vgl. OLG Hamm NJW 1975,879 mit Darstellung der verschiedenen Auffassungen zu dieser Frage; Baur, Sachenrecht, 12. Aufl., § 19 B 1 2 c bb).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Für die Frage, ob der Eigentumsübertragungsanspruch zum Vermögen des Ausgleichspflichtigen im Sinne der §§ 1375, 1378 BGB zu rechnen ist, kommt es nicht darauf an, ob der Erwerber schon eine gegenüben/Dritten gesicherte Rechtsstellung erlangt hat, sondern nur darauf, ob es sich um ein objektiv bewertbares Vermögen handelt, das im Erbfall auf einen Dritten übergehen könnte (vgl. BGH FamRZ 1977, 386 = NJW 1977,949). Auch wenn der Eintragungsantrag noch nicht gestellt ist und keine Auflassungsvormerkung ein­getragen ist, handelt es sich bei der Rechtsstellung aus erklärter Auflassung um ein vererbbares Recht (vgl. Palandt-­Keidel, 42. Aufl., § 1922, Anm. 3 a hh; BGHZ 48,351 (356) Tietke FamRZ 1976,510/511; Bay ObLGZ 73,139).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Hier gilt auch nicht deshalb etwas anderes, weil die Übertragung " im Wege der vorweggenommenen Erbfolge " geschieht. Solche Rechtsgeschäfte sind Rechtsgeschäfte unter lebenden, weil schon zu Lebzeiten des Erblassers Rechte und Pflichten begründet werden. Da die Leistung der Erblasserin nach dem Vertrag nicht mit einem Erbverzicht des Erbbrechtigten verknüpft ist, kann es sich bei einem solchen Vertrag um eine Schenkung handeln, was aber im Streitfall zu verneinen ist, da angesichts der übernommenen Pflegeverpflichtung und angesichts der Leistungen zur Errichtung des Neubaus nicht davon auszugehen ist, daß sich die Parteien über eine unentgeltliche Zuwendung einig waren. Letzlich kann der Charakter des Rechts­geschäfts aber auch dahinstehen, da die Rechtsstellung aus erklärter Auflassung auch dann ein vererbbares Recht ist, wenn die Übertragung schenkweise erfolgt ist. Die Sachlage ist daher mit der der Senatsentscheidung vom 9.5.1982 (FamRZ 1983, 71 ff.) nicht vergleichbar. Ob der Übertragende wegen zukünftiger Änderungen gegebenenfalls zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt ist, ist grundsätzlich ohne Bedeutung, da ein Wegfall des Zugewinns nach dem gemäß § 1384 BGB maß­gebenden Berechnungszeitpunkt grundsätzlich ohne Bedeutung ist (vgl. Palandt-Diederichsen, 42. Aufl., § 1384, Anm.1).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Ob und inwieweit sich insofern eine Einschränkung aus § 1378 Abs. 2 BGB ergibt, kann hier offenbleiben, da der Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes und der Wert des Vermögens des Antragsgegners zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar sind.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner kann sich auch nicht darauf berufen, daß der Übertragungsvertrag nach Versagung der Zustimmung des Grundstückseigentümers zur Übertragung des Erbbaurechts gegenstandslos geworden wäre.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Grundstückseigentümer hat seine Zustimmung nicht versagt, sondern sie nur von einer angemessenen Erhöhung des Erbbauzinses abhängig gemacht. Eine Anpassung des jährlichen Erbbauzinses von 0,04 DM/qm auf 0,19 DM/qm jährlich macht nur einen Unterschied von weniger als 200 DM jährlich als Belastung aus. Der Antragsgegner verstößt gegen Treue und Glauben, wenn er aus diesem Grund die Zustimmung der Kirchengemeinde zur Übertragung nicht einholt, denn angesichts des seit fast 30 Jahren un­veränderten Erbbauzinses mußte von vorneherein damit gerechnet werden, daß die Kirchengemeinde eine angemessene Erhöhung des Erbbauzinses verlangen werde. Gemäß § 162 BGB muß sich der Antragsgegner so behandeln lassen, als habe die Kirchengemeinde ihre Zustimmung zur Übertragung erteilt.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Annahme eines im Vermögen des Antragsgegners befindlichen Rechts steht auch nicht entgegen, daß er nunmehr erklärt, die Pflegeverpflichtung nicht mehr erfüllen zu können. Maßgebend ist nach dem bereits gesagten der Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags. Jedenfalls damals war von einer einverständlichen Aufhebung des Vertrags aus diesem Grunde nicht die Rede.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hat aber nur eine. Ausgleichsforderung in Höhe von 10.000.