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Insbesondere die Grünen in der Wiener Stadtregierung würden gerne mehr für den Radverkehr tun, scheitern dabei aber an einem vielstimmigen Widerstand.
Der österreichische Dramatiker Franz Grillparzer soll einmal gesagt haben: "Es muss was geschehen, aber es darf nix passieren." Das Zitat bemühen Wiener gerne, wenn sie ihre eigene Grundhaltung beschreiben sollen. Veränderung, die mag der Wiener nicht so gern; sich über den Status Quo ärgern hingegen umso mehr. Daran sei zu denken, wenn man mit dem Rad durch Wien fährt. Die Kulisse: traumhaft. Wie auf der Ringstraße, wo man unter Kastanien fahrend fast alle großen Sehenswürdigkeiten der Stadt abfahren kann. Hier sind die Radwege breit, nur ein paar Touristen, die sich als Fußgänger auf den Radweg verirren, müssen manchmal energisch zur Seite geklingelt werden. Aber es lässt sich nicht überall in dieser Stadt so vorbildlich und sicher radeln wie auf dem Prachtboulevard. "Knochenbrecherstrecke" haben die Einheimischen beispielsweise den Getreidemarkt genannt, weil für Radfahrer dort einfach keine Spur eingeplant war. Wer den Platz mit dem Fahrrad passieren wollte, musste sich zunächst zwischen den Autos durchkämpfen, die gerne mit bis zu 70 Stundenkilometern herunterbretterten. Als die Stadt dort im vergangenen Herbst endlich einen Radweg eröffnen wollte, waren viele nicht begeistert. Nein, sie waren dem Nervenzusammenbruch nahe. Die rechte FPÖ etwa bekämpfte die Pläne vehement und hatte einige Boulevardblätter und viele Autofahrer auf ihrer Seite. Es half alles nichts, die rot-grüne Wiener Stadtregierung setzte sich durch. Beruhigt haben sich die Gemüter inzwischen nicht, nur verlagert. Nun soll nämlich ein anderer Radweg an der Wienzeile beim Naschmarkt errichtet werden. Damit würden den derzeit für Autofahrer reservierten acht Spuren zwei weggenommen. Auch hier sind die Proteste wieder enorm. "Jeder einzelne Radweg muss in Wien erkämpft werden", seufzt der zuständige grüne Stadtrat Christoph Chorherr. Radfahren sei zu einem politischen Symbol geworden, sagt Chorherr und schiebt ein "leider" hinterher. "Wer in Wien Rad fährt, gilt als weltfremder Linker." Um zu zeigen, wie gefährlich es derzeit an der Wienzeile ist, hat sich Chorherr kürzlich selbst auf ein Fahrrad gesetzt und ist publikumswirksam mit angespanntem Gesicht vor ein paar Journalisten an Bussen und Autos vorbeigeschlängelt. "Die Verkehrsplanung dort ist aus den Fünfzigerjahren", sagt der Kommunalpolitiker. "Alles ist nur auf das Auto ausgerichtet. Das kann ja so nicht bleiben." Bis zur nächsten Kommunalwahl im Herbst 2020, nach der die Grünen unter Umständen nicht mehr in der Stadtregierung sitzen könnten, wollen sie noch so einiges durchsetzen. Das Radfahren als eine der "günstigsten und umweltfreundlichsten Fortbewegungsmittel", wie Chorherr sagt, soll dabei besonders gestärkt werden. Auch für die Zukunft: Denn Wien wächst alle zehn Jahre um etwa 200 000 Einwohner - also in etwa der Größe von Mainz. Aber wenn die bekannten Straßen und Plätze plötzlich anders aussehen sollen, müssen viele in Wien erst einmal schlucken. Das ist kein neues Phänomen: So gab es schon Proteste, als der berühmte Jugendstil-Architekt Otto Wagner um das Jahr 1900 herum ein Kaiser-Franz-Josef-Stadtmuseum am Karlsplatz bauen wollte. Eine Fürstin soll ihren Wohnzimmerausblick gefährdet gesehen haben und initiierte eine erfolgreiche Bürgerinitiative, die dem Projekt schließlich ein Ende setzte. Ebenso kritisch waren die Bewohner, als im Jahr 1990 gegenüber vom Stephansdom das verspiegelte Haas-Haus (von einigen auch "Schaas-Haus" genannt) errichtet wurde, das heute fast ebenso als Sehenswürdigkeit gilt wie der Dom selbst. Oder als 2015 die zentrale Einkaufsstraße, die Mariahilfer Straße, zu einer Fußgänger-Zone umgebaut wurde. Damals kannten die Boulevardzeitungen monatelang kein anderes Thema als die bald fehlenden Parkplätze. Vielleicht liegt es an diesem immer noch tobenden Glaubenskrieg zwischen Auto- und Fahrradfahrern, dass der Anteil der Radfahrer am allgemeinen Transportaufkommen in Wien seit Jahren bei etwa sieben Prozent stagniert. Zum Vergleich: In München sind es 17,4 Prozent, in Berlin 13 Prozent. Die Stadt Wien will den Anteil nun auf zehn Prozent steigern. Veränderungen dürfen in Wien durchaus mal sein - sofern sie unter der Erde stattfinden Das gestaltet sich aber nicht nur wegen des Widerstands mancher Autofahrer als schwierig. Die große Konkurrenz ist nämlich gar nicht das Automobil, sondern die U-Bahn. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind in Wien sehr gut ausgebaut, in den Stoßzeiten fahren die unterirdischen Züge alle zwei Minuten. Mit 365 Euro für das Jahresticket sind sie zudem relativ günstig; mittlerweile schielen auch deutsche Politiker auf das Wiener Modell und fragen sich, ob und wie sie es adaptieren könnten. Fast 40 Prozent der Wiener nutzen daher bevorzugt die "Öffis", wie sie die öffentlichen Verkehrsmittel nennen, um sich in der Stadt zu bewegen. Und die Stadt investiert weiter massiv in den Ausbau ihres U-Bahn-Angebots. Eine komplett neue Linie bekommt Wien bis zum Jahr 2024. Gegenstimmen wurden bislang keine laut. Veränderungen dürfen also in der österreichischen Hauptstadt durchaus manchmal sein - nur am besten unter der Erde.
https://www.sueddeutsche.de/auto/sz-serie-radl-metropolen-jeder-radweg-muss-erkaempft-werden-1.4143151
mlsum-de-1
Allianz-Chef Oliver Bäte verordnet dem Unternehmen eine radikale Vereinfachungskur: weniger Tarife, weniger Fragen, schnellere Antworten.
Wer früher bei der Allianz Deutschland eine Autoversicherung abschließen wollte, musste 25 Fragen beantworten. Seit 2017 sind es nur noch elf. "Nach 90 Sekunden oder schneller erhalten die Kunden eine Preisauskunft", begeistert sich Konzernchef Oliver Bäte. Die Folge: 2017 ist die Allianz in der Autoversicherung dreimal so schnell gewachsen wie im Vorjahr. Bäte nutzt die Hauptversammlung in der Münchener Olympiahalle, um einen radikalen, weltweiten Wandel in der Sachversicherung anzukündigen. Dabei geht es um Gebäude, Autos, Hausrat, Unfall- und Haftpflichtrisiken. "Wir müssen einfacher werden", fordert er. "Komplexität ist sehr unbeliebt bei Kunden, teuer für das Unternehmen und demotivierend für Mitarbeiter und Vertriebspartner." Schließlich will der Kunde heute alles über sein Smartphone abwickeln, nicht über Formulare. Beispiel Italien: Früher standen 15 Fragen zwischen dem potenziellen Kunden und dem Abschluss einer Kfz-Police. Heute reichen das Geburtsdatum und ein Foto des Kennzeichens. Das gehe nicht zu Lasten der Gewinne, sagt Bäte. "Wir sind dort nicht nur der schnellste, sondern auch der profitabelste Sachversicherer." In der Vermögensverwaltung habe die Gruppe ihre Probleme gelöst, auch in der Lebensversicherung sei man viel weiter. Jetzt kommt die Sachversicherung dran. "Unsere Kostenquote ist seit 2015 weiter gestiegen", moniert Bäte. Über alle Töchter und Länder waren es 2017 immerhin 28,7 Prozent der Prämieneinnahmen, die für Vertrieb und Verwaltung draufgingen. Das will Bäte drastisch senken. Das heißt natürlich auch Personalabbau, aber das sagt er nur indirekt: Das ganze werde "nicht geräuschlos vonstattengehen". "Wir werden das Direktgeschäft mit den Endkunden bündeln." Gelingt Bäte der Durchbruch, wird das den gesamten Versicherungsmarkt massiv verändern, nicht nur in Deutschland. Die Branche ist ohnehin unter Druck durch die niedrigen Zinsen, Versicherer werden von Start-ups angegriffen. Außerdem bereitet sich Amazon auf den Markteintritt vor. Bisher gibt es wenig Konkretes. Doch machen sich die etablierten Anbieter zu Recht Sorgen, dass Amazon oder ein anderer Internet-Gigant seine Daten über die Kunden auch für Versicherungsangebote nutzt. Es gehe nicht in erster Linie um Technologie, sagt Bäte, sondern um die radikale Vereinfachung von Tarifen und internen Prozessen. Damit die Allianz das nicht bei allen Töchtern neu erfinden muss, hat er das Vorstandsressort "Transformation" eingerichtet, das Iván de la Sota führt. Zur Strategie gehört, dass die Allianz alle Direktversicherer bündeln und einheitliche Angebote einführen will - weltweit. In Deutschland ist davon die Tochter Allsecur betroffen. "Wir werden das Direktgeschäft mit den Endkunden bündeln", erklärt Bäte. "Wir bauen erst in Europa und dann weltweit ein einheitliches Angebot." Bätes Vereinfachungsoffensive ist die zentrale Nachricht auf der Hauptversammlung. Bei sonst kritischen Punkten bleibt es ruhig. Umweltschützerin Regine Richter von Urgewald gratulierte der Allianz zum gerade angekündigten Ausstieg aus der Versicherung von Kohle und kritisiert nur die langen Übergangsfristen. Allianz-Aufsichtsratschef Michael Diekmann lobt Rednerinnen, die für mehr Frauen in der Führung eintreten. Er sei für einen Frauenanteil von 50 Prozent in den Aufsichtsräten. Kontrovers wird die Erhöhung der Aufsichtsratsvergütungen um 25 Prozent diskutiert. Diekmann begründet dies damit, dass die Bezüge seit sieben Jahren nicht angehoben worden seien und seither bei anderen Dax-Konzernen um 26 Prozent gestiegen seien. Not leiden müssen die Aufsichtsräte auch bisher nicht: Sie erhalten zwischen 100 000 und 366 000 Euro im Jahr für ihre nebenberufliche Tätigkeit.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/allianz-der-grosse-vereinfacher-1.3974244
mlsum-de-2
Zuletzt hieß es, alle Waffen-Deals mit den Scheichs seien gestoppt. Doch der Bundessicherheitsrat hat nun unter anderem die Ausfuhr von Schieß-Simulatoren genehmigt. In Regierungskreisen heißt es, das sei kein Widerspruch.
Die Bundesregierung genehmigt weiterhin Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. Das geht aus einer Übersicht der Exportgenehmigungen hervor, die der Bundessicherheitsrat in seiner jüngsten Sitzung erteilt hat. Die Liste, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, wurde am Mittwoch dem Bundestag zur Verfügung gestellt. Demnach dürfen vier Schieß-Simulationssysteme vom Typ "Gladio" samt Zubehör nach Saudi-Arabien ausgeführt werden, außerdem "Zieldarstellungsgeräte für Infanteriewaffen", die für ein "Übungsgelände" bestimmt sind. Zudem dürfen weiterhin Teile für eine Grenzsicherungsanlage ausgeführt werden, deren Ausfuhr bereits vor längerer Zeit genehmigt wurde. Die Bild am Sonntag hatte zuletzt berichtet, wegen der Menschenrechtslage habe der Bundessicherheitsrat sämtliche Waffen-Geschäfte mit Saudi-Arabien gestoppt. In Regierungskreisen wurde nun darauf verwiesen, dies sei kein Widerspruch, da sich unter den für den Export freigegebenen Gütern keine Waffen befänden. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Jan van Aken griff die Regierung dennoch an: "Angela Merkel bleibt sich treu. Menschenrechte zählen für diese Bundesregierung weniger als Rüstungsexporte." Er forderte, Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien vollständig zu stoppen: "Die kürzliche Auspeitschung des Bloggers Raif Badawi hat wieder einmal deutlich gemacht, mit was für einem menschenverachtenden Regime die deutsche Rüstungsindustrie und die Regierung Merkel da paktieren", sagte van Aken. "Es ist schön und gut, dass jetzt erstmal keine Kampfpanzer nach Saudi-Arabien geliefert werden. Aber das ist kaum mehr als ein Anfang. An Staaten, die die Menschenrechte mit Füßen treten, darf kein Panzer, kein Gewehr, nicht einmal eine Schraube für eine Waffe geliefert werden." Transportpanzer für Kuwait, Funkgeräte für Ägypten Die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger sagte: "Erst kürzlich wurde behauptet, dass die Bundesregierung alle Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien vorerst stoppen würde. Wie die jetzt erteilten Genehmigungen des Bundessicherheitsrates zeigen, kann davon keine Rede sein." Stattdessen liefere "Schwarz-Rot auch bei dieser Genehmigungsrunde Waffen und andere Rüstungsgüter an Drittstaaten, in denen Menschenrechte systematisch verletzt werden", sagte Brugger. "Frieden, Sicherheit und Menschenrechte müssen mehr als kurzfristige deutsche Wirtschaftsinteressen zählen." Der Bundessicherheitsrat genehmigte darüber hinaus die Ausfuhr von zwölf Fuchs-Transportpanzern nach Kuwait. Ägypten soll 240 Funkgeräte samt Zubehör bekommen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/neue-ausfuhren-regierung-genehmigt-ruestungs-exporte-nach-saudi-arabien-1.2336402
mlsum-de-3
Die Polizei steckt bei ihrer Informationspolitik in einem Dilemma: Sie muss die Öffentlichkeit zur Vorsicht mahnen und zugleich Panik verhindern. Doch sie hat aus dem Münchner Amoklauf gelernt.
Die Polizeipräsidien in Berlin und München sind seit mehr als zwei Jahren in Deutschland führend, was die Nutzung sozialer Medien angeht - und tauschen sich regelmäßig über ihre Erfahrungen aus. Es ist eine schlimme Ironie des zu Ende gehenden Jahres, dass beide das im Ernstfall unter Beweis stellen mussten - die Münchner Polizei beim Amoklauf des 18-jährigen David S. im Juli, die Berliner Polizei nach dem Anschlag vom Montag. Am 22. Juli erschießt David S. neun Menschen am und im Münchner Olympia-Einkaufszentrum am nördlichen Stadtrand. Wenig später herrscht Chaos in der Innenstadt. Polizeihubschrauber kreisen über dem Hauptbahnhof, Beamte in schwerer Montur riegeln den Karlsplatz ab, im Hofbräuhaus bricht Panik aus. Aus dem Amoklauf eines Einzelnen ist in den sozialen Medien ein Terroranschlag mit mehreren Zielen geworden. Die Münchner Polizei - insbesondere ihr Sprecher Marcus da Gloria Martins - ist dafür gefeiert und mehrmals preisgekrönt worden, die Menschen in dieser Nacht vorbildlich informiert zu haben. Das ist aber nur der eine Teil der Wahrheit. Wer sich die Tweets und Facebook-Posts der Münchner Beamten in den ersten beiden Stunden nach dem Amoklauf genau anschaut, der stellt fest: Die Polizei hat es damals nicht unbedingt geschafft, die vielen Gerüchte zu entkräften. Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz hat die Berliner Polizei die Fakten, so schnell sie konnte, selbst verbreitet, hat die ganze Nacht verlässlich auf Deutsch und auf Englisch via Twitter informiert. Sie hat - und das ist entscheidend - die Informationshoheit über den Anschlag behalten. Die Berliner Polizei tat alles dafür, Gerüchten keine Chance zu geben. Mehr noch: Der Twitter-Account @PolizeiBerlin_E wurde im Laufe des Abends auch für Medien eine der wichtigsten Informationsquellen. Wer aktuelle Details über den Anschlag haben wollte, musste sich hier informieren. Die Lage beim Amoklauf in München und die Situation vom Montagabend in Berlin sind nicht direkt vergleichbar. In München glaubten Augenzeugen, in zwei Zivilbeamten Attentäter "mit Langwaffen" erkannt zu haben, es gingen unzählige Notrufe über Schießereien am Stachus und an angeblich 70 weiteren Orten im ganzen Münchner Stadtgebiet ein. Aus der heutigen Perspektive betrachtet, wirkte die Münchner Polizei zunächst überfordert: Sie dementierte auf den eigenen Accounts die Falschmeldung von der Schießerei am Stachus nicht, sie blieb sehr lange bei der beunruhigenden Einschätzung, man fahnde nach "bis zu drei Tätern", sie kommunizierte den Suizid des Amokläufers erst sehr spät. Die Berliner Polizei hingegen hinterließ am Montagabend den Eindruck, alles im Griff zu haben. Sie trat zwei Stunden nach dem Anschlag beruhigend auf. Allerdings um den Preis, nichts von der Flucht des mutmaßlichen Täters zu schreiben. Einen Tag später ist klar, dass der Fahrer des Lastwagens entgegen ursprünglicher Meldungen auf freiem Fuß ist. Am Dienstagmittag, 17 Stunden nach dem Anschlag, twitterte die Berliner Polizei: "Der festgenommene Tatverdächtige streitet derzeit die Tat am Breitscheidplatz ab. Wir sind daher besonders wachsam. Seien Sie es bitte auch." Und einige Stunden später muss die Bundesanwaltschaft einräumen, dass sie den falschen Mann hatte, sie ließ den Verdächtigen frei. Beruhigend ist das nicht. Möglicherweise, weil die Wirklichkeit eben beunruhigend ist. Die Münchner Polizei stand im Juli vor dem Problem, lange nicht zu wissen, womit sie es zu tun hatte. Zwar war ebenfalls nach gut zwei Stunden ein Mann gefunden worden, der sich vor den Augen der Polizei erschoss - der später als Amokläufer identifizierte 18-Jährige. Es dauerte jedoch weitere drei Stunden, ehe der Tote untersucht wurde. So lange hatten Sprengstoffexperten des Landeskriminalamts gebraucht, um sich der Leiche zu nähern. Man hatte befürchtet, der Rucksack des Mannes könnte eine Sprengfalle enthalten. Die Polizei hat in den vergangenen Monaten viel gelernt im Umgang mit Social Media. Sie hat vor allem erkennen müssen, dass die in den Polizeilehrbüchern festgeschriebene klare Trennung zwischen einer Terrorlage und einer Amoklage in den ersten Stunden oft gar nicht vorzunehmen ist. Und sie hat verstanden, welche Wirkung Mitteilungen in sozialen Netzwerken entfalten und wie sie diese nutzen kann. Bis Ende 2017 sollen alle bayerischen Polizeipräsidien Facebook und Twitter nutzen. Im Münchner Präsidium denkt man bereits darüber nach, künftig auch Cell Broadcast zu nutzen - SMS-Mitteilungen an alle Handynutzer im Bereich einer bestimmten Funkzelle. Die Berliner Polizei wiederum hat am Montag eine Nummer für Hinweise und eine Hotline für Angehörige verbreitet, auf den Facebook Safety-Check verwiesen und - wie die Münchner Kollegen im Juli - ein Portal eingerichtet, über das Augenzeugen Bilder und Videos von der Tat hochladen können. Jetzt müssen die Menschen mit ihren Handykameras nur noch lernen, im Notfall Verletzten zu helfen, statt Videos von ihnen zu drehen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/polizei-und-social-media-beruhigen-und-warnen-1.3302967
mlsum-de-4
Die Temperaturen steigen auf Frühsommer, trotzdem halten manche Skigebiete daran fest, jetzt den Winter zu eröffnen.
Das Internet ist auch nicht mehr als ein fleißiger Depp, und wer das nicht glaubt, muss nur einmal ins Gebirge schauen. Nicht mit dem bloßen Auge oder mit dem Ofenrohr, sondern - so wie man das heute macht - per Webcam. Also: Webcam Davos, Chalet Güggel, 2500 Meter. Man sieht: eine Hütte, braune Landschaften, ein weißer Fleck im Hintergrund, der ein Schneefeld sein könnte, aber vielleicht auch nur ein Sinnes- oder Bildschirmtäuschung ist. Danach weiter zur Webcam Hochgurgl, Top Mountain Crosspoint, 2175 Meter. Man sieht: eine sehr große Hütte, braune Landschaften und ein paar weiße Flecken im Hintergrund, aus denen sich mit viel Mühe vielleicht ein Schneemännchen zusammenkratzen lässt. Die Menschen in den Tourismusverbänden von Davos und Hochgurgl-Obergurgl behaupten auf Nachfrage dennoch steif und fest: "Bei uns kann man tatsächlich schon Ski fahren." Hochgurgl-Obergurgl hatte am vergangenen Wochenende sein sogenanntes Skigebiets-Preopening, also die Eröffnung vor der Eröffnung (klingt komisch, aber das macht man heute so); in der Nähe von Davos sind sogar schon 1,2 Kilometer Langlaufloipe präpariert. Bei überzeugten Flachlandtirolern und Hügellandpreußen mag das die Frage aufwerfen, wie so etwas angesichts subtropischer November-Temperaturen und brauner Webcam-Landschaften möglich ist. Erklären lassen sich die weißen Schneisen mit der entsprechenden Vorbereitung. Die Gurgler haben schon während einer günstigen Oktoberphase mit dem Beschneien begonnen und laut Tourismusverband 70 Kilometer Piste in die Hänge gebügelt. In Davos hielt man sich an eine von der Reisebranche adaptierte Fußballweisheit der alten Aphorismenschleuder Sepp Herberger ("Nach der Saison ist vor der Saison") und hat massenhaft Schnee vom vergangenen Winter eingelagert. Snowfarming nennt sich dieses Prinzip, was ebenso wie der "maschinell erzeugte Schnee" wunderbar illustriert, dass der Tourismus auch nicht anders funktioniert als Landwirtschaft und Industrie. Fragt sich, wann im Frühjahr die super-leistungsstarken "Mountain Melter" (umgangssprachlich: Bergheizung) angeworfen werden, damit wir als notorische Wintermuffel endlich auch im April hoch hinaus wandern können.
https://www.sueddeutsche.de/reise/ende-der-reise-warten-auf-die-schneeschmelze-1.2731880
mlsum-de-5
Die Kanzlerin will sich weiter für eine Aufhebung des Besuchsverbots für deutsche Abgeordnete auf der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik einsetzen. Den Brexit hält sie für unumkehrbar.
Im Streit um das Besuchsverbot für deutsche Abgeordnete bei Bundeswehrsoldaten auf der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik setzt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf weitere Gespräche mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan. Das Treffen mit Erdoğan am Rande des Nato-Gipfels in Warschau sei "konstruktiv" verlaufen, sagte Merkel im Sommerinterview der ZDF-Sendung "Berlin direkt". Diese Gespräche müssten nun weitergeführt werden, damit die Abgeordneten die Möglichkeit bekämen, die Soldaten zu besuchen. Auf die Frage, ob auch ein Abzug der Bundeswehr aus Incirlik in Frage komme, antwortete die Kanzlerin ausweichend. "Jetzt muss man weiter arbeiten, noch ist die Lösung nicht da", sagte Merkel. Aus den Reihen der Koalitionspartner CSU und SPD hatte es zuvor geheißen, dass eine dauerhafte Weigerung der Türkei zur Beendigung der deutschen Beteiligung an dem Nato-Einsatz führen müsse. Die Bundeswehr ist in Incirlik, unweit der syrischen Grenze, am Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat beteiligt. Ende Juni verweigerte die Türkei die Erlaubnis für eine Reise von Verteidigungsstaatssekretär Ralf Brauksiepe mit einer Gruppe von Abgeordneten nach Incirlik. Zuvor hatte der Bundestag die Massaker an Armeniern auf dem Gebiet der heutigen Türkei vor etwa hundert Jahren als Völkermord eingestuft. Nach Brexit: Kein Verbleib Großbritanniens in der EU Bei der Frage nach einem Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union nach dem dem Brexit-Votum sagte Merkel, sie sehe dafür keine Möglichkeit. Der nächste Schritt sei, dass London den Austritt aus der EU nach Artikel 50 beantrage. "Ich befasse mich mit den Realitäten und ich gehe davon aus, ganz fest, dass dieser Antrag gestellt wird." Merkel wies Vorwürfe zurück, dass ihre Politik in Europa mit für die Entscheidung der britischen Bevölkerung verantwortlich sei. Zu Strukturreformen und der Konsolidierung der Haushalte in überschuldeten Mitgliedstaaten habe es in der Eurokrise keine Alternative gegeben. Die Kanzlerin verwies dabei auf die unter ihrem Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) in Deutschland eingeleitete Agenda 2010, die zu mehr Wachstum und Arbeitsplätzen geführt habe: "Diesen Weg, den haben wir genommen und den müssen andere auch nehmen." Beim EU-Referendum der Briten hätten diese Fragen außerdem kaum eine Rolle gespielt, fügte Merkel hinzu. Vielmehr sei es um die Möglichkeit von Menschen aus anderen EU-Ländern gegangen, sich in Großbritannien niederzulassen. Die Freizügigkeit sei allerdings eine Grundvoraussetzung für den europäischen Binnenmarkt, deshalb seien hier auch keine Kompromisse gemacht worden. In der Flüchtlingskrise habe Europa eine "humanitäre Verantwortung" zur Aufnahme der Schutzsuchenden aus Syrien und dem Irak gehabt, sagte Merkel. Das sei ihre "feste Überzeugung". Außerdem habe Griechenland mit dem Andrang von Flüchtlingen nicht alleine gelassen werden können. Selbstkritik übte die Kanzlerin bei der Bekämpfung der Fluchtursachen, die lange nicht ausgereicht habe: "Da haben wir vielleicht alle miteinander nicht ausreichend genug hingeschaut."
https://www.sueddeutsche.de/politik/sommerinterview-merkel-setzt-auf-dialog-mit-erdogan-1.3072764
mlsum-de-6
Einer von zehn kranken Beschäftigten leidet unter psychischen Störungen - aber nur in wenigen Unternehmen wird offen darüber geredet.
Thomas Meier weiß genau, was die Leute sagen. "Psychisch krank, da denkt man gleich an Irrenhaus. Vor so einem schließt man die Kinder weg", sagt er. Deshalb bleibt er lieber anonym und tritt unter anderem Namen auf. Thomas Meier hat Depressionen. Seit ein paar Wochen erst kennt der Arbeiter von Alstom Power in Mannheim-Käfertal seine Diagnose; nun er will darüber reden. Aber inkognito, beim Betriebsrat, gleich nach der Schicht. Detailansicht öffnen "Das ganze Thema ist doch wie ein Stück Seife" - im Berufsleben will keiner was von psychischen Problemen wissen. (Foto: Foto: dpa) Depressionen sind eines der teuersten Tabus in deutschen Unternehmen. Laut Techniker-Krankenkasse führen "depressive Störungen" zu 18 Millionen Arbeitsfehltagen. Jedes Jahr werden es fünf Prozent mehr. Inzwischen leidet einer von zehn kranken Beschäftigten an psychischen Störungen. Sie sind, so weiß die Krankenkasse, der zweithäufigste Grund für Krankschreibungen - gleich nach Rückenschmerzen. Jetzt, wo bei Alstom wieder einmal Übernahmegerüchte kursieren, flüchten viele der über zweitausend Beschäftigten zum Betriebsrat, für ein Gespräch. Hier im Backsteingebäude in den grauen Gängen trifft man sich nach Schichtwechsel: Arbeiter im Blaumann aus der Turbinenproduktion ebenso wie Ingenieure, die am Computer neue Kraftwerke planen. Ein Kommen und Gehen. Thomas Meier fällt nicht weiter auf. Unendlich müde wirkt er, obwohl er noch jung ist. Wie jung, das will er nicht preisgeben Die Hosenträger ziehen seine Schultern weit nach unten. Vor drei Jahren hat Meier angefangen, eine Last auf sich zu spüren. Es begann, als er in eine andere Abteilung versetzt wurde. Der neue Chef führte nicht, er trieb seine Leute durch die unsicheren Zeiten. Die Jobs waren bedroht, die Belastung wuchs und wuchs. Bald kam es in der Abteilung fast täglich zu Konflikten. Meier engagiert sich für Kollegen, streitet mit dem Chef - und verliert dabei seine Energie. Nach ein paar Monaten fällt es ihm schwer, den Arbeitsrhythmus zu halten. Zu jedem Handgriff muss er sich überreden. "Irgendwann fühlt man sich wie eine zusammengeschossene Burg. Jeden Tag eine Kanonenkugel mehr, die reindonnert. Am Ende ist alles kaputt. Innen drin ist nur eine riesige Leere und totale Verzweiflung." Der Chef merkt, dass Meier nicht mehr funktioniert. Er wirft ihm Faulheit vor und lässt ihn von Kollegen überwachen. Die sollen ihm sogar folgen, wenn er aufs Klo geht. "Schikane", sagt Meier. Im Frühling schaltet der Chef den Betriebsrat ein. Hier im Backsteinbau kann Meier sich vor Betriebsrat Wolfgang Alles erklären, kann reden ohne zu brüllen: "Da hab ich die Anspannung gespürt", erzählt er. Es ist Betriebsrat Alles, der Meiers Chef gerade rechtzeitig aus dem Zimmer bugsiert, bevor sich Meier den Druck von der Seele weint. Ein paar Tage später geht er "ins Irrenhaus", fährt freiwillig auf Anraten von Wolfgang Alles in die Ambulanz der psychiatrischen Klinik in Mannheim.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/depressive-arbeitnehmer-ausgebrannt-und-angefeindet-1.513333
mlsum-de-7
Sollen schon Kinder an Computer, Tablets und Smartphones herangeführt werden? Ergebnis einer Allensbach-Studie: Eltern und Erzieher haben große Vorbehalte gegenüber digitalen Medien - und können nicht mit ihnen umgehen.
Die Hände wischen auf dem Hochglanz-Cover herum, immer wieder sticht ein kleiner Finger auf das Papier ein. In einem anderthalbminütigen Youtube-Clip lässt ein Vater und bekennender Apple-Fan seine damals einjährige Tochter mit einem iPad und diversen Zeitschriften spielen - wobei letztere das Baby offenkundig einfach nur frustrieren. Das Video belegt: Digitale Medien sind auch im Alltag von Kleinkindern präsent. Brauchen wir also eine digitale Früherziehung? Das Institut für Demoskopie Allensbach hat jetzt im Auftrag der Deutsche Telekom Stiftung untersucht, wie es in Deutschland um die digitale Medienpädagogik in Kitas und Grundschulen bestellt ist. Dazu befragten die Meinungsforscher bundesweit mehr als 1500 Eltern von Kindern im entsprechenden Alter, Erzieherinnen, Erzieher und Grundschullehrkräfte. Dabei zeigte sich: Eltern wie Erzieher sehen die Kita nicht als den Ort, an dem Kinder an Computer, Tablets und Smartphones herangeführt werden sollten - im Gegenteil. Sie befürchten eine Überforderung der Kleinen. Die Ergebnisse im Überblick - so nutzen Kinder Medien Nach Angabe von Müttern und Väter ist der Fernseher für ihre Kinder immer noch wichtiger als sämtliche digitalen Endgeräte. So gaben 94 Prozent der Eltern von Grundschulkindern an, ihr Kind sehe in der Freizeit fern; bei den Eltern von Kindergartenkindern waren es immerhin noch 86 Prozent. Auf den Plätzen zwei und drei folgt bei beiden Gruppen die Beschäftigung mit Büchern und Hörmedien (Kassetten, CDs, MP3) - erst auf Platz vier kommen potenziell Computer, Tablets und Smartphones ins Spiel: 67 Prozent der Eltern von Grundschulkindern gaben an, ihr Kind schaue regelmäßig Filme und Videos; bei den Kindergartenkindern ist diese Freizeitbeschäftigung etwas weniger verbreitet (25 Prozent). Mehrfachnennungen waren möglich. Zumindest nach Einschätzung der Eltern spiegelt das Nutzungsverhalten die Beliebtheit der einzelnen Medien: So rangiert hier ebenfalls der Fernseher ganz vorne, gefolgt von Büchern. Je älter das Kind, desto präsenter sind digitale Medien Bei der Nutzung digitaler Medien ist das Alter ein entscheidender Faktor: So spielt mehr als jeder zweite Grundschüler in seiner Freizeit Computerspiele - aber nur jedes vierte Kindergartenkind. Ähnlich ist es bei der Beschäftigung mit Handys und Smartphones und der Internetnutzung - hier gilt: Je älter das Kind, desto präsenter sind digitale Medien in der Freizeit. Sind es bei den Kindern unter fünf Jahren noch knapp 70 Prozent, die nach Aussage der Mütter und Väter im Alltag gar nicht mit digitalen Medien in Berührung kommen, sinkt dieser Anteil bei den über Fünfjährigen auf 34 Prozent. Knapp jedes fünfte Kind im Grundschulalter beschäftigt sich schon mehr als eine Stunde täglich mit Computer, Tablet und/oder Smartphone. Und 82 Prozent der über Achtjährigen nutzen das Internet.
https://www.sueddeutsche.de/bildung/medienpaedagogik-kita-erziehern-fehlt-wissen-ueber-digitale-medien-1.2262518
mlsum-de-8
Die britische Premierministerin Theresa May reist ohne neue Vorschläge nach Brüssel. Dennoch zeigt sie sich zuversichtlich, "einen Deal" erreichen zu können.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auf eine Einigung in den Brexit-Verhandlungen gedrungen. "Das wäre für alle Seiten besser", sagte sie beim EU-Gipfel in Brüssel. "Ich gehe mit dem Geist an die Sache heran, immer alles zu versuchen, eine Übereinkunft zu finden." Die Staats- und Regierungschefs berieten am Mittwoch über das weitere Vorgehen. Die britische Premierministerin Theresa May zeigte sich zuversichtlich: "Jeder am Tisch will einen Deal. Und wir können einen Deal erreichen." Nach Angaben von EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani machte May aber keine neuen Vorschläge: "Ich habe inhaltlich nichts substanziell Neues erkannt." Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte nach den Beratungen: "Vieles, was sie gesagt hat, war uns bekannt." Im Zentrum der Brexit-Gespräche stand die Frage, wie sich Kontrollen an der Grenze zwischen Irland und Nordirland verhindern lassen. Auf Beamtenebene hatten sich London und Brüssel darauf verständigt, dass das Vereinigte Königreich nach dem EU-Austritt in einer Zollunion verbleiben könnte; Nordirland solle zudem weiter dem Binnenmarkt angehören. Strittig war allerdings, wie lange diese Auffanglösung (Backstop) gelten soll. May ließ in einem Gespräch mit dem irischen Premier Leo Varadkar Verständnis dafür erkennen, dass eine zeitlich befristete Absicherung keine Absicherung sei. Zuvor hatte sie stets erklärt, dass ihr Land einer Lösung nur zustimmen könne, wenn sie ein Enddatum habe. Der Backstop soll nach einer Übergangsphase so lange gelten, bis ein Freihandelsvertrag vereinbart ist. Haushaltsstreit mit Italien überschattete den Brüsseler Gipfel Im Kreis der Staats- und Regierungschefs sagte die Premierministerin, dass sie bereit sei, eine mögliche Verlängerung der Übergangszeit in Erwägung zu ziehen. Eine solche hatte die EU in Aussicht gestellt, um mehr Zeit für die Verhandlungen zu bekommen. Voraussetzung dafür ist aber, dass zunächst ein Austrittsabkommen vereinbart wird, in dem auch die irische Frage gelöst ist. In der Übergangsphase, die nach bisherigem Plan bis Ende 2020 dauern soll, würde Großbritannien im Binnenmarkt und der Zollunion verbleiben. Angesichts stockender Verhandlungen treibt die Bundesregierung Vorkehrungen für den Fall voran, dass London ohne ein Abkommen aus der EU austritt. Es gehöre "zu einer verantwortungsvollen und vorausschauenden Regierungsführung dazu, dass wir uns auf alle Szenarien vorbereiten", sagte Merkel im Bundestag. Ein Deal müsste spätestens im Dezember stehen, um einen "harten" Brexit zu verhindern. Auch der Haushaltsstreit mit Italien beschäftigte den Gipfel. Auf die Frage, ob es Spielraum gebe, den Budgetentwurf anzupassen, sagte Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte: "Nein." Er sei aber zuversichtlich, dass es einen "konstruktiven Dialog" mit der EU-Kommission gebe. Die Behörde debattierte am Mittwoch eine mögliche Ablehnung des Budgetplans. "Es gab dazu aber keine Entscheidung", sagte eine Sprecherin. Brüssel will Rom zunächst zu einer Erklärung auffordern. Italien muss darauf antworten. Danach wäre wieder Brüssel an der Reihe. Der Streit könnte sich mehrere Wochen hinziehen. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici will am Donnerstag nach Rom reisen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/brexit-gipfel-freundlich-im-ton-unkonkret-in-der-sache-1.4173874
mlsum-de-9
Die kommenden Wochen könnten für Air-Berlin-Mitarbeiter ungemütlich werden. Chef Stefan Pichler deutet einen radikalen Umbau der Airline an.
Air-Berlin-Chef Stefan Pichler ist bekanntlich nicht auf den Mund gefallen, doch wenn es um die Kernpunkte der geplanten Neuausrichtung angeht, wird er ziemlich kleinlaut. Die müsse er erst einmal mit dem Aufsichtsrat bei der nächsten Sitzung im Herbst besprechen. Und will sie deshalb nicht schon vorab ausführen, obwohl er vieles davon ganz offensichtlich für sich schon entschieden hat. "Das kann ich nicht machen", sagt er. Nur so viel: "Nach dem Sommer geht der Umbau los." Es deutet vieles darauf hin, dass die Zeiten relativer Ruhe bei Air Berlin in einigen Wochen vorbei sind. Wenn der Aufsichtsrat - sprich Hauptanteilseigner Etihad Airways - den im Frühjahr installierten neuen Chef machen lässt, dann wird es für viele Mitarbeiter ungemütlich: Teile des Unternehmens wie etwa die Wartung oder administrative Funktionen könnten ausgegliedert werden, die billiger operierende österreichische Tochter Niki könnte ganz nach dem Vorbild von Eurowings bei Lufthansa mehr Strecken übernehmen, die sich für die Hauptmarke nicht mehr rentieren. Vor allem aber dürfte das eigene Streckennetz deutlich ausgedünnt und umgebaut werden - die interne Studie ist seit einigen Wochen fertig. Nach menschlichem Ermessen wird Air Berlin am Ende deutlich zu viele Mitarbeiter für das Restprogramm haben und es wird sich die Frage stellen, wie das Unternehmen die Situation meistert, ohne ähnliche Verwerfungen wie beim Konkurrenten Lufthansa entstehen zu lassen. "Dialog statt Klassenkampf" will Pichler einführen, doch angesichts möglicherweise massiver Einschnitte sind Konflikte kaum zu vermeiden. Zumal der neue Chef seit Amtsantritt auf den ersten drei Managementebenen Tabula rasa gemacht hat, ein Prozess der jetzt "zu 75 Prozent" abgeschlossen ist. Es gibt also immer noch etliche Abteilungsleiter, die um ihre Jobs fürchten müssen. Die Verunsicherung ist entsprechend groß und Geschäftspartner rätseln, ob ihre Ansprechpartner noch etwas zu sagen haben oder bald verschwunden sind. Viele gute Leute, die vom alten Vorstandschef Wolfgang Prock-Schauer nur ausgebremst worden waren, sind schon weg, sagt ein Air-Berlin-Kenner. Vielerlei Anlass zur Sorge Pichler und Air-Berlin-Finanzchef Arnd Schwierholz müssen versuchen, gleichzeitig die bilanziellen und operativen Probleme zu lösen. Und die wirtschaftlichen Ergebnisse des ersten Halbjahres machen deutlich, dass das Unternehmen bestenfalls auf der Stelle tritt. Das Eigenkapital, das Anfang des Jahres mit minus 415 Millionen Euro schon negativ war, hat sich noch einmal auf minus 575 Millionen Euro verringert. Schwierholz warnt, dies habe "nichts mit Insolvenz zu tun", denn es gelte nur für die Gruppe, nicht aber die operativen Gesellschaften. Anlass zur Sorge muss sein, dass Air Berlin im zweiten Quartal die Kapazität bereits deutlich um 7,1 Prozent zurückgefahren hat, die Nachfrage aber sogar noch stärker (um 7,6 Prozent) rückläufig war. Deswegen ist der sogenannte Yield, also der Umsatz pro verkauften Sitz, noch geringer geworden. Für die ersten sechs Monate ist die wichtige Kenngröße um 0,7 Prozent gestiegen, allerdings auf immer noch zu niedrigem Niveau. Der Umsatz war um zwei Prozent auf 1,86 Milliarden Euro zurückgegangen, der operative Verlust um sieben Prozent geringer (175 Millionen). Das Netto-Ergebnis verschlechterte sich noch weiter (um 23 Prozent auf 247 Millionen), weil die Airline im Vorjahr positive Effekte bei Sicherungsgeschäften einrechnen konnte. Damit sich die Lage bessert, müssen Pichler und sein Vorstand schnell handeln. Operativ ist die entscheidende Frage, wie das künftige Streckennetz aussehen wird. Pichler hat bereits angekündigt, dass sich Air Berlin auf die großen Flughäfen konzentrieren und Nebenstrecken, auf denen kein Geld zu verdienen ist, aufgeben wird. Von der Strategie dürfte vor allem der Flughafen Düsseldorf profitieren, der bislang schon die größte Basis ist und ein vergleichsweise starkes Geschäftsreiseaufkommen hat. Die Langstreckenverbindungen stehen offenbar nicht zur Disposition, denn "unsere Langstrecken sind im Gesamtbild weiter positiv".
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/airline-air-berlin-vor-dem-umbruch-1.2607503
mlsum-de-10
Aufstieg ist derzeit kein Thema: Die Badminton-Zweitligisten Neuhausen und Neubiberg geraten im Kampf um Nachwuchs und Sponsoren ins Hintertreffen.
Es war ein Prestigeduell zweier Könner aus demselben Land, hatte irgendwie aber auch den Charakter einer Freundschaftspartie. Da reiste der Finne Markus Heikkinen, einzig verbliebener Legionär im Kader des Badminton-Zweitligisten TSVNeubiberg-Ottobrunn, mit dem Flieger von Helsinki nach München an, um im Spitzeneinzel gegen Viernheim auf seinen Landsmann Aki Kananen zu treffen. Kananen ist sein bester Freund und Trauzeuge, beide spielten gemeinsam für den finnischen Verein Tapion Solka und viele Male auch schon gegeneinander. Detailansicht öffnen "In den nächsten Jahren wird es für uns deutlich schwerer": Neubibergs Kapitän Sebastian Strödke (Foto: JOHANNES SIMON) Über Sieg oder Niederlage entscheidet die Tagesform, diesmal hatte der Linkshänder Heikkinen in einem an taktischen und technischen Finessen reichen Match die Nase vorn: 21:15 und 21:18 lautete das Ergebnis für ihn. Doch kaum hatte Heikkinen den Glückwunsch Kananens entgegengenommen, sah man ihn schon wieder am Spielfeldrand sitzen und mit seinen Mannschaftskollegen im Mixed fiebern. Die Szene war charakteristisch: Beim Badminton steht der Teamgeist im Vordergrund. Bei aller sportlichen Rivalität geht es meist kameradschaftlich zu, mitunter fast schon familiär. Das ist auch eine Folge des Nischendaseins, Geld gibt es in der Zweiten Liga kaum zu verdienen. Das sportliche Niveau hängt in erster Linie von der Nachwuchsarbeit und der Eigeninitiative in den Vereinen ab. In Neubiberg ist das mit der Familie Hauber sowie dem langjährigen Sportleiter Trevor Stewart verknüpft, belohnt mit dem Aufstieg in die Zweite Liga vor acht Jahren. Eine Saison mischte man sogar im Oberhaus mit, dabei blieb es aber. Die Zuschauerzahl lag in den Anfangsjahren bei etwa 200 im Schnitt, jetzt sind es noch etwa 50, die ihre Mannschaft, darunter den indischen Nationalspieler Arvind Bhat, unterstützen. Und jetzt? "Es wird immer schwieriger, die Zuschauer bei der Stange zu halten", sagt Michael Hauber, Zweiter Abteilungsleiter des TSV, und blickt auf die spärlich besetzten Ränge beim Heimspiel gegen den Tabellenzweiten Viernheim. "Als Vierter spielen wir momentan weder oben mit noch befinden wir uns in der Abstiegszone. Damit kann man die Leute nicht anlocken", konstatiert er ernüchtert. Nicht anders ergeht es dem langjährigen Lokalrivalen TSV Neuhausen-Nymphenburg, der nach Abschluss der Hinrunde mit ebenfalls 7:7 Punkten auf Platz fünf steht. Neuhausen behauptet sich ohne Unterbrechung seit 25 Jahren in der zweithöchsten deutschen Spielklasse und hält damit den "Rekord in Deutschland", wie der langjährige, ehemalige Teammanager Herbert Menacher stolz anmerkt. Neuhausen spielte zwar noch nie erstklassig, ist mit altgedienten einheimischen sowie mit ausländischen Kräften wie dem Engländer Neil White, der Weißrussin Vlada Chernjawskaja und deren Landsmann Yauheni Ykauchuk jedoch zu einer festen Größe in der Zweiten Liga geworden. Wie die Neubiberger sind allerdings auch die Neuhauser inzwischen in die Jahre gekommen: Konstantin Dubs und Thomas Nirschl sind 35, Jessica Willems 33, Chernjawskaja 44. Immerhin: Alexandra Langley, Zugang aus England, ist gerade 19 Jahre jung. Auch Neubibergs Kapitän Sebastian Strödke zählt sein Team mittlerweile zu den älteren in der 2. Bundesliga. Der Finanzmathematiker ist 30, die angehende Immobilienfachwirtin Julia Hauber 27, der frisch gebackene Arzt Timo Courage 26 und Offizier Jan Patrick Helmchen 25 Jahre alt. Wie sie geht auch Markus Heikkinen, 31, einem zivilen Beruf nach; er fährt in Helsinki Eiscreme für ein Lkw-Unternehmen aus. "Küken" im Team ist die 22-jährige Medizinstudentin Julia Schmidt. "In den nächsten Jahren wird es für uns deutlich schwerer", meint Strödke mit Blick auf die Ligakonkurrenten. Die Talente aus Fischbach etwa können am Olympiastützpunkt in Saarbrücken trainieren. Sich mit neuen jungen Kräften zu verstärken, kommt für Neubiberg laut Michael Hauber derzeit nicht in Frage. Vielmehr will man auf das Reservoir guter eigener Stammspieler zurückgreifen. Um einen Kader für den Aufstieg in die 1.Bundesliga zu schmieden, fehlt Neubiberg ohnehin das Geld. Auch in Neuhausen ist der Aufstieg derzeit kein Thema. Herbert Menacher hat schon viele Vereine erlebt, die nach einem Jahr Erstligazugehörigkeit den höheren Kostenaufwand für Spieler und Flüge nicht mehr bewältigen konnten. Und so ist man in Neuhausen wie in Neubiberg vorerst weiterhin auf die Unterstützung des Hauptvereins sowie kleinerer Sponsoren angewiesen. In München mit seinem großen Sport- und Freizeitangebot sei es schwierig, für die speziell im Fernsehen kaum präsente Sportart Badminton einen Hauptsponsor zu gewinnen, sagt Menacher. "Eine unterklassige Fußballmannschaft ist leichter zu sponsern als ein Zweitligateam im Badminton", sagt Michael Hauber. Die Gage der Spieler in den beiden Münchner Vereinen, die sich am Sonntag, 14 Uhr, in Neuhausen (Stievestr. 15) gegenüberstehen, beschränke sich mehr oder weniger auf eine Aufwandsentschädigung. Neidvoll blickt man gelegentlich auf den "großen Bruder" Tennis, wo es zum Teil schon für Bezirksligaspieler Antrittsprämien gibt. Zum Vergleich: Während bei den USOpen im Tennis 20 Millionen Dollar ausgeschüttet werden, sind es bei den All England Open im Badminton gerade einmal 200000 Dollar.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/badminton-in-der-nische-nichts-neues-1.1031425
mlsum-de-11
Die Miete muss bezahlt werden, der Lohn kommt nicht: Die Griechin und Akademikerin Agoritsa Bakomidou muss wohl bald in der Suppenküche essen.
Wie geht es den Griechen? Wir haben bei einigen nachgefragt. Agoritsa Bakomidou, 49, ist eine von ihnen. Sie lebt als freie Übersetzerin und Publizistin in Athen. "Ich verspüre im Augenblick eine Unsicherheit, wie ich sie bislang nie erlebt habe. Ich habe keine Vorstellung davon, wie es weitergehen soll. Es gibt nur eine Gewissheit: Was immer auf mich zukommt, wird auch den Rest von uns betreffen. Das beruhigt mich immerhin ein bisschen. Ich habe noch 500 Euro in der Tasche. Von dem Geld muss ich erst mal auskommen, denn auf dem Konto liegt nichts mehr. Spätestens bis übermorgen werden 250 Euro Miete fällig, aber ich weiß noch nicht, ob ich zahlen werde. Denn an Einkünften kommt auch nichts mehr rein. Ich warte auf Geld für eine Übersetzung, doch der Verlag hat mir mitgeteilt, dass er nicht zahlen wird. Er könne den Betrag nicht überweisen, weil die Bank zu sei. Bei einer anderen Übersetzung habe ich um eine Verlängerung der Abgabefrist gebeten. Man hat mir geantwortet, dass sei überhaupt kein Problem - ich könne mir ruhig Zeit lassen. Im Klartext heißt das wohl, dass das ganze Projekt jetzt auf der Kippe steht. So wie es aussieht, wird hier jetzt alles gestoppt. "Ich vertraue Tsipras" Ich werde mich wohl oder übel damit auseinandersetzen müssen, wie man Suppenküchen und Armenspeisungen in Anspruch nehmen kann. Als Akademikerin bin ich bislang nie auf die Idee gekommen, dass ich davon einmal betroffen sein könnte, und offizielle Ratschläge gibt es dafür im Augenblick nicht. Das meine ich überhaupt nicht vorwurfsvoll. Denn die Leute in der Regierung arbeiten alle bis zum Umfallen, um ein Chaos zu verhindern und das Referendum auf die Beine zu stellen. Die sind noch mehr im Alarmzustand als wir Bürger. Die schlafen überhaupt nicht mehr. Ich vertraue Tsipras, auch wenn mir natürlich klar ist, dass ich nicht alles über ihn weiß. Mein Glaube an die Vertreter der EU ist allerdings restlos zerstört. Ich habe immer den Eindruck, die wissen gar nicht, was sie von uns fordern. Wir könnten beim Referendum natürlich für ein Ja stimmen, doch danach dafür einzustehen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Die Jahre der Krise haben uns so ausgeblutet, dass wir nichts mehr haben. "Mein Vater hat noch 50 Euro" Ich glaube, es ging aus Sicht der Gläubiger bei den Verhandlungen mit unserer Regierung immer nur darum, uns zu bestrafen. 'Wie konnten wir es wagen, eine linke Regierung zu wählen, die tatsächlich zum ersten Mal Nein sagt?' Das sollte auf keinen Fall belohnt werden. Mein Vater wirft mir vor, ich trage eine Mitschuld an der jetzigen Misere, weil ich im Januar für Syriza gestimmt habe. Er ist ein Konservativer, der immer auf der Seite von Samaras stand. Jetzt hat er mit 82 noch 50 Euro in der Tasche. Seinen Lebensabend hat er sich anders vorgestellt."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bakomidou-1.2545956
mlsum-de-12
Milchbauern kämpfen um ihre Existenz und fordern lautstark Hilfe. Landwirtschaftsminister Schmidt gerät in Bedrängnis. Aber was hilft gegen den Preisverfall?
Christian Schmidt spürt den Druck, der vom Land her kommt, das kann er nicht leugnen. Der Bundesagrarminister von der CSU hängt eigentlich der Vorstellung an, dass der Markt der Landwirtschaft sich selbst reguliert. Er findet es gut, dass die EU im April die Milchquote abschaffte, mit der sie ab 1984 30 Jahre lang versucht hatte, die Milchpreise stabil zu halten. Aber der Markt hat eben seine Launen. Das Russland-Embargo kostet Abnehmer, die Nachfrage in China ist eingebrochen, und die Bauern haben zu eifrig investiert in ihre neue Freiheit, so viel Milch zu produzieren, wie sie wollen. Jetzt ist zu viel Milch da. Die Preise sind verfallen. Die Bauern fordern lautstark Hilfe von der Politik. Und Christian Schmidt blickt ohne Illusion auf die Sondersitzung des EU-Agrarrats an diesem Montag in Brüssel. "Wenn wir Montagnacht nichts haben, das wir auf den Tisch legen können", sagt er, "wird die Enttäuschung groß sein." Aber was hilft den Landwirten in der Milchpreiskrise? Das ist die Frage, und Schmidt hat dabei noch keine sehr entschlossene Figur gemacht. Die Direktzahlungen aus dem EU-Fördertopf würde er gerne vorzeitig ausschütten, damit die Bauern wieder flüssig sind - auch wenn das für die Länderverwaltungen schwer umzusetzen wäre. Aber sonst? Am Freitag schaute Schmidt beim schleswig-holsteinischen Landesbauerntag in Rendsburg vorbei und hinterließ ein paar Gedanken zur Krisenbewältigung, die selbst Werner Schwarz, der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), "nicht konkret genug" fand. "Keiner ist da, der wirklich ein Rezept hat", sagte Schmidt in seiner Ansprache, seine Botschaft lautete: Es wird nicht leicht, im Agrarrat eine gemeinsame Lösung zu finden. Später stand Schleswig-Holsteins Agrarminister Robert Habeck von den Grünen ratlos in der Veranstaltungshalle und sagte: "Ich habe nicht begriffen, wie die Verhandlungsstrategie für Montag sein soll. Wahrscheinlich bin ich zu doof dafür." Habeck selbst hat eine klare Position in der aktuellen Debatte. Er teilt sie mit den anderen sechs grünen Landes-Agrarministern. Gemeinsam haben Ulrike Höfken (Rheinland-Pfalz), Priska Hinz (Hessen), Alexander Bonde (Baden-Württemberg), Joachim Lohse (Bremen), Christian Meyer (Niedersachen), Johannes Remmel (Nordrhein-Westfalen) und er ihrem Bundeskollegen einen Brief mit auf den Weg nach Brüssel gegeben. "Leider hat die Entwicklung der letzten Monate unsere seit längerem vorgetragene Position bestätigt, dass das verbliebene Kriseninstrumentarium auf EU-Ebene nach Wegfall der Milchquote nicht ausreicht", heißt es darin, und: "Setzen Sie sich dafür ein, die erheblichen Mittel aus der Superabgabe, 2014/2015 für die Milchwirtschaft und für EU-Maßnahmen der freiwilligen Mengenreduktion im Milchangebot zu verwenden."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/streit-um-milchpreise-aerger-im-stall-1.2636464
mlsum-de-13
Dutzende Menschen ersticken im Laderaum eines Schiffes auf dem Mittelmeer. Und in Deutschland stecken Unbekannte ein Haus in Brand, in dem Asylbewerber wohnen. Eine Wochenend-Übersicht.
Mittelmeer: Auf dem Mittelmeer sind am Wochenende erneut Dutzende Flüchtlinge ums Leben gekommen. Mindestens 49 Tote wurden nach Angaben der italienischen Marine im Laderaum eines Schiffes entdeckt. Sie erstickten vermutlich unter Deck, als Wasser in den Laderaum drang und giftige Dämpfe aufstiegen. Mehr als 300 Menschen seien gerettet worden. Kos: Auf der griechischen Ägäis-Insel Kos ist am Sonntag die Unterbringung von Flüchtlingen an Bord einer Fähre angelaufen. Wie der staatliche Rundfunk ERT berichtete, wurden mehr als 300 Menschen auf der Eleftherios Venizelos einquartiert. Das Schiff soll bis zu 2500 Flüchtlingen für etwa zwei Wochen eine provisorische Unterkunft bieten. Die Behörden hatten aus Sicherheitsgründen entschieden, dass nur Syrer auf dem Schiff untergebracht werden. Damit sollte verhindert werden, dass Streitigkeiten zwischen Flüchtlingen verschiedener Nationalitäten ausbrechen. Die Behörden auf der Insel sind seit Wochen mit der hohen Zahl der Flüchtlinge überfordert. Die Einwanderer warten dort oft tagelang unter widrigsten Bedingungen auf ihre Registrierung. Tausende Menschen mussten unter freiem Himmel schlafen, weil die Insel kein Aufnahmezentrum hat. Niederstedem: Unbekannte haben in der Eifel ein von Asylbewerbern bewohntes Haus in Brand gesetzt. Die Bewohner des Hauses in Niederstedem (Kreis Bitburg-Prüm) waren zur Tatzeit in der Nacht zum Donnerstag nicht anwesend, wie die Polizei mitteilte. Das Haus wurde seit mehreren Wochen von Asylbewerbern bewohnt. Wegen der Brandstiftung "beziehen Staatsanwaltschaft und Polizei einen fremdenfeindlichen Hintergrund der Tat in die Ermittlungen ein", erklärten die Behörden. Berlin: Im Zuge der aktuellen Flüchtlingskrise werden in Deutschland einem Zeitungsbericht zufolge immer mehr Schleuser gefasst. Im ersten Halbjahr seien 1420 mutmaßliche Schleuser festgenommen worden, berichtete die Welt am Sonntag unter Berufung auf Angaben der Bundespolizei. Im ersten Halbjahr 2014 seien es noch 773 gewesen. Damit hat sich die Zahl der von der Polizei gefassten Schleuser im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast verdoppelt. Insgesamt habe die Polizei im vergangenen Jahr 2149 Schleuser aufgegriffen. 2013 waren es demnach noch 1535.
https://www.sueddeutsche.de/politik/meldungen-von-faehren-und-schleusern-1.2609380
mlsum-de-14
Die niedersächsische Stadt Hameln weiß, wie man sein eigenes Märchen vermarktet. Aber wer war der mysteriöse Rattenfänger wirklich?
Die Form,in der die Brüder Grimm diese Geschichte 1816 in ihre Sagensammlung aufgenommen haben, wurde ein Welterfolg, jeder kennt sie. Der Rattenfänger von Hameln wurde zur berühmtesten deutschen Sagengestalt mit globaler Ausstrahlung bis in die USA und nach China. Doch schon in der frühen Neuzeit machte die Geschichte vom "Bunting", so wird der ominöse Pfeifer in einer Version des 16. Jahrhunderts genannt, der erst Mäuse und Ratten aus der Stadt führt mithilfe magischer Flötentöne und dann die Kinder auf Nimmerwiederehen fortlockt, weil ihm der Stadtrat seinen Lohn verweigert, die Runde. Für Hameln jedenfalls ist die Sage ein wirtschaftlicher Segen, denn die Legende lockt alljährlich Abertausende von Touristen aus aller Welt in die kleine Stadt an der Weser, um jenen Ort schaudernd zu besuchen, in dem einst der bunte Rattenfänger sein gutes Werk verrichtete, vor allem aber grausame Rache übte an den wortbrüchigen Hamelnern. "Ein Jüngling von 30 Jahren, schön und überaus wohl gekleidet, trat über die Brücke." "Anno 1284 am Dage Johannis et Pauli war der 26. Juli/ Dorch einen Piper mit Allerley Farve bekledet gewesen CXXX Kinder verledet binnen Hameln geboren/ To Calvarie bi den Coppen verloren." So lautet die Inschrift aus dem 17. Jahrhundert am so genannten Rattenfängerhaus in Hameln, einem herrlichen Beispiel der Weserrenaissance. Frühere Belege des für die Kindseltern grausamen Geschehens gibt es in der Lüneburger Handschrift von 1430: "Zu vermelden ist ein höchst seltenes Wunderzeichen, das sich in der Stadt Hameln [...] im Jahre des Herrn 1284 gerade am Tage des Johannes und Paulus ereignete. Ein Jüngling von 30 Jahren, schön und überaus wohl gekleidet, [...] trat über die Brücke und durch das Wesertor (in die Stadt) ein. Auf einer silbernen Flöte von wundersamer Form begann er sodann durch die ganze Stadt hin zu pfeifen. Und alle Kinder, die diese Flöte hörten, an Zahl etwa 130, folgten ihm zum Ostertore hinaus zur sogenannten Kalvarien- und Gerichtsstätte. Dort verschwanden und entwichen sie, daß niemand aufspüren konnte, wo eines von ihnen geblieben war. [...] Dieses habe ich in einem alten Buche gefunden. Und die Mutter des Herrn Dekans Johann von Lüde sah die Kinder fortziehen." Immerhin wird hier sogar eine Zeugin benannt, die zur Tatzeit etwa 10 bis 14 Jahre alt war. Also gibt es früh eine mündliche Erzähltradition. Keine Rede ist allerdings in den alten Zeugnissen von Ratten. Dieser Teil der Sage wurde erst 1565 mit dem Hamelner Kinderverlust verbunden. Geschichten von sonstigen Rattenfängern waren damals weit verbreitet. Erst in der kombinierten Form wurde daraus die unsterbliche Legende vom erfolgreichen Rattenfänger von Hameln, der aus Rache zum Kinderentführer wird und in der Rezeptionsfolge rasch Teufelszüge annahm. Zugleich aber begann die Suche nach einer realen Vorgeschichte ohne mythische Fantasie. Gottfried Wilhelm Leibniz etwa spekulierte, ob der Auszug der 130 Kinder vielleicht auf den Kinderkreuzzug von 1212 hindeute. Andere vermuteten für das Kinderverschwinden eine Pestepidemie oder Naturkatastrophen. Die schwärzeste These: der Versuch, die Kinder als lästige Mitesser auf immer los zu werden Neuere Untersuchungen gehen davon aus, dass die Hamelner Kinder vielleicht Werbern für die Kolonisation im Osten folgten. Die traten meist in Begleitung eines Trommlers und Pfeifers auf. In der Version der Brüder Grimm ist von Siebenbürgen die Rede, wo die Kinder wieder aufgetaucht sein sollen. Andere Forscher wollten anhand von Personennamen die Auswanderer in Mähren vermuten. Die in dieser Hinsicht haltbarste These hat der Namensforscher Jürgen Udolph entwickelt. Nach seinen Recherchen und Überlegungen sind die Hamelner wohl in die Gegenden nördlich von Berlin in die Prignitz und die Uckermark gezogen. Das beweisen nach Udolph dortige Ortsnamen, Auswanderer würden gerne in der neuen Heimat die alten Ortsbenennungen wieder verwenden. So findet sich etwa in der Wesergegend Hamelspringe, wo die Hamel entspringt und bei Hameln in die Weser mündet. In der Uckermark gibt es Hammelspring, obwohl dort keine Hamelquelle existiert. Dass es Auswanderer aus dem Weserbergland in diese östlichen Gegenden gezogen hat, gilt als sicher. Das ist trotzdem kein absoluter Beweis für den Grund des Verschwindens. In der Trauer der Eltern schimmert nämlich noch etwas quälend Traumatisches durch, so, als werde da nicht nur von einem langen Abschied erzählt, sondern gebe es im Hintergrund eine irgendwie düstere Schuld am Verlust der Kinder. Die schwärzeste These entwickelt Fanny Rostek-Lühmann literaturpsychoanalytisch. Sie sieht in der Sage den Wunsch der Eltern verborgen, die Kinder, im Mittelalter oft hungrige, lästige Mitesser, auf immer los zu werden. Im Hamelner Messbuch "Passionale", der frühesten Überlieferung angeblich aus dem 14. Jahrhundert, gibt es keinen Kinderfänger, sondern nur lateinisch "rei", Schuldige. Liegt der Sage womöglich ein Unglück, gar eine Untat zugrunde, für die man den Rattenfänger dringend als entlastenden Sündenbock erfinden musste?
https://www.sueddeutsche.de/stil/dem-geheimnis-auf-der-spur-sehr-verlockend-1.3759708
mlsum-de-15
Sie sind nicht zimperlich, wenn es darum geht, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Jetzt protestieren die Milchbauern gegen das Ende der Milchquote. Dabei hat auch die Quote das Sterben der Höfe nicht verhindert.
