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https://www.sueddeutsche.de/panorama/leicester-besitzer-gestorben-1.4189313
mlsum-de-9301
Der thailändische Besitzer von Leicester City, Vichai Srivaddhanaprabha, ist beim Hubschrauberabsturz am Stadion des englischen Erstligisten tödlich verunglückt.
Bei dem Absturz am Samstagabend seien insgesamt fünf Menschen ums Leben gekommen, teilte der Verein am Sonntagabend per Twitter mit. "Mit tiefem Bedauern und einem kollektiven gebrochenen Herzen müssen wir mitteilen, dass unser Präsident, Vichai Srivaddhanaprabha, zu denen gehört, die ihre Leben am Samstagabend auf tragische Art verloren", hieß es in der Mitteilung. "Keiner der fünf Menschen an Bord hat überlebt." Der Helikopter des aus Thailand stammenden Milliardärs Srivaddhanaprabha zerschellte nach Angaben britischer Medien auf dem Parkplatz neben dem King Power Stadion und ging in Flammen auf. "Die Gedanken von allen im Club gelten in erster Linie der Srivaddhanaprabha-Familie und den Familien deren, die zum Zeitpunkt dieses unerträglichen Verlusts, an Bord waren", hieß es. "Mit Srivaddhanaprabha habe die Welt "einen großartigen Mann verloren". Klubboss Srivaddhanaprabha und seine Familie erfreuten sich großer Beliebtheit in Leicester. Der 61-Jährige hatte den damaligen Zweitligisten im Jahr 2010übernommen und viel Geld in den Verein gesteckt. In der Folge gelang der Aufstieg in die Premier League und der sensationelle Gewinn der Meisterschaft im Jahr 2016. Der thailändische Milliardär lässt sich üblicherweise nach Heimspielen von Leicester City aus dem Stadion fliegen. Der in den blau-weißen Vereinsfarben lackierte Hubschrauber landet dafür regelmäßig am Mittelkreis. Beim Sender Sky News berichteten Augenzeugen von einem riesigen Feuerball. Auf Bildern war ein Feuer auf dem Parkplatz zu sehen. Der Hubschrauber war nach diesen Berichten kurz zuvor im Stadion gestartet. Augenzeugen berichteten von einem plötzlichen Stillstand des Heckrotors. Die Maschine habe sich daraufhin wie ein Kreisel gedreht und sei unkontrolliert abgestürzt. Einer der ersten am Unglücksort sei Leicesters Torhüter Kasper Schmeichel gewesen, berichteten Augenzeugen dem Sender BBC.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/vermisster-air-asia-flug-qz8501-suchkorridor-soll-vergroessert-werden-1.2283132
mlsum-de-9302
Die Behörden gehen davon aus, dass der vermisste Airbus der Air Asia mit 162 Menschen an Bord ins Meer gestürzt ist. Meldungen über im Wasser treibende Trümmer bestätigen sich nicht. Die Einsatzkräfte wollen die Suchzone am Dienstag weiter ausdehnen.
Die Suche: Behörden vermuten vermisstes Flugzeug auf dem Meeresgrund Die indonesischen Behörden gehen davon aus, dass der vermisste Airbus der Air Asia ins Meer gestürzt ist. Das Wrack sei möglicherweise bereits auf den Meeresboden gesunken. Eine konkrete Spur gibt es noch nicht. "Wir haben keinerlei Informationen über den Verbleib des Flugzeugs", räumte der Chef der Transportsicherheitsbehörde ein. Zwar wurden Berichte öffentlich, denen zufolge ein australisches Suchteam verdächtige Trümmerteile entdeckt haben soll, an anderer Stelle wurde eine Ölspur entdeckt - doch ein Zusammenhang mit dem verschollenen Flugzeug konnte nicht bestätigt werden. Dutzende Flugzeuge, Schiffe und Hubschrauber aus Indonesien, Malaysia und Singapur waren im Einsatz. Sie konzentrierten sich auf die Küstenregion nahe der indonesischen Insel Belitung, die Suchzone soll am Dienstag noch ausgeweitet werden. Da Indonesien nicht über die geeigneten Mittel verfügt, wird Singapur voraussichtlich mit sogenannten Schleppsonden aushelfen, die Dateschreiber orten können. "Wir suchen auch an Land", sagte der Chef der Zivilluftfahrt-Behörde. "Wir können nicht ausschließen, dass die Maschine in Westkalimantan (auf Borneo, Anm. d. Red.) oder auf Bangka oder Belitung abgestürzt ist." Der Hintergrund: Airbus von Air Asia verschwunden Die Air-Asia-Passagiermaschine mit 162 Menschen an Bord war am Sonntagmorgen auf dem Weg von Surabaya in Indonesien nach Singapur plötzlich vom Radar verschwunden - etwa zwischen der indonesischen Hafenstadt Tanjung Pandan und der Stadt Pontianak auf der Insel Borneo. AirAsia Indonesia regrets to confirm that QZ8501 from Surabaya to Singapore has lost contact at 07:24hrs this morning https://t.co/WomRQuzcPO — AirAsia (@AirAsia) December 28, 2014 Eine Minute vor dem Abbruch des Funkkontakts hatte die Besatzung des Fluges mit der Nummer QZ8501 wegen schlechten Wetters um Genehmigung für eine Kursänderung gebeten. Ein Aufsteigen wurde den Angaben zufolge wegen dichten Verkehrs verweigert. Stattdessen durfte die Maschine nach links abweichen, heißt es von Seiten der Flugaufsicht. Über einen Notruf wurde zunächst nichts bekannt. Der Airbus A320-200 befand sich in etwa 10 000 Metern Höhe, als der Pilot um die Höhenänderung ersuchte. Die Insassen: 162 Menschen an Bord, darunter 17 Kinder Der Pilot aus Indonesien gilt mit mehr als 6000 Flugstunden als erfahren. Der Copilot, ein Franzose, hat knapp 2300 Flugstunden hinter sich. An Bord sind außerdem 154 weitere Indonesier, drei Südkoreaner, ein Singapurer, ein Malaysier und ein Brite. Unter den Passagieren befinden sich den Angaben zufolge ein Baby und 16 ältere Kinder. Zahlreiche Angehörige haben sich seit den ersten Meldungen über einen möglichen Absturz am Ziel- und Startflughafen versammelt. Sie werden von Psychologen betreut und vor der Öffentlichkeit abgeschirmt. Mögliche Unglücksursache: Das Wetter Als die Air-Asia-Maschine vom Radar verschwand, gingen in der Region starke Regenfälle nieder. Auch von kleineren Wirbelstürmen ist die Rede. "Es ist normal, dass sie auf (die Piloten, Anm. d. Red.) Monsun-Wetter treffen", zitiert der US-Nachrichtensender CNN eine Meteorologin. Sie müssten darauf trainiert sein, damit umzugehen. CNN zufolge hat eine Firma, die weltweit Gewitter aufzeichnet, an der vermuteten Absturzstelle zum fraglichen Zeitpunkt eine ganze Reihe von Blitzen verzeichnet. Diese allein bringen aber noch kein Flugzeug zum abstürzen - doch dass die Piloten aktiv eingreifen müssen, macht Fehler in solchen Situationen wahrscheinlicher. Die Fluggesellschaft: Air Asia - eine zuverlässige Airline Als das Unglück bekannt wurde, änderte Air Asia auf ihrem Facebook-Profil die Farbe ihres Logos von rot zu grau. Die Maschine wurde von Indonesia Air Asia betrieben, die zu 49 Prozent der Muttergesellschaft Air Asia aus Malaysia gehört. Die Fluggesellschaft ist einer der größten Billigflieger der Welt. Das 2001 in Malaysia gegründete Unternehmen hat nach eigenen Angaben bereits 217 Millionen Passagiere befördert und in ihrem Heimatmarkt fast 50 Prozent Marktanteil. Air Asia fliegt mit mehr als 150 Maschinen vor allem Ziele in Asien an. Es hat bislang keinen größeren technischen Zwischenfall gegeben. Die malaysische Luftfahrtindustrie wurde in diesem Jahr bereits von zwei Katastrophen erschüttert. Im März verschwand auf dem Flug von Kuala Lumpur nach Peking eine Maschine der Malaysia Airlines mit 239 Menschen an Bord. Im Juli wurden beim Abschuss eines Flugzeugs derselben Fluggesellschaft über der Ukraine alle 298 Insassen getötet.
https://www.sueddeutsche.de/auto/vergleich-mercedes-s-klasse-7er-bmw-krieg-der-welten-1.708347
mlsum-de-9303
Die Titanen der Oberklasse treten zum ersten Duell an: BMW greift mit neuen Assistenz-Systemen und unerreichter Fahrdynamik an, der Benz kontert mit aristokratischer Ruhe und Ausgewogenheit.
Ein Vergleich BMW 730d gegen Mercedes S 320 CDI heißt: sportlich gegen komfortabel, aufstrebend gegen überlegen und Selbstfahrer gegen Chauffeur. Nach drei Jahrzehnten kommt es zum Duell der beiden wohl besten Luxuslimousinen der Welt. Die Mercedes S-Klasse liegt weltweit und in Deutschland unangefochten an der Spitze des Segments. Doch der neue 7er BMW dürfte dem Stuttgarter Aushängeschild viel Kopfzerbrechen machen. Detailansicht öffnen Ein Vergleich BMW 730d gegen Mercedes S 320 CDI heißt: sportlich gegen komfortabel, aufstrebend gegen überlegen und Selbstfahrer gegen Chauffeur. (Foto: Foto: Pressinform) Der neue 7er ist wie einer dieser Kühlschränke, die automatisch Milch nachbestellen, wenn sie zur Neige geht. Alles was BMW an Technik zu bieten hat, steckt im neuen Aushängeschild der blau-weißen Marke: Head-up-Display, Verkehrszeichenerkennung, Internetzugang und sogar Fernbedienung bestimmter Funktionen wie Türentriegelung oder Heizungsprogrammierung per Telefonanruf. BMWs vernetzte Welt geht so weit, dass die Fond-Passagiere optional mit einer eigenen iDrive-Konsole versorgt werden können und sich die komplette Bedienungsanleitung des Fahrzeugs, multimedial aufbereitet, auf dem Bildschirm anzeigen lässt. BMW hat sich bemüht, die Fülle an Funktionen für den Fahrer beherrschbar zu machen. Vieles lässt sich mit dem neuen iDrive gut erledigen, doch beim Blättern zwischen den unzähligen Optionen sind Multimedia-affine Insassen eindeutig im Vorteil. In der S-Klasse lebt man in einer ganz anderen Welt. Hochwertig verarbeitet sind beide Luxuslimousinen, doch der Benz darf sich unterm Strich das edlerer Ambiente zurechnen. Die geriffelten und verchromten Schalter sind einfach schicker als die vielen schwarzen Tasten im BMW. Alles wirkt ruhiger und nicht so technisiert wie im 7er. Das Command-System der Schwaben hat nicht so viele Funktionen, doch im Alltag vermisst man eigentlich auch keine. Mit dem Drehschalter auf der Mittelkonsole navigiert man spielend einfach durch Navigation, Audiosysteme oder Fahrzeugeinstellungen. Der Bildschirm ist elektrisch in der Seitenneigung verstellbar, dafür bei weitem nicht so prachtvoll und groß wie der hochauflösende 10,2 Zoll-Monitor im BMW. Wenn man im 7er die Umgebungskarte in der Vollbildansicht anzeigt, degradiert das jedes mobile Navi zum Briefmarkenbildschirm. Völlig unterschiedlich präsentieren sich die beiden Luxuskreuzer auch beim Fahrverhalten. Bei der S-Klasse zweifelt man keine Sekunde daran, dass man eine Oberklasse-Limousine lenkt. Der Wagen zieht durchaus präzise, aber ein wenig behäbig seine Bahnen. Die Lenkung müsste präziser sein und die Wankbewegungen der Karosserie sind zu hoch. Man kann die S-Klasse auch forsch bewegen, ohne böse Überraschungen zu erleben, doch zu jeder Zeit merkt man, dass der Benz dafür eigentlich nicht gemacht ist.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/handball-erst-das-vergnuegen-1.4095706
mlsum-de-9304
Die Handballer des TuS Fürstenfeldbruck empfangen am Samstagabend im DHB-Pokal Titelverteidiger Rhein-Neckar-Löwen. Das Duell soll eine Belohnung sein - eine Woche vor dem Drittliga-Start.