- DM glaubhaft gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Das Erbbaurecht ist gemäß § 1374 Abs. 2 BGB insoweit dem Anfangsvermögen zuzurechnen als er dem Antragsgegner mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht zugewandt worden ist. Das ist nur insoweit nicht der Fall, als die Übertragung zum Ausgleich der Investitionen der Parteien und mit Rücksicht auf die übernommene Pflegeverpflichtung geschehen ist. Der Wert dieser Pflegeverpflichtung bleibt gemäß § 1375 Abs. 1 BGB aber gleichfalls außer Betracht, da diese Verbindlichkeit vom Endvermögen abzuziehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Aus dem Übertragungsvertrag geht nicht hervor, in welchem Umfang die Übertragung zum Ausgleich für Leistungen der Parteien zur Errichtung des Anbaus erfolgt ist. Zu berück­sichtigen ist dabei, daß die Parteien seit 1960 mietfrei im Haus der Eltern gewohnt haben, so daß davon auszugehen ist, daß die laufende Mithilfe bei der Errichtung des Baus zum Ausgleich für die Wohnungsgewährung erfolgt ist. An konkreten finanziellen Leistungen zur Errichtung des Neubaus hat die Antragstellerin lediglich die Rück­zahlung zweier Darlehn in Höhe von 5799,32 und 15.000 DM vorgetragen. Nur insoweit ist glaubhaft, daß die Parteien und Erbbauberechtigten sich einig waren, daß diese Leistungen durch die späte Übertragung des Erbbaurechtes ausgeglichen werden sollten. Die Tatsache, daß der Antragsgegner gegen seine Mutter keinen Übertragungsanspruch hatte, führt nicht dazu, daß der gesamte Wert dem Anfangsvermögen zuzurechnen ist, wie das Amtsgericht angenommen hat. Es muß viel mehr danach unterschieden werden, zu welchen Teilen die Zuwendung unter § 1374 Abs. 2 BGB fällt und zu welchen Teilen sie zum Ausgleich von Leistungen des/der Ehepartner erfolgt ist.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Das Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren ist nicht dazu geeignet, insoweit weitere Einzelheiten aufzuklären.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Bei der gegebenen Sachlage würde aber auch eine auf eigene Kosten prozessierende Partei zunächst nur einen Teilbetrag von 10.000 DM geltend machen, um in diesem Rechtsstreit die Einzelheiten der Höhe der finanziellen Leistungen und der Vereinbarungen über ihre Verrechnung zu klären, zumal hier eine Verjährung der Restforderung (§ 1378 Abs. 4 BGB) nicht droht.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Eine Kostenerstattung im Prozeßkostenhilfeverfahren findet nicht statt.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks"><u>Beschwerdewert</u> (soweit die Beschwerde zurückgewiesen); 1500.- DM.</p>
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315,746 | arbg-herford-1983-05-09-2-ca-15082 | {
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} | 2 Ca 150/82 | 1983-05-09T00:00:00 | 2019-03-13T15:12:58 | 2019-03-27T09:42:19 | Urteil | ECLI:DE:ARBGHF:1983:0509.2CA150.82.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner.</p>
<p>Streitwert: 35.000,00 DM.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong>Tatbestand       </strong></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten über einen von den Klägern begehrten Schadenersatzanspruch. Der Beklagte war ab 1964 bei der Firma S GmbH & Co.KG beschäftigt;</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><sup>von</sup> 1966 bis zum 6. Juni 1980 war er von der Arbeitsleistung freigestellter Betriebsratsvorsitzender. Die Firma S GmbH & Co.KG kündigte das Arbeitsverhältnis gegenüber dem Beklagten am 5. September 1980 fristlos. In der von dem Beklagten erhobenen Kündigungs- schutzklage (2 Ca 938/80 Arbeitsgericht Herford; 2 Sa 241/81 Landesarbeitsgericht Hamm) schlossen die Parteien am 9. September 1981 vor dem Landesarbeitsgericht Hamm einen Vergleich, in dem es in Ziff. 5) 'wie folgt heißt:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">"Damit sind alle Ansprüche der Parteien aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis, gleich aus welchem Rechtsgrund, ob bekannt oder unbekannt, mit Ausnahme von Ansprüchen/ die mit den Arbeitspapieren in Verbindung stehen, erledigt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Bei der Firma S GmbH & Co.KG gibt es seit 1957 einen Belegschaftskantine. Für den Kantinenbetrieb stellt die Firma S GmbH & Co.KG die Räumlichkeiten und 2 Arbeitnehmer als Kantinenpersonal. Der Beklagte hatte von dem Zeitpunkt, in dem er zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt wurde, über die Geschäftstätigkeit der Kantine eine Aufsichts und Kontrollfunktion. Der Wareneinkauf und -Verkauf Wurde von etwa 1970 bis 1980 im wesentlichen von dem Mitarbeiter der Beklagten H vorgenommen. Jeweils zum Jahresende wurde eine von dem Beklagten überprüfte Inventur vorgenommen. 