Wovor die Milchbauern warnen Wenn es darum geht, Aufmerksamkeit zu erzeugen, sind Milchbauern nicht zimperlich. Selbst vor drastischen Aktionen schrecken sie nicht zurück. Zurzeit ist es mal wieder so weit. Weil der Preis, den die Landwirte für ihre Milch erhalten, in den vergangenen Monaten deutlich gefallen ist und weil sie überzeugt sind, dass das erst der Anfang ist, zogen sie vor ein paar Tagen nach Brüssel. Vor dem Gebäude der EU-Kommission legte der europäische Milchbauernverband einen Milchsee an. Damit wollten die Landwirte symbolisieren, dass Milcherzeuger "untergehen" würden. Ohne neue Kriseninstrumente drohe eine "Katastrophe am EU-Milchmarkt"! Das klingt beängstigend. Schließlich kann niemand wollen, dass Milchbauern in großem Umfang ihre Existenz verlieren und auf den Weiden in Niedersachsen oder den Almen in Bayern in Zukunft keine Kühe mehr grasen. Doch so weit wird es nicht kommen. Weder steht eine Katastrophe unmittelbar bevor, noch droht sie am Horizont. Was hinter den Protesten steckt Hintergrund der jüngsten Proteste ist ein Datum, das einigen Milchbauern bereits seit geraumer Zeit Angst macht: der 31. März 2015. An diesem Tag läuft endgültig die Regelung zur Milchquote aus. Mit dieser Quote hatte die EU in den vergangenen 30 Jahren strikt festgelegt, welcher Landwirt wie viel produzieren darf. Wollte ein Bauer mehr Milch liefern, musste er sich erst von einem anderen Landwirt für viel Geld weitere Quotenanteile besorgen. Andernfalls drohten ihm Strafzahlungen. Als die EU dieses System 1984 einführte, reagierte sie auf eine gewaltige Überschussproduktion, die Milchseen und Butterberge hatte entstehen lassen. Die Quote sollte das verhindern, und anfangs hat das sogar funktioniert. Doch schon vor einigen Jahren hatte die EU erkannt, dass staatliche Produktionsbegrenzungen auf der einen Seite und freier Welthandel auf der anderen schlecht vereinbar sind. Die Quote kostet Europas Landwirte viel Geld; Geld, das Konkurrenten aus anderen Ländern nicht bezahlen müssen, sodass diese auf dem Weltmarkt im Vorteil sind. Deshalb beschloss die EU, die Quote schrittweise zu erhöhen und Ende März 2015 komplett auslaufen zu lassen. Wie Milchbauern die Produktion kontrollieren wollen Das aber lässt nun bei einigen Landwirten die Sorge aufkommen, dass in der Zeit danach die Produktion in die Höhe schießen wird, mit der Folge, dass der Milchpreis noch stärker unter Druck gerät. Sie fordern daher, eine Monitoringstelle einzurichten, welche die Nachfrage und die Produktionsmenge europaweit im Auge behält. Zeichnet sich eine Krise ab, sollen die Bauern ihre Produktion nicht mehr ausweiten dürfen. Das aber ähnelt nicht nur der bisherigen Quote, es würde auch einen Außenschutz der EU voraussetzen. Denn bei diesem Modell würde der Preis im Krisenfall künstlich hoch gehalten, sodass Drittländer den europäischen Markt mit billigen Milchprodukten überschwemmen könnten. Würde die EU aber einen Außenschutz errichten, ließen andere Länder sich ebenfalls etwas einfallen, um europäische Produkte von ihrem Markt fernzuhalten. Die Folgen wären verheerend für Europas Wirtschaft. Die Milchbauern sollten sich daher lieber an den Gedanken gewöhnen, dass es von April an keine Begrenzungen mehr gibt. Nachtrauern müssen sie der Quote ohnehin nicht. Auch in den vergangenen 30 Jahren hat sie nicht verhindert, dass drei von vier Milchbauern aufgegeben haben. Heute existieren in Deutschland noch 78 000 Betriebe. Genauso wenig hat sie die Milchkrise 2008 verhindert. Damals war der Preis so stark gefallen, dass die Bauern ihre Milch aus Protest einfach wegschütteten. Genützt hat ihnen das nichts. Nachhaltig gestiegen ist der Preis erst, als die weltweite Nachfrage nach der Finanzkrise wieder anzog. Worauf sich Landwirte einstellen müssen Auch in Zukunft wird der Preis wieder steigen. OECD und Weltagrarorganisation FAO sind überzeugt, dass die Nachfrage nach Milchprodukten in den kommenden Jahrzehnten weltweit zunimmt. Europas Landwirte müssen die Chance haben, darauf zu reagieren. Einfach zu beschließen, dass man nicht wachsen will, wie viele Milchbauern das offenbar gern hätten, kann sich niemand leisten. Denn eines ist klar: Die Produktionskosten werden in jedem Fall steigen. Wem es nicht gelingt, seinen Umsatz zu erhöhen, erzielt Jahr für Jahr weniger Einkommen. Ganz allein lässt der Staat die Bauern ohnehin nicht. Natürlich wird es auch weiterhin Extrageld beispielsweise für Weidehaltung und Almbewirtschaftung geben. Auch muss sich die EU in extremen Krisen das Recht zur Intervention vorbehalten. Dank solch flankierender Maßnahmen aber besteht für die Milchbauern kein Grund, den 31. März zu fürchten.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ende-des-quotensystems-milchbauern-warnen-vor-der-katastrophe-1.2277054
mlsum-de-16
Volkswagen-Aktionäre werfen dem Zulieferer Beihilfe zum Diesel-Betrug vor. Dem Landgericht Stuttgart liegt eine Klageschrift vor, die Firmenchef Volkmar Denner eine Mittäterschaft vorwirft.
Bosch-Chef Volkmar Denner wird gerade als Retter des Diesels gefeiert. Vergangene Woche präsentierte er eine Entwicklung des Stuttgarter Autozulieferers, die den Schadstoffausstoß von Dieselmotoren drastisch senken soll. Dafür gab es viel Beifall. Doch seit Mittwoch liegt dem Landgericht Stuttgart eine etwa 150 Seiten umfassende Klageschrift vor, die dem 61-jährigen Manager eine andere Rolle zuzuschreiben versucht: Denner als vermeintlicher Mittäter des Dieselskandals. Es ist bekannt, dass in den meisten Autos, die eine Betrugssoftware verwenden, Bosch-Systeme laufen. Die Staatsanwaltschaft in Stuttgart führt deshalb mittlerweile vier Verfahren gegen Bosch und prüft die Einleitung von vier weiteren. Und nun gibt es in Deutschland auch noch zivilrechtlichen Ärger für den größten Zulieferer der Welt - und Milliardenforderung. Die Kanzlei Tilp wirft der Robert Bosch GmbH Beihilfe zur Täuschung vor. "Ohne Bosch hätte es Dieselgate nicht gegeben", sagt Andreas Tilp. Der Anwalt aus Kirchentellinsfurt bei Stuttgart treibt mit seinen Schadenersatzklagen bereits die Volkswagen AG und deren Haupteigentümerin Porsche SE vor sich her. Nun attackiert er auch Bosch. Der Konzern habe als Lieferant der Motorsteuergeräte die Betrügereien der Autohersteller in Kauf genommen und sogar Beihilfe geleistet, sagt Tilp. Für Bosch gelte, was diverse Landgerichte für VW festgestellt hätten: Das Verhalten sei gekennzeichnet durch "besondere Verwerflichkeit". Bosch habe "Verbraucher, Anleger und Investoren in sittenwidriger Weise geschädigt". Daher hafte Bosch auch für die Verluste der Autoaktien; die Kurse waren nach Bekanntwerden des Dieselskandals im Herbst 2015 eingebrochen. Für Aktionäre wie die Sparkassen-Tochter Deka Investment versucht Anwalt Tilp nun entsprechenden Schadenersatz einzutreiben. Vor Gerichten in Braunschweig und Stuttgart hat er Klagen eingereicht, in denen er VW und Porsche Verstöße gegen das Wertpapiergesetz vorwirft. Beide Unternehmen hätten Anlegern die Schummelei verschwiegen, deshalb müssten sie deren Verlust tragen. Von VW fordert Tilp neun Milliarden Euro, von Porsche eine Milliarde. Und Bosch, so sein Argument, hafte "gesamtschuldnerisch" mit, weil das Unternehmen "von Beginn an federführend an der Entwicklung und Verschleierung" beteiligt gewesen sei. Bosch schien den Schlamassel zu ahnen und wollte offenbar von der Haftung befreit werden Die Indizien, die Tilp in der Klage anführt, sind großteils bereits vor US-Gerichten eingebracht worden. So etwa das Schreiben, mit dem Bosch im Juni 2008 von VW die "Freihaltung von jeglicher Haftung" forderte, die sich aus Abschalteinrichtungen ergebe. Wobei Bosch bestreitet, dass es da um Dieselmotoren gehe. Ebenfalls führt Tilp wieder das Treffen zwischen Denner und dem damaligen VW-Boss Martin Winterkorn auf: Am 28. Mai 2014 trafen die beiden in Wolfsburg aufeinander und sprachen über Akustik-Themen. Mit dem ähnlichen Begriff "Akustikfunktion" bezeichneten Ingenieure jene Schummelsoftware, die erkennt, wenn ein Fahrzeug auf einem Prüfstand steht und dann den Abgasausstoß reduziert. Wegen dieser Abschaltung hat VW in den USA mehr als 24 Milliarden Euro an Strafen und Schadenersatz bezahlt. Und in vielen der US-Akten fällt der Name Bosch. Auch der Zulieferer ficht juristische Kämpfe in den USA, hat 2017 mit Zivilklägern einen Vergleich geschlossen und dabei etwa 304 Millionen Euro bezahlt. Das Unternehmen betont aber stets, diese Zahlung stelle kein Schuldeingeständnis dar. Auch betont Bosch, Winterkorn und Denner hätten sich 2014 mitnichten über Betrugssoftware ausgetauscht. Tatsächlich sei es um Motorenlärm gegangen. Seit Januar ist in Detroit eine weitere Sammelklage anhängig: Diese wirft Ford vor, für Pick-up-Wagen illegale Abschalteinrichtungen entwickelt zu haben; Bosch sei dabei im "Herzen des Skandals". Für den 13. Juni ist eine Gerichtsanhörung geplant. Anders als mancher Autohersteller streitet das Unternehmen Bosch nicht einfach vehement ab, sondern erklärt stets, Vorwürfe sehr ernst zu nehmen. Man kooperiere "vollumfänglich" mit den Behörden, verteidige jedoch in Klageverfahren "seine Interessen". Das gelte auch für die neuerliche Zivilklage, teilt Bosch auf Anfrage mit. Dessen Chef, Volkmar Denner ist seit Juli 2012 Vorsitzender der Bosch-Geschäftsführung. Zuvor war er mehrere Jahre lang mit Motorsteuergeräten befasst. Ermittelt wird gegen ihn nicht. Aber zumindest Anwälte haben Zweifel, ob er am Ende als Retter des Diesels durchgeht. Wobei sie in der Kanzlei Tilp nicht nur das Tun und die Moral von Bosch-Managern im Blick haben, sondern die Prozesstaktik: Als Beklagte könne sich Bosch nicht mehr auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen, wenn ein Gericht die Vorlage von Akten anordnet. Die Klage erhöhe damit auch den Druck auf die Autobauer VW und PSE.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/abgasskandal-milliardenklage-gegen-bosch-1.3964245
mlsum-de-17
Eine Personalie zieht die nächste nach sich. Steinmeier ist Kandidat fürs Bundespräsidentenamt - doch wer zieht ins Außenamt ein?
Der Jubel über die eine Personalie war bei der SPD noch nicht verklungen, als bereits das Nachdenken über die nächste begann. Der Sozialdemokrat Frank-Walter Steinmeier soll Bundespräsident werden - doch wer wird an seiner Stelle Außenminister? Die Frage ist nicht ganz trivial, weil von der Antwort ein paar weitere Fragen abhängen, die man bei der SPD in den nächsten Wochen beantworten muss. Eines vorweg: Trotz anderslautender Wortmeldungen aus der Union zieht niemand ernsthaft in Zweifel, dass auch der nächste Außenminister ein Sozialdemokrat sein wird - schließlich ist die Verteilung der Ministerien im Koalitionsvertrag geregelt. Für die Frage, wer es sein wird, will sich die SPD nun etwas Zeit nehmen. Doch der erste Name kursierte in Berlin bereits am Montagmittag: Martin Schulz. Der Präsident des Europäischen Parlaments bringt nicht nur eine Menge außenpolitischer Erfahrung mit, sondern hat auch innerhalb der Partei eine beträchtliche Anzahl an Fans. Obendrein soll Anfang nächsten Jahres seine Amtszeit als Parlamentspräsident enden, da es eine Vereinbarung mit den Konservativen gibt, ihnen den Posten für die zweite Hälfte der europäischen Legislaturperiode zu überlassen. Aus sozialdemokratischer Sicht wirkt Schulz also wie der ideale Kandidat. Doch von da an wird es kompliziert. Denn Schulz hat immer wieder klargemacht, dass er sich an die Vereinbarung mit den Konservativen am liebsten nicht halten und stattdessen das Amt des Parlamentspräsidenten gern behalten würde. Die Konservativen wiederum wollen auf der Vereinbarung bestehen - wobei immer wieder spekuliert wird, ob es noch eine Hintertür geben könnte. In den nächsten Wochen dürfte eine Entscheidung fallen. Sollten sie Schulz einen Strich durch die Rechnung machen, wäre das ein Dämpfer für ihn. Sollte die SPD ihn also zum Außenminister machen wollen, sollte sie damit nicht allzu lange warten - sonst könnte es wirken, als werde da einer, dessen Karriere in Brüssel und Straßburg vorbei ist, mit dem Auswärtigen Amt als Trostpreis versorgt. Und andersherum: Sollte Schulz doch noch die Chance auf eine Verlängerung seiner Amtszeit bekommen - sähe es dann nicht seltsam aus, wenn er, der so oft die Bedeutung der Europapolitik betont hat, trotzdem nach Berlin entschwände? Detailansicht öffnen Martin Schulz (SPD) bringt als Präsident des Europaparlaments eine Menge außenpolitischer Erfahrung mit. Und in der Partei hat er viele Fans. (Foto: dpa) Und damit zur Frage, ob Parteichef Sigmar Gabriel, seit Montag schwer obenauf, Schulz überhaupt zum Außenminister machen will. Noch vor Monaten, vielleicht sogar vor Wochen, hätte man das umstandslos bejahen können - schließlich hatte Gabriel in der Vergangenheit immer mal wieder versucht, seinen Freund oder jedenfalls Verbündeten Schulz nach Berlin zu holen. Zuletzt allerdings registrierten Gabriel und seine Leute aufmerksam, dass Schulz sich mehr oder weniger dezent als möglicher SPD-Kanzlerkandidat ins Spiel brachte. Es ist nicht ganz klar, wie begeistert sie davon waren - und wie eilig Gabriel es vor diesem Hintergrund derzeit noch hat, Schulz ins schwarz-rote Kabinett zu holen. Überhaupt, die Kanzlerkandidatur: Auch für die Frage, wer die SPD in den Bundestagswahlkampf führen soll, ist die Besetzung des Auswärtigen Amts nicht ganz unerheblich. Für einen möglichen Kanzlerkandidaten Schulz wäre das Amt des Außenministers die Chance, sich nach all den Jahren auf der europäischen Bühne noch einmal ein paar Monate lang ins Bewusstsein der Wähler einzuprägen - einerseits. Andererseits wäre er dann unter Kanzlerin Angela Merkel, die er aller Wahrscheinlichkeit nach im Wahlkampf zu attackieren hätte, in die Kabinettsdisziplin eingebunden. Gauck lächelt Bundespräsident Joachim Gauck ist erfreut über die Einigung der großen Koalition auf einen Kandidaten für seine Nachfolge. "Ich werde mich hüten, meinem Nachfolger Ratschläge zu geben. Ein so erfahrener homo politicus braucht meine Ratschläge nicht", sagte Gauck am Dienstag Journalisten in Tokio über Frank-Walter Steinmeier. "Ich bin erfreut, dass es jetzt eine Regelung in der Kandidatenfrage gegeben hat, dass Konsens hergestellt worden ist in der Koalition", betonte er. Mehr wolle er dazu nicht sagen - nur so viel noch: "Sie sehen einen Präsidenten mit einem Lächeln im Gesicht." dpa Aber was wäre eigentlich, wenn Gabriel selbst Außenminister werden wollte? Schließlich dürfte er seine Entscheidung für das Wirtschaftsministerium nach all dem Ärger um Freihandel, Rüstungsexporte und Supermarktfusionen schon mehrmals bereut haben. Als Außenminister wäre er diese Dinge los und könnte obendrein versuchen, noch ein wenig an seinem Image zu arbeiten. Andererseits dürften die unangenehmen Sachthemen im Wirtschaftsministerium demnächst größtenteils abgeräumt sein, obendrein wäre das Manöver ziemlich durchsichtig. Und falls Gabriel sich dafür entscheiden sollte, die Kanzlerkandidatur jemand anderem zu überlassen, würden ihm höhere Popularitätswerte ohnehin nicht mehr viel nützen. Welche weiteren Namen bleiben? Thomas Oppermann, dem Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, trauen die meisten Genossen so ziemlich jedes Amt zu, also auch das des Außenministers. Doch sein Sprecher lässt ausrichten: "Thomas Oppermann ist gerne Fraktionsvorsitzender und will das auch bleiben." Bleiben noch die führenden SPD-Außenpolitiker im Parlament, Rolf Mützenich und Niels Annen. Oder SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan. Wobei Sigmar Gabriel stets für eine Überraschung gut ist. Mit einem Justizminister Heiko Maas jedenfalls hatte nach der Bundestagswahl 2013 kaum jemand gerechnet.
https://www.sueddeutsche.de/politik/praesidentschafts-einigung-gedankenspiele-nach-dem-coup-1.3250718
mlsum-de-18
Im Kampf gegen den Terror sollen die Sicherheitsgesetze drastisch verschärft werden. Der Bundesinnenminister plant Berichten zufolge nicht nur schnellere Abschiebungen.
Als Reaktion auf die jüngsten Anschläge in Deutschland will Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Donnerstag einen neuen Maßnahmenkatalog im Kampf gegen den Terror vorstellen, berichten Bild und der Kölner Stadt-Anzeiger. Demnach soll die ärztliche Schweigepflicht aufgeweicht werden. Eine Gesetzesänderung würde damit Ärzten künftig ermöglichen, die Behörden über geplante Straftaten ihrer Patienten rechtzeitig zu informieren. De Maizière will der Bild zufolge zudem erreichen, dass ausländische Gefährder und straffällige ausreisepflichtige Ausländer schneller abgeschoben werden können. Dafür könne es bald Schnellverfahren bei der Entscheidung über Abschiebungen und über Asylanträge geben. Auch sei ein Entzug des Bleiberechts für Personen vorgesehen, die sich ihrer Abschiebung widersetzen oder sie mutwillig verzögerten. Dem Kölner Stadt-Anzeiger zufolge will de Maizière ein Paket vorlegen, das noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll und der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf. Das Blatt beruft sich auf führende Koalitionskreise. Damit werde er den kürzlich von Bundeskanzlerin Angela Merkel präsentierten Neun-Punkte-Plan konkretisieren, zitierte das Blatt einen SPD-Parlamentarier. Merkel hatte Ende Juli nach mehreren Gewalttaten in Deutschland ein entschiedeneres Vorgehen des Staates gegen islamistische Extremisten angekündigt. "Berliner Erklärung": Vom Burka-Verbot bis zur Vorratsdatenspeicherung Weitere Maßnahmen zur Erhöhung der inneren Sicherheit wollen die Innenminister der CDU/CSU nach einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland bei einem Treffen am 18. August verlangen. Im Entwurf einer "Berliner Erklärung" finden sich demnach Forderungen nach mehr Polizeipräsenz, mehr Video-Überwachung im öffentlichen Raum und schnelleren Abschiebungen. Gefordert würden auch der Aufbau eines Cyberabwehrzentrums beim Bundeskriminalamt und die Nutzung der Vorratsdatenspeicherung durch die Geheimdienste. Diese sollten zudem die Möglichkeit erhalten, bereits gegen 14-jährige Verdächtige zu ermitteln. Bis 2020 sollten 15 000 zusätzliche Polizisten bei Bund und Ländern eingestellt werden, heißt es in dem Medienbericht weiter. Die doppelte Staatsbürgerschaft würde demnach abgeschafft, weil sie ein großes Integrationshindernis sei. Die Bundesregierung allerdings plant nach eigenen Worten keine Änderung der gesetzlichen Regeln für eine doppelte Staatsbürgerschaft. Eine Vollverschleierung solle ebenso verboten werden wie die Finanzierung von Moscheen durch extremistische Organisationen. Nichtdeutsche Hassprediger sollten umgehend ausgewiesen werden. Deutschen, die für eine terroristische Vereinigung kämpfen und mindestens eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, solle man die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen dürfen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/terrorbekaempfung-de-maiziere-will-offenbar-aerztliche-schweigepflicht-aufweichen-1.3115282
mlsum-de-19
Mehr Luxus war selten: ein Spaziergang über die Monaco Yacht Show. Mit erstaunlichen Ein- und Ausblicken.
Rote Teppiche sind in Monaco nichts besonderes, aber dieser hier ist selbst für das Land der Grimaldis ungewöhnlich lang: In leuchtendem Rubin schlängelt er sich durch den gesamten Hafen, kreuzt Brücken und Anleger, umwindet Luxusyachten und schwimmende Paläste und verhindert trotzdem, dass auch nur ein einziger Millionär im Taumel aus Prunk und Protz die Orientierung verliert. Die Menschen im Hafen aber wissen das nicht zu schätzen - sie wollen einfach nicht auf dem Teppich bleiben. Ständig biegen sie nach links oder rechts ab, um ein dort ankerndes Schiff zu besichtigen oder gar zu kaufen. Detailansicht öffnen Immer schön auf dem roten Teppich bleiben, denn der führt auf der "Monaco Yacht Show" an Booten im Gesamtwert von etwa 3,5 Milliarden Euro vorbei. Wer den Teppich verlassen und auf einen der kostbaren Kähne überwechseln will, sollte allerdings mehr mitbringen als vages Interesse und ein wenig Sensationslust. (Foto: Foto: AFP) Es ist "Monaco Yacht Show", und wie jeden Herbst seit 17 Jahren lockt sie vier Tage lang Millionäre und Milliardäre aus aller Welt an. Dazwischen mogeln sich ein paar gewöhnliche Bootsliebhaber und Schaulustige, so dass es die Veranstaltung inzwischen auf 26.000 Besucher bringt. Damit stellt sie nach dem berühmten Formel-Eins-Rennen mittlerweile das zweitgrößte internationale Gesellschaftsereignis des Fürstentums dar und ist eine der renomiertesten Yachtshows weltweit. Das teuerste Schiff hier kostet mehr als hundert Millionen Euro. Aber dorthin führt einen der rote Teppich noch längst nicht. Bevor es überhaupt an die Anleger geht, geleitet er den Besucher durch 9000 Quadratmeter Standfläche - schließlich will so eine Yacht auch anständig ausgerüstet sein.
https://www.sueddeutsche.de/auto/monaco-yacht-show-alles-im-schiff-1.793429
mlsum-de-20
Nach den Ausschreitungen in Sachsen kündigt das rechte "Merkel muss weg"-Bündnis in der Hansestadt wieder Kundgebungen an. Tausende kommen - allerdings zur Gegendemonstration.
Etwa 10 000 Menschen haben nach Angaben der Polizei am Mittwoch in Hamburg gegen Fremdenhass und rechte Hetze demonstriert. In Hamburg sind am Mittwoch tausende Demonstranten gegen eine Versammlung auf die Straße gegangen, die unter dem Motto "Merkel muss weg" stattfand. Auf dem Jungfernstieg zählte die Polizei am frühen Abend etwa 10 000 Menschen, die an den Demos "Nazis und Rassisten entgegentreten!" und "Hamburger Stimmen gegen Rechts!" teilgenommen hatten, wie die Beamten über Twitter mitteilten. Zur "Merkel muss weg"-Demonstration kamen lediglich 178 Teilnehmer. Wir haben nachgezählt", sagte ein Polizeisprecher. In zwei getrennten Lagern zogen Demonstranten und Gegendemonstranten durch die Innenstadt in Richtung Gänsemarkt, wo die Kundgebung des "Merkel muss weg"-Bündnisses am frühen Abend stattfinden sollte. Die Polizei sperrte den Platz mit Gittern ab, auch Wasserwerfer und die Reiterstaffel standen bereit. Hochrangige Pegida-Vertreter aus Sachsen in Hamburg Zu den Teilnehmern der rechten Kundgebung gehörten mehrere Hooligans, aber auch hochrangige Pegida-Vertreter aus Sachsen wie Vize-Chef Siegfried Däbritz, der Landessprecher der AfD aus Mecklenburg-Vorpommern, Dennis Augustin, sowie Redner aus Stuttgart und Mainz. Anfang des Jahres hatten in Hamburg jeden Montagabend bis zu 300 Menschen unter dem Motto "Merkel muss weg" demonstriert. Danach war es ruhig geworden um das Bündnis. Nun sollen wieder regelmäßig Kundgebungen stattfinden. Nach Angaben des Verfassungsschutzes stammten die Initiatoren teilweise aus der rechtsextremistischen Szene, die auch Verbindungen zur AfD haben sollen, sowie aus Personen aus dem Türsteher- und Hooliganmilieu. Nach den Ausschreitungen von Chemnitz stand die Kundgebung an diesem Mittwochabend unter verstärkter Beobachtung. Wie die Polizei mitteilte, liefen die Demonstrationen weitgehend störungsfrei ab. Ein rechter Demonstrant warf demnach einen Stein auf einen Journalisten, es wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Von Seite der Gegendemonstranten wurden vereinzelt Steine und Eier geworfen, die Polizei setzte Wasserwerfer ein. Ein Teilnehmer der Demonstration "Merkel muss weg!" wurde nach dem Verlassen der Demonstration angegriffen und verletzt. Ein Tatverdächtiger wurde festgenommen. Insgesamt waren rund 1000 Polizeibeamte im Einsatz.
https://www.sueddeutsche.de/politik/hamburg-178-rechte-und-10-000-gegendemonstranten-1.4118875
mlsum-de-21
Vor 2019 will die EZB die Zinsen nicht erhöhen. Das billige Geld sorgt zunehmend für Risiken - zum Beispiel bei Baukrediten in Deutschland.
Frankfurt/München - Europa muss noch eine ganze Weile mit den niedrigen Zinsen leben. "Auf Basis der heutigen Daten sehe ich wenig Chancen, dass die Zinsen in diesem Jahr noch angehoben werden", sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag. Das waren ungewöhnlich deutliche Worte. Über den Zeitpunkt einer möglichen Zinserhöhung hatte sich Draghi bislang kaum ausgelassen. Damit scheint sicher, dass die Notenbank den Leitzins frühestens 2019 erhöhen wird. Der Boom auf dem deutschen Immobilienmarkt dürfte damit weitergehen. Seit 2016 liegt der Leitzins in der Euro-Zone bei null Prozent. Darüber hinaus kauft die EZB Staats- und Firmenanleihen im Wert von 2,7 Billionen Euro, was die Marktzinsen auch für Hauskredite niedrig hält. Dieses Kaufprogramm läuft noch mindestens bis September. Die Leitzinsen, so Draghi, würden erst "eine ganze Weile nach Ende des Kaufprogramms" angehoben. Die lockere Geldpolitik der EZB hat Europas Wirtschaft einen Wachstumsschub gebracht. Die neue Stärke spiegelt sich an den Devisenmärkten. Der Euro notierte am Donnerstag mit 1,25 US-Dollar auf dem höchsten Stand seit drei Jahren. Draghi nannte den jüngsten Anstieg "eine Quelle der Unsicherheit". Mittlerweile erzeugt die lockere Geldpolitik auch neue Gefahren. Es drohen Preisblasen. So treibt Draghis Nullzinspolitik Anleger an die Börsen, weil Anleihen kaum mehr etwas abwerfen. Der Deutsche Aktienindex (Dax) notiert mit 13 400 Punkten nahe an seinem Rekordstand. Und auf dem deutschen Immobilienmarkt steigen die Preise seit Jahren in einem atemberaubenden Tempo. Denn von den niedrigen Zinsen profitieren alle, die bauen oder modernisieren wollen und dafür ein Hypothekendarlehen benötigen. Bei einer Laufzeit von zehn Jahren liegt nach Angaben des Verbraucherportals biallo.de der durchschnittliche nominale Zinssatz bei 1,34 Prozent, bei einer Laufzeit von 15 Jahren sind es 1,81 Prozent. Dass es für private Bankkunden und gewerbliche Investoren Geld so günstig gibt, treibt auch die Geschäfte auf dem Bau an. Zahlreiche Handwerker haben so viele Aufträge, dass sie mit der Arbeit nicht mehr hinterherkommen. Die Bauindustrie erwartet in diesem Jahr einen Umsatz von gut 117 Milliarden Euro - das sind vier Prozent mehr als 2017. Nach Angaben des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie ist das Umsatzplus aber vor allem auf höhere Baupreise zurückzuführen. Diese dürften 2018 um 3,5 Prozent zulegen. Die Bundesbank warnt Bankkunden regelmäßig davor, allzu sorglos zu sein Der Bauboom setzt sich also fort, wenn auch wohl etwas gebremster als zuletzt. Die Zahl der Baugenehmigungen ist bereits rückläufig. 2016 wurden 278 000 Wohnungen neu in Deutschland errichtet. 2017 dürften es um die 300 000 gewesen sein, 2018 könnten es 320 000 werden. Aber kann das immer so weitergehen? Und wie sicher sind die Baufinanzierungen überhaupt? Die Bundesbank warnt Bankkunden regelmäßig davor, allzu sorglos zu sein und gibt zu bedenken, dass die Zinsen wieder steigen könnten und eine Anschlussfinanzierung dann teurer wird. Auch Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ-Bank, sagt: "Nicht jede Immobilienfinanzierung ist wetterfest." Wenn nach Ablauf der Zinsbindungsfrist höhere Zinsen fällig würden, dabei aber nur rund ein Zehntel der Schuld abgetragen sei, könnte das für viele schwierig werden. "Zudem führt die relativ niedrige Tilgung zu langen Kreditlaufzeiten von 35 und mehr Jahren", warnt Bielmeier.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/zinsen-kommt-das-boese-erwachen-auf-dem-immobilienmarkt-1.3840537
mlsum-de-22
Deutschlands schnellste Frau zeigt sich bei der EM über 100 Meter sehr stark. Im Finale muss sie sich nur einer Britin geschlagen geben. Kugelstoßer Storl holt Bronze. Auch im Zehnkampf glänzt ein Deutscher.
Sprinterin Gina Lückenkemper hat bei der Leichtathletik-EM in Berlin Silber über 100 m und damit die erste Medaille für das deutsche Team gewonnen. Die 21-Jährige aus Leverkusen musste sich im Finale im Olympiastadion in 10,98 Sekunden nur der ungefährdeten Britin Dina Asher-Smith (10,85) geschlagen geben und feierte den größten Erfolg ihrer Karriere. Bronze ging an Dafne Schippers (Niederlande/10,99).Es war das erste deutsche Edelmetall über 100 m seit Verena Sailers Gold 2010 in Barcelona. Die Gold-Serie von Kugelstoßer David Storl bei Leichtathletik-Europameisterschaften ist dagegen gerissen. Der Leipziger musste sich mit Bronze und einer Weite von 21,41 Metern begnügen. Damit verpasste es der 28-Jährige nach seinen Triumphen 2012, 2014 und 2016, als erster Kugelstoßer vier EM-Titel hintereinander zu gewinnen. Dem zweimaligen Weltmeister fehlten 31 Zentimeter auf den neuen Europameister Michal Haratyk aus Polen. Zweiter wurde dessen Landsmann Konrad Bukowiecki (21,66). Schon bei vergangenen großen internationalen Stadien-Wettkämpfen hatte Storl geschwächelt, war nur Olympia-Zehnter und WM-Siebter geworden. Zehnkampf-Hoffnung Arthur Abele strebt derweil eine Medaille an - und darf sogar auf Gold hoffen. Der Ulmer liegt nach fünf Disziplinen mit 4285 Punkten auf Rang zwei und peilt knapp 8600 Zähler an. In Führung liegt nach den 400 m der Brite Tim Duckworth (4380), Frankreichs Topfavorit Kevin Mayer ist hingegen völlig überraschend bereits aus dem Rennen. Der Weltmeister leistete sich drei ungültige Versuche im Weitsprung.Abele zeigte bisher einen Wettkampf ohne Wackler auf hohem Niveau. Im Vergleich zu seiner Leistung von Ratingen, als er 8481 Punkte schaffte, hat er 68 Zähler mehr gesammelt. Außerdem gilt Abele als Mann des zweiten Tages im Zehnkampf, Duckworth hat dort Schwächen."Es ist ein schwarzer Tag für mich, für meine Fans tut es mir wahnsinnig leid", sagte Mayer, der nach der ersten Disziplin in Führung gelegen und dabei mit 10,64 Sekunden über 100 m eine persönliche Bestleistung aufgestellt hatte. Durch seinen Fauxpas sind die Medaillenchancen Abeles gestiegen.Abeles Ulmer Vereinskollege Mathias Brugger sorgte hingegen für eine Enttäuschung und fabrizierte wie Mayer drei ungültige Versuche im Weitsprung. Immerhin setzte Brugger anders als der Franzose den Wettkampf fort. Der erst 20 Jahre alte Aufsteiger Niklas Kaul (Mainz) blieb zum Auftakt seiner ersten großen Meisterschaft bisher im Rahmen seiner Möglichkeiten. Kaul liegt auf Platz 13 (4089).Vizeweltmeister Rico Freimuth (Halle/Saale) und der WM-Dritte Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied) sind in Berlin nicht am Start. Freimuth hatte seine Saison wegen fehlender Motivation frühzeitig beendet, Kazmirek musste seinen Berlin-Start wegen muskulärer Probleme kurzfristig absagen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/leichtathletik-em-berlin-lueckenkemper-1.4085484
mlsum-de-23
Die mögliche große Koalition will das Prostitutionsgesetz verschärfen. Erstmals sollen Freier unter bestimmten Umständen bestraft und Zwangsprostituierten leichter Aufenthalt in Deutschland gewährt werden.
SPD und Union haben im Rahmen ihrer Koalitionsverhandlungen beschlossen, das Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 drastisch zu verschärfen. Erstmals sollen nun auch Freier unter bestimmten Umständen bestraft werden. Außerdem ist geplant, Opfern von Zwangsprostitution, die aussteigen wollen, ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, auch wenn sie nicht bereit sind, vor Gericht gegen ihre Peiniger auszusagen. Beide Punkte waren in den Verhandlungen bis zuletzt umstritten. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wurde der Konflikt jedoch bei einem Frühstück der führenden Innen- und Frauenpolitiker von Union und SPD am vergangenen Dienstag aus der Welt geschafft. In dem entscheidenden Passus, der inzwischen auch von der großen Runde der Koalitionsverhandlungen verabschiedet wurde, heißt es, "unter Berücksichtigung ihres Beitrags zur Aufklärung, ihrer Mitwirkung im Strafverfahren sowie ihrer persönlichen Situation" werde man das Aufenthaltsrecht von Opfern der Zwangsprostitution verbessern und eine "intensive Unterstützung, Betreuung und Beratung gewährleisten". Trotz der formulierten Bedingungen fällt damit der vor allem von Innenpolitikern bisher hochgehaltene Grundsatz, nur bei der Bereitschaft zur Aussage vor Gericht könne ein Aufenthaltsrecht in Deutschland gewährt werden. Auch die Verhandlungsführer der AG Innen, Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, hatten diese Position vertreten. Bei einem Treffen mit den Unionspolitikerinnen Annette Widmann-Mauz und Beate Merk sowie Manuela Schwesig und Brigitte Zypries von der SPD hatten sie sich jedoch auf den Kompromiss eingelassen. Details sollen im Gesetzgebungsverfahren beschlossen werden Gleiches gilt für den zweiten Punkt: die Entscheidung, auch Freier ins Visier zu nehmen. In ihrem Beschluss schreiben Union und SPD: "Wir werden nicht nur gegen die Menschenhändler, sondern auch gegen diejenigen, die wissentlich und willentlich die Zwangslage der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution ausnutzen und diese zu sexuellen Handlungen missbrauchen, vorgehen." Obwohl beispielsweise die ehemalige Bundesjustizministerin Zypries bis zuletzt davor gewarnt hatte, dass der Nachweis in diesem Fall juristisch äußerst schwerfallen könnte, stimmte auch sie am Ende zu. Wie es aus Verhandlungskreisen heißt, kam die Wende vor allem mit der Begründung, dass es eben doch einen Unterschied mache, unter welchen Umständen Prostitution angeboten werde. "Ein Club, der vorne und hinten von Rockern überwacht wird und in dem vor allem junge Frauen aus Osteuropa angeboten werden, muss jeden Menschen mit gesundem Menschenverstand misstrauisch machen", sagte ein Teilnehmer aus den Gesprächen der SZ. Die Details der Strafen und die Kriterien für eine Bestrafung sollen nicht in den Koalitionsverhandlungen, sondern - so es zu einer großen Koalition kommen sollte - im Gesetzgebungsverfahren beschlossen werden. Mit der jetzigen Einigung ist der Weg frei für eine umfassende Neuregelung des Prostitutionsgesetzes aus dem Jahr 2002. Damals hatte die rot-grüne Koalition beschlossen, Prostitution als normalen Beruf zu legalisieren, um den Prostituierten so unter anderem den Weg in die Sozialversicherung zu öffnen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/prostitutionsgesetz-spd-und-union-wollen-freier-bestrafen-1.1823791
mlsum-de-24
Bastian Schweinsteiger war bei Manchester United auf die Tribüne verbannt worden. Nun meldet sich der Weltmeister mit Tor und Vorlage zurück - und gilt unversehens wieder als "Option".
Will Grigg ist immer noch "on fire", wenn er mit Nordirlands Nationalelf auf Tour geht. Der Kurven-Hit der EM 2016 ist bis heute die Begleitmelodie des Profis, und am Sonntag bekam Grigg wieder einen Anlass, sich der guten Tage von Frankreich zu erinnern. Denn er traf auf einen Mann, dem er auch bei der EM im Pariser Prinzenpark begegnet war. Das Wiedersehen löste in der englischen Presse ein großes Echo aus - aber wegen des Deutschen, von dem man zuletzt wenig gehört und den man noch seltener auf dem Spielfeld gesehen hatte. Auf der einen Seite also: Will Grigg für Wigan Athletic, den 21. der zweithöchsten englischen Liga. Auf der anderen Seite: Bastian Schweinsteiger für Manchester United, der erstmals seit 385 Tagen in der Startelf stand. Und wenn es auch nicht die Premier League war, so doch immerhin der traditionsreiche FA Cup - wie üblich vor vollen Rängen (75 000 Zuschauer). Zeugen versichern, dass es an diesem Nachmittag keinen lauteren Moment gab als in der 84. Minute, als Schweinsteiger sein Comeback mit dem Tor zum 4:0 garnierte - selbst der strenge José Mourinho erlaubte sich ein Lächeln. In ersten Berichten wurde das Tor als "Fallrückzieher" qualifiziert, das war allerdings eine Übertreibung. Tatsächlich verlängerte Schweinsteiger, mit dem Rücken zum Tor im Fünfmeterraum stehend, den Kopfball eines Mitspielers ins Netz. Geschickt, aber nicht direkt im Stil eines Artisten. Zuvor hatte er bereits Uniteds 1:0 mit der Flanke auf Fellaini aufgelegt - die Gegner aus Wigan hielten respektvoll Abstand, wie sie ihn auch sonst im Mittelfeld freundlich gewähren ließen. Das hielt die Juroren nicht davon ab, den 32 Jahre alten DFB-Weltmeister zum Mann des Tages zu küren. Schweinsteiger ist zurück im Spiel, nicht in den USA, in China oder Abu Dhabi, wie es ihm vorhergesagt wurde, nachdem United-Trainer Mourinho im Sommer erklärt hatte, für den Deutschen werde es "schwierig" werden in Manchester. Sondern auf dem heiligen Rasen von Old Trafford, mit guten Aussichten auf Weiterbeschäftigung. Mourinho hat wieder Verwendung für Schweinsteiger, dessen Haltung während der langen Wartezeit der Coach besonders lobte: "Er hat sich professionell benommen", sagte Mourinho und kündigte an, Schweinsteiger für die Europa League zu melden, wo die Gegner Gladbach oder Schalke sein könnten. Auch die Premier League sei "eine Option", erklärte Mourinho. Dank der Weggänge Depay und Schneiderlin ist wieder Platz im Mittelfeld. Schweini is on fire again.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bastian-schweinsteiger-ploetzlich-laechelt-mourinho-1.3356204
mlsum-de-25
Anders als üblich, soll die Verleihung des Europa-Preises im nächsten Jahr nicht in Aachen, sondern in Rom stattfinden.
Zum zweiten Mal geht der Aachener Karlspreis an einen Papst. Franziskus sei eine "Stimme des Gewissens" Der Karlspreis 2016 geht an Papst Franziskus. Das gaben das Karlspreisdirektorium und die Stadt Aachen bekannt. Die Preisverleihung soll - anders als üblich - 2016 nicht in Aachen stattfinden, sondern in Rom. Ein genauer Termin steht noch nicht fest. Der Preis wird seit 1950 für besondere Verdienste um die europäische Einigung verliehen. Die Europäische Union habe in den vergangenen Jahren Krisen und Rückschläge erlebt, stellte das Karlspreisdirektorium in der Begründung fest. "In dieser Zeit, in der viele Bürgerinnen und Bürger in Europa Orientierung suchen, sendet Seine Heiligkeit Papst Franziskus eine Botschaft der Hoffnung und der Ermutigung aus", hieß es wörtlich. Der Papst sei eine "Stimme des Gewissens", die mahne, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Und die daran erinnere, dass Europa verpflichtet sei, Frieden, Freiheit, Recht, Demokratie und Solidarität zu verwirklichen - aufbauend auf den Idealen seiner Gründungsväter. 2015 hatte EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz die Medaille erhalten. Auch ein Papst wurde schon mal ausgezeichnet - Johannes Paul II. erhielt 2004 in Rom einen "außerordentlichen" Karlspreis. Bei Franziskus handelt es sich hingegen um die traditionelle Auszeichnung. Er ist der 58. Träger des Preises, welcher nach Karl dem Großen (747/748-814) benannt ist.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/papst-franziskus-erhaelt-den-karlspreis-2016-1.2795321
mlsum-de-26
Der verletzte Kapitän will die Mannschaft besuchen, wenn sie die Vorrunde übersteht, Drogba trainiert mit Schiene, Maradona fordert Fairplay, ein Hollywood-Star macht Australien Mut.
Trotz Vereinssuche und Verletzung wird Michael Ballack die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der WM in Südafrika nach einem möglichen Einzug ins Achtelfinale vor Ort als Edel-Fan unterstützen. "Meine Pläne, zur deutschen Mannschaft zu reisen, helfen mir sehr. Wenn ich in der Vergangenheit verletzt oder gesperrt war, bin ich immer zur Mannschaft in die Kabine gegangen. Und so wird es auch in Südafrika sein", sagte der 33-Jährige in einer Kolumne für die englische Tageszeitung Times. Bundestrainer Joachim Löw habe er bereits über seine Reisepläne informiert. Ballack musste eingestehen, dass ihm das Aus für die WM in Südafrika noch immer weh tut. "Es ist schwer für mich, zum ersten Mal seit Frankreich 1998 eine WM-Endrunde zu verpassen. Aber ich liebe den Fußball und werde so viele Spiele wie möglich sehen", sagte Ballack, der von zahlreichen Klubs aus dem In- und Ausland umworben wird. Als erste Kandidaten gelten insbesondere Spaniens Rekordmeister Real Madrid, der FC Liverpool sowie Schalke 04. Detailansicht öffnen Michael Ballack will die deutsche Mannschaft in Südafdrika besuchen - aber erst zum Achtelfinale. (Foto: ag.ddp) Superstar Didier Drogba steht der Elfenbeinküste möglicherweise schon im ersten WM-Spiel gegen Portugal wieder zur Verfügung. Nicht einmal eine Woche nach seinem Ellbogenbruch nahm der Stürmer des FC Chelsea am Donnerstagabend überraschend am Training der Ivorer teil. "Wäre das Spiel heute oder morgen, wäre er nicht in der Lage, dabei zu sein. Aber es ist erst in ein paar Tagen. Er könnte spielen", sagte Trainer Sven-Göran Eriksson im Anschluss an die erste Übungseinheit seines Teams in Südafrika. Drogba trug zum Schutz eine Schiene an seinem rechten Unterarm und wurde nicht voll belastet. Bei allen Übungen, bei denen er in Kontakt mit einem Gegenspieler hätte geraten können, schaute er nur zu. Der 32-Jährige hatte sich am vergangenen Freitag im Testspiel gegen Japan (2:0) den Ellbogen gebrochen. Zunächst ging er selbst davon aus, die Weltmeisterschaft zu verpassen, doch nach seiner Operation am Wochenende wuchs bei ihm die Hoffnung, zum ersten Spiel seiner Mannschaft am 15. Juni in Port Elizabeth wieder fit zu sein. Hollywood-Star John Travolta hat mit witzigen Show-Einlagen der australischen Fußball-Nationalmannschaft Mut für ihr WM-Auftaktmatch gegen Deutschland gemacht. Der amerikanische Schauspieler, seit Jahren Edelfan der "Socceroos", besuchte das Team am Freitag in der prachtvollen Kloofzicht Lodge in Muldersdrift. "Ich will eine Inspiration für Euch sein und Euch wieder Glück bringen", rief Travolta den Profis zu, ehe er sie mit einer Tanz- und Singeinlage begeisterte. Kapitän Lucas Neill überreichte Travolta ein Nationaltrikot mit der 10. "Hoffentlich ist es ein gutes Omen", sagte Keeper Mark Schwarzer über den Besuch. Der frühere Bundesliga-Stürmer Marko Pantelic hat den WM-Auftakt des deutschen Gruppengegners Serbien gegen Ghana als "Alles-oder-nichts-Spiel" bezeichnet. "Das ist das wichtigste Match für uns", sagte der 31 Jahre alte Angreifer der serbischen Fußball-Nationalmannschaft vor seinem WM-Debüt am Sonntag in Pretoria. Für den weiteren Verlauf der Weltmeisterschaft in Südafrika werde viel von dieser Partie abhängen, betonte der ehemalige Profi von Hertha BSC am Freitag. Über das zweite Gruppenspiel gegen Deutschland wollte Pantelic noch nicht reden. "Das einzige, was jetzt in meinem Kopf ist, ist Ghana. Da geht es um alles oder nichts." Nach dem nahezu sicheren Ausfall von Arjen Robben wird der ehemalige Hamburger Rafael van der Vaart am Montag im ersten Fußball-WM-Match der Niederlande gegen Dänemark mit großer Wahrscheinlichkeit in der Stammformation stehen. Beim Training am Freitag nahm van der Vaart im Abschlussspiel Elf gegen Elf den frei gewordenen Platz ein. Bondscoach Bert van Marwijk setzt nach den Eindrücken der Übungseinheit in der Offensive auf Robin van Persie als einzige Spitze. Dahinter sollen van der Vaart, Wesley Sneijder und Dirk Kuyt im Mittelfeld für Wirbel sorgen. Nach Aussage des Ex-Trainers von Borussia Dortmund wird Robben am Freitagabend nach Südafrika fliegen. Einen Einsatz von Beginn an gegen Dänemark hatte van Marwijk nach dem Muskelfaserriss im linken Oberschenkel bei Robben aber so gut wie ausgeschlossen. Ob der Bayern-Star gegen die Skandinavier zumindest auf der Reservebank sitzen wird, will van Marwijk noch abwarten. Diego Maradona hat vor dem WM-Start der argentinischen Nationalmannschaft zum Fairplay aufgerufen. "Wir wollen guten Fußball sehen, wir wollen die Weltmeisterschaft genießen. Wer Fußball nicht sauber spielt, soll auf die Tribüne gehen", betonte der 49-Jährige am Freitag in den Katakomben des WM- Stadions in Pretoria. Er forderte den Weltverband FIFA auf, darauf ein besonderes Augenmerk zu richten. Argentinien bestreitet an diesem Samstag in Johannesburg sein erstes WM-Match gegen Nigeria. Knapp vier Stunden vor dem Anpfiff des WM-Eröffnungsspiels in Johannesburg zwischen Gastgeber Südafrika und Mexiko musste der Paradeplatz ("Grand Parade") in Kapstadt, auf dem die Stadt zum Public Viewing einlädt, wegen Überfüllung geschlossen werden. "Wir lassen niemanden mehr hinein. Es befinden sich jetzt 25. 000 Menschen auf dem Gelände", sagte Pierre le Roux vom örtlichen WM-Büro. Bereits um 10.00 Uhr standen die ersten Menschen in Warteschlangen vor den Eingangstoren, um zum offiziell so bezeichneten FIFA-Fanfest eingelassen zu werden. Der Eintritt ist kostenlos. Italiens Fußball-Nationaltrainer Marcello Lippi könnte nach der Weltmeisterschaft seinem Kapitän Fabio Cannavaro in die Wüste folgen. Denn Cannavaros neuer Club Al Ahli Dubai soll den 62 Jahre alten Coach verpflichten wollen, hieß es am Freitag im "Casa Azzurri" in Südafrika. Der Champion der Emirate-Liga biete dem Weltmeister-Trainer von 2006 einen Vierjahresvertrag mit einem Netto- Jahresgehalt von vier Millionen Euro. Der in England als künftiger Coach des FC Liverpool gehandelte Italiener wird seinen Posten bei der "Squadra Azzurra" nach der WM in Südafrika auf eigenen Wunsch räumen. Sein Nachfolger wird Cesare Prandelli. Der Topfavorit kam zum Schluss: Fußball-Europameister Spanien ist am Freitag um 9.19 Uhr als letzter WM-Teilnehmer in Südafrika gelandet. Mit "Oberfan" Manolo an Bord erreichte die Seleccion nach zehnstündigem Flug Johannesburg und machte sich umgehend auf den Weg ins 135 Kilometer entfernte WM-Quartier in Potchefstroom. Vor dem Abflug war das Team von Vicente Del Bosque am Madrider Flughafen von Hunderten von Fans verabschiedet worden.
https://www.sueddeutsche.de/sport/wm-kompakt-ballack-leistet-beistand-1.957656
mlsum-de-27
Im Nebelwald Nordthailands produziert ein Kanadier den teuersten Kaffee der Welt. Die Bohnen werden vor dem Rösten von Elefanten gefressen und ausgeschieden.
Vor ein paar Minuten noch hat Blake Dinkin belustigt zugeschaut, wie amerikanische Touristinnen auf den Rücken von Elefanten in einen mannstiefen, trüben Teich tauchen und sich hysterisch kreischend von Rüsseln vollspritzen lassen. Jetzt kniet er mit seinen taubengrauen Bermudas und dem blütenweißen Hemd am Ufer im nassen Gras. In der rechten Hand hält er einen Stock, mit dessen Hilfe er einen ordentlichen Batzen Elefantendung aus der Brühe zu sich dirigiert. Die linke Hand ist schon im Wasser, nimmt das triefende Teil auf und bringt es an Land. In Sicherheit sozusagen. Blakes Gesicht überzieht das Strahlen eines Siegers, als habe er soeben ein gut gefülltes Portemonnaie ergattert. Irgendwie ist das auch so, denn der Elefantenkot ist durchsetzt mit braunen Kaffeekirschen. Das ist Blakes Kapital. Rohstoff für den teuersten Kaffee der Welt. 1800 Dollar kostet zurzeit das Kilo "Black Ivory Coffee", "Schwarzer Elfenbeinkaffee". Wenn es ihn überhaupt zu kaufen gibt. Blake ist Kanadier, Abenteurer und Unternehmer, am liebsten beides zugleich. Mit seinem kantigen Gesicht, der spitzen Nase, den schwarzen gekräuselten Haaren, seinen langen Geheimratsecken und den gleichermaßen neugierigen wie warmherzigen Augen hätte der 47-Jährige vermutlich auch eine Schauspielerkarriere einschlagen können. Er sieht gut aus und ist sympathisch, einer, den man im Englischen als "handsome guy" bezeichnet. Statt am Set zu stehen, fischt er Elefantendung aus dunkler Urwaldbrühe. "Vielleicht ist das der Grund, warum ich immer noch Single bin", sagt er. Breites Grinsen. Ein Kanadier mit Humor, mitten im thailändischen Dschungel im Goldenen Dreieck; ein Selfmademan, der täglich zwischen der Welt der Mahouts, der einheimischen Elefantentreiber und ihrer Familien, und einem Fünf-Sterne-Hotel mit stinkreicher Klientel hin- und herwandert. Ein Heimatloser, weit weg von Familie und Freunden. Und das alles für einen sündteuren Kaffee, der lauwarm im Cognac-Glas getrunken wird und vom Geschmack her am ehesten als "Kreuzung zwischen Kaffee und Tee" daherkommt, wie er selbst sagt? 80 Dollar die Tasse, serviert im Cognac-Schwenker. Man nippt sorgsam und bewusst Es ist mehr. Blake hat eine Mission. Er ist viel herumgekommen in seinem Leben. Er hat Betriebswirtschaft studiert und wollte irgendwo in der weiten Welt eine Geschäftsidee entwickeln, die ihm ein sorgenfreies Auskommen ermöglicht, aber gleichzeitig etwas Gutes unterstützt. Der Trick mit der Veredelung von Nahrungsmitteln durch tierische Fermentation hat ihn seit jeher fasziniert. Also experimentierte er zuerst mit Affen in Äthiopien. Blake kannte die Geschichte von dem indonesischen Kaffee "Kopi Luwak", der zuvor die Mägen von asiatischen Zibetkatzen durchläuft. Durch die Fermentation in den Mägen werden die Kaffeekirschen verändert, bevor sie wieder ausgeschieden werden. Weniger Bitterstoffe, mehr Aroma. So viel wusste er bereits vor seinem Abenteuer. Detailansicht öffnen Die Bohnen, die die Elefanten wieder ausscheiden, müssen von Hand aufgesammelt werden. (Foto: Paula Bronstein/Getty) Mit den äthiopischen Affen hatte er allerdings wenig Erfolg. "Die Tiere haben Krankheiten übertragen." Also ließ er die Finger davon. Frustriert und praktisch pleite. Auf die Idee mit den Elefanten brachte ihn der Zufall. In einem Zeitungsbericht las er über äthiopische Kaffeebauern, die vergiftete Melonen in ihren Plantagen auslegten. Elefanten hatten sich über die Kaffeebüsche hergemacht und ganze Felder vertilgt. "Elefanten sind nicht gerade zimperlich, was ihr Fressverhalten betrifft." Aber konnte man das Fressverhalten nicht in geordnete Bahnen lenken? Blake schält Bananen. Viele Bananen. Er sitzt zusammen mit der Frau eines Mahout und deren Tochter auf einer Holzterrasse unter einem Palmdach, das die drei vor der Tropensonne schützt. Die Bananen wirft er in eine große Blechschüssel, in der die beiden Frauen die Früchte mit den Händen zu Brei zerquetschen. Aus einem Korb schüttet Blake zwei Kilo thailändische Kaffeekirschen dazu, Sorte Arabica. Blake kauft den Rohkaffee bei Bauern in Nordthailand ein. Noch ein wenig mischen, eine Prise einer Zutat, die er streng geheim hält, dann ist der Brei fertig. Zweites Frühstück für die Elefanten. Die Blechschüssel trägt der Kanadier zu einem der Elefantenunterstände, und schon macht sich ein Rüssel über den Brei her. "Es gibt Genießer und es gibt Völler", erklärt Blake. Diese Elefantenkuh scheint eher zur ersten Kategorie zu gehören. Genüsslich nimmt sie immer wieder Happen auf und steckt sie sich ins Maul. Der erste Teil wäre geschafft. Alles Weitere ist nun ein Spiel der Zeit, der Zyklen und der Zufälle. 15 bis 17 Stunden braucht es, bis die Kaffeekirschen den Elefantenmagen und den Darmtrakt wieder verlassen. Äußerlich unverändert. Dass innerlich etwas mit den Kirschen passiert, ist unbestritten. Blake beschreibt es so: "Bestimmte Proteine werden aufgespalten, die dem Kaffee das Bittere nehmen." Zudem würde durch die Fermentation im Elefantenmagen Süße und Fruchtigkeit in die Bohne gebracht. Alles in allem hat der Kanadier fast zehn Jahre lang herumexperimentiert, erst mit unterschiedlichen Tieren, dann mit Elefanten. Und sich von Veterinärmedizinern bestätigen lassen, dass die Kaffeekirschen unschädlich für die Elefanten sind. Eigens dafür hat er ein Video auf seine Homepage gestellt. Detailansicht öffnen Im Nebelwald des Goldenen Dreiecks verwirklicht der kanadische Unternehmer Blake Dinkin seine ungewöhnliche Geschäftsidee. "Am Anfang schmeckte der Kaffee nach Dung", berichtet er. "Disgusting" - widerlich. Irgendwann hatte er die Formel aus Kaffeesorte, Futterbeigabe, Wasch- und Trocknungs- sowie Röstprozess heraus. Seit fünf Jahren verkauft Blake seinen "Black Ivory" nun, und zwar fast ausschließlich an Luxushotels in Thailand, Malaysia und auf den Malediven. Das hat seinen Grund im Preis. Er ist astronomisch. Bis zu 80 Dollar zahlen Hotelgäste für eine Tasse frisch gebrühten Kaffee. Den Preis wiederum rechtfertigt Blake mit dem gewaltigen Aufwand, den er betreibt. Denn die insgesamt 20 Elefanten kommen ja nicht extra zum Ausscheiden ins kleine Mahout-Dorf in der Nähe des Anantara-Hotels. Nachts sind sie im Außengehege, tagsüber sind einige Tiere auch für Touristen-Ausflüge auf dem Hotelgelände unterwegs. Zum Baden beispielsweise, was ihre Darmtätigkeit stimuliert - zum Leidwesen von Blake. So versinken viele der Kaffee-Kilos irgendwo im Urwald. Viele Kirschen würden auch beim Kauen zerstört. Diejenigen, die sichtbar im Dung herumliegen, werden per Hand (freilich mit Gummihandschuhen) herausgepickt. Blake zahlt fürs Betreuen der Tiere sowie fürs Picken, Waschen, Sonnentrocknen und Schälen des Kaffees gut, weit mehr, als die Mahout-Familien sonst in Thailand bekommen würden. Er ist ein beliebter Arbeitgeber. Ungefähr 33 Kilo hochwertigen Arabica-Kaffee verfüttern die Mahout-Familien unter Blakes Anleitung an die Elefanten, um am Ende ein Kilo "Black Ivory Coffee" in der Sonne zum Trocknen ausbreiten zu können. 150 Kilo hat er 2017 produziert, in seinem ersten Jahr waren es gerade einmal 70. Die Nachfrage ist schon jetzt größer als das Angebot. In der Regenzeit wird pausiert. Dann reist Blake zu Fünf-Sterne-Hotels und preist seine Ware an. Acht Prozent des Umsatzes spendet er an die "Golden Triangle Asian Elephant Foundation". Diese Stiftung kümmert sich nicht nur um geschundene, verletzte, traumatisierte und kranke Elefanten, verstoßen von ihren früheren Besitzern. Sie bieten für Schulklassen Fahrten in Nationalparks an, um ihnen Wissen über die sensiblen Tiere zu vermitteln. Und sie schult angehende Mahouts im richtigen Umgang mit Elefanten. Inzwischen ist es Nachmittag, Zeit für die Kaffee-Zeremonie. Vom Hotel aus überblickt man das einst verrufene Gebiet des Goldenen Dreiecks am Zusammenfluss der Flüsse Ruok und Mekong. Die Luft ist drückend und schwer, die Hügelkette am Horizont, Staatsgebiet von Myanmar, ist im Dunst nur schemenhaft auszumachen. "Früher schwammen hier regelmäßig Leichen vorbei", erzählt ein Mitarbeiter des Hotels, der aus der Gegend stammt. Früher, das waren vor allem die 1970er- und 1980er-Jahre, als das Dreiländereck das weltweit größte Anbaugebiet für Schlafmohn war - Grundstoff für Opium und Heroin. Bis heute wirkt der Mythos des Verbotenen nach, Busse halten am Mekong für Fotos des Golden Triangle. Detailansicht öffnen Die Kaffeebohnen werden den Elefanten mit Bananen dargereicht. (Foto: Paula Bronstein/Getty) Man kann der Fantasie freien Lauf lassen am Infinity Pool des Luxushotels, während Blake den Kaffee per Hand mahlt. Die Syphon-Kaffeemaschine, dem französischen Original aus dem Jahr 1840 nachgebaut, erhitzt per Flamme im rechten Kupfergefäß Mineralwasser, links füllt der Kanadier den gemahlenen Kaffee in einen Glaskolben. Nach ein paar Minuten strömt durch eine strohhalmdicke Leitung kochendes Wasser über den Kaffee. Kurzes Verwirbeln, dann zapft Blake den fertigen Kaffee in einen Cognac-Schwenker. Er lässt ihn etwas abkühlen, riecht daran wie bei einer Weinprobe und reicht das Glas. Der erste Schluck überrascht: Das Getränk schmeckt nicht wie gerösteter Kaffee, erinnert von der Textur am Gaumen ein wenig an Tee. Der Black Ivory Coffee kommt sanft daher, blumig. Der Kenner schätzt Anklänge von dunkler Schokolade, Kirsche, Malz und Gras. 80 Dollar verteilen sich in kleinen Schlucken im Mund. Es wird wohl ein einmaliger Genuss bleiben, der alsbald vergangen ist. Anreise: zum Beispiel mit Oman Air ab Frankfurt nach Bangkok ab 586 Euro oder mit Lufthansa direkt ab 933 Euro. Weiter mit Bangkok Airways nach Chiang Rai: Hin- und Rückflug ab 70 Euro. Das Elefanten-Projekt liegt circa 60 km entfernt. Unterkunft: Das Fünf-Sterne-Hotel Anantara Golden Triangle Elephant Camp & Resort ab 860 Euro pro Zimmer/Nacht; goldentriangle.anantara.com Günstiger schläft man zum Beispiel in der Greater Mekong Lodge: das DZ inkl. Frühstück ab 28 Euro, gml@doitung.org Beste Reisezeit: während der Dry Season zwischen November und Februar. Weitere Informationen: blackivorycoffee.com
https://www.sueddeutsche.de/reise/chiang-saen-schwarzes-gold-1.3726172
mlsum-de-28
Chic, smart und mit filouartigem Charme steht Thierry Baudet in Niederlanden für eine Generation von extremen Rechten, die noch erfolgreicher werden könnte.