Max Lentners Versuch endet kläglich. Sein Papierflieger steigt hoch, macht einen Bogen rückwärts und geht dort zu Boden, wo Lentner steht. Die Teamkollegen von den Handballern des TuS Fürstenfeldbruck kriegen sich kaum ein vor Lachen, der Gedemütigte sucht über den Seitenausgang der Sporthalle das Weite. Das Video vom missglückten Wurfversuch findet viele Fans in den sozialen Medien, die sich nach den handballfreien Wochen schon zurechtmachen für die neue Spielzeit. Ein bisschen Spaß darf sein im zuletzt harten Trainingsalltag des TuS Fürstenfeldbruck, der sich bei der Wahl der Zerstreuungen für seine Protagonisten durchaus konkurrenzfähig zeigt mit Profihandballern wie den Rhein-Neckar-Löwen, die Bilder vom Sommerbiathlon, Crossgolf und Wasser-Handball am Pool in die digitale Welt hinaussenden. Detailansicht öffnen Glanz in voller Hütte: Mit den Rhein-Neckar-Löwen, hier beim Pokalsieg vor einem Jahr, erwischten die Fürstenfeldbrucker das attraktivste Los. (Foto: Axel Heimken/dpa) An diesem Samstag treffen die ansonsten ungleichen Duellanten aufeinander - zum ersten Mal. Im Drittliga-Alltag messen sich Fürstenfeldbrucks Handballer seit Jahren mit der zweiten Mannschaft der Rhein-Neckar-Löwen, nun erwischten sie das wohl beste Los, das es für die Erstrundenbegegnung im DHB-Pokal zu verteilen gab: den Titelverteidiger und Champions-League-Teilnehmer aus Mannheim. "Mehr geht nicht", sagt TuS-Trainer Martin Wild: "Es ist das attraktivste Los, darauf haben wir alle gehofft." Kiel oder Flensburg schieden von vornherein aus, weil die potenziellen Pokalgegner in eine Nord- und eine Südgruppe eingeteilt waren. Die erste Pokalrunde wird an insgesamt 16 Standorten mit jeweils vier Teams ausgetragen, in Fürstenfeldbruck trifft der Gastgeber am Samstagabend (20 Uhr) auf die Rhein-Neckar-Löwen, das zweite Halbfinale bestreiten drei Stunden vorher die Zweitligisten TV Hüttenberg und HC Elbflorenz Dresden. Die Sieger beider Partien bestimmen am Sonntag um 15 Uhr im Finale, wer in die nächste Pokalrunde einziehen darf. Detailansicht öffnen Der Rückkehrer soll gleich einige Löcher stopfen: Falk Kolodziej. (Foto: Lukas Barth) "Wir gehen als Favorit dahin und müssen diese Rolle auch annehmen", sagte Löwen-Kapitän Andy Schmid dieser Tage dem Regionalsender RON TV. Was also kann ein Drittligist dagegen ausrichten? "Wir wollen ein unangenehmer Gegner sein und uns gut präsentieren", formuliert Martin Wild. Die Wittelsbacher Halle in Fürstenfeldbruck ist am Samstag komplett ausverkauft, binnen weniger Tage waren alle knapp tausend Eintrittskarten weg. Nur für das Finale am Sonntag gibt es noch Tickets. Wegen des riesigen Interesses hatte man sogar Überlegungen angestellt, nach einem Ausweichquartier mit mehr Fassungsvermögen in München oder Augsburg zu suchen. Schließlich wurde die Idee als zu teuer oder schlichtweg als nicht durchführbar verworfen. Nun bleiben die Brucker an gewohnter Heimstatt, die sich ihrer mitreißenden Stimmung wegen in den vergangenen Drittligajahren einen Namen gemacht hat. Zudem gelten Abläufe und Organisation inklusive Verpflegung der Hallengäste als eingespielt. Genügend Aufwand bleibt für die Gastgeber trotzdem, bereits am Feiertag während der Woche begannen sie damit, die Halle für den Event zu präparieren. 16 Spieler darf Wild am Samstag einsetzen, das will er tun, damit möglichst viele in den Genuss der außergewöhnlichen Partie kommen. Neu beim TuS sind die Brüder Alex und Max Horner aus Haunstetten, Felix Augner (Friedberg), Benno Gnan (Gröbenzell), Valentin Hagitte (Dachau) sowie die Rückkehrer Frederik Hartz und Falk Kolodziej. Letzterer soll auch helfen, die Löcher im Rückraum zu schließen, die die noch andauernden Verletzungen der etablierten Kräfte Sebastian Meinzer, Korbinian Lex, Alex Leindl und Yannick Engelmann gerissen haben. Bei den Rhein-Neckal-Löwen sind Hendrik Pekeler und Harald Reinkind nach Kiel abgewandert und Kim Ekdahl Du Rietz, der schon vor einem Jahr aufgehört, dann wieder Lust auf Handball verspürt hatte, zu Paris St. Germain, wo auch Ex-Löwe Uwe Gensheimer spielt. Zum neuen Löwen-Team gehören unter anderem die Nationalspieler Jannik Kohlbacher (Wetzlar) und Steffen Fäth (Füchse Berlin). "Richtig ernst" wird es Wild zufolge erst mit dem Auftakt in die Drittligasaison eine Woche später, wo als erster Gegner Zweitligaabsteiger Konstanz kommt. Das Pokalspiel soll für seine Spieler vor allem eine Belohnung sein.
https://www.sueddeutsche.de/sport/saison-bilanz-leben-mit-dem-inteamfeind-1.2758080
mlsum-de-9305
Ecclestone pokert und profitiert. Red Bull pokert und wird verhöhnt. Gewinner und Verlierer einer bewegten Saison.
Nico Rosberg hat beim Formel-1-Finale in Abu Dhabi am Sonntag (14.00 Uhr) beste Chancen auf einen Sieg-Hattrick. Der Mercedes-Pilot startet auf dem Yas Marina Circuit von der Pole Position und könnte nach Mexiko und Brasilien das dritte Rennen in Serie gewinnen. Als Zweiter beginnt Weltmeister Lewis Hamilton im zweiten Silberpfeil den letzten Grand Prix des Jahres. So viel zur Einstimmung auf das letzte Rennen des Jahres. Warum Rosberg trotzdem ein Verlierer des Jahres ist, während Sebastian Vettel, der am Samstag als 16. die Quali verpatzte, zu den Siegern zählt? Die Bilanz. Gewinner 1: Lewis Hamilton Ganz Abu Dhabi ist gepflastert mit der Zahl 44 - in der kommenden Woche feiert das Wüstenemirat Geburtstag. Lewis Hamilton, seit zwei Rennen Weltmeister - aber sieglos -, bezieht das gewohnt unbescheiden auf sich: "Das ist meine Startnummer, und der 44. Sieg meiner Karriere würde auch dazu passen." Nicht nur sportlich hat der Brite seinen Titel verteidigt, als Social-Media-Champion ist er auch der König unter den Renn-Entertainern. Gewinner 2: Max Verstappen Schon vor dem ersten Rennen hatte es der Niederländer geschafft, dass das Einstiegsalter in die Formel 1 hochgesetzt wird, es liegt jetzt bei 18 Jahren. So alt ist Verstappen junior seit dem Herbst auch, aber er hat schon vorher ziemlich viel abgehakt: Mega-Crash, Mega-Überholmanöver, Mega-Image. Von "Jugendwahn" spricht keiner mehr. Jetzt hat er seine erste Freundin, zieht nach Monte Carlo und spekuliert für 2017 auf ein Cockpit bei Red Bull. Oder ... Ferrari. Gewinner 3: Sebastian Vettel Apropos Ferrari. Wer im Debütjahr bei Ferrari aus dem italienischen Nichts drei Siege schafft, wer es fertig bringt, Mercedes taktisch, sportlich und mental zu verunsichern - der kann die Scuderia auch zum Titel treiben. Der Heppenheimer ist in die Rolle geschlüpft, die Michael Schumacher in Maranello hatte. Er erfüllt sie mit Begeisterung und Demut zugleich. Ein echter Mannschaftskapitän, der sagt: "Wir haben das ganze Jahr gebissen." Aber zufrieden ist der Sieger des Race of Champions erst, wenn er seinen fünften Titel hat. Gewinner 4: Maurizio Arrivabene Der Ferrari-Teamchef trägt nicht umsonst Schweißbänder während des Rennens - das zeugt von dem Druck, unter dem der neue Manager an der Spitze der Scuderia tatsächlich steht. Und welche Emotionen in ihm schlummern. Bei einem heftigen Geplänkel in der Box mit einem Kameramann wurde das selbst in Abu Dhabi, wo es um nicht mehr viel geht, deutlich. Dabei fängt das Titel-Rennen jetzt erst richtig an. Gewinner 5: Bernie Ecclestone Er hat sein eigenes Produkt als ziemlichen Mist diskreditiert, womit klar ist, dass der 85-Jährige nicht auf Altersmilde vertraut. Er zeigt sich weiterhin gern mit Diktatoren, und wenn die Formel 1 tatsächlich noch in diesem Jahr für acht Milliarden Euro verkauft wird, dann wird er wohl Geschäftsführer bleiben. Und die verhassten Hybrid-Motoren ist er in naher Zukunft auch los - zumindest sollen sie lauter und schneller werden. Verlierer 1: Red Bull Richtig viele Freunde hatte der Getränkerennstall im Fahrerlager nie. Am Anfang hat der Konzern die Preise verdorben, dann war er zu erfolgreich, und zuletzt regierte nur die Schadenfreude. Aber Konzernchef Dietrich Mateschitz hat verfügt, dass man bleibt. Trotz eines desaströsen Pokers um die Motoren. Es stünde zu viel auf dem Spiel, gemeint sind Geld und Ehre. Dem muss ein schneller Imagewechsel folgen, denn Red Schmoll schmeckt nicht. Niemandem. Verlierer 2: Ron Dennis Wenn McLaren-Honda fährt, dann meist hinterher. Aber das erschüttert den Autokraten aus Woking kaum. Der Boss des nach Ferrari stolzesten Formel-1-Rennstalls kritisiert lieber seinen ehemaligen Zögling Lewis Hamilton: "Wäre er noch bei McLaren, dann würde er sich nicht so verhalten, das hätten wir ihm nicht erlaubt. Er sprengt nun einige Ketten, die er loswerden wollte." Ein Befreiungsschlag, der Hamilton innerhalb von drei Jahren zum zweifachen Champion gemacht hat, vor allem aber zu einer Leitfigur. Das vermutlich ist es, worunter Dennis am meisten leidet. Verlierer 3: Nico Rosberg Warum denn nicht gleich so?: sechs Pole-Positionen in Serie, die Chance, die Saison mit einem Sieg-Hattrick abzuschließen. Freilich kommt der Wiesbadener erst richtig in Form, seit der Inteamfeind Hamilton wieder Weltmeister ist. Häufig fehlen dem Herausforderer nur Nuancen, deshalb braucht Rosberg bessere Nerven, vor allem aber mehr Konstanz. Verlierer 4: Lotus Die Garage des Teams im Fahrerlager zu finden, ist nicht schwer. Meistens stehen da nicht ausgepackte Kisten davor, oder gleich der Gerichtsvollzieher. Das luxemburgisch-britische Team hat ein Finanzproblem, und das wird immer größer, je länger die erwartete Übernahme durch Renault dauert. Lange reicht die Hoffnung nicht mehr als Antrieb. Und Dahinschleppen ist nicht unbedingt eine adäquate Fortbewegungsart in der Formel 1. Verlierer 5: Kimi Raikkönen Vielleicht darf der Finne nur bei Ferrari bleiben, weil er so ein guter Kumpel von Sebastian Vettel ist. Aber das reicht auf Dauer nicht. Über die eigene Form mag er noch weniger sprechen als er es ohnehin schon tut. Besser werden, dass sieht er als Aufgabe des ganzen Teams an. Er ist sicher, dass es besser geht. Vor allem sein Auto muss - nach fünf Ausfällen - zuverlässiger werden. Auf die Hoffnung angesprochen sagt der 36-Jährige: "Wir können viel versprechen - aber ob es so kommt?" Man wird es sehen. Stichtag ist der 20. März 2016, Melbourne, Saison- und Neustart.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/reformpaedagogik-erwachen-in-wolkenkuckucksheim-1.17516
mlsum-de-9306
Die Reformpädagogik wollte eine humane Schule schaffen, die jedes Kind schützt. Jetzt muss die Theorie geprüft werden, um das Ideal zu retten.
Die sexuelle Gewalt gegen Kinder, der massenhafte Missbrauch in Schulen und Internaten haben nicht nur die katholische Kirche, sondern auch die Reformpädagogik in Verruf gebracht. Entsetzen lösen die Verbrechen selbst aus, aber auch die Abgründe zwischen hehren Idealen und grausamer Praxis. Entweiht und entzaubert Durch die Missbrauchsfälle an der weltlichen Odenwaldschule ist eine Art Heiligtum der Reformpädagogen entweiht und entzaubert worden. Das Etikett "Reformpädagogik" steht für viele unterschiedliche Strömungen, die aber eines eint: der Wunsch, eine humane Schule zu schaffen, die jedem Kind gerecht wird, es ernst nimmt, achtet und schützt. Die Reformpädagogik hatte schon immer Gegner, ja Feinde, die sich über deren Idealismus und ihren weltverbesserischen Impetus ärgerten. Jetzt fühlen sie sich bestätigt und können eine angebliche Wolkenkuckucksheim-Pädagogik angreifen, eine Pädagogik also, die bestenfalls naiv sei und schlimmstenfalls verbrecherisch. Aber diese Art der Kritik ist unfair und allzu schlicht. Zwar müssen sich Reformpädagogen davor hüten, die sexuelle Gewalt an der Odenwaldschule und anderen Einrichtungen als "Einzelfälle" herunterzuspielen, die mit pädagogischen Konzepten überhaupt nichts zu tun hätten. Pauschales Verdammen und Verwerfen einer ganzen Theorietradition wäre jedoch falsch und überzogen. Historischer Fortschritt Dass verbale Demütigung, körperliche Strafen und sexuelle Gewalt gegen Kinder heute überhaupt als Skandal erlebt werden, ist ein historischer Fortschritt, um den sich viele Reformpädagogen verdient gemacht haben. Auch in normalen Schulen gibt es längst, ohne dass Lehrern und Schülern das bewusst sein müsste, reformpädagogische Elemente: die Mitbestimmung von Schülern, das selbständige Lernen in Projekten, die Wertschätzung verschiedener Begabungen und die Rücksichtnahme auf unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten. Aus reformpädagogischer Sicht sind viele Schulen noch immer nicht gut genug. Aber um wie viel menschlicher geht es im Allgemeinen zu, verglichen mit der langen Geschichte des Machtmissbrauchs in der Erziehung. Im 16. Jahrhundert nannte Montaigne die Bildungsstätten seiner Zeit "wahre Kerker der gefangenen Jugend": "Man komme nur in die Klassen beim Verhör der Lektionen! Da hört man nichts als Schreien der Kinder unter Schlägen und sieht nichts als zorntrunkene Präzeptoren." Zu oft gebrochenes Tabu Das ging noch Jahrhunderte so weiter, bis es den Humanisten und Reformpädagogen endlich gelang, die Gewalt gegen Kinder in ein - leider noch zu oft gebrochenes - Tabu zu verwandeln. Nun herrscht weitgehend Konsens, dass Kinder schlecht lernen und Schaden nehmen, wenn man Furcht in ihre Seelen streut. Der Druck auf die Schüler ist allerdings vielerorts wieder gewachsen, Schulangst ein verbreitetes Leiden geworden. Schon deshalb bleibt der reformpädagogische Impuls wichtig: Man darf den Schüler nicht reduzieren auf ein Objekt der Notengebung, man muss in ihm auch die Person sehen und anerkennen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/noch-ein-dienst-amazon-ueberall-1.2424436
mlsum-de-9307
Vom Mathe-Nachhilfelehrer bis zum Kammerjäger: In den USA arbeitet Amazon jetzt mit Dienstleistern zusammen. Die versprechen sich durch die Kooperation neue Kunden - der Internethändler verfolgt einen größeren Plan.
