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315,949 | olgham-1980-03-11-2-uf-55679 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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} | 2 UF 556/79 | 1980-03-11T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:19 | 2019-03-27T09:41:48 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1980:0311.2UF556.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Klägers wird das am 12. September 1979 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Essen (105 E 17/79) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:</p>
<p></p>
<p>Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Essen vom 12. Januar 1977 (11 C 545/76) wird für unzulässig erklärt</p>
<p></p>
<p>a) für die Zeit vom 1.7. bis zum 29.11.1978 in Höhe von mehr als 920,- DM,</p>
<p></p>
<p> b) für die Zeit ab 30. November 1978 in voller Höhe.</p>
<p></p>
<p>Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien sind Eheleute. Aus der Ehe sind sieben Kinder hervorgegangen im Alter von jetzt 4 bis 21 Jahren.
Drei von ihnen sind vorjährig. Seit dem 30.11.1978 leben die Parteien getrennt. Bis zur Trennung lebten in
ihrem Haushalt noch sechs Kinder. Sie sind sämtlich mit der Beklagten in die neue Wohnung gezogen. Die beiden
Ältesten von ihnen, ... und ... sind ebenso wie der Kläger im Bergbau bei der Fa. Bergbau-AG ... in ...
beschäftigt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 12.1.1977 - damals lebten die Parteien noch nicht getrennt - erwirkte die Beklagte vor dem Amtsgericht Essen
(zu 11 C 545/76) ein Versäumnisurteil gegen den Kläger, durch das der Kläger verurteilt worden ist,
ab 1.11.1976 an die Beklagte ein monatlich im voraus fälliges Wirtschaftsgeld von 1.500,- DM zu zahlen, u.a.
abzüglich 1.200,- DM als Wirtschaftsgeld für November und Dezember gewertetes Kindergeld. Als Kläger
waren in dem damaligen Verfahren zunächst die Beklagte und die vier jüngsten Kinder angeführt. Auf
Hinweis des Gerichts wurde sodann klargestellt, daß Familienunterhalt gefordert und die Klage nur namens der
(jetzigen) Beklagten erhoben werde. Das Kindergeld für sechs Kinder in Höhe von monatlich 600,- DM erhielt
damals der Kläger. Sein monatliches Nettoeinkommen betrug seinerzeit nach dem Vortrag der Beklagten 1.660,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Seit Juli 1978 wird das Kindergeld nicht mehr an den Kläger ausgezahlt, sondern unmittelbar an die Beklagte,
und zwar für fünf Kinder in Höhe von monatlich 500,- DM für die Zeit vom 1.7.1978-31.12.1978 und
730,- DM für die Zeit vom 1.1.-30.6.1979. Seit 1.7.1979 wird es nur noch für vier Kinder gezahlt und
beläuft sich auf 550,- DM monatlich. Der Wegfall des Kindergeldes für das 6. und 5. Kind beruht darauf,
daß ... im Mai 1978 und ... im Juli 1979 volljährig geworden sind.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Verfahren macht der Kläger die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung geltend In erster
Instanz hat er unter Berufung darauf, daß sich die Beklagte das Kindergeld anrechnen lassen müsse, insoweit
die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Essen vom 12.1.1977
begehrt, als die Beklagte daraus seit dem 1.7.1978 die Zwangsvollstreckung über einen Betrag von 900,- DM monatlich
hinaus betreibt. Hilfsweise hat er um Abänderung dahin gebeten, daß er ab 5.4.1979 anstelle eines
Wirtschaftsgeldes von 1.500,- DM nur noch 1.053,- DM monatlich zu zahlen habe.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung
aus dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Essen vom 12.1.1977 Zwangsvollstreckung betreibt wegen eines
Wirtschaftsgeldes</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">von mehr als 1.210,- DM monatlich für die Zeit vom 1.7.78 bis 31.12.1979,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">von mehr als 1.135,- DM monatlich für die Zeit vom 1.1.1979-30.6.1979,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">von mehr als 1.225,- DM für die Zeit ab 1.7.1979.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die Berufung des ... Klägers. Für die Zeit bis zur Trennung macht er weiterhin
geltend, daß das gesamte Kindergeld anzurechnen sei. Für die Zeit ab der Trennung beruft er sich nunmehr
darauf, daß die Zwangsvollstreckung im vollen Umfang unzulässig sei, weil von diesem Zeitpunkt ab der
Anspruch auf Wirtschaftsgeld infolge der Trennung entfallen sei.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des
Amtsgerichts Essen vom 12.1.1977 (11 C 545/76) für die Zeit ab 30.11.1979 im vollen Umfang für
unzulässig zu erklären und für die Zeit vom 1.7.1978-29.11.1978 insoweit, als der titulierte
Monatsbetrag 920,- DM übersteigt.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Sie tritt der Auffassung des Klägers entgegen und zweifelt mit Rücksicht auf die Behandlung des
Klägers in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt an seiner Prozeßfähigkeit.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze Bezug
genommen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig und begründet.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger bei der Einleitung des vorliegenden Rechtsstreits
infolge einer, geistigen Erkrankung gemäß § 51 ZPO in Verbindung mit § 104 Nr. 2 BGB
prozeßunfähig gewesen ist, liegen nicht vor. Der Kläger hat vielmehr noch bei seiner persönlichen
Anhörung vor dem Amtsgericht am 12.9.1979 sachdienliche Erklärungen abgegeben, die den Schluß zulassen,
daß seine freie Willensbestimmung zu dieser Zeit keineswegs beeinträchtigt war. Ob im weiteren Verlauf des
Rechtsstreits ein Verlust der Prozeßfähigkeit eingetreten ist, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn das
der Fall gewesen sein sollte, hat das auf das Verfahren keinen Einfluß mehr, weil der Kläger durch einen
Rechtsanwalt vertreten ist und dieser nicht gemäß § 246 ZPO die Aussetzung des Verfahrens beantragt
hat.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Vollstreckungsgegenklage ... (§ 767 ZBO) ist begründet, weil der durch das Versäumnisurteil vom
12.1.1977 titulierte Anspruch nachträglich entfallen ist, und zwar hinsichtlich eines Betrages von monatlich
580,- DM für die Zeit vom 1.7.1978-29.11.1978, von da ab im vollen Umfang. Die Gründe hierfür sind
erst nachträgtlich eingetreten und konnten durch Einspruch gegen das Versäumnisurteil nicht mehr geltend
gemacht werden. Das Urteil ist offenbar schon alsbald nach seiner Verkündung zugestellt worden. Schon im Juli
<u>1977</u> hat die Beklagte die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil betrieben.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Für die Zeit vom 1.7.1978-29.11.1978 ist der Anspruch in Höhe von monatlich 580,- DM entfallen, und zwar
mit Rücksicht darauf, daß das Kindergeld unmittelbar an die Beklagte gezahlt worden ist. Das
Versäumnisurteil vom 12.1.1977 geht demgegenüber davon aus, daß der Kläger das Kindergeld
erhält. Das ergibt sich nicht nur aus dem damaligen Klagevorbringen, sondern aus dem Urteilstenor selbst, in
dem das seinerzeit für die Monate November und Dezember 1976 an die Beklagte angewiesene Kindergeld ausdrücklich
als Wirtschaftsgeld gewertet und auf die monatlichen 1.500,- DM angerechnet worden ist. Die Auszahlung, die nunmehr
ab Juli 1978 an die Beklagte erfolgt ist, kann nicht anders gewertet werden. Auch durch sie ist der Anspruch auf
Wirtschaftsgeld insoweit als erfüllt anzusehen. Für eine bloß hälftige Anrechnung des Kindergeldes,
wie sie das Amtsgericht ... im angefochtenen Urteil vorgenommen hat, ist kein Raum. Bei der Beurteilung im Rahmen des
§ 767 ZPO, ob Gründe vorliegen, durch die der titulierte Anspruch entfallen ist, ist anzuknüpfen an
das Urteil. Die Grundlagen, von denen es ausgeht, können nicht ohne weiteres durch eine andere Beurteilung
ersetzt oder auch nur ergänzt werden.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Für die Zeit ab 30.11.1978 ist der Anspruch auf Wirtschaftsgeld im vollen Umfang entfallen, weil von diesem
Zeitpunkt ab die Parteien getrennt leben. Das Urteil vom 12.1.1977 hat der beklagten Ehefrau entsprechend der damaligen
Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung der Kosten für vier minderjährige Kinder das Wirtschaftsgeld
von 1.500,- DM zuerkannt. Dieser Anspruch hatte seine Grundlage in den §§ 1360, 1360a BGB, die für das
Verhältnis der Ehegatten untereinander den gesamten Familienbedarf einschließlich des Bedarfs der Kinder
regeln. Dieser Anspruch entfällt beim Getrenntleben. Von da ab bestimmt sich der Anspruch des Ehegatten nach
§ 1361 BGB, der nur noch den Ehegattenunterhalt selbst regelt. Den Unterhalt für gemeinsame Kinder
(§§ 1601 ff. BGB) fordert der getrenntlebende Ehegatte gemäß § 1629 II BGB (Palandt-Diederichsen,
39. Aufl., § 1360 Anm. 1, § 1361 Anm. 1a).</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Essen vom 12.1.1977 läßt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt
der "Identität der Ansprüche" aufrechterhalten. Wie der Senat bereits in seinem Armenrechtsbeschluß
vom 24.1.1980 dargelegt hat, weichen die Ansprüche aus §§ 1360, 1360a BGB einerseits und aus § 1361
BGB andererseits - mögen auch beide ihre Grundlage in der Ehe haben - auf Grund ihrer gesetzlichen Ausgestaltung
nach Inhalt und Umfang zu stark voneinander ab. Auf die Ausführungen des genannten Beschlusses wird verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Das angefochtene Urteil ist entsprechend abzuändern.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II ZPO.</p>
|
315,950 | olgham-1980-03-10-1-uf-27679 | {
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} | 1 UF 276/79 | 1980-03-10T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:20 | 2019-03-27T09:41:48 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1980:0310.1UF276.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.</p>
<p>Das Amtsgericht wird angewiesen, von seinen Bedenken Abstand zu nehmen, das Familiengericht sei zur Entscheidung der vorliegenden Sache nicht zuständig.</p>
<p>Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.</p>
<p>Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.</p>
<p>Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000,- DM festgesetzt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller ist deutscher Staatsangehöriger. Die Antragsgegnerin ist persische Staatsangehörige. Die Ehe der Parteien ist am 27. Mai 1977 vor dem Landgericht Detmold rechtskräftig geschieden worden. Am 17. November 1974 war eine Scheidung der Ehe nach persischem Recht vorangegangen. Der Antrag des Antragstellers gem. Art. 7 § 1 des Gesetzes zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften vom, 11. August 1961 festzustellen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung dieser in Teheran erfolgten Scheidung vorliegen, ist letztlich durch Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf ... vom 16. Dezember 1975 zurückgewiesen worden.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller behauptet, er habe am 1. April 1976 mit der Antragsgegnerin eine Vereinbarung über die Verteilung des Hausrats getroffen. Dennoch habe die Antragsgegnerin in der Folgezeit mehrfach darüberhinaus die Herausgabe von Hausratsgegenständen verlangt. Mit der bei dem Familiengericht erhobenes Klage vom 4. Dezember 1978 begehrt er die Feststellung, daß die Antragsgegnerin ihm gegenüber keine Ansprüche auf Zuweisung weiterer Hausratsgegenstände habe, als im Vertrag vom 1. April 1976 festgelegt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin bestreitet ein Übereinkommen mit dem Antragsteller bezüglich der Verteilung des Hausrats getroffen zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Durch den angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht den Antrag als unzulässig zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Familiengericht sei nicht zuständig, über diesen Antrag zu befinden, da es sich nicht um eine Familiensache handele.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er vertritt die Auffassung, es handele sich um eine Familiensache.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Zutreffend hat das Amtsgericht im vorliegenden Verfahren durch Beschluß entschieden, obwohl der Antragsteller sein Begehren in Form einer Feststellungsklage bei dem Familiengericht anhängig gemacht hat. Denn es handelt sich hier, wie auszuführen sein wird, um eine Familiensache i.S. des § 621 Abs. 1 Ziff. 7 ZPO. Das Verfahren richtet sich nach § 1 Abs. 2 Hausratsverordnung in Verbindung mit § 621 a ZPO nach den Vorschriften der Hausratsverordnung in Verbindung mit den Vorschriften des FGG sowie der §§ 621 ff. ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Das gem. § 621 e ZPO, 14 HVO zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das vorliegende Verfahren ist im Zusammenhang mit der Verteilung des Hausrates der Parteien nach der 1974 geschiedenen Ehe anhängig gemacht worden. Auch insoweit ist deutsches Recht Anwendbar, wenn das Scheidungsverfahren nach deutschem Recht durchzuführen ist (vgl. Soergel-Kegel IPR Art. 17 EGBGB Rdnr. 103). Für das zwischen den Parteien vorangegangene Scheidungsverfahren war das deutsche Recht anzuwenden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Beschluß des OLG Düsseldorf vom 27. Juli 1976 verwiesen ..., durch den die Anerkennung der am 17. November 1974 in Teheran (Iran) vollzogenen und vom Scheidungsnotariat Nr. ... in Teheran unter Nr. ... eingetragenen Privatscheidung versagt wurde.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Im Gegensatz zur Auffassung des Amtsgerichts handelte es sich im vorliegenden Rechtsstreit um eine Familiensache nach § 621 Abs. 1 Ziff. 7 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Nach § 1 HVO findet ein Hausratsverteilungsverfahren dann statt, wenn sich die Ehegatten anläßlich der Ehescheidung nicht darüber einigen können, wer von ihnen die Ehewohnung künftig bewohnen und wem der Hausrat bzw. zu welchen Teilen zufallen soll. Die Durchführung eines Hausratsverteilungsverfahrens setzt voraus, daß zwischen den Ehegatten die Verteilung des Hausrats noch offen ist. Liegt bereits eine Einigung vor, so ist dem Gericht die ihm durch § 1 HVO gegebene Befugnis, seinerseits die Rechtsverhältnisse an Wohnung und Hausrat rechtsgestaltend zu regeln, genommen. Das bedeutet jedoch nicht, daß das Begehren einer der Parteien, diese Einigung gerichtlich feststellen zu lassen, unzulässig ist. Ist zwischen den Parteien streitig, ob eine Einigung stattgefunden hat oder nicht, so muß diese Frage vorweg geklärt werden können. Zuständig ist der Richter des Hausratsverteilungsverfahrens bzw. heute das Familiengericht und nicht das Prozeßgericht. Das ist jedenfalls dann anerkannt, wenn die Frage, ob eine Einigung vorliegt oder nicht, in einem Hausratsverfahren als Vorfrage zu klären ist, weil eine der Parteien eine von der angeblichen Einigung abweichende Verteilung des Hausrats begehrt (OLG Bremen FamRZ 63/366 m.w.N.). Kommt der Richter zu dem Ergebnis, eine Einigung sei erfolgt, so ist diese Entscheidung in die Form eines Feststellungsausspruchs zu kleiden. Nichts anderes kann gelten, wenn, wie hier, die Antragsgegnerin die von dem Antragsteller behauptete Einigung lediglich bestreitet und wenigstens zur Zeit keine anderweitige Verteilung des Hausrates anstrebt. § 1 Abs. 2 HVO i.V.m. § 621 Abs. 1 ZPO weisen gerichtliche Entscheidungen über die Verteilung des Hausrats der ausschließlichen Zuständigkeit des Familiengerichts zu § 18 HVO bestätigt diesen Vorrang des Familiengerichts, in dem er die Abgabe einer Sache an das Familiengericht vorschreibt, soweit in einem Rechtsstreit vor dem Prozeßgericht Ansprüche hinsichtlich der Ehewohnung und des Hausrats geltend gemacht werden. Diese ausschließliche Zuständigkeit würde in Frage gestellt, wenn man die Entscheidung über einen Antrag auf Feststellung einer Einigung der Parteien über die Verteilung des Hausrats dem Prozeßgericht zuweisen würde. Denn auch bei einer solchen Feststellung wird in der Sache über die Verteilung des Hausrats entschieden.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Verfahrensrechtliche Bedenken dagegen, im Rahmen eines Verfahrens nach Maßgabe des FGG eine feststellende Entscheidung zu treffen bestehen nicht (vgl. OLG Bremen a.a.O., m.w.N.). Das rechtliche Interesse des Antragstellers an der Feststellung der von ihm behaupteten Einigung steht angesichts des Bestreitens der Antragsgegnerin nicht in Frage.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Läßt sich in einem Verfahren, in dem eine Partei die Einigung, wie hier, lediglich bestreitet, eine Einigung nicht feststellen, so ist der Feststellungsanspruch als unbegründet und nicht als unzulässig zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Da es sich, wie dargelegt, vorliegend um eine Familiensache nach § 1 HVO i.V.m. § 621 Abs. 1 ZPO handelt, ist das Familiengericht Lemgo auch örtlich zuständig. Nach § 11 Abs. 1 HVO ist für das Hausratsverteilungsverfahren das Gericht der Ehesache des ersten Rechtszuges (Familiengericht) zuständig. Das Gericht der Ehesache war vor Einrichtung der Familiengerichte das Landgericht Detmold, heute also das für den Wohnsitz des Antragstellers zuständige Familiengericht Lemgo. Denn gem. § 606 Abs. 2 ZPO ist für das Verfahren auf Scheidung der Ehe der Parteien das Familiengericht zuständig, in dessen Bezirk die Ehegatten ihren letzten gemeinsamen Aufenthalt hatten, wenn einer der Ehegatten im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit dieses Verfahrens im Bezirk dieses Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der letzte gemeinsame Aufenthaltsort der Parteien war ...</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 20 HVO, 16 Kostenordnung.</p>
|
315,951 | olgk-1980-03-04-4-uf-20979 | {
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} | 4 UF 209/79 | 1980-03-04T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:22 | 2019-03-27T09:41:48 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1980:0304.4UF209.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn vom 19.9.1979 - 25 F 156/79 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:</p>
<p></p>
<p>Unter Abweisung der Klage im übrigen wird die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 3 des Urteils des Familiengerichts Bonn vom 30. 10. 1978 - 25 F 256/77 - in Höhe von 374,35 DM für unzulässig erklärt.</p>
<p></p>
<p>Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="h2 absatzLinks">T a t b e s t a n d :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>==============</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Aufgrund eines Urteils vom 30.10.1978 hatte der Kläger an die Beklagte zum Ausgleich des Zugewinns einen Betrag von 3.025,36 DM nebst 4 % Zinsen seit dem Tage der Rechtskraft des Scheidungsurteils zu zahlen. Das Urteil ist am 28.12.1978 rechtskräftig geworden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Auf die Ausgleichsforderung der Beklagten hat der Kläger unter dem 28.3.1979, bei der Beklagten eingegangen am 4.4.1979, einen Betrag von 2.153,86 DM bezahlt. In Höhe des Restbetrages von 871,50 DM hat er die Aufrechnung erklärt mit der Hälfte der Gerichtskosten in Höhe von 196,50 DM und mit einem behaupteten Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Prozeßkostenvorschusses in Höhe von 675,-- DM. Unter dem 1.5.1979 hat der Kläger weitere 71,50 DM gezahlt. Nachdem die Beklagte wegen eines Betrages von 675,-- DM die Zwangsvollstreckung betrieb, hat der Kläger Vollstreckungsgegenklage erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 3 des Urteils des Familiengerichts Bonn vom 30.10.1978 - 25 F 256/77 - für unzulässig erklärt. Gegen dieses am 27.9.1979 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, dem 27.10.1979, Berufung eingelegt, die sie nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist am 11.12.1979 begründet hat.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Parteien wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen und ergänzen es nach dem Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze, auf deren vorgetragenen Inhalt Bezug genommen wird.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="h2 absatzLinks">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><b>==========================</b></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. In der Sache kann sie jedoch nur teilweise Erfolg haben.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die von der Beklagten betriebene Zwangsvollstreckung ist in Höhe von 374,35 DM unzulässig. Im übrigen ist die Vollstreckungsgegenklage abzuweisen, hat also die Berufung der Beklagten Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die von der Beklagten geltend gemachte Restforderung aus dem Zugewinn in Höhe von 675,-- DM, deretwegen sie die Vollstreckung gegen den Kläger betreibt, ist in Höhe von insgesamt 374,35 DM erloschen, so daß die Zwangsvollstreckung insoweit unzulässig ist.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">In Höhe eines Betrages von 36,85 DM ist das Erlöschen durch Zahlung eingetreten. Unstreitig hat der Kläger unter dem 1.5.1979 aufdie von der Beklagten damals noch behauptete Forderung einen Betrag von 71,50 DM bezahlt, den die Beklagte auf ihren Zinsanspruch verrechnet hat. Zinsen waren jedoch bis zu diesem Zeitpunkt nur in Höhe von insgesamt 34,65 DM angefallen, so daß der Restbetrag auf die Hauptforderung zu verrechnen ist. Der Kläger war zur Zahlung von 3.025,36 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28.12.1978 verurteilt. Bis zum Eingang des Betrages von 2.153,86 DM auf dem Konto der Beklagten am 4.4.1979 waren 32,62 DM an Zinsen entstanden. Gegen die Aufrechnung des Klägers mit den anteiligen Gerichtskosten in Höhe von 196,50 DM hatte die Beklagte keine Einwendungen erhoben, so daß seit dem 4.4.1979 nur noch eine rechnerische Forderung in Höhe von 675,-- DM bestand. Bis zum Eingang der weiteren Zahlung waren auf diesen Restbetrag weitere Zinsen in Höhe von 2,03 DM entstanden, so daß die Beklagte von den 71,50 DM insgesamt 34,65 DM auf ihre Zinsforderung verrechnen konnte. Der weitere Betrag hat die Hauptforderung zum Erlöschen gebracht in Höhe von 36.85 DM.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">In Höhe von weiteren 337,50 DM ist die Forderung der Beklagten durch Aufrechnung erloschen. Der Kläger war berechtigt, von der Beklagten die Rückzahlung von 50 % des geleisteten Prozeßkostenvorschusses zu verlangen und mit dieser Rückzahlungsforderung gegen den Zugewinnausgleichsanspruch der Beklagten aufzurechnen. Zwar ist die Pflicht zur Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses grundsätzlich</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">die Auswirkung einer durch die Ehe begründeten Unterhaltspflicht. Daraus folgt, daß der Empfänger das als Unterhalt Empfangene bei gleichbleibenden wirtschaftlichen Verhältnissen grundsätzlich nicht zurückzahlen muß. Der Senat folgt aber der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 14.4.71 <i>(</i>NJW<i> </i>71/1262 ff), daß der Vorschußempfänger unter bestimmten Voraussetzungen zur Rückzahlung des Vorschusses verpflichtet ist. Diese Voraussetzungen sind hier jedenfalls in der Weise erfüllt, daß die Beklagte zur Rückzahlung der Hälfte des erhaltenen Vorschusses verpflichtet ist.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes brauchen nach § 1360 a Abs. 4 BGB erhaltene Beträge nur dann zurückgezahlt zu werden, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers wesentlich verbessert haben, oder die Rückforderung "aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht." Dabei ist Voraussetzung für eine Rückforderungsmöglichkeit auf jeden Fall, daß die Rückforderung</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">der Billigkeit entspricht. Als Beispiele für die Billigkeit werden die Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers oder das Vorliegen eines Anspruchs auf Zugewinnausgleich angesehen. Für den letzteren Fall hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich die Aufrechnung des Zugewinnschuldners zugelassen, und zwar unter Hinweis auf die vergleichbare Lage im Falle des § 1446 BGB, ohne hier jedoch wie klar der letzte Absatz der Entscheidung ergibt, auf die Billigkeitsprüfung zu verzichten, denn "<u>andere</u> Gründe der Billigkeit" bezieht sich eindeutig auf den ganzen Vorabsatz. Es ist auch nicht ersichtlich, wieso bei einer wirtschaftlichen Besserstellung des Vorschußempfängers infolge eines Zugewinnanspruchs die Erheblichkeit der wirtschaftlichen Veränderung bedeutungslos sein sollte. Geht man davon aus, daß die Rückforderung eines Vorschusses in jedem Fall nur dann zulässig ist, wenn das der Billigkeit entspricht, ergibt hier die Abwägung der beiderseitigen Verhältnisse, daß der Kläger den Vorschuß zur Hälfte zurückfordern kann.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Nach einem zwischen den Parteien am 30.10.1978 geschlossenen Vergleich hatte der Kläger bis zum 31.3.1979 der Beklagten bei einem eigenen Verdienst von 2.260,-- DM einen Unterhalt von 766,-- DM zu zahlen. Vom 1.4.1979 bis zum 31.8.1979 erhielt die Beklagte von dem Kläger einen monatlichen Unterhalt von 400,-- DM und zusätzliche rund 900,-- DM Umschulungsgeld von dem Arbeitsamt, so daß. sie über Einnahmen von 1.300,-- DM verfügte. Ob dies schon als wesentliche Verbesserung der Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt der Vorschußgewährung anzusehen ist, ist fraglich, weil die Erhöhung der Bezüge nur vorübergehend war, während die Beklagte ab September j979 sogar zeitweise auf Sozialhilfe angewiesen war.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Jedenfalls aber seit Januar 1980 verdient die Beklagte selbst 690,-- DM netto und erhält zusätzlich 400,-- DM von dem Kläger, so daß sich ihre Einkommenssituation verbessert hat. Einen Teil ihrer Anwaltsschulden aus dem Scheidungsverfahren hat sie durch die Zugewinnzahlung des Klägers abdecken können. Die finanzielle Lage des Klägers auf der anderen Seite führt weiter dazu, die teilweise Rückforderung des Vorschusses als billig anzusehen. Zwar hat der Kläger ein zugegebenes Nettoeinkommen in Höhe von rund 2.350,-- DM. Zieht man jedoch davon seine Verpflichtungen gegenüber der Beklagten, der gemeinsamen Tochter und dem Kind aus der</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">neuen Ehe ab, verbleiben ihm auch nur etwas mehr als 1.400,-- DM, so daß er kaum besser gestellt ist als die Beklagte. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Bei solchen Verhältnissen entspricht es nach Auffassung des Senates der Billigkeit, wenn der Kläger jedenfalls 50 % des Vorschusses zurückverlangen und deshalb gegen den Zugewinnausgleichsanspruch der Beklagten aufrechnen kann. Daß bei Bestehen eines Zugewinnausgleichsanspruchs in jedem Fall eine Aufrechnung in</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">voller Höhe zulässig wäre, vermag der Senat der o.a. Entscheidung des Bundesgerichtshofes wie dargelegt nicht zu entnehmen, eine volle Rückforderung des Vorschusses würde nach Ansicht des Senates nicht der Billigkeit entsprechen, weil die Verhältnisse der Parteien in etwa gleich sind.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht des Klägers war in dem vorliegenden Fall die Revision nicht zuzulassen, weil die Rechtsfrage der Rückforderung eines Vorschusses bereits durch den Bundesgerichtshof entschieden ist und diese Entscheidung eindeutig ist.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Ziff. 10 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Streitwert: 675,-- DM.</p>
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315,952 | olgham-1980-02-29-20-u-13879 | {
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} | 20 U 138/79 | 1980-02-29T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:23 | 2019-03-27T09:41:47 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1980:0229.20U138.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Klägers wird das am 22. März 1979 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg abgeändert.</p>
<p>Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus der Wohngebäudeversicherung Nr. FW ... Versicherungsschutz wegen des Brandes des versicherten Gebäudes vom 26. Mai 1978 zu gewähren.</p>
<p>Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 14.500,- DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte kann die Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft der ... Bank leisten, der Kläger durch selbstschuldnerische Bürgschaft der Volksbank ....</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger macht mit der Klage Brandentschädigung aus einer Wohngebäude-Versicherung geltend.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Durch notariellen Vertrag vom 29. August 1977 kaufte der Kläger von Frau ... ein bebautes Grundstück von etwa 1.310 qm Größe für 60.000,- DM. Nach §4 des Vertrages sollten der Besitz, die Rechte und Nutzungen sowie die Gefahr und die öffentlichen Lasten am 1. September 1977 auf den Käufer übergehen. In §5 wurde die Auflassung erklärt. Im übrigen wird auf den Vertrag Bezug genommen (Bl. 10-13 d.A.). Die Umschreibung im Grundbuch erfolgte am 23. Mai 1978.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das verkaufte Gebäude, in dem früher eine Landwirtschaft betrieben worden war, bestand aus einem zweigeschossigen Wohnhaus und einem angebauten Nebengebäude, Baujahr etwa 1903. Der Anbau enthielt eine Durchfahrt sowie Stallungen und Scheune; in die Stallungen war eine nur von außen zu erreichende Garage eingebaut (siehe Skizze Bl. 169 d.A.). Das Gebäude lag am Ortsrand von ... (Ortsteil von ...) alleinstehend an einer Landstraße, etwa 100 m vom nächsten Nachbarhaus entfernt. Es war in den letzten Jahren als Wohnhaus vermietet. Die letzten Mieter, eine siebenköpfige Familie, waren im Mai 1977 ausgezogen. Seitdem stand das Haus leer.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Für das Wohnhaus nebst Garage, Ställen und Scheune bestand bei der Beklagten eine Feuerversicherung. Diese Versicherung war vom 7. Mai 1968 an in eine Wohngebäude-Versicherung nach VGB und den "Sonderbedingungen für die gleitende Neuwertversicherung von Wohngebäuden" (Bl. 22 d.A.) umgewandelt worden. Die Versicherungssummen (Neubauwert 1914) betrugen für Wohnhaus und Garage 11.250,- DM und für Stall und Scheine 7.150,- DM (siehe Versicherungsantrag v. 6.5.1968 - Bl. 177, 178 d.A. - und Versicherungsschein vom 24.5.1968 - Bl. 14 d.A.).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger wollte das Gebäude etwa ab Mitte Juni 1978 als Wohnhaus vermieten. In der zweiten Mai-Hälfte 1978 begann er mit einer Erneuerung der Fenster. Die alten Fenster wurden herausgerissen. Bevor neue Fenster eingebaut wurden, brannte das Gebäude am frühen Morgen des 26. Mai 1978 ab. Die Brandursache konnte nicht aufgeklärt werden. Nach Ansicht der Kriminalpolizei ist Brandstiftung nicht auszuschließen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Im Sommer 1978 fand wegen der Höhe des Brandschadens ein Sachverständigen-Verfahren statt. Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten der Sachverständigen Archtekt ... und Bau-Ing. ... vom 10. August 1978 (Bl. 26-60 d.A.) Bezug genommen. - Mit Schreiben vom 8. August 1978 (Bl. 61 d.A.) lehnte die Beklagte die Zahlung einer Brandentschädigung mit der Begründung ab, sie sei nach §§23, 25 VVG leistungsfrei, weil durch das Leerstehen des versicherten Gebäudes und das Herausbrechen von Fenstern und Türen die Brandgefahr erhöht worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat vorgetragen: Durch das Leerstehen des Gebäudes sei keine Gefahrerhöhung eingetreten. Vielmehr habe sich die Brandgefahr vermindert, weil er (der Kläger) nach der Übernahme das Stroh aus dem Anbau entfernt habe und die elektrische Anlage nicht mehr in Betrieb gewesen sei. Im übrigen sei eine eventuelle Gefahrerhöhung dadurch voll ausgeglichen worden, daß nach dem Auszug des letzten Mieters zunächst Frau ... und dann ab Herbst 1977 er (der Kläger) selbst häufig überwacht und überprüft hätten. Er (der Kläger) sei damals Taxifahrer gewesen und habe häufig - auch nachts - seine Fahrten an dem Hause kurz unterbrochen, um nach dem rechten zu sehen. Auch durch die Renovierungsarbeiten sei die Brandgefahr nicht erhöht worden. Es seien nur die Fenster des Wohnhauses herausgebrochen worden, nicht auch. Außentüren. Die Fensteröffnungen seien sogleich mit Plastikfolien verschlossen und mit Holzbrettern so vernagelt worden, daß ein ausreichender Schutz gegen unbefugtes Eindringen gewährleistet gewesen sei. Falls das Leerstehen des Gebäudes doch als Gefahrerhöhung anzusehen sei, so müsse jedenfalls berücksichtigt werden, daß er angenommen habe und auch habe annehmen können, daß seine Rechtsvorgängerin das Leerstehen der Beklagten bereits gemeldet habe.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, aus dem Feuerversicherungsvertrag vom 2. Juni 1968 (Versicherungsschein-Nr. FW ...) anläßlich des Versicherungsfalles vom 26. Mai 1978 an den Kläger Entschädigungsleistungen zu erbringen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Sie hat vorgetragen: Schon durch das Leerstehenlassen des Hauses hätten erst die Rechtsvorgängerin des Klägers und dann dieser selbst eine Gefahrerhöhung vorgenommen. Diese Gefahrerhöhung sei durch Kontrollen nicht ausgeglichen worden. Tatsächlich seien von Nachbarn mehrfach fremde Personen bemerkt worden, die sich über Nacht in den Stallungen aufgehalten hätten; hiervon hätten die Nachbarn die Eheleute ... benachrichtigt. Die Gefahrerhöhung sei im Mai 1978 durch das Herausbrechen der Türen und Fenster noch verstärkt worden. Es treffe nicht zu, daß die Fensteröffnungen mit Brettern vernagelt worden seien. Der Kläger habe am 25. Juli 1978 den Schadensbearbeiter ... selbst erklärt, daß Fenster und Türen herausgerissen gewesen seien und das Haus völlig ungeschützt gewesen sei (Bl. 117, 118 d.A.).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat demgegenüber vorgetragen, daß er seine Erklärungen vom 25. Juli 1978 unter Alkoholeinfluß abgegeben und alsbald berichtigt habe (Bl. 119 d.A.).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ... und .... Wegen des Beweisergebnisses wird Bezug genommen auf die gerichtliche Niederschrift vom 13. März 1979 (Bl. 112 bis 116 d.A.). Durch Urteil vom 22. März 1979 hat es die Klage abgewiesen. Auch auf dieses Urteil wird Bezug genommen (Bl. 137 bis 144 d.A.).</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Er wiederholt sein Vorbringen erster Instanz und führt weiter aus: Zu Unrecht habe das Landgericht die Vornahme einer Gefahrerhöhung angenommen. Es habe auch nicht genügend gewürdigt, daß er (der Kläger) von Herbst 1977 an und auch nach Beginn der Umbauarbeiten alle ihm tatsächlich und rechtlich möglichen Vorkehrungen getroffen habe, um eine etwaige Gefahrerhöhung auszugleichen. Ihm könne nicht zur Last gelegt werden, daß er eine etwa verbleibende Gefahrerhöhung nicht der Beklagten angezeigt habe. Er habe nämlich schon bei den Kaufverhandlungen im Mai 1977<i>***</i> von dem Verkauf und auch vom Leerstehen des Hauses unterrichten sollten; er habe davon ausgehen können, daß das geschehen sei.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm die Versicherungsleistungen wegen des Brandschadens vom 26. Mai 1978 gemäß dem Feuerversicherungsvertrag vom 2. Juni 1968 (Vers.-Schein Nr. FW ...) zu erbringen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Sie wiederholt ihr Vorbringen erster Instanz und führt weiter aus: Zu Recht habe das Landgericht eine Gefahrerhöhung angenommen. Bei den Umbauarbeiten Mitte Mai 1978 sei die Gefahr auch dadurch noch erhöht worden, daß im Nebengebäude ein Mauerdurchbruch nach außen geschaffen worden sei (siehe Fotos in Hülle Bl. 174 d.A.). Der Kläger könne sich wegen der Gefahrerhöhung nicht auf mangelndes Verschulden berufen. Er sei von den Eheleuten ... immer wieder auf den gefährlichen Zustand hingewiesen und aufgefordert worden, für Änderung zu sorgen; nur weil der Kläger den unerfreulichen Zustand nicht geändert habe, hätten die Eheleute ... die Gerichtskosten für die Eigentumsumschreibung eingezahlt, um nicht länger die Verantwortung für das Grundstück tragen zu müssen. - Im übrigen sei sie auch deshalb leistungfrei, weil der Kläger den Versicherungsfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt (§18 Ziff. 1 VGB) und sich durch falschen Vortrag im Prozeß der arglistigen Täuschung schuldig gemacht habe (§18 Ziff. 2 VGB).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Kläger führt dagegen aus, den Mauerdurchbruch sei erst nach dem Brand entstanden. Im übrigen führe er in die Garage, von der keine Durchgangsmöglichkeit in die Stauungen bestanden habe.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze und der Akte 12 UJs 83/78 StA Arnsberg, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">In der Berufungsinstanz ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeugen ... und .... Wegen des Beweisergebnisses wird auf die gerichtliche Niederschrift vom 16. Januar 1980 (Bl. 230 bis 235 d.A.) Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Nach Schluß der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte in einem ihr nicht nachgelassenen Schriftsatz Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung durch Anstiftung eines Zeugen zur Abgabe einer wahrheitswidrigen Erklärung (siehe die Bestätigung des Herrn ... vom 30. November 1979) geltend gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig (§256 ZPO). Zwar sind alle für die Ermittlung der Entschädigungshöhe erforderlichen Werte (Versicherungswert 1914, Zeit- und Neuwert 1978, Restwert, Aufräumungs- und Abbruchskosten) in einem Sachverständigen-Verfahren nach §17 VGB, §4 der "Sonderbedingungen" verbindlich festgestellt worden. Da der Kläger aber zur Zeit die Wiederherstellung des abgebrannten Gebäudes nicht sicherstellen kann, kann er gegenwärtig mangels schriftlicher Einverständniserklärung des eingetragenen Grundschuldgläubigers weder die Zeitwertentschädigung (§19 Ziff. 3 VGB) noch die Differenz zur Neuwertentschädigung (§7 Ziff. 3 a VGB) geltend machen. Da die Beklagte die Gewährung von Versicherungsschutz dem Grunde nach verweigert, besteht das für eine Feststellungsklage erforderliche rechtliche Interesse (§256 ZPO). Allerdings könnte der Kläger schon jetzt mit einer Leistungsklage die Aufräumungs- und Abbruchskosten nach §1 Ziff. 2 c VGB geltend machen. Auch insoweit ist aber die Feststellungsklage zulässig, weil davon ausgegangen werden kann, daß die Beklagte den Schaden bedingungsgemäß regulieren wird, wenn gegen sie ein Feststellungsurteil ergeht und rechtskräftig wird (OLG Hamm in VersR 75/173; Stiefel-Hofmann, 11. Aufl., Randz. 104 zu §8 AKB). Die Beklagte hat ihre Bedenken gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage im Schriftsatz vom 25. Januar 1979 (Bl. 94 d.A.) auch ausdrücklich aufgegeben.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Feststellungsklage ist auch begründet. Die Beklagte ist nach dem Versicherungsvertrag in Verbindung mit §§1, 82, 93 VVG, §§1 Zif. 1 a und 2 a, 3 VGB verpflichtet, dem Kläger wegen des Brandes des versicherten Gebäudes vom 26. Mai 1978 Versicherungsschutz zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks"><b>1)</b></p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung (§8 Ziff. 2 VGB, §§23 ff. VVG) berufen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Dem Landgericht ist allerdings darin zuzustimmen, daß durch das Leerstehen des als Wohnhaus versicherten Gebäudes die Brandgefahr erhöht worden ist. Gefahrerhöhung im Sinne von §23 VVG ist jede erhebliche Änderung der bei Vertragsschluß vorhandenen gefahrerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalles oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht, sofern diese Umstände ihrer Natur nach geeignet sind, einen Gefahrenzustand von so langer Dauer zu schaffen, daß er die Grundlage eines neuen natürlichen Schadensverlaufs bilden kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalles oder eine Schadensvergrößerung generell zu fördern geeignet ist (so BGH ständig, z.B. BGHZ 7/311 = VersR 52/387; BGHZ 42/295 = VersR 65/29). Vergleicht man im vorliegenden Fall die Gefahrenlage in der Zeit vor Mai 1977, als das Haus noch bewohnt war, mit dem Zustand danach, so liegt auf der Hand, daß die Feuergefahr und speziell die Gefahr einer Brandstiftung wesentlich vergrößert war. Der Senat hat in seinem Urteilen vom 14. März 1975 (VersR 76/259) und 31. März 1976 (VersR 78/218) ausführlich dargelegt, daß dann, wenn ein alleinstehendes Gebäude bewohnt ist, die Gefahr, daß Unbefugte nachts eindringen und - eventuell fahrlässig - Feuer legen, wesentlich geringer ist, als wenn das Gebäude längere Zeit unbewohnt ist. Auf diese Ausführungen, insbesondere im Urteil vom 31. März 1976, wird verwiesen. Auch im vorliegenden Fall handelt es sich um ein allein- und freistehendes Haus am Ortsrand, dessen nächster Nachbar damals etwa 100 m entfernt wohnte. Steht ein Haus längere Zeit leer, so ist das von außen erkennbar; der Kläger hat im vorliegenden Fall im Schriftsatz vom 11. Januar 1979 auf Seite 9 (Bl. 87 d.A.) selbst eingeräumt, daß das Haus in einem verwahrlosten Zustand gewesen sei. Erfahrungsgemäß suchen Obdachlose, Land- und Stadtstreicher, aber auch flüchtige Rechtsbrecher gerade in solchen als unbewohnt erkennbaren Gebäuden nachts Unterschlupf. Es liegt auf der Hand, daß die Gefahr einer vorsätzlichen oder auch fahrlässigen Brandstiftung durch unbefugte nächtliche Besucher in einem unbewohnten Haus ungleich größer ist als in einem bewohnten.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Es mag sein, daß es an dem für eine Gefahrerhöhung erforderlichen Dauerzustand fehlt, wenn ein Wohnhaus nach dem Auszug eines Bewohners bis zum Einzug des nächsten Bewohners vorübergehend leersteht. Einen Anhaltspunkt bietet insoweit §7 Abs. 3 VHB, wonach in der Hausratsversicherung die Gefahr des Einbruchdiebstahls erhöht ist, wenn die Wohnung länger als 60 Tage unbewohnt und unbeaufsichtigt ist. Es mag sein, daß in der Gebäude-Feuerversicherung im Einzelfall der erforderliche Dauerzustand für eine Erhöhung der Brandgefahr auch in einem Zeitraum von mehr als 2 Monaten noch nicht erreicht wird, z.B. wenn nach dem Auszug eines Bewohners Umbauarbeiten vorgenommen werden. Der Bundesgerichtshof hat, soweit ersichtlich, bisher offengelassen, wo hier die zeitliche Grenze liegt (s. BGHZ 42/295 = VersR 65/29: "Es kann dahingestellt bleiben, wann ein bei Vertragsabschluß als bewohnt angegebenes Gebäude diese Eigenschaft verliert."). Bei einem Leerstehen über ein Jahr hinweg hat sich die Gefahrenlage für die Feuerversicherung jedenfalls auf einem höheren Niveau stabilisiert.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Häufig kann eine Gefahrerhöhung durch besondere gefahrmindernde Maßnahmen und Vorkehrungen ausgeglichen werden (Prölß-Martin, 21. Aufl., Anm. 2 A zu §23 VVG). Der Senat sieht aber keinen Anlaß, darüber welche Vorkehrungen im vorliegenden Fall von Mai 1977 bis 1978 getroffen waren, weiter Beweis zu erheben. Denn alles das, was der Kläger hierzu vorträgt, reicht für einen genügenden Gefahrenausgleich nicht aus. Die durch das Leerstehen eines am Ortsrand frei- und alleinstehenden alten landwirtschaftlichen Anwesens geschaffene Gefahrenlage für das Feuerrisiko kann nicht durch vernünftige und zumutbare Maßnahmen ausgeglichen werden. Zwar mag das Risiko durch Sicherung von Türen und Fenstern und häufige Kontrollbesuche vermindert werden können. Ein voller Ausgleich ist auf diese Weise aber nicht möglich. Denn alle diese Maßnahmen und Vorkehrungen können nicht den gleichen Schutz gegen vorsätzlich oder fahrlässige Brandstiftung durch unbefugte Eindringlinge bieten, wie das Bewohnen des Hauses. Jedenfalls bestanden im vorliegenden Fall keine ausreichenden Möglichkeiten die Gefahrerhöhung auszugleichen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Wie der Senat mehrfach ausgeführt hat (VersR 76/259 und VersR 78/218), handelt es sich bei der durch das Leerstehen eingetretene, nicht durch hinreichende Maßnahmen ausgeglichene Gefahrerhöhung um eine "willkürliche" (§§23, 25 VVG) und nicht um eine "nicht veranlaßte" (§§27, 28 VVG) Gefahrerhöhung. Natürlich verbietet §23 Abs. 1 VVG einem Versicherungsnehmer nicht, sein Haus längere Zeit leerstehen zu lassen. Er muß nur durch geeignete Maßnahmen einen Gefahrenausgleich schaffen. Ist das, wie hier, nicht möglich, so muß er dem Versicherer Anzeige erstatten (§23 Abs. 2 VVG), damit dieser in die Lage versetzt wird, durch eine Vertragsumgestaltung - notfalls nach Kündigung gemäß §24 VVG - die Prämie dem erhöhten Risiko anzupassen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht des Landgerichts liegt darin, daß der Kläger in der zweiten Maihälfte 1978 mit Umbauarbeiten begonnen und die alten Fenster herausgerissen hat, keine weitere Gefahrerhöhung im Sinne von §23 VVG. Zwar war die Gefahrenlage nach dem Herausreißen der alten Fenster erhöht, falls der Kläger nicht für eine genügende Sicherung der Fensteröffnungen gesorgt hatte, was zwischen den Parteien streitig ist. Diese zusätzliche Gefahrerhöhung war aber nur vorübergehend. Wie der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat, hatte er die neuen Fenster schon in der ersten Maihälfte 1978 bestellt und wollte sie etwa Anfang Juni 1978 einbauen; das Haus sollte zum 15. Juni 1978 vermietet werden. Waren für die Bauarbeiten bis zu ihrem Abschluß aber nur vier oder höchstens fünf Wochen vorgesehen, so fehlt es an dem für eine Gefahrerhöhung im Sinne von §23 VVG erforderlichen Dauer zustand. Denn in einer so kurzen Zeit kann sich der neue Gefahrenzustand noch nicht so stabilisieren, daß er auf einem erhöhten Niveau fortwirkt. Darauf, welche Maßnahmen der Kläger zur Sicherung der Fensteröffnungen getroffen hat, kommt es demnach ebensowenig an wie auf die Frage, ob der Mauerdurchbruch zur Garage im Zuge der Bauarbeiten vor oder bei Löscharbeiten nach dem Brand geschaffen worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Wie dargelegt, hätte im vorliegenden Fall die durch das Leerstehen des Hauses über längere Zeit eingetretene Gefahrerhöhung gemäß §23 Ab. 2 VVG der Beklagten angezeigt werden müssen. Zu dieser Anzeige verpflichtet war der Versicherungsnehmer. Das war vom 23. Mai 1978, dem Tage des Eigentumsübergangs nach §873 BGB durch Eintragung im Grundbuch an den Kläger. Denn gemäß §13 VGB, §69 VVG war dieser im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs anstelle der früheren Eigentümerin Frau ... als Versicherungsnehmer in das Versicherungsvertragsverhältnis eingetreten. Insoweit ist auf den Eigentumsübergang abzustellen, nicht aber - etwa unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise - auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs, der schon am 1. September 1977 war (OLG Hamm in Vers. R. 74/154; Prölß-Martin a.a.O., Anm. 3 zu §69 VVG; Bruck-Möller-Sieg, 8. Aufl., Randz. 20-23 zu §69 VVG; Wussow AFB, 2. Aufl., Anm. 4 u. 5 zu §11 AFB).</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Darauf, daß die Gefahrerhöhung im Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in den Versicherungsvertrag schon bestand, kommt es nicht an. Einmal bestand der Zustand der durch das Leerstehen erhöhten Gefahr fort. Zum anderen muß sich der Erwerber eine schon vom Veräußerer vorgenommene Gefahrerhöhung entgegenhalten lassen (Prölß-Martin a.a.O., Anm. 4 zu §69 VVG). Das ergibt sich daraus, daß bei dem Übergang des Versicherungsverhältnisses nach §69 VVG kein neuer Vertrag auf der Gefahrengrundlage des Übergangszeitpunkts zustande kommt, sondern der Erwerber in den alten Vertrag eintritt, dem die Gefahrenlage im Zeitpunkt seines Abschlusses zugrunde liegt (siehe auch LG Heckingen in Vers. R. 60/746; ÖOGH in Vers. R. 64/1187; OLG Frankfurt in Vers. R. 67/893).</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Im Mai 1968 war das als Wohnhaus versicherte Gebäude aber bewohnt.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Trotz der Gefahrerhöhung durch das Leerstehen des Hauses ist die Beklagte nicht nach §25 VVG leistungsfrei geworden. Denn der Kläger ist entschuldigt (§25 Abs. 2 Satz 1 VVG). Wie bereits ausgeführt, ist dem Kläger und auch seiner Rechtsvorgängerin weder das Leerstehenlassen des Hauses als schuldhaft vorzuwerfen, noch der nicht genügende - im vorliegenden Fall in hinreichender Weise gar nicht mögliche - Ausgleich der Gefahrenlage durch besondere Maßnahmen und Vorkehrungen. Es geht nur darum, daß die nach §23 Abs. 2 VVG vorgeschriebene Anzeige der Gefahrerhöhung an den Versicherer nicht erfolgt ist. Nach §25 Abs. 2 Satz 2 VVG ist der Versicherer im Falle der unverschuldeten Gefahrerhöhung dann leistungsfrei, wenn die in §23 Abs. 2 VVG vorgesehene Anzeige nicht unverzüglich gemacht wird und der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt, in welchem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen, eintritt. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es mag sein, daß Frau ... das Leerstehen des Hauses nicht unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§121 BGB) angezeigt hat. Darauf kommt es hier aber nicht an. Denn es geht nicht darum, ob die Beklagte Frau ... gegenüber leistungsfrei gewesen wäre, wenn es zu der Zeit, in der sie noch Eigentümerin und Versicherungsnehmerin war, in dem Hause gebrannt hätte. Es geht vielmehr darum, ob der Kläger die Gefahrerhöhung, die im Zeitpunkt seines Eintritts in den Versicherungsvertrag bestand und die er gegen sich gelten lassen mußte, unverzüglich angezeigt hat. Diese Verpflichtung traf ihn erst als Versicherungsnehmer, also erst ab 23. Mai 1978.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Unstreitig war er vom 23. Mai 1978 an bis nach dem Brand in Urlaub im Ausland. Er hat also von seinem Eigentumserwerb und damit von seinem Eintritt in den Versicherungsvertrag erst nach dem Brand erfahren. Es liegt auf der Hand, daß er wegen der Nichtanzeige der Gefahrerhöhung in den drei Tagen bis zum Brand voll entschuldigt ist. Eine Entschuldigung ist möglich, soweit sie der Begriff "unverzüglich" - wie hier - zuläßt (Prölß-Martin a.a.O., Anm. 2 zu §25 VVG). Im übrigen ist aber auch der Versicherungsfall früher als einen Monat nach dem frühesten Zeitpunkt, in dem der Kläger die Anzeige hätte erstatten müssen, eingetreten.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">e)</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Der Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, daß der Kläger sich ein Verschulden seiner Rechtsvorgängerin im Hinblick auf die Gefahrerhöhung oder die unterlassene Anzeige anrechnen lassen müsse. Wie bereits ausgeführt, ist der Kläger zwar in das Versicherungsverhältnis so eingetreten, wie es bestand. Obwohl er Eigentümer eines schon längere Zeit leerstehenden Hauses geworden war, bestand die Versicherung weiter auf der Gefahrengrundlage eines bewohnten Hauses. Insoweit muß er sich die weiterbestehende Gefahrerhöhung zurechnen lassen. Das besagt aber nicht, daß auf den Rechtsnachfolger auch die infolge Verschuldens des bisherigen Versicherungsnehmers für den Versicherer gegebene Möglichkeit, bei Eintritt eines Versicherungsfalles Leistungsfreiheit geltend machen zu können, übergehen kann. Insoweit kommt es darauf an, ob auch dem neuen Versicherungsnehmer ein Verschulden an der Gefahrerhöhung oder an der unterlassenen Anzeige trifft. Denn der Versicherungsfall ist erst nach dem Eigentumsübergang eingetreten, und erst dann stellt sich die Frage der Leistungsfreiheit.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">f)</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht der Beklagten ändert hieran auch der Umstand nichts, daß der Besitz und die Gefahr schon am 1. September 1977 auf den Kläger übergegangen waren.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Es mag sein, daß der Kläger vom 1. September 1977 an versicherungsrechtlich als Repräsentant der Versicherungsnehmerin anzusehen war (siehe in einem ähnlichen Fall OLG Hamm in Vers. R. 73/169 (170)). Das hat zur Folge, daß die Versicherungsnehmerin in einem gewissen Umfang für sein Verhalten - z.B. bei Obliegenheitsverletzungen - einzustehen hatte. Für die Frage, ob der Kläger zur Anzeige der Gefahrerhöhung verpflichtet war, ergibt sich hieraus nichts. Hierfür kommt es auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und Frau ... an. Die Beklagte behauptet selbst nicht, daß Frau ... den Kläger beauftragt hatte, die ihr als Versicherungsnehmerin obliegende Anzeige an die Beklagte zu erstatten. Im übrigen könnte, wenn der Kläger einen solchen Auftrag erhalten hätte, seine Unterlassung im Verhältnis zum Versicherer allenfalls Frau ... als damaliger Versicherungsnehmerin, nicht aber dem Kläger als zukünftigen Versicherungsnehmer zugerechnet werden.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Möglicherweise war der Kläger allerdings vom 1. September 1977 an schon Versicherter der vorliegenden Versicherung. Der Senat hat zwar in seinem Urteil vom 30. März 1973 (Vers. R. 74/154) angedeutet, daß in der Feuerversicherung nur das Eigentümerinteresse versichert sei. Das ist aber auf Kritik gestoßen (Martin in Vers. R. 74/253). In der Tat wird die Ansicht vertreten, daß ab Gefahrübergang auch das Interesse des Erwerbers an der versicherten Sache mitversichert ist (Martin in Vers. R. 74/253 und Vers. R. 74/821 (825 Anm. 38); Prölß-Martin, 21. Aufl., Anm. 3 a.E. zu §69 VVG und Anm. 7 A b - dd - vor §51 VVG; Wussow, 2. Aufl., Anm. 7 zu §10 AFB; OLG Hamburg in Vers. R. 78/1138; offengelassen vom BGH in Vers. R. 55/225).</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Nach dieser Ansicht ist die Versicherung von dem Zeitpunkt an, in dem durch den Gefahrübergang für den Veräußerer das versicherte Interesse wegfällt, reine Fremdversicherung, bei der der Veräußerer zwar Versicherungsnehmer bleibt, jedoch der Erwerber versichert ist; mit dem Eigentumsübergang wandelt sie sich dann in eine Eigenversicherung des Erwerbers als neuen Versicherungsnehmer um. Der Senat kann das hier offenlassen. Denn entgegen der Ansicht der Beklagten kann dem Kläger als neuem Versicherungsnehmer nicht zur Last gelegt werden, daß er vor dem Eintritt in den Versicherungsvertrag als Versicherter die Anzeige der Gefahrerhöhung nach §23 Abs. 2 VVG schuldhaft unterlassen habe. Zu einer solchen Anzeige war er nämlich vor dem 23. Mai 1978 nicht verpflichtet. Nach §14 Ziffer 3 VGB, §79 Absatz 1 VVG kommt es bei der Versicherung für fremde Rechnung auch auf die Kenntnis und das Verhalten des Versicherten an. Aus dieser Zurechnungsvorschrift kann nicht abgeleitet werden, daß den (Mit-) Versicherten auch die Pflicht zur Anzeige einer Gefahrerhöhung nach §25 Abs. 2 VVG trifft. Diese Anzeigepflicht trifft vielmehr nur den Versicherungsnehmer als Vertragspartner des Versicherers. - Hiernach kann unerörtert bleiben, ob dem Kläger eine schuldhafte Verletzung der Anzeigepflicht, die er als Versicherter begangen hat, nach Eintritt in den Versicherungsvertrag als neuem Versicherungsnehmer überhaupt entgegengehalten werden könnte.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks"><b>2)</b></p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Leistungsfreiheit nach §13 VGB, §71 VVG ist schon deshalb nicht eingetreten, weil der Versicherungsfall nicht später als ein Monat nach dem Eigentumsübergang eingetreten ist.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks"><b>3)</b></p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Auch auf Leistungsfreiheit nach §18 Ziffer 1 VGB, §61 VVG kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen. Sie kann nicht beweisen, daß der Kläger den Brand grobfahrlässig herbeigeführt hat. Das würde u.a. voraussetzen, daß vorsätzliche oder fahrlässige Brandstiftung durch unbefugte Eindringlinge vorgelegen hat. Das kann nicht festgestellt werden. Die Brandursache ist unstreitig nicht geklärt und auch nicht mehr zu klären. Brandstiftung ist nicht auszuschließen, aber auch nicht zu beweisen. Die insoweit vortrags- und beweispflichtige Beklagte trägt keinerlei Umstände vor, aus denen auf Brandstiftung zu schließen wäre.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks"><b>4)</b></p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist auch nicht nach §18 Ziffer 2 VGB leistungsfrei geworden. Es ist nicht festzustellen, daß sich der Kläger bei den Verhandlungen über die Ermittlung der Entschädigung einer arglistigen Täuschung schuldig gemacht hat. Die Beklagte sieht eine arglistige Täuschung in dem Vortrag des Klägers im Prozeß, er habe nicht gewußt, daß sich Unbefugte auf dem Grundstück aufgehalten hätten. Zwar gilt §18 Ziffer 2 VGB möglicherweise auch für Prozeßvorbringen (Prölß-Martin a.a.O., Anm. 3 zu §16 AFB; Wussow, Anm. 42 zu §16 AFB). Das bedarf aber hier keiner Entscheidung. Denn aus den Aussagen der Zeugen ... und ... folgt nicht, daß tatsächlich Unbefugte in das Gebäude eingedrungen sind und der Kläger das erfahren hat.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagte in dem ihr nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 4. Februar 1980 behauptet, der Kläger habe eine weitere arglistige Täuschung dadurch begangen, daß er einen nicht vernommenen Zeugen zu einer wahrheitswidrigen schriftlichen Erklärung veranlaßt habe kann ihr Vorbringen nicht berücksichtigt werden. Nach Schluß der mündlichen Verhandlung hat die Partei kein Recht auf weiteres Vorbringen (Baumbach-Hartmann, 38. Aufl., Anm. 3 zu §136 ZPO), es sei denn, ihr ist nach §283 ZPO die Einreichung eines Schriftsatzes nachgelassen worden. Das ist hier in der mündlichen Verhandlung am 16. Januar 1980 nicht geschehen. Für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach §156 ZPO sieht der Senat keinen Anlaß, zumal der neue Vortrag der Beklagten keinen Wiederaufnahmegrund nach §580 ZPO enthält (siehe Baumbach-Hartmann a.a.O., Anmerkung 2 A zu §156 ZPO und Anmerkung 3 D zu §561 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks"><b>5)</b></p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist auch keine Leistungsfreiheit nach §19 Ziffer 4 VGB, §12 Absatz 3 VVG eingetreten. Die Ablehnung der Beklagten stammt vom 8. August 1978, die vorliegende Klage ist am 10. November 1978 zugestellt worden.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §91 ZPO, die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§708 Ziffer 10, 711, 108 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die Beschwer für die Beklagte beträgt 138.000,- DM.</p>
<br /><span class="absatzRechts">67</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td>*** mit den Eheleuten ... vereinbart, daß diese den Feuerversicherer</td>
</tr>
</table><br />
|
315,953 | olgk-1980-02-28-21-uf-26778 | {
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"name": "Oberlandesgericht Köln",
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<p>Auf die Berufung des Beklagten, soweit über dieses Rechtsmittel nicht bereits durch das am 5. Juli 1979 verkündete Teil-Urteil des Oberlandesgerichts Köln - 21 UF 267/78 - entschieden worden ist, wird das am 27. September 1979 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Köln - 301 F 51/78 teilweise dahin abgeändert, daß die Klage abgewiesen wird, soweit sie sich auf den Zeitraum ab 10. Mai 1979 erstreckt.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>T a t b e s t a n d :</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits bilden jetzt noch die von der Klägerin für die Zeit nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe der Parteien - d.i. die Zeit ab 10. Mai 1979 - gegen den Beklagten geltend gemachten Unterhaltsansprüche, während über ihre Unterhaltsansprüche während der Dauer des Getrenntlebens der Parteien innerhalb bestehender Ehe - d.i. der Zeitraum bis einschließlich 9. Mai 1979 - durch das inzwischen rechtskräftige Teilurteil des Senats vom 5. Juli 1979 - 21 UF 267/78 - entschieden worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Parteien hatten am 11.9.1974 vor dem Standesamt in Köln-Ost - Heir.-Reg.-Nr. 1108/74 - die Ehe geschlossen. Die Klägerin besaß vor der Heirat die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Beklagte war und ist iranischer Staatsangehöriger. Er gehört der islamischen Religion mit schiitischer Prägung an. Während die Ehe der Parteien kinderlos geblieben ist, sind aus früheren Ehen der Klägerin zwei Kinder hervorgegangen, die jetzt 21-jährige Zeugin I. und die jetzt 12-jährige D., die im Haushalt der Klägerin lebt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Bei Beginn des Rechtsstreits war der Beklagte bei der Firma L.-J.-E AG in M. als Bandschlosser beschäftigt. Sein monatliches Nettoeinkommen belief sich im Durchschnitt auf ca. 1.600,-- DM. Nachdem er dieses Arbeitsverhältnis zum 11.12.1978 gekündigt hatte, war er zunächst arbeitslos. Aufgrund seiner Kündigung hatte das Arbeitsamt Köln eine 4-wöchige Sperrzeit (12.12.1978 bis 8.1.1979) verhängt und erst ab 9.1.1979 Arbeitslosengeld in Höhe von 244,20 DM wöchentlich an ihn gezahlt. Dem Widerspruch des Beklagten, der sich darauf gründete, daß die Kündigung nicht mutwillig, sondern aus gesundheitlichen Gründen erfolgt sei, wurde mit Bescheid vom 28.4.1979 stattgegeben, nachdem ein auf Veranlassung des Arbeitsamtes am 14.3.1979 erstattetes ärztliches Gutachten zu dem Ergebnis gelangt war, daß der Beklagte wegen zunehmender Nervösität an seinem letzten Arbeitsplatz auf Dauer überfordert gewesen sei. Für die Zeit vom 27.12.1978 (Datum der Arbeitslosenmeldung) bis zum 8.1.1979 erhielt er nachträglich Arbeitslosengeld in Höhe von 237,60 DM wöchentlich. Zum 1.5.1979 fand er eine probeweise Anstellung bei der Autoreparaturwerkstatt U. in M. mit einem</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Stundenlohn von 8,--<b> </b>DM brutto. Sein Nettoeinkommen belief sich im Mai 1979 auf 1.056,53 DM und im Juni 1979 auf 741,12 DM. Unter dem 12.6.1979 kündigte die</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Firma U. ihm das Arbeitsverhältnis zum Monatsende wegen unzureichender beruflicher Kenntnisse. Seitdem ist der Beklagte erneut arbeitslos. Ab 4.7.1979 gewährte das Arbeitsamt Köln ihm ein wöchentliches Arbeitslosengeld in Höhe von 220,80<i> </i>DM, wovon 57,60 DM an die Klägerin abgezweigt wurden. Inzwischen hat der Beklagte gemäß</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">seinen Angaben einen Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosenhilfe gestellt, deren genaue Höhe noch nicht bekannt ist.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für die Zeit ab 1.4.1978 monatlich im voraus zu entrichtende Unterhaltsrenten in Höhe von 350,-- DM zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Er hat vorab geltend gemacht, daß der Klägerin aufgrund der Ausschlußtatbestände des § 1361 Abs. 3 i.V.m. § 1579 Abs. 1,<b> </b>3, 4 BGB kein Unterhaltsanspruch gegen ihn zustehe, weil sie mit dem Zeugen N. in wilder Ehe zusammenlebe. Daraus folge weiter, daß ihr auch mangels Bedürftigkeit kein Unterhaltsanspruch gegen ihn zustehe; die von</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">ihr im gemeinsamen Haushalt geleisteten Dienste seien allein vom<i> </i>Zeugen N. zu honorieren. Schließlich sei er - der Beklagte - nicht leistungsfähig.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat den Beklagten durch das am 27.9.1978 verkündete, hiermit in Bezug genommene Urteil unter Klageabweisung im übrigen verurteilt, an die Klägerin für den Monat Mai 1978 300,-- DM und für die Folgezeit ab Juni 1978 monatliche Unterhaltsrenten in Höhe von 350,-- DM zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Mit der gegen dieses Urteil gerichteten, frist- und formgerecht eingelegten und begründeten Berufung hat der Beklagte sein Klageabweisungsziel weiterverfolgt und demnach beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Inzwischen hatte der Beklagte bei dem Familiengericht Köln gegen die Klägerin Ehescheidungsklage erhoben. Die Klägerin, die in jenem Rechtsstreit ebenfalls anwaltlich</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">vertreten war, hatte zunächst erwidert, daß sie keinen eigenen Scheidungsantrag stellen werde, jedoch mit dem Begehren des Beklagten einverstanden sei. Mit einem weiteren Schriftsatz kündigte sie die Stellung eines eigenen Scheidungsantrages an. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 9.5.1979 hat ausweislich des Sitzungsprotokolls</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">nur der Beklagte den Scheidungsantrag gestellt und die Klägerin diesem Antrag zugestimmt. Bei ihrer persönlichen Anhörung hat sie erklärt, sie habe sich einem anderen Manne - dem Zeugen N. – zugewendet und wolle dieses Verhältnis fortsetzen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Durch das am 9.5.1979 verkündete, hiermit in Bezug genommene Urteil - 301 F 18/79 - hat das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Dieses Urteil ist rechtskräftig, nachdem beide Parteien ausweislich des Verhandlungsprotokolls vom 9.5.1979 im unmittelbaren Anschluß an die Verkündung des Urteils</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet haben.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Durch das am 5.7.1979 verkündete Teilurteil, auf dessen Inhalt hiermit verwiesen wird, hat der Senat die Berufung zurückgewiesen, soweit das Rechtsmittel sich gegen die</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">gemäß dem angefochtenen Urteil erfolgte Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Unterhalt an die Klägerin für die Zeit vom 1.5.1978 bis einschließlich 9.5.1979 - Unterhaltsansprüche der Klägerin während des Getrenntlebens der Parteien innerhalb bestehender Ehe - richtete.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Mit dem durch jenes Urteil nicht beschiedenen Teil der Berufung verfolgt der Beklagte sein jetzt noch auf Abweisung der Klage für die Zeit nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe gerichtetes Ziel weiter.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen und macht insbesondere geltend, für die Beurteilung nachehelicher Unterhaltsansprüche der Klägerin sei allein das iranische</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Recht maßgeblich. Danach stünden der Klägerin keine Ansprüche gegen ihn zu. Nichts anderes gelte, falls deutsches Recht anzuwenden sei. Die Klägerin müsse ihren Lebensbedarf mit den Mitteln einer eigenen Erwerbstätigkeit bestreiten und sei vornehmlich wegen ihres ehebrecherischen, für die Scheidung der Ehe der Parteien ausschlaggebenden Verhältnisses zu dem Zeugen N. nicht anspruchsberechtigt. Schließlich könne entgegen dem Teilurteil des Senats nicht davon ausgegangen werden, daß er seine Leistungsunfähigkeit mutwillig herbeigeführt habe und sich deshalb so behandeln lassen müsse, als sei er noch bei der Firma L.-J.-E. AG beschäftigt.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen, soweit über sein Rechtsmittel nicht durch das Teilurteil des Senats entschieden worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">auch insoweit die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat nach Maßgabe des hiermit in Bezug genommenen Beschlusses vom 20.7.1979 - BI. 216 - Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen wissenschaftlichen Sachverständigengutachtens, mit dessen Erstattung der Direktor des Instituts für Internationales Privatrecht der Universität M., Prof. Dr. O., oder dessen Vertreter im Amt beauftragt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die gutachtliche Stellungnahme vom 5.8.1979 nebst Anlage - BI. 220 ff - verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst allen Anlagen ergänzend Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks"><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</u></p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung hat bezüglich des Teilzeitraums ab rechtskräftiger Scheidung der Ehe der Parteien (10.5.1979), über den allein noch zu entscheiden ist, auch in</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">sachlicher Hinsicht Erfolg; insoweit mußte die Klage unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Urteils abgewiesen werden, weil der Klägerin von da an gegen den</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von Unterhalt zusteht.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Vorab ist darauf hinzuweisen, daß die nicht unproblematische Frage, ob die nachehelichen Unterhaltsanspruche der Klägerin nach iranischem oder deutschem materiellen Recht zu beurteilen sind, jetzt keiner abschließenden Klärung mehr bedarf. Denn die eingangs der Entscheidungsgründe ausgesprochene Feststellung, wonach die Klägerin vom Beklagten seitdem keinen UnterhaIt mehr zu beanspruchen hat, wird hiervon nicht berührt; das Ergebnis ist sowohl nach iranischem wie auch nach deutschem Recht das gleiche. Hierzu gilt im einzelnen folgendes:</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Gemäß Artikel 17 Abs. 1 EGBGB sind für die Scheidung der Ehe die Gesetze des Staates maßgeblich, dem der Ehemann zur Zeit der Erhebung der Klage angehört. Das</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">maßgebliche Heimatrecht des Ehemannes bestimmt nicht nur die Zulässigkeit der Eheauflösung und die Scheidungsgründe, sondern auch die Wirkungen der Ehescheidung</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">(Ehescheidungsfolgen) und damit insbesondere die Frage der nachehelichen Unterhaltsansprüche (herrschende Meinung; vgl. statt aller: Staudinger-Gamillscheg, BGB, 10./11. Auf I. , Art. 17 EGBGB Rz. 549 mit zahlreichen Nachweisen). Gemäß Art. 17 Abs. 1 EGBGB wäre danach iranisches Recht anzuwenden, wobei offenbleiben kann, ob der maßgebliche Anknüpfungszeitpunkt zur Bestimmung des in Betracht kommenden Heimatrechts des Ehemanns der Zeitpunkt der Klageerhebung (vgl. OLG Celle, FamRZ 1974, 314; Palandt-Heldrich, BGB, 39. AufI., Art. 17 EGBGB, Anm. 3) oder der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ist (vgl. Staudinger-Garnillscheg a.a.O., Art. 17 EGBGB Rz. 244; Soergel-Kegel, BGB, 10. AufI., Art. 17 EGBGB Hz. 33). Denn der Beklagte hat zu beiden Zeitpunkten Jeweils nur die iranische Staatsangehörigkeit besessen. Bewendet es bei Art. 17 Abs. 1 EGBGB und sind demnach die nachehelichen Unterhaltsansprüche der Klägerin nach iranischem Recht zu beurteilen, so führt dies zu folgendem Ergebnis: Aufgrund der von dem Beklagten zu den Akten überreichten Urkunden, bei denen es sich um eine handschriftliche Bescheinigung des islamischen Vorbeters in Ardabil/lran (Geburtsort des Beklagten) in iranischer Sprache und deren deutschsprachige Übersetzung durch einen staatlich geprüften und beeidigten Dolmetscher und Übersetzer für die iranische Sprache handelt, steht, was im übrigen jetzt auch unstreitig sein dürfte, zur Überzeugung des Senats fest, daß der Beklagte der islamischen Religion mit schiitischer Prägung angehört. Für schiitische Iraner galt das Gesetz über den Schutz der Familie vom 12.2.1975 (23. Bahman 1353), veröffentlicht im Gesetzblatt Nr. 8785 vom 3.3.1975 (Gesetzestext abgedruckt bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. IV, Stichwort "Iran", 60. Lieferung, abgeschlossen am 31 . 3. 1978, S. 31 ff). Gemäß Art. 11 Abs . 1 S. 1 hat ein Ehegatte unter bestimmten weiteren Voraussetzungen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, wenn die Ehe aus dem <u>Verschulden</u> des anderen Teil geschieden worden ist. Diese anspruchsbegründende Voraussetzung liegt nicht vor, weil sich dem Ehescheidungsurteil keine dahingehenden, <u>zu Lasten des Beklagten</u> getroffenen Feststellungen entnehmen lassen, so daß insoweit offenbleiben kann, ob das Familienschutzgesetz im Iran noch gilt. Das Familiengericht hat in den Entscheidungsgründen des Ehescheidungsurteils ausgeführt, daß der Scheidungsantrag des Beklagten sowohl nach deutschem als auch nach iranischem Recht begründet sei. Soweit auf deutsches Scheidungsrecht abgestellt worden ist, kommt ein Verschulden des Beklagten am Scheidungsausspruch schon deshalb nicht in Betracht, weil nach dem neuen deutschen Recht alleinige Voraussetzung des Scheidungsausspruches das Scheitern der Ehe (§ 1565 Abs. 1 S. 1 BGB) ist, wobei es sich um den reinen Zerrüttungsgrundsatz handelt, während die Frage des etwaigen Verschuldens eines oder beider Ehegatten im Gegensatz zum früher geltenden Recht nicht mehr relevant ist.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Gemessen am iranischen Recht rechtfertigt das Scheidungsurteil gleichfalls nicht die Feststellung eines Verschuldens des Beklagten, denn in den Entscheidungsgründen</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">ist neben den wertneutralen Fakten der über einjährigen Dauer der Trennung der Parteien und ihres beiderseitigen Scheidungsentschlusses nur darauf abgehoben worden, daß die Klägerin sich einem anderen Manne zugewendet habe. Ist daher auch nach iranischem Recht davon auszugehen, daß die Scheidung ohne Verschulden des Beklagten erfolgt ist, so ist gemessen am Familienschutzgesetz vom 12.2.1975 für die nachehelichen Unterhaltsansprüche der Klägerin allein Art. 12 maßgeblich. Danach kommt ein Unterhaltsanspruch nur für die Dauer der gesetzlichen Wartezeit in Betracht. Bevor auf diesen ausländischen Rechtsbegriff näher eingegangen wird, ist vorab danach zu fragen, ob das Familienschutzgesetz im Iran noch in Kraft ist. Hierüber hat die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme keine volle Klarheit erbracht. In der von ihm eingeholten gutachtlichen Stellungnahme vom 5.8.1979 wird dazu bemerkt, daß die gegenwärtige Lage im Iran keine sichere Auskunft über die Behandlung des Unterhaltsrechts ermögliche; es lasse sich bislang lediglich aus iranischen und deutschen - in jener</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Stellungnahme näher zitierten – Pressemitteilungen entnehmen, daß das Familienschutzgesetz im Rahmen der politischen Umwälzungen im Iran aufgehoben worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die Wahrscheinlichkeit, daß es sich so verhält, wird durch die Berichterstattung der Deutschen Botschaft in Teheran vom 21.5.1979 gegenüber dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland verstärkt, wonach das Familienschutzgesetz aufgrund einer Verfügung des Ayatollah Khomeini seit Anfang März 1979 nicht mehr angewendet wird (vgl. den Nachweis bei Bergmann/Ferid, a.a.O. vor dem Länderabschnitt Iran, 65. Lieferung, abgeschlossen am 31.8.1979). Nicht klären lassen sich aber z.Zt. das genaue Datum dieser Aufhebungsverfügung, die Frage, ob die Außerkraftsetzung des Familienschutzgesetzes nach rückwärts hin oder nur mit Wirkung für die Zeit ab dem Erlaß der Aufhebungsverfügung erfolgt ist und ob seitdem wieder entweder das Zivilgesetzbuch</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">(ZGB) des Iran vom 16.2.1935 oder das ursprüngliche Familienschutzgesetz aus dem Jahre 1967 gilt. Das alles kann aber auf sich beruhen. Soweit es nämlich die sogenannte Wartezeit angeht, haben die Familienschutzgesetze keine Neuerung geschaffen, sondern diesen Rechtsbegriff unverändert beibehalten, wie er im ZGB des Iran, das für alle Iraner schiitischer Glaubensrichtung gilt (vgl. Bergmann/Ferid a.a.O., S. 5) seine Ausprägung erfahren hat. Gemäß Art. 1150 ZGB ist die Wartezeit die Frist, binnen derer sich eine Frau nach Auflösung der Ehe nicht wieder verheiraten darf. Gemäß Art. 1151 2GB beträgt sie im Falle einer vollzogenen Ehe drei Menstruationsperioden,</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">wofür in der iranischen Rechtspraxis im allgemeinen eine Frist von 100 Tagen angenommen wird. Dies bedeutet, daß eine Ehefrau für die Zeit nach rechtskräftiger Scheidung, sofern kein Ehevertrag mit abweichenden Vereinbarungen geschlossen worden ist, nur für die Dauer von 100 Tagen Unterhalt zu beanspruchen hat und zwar in gleichem Umfange wie während bestehender Ehe (vgl. zu alledem die als Anlage zu der gutachtlichen Stellungnahme vom 5.8.1979 auszugsweise überreichte Darstellung aus IPG, Gutachte.i.1. zum internationalen und ausländischen Privatrecht 1967 bis 1968, Nr. 24 (Köln), S. 285, 286 mit Nachweisen in Fußnoten 37 bis 41). Sofern es bei der Entscheidung des Rechtsstreits auf iranisches Recht ankommen sollte, stünde aber der Klägerin auch dieser eingeschränkte Unterhaltsanspruch nicht gegen den Beklagten</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">zu. Zur Überzeugung des Senats ist es ausgeschlossen, daß das iranische Recht der geschiedenen Frau einen nachehelichen Unterhaltsanspruch gewährt, wenn er gemessen am deutschen Recht - nämlich wegen fehlender Bedürftigkeit infolge bestehender Erwerbspflicht - nicht in Betracht kommen würde. Bereits innerhalb bestehender Ehe ist</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">die Rechtsstellung der Ehefrau nach iranischem Recht deutlich schwächer als nach deutschem Recht. Während das deutsche Recht von der Gleichberechtigung der Ehegatten in allen durch die Ehe geprägten Lebensbereichen ausgeht, nimmt der Ehemann nach iranischem Recht eine eindeutige VorrangsteIlung gegenüber seiner Ehefrau ein. Das zeigt sich beispielsweise an Art. 1105 ZGB, wo es heißt, daß die Stellung als Haushaltsvorstand für den Mann in den Beziehungen unter den Ehegatten ein Übergewicht</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">begründet, an Art. 1114 ZGB - Verpflichtung der Ehefrau zum Bezug der ihr vom Manne bezeichneten Wohnung und an Art. 1117 ZGB, wonach der Ehemann seiner Frau unter bestimmten Voraussetzungen die Ausübung eines Berufes untersagen kann. In die gleiche Richtung weist insbesondere auch die unterschiedliche Regelung der Unterhaltsansprüche während bestehender Ehe. Während die Unterhaltspflicht im deutschen Recht, abgesehen von den eng umrissenen Ausnahmetatbeständen des § 1361 Abs. 3 i.V.m. § 1579 Abs. 1 Nr. 2 - 4, Abs. 2 BGB nicht an Wohlverhalten des anderen Teils (Gläubigers) geknüpft ist, bestimmt Art. 1108 ZGB, daß der Frau kein Unterhaltsanspruch gegen den Mann zusteht, wenn sie die Erfüllung ihrer ehelichen Pflichten grundlos verweigert. Diese nicht übersehbaren Unterschiede gelten in noch verstärktem Maße für die Zeit nach rechtskräftiger Scheidung. Liegen die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des deutschen Rechts vor, so ist der andere Teil grundsätzlich ohne zeitliche Befristung oder sonstige Beschränkungen zur angemessenen Alimentierung</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">seines geschiedenen Ehegatten verpflichtet. Demgegenüber steht der geschiedenen Frau nach iranischem Recht nur ein derart kurz bemessener - auf 100 Tage beschränkter·- Unterhaltsanspruch zu, daß er praktisch bedeutungslos ist. Aus alledem muß gefolgert werden: Jedenfalls für die Zeit nach rechtskräftiger Scheidung liegt der Ausgestaltung des iranischen Unterhaltsrechts erkennbar die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, daß fortan jeder der vormaligen Ehegatten und zwar ohne Rücksicht auf seine finanzielle Situation und seine Erwerbsfähigkeit für sich selbst aufzukommen hat, wobei die mittellose Ehefrau bis zur etwaigen Wiederverheiratung der Versorgung durch ihre Verwandten anheimfällt, und dieses starre Prinzip, wonach die Verantwortung des wirtschaftlich stärkeren Ehegatten für den schwächeren Teil mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils abrupt endet, wird durch die Verpflichtung des Ehemannes zur Gewährung von Unterhaltszahlungen für die Dauer von 100 Tagen kaum nennenswert gelockert. Diese drastisch verkürzte Unterhaltspflicht hängt wiederum von denselben Voraussetzungen wie der eheliche Unterhaltsanspruch ab und besteht folglich nicht, wenn die den Unterhalt fordernde Frau gemessen am iranischen Recht ihre ehelichen Pflichten verletzt, insbesondere die Scheidung verschuldet hat. Ebensowenig kann ein derartiger Anspruch angenommen werden, wenn die Ehefrau etwa nicht bedürftig oder der Ehemann nicht hinreichend leistungsfähig ist. Hierbei handelt es sich um anspruchsbegründende Voraussetzungen, die, soweit ersichtlich, in allen Rechtsordnungen für die Zubilligung eines Unterhaltsanspruches von unverzichtbarer Bedeutung sind und dafür, daß nach dem iranischen Recht diese Voraussetzungen nicht erforderlich</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">sein sollten, hat die hierfür darlegungspflichtige Klägerin nichts vorgetragen und hierfür ist auch sonst nichts ersichtlich. Da die Klägerin, wie noch im einzelnen darzulegen</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">sein wird, nach dem deutschen Recht keinen nachehelichen Unterhalt von dem Beklagten verlangen kann, muß ein derartiger Anspruch gemäß den vorstehenden Ausführungen gemessen am iranischen Recht erst recht verneint werden.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Ob die nachehelichen Unterhaltsansprüche der Klägerin nach iranischem Recht zu beurteilen sind, erscheint überdiesaus mehreren Grw1den fraglich.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat, wie der Senat bereits in seinem Teilurteil näher ausgeführt hat, ihre deutsche Staatsangehörigkeit durch die Eheschließung mit dem Beklagten nicht verloren. Daran anknüpfend bestimmt Art. 17 Abs. 3 EGBGB, daß für das Scheidungsbegehren der Ehefrau und die Scheidungsfolgen die deutschen Gesetze auch dann maßgeblich sind, wenn in dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung ergeht, nur sie die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Nun hat allerdings die Klägerin ausweislich der Ehescheidungsakten, insbesondere des Protokolls vom 9.5.1979 über den Termin zur Durchführung der mündlichen Verhandlung und des damit inhaltlich übereinstimmenden Tatbestandes des Ehescheidungsurteils, denen gemäß den §§ 165, 314 ZPO besondere Beweiskraft eignet, entgegen ihrer schriftsätzlichen Ankündigung keinen förmlichen Scheidungsantrag gestellt, sondern lediglich erklärt, daß sie der Scheidung, d.h. dem Scheidungsantrage des Beklagten, zustimme. Deshalb könnte erwogen werden, daß Art. 17 Abs. 3 EGBGB mangels eigener, förmlicher Antragstellung durch die Klägerin unanwendbar sei, und es demnach bei dem Grundsatz des Absatz 1 dieser Vorschrift bewenden müsse (vgl. Palandt-Heldrich a.a.O., Art. 17 EGBGB, Anm. 4 a). Es spricht indessen, ohne daß der Senat diese Frage abschließend klären müßte, viel dafür, daß jedenfalls die Scheidungsfolgen unabhängig von der Parteirolle der Klägerin und davon, ob sie einen eigenen Scheidungsantrag gestellt hat oder nicht, gemäß Art. 17 Abs. 3 EGBGB stets nach deutschem Recht beurteilt werden müssen, weil es seit dem Inkrafttreten des 1.<b> </b>EheRG nach deutschem Recht auf die Parteirolle im Ehescheidungsverfahren im Gegensatz zum früher geltenden Recht nicht mehr entscheidend ankommt (vgl. BGH FamRZ 1980, 29 ff, 32).</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Falls es aber gleichwohl bei Art. 17 Abs. 1 EGBGB bewenden sollte, dann läßt sich nicht verkennen, daß gegen diese Bestimmung im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 2 GG entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH FamRZ 1954, 16; BGHZ 42, 7, 8; BGHZ 47, 324, 326) von einem Teil der</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Rechtsprechung und des Schrifttums verfassungsmäßige Bedenken erhoben worden sind, weil diese Vorschrift bei der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit und die Parteirolle im Scheidungsverfahren für die Wahl des Status Mann und Frau unterschiedlich behandelt (vgl. KG, FamRZ 1975, 627; OLG Stuttgart FamRZ 1979, 824; AG Hamburg</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">FamRZ 1978, 416; Braga, MDR 1952, 266, 268; Lüderitz FamRZ 1970, 169, 175; Habscheidt, FamRZ 1975, 76, 78; Berkemann, FamRZ 1977, 295, 299). Unabhängig davon</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">müßte ggfls. weiterhin geprüft werden, ob nicht die Ausgestaltung nachehelicher Unterhaltsansprüche durch das iranische Recht gegen den deutschen ordre public im Sinne des Art. 30 EGBGB verstößt, was bejahendenfalls allerdings nicht zur Zuerkennung eines uneingeschränkten Unterhaltsanspruches nach Maßgabe des deutschen Rechts, sondern nur zu einem mit den Schranken des Art. 30 EGBGB noch vereinbaren Anspruch führen würde. </p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Alle diese Fragen bedürfen indessen keiner Vertiefung und abschließenden Klärung, weil es hierauf für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankommt. Denn der Klägerin steht auch dann für die Zeit nach rechtskräftiger Scheidung gegen den Beklagten kein Unterhaltsanspruch zu, wenn ihrem Begehren deutsches materielles Recht zugrunde</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">gelegt wird. Da die Ehe der Parteien nach dem Inkrafttreten (1.7.1977) des 1. Eherechtsreformgesetzes (1. EheRG) vom 14.6.1976 geschieden worden ist, sind bei Anwendung deutschen Rechts die aufgrund dieses Gesetzes neu in das Bürgerliche Gesetzbuch eingeführten Bestimmungen der §§ 1569 ff BGB maßgeblich. Dieses neue nacheheliche Unterhaltsrecht wird von folgenden Prinzipien geprägt: Gemäß § 1569 BGB steht dem Ehegatten gegen den anderen Teil nach Maßgabe der §§ 1570 ff BGB dann ein Anspruch zu, wenn er nach der Scheidung aus bestimmten, vom Gesetzgeber respektierten Gründen nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen kann. § 1569 BGB ist gemäß der Begründung des Regierungsentwurfs (vgl. den Nachweis in der sogenannten</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Broschüre für Rechtsanwender, 1976, S. 154) keine selbständige Rechtsgrundlage für einen Unterhaltsanspruch, sondern stellt gewissermaßen als Einleitung vor der kasuistischen Regelung der §§ 1570 ff BGB klar, daß ausgehend vom Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit jedes Ehegatten für seinen Unterhalt nach rechtskräftiger Scheidung dann nur ein Unterhaltsanspruch besteht, wenn die Voraussetzungen eines oder mehrerer der speziellen Tatbestände der §§ 1570 ff BGB erfüllt sind. Nach Ansicht</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">des Senats kann deshalb diese Regelung nicht dahin interpretiert und verstanden werden, daß gemäß der Vorstellung des Gesetzgebers nur ausnahmsweise kein nachehelicher Unterhaltsanspruch bestehe (so aber KG FamRZ 1978, 692 mit zustimmender Anmerkung von Bosch in FamRZ 1980, 7, wonach aus § 1569 BGB die Verpflichtung (Obliegenheit) des geschiedenen Ehegatten zur Selbstunterhaltung nur herzuleiten</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">ist, wenn es sich entweder um eine sogenannte Doppelverdiener-Ehe oder um die Scheidung eines jungen und kinderlosen Ehepaares oder um Scheidung nach verhältnismäßig kurzer Ehedauer handelt), sondern es verhält sich genau umgekehrt im oben dargelegten Sinne, wonach die Obliegenheit zur Selbstunterhaltung den Grundsatz und die Unterhaltsberechtigung nach Maßgabe der §§ 1570 ff BGB die Ausnahme verkörpert. (vgl. Köhler, Handbuch des Unterhaltsrechts, 4. Aufl., S. 69; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 1977, Rz 237), wenngleich dem Kammergericht zuzugeben ist, daß in der überwiegenden Anzahl aller Fälle die eine oder andere, die Anspruchsberechtigung ergebende Ausnahme nach Maßgabe der §§ 1570 ff BGB vorliegen wird.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Das Begehren der Klägerin vermag indessen in keinem der in den §§ 1570 ff BGB enumerativ aufgeführten Tatbestände seine Stütze zu finden.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">§ 1570 BGB scheidet aus, weil aus der Ehe der Parteien kein Kind hervorgegangen ist, so daß es am anspruchsbegründenden Merkmal "gemeinsames Kind" im Sinne dieser</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Vorschrift fehlt. Dafür, daß von der Klägerin im Zeitpunkt der Scheidung wegen ihres Alters eine – ihren Bedarf deckende und sicherstellende – Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann und folglich ein Unterhaltsanspruch gemäß § 1572 BGB in Betracht kommt, hat sie nichts vorgetragen. Die Klägerin ist gegenwärtig erst 43 Jahre alt und hat gemäß ihrem eigenen Vorbringen vor und nach der Scheidung der Parteien jedenfalls</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">stundenweise ständig als Raumpflegerin gearbeitet, so daß nicht erkennbar ist, weshalb sie aus Altersgründen an der weiteren Verrichtung derartiger oder ähnlicher Arbeiten gehindert sein sollte. Ebensowenig kommt mangels Darlegung einer der Erwerbstätigkeit entgegenstehenden Erkrankung bzw. eines Gebrechens die Zuerkennung von</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Unterhalt nach Maßgabe des § 1572 BGB in Betracht. Der Tatbestand des § 1575 BGB ist nicht einschlägig, weil er den hier nicht vorliegenden Fall betrifft, daß ein geschiedener Ehegatte in Erwartung der Ehe oder während der Ehe eine Schul- oder Berufsausbildung nicht aufgenommen oder nicht abgeschlossen hatte und aus diesem Grunde bis zur nachhaltigen Sicherung seines Unterhalts durch Abschluß einer derartigen Ausbildung vorübergehend bedürftig und anspruchsberechtigt ist. Die Klägerin hat auch nicht schlüssig dargelegt, daß sie gemäß § 1573 BGB gegenüber dem Beklagten unterhaltsberechtigt ist. Gemäß Absatz 1 dieser Vorschrift kann ein nach den §§ 1570 bis 1572 BGB nicht unterhaltsberechtigter Ehegatte Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag. Insoweit hat die Klägerin in beiden Instanzen lediglich ausgeführt, daß sie mit Rücksicht auf die ihr obliegende Beaufsichtigung, Versorgung und Betreuung ihrer noch minderjährigen, aus einer früheren Ehe hervorgegangenen Tochter D. zur Aufnahme einer vollen Erwerbstätigkeit nicht imstande sei. Gemessen am § 1573 BGB ist dieses Vorbringen aber unbeachtlich, weil diese Bestimmung nur solche Fälle im Auge hat, wo der geschiedene Ehegatte trotz seiner Erwerbspflicht - diese Verpflichtung besteht auch für die Klägerin, weil das Kind nicht aus der Ehe der Parteien stammt, wie § 1570 BGB voraussetzt - aus</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Gründen der Lage des Arbeitsmarktes keine angemessene Erwerbstätigkeit. zu finden vermag. § 1573 Abs. 2 BGB gewährt einen Unterhaltsanspruch in Höhe des Defizits</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">soweit die erzielten Einkünfte aus angemessener Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt nicht ausreichen. Auch auf diese Bestimmung vermag die Klägerin sich nicht mit Erfolg zu berufen, weil sie nicht dargelegt hat, daß sie mit den Mitteln einer vollberuflichen Tätigkeit als Raumpflegerin oder in ähnlicher Stellung, die angesichts der sozialen Stellung der Parteien und der bislang von ihr ausgeübten Tätigkeit im Sinne des § 1574 BGB angemessen ist und zu deren Ausübung sie deshalb verpflichtet ist, keine volle Sicherstellung ihres Lebensbedarfes erlangen kann.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Schließlich rechtfertigt auch § 1576 S. 1 BGB nicht die Zubilligung eines nachehelichen Unterhaltsanspruches.Nach dieser Vorschrift kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen Teil Unterhalt verlangen, soweit und solange von ihm aus sonstigen schwerwiegenden Gründen eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann und die</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Versagung von Unterhalt unter Berücksichtigung der Belange beider Ehegatten grob unbillig wäre. Bei dieser sogenannten positiven Billigkeitsklausel handelt es sich</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">nicht etwa um einen Ersatz für die vom Gesetzgeber abgelehnte unterhaltsrechtliche Generalklausel, sondern um eine Ausnahmevorschrift, wie sich aus ihrer systematischen Stellung und aus den Worten "schwerwiegende Gründe" und "grob unbillig" ergibt, die entsprechend eng ausgelegt werden muß; es muß eine Härte vorliegen, die die Versagung des Unterhaltsanspruches unerträglich macht oder jedenfalls als mit der Gerechtigkeitserwartung unvereinbar erscheinen läßt (vgl. Richter im Münchener</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Kommentar zum BGB, Bd. V, 1977, § 1576 Rz 1; Ambrock, Ehe und Ehescheidung, 1977, § 1576 Anm. 1).</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Der einzige Umstand, der nach Lage des Falles den Zugang zu dieser Vorschrift eröffnen könnte, ist darin zu finden, daß aus einer früheren Ehe der Klägerin die noch minderjährige Tochter D. hervorgegangen ist, nach der Eheschließung der Parteien mit Billigkeit des Beklagten mit diesen in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat und damals wie auch heute noch der Versorgung, Beaufsichtigung und Betreuung durch die Klägerin bedarf. In einem solchen Falle <u>kann</u> auch die weitere Betreuung des nicht gemeinschaftlichen Kindes in der Zeit nach der Scheidung <u>ehebedingt</u> erforderlich sein, vornehmlich dann, wenn und soweit die Erwerbsmöglichkeiten des betreffenden Ehegatten-Elternteils infolge ehebedingter Aufgabe oder Verkürzung der Erwerbstätigkeit beeinträchtigt worden sind (vgl. Richter a.a.O., § 1576 Rz 4; Rolland, 1.<b> </b>EheRG, 1977, § 1576 Rz 10; Köhler a.a.O., S. 76; Schwab a.a.O., Rz 292; Diederichsen NJW 1977,</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">357). Geht man zugunsten der Klägerin davon aus, daß die mit Zustimmung des Beklagten erfolgte Aufnahme ihrer Tochter D. in den vormaligen ehelichen Haushalt der</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Parteien ein sonstiger schwerwiegender Grund im Sinne des § 1576 S. 1 BGB ist, dann rechtfertigt das gleichwohl aber nicht die Zuerkennung eines Unterhaltsanspruches</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">nach Maßgabe dieser Vorschrift. Weitere Voraussetzung ist nämlich, daß die Versagung von Unterhalt unter Berücksichtigung der Belange beider Parteien grob unbillig wäre. Demnach wird die Unterhaltspflicht nicht schon dadurch ausgelöst, daß von dem Ehegatten mit Rücksicht auf die altersbedingte Pflegebedürftigkeit des Kindes keine oder jedenfalls keine volle Erwerbstätigkeit erwartet werden kann, was in der Regel der Fall sein wird, sondern es müssen besondere, das zusätzlich erforderliche Anspruchsmerkmal der groben Unbilligkeit ausfüllende Umstände hinzukommen. Denn eine über die Beendigung der Ehe hinauswirkende Verantwortlichkeit des Beklagten für die Klägerin läßt sich nicht allein damit rechtfertigen, daß er der Aufnahme ihres Kindes in den gemeinsamen ehelichen Haushalt zugestimmt hatte, wie bereits folgende Überlegung zeigt: Wäre die Ehe nicht geschlossen worden, so hätte die Klägerin ihr Kind ebenfalls pflegen, beaufsichtigen und betreuen müssen, ohne daß sich daraus eine unterhaltsrechtliche Absicherung zu ihren Gunsten ergeben hätte (vgl. Holland, a.a.O., § 1576 Rz 10). Nach Lage des Falles ist es sogar nicht unbillig, der Klägerin einen nachehelichen Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten zu versagen. Hierzu nötigen folgende Erwägungen: Anhaltspunkte, die den Schluß darauf zulassen könnten, daß der Beklagte die Klägerin nach der Heirat der Parteien dazu bewogen hätte, eine bis dahin von ihr ausgeübte Erwerbstätigkeit aufzugeben oder einzuschränken und sich fortan nur um die Versorgung des gemeinsamen Haushalts und ihres Kindes zu kümmern, sind nicht ersichtlich. Ebensowenig kann davon ausgegangen werden, daß der Beklagte eine besonders enge, einem echten Vater-Kind-Verhältnis entsprechende Beziehung zu D. gewonnen und auf diese Weise kausale Mitverantwortung für die weitere Pflegebedürftigkeit dieses Kindes und daraus möglicherweise herzuleitende Erwerbseinbußen der Klägerin übernommen hat, die seine, die Scheidung überdauernde, nacheheliche Unterhaltspflicht auszulösen vermöchte. Anläßlich seiner Anhörung in der letzten mündlichen Verhandlung hat er vor dem Senat glaubhaft erklärt, er sei von D. nicht als "Vater" oder "Papa", sondern mit seinem Vornamen angeredet worden, was nicht als Ausdruck einer derartigen Beziehung gewertet werden kann. Im Rahmen der bezüglich des anspruchsbegründenden Merkmals der groben Unbilligkeit erforderlichen Abwägung der Interessen beider Parteien darf ferner nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Ehe bis</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">zur Rechtskraft der Scheidung nur rd. 4 1/2 Jahre und damit nur verhältnismäßig kurze Zeit bestanden hat, wobei hinzu kommt, daß die Parteien bereits seit Januar 1978</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">dauernd voneinander getrennt lebten. Von besonderer Bedeutung für die Verneinung des anspruchsbegründenden Merkmals der groben Unbilligkeit ist weiter die Tatsache,</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">daß die Klägerin gemäß ihrem eigenen Eingeständnis während der Ehe ehebrecherische Beziehungen zu einem anderen Manne - dem Zeugen N. - angeknüpft und anläßlich der mündlichen Verhandlung im Scheidungsverfahren erklärt hat, daß sie diese Beziehungen weiterhin aufrechtzuerhalten wünsche. Da angesichts des Vorbringens der Parteien im Ehescheidungsverfahren und insbesondere auch der Entscheidungsgründe</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">des Scheidungsurteils davon ausgegangen werden muß, daß die Klägerin mit diesem ihren Verhalten eine wesentliche Ursache für das Scheitern der Ehe gesetzt hat, kann angesichts dessen, sowie der verhältnismäßig kurzen Dauer der Ehe der Parteien und der Tatsache, daß eine besondere, einem Vater-Kind-Verhältnis entsprechende Bindung des Beklagten zur Tochter der Klägerin nicht bestanden hat, der Klägerin die volle Eigenverantwortlichkeit für die Deckung ihres nachehelichen Unterhalts nicht abgenommen werden. Zur Überzeugung des Senats wäre es mit den Grundsätzen der Billigkeit gerade nicht vereinbar, dem Beklagten ungeachtet aller dieser Umstände die Verpflichtung zur ganzen oder auch nur teilweisen Sicherstellung ihrer nachehelichen Unterhaltsansprüche aufzubürden. Hinzu kommt schließlich folgendes: Jedenfalls für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung - Mai 1979 - geht es nicht an, die Leistungsfähigkeit</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">des Beklagten weiterhin nach den Einkünften zu bemessen, die er bei der Firma L.-J.-E. AG erzielt hatte. Der Beklagte hat nach seinem Ausscheiden aus diesem Betrieb eine andere Anstellung gefunden, die er inzwischen und zwar unverschuldet verloren hat. Sofern ein Unterhaltsanspruch der Klägerin gemäß § 1576 in Betracht käme, müßte ihm bei im Rahmen dieser Vorschrift gebotener Berücksichtigung seiner schutzwürdigen Belange wenigstens der eigene, <u>angemessene</u> Unterhalt verbleiben, der mit rd. 1.100,-- DM monatlich anzusetzen wäre. Einkünfte in einer diesen angemessenen Selbstbehalt übersteigenden Größenordnung hat er indessen in der Zeit seit Rechtskraft der Scheidung bis zum heutigen Tage nicht mehr erzielt, vielmehr hat sein finanzielles Leistungsvermögen sich seitdem stetig verschlechtert, zumal er seit Ende Januar 1980 gemäß seinen Angaben kein Arbeitslosengeld mehr erhält und die Gewährung der von ihm beantragten Arbeitslosenhilfe zur Zeit noch ungewiß ist, so daß die Zuerkennung eines Unterhaltsanspruches nach § 1576 BGB abgesehen von allen anderen Voraussetzungen auch an seiner fehlenden Leistungsfähigkeit scheitern müßte.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO. Vollstreckungsschutzanordnungen gem. § 711 ZPO kamen nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen, unter denen das Rechtsmittel der Revision gegen dieses Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen, § 713 ZPO.</p>
|
315,954 | lg-arnsberg-1980-02-22-1-o-16278 | {
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} | 1 O 162/78 | 1980-02-22T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:30 | 2019-03-27T09:41:47 | Urteil | ECLI:DE:LGAR:1980:0222.1O162.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klageanträge zu 1) und 3) sind dem Grunde nach in Höhe von 80 % gerechtfertigt.</p>
<p>Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,00 DM (i.W. achttausend Deutsche Mark) nebst 4 % Zinsen seit dem 26.05.1978 zu zahlen.</p>
<p>Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner alle sich aus dem Unfall vom 27.08.1075 ergebenden Zukunftsschäden in Höhe von 80 % zu ersetzen, vorbehaltlich des Anspruchsübergangs auf Dritte.</p>
<p>Der weitergehende Schmerzensgeldantrag sowie der weitergehende Feststellungsantrag werden abgewiesen.</p>
<p>Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 9.000,00 DM vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u><b>Tatbestand</b></u>:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Am 27.08.1975 fuhr der Kläger mit hoher Geschwindigkeit in seinem Fahrzeug P. auf der Kreisstraße von B. in Richtung T.. Die Beklagte zu 1) befuhr mit ihrem Pkw die Kreisstraße aus Richtung I. in Richtung M.. An der Kreuzung dieser beiden Straßen kam es zum Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge, wobei der Wagen des Klägers sich überschlug und die Böschung hinunterfuhr.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu 1) war gemäß der Beschilderung an dieser Kreuzung wartepflichtig. Der Kläger wurde aus dem Fahrzeug herausgeschleudert und erlitt erhebliche Verletzungen: Schnittwunden am Kopf, Prellungen am Kopf, Platzwunden am Kopf, Hautabschürfungen am Kopf, Prellungen am ganzen Körper, Arm-, Rücken- sowie Beinprellungen, eine Platzwunde am linken Ellenbogen über die Dorsalseite des linken Ellenbogengelenks und eine tiefe Risswunde zwischen der ersten und zweiten Zehe rechts. Der Kläger wurde vom 27.08.1975 bis 08.09.1975 stationär behandelt, es wurde u.a. eine Antischockbehandlung durchgeführt, darüber hinaus erlitt der Kläger eine Luxation und Deslokation des Zahnes 21 sowie eine Kronenfraktur der Zähne 11, 12 und 16, was mit starken Schmerzen im Oberkiefer verbunden war. Nach Ende des Krankenhausaufenthaltes ergab sich, dass auch das rechte Knie des Klägers verletzt war. Dieses Knie musste weiterhin behandelt werden, u.a. war ein Krankenhausaufenthalt vom 19.10. – 13.11.1976 sowie vom 13.12. – 21.12.1976 in den Krankenanstalten C. in F. notwendig. Auch nach Abschluss der Behandlung ist das Knie nicht voll geheilt, vielmehr liegt eine Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Kniegelenks, eine leichtvermehrte Aufklappbarkeit, eine erhebliche Muskelabmagerung des rechten Beines, sowie eine verminderte Belastungsfähigkeit des rechten Kniegelenks als Dauerschaden vor. Es kann auf Dauer nach dem Gutachten der Ärzte mit einer Erwerbsminderung von ca. 40 % gerechnet werden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger macht nunmehr Ersatz der ihm entstandenen Schäden in voller Höhe geltend.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Er ist der Ansicht, dass die Beklagte zu 1) den Unfall allein schuldhaft verursacht habe und dass dieses Ereignis für ihn unabwendbar gewesen sei. Die Beklagte zu 1) habe ihre Wartepflicht an der Kreuzung verletzt, so dass ein Mitverschulden des Klägers wegen des stark überwiegenden Verschuldens der Beklagten zu 1) nicht in Betracht komme. Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass angesichts der erlittenen Verletzungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000,00 DM angemessen sei.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus trägt er vor, dass er wegen der eingetretenen Erwerbsminderung in nicht der Lage sei, bis zur Vollendung seines 70. Lebensjahres sein Holzeinschlaggewerbe in vollem Umfang auszuüben. Daher seien die Beklagen verpflichtet, diese Mindereinnahmen in Form einer Rente zu ersetzen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Klägerbeantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><ol class="absatzLinks"><li>an ihn 2.187,40 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 20.09.1977 zu zahlen,</li>
<li>an ihn ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4 % Zinsen seit dem 20.09.1977, zu zahlen.</li>
<li>an ihn für die Zeit vom 01.04.1977 bis 31.05.2019 eine angemessene Rente zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.,</li></ol>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, alle sich aus dem Unfall vom 27.08.1975 ergebenden Zukunftsschäden zu ersetzen, soweit sie nicht auf Versicherungsträger übergegangen sind.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten behaupten, der Kläger sei mit einer Geschwindigkeit weit über 100 km/h gefahren und habe dadurch den Unfall mit verursacht. Die Beklagte zu 1) ihrerseits habe an der bevorrechtigten Straße ihr Fahrzeug angehalten und sei danach mit normaler Anfahrgeschwindigkeit angefahren, da sie der Annahme gewesen sei, es nähere sich kein weiteres Fahrzeug.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Im Übrigen habe die Beklagte zu 3) eine Schadensteilung im Verhältnis 80 zu 20 vorgeschlagen, was jedoch von dem Kläger abgelehnt worden sei. Ferner bestreiten die Beklagten die Höhe des geltend gemachten Schadens. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 % sei für den Kläger als Selbständigen nicht so gravierend, dass er seinen Beruf nicht mehr ausüben könne. Auch müsse geprüft werden, ob dem Eintritt des Schadens durch die Bestellung eines geeigneten Vertreters im Geschäft ganz oder zum Teil vorgebeugt werden könnte.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Im Übrigen sind die Beklagten der Ansicht, dass das vorgeschlagene Schmerzensgeld von 12.000,00 DM um ein vielfaches höher sei als das, was für entsprechende Verletzungen in anderen Fällen zugebilligt werde.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Es ist Beweis erhoben worden gemäß Beweisbeschluss vom 11.08.1978 (Bl. 102 d.A.). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Dipl.-Ing. U. vom 31. Oktober 1979 verwiesen. Die Akten des Strafverfahrens – Amtsgericht Arnsberg 5 Ds 355/75 – waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Beiakten verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><b><u>Entscheidungsgründe</u>:</b></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist dem Grunde nach teilweise gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten sind dem Kläger nach § 823 Abs. 1 BGB § 7 StVG, § 3 PflVersG, § 254 Abs. 1 BGB, § 9 StVG zum Ersatz von 80 % des aus dem Unfall vom 27.08.1075 entstandenen Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">1. Nach dem Ergebnis er Beweisaufnahme steht fest, dass der Unfall auf das fahrlässige Verhalten der Beklagten zu 1) zurückzuführen ist. Die Beklagte zu 1) hat durch ihr Verhalten im Kreuzungsbereich gegen ihre Wartepflicht verstoßen. Gem. § 41 StVO Zeichen 205 war die Beklagte zu 1) verpflichtet, den Kreuzungsbereich nicht zu befahren, soweit und solange weitere Fahrzeuge die übergeordnete Straße befuhren. Da der Beklagten zu 1) diese Kreuzung als besonders gefährlich bekannt war, hätte sie sich schrittweise in den Kreuzungsbereich vortasten müssen und noch zu einem späteren Zeitpunkt anhalten müssen, als sie das Herannahen des Klägers bemerkte. Die Beklagte zu 1) hatte in Richtung auf die Straße, die der Kläger befuhr, weite Einsichtsmöglichkeiten und hatte bei gehöriger Sorgfalt den Kläger bereits frühzeitig erkennen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">2. Der Kläger hat ebenfalls durch sein Verhalten zu dem Unfall beigetragen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere nach dem überzeugen Gutachten des Dipl.-Ingenieurs U. steht fest, dass der Kläger seinerseits die vorfahrtsberechtigte Straße mit einer Geschwindigkeit von über 100 km/h befuhr. Im Jahr 1975 galt die Höchstgeschwindigkeitsverordnung vom 16.03.1972, die in § 1 Abs. 1 vorschreibt, dass außerhalb geschlossener Ortschaften auch unter günstigsten Umständen nicht schneller als 100 km/h gefahren werden darf.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Diese Verordnung ist im Jahre 1972 erlassen worden, nachdem sich herausgestellt hatte, dass außerhalb geschlossener Ortschaften die Mehrzahl der Unfälle durch überhöhte Geschwindigkeit verursacht worden war. Die Intention des Verordnungsgebers zielte gerade dahin, die Gefahrenpunkte, die durch erhöhte Geschwindigkeiten geschaffen wurden, nämlich lange Anhaltewege, Schwierigkeiten der Geschwindigkeitseinschätzung durch die anderen Verkehrsteilnehmer sowie besondere Anforderungen an die physische und psychische Leistungsfähigkeit des Fahrers, auszuschalten.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat die in dieser Verordnung festgelegte Höchstgeschwindigkeit nicht unerheblich überschritten. Nach dem Gutachten muss davon ausgegangen werden, dass sich die Geschwindigkeit des Fahrzeuges des Klägers im Bereich von 106 – 118 km bewegte. Nimmt man hierbei nur einen Mittelwert von 112 km/h an, so ist dies nicht eine unerhebliche Überschreitung der Höchstmarke von 100 km/h.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Es ist dem Kläger nicht gelungen, gem. § 7 Abs. 2 StVG den Nachweis zu führen, dass dieses schuldhafte Verhalten nicht ursächlich für den Unfall an der Kreuzung gewesen ist. Bei derartigen Unfällen an Kreuzungen spricht zwar der Anscheinsbeweis für die Verletzung der Wartepflicht, doch können die Regeln des Anscheinsbeweises nicht auf die Fahrweise des Vorfahrtsberechtigten angewandt werden; diesen trifft vielmehr die volle Beweislast, dass der Zusammenstoß für ihn unabwendbar war (BGH VRS 26, 85).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall hat der Kläger den Nachweis nicht führen können, da nach dem Gutachten des Sachverständigen U. bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 100 km/h der Stillstand des Fahrzeuges an dem Kollisionsort nur möglich, aber nicht sicher gewesen wäre. Legt man zugrunde, dass der Kläger mit Sicherheit diese Geschwindigkeit von 100 km/h überschritten hat, so nimmt die Möglichkeit des Stillstandes am Kollisionspunkt entsprechend weiter ab. Es ist dem Kläger somit nicht möglich, zur Überzeugung des Gerichts zu beweisen, dass sein Fahrverhalten der nach § 7 Abs. 2 erforderlichen gesteigerten Sorgfalt entspricht. Nach ständiger Rechtsprechung gehen derartige Beweisunklarheiten regelmäßig zu Lasten des Halters (BGH VRS 20, 166).</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">3. Bei der nach § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung ist in erster Linie auf das Maß der gegenseitigen Verursachung, außerdem auf den Umfang des beiderseitigen Verschuldens abzustellen. Dies führt zu einer erheblich stärkeren Belastung der Beklagten zu 1), die ihre Wartepflicht verletzt hat. Demgegenüber ist das Verschulden des Klägers, der sich die Betriebsgefahr zurechnen lassen muss, vergleichsweise gering. Unter Berücksichtigung diese Umstände hält es das Gericht für angemessen, dass der Schaden aus dem Unfall im Verhältnis 20 zu 80 verteilt wird.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Für diesen Schaden haften die drei Beklagten als Gesamtschuldner.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">4. Über den Klageantrag zu 1) auf Zahlung des Schadensersatzes war zunächst nur durch Grundurteil gem. § 304 ZPO zu entscheiden, da hinsichtlich der Schadenshöhe noch weitere Ermittlungen ausstehen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">5. Ebenso war über den Klageantrag zu 3) auf Zahlung einer angemessenen Rente zunächst durch Grundurteil gem. § 304 ZPO zu entscheiden, da hinsichtlich des Umfangs der Rentenverpflichtungen der Sachverhalt noch nicht genügend aufgeklärt ist.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">6. Demgegenüber war über den Feststellungsantrag bereits jetzt durch Teilurteil zu entscheiden, nachdem das Gericht über die Haftungsquote der Parteien hinreichende Klarheit gewonnen hat.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">7. Über den Antrag zu 2) auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes konnte bereits Teilurteil ergehen, da insoweit der Sachverhalt genügend aufgeklärt ist. Der Kläger hat aus den oben dargelegten Rechtsgrundlagen i.V. mit § 847 BGB gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Ersatz eines Schmerzensgeldes, das nach Ansicht des Gerichts mit 8.000,00 DM anzusetzen ist. Hierbei fällt insbesondere ins Gewicht, dass der Kläger erhebliche Unfallverletzungen erlitten hat und stationär behandelt werden musste. Darüber hinaus ist von großer Bedeutung, dass erhebliche Zeit nach dem Unfall weitere Schäden am Knie festgestellt wurden, die zu einer sehr langwierigen und sehr schmerzhaften Nachbehandlung führten. Nach dem Ergebnis der ärztlichen Feststellungen geht das Gericht davon aus, dass bei dem Kläger eine dauernde Erwerbsminderung vorliegen wird, die mit ca. 40 % beziffert worden ist. Darüber hinaus ist der noch recht junge Kläger durch diesen Dauerschaden, das sog. Wackelknie, in der Entfaltung seiner Persönlichkeit gehindert, insbesondere ist ihm sportliche Betätigung nicht möglich. Andererseits war bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen, dass der Kläger seinerseits den Unfall mit verursacht hat. Unter Abwägung aller Umstände hat das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,00 DM für angemessen gehalten.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.</p>
|
315,955 | olgk-1980-02-21-1-ss-109479 | {
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} | 1 Ss 1094/79 | 1980-02-21T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:32 | 2019-03-27T09:41:47 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1980:0221.1SS1094.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Gegenvorstellungen des Betroffenen geben zu einer Änderung der Senatsentscheidung vom 8. Januar 1980 keinen Anlaß.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen einer unmittelbaren oder rechtsähnlichen Anwendung des § 33 a StPO sind nicht gegeben. Der Senat hält seine Entscheidung weiterhin für verfassungskonform.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, sind Bedeutung und Tragweite des Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht verkannt, wenn eine Verletzung dieses Verfahrensgrundrechts <u>im Einzelfall</u> nicht als Zulassungsgrund i.S. des § 80 Abs. 1 OviG gewertet wird (BVerfGE 42, 252 = NJW 1976, 1839; a.A. Göhler in Festschrift für Karl Schäfer, 1980, S. 54 f. und OWiG, 5. Aufl., § 80 Anm. 4) A. b)). Vorliegend aber ist, anders als in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall, das Recht des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs durch das Amtsgericht nicht verletzt. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist insbesondere nicht schon darin zu sehen, daß die Ladung des Verteidigers des Betroffenen zur Hauptverhandlung vom 12.10.1979 unterblieben ist und die Hauptverhandlung ohne den Verteidiger stattgefunden hat. Denn Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet das rechtliche Gehör grundsätzlich nur als solches, nicht gerade durch die Vermittlung eines Rechtsanwalts (st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BVerfGE 39, 156 (168), 38, 105 (118) u.a.). Der hier zu beurteilende Sachverhalt liegt auch anders als bei einer vom Amtsgericht <u>außerhalb</u> einer Hauptverhandlung, nämlich im Beschlußverfahren gem. § 72 OWiG, beabsichtigten Entscheidung; dort ist in der Rechtsprechung ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dann festgestellt worden, wenn lediglich dem Betroffenen, nicht aber seinem Verteidiger Gelegenheit zur Äußerung zu Tatsachen oder Beweiserhebungen gegeben wurde, zu denen der Betroffene bisher noch nicht gehört worden ist (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1968, 1438; BGHSt 25, 252 = NJW 1974, 371 erweiternd f.d. Fall, daß der gem. § 72 I 2 OWiG erforderliche Hinweis nur dem Betroffenen, nicht aber dem Verteidiger erteilt wurde; insoweit a.A. Göhler, Festschrift a.a.O., S. 59).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Auch eine Verletzung anderer Grundrechte des Betroffenen ist nicht ersichtlich.</p>
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315,956 | olgk-1980-02-21-21-uf-21779 | {
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} | 21 UF 217/79 | 1980-02-21T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:34 | 2019-03-27T09:41:47 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1980:0221.21UF217.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Köln vom 19. Oktober 1979 - 309 F 241/79 - aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>Das Verfahren wird zur Verhandlung und zur neuerlichen Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin an das Amtsgericht Köln, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen wird, zurückverwiesen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">G r ü n d e :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien sind miteinander verheiratet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Aus ihrer Ehe sind die beiden im Rubrum des Beschlusses aufgeführten Kinder hervorgegangen. Der Antragsgegner ist am 1.5.1979 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen. Seitdem leben die Parteien voneinander getrennt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hat bei dem Familiengericht Köln beantragt, ihr gemäß § 1672 BGB die elterliche Gewalt zu übertragen. Diese Regelung entspreche, so hat sie ausgeführt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">am besten dem Wohle der beiden minderjährigen Kinder, die seit ihrer Geburt im wesentlichen von ihr beaufsichtigt, betreut und versorgt worden seien. Der Antragsgegner könne sich infolge seiner beruflichen Inanspruchnahme als selbständiger Architekt den Kindern nicht in gleicher Weise wie sie widmen. Überdies habe er mit seinem Auszug den dauernden Kontakt zu ihnen aufgegeben und sich fortan auf gelegentliche Besuche beschränkt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner hat um Zurückweisung des Antrages gebeten und erwidert, zur Zeit bestehe für die erstrebte Regelung kein zwingendes Bedürfnis. Mit der vorläufigen Ausübung des Personensorgerechts durch die Antragstellerin sei er einverstanden und seine schriftlichen Anfragen, welche Grunde die Übertragung der elterlichen Gewalt auf sie erforderlich machten, habe sie unbeantwortet gelassen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das Familiengericht hat den Antrag durch Beschluß vom 19. Oktober 1979 mit der Begründung zurückgewiesen, daß kein Rechtsschutzinteresse für eine vorläufige Regelung der elterlichen Gewalt bestehe.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hat gegen diesen ihr am 25.10.1979 von Amts wegen zugestellten Beschluß mit einer am 7.11.1979 bei dem Oberlandesgericht Köln eingegangenen Schrift Beschwerde eingelegt und das Rechtsmittel am 7.12.1979 begründet.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt ergänzend aus, bei nicht nur vorübergehender Trennung der Ehegatten müsse nach der Lebenserfahrung in ähnlicher Weise mi t Differenzen und Spannungen im Rahmen der Ausübung der elterlichen Gewalt gerechnet werden wie im Falle der Ehescheidung. Dem trage der Gesetzgeber mit der Regelung des § 1672 BGB Rechnung; bereits aus der Trennung im Sinne dieser</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vorschrift ergebe sich das vom Amtsgericht zu Unrecht verneinte Rechtsschutzinteresse. Darüber hinaus werde das Regelungsbedürfnis an folgendem Vorkommnis deutlich: In den Herbstferien 1979 habe der Antragsgegner, der enge Beziehungen zu einer anderen Frau unterhalte, an sie das Ansinnen gestellt, mit den Kindern und seiner jetzigen Lebensgefährtin in Urlaub zu fahren, wovon sie ihn erst nach langen Diskussionen</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">habe abbringen können. Für das Ausbleiben neuerlicher Schwierigkeiten gebe es keine Garantie und es könne ihr nicht zugemutet werden, unbeschadet der räumlichen</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Trennung der Parteien in jeder die elterliche Gewalt betreffenden Frage den Konsens mit dem Antragsgegner herstellen zu müssen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die elterliche Gewalt über die</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">gemeinsamen ehelichen minderjährigen Kinder</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">1<b>. </b>U., geboren am 4.10.1967,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">2. K., geboren am 24.9.1971,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">beide wohnhaft bei der Antragstellerin, auf die Antragstellerin zu übertragen;</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">hilfsweise: den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen;</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">weiter hilfsweise : Die weitere Beschwerde zuzulassen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner bittet um Zurückweisung der Beschwerde. Er wiederholt ebenfalls sein bisheriges Vorbringen und führt in Erwiderung auf die zusätzlichen Darlegungen der Antragstellerin in der Beschwerdeinstanz aus, es sei kein gemeinsamer Urlaub, sondern nur ein kurzfristiges Treffen am Urlaubsort geplant gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Das Rechtsmittel ist zulässig und teilweise begründet; auf den Hilfsantrag mußte der angefochtene Beschluß aufgehoben und das Verfahren zur Verhandlung und neuerlichen Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin an das Familiengericht zurückverwiesen werden, wobei der Senat es für zweckmäßig gehalten hat, dem Familiengericht auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu übertragen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Zur Zulässigkeit der Beschwerde gilt im einzelnen folgendes:</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hat in der ersten Instanz nicht den Erlaß einer einstweiligen Regelung im Sinne einer einstweiligen Anordnung, sondern die Herbeiführung einer endgültigen Regelung der elterlichen Gewalt während der Dauer des Getrenntlebens auf der damaligen materiell-rechtlichen Grundlage des § 1672 BGB a.F.<b> </b>nachgesucht. Dieses Begehren hat das Familiengericht, jedenfalls gemessen am äußeren Erscheinungsbild</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">des angefochtenen Beschlusses - Tenor und Begründung – fälschlich als Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung aufgefaßt und dementsprechend beschieden. Denn in diesem Beschluß heißt es, daß der Antrag auf <u>einstweilige</u> Regelung der elterlichen Gewalt zurückgewiesen wird, weil es gegenwärtig keiner <u>vorläufigen</u> Regelung der elterlichen Gewalt bedürfe. Da es sich um eine isolierte Familiensache handelt, weil zwischen den Parteien noch kein Ehescheidungsverfahren anhängig ist, verkörpert demnach der angefochtene Beschluß seinem äußeren Erscheinungsbild nach die Ablehnung eines Gesuches um Erlaß einer einstweiligen Anordnung im Verfahrensbereich</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wogegen die einfache Beschwerde nach § 19 FGG mit entsprechender Abhilfemöglichkeit durch den Erstrichter - Umkehrschluß aus § 18</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Abs. 2 FGG - eröffnet ist. Im Ergebnis ist aber durch den angefochtenen Beschluß die Herbeiführung der von der Antragstellerin allein erstrebten, <u>endgültigen</u> Regelung im Sinne des § 1672 BGB mangels des erforderlichen Rechtsschutzinteresses abgelehnt worden und es gibt keine Anhaltspunkte, die die Annahme zu rechtfertigen vermöchten, daß der Erstrichter die Zulässigkeitssperre des fehlenden Rechtsschutzinteresses</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">anders beurteilt hätte, wenn er den Antrag im wirklich gestellten Sinne, gerichtet auf Herbeiführung einer endgültigen Regelung aufgefaßt und beschieden hätte. Hinzu kommt, daß auch die Antragstellerin selbst den angefochtenen Beschluß der Sache nach als abschlägige Endentscheidung aufgefaßt hat, wie die Einlegung und Begründung ihres Rechtsmittels unter genauer Wahrung der Fristen und Förmlichkeiten der auf die Anfechtung einer isolierten Endentscheidung zugeschnittenen §§ 621 Abs. 1 Nr. 1, 621 e Abs. 1, Abs. 3 ZPO deutlich zeigt. Angesichts dieser Sach- und Rechtslage besteht kein Grund, allein auf das äußere Erscheinungsbild des angefochtenen Beschlusses abzuheben und von einer FGG-Beschwerde im einstweiligen Anordnungsbereich auszugehen, was zur Folge hätte, daß der angefochtene Beschluß schon deshalb aufgehoben werden müßte, weil er einen nicht gestellten Antrag beschieden hat.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Endlich läßt sich bei alledem die Möglichkeit nicht ausschließen, daß das Familiengericht mit den vorgenannten Formulierungen im angefochtenen Beschluß nur auf die beschränkte zeitliche Geltung der Regelung der. elterlichen Gewalt nach § 1672 BGB bis zur Rechtskraft der Scheidung abheben und die Einstweiligkeit nur in diesem Sinne umschreiben, für die Dauer des Trennungszeitraums als solchen aber eine endgültige</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Regelung treffen wollte. Dies alles rechtfertigt es zur Überzeugung des Senats, von der Statthaftigkeit der Beschwerde im Sinne der §§ 621 Abs. 1 Nr. 1<b>, </b>621 e ZPO auszugehen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">In sachlicher Hinsicht ist dem auch im übrigen in formeller Hinsicht bedenkenfreien Rechtsmittel nur der eingangs aufgezeigte Teilerfolg beschieden, indem auf den Hilfsantrag das Verfahren unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Familiengericht zurückverwiesen werden mußte.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Bezogen auf den für die Entscheidung über die Beschwerde maßgeblichen Jetztzeitpunkt bildet § 1672 BGB in der Fassung, die er seit dem 1.1.1979 durch das an diesem Tage in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge vom 18.7.1979 (BGBI I 1061) erfahren hat, die Grundlage. Leben die EItern, wie das hier der Fall ist, nicht nur vorübergehend getrennt, so gilt § 1671 Abs. 1 bis 5 BGB n.F.<b> </b>entsprechend; das Familiengericht entscheidet auf Antrag eines Elternteils darüber, ob und gegebenenfalls welcher Elternteil die elterliche <u>Sorge </u>(früher : elterliche <u>Gewalt</u>) über gemeinschaftliche minderjährige Kinder zu übertragen ist. Die Ansicht des Familiengerichts, wonach an der Herbeiführung einer derartigen Regelung im vorliegenden Falle</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">kein Rechtsschutzbedürfnis besteht, hält der Nachprüfung durch den Senat nicht stand. Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt, so bringt die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge (§ 1626 Abs. 1 BGB) nach der allgemeinen Lebenserfahrung</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">häufig Unzuträglichkeiten mit sich, die zu Meinungsverschiedenheiten und zur Anrufung des Familiengerichts führen. Dies wiederum bewirkt, daß aus der Ehe hervorgegangene</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">minderjährige Kinder bei einer tatsächlichen, nicht nur vorübergehenden Trennung ihrer Eltern in etwa gleichen Gefährdungen ausgesetzt sein können wie bei rechtlicher Trennung infolge Aufhebung der Ehe; das Risiko, daß Zwistigkeiten infolge gemeinsamer Ausübung der elterlichen Gewalt schädliche Auswirkungen für die Kinder nach sich ziehen, indem sie in diese zwischen den Eltern bestehenden Spannungen und Konflikte hineingezogen werden, besteht auch beim faktischen Auseinandergehen der Eltern, wobei freilich nicht übersehen werden darf, daß in diesem Falle noch keine der Scheidung vergleichbare Endgültigkeit der Trennung vorliegt. Denn es läßt sich nicht leugnen, daß die eheliche Lebensgemeinschaft auch im Falle der nicht nur vorübergehenden Trennung in aller Regel empfindlich gestört ist. Von diesem Zeitpunkt an hat die häusliche Gemeinschaft zu bestehen aufgehört; fortan lebt jeder der Ehegatten für sich. Jedenfalls in der Mehrzahl der Fälle ist die nicht nur vorübergehende Trennung die Vorstufe zur Einleitung und Durchführung des auf endgültige Trennung der Ehe im Rechtssinne abzielenden Scheidungsverfahrens, sei es daß bei von vorneherein bestehenden</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Scheidungsentschluß eines oder beider Partner nur noch das sogenannte Trennungsjahr vor Einreichung des Scheidungsantrages abgewartet wird, sei es, daß die Partner sich in der Trennungsphase mehr und mehr auseinanderleben, indem die Häufigkeit ihrer Kontakte während dieses Zeitraums stetig abnimmt und durch Drittbeziehungen der Ehegatten ersetzt wird, oder daß die Parteien nach nochmaliger eingehender</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Prüfung innerhalb der Trennungszeit zu der Erkenntnis gelangen, daß eine Wiederherstellung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft keinen Sinn mehr hat, was dann in der Regel wiederum den Scheidungsentschluß auslösen wird. Dies alles bewirkt mehr oder weniger zwangsläufig die ernst zu nehmende Gefahr steter Meinungsverschiedenheiten, Spannungen und Differenzen, die sich bis zu offenen Feindseligkeiten steigern können, und die im Bereich der elterlichen Sorge entsprechend nachteilige Auswirkungen zu Lasten der gemeinsamen minderjährigen Kinder nach sich ziehen. Dem trägt der</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Gesetzgeber mit der Regelung des § 1672 BGB in der Weise Rechnung, daß abgesehen von der durch das neue Recht erstmals geschaffenen Möglichkeit der Amtsentscheidung bei Gefährdung des Kindeswohles, dem die Eltern nicht wehren können oder wollen, auf <u>Antrag</u> eines Elternteils über die elterliche Sorge entschieden wird. Dieser Antrag hat aber Indizfunktion für die Erforderlichkeit; einer gerichtlichen Regelung: Solange er nicht gestellt ist, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß keine erheblichen Meinungsverschiedenheiten der Eltern über die Ausübung der elterlichen Sorge bestehen, und daß keine Regelung zum Wohle der minderjährigen Kinder erforderlich ist. Ist der Antrag jedoch gestellt, dann kann das Rechtsschutzinteresse an der Herbeiführung der gerichtlichen Regelung grundsätzlich nicht in Abrede gestellt werden (vgl. zu alledem Hinz im Münchener Kommentar zum BGB, Band V, 1977, § 1672 Rz 1, 4; Palandt-Diederichsen, BGB, 39. Auflage, § 1672 Anm 1).</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Gleichwohl lassen sich Fälle denken, wo der Antragstellung ausnahmsweise das Rechtsschutzbedürfnis ermangelt, so beispielsweise, wenn entweder schon der antragsteIlende Teil selbst oder der andere Ehegatte unwidersprochen vorträgt, daß während der bisherigen Dauer der Trennung alle die elterliche Sorge betreffende Fragen einvernehmlich geregelt worden seien, <u>und</u> wenn dieses Einvernehmen auch in Zukunft hinreichend sicher gewährleistet ist.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Bereits im ersten Rechtszuge hatte aber die Antragstellerin darauf abgehoben, daß es ihr nicht zugemutet werden könne, sich wegen aller die elterliche Sorge betreffenden Fragen jeweils mit dem von ihr getrennt lebenden Antragsgegner ins Benehmen zu setzen, wobei nicht außer Betracht gelassen werden darf, daß die Kinder sich bei ihr befinden und somit gegenwärtig innerhalb ihres räumlichen Lebenskreises die elterliche Sorge von aktueller Bedeutung ist, so daß beispielsweise immer dann, wenn im Bereich der elterlichen Sorge eilbedürftige Maßnahmen getroffen werden müssen, die räumliche</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Trennung ihrer Verwirklichung hinderlich sein kann, solange es auf das notwendige Einvernehmen des anderen Teils ankommt.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Desweitern hat die Antragstellerin in der Beschwerdeinstanz vorgetragen, der Antragsgegner habe seinen vor einiger Zeit gefaßten Entschluß, gemeinsam mit den Kindern und seiner jetzigen Lebensgefährtin in Urlaub zu fahren, nur aufgrund ihres nachhaltigen Widerspruches preisgegeben. In Erwiderung auf diese Darstellung hat der Antragsgegner eingeräumt, daß jedenfalls ein kurzfristiges Treffen am Urlaubsort geplant</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">gewesen sei. Daran zeigt sich, daß es zwischen den Parteien wegen<i> </i>einer der elterlichen Sorge zugeordneten Entscheidung über den Aufenthalt der Kinder bereits einmal zu ernstlichen Meinungsverschiedenheiten gekommen ist, und daß derartige Konflikte, bedingt und begünstigt durch ihre nicht nur vorübergehende Trennung, auch in Zukunft entstehen können. Gerade solche Situationen sollen aber wegen ihrer zumeist schädlichen Auswirkungen auf das Kindeswohl mit Hilfe der gesetzlichen Regelungen des § 1672 BGB vermieden werden; das Rechtsschutzinteresse an der Herbeiführung einer solchen Regelung kann deshalb der Antragstellerin auch nach Lage des konkreten Falles nicht abgesprochen werden.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die mit dem Hauptantrag der Beschwerde erstrebte Sachentscheidung vermochte der Senat indessen nicht zu treffen, weil vor ihrem Erlaß das zuständige Jugendamt gemäß § 48 a JWG von Amts wegen angehört werden muß. Der Senat hat es für zweckmäßig gehalten, daß diese Amtsermittlung vom Familiengericht durchgeführt wird, weil den Parteien anderenfalls ohne zwingenden Grund eine Tatsacheninstanz genommen würde.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Ferner wird das Familiengericht gemäß den §§ 50 a, b FGG<b> </b>die verfahrensbeteiligten Eltern und die Kinder persönlich anzuhören haben, bevor es über den Antrag der Antragstellerin entscheidet.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Nach alledem mußte das Verfahren unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Familiengericht zurückverwiesen werden.</p>
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315,957 | olgham-1980-02-20-20-w-4479 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 W 44/79 | 1980-02-20T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:37 | 2019-03-27T09:41:47 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1980:0220.20W44.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.</p>
<p>Der Klägerin wird für die erste Instanz das Armenrecht bewilligt. Die Beiordnung eines Armenanwaltes bleibt dem Vorsitzenden der Zivilkammer vorbehalten.</p>
<p>Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die nach § 127 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet. Der Klägerin muß das Armenrecht
bewilligt werden, weil ihrer beabsichtigten Rechtsverfolgung eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen
werden kann (§ 114 Abs. 1 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><b>1)</b></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Allerdings ist im vorliegenden Fall zweifelhaft, ob am Brandtag (15. Januar 1979) schon Versicherungsschutz bestand.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Versicherungsvertrag ist offenbar erst nach dem Brand, nämlich durch Annahme des Antrages vom 9. Januar
1979 durch Ausstellung und Übersendung des Versicherungsscheins vom 23. Januar 1979 zustandegekommen. Vor
Zustandekommen des Vertrages kann aber die materielle Haftung des Versicherers im allgemeinen nicht beginnen,
wenn - wie hier in § 8 Ziff 2 AFB nur die einfache Einlösungsklausel vereinbart ist und nicht die
erweiterte, wie z.B. in § 3 Abschn. I Abs. 3 Satz 2 AHB oder § 7 Abs. 1 Satz 2 AUB (siehe hierzu
Prölß-Martin, 21. Aufl., Anm. 1 zu § 2 VVG und Anm. 5 zu § 38 VVG). Das kann jedoch offen
bleiben. Denn die Beklagte hat im Schriftsatz vom 5. Februar 1980 (Bl. 87 d.A.) ausdrücklich erklärt,
daß sie sich hierauf nicht berufen wolle. Es kann daher unerörtert bleiben, ob die Beklagte unter dem
Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsabschluß - falsche Beratung über den Beginn des Deckungsschutzes
durch den Vermittlungsagenten (§ 278 BGB) - im Wege des Schadensersatzes wie aus einem Vertrag haften würde,
wofür der Vortrag der Klägerin Anhaltspunkte bietet.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks"><b>2)</b></p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Eine Leistungsfreiheit der Beklagten nach § 7 AFB (§ 6 Abs. 1 VVG) wegen Verletzung einer vereinbarten,
vor dem Versicherungsfall zu erfüllenden Obliegenheit kommt nicht in Betracht. Die Parteien haben folgende
Sicherheitsvorschrift nach § 7 AFB vereinbart:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><i><u>Aufbewahrung von Tabakresten, Asche usw.</u></i></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><i>In den Gasträumen dürfen für Asche, Tabakreste, Streichhölzer und ähnliches
ausschließlich Metallbehälter mit doppelter Wand und selbsttätig schließendem Deckel
vorhanden sein; Tischaschenbecher dürfen nicht aus brennbarem Material bestehen. Behälter, die
diesen Anforderungen nicht entsprechen, müssen unverzüglich aus den Gasträumen entfernt werden.</i></p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Nach dem Vortrag der Klägerin, den sie durch Benennung ihres Ehemannes als Zeugen unter Beweis stellt,
diente der hinter der Theke stehende Plastikeimer nicht der Aufbewahrung von Asche, Tabakresten, Streichhölzern
oder ähnlichen. Der Eimer war vielmehr für die Aufnahme von anderen Abfällen, vor allem Kronenkorken
bestimmt. Die vereinbarte Sicherheitsklausel kann nicht weiter ausgelegt werden, als ihr Wortlaut reicht. Sie schreibt
nur für die Aufbewahrung von Abfällen, die glimmen und daher zur Entstehung eines Feuers führen
können, Metallbehälter mit doppelter Wand und selbsttätig schließendem Deckel vor, nicht aber
auch für andere, feuerungefährliche Abfälle.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><b>3)</b></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Auch auf Leistungsfreiheit nach § 6 AFB (§§ 23ff VVG) wegen Gefahrerhöhung kann sich die Beklagte
nicht mit Erfolg berufen. Zwar mag in der Aufstellung eines Plastikeimers zur Aufnahme von Abfällen hinter der
Theke eine Gefahrerhöhung liegen, weil wegen der Möglichkeit, daß dieser Abfallbehälter
bestimmungswidrig auch zur Leerung von Aschenbechern benutzt wird, die Brandgefahr generell erhöht wird
(Prölß-Martin, 21. Aufl., Anm. 1 zu § 6 AFB -Anh. II nach § 107 c VVG-). Leistungsfreiheit
nach § 6 AFB kann aber nur eintreten, wenn die Gefahrenlage nach Stellung des Versicherungsantrages erhöht
wird (§ 6 Abs. 4 AFB). Im vorliegenden Fall stammte der Versicherungsantrag vom 9. Januar 1979. Die Beklagte
trägt selbst nicht vor, daß der Plastikeimer erst nach diesem Tage hinter der Theke aufgestellt worden
ist. Zu Gunsten der Klägerin muß daher davon ausgegangen werden, daß er dort auch schon vor der
Antragstellung stand. Dann liegt keine zu Leistungsfreiheit führende Gefahrerhöhung vor (siehe OLG Hamm
in VersR 75/607).</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><b>4)</b></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Ob die Beklagte nach § 16 AFB (§ 61 VVG) wegen grobfahrlässiger Herbeiführung des
Versicherungsfalles leistungsfrei ist, kann noch nicht abschließend entschieden werden.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Es mag fahrlässig sein, in einer Gaststätte hinter der Theke einen Plastikeimer zur Aufbewahrung von
Abfall - Kronenkorken und Bierdeckel - aufzustellen, weil die Gefahr besteht, daß in diesen Eimer doch einmal
ein Aschenbecher ausgeleert wird, oder daß ein Gast eine noch glimmende Zigarettenkippe über die Theke
in den Eimer wirft (allerdings Fahrlässigkeit noch verneinend: OLG Hamm in VersR 75/607). Der Senat hat aber
Bedenken, insoweit generell <u>grobe</u> Fahrlässigkeit anzunehmen (so aber LG Köln in VersR 80/155).
Grobfahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, im hohen Grade außer
acht läßt, wer nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen Jedem einleuchtet
(Prölß-Martin a.a.O., Anm. 12 zu § 6 VVG). Sicher leuchtet jedem ein, daß Plastikeimer brennbar
sein können und deshalb zur Aufbewahrung von Tabakresten, die erfahrungsgemäß glimmen können,
nicht geeignet sind (OLG Hamm in VersR 79/997). Dagegen drängt es sich weniger auf, daß auch schon die
Verwendung eines Plastikeimers hinter der Theke zur Aufnahme von Kronenkorken und Bierdeckeln gefährlich ist,
weil der Wirt, der seinen Platz hinter der Theke hin und wieder verlassen muß, eine bestimmungswidrige
Verwendung für Tabakreste z.B. durch vor der Theke sitzende angetrunkene Gäste nicht unbedingt bemerken
muß und verhindern kann. Mehr vorwerfbar ist vielleicht, daß der Eimer nicht nach Betriebsschluß
entleert worden ist (so LG Köln a.a.O.). Hier ist aber auch zu bedenken, daß das vom Verband der
Sachversicherer herausgegebene "Merkblatt für die Brandverhütung", in dem die Entleerung
sämtlicher Abfallbehälter in Sammelbehälter außerhalb des Gebäudes nach Betriebsschluß
empfohlen wird, der Klägerin offenbar erst mit dem Versicherungsschein, also nach dem Brand übersandt
worden ist. Bei Abwägung aller dieser Umstände neigt der Senat dazu, eine <u>grobe</u> Fahrlässigkeit
zu verneinen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Während bei einer Obliegenheitsverletzung nach § 7 AFB (§ 6 Abs. 2 VVG) und auch bei einer
Gefahrerhöhung nach § 6 AFB (§ 25 Abs. 3 VVG) ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der
Pflichtverletzung und dem Versicherungsfall vermutet wird und dem Versicherungsnehmer der Kausalitätsgegenbeweis
offen steht, muß nach § 16 AFB (§ 61 VVG) der Versicherer beweisen, daß der Versicherungsnehmer
den Schaden herbeigeführt hat (Prölß-Martin, Anm. 6 zu § 61 VVG). Im vorliegenden Fall kann nach
dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht mit einer die Erfolgsaussicht der Klage ausschließenden
Wahrscheinlichkeit gesagt werden, daß die Beklagte den ihr obliegenden Beweis, daß der Brand in dem
Plastikeimer entstanden ist, führen kann. Sie hat zwar das im Strafverfahren erstattete Gutachten des Ing.
Frieling vom. 26. Juli 1979 für sich. Die Klägerin hat aber Zeugenbeweis dafür angetreten, daß
der Brand in der Hölzdecke entstanden und der Plastikeimer erst durch einen von der Decke gefallenen brennenden
Balken in Brand geraten sei. Sie kann mit den Beweismitteln, mit denen sie das Gutachten vom 26. Juli 1979
erschüttern will, nicht ausgeschlossen werden. Das Amtsgericht Rheine, bei dem die Klägerin und ihr
Ehemann wegen fahrlässiger Brandstiftung angeklagt sind (6 Ls 46 Js 1138/79 AG Rheine), hat die Hauptverhandlung
am 5. Februar 1980 vertagt, um noch Beweis zu erheben. Allein der Umstand, daß gegen die Klägerin Anklage
erhoben worden ist, reicht nicht aus, um mit Wahrscheinlichkeit festzustellen, daß der Beklagten im vorliegenden
Verfahren der ihr obliegende Beweis der Ursächlichkeit gelingen wird.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (Nr. 1181 KV). Außergerichtliche Kosten werden nicht
erstattet (§ 118a Abs. 4 ZPO).</p>
|
315,958 | olgham-1980-02-19-15-w-30079 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 15 W 300/79 | 1980-02-19T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:39 | 2019-03-27T09:41:46 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1980:0219.15W300.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Der Wert des Gegenstandes der weiteren Beschwerde wird auf 5.000,- DM festgesetzt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">1)</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Firma ... war ursprünglich Eigentümerin aller zusammenhängenden Grundstücke
Gemarkung ... Flur ... Flurstücke ... in .... Auf den Grundstücken Flur ... Flurstücke ...
und ... hat sie ... Reihenhäuser errichtet. Die Grundstücke Flur ... Flurstücke ... und ...
sind für die Errichtung von Garagen bzw. Einstellplätzen vorgesehen worden.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten zu 1) und 2) sind neben 10 weiteren Personen zwischenzeitlich als Miteigentümer zu
je 1/12 Anteil des im Grundbuch von Gütersloh Blatt ... verzeichneten Grundstücks Gemarkung
Spexard Flur ... Flurstück ... eingetragen. Dieses Grundstück ist mit ... Garagen (Nr. ...)
bebaut. In Abt. II dieses Grundbuchs ist unter Nr. ... eine Grunddienstbarkeit (nämlich das Recht,
den Garagenplatz Nr. ... zur Errichtung und Unterhaltung einer Garage zu nutzen) für den jeweiligen
Eigentümer des Grundstücks Gemarkung ... Flur ... Flurstück ... (Grundbuch von ... Blatt ...)
eingetragen. Eigentümerin dieses mit einem Reihenhaus bebauten herrschenden Grundstücks ist
weiterhin die Firma .... Dieses Grundstück war seit dem 4. September 1979 für die Eigentümerin
selbst mit einem Erbbaurecht belastet. Dieses Erbbaurecht hat die Firma ... durch notariellen Vertrag vom 20.
Oktober 1978 (Urkundenrolle Nr. ... des Notars ... in ...) an die Beteiligten zu 1) und 2) zu je 1/2 Anteil
veräußert, die ebenfalls am 4. September 1979 als Erbbauberechtigte zu diesen Anteilen im Grundbuch
von ... Blatt ... eingetragen worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">2)</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der erwähnte notarielle Vertrag vom 20. Oktober 1978 ist im Hinblick auf die Garagennutzung in der
notariellen Verhandlung vom 10. August 1979 (Urkundenrolle Nr. ... des Notars ... in ...) abgeändert
worden. Es heißt darin u.a.:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><i>"§ 6 Abs. 1+2 bekommen folgende Fassung:</i></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><i><u>Abs. 1:</u></i></p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><i>Die Verkäuferin verkauft an die Käufer von dem Grundstück Gemarkung ... Flur ...
Flurstück ... eingetragen beim Amtsgericht ... im Grundbuch von ... Blatt ... je 1/12 Miteigentumsanteil.
Sie verkauft ferner an die Eheleute ... die Rechte aus der im Grundbuch von ... Blatt ... eingetragenen
Grunddienstbarkeit in Abt. ... Nr. ... auf Benutzung der Garage Nr. .... Die Verkäuferin tritt hiermit
diese Grunddienstbarkeit an die jeweiligen Berechtigten aus dem auf dem Flurstück ... der Flur ...
Gemarkung ... noch einzutragenden Erbbaurecht ab. Diese werden als erstes die Käufer sein, die diese
Abtretung hiermit annehmen. Sie beantragen, die Abtretung im Grundbuch Blatt ... bei der Post Abt. ... Nr.
1 ... einzutragen. ..."</i></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mit Schriftsatz vom 16. August 1979 hat Notar ... beim Grundbuchamt ... unter Vorlage von Ausfertigungen der
Verhandlungen vom 20. Oktober 1978 und vom 10. August 1979 nebst weiterer Unterlagen beantragt, die in Abt. ...
unter Nr. ... im Grundbuch von ... Blatt ... eingetragene Grunddienstbarkeit auf die jeweiligen Berechtigten des
auf dem Grundstück Gemarkung ... Flur ... Flurstück ... eingetragenen Erbbaurechts umzuschreiben. Er
hat die Abtretung einer Grunddienstbarkeit mit der Übereignung des herrschenden Grundstücks der Abtretung
der Grunddienstbarkeit an die Berechtigten aus dem Erbbaurecht, welches auf dem Grundstück nachträglich
bestellt wird, gleichgestellt, da alle Herrschaftsrechte des Eigentümers auf den Erbbauberechtigten
übergegangen seien.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Rechtspfleger des Grundbuchamts hat diesen Eintragungsantrag durch Beschluß vom 4. September 1979
zurückgewiesen, da die Grunddienstbarkeit als Bestandteil des herrschenden Grundstücks von diesem im
Hinblick auf § 1019 BGB nicht getrennt, vielmehr nur zusammen mit dem herrschenden Grundstück übertragen
werden dürfe.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Erinnerung der Beteiligten zu 1) und 2) vom 13. September 1979 haben Rechtspfleger und Grundbuchrichter
nicht abgeholfen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die mit der Vorlage an das Rechtsmittelgericht als Beschwerde gegen den zurückweisenden Beschluß des
Rechtspflegers geltende Erinnerung ist vom Landgericht durch Beschluß vom 30. Oktober 1979 zurückgewiesen
worden. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) vom 3. Dezember 1979.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Das statthafte, in der rechten Form eingelegte und auch sonst zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache
ohne Erfolg, weil die angefochtene Beschwerdeentscheidung nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§
78 GBO).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">1)</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat in der Sache auf die zulässige Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) die
amtsgerichtliche Zurückweisung des gestellten Eintragungsantrages ohne Rechtsfehler bestätigt. Steht
einer beantragten Eintragung ein Hindernis entgegen, so hat das Grundbuchamt entweder den Antrag unter Angabe
der Gründe zurückzuweisen oder dem Antragsteller eine angemessene Frist zur Hebung des Hindernisses
zu bestimmen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 GBO). Die Wahl zwischen Zurückweisung und Zwischenverfügung kommt
nur in Betracht, wenn die Zurückweisung nicht <u>zwingend</u> geboten ist. Ein derart zwingendes Gebot liegt
vor, wenn der gestellte Eintragungsantrag inhaltlich nicht vollziehbar ist (Herrmann in Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann
- KEHE -, Grundbuchrecht, 2. Aufl., Rz. 20 zu § 18 GBO). Mit Recht ist das Landgericht davon ausgegangen,
daß im Grundbuch nur solche Eintragungen vorgenommen werden dürfen, die durch Rechtsnorm vorgeschrieben
oder zugelassen sind, dazu aber nicht die Abtretung einer Grunddienstbarkeit durch den Eigentümer des
herrschenden Grundstücks an den Berechtigten aus dem auf diesem Grundstück lastenden Erbbaurecht
gehört.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">2)</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Es entspricht der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, daß eine Grunddienstbarkeit nicht
für sich allein auf einen anderen Berechtigten übertragen werden kann. Das hat seinen Grund in der zwingenden
gesetzlichen Ausgestaltung dieser Rechtsfigur, die zu den typisierten Formen des Sachenrechts gehört und insoweit
keine Änderung zuläßt. Die Grunddienstbarkeit ist ihrem Wesen nach subjektiv dinglich. Berechtigt aus
ihr ist der jeweilige Eigentümer des herrschenden Grundstücks. Nach § 96 BGB ist eine Grunddienstbarkeit
(§ 1018 BGB) Bestandteil des herrschenden Grundstücks. Zwar kann sie in Wirklichkeit nicht Bestandteil der
das Grundstück bildenden Grundfläche sein; wohl aber muß sie als Bestandteil "gelten" und
als solcher behandelt werden. Wegen dieser Bestandteilseigenschaft kann sie nicht vom herrschenden Grundstück
getrennt werden, sondern wird vielmehr von den Verfügungen mitergriffen, die das herrschende Grundstück
betreffen. Diese Untrennbarkeit ergibt sich aus § 1019 BGB, wonach die Grunddienstbarkeit notwendig einen
Vorteil für das Grundstück des Berechtigten bieten muß (KGJ 43 A 128, 132; Beschluß des Senats
vom 14. August 1979 - 15 W 182/79 -; Erman/Ronke, BGB, 6. Aufl., Rz. 13 vor § 1018 BGB; Palandt/Bassenge, BGB,
39. Aufl., Einf. 3 vor § 1018 BGB). Eine selbständige Übertragung der dem jeweiligen
Grundstückseigentümer zustehenden Grunddienstbarkeit ist daher ausgeschlossen. Die Trennung der
Grunddienstbarkeit vom herrschenden Grundstück würde eine Änderung ihres Inhalts bedeuten und
sie als solche beseitigen (KG, OLG 34, 193). Infolge ihrer Untrennbarkeit vom herrschenden Grundstück geht
sie auf jeden Rechtsnachfolger im Eigentum des herrschenden Grundstücks ohne weiteres über. Dem
Ausschluß selbständiger Übertragbarkeit entspricht die Unmöglichkeit einer
Ausübungsüberlassung des Rechts ohne das Grundstück (Westermann, Die Bestimmung des Rechtssubjekts
durch Grundeigentum, Seite 66).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">3)</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Unübertragbarkeit der Grunddienstbarkeit gilt auch für den hier zu beurteilenden Fall, daß
dieses Recht vom Eigentümer des herrschenden Grundstücks auf den Berechtigten an dem auf diesem
Grundstück lastenden Erbbaurecht abgetreten wird.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Den Beschwerdeführern ist zwar zuzugeben, daß das Erbbaurecht als grundstücksgleiches Recht
angesehen wird (vgl. etwa Palandt/Bassenge, Anm. 2 b bb zu § 873 BGB), die Benutzung des belasteten
Grundstücks durch den Eigentümer auf Zeit ausschließt und ferner ein im Sinne des § 1018 BGB
Berechtigter auch der jeweilige Inhaber eines grundstücksgleichen Rechts sein kann (Erman/Ronke, Rz. 4 zu
§ 1018 BGB; Palandt/Bassenge, Anm. 3 zu § 1018 BGB). Mit der Bestellung des Erbbaurechts am herrschenden
Grundstück wird jedoch entgegen der Meinung der Beschwerdeführer nicht die Bestandteilseigenschaft der
Grunddienstbarkeit im Hinblick auf das herrschende Grundstück gelöst.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Bei der hier zu beurteilenden Grunddienstbarkeit wird der Träger des Rechts nämlich allein durch das
Eigentum am herrschenden Grundstück bestimmt. Eine Rechtsnachfolge hinsichtlich des Grundstückseigentums,
der die Grunddienstbarkeit folgen würde, ist nicht eingetreten. Das Erbbaurecht ist zwar ein
grundstücksgleiches Recht, es kann aber nicht dem Eigentum als dem grundsätzlich unbeschränkten
Recht an der Sache gleichgestellt werden. Das Erbbaurecht gehört vielmehr zu den beschränkt dinglichen
Rechten, die, soweit sie reichen, die Rechtsmacht des Hauptrechtsinhabers ausschließen. Die Rechtsmacht des
Eigentümers wird im Hinblick auf die Grunddienstbarkeit durch die Bestellung des Erbbaurechts nicht aufgehoben.
Das Erbbaurecht hat die Nutzung des belasteten Grundstücks zur Errichtung eines Bauwerks und gegebenenfalls
- wie hier - die vereinbarte Erstreckung auf den für das Bauwerk nicht erforderlichen Teil des Grundstücks
(§ 1 Abs. 2 ErbbauVO) zum Inhalt. Hauptsache muß immer die Nutzung fremden Baugrundes bleiben. Diese
Belastung erfaßt nicht die Grunddienstbarkeit, die ausschließlich mit dem Eigentum am Grundstück
verbunden ist. Die Rechte und Pflichten aus dem Eigentum verbleiben aber auch nach der Belastung mit dem Erbbaurecht
allein bei dem Grundstückseigentümer (Ingenstau, ErbbauVO, 4. Aufl., Rz. 7 zu § 1 ErbbauVO). Mag der
Ausschluß der Rechtsmacht des Eigentümers beim Erbbaurecht hinsichtlich Besitz und Nutzung des
Grundstücks auch weitgehend sein, so ändert das aber nichts an der hier vorliegenden, ursprünglich
vereinbarten Zuordnung der Grunddienstbarkeit zum jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks.
Allein das Eigentum bestimmt bei ihr den Berechtigten. Auch eine Abtretung an den Erbbauberechtigten würde
eine selbständige, vom vermittelnden Grundstückseigentum losgelöste sein, die das Gesetz nicht
zuläßt.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang bedenkenfrei betont, daß der durch § 1 ErbbauVO gewährte
Anspruch, das Grundstück in gewisser Weise, hauptsächlich durch Errichtung eines Gebäudes, zu nutzen,
nicht weitergehende Nutzungsrechte des Eigentümers an den mit dem Eigentum am Grundstück verbundenen Rechten
ausschließe. So kann er beim hier vorliegenden Inhalt der Grunddienstbarkeit durchaus ein Interesse daran haben,
das Recht auf Einrichtung und Unterhaltung einer Garage zu behalten, weil es eine Einnahmequelle bietet. Auch mag er
daran interessiert sein, den Bestand der Grunddienstbarkeit im Hinblick auf das Erlöschen des Erbbaurechts
durch Zeitablauf (§ 27 ErbbauVO) zu sichern.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Rechtlich unangreifbar ist ferner die Auffassung des Landgerichts, daß der Hinweis der Beschwerdeführer
auf § 1025 BGB eine Abtretung der Grunddienstbarkeit nicht rechtfertigen kann. Nach dieser Vorschrift besteht
die Grunddienstbarkeit für die einzelnen Teile fort, wenn das Grundstück des Berechtigten geteilt wird.
Die Teilung in mehrere selbständige Grundstücke ist nicht vergleichbar mit der Bestellung eines beschränkt
dinglichen Rechts am Eigentum des Gesamtgrundstücks; denn bei der Teilung verbleibt es bei der Aufrechterhaltung,
wenn auch Aufspaltung des vermittelnden Eigentums.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">4)</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat den Beschwerdeführern im übrigen Wege aufgezeigt, mit deren Hilfe sie in den Genuß
der Rechte aus der Grunddienstbarkeit gelangen können.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Ein solcher Weg besteht in der schuldrechtlichen Überlassung der Ausübung dieser Rechte. Da bei der
Grunddienstbarkeit das Eigentum den Berechtigten bestimmt, hat auch der Besitzübergang am Grundstück,
wie er bei der Bestellung eines Erbbaurechts durch Einräumung des unmittelbaren Besitzes für den
Erbbauberechtigten und Verbleib des mittelbaren Besitzes an dem vom Erbbaurecht erfaßten Boden bei dem
Grundstückseigentümer eintritt (Ingenstau, Rz. 9 zu § 1 ErbbauVO), keinen Wechsel des Berechtigten
zur Folge. Es ist aber möglich, daß der Besitzer eine Befugnis zur Ausübung des Rechts erhält
(Staudinger/Ring, Rz. 5 zu § 1018 BGB; Westermann, Seite 63). Die Ausübungsüberlassung ist in diesem
Falle keine Trennung vom Grundstück, sondern Ausfluß der Verbindung mit ihm. Im Einzelfall ist die
Ausübungsübertragung da zuzulassen, wo der Zweck der Besitzübertragung an dem Grundstück es
nahelegt, dem Besitzer auch die Vorteile des subjektiv dinglichen Rechts zu gewähren (Westermann, Seite 63;
Gierke, Deutsches Privatrecht, Band II, Seite 86). Das ist bei dem Erbbauberechtigten durchaus der Fall, weil
dieser nicht nur unmittelbaren Besitz am herrschenden Grundstück erhält, sondern auch ein dingliches
Recht zur Nutzung fremden Baugrundes. Besteht, wie es hier vereinbart ist, die Nutzung in der Errichtung und
Unterhaltung eines Reiheneigenheimes, dann liegt es durchaus im Rahmen dieses Zweckes der Besitzübertragung
am herrschenden Grundstück, dem Erbbauberechtigten auch Vorteile dieses Grundstücks durch Überlassung
der Ausübung der Grunddienstbarkeit, die auf dem Garagengrundstück lastet, einzuräumen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Unabhängig hiervon verbleibt als weitergehende Sicherung des Erbbauberechtigten die Möglichkeit,
die Grunddienstbarkeit für den jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks zu löschen
und für den jeweiligen Erbbauberechtigten neu zu begründen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">5)</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die weitere Beschwerde ist unter diesen Umständen zurückzuweisen. Die Wertfestsetzung beruht auf
§§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 in Verbindung mit § 22 KostO. Eine Kostenentscheidung gemäß
§ 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG ist nicht veranlaßt.</p>
|
315,959 | ovgnrw-1980-02-11-6-a-82778 | {
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<p>Die Berufung wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>
</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist seit dem 22. Januar xxx Sonderschullehrerin an der xxx Schule
für Körperbehinderte in xxx. Seit dem 10. Februar xxx ist sie gemäß § 85a LBG unter
Fortfall der Dienstbezüge beurlaubt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 29. April xxx nahmen die Klägerin und ihr Ehemann ein zehn Tage altes
Kind mit dem Ziel der späteren Adoption in ihren Haushalt auf.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Dies teilte sie dem Regierungspräsidenten xxx mit Schreiben vom 5. Mai xxx
mit und beantragte, ihr vom 29. April bis zum 27. Juni xxx Sonderurlaub "analog den
Mutterschutzfristen" zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 9. Mai xxx erteilte der Regierungspräsident xxx der Klägerin
Sonderurlaub unter Fortzahlung der Dienstbezüge vom 29. April xxx bis zum 24. Juni
xxx. Der Regierungspräsident führte in diesem Schreiben weiter aus, daß er wegen
der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit dem Kultusminister des Landes
Nordrhein-Westfalen berichtet habe und er sich daher einen jederzeitigen Widerruf
der Genehmigung auch vor Ablauf des 24. Juni xxx vorbehalten müsse.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit Erlaß vom 20. Mai xxx teilte der Kultusminister dem Regierungspräsidenten,
mit, daß eine entsprechende Anwendung des § 4 der Verordnung über den
Mutterschutz für Beamtinnen im Lande Nordrhein-Westfalen (MuSchVB) nicht in
Frage komme, wenn eine Beamtin ein Kind zum Zwecke der Adoption in ihren
Haushalt aufnehme. Beurlaubungen seien insoweit nur gemäß § 12 Abs. 1 SUrlV
oder gemäß § 85a Abs. 1 Ziffer 2 LBG möglich.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Von diesem Erlaß ließ der Regierungspräsident die Klägerin fernmündlich vorab
benachrichtigen. Mit Bescheid vom 6. Juni xxx "widerrief" er sodann die Verfügung
vom 9. Mai xxx mit Wirkung vom Tage der Zustellung des Schreibens; gleichzeitig
ordnete er die sofortige Vollziehung des Bescheides im Hinblick auf evtl.
Gehaltsüberzahlungen an.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 7. Juni xxx legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein und
beantragte, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen. Mit
Widerspruchsbescheid vom 16. Juni xxx wies der Regierungspräsident den
Widerspruch zurück. Die Klägerin meldete sich daraufhin zwar am 3. Juni xxx zum
Dienst zurückt blieb ihm aber dann wieder vom 6. Juni xxx bis zum 14. Juni xxx
fern.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Am 22. Juni 1977 hat die Klägerin Klage erhoben und die Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches beantragt. Der Antrag gemäß § 80
Abs. 5 VwGO wurde mit Beschluß des Verwaltungsgerichts Münster vom 25. Juli
1977 abgelehnt (Az.: 4 L 1370/77).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit der Klage hat die Klägerin ausgeführt, daß der Widerruf des Bescheides vom
9. Mai xxx rechtswidrig sei und ihre schutzwürdigen Interessen beeinträchtige. Eine
ausdrückliche Regelung für Fälle der vorliegenden Art sei zwar nicht gegeben. Eine
Analogie zu den Mutterschutzfristen könne selbstverständlich nicht damit abgelehnt
werden, daß sie nicht die leibliche Mutter des Säuglings sei. Die analoge Anwendung
sei vielmehr zwingend geboten. Nach nahezu einhelliger Auffassung innerhalb der
Pädagogik, der Psychologie und der Medizin bedürfe ein Säugling gerade in den
ersten Lebenswochen zur Anpassung eines engen und tiefen Kontaktes. Dieser
Gedanke liege dem Mutterschutzgesetz zugrunde. Insoweit sei eine ergänzende
Auslegung unter Berücksichtigung des grundgesetzlichen Schutzes von Ehe und
Familie oder eine analoge Anwendung geboten.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">In jedem Falle genieße sie aufgrund der ursprünglich ihr und ihrem Ehemann
fernmündlich gegebenen Zusage Vertrauensschutz. Der Widerruf sei überdies
unverhältnismäßig, da es nur noch um eine relativ kurze Zeit restlichen
Sonderurlaubs unter Gewährung der laufenden Bezüge gehe. Ihr sei im übrigen
dadurch ein Schaden entstanden, als sie zur Wahrnehmung der berechtigten
Interessen des angenommenen Säuglings vorsorglich eine Kinderbetreuerin für 500,-
- DM eingestellt habe, um bis zur endgültigen Klärung der Angelegenheit in jedem
Falle eine ordnungsgemäße Betreuung des Kindes sicherzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">den Bescheid des Regierungspräsidenten xxx vom 6. Juni xxx und dessen
Widerspruchsbescheid vom 16. Juni xxx aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Er führt aus: der Kultusminister habe entschieden, daß eine analoge
Anwendung des § 4 der MuSchVB im Lande Nordrhein-Westfalen bei Annahme eines
Kindes an Kindes Statt nicht möglich sei. Daher habe man die unter dem Vorbehalt
des jederzeitigen Widerrufs erteilte Beurlaubung widerrufen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin habe somit für die Zeit vom 29. April bis einschließlich 7. Juni xxx
Urlaub unter Fortzahlung der Bezüge gehabt. Im Hinblick auf die Rechtslage sei
nicht beabsichtigt, die für diesen Zeitraum gezahlten Bezüge zurückzufordern. Da
die Klägerin trotz der Anordnung sofortigen Vollzuges ihren Dienst erst am 14. Juni
xxx wieder aufgenommen habe, sei eine Überzahlung der Bezüge für die Zeit vom 8.
bis 13. Juni xxx erfolgt, dessen Rückforderung durch das Landesamt für Besoldung
und Versorgung veranlaßt sei. Darüberhinaus sei der Klägerin aufgrund der erteilten
Ermächtigung gemäß § 12 Abs. 1 SUrlV Urlaub unter Fortfall der Dienstbezüge
bewilligt worden.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage
abgewiesen. In den Gründen hat es im wesentlichen ausgeführt: Der
Regierungspräsident xxx habe zu Recht die Gewährung eines bezahlten
Sonderurlaubs für die Zukunft widerrufen. Dieser Widerruf sei zwar nicht schon
wegen des im Bescheid vom 9. Mai xxx enthaltenen Widerrufsvorbehaltes
gerechtfertigt, aber deshalb weil die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung eines
bezahlten Urlaubes gehabt habe, die Bewilligung somit rechtswidrig gewesen
sei.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Es könne dahin gestellt bleiben, ob der zuständige Dezernent fernmündlich
vorab eine verbindliche Zusage habe abgeben wollen. Die Klägerin könne sich auf
eine solche Zusage jedenfalls nicht berufen weil die Zusage zu ihrer Wirksamkeit
gemäß § 38 VwVfG NW der schriftlichen Form bedurft hätte. Eine entsprechende
Anwendung der §§ 4, 5 MuSchuVB komme nicht in Betracht. Diese könne bei einer
fehlenden normativen Regelung eines bestimmten Sachverhaltes nur erfolgen, wenn
dieser Sachverhalt mit dem der gesetzlichen Regelung vergleichbar sei und eine
entsprechende Anwendung der Norm deren Sinn und Zweck entspreche. Die
gesetzliche Regelung sei aber zum Schutze der Gesundheit der schwangeren bzw.
niedergekommenen Mutter geschaffen worden. Da diesem von der gesetzlichen
Regelung verfolgten Zweck auch unter den heutigen Verhältnissen zumindest
gleichrangige Bedeutung zukomme, entspreche eine analoge Anwendung der §§ 4,
5 MuSchVB auf den Fall der Annahme und Pflege eines Säuglings mit dem Ziel der
Adoption nicht dem Ziel und Zweck des Gesetzes und scheide daher aus. Die
Klägerin könne auch weder aus Art. 6 GG noch aus der Fürsorgepflicht selbst einen
Anspruch herleiten.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie wiederholt
ihr Vorbringen in der I. Instanz und weist darauf hin, daß entgegen dem Wort
Mutterschutz heute zumindest gleichrangig auch der Schutz des Säuglings im
Vordergrund stehe. Maßgeblich sei allein, daß das neugeborene Kind in den ersten
Lebenswochen einer Bezugsperson bedürfe. Aus diesem Grunde habe sich die
Klägerin auch längerfristig ohne Zahlung von Bezügen beurlauben lassen. Die
Klägerin sehe es als eine Pflicht des beklagten Landes an, gerade auch gegenüber
seinen Bediensteten für eine ausreichende Konkretisierung des geschützten
Rechtskreises Ehe und Familie zu sorgen und dem nach dem neuen Adoptionsrecht
ausschließlichen Wohl des Kindes in Form der ursprünglich zugesagten und dann
widerrufenen Regelung Rechnung zu tragen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Entgegen den Gründen des erstinstanzlichen Urteils nehme sie auch eine
Bindungswirkung der fernmündlichen, vorbehaltlosen Zusage unter dem
Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes an, zumal sie vor Eingang des schriftlichen
Bescheides mit Vorbehalt aufgrund der Zusage gegenüber dem
Prozeßbevollmächtigten und ihrem Ehemann entsprechende Dispositionen für eine
Betreuungsperson getroffen habe.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und nach ihrem erstinstanzlichen Klageantrag
zu entscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">und legt dar, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei zu Recht ergangen.
Eine entsprechende Anwendung der §§ 4, 5 der MuSchVB sei nicht zulässig. Einem
denkbaren Mutterschutz anläßlich der Adoption habe der Verordnungsgeber nicht
Rechnung getragen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, auch der des Verfahrens Az.: VG
Münster 4 L 1370/77 und der vom Beklagten vorgelegten Personalakten und
Verwaltungsvorgänge (2 Hefte) Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klägerin ist
durch den angefochtenen Bescheid vom 6. Juni xxx nicht in ihren Rechten verletzt.
Der Regierungspräsident hat rechtmäßig den Bescheid vom 9. Mai xxx, mit dem der
Klägerin Sonderurlaub unter Fortzahlung ihrer Dienstbezüge gewährt worden ist,
zurückgenommen; denn dieser war rechtswidrig und die Klägerin kann ein
schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsaktes nicht mit Erfolg
geltend machen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Der als „Widerruf" bezeichnete Bescheid vom 6. Juni xxx stellt die Rücknahme
eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes dar (§ 48 VwVfG NW). Von der
Rechtswidrigkeit des Bescheides ist offensichtlich auch der Regierungspräsident
ausgegangen; daß er gleichwohl den Begriff Widerruf gewählt hat, ist
unschädlich.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Vgl. Kopp, Kommentar, VwVfG, 1976, § 48 Anm. 3.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hatte nach der Aufnahme des Säuglings in ihren Haushalt mit denn
Ziele der Adoption keinen Anspruch auf Sonderurlaub unter Fortzahlung ihrer
Dienstbezüge. Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit, daß eine direkte
Anwendung des § 5 i.V.m. § 4 Abs. 1 der MuSchVB in der hier anzuwendenden
Fassung vom 4. Juli 1968 (GV NW S. 230) für den Fall der Annahme eines Kindes an
Kindes Statt nicht in Betracht kommt. Der Wortlaut des § 4 MuSchVB ist eindeutig;
denn er erwähnt ausdrücklich nur die Entbindung der Beamtin. Entgegen der
Auffassung der Klägerin ist eine analoge Anwendung der §§ 4 und 5 MuSchVB auf
den Fall der Adoption eines Kleinkindes jedoch nicht zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Im Grundsatz besteht Einigkeit, daß auch im Verwaltungsrecht die analoge
Anwendung von dem Grundgedanken nach passenden Rechtsnormen auf einen im
wesentlichen ähnlichen anderen Sachverhalt möglich ist.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechtes, Bd. I Allgemeiner Teil, 10.
Auflage, Seite 167; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Auflage, § 28 III d 1 a.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes darf eine
Gesetzeslücke jedoch nur dann vom Richter ausgefüllt werden, wenn er auf Grund
der gesamten Umstände feststellen kann, welche Regelung der Gesetzgeber
getroffen haben würde, wenn er den zu regelnden Sachverhalt bedacht hätte.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">BVerwG, Urteil vom 13.12.1978 - 6 C 46.78 - in Zeitschrift für Beamtenrecht
1979, 202 m.w.N.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall scheitert die analoge Anwendung der §§ 4 und 5 MuSchVB
bereits darauf, daß es sich bei der Geburt eines Kindes und der Annahme an Kindes
Statt nicht um wesentlich ähnliche Sachverhalte handelt und eine
regelungsbedürftige Gesetzeslücke nicht besteht.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin ist zuzugestehen, daß nach heutigen Erkenntnissen die ersten
Lebensmonate eines Kindes entscheidend für seine körperliche und geistige
Entwicklung sind und man heute die ständige Zuwendung einer Bezugsperson für
notwendig hält, wobei dies nicht unbedingt die Mutter zu sein braucht. Diese
Möglichkeit zu gewährleisten ist aber nach ihrer Ausgestaltung offensichtlich nicht
Sinn der MuSchVB, jedenfalls nicht überwiegend. Wäre dies das überwiegende Ziel,
müßten wohl auch jeder anderen Person, insbesondere auch dem Vater, die
gleichen Rechte wie der Mutter nach der MuSchVB gewährt werden. Vielmehr steht
ganz augenscheinlich der Schutz der Gesundheit der werdenden Mutter und der
Mutter nach der Niederkunft im Vordergrund. Betrachtet man die einzelnen
Vorschriften in ihrer Gesamtheit, kann dies nicht ernsthaft bezweifelt werden. Das
wird ganz besonders deutlich in dem Verbot der Schwerarbeit während der
Schwangerschaft und dem Gebot der Dienstbefreiung vor der Entbindung (§ 2 und 3
MuSchVB), aus dem Gebot der Ruhezeit während der Schwangerschaft (§ 6) und
dem Gebot der stillenden Mutter Pausen für die Stillzeit zu gewähren (§ 8 MuSchVB).
Auch der von der Klägerin angeführte § 4 MuSchVB (Dienstleistungsbefreiung nach
der Niederkunft) ist eindeutig zum Schutz der Gesundheit der Mutter nach der
Niederkunft konzipiert. Dies ergibt sich schon daraus, daß die Dauer des
Beschäftigungsverbotes bei Mehrlingsgeburten verlängert werden muß und die
Beamtin bei labilem Gesundheitszustand nur eingeschränkt Dienst leisten darf.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Auch daraus, daß es sowohl dem Dienstherrn als auch dem privaten
Arbeitgeber verboten ist, eine Frau alsbald nach der Niederkunft wieder zu
beschäftigen, ohne ihr Gelegenheit zu geben, sich von körperlichen und seelischen
Belastungen der Entbindung zu erholen, kann man entnehmen, daß das
vordringliche Ziel der MuSchVB nicht der Schutz der ungestörten Mutter-Kind-
Beziehung ist.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Allein aus der Tatsache jedoch, daß der Gesetzgeber der Beamtin verbietet, vor
Ablauf von acht Wochen nach der Niederkunft wieder zu arbeiten, und dem
Dienstherrn verbietet, die Aufnahme der Arbeit innerhalb dieser Frist zu verlangen,
rechtfertigt sich die Regelung des § 5 MuSchVB, daß auch ohne Dienstleistung die
Dienstbezüge weitergezahlt werden müssen; denn der Gesetzgeber darf nicht
einerseits der Beamtin die Arbeitsaufnahme verbieten, ihr aber andererseits die
Möglichkeit nehmen, ihren Lebensunterhalt für diesen Zeitraum zu sichern. Da es
einer Beamtin, die ein Kind adoptiert, nach geltendem Recht nicht verboten ist,
weiter zu arbeiten, besteht auch keine Verpflichtung des Dienstherrn, ihr, falls sie
die ersten acht Wochen nicht arbeiten will, die Besoldung weiterzuzahlen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Der Gesetzgeber hat dem berechtigten Anliegen der Beamtin, die ein Kind
adoptieren will und diesem Kind wenigstens in den ersten Lebenswochen und -
monaten die benötigte intensive Zuwendung geben möchte, im übrigen ausreichend
Rechnung getragen. Gemäß § 85a Abs. 1 Ziffer 2a LBG, der seinem Wortlaut nach
nicht auf leibliche Kinder beschränkt ist, kann der Beamtin Urlaub ohne
Dienstbezüge gewährt werden, wenn sie ein Kleinkind in ihren Haushalt aufnimmt.
Ergänzend bietet auch § 12 der Verordnung über den Sonderurlaub der Beamten
und Richter im Lande Nordrhein-Westfalen (SUrlV) i.d.F. vom 2. Januar 1967, zuletzt
geändert durch Verordnung vom 25. April 1977, (GV NW S. 188) dem Dienstherrn
die rechtliche Möglichkeit zu einer Beurlaubung aus wichtigem Gründe Allerdings ist
eine Beurlaubung nach den genannten Vorschriften nur unter Wegfall der
Dienstbezüge möglich. Falls die Beamtin, die ein Kind adoptieren möchte, meint, auf
die Fortzahlung der Dienstbezüge für 8 Wochen aus finanziellen Gründen nicht
verzichten zu können, bleibt es ihr auch unbenommen, den bezahlten Jahresurlaub
für die ersten Wochen nach der Aufnahme des Kindes zu nehmen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Eine durch Analogie auszufüllende Lücke vermag der Senat daher nicht zu
erkennen. Eine Auslegung gegen den erkennbaren oder doch mit guten Gründen zu
vermutenden Willen des Gesetzgebers kommt demnach nicht in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Vgl. VerwG, Urteil vom 14. März 1974 - II C. 33.72 - in BVerwGE 45, 85.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Verfassungsrechtliche Bedenken sind ebenfalls nicht ersichtlich; insbesondere
kann die Klägerin sich nicht auf Art. 3 GG berufen, da es zwischen der Geburt eines
Kindes und der Annahme eines Kindes, wie ausgeführt, erhebliche Unterschiede
gibt, die eine unterschiedliche gesetzliche Regelung rechtfertigen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Auch auf Art. 6 Abs. 4 GG kann die Klägerin sich nicht mit Erfolg berufen, da
dadurch, daß sie lediglich die Möglichkeit hat, unbezahlten Urlaub zu nehmen, ihr
Grundrecht auf Schutz und Fürsorge seitens der Gemeinschaft nicht berührt
wird.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Grundsätzlich kann die Behörde einen rechtswidrigen Verwaltungsakt, auch
nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die
Zukunft oder für die Vergangenheit zurücknehmen (§ 48 Abs. 1 Säte 1 VwVfG NW).
Einschränkungen bestehen allerdings dann, wenn es sich um einen begünstigenden
Verwaltungsakt handelt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NW), insbesondere wenn es sich
um einen Verwaltungsakt handelt, der eine Geldleistung gewährt oder hierfür
Voraussetzung ist. Dieser Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, wenn
der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein
Vertrauen unter Abwägung mit öffentlichen Interessen an einer Rücknahme
schutzwürdig ist (§ 48 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NW).</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Der Senat ist der Auffassung, daß es sich bei der Gewährung von Sonderurlaub
unter Fortzahlung der Dienstbezüge nicht um einen Verwaltungsakt in Sinne von §
48 Abs. 2 VwVfG NW handelt. Mit dieser Formulierung sollten Verwaltungsakte -
insbesondere aus dem Sozialhilferecht im weitesten Sinne - erfaßt werden, mit
denen Geldleistungen dem Grunde oder der Höhe nach festgesetzt werden, oder mit
denen ein Anspruch auf eine solche Geldleistung dem Grunde nach festgestellt
wird.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Vgl. Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, Kommentar 1978, § 48 Rd.Nr. 25; Kopp,
VwVfG 1976, § 48 Anm. 8.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Als ein solcher Verwaltungsakt kann der Bescheid vom 9. Mai xxx nicht
angesehen werden, auch nicht unter dem Gesichtspunkt, daß der Klägerin
Sonderurlaub unter Fortzahlung der Dienstbezüge gewährt worden ist. Eine
Rechtsgrundlage für die Zahlung der Dienstbezüge an die Klägerin ist nämlich mit
diesem Bescheid nicht geschaffen worden, d.h. die Fortzahlung der Bezüge ist nicht
die unmittelbare Folge aus dem Bescheid vom 9. Mai xxx, denn die Rechtsgrundlage
für die Besoldung eines Beamten ergibt sich in der Regel nicht aus einem
Verwaltungsakt, sondern aus dem Gesetz (z.B. § 2 BBesG, siehe hier auch § 17
SUrlV).</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Vgl. Plog-Wiedow, BBG, RdNr. 7 zu § 87 BBG; Schütz, Beamtenrecht des Bundes
und der Länder, 5. Aufl. Teil D RdNr. 6 zu § 52; vgl. auch OVG NW, Beschluß vom 5.
Juli 1979; Az: VI B 454/79.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Somit handelt es sich bei dem Bescheid vom 9. Mai xxx um einen sonstigen
begünstigenden Verwaltungsakt im Sinne von § 43 Abs. 3 VwVfG NW. Diese
Verwaltungsakte sind nach Absatz 1 Satz 1 des genannten Gesetzes zurücknehmbar
ohne Abwägung des Vertrauens auf den Bestand des Verwaltungsaktes mit dem
öffentlichen Interesse an der Rücknahme. Insoweit ist die bisherige Rechtsprechung
durch den Erlaß des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht mehr anwendbar.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Vgl. Stelkens/Bonk/Leonhardt aaO., RdNr. 42; Kopp, aaO., Anm. 12.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Fraglich ist hier, ob die Ermessensentscheidung, die die Behörde nach Absatz 1
Satz 1 treffen muß, dann doch wieder das Vertrauensinteresse des Bürgers zu
berücksichtigen hat.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Bejahend Kopp aaO., verneinend Stelkens/Bonk/Leonhard, aaO.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Letzterer führt dazu aus, daß bei der Ermessensentscheidung allein von dem
öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustanden
ausgegangen werden sollte. Dieser Ansicht ist zuzustimmen, weil die Ansicht von
Kopp letztlich dazu führt, daß - entgegen der offensichtlichen Intention des
Gesetzgebers - bei der Entscheidung über die Rücknahme des Verwaltungsaktes im
Ergebnis kein Unterschied mehr zwischen dem begünstigenden Verwaltungsakt des
Absatzes 2 und dem des Absatzes 3 VwVfG NW erkennbar ist. Das
Vertrauensinteresse des Bürgers wird ausreichend dadurch berücksichtigt, daß der
Betroffene einen Anspruch auf Ausgleichung des Vermögensnachteiles hat, den er
dadurch erleidet, daß er auf den Bestand des Verwaltungsaktesvertraut hat.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Vgl. Stelkens/Bonk/Leonhardt, aaO.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Geht man im vorliegenden Fall davon aus, daß es sich bei dem Bescheid vom 9.