Ein Filmchen, es läuft im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Dramatische Musik, große, rote Schrift. "Der Islam ist Gewalt", steht da, "der Islam ist Terror". "Ist Krieg", "ist Judenhass", immer weiter. Am Ende - "der Islam ist tödlich" - tropft sogar Blut aus den Buchstaben. Geert Wilders greift nicht zum ersten Mal zu dieser Art von Propaganda. Aber so extrem war der Rechtspopulist noch nie. An diesem Mittwoch sind Kommunalwahlen in den Niederlanden, er braucht Aufmerksamkeit um jeden Preis. Es funktioniert: Empörung allerorten, Strafanzeigen. In Wahrheit trieft auch Verzweiflung aus dem Werbespot. Denn für Wilders interessiert sich kaum noch jemand. Rechtsaußen hat ihm ein anderer den Rang abgelaufen. Der Schrecken der Liberalen ist nicht mehr Wilders, sondern Thierry Baudet, 35. Kein Tag, an dem sein Name nicht in der Zeitung steht. Es gibt wilde Angriffe gegen ihn, vehemente Verteidigungen, Porträts, Interviews, Homestorys, Klatschgeschichten, die Medien arbeiten sich ab an dem telegenen Politiker. Baudet sells. Auch bei den Wählern. Wenn jetzt Parlamentswahl wäre, würde Baudets Forum für Demokratie laut einer Umfrage mit 16 Mandaten Platz zwei erreichen, hinter den Rechtsliberalen von Ministerpräsident Mark Rutte; Wilders wäre Siebter. Bei der Wahl vor einem Jahr hatte das erst kurz zuvor gegründete Forum zwei Sitze errungen. In Amsterdam, der einzigen Stadt, in der die Partei nun antritt, könnte sie die Sozialdemokraten überholen. Die Konkurrenz sieht in Baudet, der 2017 von der Nachrichtensendung "EenVandaag" zum "Politiker des Jahres" ernannt wurde, einen neuen Gegner. "Baudet ist gefährlicher als Wilders", warnt Alexander Pechtold, Chef der linksliberalen Regierungspartei D66, "bei Wilders waren wir zu spät dran, deshalb muss Baudet jetzt gestoppt werden." Auch Wilders selbst wittert den Rivalen. Im Parlament belehrte er Baudet neulich barsch, er verhalte sich schon wie die von ihm kritisierten "Kartellparteien". Politisch unterscheiden sich die beiden kaum. Auch Baudet ist ein erklärter Nationalist und will die "Masseneinwanderung" stoppen. Er wettert gegen die Europäische Union, gegen die "Mainstream-Medien" und "politische Korrektheit", gegen die "Übermacht linksliberaler Eliten" in allen Bereichen der Gesellschaft. Aber während Wilders über die Jahre verbissener geworden ist und mit seinem Hass auf den Islam gemäßigtere Rechte verschreckt, wirkt Baudet verbindlicher, weniger radikal. Er zeigt sich viel öfter, geht in die Talkshows, die Wilders meidet. Dort kommen Baudets Aussehen und seine Eloquenz zur Geltung, sein filouartiger Charme, der unschuldige Augenaufschlag. Sein Auftreten signalisiert Harmlosigkeit. Baudet steht für eine andere Generation von Populisten Wie viele neurechte Bewegungen hat das Forum Strategien der anderen Seite gekapert: Um Gegendemonstranten auszutricksen, schipperte die Parteispitze am Wochenende auf einem "Loveboat" durch Amsterdams Grachten. Augenzwinkernd. Gerne kokettiert Baudet auch mit seiner Intellektualität, seiner Kultiviertheit. Ein oft gedrucktes Bild zeigt ihn räkelnd auf einem Piano; zur Freude der Medien hievte er sein privates Klavier ins Abgeordnetenbüro im Haager Parlament. Einem Fernsehteam erzählte er, was er zu Hause kocht und wie gern er an dem Lavendelsäckchen schnuppert, das im Wohnzimmer hängt. Seine erste Parlamentsrede begann er auf Lateinisch. Er ist für viele Niederländer der nettere, der wählbare Rechte, vor allem bei Jüngeren, die er gezielt über Facebook anspricht. Chic, smart, sexy: Dieser Mann steht für eine andere Generation europäischer Populisten, die noch erheblich höhere Stimmenzahlen erzielen könnten, als es etwa Marine Le Pen oder Alexander Gauland bisher schafften. Zusätzliche Wählerschichten zieht Baudet mit seinem Einsatz für mehr direkte Demokratie an. Er war einer der Initiatoren des Referendums gegen das EU-Abkommen mit der Ukraine im Jahr 2016. Mit einem klaren Sieg brachten sie die Regierung in eine missliche Lage. Dass Rutte das Nein der Bürger ignorierte, machte Baudet noch populärer. Bald darauf beschloss er, Politiker zu werden und seinen Thinktank, das Forum, in eine Partei umzuwandeln.
https://www.sueddeutsche.de/politik/nationalist-thierry-baudet-der-waehlbarere-rechte-1.3913958
mlsum-de-29
Der Ausfall von Severin Freund offenbart, woran es im deutschen Skispringen gerade hakt: Seine Kollegen springen weder gut noch schlecht. Das wird zum Problem, weil Bundestrainer Schuster nun Ergebnisse erwartet.
Es sah danach aus, als würde dieses Finale doch noch zum Startschuss werden. Andreas Wellinger aus Ruhpolding hatte nach seinem Qualifikationssieg und dem Schanzenrekord in Bischofshofen gezeigt, welche Fähigkeiten in ihm stecken, und weil auch alle anderen deutschen Skispringer beste Platzierungen hatten, stand die Wende im deutschen Skispringen quasi bevor. Vielleicht ein Sieg, mindestens ein Podestplatz, oder ein Signal für den Aufschwung deutete sich an. Dann kam der Abend. Die Deutschen hatten wieder nichts mit den vorderen Plätzen zu tun, und Wellinger erreichte nicht mal den zweiten Durchgang. Das letzte Springen der Vierschanzentournee offenbarte noch einmal die Lage dieser Mannschaft. Sie kann sich zurzeit nicht hinter einem Besten verstecken, weil der Titelsammler der vergangenen Jahre, Severin Freund, selber erst wieder in Form kommen muss. Sie steht also plötzlich im Rampenlicht, und wenn dieses besonders hell strahlt, wenn es darauf ankommt, dann hakt es im Sprungablauf. Bis auf wenige Ausnahmen gelang den Sportlern von Bundestrainer Werner Schuster bei dieser Tournee immer nur einer von zwei Sprüngen. Sie deuteten an, was sie können, vollendeten es aber nicht. Bis auf Markus Eisenbichler, der noch bis Innsbruck um das Podest mitsprang, geht die Mannschaft als Verlierer von der Schanze. Das Problem: Das Prinzip Tritt-in-den-Hintern ist eher kontraproduktiv Wellinger, Richard Freitag, Stephan Leyhe und Karl Geiger haben teils exzellente, teils solide Springer-Anlagen, sie waren zuletzt nicht richtig schlecht, aber auch nicht richtig gut. Sie platzierten sich verlässlich zirka zwischen Rang 23 und Rang acht. Das ist besser als zum Beispiel die Finnen, die zwar bald WM-Gastgeber sind, aber in einer schweren Krise stecken. Und es ist schlechter als die siegreichen Polen oder die Österreicher mit ihren Top-Springern Stefan Kraft und Michael Hayböck. Die Deutschen springen im sicheren, lauwarmen Bereich. Das Problem besteht darin, dass es im Skispringen nicht möglich ist, schleppenden Formaufbau mit Auswechsel-Drohungen oder Medizinball-Training anzutreiben. Springer brauchen ja gerade die innere Stabilität, das Prinzip Tritt-in-den-Hintern ist eher kontraproduktiv. Andererseits merkte man Schuster bei der Tournee an, dass er langsam auch ein bisschen ungeduldig wird mit seinen Springern. Er kann zwar, wie bei Freund zu sehen war, lange warten, bis ein Athlet reift, aber irgendwann hängt dessen Vollendung nur noch vom Betreffenden selber ab. Und nun erwartet Schuster Ergebnisse. Meistens finden Sportler zum zuverlässigen Erfolg, wenn sie ihre Karriere in die Hand nehmen, bei Eisenbichler war dies in den vergangenen Monaten zu beobachten. Sie riskieren mehr und pendeln zwischen Rückschlägen und Bestleistungen, aber sie verlassen die Sicherheitszone. Andreas Wellinger befand sich demnach in Bischofshofen immerhin auf dem richtigen Weg. Er war am ersten Tag mit Leichtigkeit Erster und am zweiten Tag Einunddreißigster, weil er am Sprungtisch zu früh zu viel wollte. Das war einmal ganz heiß und einmal ganz kalt - aber immerhin nicht mehr lauwarm.
https://www.sueddeutsche.de/sport/kommentar-im-lauwarmen-bereich-1.3322993
mlsum-de-30
Kurz vor Schluss bekommt Hertha BSC gegen Freiburg einen Strafstoß durch ein vermeintliches Foul an Palko Dardai - doch Schiedsrichter Cortus korrigiert die Entscheidung.
Hertha BSC hat im Duell mit dem SC Freiburg seine makellose Heimbilanz in der Festung Olympiastadion eingebüßt. Nach Siegen über den FC Bayern und Borussia Mönchengladbach kamen die Berliner am Sonntag vor 53 716 Zuschauern nicht über ein 1:1 (1:1) gegen die Breisgauer hinaus und verpassten den möglichen Sprung auf Platz zwei der Fußball-Bundesliga. Ondrej Duda (7. Minute) brachte das Team von Trainer Pal Dardai zwar mit seinem sechsten Saisontreffer in Führung, per abgefälschtem Schluss glich Robin Koch (36.) jedoch für die Gäste aus. In der 88. Minute nahm Schiedsrichter Benjamin Cortus einen zunächst verhängten Foulelfmeter für die Hausherren nach Videobeweis wieder zurück. Damit blieb Hertha im vierten Heimspiel dieser Saison erstmals ohne Sieg und feierte nur einen Erfolg in den vergangenen elf Aufeinandertreffen mit den Freiburgern. Die Mannschaft von Coach Christian Streich setzte sich dank einer Leistungssteigerung nach schwachem Start weiter im Mittelfeld der Tabelle fest. Freiburg präsentierte sich zu Beginn defensiv noch völlig konfus, brachte sich durch ungenaue Pässe selbst in Bedrängnis. Keeper Alexander Schwolow rief seine Vorderleute früh lautstark zur Ordnung. Die verdiente frühe Hertha-Führung resultierte aber aus einem feinen Angriff: Kapitän Vedad Ibisevic legte im Mittelfeld für Per Skjelbred auf, der Norweger schickte Duda in die Tiefe. Der Slowake tanzte den überforderten Lukas Kübler aus und versenkte überlegt. Duda traf damit wie schon in den vorigen Heimspielen gegen den Bayern (2:0) und Mönchengladbach (4:2). Freiburg konnte zunächst nicht mithalten. Neben Florian Niederlechner und Kapitän Mike Frantz fehlte in Jerome Gondorf (Muskelfaserriss) kurzfristig ein weiterer Etablierter. In seinem zweiten Startelf-Einsatz der Saison kam U21-Nationalspieler Luca Waldschmidt lange kaum zur Geltung. Bei der Rückkehr nach Schultereckgelenkprellung saß Nils Petersen zunächst auf der Bank. So ließen Kalou (28.), Duda (29.) und Valentino Lazaro (33.) gute Chancen aus, für Hertha zu erhöhen. Doch mit der Überlegenheit schlich sich bei den Berlinern auch eine gewisse Lässigkeit ein. Und diese bestrafte Freiburg sofort. Der erstmals von Beginn eingesetzte Derrick Luckassen spitzelte Waldschmidt den Ball vom Fuß, den Knaller von Koch aus mehr als 20 Metern fälschte Arne Maier unglücklich und unhaltbar für Torwart Rune Jarstein ins eigene Netz ab. Zur Halbzeit reagierte SCF-Trainer Streich auf die Harmlosigkeit seines Teams, brachte Petersen für den ineffektiven Marco Terrazzino. Und nach nur 50 Sekunden hatte der Olympia-Silbergewinner die große Chance zur Führung, Lazaro lenkte aus kurzer Distanz aber noch zur Ecke. Es entwickelte sich ein Duell auf Augenhöhe, in dem beide Teams immer wieder Nadelstiche setzen konnten. Die beste Chance zum Hertha-Sieg vergab Ibisevic auf Flanke des ansonsten wirkungslosen Javairo Dilrosun nach gut einer Stunde. Die Berliner drückten weiter auf den vierten Heimerfolg, ließen aber die letzte Konsequenz vermissen. In der 83. Minute rettete Hertha-Keeper Rune Jarstein aus kurzer Distanz gegen Waldschmidt zumindest noch einen Punkt. Dann sorgte Referee Cortus noch einmal für Aufregung, als er nach einem angeblich Foul von Manuel Gulde an Palko Dardai zunächst auf Strafstoß entschied. Nach einem Blick auf die Videobilder aber revidierte er sich - und besiegelte so das Remis.
https://www.sueddeutsche.de/sport/1-1-zwischen-berlin-und-freiburg-videoschiedsrichter-nimmt-elfmeter-zurueck-1.4179678
mlsum-de-31
Felix Neureuther verpasst auch beim Slalom in Adelboden einen Podestplatz. Gut fünf Wochen vor der WM suchen noch alle Deutschen nach ihrer Form. Fritz Dopfer ist verletzt und Stefan Luitz hat Probleme mit der Hocke.
Der Skirennfahrer Felix Neureuther hat früher einige Winterurlaube in der Schweiz verbracht, er hat sich dort einen reichhaltigen Wortschatz angeeignet, den er am Wochenende in Adelboden wieder routiniert einbrachte: "Chhure geil" sei die Stimmung gewesen (für Nicht-Schweizer: extrem geil). "Felix, Felix, Felix", schwappte es prompt von der Tribüne herunter. Der Stadionsprecher beschloss, Neureuther gleich einzugemeinden, "du bist einer von uns", krächzte er. Das hatte den schönen Effekt, dass der Tag aus Schweizer Sicht gleich viel besser aussah, Neureuther war im Riesenslalom just Achter geworden, die Schweizer dagegen hatten es beim traditionsreichen Weltcuphalt im Berner Oberland nicht unter die besten Zehn geschafft. Mal wieder, stöhnte die Skination. Neureuther reichte im Slalom am Sonntag dann noch einen vierten Platz ein, und er wusste nicht so recht, ob er damit jetzt zufrieden sein sollte oder nicht. Chhhuregeil fand er es jedenfalls nicht. Felix Neureuther gesteht: "Diese freche Selbstverständlichkeit fehlt einfach noch" Neureuthers Wochenende hatte zäh begonnen, mit gewagten Schräglagen im Riesenslalom, einem Bluterguss im Oberschenkel und Quarkwickeln am Samstagabend. Auch der erste Lauf beim Slalom begann lauwarm, "kein Punch", befand Neureuther; er profitierte aber davon, dass nach ihm dichter Nebel in die Strecke kroch. "Ich hab halt gedacht, ich mach langsamer, dass es fair ist", scherzte er. Der zweite Lauf gelang besser, Neureuther verschlug es allerdings fünf Hundertstel hinter Marcel Hirscher, den Dritten; Sieger Henrik Kristoffersen hatte sich sogar um 2,24 Sekunden abgesetzt. Und jetzt? Neureuther sagte: "Arbeit, Arbeit, Arbeit." Ein neuer Neureuther, das war sein Vorsatz fürs neue Jahr gewesen. Er wollte plagiieren bei den Hirschers und Kristoffersens, "die fahren mit so einer Dynamik, Kraft und Konsequenz". Adelboden brachte allerdings nur zarte Fortschritte. Wenn Slalomfahrer mit voller Schubkraft operieren, überlassen sie ihren Instinkten die Kontrolle; die Tore fliegen viel zu schnell auf sie zu, als dass die Fahrer sich im Rennen eine Lösung zurechtlegen können. Neureuther ist derzeit ein Fahrer, der seinen Instinkten etwas misstraut, der oft mit sich im Selbstgespräch ist. "Ich muss noch zu viel drüber nachdenken, was ich zu tun habe", sagte er, "diese freche Selbstverständlichkeit fehlt einfach noch." Er habe zuletzt immerhin fleißig trainiert, das war in den schmerzerfüllten Wintern davor nicht immer der Fall gewesen. Doch, dem Rücken gehe es gut, beteuerte er. Der zweite Platz in Zagreb habe zuletzt ja gezeigt, "dass ich doch funktioniere, wenn es um die Wurscht geht", sagte er, auch in vier Wochen bei der WM in St. Moritz. Und die Kollegen? Nun ja. Es gibt kaum noch Selbstverständlichkeiten im Skirennsport, wer früher fehlerlos fuhr und gewann, den weht es jetzt oft ins Mittelfeld zurück. "Bei allem Respekt vor Skispringern und Biathleten", sagte der deutsche Alpindirektor Wolfgang Maier, "aber Ski alpin ist noch mal zwei oder drei Klassen härter in der absoluten Spitze. Jedes Rennen bei den Jungs ist ein Krimi, noch brutaler." Wobei die Deutschen in diesem Winter nur vereinzelt tragende Rollen abbekommen. Linus Straßer schaffte am Sonntag sein zweitbestes Karriere-Resultat (10.), Dominik Stehle schied mit starker Zeit aus, wie Stefan Luitz am Samstag. Was Maier in Adelboden für eine kleine Inventur nutzte. Die Weltspitze zeichne sich durch eine "ganz eigene Charakterstruktur der Typen" aus, in der Härte und Konsequenz. Da stelle man derzeit nur zwei Fahrer, Neureuther und Viktoria Rebensburg; Fritz Dopfer fällt bis zum Ende der Saison aus. Zu wenig, befand Maier, er hatte sich vor einem Jahr ja vorgenommen, bei den Männern bald die "weltbeste Technikmannschaft" zu stellen. "Mein großes Anliegen ist, dass die Ära Neureuther nicht zu Ende gehen darf, ohne dass wir Junge nachschieben. Das ist eine große Herausforderung", sagte er jetzt. Und in keiner Personalie spiegelt sich diese Herausforderung derzeit so wider wie bei Luitz, "mein Unvollendeter", sagte Maier, "schon seit Jahren." Skifahren, sagt Henrik Kristoffersen, sei für ihn derzeit eher eine Ablenkung Luitz, hat Cheftrainer Mathias Berthold einmal gesagt, sei "superschnell", aber er streut auch immer wieder Fehler ein - vor allem einen, den er sich in seinen Lehrjahren eingefangen habe. "Das sitzt so tief drin, das ist wahnsinnig schwer rauszubekommen", sagt Berthold, er müsse da nicht nur einen Fehler austreiben, sondern ein Bewegungsmuster. Und das flamme immer halt wieder auf, wenn der Fahrer verunsichert sei oder vom Lärm umspült wird, wie am Zielhang in Adelboden, wo Luitz die Kontrolle verlor. "Das sind Fehler, die uns zu oft passiert sind in letzter Zeit, das müssen wir ganz schnell abstellen", sagte Neureuther. Luitz assistierte: "Das darf einfach nicht passieren." Absolute Spitze, das sind derzeit die anderen. Im Riesenslalom bricht das Feld gerade auseinander, zwischen Adelboden-Sieger Alexis Pinturault, Marcel Hirscher und dem Rest. Beide würzen ihre Läufe mit der richtigen Dosis Attacke, je nach Gelände, bei den Wellen etwa, die die Fahrer auf dem naturbelassenen Hang in Adelboden aus dem Fluss werfen. Und im Slalom frischte der Norweger Kristoffersen seine Dominanz auf, mit 1,83 Sekunden Vorsprung vor dem Italiener Manfred Mölgg. Dabei ringt Kristoffersen noch immer mit seinem Verband, er will mit seinem eigenen Kopfsponsor werben, eine erste Klage vor Gericht verpuffte. Skifahren, bekräftigte Kristoffersen in Adelboden, sei für ihn derzeit eher eine Ablenkung.
https://www.sueddeutsche.de/sport/ski-alpin-nebel-und-quarkwickel-1.3324153
mlsum-de-32
Mehr als 20 Prozent der Züge im Fernverkehr sind unpünktlich. Konzernchef Lutz verspricht "Jagd nach jeder verlorenen Minute".
Mehr als jeder fünfte Passagier in Fernzügen der Deutschen Bahn kommt zu spät an. Wie der Konzern am Donnerstag einräumte, verfehlte er im vergangenen Jahr sein selbst gestecktes Ziel von 80 Prozent pünktlichen Zügen im Fernverkehr. Die ICEs und ICs der Bahn seien zu 78,9 Prozent nach Fahrplan unterwegs gewesen, sagte der neue Vorstandschef Richard Lutz auf der Bilanz-Pressekonferenz des Staatskonzerns in Berlin. Das waren zwar fast fünf Prozentpunkte mehr als im katastrophalen Jahr 2015, aber weniger, als das Unternehmen sich zum Ziel gesetzt hat. Mittelfristig sollen 85 Prozent der Fernzüge pünktlich ankommen. Die dürftigen Werte haben auch mit einer Rekordzahl an Baustellen zu tun. Die Bahn muss ihr veraltetes Netz derzeit vielerorts sanieren. Das Ziel von 85 Prozent hat für Fahrgäste große Bedeutung, weil dann der Großteil der Reisenden einen Anschlusszug erreicht. Die besten Bahnen international schaffen deutlich höhere Werte. Zudem gilt zum Beispiel in Japan schon wenig Verzug als Verspätung, die Deutsche Bahn dagegen wertet bis zu sechs Minuten Verspätung noch als pünktlich. Auf den kürzeren Regionalverkehrsstrecken der Bahn sind immerhin fast 95 Prozent der Züge pünktlich. Bei seinem ersten großen öffentlichen Auftritt kündigte Lutz an, den Kampf gegen die Uhr zu einem zentralen Ziel zu machen. "Unsere Mitarbeiter machen sich auf die Jagd nach jeder verlorenen Minute." Dennoch bleibt eine Reihe von Problemen. So soll es auch in diesem Jahr in Spitzenzeiten bis zu 850 Baustellen pro Tag geben, die Fahrten verzögern können. Im Fernverkehr mit ICE- und Intercity-Zügen verzeichnete die Bahn 2016 dennoch einen Passagierrekord mit 139 Millionen Reisenden. Nach einem leichten Minus im Vorjahr stieg die Zahl der Reisenden insgesamt um fünf Prozent auf 2,37 Milliarden. Die meisten Passagiere der Bahn sind im Nahverkehr unterwegs, etwa als Pendler auf meist kurzen Strecken. Mehr Fahrgäste bedeuteten auch bessere Geschäftszahlen: Nach Zinsen und Steuern blieben gut 700 Millionen Euro Gewinn bei einem Umsatz von fast 41 Milliarden Euro. Die Bahn war noch im Jahr zuvor wegen der tiefen Krise ihrer Güterverkehrssparte in die roten Zahlen gerutscht. Weil Treibstoffe günstig sind, werden immer mehr Waren über die Straße transportiert. Der Verlust fiel mit 1,3 Milliarden Euro bei der Bahn sogar so groß aus, dass die Bundesregierung mit einer Milliarden-Spritze helfen musste. Schon seit vielen Jahren geht der Anteil der auf der Schiene bewegten Güter zurück. 2015 war er halb so groß wie in den sechziger Jahren. Zeitgleich hat sich der Anteil der auf der Straße transportierten Güter verdoppelt. Zudem hat die Bahn Geschäfte an die Konkurrenz verloren. Der einstige Monopolist DB Cargo hat mittlerweile einen Marktanteil von nur noch 60 Prozent und baut derzeit Tausende Stellen ab. Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat für die kommenden Monate ein Hilfsprogramm für die Branche angekündigt.
https://www.sueddeutsche.de/politik/verkehr-die-bahn-kommt-zu-oft-zu-spaet-1.3433275
mlsum-de-33
Das Verhältnis soll freundschaftlich sein, zumindest nach außen: Doch inhaltlich reiben sich Kanzlerin Merkel und EU-Kommissionspräsident Juncker inzwischen enorm. Er ist nicht der Einzige in Brüssel, der die Bundesregierung irritiert.
Als Jean-Claude Juncker von dem "Vergnügen, der Freude und auch der Ehre" sprach, die er angesichts der "Merkel-Woche" empfinde, sah die neben dem EU-Kommissionschef stehende Kanzlerin nicht unfreundlich, aber unbewegt nach vorn. Es sei ein harmonisches Gespräch gewesen, "wie immer", sagte Juncker, man habe schon Montag miteinander geredet, ebenfalls freundschaftlich, und er bewundere "die Starrsinnigkeit deutscher überregionaler Medien", die stets versuchten, diese Tatsache ins Gegenteil zu verkehren. Merkel beendete die gegenseitigen Freundschaftsbekenntnisse ein wenig ungeschickt mit dem Hinweis, über das gute Verhältnis zu reden, hieße, "Eulen nach Athen zu tragen". Offenbar fand sie das Bild angesichts der dramatischen Krise mit Griechenland schon während des Sprechens nicht optimal, sodass sie eine englische Übersetzung nachschickte: "oder Kühlschränke an Eskimos zu verkaufen". Argwohn über Junckers Kurs Das nette Klima nach dem ersten Treffen einer Regierungschefin eines EU-Staates mit der Juncker-Kommission kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Junckers Entscheidungen in der Wirtschaftspolitik in Berlin nicht gerade enthusiastisch gefeiert werden. Juncker hat sich die Wirtschaftspolitik ganz oben auf seine Agenda gesetzt - was beinahe zwangsläufig zu Rangeleien mit der Bundesregierung führen muss. Schließlich gibt Berlin als stärkste Volkswirtschaft Europas auf diesem Gebiet den Ton vor. Der Kommissionspräsident, der letztendlich mit Merkels Unterstützung in sein Amt gelangte, hat der Behörde in den vier Monaten seiner Amtszeit einen klaren Schwenk hin zu den Mitgliedsländern verpasst, die seit Jahren gefordert hatten, den Stabilitäts- und Wirtschaftspakt flexibler auslegen zu können. Er hat einen französischen Sozialisten gegen den ausdrücklichen Willen Berlins zum Wirtschaftskommissar gemacht. Er erlaubt, dass Frankreich erneut zwei Jahre mehr Zeit bekommen soll, um das Haushaltsdefizit unter die erlaubte Drei-Prozent-Grenze, bezogen auf die Wirtschaftsleistung, zu drücken. Er hat ein 315-Milliarden-Euro-Investitionspaket aufgelegt, das für drei Jahre gelten sollte, im Gesetzestext aber unbegrenzt angelegt ist. Auch die Vermittlungsversuche Junckers zwischen Athen und Berlin sind einigen deutschen Politikern zu weit gegangen. Bei dem Treffen in Brüssel haben Merkel und Juncker kein Wort darüber verloren, dass in Berlin sehr wohl der Ärger über die neue Kommission und insbesondere deren Chef wächst. Während Juncker mit dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras turtle und gegenüber Defizitsündern wie Frankreich eine überbordende Großzügigkeit an den Tag lege, nehme er die Bundesrepublik wegen ihres hohen Exportüberschusses ins Visier, heißt es in Regierungskreisen. Es könne nicht sein, dass Brüssel einerseits beide Augen zudrücke, zugleich aber Staaten, die sich mustergültig verhielten, attackiere. "Wir haben den Eindruck, dass die Kommission schrittweise von der bisher akzeptierten stringenten Auslegung der europäischen Regeln abrückt", klagt ein hoher Regierungsvertreter. Die Kommission hatte Deutschland Ende Februar wegen der großen Lücke zwischen Im- und Exporten sowie der niedrigen Investitionsquote kritisiert und das laufende "Ungleichgewichte-Verfahren" gegen Berlin verschärft. Detailansicht öffnen Nicht immer einer Meinung: EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Bundeskanzlerin Angela Merkel. (Foto: Michael Sohn/AP) Eigenständig agiert auch Ratspräsident Tusk - er will Außenpolitik machen Ganz anders läuft es in der Außenpolitik. Juncker entwickelt keinen Ehrgeiz, persönlich Punkte zu sammeln, das überlässt er Federica Mogherini. Die Italienerin hat schon nach Monaten eine Präsenz erreicht, mit der sie sich deutlich von ihrer Vorgängerin Catherine Ashton abhebt. Juncker kommt dabei entgegen, dass Mogherini anders als Ashton den "Doppelhut" ausfüllen will, den die Funktion als Außenbeauftragte und Vizepräsidentin der Kommission bedeutet. Nicht im Neubau des Europäischen Auswärtigen Dienstes hat sie ihr Quartier aufgeschlagen, sondern gegenüber bei Juncker, eben im eigentlichen Machtzentrum. Aus deutscher Sicht geht das in Ordnung, solange in zentralen Feldern der Außenpolitik aus Brüssel keine Einmischung droht. Inzwischen ist klar, dass Mogherini die Führung in der größten sicherheitspolitischen Krise Europas seit Jahrzehnten Berlin und Paris überlässt mit der Bitte, informiert gehalten zu werden. Nach Beratungen mit Franzosen, Russen und Ukrainern unterrichtet Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Außenbeauftragte, die erleichtert zu sein scheint, nicht selbst die Verhandlungen führen zu müssen. In der Russland-Frage ist sie Steinmeier nahe. Beide sind zurückhaltend, was neue Sanktionen angeht, schließen sie auch nicht aus. Unerwartet eigenständig agiert in Brüssel ein anderer: EU-Ratspräsident Donald Tusk. "Wieder einmal ermutigt Appeasement den Aggressor zu noch schwereren Gewalttaten", twitterte Tusk nach dem Raketenangriff auf die ukrainische Hafenstadt Mariupol. Der frühere polnische Ministerpräsident sieht sich im Kreis der Staats- und Regierungschefs nicht bloß als Moderator. Er will Politik machen, und das nicht nur bei Russland. Potenzial für Ärger mit Berlin droht auch - etwa bei der von Tusk forcierten Energieunion. Dort liegt der Ratspräsident auf einer Linie mit Kommissionschef Juncker. Tusk will, dass die 28 Staaten sich zu einer Einkaufsgemeinschaft zusammenschließen, um zu günstigen Konditionen Gas einkaufen zu können. Für die osteuropäischen Staaten bedeutete dies, dass sie russisches Gas billiger und sicherer bekommen könnten. Im Sinne der deutschen Konzerne ist eine europäische Einkaufsgemeinschaft dagegen kaum, sie haben selbst langfristige Lieferverträge abgeschlossen zu besten Konditionen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/juncker-und-merkel-bruessler-irritationen-1.2377122
mlsum-de-34
Der Satz sei "fast zu einer Leerformel geworden", sagt die Kanzlerin. Sie wolle ihn "kaum noch wiederholen".
"Wir schaffen das." Die drei Wörter sind zu den wichtigsten von Angela Merkels Kanzlerschaft geworden. Bisher stand sie fest zu dem Satz, den sie am 31. August 2015 das erste Mal in der Bundespressekonferenz sagte und der seither die Flüchtlingskrise für Deutschland prägte - und für den sie auch viel kritisiert wurde. Erst im vergangenen Juli bekräftigte die Kanzlerin ihr 'Wir schaffen das' bei der Jahrespressekonferenz in Berlin. Nun geht sie erstmals vorsichtig auf Abstand. Die CDU-Chefin betont, dass dem Satz zu große Bedeutung beigemessen werde und sie ihn nicht mehr so oft wiederholen wolle. "Er ist Teil meiner politischen Arbeit, weil ich davon überzeugt bin, dass wir ein starkes Land sind, das auch aus dieser Phase gestärkt herauskommen wird. Er ist Ausdruck einer Haltung, wie sie sicher viele aus ihrem beruflichen und privaten Leben kennen. Manchmal denke ich aber auch, dass dieser Satz etwas überhöht wird, dass zu viel in ihn geheimnist wird. So viel, dass ich ihn am liebsten kaum noch wiederholen mag, ist er doch zu einer Art schlichtem Motto, fast zu einer Leerformel geworden", sagt sie der Wirtschaftswoche laut einem Vorabbericht. Das komplette Interview erscheint in einem Sonderheft am 26. September. Bereits in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte sie Ende August, dass sie nicht mit dieser Wirkung der Worte gerechnet hatte. "Wenn Sie mich vorher gefragt hätten, ob ich einen bestimmten Satz mitgebracht habe, der sehr viel zitiert werden wird, dann hätte ich diesen einen Satz nicht genannt." Sie habe ihn aber aus "tiefer Überzeugung" gesagt. Satz sollte anspornen, nicht provozieren Merkel geht in der Wirtschaftswoche auch auf die Skepsis der Kritiker ihrer Flüchtlingspolitik ein: "Manch einer fühlt sich von dem Satz sogar provoziert. So war er natürlich nie gemeint, sondern anspornend." Komplett distanzieren wolle sie sich aber nicht. Eine diesbezügliche Frage verneinte Merkel und betonte: "Es heißt, dass ich persönlich diesen Satz nicht wie eine Phrase jeden Tag immer wieder vor mir hertragen und wiederholen werde."
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlingskrise-merkel-geht-auf-abstand-zu-wir-schaffen-das-1.3166670
mlsum-de-35
Die Sängerin Lena Meyer-Landrut soll die Automarke Opel vom angestaubten Image befreien. Darum setzen beim Eurovision Song Contest die Rüsselsheimer ihrer Hoffnung auf Lena.
Es wäre ein Erfolg für Opel, wenn auch nur ein kleiner. Wenn Lena Meyer-Landrut am Samstag in Düsseldorf um den Sieg beim Eurovision Song Contest kämpft, dann singt sie nicht nur für sich selbst. Die Schlagersängerin singt auch für den angeschlagenen Rüsselsheimer Autobauer. Als die Opel-Manager die junge Chanteuse im vergangenen Jahr als Markenbotschafterin einkauften, stapelten sich in Rüsselsheim die Studien der Marketing-Strategen. Sie waren vernichtend: Opel, eine alte, eine verstaubte Marke. Weit weg von der Jugend. Lena sollte die Lösung sein. Detailansicht öffnen Würde Lena am Wochenende gewinnen, könnte ein wenig vom Glamour der Schlager-Lena auch auf Opel abstrahlen. (Foto: dapd) Würde Lena am Wochenende gewinnen, würde Opel wohl kaum über Nacht mehr Autos verkaufen. Aber ein wenig vom Glamour der Schlager-Lena, so das Kalkül, dürfte dann auch auf Opel abstrahlen. Mal wieder gewinnen, die Nummer eins sein - das hat es bei Opel lange mehr nicht gegeben. Schwachstelle im Konzern Dabei sind die Ziele bei Opel bislang bescheiden. Die Konzernmutter General Motors gibt sich schon damit zufrieden, wenn die Europa-Tochter in 2011 aus den roten Zahlen kommt. Im ersten Quartal lag GM in Europa mit 400 Millionen Dollar im Minus, das allein verbuchten die Manager schon als einen Erfolg. Denn es waren 600 Millionen Dollar weniger Verlust als im Vorjahresquartal. Opel, das ist nach wie vor die Schwachstelle im großen General-Motors-Konzern. Der US-Koloss war vor zwei Jahren pleite, inzwischen macht er nach einem erfolgreichen Börsengang wieder Milliardengewinne, allein im ersten Quartal waren es 3,2 Milliarden Dollar. Hohe Verluste in Europa, satte Gewinne in den USA: Experten überrascht es daher kaum, dass GM auf dem Heimatmarkt nun wieder kräftig investieren will. Zwei Milliarden Dollar will der Konzern in die Hand nehmen, um insgesamt 17 Fabriken in der Heimat zu modernisieren. 4000 neue Arbeitsplätze sollen dabei geschaffen werden. "Wir tun das, weil wir zuversichtlich sind, was die Nachfrage nach unseren Autos und die Wirtschaft angeht", sagte Konzernchef Dan Akerson. Der Autoboss hat allen Grund zur Freude: GM-Marken wie Chevrolet und Cadillac verkaufen sich wieder gut wie seit Jahren nicht mehr, der Absatz brummt, die US-Kunden wollen neue, auch spritsparende Autos. Nun sollen gerade diejenigen wieder in Lohn und Brot geholt werden, die im Zuge der Insolvenz 2009 ihre Arbeit verloren hatten. Es waren Zehntausende, die damals gehen mussten. Während die Amerikaner in der Heimat wieder Jobs schaffen, bleibt es in Europa beim harten Kurs. 8000 Stellen streicht GM bei seiner Europatochter, 4000 davon allein in Deutschland. Dabei soll es auch nach der Ankündigung von Akerson bleiben. "Es ist so, wir sind von den Aufbauplänen nicht betroffen", sagte ein Opel-Sprecher. Im Gegenteil: Während GM in Detroit seine jüngsten Erfolge mit neuen Jobs feiert, verhandeln Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Bochum weiterhin noch über die Zukunft von 1200 Mitarbeitern - 600 Jobs sind hier im Ruhrgebiets-Werk bereits gestrichen worden. Opel bietet den Mitarbeitern Abfindungen und die Möglichkeit an, gegen Zahlung einer Prämie ins Rüsselsheimer Stammwerk zu wechseln. Sollten nicht ausreichend Einigungen zustande kommen, drohen bis zum Jahresende Kündigungen im großen Stil. "Wir rechnen in den nächsten vier bis sechs Wochen mit Entscheidungen", heißt es bei Opel. Im Bochumer Betriebsratsbüro hofft man, dass die Konzernpläne zum Stellenabbau noch einmal überprüft werden. "Die Erde hat sich weiter gedreht", sagte Rainer Einenkel, Betriebsrats-Chef des Bochumer Opel-Werks, der Süddeutschen Zeitung. "Und die Pläne, nach denen wir hier saniert werden, sind inzwischen zwei Jahre alt." Doch entschieden wird über die Bochumer Jobs in Detroit. Dort hat man bisher nur neue Stellen für die USA angekündigt - am Sanierungsplan für das Werk in Bochum dagegen hält man aber fest.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/opel-lena-ein-hauch-von-glamour-fuer-opel-1.1096179
mlsum-de-36
Container sollen im Hamburger Hafen künftig mit 1200 Kilometern pro Stunde durch eine Röhre ins Hinterland geschossen werden. Das könnte Tausende Lkw pro Tag überflüssig machen.
Wenn so ein Containerschiff am Hamburger Hafen anlegt, hat es schon einiges durchgemacht. Mitunter war es wochenlang auf den Weltmeeren unterwegs. Hat schweren Seegang überstanden. Brutale Hitze. Schließlich hat es sich durch die Elbe gequetscht. Alles nur, um endlich hier anzulegen: an der Hamburger Kaikante. Für die vielen Tausend Container, die auf so einem Schiff sind, war das aber erst der Anfang. Sie werden einzeln vom Schiff geholt und dann auf dem Festland weitertransportiert - mit der Bahn oder öfter mit dem Lkw. Genau dieser Transport ins Hinterland soll in ein paar Jahren deutlich schneller gehen, so stellt sich das zumindest die HHLA vor, der wichtigste Terminalbetreiber im Hamburger Hafen. Die HHLA präsentierte am Mittwoch eine Kooperation mit dem US-amerikanischen Unternehmen Hyperloop Transportation Technology. Das Ziel: Container künftig in einer Röhre mit 1200 Kilometern pro Stunde vom Hafen ins Hinterland zu schießen. Ihr sei klar, dass so ein Projekt immer auch viele Kritiker auf den Plan rufe, sagte die HHLA-Chefin Angela Titzrath. Aber man können nicht immer nur jammern, dass Deutschland bei der digitalen Entwicklung hinterherhinke. Es brauche eben auch den Mut, visionäre Projekte zu verfolgen. "Ein mutiger Beginn ist der halbe Gewinn", sagte Titzrath. Hyperloop TT ist eines von mindestens vier Unternehmen, die an der Umsetzung des Hyperloop-Konzepts arbeiten. Das Konzept wurde ursprünglich vom Tesla-Gründer Elon Musk vorgestellt, er steht aber mit Hyperloop TT in keiner Verbindung. Die Technologie sei bereits weit fortgeschritten, sagte Hyperloop TT-Chef Dirk Ahlborn - bezog sich damit aber auf den Personentransport. Das Hyperloop-System sieht vor, Menschen in einer Kapsel, vergleichbar mit dem Rumpf eines Flugzeugs, zu transportieren. Die Kapsel befindet sich in einer Röhre, in der mit Hilfe von Pumpsystemen Unterdruck erzeugt wird. Das verringert den Luftwiderstand und soll Reisen mit sehr hoher Geschwindigkeit - die Rede ist von 1200 Stundenkilometern - bei gleichzeitig geringem Energieaufwand ermöglichen. Schon "im kommenden Jahr" werde das System erstmals Menschen transportieren, kündigte Ahlborn an. Der Schritt, das Hyperloop-Konzept für den Gütertransport anzupassen, sei eine vergleichsweise überschaubare Herausforderung. Zwar wären Container deutlich schwerer als Menschen, dafür ist der Personentransport viel komplexer. Anders ausgedrückt: Dem Container wird während der Fahrt nicht übel. "Wer Menschen transportieren kann, kann auch Güter befördern", sagte Ahlborn. Zur Umsetzung gründen die HHLA und Hyperloop TT ein Joint Venture. Die Verträge wurden am Mittwoch unterschrieben, ein Geschäftsführer für das Gemeinschaftsunternehmen soll noch benannt werden. Sieben Millionen Euro wollen beide Partner zusammen in das Projekt stecken. Das erste Ziel ist die Entwicklung einer Transportkapsel für den Gütertransport, der Bau einer Übergabestation und die Errichtung einer etwa 100 Meter langen Teststrecke direkt im Hafen, voraussichtlich am Containerterminal Altenwerder, das schon jetzt hochautomatisiert betrieben wird. Der Zeitplan sei ambitioniert, räumte HHLA-Chefin Titzrath ein, allerdings brauche Deutschland mehr Mut und den Innovationsgeist, "den man am Silicon Valley immer so bewundert". Für die Umsetzung werden zudem einige neue gesetzliche Regelungen nötig sein, weil die Technologie neu ist, sagte die Vorstandschefin. Das deutsche Bau- und Planungsrecht mache Infrastrukturmaßnahmen oft besonders schwer realisierbar - wie sich bei der Elbvertiefung gezeigt habe. Detailansicht öffnen Ab durch die Röhre: So sieht das Konzept aus, das der Terminalbetreibers HHLA und die US-Gesellschaft Hyperloop TT entwickeln. (Foto: HHLA/Hyperloop) Die Hafengesellschaft könnte das Konzept weiterverkaufen Titzrath, früher Personalvorständin bei der Deutschen Post, ist seit zwei Jahren Chefin der HHLA. Der Zeithorizont, den sie nun für das Hyperloop-Projekt abgesteckt hat, ist wohl kein Zufall: 2021 ist Hamburg Austragungsort des ITS Weltkongresses, einer für die Branche besonders wichtigen Messe für intelligente Transportsysteme. Kann Titzrath bis zu dieser Veranstaltung eine Hyperloop-Teststrecke präsentieren, schmückt das nicht nur ihre Bilanz als HHLA-Chefin, sondern ermöglicht vielleicht auch den Verkauf der Technologie an andere Hafenstandorte weltweit. Die HHLA und ihre ambitionierte Chefin könnten dann also gleichzeitig glänzen und Geld verdienen - und damit vielleicht auch gleich den Ausbau der eigenen Hyperloop-Verbindungen ins Umland finanzieren. Perspektivisch könnten an einem Hyperloop-Terminal etwa 4100 Container pro Tag abgefertigt werden, sagte Titzrath. Viele Tausend Lkw-Fahrten würden dadurch eingespart und die Abgasbelastung verringert. Hyperloop-TT-Chef Ahlborn sagt: Manchmal brauche man im Leben eben auch ein bisschen Vorstellungskraft.
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mlsum-de-37
Lionel Messi schießt den FC Barcelona beim 4:1 gegen Arsenal London mit vier Treffern im Alleingang ins Halbfinale der Champions League. Dort kommt es zum Showdown mit José Mourinhos Inter Mailand.
Gerade sah es so aus, als würde der große FC Barcelona in Schwierigkeiten geraten. Als würde der FC Arsenal die Superlativ-Kicker aus Spanien im Rückspiel des Champions-League-Viertelfinales tatsächlich in Bedrängnis bringen. Da tauchte plötzlich Messi vor dem Tor der Engländer auf. Es war die 21. Minute, aber Arsenal führte bereits mit 1:0. Messi dribbelte von rechts in die Mitte, zog von der Strafraumlinie ab - und drosch den Ball ins Toreck. Schon stand es 1:1, und Messi hatte Lust auf mehr: Der Argentinier erhöhte noch in der ersten Hälfte per Hattrick auf 3:1 und traf in der zweiten Halbzeit noch einmal - 4:1, Endstand. Messi hatte Arsenal alleine aus dem Wettbewerb geschossen. Im Gegensatz zum Hinspiel war es zu Beginn eine Fußballpartie von zwei Mannschaften. In London noch hatten die Statistiker nach zwanzig Minuten zwölf Torschüsse für Barcelona gezählt - Arsenal hatte zum gleichen Zeitpunkt noch nicht einmal auf das gegnerische Tor geschossen. Im Camp Nou war es zunächst anders. Klar, Barcelona hatte mehr Ballbesitz und auch hier die ersten Möglichkeiten: Messi schoss knapp rechts und einmal links am Tor vorbei, Xavi probierte es vergeblich mit der Hacke. Arsenal geht in Führung Aber Arsenal spielte mit und versuchte vor allem, Barças zwei Ersatz-Innenverteidiger Gabriel Milito und Rafael Márquez unter Druck zu setzen - was in der 18. Minute ganz vorzüglich gelang. Abou Diaby erkämpfte an der Mittellinie den Ball gegen Milito und schickte Theo Walcott steil, der im Strafraum auf seinen Partner Nicklas Bendtner querlegte - im Nachschuss erzielte der Arsenal-Stürmer schließlich das 1:0 für sein Team. Doch es wurde nur drei Minuten still im ausverkauften Camp Nou, denn dann kam ja Messi - und fortan feierte das Publikum den Argentinier bis zur 90. Minute mit Sprechchören. Barcelona kontrollierte die Partie nach dem Ausgleich ähnlich wie die erste Halbzeit im Hinspiel, Arsenal war bis zum Seitenwechsel nur noch selten in der gegnerischen Hälfte zu sehen. Messi münzte die Überlegenheit in Tore um: In der 37. Minute legte Silvestre Pedro im Strafraum ab, Messi umkurvte noch einen Verteidiger und hob den Ball allein vor Arsenal-Keeper Manuel Almunia zum 2:1 ins Netz. In der 42.Minute dann köpfte Seydou Keita an der Mittellinie in den Lauf von Messi, wieder lupfte der Weltfußballer die Kugel über Almunia - 3:1. Mourinho und Inter warten In der zweiten Hälfte ließen es die Katalanen etwas ruhiger angehen. Am Samstag steht ja schon das Spitzenspiel der Primera División gegen das punktgleiche Real Madrid an. Arsenal hatte deshalb ohne die Verletzten Cesc Fàbregas, William Gallas und Andrej Arschawin mehr Raum für sein Offensivspiel - jedoch praktisch keine Chancen, um wie beim 2:2 in London noch einen Zwei-Tore-Rückstand aufzuholen. Stattdessen setzte Messi mit seinem vierten Treffer den Schlusspunkt (88.). Im Halbfinale trifft Barcelona nun auf Inter Mailand. Der italienische Meister setzte sich in Moskau gegen ZSKA mit 1:0 (1:0) durch. Dieses Spiel war schon nach sechs Minuten nicht mehr unbedingt spannend: Da traf Wesley Sneijder mit einem flachen Freistoß, der am Fuß des unglücklichen ZSKA-Keeper Igor Akinfejew vorbei ins Netz rauschte - nach dem 1:0-Hinspielsieg der Italiener benötigten die Russen drei Tore, wovon sie bis zum Ende weit entfernt blieben.
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mlsum-de-38
Innenminister Thomas de Maizière will geringere Barleistungen für Asylbewerber aus den Balkanstaaten - und erntet dafür sowohl Kritik als auch Lob aus den Reihen des Koalitionspartners SPD.
In Deutschland ist der Himmel grau, das Wetter nass und kalt, an Schneeresten vorbei stapfen Menschen mit verpixelten Gesichtern zu einem Bus. Der wird sie zu einem Flugzeug bringen - das Video der Bundespolizei zeigt, wie abgelehnte Asylbewerber abgeschoben werden. "Vertrauen Sie keinesfalls auf Versprechungen", warnt eine Stimme aus dem Off vor Schleusern und wiederholt mehrmals, was zu befürchten hat, wer aus wirtschaftlichen Gründen auf Asyl in Deutschland hofft: Abschiebung, Wiedereinreiseverbot und eine dicke Rechnung für die Kosten des erzwungenen Rückflugs. Die Botschaft gibt es auf Albanisch, Serbisch, Bosnisch und Mazedonisch - sie richtet sich an Menschen aus den Balkanländern. Die Asylsuchenden aus den sechs Nicht-EU-Staaten Südosteuropas standen am Wochenende im Zentrum der politischen Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte eine europaweite Festlegung sogenannter sicherer Herkunftsstaaten. Die EU-Staaten bräuchten in dieser Frage "gemeinsame Einschätzungen", sagte die Bundeskanzlerin am Sonntag im ZDF. Die Lage sei "extrem nicht zufriedenstellend". Merkel warb zudem für kürzere Asylverfahren in Deutschland: "Wir müssen alle Personalreserven versuchen zu mobilisieren." Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sprach sich in der Bild am Sonntag dafür aus, Albanien, Mazedonien und Kosovo als sichere Herkunftsstaaten einzustufen - schließlich suchten diese Länder die Annäherung an die EU und könnten "schon deshalb nicht gleichzeitig als Verfolgerstaaten behandelt werden". Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) plädierte dafür, Asylbewerbern vom Balkan weniger Geld zu geben. Stattdessen sollten sie Gutscheine, Fahrkarten und andere Sachleistungen erhalten. "Wir müssen das Sachleistungsprinzip bei ihnen so konsequent wie möglich anwenden", sagte Manfred Schmidt der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Mit seiner Forderung, das sogenannte Taschengeld zu senken, will der Bamf-Präsident erreichen, dass Deutschland weniger attraktiv für Menschen wird, die aus wirtschaftlichen Gründen ins Land kommen und zu mehr als 99 Prozent nicht als Flüchtling anerkannt werden. "Das ist nötig, damit wir Platz haben für die wirklich Schutzbedürftigen", sagte er. Im ersten Halbjahr 2015 beantragten mehr als 80 000 Menschen aus den sechs Staaten des westlichen Balkans Asyl. Das war fast die Hälfte aller Zufluchtsuchenden. Als Flüchtlinge werden sie nur in wenigen Einzelfällen anerkannt. Taschengeld Kinder bekommen Taschengeld - 18,13 Euro im monatlichen Schnitt die Sechs- bis Neunjährigen, 33,34 Euro im Alter von zehn bis 13 Jahren. Das ist weniger als im Vorjahr, wie eine Verbraucheranalyse eines Comic-Verlages berechnet hat. Aber davon spricht niemand in der Politik. Wenn dort von Taschengeld die Rede ist, geht es um Flüchtlinge - und um das, was das Amtsdeutsche deren "Bargeldbedarf" nennt. Er dient "zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens" und ist im Asylbewerberleistungsgesetz auf den Euro genau festgeschrieben: 143 Euro erhält ein Alleinstehender, je 126 Euro ein Paar, zwischen 84 und 95 Euro je nach Alter ein Kind oder Jugendlicher. Das muss für alles reichen, was über Unterkunft und Gemeinschaftsverpflegung in der Aufnahmeeinrichtung hinausgeht, für Kleidung wie Zahnpasta. Viel Geld ist das nicht - aber womöglich genug Anreiz für arme Menschen aus den Balkanstaaten, so meint etwa Bundesinnenminister Thomas de Maizière, um einen Bus Richtung Deutschland zu besteigen und dort Asyl zu beantragen. Niedriger dürfen die Leistungen nicht sein, das hat das Bundesverfassungsgericht 2012 verboten. Der Gesetzgeber hat jedoch Spielräume, statt Geld etwa Gutscheine auszugeben. Allerdings hatten Länder und Kommunen von dieser Praxis zuletzt zunehmend Abstand genommen - um Flüchtlinge eben nicht wie kleine Kinder zu behandeln. Jan Bielicki Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte kurz zuvor ankündigt, man werde sich "das Taschengeld genauer anschauen". Es geht dabei um die bis zu 143 Euro, die Asylbewerber pro Monat in bar erhalten. Das Geld ist für Kleidung und Hygieneartikeln gedacht. Bamf-Präsident Schmidt hält diese Bargeld-Leistung für einen der Gründe, warum es bei vielen Bewerbern vom Balkan einen "Drehtüreffekt" gebe: "Viele, die ausreisten, kamen nach kurzer Zeit wieder. Denn mit dem Geld von einem drei- oder viermonatigen Aufenthalt in Deutschland ließ sich das Leben im Herkunftsland neun oder zehn Monate lang bestreiten." Das Nettoeinkommen in Ländern wie Albanien und Mazedonien liegt laut nationalen Statistiken im Schnitt bei 350 bis 360 Euro im Monat. Detailansicht öffnen Viele ausgereiste Bewerber "kamen nach kurzer Zeit wieder", sagt der Präsident des Bundesamts für Flüchtlinge: Asylsuchende im bayerischen Sonthofen. (Foto: AFP) Aydan Özoğuz nennt den Vorschlag "ärgerlich" und spricht von "Scheinlösungen" Aus den Kommunen bekam de Maizières Vorstoß Unterstützung. "Es sollte geprüft werden, ob das deutsche System zu viele Anreize bietet (z. B. Taschengeld, Ausreisevergütung)", heißt es in einem Positionspapier des Deutschen Städte- und Gemeindetags zur Flüchtlingspolitik. Skeptisch äußerte sich dagegen Nordrhein-Westfalens CDU-Chef Armin Laschet: "Ich kann vor Schnellschüssen nur warnen: Das Bundesverfassungsgericht hat uns aufgegeben, das Existenzminimum von Flüchtlingen sicherzustellen. Das müssen und werden wir tun", sagte er der Nordwest-Zeitung. Auch Aydan Özoğuz (SPD), die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, nannte de Maizières Vorschlag "ärgerlich". Es würden "Scheinlösungen im Sozialleistungsrecht propagiert", statt sich um die Beschleunigung der Asylverfahren zu kümmern.
https://www.sueddeutsche.de/politik/asyl-gutscheine-statt-taschengeld-1.2609376
mlsum-de-39
In Tunesiens Hauptstadt Tunis sind beim Angriff auf das Bardo-Museum mindestens 19 Menschen getötet worden, darunter viele Touristen. Die Studentin Nedra Jouini lebt um die Ecke. Sie berichtet, wie sie den Tag des Anschlags erlebt hat.
Nedra Jouini, 23, lebt zusammen mit ihren Eltern nur 300 Meter entfernt vom Bardo-Museum in der tunesischen Hauptstadt Tunis. Am Mittwoch greifen Bewaffnete das Gebäude an, erschießen mindestens 19 Menschen, darunter viele Touristen. Dann greift eine Spezialeinheit ein und tötet die Agreifer. Am Telefon berichtet die Chemie-Studentin, wie sie den Tag des Anschlags erlebt hat. "Meine Mutter und ich saßen im Wohnzimmer auf dem Sofa und haben uns unterhalten. Dann haben wir plötzlich Schüsse gehört. Wir dachten die Schüsse kommen von der benachbarten Militärakademie, von Soldaten, die irgendwelche Übungen abhalten. Wie gewöhnlich schaltete meine Mutter vor dem Mittagessen das Radio ein. So haben wir innerhalb von wenigen Minuten erfahren, was wirklich passiert ist. Wir konnten es nicht fassen. Bald darauf flogen Helikopter über unsere Wohnung - wie 2011. Sie erinnerten mich an die Revolution und die Gewalt von damals. Ich wurde nervös, machte mir Sorgen: Wie schlimm ist es wirklich? Ist es sicher, rauszugehen? Seit 2011 ist hier nichts derart Gefährliches mehr passiert - schon gar nicht direkt in meiner Nähe. Ich hoffe, dass es keine weiteren Anschläge geben wird. Aber wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen. Wir wissen, dass der Terrorismus bereits in Tunesien ist. Davon sind wir heute Zeugen geworden. Ich setzte aber auch Hoffnung in die tunesische Regierung. Ich hoffe sie tut ihr Bestes, um weitere Anschläge zu verhindern. Sie sollte zum Beispiel die Sicherheitsvorkehrungen erhöhen. Ich glaube, dass unsere Stadt derzeit nicht sicher ist. Für die Tourismusbranche hat der Anschlag sicher schlimme Folgen. Hätte ich eine Reise nach Tunesien geplant, würde ich sie auf jeden Fall absagen. Ich bin schon wieder kurz nach draußen gegangen. Jetzt ist es ja zum Glück vorbei. Aber dieser Tag hat gezeigt, dass derzeit in Tunesien alles passieren kann. Ich würde gerade niemandem empfehlen, auf die Straße zu gehen."
https://www.sueddeutsche.de/politik/anschlag-in-tunis-dann-haben-wir-ploetzlich-schuesse-gehoert-1.2400372
mlsum-de-40
Haushaltsglas kann auch ganz leise im Untergrund entsorgt werden. Der Nachteil: Es ist ziemlich teuer.