Wer irgendwo in Amerika einen Flecken Wiese, aber keine Lust zum Rasenmähen hat, bekommt jetzt Hilfe von unerwarteter Stelle: Amazon. Auf Wunsch schickt der Internetkonzern eine Ziegenherde vorbei, die das Abgrasen und Unkrautjäten umweltschonend übernimmt. "Sie lieben es, an Pflanzen zu knabbern, die wir für aufdringlich, hässlich oder schädlich für Menschen halten", wirbt das Unternehmen. Im Service inbegriffen sind der Hirte, ein "Abweidungsplan" samt Kostenvoranschlag und alle kötteligen Hinterlassenschaften, die als Dünger dienen. Bei Amazon konnte man schon bislang einen Rasenmäher bestellen, schließlich gibt es fast nichts, was es dort nicht zu kaufen gibt. Doch nun bietet der Internethändler nicht nur Waren, sondern auch Dienstleistungen - vorerst nur in den USA. Neben Hirten und Herden kann man etwa Mathe-Nachhilfelehrer, Klempner, Kammerjäger, Gesangsstunden, einen Putzdienst oder einen Monteur, der die Winterreifen wechselt, bestellen. Der Konzern arbeitet mit Handwerker-Vermittlern wie Task Rabbit und lokalen Dienstleistern zusammen, die er prüft und an die Kunden vermittelt, gegen Gebühr. Der neue Dienst namens Amazon Home Services ist Teil des großen Wachstumsplans von Amazon-Gründer und -Chef Jeff Bezos. Er hat das Unternehmen 1994 als Internet-Buchhändler gestartet und über die Jahre das Angebot immer weiter ausgeweitet - sehr zum Leidwesen der stationären Händler, die mit Preisen, Produktauswahl und Lieferservices kaum noch mithalten können. Doch Bezos sieht in Amazon mehr als einen Handelskonzern. Mit Amazon Web Services etwa ist er einer der größten Anbieter des Cloud Computings, bietet Speicherplatz oder Software über das Internet. Amazon verkauft nicht nur Waren, sondern stellt inzwischen auch selbst welche her: das Lesegerät Kindle für elektronische Bücher etwa oder das Smartphone Fire, das sich allerdings als Fehlinvestition entpuppt hat. Amazon ist auch ein Verlag, die Autoren bekommen einen Anteil der elektronischen Buchverkäufe, die alten Buchverlage sind nicht mehr beteiligt. Außerdem dreht das Unternehmen schon eigene Fernsehserien und Filme. Amazon hat nicht mehr nur andere Händler als Konkurrenten, sondern auch Netflix, Apple, Filmstudios und Verlage. Mit all den Projekten wächst der Konzern rasant, der Umsatz steigt Jahr für Jahr um mehr als 20 Prozent, 2014 waren es fast 89 Milliarden Dollar. Aus dem gleichen Grund schreibt das Unternehmen aber keinen Gewinn, die Projekte verschlingen riesige Investitionen. Im vergangenen Jahr lag der Verlust bei 241 Millionen Dollar. Doch Bezos interessiert sich dafür nicht, ihm ist Wachstum wichtiger als schnelle Rendite. "In gewisser Weise hat Bezos eine neue Philosophie der Unternehmensführung erfunden", sagt Brad Stone, der Autor der Bezos-Biografie "Der Allesverkäufer", dem Magazin Harvard Business Review. "Auch wenn Amazon wächst, konzentriert er sich darauf, die Gewinne direkt wieder zu investieren, um das Unternehmen noch größer zu machen. Weil das bedeutet, dass es keine Gewinne ausweist, muss er keine Dividenden oder Körperschaftssteuern zahlen." Das bedeutet aber auch, dass Amazon wachsen muss. Bezos ist seinen Aktionären ständig neue Ideen schuldig. Das Unternehmen ist an der Börse derzeit gigantische 172 Milliarden Dollar wert. Nach jeder neuen Ankündigung von Bezos steigt der Aktienkurs. Amazon Home Services kam ebenfalls gut an bei den Anlegern. "Ist dies das nächste Multimilliarden Dollar-Geschäft für Amazon?", fragten Investoren-Blogs. Dienstleistungen können sich lohnen, laut der Behörde Bureau of Labor Statistics wachsen die Ausgaben der Amerikaner für Dienstleistungen deutlich schneller als für Waren. Und oft kaufen Kunden Produkte bei Amazon, die man noch installieren muss - von der Toilettenschüssel bis zum Winterreifen - oder die andere Services nach sich ziehen, wie den Klavierunterricht zum frisch erstandenen Flügel. Wer sich nicht mehr sorgen muss, einen passenden Dienstleister zu finden, kauft vielleicht auch mehr. Der Name Amazon sorgt bei Kunden für Vertrauen Durch den Markennamen Amazon versprechen sich Handwerker, Hirten und Gesangslehrer neue Kunden. In den USA haben viele Menschen keinen Vollzeit-Arbeitsplatz mehr, sondern suchen sich mit Hilfe von Internetplattformen ihre Jobs zusammen. Unter anderem Task Rabbit hat sich darauf spezialisiert. Die Taxi-Alternative Uber zählt ebenfalls zu dieser Industrie, das Startup aus San Francisco bietet Menschen mit Führerschein und eigenem Auto die Möglichkeit, durch Fahrdienste Geld zu verdienen. Während früher Kunden und Dienstleister über Zeitungsannoncen oder Empfehlungen zusammen finden mussten, macht das Internet dies nun einfacher, besonders wenn ein bekannter Name wie Amazon Vertrauen schafft. Amazon garantiert niedrigste Preise und "Happiness" - wenn ein Kunde mit der Ziegenherde nicht zufrieden ist, gibt der Konzern das Geld zurück. Kern jeder neuen Amazon-Idee ist, den Kunden den Konsum so einfach wie möglich zu machen. Gerade hat der Konzern zum Beispiel einen Knopf namens Dash vorgestellt, den man etwa auf die Spüle kleben kann: Wenn das Geschirrspülmittel auszugehen droht, drückt man den Knopf und bestellt damit Nachschub bei Amazon. Oder ein Knopf für Windeln am Wickeltisch. Oder ein Katzenfutter-Knopf neben dem Napf. Vor allem aber: Der Lieferdienst wird immer schneller, in manchen Städten werden die Waren schon innerhalb einer Stunde zugestellt. Niemand muss zum shoppen noch das Haus verlassen, Amazon erledigt das und vieles andere auch - und breitet sich damit immer mehr im Alltag der Menschen aus.
https://www.sueddeutsche.de/politik/kolumne-bleiben-1.3532234
mlsum-de-9308
Die Menschen sollten alles dafür tun, den eigenen Planeten zu bewahren und nicht aberwitzige Summen für die Suche nach einem neuen ausgeben.
Wer es vorher nicht wusste, musste es spätestens am 21. Juli 1969 erkannt haben, als Neil Armstrong seine ersten vorsichtigen Schritte in die Wüste des Mondes setzte und die Bilder im Fernsehen liefen: dass die Erde kein unwirtlicher Ort ist, steinig, staubig und kahl wie ihr Trabant, sondern die wunderbare gemeinsame Heimat der Menschheit. Gesegnet mit einer schier unglaublichen Vielfalt an pflanzlichem und tierischem Leben und voller Reichtümer, die es allen Erdenbürgern ermöglichen könnten, ein Leben frei von Bedrängnis zu führen, erstrahlte die Erde, vom kalten Weltall aus besehen, für die ergriffenen Astronauten als "blauer Planet". In den bald fünfzig Jahren seither sind die Ozeane weiter verschmutzt, riesige Flächen des Regenwalds zerstört und unfassbare Mengen an Giften in die Luft geblasen worden oder in die Böden versickert. Und erst all die Kriege, von denen kein Jahr frei war, das angehäufte Arsenal atomarer Waffen, der Klimawandel. Es gibt so vieles zu preisen an unserer Erde und gerade deshalb so vieles zu beklagen. Stephen Hawkings Utopie kommt aus dem Geist der Apokalypse Sind die sozialen Utopien einmal als Hirngespinste abgetan, blühen irrwitzige Hirngespinste als technologische Utopien auf. Vor einigen Wochen ließ der berühmte Astrophysiker Stephen Hawking verlauten, die Menschheit möge sich darauf einstellen, ihren Heimatplaneten in hundert Jahren zu räumen. Warum? Weil die Umweltverschmutzung bis dahin aus ihm einen unbewohnbaren Ort gemacht haben werde, weil irgendwann irgendwo aus der atomaren Bedrohung ein Ernstfall geworden sein wird, weil die gewohnheitsmäßige Überdosierung mit Antibiotika uns schutzlos Viren und Krankheiten ausliefert, die wir noch gar nicht kennen, weil die Erderwärmung den ganzen Planeten überhitzt. Kurz, weil die Erde ökologisch so gründlich ruiniert sein wird, dass sie nicht mehr dazu taugt, ihren Bewohnern das Überleben zu sichern. Ich empfehle, die Gedanken eines der bedeutendsten Naturwissenschaftler unserer Zeit nicht aus seinem Geist der Apokalypse, sondern mit abwägender Skepsis zu bedenken: Alle technische Intelligenz, das gesamte unermessliche Vermögen der Welt, jedwede militärische und zivile Forschung, alles, was die Menschen an wissenschaftlicher Leistung und sozialer Anstrengung aufzubieten vermögen, muss laut Hawking dafür eingesetzt werden, den Exodus der Menschheit von dem Planeten zu bewerkstelligen, der ihr zugeteilt wurde oder zugefallen ist. Was für eine unvorstellbare Anstrengung, Milliarden Menschen auf ferne Planeten und dort in künstliche Biotope zu verfrachten, wo sie neue Zivilisationen begründen sollen. Wäre es nicht wesentlich einfacher und sinnvoller, so viel Hirnschmalz und Herzblut statt für die Abwanderung von unserem Planeten für das Verbleiben auf diesem einzusetzen? Hawking hat offenbar die Hoffnung längst aufgegeben, dass die Menschen ihren sensationellen Erfindergeist, ihre kühne Fantasie und ihre Vernunft auch dafür nutzen könnten, die Erde nicht weiter wie bisher zu traktieren, sondern dafür zu sorgen, dass sie bewohnbar bleibe, mehr noch, jener Ort werde, der für alle genug zu bieten hätte. Das Allerschwierigste kann der geniale Naturwissenschaftler sich vorstellen - neue Lebensräume für die Erdbewohner in den Weiten des Alls zu erschaffen; das Naheliegende zieht er hingegen gar nicht mehr in Betracht - dass nämlich niemand uns zwingt, uns selbst zu vertreiben. Lieber in die Weiten des Alls aufbrechen und die Wüsten des Mars kultivieren, als unsere sozialen Verhältnisse so zu gestalten, dass wir das All getrost weiterhin von der Erde aus betrachten können. Hawking steht mit seiner Obsession, die Apokalypse ließe sich einzig technologisch noch abwenden, keineswegs alleine. Es scheint sogar ein bevorzugtes Hobby einiger Milliardäre geworden zu sein, ein wenig von dem Geld, das sie als Beteiligte an der Zerstörung der Erde verdienen, in die Forschung nach neuem Lebensraum im Nirgendwo des Universums zu stecken. Seitdem auch Jeff Bezos in die Eroberung des Alls eingestiegen ist, kann man ermessen, dass es dabei nicht nur um die Rettung der Menschheit geht, sondern auch darum, mit dieser einen Haufen Geld zu verdienen. Bezos, der sein immenses Vermögen durchaus nicht der Humanisierung der Welt verdankt, hat bei seinen Unternehmungen rein kommerzielle Ziele im Auge. Was er mit seiner schon im Jahr 2000 gegründeten Firma Blue Origin anstrebt, ist eine Art von Tourismus für die Allerreichsten, die sich nicht mehr nach den unberührten exotischen Regionen auf Erden sehnen, sondern zum Mond, um diesen herum und wieder zurück gebracht werden wollen. Damit der extraterrestrische Amazon-Versanddienst tatsächlich profitabel funktioniert, ist es allerdings nötig, einen neuen Typus von Rakete zu entwickeln, die nicht nur einmal verwendet werden kann, und deswegen steckt Bezos gewaltige Summen in die für nachhaltig erklärte Technologie eines wiederverwertbaren Raketensystems. Mit ungleich höheren Ansprüchen als er geht es Elon Musk an, der charismatische Gründer zahlloser Firmen in Silicon Valley, der mit seinem Weltraumprogramm Space-X bereits vom nächsten Jahr an ein paar Leute, denen der Kitzel nach solchen Reisen steht, zum Mond und wieder zurück befördern möchte. Längst aber plant er, den Mars als Destination in sein Programm aufzunehmen, zu dem die Reise freilich viele Monate dauert. Aber auch der Mars ist ihm nur eine Zwischenstation, und der Tourismus nur das Einstiegsgeschäft. Was er, die triste ökologische Situation auf Erden vor Augen, anstrebt, ist nichts anderes, als unser ganzes Sonnensystem auszukundschaften nach Planeten und deren Monden, auf denen sich die aus ihrem Heimatplaneten exilierte Menschheit dereinst wird niederlassen können. Da drängt sich dem Liebhaber der alten Mutter Erde die Frage auf: Wie lange werden die Exilierten brauchen, um ihre neuen Planeten zu zerstören? Denn der Geist, der zu deren Kolonisierung ruft, ist ja derselbe, der zum Untergang des unseren führt.
https://www.sueddeutsche.de/sport/ski-alpin-hirscher-siegt-und-schreibt-ski-geschichte-1.3405210
mlsum-de-9309
Der Weltmeister siegt beim Riesenslalom von Kransjka Gora und holt vorzeitig den Gesamt-Weltcup, Die DSV-Springer verpassen im Teamwettbewerb eine Medaille. Dirk Nowitzki feiert mit Dallas einen Sieg.