Mai xxx um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 48 Abs. 3 VwVfG NW handelt, so
konnte der Regierungspräsident diesen Bescheid zurücknehmen, ohne daß es etwa
auf ein bestehendes schützenswertes Vertrauen der Klägerin auf den Bestand des
Verwaltungsaktes ankam. Ob die Klägerin einen Anspruch auf Ausgleich eines evtl.
bestehenden Vermögensnachteiles hat, braucht an dieser Stelle nicht geprüft zu
werden, denn sie hat einen solchen Antrag ersichtlich nicht gestellt.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Aber auch wenn man im Gegensatz zu den vorausgegangenen Ausführungen
den Bescheid vom 9. Mai xxx als einen Verwaltungsakt im Sinne von § 48 Abs. 2
VwVfG NW ansehen wollte, durfte der Regierungspräsident diesen mit Wirkung für
die Zukunft zurücknehmen, denn die Klägerin kann ein schutzwürdiges Vertrauen
nicht geltend machen.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel, ob die Klägerin tatsächlich auf den
Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat. Auf die nach ihrem Vortrag angeblich
fernmündlich erteilte - vorbehaltlose - Zusage kommt es in diesem Zusammenhang
nicht an. Entscheidend ist vielmehr, daß der nach dem Telefongespräch erlassene
Bescheid unter Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs ergangen ist. Dieser Vorbehalt
ist auch wirksam. Falls der Regierungspräsident aber ausdrücklich die Bewilligung
des Sonderurlaubes ohne Vorbehaltsklausel zugesagt hätte, wäre dies unerheblich;
denn eine solche Zusage wäre nicht verbindlich, weil sie schriftlich hätte ergehen
müssen (§ 38 VwVfG NW).</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann also nach Ansicht des Senats deshalb nicht auf den Bestand
des VA vertraut haben, weil der Regierungspräsident in seinem Bescheid
ausdrücklich, was mit Sicherheit auch vorher in der mündlichen Erörterung
geschehen ist, auf die zweifelhafte Rechtslage hingewiesen und die Klägerin
benachrichtigt hat, daß er dem Kultusminister berichtet habe, was nichts anderes
heißen sollte,</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">als daß er um Weisung gebeten habe, wie in solchen Fällen entschieden werden
solle.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Darüberhinaus zeigt gerade der Umstand, daß die Klägerin - nach ihrem Vortrag
im Vorverfahren - vorsorglich eine Kinderbetreuerin eingestellt hat, „um die
ordnungsgemäße Betreuung des Säuglings auch bei Verpflichtung zum sofortigen
Dienstantritt sicherzustellen", daß sie jedenfalls nach Zustellung des Bescheides,
und dann erst entfaltete dieser seine Wirksamkeit, gerade nicht auf den Bestand
dieses Verwaltungsaktes vertraut hat. Ihr war sehr wohl bewusst, daß die
Rechtslage zweifelhaft war und der Regierungspräsident die Genehmigung von der
Weisung des Ministers abhängig gemacht hat.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Aber auch wenn sie auf den Bestand des Bescheides vom 9. Mai xxx vertraut
haben sollte, wofür im Grunde nichts spricht, wäre dieses Vertrauen unter Abwägung
mit dem öffentlichen Interesse nicht schutzwürdig. Die Einstellung der
Kinderbetreuerin stellt keine Vermögensdisposition dar, die nur unter unzumutbaren
Nachteilen rückgängig gemacht werden könnte. Überdies hat sie diese
Kinderbetreuerin nach ihrem eigenen Vorbringen unabhängig von dem Bestand des
Verwaltungsaktes eingestellt. Für das beklagte Land bestand jedoch ein erhebliches
öffentliches Interesse, den rechtswidrig genehmigten Urlaub wieder rückgängig zu
machen. Neben dem hier wohl nicht entscheidenden finanziellen Interesse mußte im
Interesse ihrer Dienststelle geklärt werden, ob die Klägerin bei Fortfall der
Dienstbezüge wieder den Dienst antreten würde oder ob eine Ersatzkraft eingesetzt
werden musste. Im übrigen kann das beklagte Land ein Interesse an der
Rücknahme des Verwaltungsaktes auch dahin geltend machen, daß bei anderen
Beamtinnen die ebenfalls ein Kind adoptieren wollten und sich unter Umständen auf
den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen hätten, so schnell wie möglich Klarheit
geschaffen werden sollte.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Rücknahmebescheides
vom 6. Juni xxx bestehen auch nicht im Hinblick darauf, daß der
Regierungspräsident in diesem Bescheid nicht ausdrücklich ausgeführt hat, es
handle sich bei der Entscheidung, ob ein rechtswidriger Verwaltungsakt
zurückgenommen werden soll, um eine Ermessensentscheidung. Daß er eine
Ermessensentscheidung getroffen hat, ergibt sich aus der Ausgestaltung des
Verwaltungsaktes selbst, weil er nämlich die Rücknahme nur für die Zukunft
ausgesprochen und mitgeteilt hat, daß einem Antrag gemäß § 85a LSG bzw. gemäß
§ 12 Abs. 1 SurlV rückwirkend entsprochen würde. Damit hat er bei der vom Gesetz
geforderten Abwägung die privaten Interessen der Klägerin ausreichend gewürdigt
und sein Ermessen ausgeübt.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist hiernach mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden
Kostenfolge zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167
Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Die Revision wird nicht zugelassen, weil weder die Voraussetzungen von § 135
Abs. 2 VwGO noch die von § 127 des Beamtenrechtsrahmengesetzes gegeben
sind.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
315,960 | olgham-1980-02-07-2-uf-53379 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 UF 533/79 | 1980-02-07T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:42 | 2019-03-27T09:41:46 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1980:0207.2UF533.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>wird das Armenrechtsgesuch der Beklagten zurückgewiesen.</p>
<p>Den Klägerinnen wird für die Berufungsinstanz das Armenrecht im Rahmen ihres Antrags auf Zurückweisung der Berufung bewilligt. Ihnen wird insoweit Rechtsanwalt ... in ... beigeordnet. Ihr weitergehendes Armenrechtsgesuch wird zurückgewiesen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Beklagten kann das Armenrecht nicht bewilligt werden. Ihre Berufung bietet keine hinreichende Aussicht auf
Erfolg (§ 114 ZPO), und zwar im wesentlichen aus materiellrechtlichen Gründen. Soweit die Beklagte vom
Amtsgericht zur Zahlung verurteilt worden ist, obwohl sich Ansprüche der Klägerinnen in der vom Amtsgericht
zuerkannten Höhe aller Voraussicht nach nicht feststellen lassen werden, wird die Berufungssumme von 50,- DM
(§ 511 a ZPO) nicht erreicht.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Was den Unterhalt für die <u>Vergangenheit</u> anlangt, so dürfte ein Unterhaltsanspruch auf jeden Fall
für die Zeit <u>ab Juli 1978</u> gegeben sein; denn in dem Schreiben der Rechtsanwälte ... pp. vom 26.7.1978 w
ird man eine endgültige Zahlungsverweigerung sehen müssen, die der Mahnung gleichzustellen ist
(Palandt-Heinrichs, 39. Aufl., § 284 Anm. 4 c). Da dieses Schreiben noch im Juli 1978 bei den damaligen
Anwälten der Klägerinnen eingegangen ist, kann noch der volle Unterhalt für den gesamten Monat Juli
beansprucht werden. Nach § 1613 I BGB kann zwar für die Vergangenheit erst vom Zeitpunkt des Verzuges an
Unterhalt verlangt werden. Nach der Rechtsprechung des Senats gehört ein Unterhaltsanspruch aber erst dann der
Vergangenheit an, wenn der Zeitraum verstrichen ist, für den die Unterhaltsrente zu zahlen ist. Die Unterhaltsrente
ist gemäß § 1612 III BGB monatlich im voraus zu zahlen. Der damit am ersten Monatstag fällige
Unterhalt gehört erst mit dem ersten Tag des nächsten Monats der Vergangenheit an (Urteil des Senats vom
11.1.80 in 2 UF 363/79; ebenso 3. Familiensenat vom 13.6.78 in 3 UF 31/78 und vom 6.6.78 in 3 UF 125/78; ferner
Erman-Küchenhoff, 6. Aufl., § 1613 Rdz. 2).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat den Klägerinnen auch schon für den Monat <u>Juni 1978</u> Unterhalt in Höhe
von je 126,11 DM zuerkannt. Ob sich auch für diesen Monat die Verzugsvoraussetzungen feststellen lassen,
erscheint zweifelhaft. Die Beschwer der Beklagten beträgt aber insoweit nur 126,11 DM gegenüber jeder
Klägerin.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die <u>Höhe des Unterhalts</u> bestimmt sich nach dem Einkommen der Beklagten, ohne daß es auf das
Einkommen des Vaters der Klägerinnen ankommt (vgl. Ziff. 23 und 24 der Hammer Leitlienien Stand Januar 1980,
FamRZ 1980, 21,24 = DAVorm 1979, 817 = NJW 1980, 108 = JMBlNW 1980, 18).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Einkommen der Beklagten belief sich nach dem Vortrag beider Parteien bis 31.12.1978 auf monatlich 1.096,22 DM
(im Durchschnitt). In der Folgezeit hat die Beklagte Arbeitslosengeld in Höhe von 176,40 DM wöchentlich
bezogen (monatlich 176,40 DM × 52: 12 = 764,40 DM).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">An Darlehnsschulden wird man lediglich 190,- DM monatlich bis Dezember 1979 berücksichtigen können.
Das entspricht der monatlichen Verpflichtung, die die Beklagte (zusammen mit dem Mitdarlehnsnehmer Freiholt) Ende
1976 für eine Kreditbetrag von 5.800,- DM gegenüber der ... eingegangen ist, und zwar ausweislich der in
Ablichtung vorgelegten Schuldurkunde für den Kauf von Möbeln. Dafür, daß auch die späterhin
begründeten Darlehnsverbindlichkeiten ganz oder auch nur teilweise für den Kauf weiterer Möbel
<u>erforderlich</u> waren, fehlt es an hinreichendem Vortrag. Zudem ist auch kein Beweis dafür angetreten,
daß diese Kredite für den Kauf von Möbeln auch tatsächlich verwandt worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Weiterhin wird man an Schulden die monatlichen Raten von 50,- DM berücksichtigen müssen, die die
Beklagte bis Mai 1980 an die Gerichtskasse Oldenburg zu zahlen hat.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Für die Monate <u>Juli-Oktober 1978</u> errechnet sich damit der Unterhalt der Klägerinnen wie folgt:</p>
<br /><span class="absatzRechts">14</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td>Einkommen der Beklagten</td>
<td> </td>
<td>1.096,-</td>
<td>DM</td>
</tr>
<tr>
<td>./. Darlehnsraten</td>
<td>./.</td>
<td>190,-</td>
<td>DM</td>
</tr>
<tr>
<td>./. Gerichtskosten</td>
<td>./.</td>
<td><u>50,-</u></td>
<td><u>DM</u></td>
</tr>
<tr>
<td> </td>
<td> </td>
<td>856,-</td>
<td>DM</td>
</tr>
<tr>
<td>./. Selbstbehalt</td>
<td>./.</td>
<td><u>650,-</u></td>
<td><u>DM</u></td>
</tr>
<tr>
<td> </td>
<td> </td>
<td><u>206,-</u></td>
<td><u>DM</u></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Hiervon steht jeder Klägerin die Hälfte zu, also je 103,- DM. Das Amtsgericht hat jeder Klägerin
für diese Zeit monatlich 126,11 DM zuerkannt und damit 23,11 DM zu-viel. Für die insgesamt vier Monate
ergibt das für jede Klägerin 92,40 DM. Dieser Betrag erreicht - auch zusammen mit dem Betrag von 126,11 DM
den das Amtsgericht jeder Klägerin für den Monat Juni 1978 zuerkannt hat (s.o. zu 1) - nicht die
Berufungssumme von 500,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Für die Monate <u>November und Dezember 1978</u> ergibt sich dadurch eine Veränderung, daß die
Beklagte, die seit Oktober 1978 wieder verheiratet ist, nunmehr neben ihrem Arbeitseinkommen einen Unterhaltsanspruch
gegen ihren Ehemann hat. Nach ihren eigenen Angaben bezieht ihr Ehemann eine monatliche Rente von ca. 1.300,- DM, hat
also ein höheres Einkommen als sie selbst. Ihr Ehemann ist zwar den Klägerinnen gegenüber nicht
unterhaltspflichtig. Das schließt aber nicht aus, daß sich seine Unterhaltspflicht gegenüber der
Beklagten (mittelbar) auch zugunsten der Klägerinnen auswirkt; denn durch das Hinzutreten des Unterhaltsanspruchs
gegen ihren Ehemann erhöht sich die Leistungsfähigkeit der Beklagten. Sie wird nunmehr in die Lage versetzt,
einen größeren Anteil ihres eigenen Arbeitseinkommens für die Klägerinnen zu erübrigen, ohne
daß dadurch ihr notwendiger eigener Unterhalt gefährdet wird. Praktisch führt das dahin, daß der
sonst übliche Selbstbehalt, d.h. der Betrag, der dem Unterhaltsverpflichteten von seinem Einkommen (hier: vom
eigenen Arbeitseinkommen) für den eigenen Unterhalt zu belassen ist, unterschritten werden kann. Diese Auffassung,
für die sich schon mehrere Gerichte ausgesprochen haben (vgl. 1. FamS des OLG Hamm, FamRZ 1980, 70; OLG Bremen,
FamRZ 1979, 623; OLG Köln, FamRZ 1979, 328, 1055; auch OLG Frankfurt, FamRZ 1979, 622), steht im Einklang mit
der neuesten Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1980, 43). Nach dieser Rechtsprechung hat der wieder verheiratete Elternteil
unter Umständen sogar sein gesamtes Arbeitseinkommen zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gegenüber
den Kindern zu verwenden, sofern sein eigener Unterhaltsbedarf durch das Einkommen seines Ehegatten ausreichend
sichergestellt ist.</p>
<br /><span class="absatzRechts">18</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td>Im November und Dezember 1978 belief sich das Arbeitseinkommen der Beklagten nach Abzug der
anzuerkennenden Schulden ebenfalls auf</td>
<td> </td>
<td>856,-</td>
<td>DM</td>
</tr>
<tr>
<td>Das Amtsgericht hat den beiden Klägerinnen für diese Zeit monatlich zuerkannt (2 ×
199,50 DM)</td>
<td>./.</td>
<td><u>399,-</u></td>
<td><u>DM</u></td>
</tr>
<tr>
<td>Der Beklagten verbleiben danach</td>
<td> </td>
<td>457,-</td>
<td>DM</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Unter Berücksichtigung ihres Unterhaltsanspruchs gegen ihren Ehemann dürfte mit diesem Betrag der
notwendige Unterhalt der Beklagten hinreichend gesichert sein.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Für das <u>Jahr 1979</u> ergibt sich folgende Berechnung:</p>
<br /><span class="absatzRechts">22</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td>Arbeitslosengeld monatlich</td>
<td> </td>
<td>764,40</td>
<td>DM</td>
</tr>
<tr>
<td>./. Darlehnsraten</td>
<td>./.</td>
<td>190,-</td>
<td>DM</td>
</tr>
<tr>
<td>./. Gerichtskosten</td>
<td>./.</td>
<td><u>50,-</u></td>
<td><u>DM</u></td>
</tr>
<tr>
<td> </td>
<td> </td>
<td>524,40</td>
<td>DM</td>
</tr>
<tr>
<td>Das Amtsgericht hat den beiden Klägerinnen für diese Zeit monatlich zuerkannt
(2 × 57,20 DM)</td>
<td>./.</td>
<td><u>114,40</u></td>
<td><u>DM</u></td>
</tr>
<tr>
<td>Der Beklagten verbleiben</td>
<td> </td>
<td><u>410,-</u></td>
<td><u>DM</u></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Auch dieser Betrag dürfte unter Berücksichtigung des Unterhaltsanspruchs gegen den Ehemann noch
ausreichen, den notwendigen Unterhalt sicherzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Für die Zeit ab <u>1.1.1980</u> ist das Arbeitslosengeld entfallen. Gleichwohl dürften die
Klägerinnen einen Anspruch in der vom Amtsgericht zuerkannten Höhe von je 57,20 DM haben, und
zwar deshalb, weil die Beklagte nicht hinreichend dargetan und glaubhaft gemacht hat, daß sie außerstande
ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Das Versorgungsamt hat zwar eine Minderung der Erwerbsfähigkeit
von 70 % anerkannt. Die in dem Bescheid des Versorgungsamtes vom 3.8.1978 und auch in der von der Beklagten
vorgelegten Bescheinigung der Ärzte ... und ... vom 15.1.1980 angeführten Gesundheitsstörungen
der Beklagten schließen jedoch die Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit offenbar nicht aus. Die
Bemühungen der Beklagten um eine Beschäftigung waren unzulänglich. Daß sie beim Arbeitsamt
als Arbeitssuchende gemeldet ist, reicht nicht aus. Sie war und ist gehalten, sich mit Nachdruck um eine
Beschäftigung zu bemühen, um ihrer Unterhaltsfplicht gegenüber ihren Kindern nachkommen zu
können. Sie darf sich hierbei nicht auf die vom Arbeitsamt vermittelten Angebote beschränken, sondern
muß auch von sich aus bemüht sein, eine Tätigkeit zu finden, sei es auch nur stundenweise.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Den Klägerinnen kann für die Anschlußberufung das Armenrecht ebenfalls mangels hinreichender
Erfolgsaussichten nicht bewilligt werden. Ihr Antrag in ihrer Anschlußberufungsschrift vom 6.12.1979 geht
über die durch das angefochtene Urteil zuerkannten Ansprüche nur insoweit hinaus, als sie für die
Zeit von Juni - Oktober 1978 monatlich je 152,50 DM verlangen (statt der zuerkannten 126,11 DM). Wie sich aus
den Ausführungen oben (zu 11 und 2a) ergibt, dürfte das Amtsgericht den Klägerinnen für
diese Zeit ohnehin schon zuviel zuerkannt haben.</p>
|
315,961 | lg-duisburg-1980-02-07-9-o-42679 | {
"id": 807,
"name": "Landgericht Duisburg",
"slug": "lg-duisburg",
"city": 408,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 9 O 426/79 | 1980-02-07T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:45 | 2019-03-27T09:41:46 | Urteil | ECLI:DE:LGDU:1980:0207.9O426.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>für R e c h t erkannt:</p>
<p></p>
<p>Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 DM zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Der Kläger trägt drei Fünftel, der Beklagte zwei Fünftel der Kosten.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung von 17.000 DM, für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung von 2.100 DM vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer bundesdeutschen Großbank oder Sparkasse erbracht werden. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>T a t b e s t a n d :</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Am 28. August 1977 suchte der damals 14-jährige Beklagte den gleichaltrigen Kläger bei dessen Eltern auf. Er brachte ein Luftgewehr und mehrere Übungspatronen der Bundeswehr mit. Gemeinsam mit der Schwester des Klägers, der Zeugin, begaben sich die Parteien in die ländliche Umgebung des Stadtteils Rumeln-Kaldenhausen. Auch der Kläger führte ein Luftgewehr mit sich.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Auf freiem Gelände unternahmen die Parteien Schießübungen auf die Übungspatronen. Diese hatten sie auf der einen Seite eines Grabens in den Boden gesteckt. Von der gegenüberliegenden Seite schossen sie aus kurzer Entfernung (etwa 3 m) auf die Patronen. Während dieser Zeit standen die Parteien nebeneinander.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nach einem Schuß explodierte eine der Übungspatronen. Fast gleichzeitig drang ein Splitter in das linke Auge des Klägers.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Als die Parteien anschließend einen Arzt aufsuchen wollten, bat der Beklagte den Kläger, dort anzugeben, dass ihm beim Holzhacken ein Splitter ins Auge geflogen sei, um auf diese Weise zu vermeiden, dass der Vater des Beklagten von dem Vorfall Kenntnis erhielt und ihn, den Beklagten, bestrafte.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Bei einer medizinischen Begutachtung ergab sich, dass beim Kläger nach diesem Ereignis praktisch eine Einäugigkeit vorliegt und für das linke Auge eine Gebrauchsunfähigkeit von 100 % eingetreten ist. Bei späteren Beschwerden muss evtl. eine Enucleation (Ausschälung) vorgenommen werden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Gutachten des Prof. Dr. med. vom 17. Oktober 1978 (Bl. 5 ff. d.A.) Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Kläger begehrt Schmerzensgeld. Er behauptet, die Augenverletzung sei durch einen Schuss des Beklagten verursacht worden. Die Parteien hätten abwechselnd geschossen; während der Beklagte den Schuss, der zur Explosion der Übungspatrone führte, abgab, habe er mit ungeladenem Gewehr neben dem Beklagten gestanden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hält für den Verlust eines Auges ein Schmerzensgeld von 40.000,00 DM für angemessen. Daneben, so meint der Kläger, stehe ihm eine Schmerzensgeldrente zu. Hierzu behauptet der Kläger, es sei eine allgemeine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 % eingetreten, für die nach seiner Auffassung eine monatliche Rente von 300 DM angemessen sei. Wegen eigenen Mitverschuldens mindert er die Rente jedoch auf einen monatlichen Betrag von 200 DM; aus demselben Grund hält er auch eine Kürzung des – zunächst ohne Rücksicht auf ein Mitverschulden berechneten – Schmerzensgeldbetrages für gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><ol class="absatzLinks"><li>den Beklagten zu verurteilen, ein in das Ermessen des Gerichtes zu stellendes Schmerzensgeld zu zahlen;</li>
<li>den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eine monatliche Rente von 200 DM ab Klagezustellung zu zahlen.</li></ol>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Er bestreitet seine Urheberschaft für die Augenverletzung und behauptet, die Parteien hätten "mehr oder weniger gleichzeitig" geschossen. Hierzu hat er die Parteivernehmung des Klägers beantragt. Mit Nichtwissen bestreitet er, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 30 % zu erwarten sei. Im Übrigen vertritt er die Ansicht, dass für eine Verletzung der vorliegenden Art ein Schmerzensgeld zwischen 20.000 und 30.000 DM, jedoch keine zusätzliche Schmerzensgeldrente angemessen sei.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat auf Grund des Beschlusses vom 22. November 1979 (Bl. 26 d.A.) Beweis durch Zeugenvernehmung mit dem aus den Akten ersichtlichen Ergebnis (Bl. 34 f d.A.) erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</u></p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nur teilweise begründet.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger Zahlung eines Schmerzensgeldes fordert, ist seine Klage zu Recht erhoben, da ihm ein Anspruch gemäß §§ 847, 823, 276 BGB zusteht.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Zur Überzeugung des Gerichtes steht fest, dass der Beklagte durch einen von ihm abgegebenen Schuss die Explosion der Übungspatrone und als Folge davon die Augenverletzung des Klägers herbeigeführt hat. Die Kammer sieht als erwiesen an, dass die Parteien am 28. August 1977 nicht gleichzeitig, sondern abwechselnd und nacheinander geschossen haben, und dass die Patrone nach einem Schuss des Beklagten explodierte. Diese Überzeugung stützt sich auf die Aussage der Zeugin.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Zeugin hat nämlich ausdrücklich bekundet, dass die Parteien "nicht gleichzeitig", "immer nacheinander" und "nie zur gleichen Zeit" geschossen haben; der Kläger sei nach einem Schuss des Beklagten in den Graben gerutscht und habe sich, als er wieder herausstieg, das linke Auge zugehalten. Vor diesem Schuss habe der Kläger mit ungeladenem Gewehr neben dem Beklagten gestanden. Die Zeugin hat während der Schießübungen nach eigenem Bekunden ständig in der Nähe der Parteien gestanden und deshalb die Möglichkeit besessen, die Vorgänge genau zu beobachten.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Kammer sieht keinen Anlass, an der Wahrheit dieser Aussage zu zweifeln. Die Zeugin ist zwar die Schwester des Klägers und könnte deshalb ein Interesse an dem Ausgang des Rechtsstreits besitzen. Es ist aber nicht erkennbar, dass sich diese abstrakte Möglichkeit im vorliegenden Fall auch verwirklicht hat. Die Aussage ist in sich folgerichtig und steht nicht im Widerspruch zu weiteren – unstreitigen – Tatsachen. Die Parteien haben nämlich Gewehre benutzt, die nach jedem Schuss durch Öffnen neu geladen werden mussten. Unter diesen Umständen ist es wahrscheinlicher, dass die Schüsse nacheinander und deutlich voneinander unterscheidbar abgegeben wurden. Vor allem aber wird die Aussage durch das eigene Verhalten des Beklagten nach der Verletzung des Klägers bestätigt. Unstreitig hat der Beklagte nämlich versucht, den Kläger zu einer falschen Darstellung des Unfallhergangs zu bewegen. Diese Verhaltensweise wäre unverständlich, wenn sich der Beklagte nicht für den Schaden verantwortlich gefühlt hätte. – Schließlich war die Zeugin nach dem Eindruck, den sie in der Verhandlung hinterlassen hat, auch fähig, im Alter von damals neun Jahren den Sachverhalt zu erfassen und im Gedächtnis zu behalten. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Dem Antrag des Beklagten auf Parteivernehmung des Klägers konnte bei dieser Sachlage nicht stattgegeben werden (§ 445 Abs. 2 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Das danach feststehende Verhalten des Beklagten verletzte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB) und war folglich fahrlässig. Damit sind die Voraussetzungen der §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. 230 StGB erfüllt. Gründe, die die Verantwortlichkeit des Beklagten ausschließen könnten (§ 828 Abs. 2 BGB) sind nicht vorgetragen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Kammer hält ein Schmerzensgeld (zunächst ohne Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils) von 25.000 DM für angemessen. Dafür sind folgende Umstände von Bedeutung: Der Kläger war zur Zeit des Unfalls 14 Jahre alt. Die Verletzung hat zu einer völligen Ablösung der Netzhaut am linken Auge und einem vollständigen Verlust der Gebrauchsfähigkeit dieses Organs geführt. Mittlerweile hat eine Schrumpfung des Augapfels eingesetzt. Für den Fall weiterer Beschwerden droht dem Kläger die Enucleation des Auges. Außerdem ist eine – wenn auch der Höhe nach zwischen den Parteien umstrittene – Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erwarten. Schließlich kann die Tatsache berücksichtigt werden, dass der Beklagte versichert ist (BGHZ 18, 167 ff.). – Die Kammer hat sich bei der Bemessung des Schmerzensgeldes auch an der einschlägigen Rechtsprechung orientiert. Allerdings lässt sich nicht verkennen, dass insoweit auch zwischen neueren Urteilen beträchtliche Differenzen auftreten, so dass der Betrag von 25.000 DM erheblich über- oder unterschritten wird. Zudem werden die Urteilsgründe in den Fachzeitschriften nur verkürzt wiedergegeben und lassen die maßgeblichen Erwägungen des Gerichts nur unvollständig erkennen. Insgesamt lässt sich jedoch eine Tendenz zu Beträgen zwischen 20.000 DM und 30.000 DM feststellen (vgl. hierzu die von Hacks herausgegebene Übersicht über Schmerzensgeldbeträge, 9. Auflage 1978, sowie die vom Beklagten angeführten Urteile). – Die Kammer hat außerdem wirtschaftlichen Überlegungen Raum gegeben, indem sie einerseits berücksichtigt hat, dass auch der Beklagte zum Unfallzeitpunkt erst 14 Jahre alt war, andererseits aber nicht darüber hinweg sehen konnte, dass für den Schaden eine Versicherung eintritt; den von der Versicherung gezahlten Betrag muss letztlich die Gemeinschaft aller Versicherten aufbringen (vgl. BGH DB 76, 1520 ff.).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Allerdings konnte nicht auf den vollen Schmerzensgeldbetrag erkannt werden, da den Kläger ein erhebliches Mitverschulden trifft. Der Kläger selbst ist der Ansicht, dass ein Abzug von einem Drittel berechtigt ist, wie sich aus seiner Berechnung des Streitwertes und der Schmerzensgeldrente schließen lässt. Die Kammer ist indessen der Meinung, dass darüber hinaus eine Kürzung des Ausgangsbetrages von 25.000 DM um 40 % gerechtfertigt ist. Denn der Kläger hat sich in gleicher Weise wie der Beklagte an der Schießübung beteiligt; vor allem hat er sich, während der Beklagte auf die explosiven Übungspatronen geschossen hat, neben dem Beklagten in geringer Entfernung, nämlich nur etwa 3 m, von den Patronen aufgehalten und dadurch die Gefahr einer Schädigung in hohem Maße mitverursacht und -verschuldet. Die Kammer hat nur deswegen von einer Minderung um 50 % abgesehen, weil der Beklagte durch Mitbringen der Übungspatronen den Anstoß für das Unfallgeschehen gegeben und letztlich den schädigenden Schuss abgegeben hat.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Neben der Schmerzensgeldforderung steht dem Kläger ein Anspruch auf eine Rente nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Kläger fordert die Rente wegen der allgemeinen Erwerbsminderung. Insoweit ist durch Schmerzensgeld nur der immaterielle Schaden auszugleichen, der darin besteht, dass ein nicht so gehobener und nicht so angesehener Beruf, wie ihn der Kläger ohne den Unfall hätte ergreifen können, eine geringere Befriedigung vermittelt (vgl. BGH DB 76, 1520 ff., 1521). Dieser Nachteil tritt im Allgemeinen nachhaltig erst mit einer gewissen Erfahrung im Berufsleben in Erscheinung (BGH a. a. O.). Der Kläger ist hingegen Schüler und es ist noch nicht abzusehen, ob er tatsächlich eine Einbuße in seiner beruflichen Entfaltung erleiden wird. Jedenfalls hat der Kläger keine konkreten Angaben gemacht, die auf Nachteile schließen lassen könnten.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, Abs. 1, 709, 108 ZPO. Die Berechnung des Streitwertes bezüglich der Schmerzensgeldrente richtet sich nach §§ 12 Abs. 1, 17 Abs. 2 GKG.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Streitwert: 25.000 DM + 12.000 DM.</p>
|
315,962 | olgham-1980-02-06-5-wf-7879 | {
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 5 WF 78/79 | 1980-02-06T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:46 | 2019-03-27T09:41:46 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1980:0206.5WF78.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.</p>
<p>Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das zuständige Amtsgericht Recklinghausen verwiesen, das auch über die Kosten der Beschwerdeinstanz zu befinden hat.</p>
<p>Gerichtskosten der Beschwerdeinstanz werden jedoch nicht erhoben.</p>
<p>Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 400,- DM festgesetzt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten zu 1) und 2) sind seit dem 06.08.1975 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Die elterliche Gewalt über das gemeinsame Kind ... ist mit Beschluß des Amtsgerichts Münster vom 05.01.1976 (27 X 801/75) der Beteiligten zu 1) übertragen worden. Mit Beschluß vom 03.05.1976 hatte das Amtsgericht Münster das Besuchsrecht des Beteiligten zu 2) (jeden 2. Samstag v. 13.00-19.00) geregelt, dem Beteiligten zu 2) jedoch aufgegeben, keinen weiteren Kontakt mit Mutter und Sohn aufzunehmen, und für jede Zuwiderhandlung ihm ein Ordnungsgeld angedroht. Auf die Beschwerde der Mutter ist dieser Beschluß vom Amtsgericht Münster in der Besuchsregelung am 08.06.1976 teilweise abgeändert worden. Gegen den Beteiligten zu 2) hat es ein Ordnungsgeld wegen eines Verstoßes vom 18.05.1976 festgesetzt und gleichzeitig der Beteiligten zu 1) ein Ordnungsgeld angedroht. Sodann hat das Landgericht Münster (5 T 548/76) mit Beschluß vom 15.11.1977 die Beschwerde der Mutter gegen die Besuchsregelung des Amtsgerichts vom 08.06.1976 zurückgewiesen, auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) das Besuchsrecht auf jeden 1. Sonntag im Monat von 10-19 Uhr abgeändert und die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen die Zwangsgeldfestsetzung zurückgewiesen. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das OLG Hamm am 24. November 1978 (15 W 423/77) als unzulässig verworfen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">In der Zwischenzeit hatte die Beteiligte zu 1) - erstmals am 06.11.1976 - (Bl. 231 in 27 X 801/75 AG Münster) <u>weitere</u> Anträge auf Festsetzung von Zwangsgeld gegen den Beteiligten zu 2) gestellt, während dieser seinerseits am 03.10. 1978 (Bl. 7) ein Zwangsgeld gegen die Beteiligte zu 1) beantragte. Schon bei Eingang des ersten Antrags wohnte ... bei seiner Mutter in .... Weitere Anträge auf Zwangsgeld und Begründungen dazu befinden sich u.a. in den Akten 27 X 801/75 AG Münster auf Bl. 267, 280, 288, 359, 395 u. 420 und in den vorliegenden Akten auf Bl. 1. Ein Antrag der Beteiligten zu 1) auf Ausschluß des Besuchsrechts ist vom Amtsgericht Recklinghausen mit Beschluß vom 11.09.1978 (41 P 74/78) als unzulässig zurückgewiesen worden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">In dem vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht Münster in dem angefochtenen Beschluß gegen die Beteiligte zu 1) ein Zwangsgeld von 200,- DM verhängt, weil sie die Besuchsregelung am 03.12.1978 verhindert habe, und hat den Antrag auf Zwangsgeldfestsetzung gegen den Beteiligten zu 2) zurückgewiesen, weil es nach dem Sachvortrag nicht "klar" sei, für welche Verstöße ein Zwangsgeld festgesetzt werden solle, und weil etwaige Verstöße des Beteiligten zu 2) nicht schwerwiegend seien.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Dieser Beschluß ist der Beteiligten zu 1) am 04.01.1979 zugestellt worden. Ihre Beschwerde ist am 18.01.1979 beim Amtsgericht Münster eingegangen, beim OLG Hamm allerdings erst am 08.02.1979. Mit Beschluß des Senats vom 16.01.1980 ist der Beteiligten zu 1) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist gewährt worden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die das Zwangsgeldverfahren nach § 33 FGG abschließende Festsetzung des Zwangsgeldes oder seine Ablehnung stellt allerdings eine <u>Endentscheidung</u> im Sinne des § 621 e Abs. 1 ZPO dar und ist nur mit der dort vorgesehenen befristeten Beschwerde, einzureichen beim OLG, innerhalb eines Monats seit Zustellung anfechtbar (§§ 621 e Abs. 3, 516 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Sie muß - ebenfalls beim OLG - innerhalb der Monatsfrist des § 519 Abs. 2 ZPO begründet werden. Die Einordnung dieser Zwangsgeldentscheidungen in die Regelung des § 621 e ZPO gebietet der Umstand, daß die Festsetzung des Zwangsgeldes oder die Ablehnung der Festsetzung das gesonderte Zwangsvollzugsverfahren des § 33 FGG <u>abschließt</u> (vgl. KG FamRZ 1978, S. 440 i.d.A. OLG München FamRZ 1977, S. 824). Daß im vorliegenden Verfahren Beschwerde und Beschwerdebegründung erst nach Ablauf der Monatsfrist beim OLG eingingen, gereicht der Beteiligten zu 1) indessen nicht zum Nachteil, weil sie <u>ohne ihr Verschulden</u> verhindert war, die Frist einzuhalten. Deshalb ist ihr auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das <u>zuständige</u> Amtsgericht - Familiengericht - Recklinghausen. Denn das Amtsgericht Münster war für die getroffene Entscheidung <u>örtlich</u> nicht zuständig, nachdem der Minderjährige ... schon im Zeitpunkt des ersten Antrags auf Zwangsgeldfestsetzung im Amtsgerichtsbezirk Recklinghausen seinen Wohnsitz hatte. Die Frage der örtlichen Zuständigkeit ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit jederzeit von Amts wegen zu prüfen. Ihre Entscheidung hängt allerdings davon ab, ob die Prüfung und Entscheidung über die Festsetzung von Zwangsgeld zur Durchführung einer Verkehrsregelung (§ 1634 BGB) eine selbständige Verrichtung im Sinne von § 43 FGG darstellt oder ob sie ein unselbständiger Bestandteil des gerichtlichen - hier vom Amtsgericht Münster durchgeführten - Besuchsregelungsverfahrens ist.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">In der Rechtsprechung und Literatur werden dazu kontroverse Standpunkte vertreten.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Senat folgt insoweit der Meinung des hiesigen 15. Senats (Beschluß vom 05.03.75, JR 1976, 69, mit abl. Anm. v. Bassenge), des OLG Frankfurt (OLGZ 74, 76) und des Kammergerichts (FamRZ 1978, 440) und nicht der des OLG Köln (FamRZ 1972, 518; zustimmend i.u. Keidel-Kuntze-Winkler EGG, 11. Aufl. § 43 Anm. 2 a Fußnote 3, Bumiller-Winkler, FGG, 2. Aufl., § 33 Anm. 10 a).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Auch das Zwangsgeldverfahren zur Durchsetzung einer Besuchsregelung ist eine Familiensache im Sinne von § 621 Abs. 1 Z. 2 ZPO. Wenn - wie hier - keine Ehesache anhängig ist, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach den allgemeinen Vorschriften, gemäß § 621 a Abs. 1 ZPO also nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und dort nach § 36 (maßgebend ist der Wohnsitz des Mündels, den dieser gemäß § 11 BGB mit seinem gesetzlichen Vertreter teilt). Der Minderjährige wohnte jedoch schon nicht mehr im Amtsgerichtsbezirk Münster, als das Zwangsgeldverfahren anhängig wurde. Eine örtliche Zuständigkeit des AG Münster könnte also nur dann begründet sein, wenn man das Zwangsgeldverfahren als bloße unselbständige Fortsetzung der Gerichtlichen Besuchsregelung ansehen würde (so das OLG Köln, a.a.O.). Dem kann indessen nicht zugestimmt werden. Das Zwangsgeldverfahren betrifft vielmehr eine <u>selbständige</u> Verrichtung des Familiengerichts im Sinne des § 43 Abs. 1 FGG (daß die Fassung dieser Vorschrift nur das Vormundschaftsgericht erwähnt, dürfte im Hinblick auf § 621 a Abs. 1 ZPO, der auf die Vorschriften des FGG verweist, soweit sie nicht ausdrücklich durch Bestimmungen der ZPO ersetzt werden, nur ein redaktionelles Versehen sein). Denn gerade die vorliegende Sache macht deutlich, daß es im Regelfall besonderer gerichtlicher Ermittlungen über die behaupteten Verstöße gegen die Besuchsregelung bedarf und diese Ermittlungen sachgerecht - unter Einschaltung des zuständigen Jugendamtes - am besten am Wohnsitz des Minderjährigen, wo das Besuchsrecht ausgeübt wird, getroffen werden. Dem Gesichtspunkt der <u>Ortsnähe</u> des zuständigen Gerichts kommt deshalb eine entscheidende Bedeutung zu.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Stellt das Zwangsgeldverfahren aber eine selbständige Verrichtung dar, dann muß dafür auch die örtliche Zuständigkeit selbständig geprüft werden, unabhängig davon, welches Gericht die Besuchsregelung angeordnet hat. Zuständig ist in diesem Fall das Amtsgericht Recklinghausen, weil ... in diesem Bezirk seinen Wohnsitz hat.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der angefochtene Beschluß war deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung, auch der Bedenken aus dem Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten vom 17.07.79 (Bl. 114 ff), an das Amtsgericht Recklinghausen zu verweisen, das schließlich auch über die Kosten der Beschwerdeinstanz zu befinden haben wird. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens sind gemäß § 8 GKG allerdings nicht zu erheben.</p>
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315,963 | olgk-1980-02-06-16-wx-880 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 16 Wx 8/80 | 1980-02-06T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:48 | 2019-03-27T09:41:46 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1980:0206.16WX8.80.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>ist das Amtsgericht (Vormundschaftsgericht) Düren örtlich zuständig.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>G r ü n d e :</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Am 17. Dezember 1979 beantragte der in E./O. wohnhafte L. G. beim Vormundschaftsgericht Düren, ihm die nach dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge vom 18.7.1979 für die weitere Unterbringung seines Sohnes H. in der Rheinischen Landesklinik Bedburg-Hau, Fachbereich Kinder- und Jugendpsychiatrie, erforderliche vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zu erteilen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht Düren streitet mit dem für Bedburg-Hau zuständigen Amtsgericht Kleve über die örtliche Zuständigkeit für die beantragte Maßnahme.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das angerufene Oberlandesgericht ist nach § 5 Abs. 1 Satz 1 FGG zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen, weil das zu seinem Bezirk gehörende Amtsgericht</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Düren zuerst mit der Sache befaßt war.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Es war auszusprechen, daß das Vormundschaftsgericht Düren örtlich zuständig ist.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die örtliche Zuständigkeit für die Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung richtet sich nach §§ 43 Abs. 1, 36 Abs. 1 Satz 1 FGG. Danach kommt</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">es darauf an, wo das Kind seinen Wohnsitz hat. Nach § 11 BGB teilt ein minderjähriges Kind den Wohnsitz der Eltern bzw. des Elternteils, der das Sorgerecht hat.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Anerkannt ist zwar, daß durch Willensentscheidung der Eltern der Wohnsitz des Kindes am Ort des Elternhauses aufgehoben und an einem anderen Ort begründet werden kann, an dem sich das Kind aufhält, ferner, daß ein solcher Willensentschluß nicht ausdrücklich erklärt zu werden braucht, sondern sich aus den Umständen</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">ergeben kann (vgl. BGHZ 7, 108). Man kann aber grundsätzlich Eltern eines minderjährigen Kindes nicht die innere Willensrichtung unterstellen, selbst ein schwerwiegend oder voraussichtlich auf Dauer erkranktes Kind außerhalb des räumlichen Schwerpunkts ihres eigenen Lebens zu stellen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Insoweit spielen bereits die vermögensrechtlichen Beziehungen eine Rolle, die sich aus der gegenüber minderjährigen Kindern gesteigerten Unterhaltspflicht der</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Eltern und der Erbberechtigung des Kindes ergeben. Insbesondere sind aber bei jungen Menschen die familiären Bindungen an das Elternhaus zu berücksichtigen (vgl. BVerwG NJW 1968, 1059 hinsichtlich eines sich im Ausland aufhaltenden</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Wehrpflichtigen).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die familiären Bindungen zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern sind rechtlich gesehen in der Personensorge begründet. Die Personensorge stellt</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">nicht nur ein Recht und eine Pflicht der Eltern dar, sondern wird gegenüber minderjährigen Kindern in aller Regel von dem Gefühl der Familienzusammengehörigkeit</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">und anderen emotionalen Komponenten bestimmt.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Eltern, die ein wegen geistiger oder psychischer Defekte stationär untergebrachtes Kind in der Anstalt besuchen, haben nicht nur die Möglichkeit, das physische</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Wohlergehen des Kindes zu fördern und zu überwachen und im Rahmen der Anstaltsordnung dem Pflegepersonal geeignete Hinweise zu geben, sondern auch dem Kind das Gefühl persönlicher Zuwendung zu vermitteln oder dies zumindest zu versuchen. Man muß ferner davon ausgehen, daß die Eltern eines solchen Kindes sich jedenfalls die Möglichkeit offenhalten wollen, das Kind zeitweise - etwa zu Urlaubszeiten - oder sogar dauernd wieder nach Hause zu holen und persönlich oder unter persönlicher Aufsicht zu pflegen, mag diese Möglichkeit auch noch von anderen Bedingungen abhängen, etwa von einer Besserung des Zustands des Kindes aufgrund von verbesserten Behandlungsmethoden oder von einer Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern selbst.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Ob diese Gesichtspunkte auch dann noch durchgreifen, wenn die Eltern eines erwachsenen MündeIs zu dessen Vormund bestellt worden sind, kann hier dahingestellt bleiben. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">daß die Rechtssprechung bisher nur in solchen Fällen, in denen die Eltern eines ohne Aussicht auf Entlassung untergebrachten e r w a c h s e n e n Mündels nicht mehr lebten oder nicht zum Vormund bestellt waren, einen Willen des Vormunds angenommen haben, den Wohnsitz des Kindes an dessen Unterbringungsort zu begründen (OLG Rostock OLGE 33, 19 bei einem MündeI, das vor der Einweisung nirgends festen Fuß gefaßt und ein unstetes Leben geführt hatte; OLG Köln JMBl. NRW 60, 131 für den Fall, daß nach dem Tode des letzten Elternteils keine persönlichen und vermögensrechtlichen Beziehungen des MündeIs mehr zum letzten Wohnort bestanden; OLG Karlsruhe Rpfl 1970, 202 bei einem MündeI, dessen Mutter zwar noch lebte, das aber wegen nichtehelicher Geburt unter Amtsvormundschaft stand).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Nach alledem ist das Vormundschaftsgericht Düren örtlich zuständig.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Köln, den 6. Februar 1980</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Oberlandesgericht, 16. Zivilsenat</p>
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315,964 | olgham-1980-02-05-15-w-27779 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 15 W 277/79 | 1980-02-05T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:52 | 2019-03-27T09:41:46 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1980:0205.15W277.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 12. August 1979 wird der Beschluß des Amtsgerichts Essen-Steele vom 24. Juli 1979 aufgehoben.</p>
<p>Die Beschlüsse der Wohnungseigentümer der Wohnungseigentumsanlage ... und ... in ... vom 12. März 1979 zu den Tagesordnungspunkten 4 b und 4 c werden für ungültig erklärt.</p>
<p>Die Gerichtskosten der Verfahren erster, zweiter und dritter Instanz werden den Beteiligten zu 2) bis 83) als Gesamtschuldnern auferlegt. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet in den drei Instanzen nicht statt.</p>
<p>Der Wert des Gegenstandes der zweiten - insoweit in Abänderung des angefochtenen Beschlusses - und dritten Instanz wird auf je 5.000,- DM festgesetzt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>1)</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten zu 1) bis 83) sind Wohnungseigentümer innerhalb der aus mehreren Gebäuden
bestehenden Wohnungseigentumsanlage ... und ... in ... die von der Beteiligten zu 84) verwaltet wird.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">In einer Eigentümerversammlung vom 12. März 1979 haben die anwesenden stimmberechtigten
Wohnungseigentümer unter anderem beschlossen:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">zu Punkt 4 a der Tagesordnung mit 54 Ja-Stimmen gegen 4 Nein-Stimmen,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks"><i>"den Außenanstrich sämtlicher Fenster und Balkontüren sowie der Holzelemente
in den Loggien einschließlich Nacharbeiten der Kittfalze an den Innenseiten der Fenster und
Türscheiben durchführen zu lassen und gleichzeitig den Verwaltungsbeirat sowie die
Wohnungseigentümer Hartwich, Nykamp und Tüllmann in Zusammenarbeit mit dem Verwalter
zu ermächtigen, über die endgültige Auftragsvergabe bis 15. Mai 1979 zu entscheiden;"</i></p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">zu Punkt 4 b der Tagesordnung mit 54 Ja-Stimmen gegen 4 Nein-Stimmen,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><i>"die Stahlgitter der Balkone auf dem Wege der Eigenhilfe zu streichen, wobei die Farbe von der
Gemeinschaft zu Lasten der Instandhaltungsrücklage zur Verfügung gestellt werde und die Arbeiten
bis zum 30. September 1979 auszuführen seien;"</i></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">zu Punkt 4 c der Tagesordnung mit 52 Ja-Stimmen gegen 6 Nein-Stimmen,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><i>"den Anstrich der Balkonunterseiten sowie der Stirnseiten und Brüstungen der Loggien
(innen) auf dem Wege der Eigenhilfe zu erneuern, wobei die Farbe (Grundfarbe weiß) von jedem
Wohnungseigentümer selbst zu beschaffen sei"</i></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">§ 7 Abs. 1 der für die Wohnungseigentümergemeinschaft maßgebenden Teilungserklärung
vom 30. Mai 1974 bestimmt, daß die Instandhaltung der zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Teile
des Gebäudes einschließlich der äußeren Fenster und des Grundstücks der Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer obliegt; sie ist vom Verwalter zu veranlassen. Nach § 5 Abs. 3 der
Teilungserklärung dürfen die Wohnungseigentümer die im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden
Teile des Gebäudes nicht eigenmächtig verändern. Dies gilt auch für den Außenanstrich
des Gebäudes, der Fenster, Rolläden, Loggien- bzw. Balkonverkleidungen und der
Wohnungsabschlußtüren. Änderungen der äußeren Gestalt oder des Anstriches der
Gebäude bedürfen des Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung mit einfacher Mehrheit.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><b>2)</b></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 2. April 1979, das am 3. April 1979 beim Amtsgericht Essen-Steele eingegangen ist, hat
der Beteiligte zu 1) beantragt, die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 12. März 1979 zu
den Tagesordnungspunkten 4 b und 4 c für ungültig zu erklären. Er hat zur Begründung seines
Antrages vorgetragen, sowohl die Stahlgitter der Loggien als auch die Balkonunterseiten und -stirnseiten seien
gemeinschaftliches Eigentum. Es sei eine angemessene Instandhaltungsrücklage zur Durchführung
ordnungsgemäßer Instandhaltungsarbeiten am gemeinschaftlichen Eigentum vorhanden. Beschlüsse,
Instandhaltungsarbeiten in Eigenhilfe durchzuführen, bedürften der Zustimmung alter 83
Wohnungseigentümer; ein Mehrheitsbeschluß genüge nicht. Diejenigen Wohnungseigentümer,
die derartige Selbst- oder Eigenhilfearbeiten nicht selbst durchführen könnten und Handwerker auf
eigene Kosten beauftragen müßten, würden mit höheren Kosten belastet als diejenigen, die
die Eigenhilfearbeiten durchzuführen imstande seien. Das Gleichheitsprinzip werde verletzt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Diesem Antrag sind verschiedene Wohnungseigentümer entgegengetreten. Sie haben im wesentlichen geltend
gemacht: Für diese von jedem schnell und billig zu erledigende Verschönerungsarbeiten am
Gemeinschaftseigentum bedürfe es lediglich eines Mehrheitsbeschlusses. Faktisch beinhalteten diese Arbeiten
nichts anderes als die Instandhaltung des Sondereigentums, zu der der Eigentümer nach § 7 Abs. 2 der
Teilungserklärung ohnehin verpflichtet sei. Wohnungseigentümer, die zur Selbsthilfe nicht imstande
seien, würden nicht stärker belastet als solche, die die angesprochenen Instandhaltungsarbeiten selbst
ausführen könnten, da auch Selbsthilfearbeiten bewertbar seien. Der einzelne Wohnungseigentümer
habe bei Bestellung eines Handwerkers in der Regel den gleichen Betrag für die Arbeit zu entrichten wie im
Falle der Vergabe durch den Verwalter. Indes würden die Wohnungseigentümer, die gerne selbst diese
Arbeit verrichteten, zumindest finanzielle entlastet. Außerdem habe eine Reihe von Wohnungseigentümern -
berechtigt durch einen Eigentümerbeschluß - auf eigene Kosten die Seiten- und Stirnflächen der
Loggien plattiert und damit der Gemeinschaft auf Jahre Unterhaltungsarbeiten erspart; solche Eigentümer
könnten billigerweise nicht mit Kosten für Verschönerungsarbeiten an Loggien belastet werden,
die nicht der eigenen Nutzung unterlägen. Andere hätten die teilweise vorhandenen Nischen auf den
Loggien durch den Einbau eines Holzelementes mit Tür geschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat das Amtsgericht Essen-Steele durch Beschluß
vom 24. Juli 1979 den Antrag des Beteiligten zu 1) auf Aufhebung der Eigentümerbeschlüsse vom 12.
März 1979 zu den Tagesordnungspunkten 4 b und 4 c zurückgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 12. August 1979 hat das Landgericht, nachdem der beauftragte
Richter der Beschwerdekammer eine mündliche Verhandlung vom 27. September 1979 durchgeführt hatte, durch
Beschluß vom 29. Oktober 1979 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere
Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 16. Oktober (richtig: November) 1979.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Das Rechtsmittel ist statthaft, in rechter Form und Frist eingelegt und auch sonst zulässig (§§
43 Abs. 1 Nr. 4, 45 Abs. 1 WEG, 27, 29 FGG). Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) ergibt sich schon daraus,
daß seine sofortige erste Beschwerde erfolglos geblieben ist.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die sofortige weitere Beschwerde ist auch begründet, weil die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung
des Gesetzes beruht (§ 27 FGG). Sie führt zur Aufhebung der land- und amtsgerichtlichen Entscheidung und
zur Ungültigerklärung des Beschlusses der Wohnungseigentümer vom 12. März 1979 zu den
Tagesordnungspunkten 4 b und 4 c. Das Landgericht hat die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines
Mehrheitsbeschlusses gemäß § 21 Abs. 3 WEG verkannt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"><b>1)</b></p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde des
Beteiligten zu 1) ausgegangen (§§ 43 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 2, 45 Abs. 1 WEG, 19, 21 FGG). Weitere
Erfordernisse - die in der Beschwerdeentscheidung nicht ausdrücklich erörtert worden sind - waren
gleichfalls gegeben: Die Zulässigkeit der gewählten Verfahrensart folgt aus § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG,
der Beschlußanfechtungsantrag ist innerhalb der Frist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG von einem antragsbefugtem
Wohnungseigentümer gestellt; der Verpflichtung zur Zuziehung aller Verfahrensbeteiligten und zur mündlichen
Verhandlung mit dem Versuch einer Schlichtung (§§ 43 Abs. 4 Nr. 2 und 44 Abs. 1 WEG) ist die Vorinstanz
gerecht geworden.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks"><b>2)</b></p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">In der Sache begegnet die Beschwerdeentscheidung jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Gegenstand des
Verfahrens ist die Anfechtung der Beschlüsse der Wohnungseigentümer vom 12. März 1979 zu den
Tagesordnungspunkten 4 b und 4 c. Im Anfechtungsverfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG hat das Gericht nicht
nur die Art des Zustandekommens des Beschlusses zu prüfen, sondern auch die Fragen, ob er dem Gesetz, der
Gemeinschaftsordnung oder einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer sowie den Grundsätzen einer
ordnungsgemäßen Verwaltung (§ 21 Abs. 2 WEG) entspricht (Beschluß des Senats vom 11. August
1970 - 15 W 232/69 - = OLGZ 1971, 101; Palandt/Bassenge, BGB, 39. Aufl., Anm. 1 d zu § 43 WEG). Einen
Anfechtungsgrund in diesem Sinne stellt es dar, wenn die Wohnungseigentümer einen Mehrheitsbeschluß
über eine Angelegenheit gefaßt haben, welche einem solchen Beschluß nicht zugänglich war,
sondern Einstimmigkeit erfordert hätte (BGH, NJW 1970, 1316; Palandt/Bassenge, Anm. 5 c bb zu § 23 WEG).
Die Zulässigkeit eines Mehrheitsbeschlusses hat das Landgericht zu Unrecht bejaht.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Da nach § 21 Abs. 1 WEG die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums im Regelfall den
Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zusteht, können grundsätzlich Verwaltungsmaßnahmen
nur mit Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer getroffen werden (Amtl. Begründung zum Entwurf
eines WEG; BRatsDrucks. 75/51). Nach § 21 Abs. 3 WEG können jedoch die Wohnungseigentümer, soweit
die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer geregelt
ist, eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung
durch Stimmenmehrheit beschließen. Der Mehrheitsbeschluß ist nur innerhalb bestimmter rechtlicher
Schranken möglich. Er ist nur zulässig über Angelegenheiten im Sinne von § 25 Abs. 1 WEG,
also nicht über solche, die Einstimmigkeit erfordern. Solche Grenzen sind die Ergänzung und Abweichung
vom Gesetz (vgl. § 10 Abs. 1 und 2 WEG), die Abänderung von Vereinbarungen (soweit diese nicht selbst
Mehrheitsbeschlüsse zulassen), Verfügungshandlungen und bauliche Veränderungen und Aufwendungen
im Sinne von § 22 WEG (Palandt/Bassenge, Anm. 3 zu § 21 WEG; Soergel/Baur, BGB, 11. Aufl., Rz. 3 zu
§ 21 WEG). Diese Grenzen sind durch die beiden Mehrheitsbeschlüsse vom 12. März 1979
überschritten worden. Das Landgericht hat verkannt, daß beide Beschlüsse einen von den Vorschriften
des Wohnungseigentumsgesetzes abweichenden Inhalt haben.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Beschlußinhalte waren hier das Streichen der Stahlgitter der Balkone sowie der Balkonunterseiten, ferner
der Stirnseiten und Brüstungen der Loggien (innen). Betroffen sind damit Gegenstände des gemeinschaftlichen
Eigentums, das im Miteigentum der Beteiligten zu 1) bis 83) steht. Als gemeinschaftliches Eigentum sind
Abschlußgitter und Bodenplatten von Balkonen (BayObLGZ 1974, 269; Palandt/Bassenge, Anm. 4 b zu § 1 WEG)
ebenso anerkannt wie Außenseiten der Balkone und Balkonzwischenwände (OLG Frankfurt, NJW 1975, 2297;
Palandt/Bassenge, a.a.O.). Die ordnungsmäßige Instandhaltung dieses gemeinschaftlichen Eigentums - dazu
gehört die Erneuerung des Anstrichs als Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes dieser Bauteile -
gehört als Gemeinschaftsaufgabe zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der
Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG) und ist daher von der Instandhaltung
des Sondereigentums abzugrenzen, die dem einzelnen Wohnungseigentümer obliegt. Für Fragen der Instandhaltung
und Instandsetzung im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung ist in erster Linie die Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer durch Beschlußfassung in der Versammlung zuständig. Außerdem ist auch die
Zuständigkeit des Verwalters, der nach § 20 Abs. 2 WEG zwingend zu bestellen ist, gemäß §
27 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 WEG zu beachten. Danach gehört es zu den Aufgaben und Befugnisses des Verwalters,
die für die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums
erforderlichen Maßnahmen zu treffen und die damit zusammenhängenden Zahlungen und Leistungen zu bewirken
und entgegenzunehmen. Diese selbständige Zuständigkeit des Verwalters kann nach § 27 Abs. 3 WEG durch
Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht eingeschränkt werden. Alle mit der ordnungsmäßigen
Instandhaltung und Instandsetzung verbundenen Kosten sind Kosten der Verwaltung im Sinne des § 16 Abs. 2 WEG.
Nach dem Gesetz tragen die Wohnungseigentümer zu der gemeinschaftlichen Verwaltung durch anteilige Geldleistungen
bei. Zur ordnungsmäßigen Verwaltung gehört daher die Ansammlung einer angemessenen
Instandhaltungsrückstellung (§ 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG), die als gemeinschaftliches Geld vom Verwalter zu
verwalten ist (§ 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG). Der Verwalter hat die ihm gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2
Nr. 2 WEG obliegenden Verwaltungsaufgaben nach Maßgabe des Wirtschaftsplans (vgl. § 28 Abs. 1 Nr. 3 und
Abs. 2 WEG) unter Verwendung der gemeinschaftlichen Mittel durchzuführen. Die Instandhaltungsarbeiten sind nach
dem Gesetz demnach aus der Instandhaltungsrücklage zu finanzieren.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die beiden angefochtenen Mehrheitsbeschlüsse weichen von dieser gesetzlichen Regelung ab. Sie verpflichten
den einzelnen Wohnungseigentümer hinsichtlich der Instandhaltung gemeinschaftlichen Eigentums zu einer
persönlichen Dienstleistung gegenüber der Gemeinschaft, obwohl der Eigentümerversammlung durch
das Gesetz keine Befugnis dazu eingeräumt worden ist. Derartige Mehrheitsbeschlüsse sind daher als
inhaltlich unzulässig anzusehen (KG, OLGZ 1978, 146 = Rpfleger 1978, 146 = WEM 1978, 54). Dieser Auffassung
stimmt der Senat zu. Dabei macht es keinen Unterschied, ob diese persönlichen Leistungen durch Eigenarbeit
(persönliche Vornahme der Anstriche) oder durch die Veranlassung von Drittleistungen (Beauftragung eines
Handwerkers usw.) erbracht werden, was das Landgericht ebenfalls verkannt hat. Denn in beiden Fällen wird
der Wohnungseigentümer in bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum zu einer persönlichen Tätigkeit
angehalten, mag diese in der Vornahme des Anstrichs oder in der Beauftragung eines Dritten bestehen, obwohl er
nach dem Gesetz auf die Kostenübernahme der durch die Organe der Wohnungseigentümergemeinschaft zu
veranlassenden Tätigkeit beschränkt ist.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte zu 1) betont mit Recht, daß diese gesetzliche Regelung auch durchaus sinnvoll ist. Im
Regelfall ist die Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums einheitlicher und wirtschaftlicher gewährleistet,
wenn sie zentral durchgeführt und nicht den einzelnen Wohnungseigentümern überlassen wird. Auch mögen
viele Erwerber von Wohnungseigentum gerade in der rechtlich so ausgestalteten Pflege des gemeinschaftlichen Eigentums
einen Vorteil gegenüber dem Eigenheim sehen, weil sie sich dann nicht mehr - abgesehen von der Kostenübernahme
und der Mitwirkung im Beschlußorgan der Wohnungseigentümer Versammlung - um die Instandhaltung und
Instandsetzung des Objekts persönlich bemühen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die gesetzliche Regelung, daß sich die Verpflichtung des Wohnungseigentümers im Hinblick auf die
Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums auf die anteilige Übernahme der. Kosten
beschränkt und nicht die Heranziehung zu persönlichen Dienstleistungen beinhaltet, gilt nach der
Auffassung des Kammergerichts (a.a.O.) dann nicht, wenn die Wohnungseigentümer eine Vereinbarung über
persönliche Dienstleistungen getroffen haben oder wenn bei deren Fehlen im Einzelfall die Verpflichtung des
einzelnen Eigentümers, sich zu persönlichen Dienstleistungen heranziehen zu lassen, im Wege der Auslegung
der Teilungserklärung und der sonst bestehenden Vereinbarungen unter Berücksichtigung der besonderen
Verhältnisse der Gemeinschaft und der örtlichen Gegebenheiten festgestellt werden kann. Auch diese
Auffassung führt hier nicht zur Zulässigkeit der beiden Mehrheitsbeschlüsse.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Teilungserklärung vom 30. Mai 1974 enthält keine ausdrückliche Befugnis der
Eigentümerversammlung, von den einzelnen Wohnungseigentümern tätige Mitarbeit bei der Instandhaltung
des gemeinschaftlichen Eigentums allgemein oder in bezug auf bestimmte Teile verlangen zu können. Die
Erklärung knüpft vielmehr an die gesetzliche Regelung an. Nach § 4 der Teilungserklärung
bestimmt sich nämlich das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander nach den Vorschriften
der §§ 10 bis 29 WEG, soweit im folgenden nicht etwas anderes geregelt ist. Der Einsatz persönlicher
Dienstleistungen wird in den folgenden Bestimmungen nicht anerkannt. Nach § 7 Abs. 1 der Teilungserklärung
obliegt im Gegenteil die Instandhaltung der zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Teile des Gebäudes
einschließlich der äußeren Fenster und des Grundstücks der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
und ist vom Verwalter zu veranlassen. § 13 Nr. 1 Buchstabe e der Teilungserklärung sieht vor, daß die
Wohnungseigentümer zur Ansammlung einer Instandhaltungsrückstellung für das gemeinschaftliche Eigentum
verpflichtet sind und zu diesem Zweck einen jährlichen Betrag nach § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG zu entrichten
haben, der sich nach der jeweiligen Wohnfläche errechnet. Mag auch die Teilungserklärung bei der jeweiligen
Erläuterung des Sondereigentums neben den anderen Räumen die Loggien ausdrücklich nennen, so ist deshalb
nicht die Instandhaltung angrenzender Teile des Gemeinschaftseigentums derjenigen des Sondereigentums zugeordnet, zumal
auch andere Räume des Sondereigentums an Teile des Gemeinschaftseigentums grenzen, ohne daß diese Teile durch
den jeweiligen Wohnungseigentümer instandzuhalten wären. Eine derartige Zuordnung würde solche Teile
im übrigen ganz den Instandhaltungsbeschlüssen der Wohnungseigentümer entziehen. Sie fehlt auch in der
Teilungserklärung vom 30. Mai 1974, nach deren § 5 Nr. 3 Satz 2 die Wohnungseigentümer den
Außenanstrich des Gebäudes, der Fenster, Rolläden, Loggien- bzw. Balkonverkleidungen und der
Wohnungsabschlußtüren nicht eigenmächtig verändern dürfen. Wenn nach § 5 Nr. 3 Satz 3
der Teilungserklärung Änderungen der äußeren Gestalt oder des Anstrichs der Gebäude nur
des Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung mit einfacher Mehrheit bedürfen, so ist damit erkennbar
der Beschluß über das Erfordernis der Änderung - möglicherweise auch als eines über die
Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehenden Eingriffs - gemeint. Einen anderen Beschlußgegenstand bildet
demgegenüber die Art, in der die Instandhaltungsmaßnahme durchzuführen ist, indem entweder (als
gemeinschaftliche Verwaltung) der Verwalter unter Verwendung gemeinschaftlicher Mittel hierfür das Erforderliche
veranlaßt oder aber (als Sonderverwaltung) die Wohnungseigentümer Teile des Gemeinschaftseigentums durch
tätige Mithilfe instandsetzen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Im Wege der Auslegung der Teilungserklärung oder sonstiger Vereinbarungen in Verbindung mit besonderen
Verhältnissen der Gemeinschaft ergibt sich ebenfalls keine Zulässigkeit des Mehrheitsbeschlusses. Es
fehlen bereits Anknüpfungspunkte für eine Auslegung. Die Versammlung der Wohnungseigentümer hat
allerdings am 24. Juni 1976 unter Punkt 9 der Tagesordnung beschlossen, daß die Kachelung der Loggien zu
Lasten derjenigen Wohnungseigentümer, die dies wünschen, genehmigt werde. Aber dieser Beschluß hatte
nur eine Gestattung und nicht eine Verpflichtung zur tätigen Mithilfe zum Inhalt. Hätte er zu einer
tätigen Mithilfe verpflichtet, dann wäre er ebenfalls nicht aus einer Vereinbarung abzuleiten gewesen.
Aus der Tatsache der unterbliebenen Anfechtung dieses nicht von allen Wohnungseigentümern gefaßten
Beschlusses ließe sich nicht ableiten, daß die Wohnungseigentümer dem Gesetz und der Teilungsvereinbarung
zuwider in der Folgezeit zu Dienstleistungen zum Zwecke der Instandhaltung von Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums
herangezogen werden können. Außerdem hat sich in der mündlichen Verhandlung des Landgerichts
herausgestellt, daß die damals interessierten Wohnungseigentümer nicht entlastet werden sollten, soweit
es um den Anstrich der übrigen Loggien gehe.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die örtlichen Gegebenheiten legen schließlich auch nicht die Zulässigkeit eines Mehrheitsbeschlusses
nahe, der schon im Wege der Auslegung der Teilungserklärung nicht entnommen werden könnte. Es ist auch bei
vergleichbaren großen Mietwohnblöcken nicht üblich, daß die Mieter den Anstrich derartiger
Gebäudeteile übernehmen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Ausführungen des Landgerichts zur Begründung seiner Ansicht, daß die angefochtenen
Beschlüsse einer ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen, die die Interessen der Gesamtheit der
Wohnungseigentümer berücksichtigt, treffen nicht die Rechtslage. Nach § 21 Abs. 4 WEG kann zwar
jeder Wohnungseigentümer eine dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechende Verwaltung
nach billigem Ermessen verlangen, soweit Vereinbarungen oder Beschlüsse nicht vorliegen. Dieses Verlangen hat
aber dort Grenzen, wo das Gesetz eine bestimmte Verwaltung vorschreibt, das Verlangen von dieser gesetzlichen Regelung
abweicht und auch nicht durch eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer gedeckt wird.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Da bereits die Unzulässigkeit eines auf § 21 Abs. 3 WEG beruhenden Mehrheitsbeschlusses aus der
dem Gesetz fremden Befugnis der Eigentümerversammlung folgt, den Wohnungseigentümern eine Verpflichtung
zur tätigen Mithilfe aufzuerlegen, ist keine Stellungnahme zu der weiteren Frage erforderlich, ob selbst eine
entsprechende Vereinbarung im Hinblick darauf, daß die den Wohnungseigentümern gemäß § 21
Abs. 1 WEG zustehende gemeinschaftliche Verwaltung durch die in §§ 26-28 WEG geregelten Aufgaben des
Verwalters eingeschränkt ist, hingenommen werden könnte. Das Kammergericht (a.a.O.) hat mit beachtlichen
Erwägungen gemeint, das Gesetz begründe für die Durchführung der Instandhaltungsmaßnahmen
eine doppelte Zuständigkeit, wenn es auch in ersten Linie die Aufgabe der Eigentümer sein möge,
über die einzelnen Instandhaltungsmaßnahmen mehrheitlich zu beschließen, und vornehmlich Sache
des Verwalters, diese Beschlüsse auszuführen. Immerhin dürfte dies Auffassung an § 27 Abs. 1
Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 WEG zu messen sein (Palandt/Bassenge, Anm. 1 zu § 21 WEG).</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Zusammenfassend fehlte der Wohnungseigentümerversammlung vom 12. März 1979 mithin die Befugnis
für die beiden Mehrheitsbeschlüsse. Die Versammlungsmehrheit durfte den einzelnen Wohnungseigentümern
nicht in Form tätiger Mithilfe bei der Instandsetzung gemeinschaftlichen Eigentums mehr Pflichten auferlegen,
als sie nach dem Gesetz und der Teilungsvereinbarung zu erfüllen hatten. Dies entfernte sich vom Grundsatz der
gemeinschaftlichen Verwaltung (§ 21 Abs. 1 WEG) in Richtung auf eine gesonderte Verwaltung der einzelnen
Eigentümer in einem Teilbereich. Ob ein Mehrheitsbeschluß dahin rechtlich zulässig gewesen wäre,
den einzelnen Wohnungseigentümer von der auf ihn entfallenden Umlage der Anstrichkosten zu befreien, wenn er
selbst Pflegearbeiten in einem bestimmten Bereich gemeinschaftlichen Eigentums übernimmt, bedarf im Hinblick
auf die vorliegenden Beschlüsse keiner Entscheidung. Die beiden Mehrheitsbeschlüsse sind daher für
ungültig zu erklären. Um diesen gestaltenden Anspruch herbeiführen zu können, sind der
angefochtene Beschluß auf die sofortige weitere und der Beschluß des Amtsgerichts vom 24. Juli 1979
auf die sofortige erste Beschwerde des Beteiligten zu 1) aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">3</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidungen folgen aus § 47 Satz 1 und 2 WEG. Angesichts ihres Unterliegens entspricht es
dem billigem Ermessen, die Gerichtskosten der drei Instanzen den Beteiligten zu 2) bis 83) als Gesamtschuldnern
aufzuerlegen. Eine Erstattungsanordnung hinsichtlich außergerichtlicher Kosten der Instanzen hat der Senat
entsprechend dem Grundsatz, daß jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat und eine Kostenerstattung
nur ausnahmsweise bei besonderen Gründen anzuordnen ist (vgl. Palandt/Bassenge, Anm. 2 b zu § 47 WEG),
nicht getroffen. Ein Ausnahmefall, der eine Erstattungsanordnung nahelegen würde, liegt nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Wertfestsetzung für beide Beschwerdeinstanzen folgt aus § 48 Abs. 2 WEG, wobei der Senat
hinsichtlich der Festsetzung zweiter Instanz von der Abänderungsbefugnis des § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO
Gebrauch gemacht hat. Der hier maßgebliche Verfahrensgegenstand (Beschlüsse über Anstreicherarbeiten
durch tätige Mithilfe) ist nur einer einheitlichen Betrachtung und Wertung zugänglich. Alle
Wohnungseigentümer einschließlich der Verwalterin konnten die beiden Beschlüsse - mit Rechtskraftwirkung
der Entscheidung für und gegen alle Beteiligten (§ 45 Abs. 2 Satz 2 WEG) - gerichtlich überprüfen
lassen (§ 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG). Es ist daher nicht angebracht, die Geschäftswerte nach dem Interesse der
einzelnen Wohnungseigentümer aufzuspalten (BayOLG, Rpfleger 1979, 386;Palandt/Bassenge, Anm. 2 zu § 48 WEG),
wie es erkennbar das Landgericht getan hat. Da es sich hier um eine größere Wohnanlage mit 83
Eigentumswohnungen handelt und der Wert der nach den Tagesordnungspunkten 4 b und 4 c auszuführenden Arbeiten
gemäß dem vom Beteiligten zu 1) vorgelegten Kostenangebot der Firma Müller etwa 25.000,- DM betragen
soll, erscheint angesichts der Bedeutung der Angelegenheit ein Geschäftswert von je 5.000,- DM für beide
Beschwerdeinstanzen angemessen.</p>
|
315,965 | olgham-1980-02-04-2-ss-owi-275579 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 Ss OWi 2755/79 | 1980-02-04T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:53 | 2019-03-27T09:41:45 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1980:0204.2SS.OWI2755.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.</p>
<p>2) Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht ... zurückverwiesen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen einer Zuwiderhandlung nach §§ 37, 49 StVO eine Geldbuße von 150,- DM festgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Rechtsbeschwerde rügt die Verletzung formellen Rechts. Sie beanstandet, daß das Gericht nicht auf das Erscheinen des Verteidigers gewartet hat. Der Termin war auf 9.45 Uhr anberaumt. Als der Verteidiger, der von auswärts anreisen mußte, um 9.55 Uhr erschien, war das Urteil bereits verkündet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 OWiG zugelassen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Verfahrensrüge greift durch.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">In der Rechtsprechung ist eine Rechtspflicht des Gerichts, das Erscheinen des Verteidigers abzuwarten oder auch eine Hauptverhandlung wegen Ausbleibens des Verteidigers zu vertragen, in den Fällen anerkannt worden, in denen rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten oder Besonderheiten in der Person des Betroffenen dies geboten erscheinen ließen, ferner ist auch darauf abgestellt worden, ob der Verteidiger sein Erscheinen oder eine unvorhergesehene Verspätung besonders angekündigt hatte.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Diese Voraussetzungen lagen hier, soweit ersichtlich, nicht vor. Der Senat hat jedoch bereits in einer Entscheidung vom 11.4.1978 (veröffentlicht in JMBl. NRW 1978, Seite 168; VRS Band 55 Seite 368) ausgeführt, daß auch ohne jene Voraussetzungen ein Verfahrensfehler dann vorliegen könne, wenn durch Verkündung des Urteils einem Verteidiger schon bei einer Verspätung bis zu 15 Minuten die Möglichkeit genommen werde, auf den Gang der Verhandlung und die Entscheidung des Gerichts Einfluß zu nehmen. Der Sachverhalt, der der Senatsentscheidung vom 11.4.1978 zugrunde lag, nötigte nicht zu einer abschließenden Entscheidung der Rechtsfrage, weil der Verteidiger noch vor der Urteilsverkündung erschienen war. Im vorliegenden Fall ist die Rechtsfrage entscheidungserheblich. Der Sitzungsniederschrift kann auch nicht entnommen werden, daß der Betroffene ausdrücklich befragt worden ist, ob und inwieweit er mit einer Verhandlung in Abwesenheit des Verteidigers einverstanden sei. Der Tatrichter hat eine solche Befragung auch weder beim Erscheinen des Verteidigers in der Hauptverhandlung noch in seinem. Schreiben an den Verteidiger vom 26.7.1979, das sich mit den Folgen der Verspätung des Verteidigers befaßt, angeführt. Der Senat kann daher davon ausgehen, daß eine ausdrückliche Befragung versäumt worden ist und der Betroffene sich auch nicht ausdrücklich damit einverstanden erklärt hat, daß die Verhandlung in Abwesenheit des Verteidigers begonnen und zu Ende geführt wurde. Dann liegt aber darin, daß mit der Verkündung des Urteils seit dem angesetzten Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht einmal 15 Minuten auf das Erscheinen des Verteidigers gewartet wurde, eine Verletzung der prozessualen Fürsorgepflicht. Der Senat folgert dies, wie bereits in der Entscheidung vom 11.4.1978 angeführt, aus dem Rechtsstaatsprinzip, dem daraus sich ergebenden Recht des Betroffenen auf ein faires Verfahren und der Erwägung, daß eine Wartezeit bis zu 15 Minuten die Interessen anderer Verfahrensbeteiligter und Zeugen im anstehenden und in den anderen, später angesetzten Verfahren nicht unangemessen beeinträchtigt. Wesentlich für die geringe Bedeutung einer solchen Wartezeit erscheint dem. Senat dabei vor allem, daß sie sich, auch wenn sie in mehreren Verfahren am selben Tage beachtet werden muß, nicht summiert. Demgegenüber können sich unvermeidbare Terminsverschiebungen, die sich dadurch ergeben, daß die Verhandlungsdauer nicht richtig eingeschätzt wurde, zumal wenn sie mehrfach auftreten, wesentlich schwerwiegender auswirken und müssen gleichwohl von pünktlich erschienenen Betroffenen und Verteidigern hingenommen werden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Senat kann nicht ausschließen, daß der Tatrichter zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre, wenn der Verteidiger in der Hauptverhandlung noch Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hätte. Deshalb nötigt der aufgezeigte Verfahrensfehler zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache.</p>
|
315,966 | olgham-1980-01-29-1-uf-25079 | {
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<p>Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 8. Mai 1979 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lübbecke wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsmittels.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Verbundurteil hat das Amtsgericht die am 11.04.1974 geschlossene Ehe der Parteien geschieden und die elterliche Gewalt über das am ... geborene Kind ... dem Vater zugesprochen. Den Antrag der Mutter, den Vater zu Unterhaltsleistungen für das Kind zu verurteilen, hat es abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin. Sie verlangt die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich und verfolgt den Unterhaltsanspruch des Kindes in Höhe von 140,- DM monatlich gegen den Antragsgegner weiter.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin ist ... Jahre alt, der Antragsgegner ... Jahre. Der Mann ist Malergeselle, die Frau nach einer abgebrochenen Lehre Taxifahrerin. Nach der Heirat wohnten die Parteien zunächst bei den Eltern des Antragsgegners. Nach einigen Jahren bezogen sie eine eigene Wohnung. Am 18.04.1978 zog die Antragstellerin unter Zurücklassung des Kindes aus. Der Antragsgegner kehrte daraufhin mit ... in die Wohnung seiner Eltern zurück. Diese betreuen seither das Kind.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung der Trennung hat die Antragstellerin vorgetragen, der Antragsgegner habe im Übermaß dem Alkohol zugesprochen. Dieser bestreitet das und führt zur Begründung der Trennung an, die Antragstellerin habe um jeder. Preis frei sein wollen. Im Scheidungsantrag vom 25.01.1979 schlug die Antragstellerin vor, die elterliche Gewalt dem Antragsgegner zu übertragen wurde vorher schon eine Korrespondenz geführt. Im Rahmen derselben erklärte sie sich bereit, das Kind dem Mann zu überlassen, wenn er sie von Unterhaltsansprüchen des Kindes freistelle. Mit Schriftsatz vom 06.03.1979 lehnte der Mann diesen Wunsch ab. Und verlangte mit Schriftsatz vom 28.03.1979 205,- DM monatlich Unterhalt für das Kind. Mit Schriftsatz vom 05.04.1979 begehrte die Antragstellerin, die seit März 1979 ganztägig als Taxifahrerin arbeitet, die elterliche Sorge nunmehr für sich.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">In einem Verfahren nach § 1672 BGB wurde die elterliche Gewalt durch Beschluß vom 19.09.1978 dem Vater übertragen. Das Kind wird seither weitgehend von den Großeltern, insbesondere der Großmutter, betreut. Diese ist ... Jahre alt und dazu in der Lage. Die Mutter besucht das Kind und hatte es auch in den Ferien bei sich.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin verweist zur Begründung ihres Antrages auf Übertragung der elterlichen Sorge insbesondere darauf hin, die Verhältnisse hätten sich gegenüber 1978 erheblich geändert. Sie sei reifer geworden. Sie habe inzwischen den Zeugen Kaschube kennengelernt, den sie heiraten wolle. Man werde eine Wohnung im Hause ihrer künftigen Schwiegereltern beziehen. Dort stehe ein geräumiges Kinderzimmer für das Kind zur Verfügung. Im Falle der Übertragung der elterlichen Sorge werde sie ihre Berufstätigkeit aufgeben. Herr ... sei Fahrer eines Krankenwagens im öffentlichen Dienst und allein zur Bestreitung des Lebensunterhalts aus seinem Verdienst in der Lage. Sie verfüge über die besseren emotionalen Beziehungen zu dem Kind. Auch Herr ... verstehe sich gut mit ihm.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner verweist darauf, daß auch er wieder heiraten wolle, und zwar die ... jährige Verwaltungsangestellte .... Des Kind sei schon während der Ehe oft bei seiner Eltern gewesen und fühle sich dort wohl. Nach dem ständigen Aufenthaltswechseln brauche es Geborgenheit und die bisherige Umwelt. Er selbst und seine Freundin befaßten sich insbesondere an den Wochenenden mit dem Kind. Er habe inzwischen die Arbeitsstelle gewechselt, um nicht mehr soviel Überstunden leisten zu müssen und für das Kind bereits in den späten Nachmittagsstunden zur Verfügung zu stehen. Die Antragstellerin komme für die Übertragung der elterlichen Sorge nicht in Frage. Sie sei während der Ehe weggelaufen und habe das Kind ihm Überlassen. Nur weil er sie nicht von den Unterhaltsansprüchen freigestellt habe, fordere sie nun die elterliche Gewalt für sich.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat ein Gutachten der Dipl-Psychologin ... eingeholt. Auf das Gutachten vom 24.09.1979 Bl. 103 ff. d.A. wird Bezug genommen. Außerdem sind im Termin vom 22.01.1980 außer den Parteien die Zeugen ... und Fräulein ... vernommen worden.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Zeugin ... Jahre alt, wohnhaft in ... nach Belehrung aussagebereit, hat bekundet, ... sei im kommenden März 2 Jahre bei ihr. Das Kind sei mit nur wenig Kleidung angekommen. Es sei von dem Sohn gebracht worden, weil die Mutter habe ausziehen wollen. Im April sei dies dann auch geschehen. Im Mai 1978 habe sie bei ihr angerufen und sich nach dem Kind erkundigt. Sie - die Zeugin - habe gefragt, ob sie mit dem Kind nicht zu ihren Eltern ziehen wolle, dann habe sie doch das Kind bei sich. Darauf habe die Antragstellerin erwidert, sie wolle mit dem Kind nichts zu tun haben, sie wolle frei sein. Sie - die Zeugin - sei zur weiteren Versorgung des Kindes bereit. Der Antragsgegner kümmere sich um das Kind, wenn er von der Arbeit komme.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Zeuge ... Jahre alt aus Espelkamp, hat ausgesagt, er kenne die Antragstellerin seit etwa 1 1/2 Jahren. Er wolle sie heiraten. Hierüber sei man sich seit gut einem Jahr, also etwas vor Weihnachten 1978 einig geworden. Er habe ein gutes Verhältnis zu ... derzeit verdiene er zwischen 1.400 und 1.600,- DM. Eine Wohnung im Haus seiner Eltern stehe zur Verfügung.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Zeugin ... Jahre alt aus ... hat bekundet, sie kenne den Antragsgegner seit etwa 1 1/2 Jahren. Man wolle in 1 bis 2 Jahren heiraten. Vorerst wolle sie berufstätig bleiben. Sie habe ein gutes Verhältnis zu dem Kind und sei zusammen mit dem Antragsgegner jedes Wochenende mit dem Kind zusammen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Sachverständige ... hat ihr Gutachten erläutert. U.a. hat sie ausgeführt, es basiere darauf, daß die Angaben der Mutter über ihre zukünftigen Pläne bezüglich Heirat und Berufsaufgabe stimmten. Besonders überzeugend habe die Übergabeszene auf sie gewirkt. Das Kind habe sich nach dem Verlassen von Großmutter und Vater sofort der Mutter zugewandt und alles Vorherige sei vergessen gewesen. Es habe die Mutter voll in Beschlag genommen und offensichtlich gute emotionale Beziehungen zu ihr. Der Grund für die Änderung des an sich zufriedenstellenden gegenwärtigen Zustandes sei der Erziehungsstil der Großeltern. Es werde dort zu sehr auf das Kind eingegangen. Es werde zu wichtig genommen, man sei insgesamt, wie bei einer Großmuttererziehung üblich, zu nachsichtig. Das Kind habe zum Vater nicht so enge Beziehungen wie zur Mutter, wohl aber zur Großmutter und zum Großvater. Ein Abbruch der Beziehungen zu diesen müsse nicht durch den Umzug zur Mutter herbeigeführt werden.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig, hat jedoch keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die elterliche Sorge für das Kind ist nach zutreffender Auffassung des Amtsgerichts dem Vater zu übertreten. Diese Regelung entspricht im Sinne des § 1671 II BGB n.F. dem Kindeswohl an besten.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Das Kindeswohl gebietet die Übertragung des Sorgerechts auf derjenigen Elternteil, bei dem das Kind infolge der dort gegebenen Möglichkeiten der persönlicher. Betreuung, der erzieherischer.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Fähigkeiten sowie sonstiger äußerer, seelischer und geistiger Gegebenheiten am besten gefördert werden kann, nach Möglichkeit unter Berücksichtigung bestehender Bindungen (§ 1671 II BGB n.F.), des Kindeswillen (§ 1671 III n.F.) und insbesondere unter Wahrung der Einheitlichkeit und Gleichförmigkeit der Erziehung (Kontinuitätsgrundsatz). Liegen diese Voraussetzungen, was häufig der Fall ist, nicht sämtlich in der Person eines Elternteils vor, so sind bei beiden vorhandene Fähigkeiten und Gegebenheiten gegeneinander abzuwägen und der Regelung der Vorzug zu geben, bei der das Kindeswohl am ehesten gewahrt erscheint. Eine optimale Lösung wird sich dabei kaum finden lassen, weil die mit der Trennung der Eltern verbundenen Umwälzung das Kind in den meisten Fällen in eine Krise stürzen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Hiervon ausgehend, ist festzustellen, daß ... seit nahezu 2 Jahren beim Vater lebt und dort im Haushalt von dessen Eltern aufwächst. Demzufolge sind, da der Vater sich bisher während der Woche wegen seiner Berufstätigkeit kaum dem Kinde widmen könnte, die Großeltern, und zwar besonders die Großmutter, zentrale Bezugspersonen des Kindes. Die emotionalen Beziehungen des Vaters treten demgegenüber in den Hintergrund.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Senat ist mit der Sachverständigen Dipl.-Psych. ... der Ansicht, daß der gegenwärtige Zustand des Kindes, was die Versorgung, aber auch geistige und seelische Betreuung und Förderung betrifft, zufriedenstellend ist. Die Sachverständige wünscht gleichwohl, diesen Zustand zu verändern. Sie fürchtet, daß das Kind auf Dauer durch die sog. Großmutter-Erziehung leidet. Der Erziehungsstil eines altersmäßig zwei Generationen weiteren Menschen wird - insoweit stimmt der Senat der Sachverständigen zu - im allgemeinen durch zu große Nachsichtigkeit, Besorgtheit und durch allzu großes Eingehen auf das Kind gekennzeichnet, mit den Folgen der sog. over protection. Bei Vorhanden sein einer besseren Alternative wird daher einer Regelung, die zu einer Erziehung des Kindes durch, die Großeltern führt, nicht der Vorzug zu geben sein.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Eine bessere Alternative steht hier jedoch zumindest gegenwärtig nicht zur Verfügung. Es mag zutreffen, daß der Vater die Möglichkeiten, starke emotionale Bindungen zu dem bei ihm befindlichen Kind aufzubauen, nicht genutzt hat oder nicht nutzen konnte. Auf diese Weise mag die Mutter darin sogar einen Vorsprung vor ihm erlangt haben. Bei Erteilung der elterlichen Sorge an den Vater bleiben jedoch die aufgezeigten starken Beziehungen des Kindes zu den Großeltern, besonders der Großmutter, erhalten. Auch derartige Bindungen sind, wie aus § 1671 II BGB n.F. folgt, bei der Entscheidung zu berücksichtigen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Senat teilt nicht die Ansicht der Sachverständigen, daß bei überwechseln des Kindes zur Mutter kein Abbruch der Bindungen an die Großeltern zu befürchten wäre. Abgesehen davon, daß der. Großeltern schon aus Rechtsgründen ein Umgangsrecht gem. § 1634 BGB nicht zusteht, bilden den Lebensmittelpunkt des Kindes die neuen Betreuungspersonen. Diejenigen, die dort keinen Platz haben, treten erfahrungsgemäß in den Hintergrund. Dies entspricht auch der gesetzlich vorgesehenen Regelung. Die elterliche Sorge kann, wie § 1671 IV Satz 1 BGB n.F. ausdrücklich bestimmt, nur <u>einem</u> Elternteil zustehen. Zu ihm soll das Kind seine zentrale Bindungen entwickeln. Dem Nichtsorgeberechtigten verbleibt lediglich ein Umgangsrecht. Dies ist nach herrschender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur darauf beschränkt, sich von der Entwicklung des Kindes zu überzeugen und die verwandtschaftlichen Beziehungen aufrechtzuerhalten. Der oft - auch von psychologischen Sachverständigen - praktizierte Kompromiß eines ausgedehnten Besuchsrechts - in der Hoffnung, bestehende Bindungen nicht zum Erliegen kommen zu lassen, führt erfahrungsgemäß häufig zur Verunsicherung des Kindes. Dies weiß am Ende gar nicht mehr, wo es hingehört. Nur zu häufig gerät es dabei noch zwischen die Fronten nachehelicher Konflikte der Eltern. Im Ergebnis worden daher bestehende Bindungen an den einen Elternteil durch die Übertragung des Sorgerechts auf den anderen weitgehend beeinträchtigt oder abgebrochen.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Den hiernach bei Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter unvermeidbar erscheinenden weitgehenden Abbruch der Bindungen zur Großmutter hält der Senat zum gegenwärtigen Zeitpunkt entgegen der Ansicht der Sachverständigen nicht für vertretbar, ... hat in den ersten 4 Jahren seines Lebens einen überdurchschnittlich großen Wechsel seiner Umwelt und seiner Bezugspersonen hinnehmen müssen. So hat er die ersten Jahre mit seinen Eltern im Hause der Großeltern gelebt und wurde dort in erheblichem Maße von der Großmutter mitbetreut. Im Jahre 1977 bezogen die Eheleute eine eigene Wohnung, was zur erheblichen Einschränkung der Beziehungen zur bisherigen Betreuungsperson führte. Im Jahre 1978 dann erfolgte der erneute Wechsel zur Großmutter unter Einschränkung der Beziehungen zur Mutter. Es kann kein Zweifel bestehen, daß diese häufigen Veränderungen eine wesentliche Ursache für die von der Großmutter geschilderten Verhaltensauffälligkeiten des Kindes wie Stottern und nächtliche Angstgefühle sind. Derartige Auffälligkeiten sind nach Eingewöhnung in den Haushalt der Großeltern immer seltener geworden und treten jetzt erst offenbar wieder auf, nachdem die Sorgerechtsentscheidung akut wird. Ein erneuter Wechsel zum gegenwärtigen Zeitpunkt führt zu neuerlicher Verunsicherung und Beunruhigung des Kindes. Es mag zutreffen, daß ... obwohl er die Mutter nur zweimal im Monat sieht, recht guten Kontakt zu ihr hat. Dieser Umstand gebietet aber derzeit nicht den Abbruch der Bindungen von mindestens gleich starker Qualität zur Großmutter. Die Wichtigkeit der Aufrechterhaltung gerade der Beziehungen zur Betreuungsperson wird in neuerer Zeit in besonderem Maße im Rahmen der Problematik der sog. faktischen Elternschaft herausgestellt (vgl. Hassenstein: Faktische Elternschaft, Sonderdruck aus Jahrgang 2, 1977, Familiendynamik, interdisziplinäre Zeitung für Praxis und Forschung, mit weiteren Nachweisen).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Gutachterin berücksichtigt nach Auffassung des Senats außerdem zu wenig den Wechsel des sozialen Umfelds, den die Änderung des gegenwärtigen Zustandes mit sich bringen würde. Es ist aber allgemein anerkannt, daß gerade bis zum 6. oder 7. Lebensjahr, worauf die Kinderärztin ... in ihrer Stellungnahme von 01.12.1979 zu Recht hinweist, nicht die zentrale Bezugspersonen und obendrein das gesamte soziale Umfeld zu häufig wechseln sollte. Das gilt gerade bei diesem in der Vergangenheit bereits geschädigten Jungen. Die aufgezeigten Probleme einer Großmuttererziehung stehen derzeit nicht in einer Weise im Vordergrund, daß sie einen solchen einschneidenden Wechsel erforderlich machten.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Hinzukommt, daß die Argumente zugunsten der Mutter weitgehend auf Erwartungen bezüglich ihres künftigen Verhaltens beruhen. Sie hat, wenn auch im Rahmen einer Ehekrise, das Kind bereits einmal im Stich gelassen. Noch Anfang 1979 hat sie erklärt, auf das Kind bei Freistellung von den Unterhaltsleistungen verzichten zu wollen, obwohl sie und der Zeuge ... bereits damals eine Eheschließung beabsichtigten. Erst unmittelbar nach Aufforderung zur Unterhaltszahlung hat sie Anspruch auf die elterliche Sorge erhoben. Heute führt sie an, sie habe sich geändert und sei reifer geworden. Ob dies alles zutrifft, ist ungewiß. Das gilt insbesondere auch bezüglich der von ihr behaupteten Absicht, ihre Berufstätigkeit aufzugeben. Dieser Umstand ist aber für die Zuerkennung des Sorgerechts von grundlegender Bedeutung, weil das Kind sonst nur von einer Großmuttererziehung zur anderen überwechselt.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Sofern sich die Verhältnisse auf seiten der Mutter in Zukunft stabilisieren und andererseits das Kind nicht demnächst in eine zu gründende Familie des Vaters integriert wird, muß allerdings die Sorgerechtsentscheidung etwa um die Zeit der Schuleinführung des Kindes überprüft werden. Bis dahin hat es jedoch beim Gegenwärtigen Zustand zu verbleiben.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der von der Antragstellerin geltend gemachte Unterhaltsanspruch des Kindes ist gleichfalls zurückzuweisen, da ihr gem. 1623 BGB die Befugnis zur Geltendmachung fehlt.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 ZPO, 131 KO, 13 a FGG.</p>
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315,967 | olgk-1980-01-22-4-uf-16079 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
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"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 4 UF 160/79 | 1980-01-22T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:55 | 2019-03-27T09:41:45 | Beschluss | ECLI:DE:OLGK:1980:0122.4UF160.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 10. Juli 1979 wird hinsichtlich des Ausspruchs über den Versorgungsausgleich zu Ziff. 3 teilweise abgeändert und insoweit wie folgt neu gefaßt:</p>
<p></p>
<p>3. Zu Lasten der Ansprüche des Antragstellers gegenüber der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes - Pensionsfestsetzungs- und Regelungsbehörde des Bundesministers für Verkehr bei der Wasser- und Schiffahrtsdirektion West - werden auf das gemäß Ziff. 2 für die Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt zu errichtende Konto Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich</p>
<p>1068,60 DM - bezogen auf den 30.6.1977 - begründet.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Antragsteller zur Last.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>G r ü n d e</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien, die 1908 und 1907 geboren sind, haben am 1.4.1933 geheiratet. Aus der Ehe ist eine, 1934 geborene, Tochter hervorgegangen. Die Antragsgegnerin war</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">in der Ehezeit nicht berufstätig. Seit 1960 leben die Parteien getrennt. 1961 heiratete die gemeinsame Tochter. Der Antragsteller zahlte der Antragsgegnerin regelmäßig</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Unterhalt. Er forderte von dieser niemals die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. 1971 reichte der Antragsteller die Scheidungsklage ein, die durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 190.3.1973 (7 U 106/72) abgewiesen wurde, weil die Antragsgegnerin einer Ehescheidung widersprochen hatte.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Durch das teilweise angefochtene Ehescheidungsverbundurteil des Amtsgerichts Bonn ist nunmehr die Ehe der Parteien geschieden und in Ziff. 2) und 3) des Urteils der</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Versorgungsausgleich angeordnet worden. Der Antragsteller bezieht eine Rente von der BfA, auf die er in der Ehezeit - zuletzt durch militärischen Dienst im 2. Weltkrieg - Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 397,90 DM erworben hat. Weiterhin erhält er von der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes eine Pension, deren Versorgungsanwartschaften in Höhe von 3082,48 DM er alle in der Ehezeit erworben hat. Davon wurden in der Zeit der Trennung der Parteien 945,29 DM monatlich erworben. Insoweit wird auf die Auskünfte der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes vom 15.8.1978 und 5.2.1979 Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">In erster Instanz wurde ein Antrag des Antragstellers, den Ausgleichsanspruch der Antragsgegnerin nach Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 Satz 1 1. Eherechtsgesetz herabzusetzen, nur angekündigt. Das Amtsgericht hat daher mit dem insoweit angefochtenen Ehescheidungsverbundurteil gemäß § 1587b Abs. 1 und Abs. 2 BGB die Hälfte der oben genannten in der Ehezeit erworbenen Renten- und Versorgungsanwartschaften auf die Antragsgegnerin übertragen bzw. in dieser Höhe für sie Rentenanwartschaften begründet.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Dagegen wendet der Antragsteller sich mit seiner Beschwerde, mit der er in erster Linie die Herabsetzung der auf die Trennungszeit entfallenden Anwartschaften um die Hälfte</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">gemäß Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 Satz 3 1. Eherechtsgesetz begehrt. Nur hilfsweise rügt er die Verfassungswidrigkeit der Anwendung der Regeln über den Versorgungsausgleich auf diesen Fall.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Beschwerde zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Wegen des Vorbringens der Parteien in der Beschwerdeinstanz im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde hat mit dem Hauptbegehren Erfolg. Es ist hier gerechtfertigt, den Ausgleichsanspruch der Antragsgegnerin gemäß Art. 12 Nr. 3 Satz 3 1. Eherechtsgesetz</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">um die Hälfte des auf die Trennungszeit entfallenden gesetzlichen Anspruchs herabzusetzen. Damit stellte sich für den Senat nicht die Rechtsfrage der Verfassungsmäßigkeit</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">der Anwendung der Regeln über den Versorgungsausgleich auf diesen besonderen Fall. Es liegt nämlich mit dem Hauptantrag eine auch in diesem FGG-Verfahren zulässige und wirksame Rechtsmittelbeschränkung vor.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller konnte den gemäß Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 Satz 3 1. Eherechtsgesetz erforderlichen Antrag als Prozeßhandlung auch noch in der Berufungsinstanz stellen (vgl. die Entscheidung des Senats in NJW 79, 111).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Auf diese Entscheidung sowie auf die Entscheidungen des BGH, BGHZ 74, 38; NJW 1980, 47, wird auch Bezug genommen zur Bejahung der Verfassungsmäßigkeit der hier anzuwendenden Übergangsregelung.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Diese Bestimmung greift hier auch ein, weil die Ehe der Parteien trotz deren langjährigen Getrenntlebens allein wegen des Widerspruchs der Antragsgegnerin nach</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">§ 48 Abs. 2 EkheG nicht geschieden werden durfte. Diese Rechtslage steht durch das rechtskräftige Urteil des Oberlandesgerichts Köln zwischen den Parteien fest.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs würde für den Antragsteller auch unter Berücksichtigung der Interessen der Antragsgegnerin grob unbillig</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">sein.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Unbilligkeit für den Antragsteller ergibt sich allein schon aus folgenden Erwägungen:</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Der Versorgungsausgleich findet seine Rechtfertigung nur in der ehelichen Lebensgemeinschaft, die auch eine Versorgungsgemeinschaft ist und beiden Ehegatten ein gemeinsames Versorgungsschicksal gibt, solange die eheliche Lebensgemeinschaft nicht endgültig aufgehoben ist, und auch der alleinverdienende Ehegatte davon ausgeht, daß der andere, den Haushalt führende Partner im Alter von seinen ständig zunehmenden Versorgungsanwartschaften mitleben wird. Dieses Versorgungsschicksal der Ehegatten trennt sich aber mit der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">(BGHZ 74 aaO). Dies geschah hier fast 20 Jahre vor der Scheidung. Eine vom Prinzip des Versorgungsausgleichs her zu rechtfertigende Grundlage für den Einbezug dieser Trennungszeit in die Versorgungsausgleichsregelung fehlt. Wenn der Gesetzgeber keine ausdrückliche Herausnahme der in der Trennungszeit erworbenen Versorgungsanwartschaften aus dem Versorgungsausgleich vorgesehen hat, so geschah dies aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen, um der Gefahr von Manipulationen vorzubeugen (BGH FamRZ 80, 29, 36). Außerdem kann nach- neuem Recht (wenn nicht</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">die Härteklausel des § 1568 eingreift) spätestens nach dreijährigem Getrenntleben die Ehescheidung erreicht werden; diese Zeit des Getrenntlebens ist zudem noch erforderlich, um das Scheitern der Ehe zu indizieren, sonst könnte gemäß § 1565 schon nach einjährigem Getrenntleben die Scheidung erreicht werden.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Altehen konnten mit langer Trennungszeit ohne Vorliegen eines Scheidungsgrundes aber auch ohne Bestehen einer Lebensgemeinschaft sehr viel länger fortbestehen. In diesem von Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 Satz 3 1.<b> </b>Eherechtsgesetz erfaßten Altehen ist daher für den ausgleichs<u>pflichtigen</u> Ehegatten ein Ausgleich der in eine lange Trennungszeit fallenden Versorgungsanwartschaften regelmäßig unbillig (so im Ergebnis wohl auch BGH FamRZ 80, 29, 36/37).</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Wenn diese Übergangsregelung dennoch nicht die vollständige Herausnahme der in einer längeren Trennungszeit erworbenen Versorgungsanwartschaften aus dem Versorgungsausgleich vorsieht und darüber hinaus die Kürzung und ihr Ausmaß noch von einer von Billigkeitsgesichtspunkten bestimmten Interessenabwägung abhängig macht, so hat dies nur den Grund, daß das Vertrauen des berechtigten Ehegatten in die wirtschaftliche Versorgung aus der nach altem Recht nicht scheidbaren Ehe zu schützen ist. Bei Fortbestand dieser Ehe hätte dieser Ehegatte nicht nur den "besseren" Unterhaltsanspruch des getrenntlebenden Ehegatten, sondern Anrecht auf die Witwenversorgung aus der Rente bzw. Pension.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Soweit es dieser Schutz des Vertrauens in den Fortbestand dieser wirtschaftlichen Versorgung gebietet, kann von der Herabsetzungsmöglichkeit der Übergangsbestimmung</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">kein Gebrauch gemacht werden.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall ist ein solches Vertrauen der allerdings Antragsgegnerin allerdings voll zu schützen: Sie hatte sich von dem Antragsteller trotz der langen Trennung in keiner Weise wirtschaftlich selbständig gemacht; sie lebte in der gesamten Zeit von seinen Unterhaltszahlungen, sie nahm auch nicht, nachdem die Tochter schon ein Jahr nach der Trennung selbst heiratete, eine Erwerbstätigkeit auf. Sie konnte auch auf den Fortbestand ihrer Versorgung als Ehefrau vertrauen, weil der Antragsteller niemals ihre</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">eigene Erwerbstätigkeit anregte. Es lag hier zudem noch das rechtskräftige Urteil des OLG Köln vor, das ihr die Berechtigung ihres Widerspruchs attestierte, so daß sie sich der Rechtslage ganz sicher sein konnte.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Dennoch ist eine Herabsetzung in diesem besonderen Fall nicht ausgeschlossen:</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die auszugleichenden Versorgungsanwartschaften sind mit 3480,38 DM so hoch, daß auch noch der der Antragsgegnerin zufallende ungekürzte Anteil von ca. 1740,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">nach einer Kürzung zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs ausreicht, den die Antragsgegnerin in den letzten 20 Jahren seit der Trennung der Parteien hatte und auf</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">dessen Fortbestand sie vertrauen durfte.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Eine Kürzung in diesem Umfang muß die Antragsgegnerin auch bei der in der Übergangsvorschrift gebotenen Interessenabwägung hinnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller hat nach dem Fortfall der sog. Geschiedenen-Witwenrente keinerlei Möglichkeit mehr dazu, den <u>endgültigen</u> Verlust der Hälfte seiner nahezu gesamten eigenen Versorgung durch einen hier wirtschaftlich an sich sinnvollen Unterhaltsvertrag im Wege einer Vereinbarung abzuändern. Ein solcher Unterhaltsvertrag wäre an sich möglich, weil die Einkünfte des Antragstellers bis an sein Lebensende gesichert sind und feststehen und weitere Unterhaltsberechtigte nicht vorhanden sind. Dieser Vertrag scheitert aber daran, daß nach seinem Tod die Antragsgegnerin nicht zu sichern wäre. Die Vererblichkeit der Unterhaltsschuldhilft hier nicht, weil Vermögen nicht vorhanden ist. Statt dieser wirtschaftlich an sich sinnvolle unterhaltsrechtlichen Sicherung der Antragsgegnerin muß der Antragsteller die für ihn bei dieser Situation wenig einsehbare Regelung hinnehmen, daß eine noch im Alter beider Parteien von über 70 Jahren erfolgende Halbierung der nahezu gesamten Altersversorgung auch dann irreparabel bleibt,</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">wenn die Berechtigte, die hier zudem älter ist, vor ihm verstirbt.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Ein weiterer Gesichtspunkt rechtfertigt hier die Kürzung des Versorgungsausgleichs:</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Sämtliche Pensionsansprüche des Antragstellers sind in der Ehezeit erworben. Bei ungekürzter Ausgleichung bliebe dem Antragsteller davon nur die Hälfte. Das bedeutete</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">aber, daß er davon nach dem geltenden Steuerrecht noch Steuern zu zahlen hätte, während die Antragsgegnerin die in Höhe der anderen Hälfte an sie zu zahlende Rente</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">nicht zu versteuern hätte. Solange der Gesetzgeber diese nicht tragbare und durch nichts gerechtfertigte Ungleichheit durch steuerrechtliehe Vorschriften nicht beseitigt, kann sie bei Anwendung der Billigkeitsklausel berücksichtigt werden. Bei dem Alter der Parteien besteht auch keine Gefahr, daß damit eine möglicherweise nur vorübergehende Unbilligkeit für eine unabsehbare Zukunft unabänderbar korrigiert wird.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Nach allem hält der Senat es im vorliegenden Fall für billig, die in der Trennungszeit erworbenen Beamtenpensionsanwartschaften um die Hälfte herabzusetzen. Eine</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Herabsetzung der zu übertragenden Rente kam nicht in Betracht, da für sie in der Trennungszeit Anwartschaften nicht mehr erworben wurden.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Der Versorgungsausgleich ermäßigt sich damit um den Monatsbetrag von 472,64 DM, so daß der Antragsgegnerin eine Rentenversorgung von zur Zeit 1267,55 DM verbleibt. Damit bleibt ihr achtenswertes Vertrauen in den Fortbestand ihrer wirtschaftlichen Versorgung voll geschützt. Die Unterhaltszahlungen des Antragstellers bis zur Scheidung</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">waren - auch unter Berücksichtigung der Steigerung der Lebenshaltungskosten - keinesfalls höher. Diese ihr nunmehr zustehende Rente ist voll dynamisch und macht sie</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">unabhängig von einer Änderung der unterhaltsrechtlich beachtlichen Leistungsfähigkeit des Antragstellers, die sich z. B. mit Entstehen erhöhter Aufwendungen infolge einer Pflegebedürftigkeit auch bei Fortbestand des Unterhaltsanspruchs einer getrennt lebenden Frau erheblich zu ihren Lasten auswirken könnte.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 2 ZPO, weil der Antragsteller den zur Anwendung des Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 Satz 3 1. Eherechtsgesetz erforderlichen Antrag</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">erstmals in der Beschwerdeinstanz stellte und dies der Grund für den Erfolg seines Rechtsmittels war.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Beschwerdewert: 5671,68 DM.</p>
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315,968 | olgham-1980-01-17-3-uf-7579 | {
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 3 UF 75/79 | 1980-01-17T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:57 | 2019-03-27T09:41:45 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1980:0117.3UF75.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beteiligte zu 2) in Abänderung des angefochtenen Beschlusses zu II 1 und 2 das Recht hat, das Kind ... an jedem 1. und 3. Sonntag jeden Monats und an jedem zweiten Oster-, Pfingst- und Weihnachtsfeiertag von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr bei sich zu haben. Der Beteiligte zu 1) hat dafür zu sorgen, daß das Kind an den Besuchstagen pünktlich an seiner Wohnung zur Abholung bereit gehalten wird.</p>
<p>Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.</p>
<p>Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Beteiligte zu 1) zu 1/5 und die Beteiligte zu 2) zu 4/5 nach einem Wert von 5.000,- DM zu zahlen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Ehe der Parteien wurde durch Urteil des OLG Hamm vom 25.10.1977 -3 UF 90/77- geschieden. Aus der Ehe stammt
das am 28.09.1974 geborene Kind .... Von seiner Geburt bis März 1976 wurde das Kind von der Mutter des Beteiligten
zu 1) versorgt. Dann nahm die Beteiligte zu 2) das Kind zu sich. Im Sommer 1977 war die Beteiligte zu 2) für ca.
8 Wochen im Krankenhaus. Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus zog sie zu dem Zeugen ... mit dem sie auch heute
noch zusammenlebt. Sie bewohnt mit ihm eine Wohnung, bestehend aus Küche, Schlafzimmer, Wohnzimmer und Bad. Das
Kind wurde während des Krankenhausaufenthaltes der Mutter des Zeugen ... Frau ... in Pfleße gegeben. Dort
blieb es auch nach der Entlassung der Mutter aus dem Krankenhaus, bis der Beteiligte zu 1) am 22.05.1978 das Kind
nach einem Besuch gegen den Willen der Beteiligten zu 2) bei sich behielt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Spätestens seit Ende 1977/Anfang 1978 geht die Beteiligte zu 2) in Dortmund der Gewerbsunzucht nach. Der
Zeuge ... bringt hierzu die Beteiligte zu 2) drei- bis viermal in der Woche gegen 18.00 bis 19.00 Uhr nach Dortmund
und holt sie zwischen 2.00 bis 3.00 Uhr morgens wieder ab.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte zu 1) verbüßte von Oktober 1975 bis April 1978 eine Freiheitsstrafe wegen Trunkenheit
am Steuer, Urkundenfälschung und Fahren ohne Führerschein. Seit seiner Entlassung ist er bei der ... als
Schweißer beschäftigt. Er wohnt in der ehemaligen ehelichen Wohnung der Parteien, bestehend aus Schlafzimmer,
Wohnküche und Bad. Während der Arbeitstage wird das Kind von der am 30. 08.03. geborenen Mutter des
Beteiligten zu 1) versorgt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien darüber, wem von ihnen nach der Scheidung die elterliche
Sorge für ihr Kind übertragen und in welcher Weise das Besuchsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils
geregelt werden soll.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Durch einstweilige Anordnung vom 23.05.1978 wurde die elterliche Gewalt über das Kind einstweilen dem
Jugendamt ... als Pfleger übertragen. Dieser Beschluß wurde auf Beschwerde des Beteiligten zu 1) durch
Beschluß des erkennenden Senats vom 30.11.78 nach Anhörung der Eltern aufgehoben, weil eine Gefährdung
des Kindeswohls während seines Aufenthalts beim Vater nicht hinreichend glaubhaft gemacht sei, und die von dem
Beteiligten zu 1) getroffenen Maßnahmen für die Betreuung des Kindes im Rahmen seiner Möglichkeiten
sachgerecht seien.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Durch den angefochtenen Beschluß hat das Familiengericht nach Anhörung der beteiligten Eltern, des
Sachbearbeiters des Jugendamts ... sowie der Zeugen ... und ... Frau ... die elterliche Gewalt über das Kind
dem Vater übertragen und angeordnet, daß die Mutter das Recht hat, das Kind an jedem 1. und 3. Mittwoch
eines jeden Monats bei sich zu haben. In den Gründen ist u.a. ausgeführt, daß die elterliche Gewalt
dem Vater zu übertragen sei, weil bei ihm die Gewähr für ordnungsgemäße Pflege und Erziehung
des Kindes gegeben sei, wozu die Mutter nicht in der Lage sei.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des den Beteiligten am 30.01.1979 zugestellten Beschlusses
verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 2) mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten
Beschwerde.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie rügt die Auffassung des Familiengerichts, sie sei nicht zur Erziehung des Kindes geeignet. Sie ist der
Auffassung, sie sei zumindest wie der Beteiligte zu 1) in der Lage, das Kind zu versorgen und zu betreuen. Sie
würde auch sofort zu Hause bleiben, wenn sie das Kind bekäme. Im übrigen könne sie wegen ihrer
abendlichen Tätigkeit nicht als ungeeignet für die Erziehung des Kindes angesehen werden. Demgegenüber
werde das Kind jetzt während der Arbeitszeit des Beteiligten zu 1) überwiegend von seiner Mutter betreut.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Hilfsweise bittet sie, die Besuchsregelung dahin abzuändern, daß sie das Kind nicht mittwochs, sondern
sonntags erhalte, da sie nur sonntags das Kind zu sich holen könne.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">in Abänderung des angefochtenen Beschlusses</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">ihr die elterliche Gewalt über das Kind ... zu übertragen und</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">dem Beteiligten zu 1) aufzugeben, das Kind an sie herauszugeben,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">hilfsweise anzuordnen, daß sie das Recht hat, das Kind an jedem 1. und 3. Sonntag im Monat und an
jedem zweiten Oster-, Pfingst- und Weihnachtsfeiertag von 10.00 bis 18.00 Uhr bei sich zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte zu 1) beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">die Beschwerde zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Er tritt dem Vorbringen entgegen und hält die vom Amtsgericht getroffenen Regelungen für sachgerecht.
Ein Besuchsrecht am Wochenende lehnt er ab, weil er Gelegenheit haben wolle, sich an seinen arbeitsfreien Tagen um
das Kind zu kümmern.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der in der Beschwerdeinstanz gewechselten Schriftsätze
verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die nach § 621 e ZPO zulässige Beschwerde hat zur Sorgerechtsregelung keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Zu Recht hat das Amtsgericht nach Scheidung der Ehe die elterliche Sorge über das Kind der Parteien dem
Beteiligten zu 1) übertragen. Wird die Ehe der Eltern geschieden, so bestimmt das Familiengericht nach §
1671 BGB, welchem Elternteil die elterliche Sorge über ein gemeinschaftliches Kind zustehen soll. Begehren
beide Eltern die elterliche Sorge, trifft es nach § 1671 Abs. 2 BGB die Regelung, die unter Berücksichtigung
der gesamten Verhältnisse dem Wohle des Kindes am besten entspricht. Unter Voranstellung des allein
maßgeblichen Kindeswohls hat also das Familiengericht die Verhältnisse beider Eltern zu prüfen und
gegeneinander abzuwägen. Maßgeblich ist hier zunächst die Eignung der Eltern zur Übernahme der
für das Kindeswohl zentralen Beziehung- und Betreuungsaufgaben. Insbesondere ist hierbei der Grad der inneren
Bereitschaft jedes Elternteils zu berücksichtigen, das Kind zu sich zu nehmen und die Verantwortung für
die Versorgung und Erziehung zu tragen (Hinz in Münchener Kommentar, BGB, § 1671 BGB, Rdn. 34 m.w.N.;
ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluß vom 16.02.78 in 3 UF 258/77; 15.11.79 in 3 UF 177/79;
11.12.1979 in 3 UF 413/79). Des weiteren spielen die wirtschaftliche Lage, die Wohnverhältnisse sowie die
Möglichkeit der Unterbringung und Betreuung des Kindes eine Rolle. Schließlich sind die Fragen der
Erziehungskontinuität, die Folgen eines Umgebungswechsels und die sonstigen besonderen Umstände des
Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. wie vor und OLG Hamm in FamRZ 1977, 744 ff., 1979, 853; OLG Düsseldorf
in FamRZ 79, 631).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Unter Berücksichtigung dieser Gesetzeslage und obergerichtlichen Grundsätze ist nach den
durchgeführten Ermittlungen die elterliche Sorge zu Recht dem Beteiligten zu 1) übertragen worden. Nach
der Stellungnahme des Vertreters des Jugendamts wird, das Kind von der Großmutter und dem Vater gemeinsam gut
versorgt. Irgendwelche Bedenken sind nicht zutage getreten. Insoweit kann jedoch auch zu Gunsten der Beteiligten
zu 2) davon ausgegangen werden, daß sie in gleicher Weise die Möglichkeit hätte, für das Kind
zu sorgen. Auch die räumlichen Verhältnisse sind bei den Beteiligten in etwa gleich. Die Wohnung der
Beteiligten zu 2), die sie zusammen mit dem Zeugen ... bewohnt, und die Wohnung der Großmutter des Beteiligten
zu 1) haben den gleichen Zuschnitt, während die eigene Wohnung des Beteiligten zu 1) ein Zimmer weniger hat.
Die Möglichkeiten der Beteiligten zu 2) können auch deshalb nicht als besser angesehen werden, weil sie
ihre Tätigkeit aufgeben will, wenn das Kind zu ihr kommt. Dieser Umstand ist nur von untergeordneter Bedeutung.
Entscheidend für die getroffene Regelung ist die bessere Erziehungseignung des Beteiligten zu 1). Dem Elternteil
ist die elterliche Sorge zu übertragen, der besser zur Erziehung geeignet ist. Hier kommt es weniger auf die
Vorbildung oder Ausbildung an, als auf die Bereitschaft, das Kind zu sich zu nehmen und die Verantwortung für
die Erziehung und Versorgung zu tragen. Dies ist hier bei dem Beteiligten zu 1) der Fall.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die bessere Erziehungseignung des Beteiligten zu 1) ergibt sich aus seiner im Verhältnis zur Beteiligten
zu 2) eindeutig größeren Bereitschaft, das Kind zu sich zu nehmen und die Verantwortung für die
Versorgung und Erziehung des Kindes zu tragen. Während die damals schon mit dem Zeugen ... zusammenlebende
Beteiligte nach ihrem Krankenhausaufenthalt im Sommer 1977 sich nicht in der Lage sah, das Kind zu sich zu nehmen,
und es in der Pflege der Mutter des Zeugen ... beließ, bemühte sich der Beteiligte zu 1) seit seiner
Haftentlassung im April 1978 darum, das Kind aus der Pflegestelle zu sich zu nehmen, ohne Rücksicht auf die
sich aus der Versorgung und Betreuung des Kindes für ihn aufgrund seiner Arbeitstätigkeit ergebenden
Schwierigkeiten. Im krassen Gegensatz dazu steht das Verhalten der Beteiligten zu 2), die ihre Bereitschaft,
Verantwortung für das Kind zu übernehmen, erst wieder entdeckte, als der Beteilige zu 1) am 22.05.1978
das Kind aus der Pflegestelle zu sich genommen hatte, nachdem sie sich zuvor für ein weiteres Verbleiben des
Kindes in der Pflegestelle ausgesprochen hatte. Dieses Verhalten beruht entweder auf geringerem
Verantwortungsbewußtsein für das Kind, oder der Erkenntnis, daß eine Versorgung des Kindes durch
sie nicht seinem Wohle entsprochen hätte. Folgt man dieser zweiten Alternative, entspräche es auch
heute nicht dem Wohle des Kindes, die Sorge der Beteiligten zu 2) zu übertragen, weil zwischenzeitlich eine
Veränderung der Umstände bei ihr zugunsten des Kindes nicht eingetreten ist. Die Beteiligte zu 2) lebt
nach wie vor mit dem Zeugen ... zusammen und geht damals wie heute der Gewerbsunzucht nach.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Herausgabeantrag der Beteiligten zu 2) ist mit Zurückweisung ihrer Beschwerde gegen die Regelung der
elterlichen Sorge gegenstandslos. Da dem Beteiligten zu 1) die elterliche Sorge zusteht, kann von ihm nicht die
Herausgabe des Kindes an die Beteilige zu 2) verlangt werden.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Auf den Hilfsantrag der Beteiligten zu 2) zum Umgangsrecht ist jedoch der angefochtene Beschluß des
Familiengerichts abzuändern. Im Interesse einer geordneten Abwicklung des Umgangsrechts mit dem nicht
sorgeberechtigten Elternteil ist es angezeigt, an die Stelle des Mittwoch als Besuchstag den Sonntag zu setzen.
Unabhängig von den Schwierigkeiten der Beteiligten zu 2), das Kind mittwochs zu sich zu nehmen, ist entscheidend
für diese Änderung, daß der Vater wegen seiner Berufstätigkeit das Kind nur am Wochenende zur
Abholung durch die Mutter bereithalten kann. Er trägt aber als sorgeberechtigter Elternteil die Verantwortung
für eine geordnete Abwicklung des Umgangsrechts. Dementsprechend hat er auch dafür zu sorgen, daß
das Kind an den Besuchstagen an seiner Wohnung zur Abholung bereit gehalten wird. Da er dies wegen seiner Arbeit
an Werktagen nicht kann, war die Umgangsregelung wie geschehen abzuändern.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Von der Erhebung von Gerichtskosten für die Beschwerdeinstanz wird nach § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO
abgesehen, weil die Beschwerde als auch im Interesse des Kindes eingelegt anzusehen ist. Die Entscheidung
über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 13 a Abs. 1 FGG. Da die Beschwerde nur bezüglich
des Hilfsantrages Erfolg hat, entspricht es der Billigkeit, daß die Beteiligte zu 2) die Kosten des
Beschwerdeverfahrens zu 4/5 trägt, während im übrigen die Kosten vom Beteiligten zu 1) zu tragen sind.</p>
|
315,969 | olgk-1980-01-15-1-ss-67179 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 1 Ss 671/79 | 1980-01-15T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:58 | 2019-03-27T09:41:45 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1980:0115.1SS671.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - Landgerichts Köln zurückgewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Das Landgericht hat seine Berufung nach § 329 StPO verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung förmlichen Rechts gerügt wird.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Revision hatte Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Rüge einer Verletzung des § 218 StPO greift durch. Danach ist der gewählte Verteidiger zu laden, "wenn die Wahl dem Gericht angezeigt worden ist". Vorliegend ist der von dem Angeklagten gewählte Verteidiger zur Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht am 28. März 1979 nicht geladen worden, obwohl er die Wahl dem Gericht i.S.v. § 218 StPO angezeigt hatte.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nach dem Ergebnis der freibeweislichen Ermittlungen hatte der Verteidiger mit einem an das Schöffengericht Köln gerichteten Schriftsatz vom 13. Februar 1979 unter Beifügung einer Vollmacht und Angabe des Geschäftszeichens seine Bestellung mitgeteilt. Er wußte zu diesem Zeitpunkt nicht, daß die Akten wegen der von dem Angeklagten persönlich eingelegten Berufung über die Staatsanwaltschaft bereits dem Landgericht vorgelegt worden waren. Ihm war auch nicht bekannt, daß der Angeklagte persönlich an seinem Wohnort in A. am Samstag, den 10. Februar 1979, unter Angabe eines Geschäftszeichens des Landgerichts zur Hauptverhandlung vor das Berufungsgericht persönlich geladen worden war. Das Bestellungsschreiben ist am 14. Februar 1979 von einem Sozius des Verteidigers im Gerichtsgebäude selbst bei der Wachtmeisterei des Amtsgerichts abgegeben worden. Dies steht aufgrund der anwaltlichen Versicherung des Verteidigers und der von ihm überreichten Fotokopien fest. Der weitere Verbleib dieses Schreibens ist ungeklärt; es befindet sich insbesondere nicht in der Akte dieses Verfahrens.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Bestellung ist gegenüber dem Gericht rechtswirksam angezeigt worden. Maßgebend war insoweit der Zugang des Schreibens bei der Wachtmeisterei des Amtsgerichts als der dafür eingerichteten Annahmestelle (§ 130 BGB). Nicht entscheidend ist, ob das Schreiben danach noch zur Geschäftsstelle des Amtsgerichts gelangt ist. (vgl. BVerfG DRiZ 1980, 31).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Wirksamkeit steht nicht entgegen, daß die Verfahrensakte dem Amtsgericht im Zeitpunkt des Eingangs des Bestellungsschreibens nicht mehr vorlag. Grundsätzlich muß zwar die Bestellung dem Gericht angezeigt werden, das mit der Sache befaßt ist und dem die Akten vorliegen. Hierzu ist jedoch anerkannt, daß eine Mitteilung gegenüber einer Stelle, die bisher mit der Sache befaßt war, dann ausreichen muß, wenn dem Angeklagten im Zeitpunkt der Anzeige noch gar nicht bekannt war, ob und gegebenenfalls welche andere Stelle inzwischen mit der Sache befaßt ist (OLG Koblenz VRS 41, 208; OLG Celle VRS 47, 299; Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, 23. Aufl., § 218 Rdn. 8 m.w.Nachw.). Ob dieser Grundsatz auch für den vorliegenden Fall herangezogen werden kann, mag zweifelhaft erscheinen. Zwar wußte der schon längere Zeit beauftragte Verteidiger nicht daß die Akten bereits bei dem Landgericht waren; der Angeklagte selbst hätte dies jedoch aus der am 10. Februar 1979 zugestellten Ladung entnehmen können.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Diese Frage kann jedoch auf sich beruhen, weil § 218 StPO sinngemäß jedenfalls auf die Fälle anzuwenden ist, in denen die Mitteilung noch gegenüber einer Stelle erfolgt ist, bei der die Sache früher anhängig war, sofern - wie es vorliegend der Fall ist - bei unverzüglicher Weiterleitung der Anzeige eine Ladung des Verteidigers noch leicht möglich gewesen wäre (st. Rspr.; s.a. OLG Hamm VRS 38, 203; 41, 133; OLG Celle VRS 47, 299; OLG Karlsruhe, Die Justiz 1974, 134; OLG Düsseldorf, DAR 1979, 340). Dies folgt daraus, daß die Säumnis einer an dem Verfahren beteiligten Behörde nicht zu Lasten der prozessualen Rechte und Möglichkeiten des Angeklagten gehen darf.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Diese vornehmlich im Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit entwickelten Grundsätze - Nichtweiterleitung der Anzeige von der Verwaltungsbehörde an Staatsanwaltschaft und Gericht - gelten erst recht, wenn die Anzeige im Instanzenzug von Gericht zu Gericht weiterzuleiten ist.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Vorliegend haben der Angeklagte und sein Verteidiger das ihnen Zumutbare getan, um aus den Akten zweifelsfrei ersichtlich zu machen, daß der Angeklagte einen Verteidiger gewählt hat. Es war Sache der Stelle, bei der das Schreiben verblieben ist, diese Bestellung an das Landgericht weiterzuleiten. Daß dies nicht geschehen ist, kann nicht zu Lasten des Angeklagten gehen, weil er darauf vertrauen durfte, das Schreiben seines in K. beauftragten Rechtsanwalts werde das zuständige Gericht ordnungsgemäß erreichen. Dies gilt jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem es eine Überspannung der Anforderungen wäre, wenn man dem Angeklagten weitergehende Mitwirkungpflichten aufbürden wollte. Insbesondere konnte von ihm bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht verlangt werden, daß er nach Erhalt der Ladung von sich aus hätte erkennen sollen, daß ihm nunmehr das Aktenzeichen des Landgerichts mitgeteilt ist und daß es notwendig sei, dieses Aktenzeichen schnellstens seinem Verteidiger mitzuteilen, weil dessen Bestellung innerhalb des Instanzenweges möglicherweise verloren gehen werde.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das angefochtene Urteil beruht auf der Nichtladung des Verteidigers. Zwar ist auch der Angeklagte persönlich in der Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht nicht erschienen. Aufgrund des Vorbringens der Revision kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß der Verteidiger bei einer Ladung in der Hauptverhandlung erschienen und das Ausbleiben des Angeklagten mit einer stationären Erkrankung entschuldigt hätte.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Das Urteil entspricht dem Antrag des Sitzungsvertreters der Generalstaatsanwaltschaft.</p>
|
315,970 | olgham-1980-01-08-2-uf-34479 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 UF 344/79 | 1980-01-08T00:00:00 | 2019-03-13T15:18:59 | 2019-03-27T09:41:45 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1980:0108.2UF344.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufungen beider Parteien wird unter Zurückweisung der Rechtsmittel im übrigen das am 5. Juni 1979 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Essen (103 F 17/78) zu Ziff. III und IV teilweise abgeändert:</p>
<p>Ziff. III wird insgesamt wie folgt neu gefaßt:</p>
<p>Der Antragsgegner wird verurteilt, an die Antragstellerin ab Rechtskraft des Scheidungsurteils eine monatliche Unterhaltsrente von 530,- DM, und zwar jeweils im voraus, zu zahlen.</p>
<p>Das weitergehende Unterhaltsbegehren der Antragstellerin wird abgewiesen.</p>
<p>In Ziff. IV entfallen die Zuweisung des Briefmarkenalbums mit verschiedenartigen Briefmarken an den Antragsgegner sowie die Verpflichtung der Antragstellerin zur Herausgabe dieses Albums, Insoweit wird der Antrag des Antragsgegners zurückgewiesen. Im übrigen verbleibt es bei den in Ziff. IV getroffenen Anordnungen.</p>
<p>Bezüglich der Kosten des ersten Rechtszuges verbleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 3/4 der Antragstellerin und zu 1/4 dem Antragsgegner auferlegt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien haben am 15. April 1976 die Ehe miteinander geschlossen. Die Antragstellerin ist 27 Jahre, der Antragsgegner
37 Jahre alt. Für beide Parteien war es die zweite Eheschließung. Der Antragsgegner hat aus erster Ehe eine am
8. September 1967 geborene Tochter ..., die bei seinen Eltern lebt. Die Ehe der Parteien ist kinderlos geblieben.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Parteien leben seit dem 10. Januar 1978 getrennt. Sie haben am 22. November 1976 den Güterstand der
Gütertrennung vereinbart.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hat keinen Beruf erlernt. Sie ist schwer beschädigt und arbeitsunfähig krank. Der Grad der
Minderung der Erwerbsfähigkeit beträgt nach dem Bescheid des Versorgungsamts Dortmund vom 21. Mai 1979 70 %.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller ist als Schriftsetzer in der ... und ... in ... tätig.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Verbundurteil, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, die Ehe der Parteien
geschieden (Ziff. I), den Versorgungsausgleich geregelt (Ziff. II) und unter Ziff. III den Antragsgegner verurteilt, an
die Antragstellerin ab Rechtskraft des Scheidungsurteils einen monatlichen im voraus zu zahlenden Unterhaltsbetrag von
650 DM zu zahlen; das weitergehende Unterhaltsverlangen der Antragstellerin hat es abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Unter Ziff. IV hat das Amtsgericht schließlich eine Hausratsverteilungsregelung getroffen, und in diesem Rahmen
dem Antragsgegner ein Briefmarkenalbum mit verschiedenen Briefmarken als Alleineigentum zugewiesen; außerdem hat es
die Antragstellerin zur Herausgabe des Briefmarkenalbums an den Antragsteller verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richten sich die wechselseitigen Berufungen der Parteien.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin, die zunächst auch die Zurückweisung des Scheidungsantrages begehrt, insoweit je - ...
doch ihr Rechtsmittel ... zurückgenommen hat, verlangt eine monatliche Unterhaltsrente in Höhe von 1.000 DM und
wendet sich gegen die Verurteilung zur Herausgabe des Briefmarkenalbums. Sie behauptet, das in Rede stehende
Briefmarkenalbum nicht in ihrem Besitz gehabt zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner wendet sich gegen die Höhe der gegen ihn ausgesprochenen Unterhaltsverpflichtung.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">den Antragsgegner zu verurteilen, an sie ab Rechtskraft der Scheidung unter Einschluß des ausgeurteilten Unterhalts
monatlich im voraus eine Unterhaltsrente von insgesamt 1.000 DM zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">den Antrag des Antragsgegners auf Herausgabe des Briefmarkenalbums zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Sie beantragt ferner,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">die Berufung des Antragsgegners zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">die Berufung der Antragstellerin zurückzuweisen sowie in teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die
Unterhaltsklage insoweit abzuweisen, als er - Antragsgegner - verurteilt worden ist, einen höheren Scheidungsunterhalt
als monatlich 300 DM zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Beide Parteien wiederholen und ergänzen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbingens
wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze verwiesen. Der Senat hat zu Zwecken des Beweises eine
Verdienstauskunft bei der Arbeitgeberin des Beklagten eingeholt. Auf den Inhalt der erteilten Auskunft vom 31. Oktober
1979 (Bl. 107 ff. d.A.) wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die zulässigen Berufungen der Parteien haben teilweise Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks"><b>1.</b></p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"><u>Unterhalt</u></p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Berufung des Antragsgegners ist insoweit teilweise begründet; die der Antragstellerin ist im vollen Umfang
unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin kann ab Rechtskraft des Scheidungsurteils monatlich nur 530,- DM an Unterhalt, verlangen. Dieser
Anspruch ergibt sich aus §§1569, 1572 BGB, da die Antragstellerin kein anderweitiges Einkommen hat und eine
Erwerbstätigkeit von ihr wegen ihrer Krankheit nicht erwartet werden kann. Nach der Bescheinigung des Arztes Dr.
Schmitz vom 26.11.1979 liegt bei der Antragstellerin folgendes Krankheitsbild vor, das auch der Antragsgegner nicht in
Abrede stellt: Totaloperation des Uterus einschließlich Mitnahme beider Adnexe im September 1975, neurocirkulatorische
Dystönie bei Kreislaufregulationsstörung, Narbe an der rechten Brust nach Excision, Pyelonephritis
(Nierenbeckenentzündung), chronische Bronchitis, Zustand nach dreimaliger Bauchoperation wegen Verwachsungen sowie
physische und psychische Versagenszustände, die immer noch therapieresistent erscheinen. Eine Minderung der
Erwerbstätigkeit vom 70 % ist anerkannt. Zur Zeit leidet die Antragstellerin außerdem an Herzbeschwerden im
Sinne einer Durchblutungsstörung. Mit einer Besserung der Beschwerde ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Unterhaltsanspruch wird in der genannten Höhe von 530,- DM nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Parteien
erst im Jahre 1976 geheiratet haben. Zwar ist der Senat der Auffassung, daß unter diesen Umständen eine "Ehe
von kurzer Dauer" im Sinne des §1579 I Nr. 1 BGB vorliegt. Das führt aber nicht zum völligen
Ausschluß des Unterhaltsanspruchs, sondern nur insoweit, als die Inanspruchnahme des Antragsgegners grob unbillig
wäre.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Der Senat hielte es zwar für grob unbillig, wenn der Antragsgegner nach der Scheidung der Antragstellerin den
vollen Unterhalt zahlen müßte, insbesondere wenn man berücksichtigt, daß die Antragstellerin noch
verhältnismäßig jung ist und daß sie durch die Eheschließung mit dem Antragsgegner keinen
anderweitigen Unterhaltsanspruch verloren hat. Jedenfalls konnte sie von ihrem geschiedenen ersten Mann keine
Unterhaltszahlungen erlangen, weil dieser untergetaucht ist. Andererseits ist aber auch zu berücksichtigen, daß
die Antragstellerin schon in jungen Jahren schwer erkrankt ist und angesichts ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen
in absehbarer Zeit nicht damit rechnen kann, wieder erwerbstätig zu werden. Mögen diese Beeinträchtigungen
auch nicht im Zusammenhang mit der Ehe stehen, so erscheint doch ein völliger Ausschluß des Unterhaltsanspruchs
nicht gerechtfertigt. Der Senat hält es unter den obwaltenden Umständen für angemessen, der Antragstellerin
die Hälfte dessen, zuzubilligen, was ihr zustände, wenn die Ehe nicht nur von kurzer Dauer gewesen wäre.
Nur eine darüber hinausgehende Unberhaltsbelastung des Antragsgegners wäre nach Lage der Dinge als grob
unbillig anzusehen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Der Senat billigt dem geschiedenen Ehegatten entsprechend Ziff. 27 der Hammer Leitlinien Stand Januar 1980 (bisher
veröffentlicht in DAVorm 1979, 818 ff.) in der Regel 3/7 des anrechenbaren Einkommens des Verpflichteten zu. Im
vorliegenden Fall ermäßigt sich dieser Satz somit auf 1,5/7.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Das anrechenbare Einkommen des Antragsgegners, nach dem sich die Höhe des Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin
bestimmt, errechnet sich aufgrund der Lohnauskunft des Arbeitgebers des Antragsgegners wie folgt:</p>
<br /><span class="absatzRechts">34</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="1">
<tr>
<td>Seit der letzten Gehaltserhöhung im Sommer 1979 beläuft sich das monatliche
Durchschnittseinkommen einschließlich des Arbeitgeberanteils zur vermögenswirksamen
Anlage (brutto 52,- DM) und des Arbeitgeberanteils zur Krankenversicherung (174,- DM) auf</td>
<td> </td>
<td>2.700,-</td>
</tr>
<tr>
<td>Hinzuzurechnen ist das Urlaubs- und Weihnachtsgeld, umgelegt auf 12 Monate, mit netto mindestens</td>
<td> </td>
<td><u>260,-</u></td>
</tr>
<tr>
<td> </td>
<td> </td>
<td>2.960,-</td>
</tr>
<tr>
<td>Die Zusatzleistung des Arbeitgebers für die vermögenswirksame Anlage ist dem
Antragsgegner mit dem Nettobetrag zu belassen (Ziff. 5 der Hammer Leitlinien), so daß ein
Betrag abzuziehen ist von ca</td>
<td>./.</td>
<td><u>30,-</u></td>
</tr>
<tr>
<td>Übertrag:</td>
<td> </td>
<td>2.930,- DM</td>
</tr>
<tr>
<td>Abzusetzen sind die Beiträge zur Krankenversicherung von monatlich insgesamt</td>
<td>./.</td>
<td><u>348,- DM</u></td>
</tr>
<tr>
<td> </td>
<td> </td>
<td>2.582,- DM</td>
</tr>
<tr>
<td>ferner der an die Tochter Andrea zu gewährende Tabellenunterhalt. Dieser beträgt bei
dem Einkommen des Antragsgegners für die Zeit ab Januar 1980 lt. Unterhaltstabelle zu Ziff. 18
der neuen Hammer Leitlinien (4. Einkommensgruppe und 3. Altersstufe)</td>
<td>./.</td>
<td><u>380,- DM</u></td>
</tr>
<tr>
<td> </td>
<td> </td>
<td>2.202,- DM</td>
</tr>
<tr>
<td>Dieses Einkommen erhöht sich um die Steuerersparnis, die der Antragsgegner dadurch erzielt,
daß die Antragstellerin mit dem Realsplitting nach §10 I Nr. 1 n.F. des
Einkommensteuergesetzes einverstanden ist und bereits verbindlich erklärt hat alle hierfür
erforderlichen Erklärungen abzugeben. Diese Steuerersparnis beträgt - wie noch
desnäheren darzulegen ist (s.u. zu d) - rund</td>
<td> </td>
<td><u>270,- DM</u></td>
</tr>
<tr>
<td> </td>
<td> </td>
<td><u>2.472,- DM</u></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Hiervon kann die Antragstellerin - wie bereits dargelegt - 1,5/7 beanspruchen. Das sind <u>abgerundet 530,- DM.</u></p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat bei dieser Berechnung die Darlehnsverbindlichkeit <u>nicht</u> berücksichtigt, die der Antragsgegner
noch bis April 1980 mit monatlich 555,- DM abzutragen hat. Mit Rücksicht auf die nur kurze Zeitspanne bis dahin und
mit Rücksicht darauf, daß die Antragstellerin ohnehin nur die Hälfte des sonst üblichen
Ehegattenunterhalts erhält, erscheint es angemessen, der Antragstellerin auch schon für diese kurze
Übergangszeit den Unterhalt zuzubilligen, der sich ohne Berücksichtigung der Darlehnsverbindlichkeit
des Antragsgegners errechnet.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Steuerersparnis von rund 270,- DM hat der Senat wie folgt errechnet:</p>
<br /><span class="absatzRechts">39</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="1">
<tr>
<td>Das durchschnittliche monatliche steuerpflichtige Bruttoeinkommen des Antragsgegners liegt
nach der vorliegenden Lohnauskunft bei</td>
<td>4.100,- DM</td>
</tr>
<tr>
<td>Das steuerpflichtige Urlaubsgeld (jährlich 2.642,04) und Weihnachtsgeld (jährlich
um 2.400,- DM, davon zu versteuern 2.000,- DM) beträgt 4.642,04 DM im Jahr, umgelegt auf
12 Monate</td>
<td><u>385,- DM</u></td>
</tr>
<tr>
<td>Zu versteuerendes Monatsenkommen im Durchschnitt:</td>
<td><u>4.485,- DM</u></td>
</tr>
</table>
<br /><span class="absatzRechts">40</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td>Die monatliche Steuerbelastung des Antragsgegners beträgt hiernach lt. Lohnsteuertabelle
(Steuerklasse II 1)</td>
</tr>
</table>
<br /><span class="absatzRechts">41</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="1">
<tr>
<td>an Lohnsteuer</td>
<td>1.153,30 DM</td>
</tr>
<tr>
<td>an Kirchensteuer</td>
<td><u>99,29 DM</u></td>
</tr>
</table>
<br /><span class="absatzRechts">42</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td>insgesamt:</td>
<td> </td>
<td><u>1.252,59 DM</u></td>
</tr>
</table>
<br /><span class="absatzRechts">43</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td>Bei Durchführung des Realsplitting nach §10 I Nr. 1 EinkStG vermindert</td>
</tr>
</table>
<br /><span class="absatzRechts">44</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="1">
<tr>
<td>sich das steuerpflichtige Einkommen von</td>
<td>4.485,- PM</td>
</tr>
<tr>
<td>um den monatlichen Unterhalt von</td>
<td><u>530,- DM</u></td>
</tr>
</table>
<br /><span class="absatzRechts">45</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td>und beträgt nur noch</td>
<td> </td>
<td> </td>
<td><u>3.955,- DM</u></td>
</tr>
</table>
<br /><span class="absatzRechts">46</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td>Hiernach beträgt die monatliche Steuerbelastung des Antragsgegners</td>
</tr>
</table>
<br /><span class="absatzRechts">47</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="1">
<tr>
<td>an Lohnsteuer</td>
<td>909,- DM</td>
</tr>
<tr>
<td>an Kirchensteuer</td>
<td><u>77,31 DM</u></td>
</tr>
</table>
<br /><span class="absatzRechts">48</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td>insgesamt nur noch:</td>
<td> </td>
<td><u>986,31 DM</u></td>
</tr>
</table>
<br /><span class="absatzRechts">49</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td>Die Steuerersparnis beträgt damit</td>
<td>1.252,59</td>
</tr>
</table>
<br /><span class="absatzRechts">50</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td> </td>
<td>./.</td>
<td><u>986,31</u></td>
</tr>
</table>
<br /><span class="absatzRechts">51</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><u>266,28</u></td>
</tr>
</table>
<br /><span class="absatzRechts">52</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td>Das sind <u>abgerundet 270,- DM.</u></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">e)</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Eine steuerliche Belastung der Antragstellerin, die auszugleichen wäre, entsteht bei Durchführung
des Realsplittings <u>nicht</u>, wie sich aus folgender Übersicht ergibt:</p>
<br /><span class="absatzRechts">55</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td>Die Antragstellerin hat lediglich hat lediglich das Unterhaltsenkommen von jährlich 530,- DM
× 12 =</td>
<td>6.360,- DM</td>
</tr>
</table>
<br /><span class="absatzRechts">56</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="1">
<tr>
<td>Hiervon gehen folgende steuerlichen Freibeträge ab:</td>
<td> </td>
<td> </td>
</tr>
<tr>
<td>Allgemeiner Tariffreibetrag (§32 VIII EinkStG)</td>
<td>./.</td>
<td>510,- DM</td>
</tr>
<tr>
<td>Werbungskostenpauschale (§9 a Nr. 3 EinkStG)</td>
<td>./.</td>
<td>200,- DM</td>
</tr>
<tr>
<td>Sonderausgabenpauschale (§10 c I EinkStG)</td>
<td>./.</td>
<td>240,- DM</td>
</tr>
<tr>
<td>Vorsorgepauschale (§10 c II EinkStG)</td>
<td>./.</td>
<td>300,- DM</td>
</tr>
<tr>
<td>Körperberhindertenfreibetrag gemäß §33 b EinkStG, bemessen nach einer
Minderung der Erwerbsfähigkeit um 70 %</td>
<td>./.</td>
<td><u>1.740,- DM</u></td>
</tr>
<tr>
<td> </td>
<td> </td>
<td><u>3.370,- DM</u></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Der verbleibende Betrag liegt unter dem allgemeinen tariflichen Grundfreibetrag von 3.690,- DM (§32 a I Nr. 1
EinkStG).</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks"><b>2.</b></p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks"><u>Hausratsverteilung</u></p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Insoweit hat das Rechtsmittel der Antragstellerin Erfolg. Das Briefmarkenalbum durfte nicht dem Antragsgegner
zugewiesen werden.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen der Hausratsverteilung nach der Hausratsverordnung können lediglich <u>Hausrats</u>gegenstände
verteilt werden, d.h. solche Gegenstände, die nach den Vermögens- und Lebensverhältnissen der Eheleute
für deren Wohnung, Hauswirtschaft und ihr Zusammenleben bestimmt sind. Nicht zum Hausrat gehört das zum
persönlichen Gebraucht Bestimmte, zu dem in aller Regel auch Sammlungen etc. zählen (vgl. Palandt-Diederichsen,
39. Aufl., Anh. zu §1587 p, §1 HausrVO Anm. 2; Hoffmann-Stephan, §1 HausrVO Rz. 33, in Komm, zum EheG, 2.
Aufl., 1968).</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Ob der Antragsgegner nach allgemeinen Vorschriften einen Herausgabeanspruch hat, kann dahinstehen; denn zur
Entscheidung hierüber ist nicht das Familiengericht zuständig.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks"><b>3.</b></p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Das angefochtene Urteil ist entsprechend abzuändern.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§93 a, 97, 515 III ZPO.</p>
|
315,971 | olgham-1980-01-07-8-u-19679 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 8 U 196/79 | 1980-01-07T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:00 | 2019-03-27T09:41:45 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1980:0107.8U196.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 6. Juli 1979 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird auf seine Kosten zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500,-- DM abzuwenden.</p>
<p></p>
<p>Der Wert der Beschwer beträgt 50.000,-- DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ging am 28.6.1945 vor dem Standesamt in xxx mit Frau xxx die Ehe ein. Etwa 1 Jahr später trennten sich die Ehegatten.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">In der Folgezeit lebte Frau xxx mit dem Beklagten zusammen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Durch Urteil des Landgerichts Dortmund vom 1.7.1964 "wurde" die am 18.11.1947 vor dem Standesamt xxx von der Frau xxx mit dem Beklagten eingegangene Ehe geschieden.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Am 8.1.1970 starb Frau xxx. Sie hinterließ ein Vermögen im Werte von etwa 190.000,-- DM. Das Vermögen ist zum Teil bei dem Amtsgericht Dortmund hinterlegt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat behauptet, Frau xxx habe mit dem Beklagten niemals die Ehe vor einem Standesamt geschlossen, vielmehr sei sie lediglich - am 22.11.1947 - in xxx kirchlich getraut worden.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">festzustellen,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">1) daß zwischen dem Beklagten und Frau xxx, geborene xxx, verstorben am 8.1.1970, niemals eine Ehe bestanden hat, ferner</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">2) daß Frau xxx, geborene xxx, bis zu ihrem Tode mit ihm verheiratet war.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Er hat behauptet, er sei mit Frau xxx verheiratet gewesen. Die Eheschließung im Jahre 1945 mit dem Kläger sei nur zum Schein erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Gründe wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger unter Wiederholung seines gesamten erstinstanzlichen Vorbringens.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Er beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">festzustellen,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">1) daß zwischen dem Beklagten und Frau xxx, geborene xxx, verstorben am 8.1.1970, niemals eine Ehe bestanden hat,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:50px">2) daß Frau xxx, geborene xxx, bis zu ihrem Tode mit dem Kläger verheiratet war.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist nicht vertreten.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze sowie die Anlagen dazu Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig, sie hat sachlich jedoch keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Es kann dahinstehen, ob der Kläger in entsprechender Anwendung der §§ 606 ff. ZPO die begehrte Feststellung mit Wirkung gegenüber jedermann verlangen kann. Hierüber zu befinden ist Aufgabe des zuständigen Familiengerichts (§ 23b Abs. 1 Nr. 1 GVG, § 606 Abs. 1 S. 1 ZPO). Nachdem das zunächst angerufene Familiengericht den Rechtsstreit mit Billigung des Klägers an das Landgericht verwiesen hat, war allein zu prüfen, ob die Feststellung im Rahmen der "allgemeinen" Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO erfolgen kann. Das ist zu verneinen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Feststellung, daß eine Ehe besteht oder nicht besteht, kann nicht Gegenstand eines den gewöhnlichen Regeln des Parteiprozesses unterliegenden Rechtsstreits sein, die zum einen eine Disposition der Parteien über den Streitgegenstand zulassen und zum anderen die Wirkungen der Rechtskraft auf die Prozeßbeteiligten beschränken. Das öffentliche Interesse gebietet die Schaffung klarer Verhältnisse, es gebietet insbesondere auch, daß diese Frage, sofern sie Gegenstand eines Rechtsstreits ist, in Übereinstimmung mit der tatsächlichen Lage und mit Wirkung für und gegen alle geklärt wird. Diesen Erfordernissen hat der Gesetzgeber durch die Erklärung eines solchen Rechtsstreits zur "Ehesache" und damit die Unterstellung unter die für "Ehesachen" geltenden besonderen Regeln des Prozeßrechts Rechnung getragen (§§ 606 ff., 638 ZPO), die unter anderem die Aufnahme von Beweisen von Amts wegen sowie die Berücksichtigung von nicht vorgebrachten Tatsachen zulassen (§ 616 ZPO), die Anwendung der Vorschriften über die Wirkung eines Anerkenntnisses, über die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über Tatsachen oder über die Echtheit von Urkunden, über den Verzicht einer Partei auf die Beeidigung der Gegenpartei oder von Zeugen und Sachverständigen ferner über die Wirkung eines gerichtlichen Geständnisses ausschließen (§ 617 ZPO) und die schließlich - unter den in § 638 ZPO näher bezeichneten Voraussetzungen - vorsehen, daß das insofern ergehende gerichtliche Urteil, wenn es rechtskräftig wird, für und gegen alle wirkt.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Mit dem Ausschluß der allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO wird auch einem aus Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz folgenden Gebot Rechnung getragen, der die Ehe "dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung" unterstellt. Dieser grundgesetzlich bestimmte Schutz der Ehe wäre unvollkommen, würden außer den "Eheleuten" Dritte die Möglichkeit haben, diese Frage selbständig zum Gegenstand eines Rechtsstreits zu machen (vgl. in diesem Zusammenhang die §§ 606 Abs. 1 und 638 ZPO: "Ehe zwischen den Parteien").</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Eine Ehe hat <u>höchstpersönlichen Charakter</u>. Das gebietet ein Abweichen von den sonstigen prozessualen Regeln. Demgemäß hat der Gesetzgeber auch in den §§ 606 ff. ZPO den Kreis der Personen, denen die Befugnis zustehen soll, sich an entsprechenden Verfahren zu beteiligen, auf die beiden durch das Band der Ehe verbundenen Partner beschränkt und insofern - abweichend von § 52 ZPO - beschränkt geschäftsfähige Ehegatten für prozeßfähig erklärt (§ 607 ZPO). Abweichend von § 239 ZPO kann in einer Ehesache im Falle des Todes eines Ehegatten auch nicht ein Erbe das Verfahren aufnehmen (§ 619 ZPO). Für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß §§ 578 ff. ZPO ist nach dem Tode eines Ehegatten im Falle eines Scheidungs- oder Aufhebungsurteils kein Raum (BGHZ 43, 239), im Falle der Nichtigkeitsklage steht dieses Recht lediglich dem Staatsanwalt zu (§ 636 ZPO), der im übrigen - als Vertreter des Staates - als einziger außer den Ehegatten berechtigt ist, die Nichtigkeitsklage zu erheben (§ 632 ZPO (vgl. auch § 634 ZPO)). Im Falle des § 638 ZPO steht ihm als einzigen "Außenstehenden" das Recht zu, Partei des Rechtsstreits zu sein (§§ 638, 634 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger "in Bezug auf den Beklagten" nicht. Eine ausdehnende Anwendung der bestehenden einschlägigen Vorschriften verbietet sich im Hinblick auf den in obigen Bestimmungen unmißverständlich zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die von dem Kläger erhobene "allgemeine" Feststellungsklage ist nach all dem unzulässig. Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.</p>
|
315,972 | ovgnrw-1979-12-20-15-a-164576 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 15 A 1645/76 | 1979-12-20T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:02 | 2019-03-27T09:41:44 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1979:1220.15A1645.76.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.</p>
<p></p>
<p>Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>
</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Durch das Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise des
Neugliederungsraumes Aachen vom 14. Dezember 1971 (Aachen-Gesetz), GV NW S.
414, ist mit Wirkung zum 1. Januar 1972 aus den früheren Kreisen Exxx und Sxxx
der neue Kreis Exxx gebildet worden. Dem Altkreis Exxx gehörten sechs Gemeinden
- darunter die Klägerin -, dem Altkreis Sxxx acht Gemeinden an. Gemäß § 26 des am
1. Januar 1975 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neugliederung der Gemeinden und
Kreise des Neugliederungsraumes Kxxx (xxx-Gesetz) vom 5. November 1974, GV
NW S. 1072, ist die Klägerin aus dem Kreis Exxx aus- und dem Exxx eingegliedert
worden.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">In dem Jahr vor dem Inkrafttreten des xxx-Gesetzes betrug der Hebesatz der
Kreisumlage im Altkreis Exxx 27,5 %, im Altkreis Sxxx 35,5 %. Nachdem die
Klägerin Einwendungen gegen die Absicht des neuen Kreises Exxx, den Hebesatz
der Kreisumlage für das Rechnungsjahr 1972 auf 34,55 % zu erhöhen, erhoben
hatte, traf sie nach entsprechenden Verhandlungen u.a. folgende Vereinbarungen
mit dem Beklagten:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">1. Es wird für die Stadt Exxx für das Rechnungsjahr 1972 eine Kreisumlage von
nicht mehr als 30,5 % erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">2. Die Angleichung an eine einheitliche Kreisumlage im Kreis erfolgt innerhalb von
5 Jahren, wobei in den nächsten 4 Jahren die jährliche Steigerungsrate für die Stadt
Exxx nicht mehr als 1 % betragen darf </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">3. ...</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">4. ...</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Kreistag dieser Vereinbarung am 21. Juni 1972 unter Erstreckung
ihres Geltungsbereichs auf alle Gemeinden des Altkreises Exxx zugestimmt hatte,
wurde der Hebesatz der Kreisumlage für diese Gemeinden durch die am selben
Tage beschlossene Haushaltssatzung des Kreises auf 30,5 %, für die Gemeinden
des Altkreises Sxxx auf 39 % festgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit Verfügung vom 31. Oktober 1972 wies der Regierungspräsident in xxx -
unter Genehmigung der Haushaltssatzung im übrigen - den Beklagten an, den
Kreistagsbeschluß vom 21. Juni 1972 zu beanstanden und in Verhandlungen mit der
Klägerin die Aufhebung der Vereinbarungen zu Ziffer 2 zu erwirken. Die Kreisumlage
werde als Kreissteuer nach Maßgabe der durch § 20 des Finanzausgleichsgesetzes
1972 getroffenen abschließenden gesetzlichen Regelung erhoben und sei deshalb
abweichenden Vereinbarungen nicht zugänglich.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Kreistag nach einer eingehenden Besprechung mit Vertretern der
Klägerin (vgl. Beiakte Heft 2, Bl. 25) an dem beanstandeten Beschluß festgehalten
hatte, setzte er in der Haushaltssatzung 1973 für die Gemeinden des Altkreises Exxx
den Hebesatz der Kreisumlage auf 31,5 % fest. Im Juli 1973 bekräftigte der
Regierungspräsident in xxx seine Bedenken gegen Ziffer 2. der Vereinbarung vom
21. Juni 1972, teilte aber zugleich mit, daß er die Haushaltssatzung 1973 genehmigt
habe, um deren Inkrafttreten nicht weiter hinauszuzögern. Eine Angleichung der
Umlagesätze sei im Interesse der Vermeidung einer unterschiedlichen Belastung der
Gemeinden beider zusammengelegter Kreise auf Dauer unabdingbar.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">In der am 13. März 1974 vom Kreistag beschlossenen Haushaltssatzung des
Kreises für 1974 wurde der Hebesatz der Kreisumlage sodann für die Gemeinden
des Altkreises Exxx wiederum um 1 % auf nunmehr 32,5 % angehoben, für die
Gemeinden des ehemaligen Kreises Sxxx auf 36,5 % gesenkt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">In § 5 der am 18. Dezember 1974 vom Kreistag beschlossenen
Nachtragshaushaltssatzung für dieses Haushaltsjahr, deren erster Entwurf vom 11.
bis 21. Oktober 1974 öffentlich ausgelegen und gegen den die Klägerin unter
Hinweis auf die Haushaltsgrundsätze der §§ 65 und 70 GO NW erfolglos
Einwendungen erhoben hatte, wurde der Hebesatz für alle kreisangehörigen
Gemeinden um 3,2 % erhöht. Der Hebesatz betrug danach für (u.a.) die Klägerin
35,7 % und für die Gemeinden des Altkreises Sxxx 39,7 %. Diese Änderung wurde
von dem Regierungspräsidenten in xxx am 20. Dezember 1974 aufsichtsbehördlich
genehmigt. Der Nachtragshaushaltsplan lag in der Zeit vom 24. Dezember 1974 bis
7. Januar 1975 öffentlich aus.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Gestützt auf die Nachtragshaushaltssatzung setzte der Beklagte mit Bescheid
vom 30. Dezember 1974 die für das Haushaltsjahr 1974 von der Klägerin zu
entrichtende Kreisumlage neu auf 7.140.810,75 DM fest und zog die Klägerin
zugleich zur Zahlung der Differenz zu der ursprünglich erhobenen Kreisumlage
(6.500.738,08 DM) in Höhe von 640.072,67 DM heran.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs machte die Klägerin
geltend: Die Erhöhung des Hebesatzes widerspreche der Vereinbarung zu Ziffer 2.
vom 21. Juni 1972 und - so kurz vor dem neugliederungsbedingten Ausscheiden der
Exxx aus dem Kreis Exxx zum 1. Januar 1975 - gegen Treu und Glauben und die
Verpflichtung des Beklagten zu gemeindefreundlichem Verhalten.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 17. Februar 1975 unter
Bekräftigung seiner in der Vergangenheit geltend gemachten Bedenken mit der
Feststellung zurück, daß aufgrund unabdingbarer Aufgabensteigerungen im Bereich
der Pflichtaufgaben im Haushaltsjahr 1974 ein Haushaltsausgleich nur über die
beschlossene Erhöhung des Umlagehebesatzes erreichbar sei. Darin liege kein
Verstoß gegen Treu und Glauben, weil die übrigen Gemeinden anteilig im gleichen
Maße höher belastet worden seien und die bevorstehende Erhöhung bereits im
Oktober 1974 bekannt geworden sei.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung ihrer am 24. März 1975 erhobenen Klage hat die Klägerin
vorgetragen: Die Vereinbarung vom 21. Juni 1972 sei als öffentlich-rechtlicher
Vertrag voll rechtswirksam. Denn die gesetzlichen Vorschriften über die Erhebung
der Kreisumlage seien einer solchen vertraglichen Ausgestaltung zugänglich. Durch
die Festlegung der jährlichen Steigerungsrate des Hebesatzes um 1 % habe eine
vorhersehbare und kalkulierbare Angleichung der Hebesätze für die Gemeinden der
Altkreise Exxx und Sxxx sichergestellt werden sollen. Zur Einhaltung dieser Rate sei
der Kreis verpflichtet gewesen, erforderlichenfalls Einsparungen im Personalbereich
vorzunehmen oder freiwillige Aufgaben einzuschränken Eine unvermeidbare
Steigerung der Pflichtaufgaben des Kreises in dem von dem Beklagten genannten
Umfang werde nicht anerkannt.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 30. Dezember 1974 sowie
dessen Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 1975 aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Er hat ausgeführt: Die Vereinbarung vom 21. Juni 1972 zu Ziffer 2.
widerspreche dem Deckungszweck der Kreisumlage, der es erfordere, daß der Kreis
sich die notwendigen Einnahmen durch eine entsprechende Bemessung der
Kreisumlage - als der Haupteinnahmequelle des Kreises - jederzeit beschaffen
könne. Die gesetzliche Regelung des jährlichen Finanzausgleichs sei abschließend
und lasse für vertragliche Vereinbarungen keinen Raum. Im übrigen seien die
Haushaltsansätze im Nachtragshaushalt 1974 gewissenhaft berechnet bzw.
geschätzt worden.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich in erster Instanz am
Verfahren beteiligt und sich - ohne einen eigenen Antrag zu stellen - dem Vortrag
des Beklagten angeschlossen. Ergänzend hat er die Auffassung vertreten, daß die
Vereinbarung vom 21. Juli 1972 schon formell keine Wirkungen habe äußern
können, weil die auf Anweisung des Regierungspräsidenten xxx erfolgte
Beanstandung des Kreistagsbeschlusses durch den Oberkreisdirektor aufschiebende
Wirkung erzielt habe.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Mit dem wegen seiner Gründe in Bezug genommenen angefochtenen Urteil hat
das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Ihre dagegen eingelegte Berufung begründet die Klägerin über ihr
erstinstanzliches Vorbringen hinaus wie folgt: Der Auffassung des
Verwaltungsgerichts zur Problematik des § 2 Abs. 2 Nr. 5 GemHVO (Erforderlichkeit
eines Nachtrags zum Finanzplan) sei entgegenzuhalten, daß die Beurteilung des
Vorliegens einer "wesentlichen Änderung" nicht dem kalkulatorischen Ermessen des
Beklagten überlassen sei, sondern umfassender richterlicher Kontrolle unterliege.
Angesichts der erheblichen Mehreinnahmen und Überschüsse des Kreishaushalts
1974 sei dieses Merkmal auch erfüllt gewesen. Das Kassenwirksamkeitsprinzip sei
durch eine fahrlässige erhebliche Fehleinschätzung im Bereich der Sozialhilfekosten
verletzt worden. Stehe - wie hier - fest, daß eine Stadt mit dem Ende des
Haushaltsjahres aus dem Kreisverband ausscheide, sei besondere Sorgfalt bei der
Feststellung der Kassenwirksamkeit von Einnahmen und Ausgaben für das laufende
Haushaltsjahr geboten. Sie - die Klägerin - sei in dem Nachtragshaushalt zu
Umlageleistungen für Mehraufwand im Sozialhilfebereich herangezogen worden, der
weitgehend gar nicht bestanden habe. Der sich hieraus ergebende Überschuß sei
dem Kreis verblieben und nicht der Klägerin zugute gekommen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Wenn das Verwaltungsgericht die Rechtsgültigkeit der Vereinbarung zu Ziffer 2.
verneint habe, so liege dem eine unzutreffende Wertung ihres Inhalts zugrunde. Es
habe nämlich verkannt, daß dem Kreistag bei der Festsetzung des Hebesatzes ein
weitgehendes gesetzgeberisches Ermessen zustehe. Im Rahmen dieser
Gestaltungsfreiheit könne der Kreis mit den ihm angehörenden Gemeinden auch
eine Regelung treffen, durch die mit einer jährlichen Steigerungsrate von 1 % für die
Klägerin eine allmähliche Annäherung an eine einheitliche Kreisumlage innerhalb
eines bestimmten Zeitraums erreicht werden solle. Daß sich diese Bindung nur im
Bereich der freiwilligen Aufgaben auswirken könne, sei selbstverständlich. Inhaltlich
verpflichte sie dazu, bei zusätzlicher Anspannung im gesetzlich gebotenen
Aufgabenbereich zunächst den Bedarf bei den freiwilligen Aufgaben einzuschränken.
Für den Fall, daß infolge nicht erwarteter zusätzlicher Ausgaben im Pflichtbereich ein
Ausgleich durch eine Beschränkung im Bereich der freiwilligen Aufgaben nicht hätte
erreicht werden können, habe die geschlossene Vereinbarung unter dem Grundsatz
der sog. clausula rebus sic stantibus gestanden. Denn die Vertragspartner hätten
durch die eingegangene Bindung keinesfalls in Konflikt mit möglicherweise zukünftig
entstehenden zusätzlichen Pflichten geraten wollen. Folglich sei dem Kreis auch bei
den freiwilligen Aufgaben und im Bereich der Personalpolitik eine
eigenverantwortliche, an den Belangen des Gemeinwohls und der sachgerechten
Aufgabenerfüllung orientierte Entscheidungsfreiheit erhalten geblieben. Eine
Anpassung der Vereinbarung sei nicht erforderlich geworden, weil es durch den
Nachtragshaushalt zu hohen Überschüssen gekommen und das Finanzgebaren des
Kreises seinerzeit gerade im Hinblick auf die Sparsamkeit im Personalbereich
aufsichtsbehördlich getadelt worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und ihrem Klageantrag stattzugeben.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Er tritt dem Berufungsvorbringen entgegen: § 2 Abs. 2 Nr. 5 GemHVO begründe
eine selbständige Verpflichtung der betroffenen Gebietskörperschaften, deren
Erfüllung jedoch nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit des Haushaltsplans und
der Haushaltssatzung sei. Im übrigen sei gegen diese Vorschrift nicht verstoßen
worden. Im Gegensatz zu der alljährlich zu wiederholenden Haushaltsplanung sei
die Finanzplanung ein kontinuierlich fortschreitender Prozeß. Ob sich eine
Nachtragshaushaltssatzung auf den Finanzplan auswirken könne, sei nach den
Verhältnissen im Zeitpunkt des Satzungserlasses, nicht aber ex post zu beurteilen.
Seinerzeit sei lediglich beabsichtigt gewesen, den aufgrund sorgfältiger Schätzungen
voraussichtlich erwachsenden Mehrbedarf des Jahres 1974 auszugleichen, nicht aber
Folgewirkungen für die Zukunft einzuleiten, die eine Änderung der Finanzplanung
erforderlich gemacht hätten.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Nachtragshaushaltssatzung habe auch das Kassenwirksamkeitsprinzip
beachtet, wobei wiederum der Zeitpunkt ihres Erlasses maßgeblich sei. Der
Sozialhilfeaufwand sei sorgfältig geschätzt worden. Die Anzahl der Leistungsfälle
und der Umfang der Leistungen seien allerdings in diesem Bereich kaum
kalkulierbar. Die durch die Novellierung des Bundessozialhilfegesetzes im Jahre
1974 eingeführten Leistungsverbesserungen und Heranziehungsbeschränkungen
hätten Mehrausgaben von 2.430.790,-- DM bewirkt. Wenn das Ausgabevolumen
1974 des Einzelplans 4 (Sozialhilfe) in Höhe von 24,8 Millionen DM um 5 % (= 1,1
Millionen DM) überschritten worden sei, könne die Abweichung angesichts dieser
Ausgangslage nicht Beweis mangelnder Sorgfalt sein. Daß der Überschuß der
Klägerin nicht zugute gekommen sei, sei Folge der kommunalen
Neugliederung.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, Ziffer 2. der Vereinbarung vom 21.
Juni 1972 habe die absolute Höhe der von der Klägerin zu zahlenden Umlage
begrenzen sollen, sei unrichtig. Es habe lediglich der Umfang der jährlichen
Angleichung an eine einheitliche Kreisumlage im Kreis innerhalb von fünf Jahren in
dem Sinne festgelegt werden sollen, daß sich in diesem Zeitraum die von der
Klägerin zu zahlende Kreisumlage um nicht mehr als 1 % der von den Gemeinden
des Altkreises Sxxx zu zahlenden Umlage annähern solle. Dabei sei man
selbstverständlich davon ausgegangen, daß in dem Umfang, in dem die Kreisumlage
für die Gemeinden des Altkreises Exxx sich erhöhe, die Umlage für die Gemeinden
des Altkreises Sxxx sich ermäßigen würde. Daran, daß der Finanzbedarf des Kreises
in den kommenden fünf Jahren so erheblich wachsen würde, habe bei Abschluß der
Vereinbarung niemand gedacht. An der Vereinbarung über den Umfang der
gegenseitigen Annäherung des Kreisumlagesatzes habe die
Nachtragshaushaltssatzung nichts geändert. Da der Hebesatz einheitlich um 3,2 %
erhöht worden sei, sei nämlich die Differenz von 4 % zwischen den Gemeinden der
Altkreise Exxx und Sxxx erhalten geblieben.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Gehe man - wie das Verwaltungsgericht - davon aus, daß für einen Zeitraum
von vier Jahren die absolute Höhe der von der Klägerin zu zahlenden Kreisumlage
habe begrenzt werden sollen, sei Ziffer 2. der Vereinbarung wegen Verstoßes gegen
die Grundsätze des § 20 FAG 1972 unwirksam.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche
Verhandlung einverstanden erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Anfechtungsklage ist nicht begründet. Der Heranziehungsbescheid des
Beklagten vom 30. Dezember 1974 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
17. Februar 1975 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren
(Selbstverwaltungs-) Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO -).</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Dieser Verwaltungsakt hat in § 5 der am 18. Dezember 1974 beschlossenen
Nachtragshaushaltssatzung des Kreises Exxx eine formell und materiell rechtmäßige
Ermächtigungsgrundlage.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Nach § 67 Abs. 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom
10. November 1952 (GO NW) in Verbindung mit § 42 der Landkreisordnung vom 21.
Juli 1953 (LKrO), beide Gesetze in der - hier maßgeblichen - Fassung des Gesetzes
zur Änderung der Gemeindeordnung, der Kreisordnung (KrO) und anderer
kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen vom
11. Juli 1972, GV NW S. 218, kann die Haushaltssatzung (nur) durch
Nachtragssatzung geändert werden, „die spätestens bis zum Ablauf des
Haushaltsjahres zu beschließen ist". Die Nachtragshaushaltssatzung 1974 des
Kreises Exxx ist nach Durchführung des sich aus § 66 GO NW ergebenden Verfahrens
am 18. Dezember 1974 vom Kreistag beschlossen worden. Daß die durch § 66 Abs.
6 GO NW vorgeschriebene öffentliche Auslegung des Nachtragshaushaltsplanes erst
nach dem 31. Dezember 1974 abgeschlossen worden ist (24. Dezember 1974 bis 7.
Januar 1975), berührt die formelle Gültigkeit der Satzung nicht. Die Vorschrift des §
67 GO NW fordert bereits nach ihrem Wortlaut nicht, daß auch das gesamte in § 66
GO NW vorgeschriebene Erlaßverfahren bis zum genannten Zeitpunkt förmlich
beendet sein muß.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Dieses Verständnis findet seine Stütze in der Entstehungsgeschichte der Norm.
Während noch der Gesetzentwurf der Landesregierung</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">vgl. Landtagsdrucksachen 7/1143 S. 6, 36</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">vorsah, daß die Nachtragshaushaltssatzung bis zum Ablauf des Haushaltsjahres
erlassen sein müsse, hat der kommunal-politische Ausschuß des Landtages
ausweislich seines Berichtes zur zweiten Lesung des Gesetzentwurfes zum
Änderungsgesetz 1972,</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">vgl. Landtagsdrucksachen 7/1617 S. 4,</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">aufgrund der diesbezüglichen Bedenken der CDU-Fraktion beschlossen, zur
bisherigen Formulierung des § 90 Abs. 1 GO NW zurückzukehren:</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Haushaltssatzung kann nur durch Nachtragssatzung geändert werden, die
spätestens bis zum Ablauf des Rechnungsjahres zu beschließen ist.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">- So auch: Scheel/Steup, Gemeindehaushaltsrecht Nordrhein-Westfalen,
Kommentar, 2. Aufl., § 67 Erl. II 1, S. 85, 86; Pagenkopf, Die Haushaltssatzung, S.
79; Rauball/Rauball, Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 2.
Aufl., § 67 Anm. 2 (S. 335, 336); Körner, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen,
Kommentar, § 67 Anm. 2 , Berkenhoff/Sindermann, Das Haushaltswesen der
Gemeinden (1959) S. 26, a.A.: Kottenberg-Rehn, Gemeindeordnung für das Land
Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 10. Aufl., § 67 GO NW, Erl. I 2, unter Hinweis auf
Depiereux, Das neue Haushaltsrecht der Gemeinden, 4. Aufl., S. 39 -.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Die Nachtragshaushaltssatzung ist auch nicht deshalb formell fehlerhaft, weil
dem Nachtragshaushaltsplan nicht gleichzeitig ein Nachtrag zum Finanzplan (§ 70
GO NW) des Kreises mit dem ihm zugrundeliegenden Investitionsprogramm
beigefügt worden ist. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 der aufgrund des § 119 Abs. 1 und 2 GO
NW erlassenen und über § 42 Abs. 1 KrO auch für die Haushalte der Kreise
geltenden Verordnung über die Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans der
Gemeinden - Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO) - vom 6. Dezember 1972,
GV NW S. 418, ist dem Haushaltsplan, falls sich bei seiner Aufstellung wesentliche
Änderungen für die folgenden Jahre ergeben, ein entsprechender Nachtrag
beizufügen. Diese Voraussetzungen hat der Kreiskämmerer in seinem der
beschlossenen Nachtragshaushaltssatzung 1974 beigefügten Bericht über die
"Auswirkungen der Nachtragshaushaltssatzung 1974 auf den Finanzplan und das
Investitionsprogramm des Kreises Exxx" ausdrücklich verneint (vgl. Beiakte Heft IV,
Bl. 233). Es heißt dort:</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">1. Die Nachtragshaushaltssatzung für das Haushaltsjahr 1974 sieht
Ausgabensteigerungen im Verwaltungshaushalt um 7.812.961,-- DM und im
Vermögenshaushalt um 1.723.063,-- DM vor. Diese Veränderungen haben keine
Auswirkungen auf den Finanzplan und das Investitionsprogramm.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">2. Der Gesamtbetrag der Verpflichtungsermächtigung wird von bisher
9.408.000,-- DM um 600.000,-- DM auf 10.008.000,-- DM erhöht.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Durch diese Veränderungen ergeben sich keine wesentlichen Abweichungen
vom Finanzplan und Investitionsprogramm für die kommenden Jahre. Eine
Fortschreibung bzw. die Erstellung eines Nachtrages zum Finanzplan und zum
Investitionsprogramm ist daher nicht erforderlich.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Beurteilung der Kontrolldichte des in § 2 Abs. 2 Nr. 5 GemHVO verwandten
unbestimmten Rechtsbegriffs "wesentliche Änderungen" hat von der Erkenntnis
auszugehen, daß die Finanzplanung Grundlage der Haushaltssatzung des Kreises ist.
Der Finanzplan ist dem Kreistag spätestens mit dem Entwurf der Haushaltssatzung
vorzulegen, das Investitionsprogramm ist vom Kreistag zu beschließen (§ 70 Abs. 5
GO NW, § 42 KrO). Wird der Kreistag insoweit nicht als Verwaltungsorgan, sondern
als kommunale Volksvertretung (vgl. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes)
gesetzgeberisch tätig, so verleiht ihm diese legislative Autonomie eine weitgehende
und gegenüber dem Verwaltungsermessen erweiterte Beurteilungs- und
Gestaltungsfreiheit, deren Ausübung hier angesichts der zuvor zitierten
substantiierten Begründung verwaltungsgerichtlich nicht beanstandet werden kann.
Maßgebend ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 GemHVO allein der Zeitpunkt der Aufstellung
des Haushaltsplans, nicht aber eine rückschauende Analyse der Entwicklung von
Einnahmen und Ausgaben.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Die Nachtragshaushaltssatzung 1974 ist auch materiell rechtmäßig.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Ein Verstoß gegen die Haushaltsgrundsätze der §§ 62 GO NW in Verbindung mit
42 KrO kann nicht festgestellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Das in § 65 GO NW niedergelegte sog. Kassenwirksamkeitsprinzip ist nicht
verletzt. Danach dürfen im Haushaltsplan grundsätzlich nur solche Einnahmen und
Ausgaben veranschlagt werden, mit deren Eingang bzw. Leistung noch innerhalb des
Haushaltsjahres tatsächlich gerechnet werden kann; Einnahmen und Ausgaben
sollen also noch innerhalb des Haushaltsjahres "kassenwirksam" werden. § 65 Abs.
1 Satz 1 GO NW spricht deshalb von "voraussichtlich eingehenden Einnahmen" und
"voraussichtlich zu leistenden Ausgaben". Hierzu bestimmt § 7 Abs. 1 GemHVO
ergänzend, daß die Einnahmen und Ausgaben nur in Höhe der im jeweiligen
Haushaltsjahr voraussichtlich eingehenden oder zu leistenden Beträge zu
veranschlagen sind; soweit sie nicht errechenbar sind, sind sie sorgfältig zu
schätzen.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">- Vgl. Kottenberg-Rehn, a.a.O., § 65 Anm. II. 3. -</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Daß sich dabei Abweichungen zwischen den aufgrund einer Schätzung
veranschlagten Beträgen und den späteren Rechnungsbeträgen ergeben, ist
unvermeidlich. Eine sorgfältige Schätzung trägt jedoch mit dazu bei, diese
Unterschiede so gering wie möglich zu halten.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">- Vgl. Scheel/Steup, a.a.O., Erl. 1 zu § 7 GemHVO -</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind die im
vorliegenden Falle festzustellenden - erheblichen - Abweichungen zwischen den
Haushaltsplanansätzen und dem tatsächlicher Anordnungs-Soll ausweislich der
entsprechenden Aufstellung und der ihr beigefügten Erläuterung in der
Jahresrechnung des Kreises (Teilziffer 4.2 des Rechenschaftsberichtes Bl. 35 f
Beiakte Heft 5) weitgehend mit den Unsicherheitsfaktoren zu erklären, mit denen
die bei den einzelnen Ansätzen vorzunehmenden Prognosen und Schätzungen
zwangsläufig verbunden sind. Daß die Veranschlagung bei den Haushaltsstellen 410
(Sozialhilfe) und 440 (Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz) das
tatsächliche Rechnungsergebnis der Jahresrechnung 1974 des Kreises insgesamt um
1.103.006,85 DM überschreitet, ist in dem Rechenschaftsbericht des Beklagten für
das Haushaltsjahr 1974 (Ziffer 4.61) in schlüssiger und gerichtlich nicht zu
beanstandender Weise damit begründet, daß die für den Kreis Exxx durch das Dritte
Gesetz zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes vom 25. März 1974, BGBl. I S.
777, begründeten finanziellen Belastungen mangels einschlägiger Erfahrenswerte
und angesichts der durch diese Novellierung vorgesehenen Leistungsverbesserungen
und Heranziehungsbeschränkungen zu hoch geschätzt worden sind. Bei dieser - auch
bereits in den Erläuterungen des Vorberichtes zur Nachtragshaushaltssatzung
angesprochenen - Ausgangslage läßt die in diesem Bereich deutliche Diskrepanz
zwischen dem Anordnungs-Ist und dem Anordnungs-Soll nicht den Schluß darauf zu,
daß der Kreistag den Finanzbedarf des Kreises absichtlich "künstlich" erhöht hat, um
die Klägerin noch kurz vor deren Ausscheiden aus dem Kreisverband an in Wahrheit
nicht zu erwartenden Ausgaben zu beteiligen und sich auf diese Weise eine dem
Kreis nicht zustehende Einnahme zu verschaffen. Die Behauptung der Klägerin, der
Beklagte habe im Haushaltsjahr 1974 eine zu kostenaufwendige Personalwirtschaft
betrieben, findet in den dazu beigezogenen Verwaltungsunterlagen keine Stütze.
Die Personalsituation des Kreises Exxx ist seit dem Jahre 1972 wesentlich durch die
kommunale Neugliederung beeinflußt worden. Die durch den Zusammenschluß der
beiden Altkreise Exxx und Sxxx zum 1. Januar 1972 bedingte Zusammenführung
zweier voll funktionsfähiger Personalkörper verursachte einen Personalüberhang, der
wegen des von beiden Kreistagen beschlossenen Schutzabkommens nicht durch
Entlassungen abgebaut, sondern nur im Wege natürlicher Abgänge reguliert werden
konnte. Durch restriktive Personalwirtschaft ist aber in den Folgejahren erreicht
worden, daß der durch die Kreisneugliederung entstandene Personalüberhang bis
zum 31. Dezember 1974 von 727 Bediensteten auf 621 Bedienstete vermindert
werden konnte. Diese innerhalb von nur drei Jahren erzielte Personaleinsparung
verdeutlicht das Bemühen des Beklagten um eine sparsame Personalwirtschaft. Der
Bereich der Personalkosten ist zudem in den Haushaltsjahren 1972 und 1974
aufsichtsbehördlicher Kritik nicht ausgesetzt gewesen. Daß die Einnahmen und
Ausgaben für das Haushaltsjahr 1974 durch den Kreistag des Beklagten eher zu
knapp als zu großzügig kalkuliert worden sind, geht schließlich daraus hervor, daß
die Jahresrechnung 1974 des Kreises Exxx mit einer Verschlechterung in Höhe von
1.036.001,23 DM und einem Fehlbetrag des Vermögenshaushalts in Höhe von
841.451,40 DM abschließt (vgl. S. 64/65 des Rechenschaftsberichtes).</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Der Kreistag war auch durch Ziffer 2. der zwischen der Klägerin und dem Kreis
Exxx geschlossenen Vereinbarung vom 21. Juni 1972 nicht gehindert, in § 5 der
Nachtragshaushaltssatzung den Hebesatz der Kreisumlage 1974 um 3,2 % zu
Lasten der Klägerin (und der übrigen Gemeinden des Altkreises Exxx) auf 35,7 % zu
erhöhen.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Dabei kann offenbleiben, ob die Vereinbarung vom 21. Juni 1972 wegen des
von dem Regierungspräsidenten in eingeleiteten Beanstandungsverfahrens
rechtswirksam geworden ist. Selbst wenn dies in Übereinstimmung mit den
Ausführungen des Verwaltungsgerichts bejaht würde, hätte die Vereinbarung zu
Ziffer 2. den Kreistag aus den nachfolgenden Erwägungen nicht rechtswirksam
gehindert, den Hebesatz - wie geschehen - zu Lasten der Klägerin zu erhöhen.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Der Senat kann im Ergebnis ebenfalls dahingestellt lassen, ob die Kreisumlage
bis zu einem gewissen Grade einer vertraglichen Regelung und Ausgestaltung
zwischen Kreis und kreisangehörigen Gemeinden überhaupt zugänglich ist.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">- Verneinend: Wagener, Gemeindeverbandsrecht in Nordrhein-Westfalen (1967),
§ 45 LKrO, RdNr. 5, (S. 310 f) unter Hinweis auf die Unzulässigkeit sog.
Steuervereinbarungen -</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Auch wenn dies der Fall sein sollte, wäre die Vereinbarung zu Ziffer 2. vom 21.
Juni 1972 nicht geeignet gewesen, die dem Kreistag durch das Gesetz zur Regelung
des Finanz- und Lastenausgleichs mit den Gemeinden und Gemeindeverbänden
(FAG) eröffnete legislative Autonomie rechtswirksam einzuschränken.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Keiner abschließenden Beurteilung bedarf es dabei, ob durch Ziffer 2. der
Vereinbarung - so die Rechtsauffassung der Klägerin - die absolute Höhe des von
der Klägerin in den kommenden vier Haushaltsjahren zu zahlenden Hebesatzes der
Kreisumlage oder im Interesse einer einheitlichen Kreisumlage im Kreisverband
lediglich die Höchstquote festgelegt werden sollte, um die sich die von der Klägerin
in diesem Zeitraum zu zahlende Umlage der von den Gemeinden des Altkreises Sxxx
zu zahlenden Umlage annähern sollte.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Falls durch die Vereinbarung zu Ziffer 2. vom 21. Juni 1972 - so das
Berufungsvorbringen des Beklagten - lediglich die Höchstquote (= 1 %) festgelegt
worden sein sollte, um die von der Klägerin in den kommenden vier Haushaltsjahren
zu zahlende Kreisumlage sich der von den Gemeinden des Altkreises Sxxx zu
zahlenden Umlage annähern sollte, so ist daran durch die
Nachtragshaushaltssatzung vom 18. Dezember 1974 nichts geändert worden. Da der
Hebesatz der Kreisumlage durch die Nachtragshaushaltssatzung gegenüber den
Gemeinden des Altkreises Exxx einheitlich um 3,2 % erhöht worden ist, ist die für
dieses Haushaltsjahr vorgesehene Differenz der Kreisumlagesetze zwischen den
Gemeinden der Altkreise Exxx und Sxxx in Höhe von 4 % (32,5 % zu 36,5 %)
erhalten geblieben. Die erstgenannten Gemeinden hatten fortan 35,7 %, die
letztgenannten 39,7 % zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Als absolute Begrenzung der Höhe des von der Klägerin in dem
Vereinbarungszeitraum zu zahlenden Hebesatzes der Kreisumlage wäre Ziffer 2. der
Vereinbarung von dem - näher darzulegenden -gesetzlichen Ermächtigungsrahmen
nicht gedeckt und deshalb rechtsunwirksam.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 45 KrO können die Kreise, soweit ihre sonstigen Einnahmen nicht
ausreichen, zur Deckung ihres Finanzbedarfs nach den hierfür geltenden Vorschriften
eine Kreisumlage von den kreisangehörigen Gemeinden erheben. Die für die
Erhebung der Kreisumlage als der Haupteinnahmequelle des Kreises geltenden
Vorschriften enthält das jährlich neu erlassene Gesetz zur Regelung des Finanz- und
Lastenausgleichs mit den Gemeinden und den Gemeindeverbänden (FAG). Nach §
20 Abs. 1 Satz 1 des im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden FAG 1972, GV
NW 1971, S. 538, ist, soweit die sonstigen Einnahmen eines Kreises den Bedarf nicht
decken, eine Umlage von den kreisangehörigen Gemeinden zu erheben. Die
Kreisumlage wird in Hundertsätzen der für die Gemeinde geltenden
Steuerkraftzahlen (§§ 6 und 10 FAG 1972) sowie in einem Hundertsatz der
Schlüsselzuweisungen festgesetzt (§ 20 Abs. 2 FAG 1972).</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">- Vgl. zur Ausgleichsfunktion der Kreisumlage im einzelnen Senatsurteil vom 27.