Wenn das mal nicht nach infernalischem Lärm klingt: In Deutschland warten 300 000 igluförmige Altglascontainer auf ständige Fütterung - und bekommen auch oft jenseits der erlaubten Einwurfzeiten von sieben bis 19 Uhr an Werktagen jährlich etwa zweieinhalb Millionen Tonnen Altglas in den gummibelappten Rachen geworfen. So steht es jedenfalls in der Statistik des Bundesverbands Glasindustrie. Abgesehen vom nervtötenden Geschepper an den Tonnen, die mindestens, aber sehr überschaubare zwölf Meter vom nächsten Wohnhaus entfernt stehen müssen, riecht es aus ihnen auch manchmal ziemlich übel heraus. Wie bei anderen Lärmschutzmaßnahmen gibt es seit einigen Jahren auch für die disziplinierten, aber lärmempfindlichen deutschen Recycling-Anhänger probate, aber teurere Alternativen. Bamberg hat sie schon und Frankfurt auch, ebenso Trier (bereits seit 2009). Stuttgart plant sie, und zahlreiche andere Städte haben sie ebenfalls an ausgewählten Standorten installiert: sogenannte Unterflurcontainer, alias unterirdische Glascontainer. Die fügen sich viel diskreter ins Straßenbild, sind mit ihren niedrigen Einfüllstutzen barrierefrei, weil lediglich ein Rohr mit Einwurfschacht aus dem Boden hervorsprießt. Beim Einwurf scheppert nichts, und in den unterirdischen Container passt die dreifache Glasmenge, gemessen an den herkömmlichen Plastik-Iglus: 1800 Kubikmeter Altglas passen jeweils in den grünen, weißen oder braunen Auffangbehälter statt wie bisher etwa 900. Weniger Lärm, kein Gestank, dezente Optik - was will der lärmgeplagte Anwohner mehr? Kommunen und die von ihnen beauftragten Entsorgungs- beziehungsweise Recyclingbetriebe wollen und können indessen nicht flächendeckend in die leisen Entsorgungsstationen investieren. Beispiel Bamberg: Zwischen 20 000 und 40 000 Euro musste die Stadt für jeweils einen Dreierverbund investieren. Die Preisspanne variiert natürlich und reicht inklusive Installationsarbeiten seitens der Städte bis zu einem Preis von 70 000 Euro, weil es darauf ankommt, welche Arbeiten im Untergrund nötig sind. Sind herkömmliche Einwurf-Iglus schon für etwa 5000 Euro für das Grün-Braun-Weiß-Trio zu haben, erfordern die unterirdischen Container also weitaus höhere Investitionen. Da heißt es, genau auf unterirdische Infrastruktur-Verhältnisse zu achten: Verlaufen an der gewünschten Containerstelle wichtige unterirdische Versorgungsleitungen und -rohre? Gibt es Telefonkabel, Abwasserleitungen, Kanalisation oder Starkstromkabel, Wurzeln großer, erhaltenswerter Bäume? Dann ist, bei allem guten Willen, das unterirdische Versteck für die gläsernen Lärmverursacher obsolet. Aber auch oben im Luftraum können sich bei den innovativen Containern Hürden auftun - Stichwort "Hubhöhe": Das Fahrzeug der Entsorgerfirma muss einen Kran ausfahren, um die Container aus ihren Schächten herauszuheben. Laternen oder Bäume dürfen dabei also nicht im Weg sein. Auch wenn die Glasflaschen-Abholer seltener und damit kostengünstiger entsorgen müssen, weil die "leisen" Altglasbehälter größer sind als die alten Iglus, sie müssen ja erst mal dort hinkommen.
https://www.sueddeutsche.de/geld/altglas-schluss-mit-dem-geschepper-1.3637456
mlsum-de-41
Konkurrenz für Fielmann, Apollo und Co.: Online-Anbieter machen mit Brillen Millionenumsätze. Traditionelle Optiker warnen vor Qualitätsproblemen - und geraten doch unter Druck.
Loriot hat den Beruf des Optikers schon vor Jahren in Frage gestellt: In einer Zeichnung des Künstlers ist zu sehen, wie eines seiner berühmten Knollennasen-Männchen mit der Ehefrau ins Brillengeschäft geht. Nachdem ihm der Ladenbesitzer eine Brille zum Anprobieren gegeben hat, legt der Mann die Gläser schnell wieder ab. So genau will er seine Frau gar nicht erkennen. Unter der Zeichnung steht: "Optiker Nolte zog sich zwei Jahre später aus dem Geschäftsleben zurück". Hätte der 2011 verstorbene Loriot die Situation heute karikiert, wäre das Knollennasen-Männchen vielleicht gar nicht mehr in einen Laden gegangen - sondern hätte vor dem Computer gesessen. Denn Online-Händler verkaufen immer mehr Brillen. Mister Spex, der beliebteste der Shops im Netz, hat im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 26 Millionen Euro umgesetzt. Das sind 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Spex sieht sich nicht nur als Online-Händler: "Wir verstehen uns als Optiker", sagt die Sprecherin des Berliner Unternehmens - und fordert mit diesem Selbstverständnis Ketten wie Fielmann oder Apollo heraus. Auch wenn das Anprobieren der Brillengestelle bei dem Shop im Netz natürlich anders abläuft als im Laden. Wer zum Beispiel eine Webcam hat, kann sich durch eine 3D-Darstellung seine Favoriten aus mehr als 5000 verschiedenen Brillen auf die Nase setzen. Die Sprecherin sagt selbst, das Konzept sei noch nicht ganz ausgereift. Doch bei den Käufern scheint es schon anzukommen. An manchen Tagen verschickt das Unternehmen bis zu 6000 Pakete, es hat in seiner Kundendatei nach eigenen Angaben mittlerweile mehr als 600.000 Menschen registriert. "Rückfall ins Mittelalter" Dabei galt gerade die Brille lange als ein Produkt, das online nicht verkauft werden kann. Die Anpassung der Gestelle an die Kopfform, die Justierung des Abstands zwischen Gläsern und Augen - das könnten die Shops im Netz nicht leisten, hieß es von Seiten der traditionellen Optiker. Günther Fielmann, Chef des gleichnamigen Marktführers im Brillengeschäft, sagte erst im vergangenen Jahr deutlich in einem Gespräch mit der Tageszeitung Welt, was er von den Shops im Netz hält: "Das ist ein Rückfall ins Mittelalter. Damals gab es auf den Märkten auch nur Fertigbrillen". Dass Fielmann einen so drastischen Vergleich wählte, kommt nicht von ungefähr. Seine Optiker-Kette rühmt sich damit, den Kunden immer den günstigsten Preis anzubieten. Doch mit der Konkurrenz aus dem Netz kann die Hamburger Firma nun teils nicht mehr mithalten. Spex und seine Mitstreiter drücken die Preise nach unten. Denn allein die Kosten, um wie Fielmann etwa 600 Filialen am Laufen zu halten, haben die Online-Händler nicht. Zwar geht es nicht ganz ohne persönlichen Service, das hat auch Spex erkannt. Das Unternehmen hat sich deswegen ein Partnernetzwerk mit bundesweit etwa 340 Optikern aufgebaut. Wenn die Brille nicht passt, kann der Kunde zum nächstgelegenen Partner gehen: Doch "für die meisten Leute, die bei uns kaufen, ist es natürlich sowieso nicht der erste Brillenkauf", so die Sprecherin. Brille24 setzt dagegen klar nur auf den billigen Preis. Kooperationen mit Optikern wie bei Spex gibt es nicht. Die meisten Sehhilfen kosten gerade einmal 39,90 Euro. Den Vorwurf mancher traditioneller Optiker, dass eine mit so wenig Informationen bestellte Brille nicht passen könnte, sieht eine Sprecherin der 2007 gegründeten Firma nicht bestätigt: "Wir haben eine Retour-Quote von etwa zwei Prozent und liegen damit weit unter dem Durchschnitt von anderen Online-Shops". Plötzliches Schweigen Ob man von diesem Prozentsatz aber wirklich auf die Qualität der Brillen schließen kann, ist umstritten. Die niedrige Zahl an Rücksendungen müsse nicht darin begründet sein, dass die Brille wirklich passe, kritisiert der Zentralverband der Augenoptiker (ZVA). Viele Kunden würden die nötigen Korrekturen vielleicht gar nicht bemerken. "Das Auge versucht die Defizite dann automatisch auszugleichen und strengt sich mehr an", so ein Sprecher des ZVA. Traditionelle Optikerketten wie Fielmann oder Apollo seien durch die neue Konkurrenz wie Brille24 oder Mister Spex aber nicht im Zugzwang, online zu gehen. Selbst Online-Marktführer Spex ist mit seinen 26 Millionen Euro Umsatz noch weit von Fielmanns Größenordnung entfernt: Im vergangenen Jahr machte die Hamburger Kette fast 900 Millionen Umsatz. Doch dass sich die traditionellen Betriebe durchaus mit der Konkurrenz im Netz auseinandersetzen, zeigt ihr plötzliches Schweigen zu dem Thema. Während der Fielmann-Chef im vergangenen Jahr die Online-Shops noch frei heraus als obsolet bezeichnete, gibt man sich nun zurückhaltender. Bei Nachfragen verweist das hanseatische Unternehmen lediglich auf den Geschäftsbericht aus dem vergangenen Jahr. Dort ist zu lesen, dass die Anpassung der Brille über das Internet ein "reines Zufallsprodukt" sei. "Deshalb verkauft Fielmann Korrektionsbrillen nicht per Internet", heißt es weiter. Allerdings ist es der Geschäftsbericht für das vergangene Jahr - ob Fielmann diesen Satz auch im kommenden übernimmt, wird sich zeigen. Bei Apollo, nach Fielmann der Zweitgrößte in der Branche, will man sich zum Thema Online-Handel gar nicht äußern. Mister Spex sieht einen möglichen Start von Fielmann oder Apollo im Netz gelassen. Man vertraut auf die Erfahrung im E-Commerce der vergangenen Jahre und das eigene Wachstum. Erst im Mai haben drei Großinvestoren 16 Millionen Euro in die Firma gesteckt, im Juli hat Spex zwei schwedische Onlineshops gekauft. Die Berliner Firma würde es insgeheim wohl auch freuen, Recht behalten zu haben. Den anderen bewiesen zu haben, dass Brillen im Netz eben doch zu verkaufen sind. Die Spex-Sprecherin sagt dazu ganz klar: "Wenn die Großen nachziehen, wäre das für die Online-Optik wie ein Ritterschlag."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/zuwaechse-fuer-online-haendler-brillenkauf-im-netz-immer-beliebter-1.1789317
mlsum-de-42
Kämpfe in der Ostukraine zeigen, dass der Konflikt zwischen Armee und prorussischen Rebellen wieder aufflammen könnte. Und es häufen sich Belege für eine Beteiligung Russlands.
Feuerwehrleute löschen einen Markt am Rande von Donezk, der am Mittwoch bei einem Gefecht zwischen prorussischen Separatisten und der ukrainischen Armee zerstört worden ist. Kampf- und Schützenpanzer, Flugabwehrgeschütze, Granat- und Raketenwerfer: Es war ein beachtliches Arsenal der prorussischen Rebellen, das Fachleute der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Nacht auf den 3. Juni in der Nähe von Donezk beobachteten. Als der Tag graute, begannen die Rebellen mit einem Angriff auf die von der ukrainischen Armee gehaltene Kleinstadt Marinka. Erst als Antwort feuerten die Ukrainer ihrerseits Stunden später auf die Rebellen, so beschreibt es die OSZE. Nach dem Gefecht, einem der schwersten seit Monaten, sprach der ukrainische Generalstab von fünf toten Soldaten und etlichen Verletzten, die Rebellen meldeten mindestens 19 Tote. Ein Fall der verkehrstechnisch wichtigen Stadt wäre die größte Niederlage Kiews seit dem Verlust von Debalzewe im Februar. Ab Mittwochabend kehrte zunächst Ruhe in Marinka ein. An anderer Stelle wurde weiter gekämpft: etwa in der Hafenstadt Mariupol. Anzeichen für eine mögliche Offensive Russlands Außenminister Sergej Lawrow schob die Schuld an den neuen Gefechten Kiew zu. "Die Feuerpause vom Februar ist ständig durch Handlungen der Kiewer Behörden bedroht, die ihren Verpflichtungen entgehen wollen, einen direkten Dialog mit dem Donbass zu fördern", sagte Lawrow. Diese Darstellung widerspricht nicht nur den OSZE-Beobachtungen. Auch andere Berichte unterstreichen die entscheidende Rolle Russlands im Krieg in der Ostukraine - und Anzeichen für eine mögliche neue Offensive. So legten sowohl der Atlantic Council in Washington als auch die britische Organisation Bellingcat detaillierte Berichte über die Organisation des Ukrainekriegs durch Moskau vor. Am Montag dieser Woche präsentierte Ivan Šimonović, Vize-Generalsekretär für Menschenrechte der Vereinten Nationen, einen weiteren Report. Es gebe "wachsende Belege, dass Soldaten im aktiven Dienst der russischen Armee in der Ukraine operieren", so Šimonović. "Der Rückzug ausländischer Kämpfer und der Stopp des Waffenzuflusses aus der Russischen Föderation hätte einen bedeutenden Einfluss auf Gesetz und Ordnung", sagte der Vize-Generalsekretär. Detailansicht öffnen Ein ukrainischer Soldat in Marinka, das am 3. Juni von Rebellen angegriffen wurde. (Foto: Evgeniy Maloletka/AP) Russland sammelt Soldaten und Ausrüstung für den Krieg in der Ukraine in den grenznahen Regionen Rostow oder Belgorod, in großen Militärcamps wie Kujbischewo, Pawlowka oder Kusminskij. Allein in Kusminskij und dem nahen Bahnhof Matwejew Kurgan zählte eine Reporterin der Agentur Reuters Ende Mai Dutzende neu eintreffender Kampfpanzer, Granat- und Raketenwerfer. In der Nähe von Donezk hat das russische Militär im Dorf Petriwske ein Trainingslager in einem ehemaligen Feriencamp eingerichtet, legt ein OSZE-Bericht vom 28. Mai nahe. Ukrainischer Präsident Poroschenko zeigt sich pessimistisch Ein ehemaliger Rebellenführer aus Donezk hatte der SZ bereits im März gesagt, der Krieg werde vom Aufklärungs- und Sabotagedienst des russischen Generalstabes (GRU) gesteuert, jede Handlung der Separatisten von Moskau genehmigt. Ende Mai sprachen die BBC und Reuters in Kiew mit zwei von den Ukrainern gefangen genommenen GRU-Offizieren: Ihnen zufolge bestand alleine ihre in die Ukraine geschickte Einheit aus 200 Mann. Schon der Beginn des Krieges vor einem Jahr wurde von Igor Girkin kommandiert, der von EU und USA als aktiver GRU-Offizier identifiziert wurde. Girkin zufolge kontrolliert der Kreml das Geschehen sehr direkt: Am 31. Mai etwa soll Wladislaw Surkow, ein führender Politmanipulator des Kreml, zur weiteren Instruktion der Separatistenführer nach Donezk gereist sein. Hausverbot Als Reaktion auf die von Russland verhängten Einreiseverbote für europäische Politiker hat EU-Parlamentspräsident Martin Schulz russischen Diplomaten Hausverbot erteilt. Die Behörden in Moskau hätten bisher keine vernünftige Erklärung dafür geliefert, warum sie 89 Politiker, Beamte und Militärs aus EU-Staaten auf eine "schwarze Liste" gesetzt haben, erklärte Schulz. Ausgenommen von dem Hausverbot sind Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow sowie ein Mitarbeiter. Aus Russland kam prompt Kritik. Dies sei eine "Rückkehr zur Inquisition", kommentierte Maria Sacharowa vom Außenministerium. dpa Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko schätzt die Zahl russischer Soldaten in der Ostukraine auf 9000. Sollte Russland eine Offensive beschließen, stünden die Chancen der Ukraine schlecht: In Mariupol haben die dort stationierten Nationalgardisten nur Schusswaffen zur Verfügung und Berichten zufolge nicht einmal effektive Schützengräben ausgehoben. Poroschenko gab sich am Donnerstag pessimistisch: "Wir sind immer noch ein Staat mit minimaler Verteidigungsfähigkeit."
https://www.sueddeutsche.de/politik/ukraine-angst-vor-der-naechsten-offensive-1.2505764
mlsum-de-43
Luftangriffe in Syrien folgen einem Muster: Sie richten sich nicht nur gegen die Terrormiliz Islamischer Staat.
Talbiseh ist Angriffe gewohnt. Immer wieder hat das syrische Regime von Baschar al-Assad den von gemäßigten Rebellen kontrollierten Ort nördlich der Großstadt Homs bombardiert. Doch diesmal war alles anders. Die Flieger flogen viel höher als die der syrischen Luftwaffe, die Explosionen der Raketen waren viel stärker. Es waren russische Kampfjets. Gemäß Verlautbarungen des Kremls bombardierten sie Ziele der Terrormiliz Islamischer Staat. Doch den gibt es in Talbiseh ebenso wenig wie die mit al-Qaida verbündete Nusra-Front. Das Gleiche gilt für die benachbarten Orte Zafarana und Rastan, die ebenfalls bombardiert wurden. Mindestens 15 Zivilisten seien in Talbiseh getötet worden, berichten Aktivisten des Medienzentrums dort, die mit der deutschen Organisation Adopt a Revolution kooperieren. Nach den Jets kamen die Hubschrauber des Regimes und warfen wieder Fassbomben ab. Artillerie feuerte Granaten in die von Regierungstruppen umstellte Stadt. Ähnliche Berichte gibt es aus der Provinz Hama, wo die Russen Ziele am Rand von Lataminah bombardierten. Der Ort wird von einer zur Freien Syrischen Armee gehörenden Gruppe kontrolliert, die von den Amerikanern unterstützt wird. Getroffen wurde das Hauptquartier der Gruppe, wie ihr Kommandeur Jamil al-Saleh in einem im Internet verbreiteten Video berichtete. Die nächsten Stellungen des Islamischen Staats sind mehr als 50 Kilometer entfernt; syrische Staatsmedien hatten in den vergangen Tagen noch berichtet, dass sich die Dschihadisten weiter Richtung Raqqa zurückgezogen hätten, ihrer Hauptstadt. Amerikanische Regierungsquellen sagten der Washington Post, es gebe keine Gründe, an Berichten zu zweifeln, denen zufolge in der Provinz Hama Gruppen getroffen worden seien, die mit der von den USA geführten Anti-IS-Koalition verbündet seien. Die Schäden durch Russlands Luftangriffe seien "nicht gering", sagte ein anderer Beamter der New York Times. Sucht man nach einem Muster in den 20 Luftangriffen am Mittwoch, die auch Zielen in der Provinz Latakia galten, schält sich heraus: Die russischen Kampfjets attackierten überwiegend gemäßigte Rebellen-Gruppen, die gegen Gewaltherrscher Baschar al-Assad kämpfen, Moskaus Verbündeten. Diese Gruppen kämpfen aber ebenso gegen den Islamischen Staat, der ja vorgeblich das Ziel der russischen Bomben ist. In den Provinzen Hama und Latakia ist das Regime jüngst in Bedrängnis geraten. Russland flog am Donnerstag erneut etwa 30 Angriffe, auch nahe Dschisr al-Schughur, wo ein Bündnis islamistischer Rebellengruppen unter Beteiligung der Nusra-Front den alawitischen Kerngebieten in der Provinz Latakia gefährlich nahegekommen ist. Folglich teilte die Regierung in Moskau mit, das Bombardement richte sich "generell gegen eine Reihe bekannter Islamistenorganisationen", während es am Vortag noch hieß, es gehe "ausschließlich" gegen den Islamischen Staat. Russland leistet dem Anschein nach also eher Luftnahunterstützung für die überdehnten Truppen des Assad-Regimes, was Moskau nicht einmal in Abrede stellt. Präsident Wladimir Putin stört es dabei offenkundig nicht, dass sich das Regime über eine von Moskau mitgetragene Resolution des UN-Sicherheitsrates vom Januar 2014 hinwegsetzt. Sie verbietet die unterschiedlose Anwendung von Gewalt in bewohntem Gebiet sowie ausdrücklich den Einsatz von Fassbomben. Organisationen wie Human Rights Watch werfen dem Regime vor, Kriegsverbrechen zu begehen, indem es systematisch zivile Gebiete in von der Opposition gehaltenen Regionen bombardiert, um sie zu entvölkern. Putin hat allerdings vor der UN-Generalversammlung klargemacht, dass er zwischen den verschiedenen Gruppen der Assad-Gegner nicht differenziert: Er sagte über die "sogenannte gemäßigte syrische Opposition, die vom Westen unterstützt wird", sie werde "bewaffnet und trainiert, um überzulaufen und sich dem sogenannten Islamischen Staat anzuschließen". Experten und westliche Politiker warnen, dass eine offene Intervention Russlands an der Seite des Regimes genau dies zur Folge haben wird.
https://www.sueddeutsche.de/politik/syrien-mit-voller-haerte-1.2673965
mlsum-de-44
Wer Bilder online zeigen will, muss immer zuerst den Fotografen fragen, hat das Gericht entschieden. Im konkreten Fall ging es um ein publiziertes Schülerreferat.
Auch wenn ein Foto im Internet frei zugänglich ist, kann es nicht ohne neue Zustimmung des Fotografen auf einer anderen Website veröffentlicht werden. Das bedeutet: Wer ohne Erlaubnis Bilder von anderen Webseiten auf seine Seite stellt, verletzt Urheberrecht - auch wenn er dabei die Quelle angibt. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag entschieden. (Az. C-161/17) Worum ging es in dem Fall? Um ein Foto, das auf der Homepage einer Gesamtschule im nordrhein-westfälischen Waltrop eingestellt worden war. Eine Schülerin hatte das Foto der spanischen Stadt Córdoba für ein Referat aus einem Reiseportal im Internet kopiert. Sie hatte das Portal auch als Quelle benannt. Mitsamt dem Foto wurde das Referat auf der Homepage der Schule veröffentlicht. Der Fotograf hatte deshalb dann das Land Nordrhein-Westfalen verklagt. Er wollte die Verwendung des Bildes verbieten lassen und 400 Euro Schadenersatz. Er hatte den Betreibern des Portals erlaubt, auf ihrer Website das Foto zu veröffentlichen - auch ohne Nennung seines Namens. Für die Schule galt diese Erlaubnis seiner Meinung nach allerdings nicht. Durch die Kopie seien Urheberrechte verletzt. Der Bundesgerichtshof (BGH) war sich nicht sicher und legte den Fall dem EuGH vor. Warum ist das wichtig? In dem Fall ging es darum, ob Bilder ohne Konsequenzen von Webseiten kopiert und wieder im Netz veröffentlicht werden dürfen. Der BGH wollte von den Luxemburger Richtern wissen, wie die Urheberrechtslinie der Europäischen Union in einem solchen Fall auszulegen ist. Handelt es sich auch dann um eine "öffentliche Wiedergabe", wenn ein Foto auf einer Website eingestellt wird, wenn dieses zuvor ohne Beschränkung und mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers auf einer anderen Seite veröffentlicht wurde? Der EuGH sagte nun: Ja, das zählt als erneute "öffentliche Wiedergabe". Denn dadurch werde das Bild einem "neuen Publikum" zugänglich gemacht. Und bei jeder Wiedergabe muss der Urheber vorher um Erlaubnis gefragt werden. Der EuGH machte hier auch einen Unterschied zwischen kopierten Fotos und Hyperlinks zu urheberrechtlichen Fotos. Denn Links, die Web-Adressen miteinander verbinden, seien nötig, damit das Internet "gut funktioniere". Das gelte nicht für das bloße Kopieren von Inhalten. Der EuGH-Generalanwalt, der dem Gericht Empfehlungen gibt, hatte zuvor argumentiert: Das Foto sei "allen Internetnutzern frei und kostenlos zugänglich" und sei "ohne Gewinnerzielungsabsicht und unter Angabe der Quelle auf der Internetseite einer Schule" veröffentlicht worden. Es sei also nicht als eigene öffentliche Wiedergabe zu werten. Das Gericht folgte ihm nicht und wollte auch für Schulen keine Ausnahme gelten lassen.
https://www.sueddeutsche.de/digital/eugh-urteil-zum-urheberrecht-quellenangabe-reicht-nicht-1.4085267
mlsum-de-45
Der Soldat wurde am Mittwoch von einem israelischen Militärgericht verurteilt. Er erschoss im März einen palästinensischen Angreifer, der bereits am Boden lag.
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat sich nach dem Schuldspruch für den israelischen Soldaten Elor Azaria für dessen Begnadigung ausgesprochen. "Ich unterstütze eine Begnadigung von Elor Azaria", schrieb Netanjahu am Abend auf Facebook. Es sei "ein schwieriger und schmerzlicher Tag für uns alle - vor allem für Elor und seine Familie, unsere Soldaten und Zivilisten, mich eingeschlossen." Zuvor hatte ein israelisches Militärgericht in Tel Aviv Azaria wegen Totschlags verurteilt. Die Verkündung des Strafmaßes wird in den kommenden Wochen erwartet. Azaria drohen bis zu 20 Jahre Haft. Der zum Zeitpunkt der Tat noch 18-jährige Militärsanitäter Azaria hatte im März 2016 einem am Boden liegenden Attentäter in Hebron in den Kopf geschossen. Azaria erklärte im Prozess, er habe befürchtet, der Attentäter könne eine Sprengstoffweste tragen. Der Palästinenser hatte zuvor einen anderen Soldaten mit einem Messer verletzt. Zeugen sagten hingegen aus, Azaria habe ihnen gegenüber angegeben, den Attentäter aus Rache getötet zu haben. Die Tatsache, dass der am Boden liegende Mann ein Terrorist gewesen sei, rechtfertige nicht die unverhältnismäßige Reaktion des Soldaten, urteilte das Gericht. Es ist extrem selten, dass ein israelisches Militärgericht gegen einen Soldaten entscheidet, der im Dienst tödliche Gewalt angewendet hat. Kurz nach Verkündung des Schuldspruchs hatte das Büro des israelischen Präsidenten Reuven Rivlin in einer Erklärung gewarnt, eine Debatte über eine Begnadigung Azarias sei verfrüht. Nur Azaria selbst, sein Anwalt oder seine nächsten Angehörigen könnten darum bitten - und das auch erst nach Abschluss des Prozesses.Wenn eine Begnadigung beantragt werde, werde Rivlin sie "nach der üblichen Praxis und nach Empfehlungen der zuständigen Behörden" prüfen, hieß es in der Erklärung. Das Urteil, das live im israelischen Fernsehen übertragen wurde, beendet eine neunmonatige Kontroverse, die in Israel zu schweren Meinungsverschiedenheiten geführt hat. Militärkommandeure hatten das Verhalten des Soldaten kritisiert, während ihn große Teile der israelischen Öffentlichkeit unterstützten, darunter auch Mitglieder der Regierungskoalition. Ein palästinensischer Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation B'Tselem hatte den Vorfall gefilmt. Verteidigungsminister Lieberman fordert Respekt für die Gerichtsentscheidung Die Familie des getöteten Palästinensers zeigte sich zufrieden mit der Gerichtsentscheidung. "Es ist gerecht. Es ist eine Errungenschaft des Gerichts, dass es den Soldaten verurteilt hat", sagte Jusri al-Scharif, der Vater des Getöteten, in seiner Heimatstadt Hebron im Westjordanland. Ein Repräsentant der Angehörigen des Verurteilten warf den Richtern vor, Beweismittel ignoriert zu haben, die auf eine Unschuld des Soldaten hingewiesen hätten. "Ich hatte das Gefühl, dass das Gericht das Messer vom Boden aufgehoben hat und es in den Rücken aller Soldaten gestoßen hat", sagte ein Sprecher der Familie. Die Verteidigung kündigte Berufung an. Verteidigungsminister Avigdor Lieberman fordert Respekt für die Gerichtsentscheidung. Auch er finde das Urteil "schwierig", sagt er. Die Armee müsse jedoch aus politischem Streit herausgehalten werden. Sein Ministerium werde alles tun, um den Soldaten und seine Familie zu unterstützen. Auch Kulturministerin Miri Regev, die früher mehrere Jahre lang eine Sprecherin des Militärs gewesen war, forderte wie andere Politiker der Regierung und der Opposition eine Begnadigung. Vor der Verkündung der Gerichtsentscheidung versammelten sich Hunderte Demonstranten vor dem Militärhauptquartier in Tel Aviv, um die Freilassung des Soldaten zu fordern. Wie die Jerusalem Post berichtet, skandierten sie "Freiheit für Azaria" und "Terroristen müssen sterben". Demonstranten stürmten eine Polizeibarrikade, zwei Personen wurden festgenommen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/israel-netanjahu-spricht-sich-fuer-begnadigung-elor-azarias-aus-1.3320814
mlsum-de-46
Aufsichtsrat und Vorstand haben einem Millionen-Bußgeld zugestimmt, aber Börsen-Chef Carsten Kengeter hat kaum noch Rückhalt.
Detailansicht öffnen Carsten Kengeter, Chef der Deutschen Börse, hatte kaum noch Rückhalt in seinem Unternehmen (Foto: Boris Roessler/dpa) Man sehnt sich nach Ruhe bei der Deutschen Börse und möchte endlich raus aus den Negativschlagzeilen. Deshalb haben sich Aufsichtsrat und Vorstand am späten Mittwochabend dazu durchgerungen, ein Bußgeld in Höhe von 10,5 Millionen Euro zu bezahlen. Die Gremien betonten, dass dies kein Schuldeingeständnis sei. Mit der Überweisung, so hofft man, würde die Staatsanwaltschaft Frankfurt auch die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Deutsche-Börse-Vorstandschef Carsten Kengeter einstellen. Im Dezember 2015 hatte Kengeter für 4,5 Millionen Euro Aktien des Börsenbetreibers gekauft, um spezielle Aktien zum gleichen Wert als Bonus zu erhalten. Er machte das Geschäft zwei Monate bevor die später gescheiterten Fusionspläne mit der Londoner Börse LSE bekannt wurden. Da daraufhin der Aktienkurs stark gestiegen war, witterten die Behörden ein strafbares Insidergeschäft. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft gab es zum Zeitpunkt des Kaufs bereits fortgeschrittene Gespräche mit der LSE, was den Verdacht auf Insiderhandel erhärtet hätte. Die Deutsche Börse hat das stets zurückgewiesen. Der zweite Vorwurf: Die Börse habe die Pläne zu spät öffentlich gemacht und damit den Markt manipuliert. Dass die Deutsche Börse nun 10,5 Millionen Bußgeld bezahlt, war im Aufsichtsrat jedoch höchst umstritten. Es seien Bedingungen gestellt worden: Zustimmung zum Bußgeld nur dann, wenn Kengeters Vertrag nicht verlängert werde. Arbeitnehmervertreter und auch einige Aufsichtsräte der Kapitalseite hätten sich bei der Abstimmung enthalten, heißt es in Finanzkreisen. Aufsichtsratschef Joachim Faber stimmte dem Bußgeld zu. Das ist pikant, weil Faber das umstrittene Aktienoptionsprogramm für den ehemaligen Investmentbanker eingefädelt und ihm angeboten hatte. Der Vertrag von Kengeter läuft im März 2018 aus. Vor allem Faber hat sich immer dafür eingesetzt, dass Kengeter länger bleibt. Doch der Widerstand wächst. "Wir gehen nicht davon aus, dass Kengeter noch lange im Amt bleibt", sagt ein Großaktionär der Deutschen Börse. Faber bliebe nichts anderes übrig, als Kengeter zu opfern, weil der Vorstandschef kaum noch Rückendeckung im Unternehmen habe. "Es ist zudem inakzeptabel, dass die Deutsche Börse und damit die Aktionäre das Bußgeld bezahlen müssen", so der Miteigentümer. "Wenn man sagt, man ist unschuldig, dann sollte man auch kein Bußgeld bezahlen. Faber und Kengeter haben der Börse Schaden zugefügt." Die Deutsche Börse geht davon aus, dass das Ermittlungsverfahren gegen Kengeter nun eingestellt wird. Einen Entscheidungstermin gibt es laut Staatsanwaltschaft noch nicht. Gleichzeitig überprüfen die Finanzaufsichtsbehörde Bafin und das hessische Wirtschaftsministerium, ob Kengeter für seinen Posten überhaupt noch zuverlässig genug ist. Der Aufsichtsrat der Deutschen Börse teilte mit, man werde sich erst nach dieser Entscheidung mit der Vertragsverlängerung von Kengeter befassen. Jetzt wird gemunkelt, die Aufsicht und das Ministerium könnten auf Zeit spielen und die Zuverlässigkeitsprüfung erst im nächsten Jahr abschließen. Dann müsste Faber zwangsläufig einen neuen Chef suchen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-boerse-halbherzige-rueckendeckung-1.3666528
mlsum-de-47
Der gesperrte Funktionär hat Einspruch beim Cas eingelegt. Philipp Lahm glaubt, dass Deutschland gegen Englands Finanzkraft gut bestehen kann. Corinthians São Paulo ist brasilianischer Meister.
Fußball, Sperre: Der weiterhin suspendierte Uefa-Präsident Michel Platini (60) hat wie erwartet beim Internationalen Sportgerichtshof CAS Einspruch gegen seine 90-Tage-Sperre eingelegt. Das bestätigte ein Anwalt des Franzosen der Nachrichtenagentur AFP am Freitag. Der Fußball-Weltverband Fifa hatte den ersten Einspruch Platinis am Mittwoch abgewiesen. Der wegen einer dubiosen Millionen Zahlung von Fifa-Boss Joseph S. Blatter (79) außer Dienst gestellte Chef der Europäischen Fußball-Union (Uefa) will weiterhin am 26. Februar zum Fifa-Präsidenten gewählt werden. Wegen seiner Sperre (bis einschließlich 5. Januar) ist er aber noch kein Kandidat. Eine Entscheidung des CAS werde bis Ende November erwartet, teilten die Platini-Anwälte mit. Fußball, Brasilien: Die Corinthians sind zum sechsten Mal brasilianischer Fußball-Meister. Der berühmte Verein aus der Metropole São Paulo ist drei Spieltage vor dem Saisonende mit zwölf Punkten Vorsprung nicht mehr einzuholen, da Verfolger Atlético Mineiro 2:4 beim FC São Paulo unterlag. Corinthians um den früheren Leverkusener Renato Augusto spielte bei Vasco da Gama 1:1. Der frühere Klub von Rivelino, einer der brasilianischen Helden beim Gewinn des WM-Titels 1970, stand seit dem 18. Spieltag an der Tabellenspitze und gab diese nicht mehr ab. Zuvor waren die Corinthians 1990, 1998, 1999, 2005 und 2011 Meister geworden. Bundesliga, FC Bayern: Philipp Lahm sieht aufgrund der großen Finanzpower in England den Status des FC Bayern in Europas Spitze nicht bedroht. "Nein. Sicher ist das ein wichtiges Thema, weil Geld im Fußball keine geringe Rolle spielt. Und wenn man sieht, dass die hinteren Mannschaften in England mehr Geld bekommen als der FC Bayern, ist das krass. Trotzdem haben wir hier in der Bundesliga viele Vorteile: Wir haben Top-Stadien, eine Top-Infrastruktur, super Fans, fast immer ausverkaufte Stadien", sagte der Bayern-Kapitän in einem Interview des Münchner Merkur. "Das müssen uns die anderen Ligen erst mal nachmachen. Und noch dazu wird bei uns immer pünktlich bezahlt. Bei uns läuft alles ab, wie es ablaufen sollte. Das sind starke Argumente für die Bundesliga", sagte Lahm. Abgänge der Topstars erwartet der Weltmeister nicht. "Ich habe die Angst im Gegensatz zu manch anderen nicht. Weil wir viele Vorteile haben, die die Spieler schätzen, gerade die, die aus dem Ausland kommen. Die sagen, es ist sensationell, wie hier alles abläuft. Das geben die Spieler ja auch weiter. Und auch bei uns kann man sehr, sehr gut verdienen", erklärte der 32-Jährige. In England gibt es einen neuen Fernsehvertrag mit einem Volumen von 2,3 Milliarden Euro jährlich ab der Saison 2016/2017. Schon in der vergangenen Sommer-Wechselperiode gaben die Erstligisten von der Insel rund 1,185 Milliarden Euro für neue Spieler aus. Basketball, Euroleague: Der FC Bayern hat in der Basketball-Euroleague die nächste Heim-Schlappe hinnehmen müssen und sich den Weg in die zweite Gruppenphase weiter verkompliziert. Gegen den Titel-Mitfavoriten Fenerbahçe Istanbul unterlagen die Münchner am Donnerstag wegen einer völlig verpatzten Anfangsphase mit 67:84 (30:50). Im Klassement der Vorrundengruppe A verlor der deutsche Vizemeister den Anschluss an die Spitzenteams um Tabellenführer Istanbul und Chimki Moskau und läuft Gefahr, in den nächsten Wochen komplett abgehängt zu werden. In einer von Unsicherheiten und Fehlern geprägten Partie der Bayern war Nihad Djedovic mit 16 Punkten noch der erfolgreichste Werfer. Bei Fenerbahçe ragten Bobby Dixon mit 25 Zählern - 16 davon im famosen ersten Viertel erzielt - und Luigi Datome mit 17 Punkten heraus. Tennis, ATP-Finale: Die Top-Favoriten Roger Federer und Novak Djokovic sind bei den ATP-Finals der Tennisprofis in London wie erwartet ins Halbfinale eingezogen. Der 30 Jahre alte Schweizer bezwang am Donnerstag den Japaner Kei Nishikori mit 7:5, 4:6, 6:4 und stand damit als Sieger der Gruppe Stan Smith fest. Der Serbe Djokovic setzte sich am späten Abend mit 6:3, 7:5 gegen den Tschechen Tomas Berdych durch. Im Halbfinale trifft Federer am Samstag auf seinen Landsmann Stan Wawrinka oder den Schotten Andy Murray. Dem Weltranglisten-Ersten Djokovic hätte gegen Berdych bereits ein Satzgewinn gereicht, um sich Platz zwei in der Gruppe zu sichern. Im Halbfinale wartet auf die Nummer 1 nun der Spanier Rafael Nadal. Das Hartplatz-Turnier ist mit sieben Millionen Dollar dotiert. Doping, Bulgarien: Bulgarien Gewichtheber dürfen wegen wiederholten Dopingmissbrauchs nicht an den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro teilnehmen. Das teilte der Weltverband IWF am Donnerstag bei einem Treffen in Houston mit. Elf Gewichtheber waren in diesem Jahr positiv getestet worden. "Bulgarien ist nicht berechtigt, an den kommenden Olympischen Spielen teilzunehmen", heißt es in dem Statement. Schon an den Europameisterschaften im April in Tiflis hatte Bulgarien nicht teilgenommen. Außerdem wurde Rumänien ein Startplatz bei Olympia wegen multipler positiver Dopingtests während der Qualifikationsphase für die Spiele gestrichen. Doping, Spanien: Der Internationale Sportgerichtshof (CAS) hat die frühere spanische Leichtathletin Marta Domínguez wegen Dopings zu einer Sperre von drei Jahren verurteilt. Die Richter erkannten der Läuferin am Donnerstag zudem alle Titel ab, die die Spanierin zwischen dem 5. August 2009 und dem 4. Januar 2013 errungen hatte. Dazu gehörten der Weltmeistertitel im 3000-Meter-Hindernis-Lauf 2009 und die Vizeeuropameisterschaft 2010 in derselben Disziplin. Nach Ansicht des CAS deuteten ungewöhnliche Blutwerte im biologischen Pass der Spanierin auf Doping hin. Die 40 Jahre alte Domínguez hatte bislang als Spaniens erfolgreichste Leichtathletin der Geschichte gegolten. Schwimmen, Marco Koch: Marco Koch hat zum Auftakt der deutschen Kurzbahn-Meisterschaften in Wuppertal den deutschen Rekord über 400 Meter Lagen verbessert. Der Weltmeister über 200 Meter Brust schwamm am Donnerstag auf seiner Nebenstrecke in 4:01,87 Minuten 3,21 Sekunden schneller als Yannick Lebherz vor fünf Jahren. Auch Jacob Heidtmann, WM-Fünfter und nationaler Rekordhalter auf der Langbahn, blieb in 4:06,28 Minuten unter der Norm für die Kurzbahn-EM Anfang Dezember in Israel. Allerdings wurde der Elmshorner wegen zu vieler Delphinbeinschläge an einer Wende im Nachhinein disqualifiziert, so dass Platz zwei an den Berliner Johannes Hintze (4:09,45) ging. Über 400 Meter Lagen der Frauen sicherten sich Meisterin Franziska Hentke (4:33,53) und Juliane Reinhold (4:35,80) das EM-Ticket.
https://www.sueddeutsche.de/sport/basketball-euroleague-bayern-patzt-in-istanbul-1.2746858
mlsum-de-48
Das vereinte Europa züchtet zu viele Schweine. Und Russland boykottiert Schweinefleisch aus der EU. Das drückt den Preis und treibt Frankreichs Züchter zu massiven Protesten.
Ist Schweinefleisch jetzt zu teuer? Oder zu billig? Wie auch immer. Das Problem ist einfach: In Europa werden zu viele Ferkel gezüchtet. Traktoren, die Autobahnen blockieren. Misthaufen, die Ministerien versperren. Und wütende Landwirte, die importiertes Schweinefleisch in Flammen aufgehen lassen: Das sind Fernsehbilder, wie sie Frankreichs Bauern zuletzt im Juli inszenierten. Und wie sie demnächst wieder drohen. Keine Regierung mag solches Chaos sehen, schon gar keine französische: Westlich des Rheins hegen die Bürger traditionell mehr Sympathie als anderswo für rebellierende Bauern. Und anders als etwa in Deutschland kreiden die Franzosen es der Regierung in Paris an, wenn der Nährstand auf die Barrikaden geht. Doch der neue Bauernkrieg scheint unvermeidlich zu sein. Am 3. September werden Frankreichs Schweinezüchter in Paris durch die Straßen ziehen. Und vier Tage später - wenn die EU-Agrarminister über ihr Schicksal beraten - wollen sie Brüssel erobern. Nichts kann sie aufhalten. Denn niemand kann ihnen helfen: Nicht Präsident François Hollande, der im Juli den Verzehr nationalen Schweinefleischs zur "Pflicht" erklärte und am Dienstag erneut im Élysée-Palast über das Leid der Produzenten von Schinken und Schnitzel beriet. Und auch nicht Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll, der jeden Tag hilfloser wirkt gegen den heraufziehenden Tod Hunderter, wenn nicht Tausender Bauernhöfe in Frankreich. Schuld ist der Markt. Das ebenso simple wie brutale Gesetz von Angebot und Nachfrage ist stärker als alle Politiker. Und es bricht all ihre Versprechen stabiler Fleischpreise. Das Problem: Das vereinte Europa züchtet schlicht zu viele Ferkel, Säue und Eber. Obendrein boykottiert Russland seit vorigem Jahr Schweinefleisch aus der EU. Also ist der Marktpreis eingebrochen, von einst 1,80 Euro je Kilogramm Schlachtgewicht auf 1,30 Euro. Oder noch weniger. Das trifft zwar alle Schweinemäster des Kontinents. Nur, Frankreichs Mäster arbeiten teurer. Auf mindestens 1,40 Euro schätzen französische Bauernfunktionäre die Kosten pro Kilogramm Schlachtgewicht. Die Konkurrenz in anderen EU Ländern - etwa die Deutschen (1,37 Euro je Kilo), Niederländer (1,29 Euro) oder Spanier (1,25 Euro) - kommt mit niedrigeren Preisen über die Runden. Was also tun? Das Füllhorn rettender Subventionen oder Preisstützungen darf der französische Staat nicht öffnen. Das verbietet die EU. Agrarminister Le Foll bleibt nur die Macht des Wortes: Per moralischem Appell verdonnerte der Minister alle Käufer an der Fleischbörse MPB im bretonischen Städtchen Plérin, künftig mindestens 1,40 Euro pro Kilo zu berappen. Mehrere Supermarktketten gelobten zwar patriotisch Gehorsam. Aber zwei große Fleisch-Verwurster - darunter ausgerechnet die Kooperative "Cooperl", die von Bauern gemanagt wird - verweigerten sich: Der "politische Preis" von 1,40 Euro sei zu hoch und riskiere den Ruin ihrer Schlachthöfe. Auch am Dienstag, als nach einer einwöchigen Handelspause erstmals wieder 62 000 Schweine an der MPB versteigert wurden, bot "Cooperl" nicht mit - prompt sackte der Preis unter Le Folls Schwelle, auf magere 1,389 Euro. Frankreich fühlt sich noch immer als Agrarnation, der Preisverfall nagt am Selbstwertgefühl. Catherine Laillé, Präsidentin des Schweinezüchterverbandes, schwärmte neulich von den kargen Fünfzigerjahren, "als die Franzosen noch die Hälfte ihres Lohns" fürs Essen ausgegeben hätten - heute sind es nur noch knapp 15 Prozent des Einkommens. Bauernvertreter wie Politiker beschuldigen nun unisono die deutsche Konkurrenz, mit Massenproduktion und Billiglöhnen "illoyal" den Markt zu überschwemmen. Jungbauern warfen zu Wochenbeginn deutsches Exportfleisch des Discounters Lidl auf die Straße. Im Kampf ums Schwein, so scheint's, suchen Frankreichs Bauern nun schwarze Schafe.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/landwirtschaft-kampf-ums-schwein-1.2611856
mlsum-de-49
Erst vernichtende Gerüchte, ein massiver Aktieneinbruch, eine krankgemeldete und gefeuerte Finanzchefin: Die Geschichte der chinesischen Molkerei ist bemerkenswert, die Vorwürfe gegen sie sind schwer.
Wenn Huishan Dairy, immerhin einer der größten Molkereikonzerne Chinas, überhaupt noch kommuniziert, dann per Pflichtmitteilung an der Hongkonger Börse. An diesem Montag war es wieder einmal so weit: Aufsichtsratschef Yang Kai teilte den Aktionären und Börsenaufsehern schriftlich mit, dass sich Huishan von seiner Finanzchefin getrennt habe. Eine bemerkenswerte Personalie, noch bemerkenswerter ist allerdings, wie lange es gedauert hat, den Rausschmiss zu beschließen. Seit gut zwei Monaten steht Huishan mit dem Rücken zur Wand. Es ist eine existenzielle Krise für das Unternehmen und die Finanzchefin ist daran wohl nicht ganz unbeteiligt. Ende März war der Kurs von Huishan an der Hongkonger Börse innerhalb von 90 Minuten um sagenhafte 85 Prozent abgesackt, bevor die Aktie schließlich von der Börsenaufsicht vom Handel ausgesetzt wurde. Diese Sperre gilt noch immer. Der Auslöser für den Rekordeinbruch: Gerüchte hatten die Runde gemacht, dass das Unternehmen nicht mehr in der Lage sei, seine Zinsen zu bedienen. Mehr als vier Milliarden Dollar Marktkapitalisierung waren weg. Nach Tagen des Schweigens gab das Unternehmen aus dem nordostchinesischen Shenyang schließlich eine erste schriftlichen Stellungnahme ab und gab zu, dass tatsächlich Zinsen nicht pünktlich bezahlt worden seien. Als Grund für die Säumigkeit führte Huishan an, dass die Molkerei den Kontakt mit der eigenen Finanzchefin verloren habe. Demnach habe der Aufsichtsratsvorsitzende Yang einen Brief von der Chefbuchhalterin erhalten, "aus dem hervorgeht, dass der Arbeitsstress bei ihr zu gesundheitlichen Problemen geführt habe und sie sich deshalb hat beurlauben lassen, mit der Bitte in der Zeit nicht kontaktiert zu werden", hieß es Ende März in der Pflichtmitteilung. Ein mehr als kurioser Fall, zumal Huishan schon seit Monaten unter Druck stand. Kurz vor Weihnachten hatte der einflussreiche Hedgefonds-Manager Carson Block einen ziemlich vernichtenden Report über das Unternehmen verfasst. "Wir gehen davon aus, dass Huishan ein Betrugsfall ist", hatte Block geschrieben und Chefaufseher Yang vorgeworfen, mindestens 150 Millionen Yuan (etwa 20 Millionen Euro) veruntreut und die Bilanzen gefälscht zu haben. Huishan und Aufsichtsratsvorsteher Yang weisen das bis heute zurück.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/umstrittene-chinesische-molkerei-huishan-feuert-finanzchefin-1.3525676
mlsum-de-50
Da ist die erste deutsche Goldmedaille in Peking: Christina Schwanitz wird Weltmeisterin im Kugelstoßen - im Finale muss sie bis zum Ende zittern.
Christina Schwanitz hat dem deutschen Leichathletik-Team in Peking die erste WM-Goldmedaille besorgt. Die 29 Jahre alte Favoritin hielt dem enormen Erwartungsdruck im "Vogelnest" stand und sicherte sich mit einem Stoß auf 20,37 Meter den Sieg. 16 Jahre nach dem letzten von drei Titeln durch Astrid Kumbernuss kürte sich Schwanitz als erst zweite Deutsche zur Weltmeisterin im Kugelstoßen - dabei war ihr Mann und Glücksbringer Tomas gar nicht im Stadion. Doch das Daumendrücken vor dem Fernseher zu Hause half auch. Schwanitz ist die erste amtierende Europameisterin, die anschließend auch WM-Gold holte. Dabei sah es zunächst gar nicht gut aus. Gong hatte gleich im ersten Versuch 20,30 m vorgelegt und Schwanitz wirkte etwas geschockt. Doch sie behielt die Nerven und konterte im dritten Versuch mit ihrem Gold-Stoß. Damit hat Schwanitz vorgelegt. Ihr Trainingspartner David Storl (Leipzig) will am Sonntag nachziehen und seinen dritten Titel in Serie holen. Damit wäre das deutsche Kugelstoß-Märchen von Peking endgültig perfekt. Silber gewann die Chinesin Gong Lijiao mit (20,30), Bronze holte Michelle Carter aus den USA (19,76). Olympiasiegerin Valerie Adams, die zuvor viermal in Serie Weltmeisterin wurde, war verletzungsbedingt nicht am Start. Am Vorabend ihrer großen Show hatte Schwanitz wieder ihr obligatorisches Beruhigungs-Bier getrunken. Gut schlafen konnte sie trotzdem nicht. "Die Betten sind schrecklich", sagte sie nach der souveränen Qualifikation am Morgen. Doch nach zwei Duschen und einem Nickerchen am Mittag war sie dann zum richtigen Zeitpunkt hellwach. Mit ihrem Triumph von Peking krönte Schwanitz ihre Karriere - dabei schien ihre Laufbahn im Vorjahr fast beendet. Eine Patellasehnen-Operation verlief "suboptimal", sagte sie. Das linke Knie schwoll nach dem Eingriff immer wieder an und entzündete sich. "Ich hatte Angst, dass ich nie mehr Kugelstoßen kann. Da gehst du als Leistungssportler durch die Hölle, aber Gott sein Dank hat sich alles zum Guten gewendet", sagte Schwanitz. Doch erst eine Behandlung mit einer radioaktiven Flüssigkeit brachte Besserung. Das in einem Reaktor hergestellte Mittel wurde Schwanitz ins Knie gespritzt und soll Entzündungen entgegen wirken. "Aber das ist nur wenig, ich bin nicht Tschernobyl", sagte sie. Nach ihrem WM-Sieg macht Schwanitz jetzt sogar richtig Kasse. Für Gold kriegt die Sächsin vom Weltverband IAAF 60.000 Dollar Prämie überwiesen (etwa 54.000 Euro). Zudem ist der Sportsoldatin ihr erster Gesamtsieg in der lukrativen Diamond League eigentlich nicht mehr zu nehmen. Um die 40.000 Dollar (etwa 35.000 Euro) sowie den Diamantpokal dafür kassieren zu können, muss Schwanitz nur noch beim Diamond-League-Finale am 3. September in Zürich antreten. Das sollte für die neue Kugel-Kaiserin von China doch möglich sein.
https://www.sueddeutsche.de/sport/wm-gold-fuer-christina-schwanitz-erst-geschockt-dann-uebergluecklich-1.2617591
mlsum-de-51
Nur drei von vier Fernzügen fahren derzeit gemäß Fahrplan. Die Fahrpreise sollen nur leicht steigen und voraussichtlich ab Mitte Dezember gelten.
Bahnkunden müssen sich trotz zunehmender Verspätungen auf die nächste Preiserhöhung einstellen. Konzernchef Richard Lutz kündigte am Donnerstag höhere Tarife für Fahrten in Zügen der Klasse ICE und Intercity an: "Im Durchschnitt werden die Preise des Fernverkehrs deutlich unterhalb der Inflationsrate steigen, die derzeit bei rund zwei Prozent liegt", sagte Lutz den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Entscheiden wird der Vorstand darüber im Herbst; die höheren Preise gelten dann ab dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember. Im vergangenen Jahr waren Fahrkarten im Fernverkehr durchschnittlich um 0,9 Prozent teurer geworden, ein Jahr zuvor um 1,3 Prozent. In den beiden Vorjahren hatte es Nullrunden gegeben, damit nicht zu viele Kunden zu den neuen Fernbus-Anbietern abwandern. "Wir waren in den vergangenen Jahren schon vernünftig unterwegs und werden auch in diesem Jahr moderat vorgehen", versicherte Lutz. Ziel der Preispolitik sei es, die Züge besser auszulasten und Wachstum zu unterstützen. Kunden kennen das Prinzip: Oft ist es billiger, etwa am Samstagmorgen zu fahren als am Freitagnachmittag. "Uns gelingt es bereits, Kunden über die Spar- und Supersparpreise in weniger ausgelastete Züge zu bringen", erklärte Lutz. Diese Steuerung werde man aber auch nicht überstrapazieren. Die Ankündigung zu höheren Preisen kommt dabei wieder einmal zu einem Zeitpunkt, an dem die Bahn ihren Kunden viel Geduld abverlangt. Jeder vierte Fernzug fährt verspätet, das heißt mindestens sechs Minuten nach Fahrplan. Hunderte Baustellen, überlastete Knotenpunkte im Bahnnetz, aber auch externe Ursachen wie Suizide, Polizeieinsätze und Wetter-Kapriolen bremsen die Züge aus. Bislang kommt die Bahn nach eigener Statistik in diesem Jahr auf 76 Prozent pünktlicher Fernzüge. "Keine Frage, das ist unbefriedigend", bekannte Lutz. Das Jahresziel von 82 Prozent hat er längst aufgeben und durch 80 Prozent ersetzt. Doch im Juli sacke die Quote sogar auf 72 Prozent ab. Auch der Bund als Eigentümer der Bahn zeigt sich unzufrieden. "Das muss besser werden, und das wird es auch", betonte erst am Mittwoch Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann. Eine Ursache sieht er im früheren Sparkurs. "Unter dem Abbau von Schienenwegen in der Ära Hartmut Mehdorn leiden wir heute noch", sagte Ferlemann der Welt. Bei Störungen gebe es nicht genug Umfahrungsmöglichkeiten. Manche Verzögerung hängt auch damit zusammen, dass es zu wenige Strecken gibt Lutz spricht von einem Dilemma: "Während wir immer mehr Baustellen haben, nimmt erfreulicherweise die Zahl der Reisenden zu." Im ersten Halbjahr unternahmen die Kunden 70,9 Millionen Fahrten in ICE- und Intercity-Zügen, so viele wie nie. Die Infrastruktur werde deshalb knapp, etwa in Nordrhein-Westfalen, sagt Lutz. "Sind Strecken stark befahren, sorgt schon ein verspäteter Zug im ganzen System für Verzögerungen." Der Bahnchef nannte die Vorgabe der Bundesregierung "anspruchsvoll", bis 2030 die Fahrgastzahl zu verdoppeln. "Wir werden die Verdoppelung schaffen, und wenn es das eine oder andere Jahr länger dauert, wäre es immer noch einen fantastische Wachstumsgeschichte." Im Mai hatte die Bahn eine "Super"-Preisoffensive angekündigt - auch, um im harten Wettbewerb mit Fernbussen und Billigfliegern zu punkten. Dazu gehören seit diesem Monat mehr Sparpreise und mehr City-Tickets, die den kostenlosen Anschluss im Nahverkehr des Zielorts mit Bus, Straßenbahn, U- der S-Bahn erlauben. Lutz kündigte am Donnerstag auch an, die Bahn wolle sich mit ihrem Glasfasernetz am Ausbau des schnellen Internets in Deutschland beteiligen. Die Bahn betreibt 33 000 Kilometer Strecke und hat an 18 500 Kilometern Glasfaserkabel verlegt. Doch die interne Kommunikation der Bahn laste die Datennetze nicht vollständig aus, so der Bahnchef. Die Vermarktung könnte eine Milliardensumme einbringen und dadurch den weiteren Ausbau des Breitbandnetzes mitfinanzieren. Die Bahn sucht dazu nach einem Partner in der Telekombranche suche. Es würde passen, denn die Mobilfunkbetreiber brauchen dringend neue Glasfaserverbindungen in Deutschland. Sie müssen damit die Funkmasten für das neue, besonders schnelle 5G-Mobilfunknetz anschließen, das im kommenden Jahr starten soll.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bahn-die-bahn-wird-unpuenktlicher-1.4102049
mlsum-de-52
Das Duell zweier großer Fußballnationen findet im Duell zweier großer Torhüter seine Zuspitzung - am Ende entscheidet eine Winzigkeit.
Gianluigi Buffon ist mit Italien Weltmeister geworden, er ist mit Juventus Turin zwangsabgestiegen, er wurde der Wettmanipulation verdächtigt und freigesprochen. Buffon - 38 Jahre alt, Fußballprofi seit 1995 - hat eine Menge gesehen in all den Jahren, aber das, was er jetzt sehen sollte, war einfach zu viel. Buffon drehte sich weg, er stand seitlich im Strafraum, kein Blick auf Manuel Neuer. Ein Torwart wie Buffon kann Elfmeter vermutlich auch am Geräusch erkennen, er weiß, wie es sich anhört, wenn der Ball im Netz einschlägt, und er kennt den Sound von Handschuhen, die den Ball berühren. Einer wie Buffon könnte bestimmt auch am Klang unterscheiden, ob die Handschuhe den Ball nur ins Netz lenken, oder ob sie ihn zur Seite oder nach vorn wuchten, raus aus dem Tor, mitten rein ins Torwartglück. Wer sich Buffons Flugkurve anschaut, sieht, dass er einen seltsamen Bogen springt Das Ende des Viertelfinales zwischen Deutschland und Italien war ein bisschen so, wie man das aus kitschigen Filmen kennt. Man ahnt die ganze Zeit, dass es auf diesen Schluss rauslaufen wird, dass die beiden prominenten Hauptdarsteller am Ende ihr großes Finale bekommen; und wenn es dann da ist, das Finale, dann fühlt sich einerseits der eigene Intellekt ein bisschen beleidigt, weil man von dem Film halt schon ein bisschen mehr erwartet hätte als das, was man erwartet hat. Aber andererseits: Gibt es was Dramatischeres als einen fantastisch überladenen Showdown? ‹ › Ein Hingucker - oder etwa nicht? Gianluigi Buffon (hinten) mag nicht hinsehen, als sein Kontrahent Manuel Neuer sich mit den italienischen Schützen misst. Bild: Action Press ‹ › SZ-Grafik Bild: a Wird geladen ... Matteo Darmian läuft an, schießt mit rechts, flach ins linke Torwarteck. Dann läuft Jonas Hector an, schießt mit links, flach ins linke Torwarteck. Manuel Neuer wirft sich ins linke Eck, lenkt den Ball raus, mitten ins Torwartglück. Gianluigi Buffon wirft sich ins linke Eck, berührt den Ball, und der rutscht ihm unterm Körper durch. Manuel Neuer rennt los, breitet die Arme aus und verschwindet kurz darauf in einem Haufen von Menschen. Gianluigi Buffon verschwindet auch, aber mehr in sich selbst. Die Kameras zoomen auf das Gesicht dieses Mannes, der schon alles gesehen hat, und sie finden Tränen. Vielleicht hat das so kommen müssen: dass sich das Duell zweier großer Fußballnationen zur besseren Illustrierung der Dramatik am Ende auf das Duell zweier großer Torhüter verdichtet. Buffon, der größte Torwart der vorigen Generation, gegen Neuer, den größten Torwart der aktuellen Generation: Das war der Plot, und sein Ende ließ einigen Raum für die Spekulationen der Filmkritiker. Natürlich hat es hinter vorgehaltener Hand später diese Diskussionen gegeben: Was wäre gewesen, wenn Hectors doch recht mittelmäßig getretener Elfmeter auf einen Torwart zugeflogen wäre, der nicht 38 ist wie Buffon, sondern 30 wie Neuer? Wer sich Buffons Flugkurve später noch mal anschaut, sieht, dass Buffon erst ein Zwischenschrittchen einlegt und dann einen seltsamen, kleinen Bogen springt. Es ist eine etwas ungewöhnliche Bewegung, und wer möchte und keinen Respekt vor einer Lebensleistung hat, der kann daraus vielleicht ableiten, dass der große alte Mann nicht mehr schnell genug runterkommt. Man kann es aber auch einfach nicht daraus ableiten und sich noch mal Buffons Reflex aus der zweiten Halbzeit anschauen. Als Mario Gomez mit der Hacke zum Torschuss ansetzte und Verteidiger Giorgio Chiellini dazwischen grätschte, zuckten Buffons Arme nach oben, als sei er nicht 38, sondern ungefähr 18. Zwei Zentimeter. So viel ungefähr fehlte Gianluigi Buffon bei Jonas Hectors letztem Elfmeter. Zwei Zentimeter zwischen gehalten und nicht gehalten, zwischen Weiter geht's und Abspann. Die Italiener wussten, das Neuer ihre Lieblingsecken kennt - also schossen sie oft in die Mitte So ein Elfmeterschießen mit so vielen Schützen habe er "auch noch nie erlebt", hat Manuel Neuer später wahrheitsgemäß berichtet. Neuer ist ein Experte für diese Spezialdisziplin, er hat schon häufiger seine Mannschaften gerettet, aber diese Mannschaften waren immer entweder Schalke 04 oder der FC Bayern (mit Bayern hat er übrigens auch mal ein recht bekanntes Elfmeterschießen verloren, seitdem kennt jeder den Fußballfachbegriff "dahoam", aber das nur nebenbei). Seit diesem Wochenende nun hat dieser berühmte Torwart noch eine weitere Referenz in seiner Vita stehen: Er hat jetzt auch mit der Nationalmannschaft ein Elfmeterschießen gewonnen, auf der großen europäischen Bühne - obwohl die Italiener noch besser auf ihn vorbereitet waren als er auf sie. Weil sie wussten, dass er ihre Lieblingsecken kennt, haben sie einfach ganz oft hoch in die Mitte geschossen. Zwei Zentimeter. Im Sinne eines herrlich kitschigen Plots hätte man sich natürlich wünschen müssen, dass Buffon Hectors Elfmeter hält. Das Elfmeterschießen wäre weitergegangen, als Nächstes hätte sich Manuel Neuer den Ball geschnappt, er wäre zum Punkt gelaufen, hätte den Ball hingelegt, und dann wäre er da gestanden, Aug' in Aug' mit Gianluigi Buffon.
https://www.sueddeutsche.de/sport/buffon-gegen-neuer-zwei-zentimeter-1.3061543
mlsum-de-53
Der Skandal um gefälschte Abgastests trifft Volkswagen zu einem heiklen Zeitpunkt: Am Freitag soll über den Vertrag von Chef Winterkorn entschieden werden. Nun gibt es viele Gerüchte.