Ski alpin, Riesenslalom: Ski-Rennläufer Marcel Hirscher hat den Riesenslalom von Kranjska Gora und damit vorzeitig den Gesamtweltcup gewonnen. Der Österreicher setzte sich am Samstag vor Leif Kristian Haugen aus Norwegen (+0,46 Sekunden) und dem Schweden Matts Olsson (+0,67) durch und ist fünf Rennen vor Saisonende nicht mehr von der Spitze zu verdrängen. Mit dem sechsten Gesamtsieg avancierte Hirscher zum Rekordfahrer der Alpin-Geschichte, zudem sicherte er sich die kleine Kristallkugel der Riesenslalom-Wertung. Felix Neureuther und Stefan Luitz wurden zeitgleich Fünfte (+0,92). Am Sonntag kann Hirscher im Slalom (09.45/12.30 Uhr) seinen dritten Pokal der Saison gewinnen. Nordische Ski-WM, Skispringen: Die deutschen Skispringer haben beim letzten Wettbewerb der Weltmeisterschaften in Lahti eine Medaille verpasst. Markus Eisenbichler, Stephan Leyhe, Richard Freitag und Andreas Wellinger kamen im Team-Springen am Samstag auf 1052,9 Punkte und belegten damit nur Rang vier. Weltmeister wurde erstmals in der Geschichte das Team aus Polen mit 1104,2 Zählern. Piotr Zyla, Dawid Kubacki, Maciej Kot und Kamil Stoch enteilten der Konkurrenz klar. Titelverteidiger Norwegen kam als Zweiter auf 1078,5 Punkte, die Österreicher wurden Dritte mit 1068,9 Zählern. Der Norweger Johann André Forfang schaffte bei optimalen Windbedingungen im zweiten Durchgang mit 138 Metern einen Schanzenrekord. Basketball, NBA: Die Dallas Mavericks um Basketballer Dirk Nowitzki haben den Rückstand auf die Playoff-Plätze in der nordamerikanischen Profiliga NBA verkürzen können. Die Texaner bezwangen am Freitag (Ortszeit) die Memphis Grizzlies mit 104:100 (51:50) und rangieren mit 25 Saisonsiegen drei Erfolge hinter den Denver Nuggets auf Rang acht. Nowitzki kam auf zehn Punkte und sieben Rebounds. Seth Curry (24 Punkte) und Neuzugang Nerlens Noel mit 15 Zählern und 17 Rebounds stachen bei den Mavs heraus. Dennis Schröder verlor in einem spektakulären Match mit den Atlanta Hawks gegen Meister Cleveland Cavaliers mit 130:135 (60:77). Der Titelverteidiger sorgte zudem mit 25 erfolgreichen Würfen von jenseits der Dreipunkte-Linie für einen NBA-Rekord. Schröder erzielte 17 Punkte, bei Cleveland überragte Kyrie Irving mit 43 Zählern. Nordische Ski-WM, Kombination: Die Kombinierer Johannes Rydzek und Eric Frenzel haben bei der WM in Lahti Gold im Teamsprint gewonnen. Das deutsche Duo setzte sich nach zwei Sprüngen und einem Langlauf über 2x7,5 Kilometer knapp vor Norwegen durch, Bronze ging an Japan. Für Rydzek (Oberstdorf) war es im vierten Wettbewerb der vierte Titel, mit insgesamt sechs Goldmedaillen ist er nun alleiniger Rekordweltmeister. Der Deutsche Skiverband (DSV) knackte in Lahti mit jetzt schon sechs Goldmedaillen zudem den 43 Jahre alten deutschen WM-Rekord. Die DDR hatte 1974 im schwedischen Falun fünfmal Gold und sechsmal Silber geholt. Nach dem Springen ging es äußerst eng zu: Frenzel (125,5 Meter) und Rydzek (122,0 Meter) fanden sich bei schwierigen Bedingungen auf Rang zwei wieder, 16 Sekunden hinter Frankreich. In den anschließenden zehn Runden, die Rydzek und Frenzel im Wechsel zu absolvieren hatten, schloss Deutschland schnell auf und lag zur Halbzeit inmitten einer Fünfergruppe. Im nassen Neuschnee entwickelte sich auf der letzten Runde ein Duell zwischen Rydzek und Magnus Krog, das der Deutsche für sich entschied. Für die deutschen "Dominierer" endete die WM mit zahlreichen Rekorden. Nie zuvor hat eine Nation viermal Gold bei einer WM geholt, auch die insgesamt sechs Medaillen sind eine Bestmarke.
https://www.sueddeutsche.de/politik/syrien-flucht-aus-raqqa-1.2742845
mlsum-de-9310
Bisher war die Bilanz der Luftangriffe auf den IS dürftig. Das scheint sich zu ändern: Kommandeure der Dschihadisten verlassen offenbar ihre Hochburg Raqqa.
Seit Sonntag fliegt Frankreich mit in Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten stationierten Kampfjets der Typen Rafale und Mirage 2000 intensive Luftangriffe auf Ziele der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien. Sie bombardierten Kommandozentralen und andere Einrichtungen des IS in Raqqa, der Hauptstadt der Dschihadisten, und in Deir al-Sor. Glaubt man der mit der Opposition verbundenen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London, zeigen sie erste Wirkung. Deren Informanten berichten, mindestens 33 IS-Kämpfer seien getötet worden - die vielleicht sogar wichtigere Information: Hochrangige IS-Kader und ihre Familien würden sich von Raqqa nach Mossul bewegen. Die Großstadt mit einst 2,5 Millionen Einwohnern ist die Hochburg des IS im Irak. Kriegsparteien in Syrien und Irak Noch gibt es keine Anzeichen, dass sich Russland auf den Kampf gegen den IS konzentriert War die Bilanz der Luftangriffe bisher eher dürftig, gerät der IS derzeit an mehreren Fronten militärisch unter Druck. Russland feuerte - erstmals im Kampfeinsatz - von einem U-Boot im Mittelmeer Marschflugkörper ab, die teils auch Ziele bei Raqqa trafen. Langstreckenbomber flogen von Russland aus Angriffe, Moskau will weitere 37 Flugzeuge nach Syrien verlegen und vermutlich einen weiteren Stützpunkt dort aufbauen. Allerdings bombardiert Moskau weiter überwiegend Gruppen der bewaffneten Opposition, die gegen Machthaber Baschar al-Assad kämpfen, etwa im Gouvernement Idlib. Ein mit den Syrien-Gesprächen vertrauter westlicher Diplomat sagte, noch gebe es keine Anzeichen, dass Russland die Strategie ändere und sich auf die Bekämpfung des IS konzentriere.
https://www.sueddeutsche.de/politik/frankfurt-polizei-rechtsextremismus-fax-1.4255560
mlsum-de-9311
Die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız erhält ein Droh-Fax, das mit "NSU 2.0" unterzeichnet ist. Die LKA-Ermittlungen führen in die eigenen Reihen.
Gibt es einen Rechtsextremismus-Skandal in der Frankfurter Polizei? Fünf Beamte sind suspendiert. (Das Symbolbild zeigt ein Polizeiauto vor der Frankfurter Post.) Schon seit Jahren erlebt die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, wie sie für ihren Beruf angefeindet wird. Eine Frau schreibt ihr bei Facebook unter Klarnamen: "Schämen Sie sich nicht? Sie verteidigen Terroristen, die den Staat ablehnen, der Ihnen Ihr Jurastudium ermöglicht hat." Ein Mann: "Schämen Sie sich nicht, einen Verbrecher zu verteidigen und dafür noch Geld einzufordern?" Seda Başay-Yıldız, 42 Jahre alt, aufgewachsen in Marburg, kennt auch die rassistischen Ausfälle, die dann schnell zur Hand sind: Man solle sie gleich abschieben mitsamt ihrer Mandanten, "im Reich der Kamelmilch- und Urintrinker wären Sie besser aufgehoben", mailte ihr neulich jemand. Beim Thema des islamistischen Terrorismus koche die Wut über, da "knallen die Sicherungen durch", sagt Başay-Yıldız in ihrem Büro im Frankfurter Bahnhofsviertel. Die Hasspost habe deshalb vor allem in diesem Sommer ganz neue Ausmaße angenommen. Der Fall, an dem Başay-Yıldız damals arbeitete, stand auf Seite 1 der Bild-Zeitung: Es ging um einen sogenannten Gefährder, den angeblichen ehemaligen Leibwächter Osama bin Ladens, Sami A. Die Bild drängte, ihn abzuschieben. Die Gerichte waren skeptisch. Und die Anwältin Başay-Yıldız? Stemmte sich gegen eine Abschiebung, sie wurde zur Kämpferin, die das Land Nordrhein-Westfalen wegen einer voreiligen, illegalen Abschiebe-Aktion verurteilen ließ und sogar noch ein Zwangsgeld von 10 000 Euro gegen die verantwortliche Behörde erstritt. Der Rechtsstaat setzte sich durch, aber die Rechtsanwältin wurde zur Hassfigur; die Hassmails auf ihren Accounts wurden zum Trommelfeuer. Detailansicht öffnen Die Juristin Seda Başay-Yıldız verteidigt Islamisten vor Gericht und vertrat auch Nebenkläger im Prozess gegen die rechtsterroristische Gruppe NSU. (Foto: Boris Roessler/dpa) Und erstmals erstattete sie Anzeige. Es geht um ein Fax, adressiert an die Anwältin. Es lautete: "Als Vergeltung für 10 000 Euro Zwangsgeld schlachten wir deine Tochter" - es folgte der Vorname der Tochter - "in der" - hier folgte die korrekte Straße und Hausnummer der Familie. Das Fax, eingegangen am 2. August um 15:41 Uhr, beinhaltete zwar auch all die üblichen Ausfälle. "Miese Türkensau! Du machst Deutschland nicht fertig. Verpiss dich lieber, solange du hier noch lebend rauskommst, du Schwein!" Unterzeichnet war es mit "NSU 2.0", eine Anspielung auf die Neonazi-Bande, die jahrelang mordend durchs Land zog. Aber für Başay-Yıldız war klar, wer immer das Fax geschickt hatte, musste auch über besondere Einblicke verfügen. Denn ihre Privatadresse hat die Anwältin schon vor Jahren aus dem Telefonbuch streichen lassen. Und: Den Namen ihrer Tochter, die im Sommer noch nicht einmal zwei Jahre alt war, hat sie nie öffentlich genannt. Das Fax ist über einen Billiganbieter verschickt worden. Der Absender ist anonym. Im Briefkopf steht: "Dieses kostenlose Fax wurde Ihnen von Uwe Böhnhardt geschickt", eine weitere Anspielung auf die Mörderbande NSU, zu der auch der Thüringer Böhnhardt gehörte. Inzwischen sind die Ermittler des hessischen Landeskriminalamts (LKA) auf eine Spur gekommen, die sie ausgerechnet in ihre eigenen Reihen führt: ins Frankfurter 1. Revier der Polizei, zentral an der Zeil gelegen; dort hatte eine Beamtin im Sommer den Namen der Sami-A.-Anwältin durch das interne Polizeisystem laufen lassen, ohne dass es dafür einen Anlass gab.
https://www.sueddeutsche.de/politik/handelsstreit-mit-den-usa-fuenf-wochen-hoffnung-1.3918763
mlsum-de-9312
Was will Donald Trump mit dem Aufschub der Strafzölle erreichen? Beim EU-Gipfel macht sich Ratlosigkeit breit.