März 1979 - XV A 340/78 - (zur Veröffentlichung vorgesehen, besprochen von
Roters/Erbguth in Verwaltungsrundschau (VR) 1979, S. 353 f) -</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Maßstab und Grenze für die Höhe der Kreisumlage ist somit der unter Beachtung
der normativ festgelegten Haushaltsgrundsätze (§§ 62 ff GO NW i.V.m. 42 KrO)
bestimmte, durch anderweitige Einnahmen nicht gedeckte Restbedarf. "Bedarf" in
diesem Sinne ist zwar auch das Ergebnis nachprüfbarer Rechenprozesse, beruht aber
in der Hauptsache auf rechtlich nicht nachprüfbaren kommunal-politischen
Entscheidungen des Kreises über das künftige Aufgabenprogramm.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">- Vgl. Senatsurteil vom 19. November 1976 - XV A 256/73 - (nicht
veröffentlicht); Schmidt-Jortzig, Zur Verfassungsmäßigkeit von Kreisumlagesätzen,
Schriftenreihe des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Heft 27, S. 62;
Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 5. September 1975 - I OVG A 49/55 -
OVGE 12, 378 f (380 f), Hacker, Die Kreisumlage, in: Der Kreis (2. Bd.), S. 357 f
(360) -.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über den deckungswürdigen Bedarf des Kreises ist Sache des
Kreistages, der dabei auch die Bedarfssituation der ihm angehörenden Gemeinden
berücksichtigen muß. Freilich ist sein Entscheidungsspielraum durch die
Gesetzgebung des Bundes und des Landes (Pflichtaufgaben, übertragene
Angelegenheiten), durch Tarifverträge und der Einwirkung des Kreises entzogene
Entscheidungen, schließlich durch Höchstgrenzen und/oder Genehmigungsvorbehalte
für die Kreisumlage stark eingeengte Maßstab für die Bestimmungen des Bedarfs in
dem verbleibenden Bereich der freiwilligen Aufgaben ist das Gemeinwohl, d.h. der
Wert, den das Tätigwerden der im Kreis verbundenen Gebietskörperschaften für die
Gesamtheit hat.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">- Vgl. Hacker, a.a.O., S. 360 und in: Handbuch der kommunalen Wissenschaft
und Praxis, Bd. III S. 401, OVG Lüneburg, a.a.O., S. 380/381 -.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Der zu deckende Bedarf wird - wie bereits das Verwaltungsgericht überzeugend
ausgeführt hat - von den in dem jeweiligen Haushaltsjahr (pflichtgemäß und
freiwillig) zu erfüllenden Aufgaben des Kreises bestimmt. Nicht etwa richtet sich der
Umfang der zu erfüllenden Aufgaben nach einem vorgegebenen Bedarfsrahmen. Der
Kreistag muß sich deshalb im Wege der verantwortungsbewußten politisch-
wertenden Entscheidung jährlich neu darüber schlüssig werden, ob und in welchem
Umfang er finanzwirksame Ansprüche der Beteiligten anerkennen und erfüllen will
und - namentlich angesichts der bereits feststehenden Pflichtaufgaben - kann.
Dieser Verpflichtung kann er sich nicht rechtswirksam entziehen. Durch die in Ziffer
2. der Vereinbarung vom 21. Juni 1972 für die vier folgenden Haushaltsjahre
festgelegte langfristige Begrenzung der Steigerungsrate der von der Klägerin in
diesem Zeitraum zu leistenden Kreisumlage - sollte sie als Festlegung einer
absoluten Höchstgrenze des Hebesatzes auszulegen sein - wäre jedoch dem
deckungsfähigen Bedarf des Kreises Exxx ohne Rücksicht auf den tatsächlich zu
deckenden, möglicherweise also höheren Bedarf der vier folgenden Haushaltsjahre
eine Obergrenze gesetzt worden, die der Kreistag nicht hätte überschreiten dürfen.
Eine solche langfristige Selbstbindung der legislativen Autonomie des Kreistages
läuft der gesetzlichen Regelung des Finanzausgleichs zwischen Kreis und Gemeinden
zuwider. Denn der geringfügige Spielraum, der bei einer auf 1 % beschränkten
Steigerungsrate des Hebesatzes der Kreisumlage bestehen bliebe, würde die vom
Gesetz vorausgesetzte flexible jährliche Neubestimmung des Bedarfs anhand der
sich in dem betreffenden Haushaltsjahr stellenden Aufgaben nicht mehr
gewährleisten. Der auf diese Weise selbst geschaffene Konflikt ist im Haushaltsjahr
1974 dadurch deutlich geworden, daß sich die Ausgaben des Kreises Exxx im
Pflichtbereich der Sozialhilfe aufgrund gesetzlicher Neuregelung erheblich erhöht und
auf diese Weise den Freiraum des Kreises zur Finanzierung freiwilliger Aufgaben
eingeschränkt haben. Zur Einhaltung der vertraglich vereinbarten Obergrenze der
jährlich zulässigen Hebesatzsteigerung von nur 1 % wäre der gemäß §§ 87 Abs. 2
GO NW, 42 KrO zur Haushaltsausgleichung verpflichtete Kreis nämlich
gegebenenfalls vor die Wahl gestellt worden,, zwecks Deckung von
Finanzierungslücken entweder willkürlich Einsparungen im personalen Bereich
vorzunehmen, die Übernahme bzw. Erfüllung freiwilliger Aufgaben - möglicherweise
sogar gegen die Belange des Gemeinwohls - zurückzustellen oder die von den
übrigen kreisangehörigen Gemeinden zu erbringende Umlage zum einseitigen Vorteil
der Klägerin zu erhöhen. Eine einseitige Benachteiligung der anderen
kreisangehörigen Gemeinden sollte jedoch durch die Vereinbarung vom 21. Juni
1972 - unstreitig - gerade vermieden werden. Für die Gemeinden des Altkreises Sxxx
ergibt sich dies aus dem die Vereinbarung verbindlich bestätigenden
Kreistagsbeschluß vom 21. Juni 1972, demzufolge die Vereinbarung "im Verhältnis
zu allen Gemeinden des ehemaligen Kreises Exxx" gelten soll. Für die Gemeinden
des Altkreises Sxxx folgt das Verbot einer einseitigen Mehrbelastung dieser
Gemeinden aus dem übergeordneten Zweck der Vereinbarung, die unterschiedlichen
Umlagesätze innerhalb der kommenden vier Haushaltsjahre dadurch einander
anzugleichen, daß sich der höhere Umlagesatz der Gemeinden des Altkreises Sxxx in
dem Maße verringerte, in dem sich der niedrigere Umlagesatz der Gemeinden des
Altkreises Exxx jährlich erhöhte.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Die aus dem dargestellten Sinn und Zweck der Kreisumlage folgende
Rechtsunwirksamkeit</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">- vgl. in diesem Zusammenhang Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom
13. Juli 1979 - IV C 67/76 -, Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR) 1979, S. 962 f
(963); Rechtsvorschriften des gesetzten (Spezial-) Rechts, die einem öffentlich-
rechtlichen Vertrag entgegenstehen, bewirken dessen Unzulässigkeit und damit
Fehlerhaftigkeit; sie führten jedenfalls nach der vor dem Erlaß der
Verwaltungsverfahrensgesetze gegebenen Rechtslage zur Nichtigkeit eines sie
verletzenden Vertrages -</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">einer absoluten Begrenzung des Hebesatzes der Kreisumlage um - wie hier -
jährlich höchstens 1 % schließt die Berufung auf die Grundsätze der Änderung oder
des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (sog. clausula rebus sic stantibus) von
vornherein aus.</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Entsprechendes gilt für den Gesichtspunkt des von dem Senat in seinem</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Urteil vom 27. April 1979 - XV A 4/78 - (zur Veröffentlichung bestimmt)</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">näher untersuchten sog. gesetzesabweichenden Vergleichsvertrages, dessen
Zulässigkeit unter dem Vorbehalt - hier zu bejahender - überwiegender öffentlicher
Interessen steht.</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">- Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1963 - VI C 198.61 -, Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 17, 87 f (93 f) zur Anwendung des Gesetzes
zu Art. 131 GG, weiter § 55 des - hier aus zeitlichen Gründen nicht zur Anwendung
kommenden - Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes und des Landes Nordrhein-
Westfalen -</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">Würde die Vereinbarung zu Ziffer 2. als absolute Höchstgrenze der
Steigerungsrate des Hebesatzes verstanden und erwiese sie sich deshalb - wie
dargestellt - als rechtsunwirksam, so wäre der Beklagte auch aus Gesichtspunkten
des Vertrauensschutzes nicht gehindert gewesen, den durch § 5 der
Nachtragshaushaltssatzung 1974 festgelegten höheren Umlagesatz gegenüber der
Klägerin durchzusetzen. Das Institut des Vertrauensschutzes im Verwaltungsrecht ist
in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 242 BGB - so die Formulierung des
Bundesverwaltungsgerichts - „als Einrichtung für den Staatsbürger gegenüber dem
ihm überlegenen Staat nebst seiner mächtigen Verwaltung" entwickelt worden.
Eines solchen Schutzes bedarf die gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes an
Gesetz und Recht gebundene öffentliche Verwaltung im zwischenbehördlichen
Verkehr in der Regel nicht.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">- Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1965 - V C 21.64 -, BVerwGE 23, 25 f
(30 f); ausdrücklich bestätigt durch das Urteil vom 20. Juni 1967 - VC 175.66 -,
BVerwGE 27, 215 f (218), auch Urteil vom 17. Dezember 1970 - II C 48.68 -,
BVerwGE 36, 108 f (113 f); Becker, Rücknahme fehlerhafter begünstigender
Verwaltungsakte und Rückforderung ohne Rechtsgrund gewährter Leistungen, in: Die
Öffentliche Verwaltung (DÖV) 1973, 379 f -</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Diese Regel beansprucht Geltung auch für das Verhältnis zwischen den im
vorliegenden Falle beteiligten kommunalen Gebietskörperschaften. Die konkrete
Fallgestaltung rechtfertigt angesichts der einer absoluten Begrenzung der
Kreisumlagegesetze entgegenstehenden gewichtigen öffentlichen Interessen keine
Ausnahme.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">- Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zur Erfolglosigkeit der Berufung auf den Gesichtspunkt von
Treu und Glauben gegenüber gesetzeswidrigen Steuervereinbarungen, Urteil vom 5.
Juni 1959 - VII C 83.57 -, BVerwGE 8, 329 f (§ 34); auch Bullinger, Vertrag und
Verwaltungsakt, res. publica, Beiträge zum öffentlichen Recht, Bd. 9, S. 81 -</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin und die anderen kreisangehörigen Gemeinden haben nämlich nicht
durch die Kreistagssitzung vom 18. Dezember 1974 erstmalig von der
Umlagenerhöhung Kenntnis erhalten. Bereits am 4. Oktober 1974 ist in der Presse
(vgl. Beiakte Heft 3, Bl. 13) über Aussagen des Beklagten berichtet worden, wonach
die Umlageerhöhung in die Nachtragshaushaltssatzung eingeplant sei. Außerdem
hat der Beklagte allen Gemeinden des Kreises mit Verfügung vom 24. Oktober 1974
(vgl. Beiakte Heft 3. Bl. 12) die Tatsache der beabsichtigten Umlageerhöhung von
3,2 % mitgeteilt. Den Gemeinden hat somit eine durchaus ausreichende Zeit zur
Verfügung gestanden, sich in der eigenen Haushaltsplanung darauf einzurichten.
Diese Möglichkeit war auch für die Klägerin gegeben, deren Rat allerdings erst in
seiner Sitzung vom 19. Dezember 1974 die I. Nachtragshaushaltssatzung erlassen
hat.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Da sich die deckungsbedürftigen Mehrausgaben des Kreises im Haushaltsjahr
1974 im übrigen im gleichen Maße anteilig auf die Klägerin wie auf die anderen
kreisangehörigen Gemeinden bezogen haben, entspricht die Heranziehung auch
dem Grundsatz einer gleichmäßigen Lastenverteilung im Kreisverband. Es hätte bei
dieser Haushaltslage dem Gleichbehandlungsgebot widersprochen, wenn die
Klägerin von der Umlageerhöhung mit der Folge einer entsprechenden
Höherbelastung der übrigen kreisangehörigen Gemeinden verschont geblieben wäre.
Daß der Klägerin der Haushaltsüberschuß des Jahres 1974 nicht wie den im Kreis
Exxx verbliebenen Gemeinden zugute gekommen ist, ist allein Folge der
kommunalen Neugliederung und läßt die dargestellte Berechtigung des Beklagten,
die Klägerin zu dem durch § 5 der Nachtragshaushaltssatzung festgelegten höheren
Umlagesatz heranzuziehen, unberührt.</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über ihre
vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache unter bundesrechtlichen
oder verwaltungsverfahrensrechtlichen Gesichtspunkten keine grundsätzliche
Bedeutung hat, das Urteil nicht von einer Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts abweicht und §§ 54, 55 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen, die in ihrem
Wortlaut mit den entsprechenden Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes
des Bundes übereinstimmen, auf diesen Rechtsstreit keine Anwendung finden (§§
132 Abs. 2, 137 Abs. 1 Ziffer 2 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
315,973 | olgd-1979-12-14-14-u-17879 | {
"id": 820,
"name": "Oberlandesgericht Düsseldorf",
"slug": "olgd",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 14 U 178/79 | 1979-12-14T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:03 | 2019-03-27T09:41:44 | Urteil | ECLI:DE:OLGD:1979:1214.14U178.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 6. Juni 1979 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu zahlen:10.087,94 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 13. Juni 1977, abzüglich am 10. Juli 2977 gezahlter 7.427,99 DM; ferner 2.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10. Juli 1977.Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 9.200,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.Die Sicherheit kann auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse geleistet werden.Die Revision wird zugelassen</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><strong></strong> </p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><strong>T a t b e s t a n d </strong></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist selbständiger Apotheker. Er rechnet die an die bei der Beklagten versicherten Patienten ausgegebenen Arzneien gemäß § 3 des zwischen den Parteien geltenden Arznei-Lieferungsvertrages für Nordrhein-Westfalen vom 19. Januar 1973 (ALV) – vgl. Bl. 10 ff. GA – nach der Deutschen Arzneimitteltaxe, letzte Ausgabe 1968 (DAT) – vgl. Bl. 107 ff. GA – ab.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten darüber, wie der Preis von Arzneien zu berechnen ist, die der Kläger aufgrund ärztlicher Verordnungen aus Fertigarzneimitteln der chemischen Industrie (Spezialitäten) unter Zusatz von weiteren Substanzen herstellt. Dabei handelt es sich unstreitig um Arzneien, die nicht in der Preisliste der DAT aufgeführt sind und die der Kläger richtig nach Nr. 16 in Verbindung mit Nr. 9 der DAT berechnet hat.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Im Anschluss an eine während des Prozesses von der Beklagten geleistete Zahlung steht nach dieser Berechnung unstreitig der mit der Klage weiterverfolgte Betrag noch offen, den das Landgericht dem Kläger bis auf einen Teil des Zinsanspruchs durch Urteil vom 6. Juni 1979 (Bl. 275 ff. GA) zugesprochen hat.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Wegen der Begründung und wegen des weiteren Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses am 11. Juni 1979 zugestellte Urteil richtet sich die am 5. Juli 1979 eingelegte und am 4. Oktober 1979 begründete Berufung der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte vertritt weiterhin die Ansicht, für die Berechnung der bezeichneten Arzneien sei allein Nr. 19 der DAT maßgebend, so dass der eingeklagte Differenzbetrag dem Kläger nicht zustehe.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">1.      unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">2.      hilfsweise,die Revision zuzulassensowie ihr zugestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Form der Bank- oder Sparkassenbürgschaft abzuwenden.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Für den Fall, dass dem Kläger die Abwendung der Zwangsvollstreckung gestattet werde, erbietet sich die Beklagte ihrerseits zur Sicherheitsleistung in Form der Bank- oder Sparkassenbürgschaft.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, er ermäßigt indes den von ihm verfolgten Zinsanspruch auf 4 %.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Kläger tritt den Ausführungen der Beklagten entgegen und bezieht sich auf die seiner Ansicht nach zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien und die überreichten Unterlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><strong>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</strong></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache nur bezüglich eines Teils des Zinsanspruchs Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist zulässig. Der Rechtsstreit gehört nach § 13 GVG vor die ordentlichen Gerichte. Es handelt sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, für die eine andere Zuständigkeit nicht besteht (BGHZ 34,53). Die Klage ist begründet, soweit der Kläger sie nach der von der Beklagten geleisteten Zahlung und der Ermäßigung des Zinsanspruchs weiterverfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht nach §§ 6, 3 ALV in Verbindung mit Nr. 16, 9 DAT die unstreitig rechnerisch richtig berechnete Restklageforderung zu. Die Beklagte kann ihn aus den im Wesentlichen zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils nicht auf eine Berechnung nach Nr. 19 DAT verweisen. Aus diesem Grunde entfällt auch der von der Beklagten geltend gemachte Abschlag nach § 4 Nr. 1 ALV (vgl. § 4 Nr. 3 ALV). Die Nr. 9 DAT enthält Vorschriften über die Ermittlung des Grundansatzes für <span style="text-decoration:underline">Arzneimittel,</span> die nicht im eigenen Apothekenbetrieb hergestellt, sondern im rohen oder bearbeiteten Zustand gekauft werden. Nach Nr. 16 DAT gelten diese Vorschriften auch für <span style="text-decoration:underline">Arzneimittel,</span> die in der Preisliste – wie unstreitig die vom Kläger verwendeten Arzneimittel – nicht aufgeführt sind. Wie sich aus Nr. 1 und 2 DAT ergibt, ist für die Preisberechnung wesentlich, ob der Apotheker eine <span style="text-decoration:underline">Arznei</span> (aus Arzneimitteln) <span style="text-decoration:underline">zur Abgabe herrichtet</span> (Nr. 1) oder ob er <span style="text-decoration:underline">Arzneimittel oder Arzneien</span> in einer zur Abgabe an das Publikum bestimmten fertigen Packung aus dem Handel bezieht und in dieser Packung <span style="text-decoration:underline">abgibt</span>. Ein Faktor des Preises der von dem Apotheker zur Abgabe hergerichteten Arznei erforderlichen Arzneimittel. Bei der Berechnung der Arzneimittelpreise unterscheidet die DAT wiederum zwischen solchen Arzneimitteln, die der Apotheker im eigenen Apothkenbetrieb herstellt und solchen, die er in rohem oder bearbeitetem Zustand kauft (vgl. Nr. 8 – 10 DAT). Die Nr. 19 DAT enthält demgegenüber keine Bestimmung über die Preise von Arzneimitteln, die zur Herstellung einer Arznei durch den Apotheker (Nr. 1 I DAT) erforderlich sind, sondern allein Bestimmungen über die Preise für im Handel bezogene fertige Packungen von Arzneien und Arzneimitteln. Die Vorschrift ergänzt die Nr. 2 DAT  soweit es um die Abgabe in anderen als den fertigen, aus dem Handel bezogenen Packungen geht.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Angesichts dieser Systematik der DAT kommt es in erster Linie darauf an, ob der Kläger aufgrund der streitigen ärztlichen Verordnungen Arzneien zur Abgabe hergerichtet bzw. hergestellt oder ob er Arzneimittel oder Arzneien lediglich aus dem Handel bezogen und abgegeben hat. Dieser dem Wortlaut und der Systematik der DAT entnommenen Auslegung entspricht die Darstellung des Sachverständigen A. in seinem Gutachten vom 4. September 1978 (Bl. 170 GA), die deutschen Arzneitaxen hätten zwei Prinzipien – deutlich getrennt – immer aufrechterhalten: die Kalkulationsvorschriften und Preisangaben für die <span style="text-decoration:underline">Herstellung </span>in der Apotheke einerseits und eine einfaches Zuschlagverfahren auf den Einkaufpreis für Arzneispezialitäten, die substantiell <span style="text-decoration:underline">unverändert abgegeben werden.</span> Sie wird auch gestützt durch die vom jetzigen Text und der historischen Entwicklung ausgehenden Überlegungen von Rödder (Pharmazeutische Zeitung 1971, Nr. 33 Seite 1166 ff. – Anlage zu dem Gutachten des Sachverständigen B.). Dagegen vermag den Senat die von dem Sachverständigen B. selbst in seinem Gutachten vom 25. November 1978 (Seite 4 – Beiheft in den Gerichtsakten) vorgenommene Differenzierung nach dem Vorhandensein geeigneter Bezugsgrößen entsprechend Nr. 9 Abs. 2 DAT nicht zu überzeugen. Ebensowenig schlüssig ist die Darstellung des Sachverständigen B., Nr. 19 DAT stelle <span style="text-decoration:underline">neben</span> Nr. 16, 9 DAT eine „vollwertige Preisbildungsvorschift“ dar, soweit damit gemeint sein soll, dass beide Alternativen im Zusammenhang mit der Berechnung von Arzneimittelpreisen nach Nr. 1 I DAT anzuwenden seien.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zieht nun nicht in Zweifel, dass der Kläger aufgrund der streitigen ärztlichen Verordnungen Arzneien „zubereitet“ bzw. „zusammengemischt“ hat (vgl. Klageerwiderung vom 26. Juli 1977 – Bl. 38 GA -, Berufungsbegründung vom 3. Oktober 1979 – Bl. 310 GA). Tatsächlich müssen die von dem Kläger an die Patienten abgegebenen Präparate als <span style="text-decoration:underline">Arzneien</span>, nicht als Arzneimittel im Sinne der DAT angesehen werden. Denn aus Nr. 1 DAT ergibt sich, dass Arzneien aus einem oder mehreren Arzneimitteln vom Apotheker (Nr. 1 DAT) oder von der chemischen Industrie (Nr. 2 DAT) hergestellte Präparate sind. Die von Rödder (a.a.O., Seite 1166) vorgenommenen Definition der Arznei ist im Hinblick auf Nr. 2, 19 DAT zu eng. Für die Anwendung von Nr. 9 DAT oder Nr. 19 DAT ist damit entscheidend, ob die von dem Kläger abgegebenen Arzneien von ihm – aus unstreitig nicht im eigenen Betriebe hergestellten Arzneimittel (Nr. 10 DAT) – hergerichtet (Nr. 1 DAT) oder bezogen und abgegeben worden sind. Davon, dass eine Arznei aus dem Handel bezogen und abgegeben worden ist, kann aber schon nach dem Wortlaut der Nr. 2 und 19 DAT – in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen A. und mit Rödder., a.a.O., Seite 1170 – eindeutig nur gesprochen werden, wenn die Arznei substantiell unverändert abgegeben wird. Wird die bezogene Arznei substantiell verändert, so findet sie nunmehr als Arzneimittel im Sinne von Nr. 1 DAT Verwendung (vgl. Rödder, a.a.O., 1167). Es entsteht auf diese Weise eine vom Apotheker hergestellte Arznei. Damit scheidet eine Preisberechnung für die von dem Kläger abgegebenen Arzneien nach Nr. 19 DAT aus. Dabei ist unerheblich, ob die verwendeten Arzneimittel in der Preisliste der DAT aufgeführt sind oder nicht. Daraus, dass Nr. 16 DAT im letzteren Falle nur sinngemäß gilt, kann eine andere Auslegung nicht hergeleitet werden.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Aber auch die von der Beklagten vorgetragenen weiteren Umstände rechtfertigen es nicht, den Kläger auf eine Berechnung nach Nr. 19 DAT zu verweisen. Die allgemeine Diskussion um die Dämpfung der Kosten im Gesundheitswesen gibt dem Senat keine Möglichkeit, die zwischen den Parteien vereinbarte Abrechnungsgrundlage entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut zum Nachteil des Klägers auszulegen. Soweit diese Abrechnungsart nicht mehr den heutigen Bedingungen des Gesundheitsmarktes entspricht, haben die Parteien auch unabhängig davon, ob der Verordnungsgeber tätig wird – die Möglichkeit, den Arzneilieferungsvertrag zu ändern.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die – bestrittene – Behauptung der Beklagten, der Kläger habe ihre Beanstandungen jahrelang widerspruchslos hingenommen, ist unerheblich. Allein daraus, dass der Kläger durch eine Berechnung nach Nr. 9 der Beklagten laufend Anlass zu Beanstandungen gab, zeigt, dass die Parteien sich nicht abweichend von der DAT auf eine Abrechnung nach Nr. 19 DAT geeinigt haben. Die Beklagte hat auch nicht bewiesen und nicht weiter unter Beweis gestellt, dass die alleinige Anwendung der Nr. 19 DAT auf die umstrittenen ärztlichen Verordnungen jahrzehntelang allgemein von den Apothekern akzeptiert worden ist. Für die Darlegung einer solchen Behauptung reicht auch nicht der Vortrag der Beklagten in dem Schriftsatz vom 12. Dezember 1979 (Bl. 356 ff. GA) aus. Abgesehen davon, dass die von der Beklagten vorgetragenen Vorgänge aus dem Jahre 1970 stammen, also aus einer Zeit vor Abschluss des Arzneilieferungsvertrages für Nordrhein-Westfalen im Jahre 1973, hat die Beklagte nicht dargetan, inwiefern in der Sitzung vom 14. Oktober 1970 die anwesenden Personen ermächtigt waren, ein für alle Apotheker verbindliches Stillhalteabkommen (welchen Inhalts?) zu vereinbaren. Unter diesen Umständen lässt sich den von der Beklagten vorgelegten Urkunden nur entnehmen, dass bereits im Jahre 1970 zwischen den allgemeinen Ortskrankenkassen und den Apothekern Streit über die Anwendung von Nr. 16, 9 DAT einerseits oder Nr. 19 DAT andererseits bestand und dass dieser Streit nicht einvernehmlich beigelegt worden ist. Wenn danach in Kenntnis dieses Streitpunktes in dem Arzneilieferungsvertrag des Jahres 1973 für die Berechnung der Arzneimittelpreise allgemein auf die DAT verwiesen wird, so kann es für die vorliegende Entscheidung nicht mehr auf frühere Erklärungen ankommen, deren Verbindlichkeit insbesondere für die Zeit seit Abschluss des Arzneilieferungsvertrages fraglich bleiben muss. Für die Tatsache, dass der Streit um die Taxierung nach Nr. 16, 9 DAT oder 19 DAT erst in jüngerer Zeit praktische Bedeutung gewonnen hat, haben Rödder (a.a.O., Seite 1166) und der Sachverständige A. (Bl. 180 GA) die einleuchtende Erklärung abgegeben, dass zunächst die Preisliste der DAT und die – auch nach der Darstellung des Sachverständigen B. – nicht nach einheitlichen Grundsätzen verfasste Hilfstaxe ausgereicht hätten.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Schließlich rechtfertigt auch die Untätigkeit des Verordnungsgebers im Anschluss an einen Vorstoß der Arbeitsgemeinschaft der Berufsvertretungen Deutscher Apotheker im Jahre 1963 zur Klarstellung der Nr. 19 DAT durch Einfügung der Worte „ungemischt und unverarbeitet“ jeweils vor dem Wort „verordnet“ keine abweichende Auslegung. Insbesondere ergibt sich daraus nicht eine bestimmte Interpretation der DAT durch den Verordnungsgeber, an die die Gerichte ohnehin nicht gebunden wären.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">…..</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Senat lässt die Revision nach § 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt von der Auslegung einer bundesrechtlichen Rechtsverordnung ab. Über diese Auslegung herrscht Streit zwischen einer Anzahl von Apothekern auf der einen Seite und zumindest eines Teils der Ortskrankenkassen auf der anderen Seite. Die Entscheidung hat daher für eine nicht absehbare Zahl von Rechtsverhältnissen Bedeutung. Sie kann darüber hinaus – wie die von der Beklagten vorgetragenen Beispiele zeigen – nicht unerhebliche Auswirkungen auf das Kostengefüge des Gesundheitswesens haben.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Streitwert für die Berufungsinstanz: 4.695,95 DM.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">       </p>
|
315,974 | olgham-1979-12-13-4-u-23679 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 4 U 236/79 | 1979-12-13T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:05 | 2019-03-27T09:41:44 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1979:1213.4U236.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das am 9. Mai 1979 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.</p>
<p>Das Urteil wird jedoch zur besseren Klarstellung dahin gefaßt, daß der Beklagten verboten wird,</p>
<p> "analysierende und/oder werbende Veröffentlichungen über Wert, Beschaffenheit und Kennzeichnung der Nahrungskonzentrat-Produkte zu bringen".</p>
<p>Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 40.000,- DM abzuwenden, sofern die Klägerin vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<p>Die Parteien können die Sicherheit dadurch leisten, daß sie die selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse beibringen.</p>
<p>Die Beschwer der Klägerin beträgt 50.000,- DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien sind Wettbewerber im Vertrieb von Nahrungskonzentraten, die insbesondere auf dem "Bodybuilding-Markt" abgesetzt werden. Die Klägerin ist zugleich Herstellerin der von ihr vertriebenen Produkte. Die Beklagte hat seinerzeit neben dem Vertrieb der genannten Präparate die auch heute noch erscheinende Zeitschrift ... herausgegeben, die zusätzlich als ... bezeichnet ist.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">In der im Dezember 1978 erschienen Ausgabe Nr. ... veröffentlichte die Zeitschrift ... u.a. zunächst eine Leseanfrage eines Mitgliedes des "Athletik- und Fitness-Club" in ... der unter Hinweis auf die verschiedenen Nahrungskonzentraten in der Werbung zugeschriebenen "erstaunlichen Wunderwirkungen" um Angaben über die Zusammensetzung der von der Klägerin angebotenen Präparate ... und ... bat.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Unter dieser Anfrage wurde als Antwort die "Lebensmittelrechtliche Beurteilung" des als "staatlich approbierten Lebensmittelchemiker und öffentlich bestellten und vereidigten Handelschemiker" bezeichneten ... aus ... hinsichtlich der genannten Produkte der Klägerin veröffentlicht. Darin sind einmal die von ... durch Laboruntersuchung ermittelten Analysenwerte tabellarisch wiedergegeben; in einem beigefügten Test wird weiterhin das Untersuchungsergebnis unter lebensmittelrechtlichen Gesichtspunkten ausgewertet, wobei ... - mit näherer Begründung - zu dem Ergebnis kommt, daß einzelne, von ihm im weiteren teilweise als täuschend beziehungsweise irreführend bezeichnete, Angaben über die Beschaffenheit der Produkte der Klägerin gegen - im einzelnen angeführte - Vorschriften des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes sowie der Diät-Verordnung verstießen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">An den Abdruck der Auskunft des ... schließt sich ein "Kommentar der Redaktion" an, in dem es u.a. heißt:</p>
<br /><span class="absatzRechts">6</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>" ... die Zahl der Mitbewerber im "Bodybuilding-Markt" wird ebenfalls immer größer. Konkurrenz ist gut und eine der Säulen der freien Marktwirtschaft. Gut dann, wenn die Geschäfte seriös betrieben werden. Was allerdings auf dem Bodybuilding-Markt - und dabei besonders auf dem Nährmittelsektor - geschieht, kann man nur noch mit unglaublich bezeichnen.</i>
<i>Die staatlichen Lebensmittel-Prüfstellen sind durch die neuen Gesetze überlastet und die Verbraucherschutzverbände erfahren von diesen Vorfällen häufig gar nicht oder erst viel zu spät. Viele der derzeit am Markt (schwarz und grau mit eingerechnet) befindlichen Produkte verstoßen gegen eine Vielzahl von Verordnungen des Gesetzgebers, manche werden gar in der Art mittelalterlicher Quacksalber in der heimischen Küche "zubereitet" und dann mit den klangvollsten Namen an ahnungslose Verbraucher verkauft ...</i>
<i>... mit der Veröffentlichung ... der Antwort des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ... wenden wir uns an den "kritischen Käufer"."</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat die von der Beklagten veröffentlichten Untersuchungsergebnisse als unrichtig beanstandet; unabhängig davon hält sie es aber schon für unzulässig, daß die Beklagte sich in ihrer Zeitschrift überhaupt mit den Eigenschaften ihrer - der Klägerin - Produkte befaßt hat.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Auf den von der Klägerin zuletzt gestellten Antrag hat das Landgericht die Beklagte verurteilt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">es bei Vermeidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, Veröffentlichungen über Wert, Beschaffenheit und Kennzeichnung der Nahrungskonzentrat-Produkte der Klägerin zu machen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit der Berufung, deren Zurückweisung die Klägerin begehrt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Geschäftsführer der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt:</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Zeitschrift ... wird jetzt nicht mehr von der Beklagten Gesellschaft, sondern von einer anderen Gesellschaft herausgegeben. Zwischen beiden Gesellschaften besteht aber Gesellschafteridentität.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist sachlich erfolglos.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Nach Auffassung des Landgerichts verstößt die beanstandete Veröffentlichung gegen §§1 und 3 UWG, weil die Beklagte bei den Lesern ihrer Zeitschrift ... den Eindruck erweckt habe, als reines Fachpresseorgan die Erzeugnisse der Klägerin aus objektiver Sicht zu beurteilen, was aber im Hinblick auf die Stellung der Beklagten als Wettbewerberin der Klägerin nicht zutreffend gewesen sei. Dem Standpunkt des Landgerichts ist im Ergebnis beizupflichten. Das Vorbringen der Berufung rechtfertigt keine andere Beurteilung zu Gunsten der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann die Beklagte wegen der angegriffenen Veröffentlichung in der Zeitschrift ... nach §1 (in Verbindung mit §13 Abs. 3) UWG mit Erfolg auf Unterlassung in Anspruch nehmen. §1 UWG ist verletzt, weil es sich bei der in Rede stehenden Publikation um einen Warentest handelt, der nicht neutral war, sondern zu Wettbewerbszwecken veröffentlicht wurde (vgl. Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 12. Aufl., §1 Rz 358).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">1.)</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Unter einem Warentest ist die Prüfung von Waren hinsichtlich der Eigenschaften zu verstehen, die für den Verbraucher als möglichen Käufer der Ware von Interesse sind (vgl. Hefermehl, GRUR 1962, 611). Eine solche Prüfung ist Gegenstand der vorliegend angegriffenen Publikation der Beklagten.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Annahme eines Warentests steht entgegen der Auffassung der Berufung hier nicht entgegen, daß nur Produkte der Klägerin getestet worden sind. Ein Warentest ist nicht notwendig ein Warenvergleich er kann sich auf die Prüfung der Ware oder Waren eines einzigen Herstellers beschränken (vgl. Hefermehl, GRUR, a.a.O.; ders. in Baumbach-Hefermehl, a.a.O., 351).</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">2.)</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die in Rede stehende Veröffentlichung erfolgte zu Zwecken des Wettbewerbs. Das dafür in objektiver Hinsicht erforderliche Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien ist zu bejahen. Gegenstand der vorliegenden Warenprüfung sind Nahrungs-Konzentrate, die auf dem "Bodybuilding-Markt" abgesetzt werden. Auf diesem Markt konkurrieren die Parteien als Händler. Die fragliche Veröffentlichung ist auch geeignet, die Stellung der Beklagten im Wettbewerb zu Lasten der Klägerin zu fördern. Die weiterhin in subjektiver Hinsicht erforderliche Absicht des Handelnden, den eigenen (oder fremden) Wettbewerb zum Nachteil eines anderen Mitbewerbers zu fördern, ist für die Beklagte ebenfalls zu bejahen. Dafür spricht beim Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses, wie es hier der Fall ist, bereits eine tatsächliche Vermutung.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">3.)</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die beanstandete Veröffentlichung verstößt gegen die guten Sitten im Wettbewerb.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Wer zur Wahrnehmung von Verbraucherinteressen einen öffentlichen Warentest veranstaltet, betont seine Neutralität (vgl. dazu Hefermehl, GRUR a.a.O.; ders. in Baumbach-Hefermehl, a.a.O., Rz 356). Einen solchen Anspruch hat im vorliegenden Fall auch die Beklagte schon durch die Aufmachung der von ihr veröffentlichten Untersuchungen erhoben, die durch eine Leseranfrage veranlaßt und von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen nach wissenschaftlichen Methoden durchgeführt worden sein sollen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Fehlt indessen die Neutralität des Testveranstalters, so ist der Test wegen Irreführung des Publikums unzulässig, und zwar auch dann, wenn er seinem Inhalt nach richtig sein sollte. (vgl. Hefermehl, GRUR, a.a.O.; ders. in Baumbach-Hefermehl, a.a.O., Rz 356). Davon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen, weil der Beklagten als Wettbewerberin zur Veranstaltung von Warentests in ihrer Zeitung über die Produkte der Klägerin die Neutralität fehlt. Ob und inwieweit in Fällen überwiegenden öffentlichen Interesses, etwa zur Warnung vor gesundheitsschädlichen Produkten, eine Ausnahme von dem Erfordernis der Neutralität zu machen ist, kann hier dahingestellt bleiben, weil ein solcher Sachverhalt vorliegend nicht in Rede steht.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">4.)</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte kann sich entgegen ihrer Auffassung dem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht unter Berufung auf Art. 5 GG entziehen. Erfolgt eine Presseveröffentlichung zu Wettbewerbszwecken, so sind die durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gezogenen Schranken zu beachten (vgl. Löffler, Presserecht, Bd. I, 2. Aufl., Kap. 15 - Wettbewerbsrecht). In den Vorschriften des UWG finden gemäß Art. 5 Abs. 2 GG grundsätzlich auch das Recht der freien Meinungsäußerung und die Pressefreiheit ihre Schranken.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">5.)</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Angriffe der Berufung gegen die vom Landgericht im Ergebnis zu Recht bejahte Wiederholungsgefahr, die darauf gestützt waren, daß die Beklagte nicht mehr Herausgeberin der Zeitschrift ... sei sind im Hinblick auf die Erklärungen des Geschäftsführers der Beklagten vor dem Senat, wonach zwischen der Beklagten und der jetzigen Herausgeberin der genannten Zeitschrift Gesellschafteridentität besteht, gegenstandslos.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">6.)</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Auch mit der von ihr erhobenen Verjährungseinrede dringt die Berufung nicht durch. Denn die am 27.2.1979 bei dem Landgericht eingegangene Klage ist der Beklagten am 12.3.1979 zugestellt worden.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">7.)</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Dar Senat hat dem im Tenor des landgerichtlichen Urteils enthaltenen Unterlassungsgebot eine klarstellende Fassung gegeben, die der Präzisierung dient und nicht ein weniger gegenüber dem Klageantrag bedeutet.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
|
315,975 | olgham-1979-12-04-4-u-24479 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 4 U 244/79 | 1979-12-04T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:08 | 2019-03-27T09:41:44 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1979:1204.4U244.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Klägerin wird das am 5. Juli 1979 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert und wie folgt neu gefaßt:</p>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.184,45 DM (i.W.: zwölftausendeinhundertvierundachtzig 45/100 Deutsche Mark) nebst 8,247 % Zinsen seit dem 20. Februar 1979 zuzüglich 12 % Mehrwertsteuer auf diese Zinsen und 10,- DM vorgerichtliche Kosten zu zahlen.</p>
<p>Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Dem Beklagten wird nachgelassen, wie Zwangsvollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,- DM abzuwenden, sofern die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Dia Parteien können die Sicherheit durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen.</p>
<p>Die Beschwer des Beklagten beträgt 12.194,45 DM.</p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien schlossen am 30.5./17.8.1978 einen "Leasing-Vertrag" über zwei zur Entgegennahme
von Anrufsignalen bestimmte Empfangsgeräte, die in Firmenfahrzeuge des Beklagten - eines Architekten -
eingebaut werden sollten. Der Vertrag sah eine monatliche Leasing-Rate von 218,- DM zuzügl. gesetzlicher
Mehrwertsteuer vor. Zur Vertragsdauer ist auf der Vorderseite des Formularvertrages mit vorgedrucktem, insoweit
aber durch Fettdruck herausgestelltem Text bestimmt: "Das Leasingvertragsverhältnis wird auf unbestimmte
Zeit abgeschlossen; es ist kündbar erstmalig zum Ablauf des 24. Monats nach Maßgabe des § 13."
§ 13 ist eine der auf der Rückseite des Vertragsformulars abgedruckten weiteren Bedingungen des
Leasing-Vertrages und lautet u.a. wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><i>"§ 13 Kündigungsfristen</i></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks"><i>Der Leasing-Nehmer hat das Recht, den Leasing-Vertrag mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten,
erstmals zum Ablauf des 24. Monats ab Vertragsbeginn, zu kündigen; dann halbjährlich gleichfalls
mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten.</i></p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks"><i>Die Kündigung beinhaltet die nachfolgenden Restzahlungen des Leasing-Nehmers, die am Kündigungstermin
zahlbar sind; die Restzahlungen berechnen sich wie folgt:</i></p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks"><i>Zum Ablauf des 24. Monats 68 %, des 30. Monats 57 %, des 36. Monats 47 %, des 42. Monats 36 %, des
48. Monats 25 %, des 54. Monats 14 %, dann 0 % des jeweils vom Netto-Anschaffungswert unter Anrechnung
von 75 % bzw. 100 % (im Fall eines neuen, gleichwertigen Leasing-Vertragsabschlusses mit dem Leasing-Geber)
vom Wiederverwertungserlös, abzüglich der tatsächlich entstandenen Kosten des Leasing-Gebers,
zzgl. ges. MWSt.</i></p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><i>..."</i></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Auf die weiteren Bedingungen des Leasing-Vertrages ist im übrigen allgemein in den über den
Unterschriften der Parteien befindlichen vorgedruckten Text auf der Vorderseite des Vertrages Bezug genommen,
wo es insoweit heißt: "Alle Unterzeichnenden haben von den vor- und umstehenden Bedingungen des
Leasing-Vertrages Kenntnis genommen und erklären sich ausdrücklich mit diesen einverstanden und sind
aus diesem Vertrag verpflichtet." Die auf der Rückseite abgedruckten weiteren Vertragsbedingungen
lauten u.a. wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><i>"§ 1 Lieferungsbedingungen</i></p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><i>Anlieferung und Montage der Ausrüstung erfolgen auf Gefahr und Rechnung des Leasing-Nehmers.
Der Leasing-Geber haftet nicht für nicht rechtzeitig oder nicht ordnungsgemäße Lieferung
durch die Lieferanten. ... Ansprüche des Leasing-Nehmers gegen den Leasing-Geber wegen der Nichtlieferung
sind ausgeschlossen. Der Leasing-Geber tritt seine ihm insoweit gegen den Lieferanten zustehenden Ansprüche
an den Leasing-Nehmer ab. ...</i></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><i>§ 2 Gewährleistung</i></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><i>Der Leasing-Geber tritt seine gegenwärtigen bzw. zukünftigen Rechte und Forderungen gegen
Lieferanten ... hinsichtlich des Leasing-Objekts insbesondere aus Serviceleistungen, Sach- und Rechtsmängeln,
Garantiehaftung und positiver Vertragsverletzung mit Abschluß des Leasing-Vertrages an den Leasing-Nehmer
ab. ...</i></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><i>Gewährleistungs-, Garantie- und Service-Ansprüche sowie etwaige Absprüche aus Verzug,
positiver Vertragsverletzung oder unerlaubter Handlung gegen den Lieferanten entbinden den Leasing-Nehmer nicht
von der Verpflichtung, die vereinbarten Leasing-Raten an den Leasing-Geber zu zahlen und den Leasing-Vertrag voll
zu erfüllen.</i></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><i>§ 3 Kein Zurückbehaltungsrecht bei Funktionsstörung</i></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><i>Der Leasing-Nehmer ist, verpflichtet, die Leasing-Räten unabhängig von der Funktionsfähigkeit
der Ausrüstung zu erbringen.</i></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><i>§ 7 Gefahrtragung und Versicherung des Leasing-Objekts</i></p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><i>Die Gefahr des zufälligen Unterganges, Verlustes oder Diebstahls, der Beschädigung und des
vorzeitigen Verschleißes des Leasing-Objektes - gleich aus welchen Grunde - trägt der Leasing-Nehmer
Derartige Ereignisse entbinden den Leasing-Nehmer nicht von seiner Verpflichtung die vereinbarten Leasing-Raten
zu zahlen.</i></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><i>...</i></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><i>§ 9 Verzugsfolgen, vorzeitige Fälligstellung der Leasing-Raten und Kündigung des Vertrages</i></p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"><i>Im Falle des Verzuges hat der Leasing-Nehmer dem Leasing-Geber Geldschulden vom Tage der Fälligkeit an
bis zum Geldeingang mit 1,5 % monatlich zu verzinsen sowie eine Mahngebühr von DM 10,- pro Zahlungaufforderung
zu tragen. Weitergehende Schadensersatzansprüche bleiben vorbehalten.</i></p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><i>Kommt der Leasing-Nehmer mit einer Leasing-Rate oder einer anderen vereinbarten Zahlung länger als einen
Monat in Rückstand oder erfüllt er eine oder mehrere der in diesem Vertrag genannten Verpflichtungen nicht,
so hat der Leasing-Geber das Recht, den Leasing-Vertrag fristlos zu kündigen, als Schadensersatz die gesamten
Leasing-Raten, die nach diesem Vertrag bis zum Ablauf der Vertragszeit zu zahlen sind, auf einmal fällig und
zahlbar zu stellen und den Leasing-Gegenstand zurückzunehmen und freihändig zu verwerten. ... Der
Leasing-Geber wird dem Leasing-Nehmer einen evtl. erzielten Verwertungserlös für den Leasing-Gegenstand
gutschreiben.</i></p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks"><i>Der Leasing-Geber ist berechtigt, zur Sicherung der Leasingraten-Forderung die Ausrüstung herauszuverlangen
und sie solange zurückzuhalten, bis der Leasing-Nehmer die fällige Gesamtleasing-Forderung bezahlt hat.
Die hierbei entstehenden Kosten gehen zu Lasten des Leasing-Nehmers. Bei Eingang der Gesamtleasing-Forderung
zuzüglich der vorgenannten Kosten beim Leasing-Geber hat der Leasing-Nehmer das Recht, gegen diese Zahlung ...
das Leasing-Objekt bis zum Ende der Vertragszeit weiter zu nutzen. Für die Zahlung erhält er eine
bankübliche Zinsgutschrift.</i></p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks"><i>§ 12 Einzugsermächtigung; Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrecht</i></p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks"><i>... Der Leasing-Nehmer kann gegen die Forderungen des Leasing-Gebers aus diesem Vertrage nur aufrechnen
oder ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen, wenn der Leasing-Geber damit einverstanden ist, oder die
Forderung, mit der aufgerechnet werden soll, rechtskräftig festgestellt ist.</i></p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks"><i>..."</i></p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Gleichzeitig mit seinem an die Klägerin gerichteten Antrag auf Abschluß eines Leasing-Vertrages hatte
der Beklagte am 30.5.1978 einen formularmäßigen "Auftrag" an die Firma ..., die Lieferantin des
Leasinggegenstandes, unterzeichnet, in welchen diese mit vorgedruckten Text zusagte: "In Erfüllung des
Leasing Vertrags liefern wir unter Zugrundelegung der umseitigen Lieferbedingungen," Tatsächlich kaufte
aber die Klägerin alsdann den Leasinggegenstand bei der Firma .... Dazu heißt es im vorgedruckten Text
auf der Vorderseite des Leasing-Vertrages der Parteien:</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks"><i>"Die Auswahl des Leasing-Objektes hat der Leasing-Nehmer ohne Beteiligung des Leasing-Gebers getroffen.
Der Leasing-Nehmer ist darüber informiert, daß das vorbezeichnete Leasing-Objekt vom Leasing-Geber erworben
werden muß. Der Leasing-Nehmer beantragt, dieses vom Lieferanten zu dessen ihm bekannten und hiermit anerkannten
Lieferbedingungen zu kaufen und ihm im Rahmen der oben - und nachstehenden Bedingungen zur Nutzung zu
überlassen."</i></p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Kaufpreis für den Leasinggegenstand betrug 10.803,54 DM und wurde von der Klägerin an die
Firma ... gezahlt.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Mit formularmäßiger "Übernahmebestätigung" vom 9.8.1978 bestätigte der
Beklagte der Klägerin, den Leasinggegenstand von der Lieferfirma ... "fabrikneu, ordnungsgemäß
und funktionsfähig" übernommen zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 3.10.1978 teilte der Beklagte der Klägerin mit, daß die beiden Empfangsgeräte
nicht mehr funktionierten und daß er sie deshalb nicht behalten wolle. Aus diesem Grund werde er die auf das
laufende Quartal entfallende Leasing-Rate nicht zahlen. Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom 10.10.1978
einer vorzeitigen Auflösung des Leasing-Vertrages und verwies den Beklagten - unter Hinweis auf die ihm insoweit
abgetretenen Gewährleistungsansprüche - an die Lieferfirma .... Diese schrieb unter dem 16.11.1978 an den
Beklagten, sie habe die für ihn reparierten Empfangsgeräte von der Post mit dem Vermerk "Annahme
verweigert", zurückbekommen; er - der Beklagte - möge deshalb mitteilen, ob er die Annahme
grundsätzlich verweigere. Mit Schreiben vom 20.11.1978 teilte der Beklagte der Klägerin mit, er habe
die beiden Empfangsgeräte an die Firma ... wegen Nichtfunktionsfähigkeit zurückgegeben; "zum
anderen haben wir die Annahme der wohl reparierten Geräts verweigert." Nachdem der Beklagte aldann trotz
Mahnung die Leasing-Raten nicht mehr zahlte, stellte die Klägerin mit Schreiben vom 8.2.1979 sämtliche
Leasing-Raten gemäß § 9 der weiteren Bedingungen, des Leasing-Vertrages fällig. Den sich danach
ergebenden Betrag, den sie mit der Klage geltend macht, berechnet sie wie folgt:</p>
<br /><span class="absatzRechts">31</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td valign="top">Gesamte Leasing-Raten:</td>
<td>60</td>
<td>×</td>
<td>DM</td>
<td>218,-</td>
<td>DM</td>
<td>13.080,-</td>
</tr>
<tr>
<td>./. gezahlte Leasing-Raten:</td>
<td>3</td>
<td>×</td>
<td><u>DM</u></td>
<td><u>218,-</u></td>
<td><u>DM</u></td>
<td><u>654,-</u></td>
</tr>
<tr>
<td>Restliche Leasing-Raten:</td>
<td>57</td>
<td>×</td>
<td>DM</td>
<td>218,-</td>
<td>DM</td>
<td>12.426,-</td>
</tr>
<tr>
<td>./. Zinserstattung:</td>
<td> </td>
<td> </td>
<td> </td>
<td> </td>
<td><u>DM</u></td>
<td><u>1.547,03</u></td>
</tr>
<tr>
<td> </td>
<td> </td>
<td> </td>
<td> </td>
<td> </td>
<td>DM</td>
<td>10.878,97</td>
</tr>
<tr>
<td>+ MWSt.:</td>
<td> </td>
<td> </td>
<td> </td>
<td> </td>
<td><u>DM</u></td>
<td><u>1.305,48</u></td>
</tr>
<tr>
<td>Klagebetrag:</td>
<td> </td>
<td> </td>
<td> </td>
<td> </td>
<td>DM</td>
<td>12.184,45</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Davon beansprucht die Klägerin 8,247 % Zinsen, die sie zur Ablösung der Refinanzierung - ihrer
Kaufpreiszahlung an die Firma ... aufgewendet hat. Weiter verlangt die Klägerin 12 % Mehrwertsteuer auf
die Zinsen sowie 10,- DM Kosten für ein vorgerichtliches Mahnschreiben.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat den Beklagten darauf hingewiesen, er könne nach Zahlung des geltend gemachten
Klagebetrages den Leasinggegenstand, der sich zur Zeit bei der Lieferantin befinde, weiterhin nutzen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">den Beklagten zu verurteilen, an sie 12.184,45 DM nebst 8,247 % Zinsen seit dem 20.2.1979 zuzüglich 12 %
Mehrwertsteuer auf diese Zinsen und 10,- DM vorgerichtliche Kosten zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Er hält den Leasing-Vertrag aus folgenden Gründer, für unwirksam: Entweder stelle der Vertrag
ein verdecktes Abzahlungsgeschäft dar, das wegen Widerrufs des Beklagten gemäß § 1 b AbzG
unwirksam sei. Oder der Vertrag sei als Mietvertrag anzusehen und verstoße dann gegen § 138 BGB und auch
gegen § 9 AGBG.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil, auf dessen Tatbestand sowie die darin in Bezug genommenen
Schriftsätze und Unterlagen, insbesondere den Leasing-Vertrag und seine weiteren Bedingungen, verwiesen wird,
die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Mit der Berufung, deren Zurückweisung der Beklagte begehrt, verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen
Klageantrag weiter.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist erfolgreich.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die vom Beklagten zunächst aufgeworfene Frage, ob es sich bei dem vorliegenden Finanzierungs-Leasing-Vertrag
um ein verdecktes Abzahlungsgeschäft mit der Folge handelt, daß er - der Beklagte - ein Widerrufsrecht habe
(§§ 1 b, 6 AbzG), wird vom Landgericht verneint. Mit dieser Auffassung befindet sich das Landgericht im
Einklang mit der - auch von dem erkennenden Senat geteilten - Auffassung des BGH zur Frage der Anwendung des AbzG
auf Leasingverträge (zuletzt BGH, NJW 1978, 1432), dessen Grundsätze es zutreffend auf den vorliegenden
Fall anwendet. Ein Erwerbsrecht hinsichtlich des Leasinggegenstandes ist dem Beklagten hier nicht eingeräumt
werden. Vielmehr ist in § 14 der weiteren Bedingungen des Leasing-Vertrages der Parteien (die im folgenden als
AGB bezeichnet werden) bestimmt, daß der Leasingnehmer bei Beendigung des Leasing-Vertrages, gleich aus welchem
Grund, den Leasinggegenstand zurückzugeben hat. Die vom BGH bislang unentschieden gelassene Frage, ob - auch
ohne Eigentumserwerbsrecht - das Abzahlungsgesetz gleichwohl dann anzuwenden ist, wenn bereits bei Vertragsschluß
feststeht, daß der Leasinggegenstand nach Ablauf der Vertragszeit für beide Parteien wertlos sein wird,
kann hier ebenfalls dahingestellt bleiben. Denn ein solcher Fall kann hier schon deshalb nicht bejaht werden, weil
der Leasingvertrag der Parteien nicht auf eine bestimmte Zeit abgeschlossen worden und für den Leasing-Nehmer,
erstmalig zum Ablauf des 24. Monats ab Vertragsbeginn, kündbar ist. Allerdings ist aus § 13 AGB zu folgern,
daß der Leasing-Vertrag der Parteien, obwohl seinem Wortlaut nach auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, in
Wirklichkeit auf eine bestimmte Laufzeit, nämlich auf 5 Jahre, ausgerichtet ist. Es ist jedoch auch nicht
ersichtlich, daß der Leasinggegenstand nach Ablauf dieser Zeit wertlos sein wird.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Damit stellt sich die Frage, ob Bedenken gegen die AGB der Klägerin und von da aus gegen den Leasing-Vertrag
als Rechtsgrundlage für das Klagebegehren bestehen. Die Beantwortung dieser Frage erfordert zunächst die
Prüfung, um welche Art von Leasing es sich im vorliegenden Fall handelt. Denn ohne auf den Vertragskern einzugehen,
ist eine Prüfung, ob AGB als überraschend zu beanstanden oder als inhaltlich unangemessen zu mißbilligen
sind, nicht möglich.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">In Betracht, kommt im vorliegenden Fall der Vertragstyp des Finanzierungs-Leasing und derjenige des Operating-Leasing
(vgl. zur Abgrenzung: Ebenroth, Jus 1978, 588 und DB 1978, 2109).</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Für das Finanzierungs-Leasing, bei dem die Finanzierungsfunktion im Vordergrund steht, sind folgende Merkmale
charakteristisch: Der Leasing-Vertrag wird über eine bestimmte, mehrjährige Zeit (die sog. Grundmietzeit)
abgeschlossen. Der Vertrag kann während, dieser Zeit vom Leasing-Nehmer nicht gekündigt werden. Die
Leasing-Raten sind so bemessen, daß nach Ablauf der Grundmietzeit die dem Leasing-Geber entstandenen
Anschaffungskosten voll abgedeckt sind und daneben dem Leasing-Geber eine Verzinsung sowie ein Gewinnzuschlag
verbleibt. Die Sach- und Freisgefahr ist auf den Leasing-Nehmer abgewältzt.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Im unterschied dazu steht beim Operating-Leasing nicht die Finanzierung, sondern die Gebrauchsüberlassung im
Vordergrund des Geschäfts. Dementsprechend ist diese Leasingform dadurch gekennzeichnet, daß eine bestimmte
Grundmietzeit nicht festgelegt ist und beide Parteien den Vertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist
jederzeit kündigen können.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall sprechen der Umstand, daß der Beklagte den Leasinggegenstand im voraus ausgesucht hat,
und weiterhin die Ausgestaltung der Sach- und Preisgefahr in den AGB der Klägerin für das Vorliegen eines
Finanzierungs-Leasing-Vertrages. Dagegen könnte sprechen, daß die Parteien keine bestimmte Grundmietzeit
vereinbart haben. Es ist jedoch schon fraglich, ob dem Merkmal der Kündbarkeit eine entscheidende Bedeutung als
Abgrenzungskriterium zwischen Finanzierungs-Leasing und Operating-Leasing beigelegt werden kann. Diese Frage kann
indessen hier dahingestellt bleiben. Denn im vorliegenden Fall enthält § 13 der AGB der Klägerin eine
Regelung, die ähnliche Auswirkungen hat, wie sie sonst bei Leasing-Verträgen mit einer bestimmten
Grundmietzeit verbunden sind. Soll die Festlegung einer bestimmten Grundmietzeit dem Leasing-Geber die Amortisation
des eingesetzten Kapitals sichern, so wird dieser Zweck hier dadurch erreicht, daß der Beklagte bei
Kündigung vor Ablauf des 60. Monats zu Restzahlungen an die Klägerin verpflichtet bleibt. Auch diese
Regelung bestätigt, daß bei dem Vertragsverhältnis der Parteien der Finanzierungszweck im Vordergrund
steht und daß deshalb von einem Finanzierungs-Leasing auszugehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Finanzierungs-Leasing-Verträge werden von der Rechtsprechung heute grundsätzlich als Mietverträge
eingeordnet (vgl. BGH, NJW 1977, 195 und NJW 1977, 848). Gegenüber der gesetzlichen Regelung des Mietrechts ist
jedoch das Finanzierungs-Leasing durch das typische Dreiecksverhältnis zwischen Hersteller, Vermieter und dem
zumeist vom Hersteller angeworbenen Mieter, die Beschränkung des Vermieters in wirtschaftlicher Hinsicht auf
die bloße Finanzierung der Gebrauchsnutzung durch den Vermieter und die typischerweise damit verbundene
Abwälzung der Sach- und Preisgefahr von dem Vermieter auf den Mieter nach kauf rechtlichem Vorbild gekennzeichnet
(BGH, NJW 1978, 1432). Diese Merkmale finden sich auch in dem vorliegenden Leasing-Vertrag. Dem besonderen Charakter
des Finanzierungs-Leasing ist bei der hier gebotenen Überprüfung des Leasing-Formularvertrages der Parteien
anhand der Regelungen des AGBG Rechnung zu tragen. Im einzelnen ergibt die danach vorzunehmende Überprüfung:</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks"><b>1)</b></p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Zur Einbeziehung der AGB der Klägerin in den Vertrag der Parteien.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Auch die auf der Rückseite der Vertragsurkunde aufgedruckten AGB der Klägerin sind gemäß
ausdrücklichem Hinweis darauf, der sich auf der Vorderseite des Formularvertrages befindet und von dem Beklagten
unterzeichnet worden ist, Vertragsbestandteil geworden (§ 2 ABG). Allerdings hält das Landgericht (schon)
die vorformulierte Klausel auf der Vorderseite des Leasing-Vertrages: "Das Leasingvertragsverhältnis wird
auf unbestimmte Zeit abgeschlossen; es ist kündbar erstmalig zum Ablauf des 24. Monats nach Maßgabe des
§ 13." für unwirksam nach § 3 AGBG, weil sie dem Leasing-Nehmer die unproblematische Möglichkeit
einer Vertragsbeendigung durch Kündigung vorgaukele, die im Einblick auf die nach § 13 AGB der Klägerin
mit einer Kündigung verbundenen erheblichen Restzahlungen, mit denen der redliche Kunde nicht rechne,
tatsächlich aber nicht gegeben sei. Überraschend wäre dann allerdings nicht die auf der Vorderseite
des Vertrages befindliche Klausel über die Möglichkeit einer Kündigung, sondern die - vom Landgericht
in seinen weiteren Ausführungen ebenfalls nach § 3 AGBG für unwirksam angesehene - Regelung in §
13 AGB der Klägerin über die Folgen einer Kündigung. Aber auch diese Klausel ist nach Auffassung des
Senats unter dem Gesichtspunkt von § 3 AGBG nicht zu beanstanden. In der erörterten, auf der Vorderseite
des Leasing-Vertrages aufgedruckten Formularbedingung über die Kündbarkeit des Vertrages ist § 13 AGB
ausdrücklich und drucktechnisch sofort ins Auge fallend erwähnt. Inhaltlich hält sich diese AGB-Klausel
im Rahmen dessen, was bei einen Finanzierungs-Leasing zu erwarten ist. Auch aus der Sicht des Beklagten kann nichts
anderes angenommen werden. Als Architekt nimmt der Beklagte in vielfältiger Weise am Geschäftsverkehr teil.
Kraft seiner Geschäftserfahrung erschließt sich ihm deshalb, wovon auszugehen ist, der Inhalt von § 13
AGB ohne weiteres, zumal er, wie oben ausgeführt worden ist, auf diese Klausel ausdrücklich und unübersehbar
hingewiesen worden ist. Allerdings ist nicht zu verkennen, daß die Überschrift der genannten Klausel ihre
Hinweisfunktion nicht erfüllt, soweit es sich um die den Leasing-Nehmer insbesondere Interessierenden Folgen
seiner Kündigung, nämlich das Fortbestehen seiner Zahlungspflicht, handelt. Diesem Umstand kommt aber im
vorliegenden Fall keine entscheidende Bedeutung zu, wenn man berücksichtigt, daß der Beklagte zu der Gruppe
der Freiberufler gehört, bei der weitgehende Vertrautheit mit Leasing-Problemen vorausgesetzt werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks"><b>2)</b></p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Zur Inhaltskontrolle der AGB der Klägerin.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Zu § 1</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Der Kern dieser Klausel ist die Freizeichnung der Klägerin von der Lieferungsverpflichtung. Das Landgericht
hält diese Regelung nach § 9 AGBG für unwirksam. Der Auffassung des Landgerichts ist im Ergebnis
zuzustimmen. Allerdings ist die Unwirksamkeit der formularmäßigen Freizeichnung des Leasing-Gebers von
der Lieferungsverpflichtung nicht aus § 9, sondern aus § 11 Nr. 8 AGBG herzuleiten, weil das in dieser
Vorschrift enthaltene Klauselverbot als Sonderregelung jener Bestimmung vorgeht, § 11 Nr. 8 AGBG gilt für
jede Art von Verträgen. Der Anwendung dieser Vorschrift auf das Finanzierungs-Leasing steht nicht dessen besondere
Vertragsgestaltung entgegen, die dadurch gekennzeichnet ist, daß der Leasing-Nehmer den Leasinggegenstand aussucht
und den Lieferanten bestimmt. Dies ändert nichts daran, daß der Leasing-Geber nicht nur für die
Finanzierung, sondern auch dafür sorgen muß, daß der Leasing-Nehmer den Gegenstand erhält. Denn
sonst würde es sich bei dem Finanzierungs-Leasing nur um einen Kreditverschaffungsvertrag handeln, was aber
seinem Inhalt nach - dementsprechend der Finanzierungs-Leasing-Vertrag zu Recht grundsätzlich als Mietvertrag
eingeordnet wird - nicht der Fall ist.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Soweit § 1 der AGB der Klägerin im weiteren dem Leasing-Nehmer das Verwendungsrisiko hinsichtlich des
Leasinggegenstandes aufbürdet, ist auch unter Berücksichtigung von mietrechtlichen Grundsätzen nichts
zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Zu § 2</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Es fragt sich, ob der in dieser AGB-Klausel enthaltene Gewährleistungsausschluß - bei Abtretung der
Gewährleistungsansprüche des Leasing-Gebers gegen den Lieferanten an den Leasing-Nehmer - unter dem
Blickwinkel des AGBG Bestand hat.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat diese Frage im Hinblick auf § 11 Nr. 10 a AGBG verneint. Der Senat vermag der Auffassung
des Landgerichts nicht zu folgen. Er geht vielmehr davon aus, daß die genannte Vorschrift des AGBG auf
Leasingverträge überhaupt nicht anwendbar ist.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Die Frage, ob auch Leasing-Formularverträge an § 11 Nr. 10 AGBG zu messen sind, ist umstritten. Sie wird
wegen der weiten Fassung des Einleitungssatzes ("Verträge über ... Leistungen") u.a. bejaht von
Ebenroth, DB 1978, 2109/2113; Blomeyer, NJW 1978, 973/975; Palandt-Putzo, BGB, 39. Aufl., Einf, vor § 535 Anm.
4 c; Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 11 AGBG Anm. 10; Löwe-Graf von Westphalen-Trinkner, Kommentar zum Gesetz
zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, § 11 Nr. 10 Rz 4 und Nr. 10 a Rz 31.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Offen gelassen ist die Frage vom BGH in seiner Entscheidung NJW 1977, 848, der ein Fall aus der Zeit vor Erlaß
des AGBG zugrunde liegt. Neuere einschlägige Entscheidungen des BGH zu nach Inkrafttreten des AGBG geschlossenen
Verträgen sind nicht ersichtlich.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">Die Frage, der Anwendbarkeit von § 11 Nr. 10 AGBG auf Formular-Leasing-Verträge wird verneint von
Dietlein-Rebmann, AGB aktuell, § 11 Nr. 10 Rz 2; Hensen in Ulmer-Brandner-Hensen, AGB-Gesetz, 3. Aufl., §
11 Nr. 10 Rz 3 (a.A. noch die Voraufl.); Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, AGB-Gesetz, § 11 Nr. 10 Rz 25, 26.
Diese Kommentare führen aus, daß die im Text des Einleitungssatzes von § 11 Nr. 10 AGBG genannte
Kategorie der "Verträge über Leistungen" sich nach dem Sinn und nach der Entstehungsgeschichte
der Vorschrift nicht auf Gebrauchsüberlassungsvertrage beziehen sollte und daß insoweit von einem
redaktionellen Versehen auszugehen ist. Dieser Auslegung ist auch nach Auffassung des Senats aus folgenden Gründen
der Vorzug zu geben:</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Im Gesetzentwurf der Bundesregierung beschränkte sich der Einleitungssatz zu Nr. 10 (des damaligen § 9;
jetzt § 11 AGBG) auf "Kauf-, Werk- oder Werklieferungsverträge über neu hergestellte Sachen"
(BT-Dr. 7/3919 S. 6, 33). Bei den Beratungen im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages wurde diese Fassung
als zu eng empfunden (vgl. BT.-Dr. 7/5422 S. 8); man wollte mit § 11 Nr. 10 AGBG offenbar auch Werkverträge
über andere Leistungen als die Herstellung von Sachen erfassen. Aus diesem Grund ist die Fassung des
Einleitungssatzes zu dem alsdann Gesetz gewordenen § 11 Nr. 10 durch Hinzufügung der Worte "und
Leistungen" erweitert worden. Es spricht aber nichts dafür, daß durch diese Erweiterung abweichend
von dem Regierungsentwurf nunmehr auch Gebrauchsüberlassungsverträge erfaßt werden sollten.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Dementsprechend geht auch Kötz in Münchener Kommentar, § 11 AGBG Rz 78, davon aus, daß die
erwähnte Erweiterung in "sprachlich verunglückter Form geschehen" sei. Wenn er gleichwohl in
Befolgung ihres Wortlautes die Vorschrift des § 11 Nr. 10 AGBG auch auf Miet- und Pachtverträge anwenden
will, so spricht er sich aber im weiteren (a.a.O., Rz. 85) dafür aus, das Finanzierungs-Leasing im Einblick
auf seine besondere Gestaltung von der genannten Regelung des AGBG auszudehnen.</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Ist § 11 Nr. 10 AGBG im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, so fragt es sich weiterhin, ob der
formularmäßige Gewährleistungsausschluß im Leasing-Vertrag der Parteien gegen § 9 AGBG
verstößt. Vor Erlaß des AGBG ist ein solcher Gewährleistungsausschluß infolge der typischen
Vertragsgestaltung bei Leasing-Verträgen nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1977, 848) für wirksam
angesehen worden, wenn dem Leasing-Nehmer als Ausgleich sämtliche Gewährleistungsrechte des Leasing-Gebers
gegenüber dem Lieferanten abgetreten werden. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so ist nach Auffassung des
Senats der formularmäßige Ausschluß des Gewährleistungsrechts auch nach § 9 AGBG nicht
zu beanstanden. Diesen Anforderungen entspricht § 2 der AGB der Klägerin. Danach ist diese AGB-Klausel
wirksam.</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">Durchgreifende Bedenken gegen die Wirksamkeit der genannten Klausel ergeben sich auch nicht deshalb, weil sie
von dem Beklagten, obwohl dieser Nichtkaufmann ist, die Berücksichtigung der §§ 377, 378 HGB verlangt.
Dies ist nur die Konsequenz davon, daß es sich bei dem Kaufvertrag zwischen dem Leasing-Geber und dem Lieferanten
in der Hegel um ein beiderseitiges Handelsgeschäft handelt. Ob die Klägerin aufgrund des durch die
Vertragsverhandlungen begründeten Vertrauensverhältnisses verpflichtet gewesen wäre, den Beklagten
über die Bedeutung der genannten handelsrechtlichen Vorschriften aufzuklären, kann hier auf sich beruhen;
denn die dem Beklagten seitens der Klägerin abgetretenen Gewährleistungsansprüche gegen den Lieferanten
scheitern nicht wegen Verletzung der Untersuchungs- und Rügepflicht.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Zu § 5</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Soweit der Beklagte mit der Berufungsbeantwortung weiterhin rügt, § 5 AGB der Klägerin enthalte
einen gegen § 11 Nr. 1 AGBG verstoßenden Vorbehalt einer Preiserhöhung, ist dem schon deshalb nicht
zu folgen, weil es sich vorliegend um ein Dauerschuldverhältnis handelt und damit § 11 Nr. 1 AGBG
überhaupt nicht anwendbar ist.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">d)</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Zu § 7</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">Die in dieser Klausel enthaltene Regelung, durch welche die Sach- und Preisgefahr auf den Leasing-Nehmer
abgewälzt wird, entspricht der besonderen Gestaltung des Finanzierungs-Leasing-Vertrages, die dadurch gekennzeichnet
ist, daß der Leasing-Nehmer dem Leasinggegenstand näher steht als der Leasing-Geber, der keine tatsächliche
Einwirkungsmöglichkeit auf die Leasingsache hat. Demnach ist die formularmäßige Überbürdung
der Sach- und Preisgefahr auf den Leasing-Nehmer bei einem Finanzierungs-Leasing-Vertrag gemäß § 9
AGBG nicht zu beanstanden (vgl. Ebenroth, DB 1978, 2109/2111).</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">e)</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">zu § 9</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Diese Klausel enthält in jedem seiner drei Absätze eine eigenstänsige Regelung der Folgen eines
Zahlungsverzuges des Leasing-Nehmers. Jede dieser Regelungen ist deshalb gesondert anhand der Vorschriften des AGBG
zu überprüfen.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">aa)</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Unter diesem Gesichtspunkt ist Abs. 1 der genannten Klausel nicht zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">bb)</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">Durchgreifende Bedenken gemäß § 9 AGBG bestehen gegen Abs. 2 der genannten Klausel, soweit der
Klägerin darin das Recht eingeräumt ist, bei Zahlungsverzug des Leasing-Nehmers den Leasing-Vertrag
fristlos zu kündigen, als Schadensersatz alle sofort fällig werdenden Leasing-Raten für die im
Vertrag vorgesehene Restlaufzeit (also bis zum Ablauf des 60. Monats ab Vertragsbeginn: § 13 Abs. 3 AGB der
Klägerin) zu beanspruchen <u>und</u> den Leasinggegenstand (zur anderweitigen Verwertung) zurückzunehmen.
Eine solche Kumulierung von Kündigung - mit Rücknahme des Leasinggegenstandes - und Anspruch auf
Erfüllungsinteresse für die Zukunft ist mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des
Mietrechts, die insoweit auch für den Finanzierungs-Leasing-Vertrag zutreffen, nicht zu vereinbaren (vgl. BGH,
NJW 1978, 1432). Der Leasing-Nehmer wird deshalb durch die in Rede stehende AGB-Bestimmung unangemessen benachteiligt.</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">cc)</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Abs. 3 der genannten Klausel hat zum Inhalt, daß die Klägerin berechtigt sein soll, den Leasinggegenstand
zur Sicherung herauszuverlangen und vom Leasing-Nehmer die gesamten künftig fällig werdenden Leasingraten
sofort zu verlangen. Zwar spricht der Wortlaut dieser Regelung von der Zahlung der fälligen Gesamtleasing-Forderung
nur im Zusammenhang mit dem Recht der Klägerin, den Leasinggegenstand zurückzubehalten. Damit ist aber
der Anspruch der Klägerin auf alle, zur sofortigen Zahlung fällig gestellten restlichen Leasing-Raten
vorausgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">Es fragt sich zunächst, ob die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffene Vereinbarung des vorzeitigen
Fälligwerdens der Leasing-Raten einer Inhaltskontrolle standhält. Diese Frage wäre zu verneinen, wenn
die in Rede stehende Klausel eine Vertragsstrafe zum Gegenstand hat oder jedenfalls ihrer Bedeutung nach auf ein
Strafversprechen hinausläuft. Dann wäre § 11 Nr. 6 AGBG mit der Folge der Unwirksamkeit entweder
direkt oder entsprechend gemäß § 7 AGBG anzuwenden. Letzteres wird bejaht von Ebenroth (DB 1978,
2109/2114; vgl. auch Quittnat, BB 1979, 1530/1532). Dieser Beurteilung vermag sich der Senat für den vorliegenden
Fall nicht anzuschließen. Zwar steht der Annahme einer Vertragsstrafe nicht schon entgegen, daß der Beklagte
für den Fall des Zahlungsverzuges keine zusätzliche Leistung (§§ 339, 342 BGB) versprochen hat.
Auch die Vereinbarung einer Verfallklausel kann dem Versprechen einer Vertragsstrafe gleichzusetzen sein (BGH, NJW
1960, 1568; NJW 1968, 1625; NJW 1972, 1893). In den genannten Entscheidungen hatte der Schuldner allerdings einen
Verzicht auf eigene Ansprüche zugesagt. Hier besteht jedoch die Verfallwirkung nicht in einem Anspruchsverlust,
sondern lediglich in der Vorfälligkeit. Ob der von einem Teil das Schrifttums vertretenen Auffassung
(Palandt-Heinrichs, a.a.O., Vorbem. 2 b vor § 339; Erman-Westermann, 6. Aufl., Vorbem. zu §§
339-345 Rz 7), aber auch Klauseln über die vorzeitige Fälligkeit seien ähnlich wie
Vertragsstrafeversprechen zu behandeln, im Grundsatz zu folgen ist, kann hier unerörtert bleiben. Ein solcher
Grundsatz würde nach Auffassung des Senats nicht für den Finanzierungs-Leasing-Vertrag passen, wenn der
Leasing-Geber nach Verzug des Leasing-Nehmers die Refinanzierung ablöst. Dann erscheint die Klausel über
die vorzeitige Fälligkeit der Leistung des Leasing-Nehmers eher einem pauschalierten Schadensersatz ähnlich.
Davon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Bei Annahme einer Schadenspauschalierung in Gestalt einer vorzeitigen
Fälligkeit der aber ohnehin geschuldeten Gegenleistung bestehen weder Bedenken aus § 11 Nr. 5 AGBG noch -
im Hinblick auf die Besonderheiten des Finanzierungs-Leasing-Vertrages- aus § 9 AGBG.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">f)</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Zu § 12</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Der Ausschluß des Zurückbehaltungsrechts ist nach § 11 Nr. 2 b AGBG unwirksam.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">g)</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Zu § 13</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Diese Klausel ist nach Auffassung des Senats auch inhaltlich nicht schon deshalb zu beanst vnden, weil die
darin enthaltene Kündigungsregelung mit einer der Bestimmung einer Grundmietzeit entsprechender. Wirkung
ausgestaltet worden ist. Im Vorstehenden (Ziff. II) ist ausgeführt worden, daß die Vereinbarung einer
Grundmietzeit ein charakteristisches Merkmal des Finanzierungs-Leasing-Vertrages ist. Dieser ist im Einblick auf
den im Vordergrund stehenden Finanzierungszweck des Geschäfts im Regelfall während der Grundmietzeit
für den Leasing-Nehmer unkündbar. Wird dem Leasing-Nehmer abweichend von der typischen Gestaltung des
Finanzierungs-Leasing-Vertrages ein Kündigungsrecht eingeräumt, so erscheint eine unangemessene
Benachteiligung des Leasing-Nehmers nicht gegeben, wenn dieser für einen Zeitraum nach Kündigung, der
einer restlichen Grundmietzeit entspricht, noch Zahlungen zu erbringen hat, sofern hierauf der vom Leasing-Geher
erzielte Wiederverwertungserlös angerechnet wird. So ist es grundsätzlich im vorliegenden Fall.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Bedenken können hier allerdings gegen die Berechnung der Restzahlungen bestehen: Soweit die Restzahlungen
in bestimmten Prozentsätzen vom Netto-Anschaffungswert bemessen sind, dürfte es sich um eine
Schadenspauschalierung handeln, die dann den Anforderungen des § 11 Nr. 5 AGBG entsprechen müßte.
Soweit die Anrechnung des Wiederverwertungserloses bei Nichtabschluß eines neuen Leasing-Vertrages nur in
Höhe von 75 % vorgesehen ist, kann eine vertragsstrafenähnliche Regelung vorliegen, die dann gemäß
§§ 7, 11 Nr. 6 AGBG unwirksam wäre. Diese Bedenken sind jedoch, wie im folgenden (Ziff. IV) noch
auszuführen ist, für den vorliegenden Rechtsstreit nicht von entscheidender Bedeutung und können
deshalb hier dahingestellt bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks"><b>IV.</b></p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">Die Inhaltskontrolle der AGB der Klägerin führt damit zu folgendem Ergebnis: Durchgreifende Bedenken
bestehen gegen die Freizeichnung der Klägerin von der Lieferverpflichtung (§ 1), gegen die Kumulierung
von Rücktritt und Anspruch auf Erfüllungsinteresse bei Verzug des Leasing-Nehmers (§ 9 Abs. 2) und
gegen die Beschränkung des Zurückbehaltungsrechts des Leasing-Nehmers (§ 12). Diese Bedenken
berühren aber nicht die Wirksamkeit des Vertrages im übrigen (§ 6 Abs. 1 AGBG). Eine Gesamtnichtigkeit
nach Abs. 3 der genannten Vorschrift kommt auch dann nicht in Betracht, wenn weiterhin die vorstehend in Erwägung
gezogenen Bedenken gegen die Berechnung der Restzahlungen bei Kündigung des Leasing-Nehmers durchgreifen sollten.</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks"><b>V.</b></p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Ist somit davon auszugehen, daß der Vertrag an sich und von dem ihm beigefügten AGB u.a. auch die
Regelungen in Abs. 1) und 2) des § 9, welche die Rechtsgrundlage für das Klagebegehren bilden, gültig
sind, so ist der Klage stattzugeben. Wegen der von ihr, behaupteten Mängel des Leasinggegenstandes muß der
Beklagte sich gemäß der rechtswirksamen Gewährleistungsregelung in § 2 AGB der Klägerin mit
der Lieferantin auseinandersetzen. Der Beklagte kann den Zahlungsanspruch der Klägerin auch nicht mit Erfolg
entgegensetzen, daß diese den Leasinggegenstand gegenwärtig zur Sicherheit zurückbehält (vgl.
BGH, ZMR 1978, 178 - dort waren allerdings die Mietzinsen in der vertraglich vereinbarten Weise, also in monatlichen
Raten, weiter zu zahlen, während hier die gesamten ausstehenden Leasing-Raten zur sofortigen Zahlung fällig
gestellt worden sind).</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
|
315,976 | olgham-1979-11-20-1-uf-16579 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 1 UF 165/79 | 1979-11-20T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:09 | 2019-03-27T09:41:44 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1979:1120.1UF165.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 22. März 1979 verkündete Urteil des Amtsgerichts (Familiengerichts) Bielefeld abgeändert, soweit der Antragsteller verurteilt worden ist, an die Antragsgegnerin für die Zeit ab Rechtskraft des Scheidungsausspruches monatlich 340,- DM Unterhalt zu zahlen.</p>
<p>Der Unterhaltsanspruch wird abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin.</p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien haben am 15. August 1973 geheiratet. Aus der Ehe sind zwei Kinder, nämlich die
am ... geborene Tochter ... und der am ... geborene Sohn ... hervorgegangen. Seit November 1978 leben
die Parteien voneinander getrennt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Parteien haben beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">die am 15. August 1973 vor dem Standesbeamten des Standesamts Bielefeld Mitte Registernummer 774/73
geschlossene Ehe der Parteien zu scheiden.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die elterliche Gewalt über die Tochter ... dem Antragsteller und die elterliche Gewalt über
den Sohn ... der Antragsgegnerin zu übertragen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin hat ferner beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">den Antragsteller zu verurteilen, ab Rechtskraft des Scheidungsverfahrens</p>
<br /><span class="absatzRechts">8</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td>a)</td>
<td>für den Sohn ... monatlich 205,- DM Unterhalt
und</td>
</tr>
<tr>
<td>b)</td>
<td>für sie selbst monatlich 516,- DM Unterhalt zu zahlen.</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Antragssteller hat den Unterhaltsanspruch bezüglich des Sohnes Michael in Höhe von 205,- DM
monatlich anerkannt und im übrigen beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Durch das am 22. März 1979 verkündete Urteil hat das Amtsgericht die Ehe der Parteien geschieden,
die elterliche Gewalt über Andrea auf den Antragsteller und über ... auf die Antragsgegnerin
übertragen. Ferner hat das Amtsgericht den Antragsteller verurteilt, ab Rechtskraft des Scheidungsurteils
an die Antragsgegnerin für den Sohn ... monatlich 205,- DM und für die Antragsgegnerin selbst 340,- DM
monatlichen Unterhalt zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe dieses amtsgerichtlichen Urteils Bezug
genommen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses am 29. März 1979 verkündete Urteil wendet sich der Antragsteller mit der am 25. Juni 1979
eingelegten und nach der am 25. Juli 1979 erfolgten Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung
der Berufungsfrist rechtzeitig eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Er will den Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin insgesamt abgewiesen wissen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Er macht geltend, sein Einkommen sei nur zur Hälfte anzurechnen, da auch er ein minderjähriges Kind
betreue und deshalb im Verhältnis zur Antragsgegnerin nicht arbeitspflichtig sei. Doch selbst wenn man sein
gesamtes Nettoeinkommen zugrundelege, so sei er nicht in der Lage, Unterhalt zu zahlen, weil er für die Betreuung
des bei ihm lebenden Kindes während einer Arbeitszeit 350,- DM aufwenden müsse. Ferner habe er Miete,
Kindergarten, Rundfunk, Fernsehen, Versicherungen monatlich 527,- DM aufzuwenden. Darüber hinaus müsse
er anfallende Krankheitskosten zu 20 % selbst tragen, da er nur 80 % dieser Kosten ersetzt erhalte.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Er beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit er verurteilt worden ist, ab Rechtskraft
des Scheidungsurteils an die Antragsgegnerin monatlich 340,- DM Unterhalt zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Sie macht geltend, sie sei wegen der Betreuung eines der minderjährigen Kinder aus der gemeinsamen Ehe nicht
arbeitspflichtig und daher unterhaltsbedürftig. Unter Hinweis auf § 1577 Abs. 2 BGB beziffert sie ihren
Unterhaltsbedarf auf wenigstens 1.000,- DM und hat unter Berücksichtigung des Einkommens des Antragstellers,
das sie auf monatlich knapp 2.060,- DM ohne Kindergeld beziffert hat, zunächst Anschlußberufung
angekündigt, mit dem Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Antragsteller zu verurteilen, an sie ab Rechtskraft des
Scheidungsurteils monatlich 516,- DM zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Nach Verweigerung des hierfür begehrten Armenrechts durch den Senat hat sie diesen Antrag nicht
weiterverfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Parteien einen Teilvergleich geschlossen,
indem der Antragsteller sich verpflichtet hat, für den Sohn ..., der von der Antragsgegnerin versorgt wird,
zu den vom Familiengericht zuerkannten 205,- DM ab Rechtskraft der Scheidung noch 1/4 des auf beide Kinder entfallenden
Kindergeldes also noch 37,50 DM zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Wegen des Einkommens des Antragstellers wird auf die von ihm vorgelegte Gehaltsauskunft seines Arbeitgebers
vom 9. August 1979 (Bl. 123, 124) sowie auf die von ihm im Termin vorgelegte Gehaltsabrechnung für die Monate
August, September und Oktober 1979 verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Zwar hat die Antragsgegnerin im Grundsatz einen Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB, da sie eine entgeltliche
Erwerbstätigkeit nicht ausübt und eine solche von ihr, die sie den aus der Ehe der Parteien stammenden
vier Jahre alten Sohn ... betreut, auch nicht erwartet werden kann. Zudem ist sie während der Ehe nicht
regelmäßig einer Berufstätigkeit nachgegangen, so daß es auch den Lebensverhältnissen der
Parteien, nicht entspricht, evtl. trotz der Betreuung eines Kindes berufstätig zu sein.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller ist jedoch unter Berücksichtigung seiner Erwerbs- und Vermögensverhältnisse und
unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande, ohne Gefährdung seines
angemessenen Unterhalts der Antragsgegnerin Unterhalt zu gewähren (§ 1581 BGB). Sein monatliches
Bruttoeinkommen beläuft sich, wie sich aus den Gehaltsstreifen für die Monate August bis Oktober 1979
ergibt, auf 1.921,02 DM. Hiervon muß er, da er inzwischen von der Antragsgegnerin geschieden ist, und nur eines
der beiden aus der Ehe stammenden Kinder bei sich hat, Steuern nach der Steuerklasse 2, ein Kind, entrichten. Das
sind 204,- DM Lohnsteuern und 13,86 DM Kirchensteuern, also 217,86 DM. Sein monatliches Bruttoeinkommen vermindert
sich deshalb auf 1.703,16 DM.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Diesem Einkommen sind das anteilige Weihnachtsgeld und das anteilige Urlaubsgeld zuzurechnen. Aus der
Gehaltsbescheinigung seines Arbeitsgebers vom 9. August 1979 ergibt sich, daß er 1978 Weihnachtsgeld in
Höhe von 1.948,65 DM brutto bezogen hat, das sich um 278,- DM Lohnsteuer vermindert hat. Ihm sind somit
1.670,- DM im Jahr oder 139,40 DM auf den Monat umgerechnet verblieben. Von 300,- DM Urlaubsgeld brutto verbleiben
ihm, so ist zu schätzen, 200,- DM netto, oder 16,66 DM pro Monat. Dem monatlichen Einkommen des Antragstellers
sind deshalb insgesamt 156,06 DM hinzuzurechnen, so daß er ein Nettoeinkommen von 1.859,22 DM hat. Dieses
Einkommen vermindert sich um 59,- DM monatlich für Krankenversorgung, wie sich aus den vorgelegten Gehaltsstreifen
für die Monate August bis Oktober 1979 ergibt. Es verbleiben ihm somit rd. 1.800,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Dieses Einkommen vermindert sich um weitere 100,- DM, die der Antragsteller monatlich zurückzahlen muß,
da er ein Darlehen in Höhe von 2.000,- DM aufgenommen hat, um der Antragsgegnerin den Ankauf von Möbeln
für ihre neueinzurichtende Wohnung zu ermöglichen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Ferner sind von dem Einkommen des Antragstellers vorab die Beträge abzuziehen, die er zum Unterhalt für
die beiden aus der Ehe stammenden minderjährigen Kinder aufwenden muß. Darüber waren sich die Parteien
im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat einig.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Für den Sohn Michael, der bei der Antragsgegnerin versorgt wird, sind hier vom Antragsteller nach dem vor
dem Senat geschlossenen Vergleich vom 25. Oktober 1979 242,50 DM pro Monat aufzuwenden.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Ferner hat er Aufwendungen für die bei ihm lebende Tochter ... Der zu ihrer Betreuung notwendige finanzielle
Aufwand ist ebenfalls vor Berechnung des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin vom Einkommen des Antragstellers
abzuziehen. Ihr Unterhaltsbedarf ist unter Anwendung der gleichen Grundsätze, wie bei der Berechnung des Bedarfs
des Sohnes ... bei der gebotenen Gleichbehandlung beider Kinder unter Berücksichtigung des Altersunterschieds
einschließlich des Kindergeldes nach der Düsseldorfer Tabelle, die der Senat bei der Berechnung von
Unterhaltsansprüchen in ständiger Rechtsprechung zugrundelegt, auf monatlich 222,50 DM festzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Weil die Sätze der Düsseldorfer Tabelle lediglich die Unterhaltsverpflichtung des barunterhaltspflichtigen
Elternteils festlegen, der neben dem anderen Elternteil unterhaltsverpflichtet ist, der die Betreuung des Kindes
übernommen hat, so stellen die in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen Sätze nur rd. die Hälfte
des wahren Unterhaltsbedarfs des Kindes dar. Da die Unterhaltsleistungen beider Elternteile grundsätzlich
gleichwertig sind, der Antragsteller im vorliegenden Fall auch die Betrauung von Andrea übernommen hat, ist
von seinem Einkommen vorweg weiterhin eine Pauschale für die Betreuung der Tochter in Höhe von mindestens
weiteren 222,50 DM abzusetzen, -wenn nicht ein Betrag von 350,- DM, der den tatsächlichen Aufwendungen
entspricht,- so daß sich der gesamte Unterhaltsbedarf der Kinder auf mindestens 687,50 DM beläuft.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Von dem Einkommen des Antragstellers verbleiben daher noch 1.012,50 DM.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der Senat ist der Auffassung, daß der Antragsteller von diesem restlichen Einkommen der Antragsgegnerin keinen
Unterhalt mehr zu zahlen und sich insbesondere nicht mit dem sogen, notwendigen Selbstbehalt von ca. 800,- DM zu
bescheiden braucht.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Ebenso wie die Antragsgegnerin betreut er ein minderjähriges Kind. Nach der Vorschrift des § 1570 BGB kann
daher von ihm im Grundsatz nicht erwartet werden, daß er einer Erwerbstätigkeit nachgeht, um
Unterhaltsansprüche des <u>geschiedenen Ehegatten</u> erfüllen zu können. Daran kann sich nicht
deshalb etwas ändern, weil auch der andere Ehegatte ein gemeinsames minderjähriges Kind betreut. Beide
geschiedenen Ehegatten befinden sich in der gleichen Situation. Beide könnten sie, gestützt auf §
1570 BGB, Unterhaltsansprüche gegen den anderen geltend machen, wenn nicht, wie hier der Antragsteller selbst
für seinen Unterhalt sorgte (§ 1569 BGB). Es besteht angesichts der in Art. 3 Abs. 2 GG festgelegten
Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Ausgestaltung der Unterhaltsansprüche der geschiedenen Ehegatten
gegeneinander nach dem 1. EheRG keine Möglichkeit, dem Ehegatten, der bei Bestehen der Ehe durch seine Arbeit
für den finanziellen Unterhalt der Familie gesorgt hat, nach der Auflösung der Familie weiterhin die
Verpflichtung aufzuerlegen, zur Deckung des Unterhaltsbedarfs des anderen Ehegatten, der ein minderjähriges
Kind versorgt, einer Berufstätigkeit nachzugehen, wenn auch er selbst ein minderjähriges Kind betreut.
Es gibt nach der durch das 1. EheRG Art. 1 Ziff. 20 eingeführten Vorschrift der § 1569 BGB keinen allgemeinen
Grundsatz zur Unterhaltsverpflichtung der geschiedenen Ehegatten gegeneinander, sondern nur, gleichsam als
Ausnahmevorschriften eingeführte, Einzeltatbestände die zu einer Unterhaltsberechtigung führen
können (BT-DruckS. 7/650 S. 121 und 7/4361 S. 16). Das durch das 1. EheRG Gesetz gewordene nacheheliche
Unterhaltsrecht verfolgt gerade in Abkehr von dem bisherigen Verschuldensprinzip den Grundsatz, daß jeder
Ehegatte nach der Scheidung für sich selbst zu sorgen habe. (Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit). (Vgl.
Palandt-Diederichs BGB, 37. Aufl., § 1569 Anm. 1; Erman-Ronke, BGB, Nachtragsheft neues Familienrecht §
1569 Rdn. 5; Münchener Kommentar BGB, Familiengericht 1978 § 1569 Anm. 1).</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Das bedeutet jedoch nicht, daß in einem wie dem vorliegenden Falle die Unterhaltsverpflichtung der geschiedenen
Ehegatten gegeneinander vollends entfällt. Denn das neue nacheheliche Unterhaltsrecht enthält neben dem
Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit ferner den der Mitverantwortlichkeit. Der nacheheliche Unterhaltsanspruch der
geschiedenen Ehegatten gegeneinander ist seiner Rechtsnatur nach, wie schon nach dem bisherigen Recht, ein
familienrechtlicher Anspruch, der sich als Nachwirkung der Ehe ergibt (BGHZ 20, 127/135; Münchener Kommentar
a.a.O. Rdn. 2 und 5; Rolland, 1. EheRG § 1569 Rdn. 6 m.w.N.). Besteht deshalb nach Scheidung der Ehe eine
ehebedingte Bedürftigkeit, weil z.B. ein Ehegatte wegen der Betreuung minderjähriger Kinder von der
Begründung einer eigenen wirtschaftlicher Existenz abgesehen hat, so besteht eine Unterhaltsberechtigung und
auf der anderen Seite eine Unterhaltsverpflichtung. Letztere kann den erwerbstätigen geschiedenen Ehegatten,
der ebenfalls ein aus der Ehe stammendes minderjähriges Kind betreut, jedoch nicht in gleicher Weise treffen,
wie denjenigen, der sich in einer solchen Lage nicht befindet. Er ist zwar wegen der auch weiterhin von ihm
ausgeübten Berufstätigkeit nicht bedürftig und kann daher keine Unterhaltsansprüche gegen
den anderen Ehegatten geltend machen. Doch, da er im übrigen durch die Betreuung des minderjährigen
Kindes in der gleichen Lage sich befindet wie der andere Ehegatte, also "quasi unterhaltsberechtigt"
ist, erscheint es gerechtfertigt, seine Einkünfte gegenüber einem Unterhaltsanspruch des geschiedenen
Ehegatten in Anwendung des Gedankens des § 1577 Abs. 2 BGB nur insoweit anzurechnen, als sie nach Abzug der
übrigen gegenüber Unterhaltsansprüchen relevanten oben genannten Verbindlichkeiten seinen eigenen
"vollen Unterhalt" im Sinne des § 1578 BGB übersteigen. Der zur Deckung seines Lebensbedarfs
angemessene Betrag hat daher hier dem Antragsteller zu verbleiben. Dieser Betrag wird vom Senat in Übereinstimmung
mit den übrigen Familiensenaten des hiesigen OLG mit wenigstens 1.000,- DM angesetzt. Nach Abzug des auf die
minderjährigen Kinder entfallenden oben berechneten Unterhaltsbedarfs von 687,50 DM verbleiben dem Antragsteller
gerade 1.000,- DM, so daß ein Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin entfällt.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entsprechenden Anwendung des Rechtsgedanken des
§ 1577 Abs. 2 BGB in ähnlichen Fällen gem. § 621 d Abs. 1 ZPO zugelassen worden.</p>
|
315,977 | olgham-1979-11-15-3-uf-5979 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 3 UF 59/79 | 1979-11-15T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:11 | 2019-03-27T09:41:44 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1979:1115.3UF59.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird abgeändert. Das Recht des Beteiligten zu 1) zum Umgang mit seinem Kind ... wird wie folgt geregelt:</p>
<p> 1) Der Kindesvater ist berechtigt, mit seinem Kind ... an jedem 1. Freitag eines Monats in der Zeit von 16.00 bis 17.00 Uhr im Besuchsraum der Justizvollzugsanstalt zusammen zu sein. Der Besuch des Kindes findet in Anwesenheit eines Sozialarbeiters der Justizvollzugsanstalt statt. Dem Vormund wird gestattet, bei den Besuchen zugeben zu sein.</p>
<p> 2) Der Onkel des Kindes, ... 1, bringt ... von der Wohnung des Vormundes in ... zur Justizvollzugsanstalt und wieder zurück.</p>
<p> 3) Der Vormund ist verpflichtet, das Kind am jeweiligen Besuchstag um 15.00 Uhr ausgehfertig bereitzuhalten und Herrn ... zu übergeben. Herr ... hat das Kind bis spätestens um 18.00 Uhr wieder beim Vormund abzuliefern.</p>
<p> 4) Ist ... wegen Krankheit oder aus einem anderen triftigen Grund verhindert, am festgelegten Besuchstag zum Vater zu fahren, wird der ausgefallene Besuchstag am nächstfolgenden Freitag nachgeholt. Der Vormund ist verpflichtet, eine Verhinderung des Kindes spätestens am Dienstag dem Vater und Herrn ... mitzuteilen.</p>
<p>5) Alle Personen, die an der Durchführung dieser Besuchsregelung beteiligt sind, habe sich jeglicher negativen Äußerung zum Nachteil eines anderen Beteiligten in Gegenwart des Kind2es zu enthalten.</p>
<p> 6) Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtlichtliche Kosten werden nicht erstattet.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">... entstammt einer Ehe, die sehr ungünstig verlief. Seine Eltern, der Beteiligte zu 1) und die Tochter des Beteiligten zu 2) schlossen am 8.1.1971 die Ehe miteinander. Bereits am 30.6.1971 verließ die Kindesmutter den Ehemann, der wegen Straftaten am 22.8.1971 in Untersuchungshaft genommen wurde. Durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 17.5.1973 (3 R 49/73) wurde die Ehe der Kindeseltern aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Die elterliche Gewalt über das Kind wurde durch Beschluß des Vormundschaftsgerichts Herne vom 20.9.1973 dem Beteiligten zu 2) als Vormund übertragen. Erst am 22.4.1974 wurde der Kindesvater aus der Haft zur Bewährung entlassen. In der Folgezeit lebte er in ..., wo er häufig das Kind beim Vormund besuchte, zu dem ein guter Kontakt bestand. Im November 1976 wurde der Beteiligte zu 1) wegen einer schweren Straftat erneut inhaftiert. Z. Zt. verbüßt er eine rechtskräftige Freiheitsstrafe von 14 Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt Werl.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">... lebt weiterhin in der Familie seines Großvaters, des Beteiligten zu 2). Seit 1978 besucht er die Grundschule in ...</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 30.7.1978 hat der Kindesvater beantragt, eine gerichtliche Besuchsregelung dahingehend zu treffen, daß ... ihn einmal monatlich für eine Stunde besuche. Diesem Antrag hat der Beteiligte zu 2) widersprochen, und auch das Jugendamt ... hat in seiner Stellungnahme vom 27.10.1978 von Besuchen des Kindes beim Vater abgeraten.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Durch Beschluß vom 29.12.1978 hat das Familiengericht Herne den Antrag des Kindesvaters mit der Begründung zurückgewiesen, daß es für die Entwicklung eines sieben Jahre alten Kindes nicht förderlich sei, wenn es seinen Vater in einer Justizvollzugsanstalt besuchen müsse. Gegen diese Entscheidung, die dem Beteiligten zu 1) am 24.1.1979 zugestellt worden ist, richtet sich seine Beschwerde vom selben Tage, die beim Oberlandesgericht am 31.1.1979 eingegangen ist. Zur Begründung seines Rechtsmittels, mit dem, der Kindesvater den bisherigen Antrag weiterverfolgt, trägt er vor: Der Junge wisse ohnehin, daß sich 1 sein Vater wegen Straftaten in der Justizvollzugsanstalt befinde. Für das Kind sei es leichter, den Vater im Gefängnis zu besuchen, als ihn überhaupt nicht zu sehen. Denn während der Freiheit sei das Vater-Sohn-Verhältnis sehr herzlich und intensiv gewesen. Er, der Beteiligte zu 1), sei schon bestraft genug und akzeptiere nicht die Doppelbestrafung, die in einem Ausschluß des Besuchsrechts liege. Der Beteiligte zu 2) sei zwar herzensgut zu ..., betrachte ihn aber als seinen Sohn und wolle ihn allein für sich. Seine Sorge sei es, den Vater aus ... Welt zu verdrängen. Der Onkel des Kindes, Herrn ..., könne bestätigen, wie gern ... den Vater in der JVA besucht habe.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Berichterstatter des Senats hat am 26.3.1979 den Kindesvater und den Vormund des Kindes persönlich zur Sache gehört. Wegen des Terminsergebnisses wird auf die Niederschrift Bezug genommen. Außerdem hat der Senat ein familienpsychologisches Gutachten beim Institut für Gerichtspsychologie in ... eingeholt, das die Sachverständige Dipl.-Psychologin ... am 22.6.1979 erstattet hat. Auf dessen Inhalt wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde des Kindesvaters ist gem. § 621 Nr. 2 i.V.m. § 621e ZPO statthaft. Sie ist fristgerecht eingelegt, da die Rechtsmittelschrift binnen eines Monats seit Zustellung des angefochtenen Beschlusses beim Oberlandesgericht eingegangen und begründet worden ist. Auch gegen die Form des eingelegten Rechtsmittels bestehen keine Bedenken, da die Erstbeschwerde im Sinne des § 621e ZPO in einer isolierten Familiensache nicht durch einen Anwalt beim Gericht angebracht werden muß.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat in der Sache Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Ebenso wie die elterliche Gewalt wächst das Verkehrsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils mit dem gemeinsamen Kind aus dem natürlichen Elternrecht und der damit verbundenen Elternverantwortung, die auch trotz Scheidung grundsätzlich fortbesteht (so Bundesverfassungsgericht NJW 1971, 1447). Als Teil des natürlichen Elternrechts soll das Verkehrsrecht im einzelnen dem nicht sorgeberechtigten Elternteil die Möglichkeit geben, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Aussprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten und einer Entfremdung vorzubeugen sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung tragen (so BGH NJV 1969, 422; OLG Hamm Justizministerialblatt NW 1975, 265). Der sorgeberechtigte Elternteil oder der Vormund sind deshalb verpflichtet, die Ausübung dieses Rechts im Interesse des Kindes sicherzustellen, weil sie durch die Personensorge die Pflicht haben, alles zu tun, was dem Wohle des Kindes entspricht. Ein Ausschluß des Verkehrsrechts muß folglich auf besonders schwerwiegende Einzelfälle beschränkt bleiben. Er ist nur zulässig, wenn andere Möglichkeiten zum Schutz des Kindes nicht gegeben sind (so OLG Hamm FamRZ 1966, 317; 4 UF 319/77; Kammergericht FamRZ 1968, 260; Bayr. ObLG FamRZ 1968, 269/271; OLG Hamburg 2 UF 236/77).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Diese Grundsätze gelten auch für den Fall, daß die elterliche Gewalt über das Kind bei einem Vormund liegt und der Elternteil, der einen Besuchskontakt zum Kind wünscht, inhaftiert ist. Auch in einem solchen Falle ist für die Frage, ob ein Ausschluß des Verkehrsrechts geboten ist, auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen (so OLG Hamm 5 UF 259/78; Kammergericht a.a.O.; wohl auch OLG Düsseldorf 1 UF 349/77). Eine gerichtliche Bestrafung des Elternteils reicht für sich allein in aller Regel noch nicht für einen Ausschluß des Besuchsrechts aus. Vielmehr ist abzuwägen zwischen dem Kindesschutz vor psychischen Belastungen einerseits und dem Kindesinteresse an der Aufrechterhaltung der Beziehungen zum nichtsorgeberechtigten Elternteil andererseits (so OLG Hamm a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Nach dem überzeugend begründeten Untersuchungsergebnis der psychologischen Sachverständigen sieht der Senat keinen Grund, das Besuchsrecht des Vaters dauernd oder zeitlich befristet auszuschließen. Im Unterschied zu vielen anderen Fällen, in denen der verkehrsberechtigte Elternteil eine längere Freiheitsstrafe verbüßt, sind die Umstände des vorliegenden Falles relativ günstig. ... selbst hat trotz der langen Trennung noch deutliche Erinnerungen und Bindungen an seinen Vater. Wenngleich er ein grobes Wissen um dessen Straftaten hat und vage die damit zusammenhängenden Probleme empfindet, nimmt er doch keine ablehnende Haltung ein. In seiner unvoreingenommenen Einstellung gegenüber dem Vater ist das Kind von sich aus bereit, Besuche zu machen, sofern sie nicht gegen den Villen und ohne das Einverständnis den geliebten Großeltern durchgeführt werden. Hinzu kommt, daß ... von seiner seelischen Konstitution her robust genug erscheint, um die außergewöhnliche Belastung zu verkraften, die nun einmal mit Besuchen in einer Haftanstalt verbunden sind. Wie die Sachverständige festgestellt hat, ist das Kind altersgerecht entwickelt und zeigt in seiner Persönlichkeitsartung keine Auffälligkeiten. Außerdem bringt ... gute rationale Verarbeitungsmöglichkeiten mit; er ist verständig genug, um anstehende Probleme mit ihm auf sachlicher Basis besprechen zu können Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß das Kind seelisch besonders beeindruckbar ist und zu Angst und Verunsicherung neigt, hat die psychologische Untersuchung nicht erbracht. Da zudem ... den Vater bereits in der ... besucht und an diesen Besuch besonders lebhafte Erinnerungen hat, kann nach Auffassung des Senats davon ausgegangen werden, daß das Kind mit den Schwierigkeiten fertig wird. Zwar verkennt der Senat die Belastungen nicht, die auf das Kind zukommen werden. Diese können aber bereits dadurch gemildert werden, daß der Vormund des Kindes, der als Ersatzvater einen großen Einfluß auf die Erziehung und Meinungsbildung des Kindes ausübt, seine ablehnende Haltung zumindest nicht merken läßt und dem Kind dadurch eine Konfliktsituation erspart. Auch die Hinzuziehung eines Sozialarbeiters zu den Besuchszeiten geschieht zu dem Zweck, um die Atmosphäre bei den Besuchen zu lockern und zu entkrampfen. Schließlich darf auch nicht übersehen werden, daß der Kindesvater in echter Zuneigung an ... hängt und schon deshalb alles unterlassen wird, was dem Kind zusätzliche Schwierigkeiten bereiten und evtl. sogar seelischen Schaden zufügen könnte.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Neben der grundsätzlichen Entscheidung zugunsten eines Besuchsrechts hat das Familiengericht auch die Einzelheiten der Durchführung präzise zu regeln. Dabei stellt sich zunächst die Frage, in welchem zeitlichen Abstand die Besuche erfolgen können und sollen. Auf der einen Seite ist nicht zu verkennen, daß auch ein robustes Kind zur Verarbeitung außergewöhnlicher Eindrücke und Belastungen einen bestimmten Zeitraum benötigt. Auf der anderen Seite sind jedoch die Besuchszeiten in einer Justizvollzugsanstalt schon wegen der Aufrechterhaltung der Anstallsordnung und der Gleichbehandlung aller Strafgefangenen wesentlich kürzer als unter gewöhnlichen Umständen in Freiheit. Wenn die Besuche ihren Zweck nicht verfehlen und eine kontinuierliche Kontaktanbahnung herbeiführen sollen, müssen sie schon in einem regelmäßigen Rythmus erfolgen. Mit der Sachverständigen ist daher der Senat der Auffassung, daß ein monatlicher Besuch von einstündiger Dauer notwendig ist, um die persönlichen Beziehungen zwischen ... und seinem Vater wieder zu intensivieren und aufrecht zu erhalten. Sollte sich entgegen den Feststellungen der Sachverständigen herausstellen, daß ... doch einer solchen Belastung nicht gewachsen ist, wird der Vater eine Reduzierung der Besuche hinnehmen müssen. Denn am Wohl des Kindes hat sich die gesamte Besuchsregelung zu orientieren. Sie wird auch nur funktionieren, wenn alle Beteiligten im Interesse des Kindes zusammenwirken. Dazu gehört, daß der Vormund ... auf die Besuche vorbereitet und das Kind seinem Onkel übergibt, damit dieser die Fahrt zur JVA und zurück durchführen kann. Zu einer ordnungsgemäßen Durchführung gehört ferner, daß alle Beteiligten sich in Gegenwart des Kindes negativer Äußerungen über andere Beteiligte enthalten. Wenn der Vormund sich noch dazu durchringen könnte, bei den Besuchen zu begleiten und diese dadurch als Ausfluß selbstverständlich bestehender Bindungen erscheinen zu lassen, würde dem Kind sehr geholfen; deshalb war dem Vormund die Anwesenheit zu gestatten.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die angefochtene Entscheidung ist somit abzuändern, eine genaue Besuchsregelung festzulegen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 131 KostO, § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG.</p>
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315,978 | olgham-1979-11-14-20-u-779 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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"jurisdiction": null,
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} | 20 U 7/79 | 1979-11-14T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:12 | 2019-03-27T09:41:44 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1979:1114.20U7.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29. November 1978 verkündete Urteil der Zivilkammer II des Landgerichts Detmold abgeändert.</p>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.858,20 DM (i. W.: Viertausendachthundertachtundfünfzig 20/100 Deutsche Mark) nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1975 zu zahlen.</p>
<p>Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung eines Betrages von 4.858,20 DM in Anspruch. Sie hat diesen Betrag am 24. April 1974 an die Beklagte als Bezugsberechtigte einer von ihrem am 21. März 1974 verstorbenen Vater ...<i>***</i> aus gezahlt. Mit Schreiben vom 14. März 1974 an die Geschäftsstelle ... der Klägerin hatte ... die Bezugsberechtigung seiner Tochter widerrufen und als neue Bezugsberechtigte seine Nichte ... eingesetzt. Dieses am 19. März 1974 bei der Geschäftsstelle ... eingegangene Schreiben war erst nach der Auszahlung der Versicherungssumme an die Zentrale der Beklagten in Hamburg gelangt. Die Beklagte hat die Versicherungssumme inzwischen auch an Frau ... aus gezahlt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Änderung der Bezugsberechtigung sei nach §105 Abs. 2 BGB unwirksam, weil der Vater der Beklagten sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bei der Abfassung und Absendung des Schreibens vom 14. März 1974 in einem Zustand der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befunden habe. Auf dieses Urteil wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie wiederholt ihr Vorbringen der ersten Instanz und führt weiter aus: Zu Unrecht habe das Landgericht ausgeführt, es könne festgestellt werden, daß ... das Schreiben vom 14. März 1974 in einem Zustand der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit verfaßt habe. Das Gutachten des Sachverständigen Prof. ... berücksichtige nicht genügend verschiedene Umstände, aus denen sich ergebe, daß ... am 14. März 1974 genau gewußt habe, was und warum er das tue. Im übrigen ergebe sich aus dem Gutachten, daß der Sachverständige sich letztlich nicht völlig sicher sei.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.858,20 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1975 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Sie wiederholt ihr Vorbringen erster Instanz und führt weiter aus: Tatsächlich sei ihr Vater am 14. März 1974 nicht zurechnungsfähig gewesen. Er sei psychisch krank gewesen und habe unter Depressionen gelitten; in den 3 Wochen zwischen der letzten Krankenhausentlassung (1. März 1974) und seinem Tode (21. März 1974) habe er ständig unter dem Einfluß starker Beruhigungs- und Schlafmittel gestanden. - Im übrigen habe sie (die Beklagte) das Geld damals ausgegeben und sei nicht mehr bereichert.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze und der Akte 4 IV 250/74 AG Gummersbach, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">In der Berufungsinstanz ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeuginnen ... und .... Die Zeuginnen sind im Termin am 14. November 1979 in Gegenwart des Sachverständigen Professor ... vernommen worden. Der Sachverständige hat anschließend seine in der ersten Instanz erstatteten schriftlichen Gutachten vom 13. Dezember 1977 und 27. Juli 1978 erläutert und ergänzt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Zeuginnen haben ausgesagt:</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><u>Zeugin Sauer:</u> "Als mein Mann Anfang März 1974 aus dem Krankenhaus kam, hat die Ärztin mir gesagt, es stände sehr schlecht, man könne nichts mehr für ihn tun. Man hatte ihm wohl auch gesagt, daß er wegen Leberzirrhose nicht mehr lange zu leben habe. Die 3 Wochen bis zu seinem Tode hat er laufend Tabletten genommen, meist Schlaftabletten. Er stand eigentlich ständig unter Tabletteneinfluß. Vor dem Krankenhausaufenthalt hat er auch schon immer viele Tabletten genommen, aber im März 1974 war es dann besonders schlimm. Ich habe hier heute einen großen Beutel voll Arzneimittel mitgebracht, die mein Mann in seinen letzten Lebensjahren bis in die letzte Zeit genommen hat, die lege ich dem Sachverständigen vor. Früher habe ich mit meinem Mann geschimpft, weil er so viel einnahm, da gab es häufig Streit darum. Er wurde dann wütend, auch handgreiflich. Das war aber früher, nicht mehr in den letzten 3 Wochen. In diesen letzten 3 Wochen lag er meist im Bett und schlief, auch tagsüber. Am Leben der Familie nahm er eigentlich gar nicht mehr teil. Mal stand er morgens zum Frühstück auf, meistens nicht. Er lag fast nur noch im Bett und schlief oder weinte. Er weinte viel in dieser Zeit. Aufgestanden ist er wohl einige Male, um zum Arzt zu gehen. Geistig wirr war er wohl nur selten, da erinnere ich mich nur noch daran, daß er einmal zu meiner Tochter gesagt hat, er wolle ihr zur Hochzeit ein Zimmer einrichten, aber seine Eltern seien dagegen; dabei sind seine Eltern schon lange tot. Das war, nachdem er wußte, daß meine Tochter (die Beklagte) ein Kind bekam. Das hat er wohl erfahren, als er im Krankenhaus war. Darüber hat er sich sehr aufgeregt. In den 3 Wochen vor seinem Tod hat er auch eine andere Wohnung für sich angemietet, ist aber dort nicht eingezogen. Er sagte, er wolle seine Ruhe haben. Er redete mal so und mal so.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Mein Mann hatte mehrere Testamente zu Hause und beim Amtsgericht liegen, die hatte er mehrfach geändert, das war aber vor dem letzten Krankenhausaufenthalt. Es galt dann aber das notarielle gemeinschaftliche Testament von 1950. In den 3 Wochen vor seinem Tod hat er keine neuen Testamente gemacht. Er hat aber an der Lebensversicherung geändert, daß die seine Nichte bekam und nicht seine Tochter. Das habe ich gesehen. Ich habe ihn darauf angesprochen. Er sagte, das bleibe nicht so."</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><u>Zeugin ...:</u> "Ich meine, daß ich meinen Bruder etwa 1 Jahr vor seinem Tode zuletzt gesehen habe. Wir haben aber mehrfach telefoniert. Zuletzt habe ich mit ihm telefoniert, als er im Krankenhaus lag. Er wollte, daß ich bald zu ihm kommen sollte, wir müßten uns mal aussprechen. Ich konnte aber nicht hinfahren, weil ich selber krank war. Kurz vor seinem Tode bekam ich dann seinen Brief vom 14. März 1974. Ich nehme an, daß er über das alles, was er mir da geschrieben hat, mit mir sprechen wollte. Der Brief trägt handschriftlich die Unterschrift: "Letzter Gruß" und darunter .... Am linken Rand steht handschriftlich: "Bausparkasse Darmstadt hat Nachricht von mir erhalten.""</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Sachverständige ... hat sein Gutachten wie folgt erstattet:</p>
<br /><span class="absatzRechts">17</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>"In den früheren medizinischen Befunden und auch in der Beweisaufnahme finden sich viele objektive Befunde über Jahre hinweg dafür, daß es sich bei ... um eine abnorme Persönlichkeit gehandelt hat. Es handelt sich um einen schwierigen Mann, der stark querulatorisch und stets unzufrieden mit sich und der Umwelt war. Er war ein stark ausgeprägter Hypochonder, voller Mißtrauen, dabei selbst eine schwache Persönlichkeit. Seine abnorme Persönlichkeit machte ihm das Zusammenleben mit der Umwelt, auch mit seiner Familie sehr schwierig. Schon 1969 hat er sich ausgesprochen unfreundlich über seine Familie geäußert. Ich meine, daß man nicht so weit gehen kann, wegen dieser abnormen Persönlichkeitsstruktur Geschäftsunfähigkeit nach §104 Ziff. 2 BGB zu bejahen. Es gibt so starke Abnormität, daß §104 Ziff. 2 BGB angenommen werden muß. Das geht mir in diesem Fall aber zu weit, da gibt es bedeutend schwerere Fälle. Ich meine aber, daß hier für die 3 Wochen vor dem Tode durchaus ein Zustand nach §105 Abs. 2 BGB in Betracht kommt. Herr ... hat nach den Zeugenaussagen einen starken Arzneimittelmißbrauch getrieben. Bei den von Frau ... vorgelegten Tablettenpackungen handelt es sich um die verschiedensten Arzneimittel, in erster Linie um Schlafmittel (vor allem Valium in mittlerer Dosis), Entspannungsmittel, Mittel gegen Depressionen, auch Barbiturate. Nach den Zeugenaussagen hat Herr Sauer so viel von diesen Mitteln genommen, daß man von einem Mißbrauch sprechen muß. Die von allen Zeugen geschilderten Verhaltensweisen lassen sich durch diesen Mißbrauch erklären. Es entspricht der medizinischen Erfahrung, daß bei solchem Arzneimittelmißbrauch von der Leber her toxatische Einflüsse auf die Gehirntätigkeit ausgehen. Hier kam vieles zusammen, die Vergiftung traf auf eine abnorme Persönlichkeit, die zudem unter Leber- und Zuckerkrankheit litt.</i>
<i>Natürlich kann der Grad der Beeinflussung der Geistestätigkeit durch den Arzneimittelmißbrauch von Tag zu Tag unterschiedlich gewesen sein. Ich halte es für ganz überwiegend wahrscheinlich, daß Herr ... bei Niederschrift seines Schreibens an die Versicherung am 14. März 1974 nicht geschäftsfähig war. Ich meine aber, daß man das nicht als bewiesen ansehen kann, da fehlt mir noch etwas. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kann ich einen Zustand nach §105 Abs. 2 BGB nicht bejahen, nur mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit. Ich habe letztlich keine ernsten Zweifel, aber es fehlt die letzte Sicherheit. Es tut mir leid, aber ich kann mich da nicht mehr festlegen. Der Brief vom 14. März 1974 an die Zeugin ... spricht zweifellos gegen eine Bewußtseinsbeeinflussung an diesem Tage, dieser Brief zeigt jedenfalls formale Klarkeit. Aber das ist kein Beweis für volle Zurechnungsfähigkeit, da kann eine paranoide Persönlichkeit dahinterstehen, ein krankhafter Verfolgungswahn."</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Klage auf Rückzahlung von 4.858,20 DM hat Erfolg. Die Beklagte hat diesen ihr am 24. April 1974 von der Klägerin ausgezahlten Betrag ohne Rechtsgrund erhalten (§812 BGB). Sie war nicht mehr Bezugsberechtigte der Lebensversicherung. Denn ihr am 21. März 1974 verstorbener Vater hatte als Versicherungsnehmer die Bezugsberechtigung noch vor seinem Tode geändert (§166 V) und an ihrer Stelle seine Nichte ... als Bezugsberechtigte eingesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks"><b>1)</b></p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die mit Schreiben des Versicherungsnehmers vom 14. März 1974 erfolgte Änderung der Bezugsberechtigung war wirksam:</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Entgegen der von der Beklagten in erster Instanz geäußerten Ansicht handelte es sich bei dem Schreiben des Versicherungsnehmers an die Klägerin vom 14. März 1974 nicht um eine letztwillige Verfügung, die möglicherweise wegen Vorstoßes gegen das gemeinschaftliche Testament vom 21. November 1950 unwirksam wäre (§2271 Abs. 1 Satz 2 BGB). Es handelte sich vielmehr nach dem Wortlaut eindeutig um eine durch Erklärung unter Lebenden erfolgte Änderung der Bezugsberechtigten einer Lebensversicherung. Daran ändert auch der letzte Satz: "Das gilt für meinen Todesfall" nichts. Hiermit hat der Versicherungsnehmer nur etwas Selbstverständliches zum Ausdruck gebracht, nämlich die Tatsache, daß aus der Bezugsberechtigung erst im Todesfall ein Anspruch des Berechtigten entsteht. Daß er die Bezugsberechtigung durch eine Verfügung von Todes wegen ändern wollte, was nach §332 BGB möglich wäre (Prölß-Martin, 21. Aufl., Anm. 1 zu §15 ALB), ist nicht ersichtlich; dagegen spricht die Absendung des Schreibens an die Beklagte.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Es läßt sich nicht feststellen, daß die Änderung der Bezugsberechtigung nach §105 Abs. 2 BGB nichtig ist, weil sich Helmut Sauer am 14. März 1974, als er an die Klägerin schrieb, in einem Zustand der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befunden hat.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat hierzu weiteren Beweis erhoben. Der Sachverständige Professor ... hat nach der in seiner Gegenwart erfolgten Vernehmung der Zeuginnen ... und ... seine in erster Instanz erstatteten Gutachten erläutert und ergänzt. Er ist dabei verblieben, daß es ganz überwiegend wahrscheinlich sei, daß ... im Zeitpunkt der Abfassung der Änderungsverfügung vom 14. März 1974 unter einer Störung der Geistestätigkeit litt. Er hat aber erläuternd hinzugefügt, daß er das nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen könne. Er habe zwar keine ernsten Zweifel, die Sachlage sei aber auch nicht so, daß jeder vernünftige Zweifel schweigen müsse. Hiernach läßt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, daß die Änderung der Bezugsberechtigung nach §105 Abs. 2 BGB nichtig ist. Es ist nämlich nicht auszuschließen, daß am 14. März 1974 der Grad der Arzneimittelvergiftung nicht so stark war, daß ... geschäftsunfähig war. Gegen eine Geschäftsunfähigkeit in diesem Zeitpunkt spricht das erst in der Berufungsinstanz vorgelegte Schreiben an seine Schwester ... vom gleichen Tage, in dem die Gründe für die Änderung der Bezugsberechtigung in einer verständlichen Weise dargelegt werden. Auch daraus, daß der Versicherungsnehmer - wie die Beklagte einräumt, auf Vorhalt seiner Ehefrau erklärt hat, das mit der Änderung der Bezugsberechtigung bleibe nicht so, ergibt sich, daß er durchaus wußte, was er getan hatte. Beides ist sicher kein Beweis für eine Geschäftsfähigkeit des Versicherungsnehmers. Wie der Sachverständige ... überzeugend dargelegt hat, ist es durchaus möglich, daß das offenbar schon längere Zeit bestehende Zerwürfnis zwischen ... und seiner Familie seinen Grund in einem krankhaften Verfolgungswahn hatte, der seiner Art nach sogar unter §104 Ziff. 2 BGB fallen könnte. Das läßt sich aber nicht sicher feststellen. Es läßt sich nicht ausschließen, daß das Verhalten des Versicherungsnehmers seiner Familie und insbesondere seiner Tochter - der Beklagten - gegenüber seine Wurzel nicht in einer geistigen Erkrankung, sondern allein in seiner abnormen, von starkem Mißtrauen gegen seine Umwelt geprägten Persönlichkeit hatte. Nach Ansicht des Sachverständigen kann nicht festgestellt werden, daß die abnorme Persönlichkeitsstruktur des Versicherungsnehmers (schon) als Krankheit anzusehen ist.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Es spricht viel dafür, daß ... sich in den 3 Wochen zwischen der letzten Krankenhausentlassung und seinem Tod infolge Arzneimittelmißbrauchs ständig in einem Zustand der Störung der Geistestätigkeit befunden hat. Mit dem erforderlichen Maß von Sicherheit feststellen läßt sich das aber aus den dargelegten Gründen nicht. Das geht zu Lasten der für eine Nichtigkeit der Änderungsverfügung beweispflichtigen Beklagten (Palandt-Heinrichs, 38 Aufl. Anm. 6 zu §104 und Anm. 4 zu §105 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Änderungsverfügung vom 14. März 1974 ist auch wirksam geworden. Allerdings hätte ein Zugang bei der Klägerin erst nach dem Tode des Versicherungsnehmers zum Wirksamwerden nicht ausgereicht. Insoweit vermag der Senat dem LG Freiburg (Vers. R 52/256) nicht zu folgen, das nach §130 Abs. 2 BGB zu einem anderen Ergebnis kommt. Denn §130 Abs. 2 BGB ist hier nicht anwendbar. Der (bisherige) Bezugsberechtigte erwirbt mit dem Tode des Versicherungsnehmers ein unentziehbares Recht auf die Versicherungssumme, das nicht nachträglich durch Zugang einer Änderungsverfügung entfallen kann (Prölß-Martin, 21. Aufl., Anm. 2 A zu §15 ALB); so wohl auch Ehrenzweig: "Deutsches/österreichisches Versicherungsvertragsrecht", 1952, S. 408 Anm. 8 a.E.; offengelassen in Goll-Gilbert: "Handbuch der Lebensversicherung", VI. Aufl., S. 84. Die Änderungsverfügung ist der Klägerin aber noch vor dem Tode von ... nämlich am 19. März 1974 zugegangen. Es ist an diesem Tage bei der Geschäftsstelle Remscheid eingegangen und damit in den Machtbereich der Klägerin gekommen. Dem Wirksamwerden steht nicht entgegen, daß nach §2 Ziff. 1 der AUB der Klägerin (übereinstimmend mit §14 Ziff. 3 ALB) alle Erklärungen und Anzeigen der Gesellschaft gegenüber von dieser nur dann als rechtswirksam anerkannt zu werden brauchen, wenn sie dem Vorstand schriftlich zugegangen sind. Diese Bestimmung dient allein dem Schutz des Versicherers und überläßt es ihm, ob er sich darauf berufen will (BGH in VersR. 67/795). Im vorliegenden Fall hätte sich die Klägerin der neuen Bezugsberechtigten ... gegenüber darauf berufen können, daß die Änderung der Bezugsberechtigung nicht wirksam geworden sei, weil die Änderungsverfügung ihrem Vorstand nicht vor dem Tode des Versicherungsnehmers zugegangen war. Hätte sie sich hierauf berufen, so wäre der Widerruf der Bezugsberechtigung der Beklagten nicht wirksam geworden. Sie hat sich hierauf aber nicht berufen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Dazu war sie der Beklagten als der bisherigen Bezugsberechtigten gegenüber auch nicht verpflichtet. Der widerruflich Bezugsberechtigte hat vor dem Tode des Versicherungsnehmers nur eine schwache Anwartschaft (Prölß-Martin, Anm. 2 A zu §15 ALB), er steht in keinerlei Vertragsverhältnis zum Versicherer. Selbst wenn man ihm eine "vertragsähnliche" Stellung zubilligen würde, so könnte hieraus ebensowenig eine Verpflichtung des Versicherers gegenüber dem bisherigen Bezugsberechtigten abgeleitet werden, sich dem neuen Bezugsberechtigten gegenüber auf §14 Ziff. 3 ALB zu berufen, wie der Versicherer gegenüber dem neuen Bezugsberechtigten auch nicht verpflichtet sein kann, sich ihm gegenüber auf diese Bestimmung nicht zu berufen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"><b>2)</b></p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist demnach gemäß §812 BGB verpflichtet, an die Klägerin die erhaltenen 4.858,20 DM zurückzuzahlen.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Dem steht nicht §814 BGB entgegen. Die Klägerin hat im Zeitpunkt der Auszahlung an die Beklagte nicht gewußt, daß sie zur Leistung nicht verpflichtet war, Zwar war das Schreiben des Versicherungsnehmers vom 14. März 1974 durch den Eingang bei der Geschäftsstelle Remscheid in ihren Machtbereich gelangt und damit zugegangen (Palandt-Heinrichs, 38 Aufl., Anm. 2 a zu §130 BGB). Das bedeutet aber nicht, daß die Klägerin dieses Schreiben auch kannte. Unstreitig hatte die für die Auszahlung der Versicherungssumme zuständige Abteilung von der Änderung der Bezugsberechtigung bis zur Auszahlung des Geldes an die Beklagte nichts erfahren. Hiernach wußte die Klägerin im Zeitpunkt der Zahlung nicht, daß sie zur Leistung nicht verpflichtet war. Es mag sein, daß sie das hätte wissen können und wissen müssen. Das reicht jedoch für eine Anwendung von §814 BGB nicht aus (Palandt-Thomas, Anm. 2 a zu §814 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen Wegfall der Bereicherung berufen (§818 Abs. 3 BGB). Sie hat die 4.858,20 DM nicht für außergewöhnliche Dinge verwendet. Sie hat von dem Gelde kurz vor oder nach ihrer Hochzeit (8. Mai 1974) einen gebrauchten Volkswagen, eine Waschmaschine und einen Kühlschrank gekauft, sich Gardinen angeschafft und Kosten der Hochzeit bezahlt. Sie hat bei ihrer Anhörung vor dem Senat am 6. Juni 1979 eingeräumt, daß sie und ihr inzwischen verstorbener Ehemann, die damals beide gut verdienten, alle diese Anschaffungen auch ohne das von der Lebensversicherung ausgezahlte Geld getätigt hätten, und zwar aus dem laufenden Einkommen und dem Ersparten.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks"><b>3)</b></p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die geltend gemachten Zinsen sind nach §§284, 286, 288 BGB begründet. Unstreitig hatte die Klägerin die Beklagte mit Fristsetzung zum 30. September 1975 gemahnt.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §91 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht erforderlich, weil nach dem Ermessen des Senats die Revisionssumme unzweifelhaft nicht erreicht wird.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Der Wert der Beschwer für die Beklagte beträgt 4.858,20 DM.</p>
<br /><span class="absatzRechts">44</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td>*** unterhaltenen Lebensversicherung</td>
</tr>
</table><br />
|
315,979 | ag-wuppertal-1979-11-13-39-c-35279 | {
"id": 749,
"name": "Amtsgericht Wuppertal",
"slug": "ag-wuppertal",
"city": 509,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 39 C 352/79 | 1979-11-13T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:14 | 2019-03-27T09:41:43 | Urteil | ECLI:DE:AGW:1979:1113.39C352.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 33,36 DM (i.W.: dreiunddreißig 36/100 Deutsche Mark nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Juni 1979 zu zahlen.</p>
<p></p>
<p>Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>T a t b e s t a n d:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist Bezirksschornsteinfegermeister. Zu seinem Bezirk gehört das Haus X 2 in dem der Kläger wohnt. Am, 09.10.1979 benachrichtigte der Beklagte den Hausmeister dieses Hauses von einer bevorstehenden Reinigung der Kamine. Am Vormittag des 10. April 1979 lüftete die Ehefrau des Klägers das Schlafzimmer des Klägers. Im Laufe des Vormittags reinigte der Beklagte den Schornstein des Hauses X 1.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Im Laufe des Vormittags stellte die Ehefrau des Klägers fest, dass die Schlafzimmergardine durch Ruß verschmutzt worden war. Für die Reinigung der Gardine wandte der Kläger 33,36 DM auf.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Unter Fristsetzung bis zum 15.06.1979 forderte der Kläger den Beklagten vergeblich auf, ihm die Reinigungskosten zu erstatten.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger behauptet, die Verschmutzung sei auf den bei der Kaminkehrung durch den Beklagten angefallenen Ruß zurückzuführen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">den Beklagten zu verurteilen, an ihn 33,36 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.06.1979 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte behauptet, beim Kehren des Kamins falle überhaupt kein Ruß an; der Ruß komme von dem Brenner der Heizung des Hauses X 1: dieser sei bis zu seiner Neueinstellung nicht richtig eingestellt gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat darüber Beweis erhoben, ob die Verschmutzung der Gardine auf die Kaminkehrung zurückzuführen ist durch Vernehmung der Ehefrau des Klägers und der Frau H als Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 13.11.1979 verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist gemäß §§ 823 Abs. 1, 249 BGB verpflichtet, dem Kläger Schadenersatz in der unstreitigen Höhe von 33,36 DM zu leisten.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat das Eigentum des Klägers verletzt. Die Verschmutzung der Gardine stellt eine Eigentumsverletzung dar. Für eine Eigentumsverletzung ist entgegen der Auffassung des Beklagten eine Substanzverletzung nicht unbedingt erforderlich. Die Beeinträchtigung der Benutzung, die bei einer Verschmutzung der Gardine durch Ruß eintritt, reicht bereits als Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 BGB aus (Erman-Drees, Kommentar zum BGB, 6. Aufl., Randnur. 21 zu § 823).</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Verschmutzung der Gardine ist auf das Kehren des Kamins durch den Beklagten zurückzuführen. Das Gericht stützt seine diesbezügliche Überzeugung auf die Aussage der Zeugin H. Aus ihrer Bekundung ist zu entnehmen, dass die Schlafzimmergardine, als sie das Schlafzimmerfenster öffnete, im sauberen Zustand sich befand und dass sie deren Verschmutzung feststellte, nachdem der Beklagte das Haus X verlassen hatte.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Zeugin erscheint dem Gericht glaubwürdig. Auch wenn sie als Ehefrau des Klägers ein zumindest mittelbares Interesse an einem dem Kläger günstigen Ausgang des Rechtsstreits besitzt, so ist dieser Umstand in Anbetracht der Schwere, die der Gesetzgeber an eine falsche auch uneidliche Aussage geknüpft hat, nicht ausreichend für die Annahme, die Zeugin habe dem Gericht die Unwahrheit bekundet. Die von der Zeugin gegebene Darstellung ist in sich geschlossen und widerspruchsfrei. Bezüglich der von ihr bekundeten Beschmutzung der Gardine wird ihre Darstellung durch die Zeugin H bestätigt.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Da sich unstreitig in der Nähe der Wohnung des Klägers keine Ruß erzeugenden Einrichtungen bzw. Vorrichtungen befinden, sieht es das Gericht aufgrund des Beweises des ersten Anscheins für erwiesen an, dass die Verschmutzung der Gardine durch Ruß von dem Kehren des Kamins des Hauses X 1 herrührt.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Soweit der Beklagte unter Beweisantritt – Sachverständigengutachten – behauptet, beim Kehren eines Kamines könne gar kein Ruß anfallen, ist er mit seinem Vorbringen gemäß m§§ 296 Abs.- 1, 276 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Diese Behauptung mit einem Beweisantritt ist verspätet. Der Beklagte hat sie nicht innerhalb der ihm im schriftlichen Vorverfahren gesetzten Frist von 2 Wochen, gerechnet ab dem 23.08.1979, vorgetragen, sondern erstmals im Termin vom 13.11.1979. Die Berücksichtigung dieses Vortrages würde den Rechtsstreit verzögern. Würde das Gericht diesen Vortrag des Beklagten noch zulassen, so müsste es hierüber Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erheben. Das Gericht hätte dann am 13.11.1979 keine Entscheidung verkünden können. Hätte der Beklagte innerhalb der Zweiwochenfrist, die ihm im schriftlichen Vorverfahren gesetzt worden war, unter Beweisantritt vorgetragen, beim Kehren eines Kamines könne kein Ruß anfallen, dann hätte das Gericht bis zum 13.11.1979 ein schriftliches Gutachten eingeholt und hätte den Rechtsstreit dann am 13.11.1979 auch zu Ende führen können. Eine die Verzögerung ausreichend entschuldigende Erklärung hat der Beklagte als Bezirksschornsteinfeger unabhängig von noch einzuholenden Informationen seitens des Eigentümers des Hauses X 1 Kenntnis davon besitzt, ob beim Reinigen eines Kamines Ruß anfällt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Soweit der Beklagte ferner vorträgt, die Verschmutzung der Schlafzimmergar-dine des Klägers durch Ruß beruhe darauf, dass der Brenner der Heizung des Hauses X 1 nicht richtig eingestellt gewesen sei, ist dies unerheblich. Unstreitig hat der Kläger bzw. seine Ehefrau auch in dem Zeitraum vom April 1979 bis zur Neueinstellung der Brenner der Heizungsanlage im Juli 1979 das Schlafzimmer gelüftet, ohne dass hierbei die Schlafzimmergardinen verschmutzt worden sind. Wenn die diesbezügliche Vermutung des Beklagten richtig wäre, so wären nach der Lebenserfahrung auch in dem Zeitraum von April bis Juli 1979 erneut und zwar wiederholt Verschmutzungen von Gardinen aufgetreten.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Eigentumsverletzung ist auch rechtswidrig. Zwar ist der Beklagte berechtigt, Kamine zu reinigen, doch gibt ihm dieser Umstand nicht das Recht, hierbei das Eigentum anderer zu verletzen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Dem Beklagten ist auch ein Schuldvorwurf zu machen. Er hätte den Kamin so kehren müssen, dass keine Gefahr bestand, dass Ruß aufgewirbelt wurde und in die Wohnungen benachbarter Häuser eindrang. Wäre dies wegen Besonderheiten nicht zu vermeiden gewesen, so hätte der Beklagte die Anwohner hiervon unterrichten müssen. Einen diesbezüglichen Hinweis hat der Beklagte dem Kläger oder dessen Ehefrau unstreitig nicht gegeben. Er durfte sich nicht darauf verlassen, dass der Hausmeister des Hauses Nr. 2 die Mitbewohner auf die bevorstehende Reinigung hinweisen würde.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Ein Mitverschulden trifft den Kläger nicht. Er hat unstreitig nicht gewusst, dass der Beklagte an diesem Tag kehren wollte und hat auch sonst nicht den Vorgang des Kehrens bemerkt. Erst beim Verlassen des Hauses hat die Ehefrau des Klägers den Beklagten gesehen. Zu diesem Zeitpunkt war die Verschmutzung aber bereits eingetreten.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1 Satz 1, 284 Abs. 1 BGB. Durch das Schreiben vom 29. Mai ist der Beklagte mit Ablauf des 15. Juni 1979 in Verzug geraten.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 91 Abs. 1 ZPO, bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.</p>
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315,980 | olgham-1979-10-31-8-u-11478 | {
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"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 8 U 114/78 | 1979-10-31T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:16 | 2019-03-27T09:41:43 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1979:1031.8U114.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das am 5. April 1978 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 60.000,- DM, die auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft der ... und ...erbracht werden kann, abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung selbst Sicherheit in gleicher Höhe leistet, die er durch die selbstschuldnerische Bürgschaft der ... erbringen kann.</p>
<p>Der Wert der Beschwer beträgt 50.000,- DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger macht gegen die Beklagte eine Ausgleichsforderung in Höhe von 50.000,- DM geltend, die er aus einer beendeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts herleitet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hatte mit ihrem im Jahre 1956 verstorbenen Ehemann zunächst seit 1950 ein Geschäft in ... betrieben. Ab 1954 führte sie mit ihm ein gepachtetes Lebensmittelgeschäft nebst Gaststätte in ....</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nach dem Tode ihres Ehemannes hatte die Beklagten den Kläger kennengelernt, der seinerzeit noch verheiratet war und 3 unter haltsberechtigte Kinder hatte. Der Kläger - im Januar 1959 rechtskräftig geschieden - zog nach seiner Darstellung im Jahre 1957 nach Darstellung der Beklagten Ende 1959 zu dieser. Die Parteien führten einen gemeinsamen Haushalt. Aus ihrer Verbindung sind 3 Kinder, geb. am 15. September 1957, am 29. Dezember 1962 und am 8. April 1964, hervorgegangen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Im Jahre 1960 gab die Beklagte Lebensmittelgeschäft und Gaststätte in ... auf. Sie bewirtschaftete zunächs die ... in ... In diesem Betrieb arbeitete der Kläger bereits seinerzeit, nämlich im Jahre 1960 mit voller Arbeitskraft mit, wie nach den Urteilsfeststellungen in erster Instanz unstreitig war. Die Konzessionen für diese Gaststätte und für die nachfolgend geführten Betriebe liefen auf den Namen der Beklagten. Auf ihren Namen wurden in der nachfolgenden Zeit mehrere Grundstücke gekauft und bebaut:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Im Jahre 1961 kaufte sie das 1.156 qm große Grundstück ... zum Preise von 6.900,- DM. Auf diesem Grundstück wurde im Jahre 1962 ein Wohnbungalow errichtet.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Im Jahre 1963 kaufte sie das 1.020 qm große Nachbargrundstück zum Preise von 6.100,- DM. Auf diesem Grundstück wurde ein Doppelhaus errichtet, das im Jahre 1972 wieder verkauft wurde. In den Jahren 1969-1972 erwarb die Beklagte in drei Teilstücken das insgesamt 4.637 qm große Grundstück in ... 1970 bis 1972 wurde auf diesem Grundstück das Hotel-Restaurant ... errichtet. Wie nach den Urteilsfeststellungen in erster Instanz ebenfalls unstreitig war, war der Kläger bei der Bewirtschaftung der Betriebe und bei der Errichtung der Bauten mit vollem Arbeitseinsatz tätig. Er führte Verhandlungen mit den Kreditinstituten und Architekten, nahm bei allen drei Bauten die Bauleitung wahr und verrichtete einen wesentlichen Teil der Maurerarbeiten.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Nur die Beklagten, die auch Konzessionsträgerin der Gaststätten war, ist als Eigentümerin der Grundstücke eingetragen oder - hinsichtlich des mit dem Doppelhaus bebauten veräußerten Grundstücks ... eingetragen gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">In den Geschäftsbüchern wurde der Kläger als Angestellter der Beklagten geführt. Sein Monatsgehalt wurde im Jahre 1960 mit 350,- DM brutto ausgewiesen und steigerte sich bis zur Trennung der Parteien im Jahre 1976 auf 1.250,- DM brutto.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Nach der Trennung der Parteien die durch schriftliche Kündigung der Beklagten erfolgte, schwebte vor dem Arbeitsgericht eine Kündigungsschutzklage des Klägers. Jenes Verfahren wurde durch einen Vergleich beendet, in - dem sich die Parteien darüber einig erklärten, daß das Arbeitsverhältnis einverständlich zum 31.7.1976 beendet worden sei. "Als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes" verpflichtete sich die Beklagte weiterhin, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 6.000,- DM brutto = netto zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat vorgebracht:</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Zwischen den Parteien habe eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestanden. Nach Beendigung dieses Gesellschaftsverhältnisses schulde die Beklagte ihm einen Ausgleich.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der ... habe einen Wert von 1.100.000,- DM, der Bungalow in der ... einen solchen von 200.000,- DM. Der ... sei mit Grundpfandrechten von etwa 380.000,- DM davon im Januar 1977 valutiert etwa 295.000,- DM, der Bungalow mit solchen in Höhe von 90.000,- DM belastet. Selbst wenn man diese Belastungen voll absetze, schulde ihm die Beklagte einen Ausgleichsbetrag von mindestens 300.000,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Davon hat der Kläger einen Teilbetrag von 50.000,- DM geltend gemacht und beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 50.000,- DM nebst 4 % Zinsen seit Zustellung seines Armenrechtsgesuchs zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger sei ihr Angestellter gewesen; eine Innengesellschaft nach bürgerlichem Recht habe zwischen ihnen nie bestanden. Die Arbeitsleistungen des Klägers seien durch dessen Gehalt, freie Wohnung und freie Kost abgegolten. Zudem habe sie die Unterhaltspflichten des Klägers, die dieser bis zum Jahre 1974 gegenüber seinen ehelichen Kindern gehabt habe, aus den Betriebserträgen abgegolten. Die Werte des Grundvermögens habe der Kläger zu hoch, die der Belastungen zu niedrig angesetzt (die Beklagte nennt ihrerseits in diesem Zusammenhang keine Zahlen).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat angenommen, daß zwischen den Parteien ein gesellschaftsähnliches Verhältnis im Sinne der §§ 705 ff BGB bestanden habe und daß die Beklagte dem Kläger nach §§ 730 ff BGB ausgleichspflichtig sei.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Mit ihrer Berufung vertritt die Beklagte weiterhin die Ansicht, es habe kein gesellschaftsähnliches Verhältnis zwischen den Parteien bestanden. Der Kläger sei vielmehr nur ihr Angestellter gewesen, der jedenfalls zunächst nicht mit voller Arbeitskraft tätig gewesen sei. Aber selbst wenn ein gesellschaftsähnliches Verhältnis bestanden habe, könne der Kläger noch keinen Ausgleichsbetrag verlangen. Zuvor müßten sich die Parteien auseinandersetzen. Dabei werde sich herausstellen, daß der Kläger keine Forderung gegen sie mehr habe. Sie habe, als der Kläger die Mitarbeit in ihren Betrieben begonnen habe, bereits wesentliche Ersparnisse gehabt, mit denen sie den Bauplatz bezahlt habe, auf dem später der Bungalow errichtet worden sei. Auch habe sie die erheblichen Schulden abgelöst, die der Kläger noch aus seiner früheren Tätigkeit gehabt habe. (Dazu nennt die Beklagte jedoch keinen Betrag). Überdies seien die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers aus den Betriebserlösen beglichen worden. Der Kläger habe im übrigen weit mehr Bargeld entnommen, als ihm nach seinem Anstellungsvertrag zugestanden habe. (Auch insoweit nennt die Beklagte keine Beträge). Schließlich müsse sich der Kläger anrechnen lassen, daß er regelmäßig auf ihre Kosten Urlaub gemacht habe, während sie zu Hause geblieben sei. Im Jahre 1976, nach Trennung der Parteien, habe sich der Kläger einen Pkw Opel-Rekord gekauft. Die Mittel dazu könnten nur aus den Erträgnissen ihres Gaststättenbetriebes stammen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Zinsen stünden dem Kläger allenfalls seit Rechtshängigkeit zu, nicht bereits ab 4.2.1977.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil abzuändern</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen, verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Beklagten entgegen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Unstreitig hat die Beklagte im Jahre 1977 das Hotel-Restaurant ... gegen eine Leibrente von monatlich 1.200,- DM an ihren Sohn Reinhard übertragen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat dem Kläger zu Recht einen Ausgleichsanspruch jedenfalls in Höhe von 50.000,- DM zugesprochen. Dieser Anspruch des Klägers ist bereits nach dem unstreitigen Parteivorbringen und dem streitigen Parteivortrag der Beklagten gerechtfertigt, soweit sie ihre Behauptungen hinreichend dargelegt hat.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Zwischen den Parteien hat für die Jahre 1960 bis zu ihrer Trennung im Jahre 1976 eine sogenannte Innengesellschaft bürgerlichen Rechts bestanden, auf die Vorschriften des § 705 ff. BGB anzuwenden sind.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Den dazu erforderlichen Gesellschaftsvertrag haben die Parteien zumindest stillschweigend abgeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Parteien haben 17 Jahre lang in einem eheähnlichen Verhältnis bei gemeinsamer Haushaltsführung zusammengelebt und in dieser Zeit drei gemeinsame Kinder bekommen und gemeinsam großgezogen. Ob die Parteien die Absicht hatten, später die Ehe einzugehen, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls war ihr Zusammenleben auf jahrelange Dauer ausgerichtet und ähnelte in den dafür wesentlichen Punkten einer ehelichen Lebensgemeinschaft, war also nicht nur von vorübergehender Dauer.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Freilich rechtfertigt es dieser Umstand für sich genommen noch nicht anzunehmen, die Parteien hätten auch ihre rechtlichen Beziehungen hinsichtlich ihres Vermögenserwerbs wie in einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft regeln wollen. Wäre es den Parteien nur darum gegangen, die für die Erhaltung ihrer gemeinsamen Lebensführung notwendigen finanziellen Grundlagen zu schaffen und den täglichen Lebensbedarf für ihre Lebensgemeinschaft zu sichern, so würde noch keine Innengesellschaft gegeben sein. Denn die Gesellschaft setzt die gemeinsame Absicht voraus, einen darüber hinausgehenden besonderen gemeinsamen Zweck zu fördern. Mit diesem rechtlichen Ausgangspunkt befindet sich der Senat entgegen der Auffassung der Berufung nicht im Gegensatz, sondern in Übereinstimmung mit den Entscheidungen BGH NJV 74, 2045 und OLG Saarbrücken NJW 79, 2050.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Auch die für die Förderung eines solchen Zwecks erforderlichen weiteren Voraussetzungen sind gegeben. Das Streben der Parteien war mit Erfolg darauf gerichtet, über eine Existenzgrundlage hinaus erhebliche Vermögenswerte zu schaffen. In gemeinsamer Arbeit haben sie während der Zeit ihres Zusammenlebens zunächst im Jahre 1962 einen Wohnbungslow, in den Jahren 1965/66 ein Doppelhaus und schließlich in den Jahren 1970 bis 1972 das Hotel-Restaurant ... mit - wie sich aus der vom Kläger abschriftlich überreichten "Mietvereinbarung" vom 24. Mai 1976 ergibt - mindestens 14 Fremdenzimmern (davon 11 Doppelzimmer) errichtet.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Nach dem in erster Instanz unwidersprochenen Vortrag des Klägers hat er bei der Führung des Gaststättenbetriebs ... den die Parteien zunächst innehatten, und bei der Errichtung der Gebäude mit seiner vollen Arbeits- und Leistungskraft mitgewirkt; er hat die Gäste betreut und bedient, vor und bei Errichtung der Baulichkeiten Kreditverhandlungen mit den Sparkasse geführt, mit den Architekten über die Bauplanung verhandelt, bei allen drei Bauvorhaben im wesentlichen die Aufgaben eines Bauführers übernommen und auch bei allen drei Bauten handwerkliche Leistungen erheblichen Umfangs erbracht. Insoweit wird auf die schriftlichen Bestätigungen der Spar- und Darlehnskasse ... vom September 1977, des Architekten ... vom 15. September 1977, des Architekten ... vom 16. September 1977 und der Firma ... vom 12. September 1977 (Bl. 63-66 d.A.) Bezug genommen, denen die Beklagte in erster Instanz nicht widersprochen hat. Der Kläger hat dabei nach seinem unwidersprochenen Vorbringen weit intensivere Arbeitsleistungen und weit mehr Arbeitsstunden erbracht als ein "normaler" Angestellter mit einer 40-Stunden-Woche. Das ergibt sich überdies aus dem beträchtlichen wirtschaftlichen Aufschwung, den die Gaststättenbetriebe während des Zusammenlebens der Parteien unstreitig genommen haben, und dem beträchtlichen Vermögenszuwachs aus dieser Zeit. Ohne die energische und über das normale Maß hinausgehende Mithilfe des Klägers hätte ein solcher Aufschwung nicht stattfinden können, zumal die Beklagte während dieser Zeit die drei gemeinsamen Kinder zu versorgen hatte.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die nicht substantiierten Abstriche an der Arbeitsleistung des Klägers, die die Beklagte erstmalig in der Berufungsinstanz und hier im wesentlichen erst nach Ablehnung ihres Armenrechtsgesuchs durch den Beschluß vom 9.4.1979 mit Schriftsatz vom 16.10.1979 vorbringt, sind gegenüber dem gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden geltenden erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers unbeachtlich. Die Beklagte hat weder eine Berichtigung des Tatbestands des erstinstanzlichen Urteils beantragt noch den Wechsel des Vertrags begründet. Da eine Partei ihr Vorbringen nicht beliebig der jeweiligen Prozeßlage anpassen darf, vielmehr wahrheitsgemäß vortragen muß (§ 138 Abs. 1 ZPO), erfordert ein Wechsel der Einlassung wenn schon nicht den Nachweis des Irrtums, so doch zumindest eine Begründung. Da es daran fehlt, muß die Beklagte sich an ihrer ursprünglichen Einlassung festhalten lassen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Allein aufgrund der auf Dauer angelegten und lange währenden eheähnlichen Lebensgemeinschaft und aufgrund der umfangreichen Arbeitsleistungen, die weit über die Leistungen eines Arbeitnehmers und über die Arbeitsleistungen hinausgehen, die ein Ehemann nach § 1356 Abs. 2 BGB a.F. im Geschäft des anderen Ehegatten üblicherweise zu erbringen hatte, muß angenommen werden, daß die Parteien sich seinerzeit zumindest stillschweigend darüber einig waren, die Früchte der gemeinsamen Arbeit dem Kläger anteilig zugute kommen zu lassen. Denn unter abweichenden Voraussetzungen werden Leistungen von derartigem Umfang innerhalb einer Lebensgemeinschaft üblicherweise nicht erbracht Angesichts seines Arbeitsaufwandes ist der Kläger erkennbar von einer Beteiligung am Arbeitsertrag ausgegangen. Die Beklagte hat sich mit diesem Arbeitsaufwand des Klägers zumindest stillschweigend einverstanden erklärt. Danach aber kann ihr Verhalten nur so gedeutet werden, daß die gemeinsame Arbeit zur Schaffung der Vermögenswerte auch nach ihrem Willen den Zweck verfolgte, sich ein <u>gemeinsames</u> Vermögen zu schaffen. Dabei ist es ohne Belang, ob sich die Beteiligten bewußt waren, daß ihre stillschweigend vereinbarten vertraglichen Beziehungen rechtlich als Innengesellschaft zu beurteilen sind (BGH, Betrieb 72, 2201). Es genügt die aufgrund der Umstände zutreffende Feststellung, daß sie durch gemeinsamen vollen Arbeitseinsatz Vermögenswerte schaffen wollten und geschaffen haben, die über den Zweck, die Lebensgemeinschaft aufrecht zu erhalten, hinausgingen (BGH, NJW 74, 2278).</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Auch mit dieser Wertung der Umstände des Falles befindet sich der Senat entgegen der Auffassung der Berufung in Übereinstimmung mit den Entscheidungen BGH NJW 74, 2045 und OLG Saarbrücken NJW 79, 2050. Es geht weder darum, dem Kläger einen Zugewinnausgleich zu verschaffen - jenes Institut gilt nur im Falle der Eheschließung und soll gerade Fälle angemessen abwickeln, in denen keine Innengesellschaft sondern ein gesetzlicher Güterstand bestand -, noch geht es darum, in rechtsähnlicher Anwendung der Vorschrift des § 1298 BGB über die Ersatzpflicht bei Rücktritt vom Verlöbnis dem Kläger einen Ausgleichsanspruch zu geben. Wer wie die Parteien in einer Weise an der Schaffung beträchtlicher Vermögenswerte zusammenwirkt, die weit über eine sowohl bei eheähnlichem als auch bei ehelichem Zusammenleben praktizierte Existenz Sicherung hinausgeht, damit die äußeren Merkmale einer Innengesellschaft Verwirktlicht und dabei einen abweichenden Willen nicht erkennen läßt, muß sich bis zu dem ihm obliegenden Beweis des Gegenteils dementsprechend behandeln lassen, d.h., das geschaffene Vermögen ist als gemeinsames anzusehen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Etwas anderes könnte im vorliegenden Fall nur gelten, wenn die Parteien ausdrücklich eine abweichende Regelung getroffen hätten wonach der Kläger auch im Innenverhältnis für seine weitgehende Mitarbeit lediglich wie ein Arbeitnehmer entlohnt werden, die Früche der Arbeit aber allein der Beklagten zufließen sollten.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Eine solche Vereinbarung ist nicht getroffen worden.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Zwar war die Beklagte allein Konzessionsträgerin der Gaststätten. Sie ist allein als Eigentümerin der Grundstücke eingetragen worden. Das ist indessen nur im Verhältnis zu Dritten, nicht aber für die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen der Beteiligten untereinander maßgebend (vgl. BGH NJW 53, 418; FamRZ 62, 357; WPM 73, 296).</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Auch die Tatsache, daß der Kläger buchmäßig als Angestellter der Beklagten geführt wurde und nach der Trennung der Parteien ein von ihm eingeleitetes Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht anhängig gewesen ist, spricht nicht dagegen, eine Innengesellschaft anzunehmen. Der Kläger hat im Jahre 1960 für seine Tätigkeit buchmäßig ein Gehalt von 350,- DM brutto bezogen, das bis 1976 auf monatlich 1.250,- DM anstieg. Angesichts der vom Kläger unstreitig erbrachten besonders umfangreichen Arbeitsleistungen bedarf es keiner weiteren Ausführungen, daß damit die Mitarbeit des Klägers auch nicht annähernd abgegolten sein konnte, selbst wenn man die freie Wohnung, die freie Kost und bis 1974 Unterhaltsleistungen an seine ehelichen Kinder hinzurechnet. Mit Recht hat das Landgericht angenommen, daß die Parteien mit dieser Handhabung lediglich Zwecke nach außen verfolgten, nämlich den, Steuern einzusparen, und insbesondere den, dem Kläger für den Fall der Bedürftigkeit eine Altersrente zu sichern.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Auch die Tatsache, daß der Kläger nach der Trennung gegen die Beklagte vor dem Arbeitsgericht prozessiert hat, läßt angesichts der überwiegenden abweichenden Umstände nicht den Schluß zu, zwischen den Parteien habe lediglich ein Arbeitsverhältnis bestanden. Dem steht die lange dauernde enge Lebensgemeinschaft und die Tatsache der umfangreichen Mitarbeit zwingend entgegen. Auch insoweit hat das Landgericht zutreffend angenommen, daß es dem Kläger darum ging, nach der Trennung zunächst alle denkbaren Möglichkeiten auszuschöpfen, um seine auf Dauer geplante Lebensstellung nicht aufgeben zu müssen, sowie darum, für eine etwaige anderweitige Beschäftigung eine bessere Ausgangsposition zu schaffen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Da zwischen den Parteien eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts bestand, deren Fortbestand durch die Trennung der Parteien unmöglich geworden ist (§ 726 BGB), hat der Kläger nunmehr Anspruch auf Auszahlung des ihm zustehenden Anteils am gemeinsam geschaffenen Vermögen (§ 730 ff BGB).</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Dieser Anspruch ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht durch den im arbeitsgerichtlichen Verfahren geschlossenen Vergleich abgegolten. Dieser Vergleich hatte nur die Beendigung des arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits zum Inhalt, der Betrag von 6.000,- DM sollte nur dazu dienen, die Nachteile auszugleichen, die dem Kläger durch den Verlust seiner in der Lebensgemeinschaft gewonnenen Position für die Zukunft entstanden. Der Vergleich berührt nicht die Ansprüche, die der Kläger wegen seiner erbrachter Leistungen am Gesellschaftsvermögen hat.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht nach § 734 BGB zumindest ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 50.000,- DM zu.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Freilich müssen im Regelfall der Geltendmachung eines Auseinandersetzungsanspruchs am Vermögen einer beendeten Gesellschaft die Rechnungslegung und der Rechnungsabschluß vorangehen, die zwischen den Parteien unstreitig nicht erfolgt sind und ohne die, gewöhnlich die Ausgleichsforderung nicht zu bestimmen ist.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Jedoch können schon vor der Auseinandersetzung Teilbeträge am Auseinandersetzungsguthaben geltend gemacht werden, wenn vor der Auseinandersetzung zweifelsfrei feststeht, daß dem Beteiligten jedenfalls ein Anspruch in der eingeklagten Höhe zusteht (vgl. BGH, WPM 76, 789 und Palandt-Thomas, Anm. 2 e zu § 730 BGB). Der Kläger ist schuldrechtlich so zu stellen, als ob er gesamthänderisch an dem sachenrechtlich der Beklagten gehörenden Vermögen beteiligt gewesen ist (BGH, WPM 73, 296, 1242).</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man das Vorbringen der Beklagten, soweit sie dieses hinreichend substantiiert hat, als richtig unterstellt, steht dem Kläger ein Ausgleichsanspruch zumindest in Höhe von 50.000,- DM zu. Dabei hat unberücksichtigt zu bleiben, daß die Beklagte den ... und das dazugehörige Grundvermögen inzwischen auf ihren Sohn Reinhard übertragen hat, denn für die Auseinandersetzung ist auf den Zeitpunkt der Beendigung der Gesellschaft abzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat den Wert des in den Jahren 1970/1972 geschaffenen Anwesens ... mit 1.100.000,- DM, den Wert des Bungalow-Grundstücks mit 200.000,- DM beziffert. Die Beklagte hat keine Zahlen genannt, sondern lediglich vorgebracht, der Wert der beiden bebauten Grundstücke sei geringer. Selbst bei vorsichtiger Schätzung, die sich aus der Höhe der anfänglichen Belastungen ergibt, kann mit dem Landgericht davon ausgegangen werden, daß sich der Wert beider Hausgrundstücke auf insgesamt 900.000,- DM beläuft. Jedenfalls hat die Beklagte diese Bewertung in der Berufungsinstanz nicht angegriffen und offenbar auch nicht angreifen können.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Von diesem Wert sind die grundpfandrechtlich gesicherten Belastungen abzusetzen. Nach dem Vortrag des Klägers betrugen sie seinerzeit bei Trennung der Parteien 385.000,- DM. Anfänglich betrugen sie ausweislich der überreichten Grundbuchauszüge insgesamt 495.000,- DM.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man unter Berücksichtigung der Behauptung der Beklagten, der Kläger habe den Belastungsbetrag für die Zeit der Trennung zu niedrig angesetzt, entgegen den offenbaren Tatsachen davon ausgeht, daß die Belastungen zur Zeit der Trennung der Parteien noch voll valutiert waren und noch nichts getilgt war, bleibt ein Vermögen von 405.000,- DM. Selbst wenn man ferner mit der Beklagten davon ausgeht, daß sie den Betrag von 6.900,- DM zum Ankauf des Grundstücks, auf dem 1962 der Wohnbungalow errichtet wurde, allein aus Ersparnissen aufgebracht hat, und ihn zugunsten der Beklagten berücksichtigt, verbleibt ein Gesellschaftsvermögen von 398.100,- DM. Diesem Betrag sind der Geschäftswert des Hotel-Restaurants und der Wert des Inventars noch hinzuzurechnen.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Ob dem Kläger an dem Gesellschaftsvermögen ein hälftiger Anteil zusteht, wie es § 722 Abs. 1 BGB für den Fall des Fehlens einer abweichenden Vereinbarung vorsieht, oder ob etwa aus den Erwägungen des landgerichtlichen Urteils (S. 12, Bl. 110 GA) ein Anteil von nicht mehr als 35 % angemessen ist, kann dahinstehen. Ein Anteil für weitere Beteiligte ist jedenfalls nicht zu veranschlagen, denn die Beklagte hat ihre erstmals im Schriftsatz vom 16.10.1979 aufgestellte Behauptung, an einer Innengesellschaft seien auch ihre Söhne Uwe und Reinhard sowie ihre Schwiegermutter beteiligt gewesen, nicht näher dargelegt. Mit der Klageforderung wird dem Kläger ein Betrag zugesprochen, der unter 35 % des Gesellschaftsvermögens liegt, und zwar auch dann, wenn man weitere Posten zugunsten des Klägers berücksichtigt:</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man nämlich entgegen dem Vortrag des Klägers von der Behauptung der Beklagten ausgeht, die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers gegenüber seinen drei ehelichen Kindern seien in den Jahren 1959 bis 1974 aus den laufenden Einkünften der Lebensgemeinschaft bestritten worden, so macht das für 16 Jahre bei einer durchschnittlichen Unterhaltslast von 120,- DM pro Kind den Betrag von aufgerundet 70.000,- DM aus, den sich der Kläger abziehen lassen müßte.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Selbst wenn man weiterhin den Betrag von 3.000,- DM absetzt, den die Beklagte dem Kläger über die vergleichsweise übernommene Verpflichtung aus dem arbeitsgerichtlichen Prozeß hinaus zugewendet haben will, und selbst wenn man gegen den Vortrag des Klägers davon ausgeht, daß er sich aus den gemeinsam erwirtschafteten Mitteln im Jahre 1976 einen PKW Opel-Rekord angeschafft hat, der allenfalls mit 20.000,- DM veranschlagt werden kann, so ergibt sich mit</p>
<br /><span class="absatzRechts">58</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td valign="top">der Klageforderung von</td>
<td valign="top">50.000,-</td>
<td valign="top">DM,</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">einer Unterhaltslast von</td>
<td valign="top">70.000,-</td>
<td valign="top">DM,</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">einem Betrag von</td>
<td valign="top">3.000,-</td>
<td valign="top">DM</td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">und einem Betrag für den PKW von</td>
<td valign="top"><u>20.000,-</u></td>
<td valign="top"><u>DM</u></td>
</tr>
<tr>
<td valign="top">ein Gesamtbetrag von</td>
<td valign="top">143.000,-</td>
<td valign="top">DM,</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">der aufgerundet 36 % des oben bezifferten Gesellschaftsvermögens von mindestens 398.100,- DM ausmacht, also deutlich unter 35 % des tatsächlichen Gesellschaftsvermögens liegt.</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Weitere Beträge mußte sich der Kläger nicht zurechnen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Der vergleichsweise gezahlte Betrag von 6.000,- DM stellte - wie oben ausgeführt - einen in die Zukunft gerichteten Ausgleich für den Verlust der Lebenstellung des Klägers dar.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger freie Wohnung und Beköstigung erhalten hat, geschah das im Rahmen der gemeinsamen Lebensführung und war ein Teil der gemeinsamen Aufwendungen für den Lebensbedarf der Beteiligten, war also laufender Aufwand der Innengesellschaft. Im übrigen wurden auch Aufwendungen für die Lebensführung der Beklagten gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Soweit der Kläger regelmäßig Urlaub gemacht hat, dienten die dafür aufgewendeten Beträge der Erhaltung seiner Arbeitskraft und waren letztlich Entnahmen zur Fortführung der Gesellschaft und sind deshalb ebenfalls nicht anzurechnen.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Für ihre vom Kläger bestrittene Behauptung, sie habe bei Beginn der Lebensgemeinschaft Schulden des Klägers beglichen, hat der Beklagte weder einen bestimmten Betrag benannt, geschweige denn den Aufwand belegt. Ihr vorbringen ist daher insoweit unsubstantiiert und muß außer Betracht bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Die Zinsforderung (4 % seit Zustellung des Armenrechtsgesuchs) ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges (§ 284 Abs. 1 S. 1, § 288 Abs. 1 S. 1 BGB) seit dem 04.02.1977 gerechtfertigt, weil die Beklagte mit Schriftsatz vom 04.02.1977 zu dem Armenrechtsgesuch des Klägers Stellung genommen und dessen Forderung abgelehnt hat.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711, § 546 Abs. 2 ZPO.</p>
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315,981 | olgham-1979-10-25-3-uf-23979 | {
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} | 3 UF 239/79 | 1979-10-25T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:18 | 2019-03-27T09:41:43 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1979:1025.3UF239.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 4. Mai 1979 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Recklinghausen wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der jetzt 72 Jahre alte Antragsteller und die 71-jährige Antragsgegnerin haben am ... die Ehe miteinander geschlossen, aus der zwei inzwischen volljährige Kinder hervorgegangen sind. Nach 1945 fand die Antragsgegnerin mit den Kindern in der Nähe von ... (DDR) eine neue Heimat, während der Antragsteller in der Bundesrepublik Fuß faßte. Spätestens seit 1949 lebten beide voneinander getrennt. Mehrere Scheidungsklagen des Antragstellers, der inzwischen Beziehungen zu einer anderen Frau aufgenommen hatte, blieben in der Folgezeit wegen des Widerspruchs der Antragsgegnerin ohne Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Beide Parteien sind Rentner. Der Antragsteller bezieht zur Zeit eine Knappschaftsrente in Höhe von 1.538,70 DM monatlich und eine Unfallrente wegen einer Berufskrankheit. Die Antragsgegnerin erhält vom Sozialversicherungsträger der DDR, dem ... - Abt. Sozialversicherung -, eine Altersrente in Höhe von 290,- DM monatlich. Außerdem zahlt ihr der Antragsteller monatlich 50,- DM Unterhalt auf Grund eines Urteils in ... AG ...; dieser Betrag wird von der Knappschaftsrente abgezogen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit Schriftsatz vom 07.09.1977 nat der Antragsteller die Scheidung der Ehe beantragt. Dieser Antrag ist der Antragsgegnerin am 29.08.1978 zugestellt worden. In der mündlichen Verhandlung am 25.04.1979 hat der Antragsteller einen nachehelichen Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin in Höhe von 350,- DM monatlich anerkannt. Diese hat dem Scheidungsbegehren nicht länger widersprochen. Durch Urteil vom 04.05.1979 hat daraufhin das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden und den Antragsteller gemäß seinem Anerkenntnis zur Zahlung von Unterhalt an die Antragsgegnerin verpflichtet. Das Verfahren bezüglich des Versorgungsausgleichs hat es hingegen nach § 628 Abs. 1 Nr. 3 ZPO abgetrennt. Zur Begründung hat das Familiengericht ausgeführt: Der Versorgungsausgleich sei zur Zeit in Fällen der vorliegenden Art nicht durchführbar. Außerdem sei ein Hinauszögern der Scheidung für den Antragsteller, der ein schwerkranker, hilfsbedürftiger Mensch sei, nach 30-jähriger Trennung von der Antragsgegnerin eine unzumutbare Härte.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Entscheidung, die der Antragsgegnerin zu Händen ihrer Verfahrensbevollmächtigten in ... am 09.05.1979 zugestellt worden ist, richtet sich ihre Berufung vom 29.05.1979, deren Begründung am 15.06.1979 bei Gericht eingegangen ist. Darin führt sie aus: Das Familiengericht habe fälschlich die Voraussetzungen der Abtrennung nach § 628 Abs. 1 Nr. 3 ZPO angenommen. § 1317 RVO sei auf einen Rentenanspruch, der wegen eines Versorgungsausgleiches übergeleitet sei, nicht anzuwenden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Auch die Gestaltung des vorliegenden Falles schließe die Annahme einer unzumutbaren Härte aus. Es liege somit ein Verfahrensmangel i.V. des § 539 ZPO vor.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen mit der Maßgabe, einheitlich über Scheidung und Versorgungsausgleich zu entscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Berufung der Antragsgegnerin zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Er meint, daß hier der typische Fall für eine Abtrennung des Versorgungsausgleichsverfahrens vorliege, und hält die Maßnahme i.S. des § 628 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für rechtens.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg, weil die Abtrennung des Verfahrens bezüglich des Versorgungsausgleichs im angefochtenen Urteil keinen Verfahrensmangel i.S. des § 539 ZPO darstellt.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><b>1)</b></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Zwar darf gemäß § 628 ZPO dem Scheidungsantrag vor Regelung der Folgesachen nur in bestimmten Fällen, die als Ausnahme zu betrachten sind, entsprochen werden. Dies erfordert der Sinn der gesetzlichen Regelung, weil sonst der mit der Einführung des Verfahrensverbundes erstrebte Erfolg nicht zu erreichen wäre. Zu den Zielen, die mit dem Prinzip der Entscheidungskonzentration erstrebt werden, gehört nämlich einmal, den Eheleuten bereits während des Scheidungsverfahrens vor Augen zu führen, welche tatsächlichen Auswirkungen ihre Trennung mit sich bringt. Zum anderen soll der Verfahrensverbund den sozial schwächeren Ehepartner, der sich der Ehescheidung selbst nach der Neuregelung der Scheidungsvoraussetzungen nicht mehr mit Erfolg widersetzen kann, schützen. Er soll durch den grundsätzlichen Zwang zur einheitlichen Erledigung der Scheidung und der Folgesachen davor gesichert sein, daß ein Scheidungsausspruch ohne die Entscheidung über seine Rechte und deren Sicherstellung ergeht. Letztlich soll durch den Entscheidungsverbund auch vermieden werden, daß die Parteien sich nach der Ehescheidung noch jahrelang mit Prozessen, u.a. über die wirtschaftlichen Folgen der Ehescheidung, befassen müssen (so der erkennende Senat in seinem Urteil vom 05.10.1978 - 3 UF 501/78 - veröffentlicht in FamRZ 1979, 165).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><b>2)</b></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall widerspricht jedoch die Vorwegentscheidung über den Scheidungsantrag nicht dem Sinn und Zweck des Entscheidungsverbundes.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Soweit indes das Familiengericht die Abtrennung des Versorgungsausgleichsverfahrens damit begründet hat, daß der Versorgungsausgleich zur Zeit effektiv nicht durchführbar sei, vermag ihm der Senat nicht zu folgen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Zutreffend ist zwar die Auffassung des Familiengerichts, daß eine Rentenzahlung durch einen Rentenversicherungsträger der Bundesrepublik an die in der DDR lebende Antragsgegnerin nicht erfolgt. Denn nach §§ 1317 RVO, 96 AVG ruht die Rente eines Deutschen i.S. des Artikels 116 Abs. 1 GG oder eines früheren deutschen Staatsangehörigen i.S. des Artikels 116 Abs. 2 Satz 1 GG, solange er sich außerhalb des Geltungsbereichs dieser Gesetze aufhält. Nicht im Anwendungsgebiet der RVO und AVG liegt auch die DDR (so die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. NJW 1977, 1935), da die Aufspaltung des einheitlichen Sozialversicherungsgebietes Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg in mehrere eigenständige Sozialversicherungssysteme dazu geführt hat daß man nun jeden Anspruchsberechtigten als schicksalsmäßig verhaftet mit der Entwicklung des Sozialversicherungsrechts an seinem Wohnsitz angesehen und ihn für die Geltendmachung von Sozialversicherungsansprüchen an die jeweils zuständigen Versicherungsträger verwiesen hat (so BSG a.a.O., unter Hinweis auf BSG E 3, 290 ff). Würde im Gegensatz dazu dem deutschen Rentenberechtigten, der in der DDR lebt und in das dortige Rentensystem eingegliedert ist, auch von den Sozialversicherungsträgern in der Bundesrepublik die Rente gezahlt, bekäme er zwei Renten. Diese Doppelversorgung soll durch §§ 1317 RVO, 96 AVG ausgeschlossen werden (BVerf.GE 28, 104/114).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Aussicht des Familiengerichts verbieten jedoch §§ 1317 RVO, 96 AVG nicht eine <u>fiktive</u> Durchführung des Versorgungsausgleichs, der im Falle einer Übersiedlung der Antragsgegnerin in den Geltungsbereich von RVO und AVG voll zur Wirkung käme. Denn das Ruhen der Rente berührt den Anspruch nicht, sondern setzt <u>ihn</u> voraus; das Rentenstammrecht bleibt also erhalten, nur die während des Ruhens jeweils fällig werdenden Einzelleistungen entstehen nicht (so BSG in SozR Nr. 12, 13 zu § 1302 RVO) Grundlage der Rentenanwartschaft der Antragsgegnerin bei der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, dem für sie zuständigen Rentenversicherungsträger in der Bundesrepublik sind bis 1945 ihre Beiträge, die sie an die Sozialversicherungsträger des Deutschen Reiches entrichtet hat und nach 1945 die nach dem Fremdrentengesetz zu berücksichtigenden Beschäftigungszeiten in der DDR.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Soweit diese Beitrags Zeiten bei einem DDR-Versicherungsträger zurückgelegt sind, stehen sie gemäß §§ 15, 17 Abs. 1 lit. a des Fremdrentengesetzes (FRG) vom 25.02.1960 (BG Bl. I S 93) den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich; die den Beiträgen zugrunde liegende Beschäftigung oder Tätigkeit steht einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit im Geltungsbereich des Fremdrentengesetzes gleich. Damit wird der Ehegatte, der sich in der DDR aufhält, über das FRG so gestellt, als ob er Beiträge im Bundesgebiet entrichtet hätte. Er besitzt ein Konto in der gesetzlichen Rentenversicherung (die Antragsgegnerin also bei der LVA Rheinprovinz); ihm stehen Leistungsansprüche zu (die allerdings während seines Aufenthalts in der DDR ruhen).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Ehegatte, der sich in der DDR aufhält, hat demnach für den gleichen Zeitraum (während der Ehe) zwei Anwartschaften erworben: die bei dem Rentenversicherungsträger der Bundesrepublik nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB und eine nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 4 BGB gegen den Versicherungsträger der DDR. Da die Anwartschaften dem Ehegatten aber nur alternativ, nicht kumulativ zustehen, kann er entweder Leistungen vom Sozialversicherungsträger der DDR oder vom Rentenversicherungsträger der Bundesrepublik erhalten. Dies hängt davon ab, in welchem Gebiet er sich aufhält (so auch Schmeiduch in: amtl. Mitt. LVA Rheinprovinz 10/78 S 454).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg in seinem sorgfältig begründeten Urteil vom 26.10.1978 - 146 F 6494/78 - (veröffentlicht in Fam RZ 1979, 143) verstößt die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs nicht gegen die Schutzvorschriften der §§ 1304 a Abs. 4 Satz 2 und 3 RVO, 83 a Abs. 4 Satz 2 und 3 AVG. Der Schutz dieser Bestimmungen kommt dem Antragsteller der schon eine Altersrente bezieht, auch nach Durchführung des Versorgungsausgleichs zugute, solange die Antragsgegnerin nicht im Geltungsbereich von RVO/AVG lebt und daher von der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik keine Rente bezieht. Erst wenn die Antragsgegnerin ihre Rente von der ... - und allein darauf ist in diesem Zusammenhang abzustellen - erhält, tritt die Minderung der Rente des verpflichteten Antragstellers ein Maßgebend für den Zeitpunkt der Minderung der Rente des Antragstellers ist also im vorliegenden Fall nicht nur der Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung des Familiengerichts, sondern auch der Beginn der Rentenzahlung an die Antragsgegnerin aus "ihrer" Versicherung, d.h. von Seiten der .... Eine andere Auslegung, die den Schutz der §§ 1304 a Abs. 4 Satz 2 und 3 RVO, 83 a Abs. 4 Satz 2 und 3 AVG bereits entfallen läßt, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte außerhalb des Geltungsbereichs der RVO/AVG eine Altersrente erhält, würde das alternative Nebeneinander der Sozialversicherungssysteme in der Bundesrepublik und der DDR sowie die grundsätzliche Unvergleichbarkeit der jeweils gezahlten Renten außer acht lassen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Soweit allerdings das Familiengericht im vorliegenden Fall die Abtrennung damit begründet hat, daß ein weiteres Hinauszögern der Scheidung für den Antragsteller eine unzumutbare Härte darstellen würde, pflichtet dem der Senat bei.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Nach den Umständen des vorliegenden Falles ist zum einen davon auszugehen, daß die gleichzeitige Entscheidung über den Versorgungsausgleich den Scheidungsausspruch außergewöhnlich verzögern würde. Es ist also damit zu rechnen, daß hier die Verzögerung, die durch den Entscheidungsverbund normalerweise eintritt oder leicht eintreten kann, überschritten wird (so OLG Frankfurt, NJW 1978, 1389). Diese außergewöhnliche Verzögerung beruht darauf, daß von der zuständigen ... zunächst die gesamten Versicherungszeiten der Antragsgegnerin zu erfassen und zu einer entsprechenden "Biographie" zusammenzustellen sind. Dabei tauchen nicht nur Schwierigkeiten für den Zeitraum vor 1945 auf, sondern gerade auch für die Zeiten ab 1945/46, weil über die Versicherungszeiten Nachweise zu erbringen sind. Grundsätzlich besitzen zwar die Versicherten selbst, nicht die Sozialversicherungsträger der DDR Nachweise über die ausgeübten Beschäftigungen für Zeiten ab 1945/46 (so Schmeiduch a.a.O.,). Soweit jedoch die Sozialversicherungsträger Auskunft geben müssen, was auch im vorliegenden Fall zumindest für die Zeit bis 1945 anzunehmen ist, kann nach Mitteilung der LVA Rheinprovinz auf Grund der bisherigen Praxis in anhängigen Rentenverfahren schwerlich mit einer Auskunfterteilung gerechnet werden, solange sich der Berechtigte noch in der DDR aufhält. Die Daten aus dem bereits vorhandenen Rentenbescheid des ...-Abteilung Sozialversicherung - sind jedenfalls nicht ausreichend für die Erstellung eines vollständingen Versicherungsverlaufs, wie die mit Schreiben vom 02.02.79 dem Familiengericht auf Anfrage mitgeteilt hat.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Nach den Umständen des vorliegenden Falles, stellt zum anderen die zu erwartende: Verzögerung für den Antragsteller auch unter Berücksichtigung der Belange der Antragsgegnerin eine unzumutbare Härte dar. Insoweit weist der Antragsteller zu Recht auf sein Alter, seinen schlechten Gesundheitszustand und die 30-jährige Trennung der Parteien hin. Zwar ist eine mehrjährige Trennung zwischen Eheleuten für sich allein noch kein Grund, eine unzumutbare Härte anzunehmen (so mit Recht OLG Oldenburg, FamRZ 1979/616/618). Je länger aber eine Trennung andauert und je nachhaltiger dadurch die eingetretene Entfremdung fühlbar wird, um so mehr kann für den scheidungswilligen Ehepartner das Bedürfnis dringend werden, seine persönlichen Verhältnisse entsprechend der über viele Jahre hinweg bestehenden tatsächlichen Sachlage auch rechtlich geordnet zu wissen. Der Zeitfaktor kann somit schließlich, ohne daß weitere Umstände hinzutreten müssen, den Charakter der Unzumutbarkeit annehmen. Wann das eintritt, läßt sich nur bezogen auf den Einzelfall sagen. Bei einer jahrzehntelangen Trennung indes ist dieser Zeitpunkt jedenfalls erreicht, zumal wenn sich der Antragsteller wie hier in einem Alter und einem Gesundheitszustand befindet, in dem seine Lebenserwartung begrenzt ist (so auch OLG Oldenburg a.a.O.,). Die Belange der Antragsgegnerin werden hingegen durch die Vorwegentscheidung über den Scheidungsausspruch nicht beeinträchtigt. Solange sie sich in der DDR aufhält, kann ihr ein möglicher Rentenzuwachs nicht ausgezahlt werden. Und eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation tritt schon ab Rechtskraft des Scheidungsurteils durch die Verurteilung des Antragstellers zu monatlichen Unterhaltsleistungen von 350,- DM ein.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Antragsgegnerin ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.</p>
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"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 5 WF 484/79 | 1979-10-17T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:20 | 2019-03-27T09:41:43 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1979:1017.5WF484.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Das Amtsgericht wird angewiesen, von seinem Bedenken gegen die Zuständigkeit des Familiengerichts Abstand zu nehmen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Gründe</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien waren miteinander verheiratet. Ihre Ehe ist seit dem 9.5.1977 rechtskräftig geschieden. Während des Scheidungsverfahrens haben sie einen gerichtlichen Scheidungsfolgenvergleich geschlossen, der in Ziffer 7 wie folgt lautet:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">"Die Parteien werden den Zugewinn gesondert ausgleichen. Als Vorschuß auf eine zu erwartende Ausgleichsforderung der Klägerin (jetzige Beklagte) verpflichtet sich der Beklagte (jetziger Kläger), einen Betrag von 15.000,-- DM an die Klägerin zu zahlen, und zwar in monatlichen Raten von 1.000,-- DM, jeweils zum 5. eines jeden Monats, beginnend im Juni 1977.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat den Betrag von 15.000,-- DM an die Beklagte gezahlt und begehrt im vorliegenden Verfahren die Bewilligung des Armenrechts für eine Klage auf <u>Rückzahlung</u> dieses Betrages mit der Behauptung, in dem Vergleich habe man eine Vorschußzahlung vereinbart, wobei man davon ausgegangen sei, daß eine endgültige Abrechnung des Zugewinns noch zu erfolgen habe. Inzwischen habe sich aber bei der Abrechnung herausgestellt, daß der Beklagten überhaupt kein Zugewinnausgleich zugestanden habe.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber trägt die Beklagte vor, mit den 15.000,-- DM habe man einen Mindestausgleichsanspruch vereinbart, der auch durch eine spätere Abrechnung nicht hätte geschmälert werden sollen. Im übrigen bestreitet sie die Richtigkeit der klägerischen Abrechnung des Zugewinns und beruft sich auf einen Ausschluß der Rückforderung gemäß § 814 BGB und einen Wegfall der Bereicherung. Das Amtsgericht hat dem Kläger das nachgesuchte Armenrecht verweigert, weil der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch keine Familiensache im Sinne von § 23 b Abs. 1 Nr. 9 GVG und somit für die Klage eine Zuständigkeit des Familiengerichts nicht gegeben sei.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers ist zulässig und führt zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht ist für die Klage auf Rückzahlung der geleisteten 15.000,-- DM <u>zuständig</u>, weil es sich insoweit um eine Streitigkeit aus dem ehelichen Güterecht im Sinne von § 23b Abs. 1 Nr. 9 GVG handelt. Die Parteien hatten in dem Scheidungsfolgevergleich zumindest einen Teilbereich des Ausgleichs ihres ehelichen Zugewinns geregelt. Dabei kann <u>hier</u> für die Zuständigkeitsbestimmung dahingestellt bleiben, ob die vereinbarte Zahlung von 15.000,-- DM nur eine Vorauszahlung auf einen noch Ungewissen Zugewinnausgleich zugunsten der Beklagten vorbehaltlich endgültiger Abrechnung oder einen Mindestausgleich unabhängig von der späteren Abrechnung darstellen sollte. Jedenfalls sind Streitigkeiten, die sich im Hinblick auf eine solche vertragliche Regelung über den Zugewinn oder bei dessen <u>Abwicklung</u> ergeben, als Streitigkeiten aus dem ehelichen Güterecht anzusehen, soweit sie letztlich die zwischen den Eheleuten vorzunehmende güterrechtliche Auseinandersetzung betreffen. Das ist vorliegend der Fall. Dem mag der Klageanspruch auch vordergründig nach den gesetzlichen Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung zu beurteilen sein. Gegenstand der Streitigkeit der Parteien bleibt im eigentlichen ihre güterrechtliche Auseinandersetzung und ihre dazu getroffene Vereinbarung über den Ausgleich des ehelichen Zugewinns: An dem Verfahren sind nur die früheren Ehegatten beteiligt. Ein Bereicherungsanspruch des Klägers kann nur dann gegeben sein, wenn er die 15.000,-- DM ohne die Verpflichtung, einen Zugewinn auszugleichen, an die Beklagte gezahlt hätte. Gegenstand der rechtlichen Prüfung wird aber der Ausgleich des Zugewinns und die vertragliche Vereinbarung über die güterrechtliche Auseinandersetzung der Parteien sein, lediglich "im Gewande" eines Bereicherungsanspruches. Fragen des ehelichen Güterrechts sind aber dem Familienrichter zur Entscheidung anvertraut.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht wird daher hei seiner erneuten Entscheidung von seinen Bedenken gegen die Zuständigkeit des Familiengerichts Abstand nehmen und das Armenrechtsgesuch auf seine sonstigen Voraussetzungen hin - Armut des Klägers und hinreichende Erfolgsaussicht der Klage - prüfen müssen.</p>
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} | 5 WF 470/79 | 1979-10-15T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:22 | 2019-03-27T09:41:43 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1979:1015.5WF470.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird in Ziff. 2) (Androhung eines Zwangsgeldes) aufgehoben.</p>
<p>Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag des Beteiligten zu 2) vom 12. April 1979, soweit er die Verhängung von Zwangsmaßnahmen gegen die Beteiligte zu 1) betrifft, an das Amtsgericht Wetter zurückverwiesen, daß auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden hat.</p>
<p>Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 500,- DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Zwischen den Beteiligten schwebt ein Ehescheidungsverfahren. Der erkennende Senat hat in dem Berufungsverfahren 5 UF 787/79 mit <u>einstweiliger Anordnung</u> vom 14.02.1979 das Besuchsrecht des Beteiligten zu 2) für das gemeinschaftliche Kind der Beteiligten gerecht. Mit der Behauptung, die Beteiligte zu 1) verhindere das Besuchsrecht, hat der Beteiligte zu 2) am 12.04.1979 beantragt, die elterliche Gewalt über das Kind ihm zu übertragen, hilfsweise gegen die Beteiligte zu ...) eine Haftstrafe zu verhängen. Diesem Hilfsantrag hat das Amtsgericht in Ziff. 2) des angefochtenen Beschlüsse dahingehend entsprochen, indem es der Beteiligten zu 1) "für jeden Fall der Verhinderung der Ausübung des Verkehrsrechts gemäß § 33 Abs. 3 FGG ein Zwangsgeld" angedroht hat.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist zulässig und führt zur Aufhebung der Zwangsgeldandrohung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat rechtsfehlerhaft die Zwangsgeldandrohung nach den Regeln der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgenommen. Denn die einstweilige. Anordnung des Senats über das Besuchsrecht nach § 620 ZPO stellt einen Vollstreckungstitel gemäß § 794 Abs. 1 Z. 3a ZPO dar, der nach den Vorschriften der ZPO, also nach §§ 888, 890 ZPO zu vollstrecken ist, falls - wie hier behauptet - der Sorgeberechtigte seiner Verpflichtung, das Kind für das Besuchsrecht bereitzuhalten, zuwiderhandelt. Das gilt für einstweilige Anordnungen nach § 620 ZPO auch dann, wenn die in ihnen getroffene Regelung, grundsätzlich dem FGG-Verfahren zuzuordnen ist (vgl. Stein-Jonas-Schlosser, ZPO, 20. Aufl. § 620 a Rdz. 10; Baumbach-Lauterbach-Albers, ZPO, 37. Aufl., § 620 a Anm. 3, OLG München FamRZ 1979, S. 317, OLG Hamm FamRZ 1979, S. 316, OLG Oldenburg FamRZ 1978, S. 911, OLG Koblenz FamRZ 1978 S. 605; a. A. ohne nähere Begründung Keidel-Kuntze-Winkler FGG, 11. Aufl., § 33 Rdz. 35 Anm. 5).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Da nicht ersichtlich ist, ob die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nach ZPO vorgelegen haben, kommt eine eigene Sachentscheidung des Senats nicht in Betracht, so daß die Sache zur erneuten Entscheidung über den Hilfsantrag des Beteiligten zu 2) vom 12.04.1979 an das Amtsgericht zurückzuverweisen war. Das Amtsgericht wird bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden haben.</p>
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} | XV A 2589/78 | 1979-09-20T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:24 | 2019-03-27T09:41:43 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1979:0920.XV.A2589.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.</p>
<p></p>
<p>Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>
</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Rat der ehemals selbständigen Gemeinde ... die seit dem 1. Januar 1970 in
die klagende Gemeinde ... eingegliedert ist, beschloß am 7. November 1968 und 16.