Warum gerade jetzt? An einem Tag in Wolfsburg, an dem man nicht genau weiß, ob der Chef noch lange im Amt ist oder nicht, stellen sie sich bei VW viele Fragen. Zum Beispiel, ob es Zufall ist, dass ausgerechnet in dieser Woche der große Abgasskandal aus den USA in die Welt hineinschwappt und den Konzern in eine schwere, wohl existenzielle Krise stürzt? Denn ausgerechnet an diesem Freitag sollte eigentlich der Vertrag von VW-Boss Martin Winterkorn um zwei Jahre bis 2018 verlängert werden - drei Tage vor diesem Datum ist nicht einmal klar, ob er am Ende der Woche überhaupt noch Chef sein wird. Einige bei VW spekulieren, dass diesen Sturm jemand vorbereitet hat, dass einer die Fäden zieht, der im Frühjahr seinen Machtkampf gegen Winterkorn verloren hat. Steckt der frühere VW-Aufsichtsratschef und Konzernpatriarch Ferdinand Piëch dahinter? "Es weiß doch jeder, dass Piëch jetzt nicht zu Hause sitzt und Rosen züchtet", sagt einer, der den Konzern gut kennt. Daher sei das Timing "perfekt gewählt". Die US-Behörden gehen jedenfalls davon aus, dass die Vorwürfe schon im Mai 2014 im Hause VW bekannt waren. Damals hatten wohl erste Untersuchungen die Manipulationen an den Abgaswerten für Dieselfahrzeuge aufgedeckt. Eine Zeitbombe also - und demnach war es nur eine Frage der Zeit, wann sie jemand scharf stellen würde. Wenn es so gewesen ist, dann wäre das Milliardendesaster um Abgas-Manipulationen in diesen Tagen nichts anderes als die Fortsetzung des Frühjahrsdramas "Piëch gegen Winterkorn." Zweiter Teil. "Es weiß doch jeder, dass Piëch jetzt nicht zu Hause sitzt und Rosen züchtet" Aber ist das wirklich überzeugend? Ist diese Hypothese glaubhaft? Oder sind das nicht die üblichen Verschwörungstheorien, die es in so einem Fall immer gibt? Die andere Sichtweise, die in Wolfsburg verbreitet wird, ist deshalb genauso plausibel, und sie geht so: Warum soll jemand so verrückt sein und seinen eigenen Konzern zerstören? Warum soll er sein Lebenswerk gefährden, in das er Milliarden Euro investiert hat, die sich gerade an der Börse in Luft auflösen? Ein gutes Drittel ihres Wertes hat die Aktie in nur zwei Tagen verloren. "Der Mann würde doch riskieren, alles zu verlieren. Das ergibt keinen Sinn", sagt einer aus dem Konzern. Es sind Debatten, die zeigen: Im großen Volkswagen-Konzern rumort es wie kaum zuvor, Gewissheiten gibt es keine. Alles gilt als möglich, man verdächtigt sich gegenseitig, das Misstrauen wächst - und das Selbstvertrauen schwindet. Ein Konzern spekuliert über sich selbst. Vorentscheidung am Mittwoch Noch am Dienstagabend trafen sich Mitglieder des mächtigen-Aufsichtsrats mit Top-Managern zu einer Krisensitzung. Ihr Ziel: Das Treffen am Mittwochmorgen vorbereiten und die Stimmung der Teilnehmer sondieren. Die aber sind: äußerst skeptisch. Aufsichtsratschef Berthold Huber, VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh, Großaktionär Wolfgang Porsche, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil ringen um eine Lösung. "Die Situation ist sehr schwierig", heißt es aus dem Kontrollgremium. Das kann man auch so übersetzen: Die Sitzung ist ergebnisoffen, das Schicksal Winterkorns, dessen Vertrag regulär im nächsten Jahr ausläuft, hängt am seidenen Faden. Das Vertrauen der Aufsichtsräte wackelt, und um es wieder aufzurichten, braucht es schon sehr gute Argumente.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/vw-skandal-bei-volkswagen-ist-alles-moeglich-1.2659224
mlsum-de-54
Dem deutschen Fußball droht der größte Dopingfall der Geschichte - betroffen sind ehemalige Vereine von Joachim Löw. Der Bundestrainer distanziert sich aber von den Vorwürfen. Ähnlich äußert sich der frühere Mannschaftsarzt des VfB Stuttgart.
Dem deutschen Sport droht ein großer Doping-Skandal - und erstmals steht der Profi-Fußball im Fadenkreuz. Nun hat sich auch Bundestrainer Joachim Löw geäußert und sich von den Vorwürfen, die seine eigenen Vereine betreffen, distanziert. "Doping hat im Sport nichts verloren, ich lehne es absolut ab, das galt für mich als Spieler genauso wie es heute als Bundestrainer immer noch gilt", ließ der 55-Jährige über die Pressestelle des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mitteilen. Am Montag waren erste Erkenntnisse der Ermittlungen der Evaluierungskommission, die sich mit der Doping-Vergangenheit an der Freiburger Universität beschäftigt, an die Öffentlichkeit gelangt. Demnach sei in den "späten 1970er und frühen 1980er Jahren" beim Bundesligisten VfB Stuttgart "im größeren Umfang" und "wenn auch nur punktuell nachweisbar" auch beim damaligen Zweitligisten SC Freiburg Anabolikadoping vorgenommen worden. Löw war damals bei beiden Klubs als Spieler aktiv: 1978 bis 1980 sowie 1982 bis 1984 in Freiburg, 1980/81 in Stuttgart. Auch der frühere Mannschaftsarzt des VfB, Winfried Laschner, hat Vergehen während seiner Amtszeit bei dem Bundesligisten ausgeschlossen. Er wisse nicht, was der frühere Freiburger Sportmediziner Armin Klümper, bei dem sich damals auch VfB-Profis behandeln ließen, "bei jedem einzelnen Patienten in seinen Spritzen hatte. Ich kann aber ausschließen, dass Mittel zur Leistungssteigerung eingesetzt wurden", sagte Laschner den Stuttgarter Nachrichten (Mittwoch-Ausgabe). Der Mediziner war von 1976 bis 1984 Team-Arzt der Stuttgarter. Klümper habe eine "besondere, intensivere und umfangreichere Sportmedizin betrieben als andere Ärzte", sagte Laschner weiter. "Dass Anabolika-Mittel wie Megagrisevit von Klümper zu therapeutischen Zwecken eingesetzt wurden, kann ich nicht ausschließen, ich habe davon aber nichts gewusst." Der VfB Stuttgart und der SC Freiburg haben sich klar von Doping-Praktiken distanziert.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bundestrainer-joachim-loew-doping-hat-im-sport-nichts-verloren-1.2376290
mlsum-de-55
Die jüngsten Drohungen Trumps gegen Nordkorea ziehen gemischte Presse-Reaktionen nach sich. Manche empfehlen das Lesen von Geschichtsbüchern, andere raten zur Mäßigung.
Auch in seinem Urlaub dominiert der Mann im mächtigsten Amt der Welt die Schlagzeilen. Mit martialischen Worten droht Donald Trump den nordkoreanischen Machthabern nicht einfach nur mit neuen Sanktionen, sondern indirekt auch mit Krieg. Die Reaktionen in den internationalen Medien reichen von "leichtsinnig", über das Anraten zum besseren Studium der Geschichte bis hin zur Empfehlung besserer Zusammenarbeit mit China. Für den US-amerikanischen Boston Globe ist Trumps Rhetorik deutlich "mehr als ein Säbelrasseln". Sollte seine "Tirade" die Machthaber in Pjöngjang tatsächlich überzeugen, wäre der Kommentator überrascht. Trumps Wortwahl wird als "Risiko für alle amerikanischen Verbündeten in der Region" bezeichnet. Vor allem habe sich der US-Präsident durch sein harsches Statement in ein Dilemma begeben. "Sollte Nordkorea sein Atomprogramm fortsetzen, hat Trump die Wahl, entweder einen Krieg zu beginnen oder die Glaubwürdigkeit der USA aufs Spiel zu setzen." Michael McGough kommentiert in der Los Angeles Times, dass die fast schon alttestamentarisch wirkenden Aussagen Trumps auf keinen Fall ein Hinweis in Richtung nahender Apokalypse seien. Vielmehr sieht er die Interpretation seiner Worte als Problem, denn: "Trump ist nicht gerade bekannt für die Genauigkeit seiner Sprache." Zwar gibt er zu, dass Trump seine Worte hätte vorsichtiger wählen können. Aber: "Dies ist nicht die Apokalypse - noch nicht einmal ansatzweise." Die New York Times klappt die Geschichtsbücher auf und erinnert an die beiden Atombombenabwürfe über Hiroshima (6. August 1945) und Nagasaki (drei Tage später). Schon der damalige Präsident Harry S. Truman sei an den Folgen des Abwurfes der Massenvernichtungswaffe eher nicht interessiert gewesen, sondern habe blind auf seine Ratgeber vertraut. Nach dem Abwurf habe sich dies allerdings komplett geändert. Seine Nachfolger haben sein Streben nach Mäßigung zum großen Teil umgesetzt, der Abschuss von Atomraketen solle immer nur das letzte Mittel sein. Trump allerdings habe nichts für Bücher und noch weniger für Geschichte übrig, so die New York Times. Die britische Daily Mail spekuliert, dass der US-Präsident seinen Worten auch zeitnah Taten folgen lassen könnte. Die Zeitung interpretiert den Start zweier B-1B-Langstreckenbomber vom amerikanischen Stützpunkt Guam als weitere Stufe der Drohgebärden. "Die USA müssen ihre Logik im Umgang mit Nordkorea korrigieren", empfiehlt die chinesische Zeitung Global Times. Das regierungsnahe Portal kritisiert die Einstellung der US-Regierung, sich selbst als alleinige Supermacht zu sehen. Stattdessen solle die Kommunikation mit Pjöngjang in Zukunft vor allem über China laufen: "Wenn die USA die Verantwortung an China übertragen, können sie auch ihre Unfähigkeit überdecken, mit der nordkoreanischen Regierung zu kommunizieren." Viele US-Amerikaner, so sieht es der nicht genannte Global-Times-Autor, seien sich zu selbstsicher und sehen die Welt durch eine Brille der Arroganz.
https://www.sueddeutsche.de/politik/presseschau-zu-drohungen-gegen-nordkorea-dies-ist-nicht-die-apokalypse-1.3622304
mlsum-de-56
Der iranische Präsident verschärft den Ton im Konflikt mit den USA und droht, die Ölexport-Routen am Persischen Golf zu blockieren. Trump solle "nicht mit dem Schwanz des Löwen spielen".
Der iranische Präsident Hassan Rohani hat im Konflikt mit den USA den Ton verschärft und mit einer Blockade der Ölexport-Routen am Persischen Golf gedroht. Den amerikanischen Präsidenten Donald Trump warnte er, nicht mit dem Feuer zu spielen. Dafür bemühte Rohani am Sonntag eine persische Redewendung: "Nicht mit dem Schwanz des Löwen spielen, Herr Trump, das würdest du bereuen", sagte er laut der amtlichen Nachrichtenagentur Irna vor iranischen Diplomaten. Trump war Anfang Mai aus dem Atomabkommen mit Iran ausgestiegen und hatte neue Sanktionen gegen das Land angekündigt. Rohani unterstellte Trump, mit seinen Sanktionen eine Politik der Vernichtung Irans zu beabsichtigen. "Die Amerikaner sollten aber wissen, dass Frieden mit Iran die Mutter aller Frieden ist (...) genauso wie ein Krieg die Mutter aller Kriege wäre", so der Präsident. Schon während seines Besuchs Anfang des Monats in Österreich und der Schweiz hatte Rohani angedeutet, dass Iran bei amerikanischen Ölsanktionen die Straße von Hormus am Persischen Golf schließen und damit den gesamten Ölexport der Region blockieren könnte. Jetzt sagte er, die Iraner hätten für den weltweiten Ölexport mehrere Routen "und deren Sicherheit haben schon immer nur wir garantiert". Rückendeckung erhielt Rohani vom obersten Führer Irans, Ajatollah Chamenei. Dieser erteilte Forderungen im eigenen Land nach Verhandlungen mit den USA eine klare Absage. "Es wäre ein riesengroßer Fehler zu glauben, dass wir über Verhandlungen mit den USA die Probleme lösen könnten", sagte Chamenei am Samstag. Den Amerikanern könne und dürfe man nicht trauen. Der Ausstieg der USA aus dem Wiener Atomabkommen von 2015 zeige, dass nicht mal ihre Unterschrift etwas wert sei. Teheran hatte sich damals im Gegenzug für wirtschaftliche Lockerungen und mehr Investitionen ausländischer Unternehmen dazu bereit erklärt, sein Atomprogramm aufzugeben und sich Kontrollen zu unterwerfen. Die Europäer bemühen sich, die Vereinbarung trotz des amerikanischen Drucks aufrechtzuerhalten.
https://www.sueddeutsche.de/politik/iran-rohani-warnt-trump-vor-mutter-aller-kriege-1.4065534
mlsum-de-57
Eine Initiative aus der Hauptstadt Berlin will bundesweit Fahrrad-Rowdys durch höhere Bußgelder bremsen, damit das Fahren in Zukunft sicherer wird.
Wie sicher Radfahren in der Hauptstadt ist? Die Polizei führt in Berlin Jahr für Jahr eine ernüchternde Statistik. Zuletzt registrierte sie 7500 Unfälle mit Rad-Beteiligung, 5100 Leicht-, 650 Schwerverletzte und 19 Tote. Zu viele, findet die rot-rot-grüne Koalition, die den Radverkehr in der Stadt mit einem neuen Mobilitätsgesetz sicherer machen will. Das große Ziel: Die Zahl der bei Unfällen Getöteten oder Schwerverletzten soll langfristig auf null sinken. Am Wochenende wurde bekannt, dass der Senat dafür nicht nur eine bessere Infrastruktur plant - mehr Radwege und sicherere Kreuzungen. Berlin will zur Verkehrssicherheit auch höhere Bußgelder für schwerwiegende Verstöße von Radfahrern durchsetzen. Und das nicht nur in Berlin. Weil das Land die Bußgelder gar nicht auf eigene Faust erhöhen kann, plant man gleich eine entsprechende Bundesratsinitiative, die für ganz Deutschland gelten würde. Ziel sei es, dass "Radfahrende" weniger Unfälle erleiden und sich andererseits verantwortungsbewusster verhalten, heißt es in einem Brief des Chefs der Senatskanzlei, Björn Böhning (SPD). Aus dem geht auch hervor, was sich ändern könnte. Radler etwa, die auf Gehwegen oder trotz "benutzungspflichtiger" Radwege auf der Fahrbahnen unterwegs sind, müssen möglicherweise bald tiefer in die Tasche greifen. Konkrete Summen nennt der Senat bislang jedoch nicht. Sicher ist man sich nur, dass es eine realistische Chance für den Vorschlag gibt. "Ich gehe davon aus, dass eine Mehrheit der Länder möglich ist", glaubt Böhning. Doch ob am Ende eine Mehrheit steht, ist äußerst fraglich. Der Bundestag müsste mitspielen. Und auf Bundesebene regt sich bereits Widerstand gegen die Pläne - auch in Böhnings eigener Partei. Strengere Kontrollen seien richtig, "denn das A und O im Kampf gegen Verstöße gegen die Verkehrsregeln ist auch bei Radfahrenden das Entdeckungsrisiko", sagt die SPD-Verkehrspolitikerin Kirsten Lühmann. Sie bezweifle aber, dass höhere Bußgelder automatisch für mehr Sicherheit sorgen. "Das größte Risiko für Radfahrende sind nicht eigene Regelverstöße, sondern der Auto- und Lkw-Verkehr, zum Beispiel das Rechtsabbiegen von Lastern." Lühmann fordert deshalb stattdessen, "in Lkw technische Hilfsmittel verpflichtend einzuführen, die rechtzeitig vor Radfahrenden warnen". "Diese Vorschläge haben mit Verkehrssicherheit rein gar nichts zu tun." Auch in der Union regt sich Widerstand. "Hier sind in der Tat auf dem Rad noch viele Rowdys unterwegs", sagt der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ulrich Lange. "Dafür ist aber zunächst einmal die Länderpolizei zuständig. Es ist keine Lösung, immer nur reflexhaft nach neuen Bundesgesetzen zu rufen." Und auch im Berliner Senat habe der Plan noch seine Gegner, heißt es. Die Berliner Radfahrerlobby läuft ebenfalls Sturm. Die Initiative "Volksentscheid Fahrrad" kritisiert: "Diese Vorschläge haben mit Verkehrssicherheit rein gar nichts zu tun." Der Senat solle lieber bodentiefe Fenster für Lkw vorschreiben. Das hätte den Tod von fünf Radfahrern verhindern können, klagt die Initiative. Die Verkehrssenatorin Regine Günther versuchte am Wochenende erst mal die Wogen zu glätten. Die Bundesratsinitiative Verkehrssicherheit sei noch in Arbeit, erklärte sie. Es gebe viele Vorschläge aus Verwaltung, Stadtgesellschaft und Fraktionen. "Und das ist gut so."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/fahrrad-teure-knoellchen-1.3815886
mlsum-de-58
Im Wallis wurde die längste Fußgänger-Hängebrücke der Welt eröffnet. Sie ist weniger Verbindung als eine touristische Attraktion.
Detailansicht öffnen (Foto: Valentin Flauraud/AP) Brücken haben viele Funktionen; sie dienen als Bindeglied zwischen Staaten, überspannen Flüsse und Täler, avancieren zu Wahrzeichen. Gerade in den Bergen entwickeln sie sich auch immer mehr zu touristischen Attraktionen. So wurde im Wallis vor wenigen Tagen oberhalb der kleinen Ortschaft Randa, auf halben Weg zwischen Zermatt und Grächen am Europaweg gelegen, die mit 494 Metern längste Fußgänger-Hängebrücke der Welt eröffnet - zumindest jene mit dem längten frei hängenden Teilstück. Wanderer können sich nun auf einem 65 Zentimeter schmalen und bis zu 85 Meter hohen Trittgitter-Steg über den Talboden schwindeln. Die Brücke löst als Rekordhalter die erst im Mai dieses Jahres eröffnete Seilbrücke an der Rappbodetalsperre im Harz ab. Die schwebt nämlich nur erbärmliche 458 Metern frei, verläuft dafür immerhin unweit der höchsten Staumauer Deutschlands und kostete drei Millionen Euro. Dagegen war der neue Guinness-Kandidat in der Schweiz für 750 000 Schweizer Franken geradezu ein Schnäppchen. Weil der lokale Unternehmer Charles Kuonen alleine 100 000 Franken beisteuerte, trägt das Bauwerk seinen Namen. Auch das ist eine Eigenschaft von neuen Brücken. Sie sollen nicht mehr nur die längsten, höchsten, frei hängendsten oder im Falle der Adrenalinwelt Alpen die mit der größten Herzinfarkt-Gefährdung sein, sondern am besten auch Namen tragen, die mehr Geld einspielen als Golden Gate, Rialto oder gar Wittelsbacher. Zwischen Gstaad und Les Diablerets in der Schweiz wurde vor einigen Jahren beispielsweise der Peak Walk by Tissot eröffnet. Der verbindet laut den dort Gewinn schürfenden Bergbahnbetreibern als "erste und einzige Hängebrücke der Welt zwei Berggipfel", die allerdings nicht viel mehr sind als gut vermarktete Felsriegel. Detailansicht öffnen (Foto: Valentin Flauraud/AP) Wie wunderbar altmodisch läuft es da noch in den Ötztaler Alpen, aus denen kürzlich die Mitteilung versandt wurde: "Keine weitere Touristenattraktion, sondern eine Notwendigkeit stellt die Hängebrücke über die Schlucht des Gurgler Ferners dar." Der bisherige Übergang am Talboden sei für Wanderer wegen Steinschlaggefahr nicht mehr sicher gewesen, zudem hat Hochwasser die bislang vorhandene Brücke mehrmals zerstört. Das Nachfolgemodell heißt einfach nur "Piccard-Brücke", benannt nach dem Ballonflieger Auguste Piccard. Der legte im Mai 1931 am Gurgler Gletscher jenseits aller Brücken eine Notlandung hin.
https://www.sueddeutsche.de/reise/schweiz-brueckentage-1.3621301
mlsum-de-59
Die Technik hinter Bitcoin kann viel mehr, als neues Geld zu erschaffen. Sie steht für eine große Idee.
Die Blockchain-Technologie wurde für die virtuelle Währung Bitcoin erfunden. Doch eigentlich reichen ihre Möglichkeiten weit über diese Anwendung hinaus. Um kaum eine neuere Technologie herrscht derzeit ein größerer Hype. Sie könnte für die Industrie, für Banken und Versicherungen zu einem wichtigen Werkzeug werden und manche Branchen radikal verändern. Warum ist das so, und wie funktioniert sie eigentlich? Antworten auf die wichtigsten Fragen. Was ist denn jetzt eine Blockchain? Im Prinzip kann man sich die "Kette aus Blöcken" als digitale Datenbank vorstellen, in der alle Transaktionen penibel und fälschungssicher dokumentiert sind. Im Fall der Digitalwährung Bitcoin wäre es keine Datenbank, sondern ein Kassenbuch. Mit einem wichtigen Unterschied: Anders als früher sind die Informationen nicht mehr auf einem zentralen System gespeichert, sondern auf sehr vielen Computern gleichzeitig. Technisch gesehen ist die Blockchain also eine dezentrale Datenbank. Jeder kann sie aus dem Internet herunterladen, jeder kann die gesamte Transaktionsgeschichte einsehen, also das komplette Kassenbuch nachlesen. Der Vorteil: Die Blockchain aktualisiert sich automatisch. Alle Computer sind miteinander verbunden und laden immer die neueste Version der Datenbank herunter. Einträge im Nachhinein umzuschreiben, ist praktisch unmöglich. Dafür wäre eine fast unendlich große Rechenleistung notwendig, die allerdings kein Blockchain-Teilnehmer besitzt. Woher kommt der Name? Die Transaktionen werden immer zu Blöcken zusammengefasst. Die wiederum sind virtuell miteinander verknüpft. Ein Block kann Daten vieler Transaktionen enthalten, zum Beispiel Kontoinformationen, zu überweisende Summen oder Verträge. Daraus berechnet ein Algorithmus dann eine Zahl, im Jargon Hash genannt. Aus diesem Hash, einer Art Fingerabdruck der Daten, kann man zwar nicht die Originaldaten rekonstruieren, aber es lässt sich leicht feststellen, wenn eine neue Transaktion die Originaldatenbank verändert. Da der Hash-Wert des Vorgänger-Blocks immer in die Daten des nächsten Blocks eingeht, ergibt sich eine Kette, also auf Englisch eine Blockchain. Ist eine bestimmte Datenmenge erreicht, dann wird der Block abgeschlossen. Was macht die Blockchain so sicher? Alle Hash-Werte von einem Block aus neu zu berechnen, wäre zwar ziemlich aufwendig, aber nicht unmöglich. Deshalb haben die Erfinder der Blockchain noch eine weitere Hürde eingebaut. Wer einen neuen Block berechnen will, muss eine Aufgabe erfüllen. Im Jargon wird sie proof of work genannt, Arbeitsnachweis. Die Aufgabe besteht darin, dass der Hash-Wert, der aus Daten des Blocks gebildet wird, eine Bedingung erfüllen muss. Sie könnte etwa lauten, dass die ersten fünf Stellen des Hash-Wertes 0 sein müssen. Da aber der Algorithmus, mit dem aus den Daten eines Blocks der Hash-Wert gebildet wird, unveränderlich ist, muss ein Wert zu den Daten des Blocks hinzugegeben werden. Dieser Wert muss in Kombination mit den Daten des Blocks den Hash-Wert mit der geforderten Bedingung ergeben. Den Wert zu finden, der hinzugegeben werden muss, ist äußerst aufwendig und lässt sich in vertretbarer Zeit nur mit speziellen Computern erledigen. Diesen Prozess nennt man mining, auf Deutsch: schürfen. Die Miner erhalten für ihre Arbeit eine Entlohnung, meist in Form virtueller Münzen. Immer wenn ein Miner die richtige Zahl gefunden hat, wird ein Block abgeschlossen. Was sind Kryptowährungen? Der Name des neuen Geldes leitet sich vom Wort Kryptografie ab. Gemeint ist damit ein Teilgebiet der Informatik, dass sich mit Verschlüsslungstechniken befasst. Diese übernehmen den Job, den eigentlich Zentralbanken erledigen: Sie steuern die Geldmenge. Im Falle von Bitcoin ist zum Beispiel genau festgelegt, dass es nicht mehr als 21 Millionen Münzen geben darf. Die Blockchain-Technologie ist wiederum für die Verbreitung von Cyber-Geld essenziell. Sie hält fest, wer welche Digitalmünzen besitzt. Nur so kann verhindert werden, dass digitales Geld doppelt ausgegeben werden kann. Fast unbegrenzt ist hingegen das Angebot an Kryptowährungen. Weltweit gibt es bereits mehr als 1400 verschiedene digitale Währungen. Und solange der Hype läuft, dürften es noch mehr werden. Der Handel mit diesen Kryptowährungen ist nur etwas für Profis, die Kurse können jederzeit abstürzen. Erst am Mittwoch fiel der Bitcoin-Kurs unter die 10 000-Dollar-Marke. Vor einem Monat bekam man für einen Bitcoin noch knapp 20 000 Dollar. Kann Blockchain den Alltag verändern? Schon jetzt gibt es eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten. Bitcoin und andere Kryptowährungen sind nur ein Beispiel. In Schweden und Honduras wird momentan an einem digitalen Grundbuch getüftelt, mit dem man Landeigentum fälschungssicher über Blockchain erfassen will. Ein Projekt aus Südkorea arbeitet an einer Nahrungsmittel-Blockchain. Die Hoffnung: Wenn man dank der Technik auf Zwischenhändler verzichten kann, können Lebensmittel effizienter verteilt werden. Oder die Kühlkette und die Herkunft könnten lückenlos überwacht werden. Smart contracts könnten Verträge ersetzen. Die Kontrolle, ob sich auch alle an die Vereinbarung halten, erübrigt sich, da zum Beispiel eine Zahlung automatisch vollzogen wird, wenn die Bedingung dafür erfüllt ist. Viele Geschäfte lassen sich so billiger abwickeln. Denn es gibt keine Banken, Notare oder andere Zwischenstationen, die eine Transaktion abwickeln müssen und dafür eine Gebühr verlangen. Die große Stärke der Blockchain - die Unveränderbarkeit - kann aber auch ein Nachteil sein. Einen Vertrag nachträglich zu ändern, ist schwierig. Außerdem erfordert die Berechnung der Blöcke bei einigen Blockchains jede Menge Strom. Warum hat die Technik so viele Fans? Sie steht für eine große Idee: Die Blockchain ersetzt Mittelsleute. Dank ihr braucht man keinen zentralen Aufpasser mehr, der kontrolliert, dass sich alle an die Regeln halten. Das war vor der Erfindung der Technik noch undenkbar. Bei Bargeld kann jede Geldmünze nur einmal ausgegeben werden. Bei elektronischen Überweisungen ist das schwieriger zu kontrollieren: Eine Bank muss die Transaktion verbuchen. Menschen könnten tricksen und Geld mehrmals ausgeben, wenn nicht eine Instanz wie die Bank Buch führt. Das Gleiche gilt auch für andere Dinge, die digital getauscht werden. Es braucht entweder Menschen, die sich vertrauen, oder eine zentrale Stelle, die den Austausch für alle einsehbar kontrolliert. Mit der Blockchain wird das überflüssig - sie erfordert nur Vertrauen in die neue Technik.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/blockchain-von-hash-werten-und-der-zukunft-1.3830354
mlsum-de-60
Die türkische Doping-Sünderin Asli Cakir Alptekin erklärt in einer ARD-Dokumentation, wie sie sich aus ihrem positiven Test herauskaufen sollte.
Die derzeit gesperrte türkische Leichtathletin Asli Cakir Alptekin hat ihr Doping-Vergehen zugegeben und gleichzeitig den früheren Weltverbandspräsidenten Lamine Diack sowie dessen Söhne Massata und Halil der Bestechlichkeit bezichtigt. "Es hat eine Verletzung der Anti-Doping-Regeln gegeben. Ich bin selbst sehr traurig drüber", sagte die 30-Jährige, der der Olympiasieg über 1500 m von London 2012 aberkannt worden war, in einem Interview mit Enthüllungsjournalist Hajo Seppelt von der ARD/WDR-Dopingredaktion (Ausstrahlung am Samstagabend). In dem Beitrag erhoben Asli Cakir Alptekin und ihr Mann und Trainer Ishan zudem schwere Vorwürfe gegen den Diack-Clan. 2012 seien Halil und Massata, der auf der Fahndungsliste von Interpol steht, an sie herangetreten, um gegen eine Geldzahlung den Fall zu vertuschen. "Massata Diack kam zu uns in die Türkei, er wollte uns sehen. Er hat uns gesagt, dass er das Problem gegen Bezahlung lösen könnte. Er hat von uns 650.000 Euro verlangt", erklärte Asli Cakir Alptekin. Man habe die Zahlung abgelehnt, fuhr Ishan Alptekin fort. Dann sei Massata Diack runter auf 500.000 Euro, dies habe man auch nicht akzeptiert. Dann nochmal auf 350.000 Euro, "wir haben nichts akzeptiert", so Ishan Alptekin. Halil Diack habe ihr erklärt, dass die Sache "nur so zu lösen sei", sagte Asli Alptekin, "auf diese Weise würden Spitzensportler auf der ganzen Welt davonkommen." Er habe gesagt, die Türkei müsse mit der IAAF einige Projekte realisieren. Geregelt würde alles an höchster Stelle. Ihsan Alptekin: "Er sagte, er werde das mit seinem Vater und den zuständigen Stellen besprechen, dass Asli sauber ist, dass es keinerlei Probleme mit den Proben gibt. Das werde er ihnen sagen. Aber wir müssten die IAAF noch mehr sponsern. Das sagte Halil immer wieder." Die Mitschnitte mit den Aussagen von Gesprächen der Alptekins mit Halil Diack liegen der ARD ungeschnitten und in voller Länge vor. Darin heißt es: "Lamine Diack ist die Person, die Alptekins Problem lösen kann. Damit man sie offiziell für sauber erklärt, müssen wir etwas auf den Tisch legen. Das sind Fälle, wo Geld ins Spiel kommen muss. Du musst es schaffen, die Leute zu motivieren, mit denen du sprichst." Asli Cakir Alptekin war bereits 2004 positiv getestet und für zwei Jahre gesperrt worden. 2013 wurden bei Alptekin wie bei einer ganzen Reihe türkischer Athleten überhöhte Werte im Blutpass festgestellt. Im August 2015 wurde sie rückwirkend für acht Jahre bis 2021 gesperrt. Wegen ihrer Mithilfe als Doping-Kronzeugin wird ihre Sperre voraussichtlich auf vier Ja hre reduziert, dann dürfte sie ab dem 10. Januar 2017 wieder starten. Zuletzt hatte sie allerdings vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS geklagt, um eine Reduzierung der Sperre auf nur noch zwei Jahre zu erwirken. Dies hätte ihr den angestrebten Olympiastart in Rio ermöglicht. Der CAS lehnte dieses Ansinnen Anfang Juli jedoch ab.
https://www.sueddeutsche.de/sport/leichathletik-auf-diese-weise-wuerden-spitzensportler-auf-der-ganzen-welt-davonkommen-1.3071246
mlsum-de-61
Die Reform der Auto-Typzulassung bestraft zwar künftig Abgassünder, aber Umweltschützer sind von ihr schon jetzt enttäuscht.
Als Reaktion auf den Skandal um manipulierte Abgaswerte wollen die EU-Staaten strengere Regeln bei der Typzulassung einführen. Außerdem soll die EU-Kommission mehr Aufsichtsrechte erhalten und bei Verstößen gegen Umweltvorschriften Strafen verhängen können. Auf diese Position verständigten sich die Staatenvertreter nach langem Streit am Montag in Brüssel. Die deutsche Bundesregierung, die schärfere Kontrollen lange blockiert hatte, stimmte dem Kompromiss zwar zu, fordert aber Änderungen, die in den anstehenden Verhandlungen mit dem EU-Parlament umgesetzt werden sollen. Umwelt- und Verbraucherschützer zeigten sich enttäuscht. Der EU-Kommission und dem Parlament kam es bei der Reform darauf an, mehr europäische Aufsicht einzuführen. Damit soll jene Nähe von nationalen Zulassungsbehörden und der einheimischen Autoindustrie unterbunden werden, die nach Brüsseler Ansicht die Skandale mit ermöglichte. Gelungen ist das nur teilweise. Industriekommissarin Elżbieta Bieńkowska bedauerte, dass der Vorschlag ihrer Behörde an mehreren Stellen aufgeweicht wurde. So sollen Volkswagen und andere Hersteller, die Abgastests manipuliert haben, für solche Vergehen künftig Strafen von bis zu 30 000 Euro pro Fahrzeug bezahlen müssen. Allerdings würden die Strafen von nationalen Behörden festgelegt und könnten auch sehr niedrig sein. Die EU dürfte sie nicht erhöhen. Geplant ist auch, dass sich die staatlichen Zulassungsbehörden wie das deutsche Kraftfahrtbundesamt künftig gegenseitig überprüfen. Außerdem sollen die nationalen Behörden eine Mindestzahl von Autos kontrollieren, deren Modelle bereits zugelassen sind. So soll wenigstens eins von 50 000 im Vorjahr neu zugelassenen Fahrzeugen überprüft werden. Das EU-Parlament fordert eine höhere Quote. In Deutschland hatte vor allem das Verkehrsministerium von Alexander Dobrindt wichtige Punkte der Reform abgelehnt, etwa empfindliche Geldstrafen für Hersteller oder eine stärkere internationale Kontrolle nationaler Behörden bei den Genehmigungsverfahren. Damit konnte er sich aber nicht durchsetzen. In einem Punkt allerdings schon: Die Zulassungen sollen nicht wie geplant nach fünf Jahren wieder auslaufen. Das hatte die Autoindustrie als bürokratisch kritisiert. Die Bundesregierung sieht trotzdem noch Klärungsbedarf, den sie in einer Protokollnotiz festhalten ließ. Für Streitfälle müsse es eine Schiedsstelle geben, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig, damit unabhängige Experten auch die Angaben der Kommission überprüfen könnten. Darüber hinaus möchte Berlin, dass illegale Abschalteinrichtungen, wie sie Volkswagen einsetzte, eindeutiger definiert werden. Nach Ansicht des europäischen Verbraucherdachverbands Beuc könnte die Reform ein "Papiertiger" werden. Sie sehe keinen Zwang zu hohen Strafen vor, außerdem bleibe das Grundproblem bestehen: mögliche Interessenkonflikte zwischen nationalen Kontrollbehörden und Autoindustrie.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/abgas-manipulation-ueberwachung-von-autokonzernen-bleibt-weiter-schwierig-1.3526468
mlsum-de-62
Alexandra Röder ist Weltmeisterin im Einspänner-Fahren mit Handicap. Ihr Sport ist jung, die deutsche Meisterschaft in Riem umso wichtiger. Nicht zuletzt für Riem
Linkskurve, Rechtskurve, das Wasser spritzt in alle Richtungen. Der Kies um die große Pfütze herum ist längst nass, Donnerstolz aber hebt und senkt seine Hufe so energisch, dass die Wellen noch weiter nach außen schwappen. Auch Alexandra Röder bleibt auf ihrer Kutsche nicht trocken, wenn Donnerstolz die Hindernisse im Wasserloch umkurvt. Die 28-jährige Fahrerin und ihr 21-jähriger Wallach sind schnell, schneller als die gesamte Konkurrenz, fast zu schnell. Es sind nur noch wenige Meter: Donnerstolz holt vor der letzten Kurve zu weit aus und muss laut schnaubend abbremsen, um nicht gegen einen Baum zu stoßen. Ruckartig reißt er die Kutsche mit Röder um die enge Kurve und galoppiert ins Ziel. Erster. Mit einer gemütlichen Kutschfahrt durch Wiesen und Wälder hatte der rasante Kampf gegen die Uhr auf der Olympia-Reitanlage in Riem am Wochenende wenig gemein. Der Fahrsport ist, was sein Name verrät: ein Sport. Wer vorne dabei sein will, braucht Kraft und Ausdauer. Was Pferde und Fahrer bei den deutschen Meisterschaften der Einspänner in Riem zeigten, waren sportliche Höchstleistungen. Röders Lauf liegt inzwischen eine gute Stunde zurück, auf dem Fahrrad kurvt sie durch das Fahrerlager zurück zum eigenen Pferdetransporter und setzt sich in einen ausgeleierten Campingstuhl, die Beine lässig überkreuzt. Dass sie seit einer Krebserkrankung in ihrer frühen Kindheit eine Beinprothese trägt, sieht man Röder nicht an. "Als Fahrerin gibt es da keinen Unterschied, ich fühle mich deshalb nicht schwächer", sagt sie. Röder, die für den RV Rheinische Höhen (Nordrhein-Westfalen) fährt, ist aktuelle Weltmeisterin, in Riem gewann sie mit großem Vorsprung die deutsche Meisterschaft der Fahrerinnen und Fahrer mit Handicap. Die deutsche Meisterschaft ist einer der wenigen Fahrsport-Wettkämpfe, bei denen für Röder und andere Behinderte ein eigener Titel ausgelobt wird. "Sonst fahren wir immer mit allen anderen zusammen", sagt Röder, nicht, weil sie es sich anders wünscht. Im Gegenteil: Sie fährt auch dann vorne mit. "Unser Sport ist ein hochintegrativer." Für einige Menschen ist er gar der einzig mögliche Pferdesport, wenn Reiten nicht oder nicht mehr geht. Zahlreiche kompensatorische Hilfsmittel sind bei den Wettkämpfen erlaubt: Aufstiegshilfen und Bremskraftverstärker an den Kutschen oder Leinen mit Schlaufen für Menschen, die nur wenig Kraft in den Händen haben. Das Bremsen beispielsweise übernehmen bei teil- oder querschnittsgelähmten Fahrern Beifahrer. "Das Para-Fahren ist noch jung, es befindet sich gerade erst im Aufbau", sagt Fahrsport-Bundestrainer Karl-Heinz Geiger, der in der Nähe von München lebt. Noch gibt es nicht viele Turniersportler, 13 waren es in Riem, keiner aus der Region. Auch unter den nichtbehinderten Startern befand sich lediglich eine Lokalmatadorin, Geigers Tochter Anika. "Es ist dennoch wichtig, dass solche hochklassigen Wettbewerbe auf der Anlage in Riem stattfinden", findet Karl-Heinz Geiger. Sie seien wichtige Argumente gegen eine in wenigen Jahren drohende Bebauung des Areals, das dem Freistaat Bayern gehört und die Olympia Reitanlagen GmbH als Betreibergesellschaft lediglich gepachtet hat. Röder jedenfalls kommt gerne wieder nach Riem: "Wegen der langen Anreise war ich skeptisch, aber es ist wunderschön hier, weitläufig, sehr gepflegt, und die Pferde stehen optimal." Die Weltmeisterin hofft, ein wenig Werbung für ihren Sport und anderen Behinderten Mut gemacht zu haben. "Vielleicht können wir beim nächsten Mal dann auch gegen Fahrer aus der Region antreten."
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/pferdesport-werbefahrt-mit-donnerstolz-1.3073677
mlsum-de-63
Der Leiter des Jüdischen Museums Hohenems, Hanno Loewy, muss sich mit einem Gegner arrangieren - dem FPÖ-Mann Dieter Egger.
Die Geschichte einer politischen Gegnerschaft, die Jahre währte, begann 2009. Der 1961 in Frankfurt am Main geborene Hanno Loewy, der zu diesem Zeitpunkt - und bis heute - Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems in Vorarlberg war, kritisierte die fremdenfeindliche Wahlkampagne der rechtspopulistischen FPÖ in dem westösterreichischen Bundesland. Loewys Eltern waren vor dem Holocaust noch nach Palästina entkommen, einige nahe Verwandte jedoch, darunter Großeltern, hatte es "erwischt", wie er bisweilen lakonisch sagt. Loewy wendet sich regelmäßig in Ausstellungen und Texten gegen die Angst vor Überfremdung, er kritisiert die Paranoia gegenüber allem, was "Fortschritt, Veränderung, Einfluss" bedeutet, für die in seinen Augen die FPÖ symptomatisch steht. Der Vorarlberger Landeschef der Freiheitlichen, Dieter Egger, konterte Loewys Kritik damals damit, dass er ihn als "Exil-Juden aus Amerika in seinem hochsubventionierten Museum" bezeichnete, der sich in Innenpolitik einmische, die ihn nichts angehe. Er benutzte also gegenüber dem deutschen, nach Österreich zugewanderten Publizisten, Kurator und Museumsleiter eines der schlimmsten antisemitischen Klischees: das des weltenwandernden Juden, der sich dort einmischt, wo er nicht dazugehört - und auch nie dazugehören wird. Egger weigerte sich zurückzutreten, trotz lautstarken Protests einer empörten Öffentlichkeit; die FPÖ flog deswegen 2009 aus der Landesregierung. Die Bundes-FPÖ stellte sich damals hinter Egger. Seine Äußerungen als antisemitisch zu bezeichnen, sei "lächerlich". Am Sonntag wurde nun Egger zum Bürgermeister von Hohenems gewählt. Und sitzt damit in Zukunft auch als Stadtoberhaupt mittelbar, über zwei Vertreter, im Vorstand des Jüdischen Museums Hohenems. Die Wahl war eine Wiederauflage der Bürgermeisterwahl vom Frühjahr gewesen. Damals hatte der jetzige Sieger in der Stichwahl nur 121 Stimmen hinter dem Amtsinhaber von der ÖVP gelegen und die Wahl daraufhin angefochten. Der Verfassungsgerichtshof gab ihm recht, weil die Wahlkarten nicht gesetzeskonform ausgegeben worden seien. Diesmal gewann Egger die Wahl mit knapp 56 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 62 Prozent. Der Versuch von Grünen und SPÖ, Egger mit einer gemeinsamen Wahlempfehlung für seinen Gegenkandidaten zu verhindern, scheiterte. Schon im Frühjahr war die FPÖ in der Stadt bei der Gemeinderatswahl stärkste Partei geworden. Immerhin: Egger entschuldigte sich während des Wahlkampfs im vergangenen Jahr schließlich bei Loewy; eigentlich, sagte er damals sinngemäß, sei er ja gar nicht so. Vergangene Woche stimmte er, so Loewy, nach anfänglichem Widerspruch im Stadtrat sogar für die Erhöhung des Museumsbudgets im kommenden Jahr. Loewy, der vor seiner Berufung nach Hohenems in Frankfurt das renommierte Fritz-Bauer-Institut geleitet hatte, war auch nach dem Schlagabtausch vor sechs Jahren von anderen Vertretern der Vorarlberger FPÖ angegriffen worden: Er sei untragbar und gehöre abberufen. Er leitet das Museum indes bis heute und hat eine Reihe viel beachteter Ausstellungen über jüdischen Alltag oder jüdischen Witz, oder, wie derzeit, über eine "Reise durch Jerusalem" betreut. Er glaube, sagt Hanno Loewy zuversichtlich, dass Egger wisse, wie sehr die Stadt das Museum brauche und dass er mit einer Polarisierung nicht weit komme. Die Nagelprobe werde vielmehr werden, ob sich der FPÖ-Mann gegenüber Migranten zu einer neuen Offenheit durchringen könne.
https://www.sueddeutsche.de/politik/oesterreich-vorarlberger-fehde-1.2792306
mlsum-de-64
Warum setzte der BVB jahrelang akribisch den Klopp-Fußball um - und scheitert plötzlich daran? Dem Trainer gehen die Erklärungen für das schlechte Abschneiden seines Teams aus. Das Duell gegen Freiburg könnte schicksalhaft sein.
Man kennt Jürgen Klopp als eloquenten Entertainer. Der Trainer von Borussia Dortmund ist normalerweise um kein Wort verlegen und findet spontan gewitzte Metaphern, die sich ein versierter Autor am Schreibtisch erst akribisch ausdenken müsste. "Man könnte ihn von jetzt auf gleich in einen Raum mit 500 Leuten stecken, und er würde alle bestens unterhalten", hat der Fußballer Nuri Sahin früher über seinen Trainer gesagt. Jürgen Klopp hat an der Sporthochschule Köln einmal vor 500 Studierenden über sein Leben und den Fußball geplaudert. Zu Beginn hat er sich vor sein Publikum gestellt, die Arme ausgebreitet, sein breitestes Lächeln aufgesetzt und im Duktus eines Gurus gesagt: "Hier steht die fleischgewordene Zuversicht." Damals, im Juli 2012, war Klopp mit Borussia Dortmund gerade zum zweiten Mal deutscher Meister geworden. Am Mittwochabend saß Jürgen Klopp zerknirscht im Presseraum des Dortmunder Stadions und suchte nach Worten. Seine Mannschaft hatte 0:1 gegen den FC Augsburg verloren. Sie bleibt damit Tabellenletzter und hat jetzt schon zwei Punkten Rückstand auf den Vorletzten Hertha BSC Berlin. 80 667 Zuschauer waren gekommen, um das geheimnisvolle und schwach flackernde Bundesliga-Schlusslicht zu sehen, viele pfiffen hernach aus Wut, Enttäuschung und Sorge. "Der eine oder andere Zuschauer hat Angst um die Zukunft des Vereins", sagte Klopp. Das war einer seiner klareren Sätze an diesem Abend. Als es um die Leistung seiner Mannschaft ging, um die vergebenen Torchancen, um die vielen kleinen falschen Entscheidungen seiner Fußballer im Fluss des schnellen Spiels, da stammelte Klopp ungewohnt und rang mühsam nach Formulierungen. Es schien, als habe er eigentlich keine Lust mehr, darüber zu sprechen, und als wisse er manchmal auch gar nicht richtig, was er noch Neues dazu sagen solle. "Der eine oder andere hier hat das so sicher schon mal von mir gehört im Laufe dieser Saison", sagte er beinahe entschuldigend. Dieser Jürgen Klopp ist ein fleischgewordenes Fragezeichen. Borussia Dortmund wirkt seit Wochen wie ein Muskelprotz, der die Einkaufstüten nicht mehr hochbekommt. Die vielen talentierten Fußballer dieser Mannschaft rennen zielstrebig über den Platz und schießen sich oft präzise den Ball zu, aber in vielen Szenen und vor allem direkt vor dem gegnerischen Tor erinnert ihr Spiel bisweilen an Slapstick. Der Angreifer Pierre-Emerick Aubameyang zum Beispiel ist ungefähr so schnell wie das Sprintwunder Usain Bolt, aber er spielt momentan auch nur so gut Fußball wie Usain Bolt. Marco Reus gilt als einer der besten Offensivspieler Europas, aber seine derzeitige Lethargie ist rätselhaft. Der italienische Mittelstürmer Ciro Immobile spielt zwar mit dem Feuereifer eines Bolzplatzkickers, aber wenn auf diesem Bolzplatz die Mannschaften gewählt würden, müsste der kleine Ciro wohl bis zum letzten Aufruf warten. Nicht einmal Mats Hummels, der sonst so souveräne Kapitän, kann der Mannschaft Stabilität geben. Wenn es hinten plötzlich ganz schnell gehen muss, wirkt er mitunter reaktionsschwach.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bvb-trainer-juergen-klopp-fleischgewordenes-fragezeichen-1.2338087
mlsum-de-65
Herthas Ersatzstürmer Schieber verhindert mit dem Siegtor gegen Freiburg, dass die Stimmung in Berlin schon zum Saisonstart abdriftet.
Es wäre vermessen gewesen, anzunehmen, dass bei Hertha BSC bereits in den ersten 90 Minuten der neuen Bundesliga-Spielzeit alles rund läuft. Dass aber noch Fragen der Hierarchie geklärt werden müssen, das überraschte dann doch. In der 85. Minute war am Rande des Spielfelds im Olympiastadion zwecks Auswechslung die Tafel mit der Rückennummer von Herthas Stürmer Vedad Ibisevic hochgehalten worden - also des Mannes, der vor anderthalb Wochen überraschend zum neuen Hertha-Kapitän ernannt worden war, nach der Entmachtung von Fabian Lustenberger durch Trainer Pal Dardai. Ibisevic legte die Binde also ab, nur auf eine Frage fand er keine Antwort: Wohin damit? Durch diverse Hände wanderte die Binde, auch am desavouierten Lustenberger vorbei, bis sie hinten bei Innenverteidiger Sebastian Langkamp angekommen war. Der nahm sie an sich. Doch ein wenig sah er dabei aus, als ob er sie nur über den Arm zog, um den Betrieb nicht weiter aufzuhalten. Einer näheren Betrachtung wurde diese Episode dann nicht unterworfen, was vor allem mit dem Mann zu tun hatte, der für Ibisevic eingewechselt worden war: Herthas Stürmer Julian Schieber, der wiederum seine vermeintliche Paraderolle aufgeführt hatte: die des Berufs-Jokers. Vermeintlich? Oh ja. Bereits 70 Mal ist Schieber, 27, in einem Bundesligaspiel eingewechselt worden. Doch am Sonntagnachmittag erzielte er erst das zweite Joker-Tor seiner 2009 initiierten Bundesliga-Karriere. Das erste war ihm vor sieben Jahren ebenfalls gegen den SC Freiburg gelungen, damals noch im Trikot des heutigen Zweitligisten VfB Stuttgart. "Es fühlt sich super an", sagte Schieber, der nach der Führung durch seinen Mannschaftskameraden Vladimir Darida (62.) sowie dem späten, zwischenzeitlichen Ausgleich durch Freiburgs Abwehrspieler Nicolas Höfler (90.+3) einen unglaublichen Schlusspunkt setzte (90.+5). Nach seinem 24. Bundesligatreffer wurde er von der Berliner Ostkurve mit dem Chor gefeiert wurde, der sonst Referees gewidmet wird: "Schieber, Schieber, Schieber!" Herthas Manager Michael Preetz, einst selbst Stürmer, wäre wohl auch in diesen Chor eingefallen, seine Begeisterung kleidete er aber in getragene Worte. Dass Schieber getroffen habe, sei in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Erstens, weil der lange knieverletzte Stürmer mehr als 550 Tage auf einen Treffer hatte warten müssen: "Der Knoten geht erst richtig auf, wenn man so trifft." Und zweitens, weil Schiebers Wiederbegegnung mit dem Tor auch eine grundsätzliche Bedeutung für die gesamte Mannschaft habe: "Für uns ist es wichtig, dass mehr Spieler torgefährlich sind und Druck von der Bank kommt." Erleichterung herrschte unter Herthas Verantwortlichen auch deshalb, weil nach dem Knockout in der Europa League gegen Bröndby Kopenhagen in der Stadt schon wieder die mentalitätsbedingte Muffel-Stimmung aufgekommen war. Ohne es ausdrücklich zu nennen, meinte Trainer Dardai wohl das mediale Umfeld, als er den Sieg gegen Freiburgs Systemfußballer "eine schöne Antwort" nannte - auf all die Krittelei, die maßgeblich ist für die Stimmung an Currywurst-Buden. Gegentore in der Nachspielzeit führten 2015 zum SC-Abstieg "Das ist schon komisch: Wir hatten nicht ein Spiel und waren schon wieder die schlechteste Mannschaft", klagte Dardai am Montag, nachdem er bereits im Stadion die Erwartungshaltung gegeißelt hatte: "In Berlin wird eine (nur) ordentliche Saison nicht akzeptiert!", klagte Dardai, der die Stadt gut kennt, weil er mit ihr länger verheiratet ist (seit 1997) als mit seiner Frau Monika (1998). Der Effekt des Sieges: "Jetzt können wir in Ruhe weiterarbeiten." Danach sah es zur Halbzeit nur bedingt aus. Die Hertha hatte die Partie im Griff, ließ den Ball aber ähnlich langatmig nach hinten wandern wie später die Kapitänsbinde: "Wir hatten oft einen Ballkontakt zu viel", gestand Herthas Mittelfeldmann Darida. Nach der Pause änderte sich das, auf Grundlage der vergangenen Saison ging Hertha direkter zu Werke. "Wir haben zwei gute Spieler dazubekommen (Esswein und Allan)", so Darida, "aber es war auch gut, dass niemand aus der ersten Elf (des vergangenen Jahres) rausgegangen ist, weil wir so ein paar Automatismen abrufen konnten, die schon in der letzten Saison sehr gut geklappt hatten." Als ärgerlich empfand Darida das 1:1 durch Höfler, das auch noch nach einer Ecke fiel. Es sei nicht garantiert, dass man solche Fehler stets noch korrigieren könne, mahnte der Tscheche. Doch was sollten da die Freiburger sagen, die diszipliniert, aber auch blass wirkten, als hätten sie zu lange im Taktikraum gesessen - und daher nicht völlig unverdient verloren? SC-Fans erinnern sich bitter daran, dass ihr Team in der Abstiegssaison 2014/15 acht Punkte durch Treffer verlor, die nach Ende der 90. Minute fielen: "Das darf uns nicht öfter passieren, sonst geht es nach hinten los", sagte Höfler.
https://www.sueddeutsche.de/sport/hertha-bsc-joker-gegen-das-genoele-1.3140820
mlsum-de-66
Die Flugzeughersteller Airbus und Boeing bekommen die Zurückhaltung der Fluggesellschaften zu spüren. Auf einen Markt hoffen sie deswegen besonders.
Richard Branson machte den Mund auf und war drauf und dran, loszulegen, für wie unsinnig er die Entscheidung seiner Landsleute hält, Großbritannien aus der Europäischen Union herauszulösen. "Ich bin sehr in Versuchung", sagte der Milliardär noch, aber dann stoppte er sich und wandte sich dem zu, was ihm in diesem Moment noch wichtiger erschien: Seine Fluggesellschaft Virgin Atlantic Airways hat am Eröffnungstag der Farnborough Airshow in der Nähe Londons acht Langstreckenmaschinen des Typs Airbus A350-1000 gekauft. Der Auftrag ist zumindest indirekt ein Indiz dafür, dass den britischen Fluggesellschaften trotz Brexit noch nicht jeder Mut verlassen hat. In den nächsten Tagen werden Boeing und Airbus dem Vernehmen nach Flugzeugbestellungen im Milliardenvolumen bekannt geben, aber eher nicht von europäischen Kunden, sondern unter anderem von Go Air (Indien) und Air Asia (Malaysia). Die Bestellungen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die beiden Flugzeughersteller lange nicht mehr so viele Maschinen verkaufen wie in den vorigen Jahren. "Wir werden uns anstrengen müssen, wenn wir in diesem Jahr nicht bei weniger Bestellungen als Auslieferungen landen wollen", gesteht Airbus-Verkaufschef John Leahy ein. Der Konzern hat seinen Investoren versichert, dass der Auftragsbestand trotz Flaute weiter zunehmen wird. Doch bis Ende Juni hatten Fluggesellschaften und Leasingunternehmen nur Verträge für 227 Jets unterschrieben, während Airbus etwa 700 ausliefern will. Diese Zurückhaltung hat verschiedene Gründe. Der wichtigste: Die Fluggesellschaften haben sich jahrelang dermaßen mit neuen Flugzeugen eingedeckt, dass sie auch bei den aktuellen Wachstumsraten von rund sechs Prozent für die Branche insgesamt bis auf Weiteres gut versorgt sind. Hinzu kommt, dass manche derzeit lieber Vorsicht walten lassen: So hat etwa die amerikanische Billigfluggesellschaft Southwest gerade Auslieferungen für etwa 60 Boeing 737 verschoben, um Investitionen zu strecken. Airbus-Chef Fabrice Brégier warnt indes davor, solche Entscheidungen überzubewerten. "Wir sind nicht mehr das Zentrum der Welt", sagt er mit Blick auf einen womöglich vom Brexit ausgelösten bevorstehenden Abschwung in Europa. "Ich denke nicht, dass dies Einfluss haben wird auf den Verkehr innerhalb von China." Nach den Marktprognosen, die Airbus und Boeing gerade in Farnborough aktualisiert haben, sind die chinesischen Inlandsrouten in 20 Jahren der größte Einzelmarkt im Luftverkehr, derzeit sind sie noch deutlich kleiner als der Inlandsverkehr in den USA oder die Routen innerhalb der EU. Leahy betont zudem, dass es zumindest Airbus gelungen sei, die Produktion von den jährlich schwankenden Aufträgen abzukoppeln. Derzeit hat der Flugzeughersteller sowieso eher das Problem, die Tausende Flugzeuge überhaupt zu bauen, die seine Kunden bestellt haben - mehr als 5000 sind es derzeit bei den Kurz- und Mittelstreckenjets, etwa 800 bei den Maschinen der A350-Baureihe. Nachdem die Auslieferungen der neuen Kurz- und Mittelstreckenmaschinen A320neo im ersten Halbjahr praktisch zum Erliegen gekommen sind, weil Triebwerkshersteller Pratt & Whitney die neuen Motoren nachbessern musste, steht Airbus unter enormem Druck, den Zeitverlust aufzuholen. Pratt hat mittlerweile Triebwerke geliefert, die vor dem Anlassen nicht mehr minutenlang vorgekühlt werden müssen: In der zweiten Julihälfte werden die Jets nun unter anderem an Lufthansa ausgeliefert, auch die Version mit Motoren des CFM International-Konsortiums stehen bereit. Sorgen bereiten die Riesenjets des Typs A380. Noch 126 Aufträge verbleiben, bei den aktuellen Produktionsraten ist das rechnerisch ausreichend für fünf Jahre. Doch nicht alle der Aufträge scheinen in Stein gemeißelt zu sein. Selbst Virgin Atlantic-Chef Craig Kreeger konnte Airbus da wenig Hoffnung machen. Virgin hat zwar sechs der Maschinen bestellt, "aber wir haben das Recht, den Auftrag nicht auszuüben", so Kreeger.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/luftfahrtmesse-farnborough-genug-bestellt-1.3073350
mlsum-de-67
Elon Musk setzt die Ziele für das Model 3 nach oben: Bald sollen 6000 Fahrzeuge pro Woche gefertigt werden.