1968 wurde unter der Bezeichnung "WG Kantine S" ein Geschäftskonto bei der Stadtsparkasse Herford eröffnet, über das beklagte bis zur Niederlegung seines Amtes als Betr.Lebsratsvorsitzender verfügungsberechtigt war. Das Konto wies am 3. Januar 1979 einen Sollbestand von 13.116,55 DM und</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">am 30. April 1960 einen Sollbestand von 35.104,12 DM auf. Am 7. Mai 1980 wurde durch eine Scheckzahlung der Firma S GmbH & Co.KG 35.000,00 DM auf das Konto eingezahlt.- Es wurde zwischen dem Betriebsrat und der Firma S  GmbH & Co. KG vereinbart, daß ein Betrag in dieser Höhe als ein aus den Einnahmen der Kantine zu tilgendes Darlehn gewährt wurde.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Kläger tragen vor, die Kantine sei als eine soziale Einrichtung der Firma S GmbH & Co.KG von dem Betriebsrat in Form eines nicht- rechtsfähigen Vereins betrieben worden, so daß sie befugt seien, Schadenersatz gerichtlich gegenüber dem Beklagten geltend zu machen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte habe aufgrund pflichtwidrig nicht wahrgenommener Kontroll- und Aufsichtsfunktionen den Sollbestand von über 35.000,00 DM auf dem Geschäftskonto der Kantine zu vertreten. Verantwortlich für diesen Fehlbetrag sei der Beklagte auch, weil er erst im Mai 1980 die Belegschaft und den Betriebsrat der Firma S GmbH & Co. KG auf einer Betriebsversammlung hiervon in Kenntnis setzte.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Kläger stützen den geltend gemachten Anspruch hilfsweise auch darauf, daß die Firma S GmbH & Co.KG einen ihr gegen den Beklagten zustehenden Anspruch an sie abgetreten habe.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Kläger beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger.35.000,00 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 12. Juni 1982 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte trägt vor, die Kläger seien nicht aktiv legitimiert hinsichtlich der Klageforderung<strong>.</strong> Die Belegschaftskantine sei als soziale Einrichtung - ohne eigene Rechtspersönlichkeit und sonstige Selbständigkeit - anzusehen und in den Betrieb der Firma S GmbH & Co<strong>,</strong> KG eingegliedert. Da es sich hierbei um eine rechtlich unselbständige Betriebseinrichtung handele, sei das Vorbringen der Kläger, der Betriebsrat, betreibe die Kantine als nicht rechtsfähiger Verein unzutreffend. Der Beklagte bestreitet, durch pflichtwidriges Verhalten einen Fehlbetrag von 35<strong>.</strong>000,00DM verursacht <em>zu</em> haben. Im übrigen habe die Belegschaftskantine keinen Schaden erlitten, da die Firma S GmbH & Co.KG ihrer Verpflichtung, finanzielle Mittel für den Kantinenbetrieb zur Verfügung zu stellen, durch die Scheckzahlung von 35.000,00 am 7. Mai 1980 nachgekommen sei. Gegenüber einem etwaigen Ansprach der Kläger erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe Die Klage ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Den Klägern steht hinsichtlich der eingeklagten Forderung keine Aktivlegitimation(Sachbefugnis) zu, denn bei rechtlich zutreffender Würdigung ihres eigenen und unstreitigen Vorbringen kann ein Schadenersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung gegenüber dem Beklagten allenfalls für die Firma S GmbH & Co KG entstanden sind<strong>.</strong> Durch eine Abtretung können die Kläger von der Firma S GmbH & Co.KG keine Forderungen auf Leistung von Schadenersatz gegen den Beklagten erworben haben, weil in dem Vergleich vom 3. September 1981 die Firma S GmbH & Co.KG auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Beklagten verzichtet hat.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die in der Firma S GmbH & Co.KG eingerichtete Belegschaftskantine wird nicht von dem Betriebsrat als wirtschaftlicher nicht rechtsfähiger Verein i.S. des § 22 BGB geführt, Ein wirtschaftlicher Verein erfordert, daß eine wirtschaftliche Betätigung dauernder Art stattfindet und der Geschäftsbetrieb unmittelbar durch den Verein erfolgt (BGH in NJW 1966, S. 2007). Eine wirtschaftliche Betätigung setzt eine planmäßige Teilnahme am unternehmerischen Wettbewerb voraus. Dies ist bei der Belegschaftskantine in der Firma S GmbH & Co.KG nicht der Fall, denn sie steht ausschließlich den Betriebsangehörigen zur Benutzung zur Verfügung, um vorwiegend deren Bedürfnisse im Hinblick auf Speisen und Getränke während der Arbeitszeit zu erfüllen<strong>.