Juni 1969, die Straßenbeleuchtung der Gemeinde zu erweitern und zu diesem Zweck
eine Ausschreibung zu veranlassen, den dafür entstehenden finanziellen Aufwand aber
nicht durch die Erhebung von Anliegerbeiträgen zu decken. Die Auftragsvergabe
erfolgte am 9. Oktober 1975 durch den Rat der Klägerin. Im gesamten Ortsteil ...
wurde das alte, aus Holzmasten bestehende Straßenbeleuchtungsnetz abgerissen und
durch Peitschenmasten an neuen Standorten ersetzt. Die Baumaßnahme wurde von
Anfang August 1975 bis zum Februar 1976 durchgeführt; die elektrotechnische
Abnahme erfolgte am 5. Mai 1976.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">In seiner Sitzung vom 24. Juni 1976 beschloß der Rat der Klägerin u.a., für die
Erweiterung der Straßenbeleuchtung im Ortsteil ... keine Beiträge gemäß §8 KAGNW
in Verbindung mit §6 der "Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach §8 KAG NW
für straßenbauliche Maßnahmen der Gemeinde ..." in der Fassung der
Bekanntmachung vom 5. Dezember 1975 zu erheben.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nach Abstimmung mit dem Beklagten beanstandete der Gemeindedirektor der
Klägerin diesen Ratsbeschluß mit Schreiben vom 14. Februar 1977. Der Rat der
Klägerin bestätigte daraufhin seinen Beschluß in der Sitzung vom 21. April 1977.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit Bescheid vom 8. Juni 1977 hob der Beklagte den Ratsbeschluß vom 24. Juni
1976 im Umfang der Beanstandung mit folgender Begründung auf: Der Ratsbeschluß
verstoße gegen §1 der auf der Grundlage des §8 KAG NW erlassenen
Abgabensatzung der Klägerin. Danach erhebe die Gemeinde zum Ersatz des
Aufwandes für die Erweiterung und Verbesserung von öffentlichen Straßen, Wegen
und Plätzen und als Gegenleistung für die dadurch den Eigentümern der
erschlossenen Grundstücke erwachsenden wirtschaftlichen Vorteile Beiträge und sei
nicht berechtigt, durch Ratsbeschluß eine andere Regelung zu treffen. Der Beschluß
des Rates der ehemaligen Gemeinde ... für die Beleuchtungsmaßnahme Beiträge
nicht zu erheben, sei vor dem Inkrafttreten des neuen KAG gefaßt worden, habe nur
die haushaltswirtschaftlichen Belange dieser seinerzeit noch selbständigen Gemeinde
berücksichtigt und könne schon deshalb die Klägerin nicht binden. Dies um so weniger
als die Beitragspflicht erst mit der Fertigstellung der Beleuchtungsmaßnahme im Jahre
1976 entstanden sei. Der Beschluß des Rates der Klägerin verstoße auch gegen das
in §§62, 63 GO NW niedergelegte Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der
gemeindlichen Haushaltsführung sowie die Verpflichtung der Klägerin, ihre eigenen
Einnahmequellen auszuschöpfen. Denn sie sei zur Ausgleichung ihres Haushaltes auf
Zuwendungen aus dem Ausgleichsstock angewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung der am 7. Juli 1977 erhobenen Klage hat die Klägerin
vorgetragen: Im Hinblick auf die Beschlußfassung des Rates der ehemaligen
Gemeinde ... sei es dem Rat der Gemeinde ... verwehrt gewesen, rückwirkend die
Erhebung von Beiträgen für die Straßenbeleuchtungsmaßnahme zu beschließen. Daß
die Beitragspflicht nach dem KAG erst mit der endgültigen Herstellung der Anlage
entstehe, sei dabei nicht von entscheidender rechtlicher Bedeutung. Wesentlich sei
vielmehr, daß in ... seinerzeit eine funktionsfähige Straßenbeleuchtung vorhanden
gewesen sei, deren Ersetzung den Anliegern, wenn überhaupt, wirtschaftliche Vorteile
allenfalls in Höhe eines Bruchteils der Gesamtkosten gebracht habe.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Verfügung des Beklagten vom 8. Juni 1977 aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat unter Vertiefung der Gründe seines Aufhebungsbescheides
beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat durch das wegen seiner Gründe in Bezug genommene
angefochtene Urteil die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Ihre - fristgerechte - Berufung begründet die Klägerin über ihr erstinstanzliches
Vorbringen hinaus wie folgt: Den Bürgern der früher selbständigen und finanzstarken
Gemeinde ... sei es unverständlich, daß sie nach der vollzogenen Eingliederung in die
finanzschwächere Gemeinde ... nunmehr beitragspflichtig sein sollten. Auch sei zu
berücksichtigen, daß §8 Abs. 1 Satz 1 KAG NW die Klägerin keineswegs zwingend
zur Beitragserhebung verpflichte. Zudem sei die Beitragserhebung im Sinne von §63
Abs. 2 Nr. 1 GO NW weder vertretbar noch geboten. Wenn sich die Klägerin
verpflichtet gefühlt habe, die vom Rat der früheren Gemeinde ... beschlossene
Beleuchtungsverbesserung durchzuführen, so sei sie daran gebunden, daß der Rat
der Gemeinde ... beschlossen habe, von einer Beitragserhebung abzusehen, und
dürfe die Anlieger nicht rückwirkend schlechter stellen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">unter Änderung des angefochtenen Urteils dem erstinstanzlichen Klageantrag
stattzugeben.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Er führt aus: Im Jahre 1976 sei die Klägerin gemäß §8 KAG in Verbindung mit der
Beitragssatzung gehalten gewesen, für straßenbauliche Maßnahmen der Gemeinde
Beiträge zu erheben. Nach dem Beschluß der ehemaligen Gemeinde ..., die Anlieger
nicht heranzuziehen, und der Verwirklichung der Maßnahme im Jahre 1975/76 sei eine
Änderung in der Sach- und Rechtslage eingetreten. Nachdem der Beitragstatbestand
erfüllt worden sei, seien die Beitragspflichtigen zu veranlagen, ohne daß ein
Ratsbeschluß diese Rechtslage außer Kraft setzen könne. Da die Gemeinde ... im
Jahre 1976 nicht in der Lage gewesen sei, ihren Haushalt auszugleichen, sei sie
gezwungen gewesen, alle Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen. Es sei nicht zu
vertreten, daß die Bürger, denen durch die Verbesserung der Straßenbeleuchtung
Vorteile erwachsen seien, finanziell geschont werden sollten, während die
Allgemeinheit über den kommunalen Ausgleichsstock die Aufwendungen übernehmen
solle. Im übrigen komme es darauf, inwieweit die Beleuchtungsverbesserung für jedes
einzelne Grundstück wirtschaftliche Vorteile gebracht habe, im Rahmen dieses
Verfahrens nicht an. Die Bewohner des Ortsteils ... würden durch die Erhebung der
Beiträge auch nicht rückwirkend schlechter gestellt als die Bewohner der Übrigen
Ortslagen, die bei der Durchführung von Straßenbaumaßnahmen zu Beitragsleistungen
herangezogen würden. Auf Grund des nach der Neugliederung geschaffenen
einheitlichen Ortsrechts seien in den übrigen Ortsteilen der Gemeinde ..., soweit
beitragspflichtige Maßnahmen durchgeführt worden seien, Beiträge erhoben worden.
Den Bewohnern des Ortsteils ... in der neuen Gemeinschaft der jetzigen Gemeinde
könne nicht deshalb eine Sonderstellung eingeräumt werden, weil die ehemals
selbständige Gemeinde ... wirtschaftlich besser gestellt gewesen sei als die
Gemeinde ....</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten
und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Anfechtungsklage ist zulässig. Sie ist wirksam erhoben, obwohl die für das
Klageverfahren erteilte Prozeßvollmacht von dem Bürgermeister (nicht von dem
Gemeindedirektor) der Klägerin unterzeichnet ist. Zwar überträgt §55 Abs. 1 der
Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NW) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 19. Dezember 1974, GV NW 1975, S. 91, mit späteren
Änderungen, die gesetzliche Vertretung der Gemeinde dem Gemeindedirektor. Trotz
dieser Zuständigkeitsverteilung ist jedoch im vorliegenden Falle der Bürgermeister zur
Vertretung berufen, weil der Gemeindedirektor den streitigen Ratsbeschluß vom 24.
Juni 1976 gemäß §39 Abs. 2 Satz 1 GO NW beanstandet hat und er somit als
Vertreter der Gemeinde in dem gegen diese Beanstandung gerichteten
Verwaltungsstreitverfahren einem Interessenwiderstreit ausgesetzt wäre. Zur
Durchsetzung seiner bereits in der Beanstandung des Ratsbeschlusses zum Ausdruck
gekommenen abweichenden Rechtsauffassung wäre der Gemeindedirektor nämlich in
den Stand gesetzt, durch Nichterteilung bzw. -genehmigung der Prozeßvollmacht eine
gerichtliche Überprüfung der Kommunalaufsichtsmaßnahme zu verhindern bzw. zu
erschweren. Da der Klägerin aber erforderlichenfalls auch gegen den Willen des
Gemeindedirektors uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Sinne
des §112 GO NW gegen die kommunalaufsichtliche Aufhebungsanordnung
offenstehen muß, ist sie in einer solchen Fallgestaltung - anknüpfend an den bereits in
§38 Abs. 2 GO NW zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken - als durch den
Bürgermeister ordnungsgemäß vertreten anzusehen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks"> - Vgl. dazu auch Senatsurteil vom 27. April 1979 - XV A 4/78 -</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nicht begründet. Die Aufhebungsverfügung des Beklagten vom 8.
Juni 1977 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihrem
Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes, Art. 78 Abs. 1
der Landesverfassung.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Nach §108 Abs. 1 Satz 1 GO NW kann die Aufsichtsbehörde - hier der gemäß
§106 a Abs. 1 GO NW zuständige Beklagte - den Gemeindedirektor anweisen,
Beschlüsse des Rates (und der Ausschüsse), die das geltende Recht verletzen,
beanstanden. Sie kann solche Beschlüsse gemäß §108 Abs. 1 Satz 2 GO NW nach
vorheriger Beanstandung durch den Gemeindedirektor und nochmaliger Beratung im
Rat (oder Ausschuß) aufheben.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der vom Rat der Klägerin am 24. Juni 1976 gefaßte Beschluß, für die Erweiterung
der Straßenbeleuchtungsanlage im Ortsteil ... keine Anliegerbeiträge gemäß §8 KAG
NW zu erheben, verletzte in dem bei Anwendung des §108 Abs. 1 GO NW
maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlußfassung geltendes Recht.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Nach §62 GO NW hat die Gemeinde ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu
führen, daß die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Die Haushaltswirtschaft
ist sparsam und wirtschaftlich zu führen. Der Haushalt soll in jedem Haushaltsjahr
ausgeglichen sein. §63 GO NW faßt die Grundsätze zusammen, nach denen die
Gemeinden die zur Erfüllung dieser allgemeinen Haushaltsgrundsätze erforderlichen
Einnahmen zu beschaffen haben. Nach §63 Abs. 1 GO NW erhebt die Gemeinde
Abgaben nach den gesetzlichen Vorschriften. Sie hat die zur Erfüllung ihrer Aufgaben
erforderlichen Einnahmen</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks"> 1. soweit vertretbar und geboten aus speziellen Entgelten für die von ihr
erbrachten Leistungen,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks"> 2. im Übrigen aus Steuern</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">zu beschaffen, soweit die sonstigen Einnahmen nicht ausreichen (Abs. 2). Sie darf
Kredite nur aufnehmen, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder
wirtschaftlich unzweckmäßig wäre (Abs. 3). Diese zwingend festgelegte Rangfolge
der bei der Inanspruchnahme für die Erfüllung der kommunalen Aufgaben benötigten
Deckungsmittel verpflichtet die Gemeinden dazu, die ihnen gesetzlich zugewiesenen
Abgabenquellen voll auszuschöpfen, insbesondere dazu, die ihnen eröffneten
Möglichkeiten zur Erhebung spezieller Leistungsentgelte (z.B. Gebühren und Beiträge)
- abgesehen von der sich aus "vertretbar und geboten" ergebenden Beschränkung -
vorrangig wahrzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks"> - Vgl. dazu Kottenberg-Rehn, Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen,
Kommentar, 10. Aufl., §63 Anm. II. 1.; von Loebell, Gemeindeordnung für das Land
Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 3. Aufl., §63 Anm. 2; Rauball-Rauball,
Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 2. Aufl., §63 Anm. 2 (S.
306); Scheel/Steup, Gemeindehaushaltsrecht Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 2.
Aufl., §63 Anm. 2 (S. 62); Senatsbeschlüsse vom 26. Juni 1979 - XV B 634/79 -,
vom 29. Juni 1979 - XV B 675/79 - und vom 6. Juli 1979 - XV B 855/79 - (zur
Veröffentlichung vorgesehen) -</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Erhebung gemeindlicher Steuern ist nur gestattet, soweit spezielle
Leistungsentgelte nicht ausreichen. Ein Verzicht auf die Erhebung spezieller Entgelte
ist also unzulässig. Der Gesetzgeber tritt damit einer Tendenz entgegen, möglichst
viele Lasten der Allgemeinheit, d.h. dem Steuerzahler, aufzuerlegen, und entspricht
zugleich der das gemeindliche Haushaltsrecht bindenden Forderung der neuen
Kommunalabgabengesetze nach der Erhebung kostendeckender Abgaben.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks"> - So: Depiereux, Das neue Haushaltsrecht der Gemeinden, 4. Aufl. (1974); S.
32 -</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Weigerung des Rates der Klägerin, für die im Ortsteil ... durchgeführte
Straßenbeleuchtungsmaßnahme keine Beiträge zu erheben, verstößt gegen die zuvor
dargestellten bindenden Grundsätze der kommunalen Einnahmebeschaffung.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Gemäß §8 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes für das Land
Nordrhein-Westfalen (KAG) in der maßgeblichen Fassung vom 21. Oktober 1969, GV
NW S. 712, mit späteren Änderungen, können die Gemeinden und Gemeindeverbände
Beiträge erheben. Bei den dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wegen und
Plätzen sollen Beiträge erhoben werden, soweit nicht das Bundesbaugesetz
anzuwenden ist (Satz 2). Beiträge nach §8 kommen danach für Baumaßnahmen an
Straßen in Betracht, die schon einmal programmgemäß fertiggestellt waren. Gemäß
§8 Abs. 2 KAG sind Beiträge Geldleistungen, die dem Ersatz des Aufwandes für die
Herstellung, Anschaffung und Erweiterung öffentlicher Einrichtungen und Anlagen im
Sinne des §4 Abs. 2, bei Straßen, Wegen und Plätzen auch für deren Verbesserung,
jedoch ohne die laufende Unterhaltung und Instandsetzung, dienen. Sie werden von
den Grundstückseigentümern als Gegenleistung dafür erhoben, daß ihnen durch die
Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtungen und Anlagen wirtschaftliche
Vorteile geboten werden. Abgaben dürfen gemäß §2 Abs. 1 Satz 1 KAG nur auf
Grund einer Satzung erhoben werden. Die Beitragspflicht entsteht mit der endgültigen
Herstellung der Einrichtung oder Anlage (§8 Abs. 7 KAG).</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Falle kommt die Soll-Vorschrift des §8 Abs. 1 Satz 2 KAG zur
Anwendung. Denn die durchgeführte Erweiterung und Verbesserung der
Straßenbeleuchtung im Ortsteil ... stellt sich nicht als Maßnahme an einer
Erschließungsanlage im Sinne von §127 Abs. 2 des Bundesbaugesetzes dar, die zur
erstmaligen programmgemäßen Herstellung dieser Straßen gehört.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks"> - Vgl. dazu Bauernfeind-Zimmermann, Kommunalabgabengesetz für das Land
Nordrhein-Westfalen, Kommentar, §8 RdNr. 5 (S. 169) -</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Mit der endgültigen Fertigstellung der neuen Beleuchtungsanlage im Laufe des
Jahres 1976 ist die Beitragspflicht dem Grunde nach entstanden (§8 Abs. 7 Satz 1
KAG).</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Da die Klägerin unstreitig im wesentlichen Umfange kommunale Steuern erhebt
und darüber hinaus zur Deckung ihres Haushaltes Mittel aus dem Ausgleichsstock in
Anspruch nehmen muß, ist sie gemäß §63 Abs. 1 Nr. 2 GO NW verpflichtet, die ihr für
die Straßenbeleuchtungsmaßnahme erwachsenen Kosten vorrangig durch die
Erhebung von Beiträgen, nämlich das ihr insoweit zugewiesene spezielle
Leistungsentgelt zu decken. Sie hat dementsprechend auch eine Satzung über die
Erhebung von Beiträgen nach §8 KAG für straßenbauliche Maßnahmen der Gemeinde
... erlassen, die in §2 Abs. 1 Nr. 4 d) insbesondere den Aufwand für
Beleuchtungseinrichtungen als beitragsfähig erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Heranziehung der Anlieger im Ortsteil ... zu Beiträgen für die Neuerstellung der
Straßenbeleuchtung ist im vorliegenden Falle auch "vertretbar und geboten" im Sinne
von §63 Abs. 2 Nr. 1 GO NW. Insbesondere kann sich die Klägerin nicht unter
Berufung auf die Belange der in diesem Ortsteil wohnenden Straßenanlieger
erfolgreich darauf berufen, daß der Rat der Gemeinde ... vor der kommunalen
Neuordnung angesichts der seinerzeit günstigen Finanzausstattung dieser Gemeinde
beschlossen hat, für die Erweiterung der Straßenbeleuchtung in diesem Ortsteil
Anliegerbeiträge nicht zu erheben. Mit der Eingliederung der Gemeinde in die "neue"
Gemeinde ... hat die finanzwirtschaftliche Kompetenz der aufgelösten
Gebietskörperschaft mit der Folge ihr Ende gefunden, daß die Klägerin nicht
verpflichtet war, die vom ... Rat beschlossene Straßenbeleuchtungsmaßnahme
auszuführen.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks"> - Vgl. in diesem Zusammenhang Henze/Schoroth, Kommunale Neuordnung
und Überleitung der Finanzwirtschaft, in: Der Gemeindehaushalt 1972, S. 49 f (59);
Giepner, Rechtsfolgeprobleme kommunaler Gebietsreform, Diss. Münster (1974), S.
128: Mit der Gebietsänderung werden bisherige Organisationseinheiten aufgehoben
und durch andere ersetzt. -</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Der Beschluß des Rates der aufnehmenden Gemeinde ... trotz ihrer schlechteren,
unausgeglichenen Haushaltslage die Straßenbeleuchtung in ... auszubauen, folgt aus
deren nunmehr auch auf diesen Ortsteil erstreckten eigenständigen
Selbstverwaltungsrecht. Der nach der kommunalen Neuordnung mit der Fertigstellung
der Beleuchtungsmaßnahme selbst geschaffene Beitragstatbestand verpflichtet die
Klägerin nach dem Gesetz und dem einschlägigen Ortsrecht zur Beitragserhebung. Bei
Gebietsänderungen kann eine aufnehmende Gemeinde nur solche Tatbestände nicht
mit Abgaben belegen, die bereits vor der Gebietsänderung verwirklicht waren.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks"> - Vgl. Bauernfeind/Zimmermann, a.a.O., Anm. 16 zu §1 -</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">In der Beitragserhebung liegt - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend
ausgeführt hat - keine rückwirkende Schlechterstellung der Bewohner des Ortsteils ....
Vielmehr würden diese, wenn keine Beiträge erhoben würden, innerhalb der neuen
Gemeinschaft der Gemeinde ... besser gestellt als die Bewohner der übrigen
Ortslagen dieser Gebietskörperschaft, die nach der kommunalen Neuordnung auf der
Grundlage des geschaffenen einheitlichen Ortsrechts zu Beiträgen für seitdem
durchgeführte Straßenbaumaßnahmen herangezogen worden sind bzw. noch
herangezogen werden. Der Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verbietet es aber,
den Bewohnern des Ortsteils ... in der aufnehmenden Gemeinde ... eine
Sonderstellung nur deshalb einzuräumen, weil die eingegliederte Gemeinde wegen
ihrer ausgeglichenen Haushaltssituation in der Lage gewesen wäre, die Kosten für die
Straßenbeleuchtungsmaßnahme aus eigenen Mitteln abzudecken.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks"> - Vgl. auch Giepner, a.a.O., S. 131/132: Die Gebietsänderung begründet für
das eingegliederte Gebiet keinerlei rechtliche Sonderstellung innerhalb der
aufnehmenden Gemeinde -</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Ob die Heranziehung im jeweiligen Einzelfall auf der Grundlage der Satzung über
die Erhebung von Beiträgen nach §8 KAG für straßenbauliche Maßnahmen der
Gemeinde Blankenheim rechtmäßig ist, ist nicht in dem vorliegenden, sondern in einem
etwaigen Anfechtungsrechtsstreit gegen eine konkrete Einzelheranziehung zu
beurteilen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über ihre
vorläufige Vollstreckbarkeit aus §167 VwGO, §708 Nr. 10 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
315,985 | olgham-1979-09-19-15-w-18779 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 15 W 187/79 | 1979-09-19T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:26 | 2019-03-27T09:41:43 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1979:0919.15W187.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die weiteren Beschwerden werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die erste Beschwerde des Beteiligten zu 4) vom 22. März 1979 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Dortmund vom 6. März 1979 als unzulässig verworfen wird.</p>
<p></p>
<p>Der Wert des Gegenstandes der ersten - insoweit in Abänderung des angefochtenen Beschlusses - und der weiteren Beschwerde wird auf je 50.000.-- DM festgesetzt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">1) Die Beteiligten zu 1) und 2) beabsichtigen, den volljährigen Beteiligten zu 3) als gemeinschaftliches Kind anzunehmen, und zwar in erster Linie mit starker Wirkung (§ 1772 BGB), weil der Beteiligte zu 3) bereits als Minderjähriger in die Familie der Annehmenden aufgenommen worden sei. Zur Frage einer solchen Aufnahme hat die Vorinstanz folgende Feststellungen getroffen:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte zu 1) und der Vater des Beteiligten zu 3), der aus einer früheren Ehe eine am 22. Juni 1934 in Gelsenkirchen geboren Tochter mit Namen XXX hatte, lernten sich in russischer Kriegsgefangenschaft kennen und unterhielten auch nach ihrer Entlassung weiter freundschaftliche Beziehungen zueinander. Nach der Geburt des Beteiligten zu 3) am 12. Oktober 1946 wurde der Beteiligte zu 1) sein Pate. Am 9. Juli 1961 verstarb die Mutter des Beteiligten zu 3). Für die Durchführung der Erbauseinandersetzung zwischen dem Beteiligten zu 3) und seinem Vater wurde der Beteiligte zu 1) zum Ergänzungspfleger für den Beteiligten zu 3) bestellt. Der Vater des Beteiligten zu 3) heiratete am 28. November 1961 erneut.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Durch notarielles Testament vom 9. Februar 1962 setzte der Vater des Beteiligten zu 3) seinen Sohn als Erben und den Beteiligten zu 1) als Ersatzerben für den Fall ein, daß der Sohn vor oder nach ihm, dem Erblasser, versterben sollte, ohne Abkömmlinge zu hinterlassen oder verheiratet zu sein.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Nach der Schulentlassung zu Ostern 1962 kam der Beteiligte zu 3) zur kaufmännischen Privatschule in XXX. Während dieser Zeit besuchten ihn die Beteiligten zu 1) und 2), die er als "Onkel" und "Tante" betrachtete und bezeichnete, des öfteren. Auch wenn der Beteiligte zu 3) alle zwei Monate auf Veranlassung seines Vaters über das Wochenende das Elternhaus besuchte, kam es zu Begegnungen zwischen ihm und den Beteiligten zu 1) und 2). Nach einjährigem Privatschulbesuch nahm der Beteiligte zu 3) eine Tätigkeit als kaufmännischer Lehrling im väterlichen Knochengroßhandelsbetrieb auf und zog wieder in das Elternhaus ein. Sämtliche Angelegenheiten, die den Sohn betrafen, besprach der Vater mit dem Beteiligten zu 1), weil er wußte, daß der Beteiligte zu 3) dessen Anordnungen und Ratschläge befolgte.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Am 22. Februar 1965 starb der Vater des Beteiligten zu 3). Der Beteiligte zu 1) wurde am 9./14. April 1965 zum Vormund des Beteiligten zu 3) bestellt (11 VII 44423 AG XXX). Der Beteiligte zu 3) blieb weiterhin in dem väterlichen Betrieb beschäftigt und im elterlichen Hause wohnen. Er bezog ein Zimmer im Obergeschoß. Seine im Erdgeschoß wohnende Stiefmutter beköstigte und versorgte ihn. Die Beteiligten zu 1) und 2) wohnten zu dieser Zeit in XXX, in einer Vier-Zimmer-Wohnung, in der neben ihnen noch ihr Sohn und die Mutter des Beteiligten zu 1) lebten.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">In der Zeit nach des Vaters Tod verfiel der Beteiligte zu 3) zunehmend dem Alkohol. Auf Veranlassung des Beteiligten zu 1) unterzog er sich einer freiwilligen Entziehungskur. Auch in dieser Zeit bestand ein enger Kontakt zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) und dem Beteiligten zu 3) in der Form, daß des öfteren wechselseitige Besuche stattfanden und der Beteiligte zu 3) seine Sorgen und Probleme mit den Beteiligten zu 1) und 2) besprach.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Nach Eintritt der Volljährigkeit des Beteiligten zu 3) am 12. Oktober 1967 wurde für ihn am 11. Februar 1972 vorläufige Vormundschaft angeordnet und der Beteiligte zu 1) als vorläufiger Vormund ausgewählt und bestellt (11 VII 48256 AG XXX). Auf Grund der Aufenthaltsbestimmung des Vormunds kam der Beteiligte zu 3) am 14. Februar 1972 in das XXX. Er wurde am 4. Juli 1972 wegen Geistesschwäche entmündigt (3 C 122/72 AG XXX). Das Vormundschaftsgericht XXX hat daraufhin am 18./24./26. Juli 1972 den "vorläufigen Vormund zum endgültigen Vormund, mit Ausnahme der Vermögensverwaltung, bestellt" und "für die Vermögensverwaltung eine Ergänzungspflegschaft angeordnet" mit dem Wirkungskreis der Wahrnehmung der Interessen des Pfleglings bei der Verwaltung seines Vermögens; Ergänzungspfleger ist Rechtsanwalt XXX in XXX geworden. Nach seiner Entlassung aus dem XXX am 13. August 1972 lebte der Beteiligte zu 3) mit den Beteiligten zu 1) und 2) in seinem Haus in XXX und wird seitdem von ihnen versorgt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">2) Mit notarieller Verhandlung vom 6. Juli 1977 (Urkundenrolle Nr. 34/1977 des Notars XXX) haben die Beteiligten zu 1) bis 4) - im nachfolgenden Antrag als Erschienene zu 1) bis 4) bezeichnet - beim Amtsgericht Dortmund zunächst folgende Anträge gestellt:</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">"Die Erschienenen zu 1) und 2) sind bereit, den Erschienenen zu 3) mit der Wirkung als gemeinschaftliches Kind anzunehmen, daß die Annahme sich nach den Vorschriften über die Annahme eines minderjährigen Kindes gemäß §§ 1754 bis 1756 BGB richtet.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Erschienene zu 3) nimmt das Angebot der Erschienenen zu 1) und 2) hiermit an.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Erschienene zu 4) erteilt zu der Erklärung des Erschienenen zu 3) seine Zustimmung.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Sämtliche Erschienenen sind darüber einig, daß der Erschienene zu 3) mit Abschluß des Vertrags den Familiennamen der Erschienenen zu 1) und 2) seinem eigenen Namen hinzufügt, so daß er in Zukunft heißt XXX."</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Durch Verfügung des Amtsgerichts Dortmund vom 17. November 1978 ist der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten darauf hingewiesen worden, daß Anträge der Annehmenden und des Anzunehmenden im Sinne des § 1768 BGB bisher nicht vorlägen und beide Teile eindeutig erklären müßten, ob sie auch den Ausspruch der Annahme als Kind beantragen für den Fall, daß das Gericht die Voraussetzungen des § 1772 BGB nicht für gegeben ansehe. Nachdem das Amtsgericht am 19. Dezember 1978 an die Stellung dieser Anträge erinnert hatte, ist am 13. Januar 1979 beim Amtsgericht eine neue notarielle Verhandlung vom 10. Januar 1979 (Urkundenrolle Nr. 3/79 des Notars XXX) eingegangen. Darin sind die Anträge der Beteiligten zu 1) bis 3) - im nachfolgenden Wortlaut als Erschienene zu 1) bis 3) bezeichnet - enthalten, das Vormundschaftsgericht möge folgendes beschließen:</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">"1) Wir, die Erschienenen zu 1) und 2), nehmen den Erschienenen zu 3) als gemeinschaftliches Kind als Kind an, und zwar mit der aus § 1772 I b BGB ersichtlichen Wirkung, daß sich also die Annahme als Kind nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richtet; hilfsweise mit der Maßgabe, daß die Adoption sich nach der Vorschrift des § 1770 BGB richtet.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">2) Ich, der Erschienene zu 3), werde von den Erschienenen zu 1) und 2) als gemeinschaftliches Kind mit den zu 1) bezeichneten Wirkungen angenommen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">3) Der Erschienene zu 4) stimmt dem vorstehenden Antrag des Erschienenen zu 3) als gesetzlicher Vertreter zu.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">4) Sämtliche Erschienenen sind darüber einig, daß der Erschienene zu 3) mit der Rechtskraft des Adoptionsbeschlusses den Namen XXX führen kann. Im übrigen bleibt es bei den gesetzlichen Wirkungen der Kindesadoption."</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Nach Anhörung des Jugendamts der Stadt XXX und Einholung einer schriftlichen Auskunft der Frau XXX, der Stiefmutter des Beteiligten zu 3), vom 30. November 1978 hat das Amtsgericht Dortmund durch Beschluß vom 6. März 1979 die Anträge der Beteiligten zu 1) bis 3), soweit sie auf eine Annahme als Kind gemäß § 1772 Abs. 1 Buchstabe b BGB gerichtet sind, zurückgewiesen und angekündigt, daß es über die Hilfsanträge (Wirkung der Annahme nach § 1770 BGB) entscheiden werde, wenn die Beteiligten nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des Beschlusses Beschwerde einlegen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Mit Schriftsatz vom 22. März 1979 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) bis 4) "namens sämtlicher Beteiligten" gegen die erstinstanzliche Entscheidung Beschwerde eingelegt mit dem Begehren, nach den Anträgen vom 12. Januar 1979 auf Adoption mit stärkeren Wirkungen zu entscheiden. Diese Beschwerde ist vom Landgericht Dortmund durch Beschluß vom 5. Juni 1979 zurückgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die "im Auftrage sämtlicher Beteiligten" vom Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) bis 4) eingelegte weitere Beschwerde vom 20. Juli 1979 mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nach dem Antrag vom 7. Juli 1977 zu beschließen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">1) Die statthaften weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1) bis 4) sind formgerecht erklärt worden (§§ 27, 29 FGG). Den Beschwerdeführern steht ein Recht für die Einlegung dieser Rechtsmittel schon deshalb zu, weil ihre ersten Beschwerden ohne Erfolg geblieben sind (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Beschlüsse vom 9. Mai 1977 - 15 W 433/76 - und vom 11. September 1979 - 15 W 12/79 - ; OLG Köln, OLGZ 1971, 94; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 11. Aufl., Rz. 10 zu § 27 PGG).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">2) Die somit zulässigen weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1) bis 3) sind aber nicht begründet, weil die Beschwerdeentscheidung insoweit nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 FGG). Lediglich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 4) führt nicht zu einer Sachprüfung des Senats; denn das Landgericht hat zu Unrecht die erste Beschwerde dieses Beschwerdeführers als zulässig beurteilt.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">a) Der Senat deutet das Ziel der Rechtsbeschwerde dahin aus, daß die Beschwerdeführer nicht einen Verfahrensgegenstand einführen wollen, der nicht Gegenstand der Beschwerdeentscheidung gewesen ist. Zwar haben sie in ihrer Rechtsmittelschrift vom 20. Juli 1979 den Antrag formuliert, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nach dem Antrag vom 7. Juli 1977 zu beschließen. Verfahrensgegenstand der Vorinstanzen ist dagegen allein der Antrag der notariellen Verhandlung vom 10. Januar 1979 geblieben, der konkludent eine Rücknahme des Begehrens der notariellen Verhandlung von 6. Juli 1977 bedeutet. Aber die Antragsformulierung der Rechtsmittelschrift vom 20. Juli 1979 ist nur als ein offensichtliches Versehen zu werten. Denn bereits in der Erstbeschwerdeschrift von 22. März 1979 ist durch Antrag und Begründung deutlich erkennbar geworden, daß alleiniger Gegenstand des Verfahrens nur noch der der jetzigen Rechtslage im Annahmeverfahren angepaßte Antrag vom 12. Januar 1979 sein sollte. Auch die Begründung der weiteren Beschwerde vom 20. Juli 1979 läßt keinen Anhaltspunkt dafür erkennen, daß jetzt wieder beabsichtigt war, von dieser ersetzenden Antragstellung abzuweichen. Es ist vielmehr das Beschwerdeziel der Beschwerdeführer weiterhin erkennbar geblieben, den Hauptantrag vom 12. Januar 1979 durchzusetzen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">b) In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat das Landgericht die Zulässigkeit der ersten Beschwerden bejaht, ohne sich damit auseinanderzusetzen. Im Hinblick auf den Beteiligten zu 4) ist das anfechtbar. Der erstinstanzliche Beschluß, der den Antrag auf Annahme des Volljährigen als Kind mit stärkeren Wirkungen zurückgewiesen hat, war nach der allgemeinen Regel des § 19 FGG mit einfacher Beschwerde angreifbar (Keidel/Kuntze/Winkler, Rz. 30 zu § 56 e FGG; MünchKomm-Lüderitz, Rz. 18 zu § 1752 BGB; Palandt/Diederichsen, BGB, 38. Aufl., Anm. 2 zu § 1752 BGB). Beschwerdeberechtigt waren nach § 20 Abs. 2 FGG nur die Antragsteller, im hier gegebenen Falle des § 1768 Abs. 1 BGB also die Annehmenden und der Anzunehmende. Während die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 1) bis 3) mithin keinen Bedenken begegnet, gilt dies nicht hinsichtlich des Beteiligten zu 4). Nach § 1768 Abs. 2 Satz 1 BGB kann für einen Anzunehmenden, der geschäftsunfähig ist, der Antrag nur von seinem gesetzlichen Vertreter gestellt werden. Der Vertreter handelt dabei nicht aus eigenem Recht, sondern für den Vertretenen, kann also auch nur für diesen ein Rechtsmittel einlegen. Für den in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Anzunehmenden sieht § 1768 Abs. 2 Satz 2 BGB dagegen eine Antragstellung nur durch ihn selbst vor; er bedarf hierzu lediglich der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Der wegen Geistesschwäche entmündigte Beteiligte zu 3) ist gemäß § 114 BGB beschränkt geschäftsfähig. Da in diesem Falle der gesetzliche Vertreter nicht einmal bei der eigentlichen Antragstellung mitwirken kann, wird ihm umso weniger ein Beschwerderecht über § 20 Abs. 2 FGG einzuräumen sein. Hat aber das Landgericht eine unzulässige Beschwerde aus sachlichen Gründen zurückgewiesen, statt sie als unzulässig zu verwerfen, so ist es angebracht, die weitere Beschwerde dieses Beschwerdeführers mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß seine erste Beschwerde als unzulässig verworfen wird (ständige Rechtsprechung des Senats, z.B. Beschlüsse vom 7. April 1972 - 15 W 135/72 - = FamRZ 1972, 520 = MDR 1972, 700 = OLGZ 1972, 382 und vom 13. September 1979 - 15 W 209/79 - ). Entsprechend ist hier im Hinblick auf den Beteiligten zu 4) zu verfahren.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">c) Die erstinstanzlichen Verfahrensvoraussetzungen für die in der notariellen Verhandlung vom 10. Januar 1979 von den Beteiligten zu 1) bis 3) gestellten Anträge hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend bejaht, ohne Näheres hierzu auszuführen. Die Annahme eines Volljährigen mit stärkeren Wirkungen (§ 1772 BGB) wird vom Vormundschaftsgericht nur ausgesprochen, wenn der Antrag darauf gerichtet ist, wobei dieser Antrag - wie hier - zweckmäßigerweise mit dem Annahmeantrag (§ 1768 Abs. 1 BGB) verbunden wird (MünchKomm-Lüderitz, Rz. 3 zu § 1772 BGB; Palandt/Diederichsen, Anm. 2 zu § 1772 BGB). Die zulässigerweise gemeinsam gestellten Anträge der Annehmenden und des Anzunehmenden liegen hier vor. Bedenken gegen die nach § 1752 Abs. 2 Satz 2 BGB notwendige notarielle Beurkundung der Anträge in der hier geschehenen Weise könnten allerdings aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 BeurkG hergeleitet werden, da der beurkundende Notar "Vermögenspfleger" des Beteiligten zu 3) ist. Diese Bedenken schlagen aber nicht durch, da § 3 BeurkG eine Sollvorschrift ist und eine Verletzung die Wirksamkeit der Beurkundung nicht berührt (Keidel/Kuntze/Winkler, Rz. 7 zu § 3 BeurkG). Ausschließungsgründe gemäß §§ 6, 7 BeurkG, die zur Unwirksamkeit der Beurkundung führen, liegen hier nicht vor. Der Beteiligte zu 4 hat als Ergänzungspfleger für den verhinderten Beteiligten zu 1) nach § 1768 Abs. 2 Satz 2 BGB zugestimmt. Zustimmungsberechtigter ist der Vertreter für die Person, wenn Personen- und Vermögenssorge verschiedenen Personen zustehen (Palandt/Diederichsen, Anm. 2 zu § 1746 BGB). Die Bestellung des Rechtsanwalts XXX zum "Ergänzungspfleger" des Beteiligten zu 3) nach dessen Entmündigung hat in § 1909 BGB keine Grundlage; gesetzentsprechend wäre die Anordnung einer Mitvormundschaft gewesen (§§ 1897, 1775, 1797 Abs. 2 BGB)</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat zweckmäßig über die Hauptanträge auf Ausspruch der Annahme mit stärkeren Wirkungen vorab entschieden, um deren Berechtigung im Instanzenzuge überprüfen zu lassen, ehe über die Annahme mit schwächeren Wirkungen befunden wurde. Der Hilfsantrag ist hierbei lediglich von einer innerprozessualen Bedingung abhängig gemacht, verstößt also nicht gegen § 1752 Abs. 2 Satz 1 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">d) In sachlicher Hinsicht ist die Beschwerdeentscheidung rechtlich nicht zu beanstanden, da sie von der maßgeblichen Rechtsvorschrift ausgeht, zutreffende Rechtsgrundsätze hierzu vertritt und nach der gegebenen Tatsachengrundlage die Annahme bedenkenfrei ablehnt.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">aa) Nach § 1772 Satz 1 Buchstabe b BGB in der Fassung des Adoptionsgesetzes vom 2. Juli 1976 (BGBl. I S. 1749) kann das Vormundschaftsgericht beim Ausspruch der Annahme eines Volljährigen auf Antrag des Annehmenden und des Anzunehmenden bestimmen, daß sich die Wirkungen nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richten, wenn der Anzunehmende bereits als Minderjähriger in die Familie des Annehmenden aufgenommen worden ist. Diese Vorschrift ist eng auszulegen. Das folgt aus ihrem Ausnahmecharakter.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Der Gesetzgeber des Adoptionsgesetzes hat sich für die Volljährigenadoption mit dem Hinweis auf die praktische Verbreitung und das hieraus abgeleitete Bedürfnis ausgesprochen (Lüderitz, NJW 1976, 1865, 1871), obwohl damit Mißbrauchsmöglichkeiten verbunden sind (Palandt/Diederichsen, Anm. 1 zu § 1767 BGB). Er hat aber das bei der Volljährigenadoption entstehende Rechtsverhältnis nicht in derselben Weise ausgeprägt wie das durch die Minderjährigenadoption geschaffene. Die Vorschriften der §§ 1767 ff. BGB begnügen sich daher im wesentlichen damit die ??? über die Minderjährigenadoption einzuschränken und damit neben die Volladoption Minderjähriger einen besonderen Typ der Annahme Volljähriger mit minderen Wirkungen zu stellen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">In vier Fällen der Volljährigenadoption hat sich der Gesetzgeber aber mit diesen schwachen Wirkungen nicht begnügt, sondern er läßt auch hier die starken Wirkungen mit der vollen Eingliederung des Anzunehmenden in die neue Familie und dem Erlöschen der familienrechtlichen Bindung zur bisherigen Familie (mit Einschränkungen bei der Verwandtenadoption) zu. Das sind insbesondere Fälle, in denen der Anzunehmende schon besondere Beziehungen zu dem Annehmenden hat, die nur dadurch ausreichend verstärkt werden können, daß die Annahme des schon Volljährigen mit starken Wirkungen verbunden wird (BT-Drucksache 7/3061, Seiten 55 und 56). Den Ausnahmecharakter dieser Volladoptionen Volljähriger betont die amtliche Begründung zu § 1772 BGB ausdrücklich, wenn sie ausführt, daß ein Mißbrauch dieser Form der Annahme eines Volljährigen nicht zu befürchten ist, weil die Fälle, in denen sie zulässig ist, <u>klar abgegrenzt sind</u>. Wo Rechtssätze erkennbar Ausnahmecharakter haben sollen, wo also - wie hier - der Gesetzgeber ihre Verallgemeinerung abgelehnt hat, ist nach allgemeinen Grundsätzen der Rechtsanwendung ein Analogieschluß insoweit verboten, als damit die gewollte Ausnahme gefährdet würde; insbesondere ist für Analogie kein Raum, wo der Gesetzgeber eine enge Fassung, durch die einem eindeutig abgegrenzten Personenkreis Rechte zugebilligt sind, absichtlich gewählt hat (vgl. Palandt/Heinrichs, Einl. V 3 ? vor § 1 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Bei § 1772 Satz 1 Buchstabe b BGB handelt es sich um den Ausnahmefall einer nachgeholten Annahme als Kind; eine solche Annahme bedeutet die Bestätigung des faktisch schon während der Minderjährigkeit des Kindes gewachsenen Verhältnisses (Massfeller/Böhmer, Das gesamte Familienrecht, 3. Aufl., Anm. 1 zu § 1772 BGB). Die Vorschrift setzt eine Aufnahme des Anzunehmenden bereits als Minderjähriger in die Familie des Annehmenden voraus. Die amtliche Begründung (BT-Drucksache 7/3061, Seite 56) erläutert die Bestimmung dahin, daß in manchen Fällen ein Pflegekind in einer Familie lebt, ohne daß es zu einer Adoption gekommen ist; wenn sich die Beteiligten hier erst später entschlössen, ein Annahmeverhältnis zu begründen, erscheine es ebenfalls gerechtfertigt, die Annahme mit starken Wirkungen zuzulassen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">bb) Von diesen Rechtsgrundsätzen, die den Ausnahmecharakter des § 1772 Satz 1 Buchstabe b BGB betonen, ist das Landgericht durchweg ausgegangen. Auf Grund der von ihm fehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat es nicht die von dieser Bestimmung geforderte tatsächliche Eingliederung des Beteiligten zu 3) in die Familie der Beteiligten zu 1) und 2) bejahen können, als der Anzunehmende noch minderjährig war. Das Landgericht hat mit Recht ausgeführt, daß eine derartige Aufnahme in die Familie mehr bedeute als eine vormundschaftliche Sorge für einen Vollwaisen. Es hat, ohne das Gesetz zu verletzen, die Integration des Minderjährigen in den Familienverband im Sinne eines Lebensmittelpunktes in psychischer, sozialer und räumlicher Hinsicht gefordert, wobei es zumindest das Fehlen der beiden zuletzt genannten Aspekte feststellen konnte, weil der Beteiligte zu 3) als Minderjähriger zu keinem Zeitpunkt bei den Beteiligten zu 1) und 2) gewohnt hat und von ihnen versorgt worden ist. Die tatsächlichen Grundlagen für seine Würdigung hat das Landgericht vor allem den Beiakten 11 VII 44423 und 11 VII 48256 AG XXX entnehmen können; außerdem hat die Stiefmutter des Beteiligten zu 3) in ihrer Eingabe vom 30. November 1978 dargelegt, daß ihr Stiefsohn bis zum Tode seines Vaters am 22. Februar 1965 in der gemeinschaftlichen elterlichen Wohnung gelebt habe; auch nach dem Tode des Vaters habe der Beteiligte zu 3) weiterhin im Elternhaus gelebt, wobei die Besorgung seiner eigenen Wohnung, die Beköstigung und sonstige Versorgung bis Februar 1972 ununterbrochen durch sie, die Stiefmutter, erfolgt sei. Bis zum Eintritt seiner Volljährigkeit am 12. Oktober 1967 war der Beteiligte zu 3) nach der fehlerfreien Subsumtion des Landgerichts daher nicht in die Familie der Beteiligten zu 1) und 2) aufgenommen; das ist erst nach seiner Rückkehr aus dem XXX im August 1972 geschehen, also fast fünf Jahre nach Eintritt der Volljährigkeit.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die weitere Beschwerde macht demgegenüber geltend, es müsse eine Eingliederung des Beteiligten zu 3) schon als Minderjähriger in den Familienverband der Annehmenden bejaht werden, wobei diese Verbundenheit in folgenden Lebensstationen deutlich werde: Patenschaft des Annehmenden, Einsetzung des Annehmenden vom Vater des Anzunehmenden zum Testamentsvollstrecker und Ersatzerben, Pflegerbestellung des Annehmenden im Erbauseinandersetzungsverfahren aus Anlaß der Wiederverheiratung des Vaters des Anzunehmenden, Einwirkung des Annehmenden auf berufliche Zukunft des Anzunehmenden, Vormundbestellung des Annehmenden und Sorge für eine freiwillige Alkoholentziehungskur des Anzunehmenden, Sorge des Annehmenden als Vormund für die Beziehungen zwischen dem Anzunehmenden und seiner Stiefmutter. Das Gesetz fordert demgegenüber aber, daß der Anzunehmende bereits als Minderjähriger in der Familie der Annehmenden gelebt hat. Dieses Erfordernis füllt der Vortrag der weiteren Beschwerde nicht aus. Zu den Zeiten der aufgezählten Lebensstationen hat der Beteiligte zu 3) vielmehr seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt bei seinen Eltern, nach dem Tode der Mutter kurze Zeit beim Vater, nach dessen Wiederverheiratung bei seinem Vater und seiner Stiefmutter und nach dem Tode des Vaters bis zum Eintritt der Volljährigkeit im elterlichen Hause mit seiner Versorgung durch die Stiefmutter gehabt. Die Beschwerdeführer wiederholen im wesentlichen lediglich ihre Auffassung, daß auch ohne eine Aufnahme in den Familienverband des Annehmenden im tatsächlichen Sinne "eine Aufnahme in die Familie" nach dem Gesetz dann gegeben sei, wenn einem Anzunehmenden durch eine ihm eingeräumte Rechtsstellung eine in jeder Beziehung mögliche Einflußnahme und Entscheidungsbefugnis rechtlicher Art zugestanden hat. Mit Recht hat das Landgericht aber angesichts des klaren Wortlauts von § 1772 Satz 1 Buchstabe b BGB, des offenbarten gesetzgeberischen Willens und des Ausnahmecharakters dieser Vorschrift einen Analogieschluß abgelehnt und die "Aufnahme in die Familie" im Sinne dieser Vorschrift als ein tatsächliches und kein rechtliches Verhältnis gewertet.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die weitere Beschwerde ist unter diesen Umständen zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">3) Für eine Erstattungsanordnung des Senats hinsichtlich außergerichtlicher Kosten besteht kein Anlaß, da die Beteiligten zu 1) bis 4) nicht in entgegengesetztem Sinne beteiligt sind, sondern gleichgerichtete Interessen vertreten haben.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO. Der Senat hat Anlaß gesehen, auch die Wertfestsetzung zweiter Instanz gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO von Amts wegen zu ändern, wie dies der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) bis 4) angeregt hat. Für den Ausspruch der Annahme eines Volljährigen als Kind ist es bei der Wertbemessung gemäß §§ 98 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO anerkannt, daß zwar in der Regel der Ausgangswert von 5.000.-- DM anzunehmen sei, der Geschäftswert aber höher oder niedriger bei großem oder kleinem Vermögen des Annehmenden oder des Anzunehmenden bemessen werden könne (Hartmann, Kostengesetze, 19. Aufl., Anm. 2 zu § 98 KostO; Rohs/Wedewer, KostO, 2. Aufl., Anm. III c zu § 98 und Anm. IV b zu § 30 KostO). Angesichts des erheblichen Vermögens des Beteiligten zu 3) - die letzte Zwischenrechnung des "Vermögenspflegers" vom 12. März 1979 nennt Vermögenswerte von über 1.200.000.-- DM - erscheint es angemessen, den Wert der Beschwerdeinstanzen auf je 50.000.-- DM festzusetzen, weil der Gegenstand erster Instanz hier auch das Interesse der Beschwerdeführer verkörpert.</p>
|
315,986 | olgham-1979-09-19-1-wf-35479 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 1 WF 354/79 | 1979-09-19T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:29 | 2019-03-27T09:41:42 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1979:0919.1WF354.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die gem. § 127 ZPO zulässige Beschwerde bleibt erfolglos. Das Amtsgericht hat der Antragstellerin das Armenrecht für die Unterhaltsabänderungsklage zu Recht verweigert. Diese verspricht im Sinne des § 114 ZPO keine Aussicht auf Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hält sich nicht länger für verpflichtet, die Unterhaltsrente von monatlich 130,- DM an den Antragsgegner ihr fünf Jahre altes Kind aus ihrer geschiedenen Ehe, zu entrichten. Zur Begründung führt sie an, sie sei inzwischen wiederverheiratet und habe in der neuen Ehe die Rolle des haushaltsführenden Teils übernommen. Dieser Umstand führt, wie das Amtsgericht zu Recht feststellt, nicht zum Erlöschen der Unterhaltspflicht der Antragstellerin.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin ist ihrem minderjährigen Kind nach § 1601, § 1610 Abs. 3 BGB mindestens in Höhe des Regelbedarfs eines nichtehelichen Kindes unterhaltspflichtig. Die Grenze ihrer Verpflichtung liegt nach § 1603 BGB in ihrer Leistungsfähigkeit, die jedoch gem. § 1603 II BGB gegenüber dem minderjährigen Kind erhöht ist. Die Antragstellerin ist danach gehalten, zur Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht ihre Arbeitskraft bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit auszunutzen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Dieser Verpflichtung kann sich die Antragstellerin nicht durch die Wahl der Rolle des haushaltsführenden Ehegatten in ihrer neuen Ehe entziehen. Diese in § 1356 BGB eingeräumte Möglichkeit darf nur innerhalb der Grenzen der geltenden Gesetze ausgeübt werden. Dazu rechnet auch § 1603 Abs. 2 BGB, der der Antragstellerin uneingeschränkt den Einsatz ihrer Arbeitskraft zur Deckung des Lebensunterhalts ihres minderjährigen Kindes gebietet. Weitergehende Rechte ergeben sich deshalb auch nicht aus Art. 2 GG. Im übrigen entfällt die Zulässigkeit der von der Klägerin getroffenen Wahl auch deshalb, weil sowohl ihr als auch ihren neuen Ehemann das Vorhandensein des unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindes bei der Eheschließung bekannt war. Die neue Ehe ist deshalb von vornherein mit der "Unterhaltshypothek" der Klägerin belastet. Diese schränkte die Wahlmöglichkeit der Klägerin bei der Rollenverteilung in der neuen Ehe ein. Sie durfte daher ... ihre Berufstätigkeit nicht einfach einstellen und sich ausschließlich der Versorgung des neuen Ehemanns widmen Tut sie dies gleichwohl, muß sie sich so behandeln lassen, als würde sie ihrer Arbeitspflicht nachkommen und Einkommen erzielen (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 78, 724; KG FamRZ 78, 726; OLG Hamm vom 12.4.1978 - 5 UF 30/78 -).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Etwas anderes mag allerdings dann gelten, wenn aus der neuen Ehe ein Kinder hervorgegangen ist, das ein Anrecht auf Betreuung und Versorgung durch die Antragstellerin hat.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Soweit die Antragstellerin darauf hinweist, bei Annahme einer Halbtagsarbeit verbliebe ihr bei Unterhaltsleistung an den Antragsgegner nicht der Selbstbehalt, kann sie dieses Argument ebenfalls nicht von ihrer Unterhaltspflicht befreien. Bis zu ihrer freiwilligen Kündigung des Arbeitsverhältnisses hat sie Ganztags gearbeitet und monatlich netto 940,- DM verdient. Grundsätzlich ist sie gem. §§ 1601, 1603 Abs. 2 BGB verpflichtet, so viel zu verdienen, daß ihr die Unterhaltsleistung möglich ist. Gegebenenfalls muß sie deshalb auch Ganztags arbeiten, wenn sie Wert auf einen für sie verbleibenden Betrag von 650,- DM liegt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Abgesehen davon gilt aber folgendes:</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das fiktive Einkommen der Antragstellerin ist in der Tat nicht uneingeschränkt als Unterhalt an den Antragsgegner auszukehren. Der Antragstellerin muß innerhalb der Grenzen der obigen Ausführungen der notwendige Selbstbehalt von 650,- DM verbleiben. Ihr steht jedoch außer dem fiktiven Arbeitseinkommen noch ein Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann zu. Dieser vermindert sich zwar wegen ... ihres eigenen - fiktiven - Einkommens, welches auf denselben anzurechnen ist. Bei der unter Anwendung der Düsseldorfer Tabelle bzw. der Hammer Leitlinien vorzunehmenden Berechnung verbleibt der Antragstellerin jedoch bei Erfüllung der Unterhaltspflicht von nur 130,- DM voraussichtlich der Selbstbehalt. Davon kann jedenfalls innerhalb der summarischen Prüfung des Armenrechtsverfahrens ausgegangen werden.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Bedenken bestehen gegen die hier vertretene Ansicht nicht deshalb, weil die Klägerin möglicherweise nicht verpflichtet ist, aus ihrem Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann Leistungen an den Antragsgegner zu erbringen. Dies folgt schon daraus, daß ihr während des Zusammenlebens mit ihrem Ehemann gem. § 1360a II BGB ein Geldanspruch, aus dem Unterhalt geleistet werden könnte, nicht zusteht (zu dieser Frage vgl. OLG Hamm Beschluß vom 20.10.1977 - 3 WF 269/77 - a.A. OLG Düsseldorf Urteil vom 09.01.1978 - 2 UF 315/77 -). Gleichwohl mindert sich <u>dieBedürftigkeit</u> der Klägerin um eben diesen Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann. Der volle Selbstbehalt von 650,- DM brauch ihr daher, wenn der Ehemann für Unterkunft und Verpflegung aufkommt, nicht zu verbleiben. Selbst aus dem fiktiven Einkommen einer Halbtagsarbeit kann daher die Klägerin den Unterhaltsanspruch des Beklagten im Ergebnis befriedigen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 118 a IV BGB analog.</p>
|
315,987 | ag-dortmund-1979-09-14-121-c-15179 | {
"id": 647,
"name": "Amtsgericht Dortmund",
"slug": "ag-dortmund",
"city": 407,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 121 C 151/79 | 1979-09-14T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:30 | 2019-03-27T09:41:42 | Urteil | ECLI:DE:AGDO:1979:0914.121C151.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1.Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p>2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.</p>
<p></p>
<p></p>
<p>3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>4. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in </p>
<p> Höhe von 120,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der </p>
<p> Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px"><b>T a t b e s t a n d :</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">Aufgrund schriftlichen Mietvertrags vom 10.01.1978 war der Beklagte ab 15.01.1978 Mieter einer 2-Zimmerwohnung im Dachgeschoss des Hauses E, T-Straße, zu einem monatlich im Voraus bis zum dritten Werktag eines jeden Monats fälligen Mietzins von 450,00 DM zuzüglich Nebenkosten. Der Kläger ist seit dem 01.06.1978 Eigentümer des Grundstücks. Ab 10.07.1978 mindert der Beklagte den Mietzins um 25 % wegen der Taubenhaltung auf dem Nachbargrundstück.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">Der Kläger verlangt restlichen Mietzins von monatlich je 112,50 DM für die Zeit vom 01.07.1978 bis 28.02.1979 und behauptet, der Beklagte sei vor der Vermietung auf die Taubenhaltung ausdrücklich hingewiesen worden. Er habe auch bis zur Veräußerung an den Kläger keine Beanstandungen erhoben und den Mietzins in voller Höhe ohne Vorbehalt an den Voreigentümer gezahlt. Erstmals mit Schreiben vom 26.06.1978 habe er die Taubenhaltung beanstandet. Eine Mietzinsminderung sei nicht berechtigt. Eine Beeinträchtigung liege nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">den Beklagten zur Zahlung von 900,00 DM nebst 4 % Zinsen von 450,00 DM seit dem 05.10.1978 und von weiteren 225,00 DM seit dem 05.02.1979 zu verurteilen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">Er bestreitet, dass vor der Anmietung auf die Taubenhaltung hingewiesen worden sei. Die Besichtigung der Wohnung habe nur einige Minuten gedauert. In den ersten Tagen sei nur viel Flügelflattern, Pickgeräusche usw. zu hören gewesen. Nachdem diese Geräusche nie nachgelassen hätten, habe er festgestellt, dass sich ein Taubenschlag an den Seitenwänden beider, hintereinanderliegender Räume befunden habe, in dem mehrere 100 Tauben gehalten worden seien. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang seien ständig Geräusche der Tauben zu hören gewesen. Besonders ab Frühjahr sei es schlimm gewesen, nachdem die Tauben zu Flügen herausgelassen worden seien. Ab 04:00 Uhr morgens habe man überhaupt keine Ruhe mehr finden können. Außerdem seien die Fenster durch Taubenkot dauernd verschmutzt gewesen. Der Nachbar habe auch verlangt, dass der Beklagte seine Fenster zeitweilig zu schließen habe. Ab April 1978 sei dann der Kläger um Abhilfe gebeten worden. Der Voreigentümer habe dem Züchter Isoliermaterial zur Verfügung gestellt, weshalb es wegen Isolierungsarbeiten noch bis zum Auszug zu dauernden Arbeitsgeräuschen wie Sägen, Hämmern usw. gekommen sei. Außerdem habe der Züchter täglich bis zu mehreren Stunden im Taubenschlag den Mist entfernt durch Schaben und Kratzen, so auch an Wochenenden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px"><b>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</b></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">Die Klage ist nicht begründet. Ein Anspruch auf Zahlung restlichen Mietzins gem. § 535 Satz 2 BGB besteht nicht. Der Mietzins ist um 112,50 DM monatlich gemindert gewesen, § 537 BGB. Der Beklagte hat im Einzelnen vorgetragen, dass seit den frühen Morgenstunden es zu nicht unerheblichen Geräuschen wegen der Taubenhaltung gekommen ist. Unstreitig sind mehrere 100 Tauben in dem Taubenschlag gewesen. Der Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, dass sich die Geräusche der Tauben tagsüber hinzogen. Zeitweise ergaben sich Schabgeräusche wegen der Säuberung des Taubenstalles und Hämmern und Klopfen wegen der Isolierarbeiten. Außerdem hat unstreitig der Taubenhalter zumindest die zeitweilige Schließung der Fenster verlangt. Dadurch ergab sich eine erhebliche Beeinträchtigung der Benutzbarkeit der Wohnung. Die Minderung um ¼ des Mietzinses ist daher gerechtfertigt. Der Kläger hat die Berechtigung zur Minderung bestritten. Dieses ist jedoch trotz gerichtlichen Hinweises nur pauschal ohne nähere Einzelheiten geschehen. Der Kläger ist daher seinen Substantiierungspflichten nicht nachgekommen, so dass der Vortrag des Beklagten nach § 138 Abs. III ZPO als zugestanden zu gelten hat. Das Minderungsrecht ist auch nicht gem. § 539 BGB ausgeschlossen. Auch insoweit hat der Kläger seiner Substantiierungspflicht nicht genügt. Es ist nicht vorgetragen, in welcher Weise auf welche Art von Belästigung hingewiesen worden sein soll. Das Minderungsrecht ist auch nicht analog § 539 BGB deswegen erloschen, weil der Beklagte den Mietzins an den Voreigentümer ohne Vorbehalt gezahlt habe (vgl. BGH/MDR 1975, 134). Dabei kommt es auf den Einzelfall an. Unbestritten ist die Behauptung des Beklagten geblieben, dass der Voreigentümer dem Taubenhalter Isoliermaterial zur Verfügung gestellt hat.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">Dann konnte der Beklagte zunächst davon ausgehen, dass eine Änderung herbeigeführt wird. In der Zahlung ohne Vorbehalt ist daher ein Verzicht auf die Minderung noch nicht zu sehen. Soweit der Kläger vorträgt, dass seit Juli 1978 insofern eine Änderung eingetreten ist, dass die beiden neben der Wohnung liegenden Taubenschläge auf eine andere Straßenseite verlegt worden seien, ist nicht dargelegt, ob seit Juli 1978 überhaupt keine Tauben mehr neben der Wand an der Wohnung gehalten wurden. Die Klage war daher mit den Nebenentscheidungen aus §§ 91, 708 Ziff. 11, 711, 713 ZPO abzuweisen.</p>
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315,988 | olgham-1979-09-11-15-w-6979 | {
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"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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} | 15 W 69/79 | 1979-09-11T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:32 | 2019-03-27T09:41:42 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1979:0911.15W69.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. </p>
<p>Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Gründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I)</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der am 13. Dezember 1892 geborene Erblasser war seit dem 19. Juni 1916 mit seiner zwei Jahre jüngeren Ehefrau xxx verheiratet. Aus der Ehe sind der am 17. Februar 1926 geborene Beteiligte zu 2) und die am 20. Oktober 1919 geborene Beteiligte zu 3) hervorgegangen. Frau xxx ist am 6. April 1976 verstorben und von den Beteiligten zu 2) und 3) beerbt worden. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Eheleute bewirtschafteten bis etwa 1944 einen Hof in xxx. Gegen Kriegsende flüchtete der Erblasser nach Westdeutschland. Er lebte hier in xxx mit einer Frau xxx zusammen. Frau xxx hat am 7. März 1944 in xxx den Beteiligten zu 1) und am 7. November 1946 in xxx den Sohn xxx geboren. Als Eltern dieses Kindes wurden im Geburtenbuch des Standesamtes xxx der Landwirt xxx und xxx eingetragen (Nr. xxx). Der Beteiligte zu 1) wurde Ostern 1950 unter dem Namen "xxx" als "Sohn des Landwirts xxx" eingeschult. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Am 8. Juli 1946 errichtete der Erblasser ein notarielles Testament (Urkundenrolle Nr. xxx des Notars xxx in xxx). </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Darin heißt es:</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">"Zu meinem alleinigen Erben setze ich ein den am 7. März 1944 geborenen xxx in xxx. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Meine erste Ehe ist geschieden. Meine Kinder aus dieser Ehe sind bereits abgefunden, so daß sie keinerlei Ansprüche an meinen Nachlaß mehr haben. "</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Frau xxx, die noch zu Lebzeiten des Erblassers einen Herrn xxx heiratete und inzwischen verstorben ist, gab am 7. Februar 1958 vor dem Amtsgericht xxx eine eidesstattliche Versicherung ab, wonach ihre Kinder xxx und xxx nichtehelich geboren seien; ihr Erzeuger sei xxx, der Erblasser. Er habe sie vor Verwandten und Behörden als seine Ehefrau ausgegeben und ihr wiederholt versprochen, sie zu heiraten. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Erblasser erkannte am 9. Februar 1959 vor dem Amtsgericht xxx die Vaterschaft zu den Kindern xxx und xxx an (62 VII L 2265 AG xxx). Dabei bezeichnete er sich als verheiratet. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Auf Antrag des Beteiligten zu 2) hat das Amtsgericht unter dem 23. Dezember 1976 - in Unkenntnis des Testaments vom 8. Juli 1946 - einen gemeinschaftlichen Erbschein dahin erteilt, daß der Erblasser auf Grund gesetzlicher Erbfolge von seiner nachverstorbenen Ehefrau xxx zu 1/2 Anteil und von den Beteiligten zu 2) und 3) zu je 1/4 Anteil beerbt worden sei. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte zu 1) hat mit Schriftsatz vom 31. Mai 1978 beantragt, diesen Erbschein als unrichtig einzuziehen. Er hat die Auffassung vertreten, daß er auf Grund des Testaments vom 8. Juli 1946 Alleinerbe nach seinem Vater geworden sei. Dazu hat er behauptet, seine Mutter sei mit dem Erblasser verheiratet gewesen, nachdem dessen erste Ehe geschieden worden sei. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte zu 2) hat dieser Darstellung widersprochen. Mit Schriftsatz vom 11. Juli 1978 hat er das Testament gemäß §§ 2078, 2079 BGB angefochten. Er hat ausgeführt: Die Ehe seiner Eltern sei niemals geschieden worden. Der Erblasser habe sich somit zur Zeit der Testamentserrichtung in einem Irrtum befunden, der die Anfechtung rechtfertige. Ebenso unrichtig sei die testamentarische Erklärung, die ehelichen Kinder seien abgefundenen; in Wirklichkeit habe der Erblasser zu keiner Zeit eine Abfindung an seine Kinder gezahlt. Im übrigen habe der Erblasser durch die Übergehung seiner Ehefrau als Pflichtteilsberechtigter einen Anfechtungsgrund nach § 2079 BGB gegeben. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Mit Beschluß vom 28. Dezember 1978 hat das Amtsgericht die beantragte Einziehung des Erbscheins abgelehnt, da die testamentarische Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) wirksam angefochten sei. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat das Landgericht durch Beschluß vom 9. Februar 1979 unter Aufhebung der amtsgerichtlichen Entscheidung die Einziehung des Erbscheins angeordnet und den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2) vom 21. Dezember 1976 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2). </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">II)</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Das Rechtsmittel ist statthaft, in rechter Form eingelegt und auch sonst zulässig. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz; denn die Beschwerdeentscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 FGG). Das Landgericht hat nicht alle für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt und infolgedessen den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">1.) In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht mit Recht von der Zulässigkeit der Erstbeschwerde ausgegangen. Hat das Nachlaßgericht einen Erbschein erteilt, d.h. eine Ausfertigung ausgehändigt, so kann wahlweise dagegen Beschwerde mit dem Ziel der Einziehung eingelegt oder beim Nachlaßgericht die Einziehung beantragt werden. (Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 11. Aufl., Rdn. 4 zu § 84 FGG). Der Beteiligte zu 1) hat in zulässiger Weise den letzteren Weg gewählt. Gegen die Ablehnung seines Antrags war er beschwerdebefugt (§ 20 Abs. 1 FGG), da der Erbschein das von ihm in Anspruch genommene Erbrecht als testamentarischer Alleinerbe beeinträchtigt. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">2.) In der Sache selbst hängt die Entscheidung davon ab, ob das Testament vom 8. Juli 1946 eine wirksame Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) enthält. Ist dies der Fall, so ist der erteilte Erbschein nach § 2361 BGB als unrichtig einzuziehen; denn die Beteiligten zu 2) und 3) sowie ihre verstorbene Mutter sind dann - ungeachtet bestehender Pflichtteilsansprüche - von der Erbfolge ausgeschlossen. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Das Beschwerdegericht hat dazu ausgeführt: Die Testamentsanfechtung greife nicht durch, weil nicht nachzuweisen sei, daß der Erblasser zu der angefochtenen Erbeinsetzung durch die irrige Annahme seiner Scheidung bewogen worden sei oder das Pflichtteilsrecht seiner Ehefrau nicht gekannt habe. Die Umstände des Falles sprächen dafür, daß der Erblasser die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) durch bewußt falsche Angaben über seine Scheidung und über eine Abfindung der ehelichen Kinder zu motivieren versucht habe. Im übrigen sei anzunehmen, daß er - einen Irrtum über die Scheidung unterstellt - auch bei Kenntnis von dem Fortbestand seiner Ehe nicht anders testiert hätte; denn er habe damals eine neue Familie gegründet und sich endgültig von seiner Ehefrau abgewandt. - Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit des Testaments seien nicht ersichtlich. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Diese Erwägungen halten nur zum Teil einer rechtlichen Nachprüfung stand. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">a) Was zunächst die Frage der Sittenwidrigkeit der Erbeinsetzung angeht, läßt die Beschwerdeentscheidung zwar nicht erkennen, von welchen Wertungen das Landgericht sich im einzelnen hat leiten lassen (§ 25 FGG). Auf diesem Mangel beruht der angefochtene Beschluß jedoch nicht. Bei dem Merkmal des Sittenverstoßes nach § 138 Abs. 1 BGB handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen das Rechtsbeschwerdegericht auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen selbständig zu prüfen hat, (Keidel/Kuntze/Winkler, Rdn. 30 zu § 27 EGG). Die Würdigung durch den Senat ergibt, daß die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) mit den guten Sitten zu vereinbaren ist. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Ob eine letztwillige Verfügung gegen die guten Sitten verstößt, beurteilt sich nach dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden (st. Rspr.; vgl. die Nachweise bei Palandt/Heinrichs, BGB, 38. Aufl., Anm. 1 b zu § 138). Dabei ist von dem das Erbrecht beherrschenden Grundsatz der Testierfreiheit auszugehen, wonach der Erblasser - von Ausnahmen abgesehen - von Todes wegen frei über sein Vermögen verfügen darf, ohne durch das der gesetzlichen Erbfolge zugrunde liegende sittliche Prinzip (Gernhuber in FamRZ 1960, 326) beschränkt zu sein. Welche Beweggründe den Erblasser veranlassen, bei der Verteilung seines Nachlasses von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen, ist grundsätzlich ohne Bedeutung. Der entscheidende Grund für die Sittenwidrigkeit einer letztwilligen Verfügung liegt in der unredlichen Gesinnung des Erblassers, wie sie in dem Rechtsgeschäft selbst zum Ausdruck kommt und eine Verwirklichung erstrebt (BGHZ 20, 71, 73/74). Es kommt deshalb allein auf den sich aus Inhalt, Beweggrund und Zweck ergebenden Gesamtcharakter des Rechtsgeschäfts an, der an der Sittenordnung zu messen ist. Daher ist neben der Präge, welche Beziehungen den Erblasser mit dem Bedachten verbunden haben, insbesondere zu berücksichtigen, wer zugunsten des Bedachten zurückgesetzt worden ist, in welchen Beziehungen der Erblasser zu den Zurückgesetzten stand und wie sich die Verfügung für sie auswirkt. Neben der Enge der Beziehungen des Erblassers zu den Zurückgesetzten kann von Bedeutung sein, wie diese Personen im übrigen wirtschaftlich gestellt sind, ferner, woher das dem Bedachten zugewandte Vermögen stammt. Diese vom Bundesgerichtshof für die Beurteilung eines "Geliebten-Testaments" entwickelten Grundsätze (BGHZ 53, 369, 374 ff) sind auch für die Beurteilung des vorliegenden Testaments bedeutsam. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Einsetzung eines nichtehelichen Kindes zum Alleinerben unter Zurücksetzung der Ehefrau und der ehelichen Abkömmlinge ist in der Vergangenheit mehrfach als sittenwidrig betrachtet worden, da die Stellung des nichtehelichen Kindes dadurch in einer Weise überbewertet werde, die nicht durch das Gleichstellungsgebot des Art. 6 Abs. 5 GG gerechtfertigt sei (OLG Frankfurt FamRZ 1960, 79; LG Lübeck FamRZ 1962, 312; Palandt/Keidel, BGB, 21. Aufl., Anm. 1 A b aa zu § 2077). Diese Auffassung konnte sich darauf stützen, daß nach § 1589 Abs. 2 BGB a.F. uneheliche Kinder - wie sie damals bezeichnet wurden - und ihre Erzeuger nicht als verwandt galten, ein uneheliches Kind also im Verhältnis zur Familie seines Vaters als familienfremd angesehen wurde. Unter dem Einfluß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (namentlich BVerfGE 25, 167 = NJW 1969, 597) und im Hinblick auf die gesetzliche Neuregelung des Nichtehelichen-Erbrechts (§§ 1589, 1934 a ff BGB i.d.F. des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder (NEhelG) vom 19.8.1969) ist inzwischen ein Wandel dieser Auffassung eingetreten. Das Bundesverfassungsgericht hat in der genannten Entscheidung hervorgehoben, daß zwischen den Absätzen 1 (Schutz der Familie) und 5 (Gleichstellung des nichtehelichen Kindes) des Art. 6 GG kein Widerspruch bestehe, die Familie im Sinne des Abs. 1 vielmehr auch das nichteheliche Kind umfasse. Der Gesetzgeber hat diesem Gedanken mit der Neuregelung des Nichtehelichen-Erbrechts Rechnung getragen. Seit dem Inkrafttreten des NEhelG sind nichteheliche Kinder auch im Rechtssinne mit ihren Vätern verwandt; denn § 1589 Abs. 2 BGB a.F. ist ersatzlos gestrichen. Die nichtehelichen Kinder sind damit hinsichtlich ihres Erbrechts grundsätzlich den ehelichen gleichgestellt; sie zählen zu den gesetzlichen Erben der ersten Ordnung nach § 1924 BGB (Palandt/Keidel, BGB, 38. Aufl., Anm. 3 B b aa zu § 1924). Ihr gesetzliches Erbrecht ist zwar nach § 1934 a BGB ausgeschlossen, wenn sie mit der Ehefrau und/oder ehelichen Abkömmlingen des Erblassers zusammentreffen. Indes sind sie auch in diesen Fällen wertmäßig in gleicher Weise am Nachlaß beteiligt, als wenn sie Erben geworden wären; denn nach § 1934 a Abs. 1 BGB steht ihnen dann ein Erbersatzanspruch in Höhe des Wertes des Erbteils zu. Entsprechend dieser Veränderung der Rechtslage hat sich auch die Einschätzung letztwilliger Verfügungen der vorliegenden Art gewandelt. Sie werden in der Regel nicht mehr als sittenwidrig angesehen, sofern nicht besondere Umstände hinzutreten (Thielmann, Sittenwidrige Verfügungen von Todes wegen, S. 248ff; Bosch in FamRZ 1972, 175; Palandt/ Keidel a.a.O.). Dem ist zuzustimmen. Die alleinige Erbeinsetzung eines nichtehelichen Kindes unter Zurücksetzung der Ehefrau und ehelicher Kinder ist grundsätzlich nicht anders zu "betrachten, als wenn der Erblasser eines von mehreren ehelichen Kindern als Alleinerben einsetzt und damit seine Witwe und die übrigen Kinder auf den Pflichtteil setzt. Eine solche Regelung hält sich im Rahmen der Testierfreiheit und kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände als sittenwidrig angesehen werden. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">An dieser Wertung hat sich auch die Beurteilung des vorliegenden Testaments auszurichten. Für die Frage, ob eine letztwillige Verfügung sittenwidrig ist, kommt es zwar - wie auch bei Rechtsgeschäften unter Lebenden - grundsätzlich auf die tatsächlichen Verhältnisse zur Zeit ihrer Errichtung an, so daß zwischenzeitliche Änderungen der Gegebenheiten regelmäßig außer Betracht zu bleiben haben (BGHZ 20, 71 = NJW 1956, 965 m. Anm. Rechenmacher = FamRZ 1956, 150; FamRZ 1969, 323; WPM 1977, 399; Palandt/ Keidel, Anm. 1 A b aa zu § 2077 m. weit. Nachw. ). Dies gilt jedoch nach herrschender Meinung nicht, wenn sich nicht die tatsächlichen Verhältnisse, sondern die sittlichen Anschauungen ändern; es kommt dann auf den Zeitpunkt nicht der Vornahme des Rechtsgeschäfts, sondern der richterlichen Beurteilung an (BGB-RGRK/Krüger-Nieland, 11. Aufl. Anm. 3 zu § 138 m. weit. Nachw.; Johannsen in Anm. zu BGH LM § 138 (Cd) BGB Nr. 6; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 2. Aufl., S. 511; Palandt/Keidel a.a.O.). Dieser Auffassung ist jedenfalls für Fälle der vorliegenden Art zuzustimmen, in denen ein Rechtsgeschäft zur Zeit der Entscheidung als regelmäßig sittengemäß gilt, während es zur Zeit seiner Vornahme als sittlich bedenklich angesehen wurde. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB soll nicht eintretenden der Urheber des Geschäfts anstößig gehandelt hat, sondern weil die Rechtsordnung die Auswirkungen des Geschäfts nicht hinnehmen kann. Billigt die gegenwärtige Rechtsordnung das Geschäft, so besteht kein Grund, es gleichwohl als nichtig anzusehen. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Berücksichtigung der jetzt geltenden Anschauungen steht es nicht entgegen, daß der Beteiligte zu 1) bereits 1944 geboren ist. Zwar bestimmt Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG, daß für die erbrechtlichen Verhältnisse eines vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes zu seinem Vater die bisher geltenden Vorschriften auch dann maßgebend bleiben, wenn der Erblasser nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes - d.h. nach dem 30. Juni 1970 - stirbt. Diese Vorschrift, die Übergangscharakter hat, ändert aber nichts an der grundsätzlichen Einschätzung der Rechtsstellung nichtehelicher Kinder, wie sie für das Wert- oder Unwerturteil nach § 138 Abs. 1 BGB maßgeblich ist. </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Besondere Umstände, die das Testament vom 8. Juli 1946 als sittenwidrig erscheinen lassen könnten, liegen nicht vor. Zwar spricht nach den Feststellungen des Landgerichts viel dafür, daß der Erblasser dem beurkundenden Notar gegenüber bewußt unwahre Angaben über die Scheidung seiner Ehe und über die Abfindung seiner ehelichen Kinder gemacht hat, um die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) zu rechtfertigen. Es liegt deshalb nahe, daß er die letztwillige Verfügung selbst als sittlich bedenklich angesehen hat. Dies allein reicht aber nicht aus, um einen Sittenverstoß zu bejahen; denn es handelt sich dabei nur um Begleitumstände und Einstellungen des Erblassers, die den Gesamtcharakter des Testaments nicht entscheidend prägen. Wichtiger sind die Verhältnisse, unter denen das Testament errichtet wurde, und seine Auswirkungen für die Beteiligten zu 1) bis 3). Der Erblasser hatte sich - wenn auch möglicherweise nicht für immer, wie noch darzulegen ist - von seiner Familie abgewandt und war eine neue Lebensgemeinschaft eingegangen innerhalb derer er die volle Verantwortung für den Beteiligten zu 1) - dessen Bruder xxx noch nicht geboren war - übernommen hatte. Nach den getroffenen Feststellungen sorgte er für den Unterhalt von Frau xxx und des Kindes und gab den Beteiligten zu 1) als sein eheliches Kind aus. Die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 kann deshalb zwanglos als Ausdruck der Verantwortung des Erblassers gegenüber dem Kinde angesehen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Beteiligte zu 1) zur Zeit der Testamentserrichtung erst zwei Jahre und damit völlig unversorgt war, während die Beteiligten zu 2) und 3) dem Elternhaus weitgehend entwachsen waren und für sich selbst sorgen konnten. Gravierende wirtschaftliche Nachteile für die Beteiligten zu 2) und 3) durch die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) waren deshalb nicht zu erwarten. Sie sind auch, soweit ersichtlich ist, nicht eingetreten, da die Beteiligten zu 2) und 3) auch heute versorgt sind. Schließlich liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß das väterliche Vermögen etwa unter maßgeblicher Beteiligung der Beteiligten zu 2) und 3) erwirtschaftet worden sei. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) verstößt mithin nicht gegen die guten Sitten.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">b) Der angefochtene Beschluß ist aus Rechtsgründen ferner nicht zu beanstanden, soweit es darum geht, ob das Testament wirksam nach § 2079 BGB angefochten worden ist. </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Nach dieser Vorschrift kann eine letztwillige Verfügung u.a. angefochten werden, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, dessen Vorhandensein ihm bei der Errichtung der Verfügung nicht bekannt war. Als Pflichtteilsberechtigte kamen zur Zeit der Testamentserrichtung am 8. Juli 1946 die Beteiligten zu 2) und 3) und die Ehefrau des Erblassers in Betracht (§ 2303 Abs. 1 und 2 BGB). Da der Erblasser vom Vorhandensein seiner ehelichen Kinder wußte - sie wurden ausdrücklich in dem Testament erwähnt -, könnte ihm allenfalls das Vorhandensein seiner Ehefrau als Pflichtteilsberechtigter unbekannt gewesen sein. Er müßte danach irrig geglaubt haben, von seiner Frau geschieden zu sein; denn das an sich bestehende Pflichtteilsrecht des Ehegatten konnte nur durch Scheidung weggefallen sein. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Einen derartigen Irrtum hat das Landgericht ohne Rechtsfehler verneint. Es konnte dabei dahingestellt lassen, ob die Ehe des Erblassers tatsächlich geschieden war oder nicht. War sie geschieden - wofür es nachprüfbare Anhaltspunkte nicht gibt -, so war damit auch das Pflichtteilsrecht der Ehefrau ausgeschlossen, und ein Irrtum nach § 2079 BGB schied schon begrifflich aus. Bestand die Ehe hingegen noch, so ist nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht auszuschließen, daß der Erblasser dies wußte und sich somit nicht über das Vorhandensein seiner Frau als Pflichtteilsberechtigter geirrt hat. Die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts bewegen sich auf dem Gebiet tatrichterlicher Würdigung. Sie ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nur dahin nachprüfbar, ob der Tatrichter den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen die Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat (Keidel/Kuntze/Winkler, Rdn. 42 zu § 27 FGG). Der angefochtene Beschluß läßt in keiner Richtung einen derartigen Rechtsfehler erkennen. Das Landgericht hat den Sachverhalt in diesem Zusammenhang erschöpfend gewürdigt und seiner Aufklärungspflicht Genüge getan. Ein Ansatzpunkt für weitere erfolgversprechende Ermittlungen ist insoweit nicht ersichtlich. </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">c) Dagegen unterliegt der angefochtene Beschluß rechtlichen Bedenken, soweit das Landgericht auch die Anfechtbarkeit des Testaments nach § 2078 BGB verneint hat. Es hat hierbei nicht alle für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt und infolgedessen den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Nach § 2078 Abs. 2 BGB, der hier allein als Grundlage für ein Anfechtungsrecht in Betracht kommt, kann eine letztwillige Verfügung angefochten werden, soweit der Erblasser durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstandes zu ihr bestimmt worden ist. Dabei ist es gleichgültig, ob sich der Irrtum auf Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft bezieht (BayObLGZ 1962, 299, 308). Die Anfechtung kann allerdings nur auf solche Vorstellungen und Erwartungen gestützt werden, die der Erblasser bei der Testamentserrichtung wirklich gehabt hat, nicht auch auf solche, die er bei Kenntnis von ihm damals unbekannten Umständen gehabt haben würde. Indes gehören zu den wirklichen Vorstellungen und Erwartungen auch solche, die der Erblasser zwar nicht in sein Bewußtsein aufgenommen, aber als selbstverständlich seiner Verfügung zugrunde gelegt hat (sog. unbewußte Vorstellungen; BGH NJW 1963, 246; Betr 1971, 1859; BayObLGZ 1971, 147; Senatsbeschluß vom 24.10.1967 - 15 W 255/67 - = OLGZ 1968, 86 = MDR 1968, 499; BGB-RGRK/Johannsen, 12. Aufl., Rdn. 46 zu § 2078). </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Ausführungen des Landgerichts werden diesen Rechtsgrundsätzen nicht voll gerecht. Wie bereits dargelegt, ist es zwar nicht zu beanstanden, daß das Beschwerdegericht geglaubt hat, einen Irrtum des Erblassers über vergangene und gegenwärtige Umstände - nämlich die Scheidung seiner Ehe und die Abfindung der Beteiligten zu 2) und 3) - nicht feststellen zu können. Es hat aber versäumt zu prüfen, ob der Erblasser nicht über die künftige Entwicklung geirrt hat und bei Kenntnis dieser Entwicklung jedenfalls von der alleinigen Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) abgesehen hätte. In diesem Zusammenhang ist bedeutsam, daß der Erblasser nach Angaben des Beteiligten zu 2) etwa 1958/59 zu seiner Familie zurückgekehrt sein soll. Trifft diese - von dem Beteiligten zu 1) nicht bestrittene - Darstellung zu, so spricht viel dafür, daß das Testament nach § 2078 Abs. 2 BGB angefochten werden kann. </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Erblasser sich 1946 "endgültig" von seiner Ehefrau abgewandt und eine "neue Familie" gegründet. Dies legt nahe, daß er - sei es bewußt oder unbewußt - auch bestimmte Erwartungen für die Zukunft gehegt hat: Daß nämlich seine Bindung zu Frau xxx und dem nichtehelichen Kind von Dauer sein und er auch künftig nicht zu seiner Ehefrau und seinen ehelichen Kindern zurückkehren werde. Beide Vorstellungen haben sich, soweit bisher festzustellen ist, zumindest teilweise nicht bewahrheitet: Zum einen hat Frau xxx noch zu Lebzeiten des Erblassers einen anderen Mann geheiratet, und zum anderen ist der Erblasser zu seiner Ehefrau und seinen Kindern zurückgekehrt. Bei dieser Sachlage drängt sich die Überlegung auf, ob der Erblasser nicht bei Vorausschau der künftigen Entwicklung anders testiert, insbesondere davon abgesehen hätte, die Beteiligten zu 2) und 3) auf den Pflichtteil zu setzen. Hierfür spricht insbesondere, daß er offenbar keinen sachlich begründeten Anlaß hatte, seine ehelichen Kinder von der Erbfolge auszuschließen; denn sonst hätte er es nicht für nötig gehalten, dafür einen vorgeschobenen Grund in seinem Testament anzugeben (Abfindung der ehelichen Kinder). </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Ob und inwieweit sich der Erblasser über die künftige Entwicklung geirrt hat, und wie er ohne diesen Irrtum letztwillig verfügt hätte läßt sich auf Grund der bisherigen Feststellungen nicht abschließend beantworten. Es bedarf hierzu weiterer Ermittlungen, die sich insbesondere darauf zu erstrecken haben werden, woran die Beziehung zu Frau xxx gescheitert ist, ob, wann und weshalb der Erblasser zu seiner Familie zurückgekehrt ist, und wie sich sein Verhältnis einerseits zu dem Beteiligten zu 1) und andererseits zu den Beteiligten zu 2) und 3) nach 1946 gestaltet hat. Da es dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht verwehrt ist, eigene Ermittlungen anzustellen, muß der angefochtene Beschluß aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen werden. </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">d) Hinsichtlich der weiteren Sachbehandlung darf folgendes bemerkt werden:</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">da) Die materielle Beweislast (Feststellungslast) für die Voraussetzungen des § 2078 Abs. 2 BGB trifft den Anfechtenden, wobei ein Beweis des ersten Anscheins ausscheidet (BGH NJW 1963, 247, 248; st.Rspr. des Senats). Wegen der weiten Fassung des § 2078 Abs. 2 BGB sind an den Nachweis, insbesondere der Kausalität zwischen der unbewußten Vorstellung und der letztwilligen Verfügung "keine zu geringen Anforderungen" zu stellen (Mattern in BWNotZ 1961, 277, 284). Läßt sich nach Abschluß aller zweckdienlichen Ermittlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, daß der Erblasser bei Kenntnis der künftigen Entwicklung anders testiert hätte, so geht die verbleibende Unklarheit zu Lasten des Anfechtenden. </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">db) Ferner wird zu beachten sein, daß § 2078 Abs. 2 BGB eine Anfechtung nur ermöglicht, "soweit" der Erblasser durch seinen Irrtum zu der Verfügung veranlaßt worden ist. Die Anfechtung führt deshalb nicht notwendigerweise zur Nichtigkeit der gesamten letztwilligen Verfügung; vielmehr kann diese je nach den Umständen teilweise Bestand haben (Palandt/Keidel, Anm. 6 zu § 2078 BGB; vgl. ferner zur Teilnichtigkeit von Testamenten: BGHZ 53, 369, 383). In diesem Zusammenhang wird zu erwägen sein, daß der Erblasser möglicherweise auch bei Vorausschau der künftigen Geschehnisse Wert darauf gelegt hätte, neben seiner Ehefrau und/oder den ehelichen Kindern auch den Beteiligten zu 1) als Erben einzusetzen. Hierfür könnte insbesondere sprechen, daß der Erblasser - wie bereits im einzelnen erörtert - zu dem Beteiligten zu 1) ein besonders enges Verhältnis hatte, so daß er ihn noch bei der Einschulung als sein eheliches Kind ausgegeben hat, daß der Beteiligte zu 1) wirtschaftlich offenbar unversorgt war, daß andererseits die ehelichen Kinder und möglicherweise auch die Ehefrau nicht mehr von Zuwendungen des Erblassers abhängig waren. </p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Sollte sich danach ergeben, daß der Beteiligte zu 1) Miterbe geworden ist, wird der erteilte Erbschein einzuziehen und der Erbscheinsantrag vom 21. Dezember 1976 zurückzuweisen sein, wie das Landgericht dies bereits in dem angefochtenen Beschluß - wenn auch aus anderen Gründen - angeordnet hat. Der Erbschein wird nur Bestand haben können, wenn das Testament infolge der erklärten Anfechtung insgesamt nichtig ist. </p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">dc) Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Landgericht auch darüber zu befinden haben, ob ein Beteiligter einem anderen Beteiligten außergerichtliche Kosten der weiteren Beschwerde zu erstatten hat (§ 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG). </p>
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<p>Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. </p>
<p>Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Gründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I)</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der am 13. Dezember 1892 geborene Erblasser war seit dem 19. Juni 1916 mit seiner zwei Jahre jüngeren Ehefrau xxx verheiratet. Aus der Ehe sind der am 17. Februar 1926 geborene Beteiligte zu 2) und die am 20. Oktober 1919 geborene Beteiligte zu 3) hervorgegangen. Frau xxx ist am 6. April 1976 verstorben und von den Beteiligten zu 2) und 3) beerbt worden. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Eheleute bewirtschafteten bis etwa 1944 einen Hof in xxx. Gegen Kriegsende flüchtete der Erblasser nach Westdeutschland. Er lebte hier in xxx mit einer Frau xxx zusammen. Frau xxx hat am 7. März 1944 in xxx den Beteiligten zu 1) und am 7. November 1946 in xxx den Sohn xxx geboren. Als Eltern dieses Kindes wurden im Geburtenbuch des Standesamtes xxx der Landwirt xxx und xxx eingetragen (Nr. xxx). Der Beteiligte zu 1) wurde Ostern 1950 unter dem Namen "xxx" als "Sohn des Landwirts xxx" eingeschult. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Am 8. Juli 1946 errichtete der Erblasser ein notarielles Testament (Urkundenrolle Nr. xxx des Notars xxx in xxx). </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Darin heißt es:</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">"Zu meinem alleinigen Erben setze ich ein den am 7. März 1944 geborenen xxx in xxx. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Meine erste Ehe ist geschieden. Meine Kinder aus dieser Ehe sind bereits abgefunden, so daß sie keinerlei Ansprüche an meinen Nachlaß mehr haben. "</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Frau xxx, die noch zu Lebzeiten des Erblassers einen Herrn xxx heiratete und inzwischen verstorben ist, gab am 7. Februar 1958 vor dem Amtsgericht xxx eine eidesstattliche Versicherung ab, wonach ihre Kinder xxx und xxx nichtehelich geboren seien; ihr Erzeuger sei xxx, der Erblasser. Er habe sie vor Verwandten und Behörden als seine Ehefrau ausgegeben und ihr wiederholt versprochen, sie zu heiraten. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Erblasser erkannte am 9. Februar 1959 vor dem Amtsgericht xxx die Vaterschaft zu den Kindern xxx und xxx an (62 VII L 2265 AG xxx). Dabei bezeichnete er sich als verheiratet. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Auf Antrag des Beteiligten zu 2) hat das Amtsgericht unter dem 23. Dezember 1976 - in Unkenntnis des Testaments vom 8. Juli 1946 - einen gemeinschaftlichen Erbschein dahin erteilt, daß der Erblasser auf Grund gesetzlicher Erbfolge von seiner nachverstorbenen Ehefrau xxx zu 1/2 Anteil und von den Beteiligten zu 2) und 3) zu je 1/4 Anteil beerbt worden sei. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte zu 1) hat mit Schriftsatz vom 31. Mai 1978 beantragt, diesen Erbschein als unrichtig einzuziehen. Er hat die Auffassung vertreten, daß er auf Grund des Testaments vom 8. Juli 1946 Alleinerbe nach seinem Vater geworden sei. Dazu hat er behauptet, seine Mutter sei mit dem Erblasser verheiratet gewesen, nachdem dessen erste Ehe geschieden worden sei. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte zu 2) hat dieser Darstellung widersprochen. Mit Schriftsatz vom 11. Juli 1978 hat er das Testament gemäß §§ 2078, 2079 BGB angefochten. Er hat ausgeführt: Die Ehe seiner Eltern sei niemals geschieden worden. Der Erblasser habe sich somit zur Zeit der Testamentserrichtung in einem Irrtum befunden, der die Anfechtung rechtfertige. Ebenso unrichtig sei die testamentarische Erklärung, die ehelichen Kinder seien abgefundenen; in Wirklichkeit habe der Erblasser zu keiner Zeit eine Abfindung an seine Kinder gezahlt. Im übrigen habe der Erblasser durch die Übergehung seiner Ehefrau als Pflichtteilsberechtigter einen Anfechtungsgrund nach § 2079 BGB gegeben. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Mit Beschluß vom 28. Dezember 1978 hat das Amtsgericht die beantragte Einziehung des Erbscheins abgelehnt, da die testamentarische Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) wirksam angefochten sei. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat das Landgericht durch Beschluß vom 9. Februar 1979 unter Aufhebung der amtsgerichtlichen Entscheidung die Einziehung des Erbscheins angeordnet und den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2) vom 21. Dezember 1976 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2). </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">II)</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Das Rechtsmittel ist statthaft, in rechter Form eingelegt und auch sonst zulässig. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz; denn die Beschwerdeentscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 FGG). Das Landgericht hat nicht alle für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt und infolgedessen den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">1.) In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht mit Recht von der Zulässigkeit der Erstbeschwerde ausgegangen. Hat das Nachlaßgericht einen Erbschein erteilt, d.h. eine Ausfertigung ausgehändigt, so kann wahlweise dagegen Beschwerde mit dem Ziel der Einziehung eingelegt oder beim Nachlaßgericht die Einziehung beantragt werden. (Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 11. Aufl., Rdn. 4 zu § 84 FGG). Der Beteiligte zu 1) hat in zulässiger Weise den letzteren Weg gewählt. Gegen die Ablehnung seines Antrags war er beschwerdebefugt (§ 20 Abs. 1 FGG), da der Erbschein das von ihm in Anspruch genommene Erbrecht als testamentarischer Alleinerbe beeinträchtigt. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">2.) In der Sache selbst hängt die Entscheidung davon ab, ob das Testament vom 8. Juli 1946 eine wirksame Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) enthält. Ist dies der Fall, so ist der erteilte Erbschein nach § 2361 BGB als unrichtig einzuziehen; denn die Beteiligten zu 2) und 3) sowie ihre verstorbene Mutter sind dann - ungeachtet bestehender Pflichtteilsansprüche - von der Erbfolge ausgeschlossen. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Das Beschwerdegericht hat dazu ausgeführt: Die Testamentsanfechtung greife nicht durch, weil nicht nachzuweisen sei, daß der Erblasser zu der angefochtenen Erbeinsetzung durch die irrige Annahme seiner Scheidung bewogen worden sei oder das Pflichtteilsrecht seiner Ehefrau nicht gekannt habe. Die Umstände des Falles sprächen dafür, daß der Erblasser die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) durch bewußt falsche Angaben über seine Scheidung und über eine Abfindung der ehelichen Kinder zu motivieren versucht habe. Im übrigen sei anzunehmen, daß er - einen Irrtum über die Scheidung unterstellt - auch bei Kenntnis von dem Fortbestand seiner Ehe nicht anders testiert hätte; denn er habe damals eine neue Familie gegründet und sich endgültig von seiner Ehefrau abgewandt. - Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit des Testaments seien nicht ersichtlich. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Diese Erwägungen halten nur zum Teil einer rechtlichen Nachprüfung stand. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">a) Was zunächst die Frage der Sittenwidrigkeit der Erbeinsetzung angeht, läßt die Beschwerdeentscheidung zwar nicht erkennen, von welchen Wertungen das Landgericht sich im einzelnen hat leiten lassen (§ 25 FGG). Auf diesem Mangel beruht der angefochtene Beschluß jedoch nicht. Bei dem Merkmal des Sittenverstoßes nach § 138 Abs. 1 BGB handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen das Rechtsbeschwerdegericht auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen selbständig zu prüfen hat, (Keidel/Kuntze/Winkler, Rdn. 30 zu § 27 EGG). Die Würdigung durch den Senat ergibt, daß die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) mit den guten Sitten zu vereinbaren ist. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Ob eine letztwillige Verfügung gegen die guten Sitten verstößt, beurteilt sich nach dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden (st. Rspr.; vgl. die Nachweise bei Palandt/Heinrichs, BGB, 38. Aufl., Anm. 1 b zu § 138). Dabei ist von dem das Erbrecht beherrschenden Grundsatz der Testierfreiheit auszugehen, wonach der Erblasser - von Ausnahmen abgesehen - von Todes wegen frei über sein Vermögen verfügen darf, ohne durch das der gesetzlichen Erbfolge zugrunde liegende sittliche Prinzip (Gernhuber in FamRZ 1960, 326) beschränkt zu sein. Welche Beweggründe den Erblasser veranlassen, bei der Verteilung seines Nachlasses von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen, ist grundsätzlich ohne Bedeutung. Der entscheidende Grund für die Sittenwidrigkeit einer letztwilligen Verfügung liegt in der unredlichen Gesinnung des Erblassers, wie sie in dem Rechtsgeschäft selbst zum Ausdruck kommt und eine Verwirklichung erstrebt (BGHZ 20, 71, 73/74). Es kommt deshalb allein auf den sich aus Inhalt, Beweggrund und Zweck ergebenden Gesamtcharakter des Rechtsgeschäfts an, der an der Sittenordnung zu messen ist. Daher ist neben der Präge, welche Beziehungen den Erblasser mit dem Bedachten verbunden haben, insbesondere zu berücksichtigen, wer zugunsten des Bedachten zurückgesetzt worden ist, in welchen Beziehungen der Erblasser zu den Zurückgesetzten stand und wie sich die Verfügung für sie auswirkt. Neben der Enge der Beziehungen des Erblassers zu den Zurückgesetzten kann von Bedeutung sein, wie diese Personen im übrigen wirtschaftlich gestellt sind, ferner, woher das dem Bedachten zugewandte Vermögen stammt. Diese vom Bundesgerichtshof für die Beurteilung eines "Geliebten-Testaments" entwickelten Grundsätze (BGHZ 53, 369, 374 ff) sind auch für die Beurteilung des vorliegenden Testaments bedeutsam. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Einsetzung eines nichtehelichen Kindes zum Alleinerben unter Zurücksetzung der Ehefrau und der ehelichen Abkömmlinge ist in der Vergangenheit mehrfach als sittenwidrig betrachtet worden, da die Stellung des nichtehelichen Kindes dadurch in einer Weise überbewertet werde, die nicht durch das Gleichstellungsgebot des Art. 6 Abs. 5 GG gerechtfertigt sei (OLG Frankfurt FamRZ 1960, 79; LG Lübeck FamRZ 1962, 312; Palandt/Keidel, BGB, 21. Aufl., Anm. 1 A b aa zu § 2077). Diese Auffassung konnte sich darauf stützen, daß nach § 1589 Abs. 2 BGB a.F. uneheliche Kinder - wie sie damals bezeichnet wurden - und ihre Erzeuger nicht als verwandt galten, ein uneheliches Kind also im Verhältnis zur Familie seines Vaters als familienfremd angesehen wurde. Unter dem Einfluß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (namentlich BVerfGE 25, 167 = NJW 1969, 597) und im Hinblick auf die gesetzliche Neuregelung des Nichtehelichen-Erbrechts (§§ 1589, 1934 a ff BGB i.d.F. des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder (NEhelG) vom 19.8.1969) ist inzwischen ein Wandel dieser Auffassung eingetreten. Das Bundesverfassungsgericht hat in der genannten Entscheidung hervorgehoben, daß zwischen den Absätzen 1 (Schutz der Familie) und 5 (Gleichstellung des nichtehelichen Kindes) des Art. 6 GG kein Widerspruch bestehe, die Familie im Sinne des Abs. 1 vielmehr auch das nichteheliche Kind umfasse. Der Gesetzgeber hat diesem Gedanken mit der Neuregelung des Nichtehelichen-Erbrechts Rechnung getragen. Seit dem Inkrafttreten des NEhelG sind nichteheliche Kinder auch im Rechtssinne mit ihren Vätern verwandt; denn § 1589 Abs. 2 BGB a.F. ist ersatzlos gestrichen. Die nichtehelichen Kinder sind damit hinsichtlich ihres Erbrechts grundsätzlich den ehelichen gleichgestellt; sie zählen zu den gesetzlichen Erben der ersten Ordnung nach § 1924 BGB (Palandt/Keidel, BGB, 38. Aufl., Anm. 3 B b aa zu § 1924). Ihr gesetzliches Erbrecht ist zwar nach § 1934 a BGB ausgeschlossen, wenn sie mit der Ehefrau und/oder ehelichen Abkömmlingen des Erblassers zusammentreffen. Indes sind sie auch in diesen Fällen wertmäßig in gleicher Weise am Nachlaß beteiligt, als wenn sie Erben geworden wären; denn nach § 1934 a Abs. 1 BGB steht ihnen dann ein Erbersatzanspruch in Höhe des Wertes des Erbteils zu. Entsprechend dieser Veränderung der Rechtslage hat sich auch die Einschätzung letztwilliger Verfügungen der vorliegenden Art gewandelt. Sie werden in der Regel nicht mehr als sittenwidrig angesehen, sofern nicht besondere Umstände hinzutreten (Thielmann, Sittenwidrige Verfügungen von Todes wegen, S. 248ff; Bosch in FamRZ 1972, 175; Palandt/ Keidel a.a.O.). Dem ist zuzustimmen. Die alleinige Erbeinsetzung eines nichtehelichen Kindes unter Zurücksetzung der Ehefrau und ehelicher Kinder ist grundsätzlich nicht anders zu "betrachten, als wenn der Erblasser eines von mehreren ehelichen Kindern als Alleinerben einsetzt und damit seine Witwe und die übrigen Kinder auf den Pflichtteil setzt. Eine solche Regelung hält sich im Rahmen der Testierfreiheit und kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände als sittenwidrig angesehen werden. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">An dieser Wertung hat sich auch die Beurteilung des vorliegenden Testaments auszurichten. Für die Frage, ob eine letztwillige Verfügung sittenwidrig ist, kommt es zwar - wie auch bei Rechtsgeschäften unter Lebenden - grundsätzlich auf die tatsächlichen Verhältnisse zur Zeit ihrer Errichtung an, so daß zwischenzeitliche Änderungen der Gegebenheiten regelmäßig außer Betracht zu bleiben haben (BGHZ 20, 71 = NJW 1956, 965 m. Anm. Rechenmacher = FamRZ 1956, 150; FamRZ 1969, 323; WPM 1977, 399; Palandt/ Keidel, Anm. 1 A b aa zu § 2077 m. weit. Nachw. ). Dies gilt jedoch nach herrschender Meinung nicht, wenn sich nicht die tatsächlichen Verhältnisse, sondern die sittlichen Anschauungen ändern; es kommt dann auf den Zeitpunkt nicht der Vornahme des Rechtsgeschäfts, sondern der richterlichen Beurteilung an (BGB-RGRK/Krüger-Nieland, 11. Aufl. Anm. 3 zu § 138 m. weit. Nachw.; Johannsen in Anm. zu BGH LM § 138 (Cd) BGB Nr. 6; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 2. Aufl., S. 511; Palandt/Keidel a.a.O.). Dieser Auffassung ist jedenfalls für Fälle der vorliegenden Art zuzustimmen, in denen ein Rechtsgeschäft zur Zeit der Entscheidung als regelmäßig sittengemäß gilt, während es zur Zeit seiner Vornahme als sittlich bedenklich angesehen wurde. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB soll nicht eintretenden der Urheber des Geschäfts anstößig gehandelt hat, sondern weil die Rechtsordnung die Auswirkungen des Geschäfts nicht hinnehmen kann. Billigt die gegenwärtige Rechtsordnung das Geschäft, so besteht kein Grund, es gleichwohl als nichtig anzusehen. </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Berücksichtigung der jetzt geltenden Anschauungen steht es nicht entgegen, daß der Beteiligte zu 1) bereits 1944 geboren ist. Zwar bestimmt Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG, daß für die erbrechtlichen Verhältnisse eines vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes zu seinem Vater die bisher geltenden Vorschriften auch dann maßgebend bleiben, wenn der Erblasser nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes - d.h. nach dem 30. Juni 1970 - stirbt. Diese Vorschrift, die Übergangscharakter hat, ändert aber nichts an der grundsätzlichen Einschätzung der Rechtsstellung nichtehelicher Kinder, wie sie für das Wert- oder Unwerturteil nach § 138 Abs. 1 BGB maßgeblich ist. </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Besondere Umstände, die das Testament vom 8. Juli 1946 als sittenwidrig erscheinen lassen könnten, liegen nicht vor. Zwar spricht nach den Feststellungen des Landgerichts viel dafür, daß der Erblasser dem beurkundenden Notar gegenüber bewußt unwahre Angaben über die Scheidung seiner Ehe und über die Abfindung seiner ehelichen Kinder gemacht hat, um die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) zu rechtfertigen. Es liegt deshalb nahe, daß er die letztwillige Verfügung selbst als sittlich bedenklich angesehen hat. Dies allein reicht aber nicht aus, um einen Sittenverstoß zu bejahen; denn es handelt sich dabei nur um Begleitumstände und Einstellungen des Erblassers, die den Gesamtcharakter des Testaments nicht entscheidend prägen. Wichtiger sind die Verhältnisse, unter denen das Testament errichtet wurde, und seine Auswirkungen für die Beteiligten zu 1) bis 3). Der Erblasser hatte sich - wenn auch möglicherweise nicht für immer, wie noch darzulegen ist - von seiner Familie abgewandt und war eine neue Lebensgemeinschaft eingegangen innerhalb derer er die volle Verantwortung für den Beteiligten zu 1) - dessen Bruder xxx noch nicht geboren war - übernommen hatte. Nach den getroffenen Feststellungen sorgte er für den Unterhalt von Frau xxx und des Kindes und gab den Beteiligten zu 1) als sein eheliches Kind aus. Die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 kann deshalb zwanglos als Ausdruck der Verantwortung des Erblassers gegenüber dem Kinde angesehen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Beteiligte zu 1) zur Zeit der Testamentserrichtung erst zwei Jahre und damit völlig unversorgt war, während die Beteiligten zu 2) und 3) dem Elternhaus weitgehend entwachsen waren und für sich selbst sorgen konnten. Gravierende wirtschaftliche Nachteile für die Beteiligten zu 2) und 3) durch die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) waren deshalb nicht zu erwarten. Sie sind auch, soweit ersichtlich ist, nicht eingetreten, da die Beteiligten zu 2) und 3) auch heute versorgt sind. Schließlich liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß das väterliche Vermögen etwa unter maßgeblicher Beteiligung der Beteiligten zu 2) und 3) erwirtschaftet worden sei. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) verstößt mithin nicht gegen die guten Sitten.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">b) Der angefochtene Beschluß ist aus Rechtsgründen ferner nicht zu beanstanden, soweit es darum geht, ob das Testament wirksam nach § 2079 BGB angefochten worden ist. </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Nach dieser Vorschrift kann eine letztwillige Verfügung u.a. angefochten werden, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, dessen Vorhandensein ihm bei der Errichtung der Verfügung nicht bekannt war. Als Pflichtteilsberechtigte kamen zur Zeit der Testamentserrichtung am 8. Juli 1946 die Beteiligten zu 2) und 3) und die Ehefrau des Erblassers in Betracht (§ 2303 Abs. 1 und 2 BGB). Da der Erblasser vom Vorhandensein seiner ehelichen Kinder wußte - sie wurden ausdrücklich in dem Testament erwähnt -, könnte ihm allenfalls das Vorhandensein seiner Ehefrau als Pflichtteilsberechtigter unbekannt gewesen sein. Er müßte danach irrig geglaubt haben, von seiner Frau geschieden zu sein; denn das an sich bestehende Pflichtteilsrecht des Ehegatten konnte nur durch Scheidung weggefallen sein. </p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Einen derartigen Irrtum hat das Landgericht ohne Rechtsfehler verneint. Es konnte dabei dahingestellt lassen, ob die Ehe des Erblassers tatsächlich geschieden war oder nicht. War sie geschieden - wofür es nachprüfbare Anhaltspunkte nicht gibt -, so war damit auch das Pflichtteilsrecht der Ehefrau ausgeschlossen, und ein Irrtum nach § 2079 BGB schied schon begrifflich aus. Bestand die Ehe hingegen noch, so ist nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht auszuschließen, daß der Erblasser dies wußte und sich somit nicht über das Vorhandensein seiner Frau als Pflichtteilsberechtigter geirrt hat. Die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts bewegen sich auf dem Gebiet tatrichterlicher Würdigung. Sie ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nur dahin nachprüfbar, ob der Tatrichter den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen die Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat (Keidel/Kuntze/Winkler, Rdn. 42 zu § 27 FGG). Der angefochtene Beschluß läßt in keiner Richtung einen derartigen Rechtsfehler erkennen. Das Landgericht hat den Sachverhalt in diesem Zusammenhang erschöpfend gewürdigt und seiner Aufklärungspflicht Genüge getan. Ein Ansatzpunkt für weitere erfolgversprechende Ermittlungen ist insoweit nicht ersichtlich. </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">c) Dagegen unterliegt der angefochtene Beschluß rechtlichen Bedenken, soweit das Landgericht auch die Anfechtbarkeit des Testaments nach § 2078 BGB verneint hat. Es hat hierbei nicht alle für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt und infolgedessen den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. </p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Nach § 2078 Abs. 2 BGB, der hier allein als Grundlage für ein Anfechtungsrecht in Betracht kommt, kann eine letztwillige Verfügung angefochten werden, soweit der Erblasser durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstandes zu ihr bestimmt worden ist. Dabei ist es gleichgültig, ob sich der Irrtum auf Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft bezieht (BayObLGZ 1962, 299, 308). Die Anfechtung kann allerdings nur auf solche Vorstellungen und Erwartungen gestützt werden, die der Erblasser bei der Testamentserrichtung wirklich gehabt hat, nicht auch auf solche, die er bei Kenntnis von ihm damals unbekannten Umständen gehabt haben würde. Indes gehören zu den wirklichen Vorstellungen und Erwartungen auch solche, die der Erblasser zwar nicht in sein Bewußtsein aufgenommen, aber als selbstverständlich seiner Verfügung zugrunde gelegt hat (sog. unbewußte Vorstellungen; BGH NJW 1963, 246; Betr 1971, 1859; BayObLGZ 1971, 147; Senatsbeschluß vom 24.10.1967 - 15 W 255/67 - = OLGZ 1968, 86 = MDR 1968, 499; BGB-RGRK/Johannsen, 12. Aufl., Rdn. 46 zu § 2078). </p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Ausführungen des Landgerichts werden diesen Rechtsgrundsätzen nicht voll gerecht. Wie bereits dargelegt, ist es zwar nicht zu beanstanden, daß das Beschwerdegericht geglaubt hat, einen Irrtum des Erblassers über vergangene und gegenwärtige Umstände - nämlich die Scheidung seiner Ehe und die Abfindung der Beteiligten zu 2) und 3) - nicht feststellen zu können. Es hat aber versäumt zu prüfen, ob der Erblasser nicht über die künftige Entwicklung geirrt hat und bei Kenntnis dieser Entwicklung jedenfalls von der alleinigen Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) abgesehen hätte. In diesem Zusammenhang ist bedeutsam, daß der Erblasser nach Angaben des Beteiligten zu 2) etwa 1958/59 zu seiner Familie zurückgekehrt sein soll. Trifft diese - von dem Beteiligten zu 1) nicht bestrittene - Darstellung zu, so spricht viel dafür, daß das Testament nach § 2078 Abs. 2 BGB angefochten werden kann. </p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Erblasser sich 1946 "endgültig" von seiner Ehefrau abgewandt und eine "neue Familie" gegründet. Dies legt nahe, daß er - sei es bewußt oder unbewußt - auch bestimmte Erwartungen für die Zukunft gehegt hat: Daß nämlich seine Bindung zu Frau xxx und dem nichtehelichen Kind von Dauer sein und er auch künftig nicht zu seiner Ehefrau und seinen ehelichen Kindern zurückkehren werde. Beide Vorstellungen haben sich, soweit bisher festzustellen ist, zumindest teilweise nicht bewahrheitet: Zum einen hat Frau xxx noch zu Lebzeiten des Erblassers einen anderen Mann geheiratet, und zum anderen ist der Erblasser zu seiner Ehefrau und seinen Kindern zurückgekehrt. Bei dieser Sachlage drängt sich die Überlegung auf, ob der Erblasser nicht bei Vorausschau der künftigen Entwicklung anders testiert, insbesondere davon abgesehen hätte, die Beteiligten zu 2) und 3) auf den Pflichtteil zu setzen. Hierfür spricht insbesondere, daß er offenbar keinen sachlich begründeten Anlaß hatte, seine ehelichen Kinder von der Erbfolge auszuschließen; denn sonst hätte er es nicht für nötig gehalten, dafür einen vorgeschobenen Grund in seinem Testament anzugeben (Abfindung der ehelichen Kinder). </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Ob und inwieweit sich der Erblasser über die künftige Entwicklung geirrt hat, und wie er ohne diesen Irrtum letztwillig verfügt hätte läßt sich auf Grund der bisherigen Feststellungen nicht abschließend beantworten. Es bedarf hierzu weiterer Ermittlungen, die sich insbesondere darauf zu erstrecken haben werden, woran die Beziehung zu Frau xxx gescheitert ist, ob, wann und weshalb der Erblasser zu seiner Familie zurückgekehrt ist, und wie sich sein Verhältnis einerseits zu dem Beteiligten zu 1) und andererseits zu den Beteiligten zu 2) und 3) nach 1946 gestaltet hat. Da es dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht verwehrt ist, eigene Ermittlungen anzustellen, muß der angefochtene Beschluß aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen werden. </p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">d) Hinsichtlich der weiteren Sachbehandlung darf folgendes bemerkt werden:</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">da) Die materielle Beweislast (Feststellungslast) für die Voraussetzungen des § 2078 Abs. 2 BGB trifft den Anfechtenden, wobei ein Beweis des ersten Anscheins ausscheidet (BGH NJW 1963, 247, 248; st.Rspr. des Senats). Wegen der weiten Fassung des § 2078 Abs. 2 BGB sind an den Nachweis, insbesondere der Kausalität zwischen der unbewußten Vorstellung und der letztwilligen Verfügung "keine zu geringen Anforderungen" zu stellen (Mattern in BWNotZ 1961, 277, 284). Läßt sich nach Abschluß aller zweckdienlichen Ermittlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, daß der Erblasser bei Kenntnis der künftigen Entwicklung anders testiert hätte, so geht die verbleibende Unklarheit zu Lasten des Anfechtenden. </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">db) Ferner wird zu beachten sein, daß § 2078 Abs. 2 BGB eine Anfechtung nur ermöglicht, "soweit" der Erblasser durch seinen Irrtum zu der Verfügung veranlaßt worden ist. Die Anfechtung führt deshalb nicht notwendigerweise zur Nichtigkeit der gesamten letztwilligen Verfügung; vielmehr kann diese je nach den Umständen teilweise Bestand haben (Palandt/Keidel, Anm. 6 zu § 2078 BGB; vgl. ferner zur Teilnichtigkeit von Testamenten: BGHZ 53, 369, 383). In diesem Zusammenhang wird zu erwägen sein, daß der Erblasser möglicherweise auch bei Vorausschau der künftigen Geschehnisse Wert darauf gelegt hätte, neben seiner Ehefrau und/oder den ehelichen Kindern auch den Beteiligten zu 1) als Erben einzusetzen. Hierfür könnte insbesondere sprechen, daß der Erblasser - wie bereits im einzelnen erörtert - zu dem Beteiligten zu 1) ein besonders enges Verhältnis hatte, so daß er ihn noch bei der Einschulung als sein eheliches Kind ausgegeben hat, daß der Beteiligte zu 1) wirtschaftlich offenbar unversorgt war, daß andererseits die ehelichen Kinder und möglicherweise auch die Ehefrau nicht mehr von Zuwendungen des Erblassers abhängig waren. </p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Sollte sich danach ergeben, daß der Beteiligte zu 1) Miterbe geworden ist, wird der erteilte Erbschein einzuziehen und der Erbscheinsantrag vom 21. Dezember 1976 zurückzuweisen sein, wie das Landgericht dies bereits in dem angefochtenen Beschluß - wenn auch aus anderen Gründen - angeordnet hat. Der Erbschein wird nur Bestand haben können, wenn das Testament infolge der erklärten Anfechtung insgesamt nichtig ist. </p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">dc) Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Landgericht auch darüber zu befinden haben, ob ein Beteiligter einem anderen Beteiligten außergerichtliche Kosten der weiteren Beschwerde zu erstatten hat (§ 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG). </p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Dr. Kuntze</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Sandkühler</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Arps</p>
|
315,990 | lg-dortmund-1979-09-06-15-s-8279 | {
"id": 806,
"name": "Landgericht Dortmund",
"slug": "lg-dortmund",
"city": 407,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 15 S 82/79 | 1979-09-06T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:35 | 2019-03-27T09:41:42 | Urteil | ECLI:DE:LGDO:1979:0906.15S82.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts</p>
<p>Hamm vom 15.3.1979 werden die Beklagten</p>
<p>verurteilt, an die Klägerin als Gesamt-</p>
<p>Schuldner 438,89 DM ( i. W. vierhundert-</p>
<p>achtunddreißig 89/100 Deutsche Mark)</p>
<p>nebst 4 v. H. Zinsen seit dem 1. März 1977</p>
<p>zu zahIen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des 1. Rechtszuges tragen</p>
<p>die Klägerin zu 2/3 und die Beklagten</p>
<p>zu 1/3.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten der Berufung tragen die</p>
<p>Klägerin zu 1/3 und die Beklagten zu 2/3.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien streiten wegen der Folgen eines Verkehrs-</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Unfalls, der sich am 5.2.1977 gegen 16.15 Uhr auf dem</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Parkplatz des M - Einkaufs-Zentrums in I ereignet</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">hat.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin befuhr am Unfalltag mit ihrem PKW den oben</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">genannten Parkplatz und beabsichtigte, diesen zu ver-</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">lassen. Zu diesem Zweck begab sie sich mit ihrem PKW/</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">nachdem sie den inne gehabten Einstellplatz verlassen</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">hatte, auf den in nördlicher Richtung verlaufenden</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Fahrstreifen, welcher beidseitig von Einstellplätzen</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">eingegrenzt ist. Der von der Klägerin befahrene Fahrstreifen</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">mündet in die den ganzen Parkplatz des M-Einkaufs-</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Zentrums umführende Ein- und Ausfahrt. Zum gleichen</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Zeitpunkt befuhr die Beklagten zu 1. mit dem PKW des</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Beklagten zu 2. die Ein- bzw. Ausfahrt des Parkplatzes</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">in ostwärtiger Richtung. An der Einmündung des von der</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Klägerin befahrenen Fahrstreifens in die Parkplatzein-</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">und ausfahrt kam es zu einem Zusammenstoß beider Fahrzeuge.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin verlangt nun den Ersatz des Ihr unfallbedingt</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">entstandenen Schadens in Höhe von insgesamt 1400, 90 DM.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte zu 1. sei in ihr</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">bereits stehendes Fahrzeug hineingefahren. Dabei habe die</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Beklagte zu 1. ihr Fahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">geführt.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, als Gesamtschuldner</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">an sie 1700, 90 DM nebst 4 % Zinsen von 839,40 DM</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">seit dem 1.4.1979 zuzüglich 4 % Zinsen von</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">561, 50 DM seit Zustellung der Klageschrift zu</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten haben beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten haben behauptet, die Klägerin habe unmittel-</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">bar nach dem Unfall gegenüber dem herbeigerufenen Polizei-</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">beamten angegeben, daß sie einem ihr vorausfahrenden PKW</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">ohne anzuhalten gefolgt sei. Die Beklagten haben die An-</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">sicht vertreten, die von der Beklagten zu 1. befahrene</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Straße sei bevorrechtigt, da diese eindeutig Straßencharakter</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">habe.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Das Gericht erster Instanz hat über den Unfallhergang Beweis</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Sitzungsprotokoll des Amtsgerichts Hamm vom 4.4.1978 -Bl. 34</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">und 35 der Akten- verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Sodann hat es der Klage mit Urteil vom 15.4.1979 in Höhe von</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">658, 34 DM stattgegeben. Das Gericht erster Instanz hat die</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Ansicht vertreten, beide Parteien treffe ein Verursachungs-</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">beitrag in Höhe von 50 %.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses am 2.4.1979 zugestellte Urteil haben die Beklagen</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">am 27.4.1979 Berufung eingelegt und sie am 17.5.1979 begründet.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten sind der Ansicht, es könne nicht generell gesagt</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">werden, welche Vorfahrtsregel auf einem Parkplatz gelte. Die</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Entscheidung dieser Frage richte sich vielmehr nach den jeweili-</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">gen Gegebenheiten des Einzelfalles. Da die Zu- und Abfahrt</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">zu bzw. von den einzelnen Stellplätzen des M - Einkaufs-</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Zentrums nur über die von der Beklagten zu 2. befahrenen Straße</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">möglich sei, müsse davon ausgegangen werden, daß die Beklagte</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">zu 2. vorfahrtberechtigt gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">nach ihrem In erster Instanz gestellten Antrag</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist der Ansicht, zwischen den Parteien habe</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">eine Verständigungspflicht, gegen die von beiden Seiten</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">gleich schwer verstoßen worden sei, bestanden.</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Das Berufungsgericht hat die Akte 30/8-4265/77 des Ober-</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">stadtdirektors der Stadt I zu Informationszwecken bei-</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">gezogen. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">auf den vorgetragenen Inhalt Ihrer Schriftsätze erster und</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">zweiter Instanz verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe;</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Hamm vom 15.4.1979 ist zwar zulässig, aber nur teilweise</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">begründet.</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich aus § 511 a ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Da die Beklagten entgegen ihrem in erster Instanz gestellten</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Antrag auf Klageabweisung durch das Urteil des Amtsgerichts</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">Hamm zur Zahlung von 658, 34 DM verurteilt wurden, ist ins-</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">besondere die für die Zulässigkeit des Rechtsmittels</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">erforderliche Beschwerde in Höhe von mindestens 500,- DM</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">In sofern die Beklagten sich zur Begründung ihres Rechtsmittels</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">darauf berufen haben, die Klägerin sei gegenüber der Beklagten</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Das Berufungsgericht</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">ist der Ansicht, daß es sich bei dem von der Klägerin befahrenen</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">Stichweg nicht um einen anderen Straßenteil im Sinne des</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">10 StVO handelt. Nach dem Regelungsgehalt des § 10 StVO</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">gehören nämlich zu den anderen Straßenteilen im Sinne der</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">genannten Vorschrift nur solche Plätze und Wege, die</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">sich in ihrer Zweckbestimmung eindeutig von der den fließenden</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Kraftfahrzeugverkehr dienenden Fahrbahn abgrenzen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Von einer derartigen Unterschiedlichkeit der Zweckbestimmung</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">kann aber bei dem von der Klägerin befahrenen Stichweg nicht</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">ausgegangen werden. Zwar stimmt die Kammer der von den Be-</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">klagten geäußerten Rechtsansicht insofern zu, als daß die von</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">den ankommenden Parkplatzbenutzern befahrenen Stichwege primär</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">der Suche nach einem Stellplatz dienen. Die Kammer hat aber</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">auch berücksichtigt, daß diejenigen Autofahrer, die den Park</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">platz verlassen wollen und sich zu diesem Zweck bereits auf</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">einem der Stichwege befinden, bereits wieder am fließenden</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Verkehr teilnehmen, bzw. als solcher anzusehen sind.</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">Ein anderes Ergebnis vermag auch die Meinung der Beklagten,</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">ein reibungsloser Verkehrsablauf auf dem Parkplatz des M -</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Einkaufs-Zentrums erfordere die Überordnung des von der</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Beklagten zu 1. befahrenen Weges, nicht zu rechtfertigen.</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Die Überlassung eines Parkplatzes kann nämlich ebenso gut</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">darauf beruhen, daß dem von den einzelnen Stichwegen abfließen-</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">den Fahrzeugverkehr keine Möglichkeit gegeben wird, von den</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">Parkbuchten auf die den Parkplatz umfassende Zu- und Abfahrt</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">aufzufahren.</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">Die Kammer geht des weiteren auch davon aus, daß die Regelung</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">des § 8 Abs. 1 StVO nicht anwendbar ist. Es ist anerkannt, daß</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">die Grundregel "rechts vor links" nur auf solchen Parkplätzen</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">Anwendung finden kann, deren Fahrbahnen im wesentlichen gleich-</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">artige Merkmale hinsichtlich Markierung, Breite und Verkehrs-</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">führung aufweisen. Nach der von den Beklagten vorgelegten und</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">von der Klägerin unwidersprochen gebliebenen Skizze kann von</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">einer Gleichordnung der von den Parteien jeweils benutzten</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">Fahrbahnen aber nicht die Rede sein. Dies wird ebenfalls</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">durch die in der Bußgeldakte des Oberstadtdirektors der Stadt I</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">auf Blatt 4 der Akte befindliche Skizze und die von dem Be-</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">klagten zu den Akten gereichten Lichtbilder bestätigt. Auf</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">Grund des den Parkplatz umschließenden Charakters der von</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">der Beklagten zu 1. befahrenen Zu- und Abfahrt, sowie wegen</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">der durch die Markierung der einzelnen Stellplätze geschaffenen</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">systematischen Abgrenzung der jeweiligen Parkbuchten, geht</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">die Kammer davon aus, daß eine Abstufung der einzelnen Stich-</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">wege rein tatsächlicher Art im Verhältnis zu der dem Parkplatz,</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">umfassenden Zu- und Abfahrt erfolgt ist. Dieser Abstufung führt</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">allerdings, wie auch das Gericht erster Instanz richtig fest-</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">gestellt hat, nicht zu einer Bevorrechtigung der von der Be-</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">klagten zu 1. befahrenen Straße. Es verbleibt gleichwohl bei</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">der Anwendung der allgemeinen Regelung des § 1 StVO. Das</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">Berufungsgericht ist aber der Auffassung, daß sich die Ab-</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">stufung rein tatsächlicher Art in dem unter Verstoß gegen</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">§1 StVO begründeten Verursachungsbeitrag beider Parteien</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">niederschlagen muß. Es hält deshalb eine Schadensquote von</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">einem Drittel zu zwei Dritteln zum Nachteil der Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">für gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 und 97 Abs. 1</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">StPO. Da die Klägerin lediglich in Höhe von einem Drittel</p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">der Klageforderung obsiegt hat, trägt sie die Kosten des</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">Rechtsstreits in erster Instanz zu zwei Dritteln. Insoweit</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">die Beklagten auch in der Berufungsinstanz bei ihrem Antrag</p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">auf uneingeschränkte Klageabweisung geblieben sind, tragen</p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">sie die Kosten der Rechtsmittelinstanz zu 2/3.</p>
|
315,991 | olgk-1979-08-28-1-ss-574-57579 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 1 Ss 574-575/79 | 1979-08-28T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:36 | 2019-03-27T09:41:42 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1979:0828.1SS574.575.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten beider Revisionen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Aachen zurückverwiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><span style="text-decoration:underline;">G r ü n d e :</span></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Das Schöffengericht hat den Angeklagten D. wegen
Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von
120 Tagessätzen zu je 100,00 DM, den Angeklagten P. wegen
Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je
100,00 DM verurteilt. Durch das angefochtene Urteil sind die
Berufungen beider Angeklagten mit der Maßgabe verworfen worden,
dass der Angeklagte D. wegen Steuerhinterziehung zu einer
Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 90,00 DM, und der Angeklagte P.
wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu
je 90,00 DM verurteilt werden. Soweit der Verurteilung durch das
Schöffengericht auch der gegen den Angeklagten D. erhobene Vorwurf
zugrundelag, als Geschäftsführer der inzwischen in Konkurs
geratenen Firma "I.-D." (GmbH) in den Monaten Oktober und November
1974 Lohnsteuer in Höhe von 9.241,10 DM einbehalten zu haben, ist
das Verfahren vorläufig gem. § 154 Abs. 2 StPO eingestellt
worden.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Strafkammer ist von folgenden Feststellungen
ausgegangen:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Beide Angeklagten führen gemeinsam als Mitinhaber in A. das
Restaurant "D." in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen
Rechts seit dem 05.04.1975. In diesem Zeitraum wurden von den
Angeklagten insgesamt 9 Arbeitnehmer mit Steuerkarte beschäftigt;
diese Arbeitnehmer wurden auch bei der AOK. angemeldet, ebenfalls
wurden für sie die Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Von
diesen Arbeitnehmern wurden vier nur aushilfsweise beschäftigt.
Darüber hinaus arbeiteten in dem Restaurant noch zahlreiche
Aushilfskräfte, die überwiegend nur kurzfristig beschäftigt waren.
Obwohl ihnen die Verpflichtung hierzu bekannt war, gaben die
Angeklagten im Zeitraum seit Geschäftseröffnung - 05.04.1975 - bis
zum 31.10.1976 keinerlei Steueranmeldungen über die von ihnen
einbehaltenen Lohnsteuern ab und führten die während dieses
Zeitraums einbehaltenen Lohnsteuern in Höhe von mindestens
18.600,00 DM nicht an das Finanzamt ab. Sie nahmen es zumindest
billigend in Kauf, jedenfalls in dieser Höhe Lohnsteuer im
vorgenannten Zeitraum zu hinterziehen. Nachdem das Finanzamt im
Laufe des Jahres 1976 mehrfach die Abgabe der monatlichen
Umsatzsteuervoranmeldungen bei den Angeklagten angemahnt hatte,
begann der etwa im September 1976 von den Angeklagten mit der
Wahrnehmung ihrer steuerlichen Belange beauftragte
Steuerbevollmächtigte F. sich um die nachträgliche Abgabe der
Lohnsteueranmeldungen zu bemühen. Anläßlich einer auf der
Umsatzsteuerstelle des Finanzamts A.-Stadt am 05.11.1976 geführten
Besprechung über Umsatzsteuerangelegenheiten der beiden Angeklagten
bemerkte der Steuerbev. F. "beiläufig", daß die Angeklagten auch
noch etwa 18.000,00 DM an Lohnsteuer nachträglich anzumelden und
abzuführen hätten. Daraufhin wurde eine Lohnsteueraußenprüfung
angeordnet, die am 08.11.1976 begann. Der Zeuge F. hatte zu Beginn
der Lohnsteueraußenprüfung am 08.11.1976 die Lohnsteueranmeldungen
nachgefertigt und vollständig zur Hand, diese wurden jedoch von den
Lohnsteuerprüfern nicht mehr angenommen. Die Lohnsteuerprüfung
stellte den Gesamtbetrag der nicht angemeldeten und nicht
abgeführten Lohnsteuer mit 34.170,95 DM fest. Die Angeklagten und
der Zeuge F. erkannten das Prüfungsergebnis an, der anerkannte
Betrag ist mittlerweile auch nachentrichtet worden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige gem. §
395 RAO a.F. im Zusammenhang mit der Bemerkung des Zeugen F. vom
05.11.1976 über die noch nachzuentrichtende Lohnsteuer hat die
Strafkammer als nicht gegeben angesehen. Es habe insoweit an
genügend vollständigen Angaben über Art und Umfang der
hinterzogenen Lohnsteuern gefehlt, auch habe sich aus der
Mitteilung des Zeugen F. am 05.11.1976 kein Hinweis auf den
Zeitraum der Lohnsteuerverkürzung ergeben.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Revisionen der Angeklagten wenden sich mit der Sachrüge
gegen die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung und machen
geltend, die Strafkammer habe die Voraussetzungen der
strafbefreienden Selbstanzeige nach § 395 RAO a.F. bzw. § 371 AO
1977 zu Unrecht verneint.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Rechtsmittel haben (vorläufigen) Erfolg. Hinsichtlich der
Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige gem. § 395
Abs. 1 RAO (in dieser, im übrigen mit § 371 I AO 1977
inhaltgleichen, Fassung anzuwenden gem. § 2 Abs. 1 StGB) sind die
Feststellungen der Strafkammer sachlich-rechtlich
unvollständig.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><ol class="absatzLinks">
<li>Zutreffend geht die Strafkammer davon aus, daß der Tatbestand
einer gemeinschaftlichen von beiden Angeklagten begangenen
fortgesetzten Steuerhinterziehung in der Begehungsform der
Steuerverkürzung nach §§ 392 Abs. 1 RAO a.F., 25 Abs. 2 StGB
erfüllt wäre. Hinsichtlich der Verpflichtung der Angeklagten zur
Abgabe der Lohnsteueranmeldungen und Abführung der Lohnsteuer war
auszugehen von der Vorschrift des § 41 a EStG (eingefügt durch das
EStReformgesetz vom 05.08.1974 - BGBl I S. 1769, anzuwenden ab
01.01.1975). Danach hatten die Angeklagten als Arbeitgeber
spätestens am zehnten Tage nach Ablauf eines jeden
Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums</li>
<li>dem zuständigen Finanzamt eine Steuererklärung einzureichen, in
der die Summe der im Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum einzubehaltenden
und zu übernehmenden Lohnsteuer angegeben ist, und</li>
<li>die in diesem Zeitraum insgesamt einbehaltene und übernommene
Lohnsteuer an das zuständige Finanzamt abzuführen.</li>
</ol>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px">Dabei ist Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum
grundsätzlich der Kalendermonat (§ 41 a Abs. 2 S. 1 EStG). Die
entsprechenden Anmeldungs- und Zahlungsverpflichtungen der
Angeklagten ergaben sich damit erstmals im Monat Mai 1976 bezüglich
des Anmeldungszeitraums April 1976. Die objektive
Lohnsteuerverkürzung trat zu dem genannten Fälligkeitszeitpunkt
bereits dadurch ein, daß die Angeklagten die Anmeldung der
Lohnsteuerbeträge unterließen (Franzen-Gast-Samson,
Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 370 AO Rz. 171; BayObLG NJW 64,
2171). Die Strafkammer hat zutreffend den insgesamt verkürzten
Lohnsteuerbetrag (18.600,00 DM) aufgrund eigener Prüfung
festgestellt und sich nicht darauf beschränkt, etwa von dem
Ergebnis der Lohnsteuerprüfung ausgehend den dort ermittelten
Betrag als erwiesen anzunehmen. Keinen Bedenken begegnen auch die
Feststellungen der Strafkammer zum Vorsatz der Angeklagten in
Ansehung der durch Nichtanmeldung und -abführung bewirkten
Lohnsteuerverkürzung. Die Kammer hat im einzelnen die näheren
Umstände gewürdigt, aufgrund deren die vor dem Zeugen F. mit der
Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten beauftragten
Steuerbevollmächtigten bzw. -berater gehindert waren, die
Lohnsteueranmeldungen zu bewirken. Wenn die Strafkammer unter
Würdigung dieser Umstände zu der Überzeugung gelangt ist, daß die
Angeklagten bei entsprechendem Willen ihre lohnsteuerlichen
Verpflichtungen hätten erfüllen können, sie es daher (im Sinne des
bedingten Vorsatzes) zumindest billigend in Kauf nahmen, die
Lohnsteueranmeldung nicht abzugeben und die einbehaltenen
Lohnsteuern nicht abzuführen, so war die Überzeugungsbildung der
Strafkammer nicht zu beanstanden und ließ Rechtsfehler nicht
erkennen. Im übrigen gehörte zum Vorsatz der Steuerhinterziehung
auch nicht der Wille, die geschuldeten Lohnsteuerbeträge dem
Finanzamt endgültig vorzuenthalten (s. BayObLG aaO).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><ol class="absatzLinks">
<li>Hingegen halten die Ausführungen des angefochtenen Urteils zu
den Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige nach § 395
I RAO a.F. einer Nachprüfung nicht stand.</li>
</ol>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px">Der Annahme einer Selbstanzeige würde
zunächst nicht entgegenstehen, daß der Zeuge F. die Bemerkung
hinsichtlich der nachzuentrichtenden Lohnsteuern nur "beiläufig"
gemacht hat. Denn die Selbstanzeige erfordert keine bestimmte Form,
kann daher auch mündliche erfolgen (OLG Hamburg NJW 70, 1385, 1386;
OLG Hamm DB 61, 968; Franzen-Gast-Samson Rz. 44 zu § 371 AO).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px">Was aber den notwendigen Inhalt der
Selbstanzeige angeht, so ist vorliegend vom Merkmal der
unterlassenen Angaben des § 395 I RAO auszugehen und darauf
abzustellen, was der Steuerpflichtige bei ordnungsgemäßer Erfüllung
seiner steuerlichen Offenbarungspflichten schon früher hätte tun
müssen (BGHSt 12, 100 f.; Franzen-Gast-Samson Rz. 34 zu § 371 AO).
Der Inhalt einer Selbstanzeige hatte sich daher vorliegend nach dem
Umfang der in § 41 a EStG näher bestimmten Erklärungspflichten der
Angeklagten zu richten. In einem gleichgelagerten Fall führt der
BGH zu den Voraussetzungen der Strafbefreiung nach § 395 RAO unter
Berücksichtigung des damals die Lohnsteueranmeldung regelnden § 44
LStDV aus (Urt. v. 05.09.1974 in NJW 1974, 2293 f.):</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">"Nach § 44 LStDV hat der Arbeitgeber
die einbehaltenen Lohnsteuerbeträge für die näher bezeichneten,
sich nach der Höhe der abzuführenden Steuern richtenden Zeiträume
jeweils in einem Betrag anzumelden. Von ihm wird weder verlangt,
daß er die Beträge nach Arbeitnehmern aufschlüsselt, noch daß er
die gezahlten Bruttolöhne angibt. Auf Grund derartiger Angaben
könnte das Finanzamt ohnehin nicht feststellen, ob die Lohnsteuern
richtig einbehalten und vollständig abgeführt worden sind. Braucht
aber der Arbeitgeber die einbehaltenen Lohnsteuern für jeden
Abführungszeitraum nur in einem Betrag anzumelden, so erfüllt er
das Berichtigungserfordernis des § 395 AO, wenn er dem Finanzamt
erklärt, daß er die für bestimmte Zeiträume einbehaltene Lohnsteuer
nicht oder, wie hier, nicht vollständig angemeldet und abgeführt
habe, und wenn er diejenige Beträge angibt, die er nach seiner
Ansicht hätte abführen müssen."</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px">Daraus ergibt sich, daß die Strafkammer
an den Inhalt einer Selbstanzeige zu hohe Anforderungen gestellt
hat, soweit sie beanstandet, daß die Erklärung des Zeugen F. vom
05.11.1976 eine Aufschlüsselung darüber vermissen ließ, für
wieviele und welche Arbeitnehmer der genannte Lohnsteuerbetrag von
etwa 18.000,00 DM einbehalten worden war, weiterhin detaillierte
Angaben über die insgesamt ausgezahlten Bruttolöhne sowie den darin
enthaltenen Anteil von Arbeitsentgelten für kurzfristig in geringem
Umfang gegen geringes Entgelt beschäftigte Arbeitnehmer in der
Erklärung des Zeugen F. fehlten.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px">Die Angabe des Zeugen F., daß die
Angeklagten auch noch <span style="text-decoration:underline;">etwa 18.000,00 DM</span> Lohnsteuer
nachträglich anzumelden und abzuführen hätten, könnte somit eines
der beiden wesentlichen Erfordernisse einer Selbstanzeige im
vorliegenden Fall erfüllen. Denn die Strafkammer geht davon aus,
daß die Summe der verkürzten Lohnsteuerbeträge dem vom Zeugen F.
genannten Betrag entspricht. Soweit die Strafkammer die
tatsächliche Steuerverkürzung um 600,00 DM höher als den vom Zeugen
F. angegebenen Betrag feststellt, würde dies einer Strafbefreiung
in vollem Umfang nicht entgegenstehen, da die Fehleinschätzung nur
geringfügig ist (OLG Frankfurt NJW 62, 974; Erbs-Kohlhaas Anm. 4 zu
§ 395 RAO). Dies gilt auch deswegen, weil dem Steuerpflichtigen,
wenn er sich bei Erstattung der Selbstanzeige nur geringfügig zu
seinem Vorteil verschätzt, Gelegenheit gegeben werden muß, die
genauen Beträge festzustellen, wenn nicht das Finanzamt selbst sie
ohne Schwierigkeiten ermitteln kann (BGH aaO NJW 74, 2294).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px">Soweit die Strafkammer das weitere
Erfordernis einer hier wirksamen Selbstanzeige - Angabe des
<span style="text-decoration:underline;">Zeitraums</span> der anzumeldenden und abzuführenden
Lohnsteuerbeträge - verneint, weil sich hierauf kein Hinweis aus
der Bemerkung des Zeugen F. ergeben habe, sind die Feststellungen
des angefochtenen Urteils sachlich-rechtlich unvollständig. Es
bleibt nämlich offen, ob sich bei näherer Prüfung des der
Beurteilung der Strafkammer unterliegenden Sachverhalts der
Zeitraum der Lohnsteuerverkürzung aus den Gesamtumständen ergeben
hätte. In dieser Richtung drängten sich weitere Erörterungen auf.
Wenn etwa die Besprechung des Zeugen F. vom 05.11.1976 über
Umsatzsteuerangelegenheiten der Angeklagten ebenfalls den gesamten
Zeitraum seit Eröffnung des Restaurants "D." betraf und hierbei zu
Tage kam, daß die Angeklagten ihre Voranmeldeverpflichtungen
während dieses Zeitraumes nicht oder nur unvollständig erfüllt
hatten, konnte die Bemerkung des Zeugen F., die Angeklagten hätten
"auch noch ... Lohnsteuer nachträglich anzumelden und abzuführen",
die schlüssige Erklärung enthalten, daß sich die Summe der
nachträglich anzumeldenden und abzuführenden Lohnsteuer auf den
gesamten Zeitraum seit Eröffnung des Restaurants "D." bezog - und
damit auf den hier in Rede stehenden Tatzeitraum. Ob sich der
Zeitraum der Lohnsteuerverkürzung gelegentlich der Besprechung des
Zeugen F. vom 05.11.1976 aus den Gesamtumständen ergab, wird daher
in der erneuten Hauptverhandlung zu prüfen sein.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px">Soweit der Zeuge F. zu Beginn der
Lohnsteueraußenprüfungen die Lohnsteueranmeldungen nachgefertigt
und zur Hand hatte, um sie den Lohnsteuerprüfern zu übergeben,
konnten allerdings die Wirkungen einer strafbefreienden
Selbstanzeige nicht mehr eintreten, weil nun die Sperrwirkung des §
395 Abs. 2 Nr. 1 a) RAO wirksam geworden war, wovon die Strafkammer
mit Recht ausgeht.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px">III.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px">Für die zu neue Hauptverhandlung wird
ergänzend auf folgendes hingewiesen:</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px">Sollte die Strafkammer zur Annahme
einer strafbefreienden Selbstanzeige gelangen, wird zu prüfen sein,
ob die Angeklagten die nach den neu zu treffenden Feststellungen
verkürzten Steuern innerhalb der ihnen gesetzten angemessenen Frist
nachentrichtet haben. Insoweit kommt § 371 Abs. 3 AO 1977 mit dem
Erfordernis einer "angemessenen" Frist als das mildere Gesetz (§ 2
Abs. 3 StGB) gegenüber § 395 Abs. 3 AO a.F. zur Anwendung, der
hinsichtlich der Länge der Frist keine nähere Bestimmung
aufweist.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:18px">Gegebenenfalls muß dargelegt werden,
aufgrund welcher Erwägungen bei beiden Angeklagten bei einem
Nettoeinkommen von monatlich etwa 2.000,00 DM ein Tagessatz von
90,00 DM zugrundezulegen sei.</p>
|
315,992 | olgham-1979-08-13-3-wf-36179 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 3 WF 361/79 | 1979-08-13T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:38 | 2019-03-27T09:41:42 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1979:0813.3WF361.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.</p>
<p></p>
<p>Der Beschwerdewert wird auf 800,-- DM festgesetzt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Gründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die nach § 127 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Antragstellerin hat das Amtsgericht zu Recht das Armenrecht für ihre im Verbund mit dem Scheidungsverfahren anhängig gemachte Unterhaltsklage versagt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Diese Klage bietet keine Aussicht auf Erfolg. Die Antragstellerin hat keine Gründe dargetan, die die Zubilligung eines Unterhaltsbetrages nach Scheidung der Ehe rechtfertigen. Nach § 1569 BGB hat ein Ehegatte, der nach der Scheidung nicht für seinen Unterhalt sorgen kann, nur unter den Voraussetzungen der §§ 1570 f. BGB Anspruch auf Unterhalt. Die Umstände, daß das Einkommen der Antragstellerin zur Deckung ihres Lebensbedarfs nicht ausreicht und die Parteien verheiratet waren, reichen für sich allein nicht aus, einen Unterhaltsanspruch nach der Scheidung zu begründen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Soweit ein Ehegatte nach § 1573 BGB nach der Scheidung Unterhalt verlangen kann, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Tätigkeit zu finden vermag, ist ein derartiger Anspruch erst hinreichend dargetan, wenn vorgetragen ist, daß die Bemühungen eine Ganztagsstelle zu finden, erfolglos geblieben sind.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Zum Vortrag derartiger Bemühungen reicht der Vortrag nicht aus, die Antragstellerin habe sich bei dem Arbeitsamt als Ganztagskraft gemeldet, wo man ihr geraten habe, nicht ihre Halbtagsstelle aufzugeben.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Sonstige Bemühungen der Antragstellerin eine Ganztagsstelle zu finden, sind nicht konkret dargetan. Es kann deshalb nicht festgestellt werden, ob die Antragstellerin sich in einem für die Begründung eines Unterhaltsanspruches aus § 1573 BGB rechtfertigenden Umfang, um Arbeit bemüht hat (Münchener Kommentar, Richter, § 1573 Rn. 9, 11).</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf die Eigenverantwortung des geschiedenen Ehegatten muß das ernsthafte Bemühen, den Unterhalt selbst zu verdienen, deutlich erkennbar werden. Das gilt in besonderem Maße in dem Fall, daß der Unterhaltsanspruch wie hier nach § 1573 BGB gerade davon abhängt, daß keine angemessene Tätigkeit gefunden werden kann (Palandt-Diederichsen, BGB, 37. Aufl., § 1574 An 4 a.E.). Das ernsthafte ausreichende Bemühen um eine Ganztagsarbeit ist eine Obliegenheit des Unterhalt begehrenden Ehegatten und ist von diesem darzulegen und notfalls zu beweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 118 a Abs. 4 ZPO. Der Beschwerdewert ist nach dem Interesse der Antragstellerin an der Freistellung von Anwaltskosten für den Unterhaltsanspruch bemessen worden.</p>
|
315,993 | olgham-1979-06-27-6-uf-31379 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 6 UF 313/79 | 1979-06-27T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:39 | 2019-03-27T09:41:41 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1979:0627.6UF313.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Der Antragsgegner trägt die Kosten der Beschwerde nach einem Wert von 7.680, DM.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Gründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien haben im Ehescheidungsverfahren vor dem Familiengericht Bocholt in der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 1977 einen Vergleich über Scheidungsfolgen im Sinne des § 630 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 ZPO zu gerichtlichem Protokoll erklärt. Der Antragsgegner war weder im Verfahren noch bei Abschluß des Vergleichs anwaltlich vertreten. Ihm war zuvor vom Familiengericht zweimal schriftlich mitgeteilt worden, er könne sich nur dann an dem Verfahren beteiligen und Anträge stellen, wenn er sich durch einen beim Landgericht Münster oder in Bocholt zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lasse. Zu Beginn der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 1977 hat der Antragsgegner vorab zu Protokoll gegeben, ihm sei klar, daß er an sich durch einen beim Familiengericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten sein müßte; im Augenblick verzichte er aber auf eine Vertretung durch einen Anwalt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Nach Abschluß des Vergleichs hat das Familiengericht durch Verbundurteil vom selben Tage die Ehe der Parteien geschieden, die elterliche Gewalt über die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder im Einverständnis der Parteien dem Jugendamt der Stadt Bocholt übertragen und die Regelung des Versorgungsausgleichs abgetrennt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Antragsgegner zunächst Unterhalt an die Antragstellerin gezahlt hatte, stellte er im Frühjahr 1978 die Zahlungen ein bzw. leistete er nur noch sporadisch und unzureichend Unterhalt an diese. Die Antragstellerin betrieb daraufhin die Zwangsvollstreckung aus dem obengenannten Vergleich.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Mit Schriftsatz vom 11. Mai 1979 legte der Antragsgegner, nunmehr anwaltlich vertreten, beim Familiengericht Erinnerung gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel mit der Begründung ein, da er beim Abschluß des Vergleichs nicht durch einen zugelassenen Rechtsanwalt vertreten gewesen sei, stelle der Vergleich keinen vollstreckbaren Titel dar, und deshalb hätte eine Klausel nicht erteilt werden dürfen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Durch den angefochtenen Beschluß, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die Erinnerung, welcher der Urkundsbeamte nicht abgeholten hat, zurückgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit der Beschwerde. Er meint, abgesehen davon, daß zur Entscheidung über die Erinnerung nicht das Familiengericht, sondern das Vollstreckungsgericht zuständig gewesen sei, widerspreche die Auffassung des Familiengerichts, Prozeßvergleiche in Ehesachen unterlägen nicht dem Anwaltszwang, der eindeutig herrschenden Auffassung in der neuesten Rechtsprechung. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist gem. §§ 732, 576 Abs. 2 ZPO zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Sachlich hat sie jedoch keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Was zunächst die Rüge der Unzuständigkeit des vom Antragsgegner mit der Erinnerung angerufenen Familiengerichts angeht, so entbehrt diese jeglicher Rechtfertigung. Wie der Antragsgegner bei der Adressierung seiner Erinnerung durchaus richtig erkannt hat, entscheidet über Einwendungen gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel gemäß § 732 Abs. 1 ZPO das Gericht, dessen Geschäftsstelle die Klausel erteilt hat. Da der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Familiengerichts gemäß § 724 ZPO die Vollstreckungsklausel zu erteilen hatte und auch erteilt hat, war das Familiengericht zur Entscheidung über die Erinnerung berufen. Aus den vorgenannten gesetzlichen Vorschriften ergibt sich eindeutig, daß die Erteilung der Vollstreckungsklausel noch keine Vollstreckungsmaßnahme darstellt und deshalb auch nach der Entscheidung des BGH vom 31. Januar 1979 (NJW 1979, 1048) Einwendungen dagegen vom Prozeßgericht zu bescheiden sind.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Demgemäß ist auch der Senat zur Entscheidung über die Beschwerde berufen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">In der Sache selbst ist die Frage, ob ein zu gerichtlichem Protokoll erklärter Scheidungsfolgenvergleich nur dann einen wirksamen Vollstreckungstitel darstellt, wenn beide Parteien dabei durch Rechtsanwälte vertreten waren, erheblich umstritten. Bejahende und verneinende Stimmen sind fast gleichmäßig verteilt, so daß entgegen der Auffassung des Antragsgegners keineswegs eindeutig von einer herrschenden Meinung gesprochen werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Zu den bejahenden Stimmen gehören:</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">OLG Celle (9. Ziv.Sen.) (Nieders. Rpfl. 75, 137), OLG Hamm (NJW 75, 1709 = JMBL NW 75, 221), OLG Köln (17. Ziv.Sen.) (NJW 72, 2317), OLG Bremen (MDR 69, 393), OLG Karlsruhe (Justiz 72, 116), OLG München (NJW 62, 351), OLG Celle im Beschl. v. 16.1.78 in 17 UF 30/77, OLG Oldenburg im Beschl. v. 23.12.77 in 5 WF 57/77, Rosenberg-Schwab (Zivilprozeßrecht, 12. Aufl., § 132 III 2 g) (S 727)), Brüggemann (FamRZ 77, 587), Herbert Schneider (NJW 71, 1043), Baumbach-Hartmann (ZPO, 37. Aufl., § 78 Anm 2 B und Anh. nach § 307 Anm. 4 F), Thomas-Putzo (ZPO, 10. Aufl., § 794 Anm II 3 d), Zöller-Vollkommer (ZPO, 12. Aufl., § 78 Anm II 1 b aa)), Stein-Jonas-Pohle (ZPO, 19. Aufl., § 78 Anm IV 4), Stein-Jonas-Pohle-Münzberg (a.a.O., § 794 Anm II 2 b), Palandt-Diederichsen (BGB, 38. Aufl., § 1585 c = Anm 2 e).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Frage verneinen u.a.: BGH (LM Nr. 3 zu § 826 (F a) BGB), OLG Celle (7. Ziv.Sen.) (Nieders. Rpfl. 74, 187), OLG Celle (8. Ziv.Sen) (MDR 67, 407), OLG Frankfurt (NJW 61, 882), OLG Neustadt (NJW 58, 795; NJW 64, 1329), OLG Köln (16. Ziv.Sen.) (MDR 73, 413), OLG Koblenz (NJW 71, 1043; MDR 76, 940), OLG Frankfurt im Beschl. vom 15.6.78 in 1 WF 459/77, Hornung (Rpfl 73, 77), Mes (Rpfl. 69, 273), Egon Schneider (MDR 69, 393), Tiarks (NJW 77, 2303), Blomeyer (Zivilprozeßrecht, 1963, § 65 V (S 328)), Gernhuber (Familienrecht, 2. Aufl. 1971, § 25 V 1), Zöller-Korch (a.a.O., § 630 Anm 6 c), Soergel-Siebert (BGB, 10. Aufl., § 72 EheG Rdn. 27) und Rolland (1. EheRG, 1. Aufl., § 1585 c BGB, Rdn 40).</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Soweit letztere Stimmen, wie z.B. der BGH (a.a.O.), das OLG Koblenz (a.a.O.) und Mes (a.a.O.), den Anwaltszwang ausdrücklich für einen Vergleich in Anordnungsverfahren nach § 627 b ZPO alter Fassung abgelehnt haben, fragt es sich allerdings schon, ob diese Auffassung auf Scheidungsfolgenvergleiche nach den jetzt geltenden Vorschriften der ZPO noch anwendbar sind. Nach § 78 Abs 1 Ziff. 2 ZPO neuer Fassung sind nämlich Folgesachen gerade dem Anwaltszwang unterworfen. Sie werden auch, soweit es sich um endgültige Regelungen für den Fall der Scheidung handelt, nach § 623 ZPO nicht im Verfahren über den Erlaß einer einstweiligen Anordnung, sondern gleichzeitig und zusammen mit der Scheidungssache verhandelt und entschieden. Ein Scheidungsfolgenvergleich stellt dementsprechend nach dem heutigen Rechtszustand keinen Vergleich in einem Nebenverfahren mehr dar, sondern er ist ein Vergleich in der Hauptsache (§§ 610 Abs 2 Satz 2, 623 ZPO; vgl. auch die kostenmäßige Behandlung von Scheidungs- und Folgesachen in §§ 19 a GKG, 7 Abs. 3 BRAGO). Der Anwaltszwang besteht im übrigen selbst dann fort (vgl. BGH, Beschl. v. 17.1.1979 in IV ZB 111/78), wenn nur eine in einem Verbundurteil enthaltene Entscheidung über eine Folgesache, nicht aber gleichzeitig die über die Ehesache, angefochten werden soll.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Senat braucht zu dieser Frage aber ebensowenig wie dazu, welcher der beiden grundsätzlichen Meinungen über die Wirksamkeit eines ohne anwaltliche Vertretung abgeschlossenen Scheidungsfolgenvergleichs zuzustimmen ist, endgültig Stellung zu nehmen. Im vorliegenden Fall könnte sich nämlich der Antragsgegner selbst im Falle der Unwirksamkeit des Vergleichs vom 1. Dezember 1977 nicht mit Erfolg darauf berufen. Einer solchen Berufung des Antragsgegners steht der Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegen (vgl. dazu BAG, NJW 70, 349).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Dieser ist ein Ausfluß des Grundsatzes von Treu und Glauben, der nach allgemeiner Ansicht auch das Prozeßrechtsverhältnis beherrscht (vgl. u.a. BGH 248, 354; BGHZ 69, 43; BAG a.a.O.; Baumbach-Hartmann, a.a.O. Einl. III Anm 6; Zöller-Vollkommer, a.a.O., Einl III a und Vorbem. A I 4 vor § 128). Da es nicht Zweck einer staatlichen Einrichtung wie der Gerichte ist, einer ungerechten Sache zum Siege zu verhelfen, ist jeder Rechtsmißbrauch als Verstoß gegen Treu und Glauben von Amts wegen zu beachten (Baumbach-Hartmann, a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Dem Antragsgegner war, wie er in der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 1977 zu Protokoll gegeben hat, auf Grund der Belehrung durch den Familienrichter bekannt, daß er im Ehescheidungsverfahren an sich durch einen beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten sein müßte, falls er sich am Verfahren aktiv beteiligen wollte. Wenn er dann auf Vorschlag des Familienrichters, der den wirksamen Abschluß eines Scheidungsfolgenvergleichs trotz fehlender anwaltlicher Vertretung für möglich hielt, eine solche Vereinbarung zum Zwecke der Beendigung des Verfahrens hinsichtlich der Regelung des Unterhalts und der Ehewohnung zu treffen bereit war, war er sich, zumindest unter Parallelwertung in der Laiensphäre, nicht allein dessen bewußt, daß er bei der Herstellung eines Vollstreckungstitels mitwirkte. Er war in diesem Rahmen auch hinreichend darüber orientiert, daß die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels Bedenken begegnen konnte.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Da er den Vergleich trotzdem als Voraussetzung einer einverständlichen Scheidung gem. § 630 ZPO geschlossen und außerdem in der Folgezeit länger als ein Jahr als wirksam und maßgeblich für seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Antragstellerin angesehen hat, ist es ihm nach Treu und Glauben nun verwehrt, den möglichen Formfehler der mangelnden anwaltlichen Vertretung als Hindernis für eine Klauselerteilung geltend zu machen (vgl. BAG, a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Dem kann nicht mit Reinicke (NJW 70; 306 ff) unter Verweisung auf die Entscheidungen des BGH in WM 57, 1440 und WM 64, 482 ff (487) entgegengehalten werden, die Tatsache, daß die Parteien das formwidrig abgeschlossene Rechtsgeschäft lange Zeit als gültig angesehen und sich danach gerichtet hätten, reiche nicht aus, um es nach Treu und Glauben rechtlich als gültig zu behandeln, es müßten schon im Vertrauen auf die Gültigkeit schwerwiegende und nicht mehr rückgängig zu machende Maßnahmen getroffen worden sein; außerdem sei der durch den Vergleich begünstigte Teil bei einer Unwirksamkeit als Prozeßvergleich nicht einmal benachteiligt, da in diesem in der Regel jedenfalls eine wirksame materielle Vereinbarung zu sehen sei, auf Grund deren er nunmehr eine Klage erheben könne. Einmal ist im vorliegenden Fall im Vertrauen auf die Gültigkeit des Vergleichs vom 1. Dezember 1977 als schwerwiegende nicht mehr rückgängig zu machende Maßnahme die Scheidung der Ehe der Parteien durchgeführt worden (§ 630 ZPO), durch die der gesetzliche Unterhaltsanspruch der Antragstellerin entscheidend umgestaltet worden wäre. Ohne diesen Vergleich hätte zunächst eine anderweitige Feststellung dieses Unterhaltsanspruchs erfolgen müssen, was die Ehescheidung zumindest nicht unerheblich verzögert hätte. Außerdem wäre, wenn der Vergleich vom 1. Dezember 1977 nicht als Vollstreckungstitel beabsichtigt gewesen wäre, jedenfalls im Verbundurteil die Verpflichtung des Antragsgegners zur Unterhaltszahlung tituliert worden, so daß die Antragstellerin nicht neu hätte auf Unterhaltszahlung klagen müssen. Eine erneute Unterhaltsklage selbst auf der Grundlage einer im Vergleich vom 1. Dezember 1977 zu sehenden materiellen Vereinbarung wäre aber für die Antragstellerin, die mangels sonstiger Einkünfte auf die Unterhaltszahlung durch den Antragsgegner angewiesen ist, nicht zumutbar.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Unter diesen Umständen hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Familiengerichts die Vollstreckungsklausel zu Recht erteilt.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Als Gegenstandswert war der Wert des zu vollstreckenden Anspruchs (§ 17 Abs. 1 GKG) festzusetzen (vgl. OLG Köln Rpfleger 69, 247; Zöller-Scherübl, a.a.O., § 732 Anm IV 3 i. V. mit § 731 Anm VI 3).</p>
|
315,994 | olgham-1979-06-20-6-uf-2679 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 6 UF 26/79 | 1979-06-20T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:41 | 2019-03-27T09:41:41 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1979:0620.6UF26.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlußberufung des Beklagten wird das am 21. Dezember 1978 verkündete Teilurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Gelsenkirchen abgeändert.</p>
<p>Der Beklagte wird unter Einbeziehung der durch das angefochtene Urteil bereits erkannten Auskunftsverpflichtung verurteilt, der Klägerin Auskunft über sein, gesamtes Vermögen per 1. September 1978 und seine sämtlichen Einkünfte in den Jahren 1976, 1977 und 1978, die Bar- und Sachleistungen, die er aus selbständiger und unselbständiger Arbeit, aus Bank- und Sparguthaben, aus Wertpapieren oder sonstigem Vermögen bezieht, zu geben und ein Verzeichnis über den Bestand seiner Sachen und Rechte, insbesondere über seine Bankkonten, Wertpapier- und Sparguthaben zu dem oben genannten Stichtag zu erteilen sowie nachprüfbar aufzuschlüsseln und die dazu gehörenden Belege vorzulegen.</p>
<p>Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.</p>
<p>Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, Auskunft über ihr Vermögen und ihre Einkünfte, beginnend mit dem Jahre 1976, zu erteilen.</p>
<p>Im übrigen werden die Rechtsmittel beider Parteien zurückgewiesen.</p>
<p>Von den Kosten des Berufungsrechtszuges tragen der Beklagte 3/4 und die Klägerin 1/4.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien sind getrenntlebende Eheleute. Inzwischen ist auch ein Ehescheidungsverfahren anhängig gemacht worden, und zwar beim Familiengericht Rheinberg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Beklagte der Klägerin Anfang September 1978 die Kontovollmacht entzogen hatte und ihr nur noch Unterhalt für sie und die beiden aus der Ehe hervorgegangenen Kinder ..., geboren am 17. Februar 1977, und ..., geboren am 10. Juli 1978, in Höhe von monatlich 1.000,- DM zahlte, hat die Klägerin zunächst im Wege der Stufenklage Auskunft über das Vermögen und die Einkünfte des Beklagten in der Zeit vom Anfang des Jahres 1977 bis September 1978 einschließlich der Vorlage der Einkommensteuerbescheide nebst Unterlagen begehrt. Sie beabsichtigt, nach Erteilung der Auskunft ihren und der Kinder Unterhaltsanspruch zu beziffern.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die zwischenzeitlich erfolgte Vorlage der Bilanz per 31. Dezember 1977 und des Gesellschaftsvertrages der Wemhöner KG, deren persönlich haftender Gesellschafter der Beklagte mit einem Fixum von 1.800,- DM monatlich und 45 % Gewinnbeteiligung ist, sowie des Mietvertrages über die Geschäftsräume hält die Klägerin leicht für ausreichend.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Sie hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">den Beklagten zu verurteilen, vollständig und richtig Auskunft über seine Einkünfte im Jahre 1977 bis September 1978 zu geben durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides 1977 nebst Unterlagen, die zu diesem Einkommensteuerbescheid gehören, dem Gesellschaftsvertrag der Firma Wemhöner KG sowie Angabe seiner gesamten Bankkonten nebst Kontostand Wertpapieren, Sparbücher sowie Angabe der Kontenbewegung in der entsprechenden Zeit,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">hilfsweise,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">den Beklagten zu verurteilen, über sein Vermögen und sein Einkommen Auskunft zu erteilen und darüber Belege vorzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Haupt- und Hilfsantrag der Klägerin zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Er hat die Auffassung vertreten, seiner Auskunftspflicht umfassend nachgekommen zu sein.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Teilurteil, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Familiengericht unter Abweisung des Hauptantrages auf den Hilfsantrag den Beklagten verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über sein Vermögen und Einkommen aus den Jahren 1977 bis September 1978 und hinsichtlich der Auskunft Belege vorzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Hiergegen wenden sich beide Parteien mit der Berufung. Die Klägerin erstrebt eine Erweiterung der Auskunftspflicht des Beklagten u.a. auch jetzt auf das Jahr 1976; der Beklagte will die Abweisung der Klage und im Wege der Widerklage die Verurteilung der Klägerin zur Auskunftserteilung über deren Vermögen und Einkünfte, beginnend mit dem Jahre 1976.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin trägt vor:</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick darauf, daß die Auskunft zwecks Bezifferung eines Unterhaltsanspruches so weit gehen müsse, wie dies zur Feststellung des Unterhaltsanspruchs erforderlich sei, habe das Familiengericht zu Recht ausgeführt, die vom Beklagten bislang gemachten Angaben erfüllten die Voraussetzungen einer solchen Auskunft in keiner Weise. Andererseits habe es zu Unrecht eine Verpflichtung des Beklagten verneint, die von ihr im einzelnen verlangten Unterlagen vorzulegen. Der Beklagte sei verpflichtet, ein Bestandsverzeichnis über seine Rechte und Sachen zu erteilen, das in nachprüfbarer Form aufzuschlüsseln sei. Die Aufschlüsselung sei um so mehr erforderlich, als der Beklagte kein Arbeitnehmer sei, sondern als Unternehmer ständig wechselnde Einkünfte habe, worüber ihr zuverlässige Grundlagen an die Hand gegeben werden müßten. In diesem Rahmen gäben die Steuerbescheide einen Überblick über das jedenfalls dem Finanzamt gegenüber deklarierte Einkommen, und durch die Vorlage der dazu gehörenden Unterlagen werde sie feststellen können, in welchen Punkten allein aus steuerlichen Gründen Abzüge gemacht worden seien und wo echte Ausgaben vorlägen. Des weiteren müßten u.a. Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern über etwaige Sachleistungen der Gesellschaft an den Beklagten mitgeteilt werden. Die Auskunft über das Vermögen müsse auch Kontenbewegungen und dergl. erkennen lassen, um ihr eine Überprüfung zu ermöglichen, ob zwischenzeitlich zu ihren Kosten Vermögensverschiebungen vorgenommen worden seien. Schließlich sei die Auskunftserteilung auch auf das Jahr 1976 zu erstrecken, da bei einem Unternehmer nur eine Übersicht über einen längeren Zeitraum eine zuverlässige Grundlage für den geltend zu machenden Unterhaltsanspruch gebe.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">abändernd unter Einbeziehung der bereits erkannten Auskunftsverpflichtung den Beklagten zu verurteilen, ihr Auskunft über sein gesamtes Vermögen und über seine gesamt Einkünfte in den Jahren 1976 bis 1978, der Bar- und Sachleistungen, die er aus selbständiger und unselbständiger Arbeit, aus Bank- und Sparguthaben, aus Wertpapieren oder sonstigem Vermögen bezieht, zu geben, ein Verzeichnis über den Bestand seiner Sachen und Rechte, insbesondere über seine Bankkonten, seine Wertpapier- und Sparguthaben nebst den in den Jahren 1976 bis 1978 erfolgten Bewegungen zu erteilen sowie nachprüfbar aufzuschlüsseln und die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 1976 bis 1978 nebst dazugehörenden Unterlagen vorzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">mit der eigenen Berufung,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">abändernd die Klage abzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">widerklagend,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">die Klägerin zu verurteilen, Auskunft über ihr Vermögen und ihre Einkünfte, beginnend mit dem Jahre 1976, zu erteilen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Er ist, nachdem er in den Schriftsätzen weitere Einzelauskünfte erteilt hat, der Meinung, seine Auskunftspflicht zumindest jetzt in vollem Umfange erfüllt zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin erkennt den Widerklageanspruch unter Protest gegen die Kostenlast an und beantragt im übrigen,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">die Klägerin gemäß deren Anerkenntnis durch Anerkenntnisurteil zu verurteilen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze und der mit diesen überreichten Unterlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Berufungen beider Parteien sind zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Das Oberlandesgericht Hamm ist auch weiterhin zur Entscheidung darüber befugt, obwohl inzwischen die Ehesache der Parteien beim Amtsgericht - Familiengericht - Rheinberg rechtshängig geworden ist. Eine Verweisung bzw. Abgabe einer Familiensache der vorliegenden Art an das für die Ehesache zuständige Gericht hat nach § 621 Abs. 3 BGB nur bei in erster Instanz befindlichen Verfahren zu erfolgen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Beide Berufungen haben aber nur teilweise Erfolg, die des Beklagter ohnehin lediglich wegen der damit erhobenen Widerklage.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die von der Klägerin in der Berufungsinstanz vorgenommene Erweiterung ihres ursprünglichen Klageantrages ist zulässig. Selbst wenn darin z. T. eine Klageänderung zu sehen sein sollte, ist dies zulässig, da der Beklagte sich rügelos dazu eingelassen hat (§ 263 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann jedoch vom Beklagten gemäß §§ 1361, 1605 BGB nicht in dem Umfang Auskunft verlangen, wie sie es teilweise schon mit ihrem erstinstanzlichen Hauptantrag getan hat und jetzt mit den Berufungsantrag tut.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Zwar kann der Klägerin leicht, wie das Familiengericht meint, verwehrt werden, in einer bestimmten Weise Auskunft zu verlangen. Sie ist nicht auf den Anspruch beschränkt, der Beklagte müsse "Auskunft über Einkommen und Vermögen erteilen und hinsichtlich der Auskunft Belege vorlegen". Eine solche Beschränkung ergibt sich au dem Gesetz nicht. Es kann vielmehr, wenn dem Auskunftsberechtigten bekannt ist, daß der Verpflichtete, wie hier der Beklagte, als Unternehmer oder dergl. über verschiedene Arten von Einkünften verfügt und Vermögen in unterschiedlicher Weise angelegt hat, sich von vornherein zur besseren Durchsetzung seines Auskunftsanspruchs sowie zur Vermeidung einer etwa erforderlichen Ergänzung bei versehentlichem Unterlassen der Angabe der einen oder anderen Einkunftsart auch die Einzelpositionen titulieren lassen, auf die es ankommt. Die zu erteilende Auskunft ist nämlich im Urteil so konkret wie möglich zu bezeichnen (vgl. u.a. BGH LM G 260 Nr. 1; ders. in Betr. 70, 1533). In gleicher Weise sind nach Auffassung des Senats die Nebenverpflichtungen zur Vorlage von Belegen so genau wie möglich zu umreißen; denn zu ihrer Durchsetzung ist ebenfalls eine besondere Titulierung notwendig (vgl. auch BGH Z 33, 373 (378); OLG Düsseldorf in FamRZ 78, 717).</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Auskunftspflicht und die Nebenverpflichtungen bestehen allerdings nur insoweit, als die Klägerin Angaben und Unterlagen benötigt, um ihren Unterhaltsanspruch berechnen zu können (vgl. BGH I a.a.O.; Palandt-Diederichsen, 38. Aufl., § 1605 BGB Anm. 2 b).</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">In diesem Rahmen kann die Klägerin Auskunft über das Vermögen des Beklagten erst zum Stichtag vom 1. September 1978 verlangen, da sie bis dahin ohne Einschränkungen Vollmacht über das Gehaltskonto des Beklagten hatte und deshalb für die Zeit vorher keine Unterhaltsansprüche mehr geltend zu machen sind. Die Auskunft hierüber erstreckt sich auch nicht auf Kontenbewegungen. Sie ist zu einem Stichtage zu erteilen; für eine Pflicht, Bewegungen mitzuteilen, fehlt es an der gesetzlichen Grundlage.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Auskunft über die Einkünfte hat sich nach der Rechtsprechung der Familiensenate des Oberlandesgerichts Hamm bei einem selbständigen Unternehmer auf mehrere Jahre zu erstrecken, da die Unterhaltsberechtigten nur so einen hinreichenden Überblick über das durchschnittliche Einkommen erhalten (vgl. Urteil des 4. Senats für Familiensachen in 4 UF 121/78 OLG Hamm und Urteil des erkennenden Senats in 6 UF 10/78 OLG Hamm). Die Klägerin hat deshalb auch zu Recht die Einkünfte des Jahres 1976 neben denen der Jahre 1977 und 1978 in ihr Auskunftsverlangen einbezogen.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Die Verpflichtung zur Beifügung von Belegen umfaßt nach der Rechtsprechung auch solche, denen die Richtigkeit der Zahlenangaben entnommen werden kann. Dazu gehören bei Unternehmern grundsätzlich die Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen, Gesellschaftsverträge und Vereinbarungen der Gesellschafter über sonstige Zuwendungen oder Sachleistungen, die als Einkommen anzurechnen sind. Darüberhinaus sind nach Auffassung des Senats aber auch Konto und Depotauszüge zum infrage kommenden Stichtag sowie Sparverträge vorzulegen. Nicht vorzulegen sind jedoch in ehelichen- und familienrechtlichen Unterhaltsstreitigkeiten, hier folgt der Senat der Auffassung von Palandt-Diederichsen (a.a.O., Anm. 3), Steuererklärungen und Steuerbescheide nebst den dazu gehörenden Unterlagen. Einmal ist nämlich auch im Familienverbande das Steuergeheimnis grundsätzlich zu wahren. Zum anderen ist insbesondere im Zusammenhang mit einem Ehescheidungs- bzw. einem ehelichen Unterhaltsverfahren ein Mißbrauch der auf einem solchen Wege erlangten Kenntnisse durch den Auskunftsberechtigten nicht schlechthin auszuschließen. Dagegen muß der Verpflichtete von vornherein geschützt sein. Derartige Urkunden mögen zwar freiwillig zur Erfüllung der Auskunftspflicht vorgelegt werden können, soweit sie sich als Belege bzw. als Grundlage für die Berechnung eines Unterhaltsanspruchs eignen; ein Anspruch auf Vorlage besteht jedoch nicht.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Der vorstehend umrissenen Auskunfts- und Vorlagepflicht ist der Beklagte entgegen seiner Auffassung bisher nicht vollständig nachgekommen. Die Vorlage der Bilanz 1977 nebst Gewinn- und Verlustrechnung sowie des Gesellschaftsvertrages und die inzwischen erfolgte Anhäufung von Einzelangaben in den Schriftsätzen reicht zur Erfüllung dieser Verpflichtungen nicht aus. Wie bereits das Familiengericht zutreffend ausgeführt hat, ist zur Auskunftserteilung gem. §§ 259, 260 BGB erforderlich, daß der Verpflichtete ein geordnetes Verzeichnis mit einer zusammenfassenden Darstellung der Einnahmen und Ausgaben sowie des Vermögens, aufgeschlüsselt in Einzelbeträge bzw. jedenfalls in die einzelnen Einkunfts-, Ausgaben- und Anlagearten, vorlegt. Die Frage, inwieweit bei Vorliegen von Teilzusammenstellungen eine Bezugnahme auf diese, verbunden mit einer abschließenden eigenen Erklärung über die Vollständigkeit der früheren Angaben, die zum Gegenstand der Versicherung nach § 260 Abs. 2 BGB gemacht werden kann, als zulässig anzusehen wäre, stellt sich vorliegend nicht, da bisher keinerlei geordnete Teilzusammenstellung vorliegt.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Widerklage, die in der Berufungsinstanz gem. § 530 Abs. 1 ZPO bereits deswegen zulässig ist, weil die Klägerin durch ihr Anerkenntnis in die Zulassung eingewilligt hat, ist nach dem genannten Anerkenntnis in vollem Umfange begründet. Gemäß ihrem Anerkenntnis war die Klägerin auf den Antrag des Beklagten zu verurteilen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 93, 97 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 1 und 10, 713 ZPO.</p>
|
315,995 | olgham-1979-06-08-11-u-1579 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 11 U 15/79 | 1979-06-08T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:42 | 2019-03-27T09:41:41 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1979:0608.11U15.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 23. Oktober 1978 wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger war Rennwettkunde des Beklagten. Am 8.5.1977 schloß er zwei Pferdewetten ab. Am 9. 5.
verweigerte der Beklagte dem Kläger die Auszahlung des Gewinns. Er verwies ihn darauf, daß auf den
Wettscheinen als Abgabezeit 16.11 Uhr eingetragen sei, während das Rennen - unstreitig - schon 16.07 Uhr
gestartet sei, sowie auf eine seit März 1977 neue Nr. 11 seiner Geschäftsbedingungen, welche lautet:</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><i>"Wenn auf dem Wettschein die Uhrzeit der Annahme vermerkt ist und die Annahmezeit nach der Startzeit
liegt, so wird die Wette wie ein Nichtläufer behandelt."</i></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat den Gewinn von 8.000 DM eingeklagt und dazu behauptet: Auf seinen Wettscheinen sei keine
Uhrzeit eingetragen gewesen; die Eintragung habe der Beklagte oder sein Angestellter nachträglich vorgenommen,
als ihnen die Scheine zur Gewinnauszahlung vorlagen. Die neue Geschäftsbedingung habe auch noch gar nicht
ausgehangen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat behauptet: Sein Angestellter habe über Fernschreiber den Start des Rennens erfahren.
Dann erst sei der Kläger erschienen und habe trotz Hinweises auf den erfolgten Start die Wette noch abschließen
wollen. Der Angestellte habe noch vor Wettscheinaushändigung die Uhrzeit eingetragen, allerdings nicht hierauf
hingewiesen. Die Geschäftsbedingungen hätten in der geänderten Fassung ausgehangen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat nach Vernehmung von 6 Zeugen der Klage mit 4 % Zinsen seit dem 15.7.1977 stattgegeben
und zur Begründung ausgeführt: Der Beklagte könne sich auf Nr. 11 der AGB nicht berufen, da er
auf die Neufassung nicht beaonders hingewiesen habe. Ferner könne er sich auch nicht auf die Uhrzeiteintragung
berufen, da diese nicht genügend deutlich erkennbar sei. Außerdem habe der Beklagte die Rechtzeitigkeit
der Uhrzeiteintragung nicht bewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil, auf welches verwiesen wird, wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er meint, der
erfolgte Aushang genüge zur Anwendbarkeit der Geschäftsbedingungen Nr. 11. Ferner wendet er sich gegen
die landgerichtliche Beweiswürdigung. Er beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">abändernd die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Der Beklagte kann sich nicht auf Nr. 11 seiner
Geschäftsbedingungen berufen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Gem. § 2 AGBG werden Geschäftsbedingungen nur dann Bestandteil eines Vertrages, wenn die andere
Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist. Nun muß allerdings in der Regel von einem Einverständnis
ausgegangen werden, wenn die Geschäftsbedingungen im Geschäftslokal deutlich sichtbar ausgehängt sind
und der Kunde nicht widerspricht. Hier ist aber eine Besonderheit zu berücksichtigen. Hat der Verwender - wie
hier - seine Geschäftsbedingungen seit langem aushängen, so muß er dann, wenn er sie in einem Punkt
ändert, durch einen besonders auffälligen Hinweis auf die Änderung aufmerksam machen. Anderenfalls
werden Stammkunden, die an den Aushang gewohnt sind, in dem Glauben belassen, es habe sich nichts geändert.