Detailansicht öffnen Bisher blüht das Geschäft: Die EU-Staaten und die USA handelten im Jahr 2016 Waren im Wert von fast 700 Milliarden US-Dollar. Im Bild Container im Hafen von Rotterdam. (Foto: Robin Utrecht/AFP) Wie gut, dass es nach so einer Nacht Politiker gibt, die sich nicht hinter diplomatischen Floskeln verstecken, sondern sagen, was sie denken. Als Charles Michel am Freitagmorgen im EU-Ratsgebäude eintrifft, stellt er sich vor die Kameras und erklärt, "dass die Vereinigten Staaten bereit sind, mit der EU zu verhandeln, indem sie uns einen Revolver an die Schläfe setzen". So sei jedenfalls sein Eindruck, sagt der belgische Premierminister, nachdem klar wurde, dass die USA den Europäern eine Frist bis 1. Mai gewährt haben, gute fünf Wochen. So lange bleiben die EU-Staaten von Zöllen auf Stahl und Aluminium ausgenommen. Auch nach Mitternacht war das noch ungewiss, sodass die Staats- und Regierungschefs ihre Debatte vertagten. Nur: Am Freitag wissen sie auch nicht viel mehr. Keiner kann sagen, was der Mann mit dem Revolver genau vorhat. Die Gipfelerklärung ist dann der Versuch, Donald Trump nicht unnötig zu reizen. Die EU nimmt die Entscheidung des US-Präsidenten "zur Kenntnis" und fordert, dass "diese Ausnahme dauerhaften Charakter erhält". Auch wenn die Europäer natürlich erleichtert sind, dass sie von den Zöllen bis auf Weiteres verschont bleiben, "bedauern" sie Trumps Ankündigung. Den Staats- und Regierungschefs ist es wichtig festzuhalten, dass sich diese Maßnahmen "nicht mit Gründen der nationalen Sicherheit rechtfertigen" lassen. China strebte nach dem Schulterschluss mit den Europäern - und nun das Die große Schwester der Erleichterung ist die Ratlosigkeit. Denn wie es nun weitergeht, bleibt unklar. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström schreibt auf Twitter: "Wir freuen uns nun auf die Fortsetzung des Dialogs mit den USA über Handelsfragen von gemeinsamem Interesse, wie etwa die weltweite Überkapazität bei Stahl." Diese Gespräche sollten keinen künstlichen Fristen unterliegen. Im Übrigen behalte sich die EU die Möglichkeit offen, "unsere Rechte in der Welthandelsorganisation (WTO) für weitere Maßnahmen zu wahren". Ob die Europäische Union ihre Liste mit Vergeltungszöllen bei der WTO einreicht, hängt von den künftigen Gesprächen mit den Amerikanern ab. Bislang sind die USA von ihren Forderungen nicht abgerückt. Washington will, dass die EU weniger Stahl als bisher in die USA exportiert. Die Europäer sollen außerdem ihre Militärausgaben deutlich erhöhen. Die EU will die Themen Verteidigung und Handel aber keinesfalls verknüpfen. Am ehesten konnten die Europäer die Verhandler in Washington mit ihrer Haltung gegenüber China überzeugen. Nach Lage der Dinge eint EU und USA am ehesten die Angst vor der Flut chinesischer Stahl- und Aluminiumimporte. Wobei eben jene Einfuhren künftig vermehrt nach Europa kommen dürften, weil der amerikanische Markt sich mit Zöllen schützt. Also, was tun? In Berlin tritt am Freitag Wirtschaftsminister Peter Altmaier vor die Presse. Er könnte wissen, was Washington vorhat, schließlich war er, ebenso wie Malmström, diese Woche bei seinem US-Amtskollegen Wilbur Ross und dem Handelsbeauftragten Robert Lighthizer. Aber auch Altmaier weiß nicht, wie es konkret weitergeht, wer wann mit wem spricht. Immerhin öffne sich nun ein "Zeitfenster", in dem man mit den Amerikanern verhandeln könne. "Wir werden um Lösungen kämpfen", sagt Altmaier. "Es eint uns mehr, als uns trennt." Nach dem Brüsseler Gipfel positioniert sich die Bundeskanzlerin neben Frankreichs Präsidenten. Seit Emmanuel Macron in Paris regiert, ist Angela Merkel dazu übergegangen, gemeinsam mit ihm vor die Presse zu treten. Es ist dann Macron, der das Revolver-Bild von Charles Michel aufnimmt und in Richtung Trump sagt: "Wir sprechen über nichts, wenn uns die Pistole an die Schläfe gelegt wird." Und: "Wir werden keinerlei Schwäche zeigen." Merkel wiederum dankt Malmström für ihren Einsatz, um mit den Amerikanern im Gespräch zu bleiben. Die EU wolle "nicht in eine Spirale kommen, wo am Ende alle verlieren". So entschlossen das klingt, so unklar ist, was nun passiert. Auch in Peking herrscht Ratlosigkeit. Wie soll es weitergehen, nachdem Trump tatsächlich ein Dekret unterzeichnet hat, das Zölle in Höhe von 60 Milliarden Dollar vorsieht. Gegenschlag? Oder abwarten? Mit den Strafzöllen hatten sie gerechnet in den Ministerien und im Parteiapparat, spätestens seitdem Ende Februar der neue Vizepremierminister Liu He bei seiner Reise nach Washington überall abgeblitzt war. Es werde nicht mehr verhandelt, bekam er zu hören. Also handelte Peking. Die große Furcht der Chinesen ist ein Zweifrontenkrieg. Hier die Amerikaner und dort die Europäer. Und in der Mitte China. In den vergangenen Tagen antichambrierte deshalb Chinas allmächtiger Staats- und Parteichef Xi Jinping persönlich. Das allererste Gespräch nach seiner Wiederwahl zum Staatspräsidenten führte er nicht etwa mit Wladimir Putin oder Kim Jong-un, sondern mit Kanzlerin Merkel. Minutenlanges Süßholzraspeln am Telefon, nicht der Hauch einer Kritik. Wenige Tage später klingelte es bei Macron. Das Anliegen Chinas: Wenn der Handelskrieg sich schon nicht vermeiden lässt, sollen die USA wenigstens isoliert werden. Danach sieht es aber nicht mehr aus. Kurz bevor Trump China zum ökonomischen Duell herausforderte, hatte Washington bekannt gegeben, die EU von Stahl- und Aluminiumzöllen auszunehmen. Lange Zeit war man sich in Peking sicher, das Phänomen Trump verstanden zu haben. Als man in Paris, London und Berlin sich fragte, ob man wirklich mit der mandatslosen Präsidententochter Ivanka oder gar dem Schwiegersohn Jared Kushner sprechen solle, handelte China ganz pragmatisch. Ivanka Trump wurde in die chinesische Botschaft zu den Frühlingsfest-Feierlichkeiten eingeladen. Und ein Video von Trumps Enkelin Arabella, in dem diese auf Chinesisch singt, machte im Netz die Runde. Als Trump schließlich im vergangenen Herbst nach China reiste, ließ die Führung Wirtschaftsverträge (fast nur Absichtserklärungen) im Wert von 250 Milliarden Dollar unterzeichnen. Trump liebt ja Deals. Und nun das. Xi Jinping hat auf Nationalismus gesetzt, nun wird im Land eine scharfe Reaktion erwartet Am Freitag kündigt das chinesische Handelsministerium schließlich an, Zölle im Gegenwert von drei Milliarden Dollar einzuführen. Auf Schweinefleisch aus den USA könnte demnach eine Einfuhrtaxe in Höhe von 25 Prozent erhoben werden. Für Stahlrohre, Früchte und Wein sollen jeweils 15 Prozent anfallen. Insgesamt habe China eine Liste von 128 Produkten erstellt, auf die Zölle erhoben werden könnten. Technisch betrachtet, handelt es sich dabei allerdings nicht um die eine direkte Antwort auf Trumps 60-Milliarden-Drohung, sondern es ist die chinesische Reaktion auf die Stahl- und Aluminiumzölle, von denen China anders als die EU nicht ausgenommen werden soll. Das Handelsministerium ruft die USA dazu auf, den Konflikt noch durch Gespräche zu lösen, um "einen Schaden für die gegenseitigen Beziehungen zu verhindern". China werde sich jedoch "nicht einfach zurücklehnen" und seine "legitimen Interessen verteidigen". Doch wie? Peking steckt in einem Dilemma. In der Volksrepublik selbst wird eine scharfe Reaktion erwartet. Xi setzt auf Nationalismus im Inland, ein weicher Kurs schadet da nur. Ökonomisch hingegen ist das Wahnsinn. Fast 20 Prozent der chinesischen Exporte gehen in die USA, das macht etwa vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Und das Land will doch wachsen. Wahrscheinlich ist, dass Peking sehr selektiv vorgehen wird. Im Herbst stehen in den USA die Midterm-Wahlen an. Das Repräsentantenhaus wird neu gewählt sowie ein Drittel Senatoren. Denkbar wäre, dass China just Produkte und Waren jener Hersteller mit Strafzöllen belegen wird, die in Bundesstaaten fertigen, die bei der Präsidentschaftswahl für Trump stimmten. Rotwein aus dem Napa Valley? Eher nicht. Kalifornien ist stramm demokratisch. Stattdessen könnten Zölle auf Sojabohnen und andere Agrarprodukte erhoben werden. Davon wären vor allem Landwirte betroffen, von denen viele als Trump-Unterstützer gelten. In Brüssel liegen ganz ähnliche Pläne in der Schublade.
https://www.sueddeutsche.de/sport/tennis-zverev-verteidigt-titel-in-washington-1.4082967
mlsum-de-9313
Alexander Zverev siegt erneut beim ATP-Turnier in der US-Hauptstadt. Pep Guardiola gewinnt mit Manchester City den ersten Titel der Saison gegen Chelsea.
Tennis, Washington: Der Hamburger Tennisprofi Alexander Zverev hat wie im Vorjahr das ATP-Turnier in Washington D.C. gewonnen. Der Titelverteidiger bezwang den 19 Jahre alten Australier Alex De Minaur im Finale der mit rund 2,15 Millionen US-Dollar dotierten Veranstaltung problemlos mit 6:2, 6:4. Drei Wochen vor den US Open in New York (27. August bis 10. September) bestätigte der 21-Jährige damit seine derzeitige Topform. "Wenn man hier das erste Mal gewinnt, fühlt es sich großartig an. Aber wenn man zurückkommt, hat man ein bisschen Druck auf den Schultern", hatte Zverev schon vor dem Finale gesagt - und jenem Druck dann eindrucksvoll standgehalten. Für den Hamburger war es in seinem 14. Finale auf der ATP-Tour der neunte Titelgewinn. Vor Washington waren ihm nur in München (2017 und 2018) zwei Turniersiege gelungen. Zverev begann das Match gleich mit einem Break, zog auf 4:0 davon und hatte den ersten Satz nach nur 31 Minuten gewonnen. Wenig später gab es nach dem Break zum 2:1 kaum noch Zweifel am Titelgewinn. In der Weltrangliste verteidigte Zverev den dritten Platz, den er bei einer Niederlage an den Argentinier Juan Martin del Potro verloren hätte. Vor ihm liegen weiter nur die Superstars Rafael Nadal (Spanien) und Roger Federer (Schweiz). Die erfolgreiche Titelverteidigung in Washington war zuvor nur del Potro (2008/2009), dem einstigen Weltranglistenersten Andre Agassi (1990/1991 und 1998/1999) und dem ehemaligen French-Open-Sieger Michael Chang (1996/1997) gelungen. Fußball, England: Der frühere Bayern-Trainer Pep Guardiola hat sich mit Manchester City den ersten Titel der neuen Saison in England gesichert. Die Mannschaft um die deutschen Fußball-Nationalspieler Leroy Sané und Ilkay Gündogan gewann am Sonntag als Meister der vergangenen Saison die Partie um den englischen Supercup im Londoner Wembley-Stadion mit 2:0 (1:0) gegen Pokalsieger FC Chelsea. Für das Team des deutschen Nationalverteidigers Antonio Rüdiger war es nach der Niederlage gegen den FC Arsenal im vergangenen Jahr die zweite Final-Pleite im Supercup in Serie. Zudem musste der Italiener Maurizio Sarri in seinem ersten Pflichtspiel als Chelsea-Coach eine Niederlage hinnehmen. Er war in London auf Antonio Conte gefolgt. Der Argentinier Sergio Agüero entschied die Partie mit einem Doppelpack für Manchester (13./58. Minute). Der erste Treffer war das 200. Tor des Stürmers für den Premier-League-Club. Sané, der von Bundestrainer Joachim Löw kurz vor der WM aus dem deutschen Kader gestrichen worden war, spielte bei City von Beginn an. Zur zweiten Halbzeit ersetzte ihn sein DFB-Teamkollege Gündogan. Bahnrad, EM: Domenic Weinstein hat bei den European Championships die Goldmedaille in der Einerverfolgung über 4000 m gewonnen und dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) damit den zweiten Titel bei den Wettkämpfen in Glasgow beschert. Der 23-Jährige aus Villingen-Schwenningen schlug im Finale den Portugiesen Ivo Oliveira. Für den Schwarzwälder ist es der größte Erfolg seiner bisherigen Karriere. Bronze ging an den Schweizer Claudio Imhof. Die Qualifikation im Sir Chris Hoy Velodrom hatte Weinstein bereits mit deutschem Rekord als Schnellster abgeschlossen. Durch seinen Triumph kommen die deutschen Radsportler in der schottischen Metropole nun bereits auf acht Mal Edelmetall. Fußball, Türkei: Der türkische Erstligist Yeni Malatyaspor ist in einem Testspiel vor Saisonbeginn mit Unterstützer-T-Shirts für den zurückgetretenen deutschen Fußball-Nationalspieler Mesut Özil aufgelaufen. "Wir sind bei dir. Nein zu Rassismus", stand neben einem Foto Özils auf den T-Shirts, die die Mannschaft vor dem 2:1-Sieg im Testspiel gegen Gazişehir Gaziantep am Samstagabend trug. Özil war vor zwei Wochen aus der DFB-Auswahl zurückgetreten und hatte in einer Erklärung bei Twitter Rassismus-Vorwürfe gegen den Deutschen Fußball-Bund und Präsident Reinhard Grindel erhoben. Vor der WM in Russland, bei der die deutsche Mannschaft im Juni in der Vorrunde gescheitert war, war der Profi des FC Arsenal wegen Fotos mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in die Kritik geraten. Auch der türkische Fußball-Verband (TFF) hatte dem Offensivspieler nach dessen Rücktritt Unterstützung zugesagt. Er stehe hinter Özil und seiner Familie und verurteile "die Behandlung, der er ausgesetzt war", sowie die "Drohungen und die ihn aufgrund seiner Wurzeln herabwürdigenden Botschaften", sagte Verbandschef Yildirim Demirören. Radsport, Bahnrad-EM: Verfolgerin Lisa Brennauer hat bei den European Championships in Glasgow die Goldmedaille bei den Bahnrad-Europameisterschaften gewonnen. Die 30-Jährige aus Durach siegte im Finallauf über 3000 m überraschend deutlich in deutscher Rekordzeit von 3:26,879 Minuten gegen Katie Archibald aus Großbritannien und sicherte dem Bund Deutscher Radfahrer den ersten Titel in der schottischen Metropole. Rang drei ging an die Polin Justyna Kaczkowska. Zuvor hatte Zeitfahrer Joachim Eilers die erste EM-Silbermedaille für die deutschen Athleten gewonnen. Der Chemnitzer musste sich über 1000 m nur Matthijs Büchli aus den Niederlanden geschlagen geben. Maximilian Dörnbach aus Erfurt belegte den fünften Platz. "Ich habe ja schon ein paar Silbermedaillen, irgendwann einmal möchte ich auch mit Gold glänzen", sagte der 28-Jährige, der sich aber reif fühlt, Büchli auch einmal zu besiegen: "Noch hat er bei der Beschleunigung die besseren Beine, aber ich bin ja noch im einem guten Alter."
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/sv-heimstetten-auf-stilsuche-1.4141365
mlsum-de-9314
Harmlos im Angriff, fehlerhaft in der Abwehr: Trainer Christoph Schmitt kündigt nach der 0:3-Heimniederlage gegen Burghausen umfangreiche Änderungen an.
Das gelbe Trikot von Franco Flückinger war auffällig sauber, als er mit seinen Mitspielern im Kreis stand und feierte. Fast porentief rein. Der Torwart von Wacker Burghausen hatte sich einmal strecken müssen, als ein Ball von Lukas Riglewski in der vierten Spielminute knapp am Tor vorbeistrich, und einen Schuss von Benedict Laverty hatte er zur Ecke gelenkt (35.). Ansonsten bestand keinerlei Notwendigkeit, sich der Gefahr von Schmutzflecken auszusetzen, die womöglich schwer rauszubekommen wären. Der Keeper von Wacker Burghausen hat in der laufenden Saison überhaupt erst zehn Mal hinter sich greifen müssen. "In der Abwehr sind wir brutal stark", freute sich am Freitagabend Wackers Trainer Wolfgang Schellenberg. Was die Frage aufwirft, ob der SV Heimstetten im Angriff zurzeit einfach zu harmlos ist, oder die aktuellen Gegner eben defensiv zu gut. Die Mannschaft von Christoph Schmitt hat zwei Drittel ihrer Tore (zwölf) gegen drei Mannschaften geschossen, die generell recht anfällig sind. Ansonsten hat sie sich fast immer schwergetan. Am schwersten gegen Burghausen, als sie verdient 0:3 verlor. "Zaubern hilft jetzt nichts", sagte Angreifer Orhan Akkurt danach, man müsse nun fleißig sein "und sich da selbst wieder rausziehen". Eine gewisse "Verunsicherung" sei nicht von der Hand zu weisen. Das noch größere Problem als die Harmlosigkeit im Angriff ist, dass die Heimstettener in der eigenen Abwehr ihre individuellen Fehler einfach nicht in den Griff bekommen. Zwei grobe Schnitzer im Spielaufbau führten zu Gegentoren. Den Abspielfehler von Fabio Sabbagh in der elften Minute zum Beispiel fand Trainer Schmitt gravierend, "da kann man den Ball eigentlich gleich selbst ins Tor schießen." Das erledigte dann aber doch ein Wacker-Spieler, Julien Richter. Schmitt wollte die Kritik auch nicht als eine persönliche verstanden wissen, diese Fehler unterliefen zurzeit vielen seiner Akteure. Später war Peter Beierkuhnlein dran, Stefan Wächter war diesmal der Nutznießer (73.). Das 0:3 fiel kurz vor Schluss (87., Marius Duhnke), weil Tim Schels einen weiten Ball nicht mehr erreichte. Heimstetten war zu diesem Zeitpunkt schon recht weit aufgerückt - freilich ohne dabei Gefahr auszustrahlen. "Wir werden uns was einfallen lassen", sagt Trainer Schmitt, taktisch wie disziplinarisch Es ist noch gar nicht lange her, da hieß es in Heimstetten, man wolle den Lauf so lange wie möglich weiterführen. Jetzt lautet die Frage, wie man am besten aus der Harmlos-Misere herauskommt. "Wir werden uns was einfallen lassen", sagt Schmitt, und zwar auf verschiedenen Ebenen, taktisch wie disziplinarisch. Auf jeden Fall werde man nicht im gleichen Stil weitermachen. Akkurt plädiert für eine Mischung aus harter Arbeit und verordneter Lockerheit. Da kommt ihm die Wiesn gerade recht, am Montag steht ein gemeinsamer Termin an. Ein geeigneter Ort, um "im Kopf frisch" zu werden, findet er. Am Abend darauf ist wieder Training. In dieser Phase wird sich wohl entscheiden, ob der SV Heimstetten Fehler abstellen und wieder gefährlicher agieren kann. Dann geht es am Samstag zum VfB Eichstätt, der Überraschungsmannschaft der bisherigen Saison. Die fraglos über eine ziemlich gute Abwehr verfügt.
https://www.sueddeutsche.de/sport/olympia-hockey-maenner-siegen-in-letzter-sekunde-1.3121092
mlsum-de-9315
Der Läuferin geht das Medienspektakel ihrer Kolleginnen gegen den Strich. Zwei Deutsche stehen im 200-Meter-Halbfinale. Canadier-Weltmeister Brendel unterstreicht seine Goldambitionen.