</strong> Wirtschaftliche Ziele werden mit der Belegschaftskantine, die nicht ein Pächter betreibt, offensichtlich nicht verfolgt<strong>.</strong> Eine Lenkung oder ergänzende Unterstützung von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben muß die Haupttätigkeit des wirtschaftlichen Vereins ausmachen (Münchene Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Allg.Teil, §§ 21, 22 BGB <strong>Aniß.</strong> 9 c) , Diese Voraussetzungen liegen ebenfalls nicht vor. Da eine schriftliche Vereinbarung zwischen der Firma S GmbH & Co.KG und dem Betriebsrat dieser Firma nicht vorliegt und auch der Betriebsrat selbst keine schriftliche Regelung (Satzung) hin sichtlich des Kantinenbetriebs, soweit er von ihm selbst durchgeführt bzw. kontrolliert worden sein soll, aufgestellt hat, bestehen bereits erhebliche Bedenken, ob der Betriebsrat oder sämtliche Betriebsratsmitglieder eine Verwaltungsfunktion hinsichtlich des Betriebes der Belegschaftskantine ausgeübt haben. Daraus, daß dem Betriebsrat die Verluste im</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Betrieb der Kantine erst im Mai 1980 bekannt wurden, muß vielmehr geschlossen werden, daß dem Beklagten aufgrund seiner Stellung als Betriebsratsvorsitzender die Verwaltung der Kantine übertragen wurde und - ohne Beteiligung des Betriebsrates - auch allein durchführte. Hätte es sich hierbei um Aufgaben und Pflichten des Betriebsrates (als Gremium) gehandelt, muß es als unverständlich angesehen werden<strong>,</strong> daß hierüber keinerlei konkrete, den gesamten Betriebsrat einbeziehende Regelung - bis zum Rücktritt des Beklagten als Betriebsratsvorsitzenden - getroffen wurde. Dieses offensichtlich für den Betriebsrat und die Firma S GmbH & Co.KG erkennbare Handeln des Beklagten bei dem Betrieb der Kantine wurde bis Mitte Mai 1980 allgemein geduldet. Vom Betriebsrat wurde nicht einmal versucht die laufende</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Verwaltung der Kantine in seinen Kompetenzbereich einzu- beziehen. Dies läßt nur den Schluß zu, daß die Kantine der Firma S GmbH & Co.KG selbständig von dem Beklagten und zwei von dieser Firma gestellten Mitarbeitern - ohne Einschaltung des Betriebsrates als Gremium bzw. der einzelnen Betriebsratsmitglieder als Mitglieder eines gegründeten wirtschaftlichen Vereins-für die Firma S GmbH & Co.KG als soziale Einrichtung verwaltet wurde,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Hieraus folgt zugleich, daß kein freiwilliger Zusammenschluß von Personen zur Verfolgung gemeinschaftlicher Zwecke hinsichtlich des Betriebes der Kantine vorliegen kann und somit die Kläger weder als Mitglieder eines wirtschaftlichen Vereins noch eines idealvereins nach § 21 BGB die Aktivlegitimation hinsichtlich der Klageforderung zustehen kenn.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Aus den vorstehenden Ausführungen folgt weiter, daß die Kläger sich auch nicht zu einer BGB-Gesellschaft hinsichtlich der Verwaltung der Belegschaftskantine zusammengeschlossen haben.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Da die Aktivlegitimation der Kläger bereits aufgrund bürgerlich-rechtlicher Bestimmungen zu verneinen ist, bedarf es keiner Erörterung, ob dies auch aus be-</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">triebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen zu folgern ist.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der den Klägern aufgrund einer Abtretung von Ansprüchen durch die Firma S GmbH & Co.KG die Klageforderung als Gesamtgläubiger nicht zustehen kann, ergibt sich offensichtlich daraus, daß in dem Rechtsstreit P ./. S GmbH &Co.KG die Parteien in dem Vergleich vom. 9. September 1981 erklärt haben, daß alle Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis erledigt sind.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Höhe des festgesetzten Streitwerts ergibt sich aus der eingeklagten Forderung.</p>
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