Zumindest ihnen gegenüber ist nach Treu und Glauben ein besonderer Hinweis auf die Änderung erforderlich.
Anderenfalls kann nicht von ihrem nach § 2 AGBG erforderlichen Einverständnis ausgegangen werden. Der
Beklagte behauptet nicht, dem Kläger, einem Stammkunden, gegenüber auf die Änderung hingewiesen zu
haben.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Es ist aber auch nicht bewiesen, daß die Uhrzeit der Annahme auf den Wettscheinen vermerkt war. Zu Unrecht
macht der beklagte geltend, er habe nicht die Beweislast für den Zeitpunkt, in welchem die Uhrzeit eingetragen
wurde. Nur eine Eintragung bei Wettabschluß kann zur Anwendung der Nr. 11 der Bedingungen führen. Da sich
der Beklagte, nicht der Kläger, auf diese Nr. 11 beruft, muß er auch diese Voraussetzung beweisen. Die
Wettscheinurkunden selbst sind nach ihrem äußeren Bild so wenig beweiskräftig (§ 419 ZPO),
daß der Beklagte sich in der Berufung (III) selbst nicht mehr auf sie beruft, sondern lediglich auf das
Zeugnis .... Dieses reicht jedoch auch dem Senat angesichts der Aussagen der Zeugen ... und ... nicht aus.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Nach allem ist der Beklagte zur Vertragserfüllung verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 7+8 Nr. 10 ZPO. Die Beschwer des Beklagten beträgt
- da er trotz erstinstanzlicher Anerkennung von 200,- DM volle Klageabweisung beantragt hat - 8.000,- DM.</p>
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315,996 | olgham-1979-06-07-15-w-5679 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 15 W 56/79 | 1979-06-07T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:44 | 2019-03-27T09:41:41 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1979:0607.15W56.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die sofortige weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der angefochtene Beschluß wie folgt neu gefaßt wird:</p>
<p>Der Beschluß des Amtsgerichts Essen vom 3./30. November 1978 wird aufgehoben.</p>
<p>Der Beschluß der Eigentümerversammlung vom 28. April 1978 zu Punkt 11 der Tagesordnung - Änderung des Verteilungsschlüssels bei der Verwaltervergütung - wird für ungültig erklärt. Die weitergehenden Anträge des Beteiligten zu 1) werden zurückgewiesen. Die weitergehende sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 42) wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Gerichtskosten der drei Instanzen - hinsichtlich der beiden ersten Instanzen unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Beschlusses - haben der Beteiligte zu 1) und die Beteiligte zu 42) je zur Hälfte zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der drei Instanzen findet nicht statt.</p>
<p>Der Wert des Gegenstandes der sofortigen ersten und weiteren Beschwerde wird auf je 3.000,- DM festgesetzt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><b>1)</b></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Innerhalb der eingangs bezeichneten Eigentümergemeinschaft beträgt nach §§ 12 Nr. 6,
18 Nr. 5 der Teilungserklärung vom 20. August 1955 die Vergütung des Verwalters 5 % des im Falle
einer Vermietung der Wohnungen zugrunde zu legenden Mietbetrages. § 12 Nr. 7 Abs. 4 der Teilungserklärung
sieht vor, daß die Bestimmungen zu diesem Paragraphen durch einen Beschluß der Miteigentümer mit
2/3 Mehrheit abgeändert werden können. Nach § 17 Nr. 4 der Teilungserklärung erfolgt die
Abstimmung in der Versammlung nach der Höhe der Miteigentumsanteile, wobei jedes Tausendstel eine Stimme
gewährt, und werden bei der Feststellung der Mehrheitsverhältnisse die Stimmen der nicht vertretenen
Wohnungseigentümer nicht gerechnet.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte zu 1) hat das Ziel verfolgt, den bisherigen Verteilungsschlüssel für die
Verwaltervergütung durch einen Beschluß der Eigentümerversammlung dahin abzuändern,
daß diese Vergütung nach Wohnungseinheiten abgerechnet werde. Darüber ist in der
Eigentümerversammlung vom 28. April 1978 abgestimmt worden. Dieser Tagesordnungspunkt war nicht in der
Einladung der Verwalterin zu dieser Versammlung verzeichnet.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Über diesen Beratungsgegenstand heißt es in dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 28.
April 1978:</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><i>"<u>11. Änderung des Verteilungsschlüssels bei der Verwaltervergütung</u></i></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><i>Der Wohnungseigentümer ... machte den Verwalter darauf aufmerksam, daß er vorerwähnten
Tagesordnungspunkt bei der Verwaltung beantragt hätte. Der Antrag ist jedoch als Tagesordnungspunkt nicht
erschienen. Der Verwalter bestätigte dies und gab der Versammlung zu verstehen, daß dieser Tagesordnungspunkt
von Herrn ... während des Beiseins von Herrn Leidheuser bei der Rechnungsprüfung gestellt wurde.</i></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><i>Daraufhin erklärte der Verwalter, daß er über den Änderungsantrag von Herrn ... mit der
Einschränkung abstimmen lassen könne, wenn kein anderer Wohnungseigentümer innerhalb von 4 Wochen
Einspruch erhebt.</i></p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><i>Der Verwalter erklärte ...</i></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><i>Daraufhin stellte der Verwalter folgenden Beschlußantrag:</i></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><i>Die Eigentümergemeinschaft möge beschließen, die Verwaltervergütung nicht nach dem
bisherigen Modus abzuwickeln, sondern die Verwaltervergütung nach Wohnungseinheiten abzurechnen.</i></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><i>Das Abstimmungsergebnis sah wie folgt aus:</i></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">dafür stimmten 652/1.000stel Miteigentumsanteile dagegen stimmten 59/1.000stel Miteigentumsanteile</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><i>Gemäß der Teilungserklärung vom 20. August 1955 steht unter § 12, Seite 15, letzter
Absatz:</i></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><i>Die Bestimmungen zu diesem Paragraphen können durch einen Beschluß der Miteigentümer mit
2/3-Mehrheit abgeändert werden:</i></p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><i>Da die 2/3 Mehrheit nicht erreicht wurde, ist der Antrag von Herrn Nikolai von der Eigentümergemeinschaft
<u>nicht angenommen</u> worden."</i></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><b>2)</b></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 24. Mai 1978, das am 26. Mai 1978 bei dem Amtsgericht eingegangen ist, hat der Beteiligte zu 1)
diesen Eigentümerbeschluß angegriffen. Er hat die Ansicht vertreten, sein Antrag sei angenommen worden, da
mehr als 2/3 der anwesenden Wohnungseigentümer (vgl. § 17 Nr. 4 der Teilungserklärung) für der
Antrag gestimmt hätten. Im übrigen hätten gegen den Antrag auch lediglich 43/1.000 Anteile gestimmt
und damit 668/1.000 dafür, so daß der Antrag selbst mit 2/3-Mehrheit aller Wohnungseigentümer angenommen
worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">1)</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Punkt 11 des Protokolls vom 12. Mai 1978 dahingehend zu korrigieren, daß
der Antrag zur Abrechnung der Verwaltungskosten zu gleichen Teilen nach Objekten durch die erforderliche
2/3-Mehrheit <u>angenommen</u> worden sei und die Wirtschaftspläne für das Jahr 1978 entsprechend
zu berichtigen seien;</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">2)</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">festzustellen und auszusprechen, daß nur 43/1.000 Anteile gegen den Antrag gestimmt
hätten und daß das Protokoll insoweit unrichtig sei.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligte zu 42) (Verwalterin) hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">diese Anträge zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Sie hat vorgebracht, nach der Teilungsordnung sei für die Änderung des Verteilungsschlüssels eine
2/3-Mehrheit aller Wohnungseigentümer erforderlich, die nicht erreicht worden sei. Im übrigen hätten
in der Eigentümerversammlung zwar nur 3 Personen gegen den Antrag gestimmt, doch habe Herr ... zugleich für
die Eheleute ... die Stimme abgegeben und sei dazu auch auf Grund einer von Herrn ... unterzeichneten Vollmacht vom
10. April 1978 berechtigt gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte zu 1) hat erwidert, diese Vollmacht sei nicht ausreichend gewesen, da sie nicht von beiden
Wohnungseigentümern unterzeichnet worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Verwalterin und sämtliche Wohnungseigentümer am Verfahren beteiligt und am
5. Oktober 1978 mündlich verhandelt. Es hat sodann durch Beschluß vom 3. November 1978 (Tenor berichtigt
durch weiteren Beschluß vom 30. November 1978) festgestellt, daß auf der Eigentümerversammlung vom
28. April 1978 der Antrag zu Punkt 11 der Tagesordnung - Umlage der Verwaltervergütung - angenommen worden
ist, und ferner der Verwalterin aufgegeben, die Niederschrift innerhalb eines Monats ab Rechtskraft des Beschlusses
entsprechend zu berichtigen; die weitergehenden Anträge hat es zurückgewiesen. Das Amtsgericht hat die
Auffassung vertreten, gemäß § 17 Nr. 4 der Teilungsanordnung sei nur eine 2/3-Mehrheit der anwesenden
Eigentümer erforderlich gewesen. Wenn der Beschlußgegenstand auch nicht bei der Einberufung der
Eigentümerversammlung bezeichnet worden sei, so sei das unerheblich, weil dieser Verstoß nicht im Wege
der gerichtlichen Anfechtung geltend gemacht worden sei. Der Wirtschaftsplan für 1978 sei nicht zu berichtigen,
da er von der Eigentümerversammlung bereits unter Punkt 10 des Versammlungsprotokolls einstimmig angenommen
worden sei. Der Antrag zu 2) könne ohnehin nicht zum Erfolg führen, da eine unberechtigte Stimmabgabe
durch Herrn ... für die Eheleute ... nicht zu einer Erhöhung der für den Antrag stimmenden Anteile
führen würde; außerdem erlaube aber § 14 Nr. 2 der Teilungserklärung, daß Ehegatten
sich gegenseitig bevollmächtigen, rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Gegen die amtsgerichtliche Entscheidung hat die Beteiligte zu 42) sofortige Beschwerde vom 1. Dezember 1978
eingelegt und zur Begründung vorgetragen, das Amtsgericht habe § 12 Nr. 7 Abs. 4 der Teilungserklärung
unrichtig angewandt, da die qualifizierte Mehrheit aller Wohnungseigentümer erforderlich gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte zu 1) ist diesem Rechtsmittel unter Berufung auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe
entgegengetreten. Das Landgericht hat am 26. Januar 1979 mündlich verhandelt. Durch Beschluß vom 30. Januar
1979 hat es die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben und die Anträge des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.
Das Landgericht ist zu der Auffassung gelangt, daß wegen Verletzung des § 23 Abs. 2 WEG kein wirksamer
Beschluß zustande gekommen sei und es dies auf den Antrag des Beteiligten zu 1), der ein Verfahren nach §
43 Abs. 1 Nr. 4 WEG zum Gegenstand habe, zu berücksichtigen habe. Auf die Prüfung der weiteren Frage, wie
§ 17 Nr. 4 der Teilungserklärung aufzufassen sei, komme es daher nicht mehr an, wenn sich die Kammer
insoweit auch der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung anschließe.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Gegen die landgerichtliche Entscheidung wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde
vom 23. Februar 1979. Nach seiner Auffassung sei der zutreffende amtsgerichtliche Beschluß zu bestätigen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Das Rechtsmittel ist statthaft, in rechter Form und Frist eingelegt und auch sonst zulässig (§§
43 Abs. 1 Nr. 4, 45 Abs. 1 WEG, 29 Abs. 1 und 2 FGG). Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) (vgl. §§
29 Abs. 4, 20 Abs. 1 FGG) ergibt sich schon daraus, daß das Landgericht die für ihn günstige Entscheidung
des Amtsgerichts abgeändert hat (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 11. Aufl., Rz. 10 zu § 27 FGG).</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Das Rechtsmittel ist mit seinem eigentlichen Anliegen, die Annahme des Antrages durch die Eigentümerversammlung
festzustellen, unbegründet. Es führt lediglich zu einer Richtigstellung des landgerichtlichen
Beschlußausspruches, weil dieser die Gültigkeit des unter Punkt 11 der Tagesordnung gefaßten
Eigentümerbeschlusses unberührt läßt.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks"><b>1)</b></p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Zutreffend ist das Landgericht von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten zu 42) ausgegangen. Gegen
die vom Gericht in Wohnungseigentumssachen erlassene Entscheidung war die sofortige Beschwerde statthaft (§ 45
Abs. 1 WEG), die form- und fristgerecht erklärt worden ist. Die Verwalterin war als Beteiligte (§ 43 Abs.
4 Nr. 2 WEG), deren Rechte durch die Entscheidung erster Instanz beeinträchtigt worden sind, beschwerdebefugt.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks"><b>2)</b></p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat weiter mit Recht die erstinstanzlichen Verfahrensvoraussetzungen als gegeben, insbesondere
die Verfahrensart der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG als zulässig angesehen.
Dabei hat es allerdings den Verfahrensgegenstand, der dem Gericht erster Instanz mit dem Antrag vom 24. Mai 1978
zugefallen ist, nicht eindeutig rechtlich umrissen. Der auf Feststellung gerichtete Hauptantrag des Beteiligten
zu 1), daß durch die Eigentümerversammlung vom 28. April 1978 der Antrag zu Punkt 11 der Tagesordnung
- Umlage der Verwaltervergütung - angenommen worden sei, ist als prozessuale Willenserklärung der
Auslegung bedürftig, die auch vom Rechtsbeschwerdegericht vorgenommen werden kann (vgl. etwa Keidel/Kuntze/Winkler,
Rz 49 zu § 27 FGG). Diese Auslegung sollte möglichst einen prozessualen Weg aufzeigen, auf dem der Beteiligte
zu 1) sein Ziel durchsetzen kann.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Nach der Auslegung des Senats beinhaltet der Antrag zwei prozessuale Schritte: Einmal hat er zum Ziel, daß
der von der Verwalterin bekanntgegebene ablehnende Beschluß gemäß §§ 23 Abs. 4, 43 Abs. 1 Nr.
4 WEG für ungültig erklärt wird. Des weiteren enthält er das im Rahmen dieser Vorschriften verfolgte
positive Begehren auf Feststellung, daß tatsächlich ein Beschluß gefaßt worden ist, der dem Antrag
auf Änderung des Verteilungsschlüssels für die Verwaltervergütung stattgegeben hat. Beide
Antragsziele sind nach der Auffassung des Senats zulässig, wobei das zweite nicht ohne Verfolgung des ersten
erreicht werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Nach dem Versammlungsprotokoll hat die den Vorsitz führende Verwalterin (§ 24 Abs. 5 WEG) den Antrag
des Beteiligten zu 1) für abgelehnt erklärt. Sie hat damit unmißverständlich in aller Form als
Vorsitzende der Versammlung als Abstimmungsergebnis und Beschluß die Ablehnung des vom Beteiligten zu 1)
gestellten Antrages verkündet. Darüber, ob ein Antrag angenommen oder abgelehn ist, hat zunächst
- vorbehaltlich der gerichtlichen Nachprüfung - der Vorsitzende der Versammlung zu entscheiden. Diese seine
Entscheidung ist auch vorläufig maßgeblich, wenn nicht die Sachlage so eindeutig ist, daß auch ohne
Verkündung durch den Vorsitzenden eine eindeutig protokollarisch festgelegte Willensäußerung der
Eigentümerversammlung vorliegt (RGZ 142, 123, 127 für Aktiengesellschaft). Dieser letzte Fall war hier
aber nicht gegeben. Denn es herrscht Streit darüber, wie die Bestimmungen der Teilungserklärung über
die Verwaltervergütung (§§ 12 Nr. 6, 18 Nr. 5) abänderbar sind, ob sich nämlich die
dafür erforderliche qualifizierte Mehrheit an der Zahl der anwesenden oder aber überhaupt vorhandenen
Wohnungseigentümer ausrichten soll. Die Beantwortung dieser Frage liegt nicht derart klar und offen zutage,
daß sich die Ausrichtung der Mehrheit an der Zahl aller Wohnungseigentümer durch die Vorsitzende als
eine rechtlich unbeachtliche reine Willkürmaßnahme darstellte. Das Amtsgericht ist erst nach einer
eingehenden Auslegung der Teilungserklärung zu dem Ergebnis gelangt, daß die Zahl der anwesenden
Wohnungseigentümer genüge. Unter diesen Umständen ist der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses
und der Antragsablehnung durch die Vorsitzende die rechtliche Bedeutung nicht abzusprechen.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">Um diese Rechtswirkungen der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses zu beseitigen, bedurfte es zur Durchsetzung
des Antragsbegehrens des Beteiligten zu 1) daher zunächst der Ungültigerklärung dieses Beschlusses.
Für einen derartigen Antrag war auch das für eine Sachentscheidung des Gerichts erforderliche
Rechtsschutzbedürfnis gegeben. In der Rechtsprechung und im Schrifttum wird allerdings die Auffassung
vertreten, daß ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung eines Beschlusses, durch den es
die Versammlung der Wohnungseigentümer mit Mehrheit ablehnt, über den Antrag eines Wohnungseigentümers
zu beschließen, nur besteht, wenn dem Antragsteller ein klagbarer Anspruch auf Beschlußfassung zusteht
(BayObLGZ 1972, 150, 153; Palandt/Bassenge, BGB, 38. Aufl., Anm. 1 d zu § 43 WEG). Zur Begründung wird
ausgeführt, daß ein solcher Mehrheitsbeschluß sich in der Verweigerung der positiven
Beschlußfassung erschöpfe; seine etwaige Ungültigkeit ändere grundsätzlich nichts am
Fehlen einer positiven Beschlußfassung; auch sei das Gericht nicht befugt, einen ungültigen
Beschluß über die Ablehnung einer positiven Beschlußfassung durch einen positiven Beschluß
mit dem vom Antragsteller gewünschten Inhalt zu ersetzen. Die hier vorliegende Fallgestaltung unterscheidet
sich aber von der, die zu dieser Auffassung geführt hat. Hier ist nicht mit Mehrheit ein Antrag eines
Wohnungseigentümers abgelehnt worden, sondern die. Mehrheit hat für den Antrag gestimmt, wobei lediglich
nach der Bekanntgabe der Versammlungsleiterin die erforderliche qualifizierte Mehrheit nicht, nach der Auffassung
des Antragstellers abe doch erreicht worden ist. In diesem Falle ist das Rechtsschutzbedürfnis für die
Anfechtung des bekanntgegebenen ablehnenden Beschlusses zu bejahen, weil eine solche Ungültigerklärung
zur Feststellung eines tatsächlich positiv gefaßten Beschlusses führen kann.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Die eben geäußerte Ansicht geht davon aus, daß nicht nur der angefochtene Beschluß für
ungültig erklärt, sondern durch gerichtliche Entscheidung auch festgestellt werden kann, daß nicht
der angefochtene, sondern ein anderer Beschluß gefaßt sei. Es wird allgemein die Auffassung vertreten,
daß nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG nicht nur die Ungültigkeit, sondern auch die Gültigkeit von
Beschlüssen festgestellt werden kann (OLG Celle, NJW 1958, 307; Bärmann/Merle, WEG, 3. Aufl., Rz. 31
zu § 43 WEG; Palandt/Bassenge Anm. 1 d zu § 43 WEG). Über eine mögliche Kombination von
Beschlußanfechtung und Feststellungsbegehren, daß nicht der angefochtene, sondern ein anderer
Beschluß gefaßt sei, äußern sich Rechtsprechung und Schrifttum zum Wohnungseigentumsgesetz
- soweit ersichtlich - nicht. Es wird empfohlen, zur näheren Ausgestaltung des Beschlußanfechtungsverfahrens
die Vorschriften des Aktienrechtes (§§ 243 ff. AktG) heranzuziehen (Bärmann/Pick, Rz. 9 zu § 23
WEG). In diesem Rechtsgebiet ist allerdings die Kombination von Beschlußanfechtung und Feststellung umstritten.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Das Reichsgericht (RGZ 142, 123) hat unter Aufgabe einer früheren Auffassung (RGZ 122, 107; vgl. Schilderung
in Großkomm. AktG-Schilling, Anm. 3 zu § 248 AktG) in einem Falle, in dem es um das unzulässige
Mitzählen verbotswidrig abgegebener Stimmen handelte, grundsätzlich ausgesprochen, daß mit der
Anfechtungsklage nur die Vernichtung des angefochtenen, nicht aber die Feststellung der Annahme eines anderen
Beschlusses erreicht werden könne, weil die zeitlich unbeschränkt zulässige Feststellungsklage
größte Rechtsunsicherheit und Verwirrung zur Folge haben würde. Diese Auffassung ist auf Widerspruch
gestoßen (vgl. Großkomm. AktG-Schilling, a.a.O.): Eine solche Beschränkung der Entscheidungsgewalt
des Gerichts werde oft den vollen Erfolg einer Anfechtung vereiteln. Da die nach Vernichtung eines Beschlusses
erfolgende neue Abstimmung oft erst nach langer Zeit, unter geänderten tatsächlichen Verhältnissen
und nach Wechsel im Aktienbesitz erfolgen könne, werde auch bei erheblichen Mängeln des angefochtenen
Beschlusses eine Herstellung der Rechtslage, die den Mehrheitsverhältnissen im Zeitpunkt der Abstimmung
entsprach, nicht möglich sein. Der Feststellung des Ergebnisses der Abstimmung durch den Vorsitzenden werde
dadurch eine weitgehende Bedeutung beigelegt; daraus, daß das Gesetz den Aktionären nur ein Recht auf
"Anfechtung" eines Beschlusses gebe, müsse nicht notwendig abgeleitet werden, daß die Anfechtung
nicht auch zur Feststellung des der wahren Rechtslage entsprechenden Beschlusses führen könne. Der Nachteil
einer zeitlich unbeschränkten Feststellungsklage ließe sich vermeiden, wenn die Feststellung des wirklichen
Abstimmungsergebnisses nur zusammen mit der Entscheidung über eine fristgemäß erhobene Anfechtungsklage
erfolgen könne.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Für das Verfahren in Wohnungseigentumssachen hält der Senat die eben wiedergegebene widersprechende
Meinung für die zutreffende. In diesem Verfahren werden nach einhelliger Auffassung positive Feststellungen
im Rahmen des § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG zugelassen. Das ist auch bei der vorliegenden Verfahrensgestaltung
unbedenklich, bei der der Richter durch eine Feststellung in die Autonomie der Eigentümerversammlung nicht
eingreift, indem er etwa deren Beschlüsse korrigiert oder ersetzt, sondern dieser Autonomie erst Geltung
verschafft. Das Gericht tritt hierbei nur an die Stelle des Versammlungsvorsitzenden und nicht an die der
Eigentümerversammlung. Der Senat befürwortet es daher, wenn mit der Beschlußanfechtung innerhalb
der Frist des § 23 Abs. 4 WEG ein Antrag auf Feststellung des bei Beachtung des Gesetzes und der
Vereinbarungen wirklich gefaßten, aber in der Niederschrift nicht festgestellten Beschlusses verbunden
wird. Voraussetzung ist nur, daß sonst alle Erfordernisse eines wirksamen Beschlusses gegeben sind, aber
das Ergebnis der Abstimmung unrichtig festgestellt worden ist (vgl. auch Großkomm.AktG-Schilling, a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks"><b>3)</b></p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Innerhalb dieser zulässigen Kombination von Beschlußanfechtung und Feststellung ist aber nur der
Anfechtungsantrag des Beteiligten zu 1) begründet. Wie das Landgericht mit Recht ausgeführt hat, ist
dagegen eine Feststellung, daß der Antrag zu Punkt 11 der Tagesordnung angenommen worden sei, nicht möglich,
weil nicht alle Erfordernisse einer wirksamen Beschlußfassung vorliegen.</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Voraussetzung für die Gültigkeit des Beschlusses einer Wohnungseigentümerversammlung ist
grundsätzlich, daß der Gegenstand der Beschlußfassung (Tagesordnung) bei der Einberufung der
Versammlung angegeben ist (§ 23 Abs. 2 WEG). Das Landgericht konnte auf Grund des vorliegenden Protokolls
der Versammlung ohne Rechtsirrtum feststellen, daß die Änderung des Verteilungsschlüssels bei
der Verwaltervergütung in dem Einladungsschreiben zur Versammlung nicht bezeichnet worden ist. Zwar ist
die Beachtung der Vorschrift des § 23 Abs. 2 WEG keine absolute Gültigkeitsvoraussetzung für
die Beschlüsse der Wohnungseigentümer; denn es handelt sich hierbei um eine abdingbare Rechtsvorschrift,
auf deren Einhaltung verzichtet werden kann (BayObLG, NJW 1970, 1136; KG, OLGZ 1974, 399, 401; Bärmann/Pick,
Rz. 14 zu § 23 WEG). Im Verfahren der Anfechtung eines Beschlusses der Wohnungseigentümer ist aber §
23 Abs. 2 WEG von Amts wegen zu beachten, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die
Wohnungseigentümer insoweit eine Vereinbarung getroffen haben, die von der gesetzlichen
Gültigkeitsvoraussetzung abweicht, oder daß sie auf deren Einhaltung rechtswirksam verzichtet haben.
Da es sich hierbei um eine Frage der Ausübung der den Wohnungseigentümern zustehenden gemeinsamen
Verwaltung (§ 21 Abs. 1 WEG), also um eine Gemeinschaftsangelegenheit handelt, bedarf eine solche Vereinbarung
und ebenso der Verzicht der Zustimmung aller Wohnungseigentümer (BayObLG und KG, jeweils a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Die Teilungserklärung vom 20. August 1955 enthält keine Regelung, die von § 23 Abs. 2 WEG
abweicht. Für einen Verzicht reichte das Abstimmungsergebnis der Eigentümerversammlung vom 28. April
1978 nicht aus. Ein Verzicht hätte entsprechend § 51 Abs. 3 GmbHG erwogen werden können, wenn
sämtliche Wohnungseigentümer anwesend gewesen wären, also eine sogenannte Universalversammlung
stattgefunden hätte, und keiner der Anwesenden der Beschlußfassung trotz Nichteinhaltung des §
23 Abs. 2 WEG widersprochen hätte (KG, a.a.O.). Von einer derartigen Universalversammlung kann hier aber
nicht die Rede sein.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Dieser Verstoß gegen § 23 Abs. 2 WEG führt zur Ungültigerklärung des gefaßten
Beschlusses und zur Ablehnung einer Feststellung eines wirksam gefaßten anderen Beschlusses. Mit Recht hat
das Landgericht im Gegensatz zum Amtsgericht ausgeführt, daß dieser Einberufungsmangel zum Tragen komme,
weil der Beteiligte zu 1) einen fristgerechten Antrag nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG bei Gericht gestellt hat. Die
Vorinstanz hat es zutreffend auch als unbeachtlich angesehen, daß der an einer Annahme seines Antrages
interessierte Beteiligte zu 1) diesen Mangel nicht gerügt, hat, weil er vom Gericht von Amts wegen zu
berücksichtigen ist.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat zusätzlich geprüft, ob nicht doch - wie des Beteiligte zu 1) behauptet hat - die
2/3-Mehrheit aller Eigentümer durch das erzielte Abstimmungsergebnis erreicht worden sei. Es hat die Frage
gestellt, ob nicht ein Verstoß gegen § 23 Abs. 2 WEG letztlich unerheblich bleiben müsse, weil
dieser Verstoß nicht für ein anderes Abstimmungsergebnis ursächlich geworden sein könne. Es
hätte möglicherweise diesen Verstoß dann nicht durchgreifen lassen, wenn die 2/3-Mehrheit aller
Wohnungseigentümer erreicht worden wäre, weil die nicht anwesenden Eigentümer, auch wenn sie in
der Einladung vollständig informiert worden wären und eventuell an der Versammlung teilgenommen
hätten, die Annahme des Antrages nicht hätten verhindern können. Das Landgericht hat aber nicht
abschließend dazu Stellung genommen, weil die 2/3-Hehrheit aller Eigentümer nicht erreicht worden sei:
Es hätten nicht nur 43/1.000 Anteile gegen den Antrag gestimmt, sondern 59/1.000 Anteile; im übrigen
würde eine unzulässige Vertretung bei der Stimmabgabe, wie sie der Beteiligte zu 1) behauptet hat,
nicht zu einer Erhöhung der befürwortenden Stimmen geführt haben.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Diese Ausführungen des Landgerichts können nur im Ergebnis hingenommen werden, daß der
Beschluß auf einer Verletzung des § 23 Abs. 2 WEG beruht. Es bedarf dabei keiner Stellungnahme des
Senats dazu, ob ein Beschluß der Eigentümerversammlung trotz Verstoßes gegen § 23 Abs. 2 WEG
wirksam sein kann, wenn einwandfrei nachgewiesen ist, daß der Beschluß nicht auf dem Mangel beruhen
kann. Der Bundesgerichtshof hat diese Auffassung bezüglich anderer Einladungsmängel für den
Vereinsbeschluß (NJW 1973, 235) und für den Gesellschafterbeschluß einer GmbH (NJW 1972, 1320)
vertreten. Selbst wenn dieser Grundsatz auch auf den vorliegenden Einladungsmangel und auf den Beschluß
der Wohnungseigentümer erstreckt werden könnte, hätte er doch zum Inhalt, daß für das
gleiche Ergebnis des Beschlusses nicht die bloße Wahrscheinlichkeit genügen würde, sondern der
sichere Nachweis geführt werden müßte, daß der beanstandete Beschluß nicht auf dem
Mangel beruhen kann. Die Möglichkeit, daß der durch den Mangel betroffene Abstimmungsberechtigte das
Beschlußergebnis hätte beeinflussen können, müßte also nicht nur unwahrscheinlich sein,
sondern bei vernünftiger Betrachtung unter keinen Umständen in Betracht kommen (BGH, NJW 1972, 1320,
1321). Dieser Nachweis wäre hier nicht zu führen, und zwar - im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichts
- auch dann nicht, wenn in der Versammlung tatsächlich eine 2/3-Mehrheit erreicht worden wäre. Es
dürfte bei dieser Prüfung im Hinblick auf diesen Einberufungsmangel nicht nur verkürzt auf die
mangelnde Unterrichtung der nicht erschienenen Wohnungseigentümer abgestellt werden. Der Beweis würde
schon dann scheitern, wenn auch bei den erschienenen Eigentümern durch eine rechtzeitige Unterrichtung von
diesem Tagesordnungspunkt ein anderes Abstimmungsverhalten nicht ausgeschlossen werden kann, weil sie dann das
Für und Wider abwägen und sich mit anderen Wohnungseigentümern in Verbindung setzen konnten.
Daß Wohnungseigentümer durch die Aufnahme dieses Tagesordnungspunktes überrumpelt worden sind,
zeigt eine Eingabe vom 18. Dezember 1978 (Bl. 131 ff. d.A.), in der nunmehr die Beibehaltung des alten
Verteilungsschlüssels gewünscht wird.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">c)</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Der Beschlußausspruch des Beschwerdegerichts ist abzuändern. Zutreffend hat das Landgericht nach den
vorstehenden Erwägungen die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben, mit der eine Annahme des Antrages zu
Punkt 11 der Tagesordnung festgestellt worden ist. Die Anträge des Beteiligten zu 1) sind aber nicht insgesamt
zurückzuweisen. Sie erweisen sich in dem Teilbereich als begründet, als der Beschluß der
Eigentümerversammlung zu Punkt 11 der Tagesordnung wegen Verstoßes gegen § 23 Abs. 2 WEG für
ungültig zu erklären ist. Dieser Verstoß führt auch dazu, daß dem Feststellungsbegehren
des Beteiligten zu 1) nicht stattgegeben werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks"><b>4)</b></p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung der Vorinstanz hinsichtlich der Gerichts kosten und außergerichtlichen Kosten der
beiden ersten Rechtszüge ist nicht durchweg bedenkenfrei. Bei der unterbliebenen Erstattungsanordnung
hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten gemäß § 47 Satz 2 WEG ist zwar kein Ermessensfehler
zu erkennen. Abzuändern ist aber die aus § 47 Satz 1 WEG folgende Entscheidung über die Gerichtskosten.
Hier kann bei der Ermessensausübung mit dem Landgericht nicht übersehen werden, daß der Beteiligte
zu 1) mit seinem Hauptanliegen, die Annahme seines Antrages durch die Eigentümerversammlung festgestellt zu
wissen, nicht durchgedrungen ist. Das Landgericht hat aber als Ermessensfaktor übersehen, daß dieser
Verfahrensausgang weitgehend auf ein Verhalten der Beteiligten zu 42) zurückzuführen ist. Diese hat es
versäumt, den Tagesordnungspunkt trotz rechtzeitiger Anregung durch den Beteiligten zu 1) In die Einberufung
zur Eigentümerversammlung aufzunehmen. Wäre das geschehen, dann hätte der Beteiligte zu 1) auch mit
seinem Feststellungsbegehren - jedenfalls nach Auffassung der Vorinstanzen, die der Senat zu überprüfen
nicht genötigt war - Erfolg gehabt. Es erscheint deshalb gerechtfertigt, daß die Beteiligten zu 1) und 42)
die Gerichtskosten erster und zweiter Instanz je zur Hälfte zu tragen zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">Die Gerichtskosten der Rechtsbeschwerdeinstanz sind aus den dargelegten Gründen ebenfalls den Beteiligten
zu 1) und 42) je zur Hälfte aufzuerlegen (§ 47 Satz 1 WEG). Für eine Erstattungsanordnung hinsichtlich
der außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens gemäß § 47 Satz 2 WEG hat der Senat
keinen hinreichenden Anlaß gesehen, da es auch in dieser Instanz um die Klärung streitiger Rechtsfragen
gegangen ist, deren Beurteilung zweifelhaft erscheinen konnte.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Die Wertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 2 WEG.</p>
|
315,997 | lg-dusseldorf-1979-06-06-12-o-28377 | {
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"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 12 O 283/77 | 1979-06-06T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:47 | 2019-03-27T09:41:41 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1979:0606.12O283.77.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1.</p>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 10.087,94 (i.W.: zehntausendsiebenundachtzig 94/100 Deutsche Mark) nebst 10 % Zinsen hieraus seit dem 13. Juni 1977 zu zahlen abzüglich am 10. Juli 1977 gezahlter DM 7.427,99. Sie wird weiterhin verurteilt, an den Kläger DM 2.000,00 (i.W.: zweitausend Deutsche Mark) nebst 10 % Zinsen hieraus seit dem 10. Juli 1977 zu zahlen.</p>
<p>2.</p>
<p>Wegen des weitergehenden Zinsanspruches wird die Klage abgewiesen.</p>
<p>3.</p>
<p>Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.</p>
<p>4.</p>
<p>Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung des Klägers von DM 7.000,00 vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheitsleistung kann auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse geleistet werden.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>T a t b e s t a n d :</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger betreibt in Düsseldorf die A. Er ist Mitglied des Apothekervereins Nordrhein. Dieser hat unter anderem mit dem Verband der Ortskrankenkassen Rheinland, dem die Beklagte angehört, den Arzneilieferungsvertrag für Nordrhein-Westfalen vom 19.1.1973 geschlossen. Nach § 3 dieses Vertrages sind die Preise der von den Apotheken an die Mitglieder der Beklagten abgegebenen Arzneimittel nach der Deutschen Arzneitaxe (DAT) zu berechnen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Arzneilieferungsvertrag Bezug genommen. In der Apotheke des Klägers werden verhältnismäßig oft Rezepte vorgelegt, die nicht die bloße Lieferung von fabrikmäßig hergestellten Fertigarzneimitteln vorsehen, sondern nach denen individuelle Rezepturen unter Verwendung von Fertigpräparaten herzustellen sind. Der Kläger berechnet die Preise solcher Rezepturen nach den Nr. 16/9 der DAT, während die Beklagte der Meinung ist, die Preisermittlung müsse sich nach Nr. 19 der DAT richten. Die Beklagte hat deshalb in der Vergangenheit von den Preisberechnungen des Klägers wiederholt Abzüge vorgenommen. Die vom Kläger für den Monat Februar 1977 eingereichten Rezepte, die unter Berücksichtigung des in § 4 des Arzneilieferungsvertrages vorgesehenen Einheitsabschlages von 7 % einen Betrag von DM 9.427,99 ergaben, bezahlte die Beklagte zunächst nicht mit der Begründung, ein Teil der Rezepte sei nicht der DAT entsprechend taxiert. Erst am 10.7.1977 bezahlte sie auf die Rezepte einen Abschlag von DM 7.427,99. Bereits vorher hatte die Beklagte dem Kläger von seinen Rechnungen für das 4. Quartal 1976 einen Betrag von DM 2.000,00 einbehalten und angekündigt, sie werde einstweilen bis zur Klärung der Meinungsverschiedenheiten in jedem Quartal einen Betrag von DM 2.000,00 einbehalten.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung der Beträge, die aus seinen Rechnungen für das 4. Quartal 1976 und für den Monat Februar 1977 offenstehen. Unstreitig sind die Abrechnungen des Klägers aus dieser Zeit auf der Grundlage der Nr. 16/9 DAT rechnerisch richtig.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger meint: Nach dem Gesamtzusammenhang der DAT unterfalle die Herstellung von Rezepturen unter Verwendung von Fertigpräparaten den Nr. 16/9 DAT, während die Bestimmung der Nr. 19 DAT lediglich die Abgabe unveränderter Fertigarzneimittel in anderen als den vom Hersteller vorgesehenen Gefäßen und/oder Mengen betreffe. Da die Beklagte die ihr eingereichten Rezepte für den Monat Februar 1977 nicht innerhalb von 10 Tagen nach Eingang bezahlt habe, stehe ihr der Einheitsabschlag von 7 % nicht zu, vielmehr habe er – der Kläger – nunmehr einen Anspruch auf Zahlung dieses Betrages in Höhe von DM 659,95.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger, der mindestens in Höhe der Klageforderung Bankkredit zu 10 % Zinsen in Anspruch nimmt, hat mit seiner der Beklagten am 13.6.1977 zugestellten Klage zunächst die Zahlung von DM 9.427,99 sowie von weiteren DM 659,95 nebst Zinsen verlangt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Er beantragt nunmehr,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn zu zahlen:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">1. DM 9.427,99 abzüglich am 10.7.1977 gezahlter DM 7.427,99 nebst 10 %</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Zinsen seit dem 1.4.1977,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">2. DM 2.000,00 nebst 10 % Zinsen seit dem 10.7.1977,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">3. DM 659,95 nebst 10 % Zinsen seit dem 1.4.1977.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Kläger bittet außerdem darum, Sicherheit auch durch Bankbürgschaft leisten zu dürfen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Sie meint: Die Bestimmung der Nr. 9 DAT sei nur anwendbar, wenn eine Rezeptur aus rohen oder bearbeiteten Grundstoffen hergestellt werde. Werde dagegen eine Rezeptur unter Verwendung von zur Abgabe an das Publikum bestimmten Fertigarzneimitteln hergestellt, so sei allein dir Nr. 19 der DAT anwendbar, da der Apotheker lediglich handelsübliche Arzneimittel gemischt habe.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Kammer hat Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten der Sachverständigen B. vom 4.9.1978 und C. vom 25.11.1978 sowie auf die Niederschrift über die mündliche Anhörung der Sachverständigen vom 16.5.1979 (Bl. 286 f. d.A.) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :</u></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist bis auf einen kleinen Teil des Zinsanspruchs begründet.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann von der Beklagten gemäß §§ 3, 6 des Arzneilieferungsvertrages die Zahlung der vollen von ihm in Rechnung gestellten Beträge für das 4. Quartal 1976 und den Monat Februar 1977 verlangen. Dabei kann unerörtert bleiben, ob die Beklagte nicht auf Grund des § 6 des Arzneilieferungsvertrages in jedem Falle zunächst zur vollen Zahlung verpflichtet war und den Anspruch des Klägers lediglich nach anschließender Prüfung der vorgelegten und taxierten Rezepte nachträglich hätte kürzen können.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat die ihr vom Kläger eingereichten Rezepte nämlich jedenfalls zu Unrecht beanstandet.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die vom Kläger vorgenommenen Taxierungen der Rezepte sind rechnerisch unstreitig richtig; die Beklagte beanstandet lediglich, dass der Kläger in den Fällen, in denen er Rezepturen unter Verwendung von Fertigarzneimitteln hergestellt hat, nicht nach Nummer 19 DAT, sonder nach Nr. 16/9 DAT taxiert hat. Diese Taxierung des Klägers ist jedoch berechtigt, da sie den Bestimmungen der DAT entspricht.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die DAT regelt im Anschluss an einige allgemeine Bestimmungen in ihrem Abschnitt A die Berechnung der Arzneimittelpreise. Diese sollen nach dem Sinn der DAT möglichst vollständig in einer zur DAT gehörenden Preisliste enthalten sein, und die Nummern 8 bis 15 der DAT regeln unter der Überschrift „Grundsätze zur Aufstellung der Preisliste der Arzneimittel“, wie die Preise der Liste zu bilden sind. Der dann folgende, die Nummern 16 bis 19 umfassende Unterabschnitt enthält dann die „Grundsätze zur Berechnung der Preise, die in der Preisliste der Arzneitaxe nicht aufgeführt sind“. Dabei bestimmt die Nummer 16 ausdrücklich, dass die Preise für solche Arzneimittel nach den <u>vorstehenden</u> Bestimmungen, also den Nr. 8 bis 16 der DAT, zu ermitteln seien. Die dann folgenden Regelungen der Nummern 17 bis 19 können nach dem Gesamtzusammenhang der DAT nur Ausnahmen von der in Nr. 16 DAT enthaltenen Regel bilden. Das wiederum bedeutet, dass der Preis eines Arzneimittels, das nicht in der Preisliste enthalten ist – und dazu zählen die vom Kläger hergestellten, hier streitigen Rezepturen – immer dann über die Verweisungsnorm der Nr. 16 nach den Nr. 8 bis 15 zu ermitteln ist, wenn auf ihn nicht die Ausnahmebestimmungen der Nr. 17 bis 19 anzuwenden sind, wobei zu berücksichtigen ist, dass Ausnahmebestimmungen grundsätzlich eng auszulegen sind.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">In den Nr. 17 bis 19 ist aber eine Regelung über die hier streitigen Rezepturen nicht getroffen. Die Nr. 17 und 18 befassen sich nur mit homöopathischen Arzneimitteln, um die es in diesem Rechtsstreit nicht geht, und die Nr. 19 regelt nach ihrem klaren Wortlaut nur den Fall, wie der Preis für ein Fertigarzneimittel zu berechnen ist, dass in einem anderen <u>Gefäß</u> oder in einer anderen <u>Menge</u> als vom Hersteller vorgesehen an den Apothekenkunden abgegeben wird, während dort von einer Weiterverarbeitung, wie sie bei der Herstellung einer Rezeptur erforderlich ist, nicht gesprochen wird. Nr. 19 der DAT regelt damit nur das Umfüllen, nicht aber die Weiterverarbeitung eines Fertigarzneimittels, so dass in einem solchen Fall der Preis über die Verweisungsnorm der Nr. 16 nach der Regel der Nr. 9 zu berechnen ist. Das weiterverarbeitete Fertigarzneimittel ist im Sinne dieser Nummer als ein in bearbeitetem Zustand gekaufter Grundstoff für die Rezeptur anzusehen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Dass, worauf der Sachverständige C. in seinem Gutachten hingewiesen hat, in manchen Fällen der rezepturmäßigen Weiterverarbeitung von Fertigarzneimitteln eine Preisermittlung nach Nr. 9 DAT deshalb nicht möglich ist, weil sich aus „technischen“ Gründen die in Nr. 9 vorausgesetzten Bezugsgrößen nicht bilden lassen, kann an dem gefundenen Ergebnis für den vorliegenden Rechtsstreit schon deshalb nichts ändern, weil eine Berechnung der Preise gemäß Nr. 9 DAT bei allen hier streitigen Rezepturen möglich ist. Einer Entscheidung darüber, ob in – hier nicht vorliegenden – Ausnahmefällen einer rezeptmäßigen Weiterverarbeitung von Fertigarzneimitteln mangels anderer Regelungen der Preis doch einmal über Nr. 19 DAT zu ermitteln ist, bedarf es daher nicht.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger würde der geltend gemachte Vergütungsanspruch gegen die Beklagte aber auch dann zustehen, wenn man mit dem Sachverständigen C. annehmen würde, dass in den hier streitigen Fällen eine Preisermittlung sowohl über Nr. 16/9 als auch über Nr. 19 DAT rechtlich möglich sei. Dann nämlich wäre in Nr. 3 des Arzneilieferungsvertrages die von der Beklagten für die Leistungen des Klägers zu zahlende Gegenleistung nicht bestimmt, so dass mangels anderweitiger Anhaltspunkte der Kläger die Höhe der Gegenleistung zu bestimmen hätte (§ 316 BGB). Die vom Kläger getroffene Bestimmung, der eine Preisermittlung gem. Nr. 16/9 DAT zugrunde lag, könnte jedenfalls, da sie mit den Bestimmungen der DAT entspricht, nicht als „nicht der Billigkeit entsprechend“ im Sinne des § 315 BGB angesehen werden, so dass sie für die Beklagte verbindlich wäre.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hätte also die vom Kläger eingereichten Rezepte in jedem Falle innerhalb von 10 Tagen nach ihrem Eingang in voller Höhe vergüten müssen (§ 6 Abs. 1 des Arzneimittellieferungsvertrages). Da sie das nicht getan hat, hat sie gem. § 4 Abs. 3 des Vertrages keinen Anspruch auf den bei der Ermittlung des Rechnungsbetrages durch den Kläger bereits abgezogenen Einheitsabschlag von 7 %. Diesen Abschlag, d.h. den Betrag von DM 659,95, kann der Kläger daher zusätzlich von der Beklagten verlangen. Zinsen stehen dem Kläger aus den von der Beklagten geschuldeten Beträgen allerdings frühestens seit Zustellung der Klage zu (§§ 284 Abs. 1 Satz 2, 286, 288 BGB), da er für einen früheren Verzug der Beklagten nichts vorgetragen hat. Da die Beklagte hinsichtlich des einbehaltenen Betrages von DM 2.000,00 für das 4. Quartal 1976 bereits vor dem 10.7.1977 ausdrücklich erklärt hatte, sie werde ihn vor einer Klärung der Meinungsverschiedenheiten, d.h. einer Beendigung dieses Rechtsstreits, nicht zahlen, befand sie sich insoweit am 10.7.1977 auch ohne besondere Mahnung des Klägers im Verzug. Die Zinshöhe beträgt 10 %, da der Kläger seinerseits zu diesem Zinssatz Bankkredit in Anspruch nimmt, wie die Beklagte nicht bestritten hat.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO, soweit die Kammer über die Klage entschieden hat; sie ergibt sich aus § 91 a ZPO, soweit die Parteien in Höhe des nach Klageerhebung gezahlten Betrages konkludent die Hauptsache für erledigt erklärt haben. Auch insoweit nämlich wäre die Beklagte, wenn sie nicht von sich aus gezahlt hätte, zu verurteilen gewesen, so dass es der Billigkeit entspricht, ihr auch insoweit die Kosten aufzuerlegen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709, 108 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks"><u>Streitwert:</u></p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">bis 5.10.1977:              DM 10.087,94;</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">seit 6.10.1977:              DM  4.695,95.</p>
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315,998 | lg-dusseldorf-1979-06-05-25-akte-178 | {
"id": 808,
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"slug": "lg-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 25 AktE 1/78 | 1979-06-05T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:49 | 2019-03-27T09:41:41 | Beschluss | ECLI:DE:LGD:1979:0605.25AKTE1.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Es wird festgestellt, dass bei der Zentralgesellschaft XXX ein nach </p>
<p>§ 7 des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer </p>
<p>(MitbestG) vom 4. Mai 1976 – BG. Bl. I S. 1153 – sich zusammen-zusetzender Aufsichtsrat zu bilden ist.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>G r ü n d e :</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Zentralgesellschaft XXX (im folgenden XXX genannt) mit Sitz in XXX ist ein deutsch-niederländisches Gemeinschaftsunternehmen, an dem die beiden Holding-Gesellschaften XXX und die XXX, zu je 50 % paritätisch beteiligt sind. Es entstand Ende der 60-er Jahre. Die seinerzeit an sich beabsichtigte Fusion in eine Gesellschaft europäischen Rechts war daran gescheitert, dass eine solche Gesellschaftsform nicht zur Verfügung gestanden hatte. Die Zentralgesellschaft XXX ist Konzernmutter des gebildeten XXX, der aus einem holländischen und einem deutschen Teil besteht. Die bisherigen Betriebsstätten der beiden Gründungsgesellschaften wurden in Form von selbständigen Tochtergesellschaften in die Zentralgesellschaft eingebracht. Die Art und Weise der Zusammenarbeit bestimmt der im Jahre 1969 abgeschlossene "Partner-Vertrag", in dem insbesondere die paritätische Besetzung des Vorstandes und des Aufsichtsrats der Zentralgesellschaft abgesichert ist. Die beiden Tochtergesellschaften, die XXX mit ca. 8500 bzw. 8700 ArbN und die XXX mit ca. 7500 ArbN besitzen Mehrheitsbeteiligungen an weiteren Unternehmen; die deutsche Tochter ist zu 100 % an der XXX und an der XXX und zu 50 % an der XXX beteiligt. Die XXX besitzt ihrerseits wieder Beteiligungen an zwei weiteren Gesellschaften.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligte zu 1) hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">festzustellen, dass bei der Zentralgesellschaft ein nach § 7 MitbestG</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">zusammengesetzter Aufsichtsrat zu bilden ist,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">und hat zur Begründung geltend gemacht, die Zentralgesellschaft sei die Obergesellschaft des XXX Konzern, so dass die ArbN der inländischen Konzernunternehmen gemäß § 5 Abs. 1 MitbestG der Arbeitnehmerschaft der Zentralgesellschaft zuzurechnen seien und damit die nach § 1 Abs. 1 MitbestG erforderliche Beschäftigtenzahl über 2000 ArbN erreicht sei.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligte zu 2) hat um Zurückweisung des Antrages gebeten und insbesondere ausgeführt: Das MitbestG sei auf die Zentralgesellschaft nicht anwendbar. Müsste bei ihr ein Aufsichtsrat (AR) nach dem MitbestG gebildet werden, würde dies, da nach allgemeiner Auffassung die ArbN ausländischer Konzernunternehmen an der Mitbestimmung nicht beteiligt seien, bedeuten, dass (a) die Hälfte der Aufsichtsratmitglieder allein von der deutschen ArbN gewählt würden, dass (b) die niederländische Seite im AR nur noch mit einem Viertel, die deutsche Seite aber mit Drei Viertel der gesamten Mitgliederzahl repräsentiert würde, und dass (c) die deutsche Seite aufgrund ihrer Mehrheit im AR es in der Hand hätte zu bestimmen, wer Aufsichtsrats-vorsitzender mit dem Zweitstimmrecht gemäß § 29 Abs. 2 MitbestG bzw. sein Stellvertreter gemäß § 27 MitbestG wird und wie der Vorstand der Gesellschaft gemäß § 30 MitbestG zu besetzen ist. Damit wäre die holländische Seite in den wesentlichen Gremien der Gesellschaft, in AR und Geschäftsführung, in die Minderheitenrolle gedrängt. Die deutsche Seite hätte bei Entscheidungen über nationale Belange, wie z.B. bei der Verwirklichung eines bestimmten Investitionsvorhabens im niederländischen oder deutschen Konzernbereich, der Durchführung eines nationalen oder internationalen Entwicklungsauftrags einer deutschen oder niederländischen Tochtergesellschaft oder der serienmäßigen Fertigung konkurrierender XXX bzw. deren Verkauf jederzeit die Möglichkeit, diese zugunsten der deutschen und zulasten der niederländischen Tochtergesellschaft zu entscheiden. Folglich wäre den deutschen Arbeitnehmervertretern ein ganz entscheidendes Mitspracherecht über die Arbeitsplätze ihrer holländischen Kollegen eingeräumt, die ihrerseits keinerlei Einflussmöglichkeiten auf diese Entscheidungen hätten. Ferner verstoße es gegen Geist und Inhalt der europäischen Verträge, wenn das MitbestG auf eine europäische Konzernobergesellschaft abgewandt würde, die nur deshalb als GmbH nach deutschem Recht begründet worden sei, weil die Vertragsstaaten sich über die zu schaffende europäische Aktiengesellschaft noch nicht geeinigt haben. Die Bundesrepublik sei auch angesichts der anhaltenden Bemühungen der europäischen Gemeinschaft zur Schaffung einer übernationalen Gesellschaftsform nicht berechtigt gewesen, einseitig nationales Recht anstelle noch zu schaffenden EG-Rechts zu setzen. Der vorliegende Fall sei auch vom Gesetzgeber offensichtlich nicht bedacht worden, womit das Gesetz restriktiv auszulegen sei mit der Folge, dass es auf die Zentralgesellschaft keine Anwendung finde. Zu dem selben Ergebnis führe im übrigen auch eine mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25.03.1957 (EWG-Vertrag) konforme Auslegung der Vorschriften des MitbestG, denn dessen Anwendung im vorliegenden Fall führe zu einer nach dem EWG-Vertrag verbotenen Diskriminierung der ArbN der niederländischen Tochtergesellschaften selbst und der niederländischen Anteilseigner. Schließlich verstoße die Anwendung des MitbestG auch gegen Art. 3 GG, da kein einleuchtender sachlicher Grund ersichtlich sei, der es rechtfertige, den niederländischen ArbN die Rechte aus dem MitbestG zu verweigern.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Wege der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Antrag ist statthaft nach § 98 Abs. 2 AktG. Die Antragsberechtigung der Beteiligte zu 1) folgt aus § 98 Abs. 2 Nr. 8 AktG. Nach der genannten Vorschrift sind antragsberechtigt "Gewerkschaften, die nach den gesetzlichen Vorschriften, deren Anwendung streitig oder ungewiss ist, ein Vorschlagsrecht hätten". Dieses Vorschlagsrecht für die in den Aufsichtsrat zu wählenden Gewerkschaftsvertreter gewährt das MitbestG, dessen Anwendung vorliegend streitig ist, in seinem § 16 Abs. 2 und zwar den im Unternehmen bzw. Konzernunternehmen vertretenen Gewerkschaften. Von dieser Vertretung ist vorliegend auszugehen, die Beteiligte zu 1) wird mit Sicherheit zumindest einen unternehmensangehörigen ArbN – was genügt – zu ihren Mitgliedern zählen. Die von der Beteiligten zu 2) beantragte Beteiligung des Betriebsrates der holländischen Tochtergesellschaft XXX im vorliegenden Verfahren war nicht veranlasst. Das Gericht hat am Verfahren diejenigen zu beteiligen, die durch die gerichtliche Entscheidung in ihren Rechten unmittelbar beeinträchtigt werden können und denen damit ein Anspruch auf rechtliches Gehör zusteht (vgl. OLG Düsseldorf NJW 71, 1567 = AG 71, 122 mit weiteren Nachweisen). Darunter fällt der vorgenannte Betriebsrat jedoch nicht, denn das MitbestG regelt – wie noch ausgeführt wird – die Mitbestimmung nur im territonalen Geltungsbereich des deutschen Rechts.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Antrag ist begründet. Bei der Zentralgesellschaft ist ein Aufsichtsrat nach § 7 MitbestG zu bilden.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 MitbestG sind erfüllt. Die Zentralgesellschaft ist ein Unternehmen in einer der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG genannten Rechtsform und beschäftigt in der Regel ca. 10.000 ArbN. Letzteres ergibt sich daraus, dass die Zentralgesellschaft Konzernobergesellschaft des XXX Konzerns ist und die einheitliche Leitung über ihre Tochter- und Enkelgesellschaften ausübt (vgl. § 7 des Partnervertrages) und ihr mithin gemäß § 5 Abs. 1 MitbestG die ArbN der Konzernunternehmen zuzurechnen sind.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Dass es sich bei dem XXX Konzern um einen internationalen Konzern handelt, steht der Anwendung des MitbestG auf die Zentralgesellschaft nicht entgegen. Die Anwendung hat allerdings zur Folge, dass einseitig nur die Belegschaft des deutschen Konzernteils an der Konzernspitze repräsentiert und den ArbN des holländischen Konzernteils eine effiziente Wahrnehmung ihrer Belange und Einflussnahme auf die Entscheidungsprozesse in der Konzernspitze verwehrt ist. Diese Folge rührt daher, dass die im Schrifttum kontroverse Frage, ob gemäß § 5 MitbestG die ArbN nur der inländischen Konzernunternehmen als ArbN der herrschenden Gesellschaft zu gelten haben, bejaht werden muss (so auch Duden ZHR 141 (1977), 184; Bayer ZGR 77, 177; Lutter ZGR 77, 205; Raiser MitbestG, § 5 Rdnr. 10; Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, § 5 Rdnr. 15; Lux MitbestG S. 67 <u>a.A.:</u> Däubler, RabelsZ, Bd. 35 (1975), 444 ff; Birk, RIW/AWD des BB 1975, 596 und Fs für Schnorr von Carolsfeld 1973 S. 84; Reich AUR 76, 264; Grasmann, ZGR 1973, 329). Das Gesetz selbst enthält diese Einschränkung nicht, insoweit ist nur die Rede von "Arbeitnehmern der Konzernunternehmen". Auch über § 3 MitbestG lässt sich entgegen vereinzelter Stimmen im Schrifttum (so Meilicke/Meilicke a.a.O. § 3 Rdnr. 8; Fitting/Wlotzke/Wißmann a.a.O. § 3 Rdnr. 7; Bellstedt a.a.O. S. 132 a) die Geltungsbeschränkung nicht herleiten. Die Bestimmung trifft die Unterscheidung in Arbeiter und Angestellte unabhängig von dem Beschäftigungsort des ArbN, allein nach objektiven Tätigkeitsmerkmalen (so auch Duden a.a.O. S. 183). Der Begriff "Arbeitnehmer" ist für den Anwendungsbereich des Gesetzes dadurch bestimmt, dass auch § 6 des Betriebsverfassungsgesetztes verwiesen wird, der wiederum regelt, dass Arbeiter und Angestellte Arbeitnehmer sind, die eine arbeiterrenten- bzw. angestelltenversicherungspflichtige Tätigkeit ausüben, "auch wenn sie nicht versicherungspflichtig sind". Darauf ob ein Arbeitnehmer im Einzelfall der Versicherung angehört und ob er überhaupt versicherungspflichtig ist, kommt es danach nicht an. Das Gesetz stellt allein darauf ab, ob der einzelne ArbN aufgrund seiner tatsächlichen Tätigkeit und Stellung im Betrieb nach unseren Gesetzen versicherungspflichtig <u>wäre</u> (vgl. Galperin/Löwisch, BetrVG, § 6 Rdnr. 4 mit weiteren Nachweisen).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Geltungsbeschränkung auf inländische Konzernunternehmen ist indessen dem sog. Territorialitätsprinzip in Verbindung mit der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zu entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Würde § 5 MitbestG die im Ausland gelegenen abhängigen Konzernunternehmen einbeziehen, widerspräche dies dem Territorialitätsprinzip, dass es dem deutschen Gesetzgeber verwehrt, durch Rechtsetzung in die Ordnungsbefugnis eines fremden Staates einzugreifen. Zwar ist die ausländische Autonomie nicht tangiert, soweit die Konzernmitbestimmung die Unternehmensverfassung der herrschenden – nicht etwa der abhängigen! – Gesellschaft regelt. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrates einer deutschen Konzernobergesellschaft ist eine Angelegenheit der inneren Organisation dieser Gesellschaft und beurteilt sich damit nach dem Gesellschaftsstatut, also nach deutschem Recht. Mit der Zurechnung nach § 5 MitbestG ist indessen verbunden die Einräumung des aktiven und passiven Wahlrechts zum Aufsichtsrat der Konzernspitze für die ArbN der konzernabhängigen Gesellschaften. Würden danach auch die ArbN einer ausländischen Tochter wahlberechtigt sein, wäre – was Lutter (a.a.O.) zu Recht annimmt – zumindest mittelbar in die Souveränität des ausländischen Gesetzgebers eingegriffen (so auch Raiser und Bayer a.a.O.). Bei den mitbestimmungsrechtlichen Regeln handelt es sich um Vorschriften, die vorwiegend als zwingende Normen gewisse sozialpolitische Ideen durchsetzen wollen und die Schutznormen zugunsten der ArbN darstellen (vgl. Birk a.a.O.) S 590). Die Durchsetzung dieser Beteiligungsrechte als Teil der deutschen Sozialordnung ist auf das Inland beschränkt. Eine Ausdehnung auf das Ausland, und sei es nur bei der Mitbestimmung in Konzernen mit "Auslandsberührung", liegt nicht allein in der Souveränität des deutschen Gesetzgebers, zumal mit der Einräumung der Beteiligungsrechte für die ausländischen Unternehmen auch Pflichten verbunden wären, nämlich die zur Durchführung der gewiss nicht unkomplizierten Wahlverfahren in den Betrieben.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Unter dem Blickwinkel des Zwangs der Beschränkung der Beteiligungsrechte auf die inländischen ArbN hat auch ersichtlich der Gesetzgeber diese Frage gesehen. Seine Intention, die ArbN einer ausländischen Tochtergesellschaft nicht in die Konzernmitbestimmung einzubeziehen, ist im Bericht des federführenden BT-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 10. März 1976 (BT-Drucksache 7/4845 S. 4) zum Ausdruck gekommen, in dem es heißt: "Im Ausschuss bestand Einmütigkeit darüber, dass .... und dass die im Gesetzesentwurf festgelegten Beteiligungsrechte nur den Arbeitnehmern der in der Bundesrepublik gelegenen Betriebe dieser Unternehmen zustehen. Im Ausland gelegene Tochtergesellschaften und deren Betriebe im Inland von unter das Gesetz fallenden Unternehmen zählen bei der Errechnung der maßgeblichen Arbeitnehmerzahl nicht mit". Gesetzesmaterialien nehmen zwar an der normativen Kraft des Gesetzes nicht teil, sie dienen jedoch der Ermittlung des im Gesetz objektivierten Willens des Gesetzgebers (vgl. BverfGE 11, 126, 130).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">In Konzernen mit deutscher unter das MitbestG fallender Obergesellschaft und ausländischer Tochterunternehmen sind nach alledem die ArbN der beherrschten ausländischen Tochtergesellschaften für die Ermittlung der maßgeblichen Arbeitnehmerzahl nicht mit zu berücksichtigen und sie haben folglich auch kein aktives oder passives Wahlrecht zum Aufsichtsrat der deutschen Konzernspitze.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Zwar ist damit im internationalen Konzern mit deutscher unter das MitbestG fallender Obergesellschaft die Konzernbelegschaft an der Konzernspitze unvollständig repräsentiert, das führt aber nicht zur Unanwendbarkeit des MitbestG auf Obergesellschaften internationaler Konzerne. Insbesondere verstößt die vom Gesetz vorgenommene unterschiedliche Behandlung der ArbN der im Ausland gelegenen Konzernunternehmen entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2) nicht gegen den auch für Ausländer geltenden verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Ein rechtserheblicher Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liegt nur vor, wenn ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss (BverfGE 30, 409, 412). Dieser Fall ist hier nicht gegeben, weil – wie bereits ausgeführt – für den deutschen Gesetzgeber zur Wahrung der Autonomie der ausländischen Staaten die Differenzierung zwischen Belegschaften inländischer und im Ausland gelegenen Konzernunternehmen geboten war. Die Nichteinbeziehung der im Ausland gelegenen Konzernunternehmen widerspricht auch nicht dem Grundsatz der Inländerbehandlung des Art. 7 EWG-Vertrag. Nach der genannten Vorschrift ist zwar im Anwendungsbereich des EWG-Vertrages unbeschadet besonderer Bestimmungen jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Aber auch hier ist aus den bereits genannten Gründen von einer der Rechtfertigung entbehrenden Ungleichbehandlung der holländischen ArbN bzw. Konzernunternehmen nicht zu sprechen. Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2) kann die Sache auch nicht im Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 177 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt werden, denn es geht hier insbesondere nicht um die Auslegung einer Bestimmung des EWG-Vertrages, sondern um die Frage, ob ein bestimmtes nationales Gesetz mit dem EWG-Vertrag vereinbar ist, die zu entscheiden nicht in die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs fällt (vgl. Groeben/Boeckh/ Thiesing, Komm. zum EWG-Vertrag, Art. 177, Anm. II 2 D b 1).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Kammer verkennt bei alledem nicht, dass die unternehmerische Mitbestimmung in internationalen Konzernen mit deutsche Konzernspitze ein ungelöstes Problem darstellt und der derzeit bestehende Rechtszustand unbefriedigend ist. Es ist jedoch nicht Sache des Gerichts, sondern der politisch verantwortlichen Gremien, den derzeit bestehenden Rechtszustand im Hinblick darauf, ob dessen Aufrechterhaltung vertretbar ist, zu überdenken. Aufgerufen ist aber auch der Europäische Rat, nun endlich die neue Rechtsform für übernationale Gesellschaften in der Gemeinschaft zu verabschieden und damit seinen Beitrag zur Verhinderung von Ungleich-behandlungen wie im vorliegenden Fall zu erbringen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da sich die Kostenfolge aus dem Gesetz ergibt (§ 99 Abs. 6 S. 8 AktG) und keine Kostenerstattung stattfindet (§ 99 Abs. 6 S. 10 AktG).</p>
|
315,999 | ag-dusseldorf-1979-05-30-31-c-74078 | {
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"name": "Amtsgericht Düsseldorf",
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"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 31 C 740/78 | 1979-05-30T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:50 | 2019-03-27T09:41:41 | Urteil | ECLI:DE:AGD:1979:0530.31C740.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat das Amtsgericht Düsseldorf, Abt. 31,</p>
<p>auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 1979</p>
<p>durch den Richter am Amtsgericht X</p>
<p></p>
<p>für R e c h t erkannt:</p>
<p> </p>
<p> Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.750,72 DM nebst 5,5 % </p>
<p> Zinsen seit dem 11.10.1978 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage ab- </p>
<p> gewiesen. </p>
<p></p>
<p> Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.</p>
<p></p>
<p> Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 3.500,- - DM vorläufig </p>
<p> vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><span style="text-decoration:underline;">T a t b e s t a n d </span></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Am 4.6.1976 verschuldete der bei X angestellte </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">X auf der K X zwischen X und X mit einem X der X, auf dessen Beifahrersitz der Zivildienstleistende X saß, einen Unfall. Infolge überhöhter Geschwindigkeit kam der X von der Fahrbahn ab und prallte schließlich gegen einen Baum. Bei diesem Unfall wurde der Zivildienstleistende X erheblich verletzt. In der Zeit vom 4.6. bis 16.6.1976 wurde er im Krankenhaus X stationär behandelt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Klägerin entstanden durch den Unfall in Bezug auf X folgende Unkosten:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">1) Krankentransportkosten 123,30 DM</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">2) Krankenpflegekosten 1.719,90 DM</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">3) Geld- und Sachbezüge _<span style="text-decoration:underline;">907,51 DM</span></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">insgesamt 2.750,72 DM</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin verlangt von der Beklagten als Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer der X Ersatz des ihr entstandenen Schadens von 2.750,72 DM.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist der Auffassung, sie könne diesen Anspruch aus übergegangenem Recht gegenüber der Beklagten geltend machen, weil der Zivildienstleistende </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">X kraft gesetzlicher Vorschriften von der Versicherungspflicht befreit und somit nicht unfallversichert gewesen sei.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.750,72 DM</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">nebst 5,5 % Zinsen seit dem 20.7.1978 sowie 0,50 DM</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">vorgerichtliche Kosten zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte meint, der Ersatzanspruch der Klägerin sei nicht gerechtfertigt, weil hier ein Arbeitsunfall vorliege.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks"><b><span style="text-decoration:underline;">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e </span></b></p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist im wesentlichen begründet.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 2.750,72 DM.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte haftet als Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer für die durch den schuldhaft herbeigeführten Verkehrsunfall vom 4.6.1976 bedingten Schäden.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Haftung der Beklagten entfällt im vorliegenden Fall nicht deshalb, weil es sich um einen Arbeitsunfall im Sinne den § 636 RVO handelt. Der Zivildienstleistende X ist nämlich kein Versicherter im Sinne des § 636 RVO.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">§ 636 RVO befreit den Unternehmer nur von allen Schadensersatzansprüchen des in den §§ 539 bis 545 RVO angeführten Personenkreises, d.h., derjenigen die kraft Gesetzes oder kraft Satzung pflichtversichert oder der Unfallversicherung freiwillig beigetreten sind; nicht jedoch von den Schadensersatzansprüchen der in §§ 541, 542 RVO versicherungsfreien Person.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Zivildienstleistende X ist gemäß § 541 Ziffer 1, 2 RVO eine versicherungsfreie Person, da seine medizinische Versorgung über §§ 35, 47 Zivildienstgesetz sichergestellt ist und das Zivildienstgesetz als solches das Bundesversorgungsgesetz für anwendbar erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Gesamtschaden des Klägers beläuft sich unstreitig auf 2.750,72 DM. Der erkannte Zinsanspruch ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 284, 286, 288, 291 BGB gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der weitergehende Zinsanspruch ist nicht schlüssig dargetan.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat gem. § 286 BGB keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten. Er hat nicht dargetan, daß ihm solche Kosten nach Verzugseintritt entstanden sind.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 12,710 ZPO.</p>
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316,000 | olgham-1979-05-29-9-u-8578 | {
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"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 9 U 85/78 | 1979-05-29T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:52 | 2019-03-27T09:41:40 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1979:0529.9U85.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30. November 1977 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:</p>
<p>Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger 220,- DM (i.W.: zweihundertzwanzig Deutsche Mark) nebst 4 % Zinsen seit dem 2. März 1976 zu zahlen.</p>
<p>Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p>Von den Kosten des ersten Rechtszuges trägt der Kläger zuzüglich zu den ihm bereits durch Beschluß vom 8. August 1977 auferlegten Kosten der teilweisen Klagerücknahme bezüglich der weiteren Kosten 98 %, die Beklagte 2 %. Von den Kosten des zweiten Rechtszuges trägt der Kläger 97 %, die Beklagte 3 %.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">(gem. § 543 Abs. 1 ZPO)</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger, ein iranischer Staatsangehöriger, verlangt nach einem Verkehrsunfall, den er mit seinem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen und versicherten Pkw, VW K 70, in der ... auf der Straße von ... nach ... bei Kilometer 85 (von ... gehabt hat, vollen Ersatz seines materiellen Schadens von der Beklagten als Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten Pkw, Mercedes, der unter dem Zollkennzeichen ... ebenfalls in der Bundesrepublik Deutschland für eine iranische Fahrzeughalterin zugelassen war und von einem iranischen Staatsangehörigen geführt wurde. Er stützt sich dabei auf das ihm nach dem Unfall vom Fahrer des Mercedes-Pkw ausgehändigte Doppel der "Grünen Karte", in der unter der Rubrik: Vers.-Schein-Nr. die Nr. ... eingetragen ist. Das Landgericht hat nach Rücknahme der Klage hinsichtlich des ursprünglich zusätzlich verlangten Schmerzensgeldes bei Abstrichen zur Höhe einzelner Schadensposten dem Grunde nach der Klage voll stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 8.261,75 DM verurteilt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten mit dem Ziel vollständiger Klageabweisung, die allerdings in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch einverständliche Berufungsrücknahme der Beklagten auf den 220,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 2.3.1976 übersteigenden Urteilsbetrag beschränkt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist zwar dem Grunde nach voll, der Höhe nach jedoch nur im Umfang der Garantiewirkung der Grünen Karte begründet.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks"><b>1)</b></p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Tenor des angefochtenen Urteils ist -wie sich aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe und der Kostenentscheidung ergibt, auf Grund eines offensichtlichen Schreibversehens- unvollständig insofern, als am Ende des ersten Absatzes nach ... "zu zahlen." der Satz: "Im übrigen wird die Klage abgewiesen." einzufügen ist. Dieses offensichtliche Schreibversehen hat der Senat gem. § 319 ZPO berichtigt.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><b>2)</b></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Da die Beklagte gem. §§ 12, 17 ZPO ihren allgemeinen Gerichtsstand in ... hat, ist die deutsche Gerichtsbarkeit ungeachtet des im Ausland geschehenen Unfalls, der ausländischen Staatsangehörigkeit der Unfallbeteiligten und des deshalb anzuwendenden ausländischen Rechts international zuständig.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><b>3)</b></p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Materiell-rechtlich sieht, wie in dem Gutachten von ..., vom 9.2.1977 (Bl. 32-48 d.A.) in erster Instanz dargelegt ist, das deutsche Internationale Privatrecht als Deliktsstatut grundsätzlich das Recht des Tatorts, für diesen Ausnahmefall jedoch, in dem die Beteiligten sich im Lande des Tatorts nur zufällig auf der Durchreise von Deutschland zum Iran bzw. umgekehrt begegnet sind, das gemeinsame Heimatrecht von Schädiger und Geschädigten, also iranisches Recht vor. Das iranische Kollisionsrecht, das zwar zivilrechtlich keine Bestimmungen über das Deliktsstatut enthält, verweist aber strafrechtlich und auch in einem Gesetz über Sachschäden aus Verkehrsunfällen auf das Recht des Tatorts, wie in dem oben angeführten Gutachten näher ausgeführt ist. Mithin ist davon auszugehen, daß nach dem für das deutsche Gericht in erster Linie maßgeblichen iranischen Recht das türkische Recht als Recht des Tatorts anzuwenden ist. Da das türkische Recht seinerseits diese Verweisung des iranischen Rechts annimmt, weil auch nach türkischem Recht das Recht des Tatorts maßgeblich ist, kommt es auch in diesem Ausnahmefall auf dem Umweg über das iranische Heimatrecht der Unfallbeneiligten zur Anwendung des türkischen Rechts als des Tatortrechts.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><b>4)</b></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Nach dem materiellen türkischen Recht besteht ein Direktanspruch des Geschädigten, also des Klägers, gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers, also die Beklagte (Art. 55 Abs. 2 des türkischen StVG) im Rahmen der Deckungssumme. Diese richtet sich aber nicht nach deutschem Recht, da dem Kläger der Nachweis eines am Unfallort gültigen Versicherungsvertrages zwischen der Halterin des unfallbeteiligten Mercedes-Pkw, Fräulein ... und der Beklagten nicht gelungen ist. Der Antrag des Klägers, die Vorlage des Versicherungsvertrages durch die Beklagte gem. § 421 ZPO anzuordnen, geht fehl, ebenso der Antrag auf Vorlagevernehmung gem. § 426 ZPO. Dem Kläger steht kein prozessualer Anspruch auf Vorlage des Versicherungsvertrages nach § 423 ZPO und auch kein materiell-rechtlicher diesbezüglicher Anspruch zu (vgl. Thomas-Putzo, ZPO-Kommentar, 9. Aufl., § 422 Anm. 2 d). Die Vernehmung des von der Beklagten für den Nichtabschluß eines Versicherungsvertrages und das Verfahren bei Ausgabe der Grünen Karte benannten Zeugen ... hat ergeben, daß kein Versicherungsvertrag abgeschlossen worden ist. Der Zeuge ... hat glaubhaft bekundet, daß bei der Beklagten in der Hauptstelle ... wo alle Versicherungsverträge registriert sind, kein Vertrag auf den Namen ... existiert. Deshalb kann nicht von den vertraglichen deutschen Mindestdeckungssummen ausgegangen werden, vielmehr können nur die auf Grund der Garantiewirkung der Grünen Karte geltenden Mindestdeckungsummen für den Umfang der Haftung der Beklagten maßgeblich sein. Das Gutachten von ... geht auf Grund mangelnder vorheriger Instruktion durch das Landgericht davon aus, daß sich der Unfall bei oder in ... ereignet habe. In Wirklichkeit hat der Unfall aber in der Nähe von ... stattgefunden, wie der polizeiliche Unfallbericht und die eigene Schadensanzeige des Klägers an seinen Kasko-Versicherer "VVD" ausweisen. Mithin ergäbe selbst ein nach deutschem Recht von der Halterin des schädigenden Fahrzeugs mit der Beklagten geschlossener Haftpflichtversicherungsvertrag wegen der "Europa-Deckung", d.h. der auf das Gebiet von Europa beschränkten Gültigkeit des Vertrages lt. § 2 Abs. 1 AKB, für den Unfallschaden des Klägers keine Haftung der Beklagten. Der Kläger kann nämlich eine Ausdehnung der angeblichen vertraglichen Haftung auf das asiatische Gebiet der ... nicht beweisen. Deshalb entfällt eine vertragliche Haftung der Beklagten ganz und gar. Das Vorhandensein der Grünen Karte allein reicht zum Beweis eines Versicherungsvertrages nicht aus, wenn auch in dem Londoner Abkommen (vgl. Schmitt, System der Grünen Karte, Anhang S. 197) das als Grundlage in der ganzen Türkei gilt (Schmitt, a.a.O., S. 48 unter Ziff. 2) von dem "Versicherten" in der Definition des Art. 1 b als einer Person ausgegangen wird, die auf Grund einer Versicherungspolice versichert ist und im Besitz einer grünen Versicherungsbescheinigung (Grünen Karte) ist. Jedoch kommt es nach Art. 3 Abs. 1 letzter Halbsatz des Londoner Abkommens für die Regulierung des Schadensfalles entscheidend nur auf die Gültigkeit, und zwar die formale Gültigkeit der ordnungsgemäß oder sogar auch nur angeblich ordnungsgemäß (also evtl. gefälschten oder fälschlicherweise) ausgestellten Grünen Karte an. Maßgeblich sind also allein die mit dem Versicherungsverhältnis in keinem notwendigen Zusammenhang stehenden Gültigkeitsdaten auf der Grünen Karte selbst (vgl. Schmitt, a.a.O., S. 98, 99). Die Ansichten im Schrifttum, die bei Schmitt (S. 99 ff.) wiedergegeben sind, gehen zwar hinsichtlich der rechtlichen Konstruktion auseinander, stimmen aber letztlich darin überein, daß Leistungen vom Haftpflichtversicherer nur im Rahmen der <u>örtlichen</u> Mindesthaftpflichtversicherungssummen zu erbringen sind. Dieser Ansicht Schmitts (a.a.O. S. 116 unter 4. Ergebnis) tritt der Senat bei. Der Originalversicherungsvertrag kann nicht als Grundlage der Regulierung im Ausland angesehen werden. Seine Bedeutung im System der Grünen Karte erschöpft sich im wesentlichen darin, daß er eine Voraussetzung für die Ausstellung einer Grünen Karte bildet, die im Ausland dann aber letztlich eine selbständige von dem Versicherungsvertrag losgelöste Funktion hat. Das trifft auch für die Türkei zu. Die Grüne Karte hat dort auch im Bereich der Unfallstelle Gültigkeit, weil sie den außereuropäischen Landesteil der ... nicht ausschließt (vgl. Schmitt a.a.O., S. 82), sie geht also weiter als ein normaler in Deutschland abgeschlossener Versicherungsvertrag, der nur die Europa-Deckung des § 2 Abs. 1 AKB gewährleistet. Daß das unfallverursachende Fahrzeug mit dem auf der Grünen Karte benannten Fahrzeug identisch ist, hat der Senat auf Grund seiner von dem Zeugen Piechocki, Angestellten der Firma Daimler-Benz-AG, Stuttgart-Untertürkheim, schriftlich beantworteten Anfrage gem. § 377 Abs. 3 ZPO festgestellt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Grüne Karte garantiert jedoch nur das Eintreten für den Haftpflichtschaden nach Maßgabe der an der Unfallstelle geltenden Mindestdeckung der gesetzlichen Haftpflichtversicherung. Das sind in der Türkei ausweislich des Gutachtens von ... ... nach Art. 50 Abs. 1 des türkischen StVG 2.000 TL für Sach- und 5.000 TL für Personenschäden pro Person (15.000 TL bei mehreren Personen - vgl. Beklagte Bl. 137, 162 d.A. und Schmitt a.a.O., S. 82). Ein Direktanspruch des Klägers gegen die Beklagte ist also nach dem anzuwendenden türkischen Recht nur im Rahmen dieses, nach den türkischen Mindestversicherungssummen ausgerichteten Deckungsanspruchs gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><b>5)</b></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich des Sachschadens hatte der Kläger, wie erörtert, allenfalls einen Anspruch gegen die Beklagte in Höhe von 2.000 TL, das sind 110,- DM. Das bedarf aber keiner weiteren Erörterung, weil die Beklagte das erstinstanzliche Urteil insoweit nicht mehr angreift, da sie hierzu die Berufung zurückgenommen hat.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><b>6)</b></p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Zum Personenschaden hat der Kläger keine Ansprüche mehr. Die Haftung für Personenschaden bei einer Person ist auf 5.000 TL begrenzt, bei mehreren Personen auf 15.000 TL. Einer näheren Aufklärung, welche Beträge auf die verletzten Personen entfallen, bedarf es insoweit nicht mehr. Der Kläger hat nämlich selbst vorgetragen, daß die Heilungskosten vollständig von der Krankenkasse getragen worden sind. Die allenfalls noch - nach türkischem Recht - zum Personenschaden zählenden Transportkosten vom Krankenhaus - Taxifahrt: 600 TL - sind durch den von der Beklagten insoweit nach Berufungsrücknahme nicht mehr angegriffenen Betrag von weiteren 110,- DM reichlich abgegolten.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Einholung eines weiteren Gutachtens zum türkischen Recht bedurfte es deshalb nicht mehr.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 97, 515 Abs. 3, 708 Nr. 10, 713 ZPO.</p>
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316,001 | lg-dortmund-1979-05-17-15-o-9479 | {
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"name": "Landgericht Dortmund",
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"city": 407,
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} | 15 O 94/79 | 1979-05-17T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:54 | 2019-03-27T09:41:40 | Urteil | ECLI:DE:LGDO:1979:0517.15O94.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 207,92 DM ( i.W. zweihundertsieben 92/100 Deutsche Mark ) nebst 4% Zinsen seit dem 20. November 1978 zu zahlen, abzüglich am 31.1.1979 gezahlter 20.-- DM und am 2.3.1979 gezahlter 84.—DM.</p>
<p></p>
<p>Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger macht Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend,</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">der sich am 18.9.1978 ereignet hat und an dem ein Fahrzeug</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">der Beklagten beteiligt war, das sich im dienstlichen Einsatz</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">anläßlich einer Fahrt im Fernmeldebaudienst befand. Die Parteien</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">sind sich darüber einig, daß die Beklagte dem Grunde nach in</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">vollem Umfang ersatzpflichtig ist. Streit herrscht lediglich</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">hinsichtlich der Schadenshöhe. Die Klageforderung setzt sich</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">wie folgt zusammen:</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Rest der Mietwagenkosten 103,92 DM</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Verdienstausfall 84,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Wertminderung 150,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Auslagenpauschale 20,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Insgesamt 357,92 DM</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat hierauf am 31.1.1979 und 2.3.1979 Zahlungen</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">in Höhe von 20,--DM (Auslagenpauschale) und 84,--DM (Verdienst-</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">ausfall) erbracht.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Das Fahrzeug des Klägers wurde vom 21.9. bis 26.9.1978 repariert.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Kläger nahm während dieser Zeit einen Mietwagen in Anspruch</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">und gab diesen erst am 28.9.1978 zurück. Am 25.9.1978 hatte</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">der Kläger sich bei der Werkstatt nach dem voraussichtlichen</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Termin der Fertigstellung seines Fahrzeugs erkundigt, der ihm</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">allerdings nicht genau angegeben werden konnte. Am 27.9.1978</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">teilte die Werkstatt ihm telefonisch die Fertigstellung des</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Wagens mit. Der Kläger erhielt hiervon aber erst nach 18.00 Uhr</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Kenntnis, da er sich tagsüber geschäftlich in H und</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">F aufhielt. Am 28.9.1978 gab er morgens um 8.00 Uhr den</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Mietwagen zurück.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Von den Mietwagenkosten in Höhe von 605,24 DM zahlte die Be-</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">klagte nur 501,32 DM mit Rücksicht auf die über die Reparatur-</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">dauer hinausgehende Inanspruchnahme des Mietwagens.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist der Ansicht, daß ihm die vollen Mietwagenkosten</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">zustünden, da eine frühere Rückgabe des Mietwagens nicht mög-</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">lich gewesen sei. Er behauptet ferner, daß sein Kraftfahrzeug</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">durch den Verkehrsunfall eine Wertminderung in Höhe von</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">150,--DM erlitten habe.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an ihn 357,92 DM</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">nebst 4 % Zinsen seit dem 20.11.1978 zu zahlen</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">abzüglich am 31.1.1979 gezahlter 20,--DM und</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">am 2.3.1979 gezahlter 84,--DM.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Ansicht, daß der Kläger durch die Inanspruchnahme</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">des Mietwagens über die Reparaturdauer hinaus gegen die</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Schadensminderungspflicht verstoßen habe. Angesichts des</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Bagatellschadens von netto 482,40 DM stünde dem Kläger auch</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">kein Minderwertanspruch zu.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">der von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen ver-</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">wiesen.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist zum Teil begründet.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann gemäß § 7 StVG vollen Ersatz der Kosten für</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">die Inanspruchnahme des Mietwagens verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">ist dem Kläger nicht vorzuwerfen. Wie sich aus der schriftlichen</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Auskunft der Reparaturwerkstatt vom 30. 4. 1979 ergibt, hat sich</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">der Kläger noch einen Tag vor Fertigstellung seines Fahrzeugs</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">nach dem voraussichtlichen Ende der Reparaturdauer erkundigt,</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">das ihm allerdings nicht angegeben werden konnte. Er hat dann</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">der Werkstatt seine Telefonnummer hinterlassen, damit er be-</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">nachrichtigt werden konnte, was auch am 27.9.1978 geschah.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat damit alles getan, um sich über die Fertig-</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">stellung seines Wagens rechtzeitig in Kenntnis zu setzen.</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Ihm war auch nicht zuzumuten, am 27.9.1978 auf den Antritt</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">der Geschäftsreise mit dem Mietwagen zu verzichten. Ein anderes</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Fahrzeug stand ihm nicht zur Verfügung, so daß er auf den</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Mietwagen angewiesen war. Als er am späten Nachmittag des</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">27.9.1978 von der Fertigstellung seines Wagens erfuhr, hat</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">er für die unverzügliche Rückgabe des Mietwagens am nächsten</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">Morgen gesorgt und damit alles getan um die Mietwagenkosten</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">im Rahmen des ihm Zumutbaren möglichst gering zu halten.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Ein Ersatzanspruch wegen einer Wertminderung seines Fahrzeugs</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">steht dem Kläger nicht zu. Am Pkw des Klägers war lediglich</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">ein Bagatellblechschaden entstanden, der sich mit einfachen</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">Mitteln beheben ließ. Angesichts des hohen Stands der heutigen</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">Reparaturtechnik ist davon auszugehen, daß nach Beseitigung</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">der Schäden kein merkantiler Minderwert verblieben ist.</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">Es verbleibt somit ein vom Kläger zu ersetzender Schaden</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">in Höhe von 207,92 DM, abzüglich den nach Klageerhebung von</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">der Beklagten geleisteten Zahlungen in Höhe von 104,--DM.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch ist wegen Verzugs der Beklagten gemäß §§ 284,</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">286, 288 BGB begründet.</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11 ZPO.</p>
|
316,002 | olgk-1979-05-17-7-u-679 | {
"id": 822,
"name": "Oberlandesgericht Köln",
"slug": "olgk",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 7 U 6/79 | 1979-05-17T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:56 | 2019-03-27T09:41:40 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1979:0517.7U6.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurück-weisung der Anschlußberufung der Beklagten das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 24. Oktober 1978 - AZ.: 5 0 72/77 - teilweise geändert und wie folgt neugefaßt:</p>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.338,35 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12. Oktober 1976 zu zahlen.</p>
<p>Die Widerklage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Gegen beide Rechtsmittel bestehen keine förmlichen Bedenken,jedoch hat nur die Berufung des Klägers in der Sache Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger verlangt mit Recht vollen Ersatz des ihm bei dem Verkehrsunfall vom 3. März 1976 entstandenen Schadens nach den §§ 7, 17 StVG, 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB mit 8 StVO, während ein Schadensersatzanspruch der Beklagten aufgrund der Abwägung der von beiden Unfallbeteiligten gesetzten Schadensursachen gem. § 17 StVG ausgeschlossen ist. Der Zeuge H, der Fahrer des Abschleppwagens der Beklagten,hat den Zusammenstoß durch schuldhafte Vorfahrtverletzung verursacht, während dem Kläger kein Verschulden an dem Unfall nachgewiesen werden kann. Allerdings hat dieser auch nicht den Beweis des unabwendbaren Ereignisses i.S.v. § 7 Abs.2 StVG führen können, da eine Reihe von Einzelheiten des Unfallverlaufs ungeklärt geblieben sind.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Unfall hat sich entweder deshalb ereignet, weil der Zeuge H, obwohl der Kläger auf der Vorfahrtsstraßeherannahte, in diese sehr langsam eingebogen ist und dabei die Zeitspanne unterschätzt hat, in welcher der Kläger, der mit knapp unter der erlaubten Geschwindigkeit von 100 km/h herannahte, die Kreuzung erreichte; so die glaubwürdigere Darstellung des Zeugen in dem polizeilichen Anhörungsbogen (AZ.: 91 Js 534/76, Bl. 5 R). Nach der anderen, von dem Zeugen H bei seiner Vernehmung vor dem Landgerichtgegebenen Darstellung, war der Kläger auf der ca. 300 m nach links zu überschauenden Vorfahrtsstraße noch nicht sichtbar, bevor sich der Schleppzug zum Einbiegen nach links in Bewegung setzte. In diesem Falle bewegte er sich - wie das Landgericht zutreffend berechnet hat - so langsam über die Kreuzung, daß er in der Zeitspanne, innerhalb deren ein ordnungsgemäß auf der Vorfahrtsstraße herannahendes Fahrzeug die Kreuzung erreichte, diese nicht räumen konnte.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">In beiden Fällen ist dem Zeugen H eine fahrlässige Vorfahrtsverletzung anzulasten. Gegenüber sichtbaren Fahrzeugen hatte er zu warten, und jede Verschätzung in der Zeitspanne, welche ihm zum gefahrlosen Einbiegen ohne Vorfahrtsverletzung zur Verfügung stand, ging zu seinen Lasten. Im anderen Falle durfte er nur unter Aufstellung eines Warnpostens einbiegen (so BGH VR 1965, 188; Jagusch, StVR 24. Aufl., § 8 StVO, Anm. 57). Hinzu kommt, daß der Zeuge H gerade für das Abbiegen notwendige Warnmöglichkeiten, wie eine Markierung des Seils durch ein rotes Tuch nicht genutzt hatte. Schließlich ist überhaupt nicht ersichtlich und konnte auch vorn Zeugen H bei seiner Anhörung vor dem Senat nicht erläutert werden, warum er so gefährlich langsam nach links in die Vorfahrtsstraße eingebogen ist.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der in jedem Falle fahrlässigen Vorfahrtsverletzung durch den Zeugen H steht kein nachweisbares Verschulden des Klägers gegenüber.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Es läßt sich nicht feststellen, daß der Kläger so rechtzeitig hat erkennen können, daß ein Schleppzug seine Fahrbahn kreuzte, daß er durch Bremsen den Zusammenstoß hatte vermeiden können. Er sah zunächst den schleppenden LKW, der auch rechtzeitig die rechte Fahrspur des Klägers geräumt hatte, da er im Zeitpunkt des Zusammenstoßes unbestritten auf der Gegenfahrbahn eingeordnet fuhr. Das geschleppte Fahrzeug dagegen hatte sich, wie das Gutachten Sch vom l0. April 1978 überzeugend nachweist, bei dem Zusammenstoß quer in der 3,5 m breiten rechten Fahrspur des Klägers mit dem linken Kotflügel in Höhe des Beginns des schraffierten Mittelfeldes der Vorfahrtsstraße befunden (vgl. insbesondere Skizze des Gutachtens, Bl. 92 GA). Das bedeutet, daß das geschleppte Fahrzeug von der Sichtlinie aus nur ca. 4 m im Sichtbereich des Klägers zurückgelegt hatte, bevor es zum Zusammenstoß kam. Da sich der P - wie der Sachverständige Sch aus dem Endstand der Fahrzeuge errechnet hat - beim Anstoß mit ca. 5,29 m/s fortbewegt hat, war er unter Berücksichtigung einer gewissen Beschleunigung des Schleppzuges 2 Sekunden vor dein Unfall jedenfalls noch hinter der Fahrbahnrandmarkierung der Vorfahrtstraße, die vom Anstoßpunkt 3,5 m entfernt ist. Dabei ist berücksichtigt, daß eine gewisse Wegverlängerung durch die diagonale Fahrweise des geschleppten Fahrzeuges eingetreten ist.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Erst nachdem der P aber die Fahrbahnrandlinie der Vorfahrtstraße deutlich überfahren hatte, konnte der Kläger seinerseits erkennen, daß dieses Fahrzeug ebenfalls seine Fahrbahn kreuzen würde. Zuvor konnte er erlaubterweise davon ausgehen, daß der LKW einbiegen und die Gegenfahrbahn noch erreichen, das folgende Fahrzeug aber warten würde. Es ist ihm nämlich nicht zu widerlegen, daß er das Abschleppseil zwischen beiden Fahrzeugen nicht bemerkt hatte. Hierin liegt ebenfalls kein nachweisbares Verschulden, zumal die Sonne schräg stand und die Sicht erschwert war. Dies hat der Kläger unmittelbar nach dem Unfall dem Zeugen H gegenübergeäußert. Daß er nicht allein wegen der Sichtbehinderung durch die schräg stehende Sonne oder wegen des langsam einbiegenden LKW' s, der immerhin die Gegenfahrbahn unbehindert erreicht hat, seine Geschwindigkeit nicht deutlich verringert hat, bedeutet keinen Pflichtverstoß, wenn es auch nicht der Handlungsweise eines besonders sorgfältigen, defensiv fahrenden Kraftfahrers (i.S.v. § 7 Abs. 2 StVG) entsprechen mag. Ein Kraftfahrer braucht nicht in jedem einbiegenden Fahrzeug einen Schleppzug zu vermuten und seine Fahrweise darauf einzurichten. Vielmehr ist es angesichts der Seltenheit von Abschleppvorgängen Sache des abschleppenden Fahrzeuges die Ausnahmesituation seines Gefährts den übrigen Verkehrsteilnehmern erkennbar zu machen, beispielsweise durch ein rotes Tuch am Schleppseil oder einen Warnposten.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Auch die angeblich an dem ziehenden LKW des Schleppzuges eingeschaltete Warnblinkanlage konnte den Kläger nicht aufklären. Für ihn mußte die Warnblinkanlage als linkes Blinklicht erscheinen, das lediglich die Abbiegeabsicht des Zeugen H kundtat.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Senat vermag auch nicht der Beklagten darin zu folgen, daß der Kläger bereits auf 228 m Entfernung erkannt haben müsse, daß auch der geschleppte P seine Fahrbahn kreuzenwerde. Dies ergibt sich nicht daraus, daß die Zeugin F vom Fahrersitz des P aus das Herannahen des Klägers ausdieser Entfernung gesehen haben will, denn diese Beobachtung kann sie gemacht haben, während sie noch auf der Seitenstraße hinter der Fahrbahnrandlinie der Vorfahrtstraße gestanden hat oder sich langsam bewegte. Da es sich nach allem beim Einbiegen des geschleppten Fahrzeuges um einen vom Kläger unvermuteten Verkehrsvorgang handelte, muß ihm nach der Wahrnehmung des Fahrzeugs noch eine Reaktions- und Bremsansprechzeit zugebilligt werden, die mit einer knappen Sekunde anzusetzen ist (vgl. Jagusch a.a.O,, § 1 Rz. 29 und 30). Mithin konnte der vom Landgericht vom Kläger erwartete Notbremsvorgang erst ca. 1 Sekunde vor dem Unfallzeitpunkt einsetzen, als der Kläger bereits auf 27 m herangekommen war, so daß ihm jedenfalls die 55 m Bremsweg nicht mehr zur Verfügung standen, die das Landgericht bei einer angenommenen Geschwindigkeit von l00 km/h zutreffend als notwendig errechnet hat.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Kann nach allem nicht von einem Verschulden des Klägers an dem Unfall ausgegangen werden, so ist im Rahmen der Abwägung nach § 17 StVG die normale Betriebsgefahr seines auf der Vorfahrtsstraße mit erlaubter Geschwindigkeit fahrenden PKW's der durch schuldhafte Vorfahrtsverletzung sowie die Länge und Schwerbeweglichkeit des Abschleppzuges wesentlich erhöhte Betriebsgefahr der Fahrzeuge der Beklagten gegenüberzustellen. Dies kann nur zu der Anwendung des Grundsatzes führen, daß bei Vorfahrtsverletzungen in der Regel die Betriebsgefahr des Fahrzeugs auf der Vorfahrtsstraße gegenüber der des vorfahrtsverletzenden Fahrzeugs zurücktritt, zumal dies bereits bei Fahrzeugen gleichen Gewichts und sonstiger gleicher Betriebsgefahr angenommen wird (vgl. Jagusch, a.a.O., § 8 StVO, Rz. 68 und 69).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat nach allem den der Höhe nach unbestrittenen Schaden des Klägers von 3.338,35 DM zu ersetzen, während sie den von ihr in Ansatz gebrachten, nach einer Schadensteilung von 60 % zu 40 % zu Lasten des Klägers dessen Schaden um 9.250,69 DM übersteigenden Schaden, sowie einen entsprechenden Teil des Zukunftsschadens nicht ersetzt verlangen kann.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Da die Beklagte nicht bestritten hat, vom Kläger mit Fristsetzung zum 12. Oktober 1976 am 27. September 1976 gemahnt worden zu sein, hat sie den Klagebetrag nach den §§ 284, 288 Abs. 1 BGB mit 4 % zu verzinsen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin nach §§ 91, 92, 97 ZPO zu tragen; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 108 Nr. 10 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Beschwer der Beklagten und Streitwert für die Berufungsinstanz:</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">13.585,04 DM - (i.W.: dreizehntausendfünfhundertneunundachtzig 04/l00 Deutsche Mark).</p>
|
316,003 | olgham-1979-04-09-6-ws-7379 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 6 Ws 73/79 | 1979-04-09T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:57 | 2019-03-27T09:41:40 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1979:0409.6WS73.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Sache wird zunächst an das Landgericht Bochum zurückgegeben.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Wie der Vorsitzende der Strafkammer aktenkundig gemacht hat (Verfügung vom 8. März 1979, Bl. 80 des Sonderheftes), ist bei dem Landgericht nach Vorliegen der von dem Verteidiger angekündigten weiteren Begründung seiner Beschwerden eine Entscheidung nach § 306 Abs. 2 StPO beabsichtigt. Andererseits ist dem Beschwerdeführer die von ihm angekündigte ergänzende Begründung der Rechtsmittel z.Zt. nicht möglich, da ihm die hierfür als erforderlich bezeichnete Einsichtnahme in das Hauptverhandlungsprotokoll von der Strafkammer z.Zt. und voraussichtlich bis zum Abschluß der gegen den Mitangeklagten ... gerichteten Hauptverhandlung nicht eingeräumt wird.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Bei dieser Sachlage sieht sich der Senat z.Zt. zu einer Sachentscheidung außer Stande. Die Sache war zur Entgegennahme der abschließenden Beschwerdebegründungen und zu den Entscheidungen gem. § 306 Abs. 2 StPO an die Vorinstanz zurückzugeben, zumal auch der Beschwerdeführer die Entscheidung des Senats derzeit nicht erstrebt und weitere Ausführungen zur Begründung seiner Rechtsmittel nach Einsichtnahme in das Hauptverhandlungsprotokoll angekündigt hat.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Diese Entscheidung entspricht im Ergebnis der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft.</p>
|
316,004 | olgham-1979-03-26-3-wf-979 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 3 WF 9/79 | 1979-03-26T00:00:00 | 2019-03-13T15:19:59 | 2019-03-27T09:41:40 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1979:0326.3WF9.79.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird abgeändert. Der Antragstellerin wird das nachgesuchte Armenrecht bewilligt. Auswahl und Beiordnung eines Armenanwalts bleiben dem Familiengericht vorbehalten.</p>
<p>Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien haben am 21.6.1969 die Ehe miteinander geschlossen, aus der 2 Kinder hervorgegangen sind. Seit Ende Juli 1978 leben die Parteien nach der Darstellung des Antragsgegners innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin begehrt die Scheidung ihrer Ehe mit der Begründung, daß die Fortsetzung der Ehe für sie eine unzumutbare Härte darstellen würde. Der Antragsgegner habe wegen einer Phimose praktisch nie einen normalen Geschlechtsverkehr mit ihr ausüben können. Wiederholt sei es bei ihr zu Verletzungen gekommen, so daß sie ärztliche Hilfe habe in Anspruch nehmen müssen. Ihre Aufforderungen, einen operativen Eingriff vornehmen zu lassen, habe der Antragsgegner immer wieder abgelehnt. Nachdem sie, die Antragstellerin, daraufhin den ehelichen Verkehr verweigert habe, sei er dazu übergegangen, sich selbst zu befriedigen und das Bett zu beschmutzen. Seitdem sie sich von ihm scheiden lassen wolle, versuche er sie auch anders unter Druck zu setzen. So habe er letztmals im August 1978 Unterhalt gezahlt, und den such nur unzulänglich. Demgegenüber behauptet der Antragsgegner, daß die Antragstellerin ehewidrige Beziehungen zu einem anderen Mann unterhalte. Ihre Behauptung, daß ein ehelicher Verkehr nicht möglich sei, werde schon durch die Geburt der beiden Kinder widerlegt. Alle anderen in diese Richtung zielenden Behauptungen würden bestritten. Im übrigen habe die Antragstellerin immer noch die notwendigen Zuwendungen erhalten, die sie für den eigenen Unterhalt und den der Kinder benötigt habe. Er, der Antragsgegner, sei jedoch darauf angewiesen, die finanziellen Dinge in seiner Hand zu halten, weil die Antragstellerin Schulden gemacht habe.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Familiengericht hat durch Beschluß vom 19.10.1978 der Antragstellerin das nachgesuchte Armenrecht verweigert, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Ihrem Vorbringen sei kein Umstand zu entnehmen, der die Fortsetzung der Ehe für sie unzumutbar machen würde. Da die Parteien jetzt in der Ehewohnung getrennt lebten, sei ihr zuzumuten, das Onanieren des Antragsgegners hinzunehmen. Soweit sie sich darauf berufe, der Antragsgegner zahle nicht ordnungsgemäß Unterhalt, möge sie gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 6.11.1978. Zur Begründung des Rechtsmittels wiederholt sie ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, daß der Antragsgegner sie und die Kinder obendrein laufend schikaniere. In letzter Zeit habe er sie sogar tätlich angegriffen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner begehrt die Zurückweisung der Beschwerde.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde der Antragstellerin, über die auf Grund einer neuen Geschäftsverteilung ab 1.1.1979 der Senat zu entscheiden hat, ist gemäß § 127 Satz 2 ZPO zulässig und auch in der Sache begründet.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Scheidungsantrag der Antragstellerin bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Zwar leben die Parteien noch nicht 1 Jahr getrennt, da sie unstreitig bis in den August 1978 im gemeinsamen Eigenheim einen gemeinsamen Haushalt geführt haben. Das Vorbringen der Antragstellerin gibt jedoch hinreichenden Anlaß zu der Annahme, daß die Ehe der Parteien gescheitert ist und die Fortsetzung der Ehe für die Antragstellerin aus Gründen, die in der Person des Antragsgegners liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde (§ 1565 Abs. 2 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Ob diese Annahme auch dann berechtigt wäre, wenn unter "Fortsetzung der Ehe" nur die Aufrechterhaltung des formellen ehelichen Bandes verstanden werden könnte, muß erheblich bezweifelt werden. Nach Auffassung des Senats kann indes nicht darauf abgestellt werden, ob grundsätzlich einem Antragsteller die Fortsetzung der Ehe den Bande nach noch zugemutet werden kann. Denn diese Auslegung des § 1565 Abs. 2 BGB, die von der überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung mit dem Wortlaut und der Systematik der gesetzlichen Vorschrift begründet wird, (so insbesondere OLG Düsseldorf, FamRZ 1977, 804/805; OLG Frankfurt, NJW 1978, 892), berücksichtigt zu wenig deren Sinn und Zweck im Zusammenhang mit § 1566 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Nach ganz überwiegender Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. dazu Schwab, FamRZ 1979, 14 ff Fußnote 28/29) will § 1565 Abs. 2 BGB nicht nur einen Rechtsmißbrauch des allein scheidungswilligen Ehegatten verhindern, sondern auch leichtfertigen und voreiligen Scheidungsentschlüssen entgegenwirken. Dieser Gesetzeszweck, den das OLG Bremen (FamRZ 1977, 809/810) und Schwab (a.a.O.) anhand der Entstehungsgeschichte der Vorschrift überzeugend herausgearbeitet haben, findet seine Berechtigung gerade in den Fällen, in denen die Ehegatten überhaupt noch nicht oder noch kein Jahr getrennt leben. Während nämlich nach 1jährigem Getrenntleben davon ausgegangen werden kann, daß die Ehegatten in der Zwischenzeit die Situation der Ehe hinreichend kritisch überprüft haben und ihr gemeinsames Scheidungsbegehren die nachhaltige Zerstörung der ehelichen Gesinnung offenkundig macht (§ 1566 Abs. 1 BGB), läßt sich die Ernsthaftigkeit eines Scheidungsentschlusses bei kürzerer Trennungsdauer oder fehlender Trennung nicht allein aufgrund des Scheidungswillens eines oder beider Ehegatten feststellen. Der notwendigen Objektivierung seiner Ernsthaftigkeit bedarf es aber dann nicht, wenn in der Person des Antragsgegners Gründe gegeben sind, welche die Festigkeit und Nachhaltigkeit des Scheidungswillens beim Antragsteller auch ohne einjähriges Getrenntleben hinreichend begreiflich machen (so Schwab a.a.O., S. 18; OLG Oldenburg, NJW 1978, 1266).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Daraus folgt, daß an die Gründe die eine Durchbrechung der Mindesttrennungsfrist des § 1566 Abs. 1 BGB rechtfertigen, strenge Anforderungen zu stellen sind. Schon der Wortlaut des § 1565 Abs. 2 BGB ("unzumutbare Härte") verbietet eine vorzeitige Scheidung aufgrund von Schwierigkeiten, Unstimmigkeiten oder Zerwürfnissen, wie sie in jeder Ehe einmal vorkommen können. Nimmt man den Gesetzeszweck hinzu, reicht auch ein Fehlverhalten, das nach früherem Recht als Eheverfehlung im Sinne der §§ 42, 43 EheG eine sofortige Ehescheidung rechtfertigte, nach geltendem Recht nicht mehr aus (so die ständige Rechtsprechung des Senats, ferner der hiesige 4. Familiensenat in 4 WF 370/77 - Beschluß vom 15.11.1977; OLG Düsseldorf, FamRZ 1977, 804; OLG Bremen a.a.O.; OLG Frankfurt, NJW 1978, 169; OLG Bamberg in UF 17/77 - Urteil vom 12.1.1978; OLG Braunschweig in 2 UF 54/77 - Urteil vom 14.4.1978; OLG Köln in 21 WF 180/77 - Beschluß vom 5.9.1977; OLG Nürnberg in 7 UF 59/77 - Urteil vom 18.10.1977; <u>anderer Ansicht:</u> OLG Schleswig, NJW 1978, 51/53; OLG Karlsruhe, NJW 1978, 53; wohl auch OLG Stuttgart, NJW 1978, 275). Die in § 1565 Abs. 2 BGB geforderten Gründe müssen vielmehr so schwer wiegen daß die Ehe <u>schon jetzt</u> als endgültig gescheitert anzusehen ist (so mit Recht der hiesige 1. Familiensenat in 1 WF 483/78, veröffentlicht in FamRZ 1979, 37) <u>und</u> das Abwarten eines Trennungsjahres von vornherein eine reine Förmlichkeit wäre.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Diese Prognose des Scheiterns der Ehe kann im Einzelfall bereits auf Grund der Art und Schwere des Verstoßes gegen die Grundlage der auf Liebe, Achtung und Treue aufgebauten Ehe gewagt werden.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">In jedem Falle muß aber - um den Gesetzeszweck nicht doch noch zu unterlaufen und um die Ernsthaftigkeit des Scheidungsentschlusses ohne eine längere Trennung der Ehegatten bejahen zu können - gefragt werden, ob ein vernünftiger Dritter bei ruhiger Abwägung aller Umstände auf das Verhalten des anderen Ehegatten mit einem Scheidungsantrag reagieren würde. Mit Schwab (a.a.O., S. 20) könnte man sagen: Nur solche Umstände in der Person des Antragsgegners, die einem objektiven Beurteiler ohne weiteres begreiflich und plausibel machen, daß der Antragsteller sich endgültig von seinem Partner abwendet, rechtfertigen eine Scheidung vor Ablauf der Mindesttrennungszeit gemäß § 1565 Abs. 2 BGB. Wenn derartige Umstände festgestellt werden können, ist das Scheidungsbegehren des Antragstellers weder rechtsmißbräuchlich noch leichtfertig und übereilt.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Geht man von diesen Erwägungen auch im vorliegenden Fall aus, so muß die Ehe der Parteien schon jetzt als endgültig gescheitert angesehen werden. Bereits vor dem Inkrafttreten des 1. Ehe RG umfaßte die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft als wesentlichen Bestandteil die regelmäßige geschlechtliche Vereinigung der Ehegatten in ehelicher Zuneigung (so BGH, NJW 1967, 1078). An dieser Bedeutung der Geschlechtsgemeinschaft für den Vollzug der Ehe hat sich auch unter dem jetzt geltenden Recht nichts geändert. Angesichts dieser Bedeutung der sexuellen Seite liegt ein Scheitern der Ehe nahe, wenn die Ausübung des Verkehrs nicht möglich und dieser Zustand auch entweder überhaupt nicht oder deshalb nicht behebbar ist, weil ein Ehegatte einen erforderlichen medizinischen Eingriff ablehnt (vgl. auch OLG Hamm, 1. Familiensenat, FamRZ 1979, 37/38). Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner nicht bestritten, an einer Phimose zu leiden, die den ehelichen Verkehr jedenfalls der Antragstellerin hat zur Qual werden lassen. Der Antragsgegner hat auch - soweit ersichtlich - nichts unternommen, um diesen relativ geringfügigen körperlichen Fehler durch einen medizinischen Eingriff beheben zu lassen. Wenn die Antragstellerin daraufhin nach eigenen Angaben den ehelichen Verkehr verweigert hat, was jedoch den Antragsgegner keineswegs zu einer ärztlichen Behandlung sondern nur zur Onanie veranlaßt hat, so zeigt dieser schon seit einige Zeit bestehende Zustand die besonders tiefgreifende, irreparable Zerstörung des ehelichen Verhältnisses. Auch ein vernünftiger Dritter würde auf solch ein Verhalten des Antragsgegners mit einem alsbaldigen Scheidungsantrag reagieren. Ob daneben auch die anderen Vorwürfe ein Scheidungsbegehren der Antragstellerin rechtfertigen, braucht nicht mehr erörtert zu werden.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Demgemäß ist der angefochtene Beschluß abzuändern und der Antragstellerin das nachgesuchte Armenrecht zu bewilligen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 1 GKG, 118 a Abs. 4 ZPO.</p>
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316,005 | lg-dusseldorf-1979-03-21-2-o-11578 | {
"id": 808,
"name": "Landgericht Düsseldorf",
"slug": "lg-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 2 O 115/78 | 1979-03-21T00:00:00 | 2019-03-13T15:20:01 | 2019-03-27T09:41:40 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1979:0321.2O115.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 662,01 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 27. April 1977 zu zahlen. </p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. </p>
<p>Das beklagte Land darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. </p>
<p>Die Sicherheiten können durch die Bürgschaft einer im Bundesgebiet ansässigen Großbank oder Sparkasse erbracht werden. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Der Kläger nimmt das beklagte Land aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 17. Oktober 1976 gegen 1.30 Uhr nachts in E auf der Kreuzung L/Gstraße ereignete. Der von dem Polizeibeamten S gesteuerte Funkstreifenwagen E 3513, mit Blaulicht, aber unstreitig ohne Martinshorn auf einer Einsatzfahrt, fuhr – insoweit ebenso unstreitig – bei Rotlicht der für ihn gültigen Lichtzeichenanlage in die oben genannte Kreuzung aus Richtung Norden kommend in Richtung Stadtmitte ein und stieß dabei mit dem VW-Passat des Klägers – amtliches Kennzeichen X – zusammen. </p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Höhe des Sachschadens beträgt –ebenfalls unstreitig – 2.822,- DM bei dem Kläger. Davon hat das beklagte Land 80 % anerkannt und unter Anrechnung eines 20 %igen Anteils des Klägers am Schaden des beklagten Landes dem Kläger insgesamt 2.159,99 DM gezahlt. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger behauptet, für ihn sei der Unfall unabwendbar gewesen, da er bei "Grün" in die Kreuzung gefahren sei und mit dem von links ohne Martinshorn mit erhöhter Geschwindigkeit herankommendem Polizeifahrzeug nicht habe rechnen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 662,01 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 27.04.1977 zu zahlen. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Das beklagte Land beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Es behauptet:</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Den Kläger treffe ein Mitverschulden in Höhe von 20 %, da er den mit Blaulicht herankommenden Polizeiwagen rechtzeitig auf der geräumigen Kreuzung hätte sehen müssen. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Kläger habe auch noch in Richtung des Streifenwagens geschaut und dennoch nicht gebremst, sondern sei weiter gefahren. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Urkunden verwiesen. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Kammer hat Beweis erhoben, wie aus dem Beweisbeschluss vom 14. Juni 1978 (Bl. 44/45 d. A.)ersichtlich ist. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschriften vom 21.09.1978 (Bl. 61 ff d. A.) und vom 26.09.1978 (Bl. 68 ff. d. A.) Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in vollem Umfang begründet, denn der Unfall war für den Kläger unvermeidbar. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die grundsätzliche Haftung des beklagten Landes, die auch nicht bestritten wird, folgt aus Art. 34 GG, § 839 BGB, § 7 StVG i. V. m. § 37 StVO. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Unstreitig ist der Kläger bei grünem Lichtzeichen der Ampelanlage an der Kreuzung Kleverstraße/Fischerstraße in diese Kreuzung eingefahren, während der von dem Zeugen S gesteuerte Funkstreifenwagen eindeutig bei Rot in dieselbe Kreuzung aus der Fahrtrichtung des Querverkehrs von links eingefahren ist, ohne das Martinshorn einzuschalten.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Es kann unterstellt werden, dass sich die Besatzung des Streifenwagens auf einer Einsatzfahrt befunden hat. Jedenfalls wird aber der Vorrang eines Einsatzfahrzeuges im Sinne der §§ 35, 38 StVO nur dann gewahrt, wenn beide vorgeschriebenen Einsatzsignale, nämlich Blaulicht <u>und</u> Martinshorn, eingeschaltet sind (vgl. OLG Düsseldorf in VersR 1978 Seite 744). Das Blaulicht allein genügt demnach nicht, um Sonderrechte auszulösen. Da unstreitig an dem Einsatzfahrzeug <u>nicht</u> Blaulicht und Martinshorn eingeschaltet waren, hatte es keinen Vorrang gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern. Deshalb war auch der Fahrer des Streifenwagens, der Zeuge S, von der strengen Beachtung des Vorfahrtsrechts des Klägers in keiner Weise entbunden und musste seine Fahrtgeschwindigkeit so einrichten, dass er auf Sicht und sofort anhalten konnte, zumal er das Fahrzeug des Klägers seiner Bekundung nach rechtzeitig vorher in die Kreuzung einfahrend gesehen hatte. Wenn der Zeuge S dennoch, wie sich aus der Aussage des Beifahrers I ergibt, mit einer Geschwindigkeit von etwa 40 km/h in die Kreuzung bei Rot einfährt, so trifft ihn ein erhebliches Verschulden. Dem Kläger ist dagegen ein schuldhaftes Verhalten nicht vorzuwerfen. Er durfte darauf vertrauen, dass er bei grünem Ampellicht die Kreuzung passieren konnte, und dass andere Verkehrsteilnehmer sein Recht auf Vorfahrt beachten würden. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass das Blaulicht des Polizeistreifenwagens so rechtzeitig für den Kläger erkennbar gewesen wäre, dass er sein Fahrverhalten entsprechend hätte einrichten können. Die Zeugen H und L G sowie die Zeugin C, Ehefrau des Klägers, haben übereinstimmend bekundet, dass sie das Blaulicht des Streifenwagens erst unmittelbar vor dem Zusammenstoß bemerkt haben. Dafür spricht im übrigen auch die vom beklagten Land vorgelegte Verkehrsunfallskizze in Verbindung mit dem überreichten Lichtbild (Blatt 94 Hülle). Die Kreuzung ist keineswegs so übersichtlich, wie das beklagte Land meint, dass ein von links kommendes Blaulicht genügend lang vorher für den Kläger bereits zu erkennen gewesen wäre. Hinzu kommt, dass dieses Licht den Autofahrer zuerst irritiert und er, wenn auch nur Sekunden braucht, um zunächst festzustellen, aus welcher Richtung dieses Licht kommt. Dies hätte der Zeuge S bedenken müssen. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Betriebsgefahr des langsam bei Grün einfahrenden Wagens kann dem Kläger nicht angelastet werden. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Demnach ist das beklagte Land verpflichtet, dem Kläger den gesamten Schaden zu erstatten, dessen Höhe unstreitig ist. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf §§ 284, 288 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.</p>
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316,006 | lg-bonn-1979-03-07-12-o-18177 | {
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"name": "Landgericht Bonn",
"slug": "lg-bonn",
"city": 394,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 12 O 181/77 | 1979-03-07T00:00:00 | 2019-03-13T15:20:02 | 2019-03-27T09:41:40 | Urteil | ECLI:DE:LGBN:1979:0307.12O181.77.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.800,-- nebst 4 % Zinsen seit dem 1.Januar 1977 zu zahlen.</p>
<p>Die weitergehende Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Von den Kosten des Rechtsstreits übernehmen der Kläger 12/13 und die Beklagte 1/13.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen eine Sicherheitsleistung von DM 2.400,-  und für die Beklagte gegen eine solche von DM 2.500,-.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="h2 absatzLinks">T a t b e s t a n d :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Auf Grund eines schriftlichen Vertrages vom 1.Juli/11.August  1971 war der Kläger als selbständiger Handelsvertreter für  den Bezirk I und Umgebung in der Zeit vom 1.Juli 1971  bis zum 31.Dezember 1976 bei der Beklagten beschäftigt. Das Vertragsverhältnis wurde von der Beklagten gekündigt. Mit   Schreiben vom 11.November 1976 machte der Kläger seinen Anspruch auf Ausgleichszahlung geltend. Die Beklagte lehnt eine  Zahlung ab. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass auf das Vertragsverhältnis die "Grundsätze zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs ( § 89 b HGB )" des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft Anwendung finden. Nach Beauftragung des Sachverständigen einigten sich die Parteien auf einen rechnerischen Ausgleichsanspruch von DM 7.283,11, nachdem der Kläger mit der Klage zunächst einen Betrag von DM 23.595,87 geltend gemacht hatte. Die weitergehende Klage wurde zurückgenommen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 7.283,11 nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Januar 1977 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen;</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, soweit er die Klage zurückgenommen hat.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte trägt vor, die Zahlung eines Ausgleichs entspreche nicht der Billigkeit. Sie habe nämlich während der 5 1/2 - jährigen Vertreterzeit an den Kläger laufende Aufbauzuschüsse von insgesamt DM 65.700,-- sowie einen einmaligen Zuschuss von DM 500,-- gezahlt. Die "Grundsätze zur Berechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs" gingen von dem Normalfall aus, daß nämlich der Handelsvertreter nur erfolgsabhängige Vergütungen erhalte. Weiche der Agenturvertrag von dieser Norm zugunsten des Agenten ab und erhalte dieser neben den üblichen Provisionen auch feste Bezüge, so seien diese bei der Berechnung eines etwaigen Ausgleichs zu berücksichtigen. Die Festbezüge könnten zwar nicht im Verhältnis  1 : 1 angerechnet werden; vielmehr seien die festen Bezüge umso geringer ausgleichsmindernd zu berücksichtigen, je weiter die Zahlung bei Beendigung des Vertrages zurückliege. Einen solchen Anrechnungsmodus habe sie beachtet. Trotzdem verbleibe ein Betrag von DM 45.720,-- , der ausgleichsmindernd zu berücksichtigen sei. Wegen des krassen Missverhältnisses zwischen errechnetem Ausgleichsbetrag von DM 7.283,11 und den festen Bezügen mit noch DM 45.720,-- komme ein weiterer Ausgleich nicht in Betracht.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Kläger habe auch keine ungünstige Startposition gehabt. Die Stornierungen seien auf eine mangelhafte Betreuung der Versicherungsnehmer durch den Kläger zurückzuführen. Deshalb sei es auch zu einer Kündigung des Vertretervertrages gekommen. Der Kläger habe in den Jahren 1971 bis 1976 lediglich einen Bestand in Höhe von DM 65.000,-- aufgebaut, obwohl im Vertrag die Erwartung ausgesprochen worden sei, der Kläger werde in fünf Jahren einen Bestand von DM 180.000,-- aufbauen Darüberhinaus sei zu berücksichtigen, daß dem Kläger im Laufe der Zeit ein Bestand von DM 118.000,-- zugewiesen worden sei.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Demgegenüber trägt der Kläger vor, er habe eine sehr ungünstige Startposition gehabt. Nominell sei ihm ein Bestand von DM 5o.ooo,-  übergeben worden. Es habe sich dann aber herausgestellt, dass dieser Bestand nur etwa DM 23.000,-- wert gewesen sei. Gerade deshalb habe er auch den Aufbauzuschuss erhalten. Es sei unbillig, ihm den Ausgleich zu versagen. Auch von dem im Laufe der Vertragszeit übertragenen Prämienvolumen sei ein Anteil von etwa 80% nicht mehr vorhanden oder nicht haltbar gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen N und Dr. C sowie durch Beauftragung des Sachverständigen I2, vereidigter Buchprüfer. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und hinsichtlich des Vorbringens der Parteien im übrigen wird auf den Inhalt der Prozessakten nebst den überreichten Urkunden verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="h2 absatzLinks">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nur in dem erkannten Umfange begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger einen Ausgleich von DM 1.800,-- zu zahlen ( §§ 92, 89 b HGB ).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Bei der rechnerischen Ermittlung des Ausgleichs gehen die Parteien übereinstimmend von den "Grundsätzen zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs ( § 89 b HGB )" des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft e.V. aus. Diese Handhabung ist als Folge einer Einigung nach Beendigung des Vertreterverhältnisses grundsätzlich zulässig und auch für die Kammer bindend ( vgl. OLG Köln VersR 74,995; Schröder, Recht der Handelsvertreter, 5.Aufl., RdNr.44.2 zu § 89 b HGB ). Die Kammer hat auch aufgrund der übereinstimmenden Prozesserklärungen der Parteien davon auszugehen, dass sich der Ausgleich auf einen Betrag von DM 7.283,11 errechnet. Zwischen den Parteien streitig ist lediglich die Frage, ob die Zahlung des errechneten Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht ( § 89 b Absatz 1 Ziffer 3 HGB ). Der hierzu von der Beklagten erhobene Einwand, die im Verlaufe des Vertreterverhältnisses gezahlten festen Bezüge von insgesamt DM 63.700,-- , die noch mit DM 45.720,-- anzusetzen seien, rechtfertigen nicht die Zahlung eines Ausgleichs, greift nur zum Teil durch. Bei einem Warenvertreter hat es der Bundesgerichtshof grundsätzlich für zulässig erachtet, im Rahmen der Billigkeitsprüfung vom Unternehmer gezahlte "feste Bezüge" zu berücksichtigen ( vgl. BGH NJW 65, 1134; 67,248; Schröder aaO., Rdnr 18 zu § 89 b HGB ). Eine solche vom Grundsatz her zulässige Anrechenbarkeit hat auch bei dem Versicherungsvertreter Platz zu greifen. Diesem in der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz schließt sich die Kammer an ( LG Berlin VersR 72,95; LG München VersR 75,81; 75,756; LG Bremen VersR 75,1099 ). Die Möglichkeit, die an den Kläger von der Beklagten gezahlten Aufbauzuschüsse im Rahmen der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen, ist auch durch Vereinbarungen der Parteien nicht ausgeschlossen. Der Nachtrag Nr.1 zum Handelsvertretervertrage über die Zahlung eines monatlichen Aufbauzuschusses, zunächst befristet auf ein Jahr, enthält kein Verbot der Anrechenbarkeit. Auch der Hinweis des Klägers auf Ziffer 1,4 der "Grundsätze" , wonach Zuschüsse bei der Errechnung des Ausgleichswertes nicht zu berücksichtigen sind, ist nicht entscheidungserheblich. Mit dieser Bestimmung ist nur gesagt, dass bei der Berechnung der durchschnittlichen Jahresprovision des vom Vertreter aufgebauten Kundenstammes Zuschüsse, die sich im Ergebnis als erhöhend auswirken würden, außer Ansatz zu bleiben haben. Die hier zu entscheidende Frage stellt jedoch darauf ab, inwieweit im Rahmen der Billigkeitsprüfung Zuschüsse ausschließend oder mindernd auf den auszuzahlenden Ausgleichswert zu berücksichtigen sind.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Wie Martin ( VW 69,349 ff. ) zu Recht ausführt, geben die "Grundsätze" Maßstäbe für die Errechnung des Ausgleichswertes unabhängig davon, ob der Versicherungsvertreter im Einzelfall auch feste Bezüge erhalten hat. Schon aus Gründen der Gleichbehandlung darf es deshalb nicht ausgeschlossen sein, bei einem Handelsvertreter, der Zuschüsse erhalten hat, die Frage zu prüfen, inwieweit diese ausgleichsmindernd anzusetzen sind. Im konkreten Falle steht ein errechneter Ausgleichswert von DM 7.285,11 einem bereits von der Beklagten zur Anrechnung reduzierten Aufbauzuschuss von DM 45.720,-- gegenüber. Überprüft man die Höhe der in den einzelnen Monaten an den Kläger gezahlten Aufbauzuschuss, so ist erkennbar, dass allenfalls in den ersten beiden Jahren das unternehmerische Risiko des Klägers in etwa abgesichert war. Die Monatszahlungen in den beiden letzten Jahren mit Beträgen zwischen DM 800,-- und DM 500,-- vermochten jedoch das unternehmerische Risiko nicht mehr auszuschließen. Von durch die Zuschüsse gesicherten geregelten Einkünften kann dabei nicht mehr die Rede sein. Andererseits ist aus der Tatsache, dass dem Kläger sofort mit Abschluss des Versicherungsvertreter-Vertrages ein Aufbauzuschuss zugebilligt und über die gesamte 5 1/2 jährige Vertragszeit - wenn auch mit abnehmender Höhe - gezahlt wurde, der Schluss gerechtfertigt, dass es sich bei dem Bezirk des Klägers um ein sehr schwieriges Arbeitsfeld gehandelt hat. Das leuchtet ein, wenn man berücksichtigt, dass es sich um ein stark landwirtschaftlich geprägtes Gebiet im Umfeld von I handelte. Andererseits ergibt sich aus den von dem Zeugen C genannten Zahlen über das Jahresprämienvolumen, daß der Kläger bei einem Anfangsbestand von ca. DM 52.000,-- und weiteren Zuweisungen von ca. DM 66.000,- jedenfalls ein Jahresprämienvolumen von ca. DM 65.000,-- neu aufgebaut hat, da sich der Bestand beim Ausscheiden des Klägers auf DM 183.451,-- belief. Es ist deshalb der Vorwurf nicht berechtigt, der Kläger habe nur einen mangelnden Einsatz gezeigt. So musste auch der Zeuge C einräumen, dass hinsichtlich der von der Beklagten aufgestellten Bewertungsprämien dem Kläger kein Vorwurf gemacht werden könne. Es mag sein, dass der vom Kläger erreichte Bestandsaufbau nicht den Vorstellungen der Beklagten entspreche. Es ist jedoch insoweit nicht bewiesen, dass ein anderer Vertreter unter den Bedingungen, die der Kläger vorfand, erfolgreicher gewesen wäre. Im Rahmen der Billigkeitsprüfung ist dem Kläger deshalb nicht der Vorwurf mangelnden Arbeitseinsatzes zu machen. Das erhellt auch aus dem unstreitigen Ausgleichswert von DM 7.285,11, der lediglich den vom Kläger aufgebauten Versicherungsbestand zur Grundlage hat. Dass die dem Kläger gewährten Aufbauzuschüsse nach dem Willen der Parteien bereits den neu geschaffenen Versicherungsbestand vergüten sollten, lässt sich aus dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Es verbleibt nach der Überzeugung der Kammer unter Auswertung des gesamten Vorbringens der Parteien lediglich die Tatsache der im Ergebnis hohen Aufbauzuschüsse, die es rechtfertigen, im Rahmen der Billigkeitsprüfung anteilig berücksichtigt zu werden. Auch im Hinblick auf die in der Rechtsprechung entschiedenen vergleichbaren Fälle eines geltend gemachten Ausgleichsanspruch von Versicherungsvertretern ( hier vor allem :LG München in VersR 75,81 ) hält es die Kammer für angemessen und billig, den errechneten Ausgleichswert von DM 7.283,11 um etwa 1/12 der gesamten gezahlten Aufbauzuschüsse von DM 63.700,- zu mindern. Die dem Kläger zustehende Ausgleichszahlung beläuft sich somit auf DM 1.800,-- ( § 287 Absatz 2 ZPO ).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 284 Abs.2, 288 Abs.1 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Weitergehende Klage war abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs.1, 269 Abs.5, 709 ZPO.</p>
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316,007 | lg-dortmund-1979-02-14-1-s-26178 | {
"id": 806,
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"slug": "lg-dortmund",
"city": 407,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
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} | 1 S 261/78 | 1979-02-14T00:00:00 | 2019-03-13T15:20:04 | 2019-03-27T09:41:39 | Urteil | ECLI:DE:LGDO:1979:0214.1S261.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 6. Juni 1978 verkündete Urteil des Amtsgerichts Dortmund wird auf seine Kosten zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger - Immobilienmakler - verlangt von den Beklagten</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Zahlung der vereinbarten Maklerprovision.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Im Jahre 1975 wandten sich die Beklagten aufgrund einer</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Zeitungsannonce, in der ein Grundstück angeboten wurde</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">an den Kläger. Der Kläger bot ihnen ein Grundstück an,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">welches er im Alleinauftrag gegen Provision für die</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">vermeintliche Eigentümerin Frau T veräußern sollte.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Mit dieser hatte er einen Verkaufspreis von 100,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">pro qm vereinbart. Der von ihm darüber hinaus erzielte</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mehrerlös sollte ihm und dem mit ihm arbeitenden Architekten L zufließen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten gingen aufgrund der Zeitungsannonce davon</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">aus, daß der Kläger eine "Doppeltätigkeit" als Makler</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">ausübt. Sie wurden jedoch von dem, Kläger ,nicht über</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die "Mehrerlösklausel" unterrichtet. Sie selbst verpflichteten</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">sich aufgrund schriftlichen Vertrages,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">3 % des Kaufpreises als Maklerprovision zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Am 10. Dezember 1975 schlossen die Beklagten und die</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">vermeintliche Eigentümerin Frau T einen notariellen</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Kaufvertrag über das Grundstück. Der Kaufpreis betrug</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">115,-- DM pro qm.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Bei der Durchführung des Kaufvertrages stellte sich heraus,</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">daß nicht Frau T, sondern deren Sohn alleinverfügungsberechtigt</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">war. Der notarielle Vertrag wurde</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">daraufhin als gegenstandslos betrachtet.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">In der Folgezeit erfuhren die Beklagten von der "Mehrerlösklausel.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Sie waren empört, daß sie einen um 15,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">pro qm überhöhten Kaufpreis zahlen sollten. Sie teilten</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">dies unter dem 18. Mai 1976- wobei sie sich auf eine bereits mündlich erledigte Kündigung vom 19.4.1976 beriefen - dem Architekten L, der</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">bis dahin auch die Verhandlungen für den Kläger geführt</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">hatte, mit. Unter dem 18. Mai 1976 kündigten sie den</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Maklervertrag gegenüber dem Kläger.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Am 21. Mai 1976 schlossen sie mit dem Grundstücksver-</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">fügungsberechtigten T2 einen neuen</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">notariellen Kaufvertrag und erwarben das Grundstück</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">zu einem Kaufpreis von 104,-- DM pro qm.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Von dem Gesamtkaufpreis in Höhe von 48.800,-- DM verlangt</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">der Kläger 3 % als vereinbarte Maklerprovision + 11 % Mehrwertsteuer.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">hat es im wesentlichen ausgeführt: Zwar sei dem Makler </p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">eine Doppeltätigkeit erlaubt. Er habe jedoch vorliegend</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">treuwidrig gehandelt, weil er sowohl seine Doppelltätigkeit</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">als auch die Vereinbarung der Mehrerlösklausel verschwiegen</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">habe.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Der Kläger rügt, der Amtsrichter habe übersehen, daß die</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Beklagten von seiner Doppeltätigkeit gewußt hätten.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Er beantragt dementsprechend,</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil aufzuheben und</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">die Beklagten zu verurteilen, ihm 1.629,.17 DM</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">nebst 9 % Zinsen seit dem 8. September 1977</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Sie halten das angefochtene Urteil für richtig. Im-übrigen</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">haben sie in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, von der</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Doppeltätigkeit des Klägers - jedoch nicht von der Mehrerlösklausel-</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">gewußt zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">wird auf den Inhalt der in der Berufungsinstanz,</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht keine Maklerprovision zu.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">a) Aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Makler-</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">vertrages waren die Beklagten zunächst grundsätzlich verpflichtet,</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">die vereinbarte Maklerprovision zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß trotz des Wechsels</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">auf der Verkäuferseite die Bemühungen des Klägers für</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">das endgültige Zustandekommen des Kaufvertrages ursächlich</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">-zumindest mitursächlich- waren. Es ist anerkannte Rechtsprechung,</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">daß eine Mitursächlichkeit ausreicht (z.B. BGH</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">in WPM 74, 257).</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">b) Der Anspruch auf den Mäklerlohn ist auch nicht etwa</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">gemäß § 654 BGB deswegen verwirkt, weil der Kläger zugleich</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">als Nachweis-und als Vermittlungsmakler aufge-</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">treten ist. Diese sogenannte Doppeltätigkeit des Maklers</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">ist grundsätzlich erlaubt (BGH in NJW 1970,1076, Glaser</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">in MDR1971 Seite 271). Hier bestehen schon deswegen</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">keine Bedenken, weil die Beklagten- wie sie eingeräumt</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">haben - von der Doppeltätigkeit des Klägers wußten.</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">c) Bedenken könnten allenfalls deswegen bestehen, weil</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">- was unstreitig ist - der Kläger die mit der Verkäuferin</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Getroffene "Mehrerlösklausel" verschwiegen hat. Der BGH</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">hat in der bereits zitierten Entscheidung (BGH 70,</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">1075) ausgeführt, daß der Makler, der für den Verkäufer</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">als Vermittlungsmakler und für den Käufer als Nachweismakler</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">tätig wird, dem Käufer, der von der Vermittlungs-</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">tätigkeit für den Verkäufer weiß, nicht mitzuteilen braucht,</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">daß er sich vom Verkäufer den über einen bestimmten Kauf-</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">preis erzielten Übererlös als Provision hat versprechen,</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">lassen. Die Kammer folgt dieser Entscheidung, da die</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Beklagten als Kaufinteressenten grundsätzlich damit rechnen</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">mußten, daß der als Vermittlungsmakler, eines Verkäufers</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">auftretende Kläger bestrebt sein werde, im Rahmen, der</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Marktlage einen möglichst hohen Kaufpreis zu erzielen.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Ob dieser allgemeine Satz allerdings auch dann noch gilt,</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">wenn - wie hier- eine Mehrerlösklausel von 15 % in Frage </p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">steht, erscheint der Kammer bedenklich. Wenn die Beklagten</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">aufgrund der dargelegten Umstände auch von vornherein die</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">mit dem Kläger getroffene Vereinbarung nicht dahin ver-</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">stehen konnten, daß dieser bei den Bemühungen um das Zustandekommen</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">des Grundstückkaufvertrages ihre Interessen</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">als Käufer, insbesondere an einem möglichst niedrigen</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">Kaufpreis, wahrzunehmen und sich in diesem Sinne einzu-</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">setzen hätte, durftensie doch zumindest darauf</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">vertrauen, daß der Kläger ihre Interessen im eigenen Provisionsinteresse nicht völlig außer Betracht lassen würde.</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">Ob unter diesen Gesichtspunkten bereits eine Verwirkung</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">des Anspruchs nach § 654 BGB angenommen werden kann, kann</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">jedoch dahingestellt bleiben, da die Beklagten den Maklervertrag</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">wirksam gekündigt haben.</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">d) Unter dem 18. Mai 1976 haben die Beklagten den Maklervertrag</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks">schriftsätzlich gekündigt. Die Kündigung ist zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">Sie ist weder vertraglich noch gesetzlich ausgeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">Sie wäre allenfalls dann unzulässig, wenn sie ein treuwidriges</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Verhalten der Beklagten darstellen würde, nämlich</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">dann, wenn sie die Kündigung lediglich deswegen ausgesprochen</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">hätten, um dem Provisionsanspruch des Klägers</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">zu entgehen, obwohl dieser bereits alles- oder fast alles-</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">für das Zustandekommen des Grundstückskaufes getan hatte.</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">Dass dieses das Motiv der Beklagten war, hat der Kläger</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">nicht zu beweisen vermocht. Die gesamten Umstände sprechen</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">vielmehr dafür, daß die Beklagten den Vertrag lediglich</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">deshalb gekündigt haben, weil ihnen der Kläger die Mehrerlösklausel</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">verschwiegen hatte.</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">Die Kammer sieht dieses Verhalten des Klägers im vorliegenden</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">Falle als so treuwidrig an, daß die darauf gestützte</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">Kündigung der Beklagten ihrerseits nicht als treu-</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">widrig bezeichnet werden kann. Es kann dahinstehen, ob</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks"><i> </i>in Anlehnung an die bereits zitierte Rechtsprechung des</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">BGH (BGH in NJW 1970, 1075 f) das Verschweigen der Mehrerlösklausel</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">grundsätzlich als Kündigungsgrund angesehen werden</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">kann, das eine Treuwidrigkeit der Kündigenden ausschließt.</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall ist die Besonderheit, daß der angestrebte</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">Mehrerlös mit 15 % nach Ansicht der Kammer derart</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">hoch ist, daß den Kaufinteressenten die Gelegenheit,</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">gegeben werden muß, nach Kenntnis der Mehrerlösklausel</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">- unabhängig, davon in welchem Stadium sich die Verkaufsverhandlungen</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">befinden - den Maklervertrag aufzukündigen.</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">Die Kammer setzt sich damit nicht in Widerspruch zu der</p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">oben zitierten Entscheidung des BGH (BGH a.a.O.). Dort</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">ist lediglich darüber entschieden worden, ob ein bereits</p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">entstandener Provisionsanspruch gemäß § 654 BGB als</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks">verwirkt anzusehen ist. Es ist jedoch in dieser Ent-</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">scheidung nicht darüber entschieden worden, ob die Kauf-</p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">interessenten bei einer späteren Kenntnis einer Mehr-</p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">erlösklausel berechtigt sind, sich vom Vertrage loszusagen.</p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">Im ersteren Falle gehen die Kaufinteressenten bewußt</p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">das Risiko ein, einen "überhöhten" Kaufpreis zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">Es darf ihnen jedoch nicht die Möglichkeit genommen</p>
<span class="absatzRechts">151</span><p class="absatzLinks">werden, dieses Risiko auszuschalten,wenn sie erst nachträglich</p>
<span class="absatzRechts">152</span><p class="absatzLinks">davon erfahren, insbesondere dann nicht, wenn</p>
<span class="absatzRechts">153</span><p class="absatzLinks">ein derartig überhöhter Mehrerlös - wie hier-erzielt</p>
<span class="absatzRechts">154</span><p class="absatzLinks">werden soll.</p>
<span class="absatzRechts">155</span><p class="absatzLinks">Die Kündigung der Beklagten ist infolgedessen zulässig,</p>
<span class="absatzRechts">156</span><p class="absatzLinks">so daß der Kläger keinen Provisionsanspruch hat .</p>
<span class="absatzRechts">157</span><p class="absatzLinks">e) Mögliche Schadensersatzansprüche -wie sie das Landgericht</p>
<span class="absatzRechts">158</span><p class="absatzLinks">Aachen in seiner Entscheidung (NJW 1951 Seite 657 f) prüft-</p>
<span class="absatzRechts">159</span><p class="absatzLinks">sind schon deshalb nicht gegeben, weil die Beklagten aufgrund</p>
<span class="absatzRechts">160</span><p class="absatzLinks">der obigen Ausführungen berechtigt waren, den Maklervertrag</p>
<span class="absatzRechts">161</span><p class="absatzLinks">zu kündigen.</p>
<span class="absatzRechts">162</span><p class="absatzLinks">Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO</p>
<span class="absatzRechts">163</span><p class="absatzLinks">zurückzuweisen.</p>
|
316,008 | lg-duisburg-1979-02-13-13-7-s-36078 | {
"id": 807,
"name": "Landgericht Duisburg",
"slug": "lg-duisburg",
"city": 408,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 13 (7) S 360/78 | 1979-02-13T00:00:00 | 2019-03-13T15:20:27 | 2019-03-27T09:41:39 | Urteil | ECLI:DE:LGDU:1979:0213.13.7S360.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>für R e c h t erkannt:</p>
<p></p>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 23. Oktober 1978 verkündete Urteil des Amtsgerichts Dinslaken wird auf seine Kosten zurückgewiesen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand und Entscheidungsgründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger verlangt von dem Beklagten zu 1) und dessen Haftpflichtversicherung, der Beklagten zu 2), vollen Schadensersatz (restliche 20 %) aus einem Verkehrsunfall vom 26. Mai 1978, bei welchem der Beklagte zu 1) die Vorfahrt verletzt hat.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Wegen des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz und der dort von ihnen gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil verwiesen (§ 543 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Klage durch Urteil vom 23. Oktober 1978 abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger verfolgt mit der von ihm rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung unter Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens seinen Klageantrag weiter.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten bitten um</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Zurückweisung der Berufung.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Auch sie wiederholen und ergänzen ihren früheren Vortrag.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat keinen Anspruch auf vollen Ersatz seines Schadens, weil ihn ein Mitverschulden am Unfall trifft, das zu einer Eigenhaftung in Höhe von 20 % führt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 1) hat zwar die Vorfahrt verletzt. ihn trifft das überwiegende Verschulden an dem Unfall. Der Vertrauensschutz für den Vorfahrtsberechtigten gilt jedoch nicht ausnahmslos. Der Vorfahrtsberechtigte darf sich dann nicht auf die Beachtung seiner Vorfahrt verlassen, wenn konkrete Umstände Anlass zu der Befürchtung geben, ein anderer Verkehrsteilnehmer werde die Vorfahrt verletzen. Solche Umstände können nicht nur in dem erkannten oder erkennbaren Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers, sondern auch in den örtlichen Verhältnissen einer Einmündung liegen (OLG Celle, Urteil vom 30. Januar 1975 DAR 1975, S. 273 mit weiteren Nachweisen). Die Voraussetzungen für die Anwendung dieses auch von der Kammer vertretenen Rechtssatzes sind vorliegend schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers gegeben, der aus einer Stichstraße des Schmalen Weges, die lediglich die Zufahrt zu den Häusern Nr. 31 bis 35 bildet, in die dem Durchgangsverkehr dienende Hauptfahrbahn des Schmalen Weges einbiegen wollte. Diese sogenannte T-Einmündung war – wie der Kläger selbst ausführt – unübersichtlich, d. h. auch für den herannahenden Beklagten zu 1) nicht voll einsehbar. Umso weniger konnte dem Kläger sich auf die Beachtung seines Vorfahrtsrechts durch den Beklagten zu 1) verlassen. Bei seiner eigenen Ortskenntnis als Bewohner des Schmalen Weges hätte er mit der Verkennung der Situation durch den wartepflichtigen Beklagten zu 1) rechnen müssen und können. Die in sich widersprüchliche Unfalldarstellung des Klägers lässt auch nicht den Schluss zu, dass er mit der erforderlichen Vorsicht in den Einmündungsbereich eingefahren ist. Denn es gibt weder einen Anhalt dafür, dass der Beklagte zu 1) sich mit überhöhter Geschwindigkeit dem Kreuzungsbereich näherte, noch für die Behauptung des Klägers, er habe abgebremst und sich in den Kreuzungsbereich hineingetastet. Der Behauptung der Beklagten, er sei <u>ohne</u> anzuhalten in den Einmündungsbereich eingefahren, ist er nicht ausdrücklich entgegengetreten, und er hat auch keinen entsprechenden Beweis angetreten, wie es ihm gemäß § 7 Abs. 2 StVG oblegen hätte. Unter diesen Umständen ist die Abwägung des Amtsrichters durchaus berechtigt. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.</p>
|
316,009 | lg-duisburg-1979-02-13-7-s-36078 | {
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"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
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} | 7 S 360/78 | 1979-02-13T00:00:00 | 2019-03-13T15:20:31 | 2019-03-27T09:41:39 | Urteil | ECLI:DE:LGDU:1979:0213.7S360.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung des Klägers gegen das am 23. Oktober 1978 verkündete Urteil des Amtsgerichts Dinslaken wird auf seine Kosten zurückgewiesen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u> Tatbestand und Entscheidungsgründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger verlangt von dem Beklagten zu 1) und dessen Haftpflichtversicherung, der Beklagten zu 2), vollen Schadensersatz (restliche 20 %) aus einem Verkehrsunfall vom 26. Mai 1978, bei welchem der Beklagte zu 1) die Vorfahrt verletzt hat.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Wegen des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz und der dort von ihnen gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil verwiesen (§ 543 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat die Klage durch Urteil vom 23. Oktober 1978 abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Kläger verfolgt mit der von ihm rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung unter Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens seinen Klageantrag weiter.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten bitten um</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Zurückweisung der Berufung.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Auch sie wiederholen und ergänzen ihren früheren Vortrag.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat keinen Anspruch auf vollen Ersatz seines Schadens, weil ihn ein Mitverschulden am Unfall trifft, das zu einer Eigenhaftung in Höhe von 20 % führt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte zu 1) hat zwar die Vorfahrt verletzt. ihn trifft das überwiegende Verschulden an dem Unfall. Der Vertrauensschutz für den Vorfahrtsberechtigten gilt jedoch nicht ausnahmslos. Der Vorfahrtsberechtigte darf sich dann nicht auf die Beachtung seiner Vorfahrt verlassen, wenn konkrete Umstände Anlass zu der Befürchtung geben, ein anderer Verkehrsteilnehmer werde die Vorfahrt verletzen. Solche Umstände können nicht nur in dem erkannten oder erkennbaren Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers, sondern auch in den örtlichen Verhältnissen einer Einmündung liegen (OLG Celle, Urteil vom 30. Januar 1975 DAR 1975, S. 273 mit weiteren Nachweisen). Die Voraussetzungen für die Anwendung dieses auch von der Kammer vertretenen Rechtssatzes sind vorliegend schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers gegeben, der aus einer Stichstraße des Schmalen Weges, die lediglich die Zufahrt zu den Häusern Nr. 31 bis 35 bildet, in die dem Durchgangsverkehr dienende Hauptfahrbahn des Schmalen Weges einbiegen wollte. Diese sogenannte T-Einmündung war – wie der Kläger selbst ausführt – unübersichtlich, d. h. auch für den herannahenden Beklagten zu 1) nicht voll einsehbar. Umso weniger konnte dem Kläger sich auf die Beachtung seines Vorfahrtsrechts durch den Beklagten zu 1) verlassen. Bei seiner eigenen Ortskenntnis als Bewohner des Schmalen Weges hätte er mit der Verkennung der Situation durch den wartepflichtigen Beklagten zu 1) rechnen müssen und können. Die in sich widersprüchliche Unfalldarstellung des Klägers lässt auch nicht den Schluss zu, dass er mit der erforderlichen Vorsicht in den Einmündungsbereich eingefahren ist. Denn es gibt weder einen Anhalt dafür, dass der Beklagte zu 1) sich mit überhöhter Geschwindigkeit dem Kreuzungsbereich näherte, noch für die Behauptung des Klägers, er habe abgebremst und sich in den Kreuzungsbereich hineingetastet. Der Behauptung der Beklagten, er sei <u>ohne</u> anzuhalten in den Einmündungsbereich eingefahren, ist er nicht ausdrücklich entgegengetreten, und er hat auch keinen entsprechenden Beweis angetreten, wie es ihm gemäß § 7 Abs. 2 StVG oblegen hätte. Unter diesen Umständen ist die Abwägung des Amtsrichters durchaus berechtigt. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.</p>
|
316,010 | lg-dusseldorf-1979-01-25-9-o-60578 | {
"id": 808,
"name": "Landgericht Düsseldorf",
"slug": "lg-dusseldorf",
"city": 413,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 9 O 605/78 | 1979-01-25T00:00:00 | 2019-03-13T15:20:32 | 2019-03-27T09:41:39 | Urteil | ECLI:DE:LGD:1979:0125.9O605.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt .</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 950,— DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte ist seit 27. Juni 1975 Steuerbevollmächtigter und betreibt seit 30. Juni 1975 die von seinem Vater X
übernommene Praxis im eigenen Namen, nachdem er bis zu diesem Zeitpunkt dessen Angestellter war. Der Vater des
Beklagten stand zum Kläger bereits seit den Jahren 1965/66 in einem Mandatsverhältnis, wobei sich der ihm erteilte
Auftrag mindestens auf die Erstellung der jeweiligen jährlichen Umsatz-, Gewerbe- und Einkommenssteuererklärungen
erstreckte und im übrigen zwischen den Parteien weitgehend streitig ist. Die übernommenen Aufgaben wurden im
Laufe der Zeit weitgehend dem Steuergehilfen X übertragen, der auch die den Kläger betreffenden
Jahressteuererklärungen für die Jahre 1972 und 1973 am 12. November 1975 erstellte.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Im Rahmen einer Betriebsprüfung des Gewerbebetriebs des Klägers im Jahre 1977, die die Jahre 1972 - 1975
erfasste, wurde festgestellt, dass für die Jahre 1972 und 1973 keine ordnungsgemäße Buchführung
vorhanden war. Im Prüfungsbericht vom 14. Juni 1977 wird unter der Rubrik "Aufzeichnungen, Buchführung"
ausgeführt, dass der Gewinn bis 1973 durch Einnahme - Überschuss-Rechnung ermittelt worden sei, entsprechende
Aufzeichnungen jedoch lediglich über die Betriebsausgaben vorhanden seien, während die Einnahmen auf
Schätzungen beruhten. Der Prüfungsbericht enthält im übrigen die Feststellung, dass an der am 4. April
1977 stattgefundenen Schlussbesprechung der Beklagte sowie sein jetziger Steuerberater X teilgenommen haben, sowie als
Ergebnis den Vermerk: "Es wurde Übereinstimmung erzielt".</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit der bei Gericht am 31. Oktober 1978 eingereichten und dem Beklagten am 15. November 1978 zugestellten Klage nimmt
der Kläger den Beklagten auf Schadensersatz wegen Verletzung des Steuerberatervertrages in Anspruch, wobei er
folgendes vorträgt:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die lediglich kalkulatorische Berechnung der Betriebseinnahmen der Jahre 1972 und 1973 durch den Gehilfen des Beklagten
stelle eine gravierende Verletzung der steuerlichen Aufzeichnungspflicht dar. Aufgrund des bestehenden
Vertragsverhältnisses sei der Beklagte verpflichtet gewesen, den Kläger auf die ihm bis dahin nicht bekannte
Notwendigkeit der gesetzlich verlangten Grundaufzeichnungen hinzuweisen, bzw. ihm bei deren Erstellung Hilfe zu leisten.
Mangels eines entsprechenden Nachweises durch ordnungsgemäße tägliche Aufzeichnungen seien die in den von
dem Steuergehilfen X erstellten Steuererklärungen der Jahre 1972 und 1973 niedergelegte Angaben über die
Betriebseinnahmen vom Finanzamt angezweifelt worden. Im Rahmen der Betriebsprüfung seien die Betriebseinnahmen durch
eine sich im Rahmen der untersten Grenzen der amtlichen Richtsätze für die Gewerbeart des Klägers bewegende
Richtschätzung für das Kalenderjahr 1972 um 17.000,- DM und für 1973 um 16.500,- DM erhöht worden. Aus
diesen Zuschätzungen resultierten erhebliche Steuernachforderungen. Außerdem habe das Finanzamt
Verspätungszuschläge erhoben, weil die Steuererklärungen für 1972 und 1973 erst im Jahre 1975 beim
Finanzamt eingereicht worden seien. Die mit der Klage zunächst nur geltend gemachte Steuernachzahlung für das
Jahr 1973 setze sich wie folgt zusammen:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Umsatzsteuererhöhung DM 907,-</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Gewerbesteuererhöhung DM 1.980,-</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Einkommenssteuererhöhung <u>DM 5.353,-</u></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">DM 8.239,-</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer DM 570,-</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Verspätungszuschläge für Einkommens-</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Steuer <u>DM 13,-</u></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">vermeidbare Mehrbelastung DM 8.822,-</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Bei einer ordnungsgemäßen Beratung durch den Beklagten und fristgerechter Einreichung der
Steuererklärungen wäre diese Mehrbelastung nicht entstanden.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">den Beklagten zu verurteilen, an ihn 8.822,— DM nebst 4 % Zinsen seit dem Tage der Klagezustellung zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Er beruft sich auf die Verjährung der Klageforderung und macht im übrigen geltend, dass der vom Kläger
erhobene Anspruch diesem allenfalls gegenüber seinem Vater zustehe, er als Praxisnachfolger für dessen
Verbindlichkeiten indessen nicht einzustehen habe. Dazu trägt er vor: Sein Vater habe das vom Kläger erteilte
Mandat, das keinesfalls eine steuerliche Betreuung des Klägers insgesamt, sondern lediglich die Erstellung der
Jahressteuererklärungen betroffen habe, bereits im Jahre 1973 nach Abgabe der Steuererklärung für das Jahr
1971 niedergelegt. Der Grund dafür sei darin zu sehen, dass es der Kläger trotz zahlreicher Hinweise immer wieder
unterlassen habe, die erforderlichen Belege hereinzugeben. Erst im Jahre 1975 sei der Kläger erneut im Büro
seines Vaters erschienen und habe darum gebeten gegen die Steuerschätzungen für die Jahre 1972/73 etwas zu
unternehmen. Er sei von Herrn X darauf hingewiesen worden, dass ein erfolgversprechender Einspruch nur mit Belegen
möglich sei. Entsprechend seinen alten Gewohnheiten habe der Kläger das Versprechen, solche nachzureichen
jedoch nicht erfüllt, so dass die Jahressteuererklärungen für die Jahre 1972 und 1973 - und zwar in der
Form des Einspruchs - zur Fristwahrung wie in den früheren Jahren zum großen Teil ohne Belege hätten
erstellt werden müssen. Diese Steuererklärungen seien zwar zu einer Zeit erstellt worden, zu der er - der
Beklagte - die Praxis seines Vaters bereits in eigener Verantwortung übernommen habe. Gleichwohl treffe ihn keine
Pflichtverletzung, die für den vom Kläger geltend gemachten Schaden habe ursächlich werden können.