Marathon: Die deutsche Serienmeisterin Sabrina Mockenhaut hat nach dem olympischen Marathon von Rio de Janeiro öffentlich Kritik am Auftritt der Zwillinge Anna und Lisa Hahner geübt. Die derzeit verletzte Mockenhaupt warf den in Rio weit abgeschlagenen Hahners vor, sich nicht authentisch zu präsentieren und für die Medien zu inszenieren. "Sie haben heute auch gekämpft, also kann man ihnen keinen Vorwurf machen, sie hätten nicht alles gegeben. Ich wünschte mir nur endlich mal die Ehrlichkeit, mal zuzugeben, dass es mal nicht so gelaufen ist", schrieb die 35-Jährige in einem Eintrag bei Facebook, den sie allerdings nach kurzer Zeit wieder löschte: "Warum muss man mit aller Gewalt verkaufen wollen, dass man immer lacht und alles immer super ist? Ich liebe Menschen mit Ecken und Kanten und bin traurig, dass Anja Scherl bei dieser Inszenierung völlig untergegangen ist. Da fragt man sich, ob sich Ehrlichkeit und ein Kämpferherz in der heutigen Gesellschaft überhaupt noch lohnt." Die Hahner-Zwillinge hatten mit großem Rückstand die Plätze 81 (Lisa) und 82 (Anna) belegt, waren dennoch Hand in Hand und jubelnd über die Ziellinie gelaufen. Im Ziel feierten sie vor den Kameras mit den estnischen Luik-Drillingen Lili, Leila und Liina, die noch schlechter abgeschnitten hatten. Anja Scherl war als 44. beste Deutsche gewesen und rund acht Minuten schneller als die Hahner-Schwestern. "Wer redet eigentlich von ihr? Wenige! Und die Medien? Zwillinge sind viel interessanter, und wenn sie noch zusammen ins Ziel laufen, ist das Medienspektakel perfekt!", echauffierte sich Mockenhaupt. Das Wichtigste zu Olympia 2016 in Rio Ebenfalls in einem Facebook-Eintrag äußerten sich Anna und Lisa Hahner indirekt zu der Kritik. "Platz 81 und 82. Definitiv nicht das, was wir uns erhofft haben. Ob wir alles gegeben haben? Was für eine verdammt blöde Frage. Ob wir zufrieden sind? Nein. Das Überqueren der Ziellinie? Dennoch eines unser größten sportlichen Momente. Seit vier Jahren haben wir auf diesem Moment hingelebt und hintrainiert." Zu ihrer Facebook-Seite, über die die Zwillinge hauptsächlich mit ihren Fans kommunizieren schrieben sie. "Wir wollen euch an unseren Lauferlebnissen teilhaben lassen. Alle, die kein Interesse daran haben, dürfen die Seite gerne disliken." Leichtathletik: Lisa Mayer und Gina Lückenkemper haben bei den Olympischen Spielen über die 200 Meter das Halbfinale erreicht. Mayer schaffte als Vorlaufzweite in persönlicher Bestzeit von 22,86 Sekunden den Sprung in die nächste Runde. Noch schneller war in ihrem Vorlauf die Dortmunderin Gina Lückenkemper (22,80). Nadine Gonska aus Mannheim (23,03) scheiterte hingegen. Die Bestzeit in den Vorläufen erzielte Marie Josée Ta Lou von der Elfenbeinküste (22,31). 2012 in London hatte Allyson Felix den Olympiasieg geholt. Sie verpasste bei den US-Ausscheidungen aber die Qualifikation für Rio. Dreisprung-Europameister Max Heß (Chemnitz) ist indes in der Qualifikation ausgeschieden. Der 20-Jährige kam in der Qualifikation im dritten Versuch nur auf 16,56 Meter und verpasste damit das Finale am Dienstag (14.50 Uhr MESZ). Anfang Juli hatte Heß bei der EM in Amsterdam für Aufsehen gesorgt, als er mit einem Satz von 17,20 Meter Gold holte. Es war der erste Europameistertitel für einen deutschen Dreispringer seit 45 Jahren. Bereits bei der Hallen-WM hatte Heß überzeugt - dort belegt er Platz zwei. Olympiasieger und Weltmeister Christian Taylor (USA) kam auf 17,24 und schaffte sicher den Sprung ins Finale. Der WM-Zweite Pedro Pablo Pichardo (Kuba) war in Rio nicht am Start. Kanu: Canadier-Weltmeister Sebastian Brendel hat seine Goldambitionen eindrucksvoll unterstrichen. Der London-Olympiasieger gewann den Vorlauf auf seiner 1000-Meter-Paradestrecke souverän vor dem Polen Tomasz Kaczor und zog damit direkt ins Finale am Dienstag (14.08 Uhr MESZ) ein. "Ich habe die Gegner gut in Schach gehalten", sagte Brendel. Nach dem Rückzug des neuseeländischen Fahrers hatte Brendel erst zehn Minuten vor dem Start erfahren, dass der Sieger des Vorlaufs direkt das Finalticket lösen kann. "Das war eine Überraschung. Eigentlich hatte ich mich auf ein lockeres Rennen eingestellt", sagte Brendel. Der 28-Jährige aus Potsdam gilt als größte Goldhoffnung des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV) auf der Lagoa Rodrigo de Freitas. Brendel peilt am Zuckerhut seinen 17. Titel bei einem Großereignis an. Auch die Medaillenanwärterinnen Franziska Weber und Tina Dietze sind souverän ins Finale eingezogen. Im Kajak-Zweier über 500 Meter gewannen die beiden London-Olympiasiegerinnen ihren Vorlauf deutlich und qualifizierten sich direkt für den Endlauf, der am Dienstag (14.23 Uhr) folgt. In den zwölf Rennsport-Disziplinen will der Deutsche Kanu-Verband mindestens sechs Medaillen gewinnen. Doping: Die Weitspringerin Darja Klischina darf nun doch als einzige russische Leichtathletin an den Olympischen Spielen von Rio de Janeiro teilnehmen. Der Internationale Sportgerichtshof CAS gab am Montag dem Einspruch der Athletin gegen einen Ausschluss durch den Leichtathletik-Weltverband IAAF statt. Klischina habe darlegen können, dass sie für "einen relevanten Zeitraum" außerhalb Russlands für Dopingtests in und außerhalb von Wettkämpfen zur Verfügung gestanden habe, begründete die Ad-hoc-Einheit des CAS in Rio ihre Entscheidung. Damit ist die 25-Jährige bei der Weitsprung-Qualifikation am Dienstag startberechtigt. Die übrigen russischen Leichtathleten sind wegen systematischen Dopings in dem Land von den Spielen ausgeschlossen. Die IAAF hatte zuvor der Sportlerin auf Grundlage neuer Informationen das Sonderstartrecht wieder entzogen. Die ARD hatte am Sonntag berichtet, dass Doping-Proben von Klischina in Russland entdeckt worden sein sollen, die mutmaßlich illegal geöffnet wurden. Klischina hatte gegen diese Entscheidung Einspruch beim CAS eingelegt. Turnen: Die US-Amerikanerin Simon Biles hat ihre dritte Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro erkämpft. Sie setzte sich mit 15,966 Punkten in der Konkurrenz am Sprung vor der Russin Maria Paseka (15,266) und der Schweizer Europameisterin Giulia Steingruber (15,216) durch. Zuvor hatte Biles auch mit dem Team und im Mehrkampf gewonnen. Sie könnte nun zur erfolgreichsten Athletin der Rio-Spiele avancieren, wenn sie in den kommenden Tagen auch ihrer Favoritenstellung am Balken und am Boden gerecht wird.
https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-trumpcare-ist-tot-lang-lebe-trumpcare-1.3605426
mlsum-de-9316
Erneut ist der Senat daran gescheitert, Obamas Krankenversicherung abzuschaffen. Doch die Republikaner haben einen weiteren Plan in der Hinterhand.
Für Präsident Donald Trump und seine Partei schlägt nicht die Stunde der Wahrheit. Es ist nicht eine Stunde, sondern es sind ganze Tage, in denen sie beweisen müssen, dass sie auch halten können, was sie ihren Wählern versprochen haben. Die Republikaner tragen dieses Versprechen seit sieben Jahren vor sich her: "Obamacare" abzuschaffen und durch eine bessere Versicherung zu ersetzen. Doch wie es im Moment aussieht, gestaltet sich der Prozess schwieriger als gedacht. Am Mittwochnachmittag (Ortszeit) erlebten die Konservativen bereits die zweite Niederlage binnen weniger als 24 Stunden. Der Senat lehnte den Vorschlag, "Obamacare" ganz ohne adäquaten Ersatz zu streichen, mit 55 zu 45 Stimmen ab. Dass dieser radikalste aller Entwürfe, der 32 Millionen Amerikanern die Krankenversicherung genommen hätte, nicht durchkommen würde, war allerdings schon erwartet worden. Nicht nur alle demokratischen Senatoren stimmten gegen das Papier, auch sieben Republikaner waren dagegen. Unter ihnen der an einem Hirntumor erkrankte John McCain. Erst am Vortag hatte die Stimme des Senators aus Arizona den Ausschlag dafür gegeben, dass der Senat über die Gesundheitsreform überhaupt öffentlich diskutiert. Auch Lisa Murkowski stimmte gegen die ersatzlose Abschaffung von "Obamacare". Tags zuvor waren die Senatorin aus Alaska sowie Senatorin Susan Collins aus Maine die einzigen Republikaner gewesen, die - im Gegensatz zu McCain - dagegen gestimmt hatten, die Gesundheitsreform im Senat zu debattieren. Trump attackiert Senatorin Murkowski Aus diesem Grund war Murkowski schon am Morgen vor der Abstimmung von Präsident Trump via Twitter angegriffen worden. Sie lasse die Republikaner und ihr Land im Stich, schrieb er. Doch derartige Drohungen dürften Murkowski nicht abschrecken - sie hat bereits Schlimmeres erlebt. 2010 hatte sie die Rückendeckung ihrer Partei verloren, als sie die Kandidatur in den Vorwahlen an einen Herausforderer der Tea Party abgeben musste. Murkowski trat trotzdem an, um ihren Sitz zu verteidigen - und errang einen historischen Sieg. In den vergangenen Monaten war die Strategie der Republikaner gewesen, die Pläne für die Gesundheitsreform, die der Einfachheit halber oft nur "Trumpcare" genannt wird, möglichst im Geheimen auszutüfteln. Keine öffentlichen Anhörungen im Kongress. So wenig öffentliche Debatten wie möglich. Kaum Bürgerversammlungen, bei denen die Wähler - Demokraten wie Republikaner gleichermaßen - die Gelegenheit gehabt hätten, direkt mit ihren Senatoren zu sprechen. Seit Dienstag finden die Diskussionen nun öffentlich im Senat statt. Sichtbar für alle. Aus Transparenzgründen ist das zu begrüßen, wenngleich die Republikaner davon nicht profitieren dürften. Die öffentliche Debatte ist ihrem Ziel, "Obamacare" loszuwerden, eher abträglich. Durch die landesweite Berichterstattung über die negativen Seiten von "Trumpcare" wird der Widerstand im progressiven Lager erst recht angeheizt.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/sonnenuntergang-am-strand-der-wunder-1.697318
mlsum-de-9317
Das Seebad Fregene galt lange als verblasste Schönheit - heute feiert Roms Jeunesse dorée dort Sommernachtspartys.