Seit Monaten gelingt es Tesla nicht, die Produktionsziele für das Model 3 zu erreichen. Dabei gilt das Fahrzeug, das mit einem Einstiegspreis von 35 000 Dollar wesentlich günstiger ist als die Topmodelle des kalifornischen Elektroautoherstellers, als Hoffnungsträger: Es soll dem chronisch defizitären Unternehmen endlich Gewinne einbringen. Um die Autos trotz der Fertigungsprobleme pünktlich ausliefern zu können, will Tesla-Chef Elon Musk nun deutlich mehr Fahrzeuge produzieren lassen. Bis Ende Juni will er die Kapazität der Werke von 5000 auf 6000 Autos pro Woche erhöhen, schreibt Tesla-Chef Elon Musk in einer E-Mail an seine Mitarbeiter, die der US-Blog Electrek veröffentlichte. Das Ziel klingt ambitioniert, derzeit fertigt Tesla nach eigenen Angaben nur etwa 2250 Model 3 pro Woche. Bereits im Mai sollen es 3000 bis 4000 Fahrzeuge sein, schreibt Musk. "Die übertriebene Automatisierung war ein Fehler. Um genau zu sein, mein Fehler." Um die neuen Ziele zu erreichen, will er nun eine zusätzliche Schicht einführen und damit rund um die Uhr produzieren. Für einige Wochen sollen bis zu 400 Mitarbeiter zusätzlich eingesetzt werden. Tesla steht derzeit unter besonderer Beobachtung der Investoren. Zuletzt wurden diese recht nervös, nicht nur, weil Musk am 1. April einen ungewöhnlichen Tweet absetzte: "Trotz intensiver Versuche, Geld aufzutreiben, inklusive eines verzweifelten Massenverkaufs von Ostereiern, müssen wir leider mitteilen, dass Tesla komplett und absolut pleite ist. So pleite, man glaubt es gar nicht." Gewiss, es war nur ein Scherz, aber einer, der manchen wie ein Menetekel vorkommen musste. Gemessen an ihrem Hoch von 385 Dollar im September 2017, hat die Tesla-Aktie rund ein Viertel ihres Wertes eingebüßt. Es gibt eine große Skepsis, ob Tesla eine Massenfertigung hinbekommt. Erst am Montag war bekannt geworden, dass das Unternehmen die Produktion des Model 3 für mehrere Tage unterbricht. Die drei- bis fünftägige Produktionspause in Teslas Autofabrik im kalifornischen Fremont und in der Gigafactory in Nevada sei nötig, um umfassende Aufrüstungen für die geplante Produktionsoffensive vorzunehmen, schreibt Musk nun in seinem Brief an die Mitarbeiter. Zuletzt hatte er in einem Interview eingestanden, dass die Probleme in der Produktion auch daher rühren, dass man es mit der Automatisierung übertrieben hat: Roboter hätten die Fertigung in einigen Fällen verlangsamt. "Wir hatten dieses verrückte, komplexe Netzwerk von Laufbändern. Und es funktionierte nicht." Später schrieb er bei Twitter: "Ja, die übertriebene Automatisierung bei Tesla war ein Fehler. Um genau zu sein, mein Fehler. Menschen sind unterbewertet." In seiner jüngsten Mail erhöht Musk allerdings den Druck auf Mitarbeiter und Zulieferer: Jede Abteilung und jeder Zulieferer, der mit den neuen Zielen überfordert sei, brauche eine "sehr gute Erklärung" sowie einen "Plan zur Problemlösung", der ihm persönlich zu unterbreiten sei. Die Verträge mit Zulieferern, die es binnen dieser Woche nicht schafften, Teslas "Exzellenz-Anforderungen" zu erfüllen, sollten am Montag gekündigt werden. Ziel sei, das Model 3 mit einer zehnmal höheren Präzision "als jedes andere Auto auf der Welt" zusammenzubauen, schreibt Musk, und ergänzt: "Das ist kein Scherz." Bei einigen ausgelieferten Wagen wurde unter anderem in Youtube-Videos auf ungleiche Abstände zwischen Karosserieteilen aufmerksam gemacht. Wenn künftig Käufer beim Nachprüfen von Abmessungen Abweichungen von den offiziellen technischen Daten entdeckten, "bedeutet das nur, dass deren Maßband falsch ist". Doch es geht ihm nicht allein um Verbesserungen in der Produktion, Tesla soll insgesamt besser geführt werden. Strenger als bisher will Musk etwa auf die Kosten schauen. Er habe das Finanzteam gebeten, weltweit jede Ausgabe im Unternehmen zu überprüfen. Über alle Beträge von mehr als einer Million Dollar will Musk gar persönlich entscheiden. Daneben pocht er darauf, die normalen betrieblichen Abläufe zu straffen. Als "Empfehlungen" für produktiveres Arbeiten ruft er die Mitarbeiter unter anderem dazu auf, weniger Zeit in Konferenzen zu verbringen. "Verlassen Sie ein Meeting oder eine Telefonkonferenz, sobald klar wird, dass Sie dort keinen Beitrag leisten. Es ist nicht unhöflich, rauszugehen, es ist unhöflich, jemanden bleiben zu lassen und dessen Zeit zu verschwenden." Irritiert zeigt sich Musk auch über die hohe Zahl von Unternehmen, mit denen Tesla letztlich zusammenarbeite. Bei vielen Vertragspartnern verhalte es sich wie bei den russischen Matroschka-Puppen: Der Hauptvertragspartner habe einen Subunternehmer und der habe wiederum einen Subsubunternehmer. Entsprechend mühsam sei es dann, jene zu finden, die tatsächlich die Arbeit machten. "Das bedeutet, es gibt viele Manager zwischendrin, die zwar Kosten verursachen, aber nichts Sinnvolles tun."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/elektroautos-tesla-will-rund-um-die-uhr-produzieren-1.3949574
mlsum-de-68
Noch nie standen Ökonomen so viele Daten und Informationen zur Verfügung wie heutzutage. Dennoch kursieren immer noch unbewiesene Behauptungen über Wirtschaft.
Früher war bekanntlich alles besser. Eine bemerkenswerte Ausnahme jedoch sind die Wetterberichte. Die Prognosen werden immer zuverlässiger und genauer, aus dem einfachen Grund, dass die Meteorologen heute nicht nur wesentlich differenziertere Wettermodelle haben als im analogen Zeitalter, sondern auch die leistungsfähigen Computer, um diese Modelle zu rechnen. Bei den Ökonomen sieht es ganz ähnlich aus. Die moderne Wirtschaftswissenschaft ist vielfältiger geworden, die hat, genau wie die Meteorologie, bessere Methoden und unvergleichlich mehr Daten. Deshalb lassen sich ökonomische Theorien auch viel besser testen als früher. Führt der Mindestlohn zu höheren Löhnen oder nur zu weniger Arbeitsplätzen? Bei der Frage ist man nicht auf Ideologien angewiesen, man kann ganz einfach messen. Die Ergebnisse der Messungen sind durchaus interpretationsfähig. Der staatliche Mindestlohn habe dazu geführt, dass es weniger Minijobs und dafür mehr reguläre gibt, sagen die einen. Ja, sagen die anderen, aber die Arbeitszeiten wurden verkürzt und die Arbeit verdichtet. Entscheidend ist, dass man auf informierte Weise über eine These diskutieren kann. Im Idealfall führt dies zu einer "evidenzbasierten Wirtschaftspolitik", wie das heute heißt. Das lässt hoffen für die Ökonomie. Das Merkwürdige ist nur, dass sich in der Öffentlichkeit kein Mensch für Evidenz interessiert. Fernsehtalker, Großdenker und Blogger beschäftigen sich lieber mit einfachen und nicht überprüfbaren Thesen, die dann Implikationen haben, die keiner versteht. Zum Beispiel die Behauptung, dass "uns" durch die Digitalisierung die Arbeit ausgeht. Sie wird in der Regel belegt durch anekdotisches Wissen: Ein Elektromotor braucht eben weniger Arbeit als ein Benziner, Roboter bevölkern die Fabriken und werden demnächst auch noch Auto fahren. Nun gibt es wenig Zweifel daran, dass die Digitalisierung die Arbeitswelt umwälzen wird, aber dass dies zu einem massiven Abbau der Beschäftigung führen wird, dafür gibt es keinen Hinweis. Im Gegenteil: In Deutschland fehlen 700 000 Facharbeiter, dazu Lehrer, Pflegekräfte, Bauarbeiter und viele andere Berufe. Es hülfe bei dem Thema vor allem ein Blick auf die Daten. Würde die These vom Verschwinden der Arbeit zutreffen, müsste sich dies in einem dramatischen Anstieg der Arbeitsproduktivität niederschlagen. In Wirklichkeit wächst die Produktivität derzeit ungewöhnlich langsam, was Probleme ganz eigener Art schafft. Es wäre dringlicher, darüber zu diskutieren als über die Roboter, die uns die Jobs wegnehmen. Daten machen die Ökonomie nicht einfacher, aber sie helfen gegen Alarmismus Auch über Armut und Reichtum lassen sich auf der Grundlage anekdotischer Beobachtungen sehr weitreichende Theorien bilden. Der Münchner Soziologe Stephan Lessenich zum Beispiel hat ein sehr erfolgreiches Buch über die Ungleichheit in der Welt geschrieben ("Neben uns die Sintflut"). Dessen zentrale These lautet: "Es geht den einen 'gut', bzw. besser, weil es den anderen 'schlecht' oder jedenfalls weniger gut geht." Lessenich spricht von "Externalisierung": Wir in den reichen Ländern lagern die Kosten unseres Wohlstands in den "globalen Süden" aus. Bei so einer radikalen These möchte man nun schon wissen, wie das genau funktioniert. Das müsste möglich sein, denn Externalisierung ist ein bekanntes ökonomisches Phänomen, das man messen kann. Aber dieser Messung (Lessenich spricht von "mikroökonomischer Fundierung") verweigert sich der Autor explizit. Dies würde nur zur "üblichen Berufung auf Marktmetaphern" führen und helfe daher nicht weiter. Damit jedoch ist die These gegen jede Überprüfung hermetisch abgeschlossen, man kann sie nicht mehr diskutieren. Man kann nur einwerfen, dass es ja durchaus externe Effekte gibt, die sich messen lassen. Wenn die EU zum Beispiel subventioniertes Hühnchenfleisch nach Afrika exportiert und so dort die Bauern um ihren Broterwerb bringt. Aber das ist fehlgeleitete Agrarpolitik, nicht Kapitalismus. Außerdem gibt es auch positive Externalisierung. So stehen den heute noch armen Ländern viele Technologien zur Verfügung, die in den alten Industrieländern über Jahrzehnte entwickelt wurden. Wie nützlich das ist, lässt sich in Asien besichtigen. Eine verbreitete Unsitte ist es auch, Daten zwar zu verwenden, diese aber nicht genau anzuschauen. So ist es mit Aussagen wie: "In den vergangenen 20 Jahren hat die Ungleichheit in Deutschland zugenommen." Sie ist zweifellos richtig, sie geht nur über ein wichtiges Detail hinweg. Die Zunahme fand zwischen 1999 und 2005 statt, seither ist die Messgröße für Ungleichheit (der Gini-Koeffizient) ungefähr gleich geblieben. Und im globalen Maßstab hat die Ungleichheit nicht zu-, sondern abgenommen. Ursache ist da der wirtschaftliche Aufstieg Asiens. All dies ist nachzulesen im Jahresgutachten 2016/2017 des Sachverständigenrates. Oder die Sache mit der steigenden Kinderarmut, über die im Wahlkampf so viel geklagt wurde. Es stimmt, von 2015 bis 2016 ist in Deutschland der Anteil der Kinder in Armut von 19,7 auf 20,3 Prozent gestiegen. Aber das war vor allem ein statistischer Effekt, weil nach und nach die Flüchtlingsfamilien erfasst werden, die natürlich arm sind, wenn sie in Deutschland ankommen. Unter Kindern ohne Migrationshintergrund ging die Armut um 0,2 Prozentpunkte auf 13,3 Prozent zurück, unter den Kindern von Migranten, die hier geboren wurden, sogar um 0,7 Punkte - eine sehr gute Nachricht. Dies festzustellen, bedeutet nicht, dass man nichts gegen Kinderarmut, soziale Ungerechtigkeit und andere Missstände tun sollte. Aber es nimmt den verbreiteten Alarmismus und den antikapitalistischen Furor aus der Debatte. Und wahrscheinlich hilft ein gelegentlicher ökonomischer Faktencheck auch gegen populistische Versuchungen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/pipers-welt-faktencheck-1.3676461
mlsum-de-69
Die DFB-Elf zeigt beim 2:2 gegen Holland, wie sie 2019 Fußball spielen will. Das Team verändert sich schneller als gedacht - Spieler wie Thomas Müller werden es schwer haben.
Timo Werner bringt die Dinge manchmal schön auf den Punkt. Dieses 2:2 gegen die Niederlande sei "das Spiegelbild des Jahres 2018" gewesen, sagte der Stürmer am Montagabend, so in etwa konnte man das ausdrücken. 2:0 geführt bis zur 85. Minute, binnen fünf Minuten zwei Gegentore kassiert; was schiefgehen konnte, das ging auch schief. So dürfte das Jahr 2018 endgültig als Pleiten-, Pech- und Pannenjahr in die Geschichte eingehen, inklusive verpatzter WM und dem Abstieg aus der A-Gruppe der Nations League. Werners Rat, bevor er das Stadion verließ: Man müsse den ganzen Schlamassel "jetzt abhaken". Und im kommenden Jahr "alles besser machen". An dieser Stelle muss Werner allerdings widersprochen werden. "Alles besser machen" klingt nach Großreinemachen - das ist bei der DFB-Elf gar nicht nötig. Sie sollte sogar möglichst viel beibehalten von dem, was sie zuletzt gezeigt hat. Der Gegner, die Niederlande, ist so etwas wie Europas Mannschaft der Stunde. Sie fährt nun zum Finalturnier der Nations League nach Portugal, trotzdem hatten die Holländer dem Wirbel des DFB-Teams über mindestens 80 Minuten kaum etwas entgegenzusetzen. Nach Toren von Werner (9.) und Leroy Sané (19.) hätten noch mehr Treffer fallen müssen. Ein frühes 3:0 oder 4:0 wäre möglich gewesen, dann wäre der Gegner auch nicht mehr zurückgekommen, so überlegen spielte die deutsche Mannschaft. "Wir hatten alles im Griff", sagte Werner, mal abgesehen von den letzten fünf Minuten, als Quincy Promes (85.) und Virgil van Dijk (90.) die deutsche Elf um das ersehnte Erfolgserlebnis brachten. Sané ist künftig nicht mehr wegzudenken Bei vier Siegen, drei Unentschieden und sechs Niederlagen steht die Jahresbilanz nun, das Paradoxe daran ist, dass es trotzdem so scheint, als hätte der Bundestrainer mit seinem Team gerade die richtige Abbiegung genommen. Erst auf großen internen Druck hin, sozusagen auf letzter Rille, hat Joachim Löw lieb gewonnene Strukturen aufgebrochen und dem Team ein neues Tempo verpasst - und sich damit selbst den Job gerettet. In Gelsenkirchen gab es einzelne "Löw raus"-Plakate, mehr nicht, und das nach einem Jahr, in dem alle gesetzten Ziele klar verpasst wurden. Die Mehrheit scheint gespannt, was Löw aus dieser neuen Mannschaft alles rausholen kann. Die Post-WM-Monate haben bereits ein paar unverrückbare Tatsachen geschaffen, an die vor drei Monaten nicht zu denken gewesen wäre. Die Mannschaft hat sich verändert, angefangen im Sturm, wo neben Werner künftig auch Sané nicht mehr wegzudenken sein wird. Der Außenstürmer von Manchester City bereitete den Niederländern mit seinem Tempo eine solche Vielzahl an Problemen, dass Löw noch in zehn Jahren danach gefragt werden dürfte, wie zum Teufel er nur auf die Idee gekommen war, Sané in der letzten Nominierungsrunde aus dem WM-Kader zu verbannen. Im zweiten Länderspiel nacheinander hat Sané nun getroffen, diesmal sehr schön von der Strafraumgrenze. Als Löw gefragt wurde, ob ihm sein WM-Entscheid leidtäte, antwortete dieser lapidar, das sei wirklich "Schneeeeee von gestern". Was im Umkehrschluss bedeutet: Sané ist nun drin. Ebenso drin ist Joshua Kimmich, der seine neue Rolle auf Sechs neben Toni Kroos mit solcher Selbstverständlichkeit ausfüllte, dass auch Kimmichs Aushilfsjob als Außenverteidiger mit "Schneeeee von gestern" gut umschrieben ist. Niklas Süle dürfte gleichfalls gute Chancen auf den Unverzichtbarkeitsstatus haben, genau wie Serge Gnabry und Thilo Kehrer, auch wenn diesem am Montagabend der entscheidende Stellungsfehler vor dem späten 2:2 unterlaufen war. Auch Nico Schulz hat gezeigt, dass er auf der Außenbahn mehr als eine wertvolle Ergänzung sein könnte. "Da wächst etwas zusammen, das hat jeder gesehen", sagte Sané über den neuen Spirit.
https://www.sueddeutsche.de/sport/nationalmannschaft-nations-league-1.4218808
mlsum-de-70
Vier Jahre nach der Explosion der "Deepwater Horizon"-Ölplattform zahlt das Unternehmen Halliburton Entschädigungen an Betroffene. Und spart sich damit nicht nur einen Prozess.
Der US-Konzern Halliburton zahlt erstmals eine Entschädigung für Betroffene der "Deepwater Horizon"-Ölkatastrophe. Damit entgeht der Konzern einer Sammelklage von Betroffenen. Im August 2010 explodierte die Ölplattform "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko. Dabei liefen 4,9 Millionen Barrel Öl ins Wasser. Halliburton hatte die Betonmischung für den explodierten Deckel des Bohrloches geliefert Entschädigung nach vier Jahren Vier Jahre nach der Explosion der Ölplattform "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko zahlt das verantwortliche US-Unternehmen Halliburton 1,1 Milliarden Dollar an Opfer der Katastrophe. Die umgerechnet 838 Millionen Euro würden an Fischer am Golf von Mexiko und andere Betroffene ausgezahlt, teilte Halliburton mit. Der Konzern entgeht mit der Zahlung einem per Sammelklage angestrengten Prozess. Hintergrund der Katastrophe Die "Deepwater Horizan" war im April 2010 explodiert, dabei kamen elf Menschen ums Leben. In den darauffolgenden drei Monaten liefen 4,9 Millionen Barrel Öl ins Meer. Bis der Betreiber BP das Leck schließen konnte, dauerte es 87 Tage. Die Küsten von fünf US-Bundesstasaten wurden verseucht, der Fischfang und der Tourismus an der Golfküste schwer geschädigt. Halliburton war als Zulieferer an der Mischung des Zements für den Deckel des Bohrlochs beteiligt, aus dem das Öl ins Meer schoss. Nach der Katastrophe erstellte der Konzern im Rahmen von internen Untersuchungen Computersimulationen zu dem Deckel, der bei der Katastrophe explodiert war. Die Ergebnisse davon wurden zerstört und konnten nicht rekonstruiert werden. Der Ölkonzern BP hatte bereits 2012 angekündigt, Privatleuten und Firmen 7,8 Milliarden Dollar zu zahlen.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/deepwater-horizon-katastrophe-halliburton-zahlt-1-1-milliarden-dollar-entschaedigung-1.2113921
mlsum-de-71
Die Mehrheit der Mandate gewonnen - aber nicht die Mehrheit der Stimmen. Die Befürworter eines unabhängigen Kataloniens erfahren bei der Regionalwahl einen Rückschlag.
Schon lange vor der Bekanntgabe des offiziellen Endergebnisses der Wahlen zum Regionalparlament Kataloniens war Artur Mas seine Unzufriedenheit anzusehen. Zwar sprach der bisherige Regionalpräsident von einem Sieg der Bewegung für die staatliche Souveränität, nämlich die Loslösung von Madrid. Doch das Ergebnis fiel für ihn ernüchternd aus: Die Parteien, die sich für die Unabhängigkeit aussprachen, errangen zwar gemeinsam 71 der 135 Mandate im Parlament zu Barcelona, also die absolute Mehrheit. Doch hinter ihnen stehen nur knapp 48 Prozent der Wähler. Eine knappe Mehrheit hat also nicht für die Sezession von Spanien gestimmt. Dieses Ergebnis bedeutet, dass Mas und seine Mitkämpfer keine Chance haben, ausländische Unterstützung, vor allem aus Brüssel, für ihren auf 18 Monate angelegten "Fahrplan zur Unabhängigkeit" zu bekommen. Bislang hatte er die Warnungen aus Madrid, dass Katalonien im Falle einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung aus der Europäischen Union ausgeschlossen würde, als unbegründete Drohungen abgetan - bei einem klaren Wahlsieg der Sezessionisten werde Brüssel das demokratische Votum akzeptieren und somit die neue Republik Katalonien als 29. Mitgliedsstaat. Doch die Wähler haben ihm diesen Rückhalt am Sonntag verweigert. Mas ist ein weltoffener Europäer mit exzellenter Allgemeinbildung Auch haben es Mas und seine Mitstreiter nicht geschafft, bei den anderen EU-Staaten erfolgreich für ihr Anliegen zu werben. Nie konnten die Catalanistas, wie sie genannt werden, den Ruf ablegen, kleinkarierte Nationalisten zu sein - ein ungerechtfertigter Vorwurf: Mas, ein gemäßigter Konservativer mit gesellschaftspolitisch eher liberalen Positionen, der neben Katalanisch und Spanisch auch nahezu perfekt Französisch und Englisch spricht, ist ein weltoffener Europäer mit exzellenter Allgemeinbildung; seine politischen Positionen ähneln eher denen Angela Merkels als denen der Bayernpartei. Erzkonservatives und nationalistisches Gedankengut ist eher auf der Seite seiner Gegenspieler in der in Madrid regierenden Volkspartei (PP) zu suchen. Deren Vorsitzender, Premierminister Mariano Rajoy, wiederum steht in der PP für gemäßigte Positionen, ist also bei gesellschaftspolitischen Streitfragen gar nicht weit von Mas entfernt. Doch hat die Chemie zwischen den beiden von Anfang an nicht gestimmt. Vieles spricht dafür, dass Rajoy durch seine sture Weigerung, mit Barcelona über den Finanzausgleich zwischen den spanischen Regionen zu verhandeln, Mas erst an die Spitze der Unabhängigkeitsbewegung getrieben hat. Die Katalanen fühlen sich durch das bisherige System stark benachteiligt. Hinzu kommen die gewaltigen Unterschiede zwischen Madrid und Barcelona in der politischen Kultur: Die katalanische Metropole, Hafen- und Handelsstadt, wurde stets von einem selbstbewussten Bürgertum geprägt, für die der politische Kompromiss eine Selbstverständlichkeit ist. Madrid, die Königsresidenz, aber war stets hierarchisch strukturiert, hier wird traditionell angestrebt, kompromisslos durchregieren zu können. Für Mas wird es nun noch schlimmer kommen. Vermutlich sind seine Tage als Regionalpräsident gezählt. Denn die Catalanistas sind untereinander völlig zerstritten. Nur mit Mühe hatten sich die regierenden Konsevativen (CDC) unter Mas mit den oppositionellen Linksrepublikanern (ERC) auf eine gemeinsame Liste im Kampf für die Unabhängigkeit geeinigt. Doch dieses Bündnis mit dem Namen "Gemeinsam für das Ja" (Junts pel Sí), für das auch Pep Guardiola, der Trainer des FC Bayern, kandidierte, erreichte gerade 40 Prozent und 62 Mandate, somit weniger Sitze, als beide Gruppierungen zusammen bei den letzten Regionalwahlen 2012 erreicht hatten. Um eine Mehrheit im Parlament zu erreichen, sind sie auf die antikapitalistische, neomarxistische Volkseinheit (CUP) angewiesen, die ebenfalls Spanien den Rücken kehren möchte und in der Wahlnacht sogar zum zivilen Ungehorsam gegenüber Madrid aufgerufen hat. Die CUP, die nun auf sieben Prozent der Stimmen kam, hat schon im Wahlkampf klargemacht, dass sie Mas auf keinen Fall in seinem Amt als Regierungschef Kataloniens bestätigen werde. So hat dieser also einen Pyrrhus-Sieg erzielt. Denn alles spricht dafür, dass der "Fahrplan zur Unabhängigkeit" nicht so bald umgesetzt werden kann. Aber auch Mas' Widersacher Rajoy hat wenig Grund zur Freude: Im Dezember wird das nationale Parlament in Madrid neugewählt. Nach den jüngsten Umfragen hat Rajoy kaum Chancen, erneut die Zentralregierung zu führen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/regionalwahlen-in-katalonien-warum-der-sieg-der-catalanistas-eine-niederlage-ist-1.2668411
mlsum-de-72
Das IOC verrät, wie hoch die Aufwandsentschädigungen für Präsident Thomas Bach sind. Marokkos Fußballer dürfen nun doch am Afrika-Cup 2017 und 2019 teilnehmen. Hertha-Angreifer Änis Ben-Hatira fällt wochenlang aus.
IOC, Thomas Bach: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit Thomas Bach an der Spitze geht seinem Versprechen nach mehr Transparenz nach. Am Donnerstag veröffentlichte das IOC die von der Ethik-Kommission vorgeschlagenen Richtlinien zur Aufwandsentschädigung für die IOC-Mitglieder und setzte damit eine Ankündigung seiner "Olympischen Agenda 2020" um. Demnach wird IOC-Boss Bach jährlich 225.000 Euro erhalten, um die Ausgaben für seine grundsätzlich ehrenamtliche Arbeit teilweise zu decken. Um den Willen nach Transparenz zu unterstreichen, komme das Geld für den Präsidenten nur noch aus einer Quelle, teilte das IOC mit. Die IOC-Mitglieder und IOC-Ehrenmitglieder erhalten dagegen einen jährlichen Sockelbetrag von 7000 US-Dollar (umgerechnet 6504 Euro) sowie einen Tagessatz von 450 Dollar (418) für alle IOC-Treffen. Den Mitgliedern des Exekutivkomitees sowie den Kommissions-Vorsitzenden werden für ihre Meetings täglich 900 Dollar (836) an Aufwandsentschädigung gewährt. Diese Tagessätze erhält Bach nicht. "Dieses Vorgehen wird zu Einsparungen für das IOC und zu mehr Transparenz führen", teilte die Ethik-Kommission in einem Schreiben an die IOC-Mitglieder mit: "Die Olympische Agenda 2020 unterstreicht die Wichtigkeit einer guten Führung, besonders wenn es mit der Autonomie des organisierten Sports verbunden ist." Fußball, Afrika-Cup: Marokkos Fußballer können nun doch an den beiden nächsten Turnieren um den Afrika-Cup teilnehmen. Der Internationale Sportgerichtshof CAS gab einem Einspruch des Marokkanischen Fußball-Verbandes FRMF statt und hob damit die drastischen Sanktionen durch den Kontinentalverband CAF auf. Dies teilte der CAS am Donnerstag auf seiner Homepage mit. Die vom CAF geforderte Geldstrafe für Marokko reduzierte das Gericht von einer Million auf 50 000 US-Dollar. Der Ausschluss Marokkos vom diesjährigen Afrika-Cup sei aber endgültig. Die nächsten Kontinentalmeisterschaften finden 2017 und 2019 statt. Marokko hatte sich wegen der Sorge vor der Ebola-Epidemie in westafrikanischen Ländern geweigert, das Turnier im Januar/Februar 2015 auszurichten. Die Veranstaltung war daraufhin von der CAF an Äquatorialguinea vergeben worden. Angesichts der harten Strafen war Marokko vor den CAS gezogen. Bundesliga, Hertha: Angreifer Änis Ben-Hatira wird dem Fußball-Bundesligisten Hertha BSC voraussichtlich vier Wochen lang fehlen. Beim Deutsch-Tunesier wurde am Donnerstag ein Muskelfaserriss im Oberschenkel diagnostiziert. Ben-Hatira hatte sich die Verletzung am Dienstag beim Länderspiel mit der tunesischen Nationalmannschaft in China (1:1) zugezogen. Der 26-Jährige war zum Länderspiel gereist, obwohl ihm Hertha-Trainer Pal Dardai zuvor davon abgeraten hatte. Vor dem richtungsweisenden Abstiegsduell gegen den SC Paderborn (Sonntag, 17.30 Uhr, Olympiastadion) reagierte Dardai deshalb verärgert. "Ich will Änis erst nach dem Spiel gegen Paderborn sehen. Vielleicht bin ich deswegen ein schlechter Mensch", sagte der Ungar am Donnerstag. Tennis, Miami Open: Fed-Cup-Spielerin Sabine Lisicki ist im Viertelfinale der Miami Open nach einem großen Kampf an Serena Williams gescheitert. Die frühere Wimbledon-Finalistin aus Berlin unterlag der Weltranglistenersten aus den USA, die ihren 700. Einzelsieg auf der WTA-Tour feierte, trotz heftiger Gegenwehr mit 6:7 (4:7), 6:1, 3:6. Sie kann Andrea Petkovic damit nicht in die Runde der letzten Vier folgen. In einem turbulenten ersten Satz gelangen beiden Kontrahentinnen jeweils drei Breaks. Beim Stande von 6:5 und 40:30 vergab Lisicki einen Satzball, im Tiebreak sicherte sich Williams schließlich nach 56 Minuten den ersten Durchgang. Im zweiten Satz kassierte Lisicki zwar das schnelle Break zum 0:1, drehte dann aber gegen eine viele leichte Fehler fabrizierende Williams richtig auf, gewann sechs Spiele in Serie und nach nur 29 Minuten Durchgang zwei. Im entscheidenden Satz fing sich Williams dann aber wieder, Lisicki wirkte zunehmend müder. Bereits am Mittwoch war Petkovic durch ein 6:4, 6:2 zum zweiten Mal nach 2011 ins Halbfinale eingezogen. Dort trifft die Darmstädterin am Donnerstag auf Carla Suarez Navarro, die Venus Williams ausgeschaltet hatte. Basketball, NBA: Die Dallas Mavericks haben nach zuletzt zwei Niederlagen wieder einen wichtigen Sieg im Kampf um die Playoffs in der NBA gefeiert. In einem hochklassigen Match gewann die Mannschaft mit dem deutschen Nationalspieler Dirk Nowitzki am Mittwoch (Ortszeit) bei Oklahoma City Thunder mit 135:131. Obwohl bei den Gastgebern in Anthony Morrow (32), Russell Westbrook (31) und Enes Kanter (30) drei Profis 30 Punkte oder mehr erzielten und Westbrook sein zehntes Triple-Double in dieser Saison gelang (11 Rebounds und 11 Assists), setzten sich die Mavericks knapp durch. Monta Ellis war mit 26 Zählern bester Werfer der Texaner, Nowitzki kam auf 18 Punkte und hat als siebtbester Spieler der NBA-Bestenliste jetzt die Marke von 28 000 Zählern durchbrochen. In der nordamerikanischen Basketball-Profiliga bleibt Dallas im Westen Siebter vor Oklahoma. Handball, Bundesliga: Rekordmeister THW Kiel ist für das Spitzenspiel der Handball-Bundesliga am Ostersonntag gegen die Rhein-Neckar Löwen gerüstet. Der Tabellenführer setzte sich am Mittwochabend souverän mit 32:17 (11:9) gegen den Bergischen HC durch und führt das Klassement mit 52:6-Punkten vor den spielfreien Löwen (50:6) an. Auf Rang drei folgt Champions League-Sieger SG Flensburg-Handewitt, der bei HBW Balingen-Weilstetten über ein 20:20 (10:8) nicht hinaus kam, mit 42:16-Zählern vor dem SC Magdeburg (40:16). Beste Werfer der Kieler in einer in der zweiten Hälfte einseitigen Partie war Patrick Wiencek (9). Bei den "Zebras", die wieder mit dem Torhütergespann Kim Sonne/Steinar Ege für den verletzten Andreas Palicka und den erkrankten Johan Sjöstrand angetreten waren, musste Trainer Alfred Gislason improvisieren. Die Gäste hatten dennoch keine Chance. Pokalsieger Füchse Berlin verteidigte den siebten Platz in einer spannenden Partie gegen den Tabellennachbarn HSV Hamburg in einer spannenden Partie mit 28:25 (13:10). Nationalspieler Fabian Wiede und Rückraumspieler Petar Nenadic überragten vor 8590 Zuschauern mit jeweils acht Treffern bei den Gastgebern. Für Hamburg traf Kentin Mahé (5) am besten. Während die Berliner mit jetzt 30:26 Punkten noch in den Kampf um einen Europapokalplatz eingreifen können, scheint dies für den HSV (28:30) nicht mehr möglich.
https://www.sueddeutsche.de/sport/ioc-225-000-euro-fuer-thomas-bach-1.2421028
mlsum-de-73
Emmanuel Macron, französischer Präsidentschaftsbewerber, empört sich über den Vorfall - und reagiert mit einem Seitenhieb auf die Politik des US-Präsidenten.
Der in Ägypten geborene französische Historiker Henry Rousso ist am Flughafen von Houston, Texas, 10 Stunden festgehalten worden und nur knapp einer Ausweisung entgangen. Das schrieb Rousso im Kurznachrichtendienst Twitter und bestätigte damit eine entsprechende Mitteilung von Mitarbeitern der A&M Universität Texas. Emmanuel Macron, ehemaliger französischer Wirtschaftsminister und aussichtsreicher Präsidentschaftsbewerber, zeigte sich auf Twitter empört. Es gebe keine Entschuldigung für das, was Rousso passiert sei, schrieb Macron. Und fügte einen Satz hinzu, der als Kritik an der Einwanderungspolitik des neuen US-Präsidenten gelesen werden kann: "Unser Land ist offen für Wissenschaftler und Intellektuelle." There is no excuse for what happened to @Henry_Rousso. Our country is open to scientists and intellectuals. #WelcomeToFrance https://t.co/grMSltIUVy — Emmanuel Macron (@EmmanuelMacron) 26. Februar 2017 Der Historiker Rousso war bei seiner Einreise in die USA am 22. Februar auf dem Weg zu der Universität im Bundesstaat Texas. Wie die örtliche College-Website The Eagle unter Berufung auf einen Professor der A&M Universität berichtete, sollte Rousso als illegaler ausländischer Staatsbürger zurück nach Paris geschickt werden. Der Historiker sei "versehentlich festgehalten" worden, da es ein Missverständnis hinsichtlich seines Visums gegeben habe. Dem Eagle zufolge gelang es Mitarbeitern der Universität mit Hilfe eines Jura-Professors, der sich auf Einwanderungsrecht spezialisiert hat, Roussos Abschiebung zu verhindern. Grenzbeamter war unerfahren Der Historiker selbst beschrieb den Grenzbeamten am Flughafen als "unerfahren". Er verwies zudem darauf, dass unter der harten Einwanderungspolitik der neuen US-Regierung andere nicht so viel Glück hätten wie er. US-Präsident Donald Trump hatte kurz nach seiner Amtsübernahme ein Einreiseverbot für Bürger aus verschiedenen mehrheitlich muslimischen Ländern verhängt, das jedoch derzeit gerichtlich außer Kraft gesetzt ist. Ägypten fiel indes nicht unter die betroffenen Länder. Rousso ist ein jüdisch-französischer Historiker, der in Ägypten geboren wurde. Der 62-Jährige hat sich auf die Zeit des Holocaust spezialisiert. Wie aus seinem Online-Profil hervorgeht, hat er in der Vergangenheit bereits mehrfach Vorträge an bekannten US-Universitäten sowie im Holocaust Memorial Museum in Washington gehalten. 2007 hatte er überdies eine Gastprofessur an der A&M Universität Texas.
https://www.sueddeutsche.de/politik/us-einwanderungspolitik-franzoesischer-historiker-wird-zehn-stunden-an-flughafen-in-texas-festgehalten-1.3396259
mlsum-de-74
Er scheucht Thomas Muster von einer Ecke zur anderen: Andre Agassi zeigt im Rahmen des Stuttgarter Tennisturniers, dass er nichts verlernt hat. Ob er Trainer werden will? Dazu hat der Mann von Steffi Graf eine klare Meinung.
Andre Agassi kann die Bälle von der Grundlinie mit der Vor- und der Rückhand noch immer so schnell beschleunigen wie zu seinen besten Zeiten. Andre Agassi schweigt zu Hause beharrlich. Er will nicht, dass Steffi Graf davon erfährt. Es soll sein Geheimnis bleiben. Agassi möchte seine Gattin in dem Glauben lassen, dass die deutsche Sprache noch immer so fremd für ihn klingt wie Chinesisch oder Russisch. "Nur ein bissken" könne er Deutsch, brummt der 44-Jährige bei seinem Besuch in Stuttgart: "Ich kann es Jahr für Jahr immer besser verstehen, aber ich will nicht riskieren, es zu sprechen." Der US-Amerikaner aus Las Vegas war auch nicht in die baden-württembergische Landeshauptstadt gekommen, um einen Deutschkurs zu belegen oder sich sogar ein paar schwäbische Worte anzueignen. Er war gekommen, um das zu tun, was er am besten beherrscht in seinem Leben: Tennis spielen. "Es ist schön, mal wieder ausschließlich Zeit mit dem Sport zu verbringen", sagt Agassi. Muster: Agassi spielt so platziert wie früher Und wie schon die ersten Ballwechsel seines Schaukampfes am Montagabend im Rahmen des Stuttgarter Frauenturniers gegen Thomas Muster zeigen sollten, hat die ehemalige Nummer eins der Welt nichts von ihrer Kunst verlernt. Es war fast schon zu erstaunlich, wie der achtmalige Grand-Slam-Turniersieger seinen Gegenüber so extrem von einer Ecke in die andere scheuchte, dass dieser nach dem verlorenen ersten Satz auf der Bank alle Viere von sich streckte und so schwer atmete, als hätte er gerade einen 100-Kilometer-Lauf absolviert. "Andre spielt immer noch extrem schnell und platziert", stöhnte der Österreicher anerkennend. Bei Agassi war es wirklich so, als wäre die Zeit stehengeblieben, er kann die Bälle von der Grundlinie mit der Vor- und der Rückhand noch immer so schnell beschleunigen wie zu seinen besten Zeiten. Seine Aufschläge erreichten phasenweise sogar 202 km/h - diese Geschwindigkeiten hatte er früher überhaupt nicht im Repertoire. "Das Gefühl für den Ball ist noch immer da", sagt Agassi, "wenn sie mich vor dem Match fragen, dann bin ich bereit für einen Fünfsatzkrimi, aber die Frage in meinem Alter ist ja, wie man sich danach fühlt. Und wie ich mich bewege, das hat sich ziemlich geändert."
https://www.sueddeutsche.de/sport/andre-agassi-in-stuttgart-bereit-fuer-einen-fuenfsatzkrimi-1.2445014
mlsum-de-75
Trotz des Sieges im Kellerduell gegen Bayreuth muss Verteidiger Lakos die Tölzer Löwen verlassen. Stürmer Vihko fällt verletzt aus, ein neuer Torwart kommt.
Man kann als Sportler trotz seines Alters spielen. Oder gegen sein Alter. Man kann auch mit seinem Alter spielen, ironisierend am besten. Klaus Kathan entschied sich für die Variante drei. Trotz seiner 41 Lebensjahre, die er am vergangenen Sonntag vollendete, traf der ehemalige Nationalstürmer der Tölzer Löwen im Kellerduell der DEL gegen die Bayreuth Tigers kurz vor der zweiten Drittelpause zum 3:4. Kathans Tor war der Anschlusstreffer und vorläufige Höhepunkt einer Aufholjagd, die am Ende mit einem 5:4-Sieg nach Verlängerung belohnt werden sollte. Die Löwen-Fans feierten Kathan ausgiebig, sie sangen ihm sogar ein Ständchen zum Geburtstag. Der Jubilar spielte mit und schleppte sich betont schweren Schrittes vor die Südkurve. Nur als er die "Humba" anstimmen sollte, befiel den Senior plötzlich eine spontane Buchstabierschwäche - und er ersetzte das ihm entfallene B durch etwas, was wie "Sch... Riessersee" klang, woran sich der rüstige Routinier hinterher aber partout nicht erinnern konnte. "Kann nicht sein", sagte Kathan. Und grinste. Detailansicht öffnen „Manchmal stellt sich im Laufe einer Saison heraus, dass man nicht zusammenpasst“: ECT-Trainer Rick Boehm, links, Verteidiger André Lakos. (Foto: Harry Wolfsbauer) Es hätte also ein rundum lustiges Fest sein können. Wenn da nicht das erste Drittel gegen Bayreuth gewesen wäre - 0:3 gingen die Löwen, Tabellenvorletzter, gegen das Schlusslicht unter - und die sich abzeichnende Trennung von Verteidiger André Lakos, der schon am Freitag beim 1:5 in Bietigheim nicht mehr im Kader gestanden hatte, offiziell einer Verletzung wegen. Zum Spiel war schnell alles gesagt. "Von dem, was uns auszeichnet - Einsatz, Kampf, Einstellung, Moral - war im ersten Drittel überhaupt nichts vorhanden", sagte Trainer Rick Boehm. Kathan bestätigte den Eindruck: "Vielleicht waren wir das erste Mal in dieser Saison in der Favoritenrolle. Damit sind wir nicht klargekommen." Boehm fand es "menschlich", dass die Mannschaft sich nach Wochen am Tabellenende womöglich eingebildet habe, gegen Bayreuth leichteres Spiel zu haben. Mit Beginn des Mitteldrittels besann sie sich aber wieder. Joonas Vihko (26.), Chris St. Jacques (34.) und Kathan (40.) führten die Löwen heran, Marcel Rodman (47.) glich aus, Johannes Sedlmayr sicherte den Extrapunkt (62.). Moral, Kampf, Einsatz - alles da. "Wir sind ruhig geblieben, das war wichtig", sagte Kathan. "So oft haben wir ja noch nicht einen Rückstand gedreht." Im Zeugnisfach Einstellung aber muss es in den vergangenen Wochen einige Male die Zensur "unbefriedigend" gegeben haben. So liest sich jedenfalls die Mitteilung, in der die Löwen am Montag die Trennung von Verteidiger Lakos bekanntgaben. "Man muss auch die Entschlossenheit haben, Dinge zu korrigieren, die nicht so laufen." Geschäftsführer Christian Donbeck über die Trennung von Verteidiger André Lakos: "Manchmal stellt sich im Laufe einer Saison heraus, dass man nicht zusammenpasst", wird Geschäftsführer Christian Donbeck darin zitiert. Auf Nachfrage sagte er: "Die Erwartungen, die seine sportliche Vita hergibt, hat er nicht erfüllt. Und dann muss man auch die Entschlossenheit haben, Dinge zu korrigieren, die nicht so laufen." Die Leistungen des 38-jährigen ehemaligen österreichischen Nationalspielers waren jedenfalls nicht so herausragend wie seine Körpergröße von 2,01 Meter. Vor allem seine Arbeitshaltung soll mehrmals Grund zur Kritik aufgeworfen haben. Donbeck wollte sich am Montag dazu nicht äußern, er sagte nur: "Wir dürfen uns am Ende der Saison nicht vorwerfen lassen, nicht alles für den Klassenerhalt versucht zu haben." Der Vertrag mit Lakos wurde aufgelöst. Ein Nachfolger soll im Lauf der nächsten 14 Tage gefunden werden. Unter derselben Prämisse - alles für den Verein - steht die Suche nach einem Torhüter. Zwar sei Stammtorwart Andreas Mechel "kein Vorwurf" zu machen, der 26-Jährige habe sich seit Saisonbeginn kontinuierlich gesteigert, sagte Boehm. Die Frage sei aber: "Ist die Leistung auf dieser Position ausreichend für die Abstiegsrunde?" Offenbar waren sich die Verantwortlichen darin nicht restlos sicher. Zumal Ersatztorhüter Mirko Davi mit einer Knieverletzung sechs bis acht Wochen fehlen wird. "Bis zum Wochenende", heißt es, soll ein weiterer Schlussmann verpflichtet werden, nach SZ-Informationen steht eine Einigung unmittelbar bevor. "Ich hoffe natürlich, dass die Entwicklung von Andreas so positiv weitergeht", sagte Boehm. "Aber eine zusätzliche Verpflichtung ist legitim und angemessen." Sollten andere Profis nur "in" und nicht "für" Bad Tölz spielen, "werden wir reagieren" Besser fällt die Prognose für Joonas Vihko, 36, aus. Der Finne, der bereits zwei Monate mit gebrochenem Schienbeinkopf pausieren musste, zog sich am Sonntag eine tiefe Schnittwunde an der Wade zu. Boehm hofft dennoch, dass der Stürmer in der kommenden Woche ins Training zurückkehrt. Dafür wird sich der Slowene Rodman Anfang Februar wohl für drei Wochen zu den Olympischen Spielen verabschieden. Angesichts der dünnen Personaldecke und der jüngsten Erfahrung mit Lakos schickte Donbeck deshalb zur Sicherheit noch eine kleine Mahnung hinterher: "Wir haben viele Spieler, die für Tölz spielen. Sollte sich aber herauskristallisieren, dass der eine oder andere nur in Tölz spielt und nicht alles dafür gibt, die Klasse zu halten, werden wir reagieren", sagte der Geschäftsführer. Klaus Kathan kann er nicht meinen. Dem gebürtigem Tölzer, der demnächst als hauptamtlicher Nachwuchstrainer beginnt, stellt sein Coach die Note "überragend" aus. "Klausi spielt, was er kann", sagte Boehm, "er spielt clever". Auch wenn sich der Senior im Team nicht mehr an jeden Buchstaben in "Humba" erinnern kann.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/del-2-tiefe-einschnitte-1.3817050
mlsum-de-76
Eine Allianz gegen den IS erscheint fast aussichtslos. Kurden, Schiiten, Sunniten und die Weltmächte verfolgen vor allem eigene Ziele.
Frankreichs Präsident François Hollande zieht aus, um eine globale Allianz gegen die Terrormiliz Islamischer Staat zu schmieden. Er reist nach Washington und Moskau, um die beiden nominell mächtigsten Akteure im Syrien-Konflikt zu verpflichten, dem Kampf gegen diesen Feind Vorrang vor allem anderen zu geben. Allein: Er müsste Besuche in Teheran, Damaskus, Bagdad, Riad, Ankara, Erbil und Qamischli anschließen. Der IS hat viele Gegner, irgendwie, aber vor allem haben diese Gegner eigene Interessen. US-Präsident Barack Obama führt ein Land, das im Wahlkampfmodus steckt; er will nicht tiefer in den Konflikt hineingezogen werden und den Einsatz von Bodentruppen vermeiden. Am Tag vor den Attentaten von Paris rechtfertigte er seine Zurückhaltung mit dem Satz, die Bedrohung durch den IS sei "eingegrenzt" - ein grandioses Fehlurteil, selbst wenn der Vormarsch des IS im Irak und in Syrien gestoppt ist. Unstrittig bleibt, dass Luftangriffe nicht reichen, um den IS zu zerschlagen. Die Infanterie sollten eigentlich von den USA ausgebildete irakische Einheiten stellen. Die 5000 neu trainierten Soldaten sind dem IS aber nicht gewachsen. Die Kurden haben Sindschar freigekämpft - im ureigenen Interesse So erfreuen sich die Kurden des Rufs, am effektivsten gegen die Soldaten des Kalifats zu kämpfen; Deutschland hat den Peschmerga Panzerabwehrraketen geliefert. Auch damit haben die Kurden Sindschar freigekämpft - im ureigenen Interesse: Die Stadt liegt in einem Gebiet, das als Teil eines künftigen kurdischen Staates gesehen wird. Mossul werden die Kurden indes nicht befreien. Das würde der Regierung in Bagdad in die Hände spielen, mit der Erbil im Clinch liegt über Ölverkäufe und den Status von Kirkuk. Kirkuk wiederum war an die Kurden gefallen, als die Armee davonlief vor dem IS. Die Türkei fürchtet nichts mehr, als einen Kurdenstaat entlang ihrer Grenze. Als die syrischen Volksverteidigungseinheiten, ein Ableger der als terroristisch eingestuften PKK, jüngst von Kobanê den Euphrat nach Westen überschritten, wo sich der IS breitmacht, flog Ankara Angriffe - auf die Kurden, nicht etwa auf den IS. Kaum besser sieht es im Irak aus. Dort haben zumeist von Iran gesteuerte Schiiten-Milizen zwar Tikrit befreit. Die Operation diente aber zuallererst dazu, Premier Haidar al-Abadi zu demonstrieren, wer in Bagdad das Sagen hat. Al-Abadi konnte gerade noch nach Samara fahren, um den Eindruck zu erwecken, er hätte die Offensive befohlen. Die mächtigen Schiiten-Blöcke verhindern im Verbund mit Iran bis heute, dass die Sunniten mehr als ein paar lumpige Sturmgewehre bekommen, um in ihren eigenen Siedlungsgebieten in Anbar und anderswo gegen den IS zu kämpfen. So fiel auch Ramadi an den IS. Mehr noch: Die Rachemorde der Milizen (in ihrer Grausamkeit dem IS nicht unähnlich) und die jahrelange Marginalisierung durch die Regierung Nuri al-Malikis haben die Sunniten in die Arme des IS getrieben. Auch das hat den IS stark gemacht, genauso wie die US-Invasion im Irak. Nach Tikrit etwa können viele Sunniten nicht zurückkehren. Die Schiiten nutzen den Kampf gegen den IS als Vorwand für ethnische Vertreibungen in einst gemischt besiedelten Gebieten. Ziel der Schiiten - im Irak und in Iran - ist es, die Sunniten von der Macht fernzuhalten. In Syrien hat sich Machthaber Baschar al-Assad mit dem IS arrangiert - er konzentriert sich darauf, die gegen ihn kämpfenden Rebellen niederzuhalten. So hofft er, die Welt vor die Wahl zu stellen zwischen seinem Regime, das mindestens 180 000 der 250 000 Toten des Bürgerkriegs zu verantworten hat, und dem Islamischen Staat. Sein Ziel ist der Machterhalt. Russland und noch mehr Iran haben sich dieser Logik angeschlossen. Eine Allianz gegen den IS scheint unmöglich zu sein Es wird also eines gewaltigen Kraftaktes bedürfen, all diese Akteure in einer Front gegen den IS zu einen: Assad müsste sich mit den Rebellen verbünden, mithin an seinem eigenen Ende mitwirken. Man darf gespannt sein, ob Wladimir Putin gewillt und in der Lage ist, ihn dazu zu zwingen. Amerikaner und viel mehr noch die Saudis müssten die syrischen Rebellen in diese Allianz drängen - was nur gelingen wird, wenn man ihnen Assads Abgang glaubhaft in Aussicht stellen kann. Seine Bedeutung verliert Assad langsam auch für Russland, das 224 Menschen durch eine IS-Bombe verloren hat. Iran müsste in Bagdad auf die Einbindung der Sunniten hinwirken, Amerikaner und Russen gemeinsam Ankara disziplinieren. Das ist eine gewaltige Aufgabe, gegen die sich der Atomkompromiss mit Teheran wie ein Kinderspiel ausnimmt. Vielleicht ist nach Paris die Bereitschaft gestiegen, die Syrien-Gespräche von Wien mit neuer Kraft anzugehen. Man kann Hollande nur Glück und Ausdauer wünschen. Die Ausgangslage für sein Vorhaben aber ist so verworren wie schlecht.
https://www.sueddeutsche.de/politik/terrorismus-chaos-der-interessen-1.2750108
mlsum-de-77
Wie benutzt man ein Kondom? Wie sieht ein Penis aus? Das Portal Zanzu gibt in 13 Sprachen Nachhilfe.
Wo die Kinder herkommen? Weiß heute jedes Kind. Sollte man meinen. Doch während Aufklärung in den meisten westlichen Kulturen zur Schulbildung gehört, haben Menschen aus anderen Kulturkreisen oft keinen Zugang zu Informationen über sexuelle Gesundheit. Das gilt für Flüchtlinge, in deren Herkunftsländer Sexualkunde oft weder in der Schule noch in Gesellschaft oder Familie einen Platz hat, aber auch für Menschen, die schon länger in Deutschland leben. Nun gibt es Nachhilfe in Sachen Aufklärung: mit dem Online-Portal Zanzu. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat das ursprünglich in Belgien entwickelte Portal jetzt in Berlin vorgestellt. Die Website will die Menschen ansprechen, ohne ihre Gefühle zu verletzen, und das ist ein Spagat, der schon bei der Darstellung beginnt: Durch die Website führen Piktogramme, die eindeutig, aber auch nicht drastisch sein sollen. Ein aufeinanderliegendes Paar mit einem "Gefällt mir"-Daumen bedeutet zum Beispiel: guter Sex. Dasselbe Bild mit einem Geldschein-Icon heißt: Prostitution. Durch Anklicken kann man in 13 Sprachen - von Rumänisch über Arabisch bis hin zu Russisch und Albanisch - Informationen zu Körperwissen erhalten, zu Familienplanung und Schwangerschaft, zu Infektionen, Sexualität, Beziehungen und Gefühlen, aber auch zu Recht und Gesetz, etwa zur Pille auf Rezept. Bei Zanzu erfahren die Leser auch, wie ein erigierter Penis aussieht, wo sich das Jungfernhäutchen befindet und wie Selbstbefriedigung funktioniert. Dargestellt wird dies mit Hilfe von Illustrationen. Dass sich Nutzer brüskiert fühlen könnten, glaubt Christine Winkelmann, Referatsleiterin Prävention der BZgA, nicht. "Die Webseite richtet sich an Erwachsene, und um zu erklären, wie man ein Kondom anwendet, muss man nun mal einen Penis zeigen", sagt die Ärztin. Bilder seien eben die einzige Alternative zur Sprache, um komplexe Inhalte verständlich zu machen. Außerdem seien bei der Umsetzung kulturelle und religiöse Befindlichkeiten beachtet und mit Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen getestet worden, sagt Winkelmann. "Die Darstellungen wurden als angemessen empfunden, die Rückmeldungen von den Ärzten waren durchwegs positiv."
https://www.sueddeutsche.de/panorama/aufklaerung-sexualkunde-fuer-migranten-1.2881602
mlsum-de-78
Der Sprecher des Repräsentantenhauses ist einer der einflussreichsten Männer in Washington. Er räumt allerdings ein, dass Trump sich die Kandidatur "erarbeitet und verdient" habe.
Einer der mächtigsten Politiker der US-Republikaner, Paul Ryan, verweigert dem voraussichtlichen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump bis auf Weiteres die Gefolgschaft. Er sei der Meinung, dass Trump "zum jetzigen Zeitpunkt mehr tun muss, um die Partei zusammenzubringen", sagte der Speaker des US-Repräsentantenhauses. Ryan schloss in einem Interview des TV-Senders CNN aber nicht aus, die Kampagne des Immobilienmilliardärs zu einem späteren Zeitpunkt zu unterstützen. Er hoffe, dass er "dort hinkommen" werde, "das ist mein Ziel". Ryan sagte zwar, Trump habe sich die Kandidatur "erarbeitet und verdient". Doch reiche es nicht aus, wenn dieser sage, dass die Partei nun "vereint" sei. Er müsse sich die Prinzipien der Partei zu eigen machen "und einen Wahlkampf führen, auf den die Republikaner stolz sein können und der tatsächlich die Mehrheit der Amerikaner anspricht". Dies ist es, was gebraucht werde, um die Partei zusammenzuführen. Ryan ist als Sprecher des Repräsentantenhauses einer der mächtigsten Männer in Washington. In der Nachfolge des Präsidenten, sollte dieser kurzfristig wegen Tod, Krankheit oder aus anderen Gründen ersetzt werden müssen, steht er hinter dem Vizepräsidenten an zweiter Stelle. Die Bushs verweigern Trump Gefolgschaft Trump ist die Präsidentschaftskandidatur faktisch sicher, nachdem seine letzten verbliebenen Konkurrenten in den Vorwahlen in dieser Woche ausgestiegen sind. Der Quereinsteiger aus der Geschäftswelt hat angekündigt, dass er die Partei hinter sich vereinen wolle, nachdem in den vergangenen Monaten die Auseinandersetzung um die Kandidatur mit großer Verbissenheit und mit viel Polemik geführt worden war. Allerdings haben in den vergangenen Tagen schon mehrere prominente Republikaner dem Immobilienmogul die Gefolgschaft verweigert, darunter die früheren Präsidenten George Bush und George W. Bush.
https://www.sueddeutsche.de/politik/us-wahl-maechtiger-republikaner-ryan-distanziert-sich-von-trump-1.2981848
mlsum-de-79
Beim Weltcup in Ruhpolding gewinnt Martin Fourcade über 20 Kilometer. Die Deutschen beklagen allerlei Probleme.
Ohne Simon Schempp sind die deutschen Biathleten in Ruhpolding erneut leer ausgegangen. Im Einzel über 20 Kilometer war Benedikt Doll im anfänglichen Schneesturm bester Deutscher mit zwei Schießfehlern. Seinen fünften Saisonsieg sicherte sich der Gesamtweltcup-Führende Martin Fourcade aus Frankreich vor Simon Eder (Österreich) und Anton Schipulin (Russland), die alle nur eine Scheibe stehen ließen. "Die Bedingungen waren sehr schwierig, die Strecke war sehr lahm wegen des Schnees" sagte Doll nach dem Rennen. "Beim Schießen konnte ich mich gut zusammenreißen und bin mit zwei Fehlern durchgekommen. Das war, glaube ich, mein bestes Schießergebnis in diesem Winter." Lesser und Peiffer hadern mit dem Schießeregbnis Die Norm für die Weltmeisterschaft in Olso (3. bis 13. März) verpasste erneut Erik Lesser. Der Silbermedaillengewinner von Sotschi zeigte sich in der Loipe zwar verbessert, kam jedoch nach vier Schießfehlern nicht unter die besten 15. Immerhin gab sich Lesser zuversichtlich, bald weiter vorne ins Ziel zu kommen. "Ich schaffe es zur Zeit nicht, die Form im Wettkampf rüberzubringen", sagte er, freute sich aber über einen "bombenmäßigen Ski" und die drittbeste Laufzeit aller 103 Starter. Weniger Glück in der Loipe hatten dagegen die bei starkem Schneefall gestarteten Birnbacher und Peiffer. "Auf den ersten beiden Runden war ich chancenlos wegen des Schneefalls", sagte Birnbacher: "Mit der Trefferquote kann ich zufrieden sein, nur für ganz vorne reicht das eben nicht." Auch Peiffer haderte: "Ich habe mich ein bisschen verpokert. Nach der zweiten Runde habe ich gemerkt, dass die Strecke schneller wird. Aber auch drei Fehler waren einfach zu viel." Simon Schmepp muss sich nach seiner Erkältung weiter auskurieren Schempp hatte die Teilnahme in seiner Wahlheimat erst wenige Stunden vor dem Start abgesagt, nachdem er am Dienstag bereits auf das Training verzichten musste. Er wolle sich nach seiner Erkältung "zu 100 Prozent auskurieren", teilte der Deutsche Skiverband (DSV) mit. Der achtmalige Weltcupsieger hatte bereits in der Vorwoche in Ruhpolding pausieren müssen. Ob Schempp am Freitag in der Staffel oder am Samstag im Massenstart zum Einsatz kommt, ist offen. Es wären seine ersten Wettkämpfe im neuen Jahr. Durch seine Krankheit hat Schempp kaum noch Chancen auf den zunächst möglichen Gewinn des Gesamtweltcups. Am Donnerstag (14.15 Uhr/ZDF) starten die Frauen um Überfliegerin Laura Dahlmeier mit dem Einzel in die zweite Woche in den Chiemgauer Alpen. Die 22-Jährige aus Partenkirchen hatte zuletzt Verfolgung und Massenstart gewonnen und gehört auch in der Königsdisziplin über 15 km zu den großen Favoritinnen. Bis Sonntag stehen in Bayern bei Männern und Frauen jeweils noch Staffelrennen und Massenstarts auf dem Programm.
https://www.sueddeutsche.de/sport/biathlon-chancenlos-wegen-des-schneefalls-1.2817223
mlsum-de-80
Das traditionsreiche Spektakel Royal Ascot ist ein Riesengeschäft für Pferdezüchter, Wettanbieter, Hutmacher - und mittlerweile für ganz England.
Das Rennen Royal Ascot ist eine Leistungsschau für Pferdezüchter - und eine Bühne für die britische Upper Class. (im Bild Rod Stewart und seine Frau Penny Lancaster) Kein anderes Pferderennen in Europa zieht mehr Besucher an. Und bei keinem anderen Rennen ziehen sich die - weiblichen - Besucher derart extravagant an. Am Dienstag begann die fünftägige Rennserie Royal Ascot: Das alljährliche Spektakel in der Nähe von Schloss Windsor, dem Wohnsitz der Queen, ist nicht nur eine Leistungsschau für Pferdezüchter, sondern auch für Hutmacher. Auf den teuren Plätzen sind Hüte Pflicht, und Zuschauerinnen wetteifern gerne darum, wer die ausladendste Kopfbedeckung trägt. Vor allem am dritten Renntag, dem sogenannten Ladies Day, sind viele wagenradgroße oder himmelstürmende Kreationen auf den wohl frisierten Haaren zu bewundern. Jeden Renntag eröffnet die Royal Procession, die Ankunft der Königin in ihrer Kutsche. Alles sehr britisch und sehr traditionell. Und ein riesiges Geschäft. 2015 kamen 627 000 Besucher zur Pferde-Rennstrecke Eigner der 1711 gegründeten Pferde-Rennstrecke ist das Unternehmen Ascot Authority, und das berichtete zum Start der Veranstaltung über gute Zahlen für das abgelaufene Jahr. Die sind nötig, schließlich muss die Firma hohe Schulden zurückzahlen, nachdem sie vor zehn Jahren für viel Geld eine neue Tribüne gebaut hat. Doch weil es hier vorangeht, denkt Vorstandschef Guy Henderson sogar über eine weitere Groß-Investition am Rande der Rennstrecke nach: ein Luxus-Hotel mit 150 Zimmern. "Wir haben dafür Platz", sagt er. Allerdings brauche das Unternehmen einen Partner, denn alleine "können wir uns das im Moment nicht leisten". Nach dem Bau der Tribüne stand die Firma mit 150 Millionen Pfund Schulden da. Inzwischen sind es nur noch 95 Millionen Pfund, bei einem kräftig gestiegenen Gewinn vor Steuern von 4,4 Millionen Pfund oder 5,6 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr kamen 627 000 Besucher zur Strecke, die Rennwoche Royal Ascot steuerte mit 293 000 Gästen fast die Hälfte davon bei. Die reisen nicht nur wegen der Queen oder der interessanten Hüte an, sondern ebenso, weil bei Royal Ascot die schnellsten Pferde der Welt zu bestaunen sind. Das hohe Preisgeld von insgesamt umgerechnet 8,4 Millionen Euro lockt die besten Jockeys und Ställe. Das Geld wird vor allem fernab der Rennstrecke ausgegeben Neben den Besitzern edler Pferde und dem Veranstalter profitieren auch viele andere Unternehmen von der fünftägigen Sause. Die Berater von Deloitte haben in einer Studie berechnet, dass die Rennstrecke der Volkswirtschaft 177 Millionen Euro Umsatz im Jahr beschert. Das meiste davon stammt vom Wettbewerb Royal Ascot. Fast die Hälfte dieser 177 Millionen Euro wird nicht an der Strecke ausgegeben, sondern außerhalb: Besucher kaufen Bahntickets, um nach Ascot zu kommen, sie übernachten in Hotels und essen in Restaurants. Ein dicker Batzen fließt an Designer, Modegeschäfte, Anzugverleiher, Hutmacher, Friseure und Kosmetiksalons. Da nahezu alle Gäste von Royal Ascot Wetten abschließen, ist auch bei den Buchmachern viel los. Außerdem unterstützt die Rennstrecke die Wirtschaft durch die Gehälter ihrer Mitarbeiter. Während Royal Ascot seien an manchen Tagen mehr als 4500 Menschen auf dem Gelände tätig, etwa in den Restaurants, schreiben die Berater. Das Personal hat gut zu tun: Im Jahr 2014 vertilgten die Besucher der Rennwoche 2900 Hummer und tranken 56 000 Flaschen Champagner. Hummer, Schampus, schicke Hüte - da können die Rennen glatt zur Nebensache werden.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/royal-ascot-wie-ein-pferderennen-die-britische-wirtschaft-ankurbelt-1.3032799
mlsum-de-81
Paderborn feiert einen ungefährdeten 4:0-Sieg gegen den VfL Bochum. Tennisprofi Tommy Haas verliert das Viertelfinale beim ATP-Turnier in Toronto, auch Golfprofi Martin Kaymer scheidet bei der PGA Championship vorzeitig aus. Der italienische Fußball-Profi Emanuele Pesoli protestiert mit einem Hungerstreik gegen seine Sperre.