Denn falls tatsächlich aus dem Mandatsverhältnis mit dem Kläger eine Pflicht zur Aufklärung über
die erforderlichen Mindestaufzeichnungen bestanden habe, dann sei diese bereit: verletzt worden, als die Praxis noch
alleinverantwortlich von seinem Vater geführt worden sei. Eine Haftung für die geltend gemachten
Verspätungszuschläge sei überdies deshalb nicht gegeben, weil der Kläger sich um die Erstellung der
Jahressteuererklärungen erst bemüht habe, nachdem seine Steuerschuld zuvor vom Finanzamt geschätzt worden
sei. Die Steuernachzahlungen als solche aber könne der Kläger bereits deshalb nicht ersetzt verlangen, weil er
sich ausweislich des Prüfungsberichts, ebenso wie sein jetziger Steuerberater, mit der Zuschätzung einverstanden
erklärt habe, was nichts anderes bedeute , als das die Erhöhung der Betriebseinnahmen zu Recht erfolgt sei.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Wegen des Parteivorbringens im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze, den dem Beklagten nachgelassenen Schriftsatz vom 4. Januar 1979 sowie den Inhalt der überreichten
Urkunden Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten ein Schadenser-satzanspruch aus der Verletzung vertraglicher
Nebenpflichten (Aufklärungs- bzw. Beratungspflichten) eines zwischen den Parteien bestehenden Steuerberatervertrages
bereits nach seinem eigenen Vorbringen nicht zu. Dabei mag es dahingestellt bleiben, ob ein derartiger Anspruch nicht
ohnehin gemäß § 68 Steuerberatungsgesetz bzw. § 638 Abs. 1 BGB verjährt wäre. Die
Begründetheit des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs scheitert u.a. nämlich bereits an der fehlenden
Ursächlichkeit der dem Beklagten vorgeworfenen Pflichtverletzung für den dem Kläger angeblich erwachsenen
Schaden, während eine möglicherweise tatsächliche ursächliche Pflichtverletzung seines Vaters dem
Beklagten nicht zuzurechnen ist.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Wenn der Kläger dem Beklagten vorwirft, dieser bzw. sein Steuergehilfe X habe ihn bei der Erstellung der
Jahressteuererklärungen für die Jahre 1972 und 1973 darüber Unklaren gelassen, dass für eine
ordnungsgemäße Feststellung der Steuerpflicht die Vorlage gewisser Grundaufzeichnungen erforderlich sei, so
muss er sich entgegenhalten lassen, dass ihn eine solche Aufklärung im Jahre 1975 ohnehin nicht mehr vor der
Schätzung durch die Finanzbehörde hätte bewahren können. Denn die nach dem Vorbringen des Klägers
fehlenden täglichen Aufzeichnungen über Warenein- und -abgänge bzw. Betriebseinnahmen ließen sich im
Jahre 1975 für den hier alleine interessierenden Besteuerungszeitraum 1973 nicht mehr nachholen. Eine
haftungsbegründete Pflichtverletzung könnte insoweit allenfalls den Vater des Beklagten getroffen haben, falls
dieser - entgegen der Behauptung des Beklagten – es in den Jahren vor 1972 bzw. 197 3 unterlassen haben sollte, den
Kläger im Rahmen des damals unstreitig bereits bestehenden Mandatsverhältnisses in entsprechender Weise
aufzuklären. Für eine solchermaßen begründete Verbindlichkeit hätte der Beklagte allerdings
nicht einzustehen. Denn eine Haftung des Beklagten nach § 25 HGB für die in der Praxis seines Vaters entstandenen
Verbindlichkeiten scheitert bereits daran, dass es sich bei der Tätigkeit eines Steuerberaters nicht um ein
Handelsgewerbe im Sinne dieser Vorschrift handelt.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Liegen somit nicht einmal die eine Haftung des Beklagten überhaupt begründenden Merkmale vor, so fehlt es
im übrigen auch an einem ersatzfähigen Schaden des Klägers, Ein solcher Schaden wäre nur dann entstanden,
wenn der Kläger die bei der Betriebsprüfung zu seinen Lasten geschätzten Betriebseinnahmen in Wirklichkeit
nicht erzielt hätte und somit eine Steuerpflicht in dem durch die Zuschätzungen bedingten Umfange nicht
bestanden hätte. Anhaltspunkte, die einen solchen Schluss nahe legen könnten, sind jedoch in keiner Weise
ersichtlich. Der Kläger hat schließlich selbst vorgetragen, dass die vom Finanzamt vorgenommene Schätzung
sich an der untersten Grenze der amtlichen Richtsätze für die Gewerbeart "Obst- und Gemüsehandel"
orientiert habe. Damit ist aber gerade keine Wahrscheinlichkeit dafür begründet, dass die vorgenommene
Schätzung zu hoch ausgefallen sein könnte.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Gegen eine solche Annahme spricht im übrigen auch eindeutig die Tatsache, dass der Kläger - worauf der Beklagte
mit Recht hinweist - sich ausweislich des Prüfberichts vom 14. Juni 1977 im Beisein seines jetzigen
Steuerbevollmächtigten X selbst mit der Zuschätzung einverstanden erklärt hat. Anders kann nämlich der
in Ziffer 5 dieses Berichts niedergelegte Prüfervermerk, wonach bei der Schlussbesprechung vom 4. April 1977
Übereinstimmung erzielt worden sei, nicht gedeutet werden Diese Einverständniserklärung hätte der
Kläger wohl kaum abgegeben, wenn er der Ansicht gewesen wäre, die vorgenommenen Schätzungen liefen seinen
Interessen zuwider. Auch hätte erwartet werden können, dass in diesem Fall der Steuerberater X Einwände
erhoben hätte. Schließlich hat der Kläger die aufgrund der Schätzungen ergangenen Steuerbescheide auch
rechtskräftig werden lassen, was ein weiteres Indiz für deren inhaltliche Richtigkeit darstellt. Angesichts
dieses Sachverhalts hätte es am Kläger gelegen, in substantiierter Weise vorzutragen, warum die vom Finanzamt
vorgenommene Schätzung gleichwohl zu einer überhöhten Besteuerung geführt habe.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann auch keinen Erfolg haben, soweit er den Beklagten auf Erstattung der angeblich gegen ihn
festgesetzten Verspätungszuschläge in Anspruch nimmt. Denn da er, wie mittlerweile zwischen den Parteien
unstreitig ist, den Beklagten erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1975 mit der Abgabe der Steuererklärung
für die Jahre 1972 und 1973 beauftragt hat kann er eventuelle Verspätungszuschläge nicht dem Beklagten
anlasten. Dass der Beklagte bzw. seine Mitarbeiter die Bearbeitung der Jahressteuererklärungen als solche
verzögerlich behandelt hätten, hat der Kläger selbst nicht vorgetragen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Klage war somit in vollem Umfange abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Ziffer 11, 711 Satz 1 ZPO.</p>
|
316,011 | olgham-1979-01-04-6-ss-owi-247878 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 6 Ss OWi 2478/78 | 1979-01-04T00:00:00 | 2019-03-13T15:20:33 | 2019-03-27T09:41:39 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1979:0104.6SS.OWI2478.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.</p>
<p>Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Soest zurückverwiesen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Durch das angefochtene Urteil sind gegen den Betroffenen wegen Zuwiderhandlungen gegen §§ 80 Abs. 1, 101 Abs. 1 Nr. 3 BauO NW in zwei Fällen Geldbußen in Höhe von 2.750,- DM und 1.000,- DM verhängt worden.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Betroffene ist Inhaber einer Schreinerei. Er baute im Jahre 1973 seinen Betrieb um. Hierfür holte er eine Genehmigung ein, in der ausdrücklich vermerkt war, daß Abweichungen von der Baugenehmigung ihrerseits einer Genehmigung bedürfen. Trotzdem baute der Betroffene - wie am 1. Dezember 1976 festgestellt wurde - die Halle, die als Lagerhalle genehmigt war, durch Grundrißänderungen zu einer 110 qm großen Werkshalle um.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Ferner errichtete der Betroffene an der östlichen Grundstücksgrenze zum Flurstück ... hin ohne Genehmigung einen Holzschuppen und Überdachungen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Weiterhin hat der Betroffene mehr als drei Jahre vor der Einleitung des hier anhängigen Bußgeldverfahrens einen befestigten Holzlagerplatz in Beton errichtet.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Betroffene wußte nicht, daß er zu den genannten Maßnahmen eine Baugenehmigung bedurfte. Teilweise sah er sich zu den Grundrißänderungen bei der Halle infolge statischer Schwierigkeiten gezwungen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Betroffene hat sich darüber hinaus dahin eingelassen, daß die Grundrißänderungen unerheblich seien, im übrigen brauche er für seinen Betrieb überdachte Lagerflächen, um Holz zu lagern und zu trocknen; auch seien diese Schuppen derart leicht gebaut, daß er nicht geglaubt habe, eine Baugenehmigung hierfür einholen zu müssen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat aufgrund der getroffenen Feststellungen angenommen, daß der Betroffene zweimal vorsätzlich gegen die Bauordnung des Landes Nordrhein-Westfalen verstoßen hat, und insoweit ausgeführt, daß "sowohl die Nutzungsänderung mit den Grundrißänderungen, als auch der Anbau der Holzschuppen mit Überdachungen" nach § 80 Abs. 1 BauO NW genehmigungspflichtig und im Sinne von § 101 Abs. 1 Nr. 3 BauO NW ordnungswidrig gewesen sei. Der Irrtum des Betroffenen, keine Baugenehmigung zu bedürfen, stelle einen vermeidbaren Verbotsirrtum dar und beseitige die Vorsätzlichkeit seines Tuns nicht.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Soweit dem Betroffenen im Bußgeldbescheid vorgeworfen worden ist, einen befestigten Holzlagerplatz in Beton errichtet zu haben, hat das Amtsgericht diese Ordnungswidrigkeit als verjährt angesehen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die mit näheren Ausführungen auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen den Schuldspruch nicht, sind unvollständig und lassen deshalb eine rechtliche Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht in der gebotenen Weise zu.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Das Urteil läßt zunächst nicht erkennen, wann der Betroffene die ihm noch zur Last gelegten Zuwiderhandlungen gegen die Bauordnung NW begangen hat. Es sind Feststellungen weder dazu getroffen worden, wann der Betroffene den Umbau der Lagerhalle vorgenommen hat, noch dazu, wann er den Holzschuppen und die Überdachungen errichtet hat. In beiden Fällen ist daher weder zu beurteilen, ob bezüglich dieser Zuwiderhandlungen nicht bereits die Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs. 2 Ziff. 1 OWiG eingetreten ist, noch kann abschließend gewürdigt werden, ob diese beiden Zuwiderhandlungen zueinander in Tatmehrheit oder in einem Fortsetzungszusammenhang stehen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus enthält das angefochtene Urteil auch keinerlei nähere Feststellungen, in welcher Weise die Lagerhalle zu einer Werkhalle umgebaut worden ist. Hierzu hätte es einmal der Angabe bedurft, ob und inwieweit bereits bei der ursprünglichen Bauausführung von der erteilten Baugenehmigung abgewichen worden ist, oder aber, ob der Bau zunächst einmal entsprechend der Baugenehmigung erstellt worden ist und es erst später zu nicht genehmigten Änderungen gekommen ist. Zum anderen hätte auch dargetan werden müssen, worin im einzelnen die baulichen Änderungen bzw. Abweichungen von der erteilten Baugenehmigung gelegen haben. Abgesehen davon, daß auch nur so das Ausmaß des Schuldvorwurfs als Grundlage für die Bußgeldbemessung erkennbar wird, sind diese Feststellungen im vorliegenden Fall schon deshalb unerläßlich, um hinreichend sicher beurteilen zu können, ob im Sinne von § 80 Abs. 1 BauO NW tatsächlich eine Änderung baulicher Anlagen oder nur eine Nutzungsänderung hinsichtlich der Halle vom Betroffenen vorgenommen worden ist. Auf diese Unterscheidung kommt es schon deshalb wesentlich an, weil eine bloße Nutzungsänderung zwar gemäß § 80 Abs. 1 BauO NW genehmigungspflichtig, ein Verstoß hiergegen jedoch nicht bußgeldbewehrt ist. § 101 Abs. 1 Ziff. 3 BauO NW bedroht zwar die Errichtung, Änderung und den Abbruch baulicher Maßnahmen, nicht aber die bloße Nutzungsänderung mit einem Bußgeld. Sofern also hinsichtlich der Lagerhalle nur eine Nutzungsänderung vorgenommen worden sein sollte, müßte der Betroffene daher diesbezüglich freigesprochen werden (vgl. Senatsbeschluß vom 13. Juni 1978 - 6 Ss OWi 646/78 - sowie die Beschlüsse des OLG Hamm vom 29.8.1978 - 3 Ss OWi 815/78 u. 3 Ss OWi 417/78).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Es ist nicht auszuschließen, daß das Amtsgericht das verkannt hat, zumal in dem angefochtenen Urteil mehrfach von einer "Nutzungsänderung" die Rede ist.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Das angefochtene Urteil konnte somit keinen Bestand haben.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Für die neue Hauptverhandlung wird auf folgendes hingewiesen:</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Soweit eine Verurteilung wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung nicht erfolgen kann - bezüglich des Vorwurfs, daß der Betroffene einen befestigten Lagerplatz in Beton errichtet hat, ist das bereits rechtskräftig festgestellt - ist insoweit gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, § 260 Abs. 3 StPO die Einstellung des Verfahrens im Urteil auszusprechen und auch im Urteilstenor kenntlich zu machen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Bei einer erneuten Verurteilung des Betroffenen wird das Amtsgericht bei der Bußgeldzumessung ferner zu beachten haben, daß nach Ziff. 2 der Vorbemerkung des Bußgeldkatalogs des Regierungspräsidenten in ... auf dessen Regelsätzen der Betrag von 25,- DM Buße je qm überbauter Fläche offensichtlich beruht, bei geminderter Schuld (z.B. leicht fahrlässigem Verbotsirrtum) der festzusetzende Betrag angemessen - in der Regel um 1/4 - vermindert werden soll. Im übrigen wird das Amtsgericht darüber hinaus zu erwägen haben, inwieweit es sich bei der Bemessung der zu verhängenden Geldbuße überhaupt nach den im vorgenannten Bußgeldkatalog enthaltenen Regelsätzen richten soll. Die Orientierung an einem solchen Bußgeldkatalog dient zwar grundsätzlich einer gerechten Entscheidung, damit ähnlich gelagerte Sachverhalte zumindest innerhalb eines Regierungsbezirks möglichst gleichmäßig behandelt werden können. Regelmäßig ist die Flächengröße der baulichen Maßnahme auch ein wesentliches Kriterium für die Bemessung der Geldbuße. Andererseits können dabei in geeigneten Fällen aber auch andere Umstände - im vorliegenden Fall könnte dies hinsichtlich der Umgestaltung der Lagerhalle insbesondere das Ausmaß der Abweichungen von der Baugenehmigung sein - von maßgeblicher Bedeutung für die Bußgeldzumessung sein und müssen dann Berücksichtigung finden. Dieses hat das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil zwar bezüglich der Errichtung des Holzschuppens mit den Überdachungen, nicht aber auch hinsichtlich der Umgestaltung der Lagerhalle hinreichend bedacht.</p>
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316,012 | olgham-1978-12-06-20-u-12578 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 125/78 | 1978-12-06T00:00:00 | 2019-03-13T15:20:39 | 2019-03-27T09:41:39 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1978:1206.20U125.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Beklagten wird das am 7. März 1978 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert.</p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin verlangt mit der Klage die Erstattung von Schadensersatzleistungen, die sie als Kfz.-Haftpflichtversicherer der Beklagten an einen Dritten erbracht hat.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragte unter dem 17. August 1976 bei der Klägerin den Abschluß einer Haftpflichtversicherung für ihren PKW. Bei der Entgegennahme des Antrages erteilte die Klägerin der Beklagten eine vorläufige Deckungszusage i.S.d. §1 II AKB. Am 6. September 1976 verschuldete die Beklagte mit ihrem PKW einen Verkehrsunfall. Der dabei dem Unfallgegner entstandene Schaden von insgesamt 7.177,75 DM wurde von der Klägerin ersetzt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat vorgetragen: Die vorläufige Deckung sei rückwirkend außer Kraft getreten. Sie habe den Antrag der Beklagten unverändert angenommen und ihr unter dem 21. Oktober 1976 einen entsprechenden Versicherungsschein zugesandt. Der Versicherungsschein sei der Beklagten auch zugegangen, denn diese habe ihre Prozeßbevollmächtigten brieflich dahin informiert, daß sie die Prämienrechnung erhalten und an ihren geschiedenen Ehemann weitergeleitet habe. Dieser Brief sei dem Zeugen ... der für sie - die Klägerin - Ermittlungen angestellt habe - von den Prozeßbevollmächtigten vorgelesen worden. Die Beklagte habe - unstreitig - keinerlei Zahlungen erbracht.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat für Mahnkosten 16,15 DM geltend gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Sie hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.193,90 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 4. März 1977 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe von der Klägerin weder den Versicherungsschein noch eine Zahlungsaufforderung erhalten.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 7. März 1978 verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">In seinem am 7. März 1978 verkündeten Urteil, auf das ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte unter Abweisung, der Klage im übrigen verurteilt, an die Klägerin 7.177,75 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 4. März 1977 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Diese führt unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen aus: In dem Schreiben an ihre Prozeßbevollmächtigten habe sie lediglich eingeräumt, "später" eine Prämienrechnung erhalten zu haben. Daraus ergebe sich aber nicht, daß sie auch einen Versicherungsschein erhalten habe. Im übrigen habe es die Klägerin aber auch unterlassen, sie über die Folgen einer nicht fristgerechten Prämienzahlung zu belehren.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin führt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens aus: Aus dem Zugang der Prämienrechnung ergebe sich, daß der Beklagten auch der Versicherungsschein nebst einer ordnungsgemäßen Belehrung zugegangen sei. Sie verwende nämlich einen Drucksatz, der aus dem Versicherungsschein, der Prämienrechnung und dem Begleitbrief bestehe. Es sei daher ausgeschlossen, daß die Prämienrechnung allein zur Versendung gelange. In dem Begleitbrief sei der Hinweis enthalten: "Eine etwa erteilte Deckungszusage tritt (bei Kraftverkehrsversicherungen rückwirkend) außer Kraft, wenn das Dokument nicht unverzüglich eingelöst wird." Ergänzend heiße es dazu auf der Rückseite des Versicherungsscheins: "Eine etwa erteilte vorläufige Deckung erlischt rückwirkend, falls der Einlösungsbetrag nicht unverzüglich, d.h. innerhalb von 14 Tagen, nach Aufforderung gezahlt wird, auch wenn der Versicherung fall bereits eingetreten ist."</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Darauf entgegnet die Beklagte: Sie habe sich am 25. Oktober 1976 von ihrem Ehemann getrennt. Danach habe sie die gesamte von der Klägerin eingehende Post ungeöffnet an ihren Ehemann weitergeleitet. Dieser sei unter ihrem - der Beklagten - Namen für die Klägerin als Vertreter tätig gewesen. Er habe für die Begleichung der Prämie Sorge tragen wollen. Unter der eingehenden Post habe sich aber weder ein Versicherungsschein noch eine Prämienrechnung befunden. In dem Brief an ihre Prozeßbevollmächtigten habe sie sich mißverständlich ausgedrückt; sie habe lediglich sagen wollen, daß sie die Prämienrechnung, falls diese bei der Post gewesen sei, an ihren Ehemann weitergegeben habe. Außerdem sei die von der Klägerin erteilte Belehrung über die Folgen einer nicht fristgerechten Prämienzahlung nicht ordnungsgemäß.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Partien Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung der Beklagten ist sachlich gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der dem Unfallgegner der Beklagten gezahlten Entschädigung. Die Klägerin ist nämlich verpflichtet, der Beklagten für den Unfall, der sich am 6. September 1976 ereignet hat, Versicherungsschutz zu gewähren. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der unstreitig vor dem Unfall erteilten vorläufigen Deckungszusage, die entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht, nicht rückwirkend erloschen ist.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die vorläufige Deckung tritt dann rückwirkend außer Kraft, wenn der Antrag auf Abschluß eines Versicherungsvertrages unverändert angenommen, der Versicherungsschein aber nicht spätestens innerhalb von vierzehn Tagen eingelöst wird und der Versicherungsnehmer die Verspätung zu vertreten hat (§1 II AKB). Da der Versicherungsschein durch die Zahlung der Erstprämie, deren Höhe dem Versicherungsnehmer erst durch die Prämienrechnung bekannt gegeben wird, eingelöst wird, kann der Versicherungsnehmer vor Zugang der Prämienrechnung nicht in Verzug kommen. Daraus folgt, daß die vierzehntägige Frist zur Zahlung der Erstprämie zwecks Einlösung des Versicherungsscheins erst mit dem Zugang einer Zahlungsaufforderung beginnen kann (BGH NJW 1967, 1800). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die Frist zur Zahlung nicht wirksam in Gang gesetzt, so daß von einer nicht fristgerechten Einlösung des Versicherungsscheins schon aus diesem Grunde keine Rede sein kann. Es fehlt eine wirksame Zahlungsaufforderung, und zwar auch dann, wenn der Beklagen entsprechend dem Vortrag der Klägerin der Versicherungsschein die Prämienrechnung und das Begleitschreiben zugegangen sein sollten. Die in der Zusendung dieser Schriftstücke liegende Zahlungsaufforderung genügt nämlich inhaltlich nicht den an sie zu stellenden Anforderungen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Versicherer muß bei der vorläufigen Deckungszusage den Versicherungsnehmer mit der Zahlungsaufforderung darüber belehren, daß der gewährte Versicherungsschutz rückwirkend wegfällt, wenn die Prämienrechnung nicht binnen vierzehn Tagen bezahlt wird. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des §39 VVG, dem über sein Anwendungsgebiet hinaus der allgemeine Rechtsgrundsatz zu entnehmen ist, daß eine notwendige Zahlungsaufforderung auf die Rechtsfolgen hinweisen muß, die eintreten, wenn die verlangte Zahlung nicht innerhalb der in Lauf gesetzten Frist geleistet wird (BGH NJW 1967, 1800). Die mit der Zahlungsaufforderung erteilte Belehrung muß, wie zu §39 VVG anerkannt, ist (BGH NJW 1967, 1229), richtig, eindeutig und vollständig sein. Der Versicherungsnehmer darf über die wirkliche Rechtslage und die weitreichenden Folgen seiner Säumnis nicht im Unklaren gelassen werden; er darf nicht durch unvollständige oder mißverständliche Hinweise von einem der wirklichen Sach- und Rechtslage entsprechenden Entschlüsse abgehalten werden (BGH a.a.O.; RGZ 93, 80).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Diesen strengen Anforderungen entspricht die Zahlungsaufforderung nicht, die die Klägerin der Beklagten übersandt haben will. Die in dem Begleitschreiben enthaltene Belehrung war falsch; gemäß §1 II AKB in der seit dem 1. Januar 1971 geltenden Fassung ist der Versicherungsschein nicht unverzüglich, sondern innerhalb einer Frist von vierzehn Tagen einzulösen. Die fehlerhafte Belehrung war geeignet, die Beklagte von einem sachgerechten Entschluß abzuhalten. Es bestand die Gefahr, daß die Beklagte nach Ablauf der Frist zur unverzüglichen Zahlung, die allenfalls eine Woche betrug (vgl. Prölss, 16. Aufl., §1 AKB Anm. 2), die Prämie deshalb nicht zahlte, weil sie die Deckungszusage als bereits erloschen ansah. Durch die Angabe einer zu kurzen Frist geriet die Beklagte in die gleiche Lage, in der sich ein Versicherungsnehmer befindet, der durch eine qualifizierte Mahnung nach §39 VVG in den Glauben versetzt wird, daß eine Zahlung nach Fristablauf nichts mehr nütze. Eine solche Mahnung ist aber unwirksam (RGZ 93, 80; Prölss-Martin, 21. Aufl., §39 Anm. 6). An der Fehlerhaftigkeit der von der Klägerin erteilten Belehrung ändert es nichts, daß auf der Rückseite des Versicherungsscheins darauf hingewiesen wird, die vorläufige Deckung erlösche rückwirkend, falls der Einlösungsbetrag nicht unverzüglich, d.h. innerhalb von 14 Tagen nach Aufforderung gezahlt werde. Dieser Hinweis konnte vom Versicherungsnehmer leicht übersehen werden. Las dieser, weil es zweckmäßig und üblich ist, zunächst das Begleitschreiben, so hatte er im Hinblick auf die klare und eindeutige Belehrung, die Prämie sei unverzüglich zu zahlen, kein Veranlassung, die Anlagen daraufhin zu überprüfen, ob sich darin eine Richtigstellung befand. Der Versicherungsnehmer brauchte und konnte nicht damit rechnen, daß die Klägerin die Fristangabe des Begleitschreibens in einem weiteren Hinweis auf der Rückseite des Versicherungsscheins berichtigte. Unter diesen Umständen ist die Zahlungsaufforderung der Klägerin nicht geeignet, die Beklagte zuverlässig über die Rechtslage zu unterrichten.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Da eine ausreichende Belehrung die Voraussetzung einer wirksamen Zahlungsaufforderung ist, kommt es nicht darauf an, ob die fehlerhafte Belehrung die Beklagte auch tatsächlich von einer rechtzeitigen Zahlung abgehalten hat. Das schließt nicht aus, daß es dem Versicherungsnehmer ausnahmsweise nach §242 BGB verwehrt sein kann, sich auf die fehlende oder ungenügende Belehrung zu berufen. Für das Vorliegen eines solchen Falles ergeben sich hier aber keine Anhaltspunkte.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf §91 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht erforderlich, da nach dem Ermessen des Senats die Revisionssumme unzweifelhaft nicht erreicht wird. Der Wert der Beschwer beträgt für die Klägerin 7.177,75 DM.</p>
|
316,013 | lg-essen-1978-10-26-6-o-38378 | {
"id": 809,
"name": "Landgericht Essen",
"slug": "lg-essen",
"city": 417,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 6 O 383/78 | 1978-10-26T00:00:00 | 2019-03-13T15:20:48 | 2019-03-27T09:41:38 | Urteil | ECLI:DE:LGE:1978:1026.6O383.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen</p>
<p>auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 1978 </p>
<p>durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht E., </p>
<p>den Richter am Landgericht B.</p>
<p>und den Richter L.</p>
<p>für R e c h t erkannt:</p>
<p></p>
<p></p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Die Klage wird abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 1.550,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks"><b><u>Tatbestand</u></b></p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit der Klage vom 10. August 1978 nimmt der Kläger die Beklaqte aufgrund einer Reisegepäckversicherung in Anspruch, die er mit der Beklagten im Jahre 1977 abgeschlossen hat.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">In der Klageschrift hat der Kläger seinen Anspruch wie folgt begründet:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Am 16. 4. 1977 sei ihm sein gesamtes Reisegepäck aus einem Schließfach im Bahnhof München gestohlen worden. Auf die von ihm erstellte Strafanzeige habe die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls gegen Unbekannt eingestellt (200 U Js 15/78 StA beim Landgericht München I). Die Unterlagen und Quittungen über die Höhe des Schadens bzw die Einstellung des Ermittlungsverfahrens seien der Beklagten übersandt worden. Mit Schreiben vorn 18. 5. 1978 habe die Beklagte die Regulierung zu Unrecht abgelehnt.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Dem Anspruch des Klägers ist die Beklagte mit Schriftsatz vom 11. 9. 1978 entgegengetreten, der dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers im Termin vom 14. 9. 1978 ausgehändigt worden ist. In der Verhandlung vom 14. 9. 1978 ist der Kläger-Vertreter u.a. noch darauf hingewiesen worden, daß der Kläger bei der polizeilichen Anzeige angegeben haben soll, er habe das Schließfach abgeschlossen, während der aufnehmende Beamte vermerkt habe, das Schloß sei wegen Verschmutzung nicht abschließbar gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Mit Schriftsatz vom 23.10.1978, einqegangen bei Gericht am 24.10.1978, hat der Kläger den behaupteten Versicherungsfall unter Beweisantritt im einzelnen dargelegt. Zur</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Begründung dafür, daß auf den Schriftsatz vom 11. 9. 1978 erst kurz vor dem Kammertermin erwidert worden ist, hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers vorgetragen, der Kläger sei erst am 20.10. 1978 aus Süddeutschland zurückgekehrt, wo er sich14 Tage aus Geschäftsgründen aufgehalten gehabt habe. Zum Beweis für diese Geschäftsrejse konnte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nur auf dessen Angaben ihm gegenüber verweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17.000,-- DM nebst 7,5 § Zinsen seit Rechtshängigkeit (28. 8. 1978) zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte bestreitet, daß ein Versicherungsfall vorliege. Es gebe, so behauptet sie, nicht: einmal Anhaltspunkte dafür, daß ein den Versicherungsfall auslösendes Ereignis vorgelegen habe. So sei das Zylinderschloß verschmutzt gewesen und habe sich nicht drehen lassen. Möglicherweise habe sich der Schlüssel abziehen lassen, ohne daß das Fach verschlossen gewesen sei. In diesem Fall habe der Kläger grob fahrlässig gehandelt, so daß für sie, die Beklagte, keine Eintrittspflicht bestehe. Außerdem seien an dem Schloß keinerlei Beschädigungen festgestellt worden. Ein solches Schloß lasse sich aber nicht ohne Gewaltanwendung öffnen (Beweis: Einholung eines Sachverständigengutachtens). </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Außerdem ist die Beklagte der Auffassung, daß der Kläger seinen Schaden nicht substantiiert habe. Der Kläger habe zwar eine Schadensanzeige übersandt, diese schließe aber mit einem Betrag von 19.599,-- DM ab, während mit der Klage nur 17.ooo,-- DM geltend gemacht würden. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselte~ Schriftsätze Bezug qenommen,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><u><b>Entscheidungsgründe</b></u>:</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Klage war abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Kläger als Versicherungsnehmer hat den Nachweis zu führen, daß der Versicherungsfall eingetreten ist (Verlust des Reisegepäcks während der Dauer einer Reise, einschließlich Lagerung bei öffentlichen Transportanstalten). Dieser Nachweis kann dem Versicherungsnehmer durch den sogenannten Beweis des ersten Anscheins erleichtert werden. Das bedeutet: Steht ein Sachverhalt fest, der nach der Lebenserfahrung auf einen bestimmten Geschehensablauf hinweist, so ist dieser regelmäßige Verlauf als im Wege des Anscheinsbeweises als bewiesen anzusehen, wenn der Fall das Gepräge des Üblichen und Tvpischen trägt (vgl. Palandt § 249 Vorbemerkung 8 a und Prölls-Martin, § 49 VVG Bemerkung 3).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">In der Klageschrift vom 10. 8. 1978 hat der Kläger lediglich behauptet, das Reisegepäck sei ihm am 16. 4. 1977 aus einem Schließfach im Bahnhof München gestohlen worden. Unter Bezugnahme auf das Aktenzeichen des Ermittlungsverfahrens hat er weiter dargelegt, daß er Strafanzeige erstattet und daß das Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingestellt worden sei. Einen Beweis für den Eintritt des Versicherungsfalles hat er nicht angeboten.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Ein direktes Beweismittel für den behaupteten Diebstahl steht .ihm - wie der Schriftsatz vom 23. 10. 1978 zeigt - auch nicht zur Verfüqung. Dem Kläger mußte also von Anfang an klar sein, daß er den ihm obliegenden Beweis nur durch den sogenannten Beweis des ersten Anscheins werde führen können, wenn die Beklagte das Vorliegen eines Versicherungsfalles bestreiten würde. Damit war zu rechnen, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 18. 5. 1978 die Regulierung. abgelehnt hatte. Daher konnte es für den Kläger keine Überraschunq bedeuten, als im Termin vom 14. 9. 1978 der Schriftsatz der Gegenseite vom 11. 9. 1278 ausgehändigt wurde.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat darauf erst mit Schriftsatz vom 23.10.1978 erwidert und hierin ein typisches Geschehen im Sinne eines Anscheinsbeweises dargelegt. Dieser Schriftsatz muß jedoch von der Kammer als verspätet zurückgewiesen werden. Unter Zugrundelegung der in § 282 Abs. 1 ZPO niedergelegten Prozeßförderungspflicht hätte der Kläger den jetzigen Vortrag so rechtzeitig vorbrinqen müssen, daß </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">a) der Gegner hierauf hatte erwidern können (§ 282 Abs. 2 ZPO) </p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">b) das Gericht die vom Kläger benannten Zeugen zum Termin hätte laden können. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Das wäre auch geschehen, und zwar unabhängig von einer möglichen Erwiderung des Beklagten. Die Zulassung des jetzigen klägerischen Vorbringens würde den Prozeß verzögern, zumindestens der Termin vom 26.10.1978 wäre dann völlig überflüssig gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Das verspätete Vorbringen des Klägers beruht auch nach Auffassung der Kammer auf grober Nachlässigkeit. Wie bereits dargelegt, mußte dem Kläger von vornherein klar sein, daß er weiteren erheblichen Sachvortrag werde vorbringen müssen, sobald die Beklagte das Vorliegen eines Versicherungsfalles bestreiten würde, Es kann hier dahinstehen, ob der Kläger nicht bereits in seiner Klageschrift gegen das Gebot, vollständig und umfassend vorzutragen, verstoßen hat, jedenfalls hätte er dies umgehend nach Aushändigung des Schriftsatzes vom 11. 9. 1978 nachholen müssen. Die von seinem Prozeßbevollmächtigten abgegebene Erklärung, der Kläger habe sich etwa ab 6. Oktober 1978 in Süddeutschland befunden, vermag ihn nicht zu entlasten, denn nach dem Termin vom 14.9.1978 blieben bis zur Reise nach Süddeutschland noch 3 Wochen Zeit, in denen der Kläger sein Vorbringen hätte ergänzen können. Hätte der Kläger in dieser Zeit seinen Klagevortrag ergänzt, dann hätten die Zeugen noch zum Termin vom 26. 10. 1978 geladen werden können.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Das verspätete Vorbringen des Klägers beruht nach Auffassung des Gerichtes auf einem Verstoß gegen die einfachsten prozessualen Regeln, deren rechtzeitige Erfüllung sich geradezu aufdrängen mußte. Aus diesem Grunde hat die Kammer das Vorbringen des Klägers aus dem Schriftsatz vom 23.10.1978 gemäß §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 1 und 2 ZPO als verspätet zurückgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Dann aber war die Klage abzuweisen, weil der Kläger in seiner Klageschrift keinen Beweis für den von ihm behaupteten Versicherungsfall angetreten hat.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">über die vorläufige Vollstreckbarkejt aus § 7o8, 711 ZPO.</p>
|
316,014 | olgham-1978-10-25-15-w-14478 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 15 W 144/78 | 1978-10-25T00:00:00 | 2019-03-13T15:20:49 | 2019-03-27T09:41:38 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1978:1025.15W144.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I) Den Beteiligten zu 3) und 4) wird wegen Versäumung der Frist für die Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilt.</p>
<p></p>
<p>II) Der angefochtene Beschluß wird abgeändert und wie folgt neu gefaßt:</p>
<p>Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3) und 4) vom 2. Januar 1978 werden unter Zurückweisung dieses Rechtsmittels im übrigen die Beschlüsse des Rechtspflegers des Amtsgerichts Delbrück vom 23. Dezember 1977 aufgehoben, soweit darin gegen den Beteiligten zu 3) ein Zwangsgeld von mehr als 1.000 DM nebst Kosten und gegen die Beteiligte zu 4) ein Zwangsgeld von mehr als 500 DM nebst Kosten festgesetzt worden ist.</p>
<p></p>
<p>Insoweit wird die Sache zur erneuten Behandlung an das Amtsgericht zurückverwiesen.</p>
<p>Die weitergehende sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Gründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I)</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten zu 1) bis 3) sowie der am 19. Februar 1963 geborene Sohn xxx der Beteiligten zu 3) und 4) betreiben unter der eingangs genannten Firma eine Fleisch- und Wurstwarenfabrikation in Form einer Kommanditgesellschaft. Die Gesellschaft hat am 1. November 1959 begonnen. Ihr alleiniger persönlich haftender Gesellschafter war zunächst der Beteiligte zu 3) neben ihm war der minderjährige xxx als einziger Kommanditist an dem Unternehmen beteiligt. Durch notariellen Vertrag vom 7. September 1968 (Urkundenrolle Nr. 1968 des Notars xxx in xxx wurden die Beteiligungsverhältnisse geändert. An Stelle des Beteiligten zu 3), dessen Anteil in eine Kommanditbeteiligung umgewandelt wurde, trat die Beteiligte zu 1) als neue Komplementärin ein. Der Kommanditanteil des Sohnes xxx wurde herabgesetzt. Als weitere Kommanditisten traten die Beteiligte zu 2) sowie Frau XXX aus XXX in die Gesellschaft ein.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte zu 3) und sein Sohn xxx bestritten in der Folgezeit die Gültigkeit des Vertrages vom 7. September 1968. Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Paderborn vom 24. September 1974 (5 0 155/74) wurde auf Antrag der Beteiligten zu 1) festgestellt daß die am 7. September 1968 vereinbarten Änderungen der Beteiligungsverhältnisse wirksam seien; zugleich wurden der Beteiligte zu 3) und verurteilt, die entsprechenden Anmeldungen zum Handelsregister vorzunehmen. Auf Grund dieses Urteils wurden die geänderten Beteiligungsverhältnisse am 29. Juli/30. September 1977 im Handelsregister eingetragen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Inzwischen war Frau xxx mit Wirkung vom 31. Dezember 1970 aus der Gesellschaft ausgeschieden; sie hatte ihren Kommanditanteil auf die Beteiligte zu 2) übertragen. Frau xxx sowie die Beteiligten zu 1) und 2) hatten diesen Wechsel am 21. Dezember 1970 zum Handelsregister angemeldet. Eine Eintragung war nicht erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Am 24. August 1977 meldeten die Beteiligten zu 1) und 2) zur Eintragung im Handelsregister an, daß die Gesellschaft nunmehr die Firma "xxx GmbH & Co KG." führe, und daß Frau xxx unter Übertragung ihres Anteils auf die Beteiligte zu 2) ausgeschieden sei.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Durch Verfügung vom 23. September 1977 hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts die Beteiligten zu 3) und 4) sowie Frau xxx darauf hingewiesen, daß die Firma der Gesellschaft nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes einen auf die Komplementär-GmbH hindeutenden Zusatz erhalten und ferner das Ausscheiden von Frau xxx von allen Gesellschaftern angemeldet werden müsse. Er hat dem Beteiligten zu 3) als Gesellschafter und gesetzlichem Vertreter seines Sohnes xxx sowie der Beteiligten zu 4) als gesetzlicher Vertreterin von xxx aufgegeben, die Firmenänderung, das Ausscheiden von Frau Steins und die Übertragung ihres Anteils auf die Beteiligte zu innerhalb eines Monats zum Handelsregister anzumelden; eine entsprechende Verpflichtung hat er Frau xxx hinsichtlich der Firmenänderung auferlegt. Für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnungen hat er den Verpflichteten ein Zwangsgeld von 500 DM je Person und je Verpflichtung angedroht, sofern sie ihr Unterlassen nicht durch Einspruch rechtfertigten.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Frau xxx hat unter dem 6. Oktober 1977 angemeldet, daß die Gesellschaft nunmehr als "xxx GmbH u. Co KG" firmiere.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten zu 3) und 4) haben weder die verlangten Anmeldungen vorgenommen noch Einspruch eingelegt. Durch Beschlüsse vom 23. Dezember 1977 hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts daraufhin gegen den Beteiligten zu 3) in seiner Eigenschaft als Gesellschafter und als gesetzlicher Vertreter ein "Gesamtzwangsgeld" von 2.000 DM und gegen die Beteiligte zu 4) in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Vertreterin ein solches von 1.000 DM festgesetzt gleichzeitig hat er die Festsetzung eines weiteren Zwangsgeldes von 4.000 DM gegen den Beteiligten zu 3) und von 2.000 DM gegen die Beteiligte zu 4) angedroht.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten zu 3) und 4) haben dagegen sofortige Erinnerung eingelegt und geltend gemacht, die Beteiligte zu 4) sei wegen eines längeren Krankenhausaufenthaltes außerstande gewesen, Erklärungen abzugeben Rechtspfleger und Amtsgericht haben der Erinnerung nicht abgeholfen. Durch Beschluß vom 14. März 1978 hat das Landgericht das nunmehr als sofortige Beschwerde gegen die Beschlüsse des Rechtspflegers geltende Rechtsmittel zurückgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Gegen diese ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 21. März 1978 zugestellte Entscheidung haben die Beteiligten zu 3) und 4) mit Schriftsatz vom 3. April 1978, der am 5. April 1978 bei dem Oberlandesgericht eingegangen ist, sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Nach Hinweis auf die Versäumung der Beschwerdefrist haben sie mit Schriftsatz vom 5. Oktober 1978 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, daß die Rechtsmittelschrift vom 3. April 1978 noch am selben Tag zur Post gegeben worden sei und bei ordnungsmäßiger Beförderung am nächsten Tag, d.h. noch vor Ablauf der Beschwerdefrist, bei dem Oberlandesgericht habe eingehen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">II)</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Das als jeweils selbständige sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) und 4) anzusehende Rechtsmittel ist statthaft, in rechter Form eingelegt und auch sonst zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Zwar haben die Beteiligten zu 3) und 4) die Frist für die Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde versäumt. Nachdem die landgerichtliche Entscheidung ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 21. März 1978 zugestellt worden war, endete die Beschwerdefrist gemäß §§ 139 Abs. 1, 22 Abs. 1, 17 Abs. 1 FGG in Verbindung mit § 187. Abs. 1 BGB mit Ablauf des 4. April 1978. Die erst am 5. April 1978 - mit Zugang bei dem Oberlandesgericht - wirksam gewordene Rechtsmitteleinlegung war verspätet.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Jedoch war den Beteiligten zu 3) und 4) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG ist einem Beschwerdeführer, der ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist für die Einlegung der (ersten oder weiteren) sofortigen Beschwerde einzuhalten, auf seinen Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erteilen, wenn er die Beschwerde innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerdeführer haben den Wiedereinsetzungsantrag innerhalb von zwei Wochen, nachdem der Senat sie auf den verspäteten Eingang der Beschwerdeschrift hingewiesen hatte, und damit rechtzeitig im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG gestellt .Einer erneuten Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde bedurfte es nicht, da sie bereits - wenn auch verspätet - eingelegt war. § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG schließt die Wiedereinsetzung lediglich in denjenigen Fällen aus, in denen das Rechtsmittel <u>erstmals</u> später als zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses eingelegt wird. Die Rechtsmitteleinlegung muß deshalb, wenn sie bisher nicht erfolgt war, innerhalb der genannten Frist <u>nach</u>geholt werden (Keidel/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 10. Aufl., Rdn. 37 zu § 22 FGG). Dagegen wäre es nutzlose Förmelei zu verlangen, daß die Beschwerdeeinlegung <u>wieder</u>holt wird. Insoweit gilt nichts anders als in den Fällen des § 236 Abs. 2 ZPO, wonach die <u>versäumte</u> Prozeßhandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt werden muß. Eine solche Nachholung kommt nicht in Betracht, wenn die Prozeßhandlung - sei es auch verspätet - bereits vorgenommen war (BGH Vers. 1978, 449).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten zu 3) und 4) sowie ihr Verfahrensbevollmächtigter - dessen Verschulden ihrem eigenen gleichzusetzen wäre (§ 22 Abs. 2 Satz 2 EGG) - haben es auch nicht verschuldet, daß die sofortige weitere Beschwerde verspätet eingelegt worden ist. Sie haben glaubhaft gemacht, daß die Rechtsmittelschrift am 3. April 1978 vor 17.00 Uhr bei der Post eingeliefert worden ist. Wie das Hauptpostamt xxx dem Senat auf Anfrage bestätigt hat, hätte der Brief bei normaler Laufzeit am nächsten Tag, d.h. noch rechtzeitig, bei dem Oberlandesgericht eingehen müssen. Daß dies nicht geschehen ist, haben weder die Beschwerdeführer noch ihr Bevollmächtigter zu vertreten. Sie durften die Rechtsmittelfrist bis zum letztmöglichen Tag ausnützen, ohne sich einem Schuldvorwurf auszusetzen (BGHZ 9, 118, 119 = NJW 1953, 824).Der letztmögliche Tag war hier der 3. April 1978; denn die Beteiligten zu 3) und 4) und ihr Verfahrensbevollmächtigter durften darauf vertrauen, daß die an diesem Tag zur Post gegebene Rechtsmittelschrift am nächsten Tag bei dem Oberlandesgericht eingehen würde. Wird eine Rechtsmittelschrift am Tag vor Fristablauf so rechtzeitig zur Post gebracht, daß die Sendung bei normaler Laufzeit am nächsten Tag beim Rechtsmittelgericht hätte eingehen müssen, so kann, wenn das Schrift-Stück gleichwohl verspätet eintrifft, dies dem Rechtsmittelführer und seinem Anwalt nicht als Verschulden zugerechnet werden (BVerfG NJW 1977, 1233; BGH NJW 1978, 1488).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">III) </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">In der Sache hat das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">1.) Soweit es sich um die Verpflichtung der Beteiligten zu 3) und 4) handelt, das Ausscheiden der Kommanditistin xxx aus der Gesellschaft und den Übergang ihres Anteils auf die Beteiligte zu 2) zum Handelsregister anzumelden, ist die sofortige weitere Beschwerde unbegründet; denn der angefochtene Beschluß beruht in dieser Hinsicht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 FGG).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat sich bei seinen Beschlüssen vom 23. Dezember 1977 auf die Vorschriften der §§ 132, 133 EGG gestützt. Nach § 132 FGG hat das Registergericht, sobald es von einem sein Einschreiten u.a. nach § 14 HGB rechtfertigenden Sachverhalt glaubhafte Kenntnis erhält, dem Beteiligten unter Androhung eines Zwangsgeldes aufzugeben, innerhalb einer bestimmten Frist seiner gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen oder die Unterlassung mittels Einspruchs gegen die Verfügung zu rechtfertigen. Wird innerhalb der bestimmten Frist weder der gesetzlichen Verpflichtung genügt noch Einspruch erhoben, so ist nach § 133 Abs. 1 FGG das angedrohte Zwangsgeld festsetzen und zugleich die frühere Verfügung unter Androhung eines erneuten Zwangsgeldes zu wiederholen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat zutreffend angenommen, daß danach die angefochtenen Zwangsgeldfestsetzungen gerechtfertigt sind, soweit es um die genannte Anmeldung des Ausscheidens der Frau xxx und der Übertragung ihres Anteils geht. In diesem Zusammenhang hat das Beschwerdegericht mit Recht nicht geprüft, ob die Beteiligten zu 3) und 4) tatsächlich verpflichtet sind, diese Tatsachen zum Handelsregister anzumelden. Ist das Zwangsgeld nämlich nach Maßgabe des § 133 FGG festgesetzt worden, so kann die Beschwerde nicht darauf gestützt werden, daß die Verfügung, durch welche das Zwangsgeld angedroht worden ist, nicht gerechtfertigt gewesen sei (§ 139 Abs. 2 FGG). Die Frage, ob die vom Registergericht angenommene Verpflichtung besteht, kann deshalb - von einer noch zu erörternden, hier aber nicht in Betracht kommenden Ausnahme abgesehen - nur im Einspruchsverfahren nach §§ 134, 135 FGG geprüft werden. Da die Beteiligten zu 3) und 4) von ihrer Einspruchsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht haben, ist für das vorliegende Verfahren davon auszugehen, daß sie zur Anmeldung der erwähnten Tatsachen (Ausscheiden der Frau xxx und Übertragung ihres Anteils) verpflichtet sind.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Auch im übrigen läßt der angefochtene Beschluß insoweit keinen Rechtsfehler erkennen. Das Amtsgericht hat die Beteiligten zu 3) und 4) vor Festsetzung der Zwangsgelder ordnungsmäßig zur Vornahme der verlangten Anmeldungen aufgefordert, insbesondere unmißverständlich klargestellt, welche Tatsachen hinsichtlich des Anteils von Frau xxx anzumelden seien. Die Frist zur Anmeldung oder zur Einlegung des Einspruchs war ausreichend bemessen. Ferner waren die angedrohten Zwangsgelder zahlenmäßig bestimmt, wie § 132 Abs. 1 FGG es verlangt (Keidel/Winkler, Rdn. 26 zu § 132 FGG).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Einwand der Beteiligten zu 3) und 4), ihnen sei das rechtliche Gehör verweigert worden, geht fehl. Die Verfügung des Rechtspflegers vom 23. September 1977, mit der die Beteiligten zu 3) und 4) unter Zwangsgeldandrohung zur Anmeldung aufgefordert worden sind, ist den Beschwerdeführern am 4. Oktober 1977 zugestellt worden. Die Beteiligten zu 3) und 4) haben daraufhin mit Schriftsatz vom 20. Oktober 1977 um eine Erklärungsfrist von vier Wochen gebeten, die ihnen bewilligt worden ist. Nach Fristablauf hat der Rechtspfleger unter dem 5. Dezember 1977 eine Sachstandsanfrage an den Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführer gerichtet, die unbeantwortet geblieben ist. Zwischen dieser Anfrage und dem Erlaß der angefochtenen Festsetzungsbeschlüsse lagen noch einmal über zwei Wochen, innerhalb derer die Beteiligten zu 3) und 4) hätten Stellung nehmen können. Von einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) kann somit für das Verfahren erster Instanz keine Rede sein.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Ebenso ist den Beteiligten zu 3) und 4) im Beschwerdeverfahren ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden. Nach Eingang der Beschwerdeschrift vom 2. Januar 1978 hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3) und 4) im Abhilfeverfahren zweimal an die Einreichung der angekündigten Beschwerdebegründung erinnert. Erst nachdem auch die zweite Erinnerung unbeantwortet geblieben war, hat der Amtsrichter die Akten unter dem 28. Februar 1978 dem Landgericht vorgelegt, wovon die Beschwerdeführer alsbald unterrichtet worden sind. Das Landgericht hat mit seiner Entscheidung noch bis zum 14. März 1978 gewartet; bis dahin hätten die Beteiligten zu 3) und 4) spätestens Stellung nehmen können.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist das Landgericht mit Recht nicht dem Einwand der Beteiligten zu 4) gefolgt, sie sei wegen einer stationären Krankenhausbehandlung zur Abgabe von Erklärungen nicht in der Lage gewesen. Zwar kann das Registergericht auch nach fruchtlosem Ablauf der Einspruchsfrist Anlaß haben, im Rahmen seiner Abänderungsbefugnis nach § 18 FGG die Aufforderung zur Registeranmeldung aufzuheben oder jedenfalls von der Festsetzung eines Zwangsgeldes abzusehen, wenn es auf Grund veränderter Umstände oder aus anderen Gründen die Überzeugung gewinnt, daß ein Anlaß zum Einschreiten nicht (mehr) besteht (Jansen, FGG, 2. Aufl., Rdn. 57 zu § 132 und Rdn. 11 zu § 133 FGG m. weit. Nachw.; Keidel/Winkler, Rdn. 10 zu § 133 FGG) .Eine solche Maßnahme kann insbesondere geboten sein, wenn sich nachträglich ergibt, daß der Beteiligte der Aufforderung zur Anmeldung aus entschuldbaren Gründen nicht nachgekommen ist und zu erwarten steht, daß er ihr in angemessener Frist Folge leisten wird (KG JW 1936, 2C2).So liegt es hier jedoch nicht. Während für den Beteiligten zu 3) eine Entschuldigung überhaupt nicht vorgebracht worden ist, hat die Beteiligte zu 4) nur eine vorübergehende Verhinderung geltend gemacht. Anhaltspunkte dafür, daß sie die verlangte Anmeldung nicht wenigstens bis zum Erlaß der Beschwerdeentscheidung hätte nachholen können, hat sie jedoch nicht dargetan.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die angefochtenen Zwangsgeldfestsetzungen sind danach gegenüber dem Beteiligten zu 3) in Höhe von 1.000 DM und gegenüber der Beteiligten zu 4) in Höhe von 500 DM gerechtfertigt. Insoweit waren den Beteiligten zu 3) und 4) auch die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (§ 138 FGG).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">2.) Dagegen ist das Rechtsmittel begründet, soweit es sich um das Verlangen nach Vornahme und Anmeldung einer Firmenänderung handelt. Die angefochtene Beschwerdeentscheidung beruht in dieser Hinsicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 FGG), weil die Vorinstanzen die Voraussetzungen eines Zwangsgeldverfahrens nach §§ 132, 133 FGG verkannt haben. Das Registergericht war gesetzlich nicht befugt, in der von ihm vorgesehenen Weise auf eine Firmenänderung hinzuwirken.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Wie bereits ausgeführt, können Einwendungen gegen die der Zwangsgeldfestsetzung zugrundeliegende Verfügung allerdings grundsätzlich nur im Wege des Einspruchs nach §§ 132, 134 f. FGG geltend gemacht werden. Macht der Verpflichtete davon keinen Gebrauch und setzt das Registergericht daraufhin ein Zwangsgeld fest, so kann die gegen die Festsetzung gerichtete Beschwerde nach § 139 Abs. 2 FGG nicht darauf gestützt werden, daß die Verfügung, durch welche das Zwangsgeld angedroht worden ist, nicht gerechtfertigt gewesen sei. Diese Einschränkung der Beschwerdegründe setzt jedoch voraus, daß die vorangegangene Zwangsgeldandrohung gesetzlich zulässig gewesen ist und das Registergericht sich dabei im Rahmen seiner Befugnisse gehalten hat. § 139 Abs. 2 FGG setzt nämlich voraus, daß das Zwangsgeld "nach Maßgabe des § 133 FGG, d.h. in einem Fall festgesetzt worden ist, in dem das Registergericht bei einem sein Einschreiten rechtfertigenden Sachverhalt das Zwangsgeldverfahren eingeleitet hat. Welche Sachverhalte ein solches Einschreiten rechtfertigen können, ergibt sich aus § 132 Abs. 1 FGG. War das Zwangsgeldverfahren danach von vornherein unzulässig, weil einer der in § 132 FGG genannten Fälle nicht vorgelegen hat, und ist das Registergericht somit ohne gesetzliche Ermächtigung eingeschritten, so findet § 139 Abs. 2 FGG keine Anwendung; vielmehr ist die Beschwerde gegen die Festsetzung des Zwangsgeldes unbeschränkt zulässig (KGJ 42, 167; Keidel/Winkler, Rdn. 6 zu § 139 FGG; Jansen, Rdn. 20 zu § 139 FGG).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Für das Verfahren des Registergerichts fehlte im vorliegenden Fall - soweit es um die Firmenänderung geht - eine gesetzliche Grundlage. Es trifft zwar zu, daß die im Handelsregister eingetragene und bisher von der Gesellschaft geführte Firma "xxx KG" nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Nachdem nämlich die xxx Gesellschaft mit beschränkter Haftung als persönlich haftende Gesellschafterin in die Kommanditgesellschaft eingetreten ist, erfordert es der Grundsatz der Firmenklarheit ( § 18 Abs. 2 HGB), einen auf die GmbH hindeutenden Zusatz in die Firma aufzunehmen. Dies entspricht gefestigter Rechtsprechung und gilt auch in dem hier vorliegenden Fall der Firmenfortführung nach § 24 HGB (BGHZ 62, 216, 226 = Rpfleger 1974, 303; BGHZ 65, 103 = NJW 1976, 48 = Rpfleger 1976, 9; BayObLGZ 1978 Nr. 10 = Rpfleger 1978, 219; BayObLG Rpfleger 1978, 322; OLG Köln Rpfleger 1976, 17 = GmbH-Rdsch. 1975, 253; KG Rpfleger 1978, 323 = MDR 1978, 760 = DNotZ 1978, 370; ebenso Baumbach/Duden, HGB, 23. Aufl., Anm. 5 C zu § 161). Die Unzulässigkeit der Firma rechtfertigt es aber noch nicht, nach § 132 FGG gegen die Gesellschafter einzuschreiten.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">§ 14 HGB, der allein als Grundlage für eine Zwangsgeldandrohung nach § 132 Abs. 1 FGG in Betracht kommt, setzt voraus, daß eine Pflicht zur Anmeldung, zur Zeichnung der Unterschrift oder zur Einreichung von Schriftstücken zum Handelsregister besteht. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Insbesondere läßt sich eine Pflicht zur Anmeldung nicht aus § 31 Abs. 1 HGB herleiten, wonach u.a. eine Änderung der Firma zum Handelsregister anzumelden ist. Die Vorschrift setzt voraus, daß eine Firmenänderung erfolgt <u>ist</u>; sie bietet aber - in Verbindung mit § 14 HGB - keine Handhabe, um eine noch vorzunehmende Firmenänderung zu erzwingen. Dies ergibt sich aus der Zweckrichtung des § 14 HGB - nämlich die Übereinstimmung zwischen der <u>wirklichen</u> Sach- und Rechtslage und dem Inhalt des Handelsregisters sicherzustellen - sowie aus § 15 HGB, der von einzutragenden und eingetragenen <u>Tatsachen</u> handelt. Eine erst bevorstehende, aber noch nicht erfolgte Firmenänderung ist keine eintragungsfähige Tatsache. Sie kann somit nicht Gegenstand einer Anmeldung zur Eintragung im Handelsregister sein.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die von dem Rechtspfleger des Amtsgerichts angeordnete Firmenänderung ist bisher nicht erfolgt. Ist die Firma einer Handelsgesellschaft im Gesellschaftsvertrag festgelegt, so bedarf es zu ihrer Änderung einer Änderung des Vertrages (Schlegelberger/Geßler, HGB 4. Aufl., Rdn. 2 zu § 107; Flechtheim in Düringer/Hachenburg, HGB, 3. Aufl., Anm. 2 zu § 107; Westermann in Westermann/Scherpf/Paulick/Bulla/Hackbeil, Handbuch der Personengesellschaften, Rdn. 129 I). Mangels abweichender Bestimmungen der Gesellschaftsvertrag ist dazu die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich, und zwar bei der Kommanditgesellschaft auch die der Kommanditisten; denn sie sind auf Grund ihrer personenrechtlichen Mitgliedschaft grundsätzlich gleichberechtigte Partner des Komplementärs (Westermann a.a.O. Anm. 805 I und 849 I).</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die sich daraus ergebenden Voraussetzungen für eine Firmenänderung sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. In dem bei Eintritt der xxx Gesellschaft mit beschränkter Haftung neugefaßten Gesellschaftsvertrag vom 7. September 1968 ist in § 1 festgelegt, daß die Firma der Kommanditgesellschaft "xxx KG" lautet. Zu einer Änderung dieser Firma durch Aufnahme eines GmbH-Zusatzes bedarf es mithin einer Änderung des Gesellschaftsvertrages. Sie ist nach § 19 a des Vertrages nur mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter möglich und muß schriftlich vereinbart werden. Eine derartige Vertragsänderung liegt nicht vor. Zwar haben die Beteiligten zu 1) und 2) unter dem 24. August 1977 in schriftlicher Form zur Eintragung im Handelsregister angemeldet, daß die Firma der Gesellschaft nunmehr "xxx GmbH & Co KG" laute (wohingegen Frau xxx angemeldet hat, daß die Firma "..." GmbH <u>u.</u> Co KG" laute). Es erscheint aber bedenklich, darin die Zustimmung zu einer entsprechenden Vertragsänderung zu sehen; denn diese Zustimmung muß dem Vertragspartner - d.h. dem Beteiligten zu 3) und dem Kommanditisten xxx - und nicht dem Registergericht gegenüber erklärt werden. Unabhängig davon fehlt es jedenfalls an der notwendigen Zustimmung des Beteiligten zu 3) und seines Sohnes. Sie kann nicht mit den in §§ 14 HGB, 152, 153 FGG vorgesehenen Zwangsmitteln erwirkt werden.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Im übrigen stehen dem vom Registergericht gewählten Verfahren auch praktische Gründe entgegen. Wie der GmbH-Zusatz zu lauten hat, können allein die Gesellschafter bestimmen; das Registergericht kann ihnen insoweit keine Anweisungen erteilen. Wie allein schon die unterschiedlichen Anmeldungen der Beteiligten zu 1) und 2) einerseits ("... GmbH & Co KG") und der früheren Gesellschafterin xxx andererseits ("... GmbH u. Co KG") zeigen, kommen für den Zusatz verschiedene Fassungen in Betracht (so z.B. auch "... Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Co KG"). Das Registergericht ist nicht befugt, eine davon verbindlich vorzuschreiben.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Der angefochtene Beschluß und die zugrundeliegenden Zwangsgeldfestsetzungsbeschlüsse des Amtsgerichts sind danach aufzuheben, soweit sie die Anmeldung einer Firmenänderung betreffen; denn das Verfahren des Registergerichts entbehrt insoweit einer gesetzlichen Grundlage. Da die Entscheidungen beider Vorinstanzen auf dem gleichen Rechtsfehler beruhen und weitere Maßnahmen des Registergerichts in Betracht kommen, ist die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Sachbehandlung sei ergänzend auf folgendes hingewiesen:</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Grundlage für ein Einschreiten des Registergerichts könnten im vorliegenden Fall einerseits § 140 FGG in Verbindung mit § 37 Abs. 1 HGB und andererseits § 142 FGG bilden. Im Gegensatz zu den §§ 14 HGB, 132 FGG, die positiv auf die Anmeldung einer bestimmten zulässigen Firma zielen, bieten die §§ 37 Abs. 1 HGB, 140 FGG die Möglichkeit, den Gebrauch einer unzulässigen Firma zu verhindern. Die Vorschriften gelten auch für Handelsgesellschaften (Keidel/Winkler, Rdn. 1 zu § 140 FGG). Ihrer Anwendung steht es nicht entgegen, daß die unzulässige Firma - wie hier - im Handelsregister eingetragen ist (Keidel/Winkler, Rdn. 6 zu § 140 FGG). Fraglich erscheint allerdings, ob die Kommanditgesellschaft die im Gesellschaftsvertrag festgelegte, durch den Eintritt der Komplementär-GmbH unzulässig gewordene Firma noch im Sinne der §§ 37 Abs. 1 HGB, 140 FGG gebraucht. Bedenken dagegen könnten deshalb bestehen, weil die Beteiligte zu 1), die allein zur Vertretung der Kommanditgesellschaft nach außen berechtigt ist (§§ 125 Abs. 1, 170 HGB), durch die Anmeldung der geänderten Firma ("... GmbH & Co KG") zum Ausdruck gebracht hat, daß sie die im Vertrag festgelegte Firma im Geschäftsverkehr nicht mehr zu führen beabsichtigt. Für die Anwendung der §§ 37 Abs. 1 HGB, 140 FGG wird es deshalb darauf ankommen, ob die Kommanditgesellschaft trotz der Anmeldung vom 24. August 1977 noch von der bisherigen Firma (ohne GmbH-Zusatz) Gebrauch macht.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Als zweckmäßiger könnte es sich erweisen, ein Verfahren nach § 142 FGG einzuleiten. Die Vorschrift ermöglicht es, eine unzulässig eingetragene Firma unabhängig von ihrem tatsächlichen Gebrauch im Handelsregister zu löschen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß das Registergericht auch die abgeleitete Firma einer Kommanditgesellschaft, deren einzige persönlich haftende Gesellschafterin eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, als unzulässig beanstanden und von Amts wegen löschen kann, wenn ihr kein die Rechtsform als GmbH & Co KG kennzeichnender Zusatz beigefügt wird (BGHZ 62, 216 = Rpfleger 1974, 303; BGHZ 65, 103 = NJW 1976, 48 = Rpfleger 1976, 9; BGH Rpfleger 1977, 359; Senatsbeschluß vom 21.4.1977 - 15 W 43/76 - = Rpfleger 1977, 244). Wird die Firma gelöscht, so muß es den Gesellschaftern überlassen bleiben, sich auf eine andere, zulässige Firma zu einigen oder die Einigung notfalls im Klagewege herbeizuführen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß es einer Mitwirkung der Frau nicht bedarf, da sie wirksam aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, auch wenn diese Tatsache noch nicht im Handelsregister eingetragen ist.</p>
|
316,015 | olgd-1978-10-19-8-u-5978 | {
"id": 820,
"name": "Oberlandesgericht Düsseldorf",
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} | 8 U 59/78 | 1978-10-19T00:00:00 | 2019-03-13T15:20:51 | 2019-03-27T09:41:38 | Urteil | ECLI:DE:OLGD:1978:1019.8U59.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 1978 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Koenen, des Richters am Oberlandesgericht Koenigk und der Richterin am Landgericht Schickert-Barlage</p>
<p></p>
<p>für R e c h t erkannt:</p>
<p></p>
<p>Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6. Januar 1978 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.</p>
<p></p>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheitsleistung von 8.000 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. Die Sicherheiten können auch durch Bank- oder Sparkassenbürgschaften erbracht werden.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>T a t b e s t a n d</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Firma Spedition und Lagerung S. GmbH. Die Gemeinschuldnerin hatte am 22. Juni 1976 die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens beantragt. Diesen Antrag hat das Amtsgericht abgelehnt, und am 2. Juli 1976 ist das Anschlusskonkursverfahren eröffnet worden.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat mit vorliegender Klage im Mai und Juni 1976 vorgenommene Darlehensrückzahlungen der Gemeinschuldnerin an die Beklagte in Höhe von insgesamt 46.200 DM gemäß § 30 Nr. 1 KO angefochten. Die Klage ist am 4. Juli 1977 bei dem Landgericht eingegangen und der Beklagten am 11. August 1977 zugestellt worden, nachdem der Kläger augrund der am </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">7. Juli 1977 an ihn abgegangenen Gerichtskostenrechnung den darin geforderten Betrag von 444 DM am 26. Juli 1977 unbar bei der Gerichtskasse eingezahlt hatte und die Zahlungsanzeige der Gerichtskasse dem Landgericht am 3. August 1977 zugegangen war.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">
</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"> die Beklagte zu verurteilen, 46.200 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11. August </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"> 1977 an ihn zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat gebeten,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"> die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat der Klage ohne Beweisaufnahme stattgegeben. Auf das Urteil vom </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">6. Januar 1977 wird Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Sie erstrebt weiterhin die Abweisung der Klage. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Berufung.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Vorbringens beider Parteien wird auf die Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</u></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klage muss wegen Nichteinhaltung der in § 51 Abs. 1 Satz 1 KO bestimmten Anfechtungsfrist als unzulässig abgewiesen werden.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Dass die Klage erst am 4. Juli 1977 und damit mehr als ein Jahr nach dem Erlass des Beschlusses über die Eröffnung des Anschlusskonkursverfahrens bei Gericht eingereicht worden ist, steht ihrer Zulässigkeit allerdings nicht entgegen. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, beginnt die Frist des § 41 Abs. 1 Satz 1 KO im Falle des Anschlusskonkurses erst mit der Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses , die frühestens mit Ablauf des 9. Juli 1977 eingetreten ist.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Klage muss jedoch deshalb als unzulässig abgewiesen werden, weil die Voraussetzungen des § 270 Abs. 3 ZPO nicht erfüllt worden sind; die Zustellung der Klage am 11. August 1977 kann in Anbetracht der tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falles nicht als "demnächst erfolgt" im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, wenn eine nach Fristablauf vorgenommene Zustellung noch als "demnächst erfolgt" angesehen werden soll, hat der Bundesgerichtshof in einer Reiche von Entscheidungen näher dargelegt (vgl. BGH NJW 1967, 779; 1971, 891; 1972, 1948; 1978, 215; alle mit weiteren Hinweisen). Danach kommt es darauf an, ob die klagende Partei alles ihr im Interesse alsbaldiger Zustellung der Klage Zumutbare getan und in diesem Rahmen nicht nur Verzögerungen vermieden, sondern aktiv im Sinne einer möglichsten Beschleunigung gewirkt hat, wobei Verstöße gegen diese Mitwirkungspflichten nicht etwa nur bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigen Verhalten, sondern auch bei leichter Fahrlässigkeit zu berücksichtigen sind, sofern die dadurch verursachte Verzögerung nicht als geringfügig zu bezeichnen ist. Diesen in der Rechtsprechung allgemein anerkannten Anforderungen hat der Kläger nach der Auffassung des erkennenden Senats nicht genügt.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Ein schuldhafter Verstoß des Klägers gegen die Pflicht zur Mitwirkung im Sinne einer möglichsten Beschleunigung der Klagezustellung liegt schon darin, dass er die gerichtliche Prozessgebühr in Höhe von 444 DM nicht sogleich bei Einreichung der Klage (oder wenige Tage später) eingezahlt und die Zahlung durch Kostenmarken oder Kostenstempel nachgewiesen hat. In der Rechtsprechung wird zwar allgemein die Auffassung vertreten, dass die klagende Partei und ihr Prozessbevollmächtigter nicht verpflichtet seien, den gerichtlichen Prozesskostenvorschuss selbst zu berechnen und unaufgefordert einzuzahlen, dass sie vielmehr befugt seien, die Zahlungsaufforderung des Gerichts abzuwarten (BGH NJW 1978, 215/216 mit weiteren Hinweisen). Das besagt jedoch nicht, dass ein derartiges Verhalten unter allen Umständen als schuldhafter Verstoß gegen die Verpflichtung der klagenden Partei zur Mitwirkung bei der "möglichsten Beschleunigung" der Klagezustellung auszuschneiden habe. Dieser Punkt ist vielmehr - wie kürzlich das Oberlandesgericht Hamm (NJW 1977, 2364) hinsichtlich eines anderen im Rahmen des § 270 Abs. 3 ZPO zu beachtenden Erfordernissen zutreffend dargelegt hat - ebenso wie alle sonstigen in bezug auf die "demnächstige" Zustellung bedeutsamen Fragen nach der persönlichen Situation der jeweils klagenden Partei zu beurteilen. Ebenso wie das Oberlandesgericht Hamm in dem von ihm entschiedenen Fall zugunsten der damals klagenden Partei berücksichtigt hat, dass es sich um eine große Behörde handelte, der wegen ihrer "besonderen Verhältnisse" ein etwas großzügiger zu bemessender Zahlungsspielraum zuzugestehen sei, erscheint es hier sachgerecht, davon auszugehen, dass der Kläger den Gerichtskostenvorschuss unabhängig von der Anforderung durch das Gericht hätte einzahlen müssen. Der Kläger ist Rechtsanwalt und klagte in vorliegendem Fall bei dem Landgericht, bei dem er zugelassen ist, also der Vertretung durch einen Kollegen nicht bedurfte. Die Feststellung der Höhe des benötigten Gerichtskostenvorschusses war in Anbetracht des bezifferten Klageantrags für ihn eine kaum nennenswerte Mühe. Dasselbe gilt für den Vorgang der Einzahlung des Vorschusses beim Landgericht. Die Akten lassen nämlich erkennen, dass der Kläger zumindest durch Büroangestellte, also durch Personen, die üblicherweise die Einzahlung von Gerichtskostenvorschüssen seitens der Anwaltschaft tätigen mit dem Landgericht in ständiger Verbindung steht, denn ausweislich der Empfangsbekenntnisse vom 11. August 1977 und 20. Januar 1978 (Bl. 15, 55 GA) unterhält er ein Postfach bei diesem Gericht, das - so entspricht es der gerichtsbekannten Übung der Rechtsanwälte - mehrmals wöchentlich von dem Anwalt selbst oder einem seiner Angestellten geleert wird. Unter diesen Umständen wäre es, zumal einerseits die unaufgeforderte Einzahlung der gerichtlichen Prozessgebühr eine in der Anwaltschaft selbst bei nicht zur Fristwahrung eingereichten Klagen sehr verbreitete Übung darstellt und andererseits der Kläger hier nicht etwa für eine von ihm vertretene fremde Partei in Vorlage hätte treten müssen, sondern den relativ geringen Betrag von 444 DM aus einer seiner alleinigen Verfügung unterliegenden Vermögensmasse hätte zahlen können, eine sehr naheliegende, mit nur geringfügiger Mühe verbundene Maßnahme gewesen, den gerichtlichen Prozesskostenvorschuss gleich bei Einreichung der Klage zu entrichten. Auf diese Weise wäre die Zustellung der Klage ganz erheblich beschleunigt worden. Betrachtet man nämlich den tatsächlichen Ablauf der Dinge nach dem Eingang der Zahlungsanzeige der Gerichtskasse am 3. August 1977 und überträgt diese Vorgänge auf den Fall der Einzahlung des Vorschusses bereits am 4. Juli 1977, so wäre der Verhandlungstermin schon am 8. Juli 1977 (vier Werktage später) bestimmt und die Klageschrift nebst Ladung der Beklagten spätestens am 12. Juli 1977 zugestellt worden, also - bis auf einen Tag - einen vollen Monat früher als dies tatsächlich der Fall gewesen ist. Dass ein solcher Zeitgewinn beträchtlich gewesen wäre, die tatsächlich eingetretene Verzögerung also nicht nur geringfügig war, bedarf keiner weiteren Begründung. Dasselbe würde auch dann gelten, wenn der Kläger den Vorschuss nicht am 4. Juli 1977, sondern im Laufe der mit jenem Tage beginnenden Woche eingezahlt hätte; auch eine Verzögerung um 25-Tage könnte nicht als geringfügig angesehen werden.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Ein schuldhafter Verstoß des Klägers gegen seine Pflicht zur Mitwirkung bei der "möglichsten Beschleunigung" der Zustellung der Klage wäre im übrigen selbst dann zu bejahen, wenn man auch ihm - entgegen obigen Ausführungen - zugestände, dass er die gerichtliche Anforderung des Kostenvorschusses habe abwarten dürfen. Die Anforderung ist ausweislich der Akten am </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">7. Juli 1977, einem Donnerstag, an ihn abgegangen. Man kann unter diesen Umständen davon ausgehen, dass sie jedenfalls am Montag, dem 11. Juli 1977, in seinen Besitz gelangt ist. Von diesem Zeitpunkt an hat es dann - ohne jeden erkennbaren Grund - noch 15 Tage gedauert, bis der Vorschuss eingezahlt wurde, und zwar <u>unbar</u> bei der Gerichtskasse, so dass weitere acht Tage vergingen, bis das Landgericht davon erfuhr. Auch diese Handhabung muss also schuldhafte Verletzung der oben näher beschriebenen Mitwirkungspflichten des Klägers, der als Rechtsanwalt über die Notwendigkeit tunlichster Beschleunigung der Angelegenheit nicht im ungewissen gewesen sein kann, bezeichnet werden.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Insgesamt könnte das Verhalten des Klägers allenfalls dann als entschuldigt angesehen werden, wenn er - wie dies in der vom Bundesgerichtshof am 14. Juli 1960 entschiedenen Sache (BGH KTS 1961, 39 = NJW 1960, 1952) der Fall gewesen ist - nachträglich Gründe vorgetragen hätte, die die eingetretene Verzögerung verständlich erscheinen ließen. Sein Prozessbevollmächtigter hat jedoch, obwohl der Vorsitzende des Senats auf Bedenken bezüglich der Fristwahrung mit Verfügung vom 16. September 1978 hingewiesen hatte und dieser Punkt auch in der mündlichen Verhandlung vom 28. September 1978 erörtert worden ist, nichts dergleichen vorgetragen. Er hat ferner nicht etwa geltend gemacht, dass der Zeitraum zwischen dem Tage des Zugangs der Verfügung vom 16. September 1978 und der mündlichen Verhandlung für die Einholung der insoweit erforderlichen Informationen zu kurz gewesen sei, ganz abgesehen davon, dass dieses Argument, hätte er es vorgebracht, nicht stichhaltig gewesen wäre, weil der Kläger, der alle diesbezüglich etwa in Betracht kommenden Einzelheiten seinen Akten hätte entnehmen können, seine Kanzlei in demselben Haus unterhält, in dem auch die seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten sich befindet.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Berufung der Beklagten ist nach alledem stattzugeben; die Klage ist mangels Fristwahrung unzulässig.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Beschwer des Klägers: 46.200 DM.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Koenen Koenigk Schickert-Barlage</p>
|
316,016 | olgham-1978-09-27-6-uf-26178 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 6 UF 261/78 | 1978-09-27T00:00:00 | 2019-03-13T15:20:52 | 2019-03-27T09:41:38 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1978:0927.6UF261.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird abgeändert. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.</p>
<p>Der Beschwerdewert wird auf 850,00 DM festgesetzt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Gründe:</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Familienrichters in dem ihm wegen der Antragsrücknahme im Scheidungsverfahren die gesamten Prozeßkosten auferlegt worden sind, ist nach den §§ 269 Abs. 3, Satz 5, 626 Abs. 1, Satz 1 ZPO zulässig und begründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin hat nämlich mit Schriftsatz vom 18. Januar 1978 einen Gegenantrag auf Scheidung eingereicht, der der früheren Widerklage entspricht. Damit wurde auch sie Antragstellerin. In ihrer Erklärung vom 13.02.1978 ist - wie der Familienrichter im Protokoll vom 28.02.1978 zu Recht festgestellt hat - eine Antragsrücknahme zu sehen, sodaß auch sie nach § 269 Abs. 3 ZPO Kosten zu tragen hat (Baumbach-Lauterbach Anm. 4 B zu § 269 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Entsprechend § 92 Abs. 1 ZPO waren die Kosten daher gegeneinander aufzuheben, wobei wegen der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung ein besonderer Antrag des Antragstellers nach § 269 Abs. 3 ZPO entbehrlich war.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin nach § 91 ZPO zu tragen.</p>
|
316,017 | lg-bonn-1978-07-07-11-0-6378 | {
"id": 804,
"name": "Landgericht Bonn",
"slug": "lg-bonn",
"city": 394,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 11 0 63/78 | 1978-07-07T00:00:00 | 2019-03-13T15:20:53 | 2019-03-27T09:41:38 | Urteil | ECLI:DE:LGBN:1978:0707.11.0.63.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.600,-- DM abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in der / selben Höhe leistet.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="h2 absatzLinks">T a t b e s t a n d :</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist als Immobilienmaklerin tätig.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Durch Zeitungsinserat vom 21. August 1977 bot der Zeuge E ein Grundstück in J zum Verkauf an. Auf das Inserat meldete sich der mit der Beklagten in Verbindung stehende Zeuge N, der dann am 28. August 1977 in Begleitung des Geschäftsführers der Beklagten Herrn E aufsuchte und mit ihm ein Kaufgespräch führte. Auf diese Weise erfuhr die Beklagte von den Verkaufsabsichten des Zeugen E.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Zeugin Dr. y hatte im August 1977 die Beklagte beauftragt, ihr ein Bau- oder Hausgrundstück zu vermitteln.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nach dem Gespräch bei Herrn E wies die Beklagte die Zeugin Dr. y auf dessen Grundstück in J hin, dass der Zeugin .jedoch nach Besichtigung nicht zusagte.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Am<i> </i>10. September 1977 inserierte der Zeuge E erneut unter Angabe seiner Telefonnummer. Als sich die Zeugin Dr. y daraufhin mit ihm in Verbindung setzte stellte sie fest, dass es sich hier um das ihr schon von der Beklagten benannte, für sie uninteressante Grundstück in J handelte. Der Kläger vertritt die Auffassung, die Beklagte habe dadurch, dass sie das Grundstück E ohne Zustimmung des Eigentümers der Zeugin Dr. y angeboten habe gegen Ziffer 2 Abs. 3 der Wettbewerbsregeln für Makler verstoßen. </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Kläger stellt den Antrag,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten künftig zu unterlassen,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:28px">Grundstücke ohne Wissen des oder der Verfügungsberechtigten zum Verkauf anzubieten oder zu vermitteln.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Sie behauptet, sie habe bei der Zeugin Dr. y nicht den irrigen Eindruck erweckt, von Herrn E zur Vermittlung des Grundstücksverkaufs beauftragt zu sein. Sie hält ihr Verhalten insgesamt nicht für wettbewerbswidrig.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beweisaufnahme vermochte der Kammer nicht die notwendige sichere Überzeugung zu vermitteln, dass die Beklagte gegen § 3 UWG oder gegen die allgemeine Bestimmung des § 1 UWG oder gegen die diese Normen konkretisierende Ziffer 2 Abs. 3 der Wettbewerbsregeln verstoßen hat.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Nach den Zeugenvernehmungen kann nur als festgestellt angesehen werden, dass die Beklagte die Zeugin Dr. y auf das Grundstück des Zeugen E hingewiesen hat, ohne jedoch dessen Namen und Anschrift zu nennen. Es kann sogar nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte bei dem Hinweis den Vorbehalt hinzugefügt hat, dass die Sache noch nicht ganz klar sei.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Bei dieser Sachlage ist nicht erwiesen, dass die Beklagte wahrheitswidrig die für den Wettbewerb bedeutsame Angabe gemacht hat, ihr sei das Grundstück von dem Eigentümer an die Hand gegeben worden oder sie handele mit dessen Zustimmung. Die Zeugin Dr. y ist zwar - wie sie sagte davon ausgegangen, dass die Beklagte ihr das Objekt für den Grundstückseigentümer anbot. Dass die Beklagte jedoch durch ihr Verhalten diesen subjektiven Eindruck der Zeugin veranlasst hat, vermocht die Beweisaufnahme nicht zu konkretisieren.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Kammer hält es nicht für wettbewerbswidrig, wenn ein Grundstücksmakler der von einem Kaufinteressenten einen Vermittlungsauftrag erhalten hat, diesen Interessenten zur Besichtigung von Lage und Art eines Baugrundstücks auffordert, ohne vorher den Eigentümer zu benachrichtigen oder gar ohne gleichzeitig von dem Verkäufer einen Vermittlungsauftrag bezüglich dieses Grundstücks zu haben, von dessen Verkaufsmöglichkeit der Makler vielmehr nur anderweitig Kenntnis erlangt hat.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Es besteht kein Anlass und keine Rechtsgrundlage die Maklertätigkeit nur auf die Vermittlung von solchen Grundstücken an seine Kaufinteressenten zu beschränken, die dem Makler zuvor von dem Grundstückseigentümer zur. Vermittlung an die Hand gegeben worden sind. Das ist auch offenbar nicht Inhalt und Grundgedanke der Ziffer 2 Abs. 3 der Wettbewerbsregeln, da der dort benutzte Begriff "Zustimmung" wohl nicht mit der Erteilung eines Maklerauftrags gleichgesetzt werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Kammer sieht auch für den vorliegenden Fall keine Notwendigkeit, dass die Beklagte vor dem Hinweis an die Zeugin Dr. y die Zustimmung des Zeugen E einholte. Die Beklagte wollte zunächst nur von der Zeugin erfahren, ob dieses Grundstück nach Lage und Art überhaupt für sie in Betracht kommen würde. Für die bloße Besichtigung eines Baugeländes von der Straße her ist jedoch keine Zustimmung des grundsätzlich verkaufsbereiten Verfügungsberechtigten erforderlich, wobei dahinstehen mag, ob der Hinweis auf ein Grundstück ohne Angabe der Personalien des Eigentümers überhaupt schon als "Anbieten" verstanden werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Dass das erwiesene Verhalten der Beklagten nicht als wettbewerbswidrig angesehen werden kann, geht nach Auffassung des Gerichts auch aus folgender theoretischer Überlegung hervor:</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Wenn der Zeugin Dr. y das Grundstück zugesagt und die Beklagte dann die Kaufvertragsparteien zusammengebracht hätte, würde sicherlich keiner der Zeugen dieses Vorgehen der Beklagten als guten kaufmännischen Sitten widerstreitend angesehen haben, zumal hierdurch dem Zeugen E keine - von ihm nicht gewollte Maklertätigkeit aufgedrängt wurde, da ihm einerseits die internen Rechtsbeziehungen zwischen der Zeugin Dr. y und der Beklagten und andererseits der Weg gleichgültig sein konnten, auf dem die Zeugin von seiner Verkaufsabsicht erfahren hatte.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Da die Zeugin Dr. y zu allen entscheidungserheblichen Fragen vernommen worden ist, hält die Kammer eine erneute Vernehmung dieser Zeugin nicht für erforderlich.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91,708 Ziffer 11,711 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Streitwert:</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">10.000,-- DM</p>
|
316,018 | ag-neuss-1978-06-15-47-f-3777 | {
"id": 713,
"name": "Amtsgericht Neuss",
"slug": "ag-neuss",
"city": 473,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 47 F 37/77 | 1978-06-15T00:00:00 | 2019-03-13T15:20:56 | 2019-03-27T09:41:38 | Urteil | ECLI:DE:AGNE:1978:0615.47F37.77.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I. </p>
<p>Die am 12.03.1971 vor dem Standesbeamten in Norf unter Heiratseintrag Nr. 8/1971 geschlossene Ehe der Parteien wird geschie-den.</p>
<p></p>
<p></p>
<p>II. </p>
<p>Die elterliche Gewalt über die am 26.09.1971 geborenen Tochter N wird der Antragstellerin übertragen.</p>
<p></p>
<p>III.</p>
<p>Das Verfahren über den Versorgungsausgleich wird bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die dort anhängigen Normenkon-trollverfahren ausgesetzt.</p>
<p> </p>
<p>IV.</p>
<p>Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufge-hoben.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>T a t b e s t a n d</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien, beide deutsche Staatsangehörige, haben am 12.03.1971 geheiratet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Ehe entstammte, die am 26.09.1971 geb. Tochter N, die bei der Mutter lebt. Nach gleichlautendem Vortrag leben die Parteien seit April 1977 getrennt, nachdem die Antragstellerin die Ehewohnung verlassen hat. Die Antragstellerin begehrt die Scheidung, der der Antragsgegner zunächst widersprochen hat, der er aber nunmehr nach Ablauf des während des Scheidungsverfahrens eingetretenen Trennungsjahres zustimmt. Die Antragstellerin hat den Scheidungsantrag zunächst damit begründet, dass der Antragsgegner eine ehewidrige Beziehung zu einer deren Frau unterhalte. Im Laufe des Verfahrens hat sich die Antragstellerin zu ihrem andauernden Verhältnis zu dem Zeugen L2 bekannt und auch hierauf den Scheidungsantrag gestützt.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:71px">die am 12.03.1971 vor dem Standesbeamten des Standesamtes Norf unter der Heiratseintrag Nr. 8/1971 geschlossene Ehe der Parteien zu scheiden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner stimmt dem Scheidungsantrag zu.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat über die behauptete ehebrecherische Beziehung des Antragsgegner Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Vernehmungsniederschrift vom 17.04.1978 (Blatt 78 der Akten) verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><b><u>E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</u></b></p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">der Scheidungsantrag ist begründet, §§ 1564, 1565 Abs. 1 BGB. Die Lebensgemeinschaft der Eheleute besteht seit April 1977 und damit länger als 1 Jahr nicht mehr und es kann auch nicht erwartet werden, dass die Eheleute sie wieder herstellen. Dies haben beide Parteien bei ihrer Anhörung deutlich zum Ausdruck gebracht. Das die Antragstellerin zur Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft mit dem Antragsgegner nicht bereit ist, hat allerdings nicht seinen Grund darin, dass dieser - wie die Antragstellerin zunächst behauptet hat - zu der Zeugin N ein ehebrecherisches Verhältnis unterhält. Das dies nicht der Fall ist, hat die Vernehmung der Zeugin mit Deutlichkeit ergeben. Der Grund für die mangelnde eheliche Gesinnung der Antragstellerin liegt vielmehr in ihrer eigenen Person, nämlich darin, dass sie sich einem anderen Mann zugewandt hat und sich zu diesem Verhältnis, das offenbar ernsthaft und von Dauer ist, bekannt. Vor diesem Hintergrund erschienen die durch die Beweisaufnahme widerlegten Behauptungen der Antragstellerin, der Antragsgegner habe ehebrecherische Beziehungen zu anderen Frauen unterhalten und einen "starken Vertrauensbruch" begangen, lediglich als prozeßtaktisches Verhalten, um das Ende des Trennungsjahres zu erreichen. Nachdem dies der Antragstellerin aber geglückt ist, kann sie in der Tat die Zerrüttung der Ehe auch damit begründen, dass bei ihr selbst - und nur bei ihr - die Bereitschaft und Fähigkeit fehlen, die Lebensgemeinschaft fortzuführen (vgl. Schwab: Handbuch des Scheidungsrechts, 1. Auflage 1977, Randnr. 99, 106). Hiervon abgesehen ergibt sich das Scheitern der Ehe aber auch daraus, dass der Antragsgegner die Konsequenzen aus dem Verhalten seiner Frau gezogen hat und nunmehr der Scheidung zustimmt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die elterliche Gewalt über N ist antragsgemäß der Antragstellerin übertragen worden, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich geworden sind, dass diese vom Jugendamt O befürwortete Regelung dem Wohle des Kindes abträglich ist, § 1671 Abs. 1, Abs. 2 BGB.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Das an sich entscheidungsreife Verfahren über den Versorgungsausgleich hat das Gericht ausgesetzt. Es schließt sich insoweit der Meinung an, die die analoge Anwendung des § 140 ZPO wegen schwebender Normenkontrolle befürwortet und das Gericht nicht für verpflichtet hält, und er allen Umständen die Normgültigkeitsfrage selbst zu entscheiden bzw. selbst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen (vgl. Skouris: Die schwebende Rechtssatzprüfung als Aussetzungsgrund gerichtlicher Verfahren, NJW 75, 713). Gegen die Verfassungsmäßigkeit des Versorgungsausgleichs sind stets Bedenken erhoben worden (vgl. Müller: Verfassungswidrigkeit des Versorgungsausgleichs bei Altehen, NJW 77, 1745); mittlerweile ist bekannt, dass auch die Oberlandesgerichte D und I (NJW 78, 761) die Erstreckung des Versorgungsausgleichs auf vor dem 01.07.1977 geschlossene Ehen ("Altehen") für verfassungswidrig halten und die Sachen gem. Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt haben.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Tatsache, dass das Verfassungsgericht oft erst nach Jahren entscheidet, dann aber mit allgemein verbindlicher Wirkung ( § 31 BVerfGG) und ohne die Möglichkeit, zwischenzeitlich rechtskräftig abgeschlossene Verfahren wieder aufzunehmen ( § 79 Abs. 2 BVerfGG), muss die rechtssuchenden Parteien verunsichern; selbst wenn sie mit dem Gericht die Verfassungsmäßigkeit des Versorgungsausgleiches für Altehen bejahen, müssen sie doch gewärtig sein, dass das Bundesverfassungsgericht später im entgegengesetzten T entscheidet. Berücksichtigt man nun, was häufig bei langjährigen Altehen für den ausgleichsverpflichteten Ehepartner auf dem Spiele stehe, dann muss verständlicherweise angenommen werden, dass allein schon die oben erwähnte Möglichkeit des anders lautenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Grund genug ist, den Rechtskrafteintritt durch Rechtsmitteleinlegung möglichst bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinauszuschieben. </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist auch dem Gericht nicht wohl bei dem Gedanken, auf dem ihm nicht heimischen Gebiet des Verfassungsrechts eine die Partei möglicherweise lebenslang belastende Entscheidung treffen zu müssen, während das zur allgemein verbindlichen Entscheidung der Verfassungsfrage berufene Gericht schon mit der Sache befasst ist und möglicherweise den gleichen Sachverhalt anders beurteilen wird. Die nicht anwaltlich vertretene Partei wird überdies mangels eigener Sachkunde häufiger die Entscheidung des Amtsgerichts hinnehmen, nicht in der Berufung gehen und die Entscheidung über den Versorgungsausgleich vor dem Spruch des Verfassungsgerichts rechtskräftig werden lassen. Es erscheint dem Gericht jedoch gerechtfertigt, alle Parteien in den Genuss der anstehenden höchstrichterlichen Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Versorgungsausgleichs kommen zu lassen, um einander widersprechende Beurteilungen des gleichen Sachverhalts zu vermeiden. Bei dieser Sachlage ist es also nach alledem aus Gründe der Prozessökonomie, zur Förderung der Entscheidungskonformität und damit der Rechtssicherheit geboten, das Verfahren betreffend den Versorgungsausgleich bis zur Entscheidung der schwebenden Normenkontrollverfahrens durch das Bundesverfassungsgericht auszusetzen. Dem Scheidungsantrag ist alsdann vorab stattzugeben, sei es dass man die schwebenden Normenkontrollverfahren einem Rechtsstreit über den Bestand einer auszugleichenden Versorgung gleichsetzt (analoge Anwendung des § 628 Abs. 1 Ziffer 2 ZPO), sei es , dass für die Partei auch eine unzumutbare Härte bedeutet, wenn sie mit der Auflösung der gescheiterten Ehe bis zum Spruch des Verfassungsgericht warten müssten (analoge Anwendung des §628 Abs. 1 Ziffer 3 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">IV.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Kosten</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">§ 93 a Abs. 1 Satz 1 ZPO</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Streitwert:</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Scheidung : 4.800.-DM (§ 12 Abs. 2 Satz 2 GKG)</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">elterliche Gewalt : 1.500.-DM (§12 Abs. 2 Satz 3 GKG)</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">einstweilige Anordnung betreffend Ehegattenunterhalt: 2.400.-DM (§ 20Abs. 2 GKG).</p>
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316,019 | olgham-1978-06-07-15-w-15978 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 15 W 159/78 | 1978-06-07T00:00:00 | 2019-03-13T15:20:58 | 2019-03-27T09:41:37 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1978:0607.15W159.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Der Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5.000,- DM festgesetzt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><b>1)</b></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte zu 1) ist Eigentümer des im Grundbuch von ... Blatt ... unter Nr. ... des Bestandsverzeichnisses eingetragen gewesenen Grundstücks Gemarkung ... Flur ... Flurstück .... Das Grundstück, das mit einem Altenteilerhaus für den jeweiligen Altbauern des Hofes des Beteiligten zu 1) bebaut ist, hat der Beteiligte zu 1) im Jahre 1976 geteilt. Nachdem sich der Beteiligte zu 1) am 14. Juni 1976 in einer Baulasterklärung gemäß §§ 99, 100 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - Landesbauordnung - (BauO NW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Januar 1970 (GV NW S. 96/SGV NW 232) verpflichtet hatte, dafür zu sorgen, daß das Altenteilerhaus Bestandteil seines landwirtschaftlichen Betriebes bleibe, hat der Beteiligte zu 2) ihm am 17. Januar 1977 die beantragte Teilungsgenehmigung gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 2 BBauG erteilt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Am 9. Juni 1977 hat das Grundbuchamt ... nach Vorlage des Veränderungsnachweises ... Nr. ... und der Teilungsgenehmigung des Beteiligten zu 2) vom 19. Januar 1977 die Teilung des gleichzeitig gelöschten Grundstücks Gemarkung ... Flur ... Flurstück ... in die Grundstücke Gemarkung ... Flurstücke ... und ... (lfd. Nr. ... und ... des Bestandsverzeichnisses) im Grundbuch eingetragen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 12. Juli 1977 hat der Beteiligte zu 1) beim Beteiligten zu 2) die Erteilung eines Negativattestes gemäß § 23 Abs. 2 BBauG für die Auflassung des Grundstücks Gemarkung ... Flur ... Flurstück ... an seine Tochter beantragt. Dieses Negativattest wurde dem Beteiligten zu 1) vom Beteiligten zu 2) unter dem 6. Januar 1978 erteilt, weil eine Bodenverkehrsgenehmigung für den beabsichtigten Rechtsvorgang nicht erforderlich war. Gleichzeitig widerrief jedoch der Beteiligte zu 2) zur Durchsetzung der Baulast, die der Beteiligte zu 1) mit Erklärung vom 14. Juni 1976 übernommen hatte, die Teilungsgenehmigung vom 17. Januar 1977 gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfg) vom 25. Mai 1976 (BGBl. I S. 1253) und ordnete die sofortige Vollziehung des Widerrufs gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vom 21. Januar 1960 (BGBl. I S. 17) mit späteren Änderungen an.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><b>2)</b></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Ebenfalls mit Schreiben vom 6. Januar 1978 hat der Beteiligte zu 2) beim Grundbuchamt ... unter Hinweis auf vorstehenden Sachverhalt gemäß § 23 Abs. 3 BBauG die Eintragung eines Widerspruchs beantragt, da das Grundbuch nach Widerruf der Teilungsgenehmigung unrichtig sei. Das Ersuchen ist nicht mit einem Stempel oder Siegel versehen worden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Durch Beschluß vom 10. Januar 1978 hat der Rechtspfleger des Grundbuchamts das Ersuchen des Beteiligten zu 2) zurückgewiesen, da keine Eintragung auf Grund eines nicht genehmigten Rechtsvorganges in das Grundbuch vorgenommen worden sei und ebenfalls kein Anlaß für die Eintragung eines Widerspruchs gemäß § 53 Abs. 1 GBO bestehe.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Erinnerung des Beteiligten zu 2) vom 23. Januar 1978 gegen diese Entscheidung haben Rechtspfleger und Grundbuchrichter nicht abgeholfen. Auf die mit der Vorlage an das Rechtsmittelgericht gemäß § 11 Abs. 2 S. 4 und 5 RPflG als Beschwerde gegen die Entscheidung des Rechtspflegers geltende Erinnerung hat das Landgericht am 3. März 1978 den amtsgerichtlichen Beschluß aufgehoben und das Grundbuchamt angewiesen, von seinen Bedenken Abstand zu nehmen. Das Landgericht ist zu der Auffassung gelangt, daß § 23 Abs. 3 BBauG hier entsprechend anzuwenden sei, da der darin zum Ausdruck gekommene Rechtsgedanke, nicht genehmigungsfähige Rechtsvorgänge zu unterbinden, auch dann eingreife, wenn die ursprünglich erteilte Genehmigung später zurückgenommen oder widerrufen werde.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Nachdem das Grundbuchamt durch Verfügung vom 23. März 1978 den Beidruck des Dienststempels zum Ersuchen vom 6. Januar 1978 veranlaßt hatte, ist von ihm am 31. März 1978 in Abt. II des Grundbuchs unter lfd. Nr. 8 ein Widerspruch gegen die am 9. Juni 1977 verzeichnete Teilung des Grundstücks Gemarkung ... Flur ... Flurstück ... in Gemarkung ... Flur ... Flurstücke ... und ... zugunsten des Beteiligten zu 1) eingetragen worden.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Gegen die landgerichtliche Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 18. April 1978. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor: Da die Teilung auf Grund einer formell und materiell wirksamen Genehmigung eingetragen worden sei, sei für die Anwendung des § 23 Abs. 3 BBauG, der die nachträgliche Rücknahme der Genehmigung oder ihren Widerruf nicht erfasse, im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit kein Raum. Der Verwaltungsakt habe Außenwirkung erlangt, die nicht mehr rückgängig zu machen sei. Bei der Vereinigung beider Grundstücke nach Widerruf der Teilungsgenehmigung entstünden bei unterschiedlichen Belastungen unlösbare Probleme bezüglich der Rangfolge.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><b>1)</b></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die weitere Beschwerde des beschwerdebefugten Beteiligten zu 1) ist formgerecht eingelegt worden (§ 80 GBO). Ihrer Zulässigkeit gemäß § 78 GBO steht nicht entgegen, daß das Grundbuchamt vor ihrer Einlegung, aber nach der Entscheidung des Landgerichts am 31. März 1978 einen Widerspruch gegen die Teilung des Grundstücks Gemarkung ... Flur ... Flurstück ... in das Grundbuch eingetragen hat. Die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde kann allerdings durch eine zwischenzeitliche Eintragung, die auf eine Anweisung des Beschwerdegerichts zurückzuführen ist, beeinflußt werden. Es kommt hierbei darauf an, ob sich an die Eintragung ein gutgläubiger Erwerb anschließen kann. Ist das nicht der Fall, dann kann mit der weiteren Beschwerde die Löschung der Eintragung verlangt werden (OLG Düsseldorf, JR 1950, 686; KG, KGJ 53, 189, 191; OLG München, JFG 17, 293, 295; Horber, GBO, 14. Aufl., Anm. 2 B b zu § 78 GBO; Kuntze in Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, Grundbuchrecht, Rz. 3 zu § 78 GBO). Im anderen Falle kann die weitere Beschwerde gemäß § 71 Abs. 2 S. 2 GBO nur auf die Eintragung eines Amtswiderspruchs oder auf die Amtslöschung abzielen (RGZ 70, 234, 236; KG, JFG 3, 264, 266 und DNotZ 1972, 176, 177; Horber und Kuntze, jeweils a.a.O.). Hat - wie hier - das Grundbuchamt einen Widerspruch eingetragen, so ist demnach die weitere Beschwerde unbeschränkt möglich; es kann mit ihr die Löschung des Widerspruchs verlangt werden (OLG Düsseldorf und OLG München, jeweils a.a.O.; KG, KGJ 53, 189, 191). Denn der Widerspruch bedeutet kein selbständiges dingliches Recht. Seine Bedeutung erschöpft sich darin, den öffentlichen Glauben des Grundbuchs zu zerstören; er kann dagegen nicht einen gutgläubigen Erwerb vermitteln.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Mit der unbeschränkten Zielrichtung der Löschung des Widerspruchs ist die weitere Beschwerde hier zugelassen. Nach der Beschlußformel (Weisung an das Grundbuchamt, von den Bedenken des erstinstanzlichen Beschlusses Abstand zu nehmen) und den Gründen seiner Entscheidung hat das Landgericht das Grundbuchamt zwar nicht zur Eintragung des Widerspruchs angewiesen, sondern nur dessen Ablehnungsgrund verworfen und ihm für die erneute Entscheidung über das Eintragungsersuchen im übrigen freie Hand gelassen. Das führt aber weder zum Ausschluß der weiteren Beschwerde noch zu ihrer Beschränkung auf den vom Landgericht geprüften Zurückweisungsgrund des Grundbuchamts. Das Landgericht hat unter Verstoß gegen das Verfahrensrecht den Beschwerdegegenstand auf das vom Grundbuchamt genannte Eintragungshindernis beschränkt, was nur im Falle der Anfechtung einer Zwischenverfügung nach § 18 GBO möglich gewesen wäre. Bei einem Rechtsmittel gegen die Zurückweisung eines Eintragungsantrages (oder eines Eintragungsersuchens nach § 38 GBO) tritt aber das Beschwerdegericht vollständig an die Stelle des Grundbuchamts und hat das gesamte Rechts- und Streitverhältnis daraufhin zu überprüfen, ob dem Antrage zu entsprechen ist oder nicht (KG, DNotZ 1972, 176, 178; Horber, Anm. 4 O zu § 77 GBO; Kuntze in KEHE, Rz. 10 zu § 77 GBO). Ist die Begründung des Grundbuchamts unrichtig, so hat das Landgericht also zu prüfen, ob dem Antrag bzw. Ersuchen andere Hindernisse entgegenstehen, und je nachdem zur Eintragung oder zum Erlaß einer Zwischenverfügung - hier wegen des fehlenden Stempels oder Siegels angebracht - anzuweisen oder die Beschwerde zurückzuweisen. Wäre die weitere Beschwerde unmittelbar nach Erlaß der Beschwerdeentscheidung eingelegt worden, so wäre der Senat wegen dieses Verfahrensfehlers zur kassatorischen Entscheidung berechtigt gewesen und hinsichtlich der zu treffenden Sachentscheidung im vollen Umfange an die Stelle des Beschwerdegerichts getreten. Wäre daher ohne die Eintragung die Prüfungspflicht nicht eingeschränkt gewesen, so ist auch durch die zwischenzeitliche Eintragung des Widerspruchs, die keinen gutgläubigen Erwerb auslösen kann, die Prüfungspflicht nicht beschränkt worden; die verfahrensüberholende Bedeutung dieser Eintragung zeigt sich nur darin, daß jetzt deren Löschung das Beschwerdeziel ist.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><b>2)</b></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die somit zulässige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist aber unbegründet, weil die Beschwerdeentscheidung nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 78 GBO).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">a)</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Mit Recht hat das Landgericht den Beteiligten zu 2) als berechtigt zur Einlegung der ersten Beschwerde angesehen. Im Falle der Zurückweisung eines behördlichen Eintragungsersuchens gemäß § 38 GBO steht für die nach § 71 Abs. 1 GBO statthafte Beschwerde das Beschwerderecht jedenfalls der ersuchenden Behörde zu (Horber, Anm. 8 zu § 38 GBO; Herrmann in KEHE, Rz. 86 zu § 38 GBO).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">b)</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der am 31. März 1978 in das Grundbuch eingetragene Widerspruch kann nicht gelöscht werden, da seine Unrichtigkeit nicht nachgewiesen ist. Er hat seine Grundlage in § 38 GBO und in einer entsprechenden Anwendung des § 23 Abs. 3 BBauG. Die entsprechende Rechtsauffassung des Landgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Nach § 38 GBO erfolgt in den Fällen, in denen nach gesetzlicher Vorschrift eine Behörde befugt ist, das Grundbuchamt um eine Eintragung zu ersuchen, die Eintragung aufgrund des Ersuchens der Behörde. Diese Bestimmung durchbricht nicht nur den in § 13 GBO ausgesprochenen Antragsgrundsatz, sondern auch den in § 19 GBO niedergelegten Bewilligungsgrundsatz. Das Ersuchen tritt auch an die Stelle des Nachweises der Unrichtigkeit, welcher die Berichtigungsbewilligung ersetzt (§ 22 GBO). Gelangt ein behördliches Eintragungsersuchen an das Grundbuchamt, so ist zu prüfen, ob die ersuchende Behörde zur Stellung eines Ersuchens der in Rede stehenden Art abstrakt befugt ist, ob das Ersuchen bezüglich seiner Form und seines Inhalts den gesetzlichen Vorschriften entspricht und ob die durch das Ersuchen nicht ersetzten Eintragungserfordernisse gegeben sind. Ob die Behörde auch tatsächlich im vorliegenden Einzelfall dazu befugt ist, hat das Grundbuchamt nicht zu prüfen; hierfür trägt allein die ersuchende Behörde die Verantwortung. Weiß das Grundbuchamt jedoch, daß es an den Voraussetzungen fehlt, unter denen die Behörde zu dem Ersuchen befugt ist, so hat es das Ersuchen zurückzuweisen, weil es nicht dazu mitwirken darf, das Grundbuch unrichtig zu machen (Horber, Anm. 6 a zu § 38 GBO; Herrmann in KEHE, Rz. 5-8 zu § 38 GBO; jeweils mit Nachweisen).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Entsprechend dieser Prüfungspflicht hat das Landgericht untersucht, ob der Beteiligte zu 2) nach gesetzlicher Vorschrift abstrakt dazu befugt war, das Grundbuchamt um die Eintragung eines Widerspruchs zu ersuchen. Als Grundlage des Ersuchens bot sich hier die Möglichkeit der Eintragung eines Widerspruchs bei nichtgenehmigten Verfügungen nach § 23 Abs. 3 BBauG an (Horber, Anm. 2 A u zu § 38 GBO; Herrmann in KEHE, Rz. 33 zu § 38 GBO). Auf diese Bestimmung war das Eintragungsersuchen des Beteiligten zu 2) vom 6. Januar 1978 gestützt. Nach ihr kann die Genehmigungsbehörde, falls die Genehmigung erforderlich war, das Grundbuchamt um die Eintragung eines Widerspruchs ersuchen, wenn aufgrund eines nicht genehmigten Rechtsvorgangs eine Eintragung in das Grundbuch vorgenommen worden ist; § 53 Abs. 1 GBO bleibt ausdrücklich unberührt. Diese Vorschrift, die dem durch § 186 Abs. 1 Nr. 10 BBauG außer Kraft gesetzten § 11 Abs. 2 WohnsiedlG entspricht, ist eingebettet in den zweiten Abschnitt des Bundesbaugesetzes mit seiner Regelung des Bodenverkehrs. Die Genehmigungspflicht für den Bodenverkehr nach §§ 19 ff. BBauG gibt der Behörde eine rechtliche Handhabe, den Grundstücksverkehr zu überwachen und solche Rechtsvorgänge zu verhindern, die dem festgesetzten Bebauungsplan oder einer geordneten städtebaulichen Entwicklung des Gemeindegebietes widersprechen (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BBauG, Rz. 7 zu § 19 BBauG; Heitzer/Oestreicher, BBauG, 6. Aufl., Anm. 1 zu § 19 BBauG), Den Genehmigungsvorbehalt hat das Grundbuchamt zu beachten, weil es eine Eintragung in das Grundbuch aufgrund eines nach § 19 BBauG genehmigungsbedürftigen Rechtsvorgangs erst vornehmen darf, wenn der Genehmigungsbescheid vorgelegt ist (§ 23 Abs. 1 BBauG). Ist aufgrund eines nicht genehmigten, aber nach § 19 BBauG genehmigungsbedürftigen Rechtsvorgangs eine Eintragung in das Grundbuch vorgenommen worden, so ist diese Eintragung unrichtig, denn die Bodenverkehrsgenehmigung ist eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Gültigkeit des Rechtsvorgangs (Brügelmann/Grauvogel, BBauG, Anm. III 1 a zu § 23 BBauG; Heitzer/Oestreicher, Anm. 1 zu § 23 BBauG). Eine solche Eintragung äußert zwar für sich zunächst noch keine materiellen Rechtswirkungen, aber es besteht weiterhin ein zwingendes Bedürfnis für die Sicherung der Vorschriften über den Bodenverkehr. Denn nach §§ 891, 892 BGB hat das Grundbuch die Vermutung der Richtigkeit für sich. Es besteht die Gefahr, daß im Hinblick auf den Schutz des Rechtsscheins im Grundbuch Rechtswirkungen gegenüber einem gutgläubigen Erwerber entstehen. Dieser Gefahr beugt die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs vor (vgl. § 892 Abs. 1 S. 1 BGB), der den guten Glauben des Erwerbers zerstört. Diesem Zweck dient das Widerspruchsverfahren des § 23 Abs. 3 BBauG (Brügelmann/Grauvogel, Anm. III 1 a zu § 23 BBauG; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Rz. 7 zu § 23 BBauG; Schrödter, BBauG, 3. Aufl., Rz. 3 zu § 23 BBauG).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht, das von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist ohne Rechtsfehler zu der Auffassung gelangt, daß der Wortlaut des § 23 Abs. 3 BBauG das Ersuchen des Beteiligten zu 3) nicht deckt. Denn als die Teilung des Grundstücks Gemarkung ... Flur ... Flurstück ... am 9. Juni 1977 in das Grundbuch eingetragen wurde, lag ihr ein genehmigter Rechtsvorgang zugrunde. Die gemäß §§ 19 Abs. 2 Nr. 2, 23 Abs. 1 BBauG erforderliche Teilungsgenehmigung des Beteiligten zu 2) war dem Grundbuchamt vorgelegt worden.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat aber eine entsprechende Anwendung des § 23 Abs. 3 BBauG auf den vorliegenden Sachverhalt erwogen und bejaht, ohne das Gesetz zu verletzen. Die Vorschriften über den Bodenverkehr wollen bestimmte Rechtsvorgänge des Grundstücksverkehrs, die für eine geordnete städtebauliche Entwicklung bedeutungsvoll sind, im öffentlichen Interesse einer wirksamen Kontrolle unterwerfen. Die Sicherung dieser Vorschriften reicht bis in den Bereich des grundbuchlichen Vollzugs dieser Rechtsvorgänge. Wirksames Sicherungsmittel ist hier der Widerspruch des § 23 Abs. 3 BBauG, der keinen Ausnahmecharakter nur für den Bereich der von vornherein nicht genehmigten Eintragung hat, sondern die Vorschriften über den Bodenverkehr auch dann sichern können muß, wenn eine ursprünglich erteilte Genehmigung später wegfällt. In beiden Fällen kann sich ein gutgläubiger Erwerb an die Eintragung anschließen und die Sicherungs- und Lenkungsfunktion der §§ 19 ff. BBauG vereiteln. Mit dieser umfassenden Zweckrichtung unterscheidet sich der Widerspruch des § 23 Abs. 3 BBauG etwa von der des Amtswiderspruchs nach § 53 Abs. 1 S. 1 GBO. Der Amtswiderspruch, der in § 23 Abs. 3 BBauG als anderes Rechtsinstitut ausdrücklich unberührt geblieben ist, soll den Fiskus vor der Gefahr von Regreßansprüchen schützen. Er stellt demnach enger auf die Verletzung gesetzlicher Vorschriften durch das Grundbuchamt bei der Eintragung ab. Der Widerspruch des § 23 Abs. 3 BBauG erhält dagegen seine Berechtigung aus der fehlenden Bodenverkehrsgenehmigung bei einem genehmigungsbedürftigen Rechtsvorgang, mag die Genehmigung nun ursprünglich gefehlt haben oder nachträglich weggefallen sein. Mit Recht hat das Landgericht daher eine Gesetzesanalogie des § 23 Abs. 3 BBauG auf den vorliegenden Fall des Widerrufs der Genehmigung bejaht.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat auch nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts die Möglichkeit des Widerrufs eines privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakts - also auch der Bodenverkehrs- bzw. Teilungsgenehmigung der §§ 19 ff. BBauG -, der die privatrechtsgestaltende Wirkung beseitigen kann, anerkannt, ohne das Gesetz zu verletzen. Vor der Kodifizierung des Verwaltungsverfahrensrechts ist verbreitet die Rechtsmeinung vertreten worden, daß der spätere Widerruf eines privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakts die bürgerlich-rechtliche Folge des ursprünglich genehmigten Rechtsvorgangs nicht (vgl. z.B. BGH, WM 1966, 640, 641 und DNotZ 1969, 617) oder doch nur unter engen Voraussetzungen beseitigen kann. Denn nach dem Vollzug der Rechtsänderung im Privatrecht ist ein Vertrauenstatbestand angenommen worden, der nicht einfach durch Widerruf der fehlerfrei erteilten Genehmigung zunichte gemacht werden könne. Daher wurde der Widerruf der Genehmigung bei Sinnesänderung der Genehmigungsbehörde als unzulässig angesehen (vgl. etwa RGZ 106, 142). Eine Ausnahme bildete aber selbst nach dem alten Rechtszustand der hier angesprochene Fall, daß der Genehmigungsempfänger eine mit der Genehmigung verbundene Auflage mißachtet und dadurch den Vertrauensschutz verwirkt hatte, wenn die Genehmigungsbehörde ohne die Auflage die Genehmigung nicht erteilt haben würde (vgl. BGHZ 24, 100; BayVGH, VerwRsp. 3, 316, 321; Brügelmann/Grauvogel, Anm. 3 c aa zu § 20 BBauG; Bullinger, DÖV 1957, 761, 763). Nunmehr sind die Rücknahme rechtswidriger und der Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte, nachdem diese unanfechtbar geworden sind, in §§ 48, 49 VwVfG geregelt worden. Der hier interessierende § 49 VwVfG unterscheidet nicht zwischen Verwaltungsakten mit öffentlich-rechtlicher und solchen mit privatrechtsgestaltender Wirkung. Der Widerruf eines privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Zukunft ist daher unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 VwVfG als zulässig anzusehen. Hier kann sich der Beteiligte zu 2) auf den Widerrufsgrund des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG berufen, der keine Rücksicht auf etwa eingetretene Außenwirkungen des ursprünglich genehmigten Rechtsvorgangs nimmt. Nahe liegt außerdem die Anwendung des in § 49 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG normierten Widerrufsgrundes. Als Folge des Widerrufs entfällt die Wirkung der Genehmigung für die Zukunft, so daß der ursprünglich wirksame privatrechtliche Vorgang schwebend unwirksam wird. Ob die Behörde tatsächlich zu dem Ersuchen entsprechend § 23 Abs. 3 BBauG befugt war, hatte das Landgericht nach den vorangestellten Grundsätzen nicht zu prüfen. Auch vermochte die vom Beteiligten zu 2) genannte Widerrufsgrundlage kein Wissen des Landgerichts von einer Unrichtigkeit des Grundbuchs mit der Eintragung des Widerspruchs zu begründen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat auch keinen zwischenzeitlichen Rechtserwerb eines Dritten feststellen können, der die Eintragung des Widerspruchs verhindern könnte. Das ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings ist das aus der Teilung hervorgegangene Flurstück ... am 11. Juli 1977 mit einer Grundschuld in Höhe von 60.000,- DM nebst Zinsen zugunsten der ... in ... belastet worden. Die Eintragung dieses Rechts an einem der durch Teilung entstandenen Grundstücke schließt einen Widerspruch nicht aus. Denn der durch den Widerruf als nicht genehmigt anzusehende Rechtsvorgang der Teilung kann sich für die Zukunft unheilbar dadurch verfestigen, daß die durch die Teilung entstandenen Grundstücke an gutgläubige Dritte veräußert werden. Dagegen wird die inzwischen bestellte Grundschuld durch ein Rückgängigmachen der Teilung in ihrem Bestand nicht berührt, weil hier die Annahme der folgen einer Grundstücksvereinigung nach § 890 BGB naheliegt: Die vereinigten Grundstücke werden nichtwesentliche Bestandteile des neuen einheitlichen Grundstücks, wobei jeder Teil wie bisher belastet bleibt, neue Rechte aber das einheitliche Grundstück als Ganzes belasten (Erman/Westermann, BGB, 6. Aufl., Rz. 3 au § 890 BGB; Palandt/Bassenge, BGB, 37. Aufl., Anm. 3 b zu § 890 BGB). Die von dem Beteiligten zu 1) aufgeworfene Frage des Rangs dieser Rechte, die im übrigen in gleicher Weise bei einem Fall der direkten Anwendung des § 23 Abs. 3 BBauG gestellt werden kann, ist mit dieser rechtlichen Konstruktion zu lösen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die weitere Beschwerde ist demnach unbegründet, zumal das Hindernis des fehlenden Siegels auf dem Eintragungsersuchen (vgl. § 29 Abs. 3 GBO), das dem Landgericht Anlaß zur Anweisung des Erlasses einer Zwischenverfügung hätte geben müssen, nachträglich beseitigt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Schließlich genügt der eingetragene Widerspruch auch inhaltlich den rechtlichen Erfordernissen. Er läßt als Begünstigten den Beteiligten zu 1) erkennen. Die Genehmigungsbehörde kommt als Widerspruchsbegünstigte nicht in Betracht, denn sie ist nicht Inhaberin von im Grundbuch eintragungsfähigen Rechten, sondern Vollzugsorgan der Bauleitplanung (BayObLG, Rpfleger 1974, 313; Eickmann in KEHE, Rz. 11 zu § 53 GBO). Als Widerspruchsberechtigter ist jedenfalls im Hinblick auf das Flurstück ... der Beteiligte zu 1) als Inhaber des Berichtigungsanspruches eintragungsfähig, mag auch möglicherweise bei dem Flurstück ... die Eintragung eines Widerspruchsbegünstigten ausnahmsweise nicht in Betracht kommen (vgl. BayObLG, a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die weitere Beschwerde ist unter diesen Umständen zurückzuweisen.</p>
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316,020 | olgham-1978-04-26-20-u-32477 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 324/77 | 1978-04-26T00:00:00 | 2019-03-13T15:20:59 | 2019-03-27T09:41:37 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1978:0426.20U324.77.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Dem Kläger wird das Armenrecht für die Berufungsinstanz nicht bewilligt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Dem Kläger kann das Armenrecht nicht bewilligt werden. Denn seine Berufung, mit der er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 60.000,- DM, hilfsweise zu einer geringeren Invaliditätsentschädigung erstrebt, bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist hinsichtlich der Invaliditätsentschädigung (§ 8 Abs. II AUB), um die allein es geht, schon deshalb nicht leistungspflichtig, weil die Voraussetzungen des § 8 Abs. II Nr. 1 AUB nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift, die dem Schütze des Versicherers vor unklaren Spätschäden dient (BGH in VersR. 54/33), muß eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit (Invalidität) als Unfallfolge innerhalb eines Jahres vom Unfalltag an gerechnet eingetreten und spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren 3 Monaten ärztlich festgestellt und geltend gemacht sein. Diese Anspruchsvoraussetzung (Prölß-Martin, 21. Aufl., Anm. 5 zu § 8 AUB; Wussow, 4. Aufl., Anm. 5 zu § 8 AUB) ist hier nicht gegeben:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Eine <u>dauernde</u> Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit (Invalidität) ist eine solche, deren Dauer nicht mit einiger Bestimmtheit abgesehen werden kann. Es muß anzunehmen sein, daß die Beeinträchtigung mit Sicherheit mehrere Jahre andauern wird, ohne daß ihr Ende mit einiger Sicherheit abzusehen ist (RG in VA 1934 S. 15 Nr. 2672; siehe Prölß-Martin, Anm. 4 zu § 8 AUB; Wussow, Anm. 4 zu § 8 AUB). Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob im ersten Jahr nach dem Unfall - also bis zum 27. Januar 1973 - eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit in diesem Sinne bereits eingetreten war. Dagegen könnte sprechen, daß der Zeuge ... den Kläger nach dem Ereignis vom 27. Januar 1972 zunächst nur bis zum 3. Juni 1972 arbeitsunfähig geschrieben hat, wie sich aus den Unterlagen der Innungkrankenkasse ... Bescheinigung Bl. 99 d.A.) ergibt; der Kläger selbst hat in der Klageschrift vorgetragen, er habe bis Mai 1972 nicht arbeiten können (Seite 4), von Mai bis November 1972 habe er gearbeitet (Seite 5), endgültig nicht mehr arbeiten können habe er dann ab Dezember 1973 (Seite 7; siehe auch die Angaben des Klägers gegenüber der ... Klinik ..., sein letzter Arbeitstag sei am 4. Dezember 1973 gewesen - Bl. 28 d.A. -). Allerdings kommt es nach § 8 Abs. II Nr. 1 AUB nicht darauf an, ob und in welchem Umfang der Versicherte gearbeitet hat, sondern darauf, ob seine Arbeitsfähigkeit damals schon objektiv <u>auf Dauer</u> beeinträchtigt war. Ein Indiz gegen eine solche dauernde Beeinträchtigung schon 1972 ist, daß der Kläger selbst zu Beginn des Rechtsstreits der Ansicht war, daß eine dauernde Arbeitsunfähigkeit erst etwa Ende 1973 eingetreten sei. Das Gericht braucht dieser Frage jedoch nicht weiter nachzugehen. Entscheidend ist im vorliegenden Fall, daß eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit in den 15 Monaten nach dem 27. Januar 1972 nicht <u>ärztlich festgestellt</u> worden ist. Der Kläger ist zwar innerhalb dieser 15 Monate verschiedentlich ärztlich krankgeschrieben worden. Aus den vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen und Gutachten ergibt sich aber nicht, daß in dieser Zeit ein Arzt eine <u>dauernde</u> Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit, also Voll- oder Teilinvalidität festgestellt hat. Trotz Hinweises durch Verfügung vom 17. Februar 1978 hat der Kläger eine solche ärztliche Feststellung aus den ersten 15 Monaten nach dem 27. Januar 1972 nicht darlegen können. Aus den "verschiedenen Gutachten" des Zeugen ... ergibt sich nicht, daß dieser Zeuge beim Kläger vor dem 27. April 1973 eine Invalidität festgestellt hat. Wie bereits erwähnt, hat der Zeuge den Kläger lediglich bis zum 3. Juni 1972 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Danach hat er den Kläger Anfang November 1972 wegen epileptischer Anfälle und im März 1973 wegen Grippe behandelt. Daß er hierbei eine Voll- oder Teilinvalidität und nicht nur eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit festgestellt hat, ist nicht ersichtlich. Auch aus der Tatsache, daß der Kläger vom 8. bis 28. März 1972 und vom 17. bis 21. April 1972 im ... Hospital ... sowie vom 21. April bis 9. Mai 1972 in der ... klinik ... in stationärer Behandlung war, ergibt sich nicht, daß ärztlich eine Invalidität festgestellt worden ist. Es mag sein, daß <u>später</u> eine Teilinvalidität festgestellt worden ist, eventuell sogar rückschauend bis Januar 1972, z.B. im Jahre 1974 vom Gesundheitsamt ... oder im Jahre 1975 von der Ärztlichen Begutachtungsstelle der ... (Bl. 46 ff d.A.). Auf solche ärztlichen Feststellungen <u>nach</u> dem 27. April 1973 kommt es aber nicht an. Entscheidend ist, daß eine dauernde Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit (Invalidität) in den ersten 15 Monaten nach dem angeblichen Unfall, also <u>vor</u> dem 27. April 1973 nicht ärztlich festgestellt worden ist. - Hiernach kann offen bleiben, ob der Kläger innerhalb der Frist von 15 Monaten Invalidität bei der Beklagten geltend gemacht hat (die Geltendmachung anderer Leistungen aus der Unfallversicherung, z.B. Krankenhaustagegeld oder Genesungsgeld, reicht hierfür nicht aus), oder ob er wegen Versäumung dieser Ausschlußfrist entschuldigt sein könnte (siehe hierzu Prölß-Martin, Anm. 5 c zu § 8 AUB; Wussow Anm. 7 zu § 8 AUB). Es fehlt schon an der ärztlichen Feststellung einer Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem angeblichen Unfall. Diese Feststellung ist aber Voraussetzung für die Invaliditätsentschädigung.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte verstößt nicht gegen Treu und Glauben, wenn sie sich in der Berufungsinstanz auf § 8 Abs. II Nr. 1 AUB beruft. Sie hat in der ersten Instanz eine unfallbedingte Invalidität bestritten und hat damit Erfolg gehabt. Sie ist nicht gehindert, in zweiter Instanz auf weitere rechtliche Gesichtspunkte hinzuweisen, die dem gegen sie geltend gemachten Anspruch entgegenstehen. Im übrigen wäre es auch schon in erster Instanz Sache des Klägers gewesen, die aus den AUB ersichtlichen Anspruchsvoraussetzungen darzulegen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Im übrigen bietet die Berufung aber auch deshalb keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil der Kläger nicht beweisen kann, daß er <u>infolge des Unfalls</u> vom 27. Januar 1972 in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt ist (§ 8 Abs. II Nr. 1 u. 5 AUB, § 10 Nr. 5 AUB). Nach dem überzeugenden Gutachten des vom Landgericht bestellten Sachverständigen ... vom 18. Juli 1977 beruht die Teilinvalidität des Klägers auf einer Epilepsie, die <u>nicht</u> Folge des Sturzes vom 27. Januar 1972 ist. Es ist also nicht so, daß die Epilepsie durch den Sturz entstanden ist. Vielmehr ist der Sturz auf einen (offenbar den ersten) epileptischen Anfall zurückzuführen. Der Sachverständige schließt das zwingend aus der Zungenbißverletzung und dem Einnässen; beide Erscheinungen hat der Kläger dem Sachverständigen gegenüber selbst angegeben. Die Teilinvalidität des Klägers beruht also nicht auf einem Unfall, sondern auf einer schicksalhaften Erkrankung. Darauf, ob diese Erkrankung durch Alkoholmißbrauch hervorgerufen oder begünstigt worden ist, kommt es nicht an. Darauf hat auch der Sachverständige nicht abgestellt.</p>
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316,021 | olgham-1978-04-04-2-ws-5378 | {
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"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 Ws 53/78 | 1978-04-04T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:01 | 2019-03-27T09:41:37 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1978:0404.2WS53.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird verworfen.</p>
<p>Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; jedoch hat der Angeklagte die Auslagen der Staatskasse im Beschwerdeverfahren zu tragen</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom 4. Oktober 1977 wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 35,00 DM verurteilt worden. Seine gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat die X. kleine Strafkammer des Landgerichts Essen durch noch nicht rechtskräftiges Urteil am 8. Februar 1978 verworfen.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Nachdem der Vorsitzende der Strafkammer in der Sitzung am 8. Februar 1978 den Urteilstenor verlesen hatte, verließ der Angeklagte unter lautem Protest und mit den Worten "das Scheißgericht" den Sitzungssaal - der Staatsanwalt hatte auch den Ausdruck "Idioten" gehört - und trat danach von außen heftig gegen die Tür des Sitzungssaales, die dadurch aufsprang. Da der Angeklagte nach Verlassen des Sitzungssaales nicht mehr erreichbar war - ein Sitzungswachtmeister war nicht anwesend -, setzte die Strafkammer nach Beratung auf Antrag des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, ohne dem Angeklagten das rechtliche Gehör zu gewähren, eine Ordnungshaft von drei Tagen gegen ihn fest, weil er, "wie oben festgestellt, sich einer groben Ungebühr in der Sitzung schuldig gemacht hat". Dieser Beschluß und seine Veranlassung sind in das Protokoll aufgenommen worden. Anschließend wurde das Urteil mündlich begründet. Der Ordnungsmittelbeschluß und - in Ablichtung - seine protokollierte Veranlassung sind dem Angeklagten am 13. Februar 1978 mit Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Gegen diesen Ordnungsmittelbeschluß hat der Angeklagte rechtzeitig das als "Einspruch" bezeichnete Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er sei über den Ausgang der Berufung enttäuscht gewesen. Er habe den Saal mit den Worten verlassen, er halte das Gericht für ein Scheißgericht. Das sei seine persönliche, freiheitliche Meinung, die er nicht ändere. Es sei aber keine Person gemeint. Lediglich zu seiner Ehefrau habe er geäußert: "Was sind wir doch für Idioten."</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde ist gemäß § 181 Abs. 1 GVG zulässig, sachlich jedoch unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Grundsätzlich ist dem Betroffenen vor Verhängung des Ordnungsmittels rechtliches Gehör zu gewähren; eine Anhörung erübrigt sich jedoch ausnahmsweise, wenn der äußere Tathergang und auch der Ungebührwille außer jedem Zweifel stehen, etwa bei Roheitsausschreitungen und gröbsten unflätigen Beleidigungen, und eine Anhörung nicht nur nichts zur Klärung des Falles beitragen kann, sondern nach dem bisherigen Verhalten des Täters bei Gewährung des rechtlichen Gehörs mit weiteren groben Ausfällen gerechnet werden muß (vergl, OLG Hamm, Beschluß vom 18. Februar 1977 - 1 Ws 41/77; Löwe - Rosenberg, GVG, 22. Auflage, § 178 Anm. IV 4 mit weiteren Nachweisen). Äußerer Tathergang und die Motivation des Angeklagten für sein Verhalten stehen hier zweifelsfrei fest, wie sich auch aus der Beschwerdebegründung ergibt. Hinzukommt auch, daß der Angeklagte die Möglichkeit, ihm rechtliches Gehör zu gewähren, dadurch selbst vereitelt hat, daß er sich nach seinem Verhalten aus dem sitzungspolizeilichen Bereich der Strafkammer entfernte und nicht mehr erreichbar war.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Grundsätzlich ist der Ordnungsmittelbeschluß zu begründen (§ 34 StPO) und mit den Gründen in das Protokoll aufzunehmen. Das Fehlen einer Begründung und ihre Ersetzung durch eine ausdrückliche Bezugnahme auf den Protokollvermerk über die Veranlassung - wie hier - ist jedoch dann unschädlich, wenn nach der Darstellung im Protokoll die Gründe der Entscheidung für den Betroffenen außer Zweifel stehen und auch für das Beschwerdegericht voll erkennbar sind (vergl. OLG Celle in MDR 58, 265 mit weiteren Nachweisen). Vorliegend ist dem Angeklagten der Protokollvermerk über die Veranlassung in Ablichtung mit dem Ordnungsmittelbeschluß zugestellt worden, sodaß dem Angeklagten wie auch dem Senat die Gründe der Entscheidung zweifelsfrei erkennbar sind.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Nach dem Protokollvermerk steht fest - und der Angeklagte räumt dies auch im wesentlichen ein -, daß der Angeklagte beim Verlassen des Sitzungssaales "Scheißgericht" gesagt und danach, von außen heftig gegen die Tür getreten hat, sodaß sie aufsprang. Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß diese Äußerung, die nicht aus dem grundgesetzlich garantierten Recht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) gerechtfertigt oder entschuldigt werden kann (Art. 5 Abs. 2 GG), eine grobe Beleidigung des Gerichts und das heftige Treten gegen die Tür eine Tätlichkeit darstellen, die nur als grobe Ungebühr in der Sitzung bezeichnet und gewertet werden können. Daß die Verhaltensweise des Angeklagten auch von Ungebührwillen getragen ist und nicht, wie er behauptet, auf einem "Enttäuschungsschock" wegen des Ausgangs der Berufungsverhandlung beruht, ergibt sich auch aus der Beschwerdebegründung, in der er an seiner Äußerung festhält und seine Meinung nicht zu ändern gedenkt. Demnach hat die Strafkammer zu Recht gemäß § 178 Abs. 1 GVG ein Ordnungsmittel gegen den Angeklagten festgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Zweifelhaft ist jedoch, ob die Strafkammer den Ordnungsmittelbeschluß auch auf den Ausdruck "Idioten" gestützt hat, da diese Äußerung lediglich vom Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft gehört worden ist. Sollte dies der Fall sein, so wäre das Vorliegen einer Ungebühr insoweit zweifelhaft, weil nicht auszuschließen ist, daß der Angeklagte, wie er behauptet, aus Verägerung diesen Ausdruck lediglich auf sich und seine Ehefrau, nicht aber auf das Gericht bezogen hat und beziehen wollte.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Art und die Höhe des festgesetzten Ordnungsmittels sind nicht zu beanstanden, wobei der Senat allein den Ausdruck "Scheißgericht" und die Tätlichkeit zugrunde legt. Das Ausmaß der begangenen Ungebühr wiegt schon objektiv schwer. Hinzukommt aber auch, daß der Angeklagte, wie er in seiner Beschwerdeschrift ausgeführt hat, an seiner Äußerung festhält und seine Meinung nicht zu ändern beabsichtigt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Nach alledem war die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO, bezogen auf die Auslagen der Staatskasse (§ 464 a Abs. 1 StPO) im Beschwerdeverfahren zu verwerfen.</p>
|
316,023 | ag-altena-1978-03-01-8-f-1977 | {
"id": 623,
"name": "Amtsgericht Altena",
"slug": "ag-altena",
"city": 383,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 8 F 19/77 | 1978-03-01T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:03 | 2019-03-27T09:41:37 | Beschluss | ECLI:DE:AGAL:1978:0301.8F19.77.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I. Der Beschluss des vorliegenden Amtsgerichts – Familiengericht – vom 05.09.1977 wird durch diesen ersetzt.</p>
<p></p>
<p>II. Gemäß § 628 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZPO (neu) bleibt das Verfahren be-treffend die Folgesache „Versorgungsausgleich“ (§ 623 Abs. 1, 3 ZPO) aus dem Entscheidungsverbund abgetrennt.</p>
<p></p>
<p>III. Das Gericht hält folgende Gesetze für verfassungswidrig:</p>
<p></p>
<p>1. Art. 12 Nr. 3 Abs. 1 des 1. EheRG, soweit dadurch unter den „Folgen der Scheidung“ die aus §§ 1587 bis 1587 p BGB (neu) – Versorgungsausgleich (VA) – auch für solche Ehen gelten, die vor dem 1. Juli 1977 geschlossen worden sind.</p>
<p>2. §§ 1587 bis 1587 p BGB (neu) und die damit korrespondieren-den Vorschriften der RVO und der dieser gleichgestellten Ge-setze (AVG, Knapp-SG, Beamtenversorgungsgesetze des Bundes und der Länder usw.) </p>
<p>soweit danach ein VA richterlich durchzuführen und versiche-rungsrechtlich auszuführen und beizubehalten ist ohne Rücksicht darauf</p>
<p>a) ob der Ausgleichsberechtigte den Rentenfall überhaupt er-lebt,</p>
<p>und/oder ob der Ausgleichsberechtigte vor dem Aus-gleichsverpflichteten verstirbt (kein „Rückfall“ der Rente an den Verpflichteten bei Tod des Berechtigten),</p>
<p>b) ob der Ausgleichsberechtigte sich durch Wiederheirat (ins-besondere mit dem „Ehestörer“) eine angemessene, nach-haltige sonstige Altersversorgung verschafft oder verschaf-fen kann.</p>
<p>3. Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 Satz 3 und 4 des 1. EheRG.</p>
<p></p>
<p>IV. a) Gemäß Art. 100 I GG bleibt die gemäß Ziffer II dieses Beschlusses </p>
<p> abgetrennte Folgesache ausgesetzt.</p>
<p>b) Das abgetrennte und ausgesetzte Verfahren bleibt gemäß Art. 100 I </p>
<p> 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">Sachverhalt</p>
<span class="absatzRechts">2</span><ol class="absatzLinks" type="I"><li>der jetzt 44jährige Ehemann und die jetzt 42jährige Ehefrau haben einander am 12. April 1957 in beiderseits erster Ehe geheiratet. Beide sind Deutsche. Sie haben aus der Ehe zwei Kinder: die volljährige Tochter B (geb. 27.09.1957) und den jetzt volljährigen Sohn V (geb. 20.02.1960). Ulrich lebt noch im Haushalt des Vaters.</li></ol>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">Nach vorausgegangenen Spannungen haben sich die Parteien am 06.01.1974 getrennt. Die Ehefrau ist seit circa 3 Jahren mit einem anderen Mann befreundet, mit dem sie seit circa 2 Jahren auch zusammenlebt. Der Ehemann hat seit circa 2 Jahren eine feste Bindung an eine andere Frau. Auf die Ehescheidungsklage (alten Rechts) vom 10. Januar 1977, die im Januar 1977 zugestellt wurde, ist die Ehe der Parteien durch seit dem 11.02. 1978 rechtskräftiges Urteil des vorlegenden Familiengerichts vom 09.02.1978 nach neuem Recht geschieden worden. Das Urteil lautet:</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">" I. Die am 12.04.57 vor dem Standesbeamten des Standes- amtes in Werdohl (Nr. 00/00) geschlossene Ehe der Parteien</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">wird geschieden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">II. a) Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander auf-</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">gehoben.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">b) Dies gilt nicht für die Kosten des Verfahrens betreffend den Versorgungsausgleich, das gemäß § 628 Abs. 1 Nr. 3 ZPO</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">abgetrennt und gemäß Art. 100 GG ausgesetzt ist; über die </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">Kosten dieses Folgesachenverfahrens (Versorgungsaus-</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">gleich) zu entscheiden.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">III. Die elterliche Gewalt über das gemeinsame minderjährige</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">eheliche Kind der Parteien</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">Ulrich, geb. am 20.02.60,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">wird dem Ehemann übertragen."</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">In den Entscheidungsgründen heißt es u. a.:</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:106px">"Sonstige Familiensachen im Sinne der §§ 621, 623 ZPO sind nicht anhängig mit Ausnahme des Verfahrens wegen des Versorgungsausgleichs, das abgetrennt worden ist (§ 628 Abs. 1 Nr. 3 ZPO), weil <u>beide</u> Parteien nicht zuwarten wollen (was keinem von ihnen auch zumutbar ist), bis die Vorlage nach Art. 100 GG beschieden und das Verfahren im Übrigen beendet ist."</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">II. Zur vita socialis haben die Parteien vorgetragen: Ihre Ehe sei anfangs wie üblich verlaufen. Die Ehefrau habe zu Beginn der Ehe ca. 2 Jahre lang noch mitgear- beitet, nachdem sie schon vor der Ehe berufstätig war. Von 1959</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">bis 1966 habe sie nicht gearbeitet. Danach jedoch habe sie von Mal </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">zu Mal, wie es dann gegangen sei, gearbeitet, z. B. 1974 ganz, da- nach weniger. II FGG der LVA Westfalen weißt aus, dass sie währ- end der Ehezeit im Sinne des § 1587 BGB (01.04.57 bis 31.12.76) Anwartschaften auf Rente in Höhe von monatlich 88,50 DM erwor- ben hat.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">Der Ehemann hat in derselben Zeit durchweg versicherungspflichtig </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">gearbeitet und Anwartschaften in Höhe von monatlich 670,30 DM</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">erworben.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">Wenn ein VA gemäß § 1587 b II BGB vollzogen werden müsste, wär- en vom Konto des Ehemannes auf das der Ehefrau Anwartschaften </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">auf Rente in Höhe von 290,90 DM, bezogen auf die Ehezeit, zu über- tragen. Sonstige Altersvorsorge wurde nicht betrieben. Das Altersrentengeld insgesamt (mit den Zeiten vor der Ehe) betrüge, wenn die Rentenvor-</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">aussetzungen z. Zt. vorlägen, für den Ehemann 792,30 DM, für die Ehefrau 194,30 DM.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:57px">Vorlegungsgründe (Art. 100 I GG)</p>
<span class="absatzRechts">28</span><ol class="absatzLinks" type="I"><li>Das Gericht ist überzeugt, dass die Überleitungsvorschrift des Art. 12 Nr. 3 Abs. 1 des 1. EheRG verfassungswidrig ist. Danach gilt das neue Ehescheidungs- und Ehescheidungs<u>folgen</u>recht auch für die Ehen, die vor dem 07.07.1977 geschlossen worden sind, aber danach geschieden werden – es ist einem Ehegatten auch heute noch verboten, seine jährliche anfallenden Anwartschaften zur Hälfte – der Differenz – auf den anderen Ehegatten zu übertragen, so dass nur <u>gescheiterte </u>Ehen besonders geschützt werden, während es einem Ehemann, der seine Ehefrau schon bei intakter Ehe absichern will, nicht möglich ist, der Ehefrau gehörige Anteile seiner Altenversicherung zu übertragen. Ab ca. 1984 aber wird er dann eventuell dazu gezwungen werden – Rentenreform mit Hausfrauenrenten, eventuell wieder rückwirkend -, obgleich dann vielleicht die Ehe schief stehen könnte, und wenn er vorerst eine private Lebensversicherung auf Kapital abschließt, dann fällt deren Rückkaufswert in den <u>Zugewinnausgleich</u>, ist also nicht auf die Vorsorge für das Alter bezogen, wie auch jetzt schon in den vielen Fällen des Zugewinnausgleichs <u>neben</u> dem Versorgungsausgleich. § 1587 c BGB sieht insoweit eine "Verrechnung" dieser beiden Gesichtspunkte nicht vor (Art. 3 GG im Verhältnis intakter Ehe zu gescheiterter Ehe?). </li>
<li>Die Vorlage zu III. 1. wird begründet mit einem Verstoß dieser Vorschrift gegen Art. 2 (i.V.m. Art 19)m 14, 20 GG:
<span class="absatzRechts">29</span><ol class="absatzLinks"><li>Art. 2 GG i. V. m. Art 19 GG: Die Parteien hatten ihre Ehe nach bisherigem Recht "normal" ausgerichtet. Es war dem Ehemann <u>verboten</u>, seine Rentenanteile von Jahr zu Jahr hälftig auf die Ehefrau zu übertragen. Da er es nicht konnte, und da er privaten Versicherungen wegen ihrer Bestandskraft bei Währungskrisen und Kriegen misstraute, blieb also alles bei dem, was "so üblich" war. Vorsorge für das Alter fand außer in der gesetzlichen Versicherung nicht statt. Nunmehr aber wird er gezwungen, die Hälfte seiner Altersvorsorge abzugeben, ohne dass er sich hinreichend gut nachversichern kann; denn die Einkaufwerte zum Ausgleich des Versorgungsausgleichs sind so hoch (hier bei ca. 46.000 ,- DM im Jahre 1978), dass sie das Vermögen des Ehemannes bei weitem übersteigen; sie sind illusorisch. Der Bürger wird also durch den Staat zu etwas gezwungen, was ihm bis dato (01.07.77) <u>verboten</u> war! Darin liegt ein Verstoß gegen das Grundrecht der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG). Dieses garantiert ein "Mindestmaß menschlicher Handlungsfreiheit" (BVerfGE 4, 15), soweit nicht schon einzelne Teilbereiche der Freiheitsentfaltung durch andere Grundrechte konkreter geschützt sind. In dem engen Bereich, der somit noch zu dem originären Schutzbereich des Art. 2 GG gehört, fällt auch die Möglichkeit, frei für die Zukunft disponieren zu dürfen (wobei allerdings nicht die Lebensformen erstarren, sondern im Rahmen der Vorhersehbarkeit – auch rückwirkend Gesetzesänderungen erlaubt sein dürfen). Diese Rückwirkung darf aber a) die Vorhersehbarkeit nicht übersteigen, b) sie muss auf sachlichen Erwägungen beruhen und c) darf in der Auswirkung nur geringfügig belastend sein (vgl. BVerfGe 1, 280; 2, 26; BGHZ, 18, 197). Die Trias diese drei Merkmale wird hier außer Acht gelassen. a) Diese Entwicklung war nicht vorhersehbar. Bisher war sogar eine freiwillige Abtretung von Renten (Anwartschaften) nach einfachem Recht verboten. Es war dem Ehemann z. B. verboten, laufend einen Teil seiner Anwartschaften zu übertragen und zugleich durch freiwillige höhere Versicherungen die Ansprüche auf gesetzliche Rentenversicherung aufzustocken, und das ist einem Ehemann sogar heute noch verboten, wenn er in intakter Ehe lebt. Der heute erörterte Trend zur "Hausfrauenrente" kommt in 6 Jahren auch nicht zu einem jetzt schon vorhersehbaren Ergebnis, und wenn diese Reform kommt, wird sie sicherlich die Möglichkeit eröffnen, dass zumindest freiwillige Höherversicherungen stattfinden, um beiden Ehegatten für das Alter eine Rente in der Höhe zu ermöglichen, die zum Leben ausreicht, was mit einem schlichten Rentensplitting bei gleichbleibendem Beitragssatz (z.Zt. 18 %) nicht erreichbar ist! Da die Rückversicherung nicht nur an diesem Fall (Ausgangssache), sondern zumindest an allen <u>typischen</u> Fällen orientiert sein muss, sei auch auf die Lage der Beamten hingewiesen, denen es verwehrt war und (bei nicht-geschiedener Ehe) noch ist, eine Höherversicherung (der Versorgungsansprüche und/oder in eine gesetzliche Rentenversicherung) herbeizuführen. Private Rentenversicherungen haben keinen halbwegs (volldynamischen) Vergleichswert, wie allein schon die Umrechnungsfaktoren der Barwertverordnung zeigen. Das Urteil des AG Lüneburg (in NJW 78, 379) überzeugt mit dem Hinweis auf "größere" Dispositionsfreiheit schon deshalb nicht, weil es die Rückwirkungsfrage gar nicht berührt. Der Fall dieser Rückwirkung kann deshalb nicht einmal mit dem GleichbG verglichen werden, weil Art. 117 GG insoweit sogar eine Änderung programmiert hatte (Vorhersehbarkeit war insoweit sogar gegeben – gleichwohl gab es den Art. 8 II Ziffer 4 GleichbGG!). b) Die Regelung (Rückwirkung) ist auch in sachlichen Erwägungen nicht hinreichend gestützt. Es handelt sich (entgegen der Auffassung von Bogs in FamRZ 78, 86/87) nicht um eine schlichte, sachgerechte Umverteilung des Unterhalts. Der Geschiedenenunterhalt machte und macht heute noch vor dem "angemessenen" Selbstbehalt des Verpflichteten halt, selbst bei der Pfändbarkeit von Renten noch (vgl. § 54 SBG mit seinen engen Grenzen!). Ein Rentner mit einer Rente in Höhe von 1.200,- DM braucht diesen Betrag für sich allein, wenn er in einem Altenheim wohnt oder eine Haushälterin benötigt; die nach alten Recht geschiedene Ehefrau und die nach dem 01.07.1977 noch nicht geschiedene (aber getrennt lebende) Ehefrau hat aus §§ 58, 59 EheG oder § 1361 BGB (alt oder neu) deshalb keinen Unterhaltsanspruch. Wird aber diese Ehe nach dem 01.07.1977 mit VA nach 40jähriger Ehe geschieden, so erhält der Ehemann von Beginn des Rentenfalls der Ehefrau an (mit einer Höhe von ca. 550,- DM je Monat) eben nur noch eine Rente von ca. 650,- DM. Dieses bedeutet, dass nunmehr statt eines Menschen zwei Menschen nicht mehr völlig eigenverantwortlich wirtschaften und leben können, sondern von der staatlichen Zuteilung an Sozialmitteln abhängig sind, also deutlich unfreier geworden sind (abgesehen davon, dass der staatliche Aufwand an Personal im Sozialamt auch steigt). Der "große Spielraum" des Gesetzgebers (vgl. Müller in NJW 77, 1746 mit Belegen in Fußnoten 15 und 16) ist deshalb überschritten (so auch Müller a.a.O.). </li></ol></li></ol>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:92px">c) Das Ausmaß der Rückwirkung ist auch nicht nur geringfügig in seiner Tragweite für die Parteien des Ausgangsfalles. Der Ehemann wird beim Rentenfall (auf heute bezogen, die Relationen werden später dieselben sein) eine um 290,90 DM verminderte Rente erhalten. Nun sind 290,90 DM nicht gleich 290,90 DM zu setzen, sondern es ist zu beachten, welchen Stellenwert gerade dieser Betrag hat. Die Rente würde nach dem normalen Lauf der Dinge ca. 1.200,- DM liegen. Der dann fehlende Betrag würde zu einer Verminderung auf ca. 900,- DM führen. Mit 900,- DM ist im extrem der Grundbedarf gedeckt (Miete, Grundnahrungsmittel, Kleidung), aber der dann fehlende Betrag von weiteren ca. 300,- DM würde es erst ermöglichen, daraus Vergnügungen kleinerer Art (wie Vereinsmitgliedschaften, Fußballeintrittskarten, Hobbies, Urlaubsreisen usw.) zu finanzieren, also gerade das, was eigentlich (besonders im berufsfernen Alter) das Leben noch lebenswert und liebenswert macht. Für die Ehefrau hingegen wirkt sich der übertragene Anteil zwar absolut gemessen in demselben Betrag aus, aber nach dem normalen Lauf der Ding wird sie insgesamt keine Rente mehr in der Höhe erarbeiten können, die ausreicht, auch nur den Grundstock ihres Bedarfs zu decken. Falls sie wiederheiraten würde, (was sie – nach heutiger Einstellung – trotz Bindungen an einen anderen Mann gar nicht will; was ist da vorhersehbar?) wäre sie zwar abgesichert, aber gleichwohl bliebe die erhebliche Beeinträchtigung des Ehemannes, die noch höher wäre, wenn er beim Rentenfall wiederverheiratet wäre, da dann zwei Menschen von einer nicht hinreichenden Rente leben müssten! Das schlichte Rentensplitting ist zwar rechnerisch praktikabel, aber kann sich in dieser Rigorosität nicht mehr auf hinreichend sachliche Erwägungen (Abwägung) stützen. Junge Ehen, d. h. solche von 2-3 Jahren Dauer, werden kaum messbar berührt, diese Eheleute konnten sich sogar in etwa auf das neue Recht einstellen; aber für Ehen von langer Dauer (ca. 20 Jahre oder mehr) bedeutet das hälftige Splitting eine Alten-Katastrophe für den Fall der Nur-Hausfrauenrente. Das Gesetz gab früher diesen Eheleuten gar keine Chance, sich besser abzusichern. Wer 1962 heiratete, durfte eine Ehefrau, die erst ca. 1 Jahr gearbeitet hatte und jetzt in den Haushalt ging, nicht einmal freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung weiterversichern. d) Die Überleitungsregeln des Art. 12 Nr. 3 Absätze 3 und 4 des 1. EheRG für sich allein oder in Verbindung mit § 1587 c BGB (der an sich gar nicht direkt herausgezogen werden kann, da er logischerweise dann nicht gilt, wenn die Rückwirkung im ganzen nicht gilt, die aber interpretatorisch für Art. 12 Nr. 3 Absätze 3 und 4 des 1. EheRG beachtet sein muss), zeigen keinen Weg zur befriedigenden Abhilfe im Ausgangsfall. Eine frühere Abfindung gab es nicht. Auch hat keiner der Ehegatten es zurechenbar unterlassen, Anwartschaften zu erwerben. Allenfalls könnten in analoger Abwendung des Art. 12 Nr. 2 Abs. 3 des 1. EheRG die Anwartschaften (auf <u>beiden</u> Seiten!) für die Jahre 1974-1976 außer Ansatz bleiben, wenn man das Ende der Ehezeit im Sinne des § 1587 BGB gegen dessen Wortlaut auf das Ende der Ehegemeinschaft verlegte (welcher Auslegung der eindeutige Wortlaut entgegensteht) oder wenn man die Unbilligkeitsklausel des Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 des 1. EheRG auch für solche Eheleute anwendete, von denen nach der Trennung <u>keiner</u> eine Klage (aus §§ 43, 42 EheG – dort gar nicht erwähnt!) aus § 48 EheG (alt) nur wegen Abs. 2 <u>erfolglos</u> versucht hatte. Abgesehen davon, dass diese Unbilligkeitsklausel in sich verfassungswidrig ist (vgl. unten IV) weil sie vorausgegangene Gerichtsurteile, die auf einem Widerspruchs-<u>Recht</u> beruhen, diskreditiert, und insoweit die "Vorhersehbarkeit" geradezu auf den Kopf stellt, könnte nur ein Rückgriff auf §§ 138, 242 BGB theoretisch noch helfen (Zeit 1974-1976); aber schon eine überschlägliche Durchrechnung zeigt, dass dann, wenn bei <u>beiden</u> Eheleuten die Anwartschaften aus diesen Jahren außer Betracht bleiben, der zu übertragende Teil immer noch bei ca. 250 bis 270,- DM je Monat läge. Das eigentliche Problem der Rückversicherung wäre nicht gelöst.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><ol class="absatzLinks" start="2"><li>Zu Art. 14 GG: Auch Ansprüche auf Renten aus öffentlich-rechtlichen Ansprüchen sind Eigentum im Sinne des Art. 14 GG (vgl. Kimmich im Bonner Kom. Nr. 71 zu Art. 14 GG mit Dürig im JZ 58, 23), wobei hier der Streit, ob es einem "vulgären Begriff der Enteignung" oder nur eine "rechtstechnische Enteignung" gibt (Kimmich im Bonner Komm. Rd. Nr. 120) dahingestellt bleiben mag. Ein rückwirkender Eingriff in die Substanz so erworbener "höchstpersönlicher" Rechte (d.h. nach früherem Recht nicht übertragbarer, selbst heute für Unterhalt nur bedingt und eingeschränkt pfändbarer Rechtrente; vgl. § 84 SGB) kommt einer echten Enteignung gleich, ist nicht nur eine "andere Inhaltsbestimmung". In einem anderen Ausgangsverfahren, von denen viele angeführt werden könnten, wenn das vorlegende Gericht alle Sachen vorlegen würde (statt die Parteien zu besänftigen und auf ein Ruhen der Sache –VA- hinzuwirken!) sagte der 78jährige Ehemann in Gegenwart seiner 73jährigen Ehefrau, die sich seit gut 3 Jahren nach 45 Jahren Ehe von ihm gelöst hatte zu dem Richter ganz direkt: "Sie werden ein toter Mann sein, wenn Sie mir einen Pfennig von der Rente nehmen. Dann erschieße ich Sie! Ich habe 50 Jahre Draht gezogen, aber nicht dafür, dass ich jetzt zum Sozialamt muss, wenn mir nun von meiner Rente (von ca. 1.200,- DM) nur noch 700,- DM verbleiben". Dieser Mann hat im Auge: Seine Ehefrau hat sich von ihm vor ca. 3 Jahren getrennt, weil "sie es leid war", der Ehemann habe zu oft "herumgenörgelt", jetzt sei er halb verkalkt und sie wolle seine weiteren "Meckereien" nicht anhören, bei ihrer Tochter habe sie es besser". Ein <u>Unterhalts</u>anspruch jener Ehefrau ist, weil der Ehemann die Rente für sich und eine Pflegeperson allein braucht, z. Zt. ausgeschlossen – aber wenn die Ehe demnächst geschieden wird (mit VA), so verbleiben dem Mann nur ca. 700,- DM, er ist also <u>dann</u> ohne hinreichende Mittel für den eigenen Bedarf, es gibt einen Sozialfall mehr und für einen Menschen die nötige finanzielle Sicherung der persönlichen Freiheit weniger – und es liegt auf der Hand, dass "Freiheit" nur dann sich ereignen kann, wenn sie wirtschaftlich abgesichert ist. Die Ehefrau in jener Sache ist schon schlecht dran – warum muss der andere Ehegatte auch noch unfrei werden – wer bringt ihm das in seinem Alter plausibel bei? </li>
<li>Art 20 GG: Das Recht ist mehr als die Summe der Gesetze. Gesetze kommen und gehen, das Recht bleibt bestehen. Der Rechtsstaat muss deshalb auch auf die Kontinuität der Gesetze achten. Änderungen sind dann verfassungswidrig, wenn sie durch eine echte Rückwirkung von Gesetzen in früher nicht einmal disponible Möglichkeiten, das Leben rechtlich zu gestalten eingreifen, indem sie rückwirkend <u>gebieten</u>, was früher sogar <u>verboten</u> war (Willkürverbot), und das Verbot für intakte Ehen noch aufrechterhalten. Der Vergleich zu Art. 8 II Ziffer 4 GleichbG ("einseitiger Ausschluss der Rückwirkung") drängt sich (entgegen Bogs a.a.O. mit Schwab in FamRZ 77, 768/9) auf. "Vermögen" (Zugewinn) mag sogar nich antastbar sein, es geht sowieso oft schicksalhaft oder schuldhaft verloren, aber eine Anwartschaft auf gesetzliche Rente ist quasi absolut sicher (selbst in anderen Sozialordnungen). Die von Bogs im FamRZ 78, 85 rechts unten/86 links oben erwähnte "versicherungssystemgerechte Wirkung" kann in Herz und erst recht im Verstand als Hindernis für Gerechtigkeit im Einzelfall nur aufnehmen, wer Versicherungs<u>technik</u> mit Recht zu identifizieren erlernt hat. Die im Beschluss des vorliegenden Gerichts vom 05.09.1977 (FamRZ 1977, 794/5) erwähnten Beispiele stellen auch keine "Härtefälle" im Randbereich, sondern einen messbaren Teil des Alltags des Familiengerichts dar, und was die Arbeits- und Problembelastung angeht (gerade der bei der Erörterung mit den Parteien gewichtigere Teil) den erheblicheren Teil, zumal wenn auf die Anwartschaft quasi schicksalhaft ("fatal") verbindliche Aussagen seitens des Gerichts erwartet. </li></ol>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">III. Der Vorlagepunkt zu III 2) des Tenors dieses Beschlusses kommt natürlich (logisch) nur zum tragen, wenn ein VA im Ausgangsfall stattfinden muss. </p>
<span class="absatzRechts">33</span><ol class="absatzLinks"><li>Warum muss zwingend der abgesplittete Teil für den Ehegatten, der ihn erarbeitet hat, verloren sein, wenn die absplittung dem Berechtigten gar nichts nützt, z. B. weil er den Rentenfall gar nicht erlebt? Eine Enteignung (Art. 14 GG) liegt auch darin, einem Menschen etwas zu nehmen, nur um eine quasi-Behörde (LVA, BVA usw.) zu sanieren (vgl. "Parafiskus" bei Bogs im FamRZ 78, Seite 86 oben links). </li>
<li>Zur "Moral", soweit sie rechtlich relevant ist (Art. 2 I GG, §§ 138, 242 BGB), wobei die Fragestellung "Moral als rechtliches Minimum" oder als "rechtliches Maximum" wenig hergibt, eher der Begriff des "Rechts als konfektionierte Sittlichkeit"(Maunz-Dürig, Rd. Nr. 16 zu Art. 2 GG): Eine Ehegatte fühlt sich sicherlich bestraft, wenn sein geschiedener Partner nach langer Ehe ½ der Rente mitnimmt und den <u>Ehestörer</u> heiratet und nach dessen Tod eine Witwenrente erhält - neben der eigenen Rente. Mit § 1587 c BGB ist dem nicht beizukommen, auch nicht mit §§ 138, 242 BGB. Auch im vorliegenden Ausgangsfall ist diesem Problem <u>damit</u> nicht beizukommen. Die Ehefrau lebt zwar mit einem anderen Mann zusammen, aber – wie sie sagt "eine neue Heirat kommt für mich nicht in Frage"; eine Prognose kann gar nicht gestellt werden, und wenn die Ehefrau dann doch wieder heiratet (den Ehestörer), so kann der VA danach "einmal vollzogen" nicht wieder rückgängig gemacht werden. Die ratio legis ist wohl der Schutz der Versicherungsträger vor Änderungen ihres Bestandes und ihrer Computer<u>technik</u> und ihrer Planungssicherheit für den Fall, dass solche Fragen wie "Rückfall" und "Eigensicherung" das versicherungsrechtliche Getriebe stören würde (vgl. schon oben zu Bogs "versicherungssystemgerechte Wirkung").</li></ol>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:78px">IV. Die spezielle Überleitungsvorschrift des Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 Satz 3 1. EheRG ist hier nur <u>anscheinend</u> nicht tangiert. Sie enthält aber einen Grundsatz, der das gesamte Reformgesetz qua Auslegung betrifft; wie <u>auch hier</u>; nämlich: Eine Ehegatte, der früher eine Scheidung aus § 48 EheG versucht hatte, aber <u>nur </u>wegen des Widerspruchs des anderen Ehegatten (Abs. 2 § 48 EheG) gescheitert ist, kann nunmehr Rechte auf Reduzierung des Versorgungsausgleichs geltend machen. Diese Vorschrift "demaskiert" geradezu die Reform, was ihre Rückbezüglichkeit angeht. Während der (IV. Zivilsenat des) BGH deutlich gesagt hat, wie § 48 EheG in der früher novellierten Fassung zu verstehen sei, diskreditiert die neue Überleitungsvorschrift das frühere Recht, indem sie dem Ehegatten, der von einem ihm ausdrücklich gewährten Recht Gebrauch gemacht hat, nun mit einer Kürzung des Versorgungsausgleichs bedroht, <u>weil</u> er früher einer Scheidung nicht zugestimmt, sondern von dem ihm gewährten Recht Gebrauch gemacht hat. Demgegenüber muss aber bedacht werden (gegen Schwab in FamRZ 77, 772/3): Eine wiederholte Klage eines Ehegatten wird (wiederholt) deswegen (durch 3 Instanzen) abgelehnt, weil alle <u>3</u> Gerichte noch eine Bindung des beklagten Teils an die Ehe festgestellt haben – dafür soll diese Ehegatte nun Nachteile hinnehmen können müssen! Eine missbräuchliche Geltendmachung des Widerspruchsrechts ist natürlich in dem früheren Verfahren in drei Instanzen schon überprüft worden. Fälle einer "Billigkeit" im Sinne dieser Überleitungsvorschrift sind deshalb schon begrifflich ausgeschlossen, weil die Billigkeitsprüfung schon darin wiederlegt wird, dass der Ehegatte frei von Rechtsmissbrauch nur ein Recht geltend gemacht hat. Dass politische Mehrheiten wechseln ist nicht nur vorhersehbar, sondern auch gut – aber Verlässlichkeit muss gegeben bleiben, soweit das Recht (nicht nur Gesetze) tangiert wird. Ein Gesetz aber, das derart konträr gegenüber dem früheren Recht steht, ist kein Reformgesetz mehr, sondern ermangelt der nötigen Differenzierung (sachliche Erwägungen). Eine Ermessens-, Billigkeitsvorschrift, die in sich schon alle Gegenteile verneinen muss, ist allein schon wegen dieser in-sich-Diskrepanz verfassungswidrig (Rechtsstaat-Rechtssicherheitsstaat). Wenn diese Überleitungsvorschrift gültig sein sollte, müsste daraus für vorliegenden Fall der Schluss gezogen werden, dass es auf die Zeit ab Trennung der Ehegatten ankommt, wenn einer der Ehegatten auch schon vor dem 01.07.1977 berechtigt gewesen <u>wäre,</u> (wie hier) eine eventuell unbegründete Klage auf Scheidung aus § 48 EheG oder § 42 EheG zu erheben; denn es kann für den "Antrag" aus der Überleitungsvorschrift nicht darauf ankommen, ob der Teil, der sich getrennt hat, ohne Erfolg eine Klage riskiert hat ("Frechheit siegt") oder – z.B. wegen guten anwaltlichen Rates – davon Abstand genommen hat. Wenn man den Grundgedanken (verfassungskonform) übernimmt, so müssten alle Eheleute den Antrag auf Reduzierung des Versorgungsausgleichs erst recht stellen dürfen, die zwar haben, aber dies mit Erfolg <u>hätten</u> tun dürfen (mit Scheidungsfolgen alten Rechts – ohne VA). Abgesehen davon ist des irrational, wenn der Ehegatte, der <u>gegen</u> guten Rat die Klage aus Schuldbewusstsein unterlassen hat. § 1587 c BGB ist demgegenüber im vorliegenden Fall kein Heilmittel, da der eindeutig enge Wortlaut des § 1587c BGB keine (verfassungskonfuse) Auslegung zulässt, dass es ab der Zeit der Trennung per se keinen VA gäbe.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><ol class="absatzLinks" type="I"><li>Der Vorlagebeschluss vom 5.9.1977 (FamRZ 77, 794/5) ist damit überholt. Zur Praxis des vorlegenden Familiengerichts in den anderen hier anhängigen Sachen sei angemerkt, dass § 1587 o BGB nicht für verfassungswidrig erachtet wird (vgl. auch den Beschlusstenor), auch mit dem Umkehrschluss, dass ein Versorgungsausgleich dann rückwirkend stattfinden kann, wenn <u>keiner</u> der Ehegatten (nach Belehrung) widerspricht; denn "kein Widerspruch" ist insoweit so zu behandeln, wie der Verzicht auf einseitigen Ausschluss im Sinne des erwähnten Art. 8 II Ziff. 4 GleichbG, und dieses Verfahren ist deshalb mit §§ 8 GKG, 16 KostO, § 839 BGB Art. 34 GG vereinbar, so dass ein Teil der hier anhängigen Verfahren unausgesetzt bleiben kann.</li></ol>
|
316,024 | olgham-1978-02-13-4-uf-7378 | {
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} | 4 UF 73/78 | 1978-02-13T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:04 | 2019-03-27T09:41:37 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1978:0213.4UF73.78.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts Lünen vom 3. Januar 1978 wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Eine Erstattung außergerichtlicher Kasten findet nicht statt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Gründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Durch den angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht der Antragstellerin das Armenrecht für ihr Scheidungsbegehren versagt, weil die Parteien noch nicht ein Jahr getrennt leben und die Fortsetzung der Ehe für die Antragstellerin keine unzumutbare Härte darstelle.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die dagegen gerichtete Beschwerde ist gemäß § 127 ZPO zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hat auch mit der Beschwerde nicht hinreichend dargetan, daß die Fortsetzung der Ehe für sie eine unzumutbare Härte im Sinne des § 1565 Abs. 2 BGB darstellen würde. Die Beschwerdebegründung deutet darauf hin, daß die Antragstellerin den Zweck des § 1565 Abs. 2 BGB verkennt. Dieser ist nämlich nicht nur als Härteklausel zum Schutz des nicht scheidungswilligen Teils gedacht sondern er soll im Sinne eines "Trennungsjahres" verfrühte Scheidungen verhindern. Auf ein derartiges Trennungsjahr soll nur verzichtet werden, wenn der Fortbestand der Ehe durch nur dem Bande nach für den die Scheidung begehrenden Teil eine unzumutbare Härte darstellen würde. Dies ist zwar nicht unbestritten. Der Senat ist jedoch in Übereinstimmung mit der sich bereits abzeichnenden überwiegenden Meinung der Rechtsprechung der Auffassung, daß es lediglich auf den formellen Fortbestand der Ehe, nicht auf die Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft ankommt (anderer Meinung Wolf in Münchener Kommentar, § 1565, Bemerkung 94, Schwab FamRZ 1976, 491, 504). Für die Meinung der Rechtsprechung spricht, daß § 1565 Abs. 2 BGB gerade die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft voraussetzt weil erst dann ein Trennungsjahr Zustandekommen kann. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin irrt, wenn sie in der Beschwerdebegründung die Auffassung vertritt, die Zumutung, am Bande der Ehe festzuhalten, würde zur Konsequenz haben, dass sie auf Grund einer willkürlichen Laune des Antragsgegners dessen Verlangen nach Fortsetzung der Ehe mit allen daraus resultierenden Pflichten nachkommen müsse". Sie kann vielmehr sehr wohl für sich das Recht auf ein getrenntes Leben in Anspruch nehmen. Die formelle Auflösung der Ehe kann sie jedoch nur bei gravierenden Verhaltensweisen des anderen Ehegatten, die in erheblichem Maße gegen die Ehe und die sich aus der ehelichen Lebensgemeinschaft ergebenden Pflichten verstoßen, verlangen. An diese Verstöße sind, wie sich aus dem Gesetzeswortlaut "unzumutbare Härte" ergibt, erhebliche Anforderungen zu stellen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Derartig schwerwiegende Fehlverhalten sind hier aber nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden. Zwar behauptet die Antragstellerin - ohne jeden Beweisantritt -, daß der xxx Antragsgegner mit wechselnden weiblichen Personen außereheliche Beziehungen unterhalte. Dieser Vortrag, der mit keinerlei weiteren Tatsachen belegt ist, ist in dieser Form so unsubstantiiert, daß er sich einer Nachprüfung entzieht. Selbst wenn er zutreffen sollte, ist aber zu berücksichtigen, daß die Antragstellerin selbst sich auch einem anderen Partner zugewandt hat. In einem solchen Fall liegt in der Regel keine Härte vor, die das Festhalten an der Ehe dem Bande nach unzumutbar macht. Das eigene Fehlverhalten der Antragstellerin relativiert nämlich die Bedeutung des Verhaltens des Antragsgegners so, daß eine unzumutbare Härte, die in der Person des anderen Ehegatten ihre Ursache haben müßte, nicht mehr bejaht werden kann (vergleiche auch den Beschluß des 2. Senats des OLG Hamm vom 24.11.1977, FamRZ 1978, 28 f.).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Etwas anderes würde möglicherweise gelten, wenn der in der Klageschrift erhobene Vorwurf zuträfe, dass der Antragsgegner andere Frauen in die eheliche Wohnung mitbringt und die Antragstellerin sich der Konfrontation mit ihnen nicht entziehen kann. Insoweit fehlt aber jeder substantiierende Tatsachenvortrag. Es wird lediglich behauptet, der Antragsgegner habe <u>im Keller</u> der Wohnung ein rauschendes Fest gefeiert, von dem er die Antragstellerin ausgeschlossen habe. Daß es bei diesem Fest zu einem Brand gekommen ist, ist keine gerade gegen die Antragstellerin gerichtete Eheverfehlung.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 118 a Abs. 4 ZPO. </p>
|
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<p>Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts Lünen vom 3. Januar 1978 wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Eine Erstattung außergerichtlicher Kasten findet nicht statt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b><u>Gründe</u></b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Durch den angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht der Antragstellerin das Armenrecht für ihr Scheidungsbegehren versagt, weil die Parteien noch nicht ein Jahr getrennt leben und die Fortsetzung der Ehe für die Antragstellerin keine unzumutbare Härte darstelle.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die dagegen gerichtete Beschwerde ist gemäß § 127 ZPO zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hat auch mit der Beschwerde nicht hinreichend dargetan, daß die Fortsetzung der Ehe für sie eine unzumutbare Härte im Sinne des § 1565 Abs. 2 BGB darstellen würde. Die Beschwerdebegründung deutet darauf hin, daß die Antragstellerin den Zweck des § 1565 Abs. 2 BGB verkennt. Dieser ist nämlich nicht nur als Härteklausel zum Schutz des nicht scheidungswilligen Teils gedacht sondern er soll im Sinne eines "Trennungsjahres" verfrühte Scheidungen verhindern. Auf ein derartiges Trennungsjahr soll nur verzichtet werden, wenn der Fortbestand der Ehe durch nur dem Bande nach für den die Scheidung begehrenden Teil eine unzumutbare Härte darstellen würde. Dies ist zwar nicht unbestritten. Der Senat ist jedoch in Übereinstimmung mit der sich bereits abzeichnenden überwiegenden Meinung der Rechtsprechung der Auffassung, daß es lediglich auf den formellen Fortbestand der Ehe, nicht auf die Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft ankommt (anderer Meinung Wolf in Münchener Kommentar, § 1565, Bemerkung 94, Schwab FamRZ 1976, 491, 504). Für die Meinung der Rechtsprechung spricht, daß § 1565 Abs. 2 BGB gerade die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft voraussetzt weil erst dann ein Trennungsjahr Zustandekommen kann. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin irrt, wenn sie in der Beschwerdebegründung die Auffassung vertritt, die Zumutung, am Bande der Ehe festzuhalten, würde zur Konsequenz haben, dass sie auf Grund einer willkürlichen Laune des Antragsgegners dessen Verlangen nach Fortsetzung der Ehe mit allen daraus resultierenden Pflichten nachkommen müsse". Sie kann vielmehr sehr wohl für sich das Recht auf ein getrenntes Leben in Anspruch nehmen. Die formelle Auflösung der Ehe kann sie jedoch nur bei gravierenden Verhaltensweisen des anderen Ehegatten, die in erheblichem Maße gegen die Ehe und die sich aus der ehelichen Lebensgemeinschaft ergebenden Pflichten verstoßen, verlangen. An diese Verstöße sind, wie sich aus dem Gesetzeswortlaut "unzumutbare Härte" ergibt, erhebliche Anforderungen zu stellen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Derartig schwerwiegende Fehlverhalten sind hier aber nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden. Zwar behauptet die Antragstellerin - ohne jeden Beweisantritt -, daß der xxx Antragsgegner mit wechselnden weiblichen Personen außereheliche Beziehungen unterhalte. Dieser Vortrag, der mit keinerlei weiteren Tatsachen belegt ist, ist in dieser Form so unsubstantiiert, daß er sich einer Nachprüfung entzieht. Selbst wenn er zutreffen sollte, ist aber zu berücksichtigen, daß die Antragstellerin selbst sich auch einem anderen Partner zugewandt hat. In einem solchen Fall liegt in der Regel keine Härte vor, die das Festhalten an der Ehe dem Bande nach unzumutbar macht. Das eigene Fehlverhalten der Antragstellerin relativiert nämlich die Bedeutung des Verhaltens des Antragsgegners so, daß eine unzumutbare Härte, die in der Person des anderen Ehegatten ihre Ursache haben müßte, nicht mehr bejaht werden kann (vergleiche auch den Beschluß des 2. Senats des OLG Hamm vom 24.11.1977, FamRZ 1978, 28 f.).</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Etwas anderes würde möglicherweise gelten, wenn der in der Klageschrift erhobene Vorwurf zuträfe, dass der Antragsgegner andere Frauen in die eheliche Wohnung mitbringt und die Antragstellerin sich der Konfrontation mit ihnen nicht entziehen kann. Insoweit fehlt aber jeder substantiierende Tatsachenvortrag. Es wird lediglich behauptet, der Antragsgegner habe <u>im Keller</u> der Wohnung ein rauschendes Fest gefeiert, von dem er die Antragstellerin ausgeschlossen habe. Daß es bei diesem Fest zu einem Brand gekommen ist, ist keine gerade gegen die Antragstellerin gerichtete Eheverfehlung.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 118 a Abs. 4 ZPO. </p>
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<p>Der angefochtene Beschluß wird geändert und wie folgt neu gefaßt:</p>
<p></p>
<p>Die einstweilige Anordnung des Amtsgerichts Euskirchen - Familiengericht - vom 15. November 1977 ist außer Kraft getreten mit Ausnahme der Anordnung zu 1), wonach der Antragsgegner an die Antragstellerin mit Wirkung vom 19. Oktober 1977 bis zum 6. Dezember 1977 (Rechtskraft des Scheidungs-Urteils) eine monatliche Unterhaltsrente in Höhe von 600,- DM zu zahlen hat.</p>
<p></p>
<p>Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Gründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Im September 1977 ist ein Ehescheidungsverfahren zwischen den Parteien anhängig geworden. Am 19. Oktober 1977 ging ein Antrag der Antragstellerin auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung betreffend Unterhalt und Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses ein. Durch einstweilige Anordnung vom 15. November 1977 hat das Familiengericht dem Antragsgegner aufgegeben,</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">1. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">an die Antragstellerin mit Wirkung ab 19. Oktober 1977 eine monatliche Unterhaltsrente in Höhe von 600,- DM zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">2. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">an die Antragstellerin für die Ehesache einen Prozeßkostenvorschuß in Höhe von 664,65 DM in Raten zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Am 6. Dezember 1977 fand in der Familiensache der Parteien eine mündliche Verhandlung statt, in der die Parteien für den Fall der Scheidung einen Vergleich schlossen, in dem sie unter anderem folgendes regelten:</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">"Der Antragsgegner verpflichtet sich an die Antragsteller in ab Rechtskraft des Urteils in der Scheidungssache für die Dauer von 18 Monaten einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 600,- DM zu zahlen. Die Parteien sind sich darüber einig, daß die vorstehende Regelung als anderweitige Regelung im Sinne von § 620 f Satz 1 ZPO angesehen werden soll. </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">....</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">6. </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Kosten dieses Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben."</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">In der mündlichen Verhandlung beantragte der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin, ihm eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses vom 15. November 1977 in dem einstweiligen Anordnungsverfahren zu erteilen. Ein Widerspruch des Antragsgegners dagegen erfolgte nicht. In diesem Termin wurde sodann das Urteil verkündet, wonach die Ehe der Parteien auf Antrag beider Parteien geschieden wird. Die Kosten der Ehesache wurden gegeneinander aufgehoben. Die Prozeßbevollmächtigten der Parteien erklärten, die verzichteten auf die Einlegung von Rechtsmitteln gegen dieses Urteil. Am 27. Dezember 1977 hat die Antragstellerin gegen den Antragsgegner aufgrund des Beschlusses über die einstweilige Anordnung vom 15. November 1977 ein vorläufiges Zahlungsverbot erwirkt wegen des Unterhaltsrückstandes vom 19. Oktober 1977 bis November 1977 und des Prozeßkostenvorschusses. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der<i> </i>Antragsgegner hat daraufhin am 28. Dezember 1977 beantragt, den Beschluß vom 15. November 1977 aufzuheben, hilfsweise die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluß einstweilen einzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner vertrat die Auffassung, die einstweilige Anordnung sei durch die anderweitige Regelung in dem Vergleich vom 6. Dezember 1977 bzw. durch die Kostenentscheidung in der Ehesache außer Kraft getreten.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Durch Beschluß vom 29. Dezember 1977 hat das Familiengericht angeordnet, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluß vom 15. November 1977 nach § 775 Nr. 1 ZPO eingestellt werde, da die einstweilige Anordnung gemäß § 620 ZPO durch den Vergleich und das Urteil vom 6. Dezember 1977 außer Kraft getreten ist.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Sie meint, daß es unzulässig gewesen sei, eine Entscheidung gemäß § 775 zu treffen, ohne zuvor die erforderliche grundlegende Entscheidung gemäß § 620 f ZPO zu fällen. Im übrigen enthalte der Vergleich bezüglich der Unterhaltsrückstände keine anderweitige Regelung im Sinne des § 620f ZPO. Auch über die Prozeßkostenvorschußpflicht sei eine anderweitige Regelung nicht getroffen worden.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Akten 15 F 202/77 betreffend die Ehesache der Parteien beigezogen und die Sitzungsniederschrift vom 6. Dezember 1977 seiner Entscheidung zugrundegelegt.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die gemäß § 620 f Satz 3 ZPO "statthafte und gemäß §§ 577 Abs. 2, 569 ZPO in rechter" Norm und Frist eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Der Senat legt den angefochtenen Beschluß dahin aus, daß er inzident auch einen Beschluß im Sinne des § 620 f Satz 2 ZPO enthält.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Diese Auslegung erscheint gerechtfertigt, weil das Familiengericht in seinem Beschluß diese Vorschrift herangezogen und auch im Sinne des § 620 f Satz 2 festgestellt hat, daß die einstweilige Anordnung gemäß § 620 f Satz 1 außer Kraft getreten ist. Für eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 775 Nr. 1 ZPO wäre nicht das Familiengericht sondern das Vollstreckungsgericht beim Amtsgericht zuständig. Es handelt sich bei der einstweiligen Einstellung nach § 775 um eine Vollstreckungsmaßnahme, die keine Familiensache im Sinne der §§ 621 ZPO, 23 GVG ist. (vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 1977, 725). Da aber ein Beschluß gemäß § 620 f Satz 2 ZPO vorliegt, ist dieser auch mit der sofortigen Beschwerde gemäß § 620 f Satz 3 anfechtbar.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Diese sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist aber nur zum Teil begründet. Das Rechtsmittel hat insoweit Erfolg, als die Antragstellerin geltend macht, die einstweilige Anordnung sei wegen der Unterhaltsrückstände bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils nicht außer Kraft getreten. Insoweit liegt nämlich eine anderweitige Regelung im Sinne des § 620 f nicht vor. In dem Vergleich der Parteien ist eine Unterhaltspflicht des Antragsgegners erst ab Rechtskraft des Urteils in der Scheidungssache begründet worden. Der Unterhaltsverzicht der Antragstellerin bezieht sich auch lediglich auf Unterhaltsansprüche, die nach Ablauf der 18 Monate seit Rechtskraft des Scheidungsurteils kraft Gesetzes entstehen würden. Wenn in dem Vergleich protokolliert ist, daß die Parteien sich darüber einig sind, daß ihre Regelung als anderweitige Regelung im Sinne des § 620 f Satz 1 ZPO angesehen werden soll, so bezieht sich dies nach dem Sinn und Inhalt des Vergleichs lediglich auf eine anderweitige Regelung der Unterhaltspflicht des Antragsgegners seit Rechtskraft des Scheidungsurteils. Daß die Parteien den Vergleich so auch verstanden haben, ergibt sich auch daraus, daß der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin noch im Termin zu erkennen gab, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluß über die einstweilige Anordnung notfalls betrieben werde. Das folgt aus seinem Antrag, ihm eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses zu erteilen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Soweit allerdings mit der einstweiligen Anordnung eine Prozeßkostenvorschußpflicht des Antragsgegners angeordnet wurde, liegt jetzt eine anderweitige Regelung im Sinne des § 620 f vor. Diese besteht darin, daß mit der Kostenregelung im Vergleich und im Urteil nunmehr die Kostentragungspflicht der Parteien in der Weise feststeht, daß die Antragsgegnerin ihre eigenen außergerichtlichen Kosten und die Hälfte der Gerichtskosten trägt. Diese Kostenentscheidung und Kostenregelung des Vergleichs betreffen zwar in erster Linie die prozessuale Kostentragungspflicht; damit liegt aber auch für den Fall der Anordnung zur Zahlung eines Kostenvorschusses eine Regelung vor, die einem Fortbestehen dieser Anordnung entgegensteht. Der</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Prozeßkostenvorschuß ist nämlich nur eine vorläufige Kosten wenn Pflicht, die nicht mehr besteht, wenn der Rechtsstreit vor Zahlung beendet ist. Mit diesem Zeitpunkt besteht schon aus der Natur dieses Anspruchs kein Recht mehr auf <u>Bevorschussung</u> des Rechtsstreits. Auch im Verhältnis der Parteien untereinander ist daher bei Beendigung des Rechtsstreits mangels einer anderen unterhaltsrechtlichen Regelung die prozessuale Kostenentscheidung maßgebend (vgl. Palandt-Diederichsen, 36. Aufl. § 1360 a Bern. 3 d; Köhler, Handbuch des Unterhaltsrechts 4. Aufl., S. 65).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht auf das Problem an, ob <u>gezahlte</u> Prozeßkostenvorschüsse nach Beendigung des Rechtsstreits zu erstatten sind (vgl. BGHZ 56, 93 = NJW 71, 1262). Diese Rechtsfragen sind gerade auf der Grundlage entstanden, daß § 1360 a Abs. 4 BGB nur die <u>Vorschuß</u>pflicht regelt, die ihren Rechtsgrund mit dem Prozeßende verliert. Es ist dabei nicht im Streit, daß für die Kostentragungspflicht im Verhältnis unter den Parteien materiell etwas anderes gilt als die Kostenentscheidung; ein Streit besteht lediglich darüber, ob durch familienrechtliche Fürsorgepflichten möglicherweise dennoch die Rückzahlung eines nach der Kostenentscheidung nicht geschuldeten Vorschusses entfällt.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Das Ergebnis, daß die Kostenentscheidung des den Rechtsstreit beendenden Scheidungsurteils oder die Kostenregelung eines Vergleichs eine anderweitige Regelung im Sinne des § 620 f ZPO darstellen, wird auch vom Gesetzeszweck bestätigt: § 620 f ZPO enthält eine Erweiterung der früheren nur für die Personensorge und die Unterhaltsansprüche der Ehegatten vorgesehenen Ausnahmeregelung der §§ 627 a, 627 b a.F., um zu verhindern, daß in Fällen einer einstweiligen Anordnung nach § 620 ZPO ein regelungsloser Zustand durch die Beendigung der Scheidungssache eintritt. Eine solche anderweitige Regelung nach Vorliegen des Scheidungsurteils ist aber für den Fall der Anordnung eines Prozeßkostenvorschusses nur denkbar durch die Kostenentscheidung, da jede materiell-rechtliche Grundlage fehlt, nach Beendigung des Scheidungsrechtsstreits eine Vorschußpflicht oder auch die Frage der Tragung der Prozeßkosten im Verhältnis der Parteien untereinander festzulegen. Der Gesetzgeber hat bewußt keine unterhaltsrechtliche Regelung darüber getroffen, wer die Kosten eines Prozesses des Bedürftigen endgültig zu tragen hat (vgl. Brühl, Unterhaltsrecht, 1. Teil, 3. Aufl, Randbem. 285).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.</p>
|
316,027 | olgham-1978-02-08-20-u-22077 | {
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<p></p>