Womöglich sind sie vom Himmel herab gesegelt oder aus dem Meer gestiegen. Doch das hat keiner gesehen. Jedenfalls sind sie plötzlich da, am Strand von Fregene, diese grazilen, überlebensgroßen, weiß geschminkten Gestalten. Detailansicht öffnen Sonnenuntergang am Strand von Fregene. (Foto: Foto: oh) Wie schwerelos taumeln sie zu psychedelischer Musik zwischen den Besuchern des Beach-Clubs "Singita" hindurch. Mit ihren Flügelschwingen und Chiffonkleidern wirken sie wie Engel - oder weiße Fledermäuse. Nach einigen Pirouetten um die über den Strand verstreuten Fackeln, Hängematten, Alkovenbetten und Strohschirme entschwinden die Künstler auf ihren Stelzen in die Dunkelheit. Die Musik verklingt. Die Gäste schweigen für einige Momente und lauschen den Wellen, die der Maestrale-Wind ans Ufer treibt. Das Wort "Singita" stammt aus dem Shangaan, einer afrikanischen Sprache, und bedeutet "Wunder". Einen Strand der Wunder wollen die Besitzer dieses flamboyanten Sommertreffs der betuchteren Römer ihren Gästen bieten. Sie selbst sprechen von einem "Kultort" für Leute, "die Understatement als Lebensstil praktizieren". Mit ihnen wird allabendlich ein Ritual des Sonnenunterganges vollzogen. Sobald die aprikosenfarben leuchtende Scheibe das Wasser touchiert, klingt "O sole mio" aus den Lautsprechern. Sobald sie untergegangen ist, klatschen alle Beifall. Die Nacht in Fregene mit ihren Mirakeln beginnt. "Hat es Euch gefallen?", fragen Domitilla und Alessio, zwei junge Römer, die sich zwischen Leinenkissen auf einem von Duftkerzen umdampften Strandbett räkeln. Sie sind vor einer Stunde aus der schwül-heißen, lärmenden und vom Konkurrenzkampf geprägten Metropole hergefahren, um sich verwöhnen zu lassen - wie das schon die antiken Römer an Latiums Küste taten. Auf die Frage, wo man hier am besten hingehe, antworteten sie ohne Zögern: "Zuerst auf einen Aperitivo ins "Singita". Dann zum Essen ins "Mastino" oder "Saint-Tropez". Und danach zum Tanzen in einen der Strandclubs." Mit Mojito zum Yoga-Meister Der Apero ist wieder schwer in Mode an den Stränden Roms. Überfluteten in den neunziger Jahren noch Diskotheken die Küste, schwappen nun Cocktails über den Strand. Kein "Stabilimento", keine Badeanstalt, die nicht in den Abendstunden zur Cocktailbar wird. Im "Singita" werden die Drinks in eimergroßen Glaskelchen serviert. Die in Weiß gekleideten, barfüßigen Kellnerinnen stellen sie auf große Tücher im Sand. Drumherum hocken Cliquen junger Römer und saugen aus meterlangen Halmen aus dem Pott. Sie sind lässig gekleidet, bevorzugt in weite Hemden und helle Leinenhosen. Statt lärmender Beach-Spektakel zur Techno-Musik wie am Strand von Ostia ist in Fregene "Benessere" angesagt - Wohlfühlen. Hierfür fährt das "Singita" Artisten und Pantomime-Künstler, geigende Models, Yoga-Meister und Sternendeuter auf. Gemüse- und Salat-Gerichte sollen "als Quelle der Energie und der Reinigung für Körper und Geist" dienen. Besonders rein geht es bei den Cocktails zu. Eine der Barfuß-Kellnerinnen bringt einen Mojito. "Er wird bei uns nicht mit Soda gemixt, sondern mit Mineralwasser", flüstert sie. "So wie ihn Hemingway auf Kuba trank." Aus den Lautsprechern klingt jetzt Reggae. Kuba und Goa, Karibik, Ibiza, Afrika, die Atmosphäre im "Singita" wirkt wie ein Ethno-Mix. Man könnte sich auf dem Diwan zurücklehnen, trinken, gucken, lauschen. Doch nun steht die "Cena", das Abendessen, auf dem Vergnügungs-Programm. Wer hier im "Villaggio dei Pescatori", dem früheren Fischerdorf, herumläuft, dem fällt die Auswahl schwer. All die Strandbäder, in denen sich am Tag Familien tummeln, verwandeln sich nachts in Fischlokale. Jetzt fährt die römische Jeunesse dorée mit Ferraris und Porsches oder im neuen Fiat500 vor. Auch Politiker, Schauspieler und Fußballer kommen gern nach Fregene mit seinen weißen, in die dunkelgrüne Pineta gebetteten Villen. Die brodelnde Hauptstadt ist nur 25 Kilometer entfernt, und doch fühlen sich die Römer hier wie auf einer heilen Ferieninsel, weit weg von den Dauerkrisen und kollektiven Depressionen Italiens. Federico Fellini in Fregene Das von vier Brüdern bewirtschaftete "Mastino" ist einer ihrer Anlaufpunkte. "An unseren Tischen saßen die bekanntesten Politiker und Wirtschaftsführer", rühmt einer der Brüder sein Lokal. Bekannt wurde das Restaurant wie ganz Fregene in den fünfziger und sechziger Jahren durch die Besuche der Künstler, Schauspieler, Regisseure. Federico Fellini verbrachte hier viele Ferientage und drehte in Fregene zwei seiner Filme. Der Schriftsteller Alberto Moravia urlaubte im Villaggio, Filmstars wie Marlon Brando, Alain Delon und Grace Kelly verdrückten Goldbrassen und Venusmuscheln. Später verblasste der Glanz etwas. Doch nun, auf der Wohlfühl-Welle, ist der Badeort wieder en vogue. Wir lassen diesmal das "Mastino" samt seiner illustren Gästen hinter uns und treten auf die riesige, überdachte Terrasse des "Saint-Tropez". Der Kellner erläutert die Speisen mit einer Hingabe, als rezitiere er Dante. Über Preise wird nicht gesprochen, non si fa - das macht man nicht. Dann kommt das halbe Meer auf den Tisch: Mies- und Venusmuscheln in Knoblauch-Sauce, Tintenfische, Kraken, Bällchen aus gehacktem Zackenbarsch, marinierter Lachs, Linguine mit Hummerstücken, Scampi, Schwertfisch. Eiskalter Vermentino hilft dabei, alles zu bewältigen. Der Saal ist voll, die Römer schlemmen. Selbst die grellen Neonröhren stören die wohlige Stimmung nicht. Stunden später haben sich die Strandterrassen der Lokale in Tanzflächen verwandelt. Im "Gilda on the Beach" wiegen sich Frauen in kurzen Jeans zur Salsa-Musik, eine Flasche Corona-Bier in der Hand. Im Miragio spielt eine Band skurriler Altrocker a la Celentano Italo-Rock. Viele junge Leute tanzen dazu, aber auch einige ältere Repräsentanten der Halbwelt. Ein platinblond gefärbter kleiner Mann im glänzenden Nadelstreifenanzug, hochhackigen Lackschuhen und Sonnenbrille schiebt eine voluminöse Ex-Schönheit taktvoll über den Strand. So verrinnen die Stunden. Irgendwann sinkt man müde in eines der Alkovenbetten am Meer. Rock und Salsa vermischen sich mit dem Plätschern der Wellen, Gedanken mit Träumen. Dann geht hinter dem Pinienwald, im fernen Rom, die Sonne auf.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/reden-ueber-trump-ihr-muesst-rausgehen-in-die-richtige-welt-1.3336533
mlsum-de-9318
Trump beherrscht die Debatte in Davos - und schickt einen ehemaligen Investmentbanker, um seine Politik zu erklären.
Er ist nicht da, manche Manager vermeiden es sogar, seinen Namen in den Mund zu nehmen, wenn sie in einer der vielen Diskussionen in Davos auf dem Podium sitzen. Und doch ist Donald Trump beim 43. Weltwirtschaftsforum allgegenwärtig. In den informellen Runden auf dem Gang landet das Gespräch schnell bei ihm: dem künftigen, 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, der am Freitag in sein Amt eingeführt wird. Trump hat Anthony Scaramucci in die Schweiz geschickt, der für den künftigen Präsidenten im Weißen Haus tätig sein wird, als Direktor des Büros für öffentliche Beziehungen. Scaramucci hat früher bei der Investmentbank Goldman Sachs gearbeitet, wurde Vermögensverwalter und investierte Milliarden für seine reichen Kunden. Er war schon oft in Davos, diskutierte mit berühmten Leuten auf Podien. Und er hat stets eine der bestbesuchten Partys in Davos geschmissen, schreibt die Finanzagentur Bloomberg. Scaramucci soll der versammelten Wirtschaftselite erklären, wie irre ein Präsident Trump wirklich wird. Seine Botschaft: Es wird ganz wunderbar. "Trump ist die letzte große Hoffnung für die Globalisierung, er kann sie retten", sagt Scaramucci. Die reichsten drei Prozent der Weltbevölkerung seien gut durch die Finanzkrise gekommen. Sie hätten genauso viel Vermögen oder sogar mehr als 2007. Die anderen 97 Prozent müssten aber kämpfen. Das hätten die globalen Eliten nicht erkannt. "Sorry, das ich das sage, zur Elite gehören wir ja praktisch alle dazu", sagte er zum Publikum in Davos. "Ihr müsst rausgehen in die echte Welt und den Leuten zuhören", sagte Scaramucci. Wenn die künftige Trump-Regierung diese Probleme nicht auf die Reihe bekomme, könnte in vier Jahren ein linker Populist die US-Präsidentenwahl gewinnen. Er nannte Hillary Clintons ehemaligen Konkurrenten Bernie Sanders nicht beim Namen, er sprach von einem "linkslastigen Charismatiker". Scaramucci warnte: "Das könnte sehr schädlich für die Welt werden." ‹ › "Es wird ganz wunderbar": Trump-Gesandter Anthony Scaramucci (li.) ist nach Davos gekommen, um die Wirtschaftselite zu besänftigen. Bild: Michel Euler/AP ‹ › Auch Sängerin und UNICEF-Botschafterin Shakira ist da, um sich für benachteiligte Kinder einzusetzen. Bild: Gian Ehrenzeller/AP ‹ › Politiker und Geschäftsleute aus der ganzen Welt werden zum Weltwirtschaftsforum erwartet, das noch bis zum 20. Januar dauert. Bild: Michel Euler/dpa ‹ › Klaus Schwab, Gründer und Präsident des Forums, spricht bei der Verleihung der Crystal Awards für sozial besonders engagierte Künstler. Bild: Gian Ehrenzeller/dpa ‹ › Bei den Vorbereitungen für den Kongress wird hier ein ganz besonderer Roboter getestet: "SARA" soll über soziale Fähigkeiten verfügen. Bild: Laurent Gillieron/EPA/REX/Shutterstock ‹ › Für die Sicherheit sorgen bewaffnete Polizisten auf den Dächern des Kongresszentrums. Oder wurden für die Konferenz etwa tatsächliche Stormtrooper aus Star Wars eingeflogen? Bild: Gian Ehrenzeller/dpa Wird geladen ... Wie aber wird Trump als Politiker? Wie ein Unternehmer, sagt Scaramucci. Er denke in drei Kategorien, wenn er Dinge analysiere. Erstens: Das hier funktioniert - wie können wir es noch besser machen? Zweitens: Das funktioniert nur mittel, wir müssen viel umkrempeln. Drittens: Das funktioniert gar nicht - weg damit. Die dritte Kategorie mache viele nervös, sagte Scaramucci. Wer den Status quo hinterfrage, löse Ängste aus, aber das sei manchmal nötig. Steve Jobs habe es mit der Erfindung des iPhones vorgemacht. "Unternehmer zerschlagen bestehende Strukturen, durchbrechen sie", sagte Scaramucci. Die Wirtschaftselite solle sich keine Sorgen machen, versicherte Scaramucci. Die Antrittsrede am Freitag werde sie an Ronald Reagan erinnern, den US-Präsidenten von 1984 bis 1992. Reagan habe am Anfang auch einen ganz anderen Ruf gehabt als nach acht Jahren. Da hätten die Menschen erkannt, dass er die Welt friedlicher gemacht habe. Die sanfte Botschaft, die Scaramucci aussandte, verfängt in Davos: "Offenbar gibt es doch ein paar kluge Leute in der neuen Regierung. Das macht Hoffnung", sagte ein deutscher Konzernchef. Und auch Axel Weber, der ehemalige Bundesbankpräsident, äußerte sich in einer Podiumsdiskussion mit Scaramucci lobend über den wirtschaftspolitischen Kurs, den die neue Regierung einschlagen will: einen Mix aus Strukturreformen, Steuersenkungen und Ausgaben, um die Wirtschaft anzukurbeln. Die Welt habe sich, klagte Weber, nach dem Ausbruch der Finanzkrise 2007 zu sehr auf die Geldpolitik verlassen, um die Rezession zu überwinden. "Wir brauchen eine Wende in der Politik, und diese muss von der größten Volkswirtschaft der Welt auf den Tisch gelegt werden." Gegen Plastikmüll Zum Schutz der Meere und anderer Ökosysteme wollen 40 der weltweit größten Konzerne weniger und umweltfreundlicheres Plastik verwenden. Unternehmen wie Procter and Gamble, Unilever und Coca-Cola schlossen sich zum Weltwirtschaftsforum in Davos einer entsprechenden Initiative der britischen Seglerin Ellen MacArthur an. Werde nicht rasch etwas getan, würden die Weltmeere im Jahr 2050 mehr Plastik enthalten als Fische, warnten die Unterzeichner. 20 Prozent der Plastikproduktion könnten mit Gewinn wiederverwertet und weitere 50 Prozent recycelt werden, anstatt auf Müllkippen zu landen und die Ozeane zuzumüllen, so die Initiative. Die restlichen 30 Prozent und damit etwa zehn Milliarden Plastiktüten würden "ohne fundamentale Neugestaltung und Innovation" aber niemals wiederverwendet werden können. DPA Fraglich ist allerdings, wie schnell Trumps Politik ihre Wirkung entfalten wird. David Rubenstein, der Chef des Finanzinvestors Carlyle Group und einst Mitarbeiter von US-Präsident Jimmy Carter, glaubt, dass es mindestens neun bis zehn Monate dauern wird, ehe der neue Präsident seine Steuerreform durch den Kongress bekommen wird. Und auch danach werde es "lange dauern, bis wir ökonomische Ergebnisse sehen werden". Li Daokui, ein Wirtschaftsprofessor von der chinesischen Tsinghua-Universität, erwartet dagegen, dass das Wirken von Trump sich sehr viel schneller auswirken wird. Er warnte vor einer "chaotischen Phase", wenn nun viel Geld aus der ganzen Welt in die USA strömt - weil es Trump von den Firmen fordert, weil Investoren an einen starken Aufschwung unter ihm glauben und weil der neue Präsident Billionen Dollar braucht, um die zusätzlichen Ausgaben und Steuersenkungen zu finanzieren. Das werde den Kurs des Dollar sehr schnell nach oben treiben, warnte der Chinese, und das könne zu größeren Verwerfungen an den Finanzmärkten führen. Eine Sorge, die auch Rubenstein und die Harvard-Ökonomin Carmen Reinhart teilen: Wenn der Wechselkurs des Dollar unter Trump zu schnell steige, dann könne das vor allem jene Schwellenländer in Not bringen, deren Regierungen oder Unternehmen sich sehr stark in Dollar verschuldet haben. Dann drohe eine Finanzkrise, wie sie Mexiko Mitte der 1990er-Jahre erlebt habe, warnte Rubenstein.
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundeswehr-einsatz-klarheit-und-wahrheit-1.2764065
mlsum-de-9319
Die Opposition hat sich mit deutlichen Worten gegen eine Bundeswehr-Mission in Syrien ausgesprochen: Das Vorhaben sei planlos und kopflos.