Detailansicht öffnen Mit Leichtigkeit zum Sieg: Paderborns Alban Meha freut sich über seinen Treffer zum 2:0 (Endstand 4:0) gegen den VfL Bochum. (Foto: dpa) Fußball, 2. Liga: Der SC Paderborn hat seine Rolle als Geheimfavorit der Liga bestätigt. Die Mannschaft von Trainer Stephan Schmidt setzte sich mit 4:0 (2:0) gegen den VfL Bochum durch und löste damit an der Tabellenspitze Energie Cottbus aufgrund des besseren Tordifferenz ab. Mario Vrancic (24., 50.), Alban Meha (40.) und Deniz Yilmaz (82.) sorgten für die erste Saison-Niederlage der Bochumer, die dadurch den Sprung auf den ersten Platz verpassten. Am Freitag hatte Erstliga-Absteiger 1. FC Kaiserslautern gegen Neuling VfR Aalen seinen ersten Saisonsieg geholt. Die Pfälzer gewannen am Freitagabend zum Auftakt des zweiten Spieltages auswärts 2:1 (2:1). Der 1. FC Köln enttäuschte nach seiner Auftaktniederlage erneut und kam daheim gegen den SV Sandhausen nicht über ein 1:1 (0:0) hinaus. Einen klaren Heimsieg schaffte dagegen Energie Cottbus im Ost-Derby gegen Erzgebirge Aue. Daniel Adlung (22./33./Foulelfmeter/Nachschuss) und Neuzugang Boubacar Sanogo (54.) trafen zum 3:0 (2:0)-Erfolg. Sandhausen wehrte sich gegen Köln überraschend lange. Die Kölner profitierten Mitte der zweiten Halbzeit von einem Strafstoß, den Thomas Bröker verwandelte (63.). Joker Regis Dorn (89.) glich für den Aufsteiger kurz vor Schluss verdient aus. Etwas mehr los war in Aalen, wo der ehemalige Nürnberger Albert Bunjaku Lautern mit seinen beiden Treffern (17., Foulelfmeter/45.) drei Punkte sicherte. Tennis, ATP: Tommy Haas ist beim ATP-Turnier in Toronto im Viertelfinale an Vorjahressieger Novak Djokovic gescheitert. Der Hamburger verlangte dem Zweiten der Tennis-Weltrangliste einiges ab, nach fast zweieinhalb Stunden stand es aber 3:6, 6:3 und 3:6. Auch der Augsburger Philipp Kohlschreiber ist in der kanadischen Metropole ausgeschieden. Die deutsche Nummer eins unterlag im Achtelfinale John Isner (USA/Nr. 8) 7:6 (7:3), 4:6, 4:6. Der Turnierplan war durch heftige Regenfälle durcheinandergewirbelt worden. Sie führten dazu, dass sowohl Haas und auch Djokovic am Freitag (Ortszeit) zwei Partien binnen weniger Stunden absolvieren mussten. Im Achtelfinale hatte sich Haas nach dem Verlust des ersten Satzes recht klar mit 2:6, 6:4 und 6:1 gegen den Tschechen Radek Stepanek durchgesetzt. Djokovic hatte in seinem ersten Spiel des Tages den US-Amerikaner Sam Querrey 6:4, 6:4 geschlagen. Für den Sieg brauchte er nur 65 Minuten. Im Halbfinale trifft der "Djoker" nun auf seinen an Nummer fünf gesetzten Landsmann Janko Tipsarevic. Im zweiten Halbfinale stehen sich Richard Gasquet (Frankreich/Nr. 14) und Isner gegenüber. Golf, Major: Golfprofi Martin Kaymer ist bei der PGA Championship vorzeitig ausgeschieden. Wie schon bei der British Open blieb Deutschlands Nummer eins auch am Freitag (Ortszeit) beim vierten Major-Turnier des Jahres auf dem Par 72-Kurs von Kiawah Island im US-Bundesstaat South Carolina klar über dem Platzstandard. Er kam nach 36 gespielten Löchern mit einem Gesamtergebnis von 158 Schlägen (79, 79) und 14 über Par in das Klubhaus. Dies bedeutete nach zwei Runden den enttäuschenden 130. Platz für den ehemaligen Weltranglistenersten. Durch das schwache Ergebnis bei dem Turnier, das er vor zwei Jahren noch gewinnen konnte, muss Kaymer auch um seine Teilnahme am Ryder Cup Ende September bangen. Marcel Siem verbesserte sich durch seine Runde von 73 Schlägen zum Vortag dagegen um 30 Plätze und liegt nach zwei absolvierten Runden mit insgesamt 145 Schlägen (72, 73) und einem Schlag über Platzstandard vor den beiden Schlussrunden auf dem geteilten 15. Platz. Fußball, Sperre Emanuele Pesoli: Fußball-Profi Emanuele Pesoli ist in den Hungerstreik getreten und hat sich in Rom an die Tore des italienischen Verbandes (FIGC) gekettet. Im aktuellen Wettskandal hatte der FIGC den 31-Jährigen für drei Jahre gesperrt. "Es ist ein harter Protest, aber sie ruinieren mein Leben für etwas, das ich nicht getan habe", sagte Pesoli der Internetseite der Sportzeitung Gazzetta dello Sport. Der Italiener kündigte an: "Ich werde hierbleiben, bis ich nicht mehr kann." Pesoli war am Freitag gesperrt worden, weil er in seiner Zeit beim AC Siena an Spielabsprachen beteiligt gewesen sein soll. Neben ihm wurden eine Reihe weiterer Spieler, Trainer, Funktionäre und Vereine bestraft. Am 20. August soll die Berufungsverhandlung vor dem Bundesgericht des italienischen Fußball-Verbands FIGC in Rom beginnen. Pesoli steht inzwischen bei Hellas Verona in der zweiten Liga unter Vertrag. Er habe Zweifel an den Aussagen anderer Spieler, die ihn belasten. Fußball, Sperre Antonio Conte: Juventus Turin will Einspruch gegen die zehnmonatige Sperre einreichen, zu der Trainer Antonio Conte am Freitag im italienischen Wett- und Manipulationsskandal verurteilt worden ist. "Conte hat unserer Ansicht nach mit diesem Skandal nichts zu tun. Wir hoffen, dass Conte bis zum 10. September, nach der dritten Instanz, wieder auf unserer Trainerbank sitzen wird", sagte Juve-Sportdirektor Giuseppe Marotta. Er dementierte zugleich Meldungen, nach denen sich der Klub wegen der Sperre von Conte trennen würde. Conte war vor rund drei Monaten von einem verhafteten Profi beschuldigt worden, 2011 als Trainer des AC Siena über Spielabsprachen informiert gewesen zu sein und seine Kenntnisse nicht gemeldet zu haben. Er wurde jedoch vom Verdacht des Betrugs befreit. Der Erfolgstrainer hatte alle Vorwürfe bestritten. Italiens Nationalspieler und Juve-Verteidiger Leonardo Bonucci war freigesprochen worden. Basketball, NBA: Die Los Angeles Lakers haben Center Dwight Howard verpflichtet. Der Koloss wechselt innerhalb eines Mega-Deals, bei dem vier Teams untereinander zwölf Spieler tauschen, von den Orlando Magic zum 16-maligen Meister. Neben L.A. und Orlando sind die Philadelphia 76ers und die Denver Nuggets am komplizierten Trade beteiligt. Unter anderem macht Andrew Bynum bei den Lakers Platz für Howard und wechselt zu den Sixers. Philadelphia reicht Andre Iguodala, der derzeit bei Olympia für die USA im Einsatz ist, an Denver weiter. Howard, der dem US-Team bei den Spielen in London wegen eines Bandscheibenvorfalls fehlt, war schon im vergangenen Sommer ein großes Thema auf dem Transfermarkt. Auch die Dallas Mavericks, Team des deutschen Basketballstars Dirk Nowitzki, waren am 2,11-m-Riesen interessiert. Doch der 26-jährige Howard, sechsmaliger Allstar und einer der besten Verteidiger der Liga, blieb bei den Magic. Jetzt zieht der Olympiasieger von Peking doch weiter und versucht sein Glück an der Westküste. Fifa, bin Hammam: Der juristische Kampf der Fifa gegen ihren ehemaligen Funktionär Mohamed bin Hammam geht weiter. Der Fußball-Weltverband gab am Freitag bekannt, dass der Vorsitzende der Ethikkommission, Michael Garcia, gegen bin Hammam offiziell ein Verfahren eröffnet hat. Der Katarer war zuletzt für 90 Tage provisorisch gesperrt, nachdem der Internationale Sportgerichtshof Cas die lebenslange Sperre der Fifa gegen den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten aufgehoben hatte. Bin Hammam war 2011 von der FIFA auf Lebenszeit ausgeschlossen worden. Das Exekutivkomitee des Verbands hatte es als erwiesen angesehen, dass er während seiner Kandidatur versucht hatte, Funktionäre des Karibischen Fußball-Verbandes (CFU) in Trinidad und Tobago mit Geschenken in Höhe von 40.000 Dollar zu bestechen.
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Ankara hat Baden-Württemberg aufgefordert, Gülen-nahe Einrichtungen zu überprüfen. "Das werden wir selbstverständlich nicht machen", sagt der grüne Ministerpräsident.
"Hier sollen Leute auf irgendeinen Verdacht hin grundlos verfolgt und diskriminiert werden", sagt der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Zuvor hatte die türkische Regierung ihn aufgefordert, Gülen-nahe Einrichtungen zu überprüfen. Der Brief habe ihn "in höchstem Maße befremdet", sagt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. In dem Schreiben fordert das türkische Generalkonsulat in Stuttgart die Landesregierung auf, Vereine, Einrichtungen und Schulen zu überprüfen, die nach Meinung der türkischen Regierung von der Gülen-Bewegung betrieben werden. Das sagte Kretschmann der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Selbstverständlich werde man genau das nicht machen, sagte Kretschmann. "Hier sollen Leute auf irgendeinen Verdacht hin grundlos verfolgt oder diskriminiert werden." Er habe bisher keine Belege dafür gesehen, dass die Gülen-Bewegung für den Putsch in der Türkei verantwortlich sei. Vielmehr bezeichnete er das Schreiben als einen Versuch seitens der türkischen Regierung, in unzulässiger Weise Einfluss in Deutschland nehmen zu wollen. Die Türkei fordert die Auslieferung von Juristen, die Gülen nahestehen Bereits am Donnerstag hatte der Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu im türkischen Fernsehen die Auslieferung von türkischen Richtern und Staatsanwälten verlangt, die dem islamischen Prediger Fethullah Gülen nahestehen sollen. Gülen wird von Ankara für den gescheiterten Militärputsch in der Türkei verantwortlich gemacht. "Deutschland muss die Richter und Staatsanwälte dieses Parallelstaates ausliefern", sagte Çavuşoğlu am Donnerstag dem Sender CNN Türk. Die Bundesregierung ist aber offenbar nur mit zwei Fällen befasst. Aus Berliner Regierungskreisen hieß es, es lägen "keine Erkenntnisse" dazu vor, dass sich "die beiden Staatsanwälte tatsächlich in Deutschland aufhalten". Auslieferungsverfahren gestalten sich in der Regel langwierig. Das Ersuchen wird auf diplomatischem Weg gestellt und landet beim Auswärtigen Amt. Dann werden die Unterlagen an die Justizbehörden und vom zuständigen Landesjustizministerium an die zuständige Generalstaatsanwaltschaft weitergeleitet. Voraussetzung einer Auslieferung eines nichtdeutschen Staatsangehörigen ist, dass die Auslieferung vom Oberlandesgericht für zulässig gehalten und vom Bundesamt für Justiz im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt bewilligt wird. Die türkische Staatsführung unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan bezeichnet die Gülen-Bewegung als "Parallelstaat". Der Prediger lebt seit 1999 in den USA im Exil. Die Türkei fordert von den USA die Auslieferung Gülens. Der 75-Jährige bestreitet eine Verwicklung in den Umsturzversuch vom 15. Juli und forderte die US-Regierung auf, sich dem Auslieferungsgesuch zu widersetzen. Çavuşoğlu sagte, die Beziehungen zwischen der Türkei und den USA würden "beeinträchtigt", wenn diese Gülen nicht auslieferten.
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Die internationale Organisation erhalte die Auszeichnung für "ihre Arbeit, Aufmerksamkeit auf die katastrophalen humanitären Konsequenzen von Atomwaffen zu lenken", begründet das Nobelkomitee seine Entscheidung in Oslo.
Große Freude in der Organisation Internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung , die ihren Sitz in Genf hat. Rechts: die Generalsekretärin von Ican, Beatrice Fihn Der Friedensnobelpreis 2017 geht an die Internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (Ican). Das gab das norwegische Nobelkomitee am Freitag in Oslo bekannt. Die Jury hatte sich in diesem Jahr unter 318 Anwärtern entscheiden müssen - 215 Personen und 103 Organisationen waren für den Preis vorgeschlagen, darunter auch Kanzlerin Angela Merkel. Ican wurde 2007 in Wien gegründet und hat ihren Sitz in Genf. Generalsekretärin ist die 34-jährige Schwedin Beatrice Fihn. Ihr Büro besteht nur aus vier Leuten, diese sind alle unter 35 Jahre alt. Das Bündnis selbst ist deutlich größer und fußt auf 450 Friedensgruppen und Organisationen. Die Organisation erhalte die Auszeichnung für "ihre Arbeit, Aufmerksamkeit auf die katastrophalen humanitären Konsequenzen von Atomwaffen zu lenken", wie das Komitee mitteilte. Ican habe sich bahnbrechend um ein vertragliches Verbot solcher Waffe bemüht. Der diesjährige Friedensnobelpreis sei auch ein Aufruf an alle Atommächte, "ernsthafte Verhandlungen" mit dem Ziel einer schrittweisen und "sorgfältig überprüften Vernichtung" der fast 15 000 Atomwaffen in der Welt zu beginnen, sagte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen. "Wir leben in einer Welt, in der das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes größer ist als seit langer Zeit", sagte sie. Generalsekretärin Finh zeigte sich überwältigt: "Wir bekamen den Anruf nur ein paar Minuten vor der offiziellen Verkündung", sagte sie vor ihrem Büro in Genf. "Wir waren schockiert, dann haben wir gekichert und einen Moment gedacht, der Anruf war vielleicht ein Scherz." Sie seien zutiefst dankbar, sagte Fihn. Zuletzt hatte Nordkorea mit Atomtests massive Kritik auf sich gezogen. 2015 dagegen wurde der Abschluss des Atomabkommens mit Iran international als Erfolg gefeiert. US-Präsident Donald Trump zieht die Vereinbarung allerdings in Zweifel. Vor zehn Jahren kamen die vielen Gründergruppen von Ican zusammen, um sich gemeinsam für einen Vertrag gegen Atomwaffen einzusetzen. Treibende Kraft waren nicht Regierungen, sondern Zehntausende Aktivisten in mehr als 100 Ländern. Im Juli 2017 wurde das Vertragswerk unterzeichnet. Es verbietet Herstellung, Besitz, Einsatz und Lagerung von Atomwaffen und kam gegen den Widerstand der Atommächte und den mit ihnen verbündeten Staaten zustande, darunter auch Deutschland. Der Friedensnobelpreis gilt als wichtigste politische Auszeichnung der Welt. Ins Leben rief ihn der schwedische Dynamit-Erfinder Alfred Nobel. Er beauftragte das norwegische Parlament in seinem Testament, jährlich bis zu drei Persönlichkeiten oder Organisationen für ihre Verdienste um die Menschheit zu ehren. Ausgezeichnet werden soll, wer "am meisten oder besten für die Verbrüderung der Völker gewirkt hat, für die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie für die Bildung und Verbreitung von Friedenskongressen". Seit 1960 werden auch der Einsatz für Menschenrechte und seit 2004 das Engagement für die Umwelt geehrt. In einer Reihe mit Obama, King, Mutter Teresa und Mandela Die Auszeichnung für Frieden wird als einziger der fünf Nobelpreise im norwegischen Oslo statt in Schwedens Hauptstadt Stockholm vergeben. Die Preisträger werden im Oktober bekannt gegeben, erhalten ihre Medaille und Urkunde aber erst am Todestag Nobels, dem 10. Dezember. Dazu gibt es ein Preisgeld von derzeit neun Millionen schwedischen Kronen (etwa 940 000 Euro). Das Preisgeld war in diesem Jahr um eine Million schwedische Kronen erhöht worden. Einige der bekanntesten Preisträger sind Barack Obama (2009), Martin Luther King (1964), Mutter Teresa (1979), Nelson Mandela (1993), Willy Brandt (1971) und Michail Gorbatschow (1990). Im vergangenen Jahr ging die Auszeichung an den kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos für den Friedensprozess mit der Farc-Guerilla.
https://www.sueddeutsche.de/politik/oslo-friedensnobelpreis-fuer-internationale-kampagne-zur-atomaren-abruestung-1.3697123
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Aus gegen Ferrer: Tommy Haas hat den Einzug ins Viertelfinale von Madrid in einem umkämpften Dreisatz-Match verpasst. Eindhoven verliert das niederländische Pokalfinale gegen AZ Alkmaar. Savio Nsereko ist bei Viktoria Köln nach fünf Monaten schon wieder beurlaubt worden.
Tennis: Tommy Haas ist im Achtelfinale des ATP-World-Series-Turniers in Madrid nach großem Kampf ausgeschieden. Vier Tage nach seinem Turniersieg in München verlor der 35-Jährige bei der mit 4,3 Millionen Euro dotierten Sandplatzveranstaltung mit 5:7, 6:4, 4:6 gegen den Spanier David Ferrer. Damit verließ Haas auch im vierten Aufeinandertreffen gegen seinen Angstgegner als Verlierer den Platz. Nach 2:10 Stunden verwandelte Ferrer seinen zweiten Matchball. Frühzeitig gescheitert ist in der spanischen Hauptstadt auch Roger Federer. Der an Nummer zwei gesetzte Schweizer unterlag im Achtelfinale Kei Nishikori aus Japan mit 4:6, 6:1, 2:6. FSV Mainz 05: Fußball-Bundesligist FSV Mainz 05 trennt sich am Saisonende von Mittelfeldspieler Marco Caligiuri und Rechtsverteidiger Radoslav Zabavnik. "Sie sind wesentliche Bestandteile unsere Mannschaft. Es ist wahrscheinlich, dass beide am Samstag (gegen Borussia Dortmund) beginnen. Trotzdem planen wir die Zukunft ohne sie", sagte Trainer Thomas Tuchel am Donnerstag. Auch Jan Kirchhoff, der zu Bayern München wechselt, Andreas Ivanschitz und Ivan Klasnic werden vor dem letzten Heimspiel der Saison verabschiedet. "Es waren auch menschlich schmerzhafte Entscheidungen, wir haben uns aber entschieden, in dem einen oder anderen Fall Veränderungen vorzunehmen" sagte Manager Christian Heidel. Viktoria Köln, Savio Nsereko: Der ehemalige U19-Europameister und Spieler des TSV 1860 München, Savio Nsereko, ist beim Fußball-Regionalligisten Viktoria Köln nach fünf Monaten schon wieder beurlaubt worden. Das berichten die Bild-Zeitung und der Kölner Express. "Klar ist, dass Savio enorme Probleme hat", sagte Viktoria-Boss Franz-Josef Wernze dem Express: "Seelisch und finanziell. Wir haben ihm deshalb eine Auszeit empfohlen. Er ist zu seiner Mutter gereist, um sich professionelle Hilfe zu holen." Wernze deutete vor allem große Schulden beim 23-Jährigen an, der nach seiner Wahl als bester Spieler der U19-EM 2008 für 11 Millionen Euro von Brescia Calcio zu West Ham United gewechselt war. "Er tut alles, damit keine positive Entwicklung zustande kommt. Dabei kann er als normaler Arbeitnehmer seine Schulden nie abbezahlen. Die Verbindlichkeiten erdrücken ihn", sagte der Mäzen, schloss aber eine Rückkehr zur Viktoria nicht aus. Wenn Nsereko professionelle Hilfe in Anspruch nehme, "ist die Tür für ihn wieder offen. Sein Vertrag läuft dann noch bis 2014." Für die Viktoria kam der einst als Ausnahmetalent gepriesene Nsereko nur zu drei Einsätzen. Zuletzt war er wegen einer Roten Karte gesperrt. Pokalfinale, Niederlande: Der langjährige Bayern-Kapitän Mark van Bommel und der frühere Bundesliga-Trainer Dick Advocaat haben mit der PSV Eindhoven die erfolgreiche Titelverteidigung des niederländischen Fußball-Pokals verpasst. Im Endspiel in Rotterdam verlor Eindhoven überraschend mit 1:2 (1:2) gegen AZ Alkmaar und verpasste den zehnten Cup-Sieg. Alkmaar feierte dagegen den insgesamt vierten Cup-Sieg und den ersten seit 31 Jahren. Adam Maher (12.) und Jozy Altidore (12.) hatten AZ mit einem Doppelschlag früh auf die die Siegerstraße gebracht. Eindhoven machte nach dem Anschlusstreffer durch Jürgen Locadia (31.) Dauerdruck, hatte aber unter anderem bei einem Pfostenschuss von Jeremain Lens zwei Minuten vor dem Ende Pech. Van Bommel, der beim Pokalsieg im Vorjahr noch nicht zum Team gehörte, spielte von 2006 bis 2011 für den deutschen Rekordmeister Bayern München und stand in Rotterdam 90 Minuten auf dem Platz. PSV-Trainer Advocaat hatte in der Saison 2004/05 Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga trainiert und verpasste nun seinen 16. Titel als Coach. Den Pokalsieg im Vorjahr hatte Philip Cocu als Interimstrainer gefeiert. Er hatte im März den Ex-Schalker Fred Rutten abgelöst und leitet heute die Jugend-Akademie in Eindhoven. Eishockey-WM: Mit einem historischen Sieg über Russland hat Frankreich für die erste Sensation bei dieser Eishockey-WM gesorgt. Der krasse Außenseiter gewann gegen den Rekordchampion mit 2:1 und feierte damit den allerersten Sieg gegen die "Sbornaja" überhaupt bei einer WM oder bei Olympia. "Vielleicht wenn ich 60 Jahre alt bin, werde ich meinen Enkeln erzählen, dass ich Kapitän der Mannschaft war, die Russland bei der Weltmeisterschaft geschlagen hat", meinte Vincent Bachet. "Das ist was ganz Besonderes." Die Franzosen beendeten zugleich auch die Siegesserie des Titelverteidigers, der zuvor 13 WM-Partien in Serie gewonnen hatte. Die sehr überheblich spielenden Russen waren zwar durch Alexander Pereschogin in Führung gegangen (27. Minute), doch Damien Fleury (30.) und NHL-Profi Antoine Roussel (37.) drehten die Partie. Über sich hinaus wuchs vor allem Frankreich-Goalie Florian Hardy. In der Tabelle zog Frankreich mit nun sechs Zählern an der deutschen Mannschaft vorbei auf Rang fünf. Die beiden Teams stehen sich am letzten Vorrundenspieltag (Dienstag/15.15 Uhr) gegenüber - möglicherweise im entscheidenden Match um den Einzug ins WM-Viertelfinale. Für noch mehr Spannung in der Helsinki-Gruppe sorgte am Abend Lettland, das die Slowakei dank eines Dreierpacks von Kapitän Lauris Darzins überraschend mit 5:3 bezwang. Co-Gastgeber Schweden hat derweil die zweite Niederlage bei diesem Turnier kassiert. Im Spitzenspiel in Stockholm unterlagen die "Tre Kronor" den Kanadiern mit 0:3 und verpassten auch den vorläufigen Sprung auf Tabellenrang eins, den nach wie die Schweiz innehat. Steven Stamkos, Luke Schenn und Jordan Staal trafen für Team Canada. Davor hatte Tschechien die Dänen 2:1 nach Penaltyschießen geschlagen. Golf, Ponte Vedra: Der Amerikaner Roberto Castro hat bei seiner Premiere bei der hochklassigen Players Championship in Florida den Platzrekord eingestellt. Der Golfprofi spielte am Donnerstag auf dem schwierigen Par-72-Kurs in Ponte Vedra Beach eine exzellente 63er Runde. Auch der Weltranglisten-Zweite Rory McIlroy aus Nordirland spielte eine hervorragende 66 und blieb damit erstmals unter Par bei dem mit 9,5 Millionen Dollar dotierten Turnier. Für Deutschlands Golfstar Martin Kaymer ging es beim fünften Major im Golfclub TPC Sawgrass mäßig los. Mit Bogeys an der zehnten und 18. Bahn und einem Doppel-Bogey an der 13 lag der Nachmittagsstarter schon nach neun Löcher vier Schläge über Par abgeschlagen am Ende des Leaderboards. Im Vorjahr war der 28-Jährige aus Mettmann 15. bei dem Traditionsturnier am Sitz der amerikanischen Tour PGA geworden. Der Weltranglisten-Erste Tiger Woods lag nach der Hälfte des ersten Durchgangs auf dem Stadium Course zwei unter Par. Badminton: Die SG Empor Brandenburger Tor (EBT) hat am Donnerstag zum dritten Mal in Serie die deutsche Badminton-Meisterschaft gewonnen. In der Neuauflage des Vorjahresfinales gegen den 1. BC Bischmisheim schaffte der Titelverteidiger vor 1300 Zuschauern im Berliner Sportforum ein 4:1. Für die Punkte der Gastgeber sorgten die jüngst zu Europas Spielerin 2012 gekürte Juliane Schenk im Damen-Einzel, Schenk/Lotte Jonathans im Damen-Doppel, das überraschend starke Herrendoppel Robert Blair/Jacco Ahrends gegen die Favoriten Fuchs/Schöttler und der Däne Kenneth Jonassen im zweiten Herren-Einzel. Für den Ehrenpunkt der Saarländer sorgte Dieter Domke gegen Kestitus Navickas. Zum abschließenden Mixed traten die Gäste nicht mehr an. Mit dem souveränen Finalerfolg beendete EBT die Saison ungeschlagen, nachdem die Berliner bereits die Hauptrunde mit 12 Siegen und 6 Remis auf Platz eins abgeschlossen hatten. Teammanager Manfred Kehrberg kündigte an, dass die Mannschaft auch in der kommenden Saison in nahezu unveränderter Besetzung zusammenbleiben wird. Bei den Frauen hat die SG EBT Berlin um Deutschlands beste Badmintonspielerin Juliane Schenk zum dritten Mal in Folge die deutsche Mannschaftsmeisterschaft gewonnen. Der Titelverteidiger setzte sich in der Neuauflage des Vorjahresfinales in Berlin mit 4:1 gegen den 1. BC Saarbrücken-Bischmisheim durch. Während es für die Berliner der dritte Triumph in der Vereinsgeschichte war, verpasste der frühere Serienmeister Bischmisheim (2006 bis 2010) seinen sechsten Finalerfolg. Basketball, Playoffs: Die Telekom Baskets Bonn haben im Viertelfinale gegen die EWE Baskets Oldenburg den Ausgleich geschafft. Die Rheinländer setzten sich am Donnerstag in eigener Halle gegen den Tabellenzweiten der Hauptrunde mit 88:80 (49:34) durch und dürfen damit weiter auf den Einzug ins Playoff-Halbfinale hoffen. Vor 6000 Zuschauern im ausverkauften Telekom Dome lagen die Gastgeber über die gesamte Spieldauer vorne und feierten im zweiten Spiel der "Best-of-Five"-Serie den ersten Sieg. Bester Schütze bei Bonn war Kyle Weems mit 15 Punkten, bei Oldenburg kam Robin Smeulders auf 19 Zähler. Spiel drei findet am Samstag in Oldenburg statt. Den Basketballern von Phoenix Hagen ist zuvor gegen den deutschen Meister Brose Baskets Bamberg eine faustdicke Überraschung gelungen. In Spiel zwei der best-of-five-Serie lieferte sich der Underdog ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Hauptrunden-Ersten und feierte am Ende einen verdienten 95:89 (46:51)-Sieg. Vor dem dritten Spiel in Bamberg am Sonntag (19.30 Uhr) glich Hagen damit zum 1:1 aus. Die Gastgeber starteten von Beginn an mutig gegen den Favoriten, der überragende Adam Hess führte den Hauptrunden-Achten mit drei Drei-Punkte-Würfen zur 23:20-Führung nach zehn Minuten. Bamberg übernahm danach durch Bostjan Nachbar (insgesamt 19 Punkte) und Anton Gavel (21) zwar das Zepter, konnte Hagen jedoch nicht entscheidend abschütteln. Der Hauptrunden-Achte schien aus Spiel eins (74:99) gelernt zu haben, in dem das Team von Trainer Ingo Freyer lange mit Bamberg mitgehalten hatte, im letzten Viertel jedoch total eingebrochen war. Hagen drehte nochmals auf und übernahm ab Ende des dritten Viertels dank Davin White (11) und David Bell (14) erneut die Führung, die Dorris Mark mit einem Dunking drei Sekunden vor Schluss krönte. "Ich bin sehr zufrieden und stolz auf unsere Mannschaft. Die anderen Teams denken immer, wir haben keine Verteidigung, aber das stimmt nicht", sagte Forward Adam Hess, mit insgesamt 28 Punkten Mann des Spiels. "Das nächste Spiel in Bamberg wird trotzdem schwer. Für die Trainer wird das ein bisschen wie Schach", sagte der 32 Jahre alte Amerikaner mit Blick auf die dritte Partie der Serie, die durch das 1:1 mindestens bis zur vierten Partie gehen wird. Primera División: Real Madrid hat in der spanischen Primera Division eine vorzeitige Meisterfeier des Erzrivalen FC Barcelona verhindert. In einer vorgezogenen Begegnung des 36. Spieltages besiegte das Team um die deutschen Nationalspieler Mesut Özil und Sami Khedira den FC Malaga mit 6:2 (4:2) und verkürzte den Rückstand auf Spitzenreiter Barca auf vorerst acht Punkte. Die Katalanen (88 Punkte) können damit erst mit einem Sieg bei Atletico Mardrid am kommenden Sonntag die 22. Meisterschaft perfekt machen. Überschattet wurde Madrids Erfolg allerdings von einer Verletzung Özils, der in der 82. Minute mit Verdacht auf eine Knöchelverletzung vom Feld getragen wurde. Die Madrilenen, bei denen Khedira nicht im Kader stand, gingen nach dem Treffer von Karim Benzema (45.) mit einer beruhigenden Führung in die Pause. Zuvor hatten Raul Albiol (3.), Superstar Cristiano Ronaldo (26.), der kurz zuvor einen Elfmeter verschoss, sowie Özil (33.) für die Königlichen getroffen. Für Malaga, das nach der Roten Karte für Sergio Sanchez (21.) zunächst nur noch mit zehn Mann auf dem Platz stand, trafen der frühere Münchner Roque Santa Cruz und Abwehrspieler Antunes. Im zweiten Durchgang erhöhte der Kroate Luka Modric (63.), ehe der eingewechselte Angel di Maria zum Endstand traf (90.). Zuvor hatte Malaga durch die Gelb-Rote Karte des frühren Bayern-Profis Martin Demichelis einen weiteren Spieler verloren. Atletico Mardrid, das am 17. Mai im spanischen Pokalfinale auf den Lokalrivalen Real trifft, sicherte sich durch ein 3:1 (0:0) bei Celta Vigo Rang drei, der die direkte Qualifikation zur Champions League garantiert. Tennis, Sabine Lisicki: Sabine Lisicki ist beim WTA-Turnier in Madrid im Achtelfinale ausgeschieden. Die 23 Jahre alte Tennisspielerin aus Berlin musste sich am Donnerstag der Russin Maria Scharapowa mit 2:6, 5:7 geschlagen geben. Lisicki zeigte gegen die Weltranglisten-Zweite zwar vor allem im zweiten Satz eine couragierte Leistung, doch am Ende verlor sie im sechsten Vergleich zum fünften Mal. Der bislang einzige Sieg gegen Scharapowa gelang der deutschen Fed-Cup-Spielerin im vergangenen Jahr im Achtelfinale von Wimbledon. Damit ist Angelique Kerber die letzte verbliebene deutsche Spielerin bei der Sandplatz-Veranstaltung in der spanischen Hauptstadt. Die Weltranglisten-Sechste aus Kiel trifft an diesem Freitag im Viertelfinale auf die Serbin Ana Ivanovic. "Ich muss von Anfang an da sein und versuchen, mein Spiel zu finden", sagte Kerber nach ihrem hart erkämpften Dreisatz-Sieg gegen Swetlana Kusnezowa am Mittwoch. Gegen Ivanovic hatte die deutsche Nummer eins im Fed Cup Ende April noch knapp verloren. VfB Stuttgart, Marco Rojas: Fußball-Bundesligist VfB Stuttgart hat Angreifer Marco Rojas vom australischen Erstligisten Melbourne Victory als weiteren Neuzugang verpflichtet. Der 21 Jahre alte Neuseeländer mit chilenischen Wurzeln unterschrieb bei den Schwaben einen Vertrag bis 2017. Rojas ist ablösefrei. "Marco wurde gerade erst zum Spieler des Jahres in Australien gewählt. Er ist ein Spieler, der auf den offensiven Außenpositionen gut einsetzbar ist und durch seine Schnelligkeit besticht", sagt Sportvorstand Fredi Bobic über den nur 1,68 m großen Angreifer. Für die neue Saison hat der VfB bereits Torhüter Thorsten Kirschbaum (Energie Cottbus), Sercan Sararer (SpVgg Greuther Fürth) und Konstantin Rausch (Hannover 96) verpflichtet. Serie A: Miroslav Klose ging nach seinem spektakulären Fünferpack gegen den FC Bologna am Mittwoch leer aus, dennoch hält Lazio Rom weiter Kurs in Richtung Europa-League-Qualifikation. Die Römer gewannen bei Ex-Meister Inter Mailand 3:1 (2:1). Zwei Spieltage vor Saisonende hat Lazio auf Rang sieben weiter zwei Zähler Rückstand auf den Fünften Udinese Calcio, der nach jetzigem Stand für die Europa League qualifiziert wäre. Udine gewann 3:2 (1:1) bei US Palermo. Klose kam drei Tage, nachdem er beim 6:0 gegen Bologna fünf Treffer erzielt hatte, in 90 Minuten zwar nicht zum Torerfolg, dennoch hielt sein Team den Verfolger Inter auf Distanz. Ricardo Alvarez (33.) glich zunächst die Lazio-Führung durch Sergio Floccari (22.) aus, Hernanes (45.) und Ogenyi Onazi (76.) sicherten den Gästen den Sieg. Derweil gab sich auch Juventus Turin als neuer und alter Meister keine Blöße. Nach dem Titelgewinn am Sonntag siegte der Rekordchampion auch bei Atalanta Bergamo 1:0 (1:0). Das Tor erzielte Alessandro Matri (18.). Der SSC Neapel sicherte sich durch ein 3:0 (0:0) beim FC Bologna die Vizemeisterschaft und den damit verbundenen direkten Startplatz für die Champions League. Im Rennen um den Qualifikationsrang für die Königsklasse hat der AC Mailand die Nase vorn. Bei Absteiger Delfino Pescara siegten die Rossoneri 4:0 (2:0) und haben weiter vier Punkte Vorsprung auf Verfolger AC Florenz, der 1:0 (1:0) beim AC Siena gewann. Nationalstürmer Mario Balotelli leitete Milans Erfolg per Foulelfmeter früh ein und erhöhte im zweiten Durchgang zum Endstand (9./57.). Die weiteren Treffer erzielten Sulley Ali Muntari (33.) und Mathieu Flamini (51.). Pokal, Frankreich: Der abstiegsgefährdete französische Fußball-Erstligist FC Evian TG ist nach dem Viertelfinalcoup gegen Paris St. Germain auch erstmals ins Pokalfinale eingezogen. Beim 4:0-Halbfinalsieg gegen den Ligakonkurrenten FC Lorient sorgten Milos Ninkovic (10.), Yannick Sagbo (20.) und Kevin Berigaud (33.) bereits vor der Halbzeit für die Vorentscheidung, Najib Baouia (88.) erhöhte kurz vor dem Abpfiff. Zuvor hatte der Abstiegskandidat Evian bereits das PSG-Starensemble um Zlatan Ibrahimovic und David Beckham im Elfmeterschießen ausgeschaltet. Im Finale trifft Evian am 31. Mai in Paris entweder auf Girondins Bordeaux oder ES Troyes AC. Das zweite Halbfinale war wegen einer Überflutungswarnung auf den 14. Mai verschoben worden. Evian kämpft in der Ligue 1 weiter um den Klassenerhalt. Als Tabellen-18. fehlt dem Klub drei Spieltage vor Schluss ein Punkt zum rettenden Ufer. Premier League, FC Chelsea: Der FC Chelsea hat im Kampf um die direkte Teilnahme an der Champions League einen Rückschlag hinnehmen müssen. Im Londoner Stadt-Derby gegen Tottenham Hotspur gelang dem Team des vor dem Abschied stehenden Trainers Rafael Benitez nur ein 2:2 (2:1). Die Führung durch Oscar (11.) glich Emmanuel Adebayor eine Viertelstunde später aus. Ramires sorgte für die erneute Führung Chelseas (39.), ehe der ehemalige Hoffenheimer Bundesliga-Profi Gylfi Sigurdsson den Endstand erzielte (80.). Die Blues liegen mit 69 Punkten nur zwei Zähler vor dem FC Arsenal um die deutschen Nationalspieler Lukas Posolski und Per Mertesacker. Tottenham, bei denen der Ex-Schalker Lewis Holtby in der 70. Minute ausgewechselt wurde, liegt mit 66 Zählern direkt dahinter und schielt ebenfalls noch in Richtung direkte Qualifikation. Die ersten beiden Plätze belegen die Klubs aus Manchester: Meister United (85) und die Citizens (75) stehen bereits als Champions-League-Teilnehmer fest. NBA, Playoffs: Mit einem beeindruckenden 115:78-Sieg gegen die Chicago Bulls hat sich Titelverteidiger Miami Heat für die Auftaktniederlage in der NBA-Viertelfinalserie revanchiert. Damit glich der Meister im zweiten Spiel der Serie best of seven in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga zum 1:1 aus. Ray Allen (21 Punkte), LeBron James (19) und Norris Cole (18) waren in Miami beste Werfer der Gastgeber. Auch im Duell zwischen den Golden State Warriors und den San Antonio Spurs steht es nach den ersten beiden Partien 1:1. Die Warriors setzten sich diesmal angeführt von Klay Thompson (34 Punkte) mit 100:91 durch. Volleyball, Frauen: Die Volleyball-Frauen des Schweriner SC haben sich zum dritten Mal in Serie und zum zehnten Mal insgesamt den deutschen Meistertitel erkämpft. Das Team von Trainer Teun Buijs gewann das vierte Spiel der Playoff-Finalserie beim Dresdner SC mit 3:1 (25:14, 19:25, 33:31, 25:22) und setzte sich in der Serie mit 3:1 durch. Die Mecklenburgerinnen feiern zum zweiten Mal nacheinander den Gewinn des Doubles. Dagegen muss der Dresdner SC zum dritten Mal in Serie mit Meisterschafts-Silber zufrieden sein. Fifa-Weltrangliste: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft liegt in der Fifa-Weltrangliste weiter hinter Welt- und Europameister Spanien auf Platz zwei. Mit 1428 Punkten blieb der Rückstand auf die Iberer (1538) unverändert. Auf den Plätzen folgen Argentinien (1296) und Kroatien (1191), Rekord-Weltmeister Brasilien hat auf Rang 19 weiter die schlechteste Platzierung seit Einführung der Rangliste im Jahr 1993 inne. Die einzige Verbesserung innerhalb der Top 20 schafften die Schweiz und Belgien, die um je eine Position auf die Ränge 14 und 15 kletterten. Für Belgien ist es die beste Platzierung seit Bestehen der Weltrangliste, gleiches gilt für Albanien auf Rang 43. Leichtathletik, Usain Bolt: Sprint-Superstar Usain Bolt hat einen schwachen Saisoneinstand über die 100 Meter gefeiert. Der Weltrekordler (9,58) aus Jamaika lief beim Meeting in George Town auf den Cayman Islands 10,09 Sekunden und setzte sich nur im Foto-Finish gegen seinen zeitgleichen Trainingskollegen Kemar Bailey-Cole durch. Der sechsmalige Olympiasieger Bolt hatte zuletzt an einer Oberschenkel-Zerrung laboriert. "Ich habe die Verletzung noch leicht gespürt, aber daran lag es heute nicht. Es war einfach ein schlechtes Rennen", sagte der 26-Jährige. Im Frauen-Rennen siegte Weltmeister Carmelita Jeter (USA) in starken 10,95 und blieb damit als erste Sprinterin in diesem Jahr unter der Elf-Sekunden-Marke. Bundesliga, Fortuna Düsseldorf: Fortuna Düsseldorf hat vor dem Showdown im Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga die Großverdiener Andrej Woronin und Nando Rafael aussortiert. Sportdirektor Wolf Werner bestätigte auf SID-Anfrage am Mittwoch einen entsprechenden Bericht der Rheinischen Post und erklärte, die Maßnahme habe "keine diziplinarischen Gründe". Trainer Norbert Meier wolle jedoch vor den letzten Saisonspielen gegen den 1. FC Nürnberg (Samstag, 15.30 Uhr/Sky und Liga total!) und Hannover 96 (18. Mai) "nur noch mit den Spielern arbeiten, die eine echte Alternative für den Kader sind". Beide sollen nun ein Sondertraining erhalten, da sich die Spieler "nicht auf dem Leistungsniveau befinden, das die sportliche Leitung für die beiden noch ausstehenden Spiele für notwendig erachtet", hieß es in einer Pressemitteilung des Klubs.
https://www.sueddeutsche.de/sport/tennis-haas-scheitert-im-achtelfinale-von-madrid-1.1668997
mlsum-de-85
Der ehemalige Nationalspieler ist ein ernsthafter Kandidat auf den Trainerposten beim VfL. Katars Botschafter schickt Wolfgang Niersbach einen Beschwerdebrief. Die deutschen Handballfrauen ziehen durch einen Sieg gegen Kroatien in die Hauptrunde der EM ein.
Fußball, VfL Bochum: Der ehemalige Nationalspieler Stefan Effenberg ist möglicherweise ein ernsthafter Kandidat auf den Trainerposten beim Fußball-Zweitligisten VfL Bochum. "Stefan Effenberg hat absolut seine Qualitäten, hat viel Ahnung vom Fußball und ist sicher interessant", sagte VfL-Manager Christian Hochstätter zu Sport1, schränkte aber ein: "Ob er auch für den VfL Bochum interessant wird, kann ich augenblicklich nicht sagen." Dementieren wollte Hochstätter die Gerüchte über den früheren Kapitän von Bayern München und heutigen Sky-Experten jedenfalls nicht. "Natürlich wird Stefans Name jetzt überall genannt, weil jeder weiß, dass wir zusammen Fußball gespielt haben und befreundet sind", erklärte er: "Noch vor ein paar Tagen hatten wir Kontakt, als er auf dem Weg zum Spiel des BVB gegen Hoffenheim war." Effenberg und Hochstätter hatten 1995 mit Borussia Mönchengladbach den DFB-Pokal geholt. Bochum hatte sich am Mittwoch wegen angeblich "vereinsschädigenden Verhaltens" von Trainer Peter Neururer getrennt. Fußball, WM in Katar: Katars Botschafter hat sich in einem Brief bei DFB-Präsident Wolfgang Niersbach über ein angebliches Ultimatum in Bezug auf die Fußball-WM 2022 beschwert. Wie "Bild" am Mittwoch berichtete, habe Abdulrahman M.S. Al-Khulaifi dem deutschen Fußball-Funktionär geschrieben: "Ihr Statement scheint unglücklicherweise den Eindruck zu erwecken, Katar mache kaum Fortschritte bei der Arbeitsschutz-Reform. Das ist nicht wahr." Ein DFB-Sprecher bestätigte am Abend den Eingang des Schreibens und die Antwort des DFB-Chefs. Niersbach hatte dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zum WM-Gastgeber gesagt: "Aus Sicht des DFB wäre es auch im Interesse Katars zielführend, einen Zeitraum zu definieren, an dessen Ende eine unabhängige Institution wie beispielsweise Amnesty International oder der Internationale Gewerkschaftsbund die Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen prüft und abschließend bewertet." Er habe "nie von einem Ultimatum gesprochen", versicherte Niersbach. "Aber ich stehe dazu: Es wäre auch im Interesse von Katar, wenn die Fortschritte überprüft würden, um die Debatte zu beenden." Handball-EM, Frauen: Die deutschen Handball-Frauen stehen in der Hauptrunde der Europameisterschaft in Ungarn und Kroatien. Das Team von Trainer Heine Jensen bezwang am Mittwochabend in Varazdin Co-Gastgeber Kroatien mit 26:24 (13:14) und ist am letzten Spieltag der Vorrundengruppe C vom dritten Platz, der zum Weiterkommen reicht, nicht mehr zu verdrängen. Wie Deutschland sind auch die Niederlande und Schweden, die sich am Mittwochabend im zweiten Spiel der Vorrundengruppe C 30:30 (14:14) trennten und jeweils drei Punkte haben, eine Runde weiter. Zum Vorrundenabschluss trifft Deutschland am Freitag auf Schweden. Fußball, Christoph Kramer: Weltmeister Christoph Kramer hat seine Abwehrhaltung abgelegt und kehrt zum Fußball-Bundesligisten Bayer Leverkusen zurück. "Ich werde dort - Stand jetzt - ab Sommer spielen. Und zwar nicht, weil ich muss, sondern weil mich das Konzept total überzeugt hat", sagte der 23-Jährige der Sport Bild. Der an Borussia Mönchengladbach ausgeliehene Kramer hatte nach der WM wiederholt erklärt, trotz seines bis 2017 laufenden Vertrages in Leverkusen selbst entscheiden zu wollen, wo er spielt. "Wenn ich irgendwo nicht spielen möchte, spiele ich da nicht. Da kann ein Vertrag aussehen, wie er will", hatte der Mittelfeldspieler im August erklärt. Im Fußballgeschäft fühle er sich "ganz generell manchmal wie in einem modernen Menschenhandel" und niemand könne ihn zum Wechsel zwingen. Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler hatte immer wieder betont, dass Kramer nach dem Ende seiner Ausleihe zu Bayer zurückkehren werde. "Die Situation ist doch klar. Da gibt es keinen neuen Stand", sagte der frühere DFB-Teamchef erst in der vergangenen Woche. Der Werksklub hatte Kramer von 2011 bis 2013 an den VfL Bochum und danach an Mönchengladbach verliehen. Fußball, Benedikt Höwedes: Weltmeister Benedikt Höwedes plant in seiner Karriere fest einen Wechsel in eine andere Liga. "Das Ausland reizt mich", sagte der Kapitän von Schalke 04 der Sport Bild: "Wann der Punkt dafür gekommen ist, weiß ich nicht. Ich habe mir hier sehr viel aufgebaut, vielleicht ist es irgendwann Zeit für etwas Neues." Deshalb wolle er bei Vereinsführung und Fans keine falschen Hoffnungen schüren. "Ich spiele da lieber von Anfang an mit offenen Karten und will hier nicht erzählen, dass ich für immer bleibe - und dann doch gehe", äußerte der 26-Jährige: "Das heißt aber nicht, dass ich jetzt im Winter oder im Sommer gehe." Basketball, NBA: Mit einem schwachen Dirk Nowitzki haben die Dallas Mavericks die siebte Saisonniederlage kassiert. Beim 105:114 bei den Memphis Grizzlies traf der 36 Jahre alte Würzburger vier von 17 Würfen aus dem Feld, setzte alle sechs Dreierversuche daneben und kam auf nur elf Punkte. Für die Gäste war es die erste Auswärtsniederlage nach vier aufeinanderfolgenden Siegen in fremden Hallen. "Wir haben einfach zu viele Punkte zugelassen", sagte Nowitzki. "In der Offense war es okay, auch wenn ich nichts getroffen habe." Bester Werfer beim Meister von 2011 war Chandler Parsons mit 30 Punkten. Monta Ellis, zuletzt bester Mann bei den Mavericks, plagte sich mit Ellbogenproblemen und kam nur auf zwei Zähler. Beim Gegner war Topscorer Marc Gasol (30) nicht zu stoppen. Mit 16 Siegen und sieben Niederlagen ist Dallas im Westen nur Siebter. Die überraschend starken Grizzlies (17:4) liegen auf Platz zwei. Im Osten gewann Chris Kaman (14) mit den Portland Trail Blazers 98:86 bei den Detroit Pistons. Derweil feierte LeBron James (35 Punkte) mit den Cleveland Cavaliers einen 105:101-Sieg über die Toronto Raptors, Spitzenreiter der Eastern Conference. Für die viertplatzierten Cavs war es bereits der achte Erfolg in Serie. Die New York Knicks mussten dagegen beim 93:104 gegen die New Orleans Pelicans die neunte Pleite nacheinander hinnehmen. Baseball, Wechsel: Die Chicago Cubs aus der nordamerikanischen Baseball-Profiliga MLB greifen für ihren Traum vom ersten World-Series-Gewinn seit mehr als 100 Jahren tief in die Tasche. Pitcher Jon Lester wird beim zweimaligen Champion (1907, 1908) einen mit 155 Millionen Dollar (knapp 125 Millionen Euro) dotierten Sechsjahresvertrag bis 2020 unterschreiben. Dies bestätigte der Berater des 30 Jahre alten Werfers dem TV-Sender ESPN. Lester war während der abgelaufenen Saison nach knapp achteinhalb Jahren und einem Titelgewinn (2007) von den Boston Red Sox zu den Oakland Athletics gewechselt. In seiner Rookie-Saison war bei Lester Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert worden. Der Linkshänder wurde mit einer Chemotherapie behandelt, kehrte schnell aufs Feld zurück und gewann wenige Monate später den Titel. Fußball, FC Bayern: Der deutsche Fußball-Meister FC Bayern bereitet sich wieder in Katar auf die Rückrunde vor. Wie der deutsche Fußball-Rekordmeister am Dienstag mitteilte, wird das Team von Trainer Pep Guardiola am 9. Januar nach Doha aufbrechen und dort bis zum 17. Januar bleiben. Trotz der Menschenrechtsverletzungen in dem Land und der laufenden sportpolitischen Debatten um den umstrittenen Gastgeber der WM 2022. Der Rückflug erfolgt am 17. Januar über Riad in Saudi Arabien nach München. In Riad steht das zweite Testspiel der Münchner auf dieser Etappe der Wintervorbereitung an. Zuvor laufen die Münchner am 13. Januar in Katar gegen eine heimische Mannschaft auf. Zum fünften Mal absolvieren die Bayern damit ihr Wintertrainingslager in Doha. Fußball, Pelé: Brasiliens Fußball-Idol Pelé ist nach zwei Wochen aus dem Krankenhaus entlassen worden. Er fühle sich so gesund, dass er am olympischen Turnier 2016 in Rio de Janeiro teilnehmen könne, erklärte der 74-Jährige am Dienstag vor Journalisten im Albert Einstein Hospital in São Paulo bestens gelaunt. Bei dem dreifachen Weltmeister war am 24. November eine schwere Harnwegsinfektion festgestellt worden. Er hatte mehrere Tage auf der Intensivstation der Klinik verbringen müssen. Der behandelnde Arzt Fabio Nasri erklärte, es seien keine weiteren Infektionsanzeichen entdeckt worden. Pelé bedürfe jetzt nur wie jeder Patient in seinem Alter einer Ruhepause, um sich vollkommen erholen zu können. Pelé bestätigte Presseberichte, dass er seit 1977 nur mit einer Niere lebe. Bei einem Spiel für den FC Santos habe er einen Stoß erhalten, der zu einer Nierenverletzung führte. Diese sei erst nach seinem Transfer zu Cosmos New York entdeckt worden. Die Niere war ihm in den USA entfernt worden.
https://www.sueddeutsche.de/sport/kramers-rueckkehr-nach-leverkusen-ich-werde-dort-ab-sommer-spielen-1.2261652
mlsum-de-86
Lewis Hamilton schwänzt einen offiziellen Termin und feiert lieber auf Mykonos. Dabei ist vor dem Heim-Rennen in Silverstone nicht mehr nur Sebastian Vettel sein Gegner.
Im Bildhintergrund stehen zwei Männer auf einem Tisch. Sie kreisen locker mit den Hüften, tragen untenrum Boxershorts und obenrum T-Shirts, dazu Sonnenbrillen. Musik wummert, der Sänger singt davon, dass man doch die Hände in die Luft strecken solle. Also strecken die Männer die Hände in die Luft. "Das ist Urlaub", schreibt der Kameramann, der das wackelige Handyvideo ins Netz gestellt hat. Eher eine Party, denkt man. Ganz normale Party. Okay, eine Party mit Männern auf Tischen, die auf dem Kopf noch etwas anderes . . . sieht aus wie ... Taucherbrillen? Ja, Taucherbrillen. Mit Schnorcheln an der Seite. Gut, ist wohl eine außergewöhnliche Party, die der Kameramann da mit der Weltgemeinschaft teilen möchte. Aber der Kameramann ist schließlich auch nicht irgendein Kameramann: Lewis Hamilton ist dreimaliger Formel-1-Weltmeister. Und wenn Hamilton Urlaub in Griechenland macht, dann gibt es schon mal eine Party mit Schnorchelmännern und dem kanadischen Model Winnie Harlow, 22. Hamilton würde sicher fragen: Why not? Andererseits: Es gab jetzt doch ein bisschen Aufregung um das Video. Nicht so sehr, weil Hamilton, 32, auf Mykonos Filme dreht. Sondern, weil er gefeiert hat und kurz darauf einer anderen Party ferngeblieben ist. Als die Formel 1 am Mittwoch in der Londoner Innenstadt ein paar Runden gedreht hat, um Werbung zu machen für die Rennserie, da waren alle Piloten dabei, sogar ehemalige wie Nico Rosberg. Nur halt Hamilton nicht. Der Mercedes-Pilot fehlte ausgerechnet vor seinem Heimrennen in Silverstone an diesem Wochenende. "Lewis meinte, dass er in so einem harten Titelkampf um die WM ist, dass er einen freien Tag brauche", sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Das half aber nichts. Die Zuschauer am Trafalgar Square buhten und pfiffen, wann immer der Name Hamilton erwähnt wurde. "Ich habe mich in den vergangenen Tagen ein bisschen entspannt", hat Hamilton später als Entschuldigung gesagt. Er habe sich einen Kurzurlaub mit Freunden gegönnt, um daraus Kraft zu gewinnen für den harten Titelkampf mit Sebastian Vettel im Ferrari. Im Übrigen habe er den Organisatoren in der vergangenen Woche bereits mitgeteilt, dass er nicht zu der Rundfahrt um das berühmte Monument von Admiral Horatio Nelson erscheinen werde. Und er habe sogar sein Handy die meiste Zeit ausgeschaltet gehabt (wohl nur nicht in jenem Moment, als er das Schnorchelmannfilmchen drehen musste). "Ich habe versucht, mich so gut wie möglich vorzubereiten." Teilweise auf Mykonos halt. Nun ist diese Debatte um Hamiltons Fehlen bei einer PR-Veranstaltung einerseits fürchterlich ärgerlich. Von den Chefs von Liberty Media, die seit diesem Jahr die Formel 1 betreiben, war zwar öffentlich keine Kritik an Hamilton zu vernehmen. Aber gefallen haben wird es dem Unterhaltungsexperten Chase Carey sicher nicht, dass sich der schillerndste Star der Serie ausgerechnet nicht den Fans in seinem Heimatland präsentieren mochte. Andererseits bot die Debatte dem britischen Boulevard reichlich Nährstoff für Spekulationen. Als Hamilton eine Geschichte der Daily Mail kommentieren sollte, wonach sein Fehlen bei der Autoparade eine Trotzreaktion darauf sei, dass Teamchef Wolff bei der Party anlässlich von Vettels 30. Geburtstag in der Schweiz aufgetaucht sei, sagte Hamilton: "Das ist die dümmste Frage, die ich je gehört habe." In der Tat wirkt es eher so, als setze Mercedes alles daran, Hamilton bei guter Laune zu halten. In den vergangenen zwei Rennen hatten ihn ja die Techniker und das Material durchaus im Stich gelassen. In Baku hatte sich seine Cockpitumrandung gelöst, woraufhin Hamilton für die notwendige Reparatur länger an der Box parken musste als Rivale Vettel zur Strafe wegen seines Wutremplers. Und in Österreich vor einer Woche musste an Hamiltons Dienstwagen das Getriebe getauscht werden, was ihm eine Strafversetzung um fünf Plätze einbrachte. Die marode Technik kostete Hamilton wohl zwei Siege. Und so ist Vettels Vorsprung in der WM-Wertung inzwischen auf 20 Punkte angewachsen. Und - möglicherweise ist das aus Hamiltons Sicht noch sehr viel ärgerlicher - nun rückt ihm Teamkollege Valtteri Bottas auf Platz drei auf die Pelle, bis auf 15 Zähler. Teamkollege Valtteri Bottas auf Platz drei rückt ihm auf die Pelle - bis auf 15 Zähler Schon im vergangenen Jahr, das glaubt nicht nur Hamilton, hat der Brite die Weltmeisterschaft an seinen damaligen Teamkollegen Rosberg verloren, weil der eben nicht so viel Pech gehabt hatte mit defekten Teilen. In Spielberg gewann Rosbergs Nachfolger Bottas bereits sein zweites Rennen, woraufhin der beispielsweise als Stadionsprecher gänzlich ungeeignete Finne erstmals zarte, wenngleich gut vernehmbare Ansprüche stellte. "Ich will das nicht rausbrüllen", flüsterte Bottas in Spielberg, als er gefragt wurde, ob nun eventuell der Titelgewinn sein Ziel sei. "Aber wenn du bei Mercedes bist, was sonst sollte dein Ziel sein?", fragte Bottas. Natürlich sei die Weltmeisterschaft das Ziel! "Seit dem Tag, an dem ich hier unterschrieben habe!" Hamilton vernahm die Ansage. Und war womöglich schlagartig urlaubsreif. Da konnte er noch nicht ahnen, dass am Sonntag darauf Bottas um fünf Plätze nach hinten strafversetzt werden würde. Auch das Getriebe an dessen Fahrzeug war defekt und musste getauscht werden. Gut für Hamilton? Am Samstag jedenfalls, beim Warmrollen fürs Qualifying, war er schon wieder schneller als alle Kollegen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/formel-1-meer-geht-eigentlich-nicht-1.3587917
mlsum-de-87
Die ultrarechte Gruppe will im Mittelmeer Flüchtlinge abfangen. Jetzt sitzt der Kapitän in Haft und ein Teil der Crew ist abtrünnig - die Identitären sprechen von einer "Intrige".