<p>Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. Juni 1977 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Tatbestand</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der am 5. August 1939 geborene Ehemann der Klägerin (Versicherungsnehmer) unterhielt bei der Beklagten seit dem 1. Februar 1965 eine Lebensversicherung. Mit Wirkung vom 1. September 1969 wurde die Versicherungssumme, die zunächst 6.000,00 DM betragen hatte, auf 11.484,00 DM erhöht. Sie verdoppelte sich im Falle eines Todes durch Unfall. Die Versicherungsleistung war im Todesfall an die bezugsberechtigte Klägerin und im Erlebensfall mit Ablauf der Versicherungsdauer am 1. Februar 2005 an den Versicherungsnehmer selbst zu zahlen. Die monatlich zu zahlende Prämie betrug nach der Erhöhung 23,60 DM. Grundlage des Vertrages waren die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Großlebensversicherung (AVB) und die Bedingungen für die Unfall-Zusatzversicherung.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Im Juli 1976 sprach der Versicherungsnehmer mit dem Agenten N der Beklagten über eine Dynamisierung der Lebensversicherung unter gleichzeitiger Erhöhung der Versicherungssumme auf 20.000,00 DM. Der Agent ließ daraufhin durch die Bezirksdirektion C bei der Hauptverwaltung der Beklagten anfragen, welche neuen Konditionen sich ergeben würden, wenn die erörterte Vertragsänderung zum 1. September 1976 durchgeführt werde. Die Hauptverwaltung beantwortete die Fragen mit Schreiben vom 4. August 1976. Danach ergab sich u.a. eine neue Prämie von monatlich 49,35 DM. Am 10. September 1976 suchte der Agent N den Versicherungsnehmer wegen der Vertragsänderung erneut auf. Dieser unterzeichnete nun einen "Spezialantrag zu Aufnahme einer bestehenden VB-Lebensversicherung in das VB-Dynamik-Programm". Handschriftlich wurde auf dem Antrag vermerkt "lt. Angebot vom 4. August 1976". Nach dem Antrage sollte die bestehende Lebensversicherung mit Wirkung vom 1. September 1976 in das Dynamikprogramm aufgenommen werden. Die Versicherungssumme sollte 20.000,00 DM und im Falle des Unfalltodes 40.000,00 DM betragen. Als Bezugsberechtigte im Todesfall war die Klägerin angegeben. In Abänderung der bisherigen Praxis, nach der ein Kassierer der Beklagten die Prämien monatlich abgeholt hatte, ermächtigte der Versicherungsnehmer die Beklagte, in Zukunft die fälligen Prämien von seinem Konto abzubuchen. Das Antragsformular enthielt den Vermerk: "Erklärung des Versicherungsnehmers. An meinen Antrag halte ich mich sechs Wochen vom Tage der Antragstellung an gebunden ....". Der Agent leitete den Antrag sofort weiter, er ging am 13. September 1976 bei der Bezirksdirektion C ein. Am 4. Oktober 1976 starb der Versicherungsnehmer an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Bezirksdirektion den Antrag noch nicht an die Hauptverwaltung der Beklagten weitergeleitet. Infolge des Todes des Versicherungsnehmers kam es dann nicht mehr zu einer ausdrücklichen Annahme seines Antrags vom 10. September 1976.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Unter dem 21. Oktober 1976 erteilte die Beklagte der Klägerin über die Ansprüche aus der Lebensversicherung eine Leistungsabrechnung, die mit einem Auszahlungsbetrag von 12.141,04 DM abschloß. Dabei ging die Beklagte von einer Versicherungssumme von 11.484,00 DM aus. Unter Berücksichtigung eines Überschussanteils und einer Schlußdividende ergab sich ein Betrag von 12.259,04 DM, den die Beklagte um 118,00 DM für Beiträge kürzte. In der Folgezeit zahlte die Beklagte der Klägerin die sich aus der Leistungsabrechnung ergebenden 12.141,04 DM und weitere 11.484,00 DM aus der Unfallzusatzversicherung aus. Den Antrag der Klägerin, das Versicherungsverhältnis aufgrund der Bedingungen des Antrages vom 10. September 1976 abzuwickeln, lehnte die Beklagte ab.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat vorgetragen: Die Beklagte habe den Änderungsantrag des Ehemannes vom 10. September 1976 dadurch stillschweigend angenommen, dass sie in ihrer Leistungsabrechnung vom 21. Oktober 1976 118,00 DM für Beiträge abgezogen habe. Bei dem abgezogenen Betrage handle es sich nämlich um die neue Prämie für die Monate September und Oktober 1976. Im übrigen sei die Beklagte aber nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsschluß) zur Zahlung der Versicherungsleistung entsprechend dem Antrage vom 10. September 1969 selbst dann verpflichtet, wenn ein Vertrag zu den geänderten Bedingungen nicht mehr zustande gekommen sein sollte. Die Beklagte müsse sich nämlich so behandeln lassen, als sei die unter dem 10. September 1976 beantragte Vertragsänderung noch vor dem Tode des Ehemannes wirksam geworden. Die Beklagte habe den Antrag umgehend bearbeiten müssen. Die Initiative zu der Vertragsänderung sei von der Beklagten ausgegangen. Die im Antrag enthaltene sechswöchige Bindungsfrist habe die Beklagte nicht berechtigt, eine genauso lange Zeitspanne für die Bearbeitung in Anspruch zu nehmen. Das ergebe sich daraus, dass die erhöhte Versicherung rückwirkend zum 1. September 1976 habe wirksam werden sollen und daß der Ehemann die Beklagte zur Abbuchung ermächtigt habe. Außerdem sei die Beklagte auch deshalb zu einer beschleunigten Bearbeitung verpflichtet gewesen, weil bereits ein Vertragsverhältnis bestanden habe und lediglich dessen Änderung beantragt worden sei. Eine unverzügliche Annahme des Versicherungsantrages sei auch ohne weiteres möglich gewesen, da sich die persönlichen Verhältnisse des Ehemannes nicht geändert hätten und eine medizinische Untersuchung nicht erforderlich gewesen sei. Tatsächlich habe die Beklagte den Änderungsantrag überhaupt nicht bearbeitet, sondern sie habe ihn unbearbeitet bei der Bezirksdirektion C liegen lassen. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Beklagte zu verurteilen, an sie 20.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21. April 1977 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat vorgetragen: Ein Vertrag auf der Grundlage des Antrages vom 10. September 1976 sei nicht zustandegekommen. Auch ein Anspruch aus culpa in contrahendo stehe der Klägerin nicht zu. Die in dem Versicherungsantrag enthaltene sechswöchige Bindungsfrist habe für beide Seiten gleichermaßen gegolten, so daß ihr eine Zeitspanne von sechs Wochen für die Überlegung zur Verfügung gestanden habe, ob sie den Änderungsantrag annehmen wolle oder nicht. Außerdem habe sie die Erledigung des gestellten Antrages nicht pflichtwidrig verzögert, denn die Bearbeituung eines solchen Antrages dauere mindestens drei Wochen. Im übrigen sei es eine Unterstellung anzunehmen, daß sie den Antrag überhaupt angenommen hätte.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">In seinem am 23. Juni 1977 verkündeten Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Hiergegen hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Sie führt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens aus: Der Änderungsvertrag sei zustande gekommen. Der Ehemann habe mit dem Antrage vom 10. September 1976 bereits ein Angebot der Beklagten vom 4. August 1976 angenommen, wie sich aus dem handschriftlichen Vermerk auf dem Antrage ergebe. Zumindest aber sei der Vertrag durch die Zusendung der Leistungsabrechnung zustandegekommen. Im übrigen ergebe sich ihr Anspruch aus culpa in contrahendo. Die Beklagte habe die Annahme des Änderungsantrages schuldhaft verzögert, obwohl sie gehalten gewesen sei, den Antrag mit tunlicher Beschleunigung zu prüfen. Die Beklagte habe den Antrag unbearbeitet liegen lassen. Anträge auf Abänderung einer bestehenden Lebensversicherung würden, wenn – wie hier – keine ärztliche Untersuchung erforderlich sei, regelmäßig in einer Woche, höchstens aber in zwei Wochen abgewickelt. </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat zunächst beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 20.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21. April 1977 zu zahlen. Diesen Antrag hat die Klägerin im Termin eingeschränkt. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Sie beantragt nun,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 16.723,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21. April 1977 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte führt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens aus:</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Ein Vertrag auf der Grundlage des Antrages vom 10. September 1976 sei nicht zustande gekommen. Bei dem sog. Angebot vom 4. August 1976 handle es sich um einen internen Schriftwechsel zwischen der Bezirksdirektion C und ihrer Haupverwaltung. Bei dem in der Leistungsabrechnung abgesetzten Betrag von 118,00 DM handle es sich um die Beiträge nach dem alten Tarif für die Monate September 1976 bis Januar 1977, die ihr gemäß § 2 AVB noch zugestanden hätten. Ein Verschulden bei Vertragsschluß könne ihr nicht vorgeworfen werden. Sie sei berechtigt gewesen, die volle Sechswochenfrist für die Bearbeitung auszunutzen. Zu einer beschleunigten Bearbeitung sei sie nicht verpflichtet gewesen. Die beantragte Änderung sei rechtlich als Antrag auf Neuabschluß einer Lebensversicherung zu behandeln. Im übrigen habe sie die Antragsbearbeitung nicht schuldhaft verzögert. Die Bezirksdirektion C habe den Antrag nicht weitergeleitet, weil der Kassierer die unbenutzten Quittungen nicht zurückgesandt habe, die sie für die beantragte Umstellung auf das Lastschriftverfahren benötigt habe. An der Verzögerung treffe aber weder den Kassierer noch sie ein Verschulden, weil das Anforderungsschreiben auf der Post verloren gegangen sei. Außerdem sei es, auch wenn der Antrag mit den restlichen Quittungen schon am 21. September 1976 bei der Hauptverwaltung vorgelegen hätte, selbst bei größtmöglicher Beschleunigung nicht möglich gewesen, den Versicherungsschein vor dem 11. Oktober 1976 an den Versicherungsnehmer abzusenden. Sie hat dazu eine schematische Darstellung vorgelegt, aus der die Bearbeitungsdauer bei einem Änderungsantrag hervorgeht. Danach hätte der Antrag auch dann, wenn er zügig bearbeitet worden wäre, im Zeitpunkt des Todes des Versicherungsnehmers auch nicht angenommen sein können. Die Klägerin hat die Richtigkeit dieser Darstellung bestritten.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks"><u>Entscheidungsgründe</u></p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">A. Die Berufung ist zwar zulässig, aber sachlich nicht gerechtfertigt. Der Klägerin steht eine entsprechend dem Antrage des Versicherungsnehmers vom 10. September 1976 erhöhte Versicherungsleistung nicht zu.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">I. Zwischen dem Versicherungsnehmer und der Beklagten ist ein Vertrag über die Änderung der Lebensversicherung zum 1. September 1976 nicht zustande gekommen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">1.) Der Versicherungsnehmer hat mit seinem Antrage vom 10. September 1976 kein Angebot der Beklagten angenommen. Bei dem in dem Antrage in Bezug genommenen Angebot vom 4. August 1976 handelt es sich um das Schreiben der Hauptverwaltung der Beklagten an die Bezirksdirektion C, in dem auf die Anfrage des Agenten N hin dargelegt wird, welche neuen Vertragsbedingungen sich bei einer Aufnahme der bestehenden Versicherung in das Dynamik-Programm und einer gleichzeitigen Erhöhung der Versicherungssumme ergeben. Dieses Schreiben enthält keinen die Beklagte bindenden Antrag an den Versicherungsnehmer. Mit der Vorlage des Schreibens bei den Vertragsverhandlungen forderte der Agent der Beklagten den Versicherungsnehmer lediglich auf, seinerseits einen entsprechenden Antrag abzugeben. Das ergibt sich auch eindeutig aus dem Wortlaut des dann vom Versicherungsnehmer unterschriebenen Antragsformulars. Dieses enthält, wie u.a. aus der Bindungsfrist und der Beantwortung von Fragen nach gefahrerheblichen Umständen folgt, nur einen Antrag, dessen Annahme der Beklagten frei stand. Die Bezugnahme auf das Angebot vom 4. August stellt sich unter diesen Umständen nur als Erläuterung des Antrages dar.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">2.) Die Beklagte hat den Antrag des Versicherungsnehmers vom 10. September 1976 nicht dadurch angenommen, daß sie der Klägerin die Leistungsabrechnung vom 21. Oktober 1976 zugesandt hat. Diese Abrechnung würde sich allenfalls dann als Annahme darstellen, wenn die Beklagte darin bereits die entsprechend dem Antrage vom 10. September erhöhte Prämie berechnet hätte. Das ist aber nicht der Fall. Nach dem Vortrag der Beklagten handelt es sich bei dem abgesetzten Beitrag von 118,00 DM um die nach dem alten Vertrage noch zu zahlenden Prämien für die Monate September 1976 bis Januar 1977. Von der Richtigkeit dieses Vortrages ist auszugehen. Gemäß § 2 AVB waren Jahresbeiträge zu zahlen. Da im vorliegenden Fall das Versicherungsjahr jeweils zum 1. Februar begann und die letzte Monatsrate im August 1976 bezahlt worden war, waren noch die Raten für September 1976 bis Januar 1977 zu zahlen. Das ergab bei einer unstreitigen Monatsrate von 23,60 DM eine Beitragsschuld von 5 x 23,60 DM = 118,00 DM. Die demgegenüber von der Klägerin aufgestellte Behauptung, bei den 118,00 DM handle es sich um die neue Prämie für die Monate September und Oktober 1976, kann nicht richtig sein, denn die neue Prämie betrug ausweislich des sog. Angebots der Beklagten vom 4. August 1976 monatlich 49,35 DM.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">II. Der Klägerin steht kein Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß zu. Dieser Anspruch hätte zur Voraussetzung, daß die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den Antrag des Versicherungsnehmers vom 10. September 1976 mit tunlicher Beschleunigung zu prüfen, und daß der Antrag wegen einer schuldhaften Verletzung dieser Pflicht nicht mehr rechtzeitig angenommen worden wäre. Außerdem müßte die Klägerin überhaupt berechtigt sein, den Anspruch geltend zu machen. </p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">1.) Im gegebenen Fall ergeben sich bereits gegen das Vorliegen der zuletzt genannten Voraussetzung erhebliche Bedenken. Es erscheint zweifelhaft, ob sich die Bezugsberechtigung der Klägerin ohne weiteres auch auf einen Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß erstreckt, mag der Schadensersatz auch durch Anzahlung der Versicherungsleistung zu gewähren sein. Erfaßt die Bezugsberechtigung aber nicht die Schadensersatzforderung, so steht der Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß den Erben des Verhandlungspartners, also des Versicherungsnehmers, zu, wobei sich ihre Berechtigung zur Geltendmachung des letztlich nur bei der bezugsberechtigten Klägerin entstandenen Schadens aus den Grundsätzen der Schadensliquidation im Drittinteresse ergibt (vgl. BGH VersR 75, 1090). Damit stände der Klägerin der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nur zu, wenn sie Alleinerbin ihres Ehemannes wäre oder wenn die Erben ihr den Anspruch abgetreten hätten. Diese Fragen können aber letztlich dahin stehen, da auch die oben dargelegte erste Voraussetzung eines Schadensersatzanpruchs nicht gegeben ist. </p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">2.) Die Beklagte war nicht verpflichtet, den Antrag des Versicherungsnehmers mit tunlicher Beschleunigung zu prüfen. Sie durfte den Antrag auch bis Anfang Oktober 1976 unbearbeitet bei der Bezirksdirektion C liegen lassen. Es kommt daher weder darauf an, ob die Beklagte die unterbliebene Weiterleitung des Antrages zu vertreten hat, noch darauf, ob bei einer sofortigen ordnungsgemäßen Bearbeitung eine Annahme noch vor dem Tode des Versicherungsnehmers erfolgt wäre.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">a) Auch im Versicherungsvertragsrecht können nach allgemeiner Auffassung durch den Eintritt in Vertragsverhandlungen und das dadurch begründete vertragsähnliche Vertrauensverhältnis Sorgfaltspflichten der Parteien entstehen, deren schuldhafte Verletzung zur Haftung nach Maßgabe des § 276 BGB führt (BGH NJW 1966, 1407). Der bloße Eintritt in Vertragsverhandlungen hatte aber im vorliegenden Falle noch nicht die Verpflichtung der Beklagten zur Folge, den Versicherungsantrag beschleunigt zu prüfen. </p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">aa) Der Versicherungsnehmer hielt sich in seinem Antrag sechs Wochen vom Tage der Antragstellung an gebunden. Diese Bindungsfrist ist zugleich eine Annahmefrist i.S.d. § 148 BGB für die Beklagte (BGH NJW 1975, 751). Der Ansicht der Klägerin, die Gleichsetzung von Bindungs- und Annahmefrist gelte nicht, wenn der Antrag nicht auf Neuabschluß, sondern auf Änderung eines Vertrages gerichtet sei, vermag der Senat sich nicht anzuschließen. Die von der Klägerin für ihre Ansicht zitierte Stelle bei Prölss/Martin (21. Aufl. § 3 Anm. 3) trifft den vorliegenden Fall nicht. Wenn es dort unter Berufung auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH VersR 52, 37) sinngemäß heißt, daß in Antragsvordrucken oder im Gesetz enthaltene Bindungs- bzw. Annahmefristen nur für den Antrag auf Abschluß eines Versicherungsvertrages, aber nicht für Anträge auf Änderung, Verlängerung oder Aufhebung des Vertrages gelten, so wird damit nicht gesagt, daß eine ausdrücklich in einem Antrag auf Vertragsänderung aufgenommene Bindungsfrist wirkungslos sei. An diese Bindungsfrist ist der Antragsteller vielmehr gebunden, was wiederum zur Folge hat, daß eine Annahme nur in dieser Frist erfolgen kann.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">bb) Nach allgemeinem Vertragsrecht hat der Antragende kein Recht darauf, daß sich der Empfänger innerhalb der für die Annahme vorgesehenen Frist alsbald mit dem Antrage befaßt und nach Prüfung die Annahme oder Ablehnung erklärt. Dem Antragsgegner steht die volle Frist zur Verfügung. Äußert er sich nicht, so ist der Antrag abgelehnt (§ 146 BGB). Der bloße Eintritt in Vertragsverhandlungen hat noch keine Änderung dieser Rechtslage zur Folge (BGH NJW 1966, 1407). Etwas anderes gilt im allgemeinen auch nicht unter den besonderen Verhältnissen bei Versicherungsanträgen. Zwar besteht hier die Gefahr, daß der Antragsteller ein unter Umständen lebenswichtiges Risiko nicht mehr rechtzeitig versichern kann, weil der Versicherer seinen Antrag im letzten Augenblick ablehnt oder sich überhaupt nicht äußert. Diese Konsequenz ist aber hinzunehmen, denn sie kann durch die Vereinbarung einer kürzeren Annahmefrist vermieden werden (BGH a.a.O.). Der Versicherer ist somit <u>grundsätzlich</u> befugt, die Annahmefrist voll auszuschöpfen (BGH VersR 1975, 1090). Er kann den Antrag im letzten Augenblick annehmen oder ablehnen, er kann auch jede Äußerung unterlassen. Der Versicherer ist auch nicht verpflichtet, dem Antragsteller einen vor Ablauf der Annahmefrist gefaßten Entschluß über die Ablehnung oder Annahme alsbald mitzuteilen (BGH NJW 1966, 1407). Aus alledem folgt, daß die Beklagte hier grundsätzlich berechtigt war, den Antrag bis Anfang Oktober unbearbeitet liegen zu lassen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">b) Das grundsätzliche Recht des Versicherers, die Annahmefrist voll auszunutzen, kann allerdings dann entfallen, wenn eine besondere Eilbedürftigkeit ersichtlich ist (BGH NJW 1966, 1407; VersR 1975, 1090). Dafür hat die Klägerin jedoch nicht genügend vorgetragen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß der Versicherungsnehmer auf einen alsbaldigen Abschluß entscheidenden Wert legte und dies zum Ausdruck gebracht hätte. Eine solche Situation hätte zum Beispiel vorgelegen, wenn der Versicherungsnehmer plötzlich aus irgendwelchen Gründen gezwungen gewesen wäre, seine Familie für den Fall seines Todes schnellstmöglich durch den Abschluß einer Lebensversicherung zu versorgen. Allein aus der Tatsache, daß die Vertragsänderung schon zum 1. September 1976 wirksam werden sollte, ergibt sich keine besondere Eilbedürftigkeit. Es ist zwar richtig, daß der Versicherungsnehmer, wäre der Vertrag zustande gekommen, die Prämien schon seit dem 1. September 1976 zu zahlen gehabt hätte, während die Beklagte das Risiko frühestens ab Abschluß des Vertrages getragen hätte. Bei einem gesunden jungen Versicherungsnehmer konnte die Beklagte jedoch davon ausgehen, daß dieser die auf den Todes- und den Erlebensfall abgeschlossene Lebensversicherung zum Zwecke der Kapitalanlage zu erhöhen wünschte und nicht, weil er mit der Möglichkeit seines alsbaldigen Todes rechnete. Wird eine Lebensversicherung aber zum Zwecke der Kapitalanlage abgeschlossen, so ist ein früherer Beginn des prämienbelasteten Zeitraums durchaus von Vorteil. Durch die längere Laufzeit der Versicherung verringert sich die monatliche Beitragsbelastung und steigt die Überschußbeteiligung. Im vorliegenden Fall steht im übrigen auch fest, daß der Änderungstermin lediglich deshalb auf den 1. September 1976 festgelegt wurde, weil das sog. Angebot der Beklagten vom 4. August 1976 die neuen Vertragsdaten auf der Grundlage dieses Termins enthielt.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">c) Der Versicherer kann grundsätzlich auch dann verpflichtet sein, einen Antrag mit tunlicher Beschleunigung zu prüfen, wenn vertragliche Beziehungen schon bestehen, insbesondere also dann, wenn ein bestehender Vertrag geändert werden soll (Prölss/Martin, 21. Aufl., § 3 Anm. 5). Der Grund dafür ist, daß den Versicherer wegen der bereits bestehenden Beziehungen gesteigerte Sorgfaltspflichten treffen. Obschon hier seit langem ein Lebensversicherungsvertrag zwischen den Parteien bestand, war die Beklagte jedoch nicht verpflichtet, den Antrag des Versicherungsnehmers beschleunigt zu bearbeiten. Der dargelegte Grundsatz gilt nämlich nicht, wenn für den Änderungsantrag eine Bindungsfrist (= Annahmefrist) bestimmt ist (Prölss/Martin, 21. Aufl., § 3 Anm. 5). Dafür spricht bereits die oben zu a) bb) dargelegte Regelung des allgemeinen Vertragsrechts. Außerdem besteht für die Annahme einer Beschleunigungspflicht kein Bedürfnis. Für den Versicherungsnehmer war bei einiger Sorgfalt ohne weiteres erkennbar, daß die Bearbeitung und Bescheidung seines Antrags sechs Wochen dauern konnte. Nach dem von der Beklagten entworfenen Antragsformular war er sechs Wochen gebunden, konnte also seinen Antrag in dieser Zeitspanne nicht zurückziehen. An einer solchen Bindung konnte der Beklagten aber ersichtlich nur gelegen sein, wenn sie damit rechnete, daß die Erledigung sechs Wochen dauern könne. Unter diesen Umständen hätte der Versicherungsnehmer, wenn er an einer Beschleunigung interessiert war, auf eine Abkürzung der Bindungsfrist drängen müssen. Er konnte nicht erwarten, daß die Beklagte die eigens in dem Änderungsantrage beanspruchte Bearbeitungsfrist nicht in Anspruch nehmen würde. </p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">d) Unter Umständen kann der Versicherer auch dann zu einer beschleunigten Prüfung eines Antrages verpflichtet sein, wenn die Anregung zu dem Antrage, was die Klägerin im vorliegenden Fall behauptet, von dem Versicherer ausgegangen ist (KG JR 1972, 24). Das kann aber nur in ganz besonders gelagerten Fällen zutreffen (Prölss/Martin, 21. Aufl., § 3 Anm. 5), für die die Klägerin nichts vorgetragen hat. Im hier gegebenen Fall war die Beklagte jedenfalls befugt, die sechswöchige Annahmefrist voll auszunutzen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">B. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97, 515 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht erforderlich, da nach dem Ermessen des Senats die Revisionssumme unzweifelhaft nicht erreicht wird. Der Wert der Beschwer beträgt für die Klägerin 16.723,00 DM.</p>
|
316,028 | ag-emmerich-am-rhein-1977-12-14-6-f-1177 | {
"id": 654,
"name": "Amtsgericht Emmerich am Rhein",
"slug": "ag-emmerich-am-rhein",
"city": 414,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 6 F 11/77 | 1977-12-14T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:10 | 2019-03-27T09:41:36 | Schlussurteil | ECLI:DE:AGKLE2:1977:1214.6F11.77.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die vor dem Standesbeamten in Rotterdam/Niederlande am </p>
<p>17.09.1955 geschlossene Ehe der Parteien wird geschieden. </p>
<p></p>
<p> Der Antragsteller wird unter Abweisung im übrigen verurteilt,</p>
<p> an die Antragstellerin einen monatlichen Unterhaltsbetrag von</p>
<p> 300,-- DM ab Rechtskraft zu zahlen, und zwar bis zum 5. </p>
<p> Werktag eines jeden Monats im voraus.</p>
<p></p>
<p> Der Antrag der Antragsgegnerin, den Versorgungsausgleich</p>
<p> durchzuführen, wird zurückgewiesen.</p>
<p></p>
<p> Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Die Parteien sind niederländische Staatsangehörige.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien haben am 17.September 1955 vor dem Standesbeamten in Rotterdam/Niederlande die Ehe geschlossen. Der Antragsteller ist am 25. Oktober 1930 geboren, die Antragsgegnerin am 15. September 1922. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Ehe der Parteien ist kinderlos geblieben.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Parteien leben seit Mitte Juli 1976 getrennt.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller hat einen monatlichen Durchschnittsverdienst von ca. 1.270,-- DM. Kosten für Miete, Heizung, Lebensversicherung und Unfallversicherung fallen in Höhe von insgesamt 390,-- DM monatlich an.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"> die vor dem Standesbeamten in Rotterdam/Niederlande am </p>
<span class="absatzRechts">8</span><ol class="absatzLinks" start="1955"><li>geschlossene Ehe der Parteien zu scheiden.</li></ol>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin stellt hierzu keinen Antrag.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie hat ihre Zustimmung zu Protokoll erklärt.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"> den Beklagten zu verurteilen, an sie ab Rechtskraft</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"> des Scheidungsurteils einen monatlichen Unterhaltsbeitrag </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"> in Höhe von 400,-- DM zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">diesen Antrag abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin beantragt ferner, </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"> den Versorgungsausgleich durchzuführen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Sie ist der Auffassung, daß trotz der niederländischen Staatsangehörigkeit der beiden Parteien bezüglich des Versorgungsausgleiches deutsches materielles Recht zur Anwendung kommen müsse.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks"> diesen Antrag zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Er ist der Meinung, da beide Parteien Niederländer seien, könne auch nur niederländisches Recht Anwendung finden. Da das niederländische Recht einen Versorgungsausgleich nicht kenne, könne darüber auch keine Entscheidung ergehen. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Parteien. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 30.11.1977 (Blatt 65 / 66 d. A.)</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Ehe der Parteien war gemäß §§ 1565 Absatz 1, 1566 Absatz 1 BGB zu scheiden. Die Parteien haben übereinstimmend glaubwürdig ausgesagt, sie lebten seit Juli 1976 getrennt.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Antrag der Antragsgegnerin, den Antragsteller zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von 400,-- DM zu verurteilen, hat nur teilweise Erfolg. Die Antragsgegnerin hat einen Anspruch gegen den Antragsteller auf Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages in Höhe von 300,-- DM. Im übrigen war der Antrag unbegründet und somit abzuweisen. Da die Parteien Niederländer sind, bestimmt sich der Unterhaltsanspruch nach niederländischem Recht.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Das niederländische Recht und die niederländische Rechtsprechung bestimmen die Unterhaltshöhe nach Billigkeitsgesichtspunkten, und zwar ausgehend von den Bedürfnissen des Unterhaltsverpflichteten. In Anwendung dieser Grundsätze erschien dem Gericht ein monatlicher Unterhaltsbeitrag von 300,-- DM angemessen. Dem Antragsteller verbleibt nach Abzug seiner festen monatlichen Unkosten in Höhe von 390,-- DM ein Freibetrag von 580,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Eine Unterhaltsberechnung in der hier vorgenommenen Weise, die bei niedrigem Einkommen das Entstehen einer Bedürftigkeit auf beiden Seiten vermeidet, kann nach Auffassung des Gerichts nicht als mit deutschen Rechtsgrundsätzen unvereinbar angesehen werden. Sie wird überdies gedeckt durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in NJW 1977 Seite 392, wonach dem Verpflichteten neben einem Freibetrag von 600,-- DM auch die Mittel für Miete und feste Unkosten verbleiben sollen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Der Antrag der Antragsgegnerin, den Versorgungsausgleich durchzuführen, war zurückzuweisen. Das Gericht vermag sich der vom Plagemann im NJW 1977 Seite 1989 ff. vertretenen Auffassung, auch bei ausländischen Ehegatten, die in Deutschland wohnen und der deutschen Sozialversicherung angehören, müsse ein Versorgungsausgleich stattfinden, nicht anzuschließen. Diese Auffassung findet im Gesetz keinerlei Stütze. Nach Auffassung des Gerichts führt die von Plagemann vertretene Meinung vielmehr zu einem Verstoß gegen die Vorschriften der Artikel 15 und 17 EGBGB.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Aus diesen Vorschriften ergibt sich, daß zur Entscheidung dieses Rechtsstreits ausschließlich niederländisches Recht Anwendung finden kann.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Es ist daher auch keine Gesetzeslücke vorhanden, die es im Wege der Rechtsprechung auszufüllen hieße, um derart unbefriedigende Ergebnisse wie im hier vorliegenden Fall zu vermeiden.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Auch vermag die Auffassung der Antragsgegnerin, das hier notwendig anzuwendende deutsche formelle Recht zwinge zu einer Entscheidung über den Versorgungsausgleich, nicht zu überzeugen. Die Anwendung des § 624 ZPO hätte nur dann zur Einbeziehung des Versorgungsausgleichs in den Entscheidungsverbund führen können, wenn auch das anzuwendende ausländische materielle Recht das Institut des Versorgungsausgleichs kennen würde. Das niederländische Recht kennt dieses Institut jedoch nicht. Der Antrag konnte daher keinen Erfolg haben.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus § 93 a Absatz 1 ZPO.</p>
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316,029 | olgham-1977-12-09-20-w-2977 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 W 29/77 | 1977-12-09T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:13 | 2019-03-27T09:41:36 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1977:1209.20W29.77.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.</p>
<p>Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über das Armenrechtsgesuch des Klägers an das Landgericht Bielefeld zurückverwiesen.</p>
<p>Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>I)</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Nachlaßverwalter über das Vermögen der am 8. Januar 1975 verstorbenen Eheleute ... und .... Der verstorbene Ehemann ... hatte bei der Beklagten eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Auf dem von ihm am 10. September 1965 unterzeichneten Versicherungsantrag heißt es:</p>
<br /><span class="absatzRechts">4</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Hiermit wird Versicherungsschutz als Privatperson nach Maßgabe der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung und der sonstigen gesetzlichen Bestimmungen im Umfange der auf der Rückseite abgedruckten Erläuterungen beantragt.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">In den Erläuterungen zum Versicherungsantrag heißt es unter Ziff. I:</p>
<br /><span class="absatzRechts">6</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Die Versicherung umfaßt - mit Ausnahme der Gefahren eines Betriebes, eines Berufs, eines Amts (auch Ehrenamts), einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art oder einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung - die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers</i>
<i>1) als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens ...</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) zugrunde.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Versicherungsnehmer war gelernter Musikinstrumentenbauer und in diesem Beruf bis Anfang 1956 tätig. Er war sodann bis zu seinem Tode als Dreher bei der Firma ... in ... beschäftigt. Seit dem 13. Dezember 1967 war er im Besitz eines Wandergewerbescheines, der sich auf das "Feilbieten und den Ankauf von Musikinstrumenten und Zubehör, Elektrogeräten und Schallplatten" erstreckte. Weiter war der Versicherungsnehmer Mitglied der Kapelle der Freiwilligen Feuerwehr ....</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Versicherungsnehmer wohnte bis zu seinem Tode in einer Mietwohnung in .... Im Keller dieses Hauses, dessen Eigentümer sein Schwager war, hatte er sich einen "Bastelraum" eingerichtet. Dort reparierte er nicht nur seine eigenen Musikinstrumente, sondern auch Instrumente - vorwiegend Blasinstrumente - seiner Kameraden von der Feuerwehrkapelle. Wenigstens gelegentlich reparierte er auch gegen Entgelt Instrumente Dritter, mit denen er in Ausübung des nebenberuflichen Wandergewerbes in Kontakt gekommen war. Zur Reparatur der Blasinstrumente waren häufig Lötarbeiten erforderlich, die der Versicherungsnehmer mit Hilfe einer an eine Propan-Gasflasche angeschlossenen Lötpistole vornahm.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Am 8. Januar 1975 gegen 0.50 Uhr kam es in dem vom Versicherungsnehmer bewohnten Hause zu einer Explosion, durch die das gesamte Haus fast vollständig zerstört wurde. Von den 5 Hausbewohnern kamen drei ums Leben, nämlich der Versicherungsnehmer, seine Ehefrau und seine Schwiegermutter. Der 14-jährige Sohn des Versicherungsnehmers sowie der Hauseigentümer, der sein Schwager war, kamen mit Verletzungen davon. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ..., der im Ermittlungsverfahren 46 (5) Js 79/75 StA Bielefeld mit der Untersuchung der Unglücksursache beauftragt war, ist die Explosion darauf zurückzuführen, daß aus der im Bastelkeller befindlichen Propan-Gasflasche, und zwar durch das Ventil der daran angeschlossenen Lötpistole, Gas ausgeströmt und durch den Kontaktfunken einer elektrischen Schalteinrichtung (Ölfeuerungsanlage oder Radiator mit automatischer Temperaturschaltung im Bastelkeller) gezündet worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Mit Schreiben vom 19. Februar 1976 lehnte die Beklagte die Übernahme des Versicherungsschutzes für den durch das Explosionsunglück entstandenen Schaden ab mit der Begründung, die geltend gemachten Ansprüche seien auf eine Tätigkeit des Versicherungsnehmers zurückzuführen, die mit seinem nebenberuflich betriebenen Wandergewerbe im Zusammenhang stünden. Dadurch verursachte Schäden fielen nicht unter den Versicherungsschutz der Privathaftpflichtversicherung.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat daraufhin Klage erhoben, zunächst mit dem Antrag auf Zahlung von 110.000 DM. Mit Schriftsatz vom 16. Februar 1977 hat er den Antrag angekündigt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, ihn von einer Inanspruchnahme durch</p>
<br /><span class="absatzRechts">14</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="1">
<tr>
<td> </td>
<td>a)</td>
<td>den geschädigten Hauseigentümer ... in Höhe von 79.474,20 DM,</td>
</tr>
<tr>
<td> </td>
<td>b)</td>
<td>die Betriebskrankenkasse ... in Höhe von 30.525,80 DM
durch Zahlung zu befreien.</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Er begehrt für diese Klage das Armenrecht. Das Landgericht hat die Bewilligung des Armenrechts abgelehnt mit der Begründung, die beabsichtigte Rechtsverfolg biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Haftpflichtfall sei auf die Gefahren eines Betriebs des Versicherungsnehmers zurückzuführen und deshalb vom Versicherungsschutz nicht umfaßt. Die explodierte Gasflasche nebst Lötkolben habe der Versicherungsnehmer nämlich zur Reparatur von Musikinstrumenten benutzt, mit der er sich auch im Rahmen seines Wandergewerbes beschäftigt habe.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><b>II)</b></p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die gegen diesen Beschluß gerichtete Beschwerde des Klägers ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">1)</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Nach dem bisherigen Sachstand, insbesondere dem Inhalt der Ermittlungsakten, lassen sich sichere Feststellungen dazu, ob die Gefahr, die sich durch die Explosion des Propangases realisierte, dem privaten oder beruflichen und gewerblichen Lebensbereich des Versicherungsnehmers zuzuordnen ist, nicht treffen. Die Propangasflasche im "Bastelkeller" mit der daran angeschlossenen Lötapparatur wurde vom Versicherungsnehmer in erster Linie zur Reparatur von Musikinstrumenten benutzt. Jedenfalls ist von einem anderen Verwendungszweck auch den schon vernommenen Zeugen nichts bekannt gewesen. Aus den Ermittlungsakten ergibt sich ebenfalls kein Anhalt für eine andere Verwendung. Bei den Musikinstrumenten, die der Versicherungsnehmer reparierte, kann es sich einmal um seine eigenen, über deren Art und Anzahl nichts bekannt ist, zum anderen um diejenigen seiner Kameraden von der Feuerwehrkapelle und schließlich um solche gehandelt haben, die er im Rahmen seines nebenberuflichen Wandergewerbes instandsetzte oder beschädigt aufkaufte und wiederherstellte. Worauf dabei das Schwergewicht lag, ist nicht bekannt. Insbesondere ist nicht feststellbar, ob die Reparaturarbeiten, die er im Rahmen seines Wandergewerbes ausführte, einen nennenswerten Umfang einnahmen. Auch nach Darstellung der Beklagten ist bei dem Explosionsunglück, soweit feststellbar, nur ein einziges Instrument beschädigt worden, das der Versicherungsnehmer seinerzeit im Rahmen seines Wandergewerbes zur Reparatur angenommen hatte. Es ist also möglich, daß der Schwerpunkt der Benutzung der Lötapparatur auf der Reparatur der Instrumente der Feuerwehrkapelle einschließlich der eigenen Instrumente des Versicherungsnehmers lag. Angesichts dieser auf tatsächlichem Gebiet liegenden Zweifel ist jedenfalls nach dem gegenwärtigen Sachstand nicht abschließend zu klären, ob die Tätigkeit des Versicherungsnehmers, die zu dem Unglück führte, dem vom Versicherungsvertrag gedeckten privaten oder dem nicht abgesicherten beruflichen und gewerblichen Bereich zuzuordnen ist.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Entgegen der Auffassung der Beklagten ist zunächst nicht jede Tätigkeit eine berufliche, die bestimmte Fertigkeiten erfordert, die der Versicherungsnehmer im Rahmen seines beruflichen Werdeganges erworben hat. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Versicherungsnehmer etwaige in seinem Beruf erworbene Fähigkeiten in einem Rahmen einsetzt, der bei vernünftiger Betrachtung in den beruflichen Tätigkeitsbereich einzuordnen ist. Repariert z.B. ein Ingenieur auf einer Abendgesellschaft ein defekt gewordenes Radio, um weiter tanzen zu können, so wird er, auch wenn er dabei seine beruflich erworbenen Fertigkeiten einsetzt, privat als Gast und nicht beruflich tätig (so Wussow AHB, §4 Anm. 51, 3). Andererseits wird allgemein die Auffassung vertreten, daß eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit im Sinne der Haftpflichtversicherung auch dann vorliegt, wenn sie im Einzelfall aus privaten oder freundschaftlichen Motiven ausgeübt wird (z.B. handelt ein Radiomonteur, der seinem Freund abends aus Gefälligkeit einen Radioapparatausbessert, im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit, vgl. Wussow a.a.O. Anm. 50).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall befaßte sich der Versicherungsnehmer, von Beruf Dreher, im Nebenberuf mit dem "Feilbieten und dem Ankauf von Musikinstrumenten und Zubehör, Elektrogeräten und Schallplatten" (so der Inhalt des Wandergewerbescheines). Es liegt nahe, daß sich unter den angekauften Instrumenten auch gelegentlich reparaturbedürftige befanden. Die Reparatur solcher Instrumente fiel ebenso in den beruflichen Bereich des Versicherungsnehmers wie die Reparatur im Auftrage Dritter, auch wenn es sich bei dieser Tätigkeit nur um eine nebenberufliche handelte. Hätte der Versicherungsnehmer dann, wenn das Schwergewicht seiner Tätigkeit auf diesem nebenberuflichen Gebiet lag, aus Gefälligkeit in seinem Werkstattraum auch einmal ein Instrument eines Kollegen von der Feuerwehrkapelle repariert, so wäre dies seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzuordnen, denn er hätte seine beruflichen Fertigkeiten und die zum Zwecke der Berufsausübung angeschafften Geräte und Werkzeuge eingesetzt, wenn auch aus privaten Motiven und ohne die Absicht, einen Gewinn zu erzielen. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn, was hier möglich erscheint, das Schwergewicht der Basteltätigkeit des Versicherungsnehmers darauf lag, daß er die Instrumente der Mitglieder der Feuerwehrkapelle in Ordnung brachte, ohne dafür ein Entgelt zu erhalten, wobei belohnende Geschenke der Eigentümer im üblichen Rahmen (Flasche Schnaps, Zigaretten o.ä.) wohl als Entgelt anzusehen wären. Dann wurde die Tätigkeit des Versicherungsnehmers, für die er seine ursprünglich beruflich erworbenen Fähigkeiten und die gekauften Geräte, einsetzte, in der Hauptsache aus privaten Motiven und zu privaten Zwecken ausgeführt. Eine solche Tätigkeit kann dann nicht mehr dem beruflichen Bereich zugeordnet werden, da nicht dort, sondern in der privaten Sphäre als Mitglied der Feuerwehrkapelle das Schwergewicht des Tätigkeitsbereichs des Versicherungsnehmers bei seinen Arbeiten an Musikinstrumenten lag. Zumindest bedarf diese Rechtsfrage der Klärung im ordentlichen Verfahren mit der Möglichkeit der vollen Ausschöpfung des Instanzenzuges.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">2)</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Besteht die Möglichkeit, daß das Schwergewicht der Verwendung der Lötapparatur im privaten Bereich lag, ohne daß dies - wie es nach dem gegenwärtigen Sachstand der Fall ist - eindeutig abzuklären ist, so ist die Beklagte verpflichtet, aus dem Versicherungsvertrag Deckungsschutz zu gewähren. Nach den Erläuterungen zum Versicherungsantrag, auf die im Antrag zur Bestimmung des Inhalts des Vertrages ausdrücklich Bezug genommen wird, und die daher Vertragsinhalt geworden sind (vgl. BGH VersR 77, 468), umfaßt die Versicherung die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus den im einzelnen aufgeführten Tatbeständen mit Ausnahme der Gefahren eines Betriebes eines Berufs usw.. Soweit es sichum die Gefahren eines Betriebes oder Berufes handelt, liegt nach der ausdrücklichen Formulierung der Vertragsinhalt gewordenen Erläuterungen also ein Ausnahmetatbestand vor und handelt es sich nicht um eine primäre Risikobegrenzung. Die Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestandes sind aber von der Beklagten zu beweisen. Dies wird durch folgende Überlegung gestützt: Besteht neben einer Privathaftpflichtversicherung bei einer anderen Versicherungsgesellschaft eine Berufs- oder (und) Betriebshaftpflichtversicherung, so kann die Unmöglichkeit der Aufklärung der tatsächlichen Voraussetzungen der Haftung aus einem Versicherungsvertrag nicht dazu führen, daß der Versicherungsnehmer nunmehr aus keiner Versicherung eine Entschädigung bekommt, obwohl sicher feststeht, daß ihm jedenfalls aus einem der Versicherungsverträge eine Entschädigung gebührt. Der Vermeidung derartiger unbilliger Ergebnisse dient die Regelung in den Erläuterungen zum Versicherungsantrag, wonach die Gefahren des Berufs und Gewerbes einen - vom Versicherer zu beweisenden - Ausnahmetatbestand darstellen, so daß dann, wenn sich tatsächlich nicht aufklären läßt, ob ein Schaden aus dem privaten oder beruflichen Lebensbereich resultiert, jedenfalls eine Haftung aus der Privathaftpflichtversicherung besteht. Die Unaufklärbarkeit des Sachverhaltes, hier der Frage, ob die Lötapparatur vorwiegend beruflichen oder privaten Zwecken diente, geht dann zu Lasten des Versicherers.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Der Kläger wird allerdings seinen Klageantrag zu überprüfen haben. Er hat in seinem bisherigen Antrag Haftpflichtansprüche des Hauseigentümers Leicht und auf die Betriebskrankenkasse Bertelsmann übergegangene Haftpflichtansprüche gegen den Ehemann Eser, die nach seiner Ansicht begründet sind, ziffernmäßig festgelegt und insoweit Freistellung durch Zahlung dieser Beträge verlangt. Der versicherungsrechtliche Deckungsanspruch in der Haftpflichtversicherung, der auf Freistellung von begründeten und Abwehr unbegründeter Ansprüche geht, kann in der Regel zunächst nur unbeziffert, d.h. zweckmäßigerweise mit der Feststellungsklage (Feststellung, daß der Versicherer verpflichtet sei, Versicherungsschutz für einen bestimmten Schadensfall zu gewähren) geltend gemacht werden (OLG Hamm in VersR 75/173). Dieser Versicherungsanspruch wandelt sich erst dann in einen bezifferbaren Zahlungsanspruch um, wenn der Haftpflichtanspruch durch rechtskräftiges Urteil, Vergleich oder Anerkenntnis festgestellt ist (§156 Abs. 2 VVG). Entsprechendes könnte gelten, wenn der Haftpflichtanspruch nach Grund und Höhe zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer unstreitig ist und die Parteien nur darüber streiten, ob der berechtigte Haftpflichtanspruch unter den Deckungsbereich des Versicherungsvertrages fällt. Es ist nicht ersichtlich, daß im vorliegenden Fall einer der Haftpflichtansprüche auf diese Weise festgelegt worden ist. Vor einer solchen Festlegung kann im Deckungsprozeß kein bezifferter Anspruch geltend gemacht werden. Das würde dem Trennungsprinzip widersprechen (Prölß-Martin, 21. Aufl., Anm. 5 zu §149 VVG). Im Deckungsprozeß kann in der Regel nicht entschieden werden, ob und in welcher Höhe Haftpflichtansprüche gegen den Versicherten begründet sind. Entscheidend ist allein, daß Haftpflichtansprüche gegen ihn geltend gemacht werden.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§1 GKG i.V.m. Nr. 1271 des Kostenverzeichnisses, 118 a Abs. 4 ZPO.</p>
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316,030 | olgham-1977-11-24-2-wf-36377 | {
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"jurisdiction": null,
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} | 2 WF 363/77 | 1977-11-24T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:14 | 2019-03-27T09:41:36 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1977:1124.2WF363.77.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin nach einem Streitwert von 2.000,- DM zurückgewiesen. Jedoch werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.</p>
<p>Der Antrag der Antragstellerin, ihr für das Beschwerdeverfahren das Armenrecht zu bewilligen, wird abgelehnt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Parteien haben am 13.5.1973 geheiratet. Aus der Ehe ist ein Kind hervorgegangen, das am ... geboren ist. Seit Juli 1977 leben die Parteien getrennt. Die Antragstellerin lebt mit einem anderen Mann zusammen, den sie nach der Scheidung heiraten will.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Beide Parteien haben Antrag auf Scheidung gestellt und wechselseitig um Abweisung des gegnerischen Scheidungsantrags gebeten. Sie sind beide der Ansicht, daß ihre Ehe gescheitert sei, und halten die Fortsetzung der Ehe aus Gründen in der Person des jeweils anderen Teils für eine unzumutbare Härte.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin behauptet: Der Antragsgegner habe zunächst ein ehebrecherisches Verhältnis zu ihrer (der Antragstellerin) Schwester unterhalten, die er auch habe heiraten wollen, und lebe nunmehr seit einiger Zeit mit einem 15 (oder 16) Jahre alten Mädchen in der Ehewohnung zusammen. Schon vor Jahresfrist habe er sie zum Partnertausch und zum Gruppensex mit den Eheleuten .... - ihrer Schwester und deren Ehemann - aufgefordert, was sie (die Antragstellerin) jedoch abgelehnt habe. Um aus diesem "Sump" herauszukommen, habe sie sich dem Mann zugewandt, mit dem sie jetzt zusammenlebe. Der Antragsgegner habe sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt, daß sie mit diesem Mann ein intimes Verhältnis anfange.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner bestreitet das alles. Er räumt lediglich ein, zweimal mit der Schwester der Antragstellerin geschlechtlich verkehrt zu haben, behauptet aber, daß es in der Folgezeit noch wiederholt zum ehelichen Verkehr gekommen sei. Zur Begründung seines eigenen Scheidungsantrags beruft er sich darauf, daß die Antragstellerin mit einem anderen Mann zusammenlebe, zu dem sie, wenn auch mit Unterbrechungen, seit nunmehr drei Jahren intime Beziehungen unterhalte.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Antragstellerin hat hierauf erwidert, der Antragsgegner sei schon seit langer Zeit, wenn auch nicht seit drei Jahren, ausdrücklich damit einverstanden gewesen, daß sie sich diesem Manne zuwende; das habe der Antragsgegner ihr erst verbieten wollen, als sie den Partnertausch abgelehnt habe.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht hat der Antragstellerin das Armenrecht lediglich für den Antrag auf Abweisung des Scheidungsantrags des Antragsgegners bewilligt. Für den eigenen Scheidungsantrag hat es ihr das Armenrecht durch den angefochtenen Beschluß vom 15.9.1977 mangels hinreichender Erfolgsaussicht verweigert.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die außerdem beantragt, ihr für das vorliegende Beschwerdeverfahren das Armenrecht zu bewilligen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die Beschwerde gegen den das Armenrecht verweigernden Beschluß ist zulässig (§ 127 ZPO), aber nicht begründet. Zu Recht hat das Amtsgericht der Antragstellerin das Armenrecht für ihren eigenen Scheidungsantrag verweigert, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Da die Parteien noch nicht ein Jahr getrennt leben, könnte die Antragstellerin die Scheidung der Ehe nur dann verlangen, wenn die Fortsetzung der Ehe für sie aus Gründen, die in der Person des Antragsgegners liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde (§ 1565 II BGB). Das wird sich nicht feststellen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Nach der Auffassung des Senats ist § 1565 II BGB auch dann anzuwenden, wenn - wie im vorliegenden Fall - <u>beide</u> Ehegatten die Scheidung erstreben. Die entgegengesetzte Meinung, die teilweise im Schrifttum vertreten wird (Palandt-Diederichsen, BGB, 36. Aufl., § 1565 Anm. 4; Erman-Ronke, BGB, Nachtragsheft zur 6. Aufl.; Neues Familienrecht, § 1565 Rdz. 14), läßt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus dem Gesetzeszweck begründen. Durch die Regelung in § 1565 II BGB sollte nicht allein die Möglichkeit verhindert werden, eine einseitige Aufkündigung der Ehe vor Ablauf des Trennungjahres herbeizuführen, sondern es sollte auch ganz allgemein die Scheidung vor Ablauf dieser Frist erschwert werden (vgl. OLG Stuttgart, FamRZ 1977, 646 = NJW 1977, 1542; OLG Köln, FamRZ 1977, 717; OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 26.10.1977 - 2 WF 182/77 - und 28.10.1977 - 1 WF 149/77 -). Begehren beide Ehegatten die Scheidung, so ist für jeden von ihnen zu prüfen, ob die Fortsetzung der Ehe für ihn aus Gründen in der Person des anderen eine unzumutbare Härte darstellt.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Ob die Gründe in der Person des anderen Ehegatten so schwerwiegend sind, daß der Portbestand der Ehe - sei es auch nur dem Bande nach und auch nur für die Dauer eines Jahres - für den die Scheidung begehrenden Ehegatten eine unzumutbare Härte darstellt, beurteilt sich danach, wie dieser das Verhalten des anderen empfindet. Aus <u>seiner</u> Sicht muß die Grundlage der auf gegenseitiger Achtung, Treue und Liebe aufgebauten Ehe nachhaltig beeinträchtigt sein. Das ist in aller Regel der Fall bei schweren Verletzungen der ehelichen Treue durch ein ehebrecherisches Verhältnis, ohne daß es darauf ankommt, ob und inwieweit dieses bereits in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist (so auch OLG Düsseldorf, Beschluß vom 26.10.1977 - 2 WF 182/77, gegen OLG Köln, Beschluß vom 1.9.1977 - 21 WF 171/77). Selbst Verhaltensweisen, die überhaupt nicht nach außen gedrungen sind und an denen dritte Personen überhaupt nicht beteiligt sind - etwa Mißhandlungen und grobe Ehrverletzungen - können den verletzten Ehegatten so schwer treffen, daß der Fortbestand des Ehebandes für ihn, sei es auch nur bis zum Ablauf der Jahresfrist, eine unzumutbare Härte bedeutet.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß die Antragstellerin, die dem Antragsgegner sexuelles Fehlverhalten, insbesondere ehebrecherische Beziehungen zu zwei Frauen, vorwirft, selbst in einem eheähnlichen Verhältnis mit einem anderen Mann lebt. Eigene Verfehlungen schließen zwar auch im Rahmen des § 1565 II BGB die Möglichkeit einer Scheidung aus Gründen in der Person des anderen Ehegatten nicht notwendig aus. Voraussetzung ist aber auch hier, daß die Gründe noch als so schwerwiegend empfunden werden, daß sie den Fortbestand der Ehe als Härte erscheinen lassen, die sich zudem noch als unzumutbar erweisen muß. Dahingehenden Feststellungen werden sich bei wechselseitigem ehebrecherischen Verhalten vielfach nicht treffen lassen, jedenfalls dann nicht, wenn - wie im vorliegenden Fall - der die Scheidung begehrende Ehegatte bereits in einem eheähnlichen Dauerverhältnis mit einem Partner lebt, den er nach der Scheidung heiraten will. Dann sprechen die Umstände regelmäßig dafür, daß ihm das gleichartige Verhalten des anderen Ehegatten nicht mehr sonderlich verletzt, daß ihn vielmehr der Fortbestand des Ehebandes allein deshalb so stark belastet, weil er den neuen Partner noch nicht heiraten kann. Das aber ist eine Härte aus Gründen in der eigenen Person und nicht in der Person des anderen Ehegatten. Darauf, ob diese Härte zumutbar ist oder nicht, kommt es nicht an.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Eine andere Beurteilung kann ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn die Gründe in der Person des anderen Ehegatten bereits vorlagen, als der die Scheidung begehrende Ehegatte seinerseits Beziehungen zu einem anderen Partner aufnahm. In einem solchen Fall können diese Gründe unter Umständen einmal derart fortwirken, daß trotz des eigenen ehebrecherischen Verhaltens eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres immer noch gerechtfertigt erscheint. In diese Richtung zielt der Vortrag der Antragstellerin, der Antragsgegner habe ihr Partnertausch und Gruppensex angesonnen; sie habe sich dem anderen Mann zugewandt, um aus diesem "Sumpf" herauszukommen. Diese Motivierung der Antragstellerin für ihre Abwendung von dem Antragsgegner erscheint indes nach Lage der Dinge wenig glaubhaft, und auch nicht beweisbar, insbesondere wenn man berücksichtigt, daß sie sich nach ihrem eigenen Vorbringen schon vor längerer Zeit mit diesem anderen Mann eingelassen hat. Auch wenn der Antragsgegner hiermit tatsächlich einverstanden gewesen sein sollte, vermag der Senat unter den obwaltenden Umständen nicht festzustellen, daß der Fortbestand der Ehe für die Antragstellerin aus den von ihr behaupteten Gründen in der Person des Antragsgegners eine unzumutbare Härte darstellt.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Der Antragstellerin kann das Armenrecht auch nicht für das vorliegende Beschwerdeverfahren bewilligt werden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine Gewährung des Armenrechts für das Armenrechtsverfahren selbst überhaupt zulässig ist; denn es fehlt auch insoweit auf jeden Fall an den Erfolgsaussichten.</p>
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316,031 | olgham-1977-11-11-15-w-42577 | {
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} | 15 W 425/77 | 1977-11-11T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:16 | 2019-03-27T09:41:36 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1977:1111.15W425.77.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.</p>
<p>Auf die - erste - Beschwerde werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Gelsenkirchen - Grundbuchamt - vom 3. und 26. August 1977 aufgehoben.</p>
<p>Das Grundbuchamt wird angewiesen, die beantragte Grundbuchberichtigung - betreffend den Übergang des Erbteils des Kaufmanns Heinrich Weßling auf dessen Ehefrau, die Beteiligte zu 1) - einzutragen.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><u>Gründe:</u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>A.</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf die ausführliche Darstellung im angefochtenen Beschluß Bezug genommen. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Zu ergänzen ist folgendes:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Das Amtsgericht - Grundbuchrechtspfleger - hat, nachdem die mit der Zwischenverfügung vom 18. April 1977 gesetzte Frist von 2 Monaten verstrichen war, zunächst durch Beschluß vom 3. August 1977 "den Antrag der Ehefrau" xxx aus der notariellen Urkunde vom 29. Januar 1977 betreffend die Erbteilsübertragung zurückgewiesen. Nach Eingang der vom Notar auf Grund der Zwischenverfügung vorgelegten weiteren Urkunden hat das Amtsgericht durch Beschluß vom 26. August 1977 denselben Antrag erneut zurückgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vom 11. November 1977 richtet sich die vom Notar (Notarvertreter) unter dem 16. Dezember 1977 eingelegte weitere Beschwerde, mit der der Grundbuchberichtigungsantrag aus der Urkunde vom 29.1.1977 weiterverfolgt wird.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><b>B.</b></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><b>I. </b></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Die weitere Beschwerde ist nach §§ 78, 80 GBO zulässig. Da der Notar bei ihrer Einlegung nichts darüber erklärt hat, für welchen der Beteiligten das geschehen sei, sind als Beschwerdeführer alle Beschwerdeberechtigten, mithin alle Antragsberechtigten anzusehen (Horber, GBO, 14. Aufl., § 15 Anm. 6 b in Verb, mit § 71 Anm. 10 Ba und 11 c). Die Antragsbefugnis steht hier nach § 13 Abs. 2 GBO allen vier Beteiligten zu, und zwar als betroffenem (verlierendem) Teil in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Erben des (noch) eingetragenen Miteigentümers - in Erbengemeinschaft - xxx der Witwe xxx zudem in ihrer Stellung als von der Eintragung begünstigtem (gewinnendem) Teil.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Vollmacht des Notars zur Vertretung der Antragsberechtigten im Verfahren der weiteren Beschwerde ergibt sich gem. § 80 Abs. 1 Satz 3 GBO daraus, daß er in der ersten Instanz von seinem Antragsrecht aus § 15 GBO Gebrauch gemacht hat; dies geht insbesondere daraus hervor, daß er auf die Beanstandung des Grundbuchamts vom 18.4.1970 hin Ausführungen gemacht hat (Horber, § 15 GBO, Anm. 4c m.weit.Nachw.).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><b>II. </b></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg, weil die angefochtene Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht, § 78 GBO. Die Vorinstanzen haben den Grundbuchberichtigungsantrag der Beteiligten zu Unrecht zurückgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">1.) Zutreffend ist das Landgericht von einer zulässigen Erstbeschwerde ausgegangen, Beschwerdeführer waren indessen alle vier Beteiligten, nicht lediglich die Beteiligte zu 1), wie das Landgericht angenommen hat. Das ergibt sich mangels entgegenstehender Erklärungen in der Erinnerungsschrift des Notars vom 5.9.1977 aus den gleichen Erwägungen, wie sie oben unter I. zur weiteren Beschwerde ausgeführt sind.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Gegenstand der ersten Beschwerde war bei zutreffender Beurteilung nicht nur der amtsgerichtliche Beschluß vom 26. August 1977, auch wenn die Erinnerungsschrift diesen allein bezeichnet. Bei einer solchen Beschränkung wäre das Beschwerdebegehren nämlich ins Leere gegangen, weil der Eintragungsantrag bereits durch den Beschluß des Rechtspflegers vom 3.8.1977 zurückgewiesen worden war. Als einen neuen Antrag hat der Rechtspfleger die Eingabe des Notars vom 18. August 1977 ersichtlich - und mit Recht - nicht aufgefaßt. Dem Beschluß vom 26.8.1977 ist daher keine selbständige Bedeutung beizumessen. In ihm kommt lediglich zum Ausdruck, daß das Grundbuchamt auch nach Beibringung der neuen Unterlagen im Hinblick auf die frühere Zwischenverfügung bei seiner zurückweisenden Entscheidung vom 3.8.1977 verbleiben wollte. Als Gegenstand der Erinnerung vom 26.8.1977 ist daher die in den genannten beiden Beschlüssen verlautbare Zurückweisung des Eintragungsbegehrens aus der Urkunde vom 29. Januar 1977 anzusehen. Der Senat ist als Rechtsbeschwerdegericht zur selbständigen Auslegung sowohl von Verfahrenshandlungen der Beteiligten als auch von Entscheidungen der Vorinstanzen befugt (Horber, § 78 GBO, Anm. 3b m.weit.Nachw.).</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">2.) In der Sache selbst zielte der gestellte Eintragungssantrag, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, darauf ab, die Beteiligte zu 1) im Wege der Grundbuchberichtigung anstelle ihres Ehemannes als Miteigentümerin innerhalb der Erbengemeinschaft auf Grund einer dinglichen Erbteilsübertragung gem. § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB in das Grundbuch einzutragen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Irrig ist jedoch die Ansicht des Beschwerdegerichts, der dingliche Übergang des erwähnten Erbteils sei nicht in grundbuchmäßiger Form (§ 29 GBO) nachgewiesen, weil die Erben des Verstorbenen durch den Erbfall nicht die Befugnis erlangt hätten, den vollmachtlosen Vertragsschluß der Beteiligten zu 1) für den Erblasser und ihr Selbstkontrahieren nachträglich zu genehmigen bzw. zu gestatten. Die vom Landgericht dafür gegebene Begründung, weder das Genehmigungsrecht i.S. des § 177 Abs. 1 BGB noch das "Befreiungsrecht" nach § 181 BGB (d.h. Gestattung des Selbstkontrahierens) gehörten zum Vermögen i.S. des § 1922 Abs. 1 BGB, verkennt diesen gesetzlichen Vermögensbegriff und wird dem erbrechtlichen Prinzip der Universalsukzession nicht gerecht.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Absatz 1 der letztgenannten Vorschrift lautet: "Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über." Diese Bestimmung statuiert für das Recht des BGB den Grundsatz der Universalsukzession. Deren Ziel ist es, im Interesse des oder der Erben und der Nachlaßgläubiger das Vermögen des Erblassers unverändert auf die Erben zu überführen; die Erben erhalten das Vermögen "wie es steht und liegt", in demselben Zustande, wie es sich beim Erblasser befand. Als Leitsatz und Grundregel des Erbrechts bringt § 1922 BGB knapp und betont die Grundgedanken der Erbfolge zum Ausdruck, ohne aber den Vermögensbegriff rechtstechnisch voll zu präzisieren; diese Präzisierung ist nachfolgenden Vorschriften überlassen (Lange/Kuchinke, Erbrecht, 2. Aufl., § 5 II 2 a u. b = S. 60/61). Während die volkstümliche Vorstellung in der Erbschaft die konkreten Vermögensstücke erblickt, ist die rechtliche Betrachtung komplizierter. Sie geht von der Rechtsmacht des Erblassers aus, sondert von dieser die unvererblichen Bestandteile ab und stellt so das Aktivvermögen fest. Diese Rechtsmacht geht mit allen ihren Vorzügen und Mängeln auf den oder die Erben über (Lange/Kuchinke, § 5 III 3 a).</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der in § 1922 Abs. 1 BGB verwendete Vermögensbegriff hat also im wesentlichen die Funktion, die unvererblichen Rechte und Pflichten aus dem universalen Rechtsstatus des Erblassers auszuscheiden und diesen Status auf das zu reduzieren, was ohne Bindung an die persönliche Existenz des Erblassers von den Erben fortgesetzt werden kann (Soergel/Siebert/Schippel, BGB, 10. Aufl., § 1922 Rdn. 16). Ausgeschieden werden die überwiegend persönlichkeitsbezogenen Rechte und Pflichten, vor allem die höchstpersönlichen Rechte (vgl. Palandt/Keidel, BGB, 37. Aufl., § 1922 Anm. 3 b); dagegen sind die vermögensbezogenen Rechte und Pflichten grundsätzlich vererblich (vgl. z.B. Brox, Erbrecht, 5. Aufl., § 1 Rdn. 11).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Zum Vermögen i.S. des § 1922 Abs. 1 BGB gehören dementsprechend, wie in der Rechtsprechung und im Schrifttum einhellig anerkannt ist, auch die "unfertigen", noch werdenden oder schwebenden Rechtsbeziehungen, bedingte und künftige Rechte, ebenso bloße Möglichkeiten des Rechtserwerbs, sog. "Rechtslagen" (vgl. z.B. Erman/Bartholomeyczik/Schlüter, BGB, 6. Aufl., § 1922 Rdn. 7; BGB-RGRK-Kregel, 11. Aufl., § 1922, Anm. 15; Staudinger/Boehmer, BGB, 11. Aufl., Rdn. 64, 67, 149, 173 ff., 201 ff.; Brox, § 2 Rdn. 17, 18; Palandt/Keidel, § 1922 Anm. 3 a, hh).</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Eine unfertige Rechtsbeziehung ist beispielsweise gegeben, wenn derjenige, dem ein Vertragsantrag zugegangen ist, vor der Annahme stirbt. Dann geht die Möglichkeit des Rechtserwerbs, nämlich der Annahme des Vertragsantrages, auf die Erben über, sofern der Antragende den Vertragsschluß nicht gerade an die Person des Adressaten gebunden wissen wollte (so: KG, OLG 41, 25; zustimmend: Erman/Bartholomeyczik/Schlüter, Rdn. 11; BGB-RGRK-Kregel, Anm. 15; Palandt/ Keidel, Anm. 3 a hh, sämtlich zu § 1922 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">In gleicher Weise muß nach Auffassung des Senats das Genehmigungsrecht des Vertretenen nach § 177 Abs. 1 BGB beurteilt werden. Durch den Vertragsschluß eines vollmachtlosen Vertreters erlangt der Vertretene die rechtliche Möglichkeit, den - zunächst schwebend unwirksamen - Vertrag durch Genehmigung mit Rückwirkung (§ 184 Abs. 1 BGB) wirksam werden zu lassen und sich seine Wirkungen zunutze zu machen. Hat der Vertrag einen vermögensbezogenen Gegenstand, so bestehen keine Bedenken, den Übergang der Genehmigungsmöglichkeit (des Genehmigungsrechts) auf die Erben anzunehmen (vgl. auch Erman/ Bartholomeyczik/Schlüter, § 1922 BGB, Rdn. 50 in Bezug auf die Ermächtigung - § 185 BGB - und andere Zustimmungserklärungen, sofern das Zustimmungsrecht nicht etwa, wie z.B. bei der Annahme eines Kindes, höchstpersönlich und das Rechtsgrundverhältnis - § 183 BGB vererblich ist).</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Für die Rechtsmacht eines Vertretenen, dem Vertreter das Selbstkontrahieren im voraus zu gestatten oder es nachträglich zu genehmigen, kann nichts anderes gelten. Das verbotswidrig durch Selbstkontrahieren abgeschlossene Rechtsgeschäft ist trotz des Wortlauts "kann nicht" (in § 181 BGB) nicht schlechthin nichtig, sondern schwebend unwirksam und wird - ebenso wie ein Vertragsschluß des vollmachtlosen Vertreters gem. § 177 Abs. 1 BGB - durch Genehmigung gem. § 184 BGB mit rückwirkender Kraft voll wirksam (OLG Frankfurt, OLGZ 1974, 347, <u>350</u> m.weit.Nachw.; Palandt/Heinrichs, § 181 BGB, Anm. 3 m.weit.Nachw.)</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">3.) Auf Grund seiner unzutreffenden Rechtsansicht über die Befugnisse der Erben ist das Landgericht zu einer sachlich unrichtigen Entscheidung gelangt. Denn mit den vorgelegten Urkunden war dem Grundbuchamt die behauptete Unrichtigkeit des Grundbuchs gem. § 22 GBO nachgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">a) Der notarielle Vertrag vom 29.1.1977 enthält die Übertragung des Erbteils, der dem Ehemann der Beteiligten zu 1) am Nachlaß seines Vaters xxx zugefallen und in Erbengemeinschaft gebunden war, auf die Beteiligte zu 1). Aus dem beurkundeten Passus: </p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">"Dieser Erbteil wird hiermit schenkweise an Frau xxx geborene xxx übertragen. Die Übertragung erfolgt auch mit dinglicher Wirkung" ergibt sich bei verständiger Würdigung nicht nur die Erklärung des übertragenden Teils, sondern auch die zu der Einigung erforderliche Erklärung der Beteiligten zu 1), die Übertragung anzunehmen. Der zusätzlichen besonderen Annahmeerklärung der Beteiligten zu 1) in der notariellen Urkunde vom 17.8.1977, die auf die Zwischenverfügung des Rechtspflegers vom 18.4.1977 zu Ziff. 2 beigebracht worden ist, hätte es daher nach Auffassung des Senats nicht einmal bedurft.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Das vollmachtlose Handeln der Ehefrau bei dieser Erbteilsübertragung für ihren Ehemann ist nachträglich durch die notariell beglaubigte Erklärung der gesetzlichen Erben des Ehemannes vom 7.2.1977 genehmigt worden. Der Nachweis der Erbfolge ergibt sich aus dem Erbschein des Amtsgerichts xxx vom 1.3.1977.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beteiligte zu 1) diese Genehmigungserklärung namens ihrer drei Kinder, der Beteiligten zu 2) bis 4) abgegeben hat, war sie dazu von ihnen wirksam bevollmächtigt, was sich aus der Urkunde vom 29.1.1977 ergibt. Zwar findet sich die Vollmachtserteilung unter Ziff. I f im ersten Abschnitt der Urkunde, der sich mit der schenkweisen Übereignung des dem Ehemanne gehörenden hälftigen ideellen Bruchteils an einem Grundstück in xxx am xxx auf die Ehefrau befaßt. Daraus ist indessen keine entsprechende Beschränkung der Vollmacht herzuleiten, zumal die ziffernmäßige Gliederung der Urkunde ersichtlich nicht folgerichtig durchgeführt worden ist. Entscheidend fällt hier ins Gewicht, daß die Beteiligten zu 2) bis 4), "soweit sie durch Erbfolge dazu berufen sind", ihre Mutter bevollmächtigt haben, "für sie alle Erklärungen, die zur Rechtswirksamkeit dieser Urkunde erforderlich sind", abzugeben. Mit diesen Worten wird, wie die weitere Beschwerde mit Recht geltend macht, eindeutig auf dem Gesamtinhalt der Urkunde, also auch auf die der Vollmachtsklausel nachfolgenden Vertragsbestimmungen hingewiesen. Das wird umso deutlicher, als die Vollmacht ausdrücklich "insbesondere die nachträgliche Genehmigung" beurkundeter Erklärungen umfassen und sich auf Bewilligungen und Anträge für "Eintragungen jeder Art in das Grundbuch" erstrecken soll.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Als empfangsbedürftige Willenserklärung mußte die Genehmigung (§ 177 Abs. 1 BGB) - die gem. § 132 Abs. 1 BGB entweder dem vollmachtlos handelnden Vertreter oder dem anderen Vertragsteil, in jedem Falle also der Beteiligten zu 1) gegenüber abzugeben war - zu ihrer Wirksamkeit dem Erklärungsempfänger zugehen (Erman/Westermann, § 177 BGB Rdn. 11). Daß diese Voraussetzung hier erfüllt ist, begegnet keinen Bedenken. Soweit die Beteiligte zu 1) dabei die Genehmigungserklärung namens ihrer drei Kinder als Miterben ihres Ehemannes sich selbst gegenüber abgegeben hat, ist ihr das darin liegende Selbstkontrahieren in der Urkunde vom 29.1.1977 unter I f gleichfalls ausdrücklich gestattet worden. Es heißt dort nämlich, im unmittelbaren Anschluß an die Vollmachtserteilung: "Die Bevollmächtigte ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit." Auch diese Klausel ist - entgegen der hierzu vom Landgericht vertretenen Auffassung - nach ihrer Stellung im Zusammenhang und dem erkennbaren Sinn auf den Gesamtinhalt der Urkunde zu beziehen, nicht lediglich auf den ersten Vertragsabschnitt über den hälftigen Grundstücksanteil des</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">b) Neben der Genehmigung für das Handeln ohne Vertretungsmacht bedurfte es, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, der Genehmigung des Selbstkontrahierens der Beteiligten zu 1) in der Urkunde vom 29.1.1977. Diese Genehmigung konnte, wie eben zu 2) ausgeführt, gleichfalls von den Erben des Verstorbenen erklärt werden und mußte - entsprechend dem vorstehend zu a) Gesagten - der Beteiligten zu 1) zugehen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Die erwähnte Genehmigungserklärung vom 7.2.1977 spricht allerdings den rechtlichen Gesichtspunkt des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) nicht ausdrücklich an; sie beschränkt sich auf den Passus: "genehmigt hiermit alle Erklärungen in der Urkunde ... vom 29.1.1977 ... und tritt dieser Urkunde in allen Teilen zustimmend bei". Das schließt jedoch die Annahme einer nachträglichen Gestattung nach § 181 BGB keineswegs aus. Denn es ist durchaus möglich, daß eine Erklärung, die sich äußerlich nur als eine einzige Erklärung darstellt, eine Vielzahl von Willenserklärungen enthält, wie etwa bei der Annahme mehrerer Vertragsangebote durch nur eine Annahmeerklärung. Ob die Genehmigungserklärung, die sich äußerlich als eine einzige Erklärung darstellt, auch das Insichgeschäft deckt, läßt sich nur auf Grund einer Auslegung der Erklärung aus den Umständen beurteilen. Dabei kommt es auf die Sicht des Erklärungsempfängers an, weil sich der Inhalt einer empfangsbedürftigen Willenserklärung im Interesse des rechtsgeschäftlichen Verkehrs nicht nach dem wirklichen Willen des Erklärenden, sondern danach bestimmt, was auf Grund seiner Erklärung dem Empfänger objektiv als sein Wille erkennbar wird (Palandt/Heinrichs, § 133 BGB Anm. 4 b m.weit.Nachw.). Dabei ist das vom Erklärenden verfolgte Interesse, soweit es dem Erklärungsempfänger erkennbar ist, von besonderer Bedeutung (Erman/ Westermann, § 133 BGB, Rdn. 6 m.weit.Nachw.).</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Falle ging das Interesse der Beteiligten zu 1) in ihrer Stellung als Erbteilserwerberin wie auch als Miterbin ihres Mannes erkennbar dahin, dem Vertragsschluß vom 29.1.1977 unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten, soweit erforderlich, durch Genehmigung zur vollen Wirksamkeit zu verhelfen. Daß hierbei auch an § 181 BGB gedacht worden ist, zeigt die im Vertrag vom 29.1.1977 enthaltene Klausel über die Befreiung der Beteiligten zu 1) von den Beschränkungen der genannten Vorschrift durch die Beteiligten zu 2) bis 4). Die in dieser Klausel enthaltenen Worte "soweit sie (nämlich die Beteiligten zu 2) bis 4)) durch Erbfolge dazu berufen sind", deuten offensichtlich auf die seinerzeit wohl erwartete und dann auch eingetretene Erbfolge der drei Kinder nach ihrem Vater hin. Für einen anderen Bezug der erwähnten "Erbfolge" läßt sich der Urkunde vom 29.1.1977 und den sonstigen vorgelegten Urkunden kein Anhaltspunkt entnehmen.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Demnach konnte das Grundbuchamt davon ausgehen, daß sich die Genehmigungserklärung vom 7.2.1977 auch auf das Insichgeschäft der Beteiligten zu 1) vom 29.1.1977 bezog, daß die Genehmigung durch die erteilte Vollmacht gedeckt war und daß der Beteiligten zu 1) auch die Vornahme dieses - einseitigen - Rechtsgeschäfts gegenüber sich selbst gestattet war.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Insgesamt erbringen die vorgelegten Urkunden den Nachweis, daß der Erbteil des xxx mit dinglicher Wirkung gem. § 2033 Abs. 1 BGB außerhalb des Grundbuchs auf seine Ehefrau, die Beteiligte zu 1), übergegangen und das Grundbuch dadurch unrichtig geworden ist.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Ein Fall nach § 312 Abs. 1 Satz 1 BGB ist hier nicht gegeben, wie das Landgericht im Gegensatz zur Auffassung des Grundbuchrechtspflegers zutreffend ausgeführt hat.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Da auch kein sonstiges Eintragungshindernis besteht, waren der angefochtene Beschluß und - auf die Erstbeschwerde hin - die Beschlüsse des Amtsgerichts - Grundbuchamts - vom 3. und 26. August 1977 aufzuheben und das Grundbuchamt anzuweisen, die Grundbuchberichtigung antragsgemäß einzutragen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Dr. Kuntze</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Saggel </p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Arps</p>
|
316,032 | olgham-1977-11-03-15-w-32177 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
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"state": 12,
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"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 15 W 321/77 | 1977-11-03T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:17 | 2019-03-27T09:41:36 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1977:1103.15W321.77.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p>Der Beschluß des Amtsgerichts Essen vom 23. Juli 1975 wird jedoch wie folgt gefaßt:</p>
<p>Der Standesbeamte des Standesamts ... wird angewiesen, im Familienbuch ... des Standesamts ... den in Spalte 10 eingetragenen Vermerk vom 24. Mai 1974 durch Beischreibung folgenden Vermerks zu berichtigen:</p>
<p>Die Frau führt durch Erklärung bei der Eheschließung den Ehenamen "..." nach deutschen Recht. Ihre Vornamen lauten ... (persönlicher Name und Zwischennamen ägyptischen Rechts).</p>
<p>Der Wert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 5.000,- DM festgesetzt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligte zu 1) ist ägyptische Staatsangehörige. Ihr Geburtsname setzte sich aus dem
Vornamen ..., den Zwischennamen ... (Vorname des Vaters und Vorname des Großvaters) und dem Familiennamen
... zusammen. Am 24. Mai 1974 hat die Beteiligte zu 1) den deutschen Staatsangehörigen ... den Beteiligten
zu 2), in ... geheiratet. Sie hat an diesem Tage eine Erklärung über die Ehenamensführung nach
deutschem Recht gemäß § 190 Abs. 3 der Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre
Aufsichtsbehörden vom 16. April 1968 (DA) folgenden Inhalts abgegeben: "Bevor ich den Heiratseintrag
unterschreibe, erkläre ich, daß ich den Ehenamen nach deutschem Recht annehme."</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Im Heiratseintrag Nr. 245/1974 des Standesamts ... sind alle drei Namensbestandteile der Beteiligten zu 1)
aufgeführt. Sie hat diesen Eintrag mit dem Namen "..." unterschrieben. In Spalte 2 des Familienbuches
sind ebenfalls alle Bestandteile des Geburtsnamens eingetragen. Spalte 10 des Familienbuches enthält unter der
Überschrift "Weitere Vermerke über die Ehegatten und die Kinder" folgenden Zusatz: "Die Frau
führt durch Erklärung bei der Eheschließung den Ehenamen "..." nach deutschem Recht, nur den
Vornamen "..." und nicht die Zwischennamen "..."."</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Bereits während der Verlöbniszeit der Beteiligten zu 1) und 2) hatte der Beteiligte zu 3) mit Schreiben
vom 19. April 1974 im Hinblick auf die bevorstehende Heirat beim Amtsgericht Essen begehrt, den Standesbeamten des
Standesamt ... - wie folgt anzuweisen:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">"1)</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Zwischenname der Frau ist in allen Personenstandsbüchern einzutragen, wenn sie keine Erklärung
nach § 190 Abs. 3 DA abgibt.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">2)</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Zwischenname ist zunächst nur im Heiratseintrag einzutragen. Soweit die Frau bei der Eheschließung
eine Erklärung nach § 190 Abs. 3 DA abgegeben hat, ist bei weiteren Personenstandsbeurkundungen nach deutschem
Namensrecht zu verfahren. Die Zwischennamen werden somit nicht mehr eingetragen."</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung hatte der Beteiligte zu 3) im wesentlichen vorgetragen, daß die Beteiligte zu 1)
mit ihrer Erklärung gemäß § 190 Abs. 3 DA voll in das deutsche Namensrecht eingetreten sei,
das keine Zwischennamen kenne. In diesen Verfahren waren vom Amtsgericht ein Gutachten vom 20. Mai 1974 nebst
Nachtragsgutachten vom 6. Dezember 1974 des Instituts für Rechtsvergleichung der Universität München
eingeholt worden.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Nach der Heirat der Beteiligten zu 1) und 2) in Marl, ihrem Wohnsitz, und Vollziehung der Eintragungen im
Familienbuch hat der Beteiligte zu 3) mit Schreiben vom 4. Juli 1975 auf die vorliegenden Gutachten verwiesen,
wonach die Zwischennamen ... mehr den Vornamen zuzuordnen seien, und beim Amtsgericht Essen gemäß
§ 47 PStG beantragt, die Löschung des zweiten Halbsatzes des Vermerks in Spalte 10 des Familienbuches
vom 24. Mai 1974 anzuordnen. Die Berichtigung ist antragsgemäß durch Beschluß des Amtsgerichts
Essen vom 23. Juli 1975 ausgesprochen worden. Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 3) mit Schreiben
vom 30. Juli 1975 zur Herbeiführung einer höchstrichterlichen Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt,
da nicht feststehe, ob die Zwischennamen ... den deutschen Vornamen oder dem Familiennamen zuzuordnen seien. Das
Landgericht hat durch Beschluß vom 14. Juli 1977 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen, weil davon
auszugehen sei, daß die dem deutschen Recht fremden Zwischennamen den deutschen Vornamen näher stünden
als den Familiennamen. Gegen die landgerichtliche Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des
Beteiligten zu 3) vom 10. August 1977.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die weitere Beschwerde statthaft (§§ 27 FGG, 48 Abs. 1
PStG). Die Vorschriften des Personenstandsgesetzes und des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit sind hier deshalb anzuwenden, weil deutsche Gerichte von deutschem Verfahrensrecht auszugehen haben
und zum anderen der Gegenstand des Personenstandsverfahrens dies gebietet (BayObLG, FamRZ 1972, 262). Die weitere
Beschwerde ist nach § 29 Abs. 2 FGG eine sofortige, wenn - wie hier - das Amtsgericht eine nach § 49 Abs. 1
PStG mit der sofortigen Beschwerde anfechtbare Verfügung erlassen und das Landgericht die Beschwerde
zurückgewiesen hat (Jansen, FGG, 2. Aufl., Rz. 2 zu § 70 FGG a.F.). Das von dem Beteiligten zu 3)
fristgerecht eingelegte Rechtsmittel wahrt die Form des § 29 Abs. 1 S. 3 FGG. Die für das betroffene
Standesamt zuständige Aufsichtsbehörde besitzt die Behördeneigenschaft im Sinne dieser Bestimmung
und kann daher ohne Mitwirkung eines Rechtsanwalts weitere Beschwerde einlegen (Pfeiffer/Strickert, PStG, Rz. 9
zu § 49 PStG). Der Beteiligte zu 3) ist auch, beschwerdeberechtigt. Denn einem Beschwerdeführer steht
stets ein Beschwerderecht für die Einlegung der weiteren Beschwerde zu, wenn seine erste Beschwerde - aus
welchem Grunde auch immer - ohne Erfolg geblieben ist (OLG Köln, OLGZ 1971, 94; Jansen, Rz. 8 zu § 27
FGG; Keidel/Winkler, FGG, 10. Aufl., Rz. 10 zu § 27 FGG).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Das somit zulässige Rechtsmittel ist jedoch unbegründet, weil die Beschwerdeentscheidung nicht auf
einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 FGG).</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Mit Recht hat das Landgericht die erste Beschwerde des Beteiligten zu 3), die fristgerecht eingelegt worden war
(§§ 49 Abs. 1 S. 1 PStG, 22 Abs. 1 FGG), als zulässig angesehen. Der Beteiligte zu 3) war beschwerdebefugt,
obwohl das Amtsgericht seinem Berichtigungsantrag, zu dem er nach § 47 Abs. 2 S. 1 PStG berechtigt war, stattgegeben
hatte. Der Aufsichtsbehörde steht nämlich gemäß § 49 Abs. 2 PStG ein Beschwerderecht in jedem
Falle zu, und zwar auch dann, wenn der von ihr selbst gestellte Antrag Erfolg gehabt hat (BGH, FamRZ 1965, 311, 312;
Jensen, Rz. 4 zu § 70 FGG a.F.; Massfeller/Hoffmann, PStG, Rz. 12 zu § 49 PStG; Pfeifer/Strickert, Rz. 9
zu § 49 PStG). Es genügt das öffentliche Interesse, durch eine obergerichtliche Entscheidung die
Klärung einer Rechtsfrage herbeizuführen. Dabei kann die Aufsichtsbehörde ihren Standpunkt im Laufe
des Verfahrens nach erneuter Erwägung auch wechseln.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat der ersten Beschwerde der Aufsichtsbehörde den Erfolg versagt. Das unterliegt keinen
rechtlichen Bedenken.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Vorinstanz hat die internationale Zuständigkeit des nach § 50 Abs. 1 PStG in Verbindung mit der
nordrhein-westfälischen Verordnung vom 22. Oktober 1957 (GV NW S. 277) und der vom 22. November 1974 (GV NW
S. 1490) für das Berichtigungsverfahren des § 47 PStG örtlich und sachlich zuständigen Amtsgerichts
Essen bejaht, ohne dies näher zu begründen. Das ist aber im Ergebnis unschädlich. Die im deutschen
Verfahrensrecht vorgesehene Mitwirkung der örtlichen Gerichte bei der Führung der Personenstandsbücher
begründet zugleich deren internationale Zuständigkeit, falls die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen
einer gerichtlichen Tätigkeit, wie sie sich aus dem Personenstandsgesetz ergeben, vorliegen (BayObLG, FamRZ
1972, 262; Keidel/Winkler, Rz. 8 a zu § 69 FGG a.F.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Gemäß § 47 Abs. 1 S. 1 PStG kann ein abgeschlossener Eintrag nur auf Anordnung des Gerichts
berichtigt werden, wenn - wie hier - keine Befugnis des Standesbeamten zur selbständigen Berichtigung nach
den §§ 46, 46 a und 46 b PStG gegeben ist. Gegenstand des gerichtlichen Berichtigungsverfahrens sind
Eintragungen in allen vier Personenstandsbüchern, mithin auch in dem durch das Änderungsgesetz vom 18.
Mai 1957 (BGBl. I S. 518) neu geschaffenen Familienbuch der §§ 12 ff. PStG (Pfeiffer/Strickert, Rz. 2
zu § 47 PStG), dessen Eintragungen dieselbe Beweiskraft haben wie die Eintragungen in den übrigen
Personenstandsbüchern (§ 60 PStG). Ein Berichtigungsantrag der Aufsichtsbehörde liegt vor (§
47 Abs. 2 S. 1 PStG). Berichtigung ist die nachträgliche Änderung des. Wortlauts einer - durch die
Unterschrift des Standesbeamten (§ 46 Abs. 1 PStG) - abgeschlossenen Eintragung durch Richtigstellung einer von
Anfang an bestehenden Unrichtigkeit (BayObLG, FamRZ 1972, 262; Jansen, Rz. 19 zu § 69 FGG a.F.; Pfeiffer/Strickert,
Rz. 4 zu § 47 PStG). Eine Berichtigung ist demnach auch veranlaßt, wenn bei der Eintragung eines nach
§§ 1355 BGB a.F., 190 Abs. 3 DA gebildeten Familiennamens der ausländischen Ehefrau eines Deutschen
zusätzlich unrichtig vermerkt wird, daß die Ehefrau bestimmte Namensbestandteile ihres Heimatrechts
(Zwischennamen) nicht mehr führe. Ein nach dem ausländischen Recht geführter Zwischenname (Name
des Vaters oder Großvaters) ist entsprechend der Zweckbestimmung des Personenstandsrechts, den vollen
bürgerlichen Namen auszuweisen, in die deutschen Personenstandsbücher und -urkunden einzutragen (BGH,
StAZ 1971, 250), wenn er durch die Eheschließung nicht berührt worden ist. Das ist hier der Fall.
Rechtsfehlerfrei ist insoweit die Feststellung des Landgerichts, daß der Vermerk in Spalte 10 des Familienbuches
... in seinem zweiten Halbsatz, die Frau führe nur den Vornamen "..." und nicht die Zwischennamen
"..."unrichtig sei.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Für die Entscheidung, ob eine solche Unrichtigkeit zu bejahen ist, bedurfte es zunächst der Klärung,
welches Recht für die Namensführung der Ehegatten maßgebend ist. Das hängt von ihrer
Staatsangehörigkeit ab. Der Ehemann besitzt die deutsche, die Ehefrau die ägyptische Staatsangehörigkeit.
Die Ehefrau hat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht erworben. Nach der seit dem 1. Januar 1970 geltenden Fassung
des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1913 soll die Ehefrau eines Deutschen auf ihren Antrag
unter bestimmten Voraussetzungen eingebürgert werden, wenn sie ihre bisherige Staatsangehörigkeit verliert
oder aufgibt (§ 9 RuStAG in der Fassung des Gesetzes vom 8. September 1969; BGBl. I S. 1581). Von dieser
Möglichkeit einer Einbürgerung hat die Beteiligte zu 1) erkennbar keinen Gebrauch gemacht. Ihre ägyptische
Staatsangehörigkeit hat sie nach ägyptischen Recht nicht verloren, da diese Rechtsfolge für eine
ägyptische Frau bei Heirat eines Ausländers nicht eintritt, es sei denn, daß sie bei Eingehung der
Ehe oder während der Dauer der Ehe erklärt hat, gemäß dem Heimatrecht ihres Ehemannes dessen
Staatsangehörigkeit erwerben zu wollen (Art. 19 des Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 82 von 1958,
geändert durch Gesetz Nr. 282 vom 21. Dezember 1959; vgl. Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht,
5. Aufl., "Ägypten", Seiten 2 ff.). Eine solche Erklärung liegt, wie bereits ausgeführt worden
ist, nicht vor.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Das internationale Privatrecht beantwortet die Frage, ob sich die Namensführung der Beteiligten zu 1) nach
ihrer Eheschließung nach deutschem oder nach ägyptischen Recht richtet. Nach dem vom deutschen Gericht
anzuwendenden deutschen internationalen Privatrecht (Beschluß des Senats vom 20. August 1970 - 15 W 224 und
225/69 - = FamRZ 1970, 658) gilt für das Namensrecht einer Person grundsätzlich das Personalstatut mit
Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, mithin das Heimatrecht des Namensträgers (BGH, FamRZ 1971,
426, 427; Senat, a.a.O.). Das gilt aber nicht ausnahmslos. Es bleibt nämlich außerdem zu prüfen,
welche Wirkung familienrechtliche Vorgänge, etwa die Eheschließung, auf die Namensführung der Ehepartner
haben. Hier entsteht das Problem, ob das Personalstatut weiter maßgebend bleibt, oder ob an das für
familienrechtliche Verhältnisse geltende Statut anzuknüpfen ist. Für die Frage einer Namensänderung
der Frau infolge der Eheschließung bedeutet das, ob das Personalstatut dem sogenannten Ehewirkungsstatut den
Vorrang einzuräumen hat, das heißt dem Recht, auf das für die Beurteilung der persönlichen
Rechtsbeziehungen der Ehegatten zueinander verwiesen wird (Art. 14 EGBGB).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">In seinem Beschluß vom 12. Mai 1971 (- IV ZB 52/70 - = BGHZ 56, 193 = FamRZ 1971, 426 = NJW 1971, 1516 =
StAZ 1971, 216) hat der Bundesgerichtshof die Lösungsversuche eingehend dargestellt. Er hat mit zahlreichen
Belegen auf die in der Rechtsprechung bis dahin herrschende und auch im Schrifttum weitgehend vertretene Ansicht
hingewiesen, nach der für die Beantwortung der Frage nicht die namensrechtliche, sondern allein die die Ehewirkungen
regelnde Kollisionsnorm des Art. 14 EGBGB maßgebend sei. Er hat die bei staatsbürgerlichen Mischehen
auftauchenden Schwierigkeiten geschildert, da Art. 14 EGBGB nichts darüber bestimme, welches Recht gelten solle,
wenn die Ehegatten keine gemeinsame Staatsangehörigkeit besitzen, und die in Literatur und Rechtsprechung
herausgearbeiteten Lösungswege eingehend dargestellt. Der Bundesgerichtshof hat sodann mit den entsprechenden
Nachweisen eine andere im Schrifttum vertretene Meinung erörtert, die im Hinblick auf diese Unzulänglichkeiten
das Personalstatut allein bestimmend dafür sein lassen wollte, ob sich der Name der Ehefrau mit der Eheschließung
ändere.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Bundesgerichtshof hat ... einen neuen Weg aufgezeigt, der eine Synthese der beiden vorstehend skizzierten
Grundauffassungen darstellt. Danach betreffe die Änderung des Namens der Frau durch die Eheschließung nicht
nur die persönlichen Rechtsbeziehungen der Ehegatten, sondern enthalte auch ein wesentliches namensrechtliches
Element, was zu einer Doppelqualifikation mit der Folge einer Verweisung auf Personal- und Ehewirkungsstatut führen
müsse. Die daraus folgende Normenhäufung zwinge den Richter, bei staatsbürgerlichen Mischehen im Wege
der Anpassung durch Modifikation der in Betracht kommenden Kollisionsnormen die sachgerechte Kollisionsregelung zu
finden. Das Personalstatut habe hierbei vorrangige Bedeutung, weil es vermeide, daß eine Person gegen ihren Willen
einen von ihrem Heimatrecht abweichenden kamen führen müsse, und weil es den in Art. 3 Abs. 2 GG niedergelegten
Gleichberechtigungsgrundsatz in bestmöglicher Form verwirkliche. Eine überzeugende Lösung müsse aber
auch berücksichtigen, daß die Namensänderung durch Eheschließung auch die persönlichen
Rechtsbeziehungen der Ehegatten angehe. Das Personalstatut sei durch das Ehewirkungsstatut sinnvoll dadurch zu
ergänzen, daß dem Gesichtspunkt der Umweltbezogenheit des Namens Rechnung getragen werde. Bei
staatsbürgerlichen Mischehen müsse der Ehefrau daher ein Wahlrecht derart zugestanden werden, daß
diese berechtigt sei, statt des für sie nach ihrem Heimatrecht geltenden Namens den nach dem Ehewirkungsstatut
in Betracht kommenden Namen anzunehmen. Das Ehewirkungsstatut sei jedoch weder das Mannesrecht, noch gelte die Lehre
vom schwächeren Recht, vielmehr sei an den gewöhnlichen Aufenthalt der Eheleute anzuknüpfen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Der Senat stimmt dieser auf seine Vorlage hin ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu, die eine ausgewogene
Lösung des Problems darstellt und den Belangen der betroffenen Frauen, ihrer höchstpersönlichen Entscheidung
den Vorrang einräumt. Diese Ansicht hat in der Rechtsprechung Zustimmung erfahren (BayObLG, FamRZ 1972, 262; OLG
Hamburg, FamRZ 1972, 505; OLG Köln, StAZ 1975, 277; OLG Saarbrücken, StAZ 1977, 198; AG Hamburg, FamRZ 1972,
464; so auch im Schrifttum; Erman/Marquordt, BGB, 6. Aufl., Rz. 10 zu Art. 14 EGBGB; Palandt/Heldrich, BGB, 36. Aufl.,
Anm. 4 c zu Art. 14 EGBGB; weitgehend zustimmend: Neuhaus, RabelsZ 35, 748; Wengler, NJW 1972, 1001; neutral: Buchholz,
LM Nr. 2 zu Art. 14 EGBGB) und ist die Grundlage für die Neufassung von § 190 Abs. 3 DA geworden (vgl. Beilage
zum Bundesanzeiger Nr. 215 vom 19. November 1971). Vertreter des Schrifttums haben sie kritisiert (Hoffmann, StAZ 1972,
1, 3; Schmitz, NJW 1972, 988; Sturm, FamRZ 1973, 394). Die in dieser Kritik vorgeschlagenen anderen Lösungen
(Schmitz: Geltung des Ehewirkungsstatuts, Anknüpfung an das Heimatrecht des Mannes; Sturm: Geltung des
Ehewirkungsstatuts, bei staatsbürgerlicher Mischehe nach der sog. Kegel schen Leiter Anknüpfung an das
Recht des Landes, in dem beide Ehegatten sich gewöhnlich aufhalten würden im vorliegenden Falle zu keinem
anderen Ergebnis führen, da die ausländische Ehefrau gemäß § 190 Abs. 3 DA erklärt hat,
den Ehenamen nach deutschen Recht anzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die ägyptische Ehefrau konnte demnach - wie sie es getan hat - durch eine in entsprechender Anwendung von
§ 1355 S. 2 BGB a.F. abgegebene Erklärung den sich aus § 1355 S. 1 BGB a.F. ergebenden Ehenamen
wählen. Nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts konnte die Beteiligte zu 1) durch diese
Ausübung des Wahlrechts wohl über ihren ägyptischen Familiennamen disponieren, nicht aber über
die Zwischennamen ihres Heimatrechts. Die Beteiligte zu 1) hat daher neben ihrem Mädchennamen ... der ohnehin
durch den Mannesnamen nur verdrängt worden ist, nicht die Namensbestandteile ... verloren. Denn diese Zwischennamen
stehen unter Beachtung des ägyptischen Heimatrechts der Namensträgerin den Vornamen im Sinne des deutschen
Rechts näher als den Familiennamen. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung der Vorinstanzen an,
die auf den beiden Gutachten des Instituts für Rechtsvergleichung der Universität München beruht und
die, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, von Will (StAZ 1974, 291 ff.) ausführlich und überzeugend
begründet worden ist (im Ergebnis so auch: Bachmann, StAZ 1962, 286, 287; Gundrum, StAZ 1973, 149; Hoffmann,
StAZ 1972, 3):</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die traditionelle Namensordnung der arabischen Länder kennt keine festen Familiennamen, die von Generation
zu Generation fest weitergereicht werden, sondern nur den persönlichen Namen (= ism), der gewöhnlich vom
Vater ausgewählt wird und aus mehreren aneinandergereihten Einzelnamen bestehen kann. Angesichts des beschränkten
Namensvorrats ist es aber seit altersher üblich, das Kind - auch die Tochter - zusätzlich mit den
persönlichen Namen des Vaters und häufig auch des Großvaters sowie gelegentlich weiterer Ahnen der
väterlichen Linie zu benennen (= nasab). In jeder folgenden Generation fällt dann der Name des nunmehrigen
Großvaters, manchmal auch - unter Beibehaltung der Namen früherer Vorfahren - der Name des Vaters, fort.
Diese Tradition besteht auch heute noch und hat Niederschlag in einigen ägyptischen Gesetzen gefunden (vgl. Art.
22 Nr. 1 des Gesetzes Nr. 114/1946 über die Grundstücks- und Urkundsämter und Art. 9 Nr. 5 der
Ausführungsverordnung zum Gesetz Nr. 68/1947 über die Standesämter).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Seit langer Zeit werden in Ägypten auch Familiennamen gebraucht, die durch Generationen hindurch zur
vollständigen Bezeichnung der Person gehören, den Schlußbestandteil des vollständigen Namens
bilden und deren Annahme jedem Ägypter durch Art. 38 des Zivilgesetzbuches vom 16. Juli 1948 zur Pflicht gemacht
worden ist, wenn auch ein nach Art. 39 ZGB über Erwerb und Änderung des Familiennamens zu erlassendes
besonderes Gesetz später nicht ergangen ist. Nach Art. 38 ZGB hat jede Person einen persönlichen Namen
und einen Familiennamen; der Familienname der Person (d.h. des Vaters) gilt auch für ihre Kinder. Art. 18 Nr. 2
des Personenstandsgesetzes Nr. 260/1960 setzt als selbstverständlich voraus, daß für jedes zur Eintragung
in das Geburtsregister neu angemeldete Kind ein Familienname angegeben wird. Die ägyptische Frau behält
Vornamen, Zwischennamen und Familiennamen auch in der Ehe. Die Eheschließung bleibt für ihren Namen ohne
Folgen; die Erstreckung des Familiennamens des Mannes auf die Ehefrau ist - als den ägyptischen Rechtsvorstellungen
fremd - in Art. 38 ZGB nicht verwirklicht worden.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Entscheiden - wie hier auf Grund der Wahl der Beteiligten zu 1) - deutsche und nicht ausländische Sachnormen
über die Namensführung der Ehefrau, so entsteht die Schwierigkeit, einen dem deutschen Recht unbekannten
Namensbestandteil ins zweiteilige deutsche Namensrecht einzupassen. Die Eheschließung läßt alle Vornamen
der Frau unberührt, während der Mädchenname vom Ehefamiliennamen verdrängt wird. Das Schicksal der
aus dem Ausland mitgebrachten Zwischennamen hängt davon ab, ob diese unter Beachtung des fremden Rechts den
deutschen Vornamen näher stehen oder aber den deutschen Familiennamen. Die Angleichung der Zwischennamen an
die Vornamen liegt näher.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">In Ägypten hat sich durch die Einführung eines eigenen Familiennamens das Namensrecht von der alten
islamischen Tradition gelöst, nach der Vaters und Großvaters Namen die Funktion eines Familiennamens
zugesprochen werden könnte. Die Zwischennamen entsprechen einem weiter vorhandenen Bedürfnis des
ägyptischen Rechtsverkehrs, weil die verhältnismäßig geringe Anzahl mögliche r. Vornamen
und weit verbreitete Familiennamen die eindeutige Identifizierung einer Person erschweren können. Die Zwischennamen
erleichtern diese Aufgabe, weil sie in solchen Fällen ihre unterscheidende Kraft zeigen können. In ihren
Auswirkungen haben sie eher Unterscheidungs- als Sippenzuordnungsfunktion, wenn sie auch bei einem Regelgebrauch zu
einer größeren Transparenz innerhalb der Sippenstruktur führen. Sie sind daher eher Vornamen, zumal
es sich auch um die Vornamen des Vaters oder Großvaters handelt. Weiter zurück gehen sie gewöhnlich
nicht, mit jeder Generation entfällt im Regelfall der Name des Urgroßvaters. Damit aber fehlt es an einer
ausschlaggebenden Funktion eines Familiennamens, eine Sippe über mehrere Generationen hinweg einheitlich zu
kennzeichnen. Die Zwischennamen sind vielmehr wandelbar. Wenn sie auch im Gegensatz zur verbreiteten deutschen Sitte,
Namen der Vorfahren an Kinder durch Beifügung weiterer Vornamen weiterzugeben, gewissen Regeln unterliegen, so
dienen sie doch eher der besseren Kennzeichnung und Unterscheidung des einzelnen Namensträgers und nicht dem
Nachweis der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sippe.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Neben diesem Gesichtspunkt der Wandelbarkeit kann ferner der persönlichkeitsrechtliche Aspekt für die
Angleichung der Zwischennamen an die Vornamen angeführt werden, wie es Will (a.a.O.) getan hat. Das Namensrecht
ist ein verfassungsmäßig gewährleistetes Persönlichkeitsrecht (Art. 1 und 2 GG), das auch
Ausländern zugute kommt. Dieses Recht wäre angesprochen, wenn ein ägyptischer Zwischenname gegen
den Willen seiner Trägerin - was hier allerdings nicht der Fall zu sein scheint - verloren würde, obwohl
dieser Zwischenname in seiner Funktion mehr den bei uns gebräuchlichen Vornamen gleicht, und der namensrechtliche
Zweck des § 1355 BGB a.F. nicht betroffen wäre, einen einheitlichen Ehe- und Familiennamen sicherzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Mit den Vorinstanzen ist daher davon auszugehen, daß der neue Ehename der Beteiligten zu 1) ihre Zwischennamen
ägyptischen Rechts unberührt läßt. Auch die Ausführungen des Landgerichts zur Behandlung der
Zwischennamen im Familienbuch sind rechtlich bedenkenfrei. Da sie den Vornamen näher stehen, sind sie in der Spalte
2 des Familienbuchs hinter dem Vornamen einzutragen (Gundrum, StAZ 1973, 149). Das ist hier geschehen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Amts- und Landgericht haben allerdings verkannt, daß die Berichtigung des Vermerks in Spalte 10 durch einen
Randvermerk auszuführen, ist und die gerichtliche Entscheidung nach § 47 PStG wörtlich anzugeben hat,
wie der einzutragende Randvermerk lauten soll. Der angeordnete Berichtigungsvermerk muß stets einen positiven
Inhalt haben. Die Berichtigungsanordnung kann sich also nicht auf die vom Amtsgericht ausgesprochene Anweisung an
den Standesbeamten beschränken, den zweiten Halbsatz des in Spalte 10 eingetragenen Vermerks vom 24. Mai 1974
zu löschen. Denn eine "Löschung" im Sinne einer Tilgung oder Durchstreichung oder Rötung
einer unrichtigen Eintragung kennt das Personenstandsrecht nicht (Beschluß des Senats vom 21. Oktober 1966
- 15 W 139/65 - = OLGZ 1967, 89; BayObLGZ 1966, 1, 7; Jansen, Rz. 25 zu § 69 FGG a.F.; Keidel/Winkler, Rz. 26
zu § 69 FGG a.F.; Pfeiffer/Strickert, Anm. 10 zu § 47 PStG). Die Beweiskraft einer Eintragung wird vielmehr
durch Eintragung eines Randvermerks zerstört.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Der sich insoweit zeigende Mangel der vom Landgericht gebilligten Berichtigungsanordnung des Amtsgerichts beschwert
den Beteiligten zu 3) aber nicht. Seine sofortige weitere Beschwerde ist daher zurückzuweisen. Der Senat nimmt
jedoch Anlaß, den amtsgerichtlichen Beschluß so zu fassen, wie es den vorstehend dargelegten gesetzlichen
Anforderungen entspricht.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Eine Entscheidung über außergerichtliche Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde ist
nicht veranlaßt.</p>
|
316,033 | vg-koln-1977-10-31-1-l-471777 | {
"id": 844,
"name": "Verwaltungsgericht Köln",
"slug": "vg-koln",
"city": 446,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 1 L 4717/77 | 1977-10-31T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:18 | 2019-03-27T09:41:35 | Beschluss | ECLI:DE:VGK:1977:1031.1L4717.77.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>1) Auf einen von der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 3. Oktober
1977 einzulegenden Widerspruch wird die aufschiebende Wirkung angeordnet, so-
weit der Antragsgegner in diesem Bescheid die Antragstellerin zur Schließung ihres
Betriebes aufgefordert und zur Durchsetzung seiner Anordnung die Anwendung un-
mittelbaren Zwangs angedroht hat. Im übrigen wird der Antrag abgelehnt.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>2) Der Streitwert wird auf 6.000,-- DM festgesetzt.
</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Gründe:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der Ehemann der Antragstellerin, P. P. , ist Friseurmeister. Anfang 1961
zeigte er bei der Gemeinde Much an, daß er einen Frisiersalon und Einzelhandel mit
Tabak- und Schreibwaren betreibe. Im September 1972 eröffnete er in Waldbröl eine
Filiale seines Friseurbetriebes. Wegen erheblicher Rückstände an Steuern und Sozi-
alversicherungsbeiträgen untersagte ihm der Antragsgegner durch Ordnungsverfü-
gung vom 30. Juli 1975 die weitere selbständige Ausübung des Gewerbes "Frisiersa-
lon und Einzelhandel mit Tabak- und Schreibwaren". Hiergegen legte er unter dem
28. August 1975 Widerspruch ein, meldete aber zum 1. September 1975 seine Be-
triebe in Much und in Waldbröl ab. Zum gleichen Zeitpunkt zeigte die Antragstellerin
die Übernahme beider Betriebe an. Sie wurde am 8. September 1975 in die Hand-
werksrolle eingetragen. Der Widerspruch ihres Ehemannes gegen die Ordnungsver-
fügung vom 30. Juli 1975 wurde vom Regierungspräsidenten (RP) in Köln mit Be-
scheid vom 27. Oktober 1975 - zugestellt am 4. November 1975 - zurückgewiesen.
Klage wurde nicht erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Nachdem die Antragstellerin vom Antragsgegner darauf hingewiesen worden
war, daß auch gegen sie ein Gewerbeuntersagungsverfahren eingeleitet worden war,
meldete sie unter dem 31. März 1976 den Betrieb in Waldbröl ab. Nachdem die Er-
mittlungen ergeben hatten, daß die Antragstellerin inzwischen beim Finanzamt Sieg-
burg Steuerrückstände in Höhe von 15.700,-- DM hatte, der Allgemeinen Ortskran-
kenkasse (AOK) Siegburg Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.190,21 DM
und der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) in
Hamburg Beiträge in Höhe von 210,36 DM schuldete, ferner beim Amtsgericht Sieg-
burg ein Haftbefehl in der Schuldnerkartei verzeichnet war, untersagte ihr der An-
tragsgegner mit Ordnungsverfügung vom 9. März 1977 die weitere selbständige
Ausübung des Gewerbes "Frisiersalon einschließlich Einzelhandel mit Tabak-,
Schreib- und Kosmetikartikeln". Für den Fall, daß die Antragstellerin nicht innerhalb
eines Monats nach Unanfechtbarkeit der Ordnungsverfügung ihre Tätigkeit in dem
Gewerbe einstelle, drohte der Antragsgegner ihr die Anwendung unmittelbaren
Zwangs durch Schließung der Betriebs- und Geschäftsräume im Wege der Versiege-
lung an. Die Handwerkskammer zu Köln war vor Erlaß dieser Ordnungsverfügung,
die der Antragstellerin am 18. März 1977 zugestellt wurde, gehört worden.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Nachdem gegen die Ordnungsverfügung Widerspruch eingelegt worden war,
bestellte sich für die Antragstellerin ein Anwalt, der Verhandlungen mit dem Antrags-
gegner führte. Er stellte in Aussicht, daß die Antragstellerin den Betrieb veräußern
werde. Mit Schreiben vom 13. Juni 1977 teilte der Antragsgegner daraufhin dem An-
walt mit, die Entscheidung über den Widerspruch werde bis zum 1. September 1977
ausgesetzt. Falls festgestellt werde, daß eine Veräußerung nicht beabsichtigt sei o-
der die Rückstände weiterhin anstiegen, behalte er sich Maßnahmen nach § 80 Abs.
2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vor.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Unter dem 3. Oktober 1977 ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung
seiner Ordnungsverfügung vom 9. März 1977 an und forderte die Antragstellerin
gleichzeitig auf, ihre Tätigkeit in dem ihr untersagten Gewerbe mit Ablauf des 15. Ok-
tober 1977 einzustellen. Nach Ablauf der Frist werde die Schließung der Geschäfts-
räume durch Anwendung unmittelbaren Zwangs durchgesetzt. Zur Begründung führ-
te der Antragsgegner im wesentlichen aus: Durch den Widerspruch und sich eventu-
ell anschließende Rechtsmittel werde der Vollzug der Ordnungsverfügung vom 9.
März 1977 in unvertretbarer Weise hinausgezögert. Denn nach der bisherigen Be-
triebsführung sei mit Sicherheit zu erwarten, daß die Antragstellerin mit jedem weite-
ren Tage neue Rückstände an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen entstehen
lasse. Seit Erlaß der Ordnungsverfügung vom 9. März 1977 seien die Rückstände
bei der AOK Siegburg auf ca. 4,000,-- DM und die Rückstände beim Finanzamt auf
ca. 16.500,-- DM angewachsen. Es bestehe daher keine Aussicht, daß sich die ver-
zweifelte wirtschaftliche Lage durch eine Fortführung des Gewerbebetriebes ändern
ließe. Vielmehr bestehe die Gefahr, daß Geschäftspartner der Antragstellerin Ver-
mögensschäden erleiden könnten, wenn sie sich über ihre Kreditwürdigkeit
täuschten. Der Bescheid vom 3. Oktober 1977 wurde am 7. Oktober 1977 dem
Anwalt der Antragstellerin zugestellt. Dieser hatte jedoch bereits mit Schreiben vom
4. Oktober 1977 - eingegangen am 6. Oktober 1977 - sein Mandat niedergelegt. Der
Antragsgegner stellte daraufhin den Bescheid vom 3. Oktober 1977 erneut
unmittelbar der Antragstellerin zu. Diese Zustellung erfolgte am 12. Oktober
1977.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Am 24. Oktober 1977 hat die Antragstellerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 18. April 1977
gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 9. März
1977 wiederherzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus: Die Rückstände bei der AOK
Siegburg hätten sich inzwischen auf ca. 1.200,-- DM verringert. Die Steuerschulden
seien allerdings bestehengeblieben. Sie beabsichtige jedoch, das Geschäft zu
veräußern. Sie habe entsprechende Verhandlungen mit einer Interessentin, Frau H.
B. , geführt, die das Geschäft im Januar übernehmen wolle. Mit einer
entsprechenden Zusage der Interessentin rechne sie noch in dieser Woche. Es sei
eine unzumutbare Härte, wenn sie den Laden im jetzigen Zeitpunkt schließen müsse.
Sie und ihr Ehemann seien in dem Geschäft tätig und hätten im Augenblick keine
neue Arbeitssteile in Aussicht. Sie hätten 4 Kinder, die alle zuhause lebten. Das
älteste Kind sei bereits berufstätig. Die anderen Kinder befänden sich noch in der
Ausbildung bzw. auf der Schule.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
des Widerspruchs gegen seine Verfügung vom 9.März 1977
zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Er bezieht sich auf den Inhalt seiner Bescheide vom 9. März und 3. Oktober
1977. Der Beitragsrückstand bei der AOK Siegburg betrage zur Zeit ca. 2.500,-- DM.
Es seien lediglich 1.500,--DM im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben
worden.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
Verfahrensakte und der von dem Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsvorgänge
(2 Hefter) Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">1. Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
zulässige Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die in der
Ordnungsverfügung vom 9. März 1977 ausgesprochene Gewerbeuntersagung
wiederherzustellen, war abzulehnen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat der Widerspruch gegen einen belastenden
Verwaltungsakt aufschiebende Wirkung. Abgesehen von gesetzlich geregelten
Ausnahmen (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 1 - 3 VwGO) entfällt die aufschiebende Wirkung
nur, wenn die zuständige Behörde die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes
angeordnet hat (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Ist dies - wie im vorliegenden Fall -
mit der erforderlichen schriftlichen Begründung geschehen, so hat das Gericht im
Rahmen des Aussetzungsverfahrens zu prüfen, ob das öffentliche Interesse an der
sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides gegenüber den privaten
Interessen des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs
überwiegt. Da ein solcher Fall hier gegeben ist, bleibt der Aussetzungsantrag der
Antragstellerin ohne Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Gegen die Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung bestehen keine
durchgreifenden Bedenken. Der Antragsgegner hat diesen Verwaltungsakt zutreffend
auf die Vorschrift des § 35 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbeordnung (GewO) gestützt.
Danach ist die Ausübung eines Gewerbes zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen,
welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des
Gewerbebetriebs beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern
die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten
erforderlich ist. Unzuverlässig ist, wer nach dem Gesamtbild seines Verhaltens nicht
die Gewähr dafür bietet, daß er das von ihm ausgeübte Gewerbe ordnungsgemäß
betreiben wird,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">vgl. Nr. 3.1 der Ausführungsanweisung zu § 35 der Gewerbeord-
nung, Runderlaß des Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Ver-
kehr NW vom 27. Januar 1975 - MBl. NW 1975, 202 - (AA § 35 Ge-
wO).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">In seiner Ordnungsverfügung vom 9. März 1977 hat der Antragsgegner
ausführlich dargelegt, welche Tatsachen gegen die Zuverlässigkeit der
Antragstellerin sprechen und die Gewerbeuntersagung zum Schutze der
Allgemeinheit erforderlich machen. Die Antragstellerin hat hiergegen auch keine
Einwendungen erhoben, so daß zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt
der Ordnungsverfügung vom 9. März 1977 verwiesen werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Zwar ist das Gericht der Auffassung, daß die sofortige Vollziehung einer
Gewerbeuntersagung - auch wenn diese offensichtlich rechtmäßig ist - nur
angeordnet werden darf, wenn dies besondere Umstände rechtfertigen. Insofern ist
fraglich, ob die vom Antragsgegner in seinem Bescheid vom 3. Oktober 1977
angeführten Erwägungen ausreichen, ein besonderes öffentliches Interesse an der
sofortigen Vollziehung darzutun. Denn sie unterscheiden sich im wesentlichen nicht
von den Gründen, die für den Erlaß des angefochtenen Verwaltungsaktes
maßgeblich gewesen sind. Wenn ein Betrieb endgültig das Stadium wirtschaftlicher
Leistungsunfähigkeit erreicht hat, ist die Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO
erforderlich, um die Nachteile abzuwenden, die der Allgemeinheit durch eine
Fortführung des Betriebes erwachsen würden. Insbesondere die fortdauernde und
sich ständig steigernde Schädigung des Fiskus und der Sozialversicherungsträger ist
für den Normalfall des Sachverhalts kennzeichnend, der zu einer
Gewerbeuntersagung führen muß. Der Gesetzgeber hat aber, obwohl ihm diese
Situation bewußt gewesen sein mußte, bei der Gewerbeuntersagung dennoch die
aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe nicht ausgeschlossen. Das bedeutet, daß
auch in diesem Bereich die Anordnung der sofortigen Vollziehung eine Ausnahme
bleiben muß. Zumal die Gewerbeuntersagung einen besonders schwerwiegenden
Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 des Grundgesetzes) darstellt
und eine einmal verfolgte Einstellung des Betriebes nicht immer ohne weiteres
rückgängig zu machen ist, wäre eine Verwaltungspraxis, die dieses Regel -
Ausnahme - Verhältnis umkehrte, und eine Rechtsprechung, die eine solche Praxis
billigte, mit der verfassungsrechtlichen Rechtschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1
des Grundgesetzes nicht vereinbar,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Beschluß vom 18. Juli
1973 - 1 BvR 23 u. 155/73 - NJW 1974, 227 f. für den Fall der
Ausweisungsverfügung im Ausländerrecht.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall ist aber eine Ausnahmesituation gegeben, die eine
Anordnung der sofortigen Vollziehung vertretbar erscheinen lässt. Dabei mag
dahinstehen, ob der Antragsgegner genügend konkrete Anhaltspunkte dafür ermittelt
hat, daß die Antragstellerin nicht nur weitere Rückstände beim Fiskus und den
Sozialversicherungsträgern entstehen lassen würde, sondern auch Dritte - Kunden,
Lieferanten usw. - schädigen würde. Anscheinend kann der Antragstellerin insoweit
bisher noch keine Verfehlung zum Vorwurf gemacht werden. Die Besonderheit, die
hier die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertigt, besteht aber jedenfalls
darin, daß die Antragstellerin offensichtlich nur deswegen als Gewerbetreibende
auftritt, weil ihrem Ehemann dasselbe Gewerbe bereits durch Ordnungsverfügung
vom 30. Juli 1975 untersagt worden ist. Da es sich um einen typischen
Familienbetrieb handelt, wäre es lebensfremd anzunehmen, daß durch den
Inhaberwechsel der Einfluß des Ehemannes auf die Betriebsführung ausgeräumt
worden wäre. Einer derartigen Umgehung einer bestandskräftigen
Untersagungsverfügung muß die zuständige Behörde mit besonderem Nachdruck
entgegentreten. Anderenfalls würden sich die Wirkung der von ihr zur
Gefahrenabwehr getroffenen Maßnahmen in unvertretbarer Weise verzögern.
Zumindest dann, wenn erkennbar wird, daß trotz des Inhaberwechsels eine ord-
nungsgemäße Betriebsführung nicht gewährleistet ist, muß sie deswegen die Mög-
lichkeit haben, die gegen den neuen Inhaber gerichtete Untersagungsverfügung mit
der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu verbinden. Im vorliegenden Fall mag
der Antragstellerin zwar nicht der gute Wille abgesprochen werden, doch noch eine
Sanierung des von ihr übernommenen Betriebes herbeizuführen. Als ein Anzeichen
hierfür ist z.B. die Abmeldung des Filialbetriebes in Waldbröl zu werten. Wie die An-
tragstellerin jedoch selbst einräumt, sind ihre diesbezüglichen Anstrengungen jeden-
falls letztlich ohne Erfolg geblieben. Es ist daher ein besonderes öffentliches Interes-
se dafür anzuerkennen, daß die Gewerbeuntersagung nunmehr vollziehbar wird und
nicht durch die zwar zulässigen, in der Sache aber aussichtlosen Rechtsbehelfe der
Antragstellerin hinausgezögert wird.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">2. Der Antragsgegner hat die in der Ordnungsverfügung vom 9. März 1977
gleichfalls enthaltene Anordnung der Betriebsschließung und die
Zwangsmittelandrohung in dem Bescheid vom 3. Oktober 1977 durch eine neue
Regelung ersetzt, weil es nach Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht bei den
ursprünglich gesetzten Fristen bleiben konnte. Dem Wortlaut nach richtet sich der
Antrag der Antragstellerin nur gegen die Vollziehung der Ordnungsverfügung vom 9.
März 1977. Dem Sinn nach begehrt die Antragstellerin jedoch auch einen Aufschub
hinsichtlich der jetzt in dem Bescheid vom 3. Oktober 1977 enthaltene
Schließungsanordnung und der neuen Zwangsmittelandrohung. Das Gericht ist nicht
gehindert, ihren Antrag dahingehend auszulegen, daß insoweit die aufschiebende
Wirkung eines noch von der Antragstellerin einzulegenden Widerspruchs angeordnet
werden soll (vgl. §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 187 Abs. 3 VwGO, § 8 Ausführungsgesetz zur
VwGO NW). Dieser Antrag mußte auch Erfolg haben.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Gegen die Rechtmäßigkeit der in dem Bescheid vom 3. Oktober 1977
enthaltenen Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung bestehen erhebliche
Bedenken, so daß ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen
Vollziehung nicht anerkannt werden kann. Stellt der Gewerbetreibende trotz einer
unanfechtbaren oder sofort vollziehbaren Gewerbeuntersagungsverfügung seinen
Geschäftsbetrieb nicht ein, kann die Fortsetzung des Betriebes durch Schließung der
Betriebs- oder Geschäftsräume oder durch andere geeignete Maßnahmen verhindert
werden (vgl. § 35 Abs. 5 GewO). Solche Maßnahmen werden durch eine besondere
Schließungsverfügung der zuständigen Behörde angeordnet. Die Vollstreckung der
Schließungsverfügung richtet sich nach den Bestimmungen des
Verwaltungsvollstreckungsgesetzes NW (VwVG NW). Die nach § 62 Abs. 1 VwVG
NW erforderliche Androhung des Zwangsmittels erfolgt regelmäßig zusammen mit
der Schließungsverfügung (vgl. § 62 Abs. 2 Satz 1 VwVG NW).</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Bei der insoweit zu treffenden Ermessensentscheidung hat die Behörde zu
prüfen, ob es vertretbar ist, dem Gewerbetreibenden zur Abwicklung des
Geschäftsbetriebes eine Frist einzuräumen. Soweit der mit der Gewerbeuntersagung
verfolgte Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten dies nicht
ausnahmsweise ausschließt, wird eine solche Fristgewährung zur Wahrung des mit
Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit immer
notwendig sein. Denn nur bei ordnungsmäßiger Abwicklung des Geschäftsbetriebes
kann die durch die Gewerbeuntersagung verursachte wirtschaftliche Schädigung des
Betroffenen so gering wie möglich gehalten werden. Maßgeblich für die Bemessung
dieser Frist sind die Umstände des Einzelfalles. Dabei sind insbesondere Art und
Umfang des Geschäftsbetriebes zu berücksichtigen. Wenn der Gewerbetreibende
Verhandlungen über die Veräußerung des Betriebes führt, wird die Behörde auch zu
prüfen haben, ob es unter Abwägung mit den zu schützenden Rechtsgütern
vertretbar erscheint, die in Aussicht stehende Übergabe des Geschäftsbetriebes
abzuwarten (vgl. auch Nr. 7.5 AA § 35 GewO).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner hat an sich im vorliegenden Fall diese Grundsätze beachten
wollen. Er hat nämlich zunächst der Antragstellerin für die Veräußerung ihres
Betriebes eine verhältnismäßig großzügig bemessene Frist eingeräumt. Erst
nachdem diese Frist ergebnislos verstrichen war, hat er die Gewerbeuntersagung mit
der Anordnung der sofortigen Vollziehung verbunden und eine neue Frist für die
Schließung des Betriebes gesetzt. Zwar war diese Frist nunmehr ziemlich kurz
bemessen. Bei normalem Gang der Dinge hätte die Antragstellerin nur noch etwa
eine Woche Zeit gehabt, ihren Betrieb abzuwickeln. Dies mag aber wegen der
Besonderheit, daß die Antragstellerin zuvor eine lange Frist ungenutzt hatte
verstreichen lassen, eine vertretbare Ermessensentscheidung des Antragsgegners
gewesen sein. Wenn der Bescheid vom 3. Oktober 1977 dennoch rechtlichen
Bedenken begegnet, liegt dies daran, daß die Zustellung an die Antragstellerin
verspätet erfolgt ist, und sich dadurch die ihr gewährte Frist in einer vom
Antragsgegner wohl selbst nicht beabsichtigten, jedenfalls aber unangemessenen
Weise verkürzt hat.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Zwar ist der Bescheid vom 3. Oktober 1977 noch am 7. Oktober 1977 dem
früheren Anwalt der Antragstellerin zugestellt worden. Da dieser aber zuvor bereits
sein Mandat niedergelegt hatte, braucht die Antragstellerin sich diese Zustellung
nicht zurechnen zu lassen. Ihr ist der Verwaltungsakt daher erst am 12, Oktober
1977 bekanntgegeben worden. Durch diesen Verlauf der Dinge hat sich die der
Antragstellerin gesetzte Frist, die am 15. Oktober 1977 ablaufen sollte, auf einen
nach den Umständen unangemessen kurzen Zeitraum verringert, so daß ein von der
Antragstellerin gegen den Bescheid vom 3. Oktober 1977 einzulegender
Widerspruch aufschiebende Wirkung haben muß, um sie vor Rechtsnachteilen zu
schützen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">4. Bei der Festsetzung des Streitwerts hat das Gericht gemäß §§ 13 Abs. 1 Satz
1 und 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) die wirtschaftliche Bedeutung
des Verfahrens für die Antragstellerin berücksichtigt.
</p>
|
316,034 | ovgnrw-1977-10-25-iv-a-73476 | {
"id": 823,
"name": "Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen",
"slug": "ovgnrw",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Verwaltungsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | IV A 734/76 | 1977-10-25T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:19 | 2019-03-27T09:41:35 | Urteil | ECLI:DE:OVGNRW:1977:1025.IV.A734.76.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das angefochtene Urteil wird geändert.</p>
<p></p>
<p>Der Leistungsbescheid des Beklagten vom 13. Februar 1975 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidenten vom 14. April 1975 wird
aufgehoben.</p>
<p></p>
<p>Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p>Die Revision wird nicht zugelassen.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p>
<p>
</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"> Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der in XXX, wohnende Kläger ist Eigentümer des Hauses XXX, XXXStraße. Im
Erdgeschoß des Hauses befinden sich eine Gaststätte und ein Ladenlokal, das im
Jahre 1974 an einen Herrn XXX vermietet war. Herr betrieb in dem Ladenlokal ein
Textilgeschäft.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 18. Dezember 1974 wurde gegen 22.45 Uhr ein mit zwei Polizeibeamten
besetzter Streifenwagen des Beklagten zu dem Hause StraßeXXX gerufen, weil dort
die gläserne Eingangstür zu dem Ladenlokal beschädigt war. Die Verglasung wies ein
Loch von etwa 15 bis 20 cm Durchmesser auf. Auch an zwei weiteren Häusern in der
Nachbarschaft waren ähnliche Beschädigungen festzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Streifenwagenbesatzung bemühte sich zunächst, Herrn XXX zu erreichen,
dessen Namen und Adresse an dem Geschäft angebracht waren. Dies gelang jedoch
nicht. Daraufhin beauftragten die Beamten die Firma XXX, umgehend zur
Eigentumssicherung eine Notverglasung vorzunehmen. Da dies nach Auffassung der
Firma XXX undurchführbar war, befestigte die Firma im Bereich des Scheibenloches
zwei Bretter - eines außen, eines innen- die mit Gewindeschrauben verbunden
wurden. Die Firma XXX forderte hierfür von dem Beklagten den Betrag von 190,92
DM (15,-- DM für Fahrkosten, 25,-- DM für 2 x 1,5 Gesellenstunden, 100%
Nachtzulage, 7,-- DM Materialkosten, 11% Mehrwertsteuer ).</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte versuchte, diese Kosten bei Herrn XXX einzuziehen. Als dies
mißlang - XXX hatte offenbar das Geschäft aufgegeben und war verzogen -, forderte
der Beklagte durch Leistungsbescheid vom 13. Februar 1975 von dem Kläger unter
Berufung auf die §§ 15 bis 20 des Polizeigesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom
28. Oktober 1969, GV NW 740, (PolG) die Zahlung von 195,42 DM (die von der Firma
geforderten Beträge und 4,50 DM für Postzustellungsgebühren und Kosten für
Fotokopien).</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Der Kläger legte Widerspruch ein und machte u.a. geltend, er sie nicht
Eigentümer- des Geschäfts und der darin befindlichen Gegenstände gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Der Regierungspräsident XXX wies den Widerspruch durch
Widerspruchsbescheid vom 14. April 1975 zurück. Zur Begründung führte er u.a.
aus: Die Kostenforderung folge aus § 68 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für
das Land Nordrhein-Westfalen vom 23, Juli 1957, GV NW 216, (VwVG NW) iVm § 11
Abs. 2 Nr. 7 der Kostenordnung zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz vom 30.
November 1971, GV NW 394, (KostO NW). Die Polizei sei aufgrund ihrer Befugnisse
nach den §§ 15 bis 20 PolG tätig geworden und habe eine Ersatzvornahme im Wege
des sofortigen Vollzuges (§§ 55 Abs. 2, 59 VwVG NW) durchgeführt. Als Eigentümer
sei der Kläger gemäß § 22 PolG iVm § 18 Abs. 1 des Gesetzes über Aufbau und
Befugnisse der Ordnungsbehörden i.d.F. der Bekanntmachung vom 28. Oktober
1969, GV NW 732, (OBG) für die eingetretene Störung verantwortlich und für die
Kosten haftbar.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Am 14. Mai 1975 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat u.a. geltend gemacht: Die
Maßnahme der Polizei sei nicht notwendig und nicht geeignet gewesen. Die
geforderten Beträge seien auch überhöht. Wahrscheinlich sei die Tür nicht vorsätzlich
eingeschlagen, sondern durch einen von einem vorbeifahrenden Fahrzeug
aufgewirbelten Stein beschädigt worden.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">den Bescheid des Beklagten vom 13. Februar 1975 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidenten XXX vom 14. April 1975
aufzuheben.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Er hat u.a. vorgetragen: Nach Art und Umfang der Beschädigungen sei der
Verdacht des versuchten Einbruchdiebstahls gerechtfertigt gewesen. Auch sei zu
befürchten gewesen, daß die Täter die Tat vollendet hätten, wenn keine
Sicherungsmaßnahmen ergriffen worden wären. Zudem hätten
Witterungsänderungen, etwa Sturm, Regen oder Schnee, über den Glasbruch hinaus
weitere Schäden am Gebäude und am Inventar verursachen, können. Schließlich sei
zu besorgen gewesen, daß die Einbruchsspuren andere Bürger hätten dazu verleiten
können, auch ihrerseits die Polizei zu benachrichtigen und sie dadurch in ihrer
Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen. Die Maßnahme sei unaufschiebbar und
notwendig gewesen. Die Kosten seien ortsüblich.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 25. Februar 1976, auf
das Bezug genommen wird, abgewiesen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Gegen das ihm am 2. April 1976 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. April
1976 Berufung eingelegt.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Er hat u.a. weiter vorgetragen:</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Es sei den Polizeibeamten zumutbar gewesen, sich im Hause oder in der
Nachbarschaft nach dem Hauseigentümer zu erkundigen und anschließend ihn, den
Kläger, anzurufen. In dem Hause hätten 15 Mietparteien gewohnt, die auch fast alle
im Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens zu Hause gewesen seien. Von jedem der
Hausbewohner und auch von dem Pächter der im Hause gelegenen Gaststätte, die
bis 1.00 Uhr geöffnet gewesen sei, hätten die Polizeibeamten seinen Namen erfragen
können. Der Pächter der Gaststätte habe, seine, des Klägers, Telefonnummer gewußt
und hätte die Polizei auch an den im Hause wohnenden Hausmeister verweisen
können. Er, der Kläger, sei am fraglichen Tage zwischen 22.45 und 24.00 Uhr in
seiner Wohnung erreichbar gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen
Klageantrag zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">die Berufung zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im
einzelnen wird auf die Verfahrensakte sowie auf die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten und des Regierungspräsidenten Köln
verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die
Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)).</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist zulässig und begründet.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Der Leistungsbescheid des Beklagten vom 13. Februar 1975 und der
Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidenten Köln vom 14. April 1975 sind
rechtswidrig, verletzen den Kläger in seinen Rechten und sind daher aufzuheben (§
113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat gegen den Kläger keinen Kostenersatzanspruch aufgrund der §§
59, 68 Abs. 1 und 2 VwVG NW iVm § 11 Abs. 2 Nr. 7 KostO NW. Nach diesen
Vorschriften kann die Vollstreckungsbehörde nur dann die an Beauftragte gezahlten
Kosten einer Ersatzvornahme von dem Pflichtigen erstattet verlangen, wenn die
Ersatzvornahme rechtmäßig war (vgl. auch § 14 Abs. 1 KostO NW).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Es kann dahingestellt bleiben, ob wegen der zerbrochenen Scheibe des
Ladenlokals überhaupt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung iSd §§
15 Abs. 1 Satz 2 und 20 PolG drohte und ob gegebenenfalls gerade der Kläger als
Eigentümer des Hauses Störer iSv § 22 PolG iVm § 18 Abs. 1 OBG war. Sollte der
Kläger nicht Störer gewesen sein - sei es, daß eine Gefahr überhaupt, sei es, daß
jedenfalls eine Zustandshaftung des Klägers zu verneinen wäre -, so wäre die
Inanspruchnahme des Klägers aufgrund der §§ 59, 68 Abs. 1, 2 VwVG NW iVm § 11
Abs. 2 Nr. 7 KostO NW schon aus diesem Grunde nicht möglich, da der Kläger als
Nichtstörer auch nicht Pflichtiger iSd genannten Vorschriften wäre.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Geht man indessen davon aus, daß der Kläger Störer ist, scheidet ein Anspruch
aus § 11 Abs. 2 Nr. 7 KostO aus, weil die durchgeführte Ersatzvornahme wegen
eines Verstoßes gegen § 55 Abs. 2 VwVG NW rechtswidrig war.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat das Zwangsmittel der Ersatzvornahme ohne voraufgehende,
dem Pflichtigen das geforderte Verhalten aufgebenden Grundverwaltungsakt
angewendet. Eine solche Anwendung des Zwangsmittels im Wege des sofortigen
Vollzugs ist nur unter den Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 VwVG NW zulässig.
Danach ist u.a. erforderlich, das der sofortige Vollzug zur Verhinderung einer
rechtswidrigen, mit Strafe oder Bußgeld bedrohten Tat oder zur Abwendung einer
drohenden Gefahr notwendig ist. Notwendig ist ein solches sofortiges Eingreifen
dann, wenn die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, daß der Zweck der
Maßnahme auf normalem Wege, d.h. durch Erlaß eines Verwaltungsaktes mit
sofortiger Vollziehbarkeit oder durch bloßes Einwirken auf den Pflichtigen nicht
erreicht werden könnte. Ob eine Vollstreckung in diesem Sinne notwendig war, ist
einer gerichtlichen Überprüfung vollzugänglich, der Verwaltung steht insoweit kein
Beurteilungsspielraum zu.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Vgl. Engelhardt, Kommentar zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz, S. 65;
Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster, Beschluß vom 25. September 1963 - VII B
225/63 -, Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR) 1964, 180.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Nicht notwendig ist der sofortige Vollzug, wenn es der Vollzugsbehörde bei
zumutbarem Bemühen möglich gewesen wäre, den Pflichtigen rechtzeitig zu
ermitteln und ihn selbst zur Beseitigung der Störung zu veranlassen. Art und Maß der
von der Vollzugsbehörde anzustellenden Ermittlungen richten sich dabei nach den
besonderen Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach den voraussichtlichen
Erfolgsaussichten einer Ermittlungstätigkeit und dem Grade der drohenden
Gefahr.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Vgl. Steckert, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 1971, 245.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Hierbei ist die Notwendigkeit der Maßnahme nach dem Sach- und
Erkenntnisstand der Vollzugsbehörde zu dem Zeitpunkt, zu dem die Maßnahme
getroffen worden ist, zu beurteilen.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Vgl. auch Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil. vom 1. Juli 1975 - I C
35.70 -, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 49,36, = Neue
Juristische Wochenschrift (NJW) 1975, 2158.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall haben die Polizeibeamten des Beklagten zumutbare
Ermittlungen unterlassen, von denen den Umständen nach angenommen werden
kann, daß sie ein Eingreifen im Wege des sofortigen Vollzugs überflüssig gemacht
hätten. Es wäre den Beamten möglich und zumutbar gewesen, vor einer
Beauftragung der Firma XXX Nachforschungen nicht nur nach dem Geschäftsinhaber
XXX sondern auch nach dem Kläger, dem Hauseigentümer, anzustellen, um diesen -
notfalls durch Erlaß eines Verwaltungsaktes - zu Abhilfemaßnahmen aufzufordern.
Die Beamten durften angesichts des Umstandes, daß es sich bei dem betreffenden
Haus um ein größeres Gebäude mit zahlreichen Mietparteien, einem Geschäftslokal
und einer Gaststätte handelte, nicht darauf vertrauen, daß der - nicht erreichbare -
Geschäftsinhaber XXX, dessen Namensbezeichnung lediglich an dem Geschäft
angebracht war, zugleich der Hauseigentümer war. Sie hätten bei den Mietern im
Hause wegen des Namens, der Anschrift und der Telefonnummer des
Hauseigentümers nachfragen können. Da im Hause 15 Mietparteien wohnten, war
damit zu rechnen, daß zumindest einzelne Mieter auch zu so später Stunde noch
bereit gewesen wären, entsprechende Angaben zu machen. Noch näherliegender
wäre es gewesen, den Wirt oder das Personal der im Hause eingerichteten, zur
fraglichen Zeit noch geöffneten Gastwirtschaft entsprechend zu befragen. Wenn
ihnen der Name des Klägers mitgeteilt worden wäre, hätten die Polizeibeamten sich
telefonisch mit dem Kläger in Verbindung setzen oder mit dem Streifenwagen zu
dessen nicht allzu weit entfernt liegenden Wohnung fahren können. Nach den nicht
widerlegbaren Angaben des Klägers war dieser auch am 18. Dezember 1974 in der
Zeit zwischen 22.45 und 24.00 Uhr in seiner Wohnung - auch telefonisch - erreichbar.
Die Ersatzvornahme im Wege des sofortigen Vollzuges war daher nicht notwendig
iSd § 55 Abs. 2 VwVG NW. Ob der Beklagte im übrigen im Sinne dieser Vorschrift "im
Rahmen seiner gesetzlichen Befugnisse" gehandelt hat, kann offenbleiben.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch der
vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708
Nr. 10 der Zivilprozeßordnung (ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht
gegeben sind (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">
</p>
|
316,035 | olgham-1977-09-26-15-w-20977 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 15 W 209/77 | 1977-09-26T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:21 | 2019-03-27T09:41:35 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1977:0926.15W209.77.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.</p>
<p>Die Beteiligten zu 2) und 3) haben im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde die Gerichtskosten zu tragen und dem Beteiligten zu 1) die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.</p>
<p>Der Wert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 1.000,- DM festgesetzt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligte zu 2) ist teilende Eigentümerin des auf dem eingangs genannten Grundstück gebildeten
Wohnungseigentums und selbst noch Inhaberin verschiedener Wohnungseigentumsrechte, der Beteiligte zu 3) ihr
persönlich haftender Gesellschafter. Der Beteiligte zu 1) hat zusammen mit der Verwaltungsangestellten
... geborene ... auf Grund des Kaufangebotes vom 21. Dezember 1972 (Urkundenrolle Nr. ... des Notars ... in
... mit der Beteiligten zu 2) einen Kaufvertrag über einen Miteigentumsanteil von 30/10.000 an dem
erwähnten Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an dem Freizeithaus Nr. ... geschlossen.
Zugunsten der beiden Käufer als Berechtigten zu gleichen Teilen ist am 5. Januar 1973 im Grundbuch eine
Auflassungsvormerkung eingetragen worden. Seit August 1973 bewohnt der Beteiligte zu 1) das Haus Nr. ... Durch
Schreiben vom 22. Februar 1977 teilte die Beteiligte zu 2) dem Beteiligten zu 1) mit: "Frau ... hat den
durch uns ausgesprochenen Rücktritt kraft der ihr von Ihnen erteilten Vollmacht auch für Ihren Anteil
angenommen. Wir haben das Haus in Besitz genommen."</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Mit Schriftsätzen vom 17. März 1977 hat der Beteiligte zu 1) beim Amtsgericht ... Anträge
auf gerichtliche Entscheidung sowie auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gemäß §§
43 ff. WEG gestellt. Er hat im Verfahren der einstweiligen Anordnung, das hier allein Verfahrensgegenstand
ist, vorgetragen, der Beteiligte zu 3) habe am 25. Februar 1977 gegen seinen Willen das Haus Nr. ... besetzt,
durch seine Leute die Gas- und Stromanschlüsse unterbrechen und ein neues Türschloß einbauen lassen.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte zu 1) hat im wesentlichen den Erlaß einer einstweiligen Anordnung dahin beantragt, daß</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">1)</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">die Antragsgegner ihm den Mitbesitz an dem Freizeithaus ... im Freizeitpark ... der
Parzelle ... wieder einräumen,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">2)</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Antragsgegner die von ihnen unterbrochenen Gas- und Stromversorgung in diesem Freizeithaus wieder herstellen,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">3)</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">den Antragsgegnern zur Befolgung der unter Ziffern 1 und 2 anzuordnenden Handlungen
ein Zwangsgeld von 1.000,- DM angedroht werde.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten zu 2) und 3) haben beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">1)</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung abzulehnen,</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">2)</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">dem Antragsteller die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten zu 2) und 3) haben in erster Linie geltend gemacht, daß nicht der Richter der freiwilligen
Gerichtsbarkeit, sondern das ordentliche Gericht für die Entscheidung der Sache zuständig sei.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Durch Beschluß vom 25. März 1977 hat das Amtsgericht ... den Beteiligten zu 2) und 3) im Wege der
einstweiligen Anordnung aufgegeben, dem Beteiligten zu 1) den Mitbesitz an dem Haus Nr. ... im Freizeitparkt ...
wieder einzuräumen und die Anschlüsse der Gas- und Stromversorgung wieder herzustellen. Das Amtsgericht
hat ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und eine Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht angenommen.
Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) vom 4. April 1977 ist vom Landgericht durch Beschluß vom
19. April 1977 als unzulässig verworfen, worden, da einstweilige Anordnungen im Rahmen von Wohnungseigentumssachen
nach § 44 Abs. 3 S. 2 WEG nicht anfechtbar seien. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der
Beteiligten zu 2) und 3) vom 3. Mai 1977, mit der die Ansicht vertreten wird, das Landgericht habe eine Anfechtung
deshalb zulassen müssen, weil die amtsgerichtliche Entscheidung greifbar gesetzwidrig sei; der Richter der
freiwilligen Gerichtsbarkeit sei für den Erlaß der einstweiligen Anordnung nicht zuständig gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die statthafte sofortige weitere Beschwerde ist in der rechten Form und Frist eingelegt worden. Sie ist aber
nicht begründet, weil die Beschwerdeentscheidung nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 FGG).</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat die sofortige erste Beschwerde als unzulässig angesehen, ohne das Gesetz zu verletzen.
Diese Rechtsfolge ergibt sich aus dem Gesetz. Nach § 44 Abs. 3 S. 2 WEG kennen einstweilige Anordnungen,
die der Richter für die Lauer eines Verfahrens nach §§ 43 ff. WEG treffen kann, selbständig
nicht angefochten werden.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat ferner geprüft, ob über diesen gesetzlichen Ausschluß hinaus in Ausnahmefällen
die Anfechtungsmöglichkeit eröffnet wird. Es hat für das vorliegende Verfahren im Ergebnis zutreffend
einen solchen Ausnahmefall nicht annehmen können.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Es ist im Schrifttum (Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 33. Aufl., Anm. 1 c zu § 567 ZPO; Jansen, FGG, 2.
Aufl., Rz. 31 zu § 19 FGG; Schlegelberger, FGG, 7. Aufl., Rz. 43 zu § 19 FGG; Thomas/Putzo, ZPO,
9. Aufl., Anm. 4 zu § 567 ZPO) und in der Rechtsprechung (RG, RGZ 144, 86, 89; BGH, RdL 1958, 20.; BayObLG,
FamRZ 1971, 256, 257) Allgemein anerkannt, daß gegen eine gesetzlich unanfechtbare Entscheidung eine Beschwerde
dann zugelassen werden muß, wenn die Entscheidung jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem
Gesetz fremd ist, insbesondere wenn eine Entscheidung dieser Art oder dieses Inhalts oder dieser Stelle oder auf
Grund eines derartigen Verfahrens im Gesetz überhaupt nicht vorgesehen ist. Auf der anderen Seite besteht
kein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts, daß die Verletzung einer noch so grundlegenden Verfahrensvorschrift
einen sonst verschlossenen Rechtsmittelzug eröffne (RG, RGZ 144, 86, 88; BGH, NJW 1957, 713). Die Umstände
des Einzelfalles sind entscheidend für die Abgrenzung einer greifbaren Gesetzwidrigkeit von der - wenn auch
schwerwiegenden - Verfahrensverletzung, die kein Recht zur Anfechtung eines nach dem Gesetz unanfechtbaren Beschlusses
gibt. Als geeigneter Maßstab für die Abgrenzung kann der Zweck herangezogen werden, den der Gesetzgeber
mit der Bestimmung der Unanfechtbarkeit verfolgt hat. Es ist dann abzuwägen, ob dieser Zweck ausnahmsweise
hinter die Interessen zurückzutreten hat, die durch den gesetzwidrigen Beschluß berührt werden
(Baumgärtel, JZ 1958, 483, 484). Liegt der Zweck der Unanfechtbarkeit darin, daß die Entscheidung im
wesentlichen eine Ermessenssache ist, so ist die Beschwerde dann nicht ausgeschlossen worden, wenn es sich - im
Gegensatz zur sachlichen Nachprüfung der Ermessensentscheidung - um Voraussetzungen für die Anwendbarkeit
der Vorschrift gehandelt hat (vgl. BGH, NJW 1957, 713). Treten dagegen prozeßökonomische Gründe in
den Vordergrund (RG, RGZ 59, 64; BGH, RdL 1958, 20, 22), dann ist nur solchen Beschlüssen die Unanfechtbarkeit
abgesprochen worden, die als Anordnung im Sinne der Vorschrift, auf die sie gestützt worden sind, nicht mehr
angesehen werden können. In solchen Fällen muß angenommen werden, daß der Gesetzgeber die Entscheidung
jeder Nachprüfung durch die höhere Instanz entziehen wollte, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die
gesetzlichen Verfahrensvorschriften beachtet worden sind oder nicht.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Einstweilige Anordnungen nach § 44 Abs. 3 S. 1 WEG hat der Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit
zwar nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (Bärmann/Merle, WEG, 3. Aufl., Rz. 5 zu § 44 WEG),
die Unanfechtbarkeit in § 44 Abs. 3 S. 2 WEG ist aber nicht vorwiegend eine Folge des Ermessenscharakters dieser
Vorschrift. In der Begründung zu dem Entwurf eines Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht
(BRatsDrucksache 75/51) heißt es zu §§ 44-50, daß die besonderen Verfahrensvorschriften für
das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit der 6. DVO zum Ehegesetz nachgebildet seien. In § 44 Abs. 3 S. 2
WEG hat sich der Gesetzgeber somit der herrschenden Meinung zu § 14 HausratsVO angeschlossen, die die
Unanfechtbarkeit einstweiliger Anordnungen in Hausratssachen angenommen hat (OGH, NJV 1949, 582; BayObLG, FamRZ
1971, 256; KG, FamRZ 1965, 572; Beschluß des Senats vom 23. November 1956 - 15 W 542/56 - = Rpfleger 1958, 156
mit zust. Anm. Keidel; Hoffmann/Stephan, EheG, 2. Aufl., Rz. 32 zu § 13 HausratsVO). In Hausratssachen ist neben
einer gesetzestechnischen Begründung - § 14 HausratsVO a.F. sehe die Beschwerde nur gegen Endentscheidungen
des Amtsgerichts vor - als Grund der Unanfechtbarkeit genannt worden, daß bei einer derartigen Regelstreitigkeit
der Ablauf des Verfahrens, welches die alsbaldige Ordnung eines gestörten Rechtsverhältnisses bezwecke, nicht
durch die Anrufung der Beschwerdegerichte gegen einstweilige Anordnungshemmt werden soll (BayObLG, Rpfleger 1972, 411,
412; KG, FamRZ 1965, 571, 573; Keidel, Rpfleger 1958, 156; RGRK-Scheffler, BGB, 10./11. Aufl., Anm. 26 zu § 13
HausratsVO). Diese prozeßökonomischen Gründe der Unanfechtbarkeit erlauben ein Rechtsmittel gegen den
Gesetzeswortlaut nur in den seltenen Ausnahmefällen greifbarer Gesetzwidrigkeit. Die einstweiligen Anordnungen
regeln im Interesse des Rechtsfriedens einen Zustand vorläufig oder sollen verhindern, daß durch eine
Veränderung der Sachlage der Endentscheidung vorgegriffen wird. Die Einstweiligkeit des geschaffenen Zustandes
und die Einbettung in das Hauptverfahren machen die Anordnung für den Betroffenen zumutbar, ohne daß ihm
die Möglichkeit eines Rechtsmittels eröffnet wird. Während des noch laufenden Hauptverfahrens kann
der erstinstanzliche Richter nach § 18 Abs. 1 FGG jederzeit abändernde Anordnungen treffen; das Beschwerdegericht
hat über § 24 Abs. 3 FGG die Möglichkeit des Eingriffs in den durch die einstweilige Anordnung geregelten
Zustand. Die einstweilige Anordnung endet im übrigen von selbst durch das Wirksamwerden der Hauptsacheentscheidung
(§ 45 Abs. 2 S. 1 WEG; Beschluß des Senats vom 7. April 1972 - 15 W 135/72 - = OLGZ 1972, 382) oder sobald eine
Hauptsacheentscheidung nicht mehr ergehen kann (OLG Stuttgart, OLGZ 1971, 259). Im Verfahren der freiwilligen
Gerichtsbarkeit ist - anders als im Zivilprozeß (vgl. §§ 926, 935, 936, 940 ZPO) - eine einstweilige
Anordnung nur im Rahmen des Verfahrens zur Hauptsache möglich.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die auf § 44 Abs. 3 S. 1 WEG gestützte Anordnung des Amtsgerichts ist nicht greifbar gesetzwidrig.
Das Gesetz liefert die Grundlage für ein solches Verfahren des Richters der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Sollte die Hauptsache, in deren Rahmen die einstweilige Anordnung ergangen ist, nicht zur Zuständigkeit des
Richters der freiwilligen Gerichtsbarkeit gehören, sondern zu der des Prozeßgerichts, dann wäre
zwar ein schwerwiegender Verfahrensverstoß gegeben, aber nicht eine Entscheidung, die inhaltlich dem Gesetz
fremd ist. Es läge keine greifbare Gesetzwidrigkeit vor, sondern das Gericht hätte lediglich die
Voraussetzungen seiner Entscheidungsbefugnis verkannt. Die Überprüfung der Zuständigkeit des
Richters der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch die Instanzen ist im Hauptverfahren gewährleistet. Dort
kann über die im Einzelfall schwierige Abgrenzung entschieden werden, ob es sich um eine Streitigkeit unter
Wohnungseigentümern im Sinne des § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG oder etwa um einen Fall der Rückabwicklung
von Kauf- und Werkverträgen handelt (vgl. etwa Bärmann/Merle, Rz. 6 zu § 43 WEG). Dem Grundsatz
der Verfahrensbeschleunigung würde es widersprechen, wenn die Zuständigkeitsfrage nach während des
Verfahrensablaufs der Vorinstanz von den höheren Instanzen im Rahmen der Anfechtung einer einstweiligen
Anordnung geprüft würde.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Rüge der weiteren Beschwerde, daß der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung
primär und der Hauptantrag sekundär gestellt worden sei, trifft nicht zu. Mit der Antragsschrift auf
Erlaß einer einstweiligen Anordnung vom 17. März 1977 ist gleichzeitig die Antragsschrift zur Hauptsache
vom selben Tage beim Amtsgericht eingereicht worden. Damit war dem Grundsatz Genüge getan, daß eine
einstweilige Anordnung nur im Rahmen eines anhängigen Hauptverfahrens ergehen kann. Unerheblich ist es,
daß zur Begründung der Antragsschrift in der Hauptsache in vollem Umfange auf die Begründung des
Antrages auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung verwiesen worden ist. Durch diese äußerliche
Gestaltung der Antragsschriften ist die Unbedingtheit des Antrages zur Hauptsache nicht in Frage gestellt worden.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die weitere Beschwerde macht weiter ohne Erfolg geltend, daß eine einstweilige Anordnung ausschließlich
<u>bestehende</u> Verhältnisse schützen solle, nicht aber im Vorgriff Ziele schaffen könne, die durch
das Hauptverfahren gewünscht würden. Damit wird keine greifbare Gesetzwidrigkeit der ergangenen einstweiligen
Anordnung aufgezeigt, die eine Anfechtung zulassen würde.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Vom Umfang her hält sich die ergangene Anordnung im Rahmen des Verfahrensgegenstandes, der durch die
Antragsschrift zur Hauptsache umrissen ist, und damit auch im Rahmen der möglichen Endentscheidung. Hätte
das Amtsgericht über die ihm so zugemessenen Grenzen hinausgegriffen, so hätte es keinen Zwischenzustand
geschaffen, sondern eine selbständige Regelung, für die es nicht berufen war. In diesem Falle hätte
die Beschwerde wegen Überschreitens des Verfahrensgegenstandes als zulässig angesehen werden können
(BayObLG, FamRZ 1968, 101).</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die einstweilige Anordnung schöpft allerdings den Umfang der Hauptsache nahezu aus. Angebliche inhaltliche
Mängel eröffnen aber keinen Rechtsmittelzug wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit. Im übrigen erweist
sich hier die Auffassung der weiteren Beschwerde als unzutreffend, daß eine einstweilige Anordnung
ausschließlich bestehende Verhältnisse schützen solle. Denn eine solche Anordnung kann durchaus
auch die Veränderung eines tatsächlich vorhandenen Zustandes zum Inhalt haben, wenn dies im Interesse
des Rechtsfriedens geboten erscheint. Gerade in Fällen verbotener Eigenmacht wird dies naheliegen. Zwar soll
die einstweilige Anordnung angesichts ihres sichernden Charakters grundsätzlich die endgültige Entscheidung
nicht vorwegnehmen, dringende Gründe können aber selbst solche Maßnahmen rechtfertigen, die in ihren
Auswirkungen dem erstrebten endgültigen Ergebnis gleichkommen. So ist es anerkannt, daß der durch verbotene
Eigenmacht in seinem Besitz Gestörte im Wege der einstweiligen Verfügung gemäß § 940 ZPO die
Wiederherstellung des vorherigen Zustandes erwirken und die Herausgabe der Sache durchsetzen kann (OLG Saarbrücken,
NJW 1967, 1813; Thomas/Putzo, ZPO, 9. Aufl., Anm. 4 b zu § 940 ZPO; vgl. auch § 940 a ZPO).</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Da auch sonst kein Rechtsfehler ersichtlich ist, hat das Landgericht mit Recht die sofortige erste Beschwerde
der Beteiligten zu 2) und 3) wegen fehlender Statthaftigkeit als unzulässig verworfen. Die sofortige weitere
Beschwerde dieser Beteiligten ist zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Die Beteiligten zu 2) und 3) haben die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens
durch ein unbegründetes Rechtsmittel veranlaßt. Es entspricht daher der Billigkeit, daß sie die
Gerichtskosten zu tragen und die gegnerischen außergerichtlichen Kosten zu erstatten haben (§ 47 S. 1
und 2 WEG). Die Wertfestsetzung für das Verfahren dritter Instanz beruht auf § 48 Abs. 2 WHG.</p>
|
316,036 | lagham-1977-09-21-2-sa-112277 | {
"id": 794,
"name": "Landesarbeitsgericht Hamm",
"slug": "lagham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": "Arbeitsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 2 Sa 1122/77 | 1977-09-21T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:22 | 2019-03-27T09:41:35 | Urteil | ECLI:DE:LAGHAM:1977:0921.2SA1122.77.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Berufung der Beklagten gegen das am 1. Juli 1977 verkündete Urteil der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Herne - 4 Ca 658/77 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.</p>
<p>Der Streitwert beträgt unverändert 5.971,-- DM.</p>
<p>Die Revision wird zugelassen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Mit der Klage wird die Sozialwidrigkeit einer Kündigung geltend gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der am 1.9.1948 geborene Kläger ist gelernter Dreher. Bis Oktober 1973 lebte er in Bayern. Von April 1972 bis Mai 1973 befand er sich in Untersuchungs- bzw. Strafhaft. Danach arbeitete er bis zu seiner Eheschließung am 30.4.1975 als Dreher und Hobler mit einem monatlichen Verdienst von 960,— DM netto. In der Folgezeit erzielte er als Hilfsarbeiter rund 1.500,— DM netto im Monat. Von November 1975 bis Januar 1976 war er arbeitslos. Seine Ehefrau ist beruflich nicht tätig; sie hat ein 11-jähriges Kind.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Am 5.2.1976 trat der Kläger als Scherenarbeiter in den Dienst der Beklagten, die Walzeisen bearbeitet und damit handelt. Sie beschäftigt durchschnittlich 18 Arbeitnehmer, darunter einen einzigen kaufmännischen Angestellten, der die Schreib- und Büroarbeiten erledigt. Die Lohn- und allgemeinen Buchhaltungsarbeiten nebst unterschriftsreifer Vorbereitung des Zahlungsverkehrs besorgt eine insoweit nebenberuflich tätige Buchhalterin gegen eine Monatspauschale von 300,— DM.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Parteien vereinbarten in ihrem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 5.2.1976 eine tägliche Arbeitszeit</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">von 11 Stunden und einen Stundenlohn von 8,35 DM; dieser erhöhte sich spätestens im Januar 1977 auf 9,50 DM. Am Schluß des Vertrages erklärte der Kläger; "Mit meiner Unterschrift bestätige ich, daß ich keine Pfändungen habe".</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Ohne Grundangabe kündigte die Beklagte dem Kläger mit am nächsten Tag zugegangenem Schreiben vom 20.1. zum 2.2.1977.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Der Kündigung des seither arbeitslosen Klägers waren 1 Lohnabtretungsanzeige und 3 Lohnpfändungen vorausgegangen, nämlich:</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Am 4. 9. teilte die W GmbH, Wolfsburg, der Beklagten mit Schreiben vom 3.9.1976 (vgl. Bl. 55) mit, der Kläger habe am 2.8.1971 den pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens bis zur Höhe der rückständigen Forderung von 510,10 DM (ohne Zinsen und Kosten) abgetreten. Der Kläger hatte damals bei einem Autohaus in Penzberg einen gebrauchten Pkw VW 1500 zum Preise von 2.000,— DM gekauft, auf den er 500,— DM anzahlte; der Restbetrag war in 30 Monatsraten von 50,— DM zu entrichten. Die Beklagte behielt die 510,10 DM vom Lohn des Klägers ein und führte das Geld an die Abtretungsgläubigerin ab.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Am 10.12. wurde der Beklagten der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Bottrop vom 6.12.1976 (8 M 3208/76) zugestellt (vgl. Bl. 56), durch den auf</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Antrag der Firma B & Co. KG, Berlin, der Lohn des Klägers wegen einer Hauptsumme (Teilbetrag) von 1.336,30 DM nebst 17 v. H. Zinsen ab 19.2.1975 und Kosten gepfändet und zur Einziehung überwiesen wurde. Grundlage der Pfändungsmaßnahme ist der Vollstreckungsbefehl des Amtsgerichts Bottrop vom 20.3.1975, der wegen einer Restschuld aus einem Mietkaufvertrag vom 8.2.1974 über ein Farbfernsehgerät erlassen worden war. Der Kläger hatte seine monatlichen Ratenzahlungen aus dem Vertrag eingestellt, nachdem das Gerät defekt geworden und nicht ausgetauscht worden war. Die Beklagte führte an die Pfändungsläubige- rin zweimal je 280,— DM ab.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Am 3.1.1977 erfolgte die Zustellung des Pfändungs- und Uberweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Bottrop vom 20.12.1976 (8 M 3354/76), der von der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank, München, wegen eines Vollstreckungsbefehls des Amtsgerichts Bad Tölz vom 20.4. 1972 beantragt worden war (vgl. Bl. 57). Der Anspruch der Gläubigerin beläuft sich auf einen (Rest-) Betrag von 1.746,10 DM nebst Kosten, die auf 2 Kleinkredite aus Sommer 1970 und 1971 von etwa 2.000,— DM und</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">I.                                         700,—              DM zurückgehen. Der Vollstreckungsbefehl hatte über 2.723,49 DM gelautet.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Am 20.1.1977 - der Kläger war damals seit einigen Tagen arbeitsunfähig krank- ging der Beklagten der Pfändungsund Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Bottrop vom</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">II.                                            1.1977              (8 M 85/77) zu (vgl. Bl. 58). Gläubigerin ist</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">die U2 Sachversicherung-AG, Hamburg, der laut Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bottrop vom 26.5.1976 92,40 DM nebst Zinsen und Kosten zustehen. Der Kläger hatte am 24.6.1974 den Abschluß einer Unfallversicherung beantragt, aber den Erstbeitrag nicht gezahlt, weshalb die Gesellschaft das Vertragsverhältnis am 7.4.1975 kündigte und 92,40 DM als sogenannte Geschäftsgebühr verlangte.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Mit der am 4.2.1977 beim Arbeitsgericht Herne eingereichten Klage macht der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung vom 20.1.1977, die er für sozial ungerechtfertigt hält, geltend.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Dementsprechend hat er beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 20.1.1977 nicht aufgelöst worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat ihren Antrag auf Abweisung der Klage</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">damit begründet, der Kläger habe beim Abschluß des Arbeitsvertrages wissentlich die Unwahrheit gesagt, als er trotz seiner Schulden versichert habe, keine Pfändungen zu haben; denn er habe damit rechnen müssen, daß seine Gläubiger die Lohnpfändung betreiben würden, sobald ihnen sein neues Arbeitsverhältnis bekannt geworden sei.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Der Kläger hat erwidert, weder habe eine Lohnpfändung vorgelegen noch sei eine solche voraussehbar gewesen, als er das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten eingegangen sei. Zur Offenlegung der Lohnabtretung sei es nur deshalb gekommen, weil er versehentlich die Zahlung einer Rate von 50,— DM unterlassen habe; inzwischen sei der Restbetrag erledigt. Die Pfändung der Askanischen Bank beziehe sich allein darauf, daß er wegen seiner Reklamation berechtigterweise seine Zahlungen einstweilen eingestellt habe; jetzt zahle er wieder. Das Vorgehen der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank erkläre sich daraus, daß er in der Weihnachtszeit einmal in Zahlungsschwierigkeiten geraten sei. Die Pfändungsmaßnahme der U betreffe einen einmaligen Betrag, der mittlerweile erledigt sei.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Herne hat mit Urteil vom 1.7.1977 - 4 Ca 658/77 - der Klage auf Kosten der Beklagten stattgegeben und als Streitwert 5.971,— DM festgesetzt.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Nach Meinung des Erstgerichts war die Erklärung des Klägers im Arbeitsvertrag über das Fehlen von Pfändungen keineswegs unwahr und vermögen auch die Pfändungen die Kündigung nicht sozial zu rechtfertigen, zumal es hier an einer Häufung von Pfändungen mit einer unzumutbaren Belastung für die Beklagte fehle.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Gegen das ihr am 3.8. zugestellte Urteil richtet sich die am 11.8. eingelegte und am 23.8.1977 begründete</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Berufung der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Sie verweist darauf, daß sie sich angesichts ihrer Betriebsgröße arbeitsrechtlich geschultes Personal nicht leisten könne, weshalb jede Lohnpfändung zu einem verhältnismäßig großen Zeit- und Arbeitsaufwand führe. Der Kläger sei ihr einziger Arbeitnehmer, dessen Lohn bisher gepfändet worden sei. Bis zur 3. Pfändung habe sie die Arbeit auf sich genommen, um dem Kläger keine Schwierigkeiten zu bereiten. Allerdings habe ihr Geschäftsführer dem Kläger nach der 2. Pfändlang erklärt, daß es so nicht weitergehen könne und er mit seiner Entlassung rechnen müsse, falls er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme. Der Kläger sei aufgrund seines Arbeitsverdienstes hierzu durchaus in der Lage gewesen, habe jedoch diesbezüglich nichts unternommen. Die Häufung der Pfändungen habe für sie eine unzumutbare Belastung dargestellt. Das Urteil sei aber auch insofern nicht haltbar, als es eine Pflicht des Klägers, ihr von seinen Zahlungsverpflichtungen Mitteilung zu machen, verneint habe. Denn angesichts der titulierten Forderungen und seiner Zahlungsweise hätte der Kläger mit Vollstreckungsverfahren rechnen müssen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">das angefochtene Urteil abzuändern und nach ihrem in der SchlußVerhandlung I. Instanz gestellten Antrag zu erkennen.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Der Kläger, der die erstinstanzliche Entscheidung als zutreffend verteidigt, bittet um</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Zurückweisung der Berufung.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Sachverhalts und Parteivorbringens wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Die Akten 6 B 211/72 Amtsgericht Bad Tölz sowie 6 B 504/75, 7 aC 173/76, 8 M 3208/76, 8 M 3354/76 und 8 M 85/77 Amtsgericht Bottrop sind ebenfalls Gegenstand der BerufungsVerhandlung gewesen.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Parteivernehmung des Geschäftsführers Alfred Peters der Beklagten mit dem aus der Niederschrift vom 21.9.1977 ersichtlichen Ergebnis.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung kann keinen Erfolg haben.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Denn die Feststellung des Erstgerichts, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 20.1. zum 2.2.1977 (richtig: 4.2.) nicht rechtswirksam aufgelöst worden ist, weil sie im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sozialwidrig ist, trifft zu und ist deshalb aufrechtzuerhalten.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagte ihre Maßnahme damit rechtfertigen will, der Kläger habe im Arbeitsvertrag vorsätzlich eine falsche Erklärung in bezug auf Lohnpfändungen abgegeben, übersieht sie, daß sie darin nicht nach Schulden, sondern nach Pfändungen gefragt hat. Solche haben indes tatsächlich nicht vorgelegen. Jedenfalls hat die Beklagte auch im zweiten Rechtszug nicht behauptet, daß gegen den Kläger während seines vor Anfang Februar 1976 zuletzt bestandenen Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Lohnabtretung bzw. eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses seitens eines Gläubigers vorgegangen worden ist und die Lohnabtretung bzw. -pfändung bei seinem Ausscheiden aus dem Dienst seines Vor-Arbeitgebers noch nicht restlos erledigt war.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Der Einband der Beklagten, der Kläger hätte angesichts seiner in drei Fällen gerichtlich festgestellten Verbindlichkeiten und seiner Verhaltensweise gegenüber seinen Gläubigern mit entsprechenden Maßnahmen (Offenlegung der Lohnabtretung und/oder Ausbringung einer Lohnpfändung) rechnen müssen, ist nicht stichhaltig. Denn</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">der Titel der U AG stammt erst vom 26.5.1976, d. h. aus einer nach dem Abschluß des Arbeitsvertrages der Parteien liegenden Zeit, und die anderen Verpflichtungen lagen am 5.2.1976 (Tag der Einstellung) schon so lange zurück, daß damals ein zwangsweises Vorgehen der Gläubiger nicht zu befürchten war (Abtretung vom 2.8.1971 sowie Vollstreckungsbefehle vom 20.4.1972 und 20.3.1975). Bezeichnenderweise ist der ,1. Gläubiger erst 7 Monate nach der Einstellung des Klägers an die Beklagte herangetreten, und ist eine Lohnpfändung nicht vor dem 10.12.1976 erfolgt. Daraus ist zu folgern, daß es erstmals Monate nach der Arbeitsaufnahme bei der Beklagten zu einem Zahlungsverzug des Klägers gekommen ist.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Soweit die Beklagte ihre Kündigung mit der ihr angezeigten Lohnabtretung und den ihr zugestellten drei Pfändungs- und Uberweisungsbeschlüsse begründen will, kann sie auch hiermit nicht durchdringen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">1.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Urteile der Arbeitsgerichteund Landesarbeitsgerichte zur Kündigungsbefugnis des Arbeitgebers bei Lohn- und Gehaltspfändungen sind recht uneinheitlich und vielfach stark fehlbezogen (vgl. die Ubersicht bei Brill, DB 1976 S. 1816-1817). Eine einschlägige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist bislang nicht bekannt geworden. Auch im Schrifttum hat sich noch keine einheitliehe Ansicht durchgesetzt; es werden sehr unterschiedliche Standpunkte mit oft verschiedenartigen Begründungen vertreten (zum Meinungsstand siehe Brill, DB 1976 S. 1817-1818).</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Einigkeit besteht in der Judikatur und Literatur allerdings darüber, daß der Arbeitgeber grundsätzlich einem Arbeitnehmer nicht schon wegen einer einzigen Lohnpfändung kündigen kann, selbst wenn diese schuldhaft ausgelöst worden ist. Denn der Arbeitgeber ist einerseits als Drittschuldner gesetzlich verpflichtet, einen Pfän- dungs- und Überweisungsbeschluß auszuführen und andererseits kraft seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer gehalten, eine durch die Pfändungsmaßnahme bedingte Arbeitsbelastung in gewissem Umfang hinzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Deshalb können Lohnpfändungen nur bei Hinzutreten weiterer Umstände den Arbeitgeber zu einer - meist ordentlichen - Kündigung berechtigen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Von dem Sonderfall des Arbeitnehmers abgesehen, der bei dem Arbeitgeber eine herausgehobene oder Vertrauensstelle bekleidet oder mit der Verwaltung von Geld befaßt ist, ist im allgemeinen für die soziale Rechtfertigung einer fristgemäßen Kündigung Voraussetzung, daß 1) der Arbeitnehmer durch mindestens zwei Lohnpfändungen innerhalb eines nicht allzu langen Zeitraums eine nicht unerhebliche zusätzliche Arbeitsbelastung des Arbeitgebers verursacht, daß 2) der Arbeitgeber den Arbeitnehmer</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">hierauf hingewiesen und ermahnt hat, eine weitere Pfändungsmaßnahme zu vermeiden, und daß 3) in bezug auf den Arbeitnehmer vor Ablauf geraumer Zeit erneut ein Pfän- dungs- und Überweisungsbeschluß ergeht, sofern nicht diese abermalige Lohnpfändung einer unverschuldeten Zwangslage des Arbeitnehmers entspringt.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">2.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Diese Voraussetzungen sind im Falle der Parteien nicht erfüllt.</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Zwar sind beim Kläger innerhalb von bloß 4 1/2 Monaten (4.9.1976 - 20.1.1977) insgesamt 4 Lohnpfändungen angefallen. (Die Abtretungsanzeige steht einer solchen Pfändung gleich.) Sie haben jedoch keine erhebliche zusätzliche Arbeitsbelastung der Beklagten verursacht. Das ergibt sich schon daraus, daß die Beklagte derartige Arbeiten gar nicht von eigenen Arbeitnehmern erledigen läßt, sondern einer betriebsfremden Lohnbuchhalterin überläßt, die sämtliche Buchhaltungsarbeiten einschliesslich Lohnbuchhaltung ausführt und auch die Zahlungen der Beklagten unterschriftsreif bearbeitet. Da diese (in einem fremden Arbeitsverhältnis stehende) Mitarbeiterin ein pauschales Monatsentgelt bekommt, hat die Beklagte durch den Mehraufwand an Zeit und Arbeit, den Lohnpfändungen verursachen, keinerlei besondere Unkosten. Außerdem ist der Kläger der einzige Arbeitnehmer der Beklagten gewesen, bei dem eine Lohnpfändung durchgeführt worden ist.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Es kommt hinzu, daß die Beklagte den Kläger nach Erhalt der Abtretungsanzeige bzw. des ersten Pfändungsund Überweisungsbeschlusses keineswegs in der erforderlichen Weise "abgemahnt" hat. Nach der Parteiaussage ihres Geschäftsführers hat diese dem Kläger zwar Anfang September 1976 erklärt, er wolle dies noch einmal durchgehen lassen. Aber nach der 1. Lohnpfändung von Mitte Dezember 1976 hat der Geschäftsführer dem Kläger sogar seine Hilfe bei der Bereinigung der Angelegenheit (Mietkaufvertrag über das Fernsehgerät) angeboten und auch gewährt. Richtig ist, daß Peters anlässlich der Anfang Januar 1977 ausgebrachten 2. Lohnpfändung zum Kläger bemerkt hat, so gehe das nicht weiter, und ihn aufgefordert hat, diese Dinge zu klären. Dazu war indes keine Gelegenheit mehr. Denn der 3. Pfän- dungs- und Uberweisungsbeschluß traf bereits 17 Tage später bei der Beklagten ein. Allein der geringe zeitliche Abstand der letzten beiden Pfändungen beweist, daß der Kläger überhaupt nich-tfln der Lage war, der Aufforderung der Beklagten, seine finanziellen Angelegenheiten zu ordnen (und weitere Vollstreckungsmaßnahmen zu vermeiden), zu entsprechen.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">IV.</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">Die Kosten des Berufungsverfahrens treffen nach § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte als erfolglose Rechtsmittelklägerin.</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">Der vom Erstgericht auf 5.971,— DM festgesetzte Streitwert ist unverändert geblieben und nach § 69 Abs. 2 ArbGG beibehalten.</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Die Revision ist gemäß § 69 Abs. 3 ArbGG zugelassen worden, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt.</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">.</p>
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316,037 | olgham-1977-09-20-4-ss-owi-123077 | {
"id": 821,
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} | 4 Ss OWi 1230/77 | 1977-09-20T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:23 | 2019-03-27T09:41:35 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1977:0920.4SS.OWI1230.77.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Anträge werden verworfen, der Antrag zu 1.) auf Kosten des Betroffenen.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Der Betroffene ist durch Urteil des Amtsgerichts ... vom 31. März 1977 wegen Verstoßes gegen §
24 a StVG zu einer Geldbuße von 800,- DM verurteilt worden. Das Urteil ist in Gegenwart des Betroffenen und
seines Verteidigers verkündet worden. Der Verteidiger hat ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls die
Belehrung des Betroffenen über die gegen das Urteil gegebenen Rechtsmittel übernommen. Das schriftliche
Urteil wurde dem Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, am 14. April 1977 zugestellt.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Durch Beschluß vom 6. Juni 1977 hat das Amtsgericht das als Rechtsbeschwerde zu behandelnde
"Rechtsmittel" des Betroffenen vom 31. März 1977 als unzulässig verworfen, weil eine
Begründung der Rechtsbeschwerde nicht erfolgt war.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 29. Juni 1977, eingegangen am Amtsgericht ... am selben Tage, beantragt
der Betroffene</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">1.)</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde
unter gleichzeitiger Erhebung der allgemeinen Sachrüge gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 31. März 1977,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">2.)</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gegen den am 22. Juni 1977 zugestellten Beschluß des Amtsgerichts
vom 6. Juni 1977.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Beide Anträge bleiben erfolglos.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Rechtsbeschwerde ist nicht rechtzeitig begründet worden. Die mit der Zustellung des schriftlichen Urteils
am 14. April 1977 in Lauf gesetzte Begründungsfrist von einem Monat, §§ 79 Abs. 3 OWiG, 345 Abs. 1 StPO,
lief, da der 14. Mai 1977 auf einen Sonnabend fiel, mit dem 16. Mai 1977 ab, § 43 StPO in Verbindung mit §
46 Abs. 1 OWiG. Der Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die mithin eingetretene Fristversäumung ist unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Betroffene hat keinerlei Gründe für die Versäumung der Frist vorgetragen, geschweige denn - wie
in § 45 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG vorgeschrieben - glaubhaft gemacht.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Es besteht auch nicht der Wiedereinsetzungsgrund des § 44 Satz 2 StPO. Zwar ist dem Betroffenen ausweislich
des Sitzungsprotokolls keine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden. Das Protokoll enthält jedoch den Vermerk
"Der Verteidiger übernahm Rechtsmittelbelehrung".</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die in Gegenwart des Betroffenen abgegebene Übernahmeerklärung des Verteidigers kann nur dahin verstanden
werden, daß der Betroffene damit auf eine Belehrung durch das Gericht verzichtet hat. Dieser Verzicht ist wirksam.
Seine Erklärung durch den Verteidiger ist durch die bei den Akten befindliche Vollmacht gedeckt, die
ausdrücklich die noch weitergehende Ermächtigung zum Verzicht auf Rechtsmittel beinhaltet. Auch aus
rechtsstaatlichen Gesichtspunkten sind Bedenken gegen die Wirksamkeit des Verzichts nicht herzuleiten (vgl. hierzu
eingehend OLG Hamm NJW 1956, 1330 f).</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gegen die Verwerfung der Rechtsbeschwerde als unzulässig
durch das Amtsgericht ist unbegründet. Wie dargelegt, ist die Begründung der Rechtsbeschwerde nicht fristgerecht
erfolgt und sie bleibt wegen der Ablehnung der Wiedereinsetzung gegen die Fristversäumung verspätet. Der
Verwerfungsbeschluß des Amtsgerichts vom 6. Juni 1977 ist daher zu Recht ergangen (§§ 79 Abs. 3 OWiG,
346 Abs. 1 StPO), so daß es bei der Verwerfung der Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verbleiben hat.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Wiedereinsetzungsantrags beruht auf § 473 Abs. 6 StPO in Verbindung mit
§ 46 Abs. 1 OWiG; die Entscheidung über den Antrag nach §§ 79 Abs. 3 OWiG, 346 Abs. 2 StPO ergeht
gebührenfrei.</p>
|
316,038 | olgk-1977-09-19-7-u-7377 | {
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} | 7 U 73/77 | 1977-09-19T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:24 | 2019-03-27T09:41:35 | Urteil | ECLI:DE:OLGK:1977:0919.7U73.77.00 | <h2>Tenor</h2>
<br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline;"><b>T a t b e s t a n d</b></span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Kläger sind Eigentümer des Hausgrundstücks E. 60 in O..
Oberhalb des an einem Hang liegenden Grundstücks verläuft die
Straße "E.", die zum Zeitpunkt der Errichtung des Hauses im Jahre
1967 noch unbefestigter Weg war. Ende 1968 schüttete die Beklagte
den Weg auf und befestigte ihn mit einer Asphaltschicht ohne
seitliches Gefälle. Ende 1973 verlegte sie im Weg einen Kanal und
gestaltete im September 1974 das Straßenprofil mit einem
Quergefälle zum Hang hin neu.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 6. Juli 1973 und am 27. Juni 1974 wurde der Keller des Hauses
der Kläger nach wolkenbruchartigen Regenfällen überschwemmt. Hierzu
kam es insbesondere deshalb, weil - dies haben die Kläger in erster
Instanz zugestanden - vom gegenüberliegenden Grundstück große
Wassermengen, die Bau- und Schwemmstoffe mit sich führten, über die
Straße auf das Grundstück der Kläger flossen und dort die
Entwässerungs- und Verrieselungsanlage zusetzten. Die Kläger
begehren von der Beklagten Ersatz der dadurch entstandenen Schäden
und Ersatz für Aufwendungen, die sie in den Jahren 1972 bis 1974
zur Abwehr von Überschwemmungen und zur Beseitigung von
Verschlammungen der Entwässerungs- und Verrieselungsanlage
machten.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die Beklagte sei
schadensersatzpflichtig, weil sie durch Höherlegung des Weges einen
vermehrten Zufluß von Oberflächenwasser verursacht habe, aber auch,
weil die Wegebaumaßnahmen - zunächst ohne Gefälle zum Hang hin -
sachwidrig gewesen und nicht in zumutbarer Zeit abgeschlossen
worden seien. Wegen eines Teilbetrages von DM 5.532,24 für die
Errichtung einer Stützmauer zur Abwehr des von der Straße auf das
Grundstück abfließende Oberflächenwasser haben die Parteien die
Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten jeweils
der anderen Partei aufzuerlegen.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Im übrigen haben die Kläger beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">die Beklagte zu verurteilen, an die
Kläger DM 10.814,02 abzüglich DM 5.532,24 nebst 4 % Zinsen seit dem
12. Februar 1975 zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">hilfsweise zu gestatten, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch
Augenscheinseinnahme und Vernehmung von Zeugen die Klage abgewiesen
und die Kosten des Rechtsstreits, auch soweit die Hauptsache für
erledigt erklärt war, den Klägern auferlegt. Zur Begründung hat es
im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe nicht rechtswidrig
gehandelt, da der vermehrte Wasserzufluß auf einer veränderten
wirtschaftlichen Nutzung des Straßengrundstückes beruhe und daher
gem. § 78 Abs. 1 Satz 2 LWG nicht rechtswidrig sei.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidung Bezug
genommen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Gegen dieses am 13. Januar 1977 zugestellten Urteil haben die
Kläger am 14. Februar 1977 (einem Montag) Berufung eingelegt, die
sie nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
mit einem am 4. April 1977 eingegangenen Schriftsatz begründet
haben.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Kläger sind der Ansicht, die Bestimmung des § 78 Abs. 1 Satz
2 LWG sei nicht anwendbar, da sie eine Änderung der
wirtschaftlichen Nutzung nur bei rein privatwirtschaftlicher
Benutzung rechtfertige: der Ausbau einer Gemeindestraße erfolge in
Erfüllung öffentlicher Aufgaben, sei hoheitlicher Natur und diene
besonderen öffentlichen, nicht aber privatwirtschaftlichen
Interessen. Die Kläger halten die Ersatzpflicht der Beklagten auch
gem. Art. 34 GG, § 839 BGB und aus enteignungsgleichem Eingriff für
gegeben, weil der Ausbau der Straße schuldhaft unsachgemäß
vorgenommen worden sei; die Straße hätte nach der Höherlegung
sofort Gefälle zum Hang erhalten und zügig fertiggestellt werden
müssen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Kläger beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">unter Abänderung der angefochtenen
Entscheidung nach den in erster Instanz zuletzt gestellten Anträgen
zu erkennen,</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">hilfsweise ihnen nachzulassen, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung - auch durch
Bankbürgschaft - abzuwenden.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">die Berufung zurückzuweisen,</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:10px">hilfsweise ihr zu gestatten, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung - auch durch
Bankbürgschaft - abzuwenden.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Die Parteien wiederholen im übrigen das Vorbringen aus dem
ersten Rechtszug und ergänzen es nach Maßgabe der in dieser Instanz
gewechselten Schriftsätze, auf deren vorgetragenen Inhalt Bezug
genommen wird.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="h2 absatzLinks">E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die formell nicht zu beanstandende Berufung hat in der Sache
keinen Erfolg.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt
verpflichtet, den Klägern Schadensersatz dafür zu leisten, daß
infolge des Ausbaues der Straße vermehrt Oberflächenwasser auf das
Grundstück der Kläger geflossen ist.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Es ist schon zweifelhaft, ob die Überschwemmungen und
Verschlammungen überhaupt durch das von der Straße selbst
abgeflossene Wasser verursacht wurden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit
sind die Verschlammungen der Entwässerungs- und Verrieselungsanlage
darauf zurückzuführen, daß vom gegenüberliegenden Grundstück und
vom Grundstück der Kläger selbst - insbesondere von der
Garagenauffahrt, deren Plattenbelag in Sand ohne Bindemittel
verlegt war - Schwemmstoffe in die Anlagen geraten sind; von der
Straße selbst, die im Bereich der Garagenausfahrt vollständig
asphaltiert ist, konnten Schwemmstoffe in größeren Mengen kaum
abgeschwemmt werden. Auch dürften die auf dem Grundstück der Kläger
selbst anfallenden und die vom gegenüberliegenden Grundstück
zufließenden Wassermengen erheblich größer gewesen sein, als die
von der Straße selbst abgeflossenen Wassermengen. Diese Fragen
können jedoch dahinstehen, denn ein Schadensersatzanspruch der
Kläger setzt voraus, daß die schadenstiftende Handlung rechtswidrig
ist.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Das Handeln der Beklagten war nicht rechtswidrig.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Grundsätzlich darf der Ablauf wildabfließenden
Oberflächenwassers nicht künstlich so verändert werden, daß
tieferliegende Grundstücke belästigt werden, § 78 Abs. 1 Satz 1
LWG. Dieses Verbot gilt aber nicht für Veränderungen des
Wasserablaufes, die auf veränderter wirtschaftlicher Benutzung
eines Grundstückes beruhen, § 78 Abs. 1 Satz 2 LWG. Positiv
ausgedrückt bedeutet die Regelung dieser Bestimmung, daß durch die
Veränderung wirtschaftlicher Benutzung eines Grundstückes der
Ablauf wildabfließenden Oberflächenwasser künstlich geändert werden
darf, auch wenn dadurch ein tieferliegendes Grundstück belästigt
wird. Damit ist für diesen Ausnahmefall einem Grundstückseigentümer
das Recht gegeben, den Ablauf wildabfließenden Oberflächenwassers
künstlich zu verändern, ohne Rücksicht auf schädigende Folgen für
tieferliegende Grundstücke.</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Wie der Senat in früheren Entscheidungen wiederholt ausgeführt
hat (Urteil v. 12.10.1967 - 7 U 96/76 - und Urteil v. 30.6.1969 - 7
U 2/69 -) kann sich eine Gemeinde für den Wegeausbau auf dieses
Recht stützen. Das Gesetz spricht ganz allgemein von der
"Veränderung wirtschaftlicher Benutzung". Es umfaßt damit jede
denkbare Benutzungsart, auch die Benutzung als öffentlicher Weg.
(Vgl. Burghartz, Komm. z. Wasserhaushaltsgesetz und Wassergesetz
für das Land NW, 1974, Anm. 4 zu § 78 LWG). Dies galt bereits unter
der Herrschaft des früheren Preußischen Wassergesetzes, dessen §
197 vollständig dem § 78 Abs. 1 des heutigen Landeswassergesetz
entsprach /vgl. Holtz-Kreutz-Schlegelberger, Komm. z. Preuß.
Wassergesetz, 4. Aufl., 2. Bd., Anm. 7 zu § 197). Es kann
dahinstehen, ob von der Bestimmung auch Änderungen durch Anlagen
erfaßt werden, die ausschließlich besonderen öffentlichen
Interessen dienen und in ihrer Art im Rahmen privatwirtschaftlicher
Grundstücksnutzung nicht erstellt werden dürfen (vgl. BGH in MDR
1972, 305 (306).), denn um etwas Derartiges geht es hier nicht.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Im vorliegenden Fall ist die behauptete Veränderung des
Wasserablaufs dadurch bewirkt worden, daß der bestehende, bislang
unbefestigte Weg asphaltiert und dabei die bis dahin in
Längsrichtung bestehenden Aushöhlung des Weges aufgefüllt wurde.
Dieses Maßnahme stellt eine Veränderung der wirtschaftlichen
Benutzung dar. Gerade der Ausbau einer Straße, die Befestigung von
Wegen, sowie die Einebnung bestehender Erhöhungen oder Vertiefungen
ist eine wirtschaftliche Änderung der Nutzung (vgl. Burghartz,
a.a.O., Holtz-Kreutz-Schlegelberger a.a.O. und RGZ 24, 212, 213).
Staat und Wirtschaft sind so eng verflochten, daß nicht nur die
private, sondern auch die öffentliche Betätigung zur Erhaltung und
Hebung des Lebensstandards als "wirtschaftlich" bezeichnet werden
muß. Dabei obliegt der öffentlichen Hand gerade der Ausbau der
Verkehrswege, die mit nicht besondere öffentliche Interessen
verfolgt, sondern das Straßengrundstück "verkehrs-wirtschaftlich"
nutzt (vgl. Burghartz, a.a.O.).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Aufgrund der Regelung des § 78 Abs. 1 LWG hatten die Kläger auch
keinen Anspruch darauf, daß die Beklagte etwas unternahm, um sie
vor dem vermehrten Wasserzufluß zu schützen. Sinn und Zweck des §
78 Abs. 1 LWG ist es, dem Grundstückseigentümer ohne Rücksicht auf
die Wasserablaufverhältnisse die volle Entscheidungsfreiheit über
die wirtschaftliche Benutzung des Grundeigentums zu erhalten.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Das Handeln der Beklagten war auch nicht deshalb rechtswidrig,
weil sie den Weg unsachgemäß oder verzögerlich ausgebaut hätte.
Selbst wenn eine Asphaltdecke ohne Gefälle zum Hang nicht sachgemäß
gewesen sein sollte - dies erscheint zweifelhaft, da ohne
Kanalisation dann wohl das Oberflächenwasser tiefergelegenen
Grundstücken hätte gezielt zugeführt werden müssen -, ist das
Handeln der Beklagten gem. § 78 Abs. 1 LWG gerechtfertigt. Da der
Grundstückseigentümer ohne Rücksicht auf die
Wasserabflußverhältnisse die volle Entscheidungsfreiheit über die
wirtschaftliche Benutzung des Grundstückes hat, ist er nicht
eingeengt auf die wirtschaftlich sinnvolle und technisch richtige
Veränderung der wirtschaftlichen Benutzung. Daher kann
offenbleiben, ob die gewählte Ausbauart technische Fehler hatte
oder nicht. Die Kläger hatten keinen Anspruch darauf, daß die
Beklagte bei den Veränderungen dafür sorgte, daß der Wasserablauf -
verglichen mit dem bisherigen natürlichen Zustand - nicht verändert
oder gar verbessert wurde. Unzulässig wäre lediglich die Zuleitung
des Wassers durch eine besondere Anlage.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Kläger hatten auch keinen Anspruch auf einen schnelleren
Ausbau der Straße. Die Beklagte handelte nicht deshalb
rechtswidrig, weil sie den Weg zunächst nur asphaltierte und die
Kanalisation einschließlich der Ableitung des Oberflächenwassers zu
einem wesentlich späteren Zeitpunkt vornahm. Insoweit ist die
Beklagte in ihrer Entscheidung frei, die Kläger hatten keinen
Anspruch auf Ausbau der Straße einschließlich Kanalisation bereits
im Jahre 1968.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Die Kläger können auch nicht gem. § 78 Abs. 2 LWG Entschädigung
verlangen. Diese Bestimmung steht in keinem inneren Zusammenhang
mit der des § 78 Abs. 1 LWG, sondern regelt einen anderen
Sachverhalt; sie liegt fest, unter welchen Voraussetzungen und
Bedingungen die Eigentümer tieferliegender Grundstücke auf
Verlangen des Oberliegers darauf verzichten müssen, das ihrem
Grundstück natürlicherweise zufließende Oberflächenwasser durch
geeignete Maßnahmen von ihrem Grundstück fernzuhalten (vgl.
Burghartz, a.a.O., Anm. 5 zu § 78). Hier hat aber die Beklagte von
den Klägern nicht verlangt, daß sie es unterlassen, das ihrem
Grundstück von der Straße her zufließende Oberflächenwasser
abzuhalten, ein Fall des § 78 Abs. 2 LWG ist damit nicht
gegeben.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Auch eine Entschädigung nach allgemeinen
entschädigungsrechtlichen Gesichtspunkten können die Kläger nicht
fordern. Ihnen ist kein besonderes Opfer auferlegt worden, sondern
nur die Möglichkeit abgeschnitten, die Beklagte für die Folgen der
Wasserablaufänderung haftbar zu machen, die auf Veränderung der
wirtschaftlichen Benutzung des höher liegenden Grundstückes
beruhen. Diese Möglichkeit ist nicht nur den Klägern oder einem
kleinen Kreis betroffener Personen genommen, sondern durch § 78
Abs. 1 Satz 2 LWG schlechthin jedem Grundstückseigentümer
auferlegt. Von einem "Sonderopfer" im Sinne des
Entschädigungsrechtes kann deshalb keine Rede sein.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Es war die eigene Sache der Kläger und es war ihnen unbenommen,
das dem Grundstück vom Wege her zufließende Wasser durch geeignete
Maßnahmen abzufangen und von ihrem Grundstück fernzuhalten. Die
Beklagte war zu solchen Maßnahmen nach den Bestimmungen des
Wassergesetzes nicht verpflichtet.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Die Frage, ob den Klägern Schadensersatzansprüche aus der
Höherlegung der Straße und den damit möglicherweise verbundenen
Erschwernissen des Zugangs der Zufahrt zum Grundstück zustehen,
steht nicht zur Entscheidung. Die Kläger haben für solche Ansprüche
nicht substantiiert vorgetragen, insbesondere nicht dargelegt, daß
die Opfergrenze überschritten wäre (vgl. BGH in NJW 1971, 750; BGHZ
30, 241 ff., 244).</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97, 91a ZPO. Da die
Klage, auch soweit die Hauptsache übereinstimmend für erledigt
erklärt worden ist, von Anfang an unbegründet war, waren die Kosten
auch insoweit gem. § 91 a ZPO den Kläger aufzuerlegen.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt
sich aus § 708 Zf. 7 ZPO. Die Vollstreckungsschutzanträge waren
wegen § 713 a ZPO gegenstandslos.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Streitwert für das Berufungsverfahren und</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Beschwer für die Kläger: 5.281,78 DM</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">zuzüglich der anteiligen Kosten des in der Hauptsache erledigten
Teils des Rechtsstreits (vgl. Baumbach-Lauterbach Anhang § 3 Anm.