Die C-Star fuhr bis Januar 2017 unter dem Namen Suunta . Hier ist sie im Hafen von Kiel zu sehen. Ein Schiff von rechtsextremen Anti-Flüchtlings-Aktivisten aus Europa ist einem Zeitungsbericht zufolge von den nordzyprischen Behörden vorrübergehend festgesetzt worden. Das Schiff war von der Gruppierung "Defend Europe" gechartert worden, deren Mitglieder der sogenannten Identitären Bewegung angehören. Ziel war es, Flüchtlinge vor Libyen an der Überfahrt über das Mittelmeer nach Europa zu hindern. Doch bis Libyen schafften es die Rechtsextremen gar nicht erst, denn es gab Probleme mit der Schiffs-Crew, die den Anti-Flüchtlings-Aktivisten zufolge "aus Asien" stammen soll. Die nordzyprische Zeitung Kıbrıs Postası präzisiert dies: Die Crew kommt wohl aus Sri Lanka. Der Kapitän der C-Star und neun weitere Crew-Mitglieder sind Medienberichten zufolge im Hafen von Famagusta - im nur von der Türkei als unabhängigen Staat anerkannten Norden Zyperns - vorübergehend festgenommen worden. Es soll Probleme mit ihren Papieren gegeben haben. Unter den Festgenommenen sei auch der Besitzer des Schiffs gewesen, heißt es in dem Bericht der Kıbrıs Postası. Ihm werde Schlepperei und Schmugglerei vorgeworfen. Am Donnerstagabend lief das Schiff wieder aus dem Hafen von Famagusta aus, wie auf der Webseite MarineTraffic zu sehen war. "Die Crew der #CStar wurde freigelassen", schrieben die Identitären auf Twitter. "#DefendEurope auf dem Weg nach Catanien." Auch Medien in Nordzypern berichteten über die Freilassung. Die Rechtsextremen wollen die Arbeit der NGOs verhindern Die Anti-Flüchtlings-Aktivisten sollten erst in Sizilien an Bord des Schiffes gehen, das dann Kurs auf die libysche Küste nehmen wollte. Dort wollten sie die libysche Küstenwache auf Flüchtlingsboote aufmerksam machen, damit diese die Flüchtlinge zurück in das nordafrikanische Land bringt. Die Rechtsextremisten wollten damit gegen NGOs protestieren, die Flüchtlinge nach Europa bringen. Libyen befindet sich seit Jahren im Bürgerkrieg. Die Aktivisten von "Defend Europe" wollten ursprünglich mindestens bis Mitte August im Mittelmeer bleiben. Ziel des gecharterten Schiffes sollte am Ende die süditalienische Stadt Catania sein. "Diese 'Mission' scheint den einzigen Zweck zu haben, Konflikte anzustacheln", sagt der Bürgermeister Catanias, Enzo Bianco. Er drohte den rechten Aktivisten vorab damit, das Anlegen des Schiffes zu verhindern. Von einer Verteidigung Europas zu sprechen sei "demagogisch". Die Gruppierung "Defend Europe" bestätigt die Vorgänge auf ihrem Twitter-Account, spricht aber von einer Verschwörung. Auf der C-Star hätten sich 20 angehende Seemänner befunden, die dort einen Trainingseinsatz absolvierten. Sie hätten eigentlich bereits in Ägypten von Bord gehen und in ihre Heimatländer zurückkehren sollen. Dies sei "aufgrund von Intrigen der NGOs nicht möglich" gewesen. Die Crewmitglieder hätten das Schiff erst in Zypern verlassen und seien zum nächstgelegenen Flughafen gebracht worden. Dort seien sie von "organisierten Kommandos der NGOs empfangen" worden. Weiter heißt es in einem Eintrag, den die Gruppe auf Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch veröffentlichte: Die NGOs hätten versucht, die Männer aus Sri Lanka dazu zu bringen, Asylanträge in der Türkei zu stellen. "Als Gegenleistung wurden ihnen Geld, Essen und Unterkünfte in Aussicht gestellt." 15 Crewmitglieder hätten dieses "Bestechungsangebot" abgelehnt, fünf seien darauf eingegangen - und hätten "urplötzlich Anschuldigungen gegen den Kapitän und die restliche Mannschaft" erhoben. Identitäre Bewegung wird vom Verfassungsschutz beobachtet Hinter der Aktion der Gruppe "Defend Europe" stehen deutsche, französische und italienische Mitglieder der Bewegung. Die Identitären inszenieren sich jung und modern. In Deutschland ist die Gruppierung mit französischen Wurzeln seit 2012 aktiv und wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Dem Inlandsnachrichtendienst zufolge lassen die Identitären "Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung" erkennen. Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise habe sich die Bewegung zunehmend radikalisiert. Die Rechtsradikalen wenden sich gegen "Multikulti-Wahn", "unkontrollierte Massenzuwanderung" und den "Verlust der eigenen Identität". Im vergangenen Sommer besetzte die Gruppierung das Brandenburger Tor und enthüllte am Wahrzeichen der Hauptstadt Banner mit der Aufschrift: "Sichere Grenzen - Sichere Zukunft". Im Mai wollten Aktivisten ins Bundesjustizministerium eindringen. Parallel starteten sie eine Kampagne im Internet und sammelten 76 000 Euro für die Anmietung eines Schiffs. Die C-Star ist 40 Meter lang und hat Platz für 100 bis 200 Personen. Die Aktion "Defend Europe" wird von bekannten Gesichtern der internationalen Neuen Rechten wie der US-Autorin und Youtuberin Brittany Pettibone promotet. Mehr als 112 000 Migranten kamen seit Jahresbeginn über das Mittelmeer Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind seit Jahresbeginn mehr als 112 000 Migranten über das Mittelmeer nach Europa gelangt, davon knapp 93 500 nach Italien. Mehr als 2360 kamen bei der Überfahrt ums Leben. Neben privaten Hilfsschiffen sind auch die italienische Küstenwache und Marineschiffe verschiedener Länder zur Rettung der Flüchtlinge im Einsatz. Die privaten Hilfsorganisationen, die gut ein Drittel der Rettungseinsätze vor Libyen verantworten, waren zuletzt in die Kritik geraten. Den Helfern wird vorgeworfen, indirekt Flüchtlinge zur Überfahrt zu ermutigen, indem sie sie bereits in kurzer Entfernung zur libyschen Küste aufnehmen, um Unglücke zu verhindern. Italien will die privaten Initiativen nun stärker überwachen und drängt darauf, dass sie einen Verhaltenskodex unterzeichnen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/anti-fluechtlings-aktion-identitaere-bewegung-chartert-boot-crewmitglieder-beantragen-asyl-1.3605424
mlsum-de-88
Der Weidener Kugelstoßer Daniel Scheil gewinnt in London seine zweite WM-Medaille. Der Paralympics-Sieger hadert kurz, blickt aber schon auf ein neues Ziel.
Manchmal braucht es nach einer schweren Diagnose einen kleinen Stups, um seine Bestimmung zu finden oder gar um richtig zurück ins Leben zu finden. So war es beim Kugelstoßer Daniel Scheil. 2008 marschierte er zum Bäcker, erlitt dort einen Herzinfarkt. Weil sein Gehirn mit zu wenig Sauerstoff versorgt wurde, entwickelten sich Folge-Erkrankungen. "Ich bin von Hundert auf Null gerauscht", sagt er. Zwei Jahre später wurde die Muskelerkrankung Spastische Tetraperese diagnostiziert. Scheil sitzt seitdem im Rollstuhl. "Ich bekam Depressionen", berichtet er. "Mir ist zu Hause die Decke auf den Kopf gefallen." Birgit Kober weckt Scheils Interesse an der Leichtathletik Bis zum Stups: Denn dass er am Sonntag in London seine zweite Medaille bei einer Leichtathletik-Weltmeisterschaft gewonnen hat, hat mit dem Stups zu tun. Der war für Scheil, der für den BVS Weiden in der Oberpfalz startet und als einziger Bayer dieser Tage in London antritt, ein Fernsehbeitrag über Birgit Kober. Die Münchner Speerwerferin und Kugelstoßerin ist mittlerweile Scheils Kollegin in der Nationalmannschaft. Von ihr hat er sich erklären lassen, wie er den Weg in die Leichtathletik schafft. Sportbegeistert war Scheil ja schon zuvor, er durchlief als junger Fußballer die Jugend-Mannschaften der DDR. Wie wichtig die Chance im Sport damals für ihn war, beschrieb er in London: "Einige haben geglaubt, dass es nie wieder etwas wird mit mir." Seit dem Gespräch mit Kober trainiert der Erwerbsunfähigkeitsrentner wie ein Wilder, an bis zu sechs Tagen in der Woche jeweils sechs Stunden. Scheil ist durch seine Erkrankung ja zwangsläufig ein Spätberufener - allerdings einer, der sich mit seinem Eifer schnell in der Weltspitze etabliert hat. Im Alter von 42 Jahren bestritt er 2015 seine erste WM in Doha und gewann gleich Bronze, nun als 44-Jähriger bei der zweiten WM eben Silber. "Ich habe heute Gold verloren", sagte der bisweilen etwas selbstkritische Scheil anschließend: "Ich war einfach zu schlecht, ich kann es besser und das werde ich bald wieder zeigen." Mit einer Weite von 10,36 Metern reihte er sich in der Klasse F33, in der Athleten mit spastischen Lähmungen und Bewegungsstörungen antreten, hinter dem Algerier Kamel Kardjena ein, der auf 10,43 Meter stieß. Bei den Paralympics in Rio 2016 gestaltete sich das Ergebnis noch andersherum, zudem stieß Scheil auch schon weiter als elf Meter. Nun muss er mindestens bis 2019 auf WM-Gold im Kugelstoßen warten. Das störte Scheil wohl nach dem Wettkampf, der jedoch auch sagte: "Es ist echt schön gewesen, vor allem ist für eine Vormittagsveranstaltung echt viel los, ein super Feeling." Kurz vor der WM war er noch krank und wusste gar nicht, ob und in welchem Zustand er starten kann. Im Grunde sei er daher schon zufrieden, fasste Scheil dann später zusammen. Er erneuerte am Sonntag auch seine Ziele, blickte schon einmal bis zu den Paralympics 2020 in Tokio nach vorne: "Vielleicht reicht es dort zu Gold." Unterstützung bekommt er bis dahin nicht nur von Kober, sondern sicher auch von einem anderen großen Sportler seines Fachs. Scheil pflegt auch enge Beziehungen zum Kugelstoß-Weltmeister 2011 und 2013 David Storl, der wie Scheil ursprünglich aus der Nähe von Chemnitz stammt. Nur hat er dessen Handynummer nicht mehr: "Ich habe ein neues Handy. Und beim Übertragen der Nummern ist mir auch die von David verloren gegangen", sagte Scheil vor dem Wettkampf und fügte hinzu: "Aber ich kriege die schon wieder." Möglicherweise hat ihm Storl ja schon am Sonntag gratuliert. So wie bei den Paralympics, als Storl seine Glückwünsche per WhatsApp übermittelte. Anders als Storl stößt Scheil jedoch mit der Kraft aus den Bauchmuskeln. Die Armkraft ist ihm nicht so wichtig. Scheil lehnt sich bei seinen Stößen weit zurück, spannt den Oberkörper an, bevor er hochschnellt wie bei einem Sit-Up und die Kugel ins Feld wuchtet. In Gedanken ist er beim tödlich verunglückten Konkurrenten Den Wettkampf überschattete ein Trainingsunfall aus der vergangenen Woche. Da kam der Kugelstoßer Abdullah Hayayei aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, ein langjähriger Konkurrent und Freund Scheils, ums Leben. Der fünffache Familienvater wurde von einem einstürzenden Diskuskäfig tödlich getroffen. "Er war in Gedanken dabei", sagte Scheil nach dem Wettbewerb.
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mlsum-de-89
Strenges Verbot oder kontrollierte Freigabe? Der Bundestag debattiert über die Sterbehilfe. Schon die Diskussion zeigt heilsame Wirkung.
Manchmal betrifft eine Debatte nur vergleichsweise wenige Menschen, und doch behandelt sie Grundsätzliches. Man hätte zum Beispiel auch die Pflegeversicherung zum Anlass nehmen können, um übers Sterben und den Tod zu reden. Sie betrifft Millionen Bürger, es geht um Milliarden Euro, auch sie spiegelt das Verhältnis einer Gesellschaft zur letzten Phase des Lebens. Einen assistierten Suizid streben nur wenige tausend Menschen an. Und dennoch ist die Frage, wer wem wann beim Sterben helfen darf, zur großen Debatte über den guten Tod im Zeitalter der Intensivmedizin geworden. An diesem Donnerstag berät der Deutsche Bundestag in erster Lesung vier Gesetzentwürfe, die den assistierten Suizid regeln sollen, sie reichen vom strengen Verbot bis zur kontrollierten Freigabe. Wahrscheinlich wird jener Entwurf die meisten Stimmen erhalten, der die organisierte Beihilfe verbietet, die Hilfe im Einzelfall aber straffrei lässt. Kommt das Gesetz, dürfte die juristische Debatte vorerst zu Ende sein. Der Tod ist kein Tabuthema mehr in Deutschland Die politische und gesellschaftliche aber wird erst beginnen. Der Tod ist kein Tabuthema mehr in Deutschland, dazu hat auch diese Sterbehilfedebatte beigetragen. Schon Ende 2012 hatte die ARD-Themenwoche "Leben mit dem Tod" hohe Einschaltquoten. Die angekündigten Suizide des Schriftstellers Wolfgang Herrndorf oder des ehemaligen MDR-Intendanten Udo Reiter fanden großes Verständnis: Der selbstgewählte Tod erscheint nicht mehr als Sünde oder Ausdruck des Seelenkranken, sondern als heroischer, letzter Akt des autonomen Menschen - so sehr, dass sich viele Therapeuten Sorgen machen. Die Bundestagsabgeordneten wiederum debattierten bereits im vergangenen Jahr so ernsthaft und tiefgründig, wie mit dem Wunsch nach Hilfe zum Sterben umzugehen sei, dass man sich wünschte, es würde häufiger solche Debatten geben. Der Tod ist unfassbar für die Menschen, die ultimative Kränkung seines Lebenswillens. Zu allen Zeiten haben deshalb die Menschen Vorstellungen vom guten Sterben entwickelt, um die Angst zu lindern, dem Ende einen Sinn zu geben. Sie haben den Tod als höhnisch grinsenden Sensenmann beschrieben und als guten Freund, sie haben ihn in furchtbarer Weise zum großen Unterscheider zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben gemacht. Hinter der aktuellen Sterbehilfedebatte steckt auch die Suche nach neuen Leitbildern vom guten Tod. Die Intensivmedizin hat die Grenzen zwischen Leben und Tod unscharf werden lassen. Sie hat das Sterben nach hinten geschoben und schmerzarm gemacht wie nie - und ist doch in die Sackgasse geraten. Die Angst vor dem schrecklichen Sterben als vereinsamtes Objekt ist die Folge.
https://www.sueddeutsche.de/politik/sterbehilfe-vom-guten-tod-1.2545782
mlsum-de-90
Im Auschwitz-Prozess gegen Oskar Gröning zeichnet sich überraschend ein Urteil ab: Noch im Juli dürfte es fallen. Zuvor wird der frühere SS-Mann noch eine Erklärung abgeben.
Frühes Urteil erwartet Im Lüneburger Auschwitz-Prozess um die Beihilfe zum Mord in mindestens 300 000 Fällen könnte bereits im Juli ein Urteil gesprochen werden. Schon am 1. Juli könnten Staatsanwaltschaft, Nebenkläger-Anwälte und Verteidigung am Landgericht mit ihren Plädoyers beginnen, teilte Gerichtssprecherin Frauke Albers mit. Zuvor werde der angeklagte frühere SS-Mann Oskar Gröning eine Erklärung abgeben. Außerdem solle noch eine weitere Auschwitz-Überlebende als Zeugin aussagen. "Nach derzeitiger Planung der Kammer soll der Verhandlungstag anschließend mit den Schlussvorträgen fortgesetzt werden", hieß es in einer Pressemitteilung. "Im Laufe des Juli könnte bei derzeitiger Planung der Kammer ein Urteil fallen", sagte Albers. Bei bislang 13 Nebenkläger-Anwälten könnten die Plädoyers mehrere Verhandlungstage in Anspruch nehmen. "Freilich ist auch nicht auszuschließen, dass es wegen des angegriffenen Zustands des Angeklagten erneut zu Verzögerungen im Verfahren kommen könnte", betonte Albers. Grönings Gesundheit lässt nur drei Stunden pro Verhandlungstag zu Nebenkläger-Anwalt Thomas Walther geht von einem schnellen Ende des Prozesses aus: "Ich rechne damit, dass das Urteil bereits bis Mitte Juli fallen kann." Gemeinsam mit seinem Kollegen Cornelius Nestler vertritt Walther mehr als 50 der über 70 Nebenkläger, zumeist Überlebende von Auschwitz. "Das hängt davon ab, wie lange und in welchem Umfang die Beteiligten plädieren werden." Ursprünglich war der Prozess bis zum 29. Juli terminiert worden. Ende Mai hatte das Gericht aber wegen der schwachen Gesundheit des 94-Jährigen sicherheitshalber zusätzliche Verhandlungstermine bis in den November angesetzt. Mehrfach waren wegen Grönings geschwächtem Zustand Prozesstermine aufgehoben worden. Seit Mitte Mai wird täglich nur noch höchstens drei Stunden verhandelt. Weshalb der frühere SS-Mann vor Gericht steht Gröning ist wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 300 000 Fällen während der sogenannten Ungarn-Aktion im Sommer 1944 angeklagt. Der "Buchhalter von Auschwitz" genannte Gröning hat zu Beginn des Verfahrens eine moralische Mitschuld übernommen. Der frühere SS-Mann hatte eingeräumt, aus dem Gepäck der Verschleppten genommenes Geld gezählt und nach Berlin weitergeleitet zu haben.
https://www.sueddeutsche.de/politik/auschwitz-prozess-urteil-gegen-groening-koennte-schon-im-juli-fallen-1.2534020
mlsum-de-91
Argentiniens Präsident Macri wirbt bei Kanzlerin Merkel für Freihandel mit Europa. Noch wirkt seine liberale Politik im eigenen Land aber nicht - beziehungsweise nur negativ.
In dieser Woche hat er sich wirklich große Mühe gegeben. Zuerst traf der argentinische Präsident Mauricio Macri den französischen Staatschef François Hollande im Pariser Élysée-Palast. Dann flog er ins EU-Hauptquartier nach Brüssel, sprach mit Ratspräsident Donald Tusk und der Außenbeauftragten Federica Mogherini. Und schließlich - für argentinische Medien war es der "Höhepunkt" seiner Reise - traf Macri im Berliner Kanzleramt auf Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es war das erste Mal, dass der schwerreiche Unternehmer als argentinischer Präsident nach Europa kam. Ende 2015 hatte er Cristina Kirchner abgelöst und seinen Wählern versprochen, alles anders zu machen als seine linke Vorgängerin. Zumindest in der Wirtschaftspolitik. Während Kirchner auf staatliche Umverteilungsprogramme und protektionistische Maßnahmen setzte, sucht Macri das Heil Argentiniens in Subventionsabbau und Freihandel. Er hat den seit vielen Jahren schwelenden Streit mit US-Hedgefonds beigelegt, den Dollarkurs liberalisiert und Importrestriktionen weitgehend aufgehoben. In Lateinamerika sucht er neue Verbündete, im Ausland wirbt er um Investoren. So soll Argentinien, wie er selbst sagt, auf die "internationale Bühne" zurückkehren. Ein Schlüsselpartner dafür soll Europa sein. "Der einzige Weg ist die Integration", sagte Macri zum Beispiel in Berlin, die Kanzlerin stand neben ihm und lächelte freundlich. Hinter den höflichen Worten steckt jedoch ein konkretes Ziel, das sich Macri gesteckt hat: Er will zügig ein Freihandelsabkommen zwischen Lateinamerika und der Europäischen Union abschließen. Die entsprechenden Verhandlungen zwischen Brüssel und dem Wirtschaftsverbund Mercosur, zu dem Argentinien, Brasilien, Uruguay, Paraguay und Venezuela gehören, stocken seit vielen Jahren. Dieses Ziel aber dürfte Macri kaum erreichen. Für seinen Vorstoß erhielt er in Europa zwar viele warme Worte, auch von Kanzlerin Merkel. Sie gab sich erfreut, dass mit Macri die Diskussionen um das Freihandelsabkommen nun in eine "aktive Phase" eingetreten seien. Ein zentrales Problem aber, das eine Einigung verhindert, kann auch Macri nicht überwinden: den Konflikt in der Landwirtschaft. Die Lateinamerikaner drängen darauf, ihre Agrarprodukte zollfrei auf den EU-Binnenmarkt bringen zu können. Dem verweigern sich zahlreiche Mitgliedsstaaten, allen voran Frankreich, weil sie die Bauern vor der Konkurrenz schützen wollen. Von der Bundeskanzlerin erhofft sich Macri, sie werde die Franzosen umstimmen, was Merkel wiederum höflich zurückwies. Für äußerst schwierige Verhandlungen spricht auch die Entscheidung der EU-Kommission, angesichts der Debatten um TTIP und Ceta in Zukunft alle nationalen Parlamente der Mitgliedsstaaten über Freihandelsabkommen abstimmen zu lassen. Für Macri ist das ein Rückschlag, und es ist nicht der erste. Dass sein Name in den Panama Papers auftaucht, hat er zwar weggesteckt, was auch an den zahlreichen Korruptionsaffären seiner Vorgängerin liegt. Problematischer ist, dass sich der Erfolg seiner Reformen bisher nicht einstellen will. Die Inflationsrate steigt weiter. Viele Argentinier sind unzufrieden: Die Preise für Strom, Gas und Wasser sind stark gestiegen. Einer Studie zufolge sind seit Jahresbeginn 1,4 Millionen Menschen in die Armut abgerutscht. Macri, früher Bürgermeister von Buenos Aires und Präsident des Fußballklubs Boca Juniors, hat um Geduld gebeten. Bald werde sich der Erfolg einstellen. Einige Tausend Argentinier sind aber bereits auf die Straße gegangen. Ihr Schlachtruf lautet "Macri vende patria" - übersetzt so viel wie: "Macri verkauft das Vaterland."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nahaufnahme-der-verkaeufer-1.3067617
mlsum-de-92
Der Bundespräsident kondoliert den Eltern von Tuğçe A. und prüft, ob sie posthum das Bundesverdienstkreuz bekommt. Derweil gibt es einem Medienbericht zufolge neue Erkenntnisse, wie der Angriff auf die 23-Jährige abgelaufen ist.
Tuğçe A. spendet Organe Auch nach ihrem Tod rettet Tuğçe A. Leben: Ärzte haben der Studentin mehrere Organe entnommen. Informationen der Nachrichtenagentur dpa zufolge kamen am Freitagabend drei Ärzte-Teams ins Klinikum Offenbach. Zuvor hatten die Eltern von Tuğçe A. angekündigt, die lebenserhaltenden Maschinen abzuschalten, dies geschah in der Nacht zum Samstag. Tuğçe A., die den Folgen einer Prügelattacke erlag, besaß einen Organspendeausweis. Deshalb habe die Familie einer Entnahme für Transplantationen zugestimmt, hieß es. Am Freitagabend hatten sich rund 1500 Menschen in einer Mahnwache vor dem Krankenhaus von der jungen Frau verabschiedet. Begleiter wollte einschreiten Es gibt offenbar neue Erkenntnisse, wie der Angriff auf Tuğçe A. verlaufen ist. Einem Bericht der Bild-Zeitung zufolge zeigen die Aufnahmen einer Überwachungskamera vom Parkplatz der Offenbacher McDonald's-Filiale, wie ein Begleiter den mutmaßlichen Täter zurückhalten wollte. Der 18-Jährige soll nach der ersten Konfrontation mit Tuğçe A. zunächst in ein Auto gestiegen sein, dieses aber schnell wieder verlassen haben. Ein Begleiter hätte ihn mehrfach versucht zu stoppen, habe ihn geschubst und sich schließlich zwischen ihn und Tuğçe A. gestellt. Trotzdem sei es dem Täter gelungen, auf die 23-Jährige einzuschlagen. Laut Bild ist die Aufzeichnung an dieser Stelle jedoch dunkel und pixelig. Es sei aber deutlich erkennbar, dass die junge Frau daraufhin mit dem Kopf auf dem Asphalt aufschlägt. Bundespräsident spricht Eltern Beileid aus Bundespräsident Joachim Gauck will nun prüfen lassen, ob Tuğçe A. posthum mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet werden kann. Das teilte Gauck der Internetplattform "change.org" mit. Diese hatte eine entsprechende Online-Petition ins Leben gerufen und mehr als 100 000 Unterschriften gesammelt. Der Bundespräsident werde den Wunsch prüfen, Tuğçe A. mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland zu würdigen, schrieb Gauck an "change.org". Diese Prüfung entspricht dem üblichen Verfahren. In einem Beileidsschreiben an die Familie betont Gauck, die junge Frau habe "unser aller Dankbarkeit und Respekt verdient". Sie werde immer ein Vorbild bleiben. "Wo andere Menschen wegschauten, hat Tuğçe in beispielhafter Weise Mut und Zivilcourage bewiesen." Weiter heißt es in dem Kondolenzschreiben nach Angaben des Präsidialamts: "Ich bin wie ungezählte Bürgerinnen und Bürger entsetzt und erschüttert über diese schreckliche Tat. Unser ganzes Land trauert mit Ihnen." Hintergründe der Tat Tuğçe A. war vor knapp zwei Wochen vor einem Schnellrestaurant im hessischen Offenbach zu Boden geschlagen worden und hatte dabei lebensgefährliche Kopfverletzungen erlitten. Sie soll nach bisherigen Erkenntnissen zuvor versucht haben, zwei Mädchen vor Belästigungen durch Männer zu schützen - von den Jugendlichen allerdings fehlt bisher jede Spur. Vor wenigen Tagen wurde sie für hirntot erklärt. Die lebenserhaltenden Geräte wurden am Freitagabend abgeschaltet. Für die Tat verantwortlich gemacht wird ein 18-Jähriger, der auch an den Belästigungen der Mädchen beteiligt gewesen sein soll. Der junge Mann sitzt in Untersuchungshaft, ihm wird Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/bundespraesident-prueft-ehrung-tugce-wird-immer-ein-vorbild-bleiben-1.2244586
mlsum-de-93
Drittligist TuS Fürstenfeldbruck schlägt in Haßloch das nächste Spitzenteam und hat nur noch vier Zähler Rückstand auf den Tabellenführer. Trainer Wild will in der Rückrunde weiterklettern.
Vielleicht war es die Aussicht auf die Tabellenführung, vielleicht waren sich die Rheinland-Pfälzer ein bisschen zu sicher. Die Handballer der TSG Haßloch hatten sich vor dem Spiel gegen den TuS Fürstenfeldbruck jedenfalls klar positioniert und die Favoritenrolle lauthals für sich beansprucht. Doch damit sollte man "in dieser Saison vorsichtig sein", weiß TuS-Trainer Martin Wild, der nach dem 27:24-Auswärtssieg seiner Mannschaft die These bestätigt sieht, dass in dieser dritten Liga nahezu jeder jeden schlagen kann. Das lässt sich laut Wild ganz leicht mit Zahlen unterfüttern: "Wir haben als Zehnter vier Punkte weniger als der Tabellenführer." Gleichwohl ist der erste Abstiegsplatz ebenfalls nur fünf Punkten entfernt - noch nicht gerade in beruhigender Entfernung. Der miserable Saisonstart mit 2:10 Punkten ist dagegen nach diesem Erfolg, dem dritten hintereinander, endgültig vergessen. Fürstenfeldbruck hat in Haßloch, der TGS Pforzheim und Oftersheim/Schwetzingen drei Spitzenteams bezwungen, mit den Erfolgen gegen die Reserve der Rhein-Neckar-Löwen und Kornwestheim vor Wochenfrist gelang es zudem jeweils, den aktuellen Tabellenführer zu stürzen. "Das sieht jetzt ganz ordentlich aus", sagt TuS-Trainer Wild, der seine Mannschaft tabellarisch ohnehin unter ihren Möglichkeiten sieht: "Es geht für uns bis zur Weihnachtspause darum, eine anständige Ausgangssituation für die Rückrunde zu schaffen." Dann will man "nach oben klettern", so Wild, Ziel ist Platz sechs, der für den DHB-Pokal berechtigt. Die Klasse dazu haben die Brucker allemal, wie nun auch Haßloch - ganz offenbar überraschend - erkennen musste. Denn die Heimpleite auf die Schiedsrichter abzuwälzen, wie es die TSG tat, wurde der Leistung des TuS nicht gerecht. Zwar startete der Gastgeber energisch, führte schnell 3:1 und nach einer Viertelstunde 9:5. Doch Bruck besann sich auf seine Fähigkeiten, steigerte sich vor allem in der Abwehr und kam so zu Ballgewinnen. Auf die Offensiv-Qualitäten des Rückraums ist ohnehin immer Verlass, dieses Mal war Johannes Stumpf mit sieben Treffern bester Schütze, gefolgt von Sebastian Meinzer mit sechs. Zur Pause stand es bereits 14:14, nach dem Wechsel legte stets der TuS vor. Maximilian Lentner spielte sich auf der Mitte-Position in den Vordergrund, zog gekonnt die Fäden im Brucker Spiel und traf selbst viermal ins gegnerische Tor. Verlass ist derzeit auch auf die Brucker Torhüter. War es gegen Kornwestheim Lucas Kröger, der den gegnerischen Werfern den Zahn zog, so wurde in Haßloch "der Kasten in der Schlussviertelstunde von Michael Luderschmid zugenagelt", wie es Wild ausdrückte. Spielerisch fiel den Gastgebern auch wenig ein, Haßloch lebt in erster Linie von seiner Wucht aus dem Rückraum. Große, athletische, aber nicht sehr bewegliche Werfer kommen den bissigen TuS-Abwehrspielern entgegen, so auch an diesem Abend. "Wir haben in der ersten Viertelstunde neun Tore kassiert, in der letzten zwei", erklärte Wild. Jetzt ist eine Woche Pause, ehe der Tabellendritte TSV Neuhausen/Filder am 9. Dezember beim TuS gastiert. Ein Gegner ganz nach Brucker Gusto.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/handball-ganz-nach-brucker-gusto-1.3767725
mlsum-de-94
Der Deutsch-Marrokaner Said Bahaji, Mittäter des 11. September und einer der meistgesuchten Männer der Welt, lebt in Pakistan. Das behauptet ein in den USA inhaftierter Deutsch-Afghane.
Die Bundesanwaltschaft verlangt nun die Auslieferung eines auf einem US-Stützpunkt in Afghanistan gefangen gehaltenen Hamburger Islamisten. "Es wurde ein Überstellungsersuchen auf den Weg gebracht, um ihn hier in Deutschland vor Gericht zu stellen", sagte ein Sprecher der Karlsruher Behörde am Samstag. In der vorigen Woche hatten zwei Spezialisten des Bundesnachrichtendienstes und zwei Experten des Bundesamtes für Verfassungsschutz im US-Militärgefängnis Bagram den militanten Hamburger Islamisten Ahmad S. befragen dürfen. Vor allem auf Berichte des aus Hamburg stammenden Deutsch-Afghanen gingen in den vergangenen Wochen die Terrorwarnungen der US-Behörden zurück. Detailansicht öffnen Said Bahaji (mit und ohne Bart), Mittäter des New Yorker Terrorangriffs, soll am Leben sein. Seitdem der 36jährige auf dem amerikanischen Stützpunkt bei Kabul inhaftiert ist und plaudert, kursieren in der Geheimdienst-Szene wilde Szenarien über angeblich in Europa geplante Anschläge, aber für einen großen Plot spricht wenig. Ein Detail der Erzählungen des 36jährigen interessierte die deutschen Ermittler besonders: Bereits seinen amerikanischen Vernehmern hatte Ahmad S. geschildert, dass er und einige seiner ebenfalls aus Hamburg stammenden Kumpane im Frühsommer dieses Jahres in der pakistanischen Stadt Mir Ali mit dem Deutsch-Marokkaner Said Bahaji zusammen-getroffen seien. Kann das sein - Said Bahaji? Die deutschen Nachrichtendienstler haben so ihre Zweifel. Der in Haselünne im Emsland geborene Deutsch-Marokkaner Bahaji ist einer der meistgesuchten Männer der Welt. Er war einst in Hamburg ein Adjutant des Todespiloten Mohammed Atta, der am 11.September 2001 eines der entführten Flugzeuge in das New Yorker World Trade Center steuerte. Die CIA und vermutlich diverse andere Geheimdienste jagen Bahaji seit neun Jahren. Auch Zielfahnder des Bundeskriminalamtes haben sich früh auf seine Spur gemacht. Zumeist ist auf den Steckbriefen auch der ebenfalls aus Hamburg stammende Zakariya Essabar abgebildet, der als Ersatzpilot für die Todesflieger eingeplant war. Der Freund Bahajis hatte Osama bin Laden als Kurier die Nachricht überbracht, wann die Jahrhundertoperation stattfinden würde. Gegen Essabar und Bahaji liegen Haftbefehle wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und mehrtausendfachen Mordes vor. Um Essabar ist es still geworden, um Bahaji gab es immer Spekulationen. Manche Medien nennen ihn den "Terrorlogistiker des 11. September", doch das ist nicht ganz richtig. Er war eher eine Art Verwalter, der sich um die geschäftlichen Angelegenheiten einiger der Todespiloten kümmerte. Mindestens acht Monate hat er in der Terror-Wohngemeinschaft in der Marienstraße 54 in Harburg gelebt. Seine Hochzeit im Oktober 1999 in der früheren Al-Kuds-Moschee im Hamburger Stadtteil St. Georg wurde zu einer Zeremonie der Dschihadisten um Atta. Acht Tagen vor den Attentaten vom 11. September war Bahaji von Hamburg über Istanbul nach Karatschi geflogen. Dann verlor sich fürs erste die Spur. Angeblich wollen andere Gotteskrieger den Formel 1-Fan, der früher nicht gerade als Islam-Kenner galt, im Kampf gegen die Amerikaner erlebt haben. Angeblich nannte er sich "Abu Zuhair". Angeblich war er am Bein verwundet worden und soll die Wunde mit Honig gepflegt haben. Der Mann, der seit Jahren Ziel weltweiter Ermittlungen ist, hat sich etliche in Male in Deutschland telefonisch oder per E-Mail gemeldet. Er suchte immer wieder Kontakt zu seiner Frau und zu seiner heute 77 Jahre alten Mutter. Das letzte Telefonat mit der Mutter wurde von den Fahndern 2007 aufgezeichnet. Im vorigen Herbst präsentierten pakistanische Soldaten bei einer Operation in Süd-Waziristan ausländischen Journalisten den deutschen Pass Bahajis, ausgestellt am 2. August 2001 in Hamburg. Angeblich hatten sie das Dokument in einem Haus eines Extremisten gefunden - eine befremdlich anmutende Geschichte. Kann man Ahmad S. glauben, wenn er erst den Agenten von der CIA und jetzt auden deutschen Experten erzählt, einer der meistgesuchten Gotteskrieger sei nicht nur am Leben, sondern auch aktiv? Trifft sich ein Mann vom Kaliber Bahajis, der in Dschihadisten-Kreisen als Veteran des 11. September eine Legende geworden ist, in Pakistan mal eben mit Mitgliedern einer Reisegruppe militanter Islamisten aus Deutschland, die irgendwie gegen die Ungläubigen kämpfen wollen? Angeblich waren bei dem Treffen mit Bahaji auch Shahab D. und Naamen M. dabei. Der Deutsch-Iraner Shahab D. alias "Abu Askar" hat es zu einiger Bekanntheit gebracht, weil er auf Fotos im Internet mit einem riesigen Messer posierte. Der gebürtige Franzose Naamen M. soll, wie der Spiegel berichtet, in Hamburg zum Umfeld der Todespiloten gehört haben. Beide sollen angeblich, ebenso wie der Deutschtürke Bünyamin E. vorige Woche bei einem Drohnenangriff der Amerikaner in Pakistan ums Leben gekommen sein. Gesichert ist diese Information nicht. Sie ist aber nicht ganz so vage wie viele der umlaufenden Geschichten über die Szenarien für einen Anschlag.
https://www.sueddeutsche.de/politik/terrorismus-erzaehlungen-eines-islamisten-1.1010397
mlsum-de-95
Die Unterschiede zwischen Arm und Reich gehen weltweit zurück - entgegen dem allgemeinen Vorurteil. Und es zeigt sich: Radikale Umverteilung bringt gar nichts.
Dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, gehört zum als gesichert geglaubten Wissen vieler Menschen. Die Überzeugung prägt politische Programme und das gesellschaftliche Klima. Immer wieder gibt es Nachrichten, die das Bild zu bestätigen scheinen. Gerade veröffentlichte die Unternehmensberatung BCG in New York und Zürich ihren neuen Global Wealth Report. Sollten die BCG-Leute recht haben, dann wird im Jahr 2021, also in gerade einmal fünf Jahren, 51 Prozent des Weltfinanzvermögens in den Händen von Millionären sein werden (heute sind es 45 Prozent). Das Problem mit solchen Zahlen ist, dass sie die sehr komplexe Wirklichkeit der internationalen Einkommens- und Vermögensverteilung nicht wiedergeben. Zum Beispiel, dass die Ungleichheit der Einkommen (im Gegensatz zu den Finanzvermögen) weltweit seit Jahren schon sinkt und nicht etwa steigt. Maßstab dafür ist der Koeffizient, den der italienische Soziologe und Statistiker Corrado Gini 1912 erfunden hat. Wenn alle Mitglieder der Gesellschaft genau gleich viel Geld verdienen, liegt der Gini-Koeffizient bei null, bekommt einer alles, ist der Wert 100. Die Wirklichkeit liegt immer irgendwo dazwischen. Nach Zahlen, die der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, veröffentlichte, sank der globale Gini-Koeffizient in den 20 Jahren zwischen 1988 bis 2008 signifikant von 74 auf 69. Wichtigste Ursache dieser Entwicklung ist der Aufstieg einer neuen globalen Mittelklasse außerhalb der alten Industrieländer. Nach einer neuen Studie der Brookings Institution gehören heute 3,5 Milliarden Menschen zu dieser Schicht, knapp die Hälfte der Weltbevölkerung. Besonders in Asien ist die Mitte der Einkommenspyramide noch schneller gewachsen, als bis vor Kurzem erwartet. Man muss nicht nach China, Indien oder Indonesien reisen, um diese epochale Veränderung wahrzunehmen, es reicht ein Gang durch die Münchner Fußgängerzone, wo unzählige Touristen aus diesen Ländern ihr Geld ausgeben. Und es ist nicht nur die Mittelschicht. Der Kampf gegen die Armut war erstaunlich erfolgreich. Noch nie in der jüngeren Geschichte gab es im Verhältnis weniger Menschen, die mit unter 1,90 Dollar am Tag auskommen mussten. Diese Wirklichkeit kommt nur schwer gegen das Klischee von der verarmenden Dritten Welt an. Trotzdem ist klar, dass die Ungleichheit weiter sinken muss, wenn die Welt ein friedlicherer Platz werden soll. Eine kritische Frage ist dabei, wie sich Gleichheit und Ungleichheit auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken. Augenfällig sind die vielen Beispiele, in denen Ungleichheit die Unterentwicklung perpetuiert: Bolivien (Gini-Koeffizient 56,3), Paraguay (52,4), Haiti (59,2). Andererseits ist eine gleichmäßigere Einkommensverteilung kein Garant für Fortschritt. In Afghanistan haben die Statistiker mit 27,8 einen niedrigeren Gini gemessen als in Deutschland (28,3). Der sagt überhaupt nichts aus über die Zukunftschancen des Landes. Die Zahlen stammen von den Vereinten Nationen und beziehen sich auf das Jahr 2013. Mehr Ungleichheit kann einem Land auch nutzen Jetzt hat Francesco Grigoli, ein junger Ökonom beim Internationalen Währungsfonds, versucht, den Zusammenhang genauer zu ergründen. Er untersuchte die Einkommensverteilung in 77 Ländern und kam zu zwei bemerkenswerten Ergebnissen: Erstens gibt es so etwas wie einen mittleren Gini. Er liegt bei 27, also etwas niedriger als in Deutschland. Wird der Wert höher, schadet die Ungleichheit dem wirtschaftlichen Fortschritt, liegt er darunter, könnte mehr Ungleichheit dem Land nutzen. Als Beispiel dafür nennt Grigoli Finnland. Zweitens gibt es einen inequality overhang, was bedeutet, dass zunehmende Ungleichheit umso mehr schadet, je ungleicher eine Gesellschaft bereits ist. Die ökonomische Logik hinter Grigolis Studie ist einfach. Damit überhaupt wirtschaftliche Entwicklung in Gang kommt, ist eine gewisse Konzentration von Kapital nötig, das dann in Unternehmen und Arbeitsplätze fließen kann. Wird die Ungleichheit größer, dann hören mehr und mehr Reiche auf, produktiv zu investieren, sondern betreiben das, was der Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz "rent seeking" nennt: Sie nutzen ihr Talent für das Streben nach leistungslosen Einkommen, legal und oft auch illegal, durch Druck auf Politiker, durch Steueroptimierung oder die Flucht in Steueroasen. IWF-Ökonom Grigoli schreibt: "Wenn die Einkommen in den Händen weniger reicher Individuen konzentriert sind, kann dies zu geringerer Nachfrage seitens der breiten Bevölkerung und geringeren Investitionen in Gesundheit und Bildung führen, was dem langfristigen Wachstum schadet." Aber was sollen Politiker mit diesen Erkenntnissen anfangen? Etwa die Staats-und Regierungschefs der G-20-Staaten, die sich Anfang Juli in Hamburg treffen werden, unter anderem um Afrika beim wirtschaftlichen Aufstieg zu helfen. Grigoli ist, wie viele Ökonomen, sehr zaghaft, wenn es um konkrete Vorschläge geht. Helfen würde es, sagt er, wenn die breite Bevölkerung besseren Zugang zu Finanzdiensten hätte, um sparen und investieren zu können. Das könnte aber auch nach hinten losgehen, wenn etwa einfache Leute von den Banken diskriminiert werden oder wenn sie sich überschulden. Auf jeden Fall richtig sei es aber, wenn der Zugang von Frauen zum Arbeitsmarkt verbessert werde. Dies erhöht den Talentpool der Volkswirtschaft und mindert die negativen Folgen der Ungleichheit. Was ganz sicher nicht funktioniert, ist radikale Umverteilung. Die sozialistischen Führer von Venezuela schöpften von der Wirtschaft ab, was sie konnten und verteilten es an einen Teil der Armen und sich selbst. Heute steht das einst relativ wohlhabende Land vor dem politischen und wirtschaftlichen Zusammenbruch.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kluft-zwischen-arm-und-reich-ungleichheit-kann-auch-etwas-gutes-sein-1.3546343
mlsum-de-96
Frankreichs Arbeitgeber bereisen Deutschland - auf der Suche nach den Erfolgsgeheimnissen des starken Nachbarn. Doch nicht alles, was sie dort erfahren, gefällt ihnen.
Monsieur und Madame Coudoré haben ein kleines Unternehmen. Mit ihm haben sie große Pläne. Sie wollen den deutschen Markt erobern. Oder wenigstens soll ihre kleine Firma für Präzisionsmechanik - 16 Leute, eine Million Euro Umsatz - gut ins Geschäft kommen mit deutschen Partnern. Also sind Christelle und Christophe Coudoré aus Blois im Herzen Frankreichs nach München gereist, wo sie nun im Berufsbildungszentrum von Siemens stehen und große Augen machen. Die Coudorés wollen verstehen, wie die deutsche Wirtschaft funktioniert. "Wir machen eine Entdeckungsreise", sagt sie. "Wir müssen vom deutschen Modell lernen", sagt er. "Le modèle allemand" - das ist in den vergangenen Jahren ein fester Begriff im Wortschatz französischer Unternehmer geworden. Von Deutschland lernen, heißt siegen lernen, denken sie. Besonders interessiert die Coudorés das Mysterium der deutschen Sozialpartnerschaft: wie man als Patron, als Boss also, das Verhältnis zur Belegschaft pflegt. Oder wie man gute Facharbeiter ausbildet. "Wow!", entfährt es Christophe Coudoré, als er nun im Siemens-Bildungszentrum einen hell erleuchteten Raum betritt, in dem Metalltechnik-Lehrlinge an Hightech-Maschinen bohren und fräsen. Der Ausbilder erklärt, die Azubis hätten 15 Tage Zeit, in denen sie einen Druckluftmotor bauen und einen dazugehörigen Kostenvoranschlag erstellen sollen. Monsieur Coudoré ist begeistert. Er ist selbst gelernter Dreher, "ich kann das einschätzen", sagt er. Unablässig klickt der Foto-Auslöser seines Smartphones. Hinter ihm raunt ein Mann auf Französisch: "Gigantisch ist das. Allein, was in die Maschinen für die Ausbildung investiert wird! Das sagt alles." Christelle und Christophe Coudoré sind ja nicht allein auf ihrer Forschungsreise. Eine ganze Delegation von 50 Unternehmenschefs und Managern ist es, die durch Deutschland tingelt; erst durch Unternehmen in Bayern, dann zu Politik und Verbänden nach Berlin. Angeführt von Pierre Gattaz, dem "Patron der Patrons", dem Chef des französischen Arbeitgeberverbandes Medef. Und da diese Reise in eine Zeit fällt, in der Frankreich unter größter Mühe eine wirtschaftliche Modernisierung unternimmt, wirkt der Besuch beim ach so bewunderten deutschen Nachbarn wie ein Spiegel französischer Defizite. Allerdings, so wird die Reise offenbaren, auch der Defizite der Arbeitgeber. Ihre Erkundungstour in Bayern ist straff durchgetaktet. Bei Siemens geht es um Sozialpartnerschaft und Ausbildung. Beim franko-deutschen IT-Konzern Atos lernen die Firmenlenker mehr über die Digitalisierung der Wirtschaft. Im BMW-Werk bestaunen sie die Produktion deutscher Luxusboliden. Beim Metallbau-Spezialisten MEA in der Kleinstadt Aichach westlich von München ergründen sie den Mythos des deutschen Mittelstands. Und in Augsburg bewundern sie bei MT Aerospace silbern funkelnde Treibstofftanks für Ariane-Raketen. Auch ein landeskundliches Handbuch hat Frankreichs Arbeitgeberverband vorbereitet, in dem der interessierte Expeditionsteilnehmer etwa erfährt, was "Willkommenskultur" übersetzt heißt - und was "Pegida". Oder dass Deutschland enge diplomatische Bande mit der Mongolei pflegt. Dass aber auch Frankreich besonders mit Bayern seit der Hochzeit Karls VI. mit Isabeau im Jahr 1385 privilegierte Beziehungen unterhält. Die Coudorés aus der französischen Provinz stechen ein bisschen ab in der Medef-Delegation. Nicht nur, weil sie als händchenhaltendes Paar reisen, und Christelle Coudoré mit ihrer knallrosa Plüschbommel-Handtasche sofort ins Auge fällt. Die meisten Teilnehmer - es sind natürlich fast nur Herren - stehen an der Spitze größerer Familienunternehmen aus dem Raum Paris. Manche kommen auch von Konzernen wie dem Kosmetikriesen L'Oréal. Sie gehören zur Kategorie der "grands patrons". Einige sind schon mit Filialen und Fabriken in Deutschland vertreten. Für andere ist Deutschland eine terra incognita. Neuland. Doch für alle ist es das gelobte Wirtschaftswunderland. "Unsere Gewerkschaften sind nicht konstruktiv, das klappt in Frankreich einfach nicht" Zu Hause, in Frankreich, sind aufgebrachte Gewerkschafter und Jugendliche gerade dabei, eine vom Medef lang herbeigesehnte Liberalisierung des Arbeitsrechts niederzuprotestieren. Es ist zum Verzweifeln, finden die Arbeitgeber: Seit vielen Jahren beklagen sie einen Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft. Wie viel besser erscheint ihnen da Deutschland: Ein Land, das längst Arbeitsmarktreformen unternommen hat. Ein Land mit weniger Erwerbslosigkeit und stärkerem Wachstum. Ein Land, das seine Industrie erhalten hat und das auch noch jene merkwürdig harmonische Sozialpartnerschaft pflegt: Kein Patron müsste hier fürchten, dass Sozialplanverhandlungen mit Freiheitsberaubung durch aufgebrachte Mitarbeiter enden oder damit, dass ihm, wie bei Air France geschehen, das Hemd vom Leib gerissen wird. "Hier ziehen alle an einem Strang", schwärmt Christelle Coudoré nach einem Gespräch mit Siemens-Personalchefin Janina Kugel. Frankreichs Unternehmer hoffen, dass der derzeit umstrittene Reformplan der Regierung ihnen bald die Möglichkeit einräumt, nach deutschem Beispiel den Arbeitsrahmen ihrer Beschäftigten auf betrieblicher Ebene zu verhandeln. Das ganze, wenngleich etwas angegriffene deutsche Konsensmodell wollen sie dann allerdings doch nicht: Erbittert wehren sich die Arbeitgeber derzeit gegen einen Passus, demzufolge sie Änderungen der Arbeitszeiten in den Firmen mit Gewerkschaftern oder anderen Personalvertretern verhandelt werden sollen. "Unsere Gewerkschaften sind nicht konstruktiv, das klappt in Frankreich einfach nicht", sagt Christelle Coudoré. Das Verhältnis zur Belegschaft nach deutschem Vorbild pflegen? Geht doch nicht, sagen die Coudorés. Damit liegen sie voll auf der Linie von Verbandschef Pierre Gattaz. Der ist kein geschniegelter Lobbyist, sondern ein etwas kauziger Familienunternehmer mit schiefer Körperhaltung, aber umso gradlinigeren Positionen. Schon sein Vater Yvon, Gründer des florierenden Luftfahrtelektronik-Herstellers Radiall, war Medef-Chef und lehnte allzu viele Zugeständnisse ab. In München sagt Pierre Gattaz: "Es ist ausgeschlossen, die Mitbestimmung nach deutscher Art einzuführen, solange wir solche Gewerkschaften haben." Im Übrigen gebe es in 85 Prozent der französischen Betriebe keine Gewerkschaftsvertreter - "und die Angestellten dort sind glücklich". In der Theorie will Gattaz "die wirtschaftliche Kultur Frankreichs verändern". In der Praxis schließt das die Kultur der Arbeitgeber aber nicht mit ein. Tatsächlich muten die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten vormodern an: Sie sind bestenfalls paternalistisch geprägt - und im schlechtesten Fall durch Konflikt und Misstrauen. Das hat historische Gründe. Sie liegen in der Erfahrung der Gewerkschaften einer langen Repression im 19. Jahrhundert und dass sie meist nur mit radikalen Mitteln Verbesserungen erreicht haben. Und in dem Umstand, dass ein ideologisches Update wie die soziale Marktwirtschaft in Frankreich bis heute nicht angekommen ist. "Der Unterschied zu Deutschland liegt nicht im Inhalt der Arbeitsgesetze, er liegt in der Einstellung beider Seiten. Konfrontation ist die Gewohnheit", sagt Patrice Pélissier. Er muss es wissen, er hat den Vergleich. Pélissier führt als Manager den Mittelständler MEA. Begonnen hat er seine Karriere als Manager in französischen Konzernen. Die Delegation sucht Pélissier bei MEA in Aichach auf. Die Fahrt dorthin führt vorbei an deutschen Institutionen wie OBI und an Schildern, die Eier von frei laufenden Hühnern anpreisen. Pélissier empfängt die Gäste mit Mousse au chocolat und Quarktaschen. Und beginnt sogleich die Arbeit als Kulturmittler - mit einem Vortrag über den Mittelstand, der in Deutschland mit 12000 Firmen dreimal so stark ist wie in Frankreich. Gattaz, die Coudorés und alle anderen hören gebannt zu. Pélissier erzählt von der tugendhaften Aversion der Mittelständler gegen die reine Renditelogik, von der Verankerung in der Familie und in einer Region. Aber er zeigt auch Schwächen auf. Spricht von der Schwierigkeit der Familienfirmen, sich zu erneuern. In einer sich rasant ändernden Welt sei das ein Handicap. "Das Modell", schließt Pélissier, "ist nicht mehr haltbar." Wie bitte, das deutsche Modell nicht haltbar? Die Patrons schauen ungläubig. Dann sagt einer: "Das ist eine gute Nachricht, dann bekommen wir bald Kaufgelegenheiten in Deutschland!" Verbandschef Gattaz aber entgegnet: "Monsieur Pélissier, Sie kratzen am Mythos! Ich versichere Ihnen: Die Deutschen sind unheimlich stark." Gattaz braucht den Mythos noch. Für die Debatte zu Hause, in Frankreich.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/frankreich-expedition-ins-wirtschaftswunderland-1.2930256
mlsum-de-97
"Ich nehme immer die, die in diesem Moment das Beste sind": Pep Guardiola erklärt vor dem Auftakt gegen den HSV den Konkurrenzkampf beim FCB - zwei Profis erhalten Lob.
Alle Spieler zufriedenstellen? "Unmöglich" Pep Guardiola ist sich bewusst, dass es schon im Bundesliga-Eröffnungsspiel gegen den Hamburger SV einige Härtefälle beim FC Bayern geben wird. Es sei für ihn "unmöglich", alle Spieler zufriedenzustellen, sagte der Trainer des deutschen Fußball-Meisters vor dem ersten Punktspiel am Freitag (20.30 Uhr) in München. "Ich nehme immer die elf Spieler, die in diesem Moment das Beste für die Mannschaft sind und nicht das Beste für einzelne Spieler", sagte Guardiola. Der Konkurrenzkampf sei groß. "Die Spieler wissen, dass es nicht einfach ist für sie zu spielen." Aber alle würden im Verlauf gebraucht und auch zum Einsatz kommen, versicherte der Bayern-Trainer. Vor dem Saisonstart lobte Guardiola die Neuzugänge Douglas Costa und Arturo Vidal. Der für 30 Millionen Euro von Schachtjor Donezk verpflichtete Brasilianer Costa verfüge über eine Qualität im Dribbling, die selten zu finden sei. "Er wird einer der fünf besten Außenstürmer der Welt", prophezeite Guardiola. Vier Hauptkonkurrenten um die Meisterschaft Der für 37 Millionen Euro von Juventus Turin verpflichtete Chilene Vidal bringe "alles" mit. Er sei ein großer Kämpfer, der immer Vollgas auf dem Platz gebe. Auch an den Qualitäten des 33 Jahre alten Xabi Alonso gibt es für Guardiola "keine Zweifel". Dem Spanier hätten in der Rückrunde der vergangenen Saison jedoch die Mittelfeldspieler für sein Passspiel gefehlt, betonte Guardiola. Als Hauptkonkurrenten um den Meistertitel hat Guardiola indes vier Mannschaften ausgemacht: "Dortmund, Gladbach, und natürlich Leverkusen und Wolfsburg."
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Die Bayern spielen die Bedeutung der Champions-League-Partie bei Atlético herunter. Aber das Aus im Halbfinale der Vorsaison wabert noch durch die Köpfe.
Die Heimat des Champions-League-Gegners des FC Bayern ist ein Ort für Nostalgiker. Nirgends in Europa blättert so hübsch der Putz ab, über die alten Gemäuer des Estadio Vicente Calderón haben Fußballromantiker schon so manche schwelgende Zeile verfasst. Aber ein entscheidendes Detail ist bisher nie zur Sprache gekommen: Dass nämlich eine Straße namens "Paseo de los Melancólicos" zu diesem Stadion im Madrider Südwesten führt. Die Emotions-Europameister von Atlético Madrid, das Team des großen Trainer-Toreros Diego Simeone - und die Meile der Empfindsamen, das passt auf herrliche Art so überhaupt nicht zusammen. Das Problem ist nur: Für derart Gefühliges ist die Münchner Belegschaft nicht in die spanische Hauptstadt gereist. Ihr geht es an diesem Mittwoch vielmehr um ihr Punktekonto in der Gruppenphase - und darum, ein bisschen was gutzumachen. Allzu lange ist der letzte Bayern-Besuch im Calderón ja nicht her, das Aus im Halbfinale des vergangenen Wettbewerbs wabert noch durch die Hinterköpfe. Geht es also nicht auch ein wenig um Rache? Darum, den Schmerz von damals endgültig zu vergessen? Vielleicht. Aber so schlimm ist's nun auch wieder nicht. Lahm müht sich um Versachlichung "Rache ist das falsche Wort, wir sind halt bitter ausgeschieden damals", bemühte sich Philipp Lahm um Versachlichung, als er am Dienstagabend in einer Art Besenkammer unter der Arena seine Gefühlslage darlegen sollte. Trotzdem sei er "gerne hier, denn Madrid ist schon immer was Besonderes". Die Bayern sind sich schon bewusst, dass diese Partie um Längen bedeutsamer ist, als alles, was bisher war in dieser Saison. Wenn man so will, ist das Treffen mit den Raufbolden und Mentalitätsmonstern der Colchoneros auch die erste echte Herausforderung unter Trainer Carlo Ancelotti. Dem Italiener war an dem Ort, an dem er nach zwei Jahren als "Mister" von Real Madrid immer noch viele Vertraute hat, die Vorfreude anzumerken. Die große Bühne, ein glanzvoller Abend, die Spätsommerhitze - Ancelotti zog die Augenbrauen hoch, er grinste in sich hinein, dann folgte erst mal ein trockener Gag: Er wolle Fragen bitte nur auf Deutsch beantworten. Beim allgemeinen Gepruste lachte der Italiener von Herzen mit. Dann gab er Auskunft auf Spanisch, na klar. Der zuletzt angeschlagene Mats Hummels habe "gut trainiert, er ist bereit für einen Einsatz", sagte Ancelotti. Es werde "sehr schwer, denn der Gegner hat eine gut organisierte Mannschaft", und überhaupt: "Es wird ein intensives Spiel." Wie der gemütliche Onkeltyp Ancelotti einen solchen Showdown erlebt, was das für die vielfach malträtierten Kaugummis in seinem Mund bedeutet und wie er nach dem Spiel seine erste Härteprobe im Bayern-Amt verarbeitet - auch das wird interessant zu beobachten sein. Anzeichen von Nervosität suchte man beim Stoiker aus der Emilia-Romagna vergeblich, todo bien, so sein Credo.
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Bessere Bremsen, breitere Reifen, starke Elektromotoren: Ingenieure haben die Fahrräder in den vergangenen Jahren enorm weiterentwicklet. Die neue Technik erleichtert den Abschied vom Auto.
Was die IAA in Frankfurt für Auto-Liebhaber ist, das ist die Euro-Bike in Friedrichshafen für Fahrrad-Fans. Jedes Jahr Ende August kommen Zehntausende zu der Messe am Bodensee, um den Branchentrends nachzuspüren. Wer meint, das Rad sei doch lange erfunden und es gebe da kaum noch etwas zu entwickeln, der wird auf der Euro-Bike regelmäßig vom Gegenteil überzeugt. Die Branche lässt sich immer wieder Neues einfallen, um die Kundschaft im Sattel zu halten. So werden in diesem Jahr neben Rennrädern mit Scheibenbremsen oder schnellen Stadtflitzern mit nahezu lautlosem und wartungsarmem Riemenantrieb sogenannte Fatbikes im Zentrum des Interesses stehen. Dabei handelt es sich um eine Art Mountainbike mit besonders wuchtigen Reifen, die es den Fahrern erlauben, auch durch feinen Sand oder lockeren Schnee zu pflügen. Das Problem ist nur: Der hohe Rollwiderstand erfordert vom Fahrer ausreichend Kondition. Aber auch das lässt sich lösen: Einige Hersteller integrieren in ihre Fatbikes mittlerweile Elektromotoren für die weniger Trainierten. Ohnehin ist der E-Antrieb eines der Hauptthemen der Branche: Die Zahl der pro Jahr verkauften Exemplare, die je nach Stärke des Motors Pedelecs, S-Pedelecs oder E-Bikes heißen, steigt stetig: von 110 000 im Jahr 2008 auf zuletzt 480 000. Mittelfristig erwartet der Branchenverband ZIV einen Absatz von bis zu 600 000 Fahrräder mit E-Antrieb pro Jahr - auch wenn die Stromer zwischen 500 und 2000 Euro mehr kosten als normale Räder. "Das Elektrorad hat das Image des ,Schummelfahrrads' mit Reha-Touch verloren", sagt Anja Smetanin vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Boten die Firmen anfangs überwiegend City- und Trekkingräder mit E-Motor an, wird die Modellvielfalt nun größer: Selbst bei Mountainbike-Puristen löst ein Rad mit Elektrounterstützung keine Verachtung mehr aus. "Durch das breitere Spektrum an Produkten werden neue Zielgruppen erschlossen", sagt ZIV-Chef Siegfried Neuberger. Tatsächlich findet sich kaum noch ein Radhändler, der nicht zumindest eine Ecke im Laden für Elektroräder reserviert hat. Zudem eröffnen mehr und mehr auf E-Mobilität spezialisierte Händler. Sie setzen unter anderem auf Pendler, die mit Akku-Unterstützung zur Arbeit fahren - und zwar in Städten wie auch in ländlichen Gebieten. So berichtet der Starnberger Elektrorad-Händler Jörg Simm, dass jeder vierte Kunde das Elektrorad für den Weg zur Arbeit nutzen will. "Und dieser Anteil wird weiter steigen." VCD-Expertin Smetanin hofft zudem, dass das Elektrorad helfen könnte, "den Umstieg vom Pkw im Alltag zu unterstützen". Etwa jede zweite Pkw-Fahrt für Kurzstrecken unter fünf Kilometern könnte durch das Rad ersetzt werden. "Allein damit würden jährlich fünf Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden", rechnet das Umweltbundesamt vor. Puristen entgegnen allerdings, dies alles sei schöngerechnet. Radler, die auf Muskelkraft setzten, würden jetzt schon zu 100 Prozent CO₂-frei fahren. Sollten sie auf E-Antriebe umsteigen, würden sie indirekt über die Kohlekraftwerke doch noch Kohlendioxid erzeugen. Ist E-Mobilität auf zwei Rädern also ein Rückschritt? Nein, sagt Smetanin: Viele Autofahrer scheuten noch immer das Rad für Strecken bis zehn Kilometer Länge - etwa weil sie nicht verschwitzt im Job ankommen wollen. Mit einem Stromer ließe sich das lösen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/technik-schweissfrei-ins-buero-1.2606996
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