Stichwort: "Erledigungserklärung" m.w.N.) 1.350,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">ingesamt 6.631,78 DM</p>
|
316,040 | ag-neuss-1977-08-04-37-c-19876 | {
"id": 713,
"name": "Amtsgericht Neuss",
"slug": "ag-neuss",
"city": 473,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Amtsgericht"
} | 37 C 198/76 | 1977-08-04T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:28 | 2019-03-27T09:41:35 | Urteil | ECLI:DE:AGNE:1977:0804.37C198.76.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Klage wird abgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Tatbestand:</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist bei der Beklagten vertraglich gegen Krankheitskosten versichert.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Am 21. und 24.11.1975 ließ sie sich von dem Facharzt für Lungenkrankheiten</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Dr. wegen cervicaler Migräne mittels Ohrakupunktur behandeln. Seine Leistungen stellte der Arzt der Klägerin unter dem 26.11.1975 mit 250,-- DM in Rechnung.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte verweigert der Klägerin die Erstattung dieser Kosten unter Hinweis auf § 11 Ziff. 1e ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) mit der Begründung, die Akupunktur sei eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode. Sie sei deshalb nach ihren AVB von der Leistungspflicht befreit.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin trägt vor:</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die Aktupunktur zählte heute zu den wissenschaftlich allgemein anerkannten Behandlungsmethoden. Sie gehöre zum Rüstzug eines jeden in China ausgebildeten Arztes und werde auch in Deutschland mit Erfolg angewandt. Im vorliegenden Fall sei sie von einem Vollmediziner angewandt worden, der sich wissenschaftlich mit der Aurikulo-Medizin befasse. Im übrigen dürfte die Unklarheit des von der Beklagten verwendeten Begriffs der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung nicht zu Lasten der Klägerin gehen.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Sie beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Beklagte zu verurteilen, an sie 250,--DM zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 23.02.1976 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Sie trägt vor:</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">In der medizinischen Literatur sei die Akupunktur keinesfalls anerkannt. Dort heiße es, die anwendenden Ärzte hätten den Beweis der Richtigkeit dieser Methode noch nicht erbracht. Es fehle noch an der Feststellung der statistisch signifikanten Wirksamkeit. Ihre vereinzelte Anwendung stehe dem nicht entgegen. Noch 1975 habe ein Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer als Zwischenbericht seiner Untersuchen festgehalten, die Akupunktur beziehe ihre teilweise Wirksamkeit mehr aus ihrem suggestiven und hypnotischen Einfluss auf den Patienten als auf ihrer direkten Einwirkung. Die Deutsche Akademie für Akupunktur und für Aurikulo-Medizin habe noch im Januar 1976 geschrieben, sie arbeite daran, die Anerkennung der Akupunktur als Therapieform zu erreichen. Der Arbeitskreis des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer werde voraussichtlich erst im Oktober dieses Jahres über eine mehrjährige Prüfung dieser Frage in Form eines Votums informieren.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Akten Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe:</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann von der Beklagten die Erstattung der Kosten die Ohrakupunkturbehandlung vom 21.04.11.1975 nicht verlangen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte verweigert die Leistung zurecht mit der Berufung auf § 11 Nr. 1 e ihrer AVB, dessen vertragliche Geltung zwischen den Parteien unumstritten ist.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">In dieser Bestimmung zeichnet die Beklagte sich von der Leistungspflicht für Kosten frei die durch wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden entstehen. Zurecht weist zwar die Klägerin daraufhin, dass dieses Abgrenzungsmerkmal problematisch ist und fließende Grenzen aufweist. Wissenschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie forscht, in Frage stellt, anzweifelt, fortschreitet und Argumenten auch zu Beweise des Gegenteils des bisher angenommenen zugänglich ist. Dem steht vom Ansatz her eine allgemeine Anerkennung als statistisches Element entgegen. hat deshalb (in NJW 1976, S. 357) der Verwendung dieses Kriteriums in Rechtsvorschriften erheblich Bedenken entgegengesetzt und zumindest die verfassungskonforme Auslegung dahin gefordert, dass "Aufwendungen für Mittel, deren Wirksamkeit durch keine Erfahrung bestätigt wird" von der Erstattung ausgeschlossen sein sollen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Darum konnte es vorliegend indes nicht gehen, weil nicht die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsform zu prüfen war, sondern die Bedeutung und die Wirksamkeit eine vertraglichen Vereinbarung und das Vorliegen ihrer tatsächlichen Voraussetzungen. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Parteien die Geltung dieser Vertragsklausel übereinstimmend gewollt haben. Das schließt nicht aus, bei Unklarheiten gemäß §§ 133, 157 BGB nach dem wirklichen Willen und dem objektiven Erklärungsgehalt zu forschen. Dabei ist feststellen, dass die Beklagte zum Zwecke des ökonomischen Umgangs mit den Beiträgen ihrer Mitglieder verpflichtet ist und ein Interesse daran hat, die Erstattungsfähigkeit der Kosten von Heilbehandlungen dahin einzugrenzen, dass nichts unwirksames verordnet werde und sie nicht das Risiko eins ärztlichen medizinischen Experimentes oder medizinischer Forschung zu tragen habe. Dem hat sie damit Rechnung getragen, dass sie einerseits auf der wissenschaftlichen Herkunft der Behandlungsmethode besteht, andererseits den Bereich der wissenschaftlichen Forschung und des Experimentes, dessen Arbeitshypothese sich erst in der Zukunft bestätigt oder als falsch erweist, durch den Begriff der "allgemeinen Anerkennung" ausklammert. Dieses Vorgehen ist nach Treue und Glauben nicht zu beanstanden.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Es verbleibt die Frage, wann von einer allgemeinen Anerkennung gesprochen werden kann. Auch diese Frage ist unter dem Gesichtspunkt der wissenschaftlichen Diskussion anders zu beurteilen als in der Erwägung der von Zwecken bestimmten Parteiinteressen, wenn auch das eine im Bereich des anderen eine wesentliche Rolle spielt. Für den Streit der Parteien kommt es dabei mehr darauf an, ob sich eine Behandlungsmethode in der Schulmedizin und in der überwiegenden Praxis so durchgesetzt und bewährt hat, dass nach der statistischen Wahrscheinlichkeit im Einzugsbereich der Mitglieder der Beklagten und deren behandelnden Ärzte eine beliebig reproduzierbarer therapeutischer Erfolg in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle erreicht werden kann.</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Das hat die Klägerin mit dem durch seilangetretenen Beweis durch Sachverständigen-Gutachten nicht bewiesen. Der Gutachter Prof. Dr. Dr. hat dazu ausgeführt, an der von ihm vertretenen Universität würden seit 1970 Untersuchungen über die Wirksamkeit der Aurikulo-Therapie durchgeführt. Zur Schmerzstillung sei man in fast 1000 Fällen erfolgreich gewesen. Weitere Grundlagenforschungen würden in betrieben. Die Studien würden auf Kongressen einem großen ärztlichen Interesse unterbreitet. Die Universitäten und seien dabei, sich einzuarbeiten an 5 anderen Instituten und Krankenhäusern der Bundesrepublik Deutschland werde das Verfahren ebenfalls durchgeführt.</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Das Gutachten zeigt, dass diese Methode zur Analgesie und Therapie noch im Bereich des Aufbaues, des Experimentes und der Forschung steht. Die wenigen führenden Institutionen, die der Gutachter nennt, belegen auch die geringe quantitative Ausbreitung und die daraus resultierende geringe Erfahrung der breiten Ärzteschaft. Auch die Zahl von 1200 bis 1300 Akupunktur-Analgesien bis zum Beginn des Jahres 1976 zeigt die relativ geringe Höhe für eine statistische Signifikanz. Dieses Beweisergebnis wird gestützt durch den unwidersprochenen und belegten Vortrag der Beklagten, erst im Oktober 1977 sei ein informierendes Votum des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer zu erwarten. Es wird weiterhin bekräftigt durch das dem Gutachten vom Sachverständigen beigefügten Informationsmaterial, in dem er selbst ausführt: " Ob sich diese Methode eingebürgert, das ist schlecht vorauszusagen... Es bedarf dazu einer langjährigen Erfahrung... Sie (die medizinische Akupunktur) kann sich nur dadurch abgrenzen, dass sie zunächst einmal die Akupunktur weiter erforscht und den Medizinern... nahebringt." (Sonderdruck aus "Ärztliche Praxis" 28. Jahrgang, Nr. 82 vom 12. Oktober 1976, N2, Interview mit Prof. Dr. Dr. H Herget).</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO.</p>
|
316,041 | olgham-1977-07-04-2-u-5677 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 2 U 56/77 | 1977-07-04T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:29 | 2019-03-27T09:41:34 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1977:0704.2U56.77.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Das am 22. Dezember 1976 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird auf die Berufung der Klägerin teilweise abgeändert.</p>
<p>Der Beklagte wird verurteilt, über den der Klägerin durch das vorgenannte Urteil zuerkannten Betrag von 8.756,44 DM nebst 9,5 % Zinsen seit dem 24. März 1976 abzüglich am 5. April 1976 gezahlter 400,- DM und am 18. Mai 1976 gezahlter 2.500,- DM hinaus weitere 30.851,49 DM (dreißigtausendachthunderteinundfünfzig 49/100 Deutsche Mark) nebst 6 % Zinsen seit dem 24. März 1976 an die Klägerin zu zahlen.</p>
<p>Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Die Beschwer der Beklagten beträgt 30.851,49 DM.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Berufung ist im wesentlichen begründet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin kann vom Beklagten über die der Klägerin durch das angefochtene Urteil bereits zuerkannten 8.756,44 DM nebst Zinsen abzüglich am 5.4.1976 gezahlter 400,- DM und weiter abzüglich am 18.6.1976 gezahlter 2.500,- DM hinaus weitere 30.851,49 DM nebst 6 % Zinsen seit dem 24.3.1976 verlangen; nur hinsichtlich des 6 % jährlich übersteigenden Zinsbetrages sind Klage und Berufung unbegründet.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Rechtsgrundlage für den Klageanspruch ist der zwischen den Parteien geschlossene Bürgschaftsvertrag vom 6.2.1964.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Für die Berechnung der Höhe der Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten hat § 367 BGB entgegen der Meinung des Landgerichts außer Betracht zu bleiben.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks"><b>1)</b></p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Zunächst ist hier zu beachten, daß grundsätzlich für die Frage, in welcher Höhe der Bürge innerhalb der durch den Bürgschaftsvertrag gezogenen Höchstgrenzen der Bürgschaftsverpflichtung tatsächlich haftet, das Bestehen und der Umfang der durch die Bürgschaft gesicherten Verpflichtung des Hauptschuldners bestimmend. Dies folgt aus dem Wesen der Bürgschaft. Es bedeutet gleichzeitig, daß die Frage nach der Anwendbarkeit des § 367 BGB - wonach Tilgungen mangels entsprechender Vereinbarungen zunächst auf etwa vorhandene Kosten, dann auf die Zinsen und erst zuletzt auf die Hauptforderung anzurechnen sind - in erster Linie das Verhältnis zwischen dem Gläubiger und dem (Haupt-) Schuldner (nicht dem Bürgen) betrifft und von da aus erst mittelbar (über die Hauptschuld) in das Verhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen einwirkt.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><b>2)</b></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Auf das Kontokorrentverhältnis zwischen der Klägerin und der (Haupt-) Schuldnerin ... war § 367 BGB jedoch nicht (auch nicht entsprechend) anwendbar. Denn die Anwendbarkeit des § 367 BGB widerspräche dem der Vereinfachung und Praktikabilität dienenden Grundsatz der Gleichwertigkeit aller der Ansprüche, die nach den das Kontokorrentverhältnis betreffenden Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger und (Haupt-) Schuldner kontokorrentfähig und kontokorrentpflichtig sind. Entgegen HGB-RGRK-Canaris (3. Auflage, Anm. 74 zu § 355 HGB) bedeutet diese Gleichwertigkeit der ins Kontokorrent aufzunehmenden Ansprüche keineswegs, daß dann etwa unverbindliche Forderungen genauso wie verbindliche zu behandeln seien; unverbindliche Forderungen gehören vielmehr grundsätzlich überhaupt nicht ins Kontokorrent; im Falle ihrer gleichwohl erfolgten Einstellung in das Kontokorrent kommen entsprechende Einwendungen gegen den anerkannten Saldo in Betracht (vgl. RG JW 36, 2072 m.w.N.). Im übrigen kommt es nicht darauf an, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfange ansonsten noch auf die Rechtsnatur der einzelnen Verrechnungsgosten zurückgegriffen werden kann. § 367 BGB ist jedenfalls nicht anwendbar (ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs und herrschende Meinung: vgl. BGH WM 1959 S. 472; BGH WM 1961, 1046; vgl. ferner die Zitate aus Rechtsprechung und Lehre bei HGB-RGRK-Canaris, a.a.O., Anm. 74 zu § 355 HGB). Der abweichenden Auffassung (HGB-RGRK-Canaris, wie zuvor; Schlegelberger-Hefermehl, HGB, 5. Aufl., Rndziff. 55-56 zu § 355 HGB; Flessa, NJW 55, 1903) vermag der Senat nicht zu folgen. - im übrigen kommt es hierauf wegen der besonderen Ausgestaltung des zwischen den Parteien geschlossenen Bürgschaftsvertrages nicht einmal an. Dies folgt aus dem in der vom Beklagten unterzeichneten schriftlichen Bürgschaftserklärung enthaltenen Passus, daß die Bank befugt sei, Tilgungen zunächst auf den den Bürgschaftsbetrag übersteigenden Teil ihrer Forderungen zu verrechnen. Der Bürgschaftsbetrag setzt sich nämlich nach dem Wortlaut der Bürgschaftsurkunde zusammen aus der Hauptsumme bis zu 20.000,- DM zuzüglich der bei der Saldierung aufgelaufenen und dem Kapital zugeschlagenen Zinsen, Provisionen und Kosten. Die Klägerin war danach berechtigt, die Tilgungen zunächst auf die über die vorgenannten Posten hinausgehenden, nicht von der Bürgschaft abgesicherten Schulden zu verrechnen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><b>3)</b></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte hat danach über den dar Klägerin durch das angefochtene Urteil bereits zuerkannten Betrag hinaus für weitere 30.851,49 DM gegenüber der Klägerin als Bürge einzustehen. Wie das in erster Instanz eingeholte Sachverständigengutachten ergeben hat, betrug die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten (bei Nichtanwendung des § 367 BGB) am 24.3.1976 43.255,93 DM. Hiervon abzusetzen ist zunächst einmal der der Klägerin durch das angefochtene Urteil bereits rechtskräftig zuerkannte Betrag von 8.756,44 DM (auf den nebst 9,5 % Zinsen seit dem 24.3.1976 bereits am 5.4.1976 gezahlte 400,- DM und am 18.5.1976 gezahlte 2.500,- DM anzurechnen sind). Nach Abzug dieser 8.756,44 DM verbleiben von den 43.255,93 DM noch restliche 34.499,49 DM. Hiervon sind außerdem abzusetzen die zwischenzeitlich erfolgten 9 weiteren monatlichen Zahlungen von je 400,- DM = 3.600,- DM und eine unstreitige Gutschrift von 48,- DM, insgesamt also 3.648,- DM, so daß von den 34.499,49 DM noch 30.851,49 DM zugunsten der Klägerin verbleiben.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Der geltend gemachte Zinsanspruch ist nur in Höhe von 6 % seit dem 24.3.1976 gerechtfertigt. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, daß sie die Hauptschuldnerin mit einem höheren Zinssatz zu recht belastet.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 a, 92 Abs. 2 (1. Alternative) ZPO. Die Zuvielforderung der Klägerin war unverhältnismäßig gering und hat keine zusätzlichen Kosten veranlaßt. Zu einer Kostenauferlegung auf die Klägerin trotzt ihres Obsiegens gemäß § 92 Abs. 2 (2. Alternative) ZPO bestand jedoch entgegen der Auffassung des Landgerichts keine Veranlassung. Es handelte sich weder um die Festsetzung eines Betrages durch richterliches Ermessen, noch um die Ausmittelung eines Anspruchs durch Sachverständige im Sinne dieser Vorschrift, sondern um die Feststellung und Zuerkennung eines von vornherein feststehenden Anspruchs. Die Feststellung der Forderung der Klägerin hängt auch nicht mehr von gegenseitiger Abrechnung im Verhältnis der Parteien ab; § 92 Abs. 2 ZPO ist als Ausnahmebestimmung eng auszulegen; Gegenforderungen des Beklagten standen nicht zur Abrechnung.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Zu einer Zulassung der Revision wegen der Frage der Anwendbarkeit des § 367 BGB auf die Kontokorrentbeziehungen der Parteien sah der Senat keine Veranlassung. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechnung des Bundesgerichtshofes nicht ab. Außerdem kommt es für die Entscheidung letztlich auf diese Frage nicht einmal an, weil die Anwendung des § 367 BGB auf die Berechnung des Umfanges der Bürgschaftsverpflichtung durch den Bürgschaftsvertrag sogar ausgeschlossen worden ist.</p>
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316,042 | lagd-1977-06-23-3-tabv-877 | {
"id": 793,
"name": "Landesarbeitsgericht Düsseldorf",
"slug": "lagd",
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"jurisdiction": "Arbeitsgerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": null
} | 3 TaBV 8/77 | 1977-06-23T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:31 | 2019-03-27T09:41:34 | Beschluss | ECLI:DE:LAGD:1977:0623.3TABV8.77.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>I.) Das Verfahren wird eingestellt, soweit es den Beteiligten F  M  betrifft, nachdem die Beteiligten übereinstimmend</p>
<p>die Erledigung des Verfahrens erklärt haben.</p>
<p>II.) Die Beschwerde der Beteiligten A   F  gegen den am 27.1.1977 verkündeten Beschluß des Arbeitsgerichts Köln - 11 BV 63/76 -</p>
<p>wird zurückgewiesen •</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><span style="text-decoration:underline">G r ü n d e</span></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Gegenstand des vorliegenden Beschlußverfahrens <em>ist</em> der An-trag der Mehrheit des Antragstellers auf Ausschluß der An-tragsgegner aus dem Betriebsrat.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Der antragstellende Betriebsrat besteht aus 35 Mitgliedern.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks"><em>Bei</em> der Betriebsratswahl 1975 wurden gewählt:</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">aus einer freien Liste der außerhalb</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">              der IG Metall kandidierenden Arbeiter               7</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">              Angestelltenvertreter der DAG               4</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">              Arbeiter aus der „Roten Liste“              2</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><em>Die</em> übrigen Betriebsratsmitglieder wurden aus einer vonIG Metall-Mitgliedern gebildeten Liste gewählt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><em>Die</em> Antragsgegner sind die beiden aus der „Roten Liste“gewählten Betriebsratsmitglieder.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller hat seinen Ausschlußantrag wie folgtbegründet:</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><em>Seit</em> Beginn der Amtsperiode des seit 1975 amtierenden Be-triebsrates habe es sich gezeigt, daß die Antragsgegner</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">- 3 -</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">zu einer sachlichen Arbeit im Betriebsrat nicht bereit ge-</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">wesen seien. Sie hätten es vorgezogen, die Mehrheit der Mitglieder des Betriebsrates zu verunglimpfen und ohne sachlichen Hintergrund gegen sie zu polemisieren. Dabei hättensie auch vor Verleumdungen einzelner Betriebsratsmitglieder nicht zurückgeschreckt. Sie hätten es immer wieder versucht, eindeutig parteipolitisch (kommunistisch) motivierte Angriffe gegen Mitglieder des Betriebsrates/gegen die Mehrheit des Betriebsrates sowie gegen die Geschäftsleitung der beteiligten Firma zu unternehmen. Das sei vor allem auch gegenüber der Belegschaft oder Teilen der Belegschaft</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">geschehen. Ihre Haltung sei insbesondere in zwei Redebeiträgen im November 1975 zu Tage getreten, aus denen sich ergebe, daß die Antragsgegner an einer sachbezogenen Zusammenarbeit innerhalb des Betriebsrates kein Interesse</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">hätten. Durch ihr agitatorisches Verhalten werde eine ordnungsgemäße Arbeit des Betriebsrates behindert. Das unbedingt erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Wählern</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">und Gewählten werde vergiftet, <strong>vor</strong> allem, da die von den Antragsgegnern vorgebrachten Behauptungen und Unterstellungen über die Betriebsratsmehrheit völlig haltlos und aus der Luft gegriffen seien. Bei diesem Verhalten sehe sich</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">der Betriebsrat in seiner überwiegenden Mehrheit nicht mehr in der Lage, seine ihm nach dem BetrVG obliegenden gesetzlichen Pflichten unter Beteiligung der Antragsgegner ordnungsgemäß zu erfüllen.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Der von ihm mit Mehrheit gefaßte Ausschlußantrag sei</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">deswegen begründet, weil die Antragsgegner in gröblicher Weise ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten <em>im</em> Sinne des    § 23 Abs. 1 BetrVG verletzt haben. Dabei handele</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">es sich ganz offensichtlich um ein rechtswidriges Verhalten. <em>Die</em> Äußerungen der Antragsgegner über andere Betriebsratsmitglieder enthielten gehässige Diffamierungen, die</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">nicht zu überbieten seien. <em>Sie</em> seien darüber hinaus - <em>wie</em></p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">im übrigen ständig während der bisherigen Dauer der Amtsperiode - eine extrem politische Propaganda. Die auf der Betriebsversammlung <em>im</em> November gefallenen Äußerungen hätten zudem den Betriebsfrieden erheblich gestört. Aus den Ausführungen der Antragsgegner lasse sich mit nicht zu überbietender Deutlichkeit entnehmen, daß sie die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung grundsätzlich ablehnten und ihre</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Arbeit hierin nur in dem Sinne verstehen, die Arbeit der Betriebsverfassungsorgane zu behindern. Das werde insbesondere in ihrer Aufforderung an die Arbeitnehmerschaft deutlich, sich unter Umgehung der betriebsverfassungsrechtlichen</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Institutionen zu organisieren. Eine konstruktive Zusammen-</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">arbeit mit der Betriebsratsmehrheit lehnten die Antragsgegner grundsätzlich ab. Aus all diesen Gründen sei der Ausschlußantrag vollauf gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">die Betriebsratsmitglieder M  und</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">              <span style="text-decoration:underline">F  </span> aus dem Betriebsrat auszuschließen.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegner haben die</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Zurückweisung des Antrages erbeten.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Sie haben bestritten, daß eine den Ausschluß nach § 23 BetrVG tragende grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten durch sie vorliege. Soweit der Antragsteller ihnen vorwerfe, sie verunglimpften die überwiegende Mehrheit der Betriebsratsmitglieder und polemisierten ohne sachlichen Hintergrund, handele es sich um unsubstantiierte, verallgemeinernde Wertungen, die eines Beweises nicht zugänglich seien. Wenn den Antragsgegnern ihre Beiträge auf Betriebsversammlungen im November 1975 zum Vorwurf gemacht würden, so seien diese Redebeiträge auf diesen Betriebsversammlungen</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">sowohl durch den Betriebsratsvorsitzenden <strong>B   als auch</strong></p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">durch den 2. Bevollmächtigten der IG Metall, L   <strong>,</strong> aus-</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">gelöst worden. Diese hätten versucht, in massiver Weise gegen die Antragsgegner auf diesen Betriebsversammlungen</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Stimmung zu machen. So habe B</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">ihnen vorgeworfen, sie</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">wollten mit Gewalt die freiheitlich-demokratische Grund-</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">ordnung gegen den Willen der Arbeiter stürzen. L   habe</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">auf die Antragsgegner,bezogene Äußerungen gemacht und sinngemäß ausgeführt, die „Chaoten“ hätten nach F   jetzt K   zum Schwerpunkt ihrer Arbeit gemacht und wollten dort ihr politisches Süppchen kochen. Es sei eine Masche dieser Leute, junge, attraktive Frauen aufs Podium zu schicken und sie für ihre Ziele zu benutzen.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Mit diesen teils verdeckten, teils offenen Angriffen auf die Antragsgegner hätten B   und L   gegen die Antragsgegner Stimmung zu machen versucht. Aus ihren Aus-</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">              führungen sei sichtbar geworden, daß sowohl B   als</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">auch L   in bezug auf die Antragsgegner in keiner Weise</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">politische Enthaltsamkeit an den Tag legten, sondern ganz offen einen Konfrontationskurs suchten. Daß dieses Vorgehen der beiden nicht vom Wunsch getragen gewesen sei, eine Zusammenarbeit mit ihnen im Betriebsrat zu fördern, liege auf der Hand. Im übrigen werde aber von ihnen bestritten, daß sie die Arbeit des Betriebsrates behindern oder negieren wollten. Der Vortrag des Antragstellers reiche in keiner Weise aus, eine grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten durch <em>sie</em> im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG anzunehmen.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Nach Anhörung der Beteiligten hat das Arbeitsgericht am 27.1.1977 folgenden Beschluß verkündet:</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Die Betriebsräte F   und M   und A   F   werden aus dem Betriebsrat der Firma K    ausgeschlossen. Verfahrenswert: 8.000,-- DM.</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Wegen des Inhaltes dieses Beschlusses wird auf Blatt 105- 108 der Akten verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">Gegen den am 7.3.1977 zugestellten Beschluß haben die Antrag gegner durch ihren Anwalt am 21.3.1977 Beschwerde eingelegt:</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">die gleichzeitig begründet wurde.</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegner rügen, daß das Arbeitsgericht den unbestimmten Rechtsbegriff in § 23 Abs. 1 BetrVG verkannt habe, wonach ein Betriebsratsmitglied nur wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden könne.</p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Das Arbeitsgericht habe diesen unbestimmten Rechtsbegriff wie folgt auszufüllen versucht:</p>
<span class="absatzRechts">53</span><p class="absatzLinks">Hartnäckige Verfolgung weitgesteckter politischer (kommunistischer) und damit sachfremder Ziele, für die jedoch der Betriebsrat nicht berufen sei. Dieser sei vielmehr gehalten, in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber sachgerechte realisierbare Lösungen zu finden.</p>
<span class="absatzRechts">54</span><p class="absatzLinks">Diffamierung des (politischen) Gegners, insbesondere redlich handelnder Betriebsratsmitglieder.</p>
<span class="absatzRechts">55</span><p class="absatzLinks">Mit dieser Argumentation sei aber eine Verletzung gesetzlicher Vorschriften, wie sie § 23 Abs. 1 BetrVG für den Ausschlußantrag vorsehen, nicht zu rechtfertigen. Das Arbeitsgericht habe es erkennbar unterlassen, die gesetzlicher Vorschriften darzulegen, gegen die die Antragsgegner verstoßen hätten. Ein Ausschluß der Antragsgegner aus dem Betriebsrat könne überhaupt nur in Frage kommen, wenn sie sich einer Verletzung ihrer Amtspflichten schuldig gemacht hätten. Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 BetrVG habe sich bewußt damit auf die Kontrolle solcher Tätigkeiten be-</p>
<span class="absatzRechts">56</span><p class="absatzLinks">"'"'</p>
<span class="absatzRechts">57</span><p class="absatzLinks">schränkt, die ein Mitglied des Betriebsrates gerade in dieser spezifischen Eigenschaft ausübe. Dem könne nicht entgegengehalten werden, daß <em>ein</em> einmal gewähltes Betriebsratsmitglied auch außerhalb seiner eigentlichen Betriebsratstätigkeit einem betriebsverfassungsrechtlichen Kodex unterworfen sei, der seine Rechte im Verhältnis zu den übrigen Arbeitnehmern einschränke. Auch ein auf einer Betriebsversammlung sprechendes Betriebsratsmitglied habe das Grundrecht der freien Meinungsäußerung des Art. 5 Abs. 1 GG, das jedem Arbeitnehmer zustände. Äußerungen der Antragsteller auf einer Betriebsversammlung könnten daher überhaupt nicht einen Ausschlußantrag rechtfertigen. Im übrigen werde nach wie vor bestritten und könne auch durch die Anhörung des</p>
<span class="absatzRechts">58</span><p class="absatzLinks">Betriebsratsvorsitzenden B   als „Zeugen“ nicht be-</p>
<span class="absatzRechts">59</span><p class="absatzLinks">wiesen werden, daß die Antragsgegner Gegner im Betriebsrat als „Arbeiterverräter, Kapitalistenknechte und korrupt“</p>
<span class="absatzRechts">60</span><p class="absatzLinks">bezeichnet hätten. B    sei nämlich zu Unrecht als Zeu-</p>
<span class="absatzRechts">61</span><p class="absatzLinks">ge vernommen worden, er hätte allenfalls als Partei vernommen werden können. Aber auch dann müsse seine Aussage als</p>
<span class="absatzRechts">62</span><p class="absatzLinks">Parteiaussage gewürdigt werden. Im übrigen sei ein Ausschlußantrag ein untaugliches Mittel, sich einer nicht genehmen Minderheit im Betriebsrat zu entledigen.</p>
<span class="absatzRechts">63</span><p class="absatzLinks"><em>Die</em> Antragsgegner beantragen</p>
<span class="absatzRechts">64</span><p class="absatzLinks">unter Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses den Ausschlußantrag zurückzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">65</span><p class="absatzLinks">Der Antragsteller beantragt</p>
<span class="absatzRechts">66</span><p class="absatzLinks">Zurückweisung der Beschwerde</p>
<span class="absatzRechts">67</span><p class="absatzLinks">Er bleibt dabei, daß die Angriffe der Antragsgegner eine Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses nicht rechtfertigen könnten. Zutreffend habe das Arbeitsgericht das Verhalten der Antragsgegner als einen groben Verstoß gegen ihre gesetzlichen Pflichten nach § 23 Abs. 1 BetrVG angesehen.</p>
<span class="absatzRechts">68</span><p class="absatzLinks">Hinsichtlich der Anhörung der Beteiligten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16.6.1977 BI. 157 d.A. verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">69</span><p class="absatzLinks">Wegen des weiteren Vortrages der Beteilgten wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseis gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">70</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">71</span><p class="absatzLinks">Die statthafte ( § 87 Abs. 1 ArbGG ), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde ( § 89 ArbGG ) konnte keinen Erfolg haben.</p>
<span class="absatzRechts">72</span><p class="absatzLinks">1. Soweit sich der Ausschlußantrag gegen den Antragsgegner</p>
<span class="absatzRechts">73</span><p class="absatzLinks">              F   M   richtet, war das Verfahren einzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">74</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegner F   M   ist mit Zustimmung des An-</p>
<span class="absatzRechts">75</span><p class="absatzLinks">tragstellers am 13.3.1976 von der beteiligten Arbeitgebe-</p>
<span class="absatzRechts">76</span><p class="absatzLinks">rin fristlos entlassen worden. M   hat gegen diese frist-</p>
<span class="absatzRechts">77</span><p class="absatzLinks">lose Kündigung vom 13.3.1976 Klage erhoben, ist damit aber abgewiesen worden. Das Berufungsurteil im Verfahren M   ./. K  ist in der Sache 19 (13) Sa 464/76 am 13.4.1977 verkündet worden. Da der Streitwert in diesem Rechtsstreit die Revisionsgrenze des § 72 ArbGG nicht erreichte, das Landesarbeitsgericht die Revision im Urteil nicht zugelassen hat, ist dieser Kündigungsstreit -vorbehaltlich einer Divergenzrevision nach § 72 Abs. 1 S. 2 ArbGG- abgeschlossen. Es steht damit fest, daß das Arbeitsverhältnis des Antragsgegners M   zur Firma K   mit Zugang der fristlosen Kündigung am 13.3.1976 sein Ende fand. Dann endete damit auch das Betriebsratsamt des Antragsgegners M</p>
<span class="absatzRechts">78</span><p class="absatzLinks">( § 24 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ), so daß das hier noch anhängige Ausschlußverfahren damit seine Erledigung gefunden hat. Das Verfahren gegen den Antragsgegner M   war daher einzustellen.</p>
<span class="absatzRechts">79</span><p class="absatzLinks">2. Dagegen war die Beschwerde der Antragsgegnerin A</p>
<span class="absatzRechts">80</span><p class="absatzLinks">F   gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts nach dem Ergebnis der Anhörung der Beteiligten vor dem Beschwerdegericht als unbegründet zurückzuweisen. Der Ausschluß der</p>
<span class="absatzRechts">81</span><p class="absatzLinks">              Antragsgegnerin F   aus dem Betriebsrat ist durch den</p>
<span class="absatzRechts">82</span><p class="absatzLinks">angefochtenen Beschluß des Arbeitsgerichts zu Recht erfolgt.</p>
<span class="absatzRechts">83</span><p class="absatzLinks">a) Die Antragsgegnerin hat in ihrer Anhörung vor dem</p>
<span class="absatzRechts">84</span><p class="absatzLinks">Beschwerdegericht die Vorwürfe gegen die Arbeitsgerichtsbarkeit wiederholt, wie sie auch in der Juli- Ausgabe des</p>
<span class="absatzRechts">85</span><p class="absatzLinks">„Schwungrades“ (BI. 41.d.A.) vorgetragen werden. Sie gehen dahin, daß die Arbeitsgerichte „Klassengerichte“ seien und in ihrer Besetzung nur den „Interessen der Kapitalistenklasse“ dienten.</p>
<span class="absatzRechts">86</span><p class="absatzLinks">Es kann und darf nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts sein, sich mit dieser Auffassung der Antragsgegnerin auseinanderzusetzen. Ihre Darstellungen und ihre Behauptungen müssen jedoch <em>im</em> Interesse einer geordneten Rechtsprechung in einem demokratischen Staatswesen zurückgewiesen werden. <em>Sie</em> entbehren jeder Grundlage. Davon könnte sich die Antragsgegnerin, wenn sie nur wollte, objektiv durch eine Durchsicht der Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen überzeugen.</p>
<span class="absatzRechts">87</span><p class="absatzLinks">b) Die Antragsgegnerin irrt, wenn sie annimmt, sie werde wegen ihrer politischen Überzeugung aus dem Betriebsrat ausgeschlossen. Das Beschwerdegericht stimmt ausdrücklich der auch vom Landesarbeitsgericht Hamm in seinem Beschluß 8 Ta-BV 21/75 vom 13.11.1975 vertretenen Meinung zu, daß</p>
<span class="absatzRechts">88</span><p class="absatzLinks">" politische Gegnerschaft keinen Ausschließungsgrund im Sinne des § 23 BetrVG darstelle " (BI. 24 des genannten Beschlusses -Bl.155 R.d.A.). Das Gericht geht über diese Feststellung hinaus: Weltanschauliche Auffassungen allein, sie mögen ihren Grund haben, wo auch immer, rechtfertigen</p>
<span class="absatzRechts">89</span><p class="absatzLinks">in keinem Fall einen Ausschluß aus einem Betriebsrat.</p>
<span class="absatzRechts">90</span><p class="absatzLinks">Wenn sie allerdings Ursache dafür sind, daß wichtige Pflichten aus dem frei gewählten und übernommenen Betriebsratsamt in rechtswidriger Weise verletzt werden, so müßen</p>
<span class="absatzRechts">91</span><p class="absatzLinks">diese Pflichtverletzungen unter dem Gesichtspunkt des § 23 BetrVG geprüft werden.</p>
<span class="absatzRechts">92</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin hat demnach einen Anspruch darauf, daß ihre Tätigkeit als Betriebsratsmitglied und die Durchführung ihrer Betriebsratspflichten ausschließlich an den Maßstäben des § 23 BetrVG gemessen wird. Sie wird nicht anders behandelt, als jedes andere Betriebsratsmitglied, um dessen Ausschluß es geht.</p>
<span class="absatzRechts">93</span><p class="absatzLinks">Das Ausschlußverfahren nach § 23 BetrVG ist ein untaugliches Mittel zur „Disziplinierung“ politisch Unerwünschter Betriebsratsmitglieder. Die Antragstellerin irrt daher auch wenn sie annimmt, ein Gericht würde sich dazu hergeben, die Interessen der Mehrheit eines Betriebsrates dadurch zu besorgen, daß es unbotmäßige oder unerwünschte Betriebsratsmitglieder durch Ausschluß entfernt.</p>
<span class="absatzRechts">94</span><p class="absatzLinks">Diese Vorbemerkungen erscheinen deswegen unerläßlich, weil die Antragsgegnerin bei ihrer ausführlichen Anhörung Thesen dieser Art besonders herausstellte.</p>
<span class="absatzRechts">95</span><p class="absatzLinks">c) Der Ausschlußantrag der Betriebsratsmehrheit mußte in</p>
<span class="absatzRechts">96</span><p class="absatzLinks">Übereinstimmung mit der Auffassung des Arbeitsgerichts des-wegen Erfolg haben, weil die Antragsgegnerin durch ihr erwiesenes Verhalten ihre Pflichten als Betriebsratsmitglied grob verletzt hat.</p>
<span class="absatzRechts">97</span><p class="absatzLinks">Für diese Entscheidung ist es unerheblich, daß es dem Betriebsrat in seiner Mehrheit nicht zuzumuten wäre, mit der Antragsgegnerin zusammenzuarbeiten ( BAG AP Nr. 8 zu § 23 BetrVG 1952). Alle Betriebsratsmitglieder haben das gleiche, durch die Betriebsratswahl legitimierte Mandat.</p>
<span class="absatzRechts">98</span><p class="absatzLinks">Aber: Die Betriebsratsmitglieder haben mit der Wahl in dieses Amt auch die Aufgaben zu erfüllen, die ihnen das Betriebsverfassungsgesetz zuweist. Sie dürfen in keinen Fall Grundpflichten des Betriebsverfassungsgesetzes, auch wenn sie nicht ausdrücklich als gesetzliche Pflichten aufgezählt sind, verletzen. Sie müssen sich auch gefallen lassen, daß ihre Amtsausübung an ihrem Verhalten im Rahmen des Betriebsratskollegiums gemessen wird; denn sie üben ihr Amt innerhalb dieses Kollegiums aus. Daraus folgt eine besondere Pflicht zur Rücksichtnahme und der Achtung der anderen Betriebsratsmitglieder. Das gilt -worauf Dietz-Richardi, BetrVG 5. Auflage, § 23 RN. 5 ebenso wie Galperin-Löwisch, BetrVG, 5. Auflage Band I § 23 RN. 9 mit Nachdruck hinweisen- vor allem in den Beziehungen der Betriebsratsmitglieder untereinander, die vom Grundsatz der Fairneß getragen sein müssen.</p>
<span class="absatzRechts">99</span><p class="absatzLinks">Der Antragsgegnerin ist mehrfach eine Verletzung gesetz-licher Pflichten im Sinne des § 23 BetrVG vorzuwerfen.</p>
<span class="absatzRechts">100</span><p class="absatzLinks">aa) Die Antragsgegnerin hat mit ihrer Rede vor der Betriebsversammlung vom 25.11.1976 in eindeutiger Weise er-</p>
<span class="absatzRechts">101</span><p class="absatzLinks">kennen lassen, daß sie sich als Betriebsratsmitglied an die Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes nicht zu halten gedenkt. Den Inhalt ihrer Rede hat sie ernsthaft nicht in Abrede gestellt, sie hat bei ihrer Anhörung vor dem Beschwerdegericht diesen Inhalt ihrer Ausführungen in den entscheidenden Punkten ausdrücklich bekräftigt.</p>
<span class="absatzRechts">102</span><p class="absatzLinks">Sie hat in ihrer Rede als Betriebsratsmitglied erklärt:</p>
<span class="absatzRechts">103</span><p class="absatzLinks">„Eine Einrichtung unsere Interessen zu vertreten,</p>
<span class="absatzRechts">104</span><p class="absatzLinks">die stellen sie (= die Betriebsräte) nur dem Namen nach dar. In Wirklichkeit haben sich die Kapitalisten eine Einrichtung geschaffen, um unsere Kämpfe abzuwürgen und in für sie ungefährliche Bahnen zu lenken."</p>
<span class="absatzRechts">105</span><p class="absatzLinks">"Wenn im Betrieb irgend etwas los ist, die Kollegen sich zusammenschließen für bestimmte Forderungen, dann soll der Betriebsrat hingehen und sagen, es ist gut Kollegen, ihr könnt ruhig wieder an eure Arbeit gehen, wir regeln das für euch. Und dann regeln sie mit den Kapitalisten wie man am besten wieder Ruhe unter die Kollegen bringt. Daß sie ja nicht selber für ihre Interessen kämpfen. Darum verbreiten sie doch schon vorher immer dieselbe Masche, du kriegst sie doch nicht alle unter einen Hut, es hat keinen</p>
<span class="absatzRechts">106</span><p class="absatzLinks">Zweck. Das ist genau der Punkt, warum die Rote</p>
<span class="absatzRechts">107</span><p class="absatzLinks">Liste so bekämpft wird. Nicht weil sie Angst vor</p>
<span class="absatzRechts">108</span><p class="absatzLinks">uns zwei Mann haben, das wäre ja lächerlich, aber weil wir unsere Betriebsratsarbeit genau entgegengesetzt anfassen, weil wir klar erklärt haben, Kollegen wir können nichts stellvertretend für euch machenindem wir vielleicht anders verhandeln oder so was , unsere Interessen durchzusetzen, dafür gibt es nur einen Weg und der ist, wenn ihr die Sache selber in die Hand nehmt. Wenn ihr euch zusammenschließt und selber die richtigen Maßnahmen überlegt. Was wir als Rote Betriebsräte dabei machen können, ist, euch darin unterstützen. Das ist auch ihre Angst, daß</p>
<span class="absatzRechts">109</span><p class="absatzLinks">600 Kollegen mit der Wahl unserer Liste erklärt haben daß sie selber kämpfen wollen. Das bedeutet auch die Trennungslinie im Betriebsrat. Was meint ihr, warum den Kapitalisten die Betriebsräte von der IG Metall so viel wert sind, daß sie alle möglichen Vergünstigungen bekommen. Das Beispiel der ehemaligen Betriebsräte F und W   aus K   sagt doch alles. Man sollte nicht meinen, daß die nun wieder wirklich arbeiten und sich die Finger dreckig zu machen brauchen, nein, sie sind jetzt Betriebsratsangestellte geworden. Sie haben sich halt gut bewährt, sie stehen auf Abruf für den Fall, daß sie einen Grund finden uns rauszuschmeißen.“</p>
<span class="absatzRechts">110</span><p class="absatzLinks">„Wie sieht es damit aus, daß wir die Arbeit des Betriebsrates behindern. Ich glaube schon, daß wir</p>
<span class="absatzRechts">111</span><p class="absatzLinks">ihre Arbeit behindern. Ich kann mir gut vorstellen, daß es dort vorher anders zugegangen ist. Da brauchte man sich nicht auch noch im Betriebsrat zu verstekken, irgend etwas zu erfinden warum so ein Beschluß wohl noch im Interesse der Arbeiter sein soll. Da brauchte man auch nicht so viele Sachen rauszuhalten aus dem Betriebsrat, damit die Roten Betriebsräte</p>
<span class="absatzRechts">112</span><p class="absatzLinks">es gar nicht erst erfahren, oder es wohlmöglich noch in Flugblättern steht, wovor sie eine höllische Angst haben. Da brauchten sie auch nicht so oft in die Betriebe zu gehen, damit es nicht mehr heißt, sie würden nur in den Büros auf ihren Sesseln hocken. Also ich finde das ist gar nicht so schlecht, wenn die in ihrer Arbeit, die Kollegen hinters Licht zu führen, behindert werden.“</p>
<span class="absatzRechts">113</span><p class="absatzLinks"><em>„</em>Nun zu unseren Fehlern in der Arbeit. Ein Fehler war, daß wir selber nicht klar genug gesehen haben, daß dieser Bund von Kapital, Betriebsrat und Gewerkschafts apparat nur ein Ziel hat, uns möglich schnell wieder raus zu haben aus dem Betriebsrat, und natürlich auch aus dem Betrieb.“</p>
<span class="absatzRechts">114</span><p class="absatzLinks">"Ich meine, daß das die Hauptsache ist, die wir noch viel mehr lernen müssen, uns wirklich auf euch zu stützen und zusammenzuschließen. Uns gegenseitig zu helfen in den Kämpfen die vor uns stehen. Denn die Angriffe der Kapitalisten, des Staates auf unsere Lebenslage die werden immer größer. Da können wir auf den Gewerkschaftsapparat und diese Herren vom Betriebsrat ganz bestimmt nicht zaählen. Im Gegenteil, die werden alles daran setzen unseren Fehler Kampf zu verhindern."</p>
<span class="absatzRechts">115</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin hat mit diesem Redebeitrag auf der Betriebsversammlung vor der Belegschaft behauptet, der Betriebsrat sei eine von „Kapitalisten geschaffene Einrichtung, die geschaffen sei, um unsere Kämpfe abzuwürgen."</p>
<span class="absatzRechts">116</span><p class="absatzLinks">Damit stellt die Antragsgegnerin den Sinn und die Aufgabevon Betriebsräten und damit ihre eigene Aufgabe als Mitglied</p>
<span class="absatzRechts">117</span><p class="absatzLinks">eines Betriebsrates überhaupt in Frage. Betriebsräte und ihre Mitglieder werden frei gewählt von der Arbeitnehmerschaft eines Betriebes, gewählt in freier, geheimer und</p>
<span class="absatzRechts">118</span><p class="absatzLinks">unmittelbarer Wahl ( § 14 Abs. 1 BetrVG). Sie werden nicht</p>
<span class="absatzRechts">119</span><p class="absatzLinks">von "Kapitalisten<sup>“</sup> bestellt, sie sind keine von "Kapitalisten<sup>“</sup> geschaffene Einrichtung. Die Antragsgegnerin selbst</p>
<span class="absatzRechts">120</span><p class="absatzLinks">ist nur aufgrund dieser freien, geheimen und unmittelbaren</p>
<span class="absatzRechts">121</span><p class="absatzLinks">Wahl Mitglied des Betriebsrates geworden. Von ihr muß daher</p>
<span class="absatzRechts">122</span><p class="absatzLinks">zuerst verlangt werden, daß sie dieses Amt, dem sie sich</p>
<span class="absatzRechts">123</span><p class="absatzLinks">aus freien Stücken gestellt hat, nicht als eine von Kapitalisten geschaffene Einrichtung bezeichnet, sondern als</p>
<span class="absatzRechts">124</span><p class="absatzLinks">eine demokratische Repräsentation der Arbeitnehmer des Betriebes.</p>
<span class="absatzRechts">125</span><p class="absatzLinks">Sie kann daher auf einer Betriebsversammlung nicht Behauptungen in ihrer Eigenschaft als Betriebsratsmitglied aufstellen, die objektiv nicht haltbar sind. Von einem Betriebsratsmitglied ist aber gerade zu erwarten, daß er die rechtlichen Grundlagen seiner Berufung in dieses Amt nicht</p>
<span class="absatzRechts">126</span><p class="absatzLinks">in einer Form in Zweifel zieht, die seine Tätigkeit in diesem Amt überhaupt ohne tragfähige Grundlage erscheinen</p>
<span class="absatzRechts">127</span><p class="absatzLinks">lassen.</p>
<span class="absatzRechts">128</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus ist die Betriebsversammlung in ihrer vom Gesetzgeber gewollten Form kein Forum, auf dem einzelne Betriebsräte ihre kontroversen Auffassungen über die gesetzliche Regelung der Betriebsverfassung im grundsätzlichen, aber auch ihre unverkennbare und hartnäckige Gegnerschaft zur Mehrheit der Betriebsratsmitglieder im einzelnen in dieser abwertenden, beleidigenden Art vortragen können. Die Betriebsversammlung ist nach dem Willen</p>
<span class="absatzRechts">129</span><p class="absatzLinks">des Gesetzgebers zum Zwecke der Repräsentation und vor allem der Information der Arbeitnehmerschaft durch den Betriebsrat gewollt. Dabei ist der Gegenstand der Informationen an die Belegschaft auf einer Betriebsversammlung durch § 45 BetrVG abgesteckt. Der Aufgabenkreis einer Betriebsversammlung deckt sich mit dem Aufgabenbereich des Betriebsrates. Das bedeutet, daß Angelegenheiten, deren Behandlung die Zuständigkeit des Betriebsrates überschreiten würde, auch auf einer Betriebsversammlung nicht erörtert werden können (BAG AP Nr. 1 zu § 44 BetrVG 1952).</p>
<span class="absatzRechts">130</span><p class="absatzLinks">Ein Betriebsratsmitglied, das auf einer Betriebsversammlung zur Belegschaft spricht, hat sich zuerst an diese Richtlinien, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, zu halten. Es kann nicht, auch nicht unter Berufung auf seine Meinungsfreiheit, die gesetzlichen Grundlagen der Betriebsverfassung angreifen. Das aber hat die Antragsgegnerin mit ihren Äußerungen getan.</p>
<span class="absatzRechts">131</span><p class="absatzLinks">Darüber hinaus bedeutet es einen groben Verstoß gegen die der Antragsgegnerin obliegende Pflicht zur Zusammenarbeit innerhalb des Betriebsrates, wenn sie auf der Betriebsversammlung als Betriebsratsmitglied die anwesenden Arbeitnehmer auffordert, sie „sollten die Sache selbst in die Hand nehmen. Was wir als Rote Betriebsräte dabei machen können ist, euch zu unterstützen." Das, was die Antragsgegnerin als Betriebsrätin fordert, ist gerade die Auflehnung gegen die gesetzte Ordnung der Betriebsverfassung. Sie will eine "Trennungslinie" zwischen der Arbeitnehmerschaft des Betriebes und dem gewählten Betriebsrat ziehen.</p>
<span class="absatzRechts">132</span><p class="absatzLinks">Diese von der Antragsgegnerin auf einer Betriebsversammlung vorgetragenen Auffassungen und ihre Aufforderungen an die Arbeitnehmerschaft, sich vom gewählten Betriebsrat abzuwenden, stellen eine grobe Verletzung ihrer gesetzlichen Pflicht als Betriebsratsmitglied dar. Sie allein würden ihren Ausschluß aus dem Betriebsrat rechtfertigen.</p>
<span class="absatzRechts">133</span><p class="absatzLinks">Die Antragsgegnerin kann sich vor allem nicht darauf berufen, sie habe als „einfache“ Arbeitnehmerin des Betriebes zur versammelten Arbeitnehmerschaft gesprochen. Sie hat ausdrücklich und mehrfach hervorgehoben, daß das ihre Meinung als „Rote Betriebsrätin“ sei. Sie hat schon ihren Redebeitrag damit begonnen, daß sie auf der" Roten Liste" in den Betriebsrat gewählt worden sei und sie den Bericht</p>
<span class="absatzRechts">134</span><p class="absatzLinks">Fortsetzen wolle, den ihr Kollegen F  M  (M   von</p>
<span class="absatzRechts">135</span><p class="absatzLinks">der „Roten Liste“) wegen Wortentzuges nicht zu Ende führen konnte.</p>
<span class="absatzRechts">136</span><p class="absatzLinks">Daneben enthält der Redebeitrag aber auch eine Reihe grober Beleidigungen und ungerechtfertigter Angriffe gegen andere</p>
<span class="absatzRechts">137</span><p class="absatzLinks">Betriebsratsmitglieder. Die Antragsgegnerin wirft ihren Betriebsratskollegen vor, sie ließen sich von den Kapitalisten durch " alle möglichen Vergünstigungen " bestechen, um die Arbeiterinteressen zu verraten. Ehemalige Betriebsräte brauchten daher auch nicht wieder zu arbeiten und sich die Finger dreckig zu machen, sie seien Betriebsratsangestellte geworden. Sie machten den Betriebsratskollegen den Vorwurf, sie hielten bewußt Angelegenheiten aus den Beratungen des Betriebsrates heraus, damit die „Roten Betriensräte " es gar nicht erfahren. Der Betriebsrat in seiner Mehrheit sei darauf aus, die Arbeitnehmerschaft " hinters Licht zu führen". Darüber hinaus habe der „Bund von Kapital, Betriebsrat und Gewerkschaftsapparat nur ein Ziel, uns (= Rote Betriebsräte) möglichst schnell wieder raus aus dem Betriebsrat und natürlich auch aus dem Betrieb“ zu haben.</p>
<span class="absatzRechts">138</span><p class="absatzLinks">Ein unbefangener Dritter, wie ein einfacher Arbeitnehmer, der solche Ausführungen der Antragsgegnerin hört, muß den Eindruck gewinnen, der Betriebsrat der Firma K   bestehe bis auf sie und den anderen " Roten Betriebsrat“ nur aus durch und durch von „Kapitalisten," also von der Firmenleitung bestochenen Mitgliedern, deren einziges Ziel es sei: die von ihm vertretene Arbeitnehmerschaft an die Kapitalisten zu „verkaufen". Dazu sei ihm offenbar <span style="text-decoration:underline">jedes</span> Mittel recht.</p>
<span class="absatzRechts">139</span><p class="absatzLinks">Diese Angriffe gegen die anderen Betriebsratsmitglieder</p>
<span class="absatzRechts">140</span><p class="absatzLinks">sind unhaltbar. Das weiß die Antragsgegnerin. Sie gebraucht demnach in verallgemeinender, böswilliger Form</p>
<span class="absatzRechts">141</span><p class="absatzLinks">diese beleidigenden Äußerungen gegen ihre Kollegen im Betriebsrat. Die Mehrheit des Betriebsrates sieht darin mit Recht eine grobe Verletzung des auch für die Antragsgegnerin geltenden Gebotes der Fairneß. Es kann der Antragsgegnerin zugestanden werden, Mißstände innerhalb des Betriebsratskollegiums konkret zu rügen. Daran ist kein Anstoß zu nehmen. Sie kann aber in keinem Fall in dieser abwertenden Weise, ohne irgend-einen Unterschied in der Person zu machen die Arbeit des Betriebsrates insgesamt herabzuwürdigen.</p>
<span class="absatzRechts">142</span><p class="absatzLinks">Ihr Redebeitrag auf der Betriebsversammlung vom November 1975 ist daher als eine grobe Verletzung ihrer gesetzlichen Pflichten nach § 23 BetrVG anzusehen, der den Ausschlußantrag rechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">143</span><p class="absatzLinks">bb)Im übrigen hat die Anhörung des Betriebsratsvorsitzenden B   in der Sitzung vom 27.1.1977 nur das bestätigt, was die Antragsgegnerin schon in ihrem Redebeitrag auf der Betriebsversammlung hervorhob: „Ich glaube schon, daß wir ihre Arbeit behindern."</p>
<span class="absatzRechts">144</span><p class="absatzLinks"><strong>B   hat</strong> bei seiner Anhörung erklärt, die Antragsgegnerin und ihr Kollege F   M   lehnten eine vernünftige und konstruktive Mitarbeit mit der Mehrheit des Betriebsrates ab. Sie brächten keine sachlichen Vorschläge für die</p>
<span class="absatzRechts">145</span><p class="absatzLinks">Arbeit im Betriebsrat. Ihnen gehe es in erster Linie darum, ihre abweichenden politischen Auffassungen darzulegen. B   betonte, ihre Äußerungen über die übrigen Betriebsratsmitglieder, diese seien Arbeiterverräter, Kapitalistenknechte, korrupt und steckten mit der Geschäftsleitung unter einer Decke, machten eine Zusammenarbeit mit ihnen unmöglich.</p>
<span class="absatzRechts">146</span><p class="absatzLinks">Der Betriebsratsvorsitzende hat damit nur das wiedergegeben, was die Antragsgegnerin schon in ihrem Redebeitrag auf der Betriebsversammlung hervorhob: Ihr geht es bei ihrer Mitgliedschaft im Betriebsrat nicht in erster Linie um die Wahrnehmung der ihr nach dem Betriebsverfassungsgesetz zugewiesenen Aufgaben. Ihr geht es um die Durchsetzung von Zielen, die mit dem Betriebsverfassungsgesetz nicht in Einklang stehen.</p>
<span class="absatzRechts">147</span><p class="absatzLinks">Im Verhältnis zum Betriebsratskollegium, das in seiner Gesamtheit die Arbeitnehmerschaft des Betriebes repräsentiert, stellt diese Verletzung der Pflichten auch auf sachliche Zusammenarbeit innerhalb des Betriebsratskollegiums durch die Antragsgegnerin eine schuldhafte, rechtswidrige und auch grobe Verletzung ihrer gesetzlichen Pflichten als Betriebsratsmitglied dar.</p>
<span class="absatzRechts">148</span><p class="absatzLinks">Aufgrund dieses Gesamtverhaltens der Antragsgegnerin bei der Ausübung ihrer Betriebsratstätigkeit ist nach alledem von groben Verstößen gegen ihre gesetzlichen Pflichten</p>
<span class="absatzRechts">149</span><p class="absatzLinks">im Sinne des § 23 BetrVG auszugehen. Ihr Ausschluß aus dem Betriebsrat ist daher gerechtfertigt.</p>
<span class="absatzRechts">150</span><p class="absatzLinks">Ihre Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluß war daher zurückzuweisen.</p>
|
316,043 | olgham-1977-05-09-15-w-47376 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
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"state": 12,
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} | 15 W 473/76 | 1977-05-09T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:32 | 2019-03-27T09:41:34 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1977:0509.15W473.76.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses ihre erste Beschwerde vom 20. Februar 1976 gegen die Verfügung des Amtsgerichts Tecklenburg vom 3. Oktober 1975 als unzulässig verworfen wird.</p>
<p>Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) wird der angefochtene Beschluß im übrigen aufgehoben.</p>
<p>Das Amtsgericht Tecklenburg wird angewiesen, das am 3. Oktober 1975 erteilte Testamentsvollstreckerzeugnis einzuziehen.</p>
<p>Der Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5.000,- DM festgesetzt.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b>I.</b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">1)</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Erblasserin ... ist am 25. November 1974 verstorben. Sie war die Witwe ihres bereits am 15. April 1955
vorverstorbenen Ehemannes ... . Die Beteiligte zu 1), die Mutter der am 9. Oktober 1959 und am 23. April 1957
geborenen Beteiligten zu 2) und 3), ist das Kind der Erblasserin.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Erblasserin hat ein privatschriftliches Testament vom 17. Januar 1973 hinterlassen, das am 17. Januar 1975
vom Amtsgericht Tecklenburg eröffnet worden ist (IV 3/75) und das so lautet:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks"><i>"Mein letzter Wille!</i></p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks"><i>Für alles was ich hinterlasse, bestimme ich meine Enkel ... und ... zu Erben zu je ein Halb. Sollte einer
dieser Enkel bei meinem Tode nicht mehr leben, so ist der anderen Enkel Allein-Erbe.</i></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks"><i>Meinen Erben untersage ich jede Auseinandersetzung über die zu keinem Nachlaß gehörenden
Grundstücke und über das in den Firmen ... GmbH und ..., Kommanditgesellschaft, bis zur Vollendung des
23. Lebensjahres meines Enkels ..., bei dessen vorzeitigen Ableben bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres meines
Enkels ...</i></p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks"><i>Zur Beachtung dieses Auseinandersetzungsverbotes, ordne ich hinsichtlich der vorgenannten Hinterlassenschaften
Testamentsvollstreckung an.</i></p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks"><i>Als Testamentsvollstrecker berufe ich Herrn Rechtsanwalt ....</i></p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks"><i>Als Ersatztestamentsvollstrecker benenne ich Herrn Dipl.-Kfm. ....</i></p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks"><i>Sollten die vorgenannten Herren das angetragene Amt als Testamentsvollstrecker nicht annehmen, niederlegen, oder
nicht mehr in der Lage sein, dieses Amt weiter auszuüben, so ersuche ich hilfsweise das Nachlaßgericht, eine
im Geschäftsleben besonders erfahrene Person als Testamentsvollstrecker zu bestellen.</i></p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks"><i>In Abweichung von diesem Auseinandersetzungsverbot kann der Testamentsvollstrecker, bei Zustimmung sämtlicher
Erben, eine Auseinandersetzung unter diesen oder eine Abfindung eines einzelnen Erben durchführen, wenn eine solche
Maßnahme im Interesse der Firmen ..., GmbH und ..., Kommanditgesellschaft, geboten erscheint.</i></p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks"><i>Es ist mein ausdrücklicher Wunsch, daß meine Enkel in Eintracht die Firma weiterführen, wobei der
dafür Geeignetste die Geschäftsführung und -vertretung übernehmen sollte.</i></p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks"><i>Der Testamentsvollstrecker ist von den Beschränkungen des §181 BGB ausdrücklich befreit.</i></p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks"><i>Sollte einer meiner Enkel die in diesem Testament getroffenen Anordnungen anzuerkennen nicht bereit sein, so
erhält er lediglich einen Pflichtteil, während der andere Enkel Alleinerbe ist.</i></p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks"><i>Herr ..., ist jetzt bei mir in der Firma als Prokurist und soll nach meinen Ableben die Firma ... als
Geschäftsführer weiterführen, bis er sein Pensionsalter erreicht hat. Herr ... soll sich von Zeit
zu Zeit mit dem Testamentsvollstrecker besprechen, alle wichtigen Dinge sollen nur von Herrn ... und dem
Testamentsvollstrecker gemeinschaftlich, zum Wohle der Firmen und der Enkel beschlossen werden.</i></p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks"><i>Geschrieben am 17./1.1973</i></p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks"><i>Frau ..., geb. ..."</i></p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">2)</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Auf den Antrag des Beteiligten zu 4) vom 22. April 1975 (Urkundenrolle Nr. .../1975 des Notars ... in ... hat das
Amtsgericht Tecklenburg am 3. Oktober 1975 folgendes Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt:</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks"><i>"Der Rechtsanwalt ... wohnhaft in ..., ist zum Testamentsvollstrecker über den Nachlaß der am
25. November 1974 in ... verstorbenen, zuletzt in ..., wohnhaft gewesenen Witwe ..., geb. ..., geboren am ..., ernannt
worden.</i></p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks"><i>Die Erblasserin hat die Testamentsvollstreckung nur angeordnet hinsichtlich der hinterlassenen Grundstücke
sowie hinsichtlich der Firmen ... GmbH und Kommanditgesellschaft."</i></p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Mit Schriftsatz vom 20. Februar 1976 haben die Beteiligten zu 1) bis 3) gegen die Erteilung des
Testamentsvollstreckerzeugnisses mit dem Antrage seiner Einziehung Beschwerde eingelegt. Diese Beschwerde ist vom
Landgericht durch Beschluß vom 8. Juli 1976 zurückgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde
der Beteiligten zu 1) bis 3) vom 26. November 1976 mit dem Antrage, die Einziehung des Testamentsvollstreckerzeugnisses
durch das Nachlaßgericht anzuordnen. Die Beschwerdeführer meinen, das Testamentsvollstreckerzeugnis sei unrichtig,
da es nicht den genauen gegenständlichen Umfang der Testamentsvollstreckung und den Ausschluß der Befugnis zur
Auseinandersetzung enthalte.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks"><b>II.</b></p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">1)</p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die statthafte, in der rechten Form eingelegte weitere Beschwerde ist auch sonst zulässig. Die Berechtigung zur
Einlegung der weiteren Beschwerde bestimmt sich gemäß §29 Abs. 4 FGG nach §20 FGG. Nach der Auffassung
des Senats steht hierbei einem Beschwerdeführer stets ein Beschwerderecht für die Einlegung der weiteren
Beschwerde zu, wenn seine erste Beschwerde - aus welchem Grunde auch immer - ohne Erfolg geblieben ist (OLG Köln,
OLGZ 1971, 94; Jansen, FGG, 2. Aufl., Rz. 8 zu §27 FGG; Keidel/Winkler, FGG, 10. Aufl., Rz. 10 zu §27 FGG).
Daher besteht ein Beschwerderecht auch dann, wenn das Beschwerdegericht eine Beschwerde nach sachlicher Prüfung als
unbegründet zurückgewiesen hat, obwohl es sie als unzulässig hätte verwerfen müssen (BayObLGZ
1961, 200, 202; 1963, 331, 332; KG, FamRZ 1962, 531). Das Landgericht hat die Beschwerde vom 20. Februar 1976
zurückgewiesen und dabei nur die Beteiligte zu 1) als Beschwerdeführerin genannt. Beschwerdeführer dieses
Rechtsmittels waren aber nach dem ausdrücklichen Hinweis in der Beschwerdeschrift die Beteiligten zu 1) bis 3).
Hinsichtlich der vom Landgericht genannten Beschwerdeführerin, der Beteiligten zu 1) hätte jedoch die erste
Beschwerde ohne Sachprüfung wegen fehlender Beschwerdeberechtigung als unzulässig verworfen werden müssen.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">2)</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Nach §20 Abs. 1 FGG steht die Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch die Verfügung beeinträchtigt ist.
Diese Bestimmung gilt auch dann, wenn das Nachlaßgericht die Einziehung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses
ablehnt (Jansen, Rz. 19 zu §34 FGG und Rz. 54 zu §20 FGG). Die Beteiligte zu 1) ist in ihrer Eigenschaft als
Pflichtteilsberechtigte selbst dann nicht in ihren Rechten beeinträchtigt, wenn diese Entscheidung fehlerhaft war.
Das Testamentsvollstreckerzeugnis (§2368 BGB) weist nur die Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers aus. Es ist
ein Zeugnis darüber, daß der darin Genannte wirksam zum Testamentsvollstrecker ernannt ist lind daß keine
weiteren als die in dem Zeugnis angegebenen Beschränkungen oder Erweiterungen seiner Befugnisse bestehen (KG, NJW
1964, 1905; Palandt/Keidel, BGB, 36. Aufl., Anm. 1 zu §2368 BGB). Dieses Zeugnis enthält dagegen keine
Entscheidung über das Pflichtteilsrecht. Der Wegfall dieses Zeugnisses würde keinen unmittelbar tatsächlich
störenden Eingriff in das Recht des Pflichtteilsberechtigten beseitigen. Die Pflichtteilsberechtigte hat lediglich
einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erben (§§2303, 2317 BGB). Dieser Anspruch kann zudem, auch wenn die
Verwaltung des Nachlasses einem Testamentsvollstrecker obliegt, im Gegensatz zu den Ansprüchen sonstiger
Nachlaßgläubiger nur gegen die Erben geltendgemacht werden (§2213 Abs. 1 S. 3 BGB). Die Ablehnung der
Einziehung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses beeinträchtigt nur die Rechte der Antragsberechtigten, also der
Testamentsvollstrecker und der Gläubiger unter den Voraussetzungen der §§792, 896 ZPO, auch wenn das Zeugnis
auf ihren Antrag erteilt worden war; ferner sind beeinträchtigt die Erben, deren Rechtsstellung durch die
Testamentsvollstreckung eine Einschränkung erfährt (BayObLGZ 1956, 377, 379; Jansen, Rz. 56 zu §20 FGG;
Keidel/Winkler, Rz. 48 zu §20 FGG). Wie im Erbscheinsverfahren haben Nachlaßgläubiger ein Beschwerderecht
nur, wenn sie einen Vollstreckungstitel besitzen; das gleiche gilt für Vermächtnisnehmer und
Pflichtteilsberechtigte (OLG Köln, OLGZ 1971, 94; OLG München, JFG 15, 246, 248; Keidel/Winkler, Rz. 39 zu
§20 FGG; Staudinger/Firsching, BGB, 10./11. Aufl., Rz. 87 zu §2353 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Für ein Beschwerderecht ist es nicht ausreichend, daß die Beteiligte zu 1) durch die ablehnende Verfügung
allenfalls in ihren rechtlichen, wirtschaftlichen oder sonstigen Interessen beeinträchtigt ist. So berührt die
Frage, ob eine Testamentsvollstreckung besteht oder nicht, rechtliche Interessen des Pflichtteilsberechtigten. Die
Vermutung der Richtigkeit des Testamentsvollstreckerzeugnisses (§§2368 Abs. 3, 2365 BGB), die widerlegbar ist,
kann die Rechtsverfolgung des Pflichtteilsberechtigten gegen die Erben negativ beeinflussen. Kann auch bei Verwaltung des
Nachlasses durch einen Testamentsvollstrecker der Pflichtteilsanspruch nach §2213 Abs. 1 S. 3 BGB nur gegen die Erben
geltendgemacht werden, so muß der Pflichtteilsberechtigte doch wegen seines Anspruchs gegen die Erben auf Leistung
gegen den Testamentsvollstrecker auf Duldung der Zwangsvollstreckung klagen, wenn er in den vom Testamentsvollstrecker
verwalteten Nachlaß vollstrecken will (§748 Abs. 3 ZPO; KG, NJW 1963, 1553; Palandt/Keidel, Anm. 1 b zu
§2213 BGB). Rechtliche Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind durch die bestehende Testamentsvollstreckung
auch deshalb angesprochen, weil ihm - neben dem Vermächtnisnehmer - gegenüber anderen Nachlaßgläubigern
eine gewisse Sonderstellung zukommt. Denn in der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs, dessen Voraussetzung die Berufung
zur gesetzlichen Erbfolge ohne Vorhandensein der Verfügung von Todes wegen ist, wird in gewissem Sinne die eines
gesetzlichen Erbrechts gesehen (KG, JFG 5, 154, 156; NJW 1963, 1553). Diese Beziehungen besonderer Art zu dem Nachlasse
haben zur Anerkennung eines Antrags- und Beschwerderechtes des Pflichtteilsberechtigten nicht nur bei der Entlassung des
Testamentsvollstreckers (BayObLGZ 21, 205, 207; KG, JFG 5, 154, 156) geführt, sondern auch zur Bejahung eines
Beschwerderechts gegen die Ablehnung der Ernennung eines Testamentsvollstreckers (KG, NJW 1963, 1553). Soweit in diesen
Fällen über §20 Abs. 1 FGG hinaus ein Beschwerderecht nach dem allgemeinen Vorbehalt des §1 FGG aus
der Bezeichnung als "Beteiligter" jener Verfahren im Sinne der §§2202 Abs. 3, 2227 Abs. 1 BGB
abgeleitet worden ist, so rührt das daher, daß unter Beteiligter dieser Verfahren jeder verstanden wird, der
ein rechtliches Interesse an der Testamentsvollstreckung hat (BGH, NJW 1961, 1717). Im vorliegenden Verfahren bleibt es
aber bei der allgemeinen Vorschrift des §20 Abs. 1 FGG, da sie für diesen Verfahrensgegenstand weder durch
andere Bestimmungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit noch durch ein anderes
Reichs- oder Bundesgesetz ausgeschlossen ist.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Durch die Entscheidung des Nachlaßgerichts ist auch kein allgemeines Recht der Beteiligten zu 1) auf
ordnungsmäßige Führung ihrer Angelegenheit verletzt worden, weil durch die Ablehnung der Einziehung des
Testamentsvollstreckerzeugnisses in ihren Rechtskreis nicht eingegriffen worden ist. Sie konnte zwar ohne ein sachliches
Recht beim Nachlaßgericht anregen, das Zeugnis wegen Unrichtigkeit einzuziehen und damit den Anstoß zu einem von
Amts wegen durchzuführenden Einziehungsverfahren geben. Dies gab ihr aber kein Recht, die Anregung mit der Beschwerde
weiter zu verfolgen (Senat, Beschluß vom 5. November 1959 - 15 W 425/59 - = JMBlNRW 1960, 143; OLG Köln, OLGZ
1971, 94, 95). Die formelle Beschwer, die durch die Ablehnung der Anregung gegeben ist, genügt für sich nicht;
hinzutreten muß die materielle Beschwer.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Hat das Landgericht - wie hier hinsichtlich des Rechtsmittels der Beteiligten zu 1) - eine unzulässige Beschwerde
zu Unrecht aus sachlichen Gründen zurückgewiesen, obwohl sie unzulässig war, so ist die weitere Beschwerde
mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß in Abänderung der Beschwerdeentscheidung die Erstbeschwerde als
unzulässig zu verwerfen ist (Beschluß des Senats von 7. April 1972 - 15 W 135/72 - = FamRZ 1972, 520 = OLGZ
1972, 382; Jansen, Rz. 49 zu §27 FGG; Keidel/Winkler, Rz. 67 zu §27 FGG).</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks"><b>III.</b></p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Die zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung
im übrigen, weil diese auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§27 FGG).</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">1)</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat durch seine Entscheidung erkennbar die Beschwerde vom 20. Februar 1976 insgesamt erfassen und als
unbegründet zurückweisen wollen. Dem Wortlaut nach findet sich in Beschlußeingang und -formel allerdings
nur ein Eingehen auf das Rechtsmittel "der Beteiligten zu 1)", obwohl es ausdrücklich von den Beteiligten
zu 1) bis 3) herrührt. Das Landgericht hat die Beteiligte zu 1) aber - teilweise unzutreffend - als gesetzliche
Vertreterin der übrigen Beschwerdeführer aufgeführt. Es ist deshalb die Annahme des Senats gerechtfertigt,
daß die Vorinstanz ein angenommenes Handeln zugleich im eigenen wie im fremden Namen nicht getrennt, sondern irrig
zur Benennung allein der Beteiligten zu 1) als Beschwerdeführerin veranlaßt hat, obwohl sie über das
Rechtsmittel in vollem Umfange - auch hinsichtlich des Kreises der Beschwerdeführer - hat entscheiden wollen. Erst
die Beschwerde der beschwerdebefugten Erben hat den Weg zur Sachentscheidung eröffnet.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">2)</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Diese Sachentscheidung ist rechtsfehlerhaft. Nach §§2368 Abs. 3, 2361 Abs. 1 S. 1 BGB ist ein
Testamentsvollstreckerzeugnis einzuziehen, wenn sich ergibt, daß es unrichtig ist. Ein von Anfang an unrichtiges
Zeugnis liegt jedenfalls dann vor, wenn sein Inhalt hinsichtlich der Angaben, die nach §§2365, 2368 Abs. 3 BGB
an den öffentlichen Glauben teilnehmen, mit dem materiellen Recht nicht übereinstimmt. Die Vermutung des
§2365 BGB geht hier dahin, daß der als Testamentsvollstrecker im Zeugnis Bezeichnete rechtsgültig
Testamentsvollstrecker geworden ist und daß ihm das Amt in seinem regelmäßigen Umfang zusteht oder
daß es nicht durch andere als die angegebenen Anordnungen beschränkt ist; nicht vermutet wird das Fortbestehen
des Amtes über den Wegfall hinaus und auch nicht, daß eine angegebene Beschränkung oder Erweiterung der
Befugnisse tatsächlich besteht (Haegele, Der Testamentsvollstrecker, 5. Aufl., Rz. 415; Palandt/Keidel, Anm. 8 zu
§2368 BGB). In tatsächlicher Hinsicht ist die Unrichtigkeit des Zeugnisses gegeben, wenn die Voraussetzungen
für seine Erteilung, dem Gegenstück der Einziehung, nicht mehr gegeben sind. Wie sich aus §2359 BGB
ergibt, muß daher die Einziehung angeordnet werden, wenn die zur Begründung eines Antrags auf Erteilung eines
Testamentsvollstreckerzeugnisses erforderlichen Tatsachen nicht mehr als festgestellt zu erachten sind. Dabei genügt
es für die Einziehung, wenn die nach §2359 BGB erforderliche Überzeugung des Nachlaßgerichts von der
bezeugten Testamentsvollstreckung über einen bloßen Zweifel hinaus erschüttert ist, weil dann die
Voraussetzungen für die Erteilung des Zeugnisses nicht mehr erfüllt sind. Nach §2361 Abs. 3 BGB kann
das Nachlaßgericht von Amts wegen über die Richtigkeit des Testamentsvollstreckerzeugnisses Ermittlungen
veranstalten. Es ist hierzu nach §12 FGG verpflichtet, wenn eine Anregung auf Einziehung hierzu Anlaß bietet
(BGH, NJW 1963, 1972, 1973 mit Nachweisen). Art und Umfang der Ermittlungen liegen im freien Ermessen des
Nachlaßgerichts. Das Gericht darf eine Entscheidung jedenfalls erst dann treffen, wenn es alle nach den
Umständen erforderlichen Beweise erschöpft hat.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">3)</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Unrichtig ist das Testamentsvollstreckerzeugnis vom 3. Oktober 1975 nach diesen Rechtsgrundsätzen jedenfalls
deshalb, weil es eine von der Erblasserin angeordnete Beschränkung des Testamentsvollstreckers, nämlich den
Ausschluß der Auseinandersetzung, nicht enthält. Zu den nach §2368 Abs. 1 S. 2 BGB in das Zeugnis
aufzunehmenden Angaben zählt auch jede andere von der gesetzlichen Regelung (vgl. §§2203-2206, 2208-2210,
2222-2224 BGB) abweichende Anordnung der Erblasserin (Haegele, Rz. 407; Palandt/Keidel, Anm. 4 zu §2368 BGB;
Soergel/Müller, BGB, 10. Aufl., Rz. 10 zu §2368 BGB). Nach den Inhalt des Zeugnisses von 3. Oktober 1975
wird vermutet, daß den Testamentsvollstrecker die Befugnis zur Auseinandersetzung unter den Miterben nach
§2204 BGB zusteht. Das ist aber nicht der Fall. Das Testament der Erblasserin enthält als wesentlichen
Bestandteil vielmehr ein grundsätzliches Auseinandersetzungsverbot und damit eine Beschränkung nach §2208
BGB. Soweit es ausnahmsweise eine Auseinandersetzung zuläßt, ist diese an die Zustimmung der Miterben und an
die Forderung geknüpft, daß eine solche Maßnahme im Interesse der beiden Firmen geboten erscheint.
Rechtsprechung (BGHZ 40, 115; 56, 275) und Schrifttum (Palandt/Keidel, Anm. 1 a zu §2204 BGB) nehmen mit Rücksicht
auf §137 BGB ohnehin an, daß ein Erbauseinandersetzungsverbot des Erblassers der Wirksamkeit einer im Wege
der Erbauseinandersetzung getroffenen Verfügung über Nachlaßgegenstände dann nicht entgegensteht,
wenn sie vom Testamentsvollstrecker und allen Erben getroffen wird. Die Erblasserin hat keine Auseinandersetzungs-,
sondern eine Verwaltungsvollstreckung nach §2209 BGB angeordnet. Das ist in Zeugnis anzugeben (KG, JW 1938, 2823;
Haegele, Rz. 407). Diese Feststellung im Zeugnis ist für den Rechtsverkehr des Testamentsvollstreckers mit Dritten
auch deshalb erheblich, weil in diesem Falle nach der Vermutung des §2209 S. 2 BGB die Ermächtigung zur
unbeschränkten Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlaß als erteilt anzusehen ist, die sonst
eine besondere Anordnung des Erblassers voraussetzt.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">4)</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Zum notwendigen Inhalt des Zeugnisses gehört ferner eine längere oder kürzere Dauer der Verwaltung
(KG, OLG 40, 158 und KGJ 31, 94, 97; RGZ 83, 348, 352; Erman/Bartholomeyczik/Schlüter, BGB, 6. Aufl., Rz. 3 zu
§2368 BGB; Haegele, Rz. 407; Soergel/Müller, Rz. 10 zu §2368 BGB), soweit der Erblasser eine solche
Zeitbestimmung, die von §2210 BGB abweicht, getroffen hat. Die Erblasserin hat hier verfügt, daß die
Verwaltung bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres des Beteiligten zu 3), bei dessen vorzeitigem Ableben bis zur
Vollendung des 28. Lebensjahres des Beteiligten zu 2) andauern soll, über §2368 Abs. 3 Halbs. 2 BGB hinaus
wird einhellig anerkannt, daß sich Dritte auf den öffentlichen Glauben des Zeugnisses insoweit berufen
können, als es eine auf Anordnung des Erblassers beruhende Beschränkung der Amtsdauer des Testamentsvollstreckers
nicht enthält (RGZ 83, 348, 352; Haegele, Rz. 415; Jansen, Rz. 27 zu §84 FGG; Palandt/Keidel, Anm. 8 b aa zu
§2368 BGB). Die zeitliche Begrenzung des Amtes gehört daher in das Zeugnis.</p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">5)</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die fehlenden Angaben von Auseinandersetzungsverbot und Verwaltungsvollstreckung sowie Amtsdauer zwingen zur
Einziehung des Zeugnisses vom 3. Oktober 1975. Das Landgericht hat diesen notwendigen Inhalt des Zeugnisses nicht
erkannt. Dieser Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung der darauf beruhenden Beschwerdeentscheidung und zur Anweisung
an das Nachlaßgericht, das Zeugnis einzuziehen.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks"><b>IV.</b></p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Sollte an das Nachlaßgericht abermals ein Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses gelangen,
der die erwähnten Beschränkungen beachtet, so werden außerdem folgende Gesichtspunkte zu beachten sein:</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">1)</p>
<span class="absatzRechts">48</span><p class="absatzLinks">Eine wirksam angeordnete Abweichung von der gesetzlichen Verwaltungsbefugnis, die im Zeugnis zu vermerken ist, bedeutet
es, wenn der Erblasser die Testamentsvollstreckung nach §2208 BGB auf die Verwaltung einzelner
Nachlaßgegenstände beschränkt hat (Haegele, Rz. 407; Soergel/Müller, Rz. 10 zu §2368 BGB). Diese
Abweichung ist im Zeugnis vom 3. Oktober 1975 nicht bestimmt genug angegeben worden, weil die Nachlaßgegenstände,
auf die sich die Verwaltung erstreckt, im einzelnen erkennbar bezeichnet werden müssen. Die Ausführungen des
Landgerichts, es habe keinen Zweifel daran, daß die Erblasserin mit der von ihr gewählten, möglicherweise
unklaren Formulierung nicht über die gesamten Firmen, sondern über die Anteile an den beiden Firmen, soweit sie
ihr lediglich zugestanden haben, habe verfügen wollen, enthalten zwar eine nicht zu beanstandende Auslegung des
Testaments. Diese Beschränkung hat aber keinen Niederschlag in dem Zeugnis gefunden, das insoweit auf einen
weitergehenden Umfang der Testamentsvollstreckung deutet. Bei der Auslegung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses kann
jedoch nur auf dieses selbst und nicht auf das Testament zurückgegriffen werden. Weil die Vermutungswirkung des
§2365 BGB nicht dahin geht, daß die durch das Zeugnis ausgewiesenen (über die bloßen Beteiligungen
dem Wortlaut nach hinausgehenden) Beschränkungen wirksam bestehen (Haegele, Rz. 415; Palandt/Keidel, Anm. 8 zu
§2368 BGB), konnte hier unentschieden bleiben, ob ein Fall der Unrichtigkeit gegeben ist. Jedenfalls werden die
gegenständlichen Beschränkungen zur Klarstellung und Erleichterung des Rechtsverkehrs in einem neu zu erteilenden
Zeugnis bestimmter zu bezeichnen sein.</p>
<span class="absatzRechts">49</span><p class="absatzLinks">2)</p>
<span class="absatzRechts">50</span><p class="absatzLinks">Für den Rechtsverkehr ist eine weitere Abweichung der Befugnisse des Testamentsvollstreckers von der gesetzlichen
Regel bedeutsam, die der Aufnahme in das Zeugnis bedarf. Die Erblasserin hat in ihrem Testament angeordnet, daß der
Testamentsvollstrecker von den Beschränkungen des §181 BGB befreit sei. Eine solche Erweiterung der Handlungsmacht
des Testamentsvollstreckers wird in entsprechender Anwendung des §181 BGB für zulässig angesehen, wenn der
Erblasser in der letztwilligen Verfügung seine Einwilligung für In-sich-Geschäfte erteilt hat (BGHZ 30,
67; 51, 209; Haegele, Rz. 127 und 129, wonach der Testamentsvollstrecker zugleich im Namen eines Dritten als dessen
Vertreter nur handeln könne, wenn Befreiung von den Beschränkungen des §181 BGB sowohl vom Erblasser wie
vom Dritten erteilt sei; Palandt/Heinrichs, Anm. 1 zu §181 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">51</span><p class="absatzLinks"><b>V.</b></p>
<span class="absatzRechts">52</span><p class="absatzLinks">Eine nach §13 a Abs. 1 S. 1 FGG mögliche Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten in den
Verfahren der ersten und weiteren Beschwerde entspricht nicht der Billigkeit. Soweit die erste Beschwerde der Beteiligten
zu 1) als unzulässig verworfen worden ist, besteht für eine Kostenentscheidung kein Anlaß.</p>
|
316,044 | olgham-1977-04-27-20-u-23976 | {
"id": 821,
"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 20 U 239/76 | 1977-04-27T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:34 | 2019-03-27T09:41:34 | Urteil | ECLI:DE:OLGHAM:1977:0427.20U239.76.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21. September 1976 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.</p>
<p>Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 47.085,95 (siebenundvierzigtausendfünfundachtzig 95/100) DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Januar 1976 zu zahlen.</p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.</p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.</p>
<p>Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 59.000,- DM abzuwenden.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Tatbestand</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist die Witwe des Bauunternehmens .... Dieser hatte im Dezember 1969 unter der Versicherungs-Nr. ... bei der Beklagten einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen, in dem die Klägerin als Bezugsberechtigte eingesetzt war. Die Versicherungssumme war auf 50.000,- DM vereinbart und hatte sich nachträglich auf 50.964,- DM erhöht. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Großlebensversicherung zugrunde, in denen es in §8 (Selbsttötung) wie folgt heißt:</p>
<br /><span class="absatzRechts">3</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>Bei Selbsttötung des Versicherten zahlt die Gesellschaft die volle Versicherungssumme, wenn beim Ableben seit Einlösung des Versicherungsscheins oder Wiederherstellung der Versicherung 5 Jahre verstrichen sind oder wenn nachgewiesen wird, daß die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden ist. Andernfalls ist eine etwa vorhandene geschäftsplanmäßige Deckungsrückstellung auszuzahlen.</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Ehemann der Klägerin schied am 17. Januar 1974 durch Selbstmord aus dem Leben. Er ertränkte sich in ... bei ... in der Lippe. Sein Pkw wurde am selben Tag unverschlossen mit steckendem Zündschlüssel auf einem Parkplatz in den ... Waldungen unweit des Lippeufers aufgefunden. Zwischen den Vordersitzen des Pkw lag ein aus einem Notizbuch herausgerissener Zettel, auf dem auf der einen Seite geschrieben stand:</p>
<br /><span class="absatzRechts">5</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>"Meine Helga Birgit Michael u. Andre + ich naß sterben".</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Auf der anderen Seite des Zettels befanden sich neben einer älteren geschäftlichen Notiz die Worte:</p>
<br /><span class="absatzRechts">7</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="0">
<tr>
<td> </td>
<td><i>"Ich sterbe für so fiele. Ich habe Eich sehr geliebt aber nur Euch. Diese Heilt (e) Welt ist Böse."</i></td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">In einer Entfernung von etwa 350 m vom Auto wurden auf einem Waldweg inmitten einer Pfütze die Schuhe des Verstorbenen, ordentlich hintereinander abgestellt, aufgefunden, 300 m weiter an der Böschung zum Ufer der Lippe der Dufflecoat des Verstorbenen. Der Leichnam wurde später in ... bei ... ans Ufer geschwemmt und dort am 12. Februar 1974 von spielenden Kindern entdeckt. Die Untersuchung des Leichenbluts ergab einen Äthylalkoholgehalt von 1,8 g %o.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Der Ehemann der Klägerin befand sich zur Zeit der Tat in geschäftlichen und persönlichen Schwierigkeiten. Gegen ihn schwebte ein Ermittlungsverfahren wegen aktiver Bestechung (45 Js 144/73 StA Münster), in dem kurz zuvor die Buchhalterin des von ihm und seinen beiden Brüdern gemeinsam betriebenen Bauunternehmer von der Kriminalpolizei als Zeugin vernommen worden war. Ferner bestanden Meinungsverschiedenheiten mit seinen beiden Brüdern auf geschäftlicher Ebene, u.a. wegen der Höhe der Gewinnbeteiligung. Der Ehefrau des Verstorbenen war aufgefallen, daß dieser schon in der Nacht vor dem Selbstmord sehr unruhig war und kaum geschlafen hatte. Insbesondere äußerte er Befürchtungen, ein Baukran könne wegen eines in der Nacht herrschenden Sturms umstürzen. Am Morgen des 17. Januar 1974 wollte er zunächst nicht kaffetrinken. Er fuhr dann mit dem Pkw zum Betrieb, von dort aus sogleich aber zurück nach Hause, um die Tochter um 8.00 Uhr zur Schule zu bringen. Danach kam er wiederum nach Hause, fuhr erneut fort, und zwar zu seiner Schwägerin, um deren Sohn zu bitten, nach dem Baukran zu sehen. Bei seiner abermaligen Rückkehr brachte er für den Sohn einen Rollschuh mit nach Hause, der in seinem Betrieb repariert worden war. Er fuhr sodann wieder fort und wurde zuletzt lebend von einem Bekannte, den er grüßte, in Richtung ... fahrend gesehen.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat im Juli 1974 der Klägerin das durch Beiträge angesparte Deckungskapital aus der Lebensversicherung in Höhe von 2.923,90 DM sowie die Mitgliedsbeiträge für die Zeit vom 1. Februar bis 1. November 1974 in Höhe von 954,15 DM erstattet.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat behauptet: Ihr Ehemann habe sich im Zeitpunkt des Selbstmordes in einem die freie Willensbestimmung ausschließen den Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden. Sie hat dazu ein Privatgutachten des Leitenden Medezinaldirektors des Westfälischen Landeskrankenhauses, Dr. med. ..., vorgelegt (Bl. 39 ff d.A.). Der Gutachter kommt darin zusammenfassend zu dem Ergebnis, der Verstorbene habe sich, ausgelöst durch die Schwierigkeiten mit seinen Brüdern und das gegen ihn laufende Ermittlungsverfahren, in einem tiefgreifenden Depressionszustand befunden. Diesen Depressionszustand könne man durchaus einem seelischen Depressionszustand anderer Art gleichsetzen, und er komme nach seinem Gewicht einerechten Psychose, etwa einer Depression aus dem endogen-cirkulären Formenkreis gleich. Der Verstorbene habe sich bei der Selbsttötung in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung der Versicherungssumme abzüglich der erstatteten Beiträge und der ausgezahlter Deckungsrückstellung. Sie hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">die Beklagte zu verurteilen, an sie 47.085,95 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Januar 1976 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte hat beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Sie hat bestritten, daß die freie Willensbestimmung des Verstorbenen im Zeitpunkt des Selbstmordes ausgeschlossen gewesen sei. Sie hat dazu ein Gutachten der Universitäts-Nervenklinik ... vom 7. Juli 1975 (Bl. 18 ff d.A.) vorgelegt, in dem der Gutachter im Gegensatz zu dem von der Klägerin beauftragten Sachverständigen zu dem Ergebnis kommt, die Selbsttötung des Ehemannes der Klägerin könne aus situativen Schwierigkeiten abgeleitet werden und sei planmäßig durchgeführt worden. Hinweise darauf, daß der Verstorbene die Selbsttötung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unter völligem Ausschluß der freien Willensbestimmung infolge krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen habe, ergäben sich nicht.</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat durch Einholung des Gutachtens ... vom 22. Juni 1976 (Bl. 61 ff d.A.) Beweis erhoben und die Klage ab gewiesen. Es hat die Leistungspflicht der Beklagten für ausgeschlossen gehalten, weil - entgegen dem Gutachten Prof. Dr. ... nicht feststehe, daß der Ehemann der Klägerin in einem die freie Willensbestimmung schließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit gehandelt habe. Es fehle an genügenden tatsächlichen Anhaltspunkten, die hinreichend sichere Feststellungen auf den Geisteszustand des Verstorbenen im Zeitpunkt des Selbstmordes zuließen. - Auf das landgerichtliche Urteil wird zur weiteren Darstellung des Tatbestandes gemäß §543 ZPO Bezug, genommen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie wiederholt unter Berufung auf das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten Prof. Dr. ... ihre Behauptung, ihr Ehemann habe sich im Zeitpunkt des Selbstmordes in einem Geisteszustand befunden, in dem die freie Willensbestimmung ausgeschlossen gewesen sei. Das Landgericht habe die Ausführungen des Sachverständigen mißdeutet.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten zu verurteilen, an sie 47.085,95 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Januar 1976 zu zahlen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die Beklagte beantragt,</p>
<br /><span class="absatzRechts">22</span><table class="absatzLinks" width="100%" cellspacing="0" cellpadding="3" border="1">
<tr>
<td> </td>
<td>1.</td>
<td>die Berufung zurückzuweisen,</td>
</tr>
<tr>
<td> </td>
<td>2.</td>
<td>hilfsweise ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden.</td>
</tr>
</table><br />
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Sie bestreitet auch in zweiter Instanz, daß der Ehemann der Klägerin den Selbstmord im Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen habe. Sie behauptet, der Ehemann der Klägerin habe vielmehr planmäßig und aus seiner Situation heraus einfühlsam gehandelt, wenn man berücksichtige, daß der Verstorbene schon immer ein zur Schwermut neigender Mann gewesen sei. Im übrigen sei es eine Erfahrungstatsache, daß dieweitaus meisten Selbstmörder nicht im Zustand des Ausschlusses der freien Willensbestimmung handelten.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Wegen des Vorbringens der Parteien in den Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat den Sachverständigen Prof. Dr. ... zur mündlicher Erläuterung seines Gutachtens gehört, wobei die Beklagte ihren Standpunkt durch den Facharzt Dr. ... (Universitäts-Nervenklinik ...) hat vertreten lassen. Die Akten 30 Js 1135/74 und 45 Js 144/73 StA Münster lagen vor und waren Gegenstand der Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks"><b>Entscheidungsgründe</b></p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat den Nachweis, daß ihr Ehemann im Zeitpunkt des Selbstmordes in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit gehandelt hat, erbracht. Ein solcher Zustand liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer sich in einer geistigen Verfassung befunden hat, in der er sein Handeln nicht mehr von vernünftigen Erwägungen abhängig machen konnte (vgl. zu §104 Ziff. 2 BGB schon RGZ 130, 71; vgl. ÖOGH VersR. 64, 761 mit Anmerkung Wahle und weiteren Nachweisen; vgl. OLG Frankfurt VersR 62, 821 m.v.N.).</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Ungeachtet der in den Sachverständigengutachten erörterten Frage, was in medizinisch-psychiatrischem Sinn als "Bilanzselbstmord" zu bezeichnen ist, steht zunächst fest, daß der Verstorbene das Für und Wider einer Selbsttötung nicht mit Überlegung, die von einer depressiven Stimmungslage unbeeinflußt war, abgewogen hat.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Zwar befand sich der Verstorbene, wie auch die Klägerin nicht bestreitet, in einigen Schwierigkeiten: Gegen ihn richtete sich das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen aktiver Bestechung, nach dem - jedenfalls aus damaliger Sicht - Anklageerhebung und Verurteilung des Verstorbenen drohten. Ein für den Verstorbene positiver Ausgang des Ermittlungsverfahrens zeichnete sich damals noch nicht ab. Auch gegen den Beamten der Amtsverwaltung ..., dem der Verstorbene Geld und Geschenke zugewandt haben soll, ist Anklage erhoben worden, wenngleich das Strafverfahren mit einem Freispruch endete (45 Js 144/73 StA Münster). Außerdem bestanden geschäftlich-familiäre Schwierigkeiten. Wie sich aus der Ermittlungsakte 30 Js 1135/74 StA Münster ergibt, war es zwischen den drei Brüdern ... die Inhaber des Bauunternehmens ... waren, zu Meinungsverschiedenheiten unterschiedlicher Art gekommen, u.a. wegen des Baus eines Schwimmbades auf dem Grundstück des Verstorbenen und wegen der Gewinnbeteiligung der drei Brüder. Noch am Vortage des Selbstmordes hatte der Verstorbene ein Schreiben des Anwaltes eines Bruders erhalten.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">Diese Schwierigkeiten waren jedoch keineswegs unüberwindlich und nicht so gravierend, daß sich bei vernünftiger Überlegung ein Selbstmord als denkbarer Ausweg hätte darstellen können. Die wirtschaftliche Existenz des Verstorbenen war durch seine 20 %ige Gewinnbeteiligung am Unternehmen sichergestellt, so daß er einem etwaigen Streit um eine Erhöhung der Gewinnbeteiligung gelassen entgegensehen konnte. Der Ausgang des Ermittlungsverfahrens war seinerzeit noch völlig offen, es stand nicht einmal fest, ob es zu einer Anklageerhebung kommen würde, geschweige denn ließ sich absehen, wie ein etwaiges Strafverfahren ausgehen würde.</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Das Handeln des Verstorbenen ist unter diesen Umständen nur dann zu erklären, wenn er sich zur Zeit der Tat in einem - auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen - psychischen Ausnahmezustand befand, in dem ein vernünftiges Überlegen und Abwägen zumindest beeinträchtigt war. Die entscheidende Frage war nur, ob diese Beeinträchtigung so weit ging, daß die freie Willensbestimmung ausgeschlossen war. Dies war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Fall. Der Sachverständige Prof. Dr. ... hat dazu in seinem schriftlichen Gutachten vom 22. Juni 1976 ausgeführt, es habe von vornherein eine Disposition des Verstorbenen zur abnormen Reaktion und zum Selbstmord vorgelegen. Der Verstorbene sei von seinem Bruder als ängstlicher und empfindsamer Mensch geschildert worden, was man in vielen Dingen des täglichen Lebens habe feststellen können. Er habe niemals allein riskante geschäftliche Entscheidungen treffen können und habe mehrfach gesagt, er müßte ein "so dickes Fell" haben wie sein Bruder. Ein weiterer dispositioneller und Persönlichkeitsfaktor sei die Tatsache gewesen, daß der Verstorbene offenbar schwer in der Lage gewesen sei, sich anderen mitzuteilen. Er habe versucht, mit seinen Problemen allein fertig zu werden und habe gerade zum Schluß "alles in sich hineingefressen", auch seiner Ehefrau nichts über den Inhalt des am Vortages des Selbstmordes erhaltenen Briefes des Anwalts seines Bruders gesagt. Solche Menschen neigten bekannterweise besonders stark zu überschießenden effektiven Ausbrüchen. Zu diesen dispositionellen Schwierigkeiten seien die situativen Probleme hinzugetreten. Den geschäftlichen Schwierigkeiten sie er kaum gewachsen gewesen. Ohne ausreichende kaufmännische Ausbildung sei er gezwungen gewesen, einen Betrieb mit hohen Umsätzen zu leiten und für den kaufmännischen Teil die Verantwortung zu tragen, wobei er sich besonders darüber gekränkt habe fühlen müssen, daß sein Gewinnanteil nur 20 % betragen habe und daß seine Brüder mit seinen persönlichen Ausgaben nicht einverstanden gewesen seien. Als dann noch die Affäre mit der angeblichen Bestechung und den polizeilichen Vernehmungen hinzugekommen sei und als letztes der Brief des Anwaltes des Bruders, seien das die Tropfen gewesen, die das Faß zum Überlaufen gebracht hätten, d.h. die den ohnehin erheblich überforderten, schon vorher leicht depressiv verstimmten Verstorbenen zur psychischen Dekompensation gebracht hätten. Er haben offenbar in den letzten Tagen die Übersieht über alle auf ihn eindrängenden Schwierigkeiten verloren und sei darüber schließlich affektiv entgleist. Er sei nicht mehr in der Lage gewesen, seine verschiedenen Belange richtig zu bewerten. Etwa in den letzten 24 Stunden vor seinem Tode sei er in einen "depressiv gefärbten Unruhe- und - letztlich - Versagenszustand" geraten. Dieser Depressionszustand sei sicher kein endogener, sondern nach der psychiatrischen Nomenklatur als symptomatisch zu bezeichnen und komme sowohl in der qualitativen Ausprägung als auch im quantitativen Ausmaß der Handlungen einer echten Psychose gleich Die depressiv gefärbten Gedankeninhalte hätten bei ihm schließlich zu einer starken effektiven Dekompensation geführt, die schließlich bis zum äußersten, dem Selbstmord, geführt hätten. Der depressiv gefärbte effektive Ausnahmezustand müsse als krankhafte Störung der Geistestätigkeit gelten und habe die freie Willensbestimmung ausgeschlossen.</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">Der Senat schließt sich diesen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. ... an. Über die an sich schon überzeugenden medizinisch-wissenschaftlichen Argumente hinaus sprechen insbesondere folgende Indizien für eine tiefgreifende, durch Umstände und Persönlichkeitsstruktur hervorgerufene geistige Verwirrung und gegen die Fähigkeit des Verstorbenen, sein Verhalten von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen: Schon in der Nacht vor der Tat hat der Verstorbene wenig geschlafen, ist vielmehr mehrfach aufgestanden und ohne vernünftigen Sinn hin und her gelaufen. Dieses von innerer Unruhe bestimmte Verhalten setzte sich am Morgen des 17. Januar 1974 fort. Der Verstorbene wollte nicht kaffeetrinken, fuhr dann mit dem Pkw fort, kam nach Hause zurück, brachte anschließend die Tochter zur Schule, kam wieder nach Hause, fuhr ein drittes Mal fort zu seiner Schwägerin und brachte einen Rollschuh für den Sohn mit. Schließlich fuhr er ein viertes und letztes Mal fort. Schon das häufige planlose Hin- und Herfahren läßt auf eine erhebliche Verwirrung schließen und zeigt, daß der Verstorbene von erheblicher Unruhe getrieben wurde und sein Verhalten nicht mehr vernünftig gesteuert hat. Es kommen aber noch weitere, gewichtigere Indizien hinzu: Der möglicherweise wegen Fehlens einer Schreibunterlage sehr unordentlich beschriebene Zettel, den er im Pkw hinterließ, bevor er sich ertränkte, enthält eine Reine orthographischer Fehler und keinerlei Satzzeichen. Als besonders gravierend fällt auf, daß der Verstorbene das Wort "viele" mit "f" am Anfang geschrieben hat, "böse" mit einem großen Anfangsbuchstaben und statt "ich muß sterben" "ich naß sterben". Aus der Aussage der Zeugin ... der Sekretärin des Verstorbenen, ergibt sich, daß er der Rechtschreibung sehr wohl mächtig war. Als Sekretärin ist die Zeugin ... in der Lage, dies zu beurteilen. Die Aussage ist in diesem Punkt durchaus glaubhaft, wenn auch im übrigen, was die angeblich nach einem Besuch der Polizei grau gewordene Haarsträhne anbelangt, der Zeugin die Phantasie einen Streich gespielt haben mag. Von dem haufmännischen Leiter eines Bauunternehmens, auch wenn es sich nicht um ein großes Unternehmen handelt ist zu erwarten, daß er die Rechtschreibung leidlich beherrscht, und wären, so grobe orthographische Fehler, wie auf dem Zettel festzustellen sind, höchst ungewöhnlich. Der Senat hat sich durch Einblick in den Terminkalender des Verstorbenen und anderen Notizen (Hülle Bl. 190 d.A.) selbst davon überzeugt, daß der Verstorbene, dessen Handschrift von der Zeugin ... identifiziert worden ist, keine nennenswerten orthographischen Fehler gemacht hat. Somit spricht auch der vom Verstorbenen unmittelbar vor der Tat beschriebene Zettel für einen erheblichen Verwirrungszustand. Als weitere Merkwürdigkeit kommt hinzu, daß er seine Schuhe in einiger Entfernung vom Auto in einer Pfütze abgestellt und offenbar auf Strümpfen den weiteren Weg bis zur Lippe zurückgelegt hat - ein völlig sinnloses Tun, das auch nicht damit erklärt werden kann, daß Selbstmörder sich vor dem Ertränken oft entkleiden. Denn hier hat der Verstorbene sich nicht unmittelbar vor dem Gang ins Wasser die Schuhe ausgezogen, sondern unmotiviert schon auf einem Waldweg, und ist auf Strümpfen weitergegangen. Ferner war zu bedenken, daß der Verstorbene nach der auch insoweit glaubhaften Aussage ...strenggläubig katholisch war und sich anläßlich eines anderen Selbstmordfalles sehr ablehnend über ein solches Handeln geäußert hat. Hinzu kommt weiter als Indiz, daß wie von dem Sachverständigen Prof. Dr. ... bei seiner mündlichen Einvernahme bestätigt worden ist - die Begehungsart des Selbstmordes, nämlich das Sich-Ertränken, im hiesigen Raum bei einem Mann selten ist. Schließlich war durch den Alkoholgenuß - niemand weiß, wann, wo und warum der Verstorbene Alkohol zu sich genomen hat - möglicherweise eine gewisse Enthemmung eingetreten, zumal der Verstorbene, wie sich sowohl aus den Angaben der Klägerin als auch der Aussage der Zeugin ... ergibt, sonst keinen oder kaum Alkohol trank und die Wirkung des Alkohols deshalb und infolge der Übermüdung möglicherweise größer gewesen ist als gewöhnlich.</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">All diese Indizien sprechen sehr gegen ein gesteuertes Handeln und lassen den Schluß des Gutachters Prof. Dr. ... der Verstorbene habe sich zur Tatzeit in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden, überzeugend erscheinen. Die von der Beklagten gegen das Gutachten mit sachverständiger Hilfe geäußerten Bedenken vermögen demgegenüber nicht durchzugreifen. Die Beklagte, die sich vor allem auf den von ihr zum Termin gestellten Gutachter Dr. ... beruft, geht in Übereinstimmung mit dem Gutachter Prof. Dr. ... davon aus, daß beim Verstorbenen eine Disposition zu abnormen Reaktionen bestand und die hinzukommenden situativen Schwierigkeiten dann zum Selbstmord geführt haben (vgl. insbesondere Gutachten vom 7.9.1976, Bl. 86, 91). Sie räumt auch ein, daß beim Zusammentreffen einer labilen Charakterstruktur mit situativen Schwierigkeiten die Gefahr eines Suicids größer sei als bei anderen Menschen, will jedoch daraus trotz aller Begleitumstände nicht den Schluß ziehen, die freie Willensbestimmung des Verstorbenen sei infolge krankhafter Störung der Geistestätigkeit ausgeschlossen gewesen, weil faßbare Motive für einen Selbstmord vorhanden gewesen seien. In der Erörterung im Termin vom 27. April 1977 konnten die Unterschiede in der medizinischen Beurteilung weiter präzisiert werden: Der Privatgutachter Dr. ... hat erklärt, es sei sicher, daß der Verstorbene sich in einem Erregungszustand befunden habe und ihm die "Kontroll entglitten" sei. In diesem Zustand der Dekompensation sei zwar die freie Willensbestimmung ausgeschlossen gewesen, aber nicht infolge einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit, denn das entscheidende Kriterium einer Krankheit sei das Fehlen der Einfühlbarkeit. Das Handeln des Verstorbenen sei, berücksichtige man außer den situativen Schwierigkeiten die Charakterstruktur, einfühlbär. Der Gutachter Prof. Dr. ... hat demgegenüber das Fehlen der Einfühlbarkeit als ein wichtiges; nicht aber das ausschlaggebende Kriterium des medizinischen Krankheitsbegriffes bezeichnet.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">Auf diese Differenz zwischen den beiden Gutachten kommt es jedoch aus Rechtsgründen nicht an. Wenn - wie hier - die freie Willensbildung des Täters infolge seines geistigen Zustandes ausgeschlossen ist, so steht damit zunächst notwendig fest, daß eine Störung der Geistestätigkeit vorliegt. Denn es ist nicht vorstellbar, wie ohne eine solche Störung der geistige Zustand des Täters zum Ausschluß der freien Willensbestimmung führen sollte. Fraglich kann nur sein, ob diese Störung als krankhaft zu werten ist. Für §8 AVB, der §104 Ziff. 2 BGB nachgebildet ist ist nicht erforderlich, daß der die freie Willensbildung ausschließende Zustand der Störung der Geistestätigkeit auf einer Krankheit in medizinischem Sinn beruht (vgl. auch Prölss-Martin, VVG, §169 Anm. 4). Das Gesetz geht vielmehr davon aus, daß eine Störung der Geistestätigkeit, die zu einem Zustand des Ausschlusses der freien Willensbestimmung geführt hat, regelmäßig als krankhaft anzusehen ist. Es reicht also die - hier bereits getroffene - Feststellung aus, daß der Wille der betreffenden Person nicht mehr durch beherrschbare Erwägungen bestimmt wird, sondern an die Stelle der Selbstentschließung ein Unterliegen unter nicht mehr durch den Willen kontrollierbare Empfindungen und Vorstellungen tritt (vgl. RGZ 130, 71), ohne daß von der Rechtsprechung auf die Ursachen abgestellt wird und abgestellt werden kann, die zu einem solchen Geisteszustand geführt haben. Denn es besteht kein vernünftiger Grund, die rechtlichen Folgen eines Handelns danach zu differenzieren, auf welchen Ursachen der geistige Zustand beruht, der zum Ausschluß der freien Willensbestimmung führt, von dem Ausnahmefall, daß sich jemand schuldhaft in einem solchen Geisteszustand versetzt hat, einmal abgesehen. Folglich ist hier nicht entscheidend, ob der Geisteszustand, in dem der Verstorbene sich im Zeitpunkt des Selbstmordes befand, durch eine Krankheit in medizinischem Sinne beeinflußt war, worüber die Meinungen der Sachverständigen auseinandergehen. Rechtlich bedeutsam ist - wie erwähnt - nur, daß dem Verstorbenen "die Kontrolle entglitten" war und er wegen seines geistigen Zustandes sein Handeln nicht mehr von vernünftigen Erwägungen abhängig machen konnte. Daß in diesem Sinne die freie Willensbestimmung ausgeschlossen war, ist übereinstimmende Auffassung beider Sachverständiger.</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Soweit der Gutachter Dr. ... - allerdings im Rahmen der Prüfung, ob der Geisteszustand des Verstorbenen in medizinischem Sinn auf einer Krankheit beruhte - auf ein Einfühlbarkeit der Handlung abstellt, ist einzuräumen, daß auch rechtlich ein die freie Willensbildung ausschließender Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit nicht vorliegt, wenn "der von einfühlbaren Motive gesenkte Wille" noch Einfluß auf die Entscheidung des Verstorbenen hatte (vgl. OLG Frankfurt VersR 62, 821 m.w.N.). Diese von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien betreffen jedoch nicht die Krankhaftigkeit der festgestellten Geistesstörung, sondern die Frage des Ausschlusses der freien Willensbestimmung. Deshalb ist rechtlich maßgebend nicht die Einfühlbarkeit des Handlungserfolges, sondern ob dieser Erfolg in freier Willensentscheidung herbeigeführt wurde. So kommt es auch im Rahmen des §104 Ziff. 2 BGB nicht darauf an, ob der Betreffende etwas getan hat, was im Ergebnis vernünftig war oder nicht, sondern ob er sein Handeln nach vernünftigen Überlegungen ausrichten kann, wobei allerdings das Ergebnis ein wichtiges, im Falle des Selbstmordes gewiß nicht für das Vorliegen der freien Willensbestimmung sprechendes Indiz ist. So mag hier zwar sein, daß der vorliegende Selbstmord bei einem Mann ähnlicher Charakterstruktur unter den gegebenen Verhältnissen auch dann hätte geschehen können, wenn dieser Mann noch zu einer freien Willensentscheidung in der Lage gewesen wäre und sich nach Abwägung aller Umstände bei noch klarem Verstande zum Selbstmord entschlossen hätte. So aber liegt der Fall nicht, denn beide Sachverständige stimmen ja darin überein, daß dem Verstorbenen die Kontrolle entglitten war und er seinen Willen nicht mehr nach vernünftigen Überlegungen steuern konnte. Jedenfalls steht das aufgrund der Beweisaufnahme aus den dargelegten Gründen fest. Mit der Feststellung des Ausschlusses der freien Willensbestimmung ist auch die Problematik der Einfühlbarkeit der Tat erledigt und nicht noch einmal bei der Frage zu prüfen, ob die zugrundeliegende geistige Störung krankhaft war oder nicht.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Daß der Verstorbene sich selbst vorsätzlich durch den Alkoholgenuß geschäfts- und zurechnungsunfähig gemacht habe, hat die Beklagte nicht behauptet. Auch die beiden Sachverständigen haben diesen in der mündlichen Verhandlungen erörterten Gesichtspunkt keine ins Gewicht fallende Bedeutung beigemessen. Der Alkoholgenuß ist deshalb nur als untergeordnetes Element der Gesamtumstände auszugehen, so daß es einer näheren Erörterung der Beweislastfrage bei alkoholbedingter Zurechnungsfähigkeit nicht bedarf. Sonstige Ausnahmeumstände der genannten Art sind wohl ersichtlich. Unabhängig von den erörterten Rechtsfragen, also im Wege der Hilfsbegründung, ist aber dem Gutachten von Prof. ... auch insoweit zu folgen, als er die festgestellte geistige Störung als krankhaft bezeichnet. Es bestehen keine Bedenken gegen seine Feststellung, daß ein depressiv gefärbter effektiver Ausnahmezustand vorgelegen habe, der als krankhafte Störung der Geistestätigkeit auch in medizinischem Sinn anzusehen sei.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Da die Klageforderung der Höhe nach außer Streit war, war die Beklagte in Abänderung des angefochtenen Urteils antragsgemäß zu verurteilen.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung folgt aus §91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufig Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§708 Ziff. 7, 713 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Beschwer der Beklagten: 47.085,95 DM.</p>
|
316,045 | lg-duisburg-1977-03-29-1-o-31907 | {
"id": 807,
"name": "Landgericht Duisburg",
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} | 1 O 319/07 | 1977-03-29T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:35 | 2019-03-27T09:41:34 | Urteil | ECLI:DE:LGDU:1977:0329.1O319.07.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>In Höhe eines Betrages von 559,15 DM ist die Hauptsache erledigt. Im übri-gen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.300,00 DM hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px"><u>T a t b e s t a n d : </u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist die Erbin des am 02. Juli 1976 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückten Landwirtes . Der Unfall war auf das Fahrverhalten des Beklagten zu 1) zurückzuführen, der als Fahrer des Lastzuges und , der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war, den Getöteten von der Fahrbahn gedrängt hatte. Der Beklagte zu 1) ist in erster Instanz wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden, das Berufungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Die Klägerin ist im erstinstanzlichen Strafverfahren als Nebenklägerin aufgetreten und hat sich dabei von Rechtsanwalt , Wesel, vertreten lassen. Dieser hat ihr für seine Tätigkeit 559,15 DM in Rechnung gestellt. Der Getötete war die einzige Arbeitskraft im landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin. Als Ersatzkraft hat sie nach dem Unfall Betriebshilfen eingestellt. Und zwar zunächst in der Zeit vom 03. Juli bis 15. August 1976 die Eheleute . Die dafür entstandenen Kosten hat ihr die Alterskasse der in Höhe von 1.602,50 DM erstattet. Mit Wirkung ab 01. September 1976 hat sie dann den Arbeiter eingestellt, für den sie monatlich 1.402, DM aufzubringen hat. Eine Erstattung hierfür hat sie bisher nicht erhalten. Die Beklagte zu 2) hat Schadensersatzleistungen in Höhe von 20.250,00 DM erbracht. Die letzte Zahlung in Höhe von 3.000,00 DM wurde der Klägerin am 05. Januar 1977 gutgebracht.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin meint,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">sie könne von den Beklagten die Kosten für die Betriebshilfe und für die Nebenklägervergütung verlangen. Sie stützt ihre Ansicht zum einen auf die Behauptung, daß die Sozialversicherungsträger ihre Ansprüche bisher noch nicht bei der Beklagten zu 2) angemeldet hätten. Zum anderen habe sie die Beklagte zu 2) durch ihre Weigerung, eine frühzeitige Entschließung über ihre Bereitschaft, vollen Schadensersatz zu leisten, abzugeben, gerade dazu gedrängt, im Strafverfahren als Nebenklägerin aufzutreten und sich dabei anwaltlich vertreten zu lassen. Außerdem habe sie ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, daß die Beklagten auch den weiteren Schaden zu ersetzen hätte, weil die Höhe der Betriebshilfekosten noch geschätzt werden müßte und diese von Monat zu Monat fällig werden, so daß sie mit einem Leistungsantrag noch nicht verfolgt werden könnten. Im übrigen beziehe sich der Feststellungsantrag nur auf sog. freie Schadensspitzen, die nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen seien.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Sie hat zunächst beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">1. die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">4.765,15 DM nebst 8,25 % Zinsen zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">2. es wird festgestellt, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">sind, der Klägerin allen weiteren Schaden aus dem Verkehrsunfallereig-</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">nis vom 02. Juli 1976 in Hamminkeln zu ersetzen, soweit sie nicht auf </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">öffentlich rechtliche Versicherungsträger übergegangen sind.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Nach Eingang der Zahlungen in Höhe von 3.000,00 DM am 05. Januar 1977 hat sie die Hauptsache insoweit für erledigt erklärt. Sie beantragt nunmehr,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">1. die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">1.765,15 DM nebst 8,25 % Zinsen zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">2. es wird festgestellt, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">sind, der Klägerin allen weiteren Schaden aus dem Verkehrsunfallereignis</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">vom 02. Juli 1976 in Hamminkeln zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">auf öffentlich rechtliche Versicherungsträger übergegangen sind.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Sie machen geltend,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">die Ansprüche auf Ersatz der Betriebshilfekosten seien auf die Sozialversicherungsträger übergegangen, die ihre Ansprüche auch schon bei ihr angemeldet hätten. Im übrigen seien sie auch nicht zur Erstattung der Nebenklägervergütung verpflichtet. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Sie hätten sich nur deshalb nicht gleich zur vollen Schadensersatzleistung bereit erklärt, weil sie dadurch nicht auf das schwebende Strafverfahren Einfluß nehmen wollten.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbezeichneten Schriftsätze verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks"><u> E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e : </u></p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">In Höhe von 559,15 DM ist Erledigung der Hauptsache eingetreten; im übrigen ist das Zahlungsbegehren unbegründet, der Feststellungsantrag ist unzulässig. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Antrag der Klägerin auf Zahlung eines Geldbetrages ist unbegründet, soweit sie damit Erstattung der Kosten für die von ihr eingestellte Betriebshilfe begehrt. Diese Ansprüche sind nämlich gemäß § 1542 RVO auf die Sozialversicherungsträger übergegangen und können von der Klägerin nicht mehr geltend gemacht werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Sozialversicherungsträger bereits Zahlung erbracht haben oder nicht, und auch unabhängig davon, ob sie ihre Ansprüche bereits bei der Beklagten zu 2) angemeldet haben.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Da die Klage insoweit von Anfang an unbegründet war, konnte auch nicht durch die einseitige Erklärung der Klägerin in Höhe eines Teilbetrages von 2.440,85 DM Erledigung der Hauptsache eintreten. Der Zahlungsantrag ist jedoch in Höhe von 559,15 DM erledigt, denn die Klägerin konnte gemäß § 823 BGB in Verbindung mit den §§ 3, 149 VGG von den Beklagten als Gesamtschuldner Erstattung der Nebenklägervergütung verlangen. Sie hatte zwar nicht das Recht, von sich aus zu bestimmen, auf welche Forderung die spätere Zahlung vom 28. Dezember 1976 anzurechnen sei, denn § 366 Abs. 2 BGB enthält eine gesetzliche Rechtsfolge und gibt dem Gläubiger kein Bestimmungsrecht.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Da die Klägerin jedoch keine weitere begründete Forderung geltend gemacht hat und die Beklagte zu 2) selbst die Zahlung ohne Bestimmungen erbracht hat, ist der Betrag auf die Nebenklägervergütung anzurechnen. Da der Beklagte zu 1) den Verkehrsunfall schuldhaft verursacht hat, hat er der Klägerin den dabei entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Ansicht der Beklagten, ihre Schadensersatzpflicht erstrecke sich nicht auch auf die Erstattung der Nebenklägervergütung, wird von der Kammer nicht geteilt. Es sind zwar Fälle denkbar, in denen diese Kosten nicht erstattungsfähig sind, im Verhältnis der Parteien untereinander besteht jedoch ein dahingehender Anspruch. Die zahlreich gegen einen Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten anläßlich einer Nebenklagetätigkeit erhobenen Bedenken greifen zumindest für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit nicht durch.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">1.)</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Zum Teil wird unter Hinweis darauf, daß der Entstehung der Nebenklagekosten ein erneuter Entschluß des Geschädigten, sich am Strafverfahren als Nebenkläger zu beteiligen, zugrunde liege, der adäquat-kausale Zusammenhang zwischen schädigendem Ereignis und Schadenseintritt verneint. Diese Ansicht hält einer nähren Prüfung nicht stand. Nach der Adäquanztheorie ist eine als "conditio-sine-qua-non" gesetzte Bedingung nämlich nur dann nicht ursächlich, wenn sie ihrer Natur nach für die Entstehung des Schadens unerheblich ist und nur infolge einer außergewöhnlichen Verkettung der sonstigen Umstände den Schaden mit herbeigeführt hat. Die Möglichkeit des Schadenseintritts darf also nicht so entfernt sein, daß sie nach der Auffassung des Lebens vernünftigerweise nicht in Betracht gezogen werden kann. Gemessen daran, kann man den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen einem schuldhaft verursachten Unfall und den bei der Nebenklage entstehenden Anwaltskosten nicht verneinen. Da dem Geschädigten zu Recht daran gelegen ist, seinen Schaden möglichst schnell und möglichst vollständig ersetzt zu bekommen und nach der allgemeinen Lebenserfahrung für die Erstattung des Schadens der Ausgang des Strafverfahrens von nicht unerheblicher Bedeutung ist, wird durch den Entschluß des Geschädigten, als Nebenkläger aufzutreten, keine neue und so entfernte Bedingung gesetzt, die nicht mehr adäquat kausal mit dem Unfall verbunden ist. (ebenso BGH, VersRecht 57, 599).</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">2.)</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Ein weiteres Bedenken wird hinsichtlich der Frage eingewendet, ob der geltend gemachte Schaden noch innerhalb des Schutzbereichs der §§ 823 ff BGB liegt. Diese Frage wird vielfach unter Hinweis auf die BGH-Rechtsprechung verneint. Die Kammer ist jedoch der Ansicht, daß der Schutzzweck der §§ 823 ff BGB auch die Nebenklägervergütung als Unfallschaden – jedenfalls im vorliegenden Fall – umfaßt. Ausgangspunkt für die ablehnende Haltung in Rechtsprechung und Literatur ist die Entscheidung des BGH vom 17. Mai 1957 (VersRecht 1957, 599), in der jedoch ein anderer Sachverhalt zu Grunde lag. Dort ging es um die Frage, ob der Unfallgeschädigte, gegen den auch ein Strafverfahren eingeleitet worden war und der dann freigesprochen worden ist, vom verurteilten Schädiger seine Verteidigerkosten ersetzt verlangen kann. Einen solchen Anspruch hat der Bundesgerichtshof mit der Begründung abgelehnt, es gehöre zum allgemeinen Risiko eines jeden Staatsbürgers, in ein Strafverfahren verwickelt zu werden. Der dabei entstehende Schaden sei daher nicht vom Schutzzweck des § 823 BGB gedeckt. In einem späteren Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH VersRecht 60, 405) allerdings auch einen materiellen Anspruch auf Erstattung der Nebenklägerkosten verneint, ohne jedoch diese Ansicht zu begründen. Eine solche Ausweitung überzeugt aber nicht, denn man wird kaum ohne nähere Begründung die Vergleichbarkeit von Verteidigerkosten und der Nebenklagekosten bejahen können. Die Vorschrift des § 823 BGB will durch das Verbot, die Rechtsgüter anderer zu verletzten, und durch die Pflicht zur Wiedergutmachung gegen alle Gefahren schützen, die sich bei ihrer Verletzung ergeben. Dem Schädiger werden die Folgen der Verletzung der geschützten Rechtsgüter zugerechnet. In diesem Rahmen sind die Interessen des Geschädigten durch § 823 BGB geschützt. Davon ausgehend ist anzuerkennen, daß der zunächst angeklagte, dann aber freigesprochene Unfallbeteiligte seine Verteidigerkosten nicht ersetzt verlangen kann. Es ist eben nicht eine unmittelbare Folge der Verletzungshandlung, daß gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet worden ist. Anders ist aber die Lage des Nebenklägers zu beurteilen, wenn er sich durch das Verhalten des Schädigers oder dessen Versicherung dazu gedrängt sieht, als Nebenkläger aufzutreten. So war es aber im Verhältnis der Parteien zueinander. Die Klägerin hatte die Beklagte zu 2) mehrfach aufgefordert zu erklärten, ob sie die Haftung dem Grunde nach in voller Höhe anerkenne. Die Beklagte zu 2) hat jedoch zu keinem Zeitpunkt dargelegt, aus welchen Gründen Einwendungen zum Haftungsgrund bestanden. Mit Schreiben vom 29. Oktober 1976 teilte sie dann der Klägerin mit, daß sie auf jeden Fall vor ihrer Entscheidung den Ausgang des Strafverfahrens abwarten wolle. Aufgrund dieses Verhaltens der Beklagten zu 2) sah sich die Klägerin verständlicherweise dazu gedrängt, ihre Rechte als Nebenklägerin wahrzunehmen. Dazu hatte sie sich zwar nicht von Gesetztes wegen anwaltlich vertreten lassen müssen, andererseits wird man ihr aber nicht verwehren können, einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen zu betrauen, denn als Rechtsunkundige hätte sie Gefahr laufen können, ihre Schadensersatzansprüche zumindest teilweise zu verlieren. Wie wichtig es für die Klägerin war, als Nebenklägerin aufzutreten und sich anwaltlich vertreten zu lassen, zeigt auch die Tatsache, daß ihr Prozessbevollmächtigter wesentlichen Einfluß auf den Ausgang des Verfahrens genommen hat, indem er die Aufnahme einer wichtigen Zeugenaussage im Protokoll erwirkte. Wenn sich aber der Geschädigte aufgrund des Verhaltens des Schädigers geradezu dazu gedrängt sieht, seine Rechte auf Wiedergutmachung auch in der Rolle des Nebenklägers zu verfolgen, so sind die dabei entstehenden Kosten noch vom Schutzzweck des § 823 BGB gedeckt. Der Einwand der Beklagten zu 2), sie habe nur deshalb die Schadensersatzansprüche der Klägerin nicht beschieden, weil sie nicht in das Strafverfahren habe eingreifen wollen, ist demgegenüber ohne Bedeutung. Zudem ist schwerlich einzusehen, inwiefern sie durch ein Anerkenntnis der Schadensersatzforderung der Klägerin Einfluß auf das Strafverfahren hätte nehmen können.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">3.)</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Weitere Einwände gegen die Erstattungsfähigkeit der Nebenklagekosten werden damit begründet, die strafprozessuale Kostenentscheidung müsse abschließende Bedeutung für das Verhältnis zwischen Nebenkläger und Angeklagten haben; in der Kostenregelung des Strafprozesses komme der allgemeine Grundsatz zum Ausdruck, daß der Prozeßerfolg über die Kostenlast zwischen den Parteien entscheiden solle (BGHZ 24, 263). Diese Grundsätze sind insofern einleuchtend, als sie den Fall betreffen, daß der Schädiger im Strafverfahren freigesprochen worden ist. Tatsächlich erscheint es wenig sachgerecht, wenn der Angeklagte zunächst im Strafverfahren mit der Folge freigesprochen wird, auch die Kosten des Nebenklägers nicht tragen zu müssen, er dann aber im zivilrechtlichen Verfahren doch zur Zahlung verurteilt wird. Bei näherer Prüfung kann hierin jedoch ein rechtlich zu beachtender Widerspruch nicht gesehen werden.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die genannten Bedenken bestehen nämlich schon dann nicht, wenn der Angeklagte verurteilt worden ist. Allerdings hat der Bundesgerichtshof auch für diesen Fall, allerdings wiederum ohne Angabe von Gründen, die für den Freispruch geltenden Grundsätze angewandt (BGH VersRecht 58, 417). Bei genauerer Betrachtung überzeugt diese Entscheidung jedoch nicht. Mit seiner These von der "stabilisierenden" Bedeutung der Kostenentscheidung wollte der Bundesgerichtshof begründen, daß eine rechtskräftige Kostenentscheidung Bestand haben muß. Dieser Grundsatz wird jedoch nicht beeinträchtigt, wenn man die Durchsetzbarkeit der Erstattung von Nebenklagekosten im Zivilprozeß bejaht.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die strafprozessuale Entscheidung wird nämlich durch die zivilrechtliche nicht berührt. Beide ergehen auf verschiedenen Ebenen und für beide sind ganz unterschiedliche Tatsachen und Umstände maßgebend. Strafprozeß und Zivilprozeß sind zwei unterschiedliche Prozeßarten und ohne unmittelbaren Einfluß aufeinander. So kann der Schädiger durchaus freigesprochen werden vom Vorwurf einer fahrlässigen Tötung, während er im Zivilprozeß zum Schadesersatz verurteilt werden kann. Ebenso kann auch der strafprozessuale Kostentitel des Nebenklägers keinen Einfluß auf den Umfang der Schadensersatzpflicht haben. Auch wenn beide Entscheidungen im Ergebnis geradezu zuwiderlaufen, so wird dadurch keineswegs der Bestand oder die Rechtmäßigkeit des einen oder anderen Titels berührt. Beide Entscheidungen haben ihre Berechtigung darin, daß grundsätzlich für die Beurteilung der Rechtslage in Straf- und Zivilverfahren unterschiedliche Maßstäbe anzulegen sind.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">4.)</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Schließlich konnte die Erledigung der Hauptsache nur eintreten, wenn die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer auch verpflichtet war, die Nebenklagekosten zu ersetzen. Das ist der Fall. Ihre Verpflichtung dazu ergibt sich aus den §§ 149 VVG, 10 Abs. 1 AKB und 3 Abs. 1 AHB, denn der zivilrechtliche Anspruch auf Erstattung der Nebenklagekosten gehört zu den nach § 149 VVG zu ersetzenden Schadensersatzansprüchen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Nach alledem ist das Zahlungsbegehren der Klägerin in der Hauptsache zu einem Teilbetrag in Höhe von 559,15 DM erledigt.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Der darüber hinausgehende Zahlungsanspruch ist unbegründet, denn die Ansprüche auf Erstattung der Betriebshilfekosten sind gemäß § 1542 RVO auf die Sozialversicherungsträge übergegangen. </p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist als unzulässig abzuweisen, soweit die Klägerin mit ihrem Antrag zu 2. Feststellung eines Rechtsverhältnisses begehrt. Ihr fehlt für ihr Klagebegehren das Rechtsschutzinteresse. Ihr Feststellungsantrag bezieht sich nach ihrem eigenen Vorbringen auf Ersatzansprüche für die Betriebshilfekosten. Derartige Ansprüche stehen ihr jedoch nicht zu, da diese gemäß § 1542 RVO auf die Sozialversicherungsträge übergegangen sind. Sie hat auch nicht dargelegt, daß nach Zahlung durch die öffentlich rechtlichen Versicherungsträger noch Spitzenbeträge übrigbleiben, die sie belasten und von keiner anderer Seite erstattet werden. Allein die entfernte und gedachte Möglichkeit, daß sie irgendwelche Spitzenbeträge belasten könnten, gibt ihr noch nicht das Rechtsschutzinteresse für ihren Feststellungsantrag.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung ergeht nach §§ 91 a, 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 710 Satz 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der Streitwert wird festgesetzt für den Antrag zu 1) auf 4.765,15 DM und für den Antrag zu 2) auf 40.000,00 DM.</p>
|
316,046 | lg-duisburg-1977-03-29-1-o-31976 | {
"id": 807,
"name": "Landgericht Duisburg",
"slug": "lg-duisburg",
"city": 408,
"state": 12,
"jurisdiction": "Ordentliche Gerichtsbarkeit",
"level_of_appeal": "Landgericht"
} | 1 O 319/76 | 1977-03-29T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:37 | 2019-03-27T09:41:34 | Urteil | ECLI:DE:LGDU:1977:0329.1O319.76.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>In Höhe eines Betrages von 559,15 DM ist die Hauptsache erledigt. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.</p>
<p></p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.</p>
<p></p>
<p>Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.300,00 DM hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px"><u>T a t b e s t a n d : </u></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin ist die Erbin des am 02. Juli 1976 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückten Landwirtes . Der Unfall war auf das Fahrverhalten des Beklagten zu 1) zurückzuführen, der als Fahrer des Lastzuges und , der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war, den Getöteten von der Fahrbahn gedrängt hatte. Der Beklagte zu 1) ist in erster Instanz wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden, das Berufungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Die Klägerin ist im erstinstanzlichen Strafverfahren als Nebenklägerin aufgetreten und hat sich dabei von Rechtsanwalt , Wesel, vertreten lassen. Dieser hat ihr für seine Tätigkeit 559,15 DM in Rechnung gestellt. Der Getötete war die einzige Arbeitskraft im landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin. Als Ersatzkraft hat sie nach dem Unfall Betriebshilfen eingestellt. Und zwar zunächst in der Zeit vom 03. Juli bis 15. August 1976 die Eheleute . Die dafür entstandenen Kosten hat ihr die Alterskasse der in Höhe von 1.602,50 DM erstattet. Mit Wirkung ab 01. September 1976 hat sie dann den Arbeiter eingestellt, für den sie monatlich 1.402, DM aufzubringen hat. Eine Erstattung hierfür hat sie bisher nicht erhalten. Die Beklagte zu 2) hat Schadensersatzleistungen in Höhe von 20.250,00 DM erbracht. Die letzte Zahlung in Höhe von 3.000,00 DM wurde der Klägerin am 05. Januar 1977 gutgebracht.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin meint,</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">sie könne von den Beklagten die Kosten für die Betriebshilfe und für die Nebenklägervergütung verlangen. Sie stützt ihre Ansicht zum einen auf die Behauptung, daß die Sozialversicherungsträger ihre Ansprüche bisher noch nicht bei der Beklagten zu 2) angemeldet hätten. Zum anderen habe sie die Beklagte zu 2) durch ihre Weigerung, eine frühzeitige Entschließung über ihre Bereitschaft, vollen Schadensersatz zu leisten, abzugeben, gerade dazu gedrängt, im Strafverfahren als Nebenklägerin aufzutreten und sich dabei anwaltlich vertreten zu lassen. Außerdem habe sie ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, daß die Beklagten auch den weiteren Schaden zu ersetzen hätte, weil die Höhe der Betriebshilfekosten noch geschätzt werden müßte und diese von Monat zu Monat fällig werden, so daß sie mit einem Leistungsantrag noch nicht verfolgt werden könnten. Im übrigen beziehe sich der Feststellungsantrag nur auf sog. freie Schadensspitzen, die nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen seien.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Sie hat zunächst beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">1. die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">4.765,15 DM nebst 8,25 % Zinsen zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">2. es wird festgestellt, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">sind, der Klägerin allen weiteren Schaden aus dem Verkehrsunfallereig-</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">nis vom 02. Juli 1976 in Hamminkeln zu ersetzen, soweit sie nicht auf </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">öffentlich rechtliche Versicherungsträger übergegangen sind.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Nach Eingang der Zahlungen in Höhe von 3.000,00 DM am 05. Januar 1977 hat sie die Hauptsache insoweit für erledigt erklärt. Sie beantragt nunmehr,</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">1. die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">1.765,15 DM nebst 8,25 % Zinsen zu zahlen,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">2. es wird festgestellt, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">sind, der Klägerin allen weiteren Schaden aus dem Verkehrsunfallereignis</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">vom 02. Juli 1976 in Hamminkeln zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">auf öffentlich rechtliche Versicherungsträger übergegangen sind.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen,</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Sie machen geltend,</p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">die Ansprüche auf Ersatz der Betriebshilfekosten seien auf die Sozialversicherungsträger übergegangen, die ihre Ansprüche auch schon bei ihr angemeldet hätten. Im übrigen seien sie auch nicht zur Erstattung der Nebenklägervergütung verpflichtet. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Sie hätten sich nur deshalb nicht gleich zur vollen Schadensersatzleistung bereit erklärt, weil sie dadurch nicht auf das schwebende Strafverfahren Einfluß nehmen wollten.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbezeichneten Schriftsätze verwiesen.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks"><u> E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e : </u></p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">In Höhe von 559,15 DM ist Erledigung der Hauptsache eingetreten; im übrigen ist das Zahlungsbegehren unbegründet, der Feststellungsantrag ist unzulässig. </p>
<span class="absatzRechts">27</span><p class="absatzLinks">I.</p>
<span class="absatzRechts">28</span><p class="absatzLinks">Der Antrag der Klägerin auf Zahlung eines Geldbetrages ist unbegründet, soweit sie damit Erstattung der Kosten für die von ihr eingestellte Betriebshilfe begehrt. Diese Ansprüche sind nämlich gemäß § 1542 RVO auf die Sozialversicherungsträger übergegangen und können von der Klägerin nicht mehr geltend gemacht werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Sozialversicherungsträger bereits Zahlung erbracht haben oder nicht, und auch unabhängig davon, ob sie ihre Ansprüche bereits bei der Beklagten zu 2) angemeldet haben.</p>
<span class="absatzRechts">29</span><p class="absatzLinks">Da die Klage insoweit von Anfang an unbegründet war, konnte auch nicht durch die einseitige Erklärung der Klägerin in Höhe eines Teilbetrages von 2.440,85 DM Erledigung der Hauptsache eintreten. Der Zahlungsantrag ist jedoch in Höhe von 559,15 DM erledigt, denn die Klägerin konnte gemäß § 823 BGB in Verbindung mit den §§ 3, 149 VGG von den Beklagten als Gesamtschuldner Erstattung der Nebenklägervergütung verlangen. Sie hatte zwar nicht das Recht, von sich aus zu bestimmen, auf welche Forderung die spätere Zahlung vom 28. Dezember 1976 anzurechnen sei, denn § 366 Abs. 2 BGB enthält eine gesetzliche Rechtsfolge und gibt dem Gläubiger kein Bestimmungsrecht.</p>
<span class="absatzRechts">30</span><p class="absatzLinks">Da die Klägerin jedoch keine weitere begründete Forderung geltend gemacht hat und die Beklagte zu 2) selbst die Zahlung ohne Bestimmungen erbracht hat, ist der Betrag auf die Nebenklägervergütung anzurechnen. Da der Beklagte zu 1) den Verkehrsunfall schuldhaft verursacht hat, hat er der Klägerin den dabei entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Ansicht der Beklagten, ihre Schadensersatzpflicht erstrecke sich nicht auch auf die Erstattung der Nebenklägervergütung, wird von der Kammer nicht geteilt. Es sind zwar Fälle denkbar, in denen diese Kosten nicht erstattungsfähig sind, im Verhältnis der Parteien untereinander besteht jedoch ein dahingehender Anspruch. Die zahlreich gegen einen Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten anläßlich einer Nebenklagetätigkeit erhobenen Bedenken greifen zumindest für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit nicht durch.</p>
<span class="absatzRechts">31</span><p class="absatzLinks">1.)</p>
<span class="absatzRechts">32</span><p class="absatzLinks">Zum Teil wird unter Hinweis darauf, daß der Entstehung der Nebenklagekosten ein erneuter Entschluß des Geschädigten, sich am Strafverfahren als Nebenkläger zu beteiligen, zugrunde liege, der adäquat-kausale Zusammenhang zwischen schädigendem Ereignis und Schadenseintritt verneint. Diese Ansicht hält einer nähren Prüfung nicht stand. Nach der Adäquanztheorie ist eine als "conditio-sine-qua-non" gesetzte Bedingung nämlich nur dann nicht ursächlich, wenn sie ihrer Natur nach für die Entstehung des Schadens unerheblich ist und nur infolge einer außergewöhnlichen Verkettung der sonstigen Umstände den Schaden mit herbeigeführt hat. Die Möglichkeit des Schadenseintritts darf also nicht so entfernt sein, daß sie nach der Auffassung des Lebens vernünftigerweise nicht in Betracht gezogen werden kann. Gemessen daran, kann man den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen einem schuldhaft verursachten Unfall und den bei der Nebenklage entstehenden Anwaltskosten nicht verneinen. Da dem Geschädigten zu Recht daran gelegen ist, seinen Schaden möglichst schnell und möglichst vollständig ersetzt zu bekommen und nach der allgemeinen Lebenserfahrung für die Erstattung des Schadens der Ausgang des Strafverfahrens von nicht unerheblicher Bedeutung ist, wird durch den Entschluß des Geschädigten, als Nebenkläger aufzutreten, keine neue und so entfernte Bedingung gesetzt, die nicht mehr adäquat kausal mit dem Unfall verbunden ist. (ebenso BGH, VersRecht 57, 599).</p>
<span class="absatzRechts">33</span><p class="absatzLinks">2.)</p>
<span class="absatzRechts">34</span><p class="absatzLinks">Ein weiteres Bedenken wird hinsichtlich der Frage eingewendet, ob der geltend gemachte Schaden noch innerhalb des Schutzbereichs der §§ 823 ff BGB liegt. Diese Frage wird vielfach unter Hinweis auf die BGH-Rechtsprechung verneint. Die Kammer ist jedoch der Ansicht, daß der Schutzzweck der §§ 823 ff BGB auch die Nebenklägervergütung als Unfallschaden – jedenfalls im vorliegenden Fall – umfaßt. Ausgangspunkt für die ablehnende Haltung in Rechtsprechung und Literatur ist die Entscheidung des BGH vom 17. Mai 1957 (VersRecht 1957, 599), in der jedoch ein anderer Sachverhalt zu Grunde lag. Dort ging es um die Frage, ob der Unfallgeschädigte, gegen den auch ein Strafverfahren eingeleitet worden war und der dann freigesprochen worden ist, vom verurteilten Schädiger seine Verteidigerkosten ersetzt verlangen kann. Einen solchen Anspruch hat der Bundesgerichtshof mit der Begründung abgelehnt, es gehöre zum allgemeinen Risiko eines jeden Staatsbürgers, in ein Strafverfahren verwickelt zu werden. Der dabei entstehende Schaden sei daher nicht vom Schutzzweck des § 823 BGB gedeckt. In einem späteren Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH VersRecht 60, 405) allerdings auch einen materiellen Anspruch auf Erstattung der Nebenklägerkosten verneint, ohne jedoch diese Ansicht zu begründen. Eine solche Ausweitung überzeugt aber nicht, denn man wird kaum ohne nähere Begründung die Vergleichbarkeit von Verteidigerkosten und der Nebenklagekosten bejahen können. Die Vorschrift des § 823 BGB will durch das Verbot, die Rechtsgüter anderer zu verletzten, und durch die Pflicht zur Wiedergutmachung gegen alle Gefahren schützen, die sich bei ihrer Verletzung ergeben. Dem Schädiger werden die Folgen der Verletzung der geschützten Rechtsgüter zugerechnet. In diesem Rahmen sind die Interessen des Geschädigten durch § 823 BGB geschützt. Davon ausgehend ist anzuerkennen, daß der zunächst angeklagte, dann aber freigesprochene Unfallbeteiligte seine Verteidigerkosten nicht ersetzt verlangen kann. Es ist eben nicht eine unmittelbare Folge der Verletzungshandlung, daß gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet worden ist. Anders ist aber die Lage des Nebenklägers zu beurteilen, wenn er sich durch das Verhalten des Schädigers oder dessen Versicherung dazu gedrängt sieht, als Nebenkläger aufzutreten. So war es aber im Verhältnis der Parteien zueinander. Die Klägerin hatte die Beklagte zu 2) mehrfach aufgefordert zu erklärten, ob sie die Haftung dem Grunde nach in voller Höhe anerkenne. Die Beklagte zu 2) hat jedoch zu keinem Zeitpunkt dargelegt, aus welchen Gründen Einwendungen zum Haftungsgrund bestanden. Mit Schreiben vom 29. Oktober 1976 teilte sie dann der Klägerin mit, daß sie auf jeden Fall vor ihrer Entscheidung den Ausgang des Strafverfahrens abwarten wolle. Aufgrund dieses Verhaltens der Beklagten zu 2) sah sich die Klägerin verständlicherweise dazu gedrängt, ihre Rechte als Nebenklägerin wahrzunehmen. Dazu hatte sie sich zwar nicht von Gesetztes wegen anwaltlich vertreten lassen müssen, andererseits wird man ihr aber nicht verwehren können, einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen zu betrauen, denn als Rechtsunkundige hätte sie Gefahr laufen können, ihre Schadensersatzansprüche zumindest teilweise zu verlieren. Wie wichtig es für die Klägerin war, als Nebenklägerin aufzutreten und sich anwaltlich vertreten zu lassen, zeigt auch die Tatsache, daß ihr Prozessbevollmächtigter wesentlichen Einfluß auf den Ausgang des Verfahrens genommen hat, indem er die Aufnahme einer wichtigen Zeugenaussage im Protokoll erwirkte. Wenn sich aber der Geschädigte aufgrund des Verhaltens des Schädigers geradezu dazu gedrängt sieht, seine Rechte auf Wiedergutmachung auch in der Rolle des Nebenklägers zu verfolgen, so sind die dabei entstehenden Kosten noch vom Schutzzweck des § 823 BGB gedeckt. Der Einwand der Beklagten zu 2), sie habe nur deshalb die Schadensersatzansprüche der Klägerin nicht beschieden, weil sie nicht in das Strafverfahren habe eingreifen wollen, ist demgegenüber ohne Bedeutung. Zudem ist schwerlich einzusehen, inwiefern sie durch ein Anerkenntnis der Schadensersatzforderung der Klägerin Einfluß auf das Strafverfahren hätte nehmen können.</p>
<span class="absatzRechts">35</span><p class="absatzLinks">3.)</p>
<span class="absatzRechts">36</span><p class="absatzLinks">Weitere Einwände gegen die Erstattungsfähigkeit der Nebenklagekosten werden damit begründet, die strafprozessuale Kostenentscheidung müsse abschließende Bedeutung für das Verhältnis zwischen Nebenkläger und Angeklagten haben; in der Kostenregelung des Strafprozesses komme der allgemeine Grundsatz zum Ausdruck, daß der Prozeßerfolg über die Kostenlast zwischen den Parteien entscheiden solle (BGHZ 24, 263). Diese Grundsätze sind insofern einleuchtend, als sie den Fall betreffen, daß der Schädiger im Strafverfahren freigesprochen worden ist. Tatsächlich erscheint es wenig sachgerecht, wenn der Angeklagte zunächst im Strafverfahren mit der Folge freigesprochen wird, auch die Kosten des Nebenklägers nicht tragen zu müssen, er dann aber im zivilrechtlichen Verfahren doch zur Zahlung verurteilt wird. Bei näherer Prüfung kann hierin jedoch ein rechtlich zu beachtender Widerspruch nicht gesehen werden.</p>
<span class="absatzRechts">37</span><p class="absatzLinks">Die genannten Bedenken bestehen nämlich schon dann nicht, wenn der Angeklagte verurteilt worden ist. Allerdings hat der Bundesgerichtshof auch für diesen Fall, allerdings wiederum ohne Angabe von Gründen, die für den Freispruch geltenden Grundsätze angewandt (BGH VersRecht 58, 417). Bei genauerer Betrachtung überzeugt diese Entscheidung jedoch nicht. Mit seiner These von der "stabilisierenden" Bedeutung der Kostenentscheidung wollte der Bundesgerichtshof begründen, daß eine rechtskräftige Kostenentscheidung Bestand haben muß. Dieser Grundsatz wird jedoch nicht beeinträchtigt, wenn man die Durchsetzbarkeit der Erstattung von Nebenklagekosten im Zivilprozeß bejaht.</p>
<span class="absatzRechts">38</span><p class="absatzLinks">Die strafprozessuale Entscheidung wird nämlich durch die zivilrechtliche nicht berührt. Beide ergehen auf verschiedenen Ebenen und für beide sind ganz unterschiedliche Tatsachen und Umstände maßgebend. Strafprozeß und Zivilprozeß sind zwei unterschiedliche Prozeßarten und ohne unmittelbaren Einfluß aufeinander. So kann der Schädiger durchaus freigesprochen werden vom Vorwurf einer fahrlässigen Tötung, während er im Zivilprozeß zum Schadesersatz verurteilt werden kann. Ebenso kann auch der strafprozessuale Kostentitel des Nebenklägers keinen Einfluß auf den Umfang der Schadensersatzpflicht haben. Auch wenn beide Entscheidungen im Ergebnis geradezu zuwiderlaufen, so wird dadurch keineswegs der Bestand oder die Rechtmäßigkeit des einen oder anderen Titels berührt. Beide Entscheidungen haben ihre Berechtigung darin, daß grundsätzlich für die Beurteilung der Rechtslage in Straf- und Zivilverfahren unterschiedliche Maßstäbe anzulegen sind.</p>
<span class="absatzRechts">39</span><p class="absatzLinks">4.)</p>
<span class="absatzRechts">40</span><p class="absatzLinks">Schließlich konnte die Erledigung der Hauptsache nur eintreten, wenn die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer auch verpflichtet war, die Nebenklagekosten zu ersetzen. Das ist der Fall. Ihre Verpflichtung dazu ergibt sich aus den §§ 149 VVG, 10 Abs. 1 AKB und 3 Abs. 1 AHB, denn der zivilrechtliche Anspruch auf Erstattung der Nebenklagekosten gehört zu den nach § 149 VVG zu ersetzenden Schadensersatzansprüchen.</p>
<span class="absatzRechts">41</span><p class="absatzLinks">Nach alledem ist das Zahlungsbegehren der Klägerin in der Hauptsache zu einem Teilbetrag in Höhe von 559,15 DM erledigt.</p>
<span class="absatzRechts">42</span><p class="absatzLinks">Der darüber hinausgehende Zahlungsanspruch ist unbegründet, denn die Ansprüche auf Erstattung der Betriebshilfekosten sind gemäß § 1542 RVO auf die Sozialversicherungsträge übergegangen. </p>
<span class="absatzRechts">43</span><p class="absatzLinks">II.</p>
<span class="absatzRechts">44</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist als unzulässig abzuweisen, soweit die Klägerin mit ihrem Antrag zu 2. Feststellung eines Rechtsverhältnisses begehrt. Ihr fehlt für ihr Klagebegehren das Rechtsschutzinteresse. Ihr Feststellungsantrag bezieht sich nach ihrem eigenen Vorbringen auf Ersatzansprüche für die Betriebshilfekosten. Derartige Ansprüche stehen ihr jedoch nicht zu, da diese gemäß § 1542 RVO auf die Sozialversicherungsträge übergegangen sind. Sie hat auch nicht dargelegt, daß nach Zahlung durch die öffentlich rechtlichen Versicherungsträger noch Spitzenbeträge übrigbleiben, die sie belasten und von keiner anderer Seite erstattet werden. Allein die entfernte und gedachte Möglichkeit, daß sie irgendwelche Spitzenbeträge belasten könnten, gibt ihr noch nicht das Rechtsschutzinteresse für ihren Feststellungsantrag.</p>
<span class="absatzRechts">45</span><p class="absatzLinks">III.</p>
<span class="absatzRechts">46</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung ergeht nach §§ 91 a, 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 710 Satz 1 ZPO.</p>
<span class="absatzRechts">47</span><p class="absatzLinks">Der Streitwert wird festgesetzt für den Antrag zu 1) auf 4.765,15 DM und für den Antrag zu 2) auf 40.000,00 DM.</p>
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"id": 804,
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} | 1 O 448/76 | 1977-03-08T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:38 | 2019-03-27T09:41:33 | Urteil | ECLI:DE:LGBN:1977:0308.1O448.76.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil # U ##/## OLG L vom ##.##.#### ist unzulässig.</p>
<p></p>
<p>Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, den Beklagten 199, 09 DM zu zahlen. </p>
<p>Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. </p>
<p>Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. </p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="h2 absatzLinks">T a t b e s t a n d: </p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Durch das im Urteilstenor genannte Urteil des Oberlandesgerichts L ist die in der Klageschrift wiedergegebene Enteignungsentschädigung festgesetzt worden in Form bestimmter Geldbeträge und Verzinsung für bestimmte Zeiträume sowie der laufenden Verzinsung eines Betrages von 23.364,84 DM mit 5 % ab 30.9.1974. </p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat diese Beträge und die Verzinsung am 5.3.1975 gezahlt mit Ausnahme von 5 % Zinsen von 17.250,32 DM für die Zeit vom 15.9.1969 bis 14.9.1974, welche 4.279,28 DM betragen. Dieser Betrag ist am 10.2.1976 gezahlt worden. </p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten haben 5 % Zinsen von diesem Betrag vom 5.3.1975 bis 10.2.1976 = 199,09 DM verlangt und deswegen die Zwangsvollstreckung aus dem oben genannten Urteil angedroht. </p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin macht geltend, sie habe den Titel erfüllt. Da es sich bei der Enteignungsentschädigung um einen einheitlichen Anspruch handele, sei eine Anrechnung ihrer Teilzahlung vom 5.3.1974 auf Kosten, Zinsen und Hauptschuld nach § 367 BGB entgegen der Ansicht der Beklagten nicht möglich. Diese Zahlung sei also gemäß § 366 Abs. 2 BGB auf die lästigere Schuld, also auf die Verzinsung anzurechnen. </p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt, </p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Oberlandesgerichts L vom ##.##.#### -# U ##/##- für unzulässig zu erklären. </p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Die Beklagten beantragen </p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Klageabweisung. </p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Sie haben hilfsweise Widerklage erhoben mit dem Antrag, </p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">die Klägerin zur Zahlung von <i>199,09 </i>DM an die Beklagten zu verurteilen. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Sie meinen, es handele sich um echte Zinsen, <i>wie </i>schon die Formulierung des Urteilstenors zeige. Anderenfalls müsse der Verzinsungsbetrag von 4.279,21 DM als Hauptforderung verzinst werden, mit deren Erfüllung die Klägerin in Verzug gewesen sei. Sie, die Beklagten, hätten deshalb Bankkredit zu mehr als 5 % Zinsen aufgenommen. </p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin beantragt </p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Abweisung der Widerklage. </p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze und im übrigen auf die beigezogenen Akten # U ##/## OLG L = # O ##/## LG C verwiesen. </p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Entscheidungsgründe: </p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist aus § 767 ZPO begründet. </p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Die Klägerin hat den durch Urteil des Oberlandesgerichts titulierten Anspruch der Beklagten auf Enteignungsentschädigung durch ihre unstreitigen Zahlungen vom 5.3.1975 und 10.2.1976 von zusammen 30.451,97 DM erfüllt, wie ihre unbestrittene Rechnung in der Klageschrift zeigt. </p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Anrechnung der Teilzahlung vom 5.3.1975 durch die Beklagten auf Kosten, Zinsen und Hauptleistung ist nicht zutreffend. Denn es handelt sich bei der im Urteil angeordneten Verzinsung der genannten Beträge nicht um Zinsen und bei der ausgesprochenen Verpflichtung zum Ersatz von im Entschädigungsfeststellungsverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten nicht um Kosten im Sinne des § 367 BGB. Vielmehr stellen alle angeordneten Zahlungen, gleichgültig ob in Form eines bezifferten Betrages, einer Verzinsung oder des in Frage stehenden Kostenersatzes, zusammen die Enteignungsentschädigung dar, die ihre Rechtsnatur nach einen einheitlichen Anspruch beinhaltet. Die gemäß § 36 des Preußischen Enteignungsgesetzes vorgesehene Verzinsung ist keine wiederkehrende Leistung im Sinne des § 367 BGB, sondern die besondere Art der Entschädigungsbemessung. Die Erstattung der Anwaltskosten betrifft einen Folgeschaden der Enteignung und ist Teil der einheitlichen Entschädigung. Beide sind Rechnungsposten. </p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Aus der Einheitlichkeit des Entschädigungsanspruches und dementsprechend der Schuld der Klägerin folgt gemäß § 366 Abs. 2 BGB, da eine Bestimmung der zu tilgenden Rechnungsposten bei der Zahlung unstreitig nicht erfolgt ist, alle Posten fällig waren und den Beklagten die gleiche Sicherheit boten, dass zunächst die laufende Zinsverpflichtung in Höhe von 5 % von 23.364,84 DM ab 30.9.1974 bis zur Zahlung am 5.3.1975 ganz und danach die übrigen Rechnungsposten verhältnismäßig getilgt worden sind. Der verbleibende Restbetrag von unstreitig 4.279,28 DM ist am 10.2.1976 gezahlt worden. Da es sich bei den einzelnen Posten der titulierten Enteignungsentschädigung nur bei der vorgenannten Verzinsung ab 30.9.1974 um eine laufende Zinspflicht, im übrigen aber um bezifferte Beträge und nur um Zinsen für fest begrenzte Zeiträume handelte, diese Zinsbeträge also bei einer späteren Zahlung nicht größer wurden, hat sich die titulierte Restschuld der Klägerin bis zu der Restzahlung am 10.2.1976 nicht mehr vergrößert. Mit dieser Zahlung war die Verpflichtung aus dem Titel erfüllt mit der Folge, daß eine Zwangsvollstreckung daraus unzulässig ist. </p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Die hilfsweise erhobene Widerklage auf Verzinsung des nach der Teilzahlung vom 5.3.1975 offen gebliebenen Restbetrages von 4.279,28 DM bis zu der am 10.2.1976 erfolgten restlichen Zahlung ist zulässig und begründet aus §§ 288, 286 BGB. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Voraussetzungen hierfür, nämlich Zahlungsverzug der Klägerin ab 5.3.1975 und dadurch bedingter Schaden der Beklagten durch notwendige Kreditaufnahme zu mindestens 5 % Zinsen, sind ebensowenig bestritten, wie die Höhe des Zinsbetrages. Soweit in dem am 5.3.1975 offen gebliebenen Rest Zinsbeträge enthalten waren, steht § 289 BGB der Widerklage nicht entgegen, weil es sich nicht um Zinsen im Sinne dieser Vorschrift handelt, sondern um Posten der einheitlichen Enteignungsentschädigung. </p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 709 Ziff. 4 ZPO. </p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Streitwert: <i>398,18 DM </i></p>
|
316,048 | fg-dusseldorf-1977-01-31-xv-x-3974-um | {
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"jurisdiction": "Finanzgerichtsbarkeit",
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} | XV (X) 39/74 UM | 1977-01-31T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:40 | 2019-03-27T09:41:33 | Urteil | ECLI:DE:FGD:1977:0131.XV.X39.74UM.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>„Auszugsweise Abschrift der Begründung der Entscheidung (Urteil) des Finanzgerichts Düsseldorf vom 31.01.1977, Az. XV (X) 39/74 UM.</p>
<p></p>
<p></p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">"Auszugsweise Abschrift der Begründung der Entscheidung (Urteil) des Finanzgerichts Düsseldorf vom 31.01.1977, Az. XV (X) 39/74 UM.</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks"><b><u>G r ü n d e :</u></b></p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Streitig ist, ob der Umsatz von Münzen, die noch gesetzliche Zahlungsmittel sind, nach § 4 Nr. 8 Umsatzsteuergesetz – UStG – steuerbefreit ist.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Der Kläger ist Münzhändler. Im Streitjahr hat er neben dem An- und Verkauf von Medaillen und numismatischer Literatur auch den An- und Verkauf von Münzen betrieben.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">In der Umsatzsteuererklärung von 1970, die der Beklagte in vollem Umfang der Veranlagung zugrunde gelegt hatte, erklärte er die Besteuerungsgrundlagen wie folgt:</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Steuerbare Umsätze 43.146,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">./. steuerfreie Umsätze (gültige Zahlungsmittel) <u>18.551,-- DM</u></p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">zu versteuern 24.595,-- DM</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Umsatzsteuer (4 %) 983,80 DM.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Gegen den Umsatzsteuerbescheid hat der Kläger Einspruch eingelegt, weil er bei der Berechnung der Besteuerungsgrundlagen vergessen hatte, den Freibetrag gem. § 19 Abs. 2 UStG in Höhe von 12.000,-- DM abzuziehen.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte teilte ihm daraufhin mit, daß der Freibetrag zwar berücksichtigt werden könne, gleichzeitig aber eine Überprüfung der Veranlagung nach § 248 Abs. 2 Reichsabgabenordung – AO – a.F. ergeben habe, daß ihm – dem Kläger – zu Unrecht die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 8 UStG gewährt worden sei. </p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Gegen den geänderten Bescheid hat der Kläger Klage erhoben.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Er trägt vor: Die Umsätze von gesetzlichen Zahlungsmitteln seien steuerfrei. Da keine Bank und kein Händler in der ganzen Bundesrepublik Mehrwertsteuer für solche Umsätze in Rechnung stelle, weigere er sich, diese zu bezahlen.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Der Kläger beantragt sinngemäß,</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks" style="margin-left:35px">Umsatzsteuerfreiheit für gesetzliche Zahlungsmittel in Höhe von 18.551,-- DM im Jahre 1970 zu gewähren.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Der Beklagte beantragt,</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">die Klage abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Er ist der Auffassung, § 4 Nr. 8 UStG sei nicht anwendbar, da die streitigen Münzen nicht als Geldsorte, sondern als Ware gehandelt worden seien.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Die Klage ist nicht begründet.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Nach § 4 Nr. 8 UStG werden u.a. die Umsätze gesetzlicher Zahlungsmittel von der Umsatzsteuer befreit ohne Rücksicht darauf, ob es sich um in- oder ausländische Zahlungsmittel handelt. Der Beklagte hat zu Recht bei der Überprüfung des gesamten Steuerbescheides im Einspruchsverfahren nach § 248 Abs. 2 AO die Anwendung dieser Befreiungsvorschrift versagt; denn nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift sind nur die Umsätze von solchen gesetzlichen Zahlungsmitteln befreit, die als Geldsorte und nicht als Ware gehandelt werden.</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Es ist streitig, inwieweit § 4 Nr. 8 UStG auf die Umsätze von Münzen, die gesetzliche Zahlungsmittel sind, angewendet werden kann. In der Literatur wird – soweit ersichtlich – nur von Eckart-Weiß, Komm. zum UStG, 7. Aufl. § 4 Nr. 8 Tz 79-83 die Auffassung vertreten, daß Münzen selbst dann ihre Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel nicht verlieren, wenn sie – wie es beispielsweise bei den 5 DM-Silbermünzen heute vorkommt – für Sammlerzwecke in einer besonders sorgfältigen Fertigung von der durch den Bundesminister der Finanzen – BdF – geschaffenen Zentralstelle für Sammlermünzen zum erhöhten Preis bezogen werden. Nach dieser Meinung kommt es auf den objektiven Zweck als Geldmittel und nicht auf die subjektiven Motive des steuerpflichtigen Händlers wegen der jederzeit wieder abänderbaren Verwendung an. Eine ähnliche Auffassung vertritt der BdF (Erlaß vom 28.6.1955 – IV A 2-S 4138 – 11/55 –, USt-Kartei § 4 F 4139 K 55, gerichtet an den Bundesverband des privaten Bankgewerbes e.V. in Köln) "vorbehaltlich anderer Entscheidungen der Rechtmittelbehörden." Obwohl nach Auffassung des Senats in der Beurteilung des Umsatzes von Münzen und gültigen Briefmarken kein Unterschied bestehen kann, vertritt der BdF im Hinblick auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs – RFH – (Urteil des RFH vom 31.10.1941 V 152/41 in Reichssteuerblatt – RStBl – 1942, 285) die Auffassung, daß § 4 Nr. 8 UStG auf die Lieferung gültiger Postwertzeichen, die als Sammlermarken verkauft werden, keine Anwendung findet. </p>
<span class="absatzRechts">22</span><p class="absatzLinks">Die Grundsätze dieser Entscheidung sind aber auch hier anwendbar. Bereits in früheren Entscheidungen hat der RFH (vgl. Urteile vom 4.10.1921 V A 107, 108/21, in RStBl 1921, 407 und vom 10.4.1929 V A 601/28 in RStBl 1929, 374) eine subjektive auf den Willen der Parteien abgestellte Auslegung der jeweiligen Steuerbefreiungsvorschrift betrieben und die Steuerfreiheit für den Fall versagt, wenn gültige Gold- und Silbermünzen nicht als Geldsorten, sondern wegen ihres Gold- oder Silbergehaltes (z.B. in Inflationszeiten) oder wegen ihres Sammelwertes gehandelt werden (vgl. Hartmann-Metzenmacher, UStG, Komm., 6. Aufl., § 4 Nr. 8 Rdnr. 57, 59; ferner Paulick in der Deutschen Steuerzeitung 1941, S. 549 unter 6).</p>
<span class="absatzRechts">23</span><p class="absatzLinks">In Übereinstimmung mit die Rechtsprechung faßt der erkennende Senat die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 8 UStG dahingehend auf, daß Steuerfreiheit nur dann gegeben ist, wenn die Münzen ebenso wie die Briefmarken – zu dem ihnen in der Hauptsache zugeordneten Zweck, also als Geldmittel bzw. zum Freimachen von Postsendungen erworben werden. Dieser Zweck wird von Münzhändlern und Sammlern nicht angestrebt. Bei den vom Kläger verkauften Münzen handelt es sich, auch wenn sie zur Bezahlung von Ware verwendet werden können, nach Ansicht und Auffassung der Beteiligten nicht mehr um gesetzliche Zahlungsmittel im engeren Sinne der Befreiungsvorschrift. Die Absicht ist darauf gerichtet, die Münzen zu einem Handelsobjekt zu machen. Die Münzen haben damit ihre Eigenschaft als gesetzliche Zahlungsmittel verloren und sind Gegenstände einer Sammlertätigkeit, die für den Erwerber, was grundsätzlich schon wegen der branchenüblichen Kalkulationsaufschläge (so vor allem Paulick in der Deutschen Steuerzeitung 1941 a.a.O.) in dem Aufgeld zum Ausdruck kommt, einen höheren Wert besitzen und von ihm nicht zu dem Zweck erworben werden, dem Münzen dienen sollen. Die Verkehrsanschauung behandelt diese Münzen nicht anders, als außer Kurs gesetzte Münzen. Die Klage war daher abzuweisen.</p>
<span class="absatzRechts">24</span><p class="absatzLinks">Ob die übrigen Darlegungen des Klägers zur Begründung evtl. Billigkeitsmaßnahmen geeignet sind, konnte in diesem Verfahren nicht geprüft werden.</p>
<span class="absatzRechts">25</span><p class="absatzLinks">Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –.</p>
<span class="absatzRechts">26</span><p class="absatzLinks">Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Steuerpflicht solcher Umsätze wegen der im Geschäftsleben offensichtlich unklaren Handhabung unter dem Gesichtspunkt der Rechtsklarheit grundsätzliche Bedeutung beimißt.</p>
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316,049 | olgham-1976-12-27-15-w-7276 | {
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"name": "Oberlandesgericht Hamm",
"slug": "olgham",
"city": null,
"state": 12,
"jurisdiction": null,
"level_of_appeal": "Oberlandesgericht"
} | 15 W 72/76 | 1976-12-27T00:00:00 | 2019-03-13T15:21:41 | 2019-03-27T09:41:33 | Beschluss | ECLI:DE:OLGHAM:1976:1227.15W72.76.00 | <h2>Tenor</h2>
<p>Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.</p>
<p>Auf die erste Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluß des Rechtspflegers des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 21. Juni 1974 aufgehoben.</p>
<p>Der Rechtspfleger des Amtsgerichts Lüdenscheid wird angewiesen, den mit Schreiben vom 7. Februar 1974 und in der Urkunde vom 20. Dezember 1973 gestellten Anträgen auf Eintragung von Nießbrauchsrechten an Gesellschaftsanteilen nach Maßgabe der folgenden Beschlußgründe stattzugeben.</p>
<p></p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks"><b>Gründe:</b></p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Die Firma ... in Lüdenscheid war eingetragene Eigentümerin der in den Grundbüchern des Amtsgerichts Lüdenscheid von ... Blatt ... und ... und von ... Blatt verzeichneten Grundstücke. Diese Grundstücke sind im einzelnen in Ziffer I 1 eines notariellen Vertrages vom 20. Dezember 1973 (Urkundenrolle Nr. 1295/1973 des Notars ... in ...) aufgeführt. An der Kommanditgesellschaft sind der Beteiligte zu 1) als persönlich haftender Gesellschafter und die Beteiligten zu 2) bis 9) als Kommanditisten beteiligt. Die Gesellschaftsanteile der Beteiligten zu 2) bis 4) sind zu bestimmten Quoten mit Nießbrauchsrechten zugunsten des Beteiligten zu 1), ihres Vaters, die des Beteiligten zu 6) in ähnlicher Weise zugunsten der Beteiligten zu 5), seiner Mutter, und die der Beteiligten zu 8) und 9) zugunsten der Beteiligten zu 7), ihrer Mutter, belastet.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">In dem erwähnten notariellen Vertrage vom 20. Dezember 1973 haben die Gesellschafter der Kommanditgesellschaft vereinbart, daß sie die erwähnten Grundstücke aus dem Vermögen der Kommanditgesellschaft ausgliedern und den Gesellschaftern nach dem Verhältnis zuteilen, in dem diese am Vermögen der Kommanditgesellschaft beteiligt sind. Die mit Nießbrauchsrechten an ihren Gesellschaftsanteilen belasteten Gesellschafter der Kommanditgesellschaft haben sich verpflichtet, an den ihnen durch Ausgliederung zugeteilten Grundstücksanteilen wiederum Nießbrauchsrechte für die betreffenden Nießbraucher mit gleich hohen Quoten zu bestellen. Von den ihnen zugeteilten Miteigentumsanteilen an den Grundstücken hat der Beteiligte zu 1) seine Anteile dem Beteiligten zu 2), die Beteiligte zu 5) ihre Anteile dem Beteiligten zu 6) und die Beteiligte zu 7) ihre Anteile zu gleichen Teilen den Beteiligten zu 8) und 9) geschenkt. Diese Zuteilungen und Schenkungen, letztere sind unter dem Vorbehalt der vollen Nutznießung geschehen, haben die Vertragsbeteiligten durch Eigentumsübertragungen auf die Gesellschafter in Gesellschaft bürgerlichen Rechts erfüllt: Auf Grund der Ausgliederung aus der Kommanditgesellschaft und der Schenkungen sind nämlich als Anwärter auf das Grundstückseigentum mit genau errechneten Anteilen die Beteiligten zu 2) bis 4), 6), 8) und 9) bezeichnet worden, die in dem notariellen Vertrag eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gegründet haben, in die die aus dem Vermögen der Kommanditgesellschaft ausgegliederten Grundstücke eingebracht worden sind. Die Gesellschafter bürgerlichen Rechts wiederum sind verpflichtet worden, an ihren Gesellschaftsrechten Nießbrauchsrechte zu bestellen, und zwar die Beteiligten zu 2) bis 4) zugunsten ihres Vaters, des Beteiligten zu 1), im Überlebensfalle auch noch zugunsten ihrer Mutter, der Beteiligte zu 6) zugunsten seiner Mutter, der Beteiligten zu 5), im Überlebensfalle auch noch zugunsten seines Vaters, und die Beteiligten zu 8) und 9) zugunsten ihrer Mutter, der Beteiligten zu 7). Diese Bestellungen sind jeweils auf Lebenszeit durch die Beteiligten vorgenommen worden. In Ziffer I 6 e des Vertrages haben die Beteiligten vereinbart, daß die Nießbrauchsrechte, soweit rechtlich zulässig, als Verfügungsbeschränkung in die Grundbücher der betroffenen Grundstücke eingetragen werden sollen; die Vertragsbeteiligten haben diese Grundbucheintragungen bewilligt und beantragt. Ziffer I 9 des Vertrages enthält bezüglich der Grundstücke die Auflassungen und die Anträge sowie die Bewilligungen für die Eintragung der Eigentumswechsel unmittelbar von der Kommanditgesellschaft auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts.</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">Unter Überreichung der notariellen Urkunde vom 20. Dezember 1973 und verschiedener anderer Eintragungsunterlagen hat der Urkundsnotar mit Begleitschreiben vom 7. Februar 1974 beim Grundbuchamt unter Hinweis auf § 15 GBO beantragt, den in der Urkunde gestellten Anträgen (Eintragung der Eigentumswechsel und der Bestellung von Nießbrauchsrechten an den Gesellschaftsanteilen) zu entsprechen. Nachdem der Rechtspfleger des Grundbuchamts bereits in einer Verfügung vom 1. März 1974 Bedenken gegen die Eintragung der Nießbrauchsrechte "als Verfügungsbeschränkungen" geäußert und diese in einer weiteren Verfügung vom 29. April 1974 aufrechterhalten hatte, hat er durch Beschluß vom 21. Juni 1974 diesen Eintragungsantrag zurückgewiesen, da die Bestellung eines dinglichen Nießbrauchs an dem Gesellschaftsanteil einer BGB-Gesellschaft nicht möglich sei. Der Eigentumswechsel an den Grundstücken auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der nicht an den Vorbehalt des § 16 Abs. 2 GBO geknüpft war, ist dagegen am 12. Juli 1974 im Grundbuch eingetragen worden. Der Erinnerung der Beteiligten vom 10. Juli 1974 gegen den zurückweisenden Beschluß haben Rechtspfleger und Richter nicht abgeholfen. Das Landgericht hat die als Beschwerde geltende Erinnerung durch Beschluß vom 4. November 1975 zurückgewiesen. Es hat zwar die von den Vertragsbeteiligten vereinbarte Nießbrauchsbestellung an den gesamten aus der Beteiligung an der BGB-Gesellschaft erwachsenden Rechten anerkannt, eine Grundbucheintragung aber dennoch abgelehnt, weil es nach dem Gesellschaftsvertrage bezüglich der Verfügung über Gesellschaftsanteile im Verhältnis zu Dritten, die nicht Gesellschafter der ... und gleichzeitig der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ... seien, bei der Regel des § 719 BGB verbleibe; gutgläubiger Erwerb von Geschäftsanteilen oder von Anteilen eines Gesellschafters am Grundvermögen sei auf Grund der Eintragung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgeschlossen. Gegen die Beschwerdeentscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten vom 23. Februar 1976 mit dem Antrage, unter Aufhebung der Vorentscheidungen anzuordnen, daß den Anträgen auf grundbuchliche Eintragung von Verfügungsbeschränkungen bezüglich der eingeräumten Nießbrauchsrechte stattzugeben sei. Die Beteiligten sind der Auffassung, daß die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Eintragungsfähigkeit von Pfändung, Verpfändung oder Nießbrauchsbestellung eines. Erbanteils an einer Erbengemeinschaft, sofern ein Grundstück zum Nachlaß gehört, auch auf die Nießbrauchsbestellung an einem Gesellschaftsanteil anzuwenden seien.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Die statthafte und in der rechten Form eingelegte weitere Beschwerde ist begründet, weil die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 78 GBO). Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und auf die Erstbeschwerde auch der amtsgerichtlichen Entscheidung vom 21. Juni 1974 und zur Anweisung an das Grundbuchamt, den im Hinblick auf die Nießbrauchsrechte gestellten Eintragungsanträgen stattzugeben.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">Die Nießbrauchsbestellung an einem Gesellschaftsanteil einer BGB-Gesellschaft vollzieht sich, auch wenn ein Grundstück zum Gesellschaftsvermögen gehört, außerhalb des Grundbuchs, kann aber im Wege der Berichtigung (§§ 894 BGB, 22 Abs. 1 GBO) im Grundbuch eingetragen werden, weil sie eine Änderung der Befugnis, über dieses Grundstück zu verfügen, zur Folge hat.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Zur Klärung der grundbuchlichen folge einer Nießbrauchsbestellung an einem Gesellschaftsanteil hat das Landgericht im Ausgangspunkt seiner rechtlichen Erwägungen zutreffend auf die Rechtsgrundsätze verwiesen, die anläßlich der Belastung von Miterbenanteilen am ungeteilten Nachlaß, also im Rahmen einer anderen Gesamthandsgemeinschaft des bürgerlichen Rechts, entwickelt worden sind. Nach ganz herrschender Auffassung in Rechtsprechung (RGZ 90, 232 ff.; KGJ 33 A 226 ff.; Beschluß des Senats vom 19. Februar 1959 - 15 W 54/59 - = JMBLNRW 1959, 110) und Schrifttum (Brand/Schnitzler, Die Grundbuchsachen in der gerichtlichen Praxis, 9. Aufl., Seiten 149, 167 und 223; Ertl in Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, Grundbuchrecht Rz. 56 zu § 22 GBO; Meikel/Imhof/Riedel (MIR), Grundbuchrecht, 6. Aufl., Rz. 43 zu § 22 GBO; Palandt/Keidel, BGB, 35. Aufl., Anm. 2 c cc zu § 2033 BGB; Ripfel, NJW 1958, 692; Soergel/Manfred Wolf, BGB, 10. Aufl., Rz. 18 zu § 2033 BGB; Staudinger/Lehmann, BGB, 11. Aufl., Rz. 20 zu § 2033 BGB) kann dann, wenn ein Grundstück zum Nachlaß gehört, die Tatsache einer nach § 2033 Abs. 1 BGB möglichen Verpfändung eines Erbanteils im Wege der Berichtigung im Grundbuch (Abt. II) eingetragen werden, weil die eingetragenen Miterben zur Verfügung über das Grundstück der Zustimmung des Pfandgläubigers bedürfen. Die Verpfändung des Erbanteils hat die rechtliche Wirkung, daß der davon betroffene Miterbe zugunsten des Pfandgläubigers nicht nur in seiner Mitberechtigung am Gesamtnachlaß, sondern auch in der Verfügungsbefugnis hinsichtlich des Nachlaßgrundstückes beschränkt ist. Nach § 1276 BGB kann ein verpfändetes Recht nur mit Zustimmung des Pfandgläubigers durch Rechtsgeschäft aufgehoben oder in einer das Pfandrecht beeinträchtigenden Weise geändert werden. Verfügt ein Miterbe durch Verpfändung gemäß §§ 1273, 1274 BGB über seinen Miterbenanteil, so scheidet er zwar aus der Mitberechtigung nicht aus, es werden aber sein Anteil an dem gemeinschaftlichen Vermögen (§ 2032 Abs. 1 BGB) und damit seine Befugnis, gemeinsam mit den anderen Miterben über einen Nachlaßgegenstand zu verfügen (§ 2040 Abs. 1 BGB), zugunsten des Pfandgläubigers beschränkt. Dessen Pfandrecht unterliegt zwar nur das Anteilsrecht des Miterben an dem ungeteilten Nachlaß als einem Inbegriff von Rechten und Pflichten; ein Anteil eines Miterben an einem zum Nachlaß gehörenden Grundstück kann nach § 2033 Abs. 2 BGB nicht verpfändet werden. Es wird aber mindestens als Beeinträchtigung des Pfandrechts an dem Erbteil angesehen, wenn der verpfändende Miterbe das zum Nachlaß gehörende Grundstück in Gemeinschaft mit den anderen Miterben ohne Berücksichtigung der Verpfändung gemäß § 2040 Abs. 1 BGB veräußern oder belasten würde. Es würde dadurch ein Gegenstand, der von dem verpfändeten Anteilsrecht ergriffen wird und <u>ihm</u> mit den anderen Nachlaßgegenständen Inhalt und Wert verleiht, dem Anteilsrechte entzogen werden oder in seiner Verwertbarkeit eine Einbuße erleiden (RGZ 90, 232, 236). Auf diesem Grunde kann der Miterbe, der seinen Erbteil verpfändet hat, nicht mehr in Gemeinschaft mit den anderen Miterben frei über das Grundstück verfügen, sondern bedarf vielmehr dazu der Zustimmung des Pfandgläubigers, damit die Verfügung diesem Gläubiger gegenüber wirksam ist. Das Pfandrecht an dem Erbteil kann - ebenso wie die sich außerhalb des Grundbuchs mit dinglicher Wirkung vollziehende Übertragung eines Erbteils - im Grundbuch des Nachlaßgrundstücks eingetragen werden, damit das eingetragene Gesamteigentum der Miterben hinsichtlich des Anteils des verpfändenden Miterben in seiner wirklichen Ausgestaltung (Zustimmungserfordernis des Pfandgläubigers bei Verfügungen) aus dem Grundbuch ersichtlich wird. Es handelt sich also nicht um die Eintragung eines Rechts an dem Grundstück, sondern es wird im Grundbuch die <u>Tatsache der Verpfändung</u> des Miterbenanteils am Gesamtnachlaß wegen der verfügungsbeschränkenden Wirkung des Pfandrechts verlautbart.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Diese Eintragung bedeutet nicht die Wiedergabe einer rechtsgeschäftlichen Verfügungsbeschränkung, die nach § 137 BGB unzulässig wäre. Vielmehr zeigt das Grundbuch eine Folge auf, die sich an die Belastung des Erbteils mit einem dinglichen Recht knüpft, eine Verminderung der Verfügungsrechte des Miterben durch die notwendige Mitwirkung des Pfandgläubigers (RG, KG, OLG Hamm, Ripfel, jeweils a.a.O.). Die Eintragung der Erbteilsverpfändung bewirkt auch keine nach § 2033 Abs. 2 BGB unzulässige dingliche Belastung eines Miterbenanteils an dem Nachlaßgrundstück noch eine pfandrechtliche Belastung des Grundstücks selbst, die nach dem BGB nur durch Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld möglich wäre.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Auf die Veräußerung des Nachlaßgrundstücks wirkt sich das Pfandrecht an einem Erbteil im Sinne einer Verfügungsbeschränkung für sämtliche Miterben aus, die gemäß §§ 135, 892 Abs. 1 S. 2, 1276 BG: den gutgläubigen Erwerb des Grundstücks zum Nachteil des Erbteilspfandgläubigers ausschließt. Personen, die von der Verpfändung des Erbteils und der dadurch bewirkten Verfügungsbeschränkung des Miterben keine Kenntnis haben, könnten eine Nachlaßsache oder ein Recht daran oder ein Recht an einem Grundstücksrecht frei von dem Erbteilspfandrecht gutgläubig erwerben (vgl. §§ 892, 932, 936, 1032, 1207 BGB). Wenn die Erbteilsverpfändung im Grundbuch eingetragen ist, ist der Pfandgläubiger gegen Beeinträchtigungen des zum Nachlaß gehörigen Grundeigentums geschützt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Die <u>Pfändung</u> des Erbteils eines Miterben hat dieselben Wirkungen wie die Erbteilsverpfändung (§§ 859 Abs. 2, 804 ZPO). Auch sie kann daher im Wege der Berichtigung in das Grundbuch des zum Nachlaß gehörenden Grundstücks eingetragen werden, um die gemeinschaftliche Verfügung der Miterben dem gutgläubigen Dritten gegenüber von der Zustimmung des Pfandgläubigers abhängig zu machen (BayObLG, NJW 1959, 1780; KG, OLG 12, 366; Güthe/Triebel, GBO, 6. Aufl., Seite 1843; Palandt/Keidel, Anm. 2 c cc zu § 2033 BGB; MIR, Rz. 43 zu § 22 GBO; Ripfel, NJW 1958, 692; Soergel/Manfred Wolf, Rz. 18 zu § 2033 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Schließlich ist auch die Bestellung eines <u>Nießbrauchs</u> an einem Erbteil (§ 1069 BGB) eintragungsfähig. Nach § 1071 BGB kann ein dem Nießbrauch unterliegendes Recht durch Rechtsgeschäft nur mit Zustimmung des Nießbrauchers aufgehoben werden; gleiches gilt im Falle einer Änderung des Rechts, sofern sie den Nießbrauch beeinträchtigt. Auch hierbei würde es zumindest eine Beeinträchtigung des Nießbrauchs an dem Erbteil bedeuten, wenn der den Nießbrauch bestellende Miterbe ein zum Nachlaß gehörendes Grundstück in Gemeinschaft mit den anderen Miterben ohne Berücksichtigung seiner Nießbrauchsbestellung veräußern oder belasten würde. Die Tatsache der Nießbrauchsbestellung muß daher zur Verhinderung gutgläubigen Erwerbs aus dem Grundbuch ersichtlich gemacht werden können. Folgerichtig ist demnach die Auffassung, daß der am Anteil des Miterben am ungeteilten Nachlaß bestellte Nießbrauch im Grundbuch eines Nachlaßgrundstückes eingetragen werden kann (RG, DNotZ 1937, 578 zu Nr. 12; Brand/Schnitzler, Seite 233).</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Die hier dargelegten Rechtsgrundsätze haben nach der Auffassung des Senats auch dann zu gelten, wenn Gegenstand der Belastung mit einem Pfandrecht oder Nießbrauch nicht der Anteil eines Miterben am ungeteilten Nachlaß ist, sondern der <u>Anteil des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts</u> (vgl. dazu § 719 Abs. 1 BGB und Palandt/Thomas, Anm. 1 zu § 717 BGB).</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Zwischen der Erbengemeinschaft und der BGB-Gesellschaft besteht allerdings ein wesentlicher Unterschied im Hinblick auf die Verkehrsfähigkeit der gesamthänderischen Vermögensbeteiligungen der Mitglieder. Während nach § 2033 Abs. 1 BGB als Abweichung von gesamthänderischen Grundsätzen jeder Miterbe über seinen Anteil an dem Nachlasse verfügen kann, untersagt § 719 Abs. 1 BGB - ähnlich wie § 1419 Abs. 1 BGB dem Ehegatten im Güterstand der Gütergemeinschaft - dem Gesellschafter eine Verfügung über seinen Anteil an dem Gesellschaftsvermögen. Die §§ 717, 719 BGB sind nach durchweg anerkannter Auffassung jedoch nachgiebiges Recht (Erman/Ronke, BGB 6. Aufl., Rz. 5 zu § 1069 BGB; Palandt/Bassenge, Anm. 4 b zu § 106 BGB; Soergel/Baur, Rz. 7 zu § 1068 BGB; Staudinger/Spreng, Rz. 3 zu § 1069 BGB). Sieht es der Gesellschaftsvertrag vor oder sind die Gesellschafter damit einverstanden, daß der Gesellschaftsanteil übertragen oder belastet wird, so kann nach dieser Auffassung, der auch der Senat zustimmt, ein Nießbrauch an dem Gesellschaftsanteil bestellt werden.</p>
<span class="absatzRechts">14</span><p class="absatzLinks">Innerhalb der Urkunde vom 20. Dezember 1973 ist zwar nach § 11 des mitbeurkundeten Gesellschaftsvertrages die Belastung von Gesellschaftsanteilen mit Rechten Dritter (Pfandrecht, Nießbrauch) ausgeschlossen worden. § 16 sieht demgegenüber zur Erhaltung gleichmäßiger Beteiligung der Gesellschafter an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und am Kapital der Kommanditgesellschaft die Abtretung von Gesellschaftsanteilen oder Teilen von solchen vor. Wesentlich ist aber, daß in dem Vertrag vom 20. Dezember 1973 die Gesellschaftsanteile der Gesellschafter bürgerlichen Rechts mit deren Zustimmung mit Nießbrauchsrechten zugunsten der Elterngeneration belastet worden sind.</p>
<span class="absatzRechts">15</span><p class="absatzLinks">Angesichts dieser Belastung mit Nießbrauchsrechten darf auch hier § 1071 BGB nicht übersehen werden, wonach ein dem Nießbrauch unterliegendes Recht durch Rechtsgeschäft nur mit Zustimmung des Nießbrauchers aufgehoben oder in einer den Nießbrauch beeinträchtigenden Weise verändert werden kann (vgl. für das Pfandrecht § 1276 BGB). Entsprechend den für die Belastung eines Erbanteils entwickelten Grundsätzen würde es aber zumindest eine Beeinträchtigung des Nießbrauchs bedeuten, wenn die Gesellschafter bürgerlichen Rechts ohne Zustimmung des Nießbrauchers über einen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstand verfügen könnten. Erst die Einzelgegenstände verleihen auch hier dem mit dem Nießbrauch belasteten Anteilsrechte am Gesellschaftsvermögen Inhalt und Wert. Eine Verfügung über die Einzelgegenstände ohne Zustimmung des Nießbrauchers könnte zur Aushöhlung des Nießbrauchs führen. Deshalb kann die durch Gesellschaftsvertrag oder durch Einverständnis der Gesellschafter ermöglichte Nießbrauchbestellung an dem Gesellschaftsanteil - dem Anteil am Gesellschaftsvermögen als einem Inbegriff von Sachen und Rechten (vgl. Palandt/Thomas, Anm. 1 zu § 719 BGB) - im Grundbuch der zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstücke berichtigend (auf Grund Nachweises nach § 22 GBO oder einer Bewilligung nach § 19 GBO) eingetragen werden, weil die Eintragung des Nießbrauches an dem Gesellschaftsanteil verhüten kann, daß der Nießbraucher durch gutgläubigen Grundstückserwerb eines Dritten eine Beeinträchtigung seines Rechtes erleidet.</p>
<span class="absatzRechts">16</span><p class="absatzLinks">Gegen die Eintragbarkeit der Belastung eines Gesellschaftsanteils wird geltend gemacht, die für die Erbengemeinschaft entwickelten Rechtsgrundsätze könnten nicht auf die BGB-Gesellschaft angewendet werden, weil für den Gesellschafter gemäß § 719 BGB eine Verfügung über den Gesellschaftsanteil ausgeschlossen sei, während der Miterbe nach § 2033 BGB über seinen Nachlaßanteil verfügen könne (AG Ahrensburg, Büro 1964, 844; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 19. Aufl., Anm. I 2 zu § 859 ZPO). Deshalb wird auch die Eintragung der nach § 859 Abs. 1 ZPO möglichen Pfändung des Anteils eines Gesellschafters an dem Gesellschaftsvermögen einer BGB-Gesellschaft abgelehnt (vgl. außer AG Ahrensburg und Stein/Jonas/Münzberg, jeweils a.a.O., ferner: OLG Dresden, SeuffA 64, 248; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 34. Aufl., Anm. 1 B b zu § 859 ZPO; Zöller/Scherübl, ZPO, 11. Aufl., Anm. 1 b zu § 859 ZPO). Demgegenüber bejaht eine andere Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum die berichtigende Eintragung der Pfändung eines Gesellschaftsanteils im Grundbuch (KG, DNotV 1928, 575 = HRR 1927 Nr. 2181; Güthe/Triebel, GBO, 6. Aufl., Seite 1843; MIR, Rz. 44 zu § 22 GBO).</p>
<span class="absatzRechts">17</span><p class="absatzLinks">Dieses Gegenargument überzeugt aber nicht. Für die Grundbucheintragung ist die Verkehrsfähigkeit des Gesellschaftsanteils allein insoweit notwendig, als sie Voraussetzung für die Belastung des Anteils mit einem Pfandrecht oder einem Nießbrauch ist. Diese Verkehrsfähigkeit ist entweder kraft Gesetzes (§ 859 Abs. 1 ZPO) gegeben oder gegen das Gesetz (§ 719 Abs. 1 BGB) durch Gesellschaftsvertrag oder Einverständnis der Gesellschafter herbeizuführen. Die Eintragung einer Belastung des Gesellschaftsanteils soll ihre eigentliche Wirkung nicht bei Verfügungen über Nachlaß- oder Gesellschaftsanteile entfalten, sondern sie soll gutgläubigen Erwerb bei <u>Verfügungen über ein Grundstück</u>, das zu dem jeweiligen Gesamtvermögen gehört, verhindern. Insofern muß auch die Bestellung eines Nießbrauchs am Gesellschaftsanteil in Abteilung II des Grundbuchs eingetragen werden können, weil sich der betroffene Gesellschafter an einer Verfügung über das Grundstück nur mit Zustimmung des Nießbrauchers beteiligen kann, bei Nichteintragung der Nießbrauchsbestellung aber eine Rechtsbeeinträchtigung durch Gutglaubensschutz drohen würde.</p>
<span class="absatzRechts">18</span><p class="absatzLinks">Auf Grund des Vertrages vom 20. Dezember 1973 sind Gesellschafter der BGB-Gesellschaft die Beteiligten zu 2) bis 4), 6), 8) und 9), Nießbraucher an den Anteilen zunächst die Beteiligten zu 1), 5) und 7) in bestimmtem Umfange. Ohne Rücksicht auf den Umstand, daß § 16 des Gesellschaftsvertrages nur eine beschränkte weitere Übertragungsmöglichkeit der Gesellschaftsanteile vorsieht, könnten die Gesellschafter über Grundstücke des Gesellschaftsvermögens zugunsten Dritter verfügen und die Nießbraucher könnten den gutgläubigen Erwerb von Rechten Dritter an den Grundstücken nicht verhindern, wenn die Bestellung des Nießbrauchs am Gesellschaftsanteil im Grundbuch nicht eingetragen wäre. Das Grundbuch ließe ohne eine solche Eintragung die Gesellschafter, die gemäß § 1071 Abs. 2 BGB bei beeinträchtigenden Verfügungen an die Zustimmung der Nießbraucher gebunden sind, als unbeschränkt verfügungsberechtigte Gesamthandseigentümer erscheinen.</p>
<span class="absatzRechts">19</span><p class="absatzLinks">Das Landgericht hat diese Rechtslage verkannt. Es hat unzutreffend die Eintragung der Nießbrauchsrechte an den Gesellschaftsanteilen deshalb abgelehnt, weil der Vertrag vom 20. Dezember 1973 einen gutgläubigen Erwerb von Gesellschaftsanteilen - auf Grund welcher Gesetzesbestimmung ? - oder von Anteilen eines Gesellschafters am Grundvermögen - eine Verfügung über solche Anteile wäre auf Grund der gesamthänderischen Bindung in § 719 Abs. 1 BGB ohnehin gemäß § 134 BGB nichtig (Palandt/Thomas, Anm. 2 c zu § 719 BGB - durch Dritte nicht vorsehe.</p>
<span class="absatzRechts">20</span><p class="absatzLinks">Diese Gesetzesverletzung führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung. Der Senat ist nicht gehalten, die Sache gemäß § 79 Abs. 2 GBO dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Zwar hat das OLG Dresden (SeuffA 64, 248) zum Ausdruck gebracht, daß die Pfändung des Gesellschaftsanteils nicht eintragungsfähig sei. Ob angesichts der zu beurteilenden verschiedenen Rechtsvorgänge (Pfändung oder Nießbrauchsbelastung des Gesellschaftsanteils) überhaupt ein Abweichen von der Rechtsansicht des OLG Dresden im Sinne des § 79 Abs. 2 GBO zu bejahen sein wird, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls beruht die Entscheidung des OLG Dresden nicht auf der anderen Beurteilung der Rechtsfrage (Horber, GBO, 13. Aufl., Anm. 3 B a zu § 79 GBO; Kuntze in KEHE, Rz. 18 zu § 79 GBO), da Gegenstand der Entscheidung tatsächlich nicht die Pfändung eines Gesellschaftsanteils war, sondern nur die des Anspruchs auf Auseinandersetzung und auf das Auseinandersetzungsguthaben. Des weiteren könnte noch auf die Auffassung verwiesen werden, wonach abweichende Entscheidungen eines Oberlandesgerichts aus dem jetzigen Gebiet der DDR nicht zur Vorlage nötigen (Horber, Anm. 3 B b zu § 79 GBO; Kuntze in KEHE, Rz. 8 zu § 79 GBO).</p>
<span class="absatzRechts">21</span><p class="absatzLinks">Nach der Rechtsansicht des Senats erweist sich daher die erste Beschwerde als begründet, so daß auch der zurückweisende Beschluß des Rechtspflegers aufzuheben ist. Der Rechtspfleger wird die beantragten Eintragungen einer Nießbrauchsbestellung an den Gesellschaftsanteilen vorzunehmen haben. Das wird allerdings hinsichtlich der aufschiebend bedingten Nießbrauchsrechte zugunsten der Ehegatten der Beteiligten zu 1) und 5) erst geschehen können, wenn dem Grundbuchamt die entsprechenden Willenserklärungen dieser Ehegatten in grundbuchlicher Form nachgewiesen sind. Der Grundbuchbeamte darf nicht an der Herbeiführung einer unrichtigen Eintragung mitwirken, wenn er auf Grund bestimmter Anhaltspunkte begründete Zweifel am Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen hat (vgl. etwa Ertl in KEHE, Rz. 111 Einl.). An der Nießbrauchsbestellung zu ihren Gunsten im Vertrag vom 20. Dezember 1973 haben die Ehegatten der Beteiligten zu 1) und 5) entgegen § 1069 BGB nicht mitgewirkt. Dingliche Verträge auf Begründung von Rechten für einen Dritten entsprechend §§ 328 ff. BGB werden von der Rechtsprechung abgelehnt (vgl. Palandt/Heinrichs, Einf. 5 c vor § 328 BGB; Erman/H.P. Westermann, Rz. 2 f. zu § 328 BGB; jeweils mit Nachweisen). An der Entstehung der durch den Tod der Beteiligten zu 1) und 5) aufschiebend bedingten Nießbrauchsrechte bestehen daher begründete Zweifel. Diesen Zweifeln wird der Rechtspfleger des Grundbuchamts vor Eintragung der Nießbrauchsrechte an den Gesellschaftsanteilen für diesen Teilbereich aufschiebend bedingter Rechte durch Erlaß einer Zwischenverfügung gemäß § 18 GBO Rechnung tragen müssen.</p>
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316,050 | olgk-1976-12-15-2-wlw-276 | {
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<p>Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wird zu dem von Notar E in T am 29.August 1975 unter UR.-Nr.1316/1975 beurkundeten Kaufvertrag die Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz erteilt.</p>
<p>Die Gerichtskosten des Verfahrens beider Instanzen hat der Käufer zu tragen.</p>
<p>Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.</p><br style="clear:both">
<span class="absatzRechts">1</span><p class="absatzLinks">Gründe</p>
<span class="absatzRechts">2</span><p class="absatzLinks">Durch den vorgenannten notariellen Vertrag hat der Beteiligte zu 1) von der Beteiligten zu 2) das im Grundbuch von X, Blatt 9xx, eingetragene Grundstück Flur x, Nr.3xx, Grünland, Streuwiese, Die Eisbachswiese, groß0526 ha, zum Preise von 61.000 DM gekauft. Die zu dem Vertrag erbetene Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz ist vom Geschäftsführer der Kreisstelle S-Kreis der Landwirtschaftskammer S2 durch Bescheid vom 25.September 1975 versagt worden, weil der beabsichtigte Erwerb eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens bedeuten würde und der vereinbarte Kaufpreis in einem groben Mißverhältnis zum wirklichen Wert des Grundstücks stehe.</p>
<span class="absatzRechts">3</span><p class="absatzLinks">Gegen den ihm am 29.September 1975 zugestellten Bescheid hat der Beteiligte zu 1) am 10.0ktober 1975 Antrag auf</p>
<span class="absatzRechts">4</span><p class="absatzLinks">gerichtliche Entscheidung gestellt. Vom Landwirtschaftsgericht sind zwei hauptberufliche Landwirte als Zeugen über ihr Erwerbsinteresse gehört worden. Danach hat das Landwirtschaftsgericht durch Beschluß vom 5.Dezember 1975 die Genehmigung ebenfalls versagt, jedoch nur mit der Begründung, daß der Erwerb des Grundstücks durch den Beteiligten zu 1) als Nichtlandwirt zu einer ungesunden Verteilung des Grund und Bodens führen würde.</p>
<span class="absatzRechts">5</span><p class="absatzLinks">Der Beteiligte zu 1) hat gegen den ihm am 24.Dezember 1975 zugestellten Beschluß des Landwirtschaftsgerichts am 5. Januar 1976 sofortige Beschwerde erhoben. Zur Begründung hat er unter anderem vorgebracht, das hier fragliche Grundstück liege im Bereich des erweiterten Flächennutzungsplanes der Stadt L für das Wochenendhausgebiet Q und werde daher in absehbarer Zeit anderen Zwecken als der landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt. Die Genehmigungsbehörde hat ein Schreiben der Stadtverwaltung L vom 8. Juni 1976 vorgelegt, aus dem sich ergibt, daß der Regierungspräsident in L2Köln die Erweiterung des Flächennutzungsplanes mit Verfügung vom 30. März 1976 genehmigt und dabei auf die Notwendigkeit der Aufstellung eines Behauungsplanes hingewiesen hat. Wegen der Aufstellung des Bebauungsplanes ist am 16. November 1976 ein Behördenanhörungstermin durchgeführt worden.</p>
<span class="absatzRechts">6</span><p class="absatzLinks">In der mündlichen Verhandlung hat der Beteiligte zu 1) beantragt, den Kaufvertrag über das Grundstück zu genehmigen. Die Beteiligte zu 2) hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Die Vertreter der Genehmigungsbehörde und der Landwirtschaftskammer haben zu den Anträgen der Beteiligten Stellung genommen.</p>
<span class="absatzRechts">7</span><p class="absatzLinks">Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 9, 22 Abs.1 LwVG, 21, 22 Abs.1 FGG). Auch in der Sache konnte ihr der Erfolg nicht verwehrt werden.</p>
<span class="absatzRechts">8</span><p class="absatzLinks">Nach dem von der Genehmigungsbehörde vorgelegten Schreiben der Stadtverwaltung L ist davon auszugehen, daß das hier in Rede stehende Grundstück im Bereich des rechtskräftigen Flächennutzungsplanes für das Wochenendhausgebiet Q liegt. Das hat zwar nicht die Genehmigungsfreiheit des Kaufvertrages zur Folge, weil diese unter den Voraussetzungen des § 4 Nr.4 GrdstVG erst mit dem Vorliegen eines Bebauungsplanes eintreten würde. Da die Stadt L aber, wie die Durchführung des Behördenanhörungstermins vom 16. November 1976 zeigt, mit der Aufstellung des Bebauungsplanes bereits begonnen hat, kann die abzusehende künftige Entwicklung bei der Entscheidung über den Genehmigungsantrag des Beteiligten zu 1) nicht unberücksichtigt bleiben. Der Wert des Grundstücks für die landwirtschaftliche Nutzung ist schon jetzt erheblich beeinträchtigt, und zwar gleichgültig, wann und in welchem Umfang seine Bebauung erfo]gt. Das Grundstück wird künftig auf jeden Fall in unmittelbarer Nähe von Wochenendhäusern liegen. Eine derartige Lage bringt aber, wie dem Senat durch die Sachkunde der ehrenamtlichen Richter bekannt ist, bei der landwirtschaftlichen Nutzung so viele Erschwernisse mit sich, daß die Einbeziehung des Grundstücks in einen hauptberuflich und planmäßig geführten landwirtschaftlichen Betrieb kaum lohnend erscheint. Daraus ergibt sich die Ungeeignetheit des Grundstücks sowohl zur Sicherung eines einzelnen landwirtschaftlichen Betriebes als auch zur Verbesserung der allgemeinen Agrarstruktur.</p>
<span class="absatzRechts">9</span><p class="absatzLinks">Beide Ziele werden jedoch mit dem Gesetz über Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und zur Sicherung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe (Grundstücksverkehrsgesetz) verfolgt, das in § 9 Abs.1 Nr.1 die Versagung der Genehmigung ausdrücklich davon abhängig macht, daß Tatsachen vorliegen, die dem beabsichtigten Verkauf das Merkmal einer ungesunden Verteilung des Grund und Bodens verleihen. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff bedarf der Ausfüllung entsprechend dem Zweck des Gesetzes, so daß als ungesunde Verteilung des Grund und Bodens ein solcher Eigentumswechsel anzusehen ist, der den Zielen des Gesetzes zuwiderläuft. Davon kann aber keine Rede sein, wenn, wie hier, ein Nichtlandwirt ein Grundstück erwirbt, das für die landwirtschaftliche Nutzung nur noch einen geringen Wert besitzt.</p>
<span class="absatzRechts">10</span><p class="absatzLinks">Im Hinblick auf die veränderten tatsächlichen Verhältnisse mußte daher der angefochtene Beschluß aufgehoben und zu dem Kaufvertrag die Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz erteilt werden.</p>
<span class="absatzRechts">11</span><p class="absatzLinks">Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf § 44 Abs. LwVG in Verbindung mit der im Kaufvertrag getroffenen Kostenregelung.</p>
<span class="absatzRechts">12</span><p class="absatzLinks">Eine Anordnung zur Erstattung außergerichtlicher Kosten nach § 45 Abs.l Satz 1 LwVG war nicht veranlaßt.</p>
<span class="absatzRechts">13</span><p class="absatzLinks">Beschwerdewert: 61.000 DM</p>
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