Die Opposition hat am Mittwoch scharfe Kritik am geplanten Bundeswehr-Einsatz geübt und zugleich einen schlechten Umgang der Regierung mit dem Parlament beklagt. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, kritisierte, dass es weder eine "Klarheit über die Strategie" noch eine echte "Wahrheit über die Lage" gebe. Der Zickzackkurs der Regierung bei der Frage, ob und in welcher Form man auch mit Truppen des syrischen Diktators Baschar al-Assad kooperiere, zeige das ganze Problem. Der sogenannte Islamische Staat in Syrien und im Irak müsse auch militärisch bekämpft werden, so die Grünen-Politikerin. Aber es gebe bisher keine klare Abgrenzung von Wladimir Putin und dem "Massenmörder Assad". Deshalb werde ausgerechnet der syrische Diktator vom Luftkrieg gegen den IS profitieren. "Wir haben das Mandat sehr genau überprüft und debattiert - und sind nicht überzeugt", sagte Göring-Eckardt. Das gelte für die völkerrechtliche Grundlage, aber noch mehr für die zentralen Fragen, welches Ziel man verfolge, wer dabei die Partner sein sollten, und wie man aus dem Krieg wieder herauskomme. "Das ist kopflos, das ist planlos", sagte Göring-Eckardt. Bei aller Kritik ließ sie allerdings offen, ob sich ihre Fraktion geschlossen gegen den Einsatz stellen werde. Bei Dietmar Bartsch, dem Vorsitzenden der Linken-Fraktion, war das anders. Bartsch betonte, dass seine Fraktion den geplanten Einsatz komplett ablehnen werde. Zuvor wehrte sich Bartsch gegen den Vorwurf, die Linke mache es sich mit ihrem Nein besonders einfach. Der Linken-Politiker betonte, er könne nicht erkennen, wer eigentlich die Finanzhilfen an den IS und den Ölhandel mit dem IS bekämpfe. Außerdem kämen jede Nacht IS-Kämpfer über die türkisch-syrische Grenze ins Kampfgebiet - und das sei es, was verhindert werden müsse. Die Regierung verteidigte den Einsatz. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte, niemand in der Regierung sei so naiv zu glauben, der IS könne nur mit militärischen Mitteln besiegt werden. Die Bundesregierung bemühe sich wie kaum jemand sonst um den politischen Prozess, der in Wien begonnen wurde. Einen Rüffel erntete die Regierung von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Er sagte, Mandatstexte dürften nicht zunächst den Medien und erst dann dem Parlament vorgelegt werden.
https://www.sueddeutsche.de/sport/baseball-psssssssssst-1.3696524
mlsum-de-9320
Die Los Angeles Dogders starten als Favorit in die Viertelfinalserie der Major League Baseball - über die Meisterschaft will das Team trotzdem nicht reden.
Pssssssst. So reagieren die Bewohner von Los Angeles zu Beginn der Playoffs, wenn sie auf den Baseballklub angesprochen werden, der auf einem Hügel im Stadtzentrum seine Heimspiel austrägt. Ja, schon klar, die Dodgers haben in der Hauptrunde die beste Bilanz der amerikanischen Liga MLB geschafft (104:58), sie sind der Favorit in der am Freitag beginnenden Viertelfinalserie gegen die Arizona Diamondbacks und durchaus auch auf den Gewinn der World Series, nach 29 Jahren ohne Titel. Die Nervosität der Fans indes ist gerechtfertigt: Die Dodgers waren auch in den vergangenen vier Spielzeiten hoffnungsfroh in die Ausscheidungsrunde gestartet - und scheiterten jeweils schon vor der Finalserie. Also, bloß nicht über eine mögliche Meisterschaft reden! Die Dogders hatten die Chance, den Rekord der Cubs zu brechen Die Zurückhaltung gilt übrigens auch für die Dodgers selbst. Sie haben in der Umkleidekabine pflichtschuldig ein paar Champagnerflaschen geöffnet und sich gegenseitig mit dem Inhalt übergossen, wie man das halt so macht, wenn man sich in der MLB für die Endrunde qualifiziert. Bei ausgeschalteten TV-Kameras jedoch legten die Spieler lieber ihren Finger auf den Mund: Pssssssst! "Die meisten Akteure finden das nicht mehr besonders aufregend, die Playoffs zu erreichen", sagt Werfer Kenley Jansen: "Es gibt nur ein Ziel: den Titel gewinnen." Wer verstehen möchte, wer beim Baseball derzeit erfolgreich ist und warum es zum Titelgewinn eigentlich zwei völlig unterschiedliche Mannschaften braucht, der sollte diese Spielzeit der Dodgers näher betrachten. Jeder Verein absolviert in der Hauptrunde 162 Partien, nur die Gewinner der sechs Divisionen, aus denen sich die MLB zusammensetzt, erreichen die Playoff-Serien - vier Mannschaften kämpfen in zwei Wild-Card-Spielen um die zwei verbleibenden Viertelfinal-Plätze. Belohnt wird Konstanz, und die Dodgers hatten nach einer Siegesserie im Sommer gegen deutlich schwächere Teams gar die Chance, den 111 Jahre alten Rekord für die beste Bilanz der Geschichte (Chicago Cubs, 116:35) zu brechen. Ende Juli, nach zwei Dritteln der Saison, verpflichteten die Dodgers den Werfer Yu Darvish von den Texas Rangers und den Schlagmann Curtis Granderson von den New York Mets. Angesichts eines 265-Millionen-Dollar-Kaders mit den Werfern Clayton Kershaw, Rich Hill und Kenley Jansen, Schlagmännern wie Justin Turner, Chris Taylor und Cody Bellinger sowie Verteidigungs-Virtuosen wie Corey Seager und Yasiel Puig war das ungefähr so, als würde der Milliardär Bill Gates ein paar Millionen Dollar im Lotto gewinnen. Die Leute fragten sich: Wer soll dieses Team nun noch besiegen? Ende August verloren die Dodgers aufgrund einiger Verletzungen und individueller Krisen dann 16 von 17 Spielen - und die Frage lautete angesichts schrecklicher Leistungen und fragwürdiger Entscheidungen von Trainer Dave Roberts plötzlich: Gegen wen sollen die eigentlich gewinnen? Die Dodgers lagen zwar noch immer mit großem Abstand in der Division vorne, jedoch haben seit Einführung der Wild-Cards im Jahr 1995 nur fünf Klubs mit der besten Bilanz auch den Titel gewonnen. Baseball ist aufgrund seiner Struktur (eine Partie lässt sich in etwa 300 Mini-Abschnitte aufteilen) anfälliger für einzelne Ausreißer. Konstanz bringt einen Klub zwar in die Playoffs, danach jedoch reichen elf Siege (drei im Viertelfinale, jeweils vier in den Runden danach) für den Titelgewinn; theoretisch dürfte man sich dabei sogar acht Niederlagen erlauben. Es braucht nun vereinzelte Höhepunkte wie etwa diesen einen Treffer am Schlagmal oder dieses Kunstwerk als Werfer, an einem Abend sämtliche Gegner zur Verzweiflung zu treiben. Die Pitcher agieren mittlerweile derart variabel - sie mischen 160-Stundenkilometer-Raketen mit angeschnittenen Würfen, deren Flugbahn physikalischen Regeln zu trotzen scheinen -, dass es eher selten geworden ist, Punkte über mehrere Treffer nacheinander und cleveres Laufspiel zu erzielen. Was zu Punkten führt: über den Zaun geprügelte Bälle; es gab in dieser Saison mehr Homeruns (6105) als jemals zuvor. Es gab aufgrund dieser Alles-oder-nichts-Taktik am Schlagmal aber auch die meisten Strikeouts (40 105) der Historie. Genau das führt nun dazu, dass die Dodgers ziemlich selbstbewusst daherkommen. Sie glauben, dass sie nicht nur konstanter sind als die anderen Favoriten Cleveland Indians (gegen New York Yankees), Houston Astros (gegen Boston Red Sox) sowie Washington Nationals (gegen Chicago Cubs), sondern dass sie auch besser geeignet sind für die Höhepunkt-Spiele in den Playoffs. Sie haben neben Cleveland das beste Orchester an Werfern sowie die diszipliniertesten und explosivsten Schlagmänner der Liga. "Wir wurden während der Niederlagenserie im August nicht nervös, weil wir wussten, dass es letztlich egal ist. Am Ende haben wir wieder acht von zehn Spielen gewonnen, wir sind gut drauf", sagt Werfer Jansen: "Wenn wir im Oktober die World Series gewinnen, dann wird jeder darüber lachen, dass wir im August einmal elf Spiel nacheinander verloren haben." Er sagt tatsächlich nicht "falls", er sagt: "wenn", als wäre schon gewiss, dass es so kommen wird. Als ihn jemand darauf hinweist, hebt Jensen demonstrativ die Augenbrauen und legt den Finger auf den Mund: Pssssssst!
https://www.sueddeutsche.de/politik/volk-ohne-staat-ein-traum-von-kurdistan-1.2585734
mlsum-de-9321
Die Kurden kämpfen nicht nur gegen den "Islamischen Staat", sondern auch gegen die Unterdrückung ihrer Kultur in der Türkei, in Syrien, im Irak und in Iran. Seit Ende des Osmanischen Reiches.
Eine Angehörige der kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG in der syrischen Stadt Hasaka, die hier nach Kämpfern des IS suchen Im Kampf gegen den "Islamischen Staat" sind die Kurden Verbündete des Westens, in Syrien stehen sie eher auf Seite des Diktators Assad. Das Nato-Mitglied Türkei bekämpft die kurdischen Kämpfer als Terroristen. Und im Irak haben die USA ihre schützende Hand über die Kurden gehalten. Wie ist es zu dieser Situation gekommen? Die Kurden sind eine Volksgruppe mit eigener Sprache mit mehreren Dialekten und eigenen Bräuchen. Sie bekennen sich überwiegend zum sunnitischen Islam, es gibt jedoch auch schiitische Muslime, Jesiden, Aleviten und assyrische Christen unter ihnen. Für die kurdischen Siedlungsgebiete gibt es keine klaren Grenzen, es gehören Regionen im Südosten der Türkei, im Norden Syriens und des Irak sowie im Westen Irans dazu, in denen insgesamt etwa 30 Millionen Kurden leben. Dazu kommen noch wenige Zehntausend Kurden in Armenien. Bei der Gründung der Staaten im Nahen Osten nach dem Ende des Osmanischen Reiches wurde den Kurden nach dem Ersten Weltkrieg kein unabhängiges Kurdistan zugestanden. Seitdem kämpfen viele Kurden für einen eigenen Staat oder wenigstens mehr Autonomie in ihren Gebieten. Vor allem gegen die jeweiligen Sicherheitskräfte der Regierungen. Häufig aber auch gegeneinander. Die Kurden in der Türkei In der Türkei leben etwa 15 Millionen Kurden vor allem im Südosten des Landes. Sie wurden lange Zeit nicht als ethnische Minderheit akzeptiert, der offizielle Gebrauch ihrer Sprache war verboten. Nach einer Reihe von Aufständen gegen die türkische Unterdrückung ihrer Kultur gründete Abdullah Öcalan 1978 die Kurdische Arbeiterpartei PKK als marxistisch-leninistisch orientierte Guerillabewegung. Nach dem Militärputsch 1980 wurde die PKK aus der Türkei vertrieben, viele Mitglieder flohen in den Libanon. Seit 1984 kämpft die PKK mit Waffengewalt gegen türkische Sicherheitskräfte mit dem Ziel, wenn schon nicht einen eigenen Staat, dann zumindest mehr Autonomie zu erzwingen. Bei Gefechten mit Polizei und Armee und durch Anschläge starben Zehntausende Menschen, darunter viele Zivilisten. In der EU und den USA gilt die PKK als Terrororganisation. 1999 wurde Abdullah Öcalan gefasst und zum Tode verurteilt, 2002 wurde das Urteil in lebenslange Haft umgewandelt. Seit 2012 fanden Friedensverhandlungen zwischen der türkischen Regierung und der PKK statt, 2013 verkündete Öcalan eine Waffenruhe und den Rückzug der PKK-Kämpfer aus der Türkei. Der damalige Premierminister und heutige Präsident Recep Tayyip Erdoğan räumte den Kurden daraufhin mehr kulturelle Rechte ein. Wegen der Haltung der Türkei gegenüber dem "Islamischen Staat", der die Kurden in Syrien und dem Irak bekämpft, ist es jüngst jedoch erneut zu heftigen Spannungen gekommen. Nach dem Anschlag auf die türkische, mehrheitlich von Kurden bewohnte Stadt Suruç am 20. Juli 2015 warfen Kurden der Regierung in Ankara vor, die Terrormilizen des IS gewähren zu lassen oder sie sogar heimlich zu unterstützen. Die PKK tötete zwei türkische Polizisten, die angeblich mit dem IS zusammengearbeitet hatten. Detailansicht öffnen In Berlin fordern Demonstranten am Samstag Freiheit für Abdullah Öcalan. (Foto: dpa) In der Türkei wurden daraufhin etliche Kurden als Sympathisanten der PKK festgenommen, Stützpunkte der kurdischen Kämpfer im Nordirak wurden von der türkischen Luftwaffe bombardiert. Die PKK hat den den Waffenstillstand mit der Türkei nun aufgekündigt. Auch Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hat den Friedensprozess mit den Kurden nun offiziell abgebrochen. Seine Ankündigung, Politiker, die mit terroristischen Gruppen in Verbindung stehen, sollten juristisch belangt werden, zielt vermutlich auf die prokurdische "Demokratische Partei der Völker", HDP. Die Partei ist gegenwärtig die wichtigste Stimme der Kurden in der Türkei. Trotz ihrer mutmaßlichen Nähe zur PKK ist sie 2015 mit mehr als 13 Prozent der Wählerstimmen ins Parlament eingezogen. Die Kurden wurden in der Türkei seit den 90er Jahren von verschiedenen Parteien vertreten, von denen einige der PKK mehr oder weniger nahestanden - und immer wieder verboten wurden.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/coca-cola-gegen-pepsi-heilig-s-flaeschle-1.2259322
mlsum-de-9322
Schlanke Taille, längs verlaufende Wölbungen, stolz geschwellte Brust: Coca-Cola findet, dass die Flaschen von Konkurrent Pepsi den eigenen zu ähnlich sehen. Ein Gericht sieht das anders.
Eines Tages fiel etwas vom Himmel. Die Geschichte beginnt mit einem Piloten in einem kleinen Propellerflugzeug, der über die botswanische Steppe fliegt, das Fenster öffnet, und eine leere Coca-Cola-Flasche hinauswirft. Für Stammeshäuptling Xi, dem die Flasche vor die Füße fällt, beginnt die Geschichte mit einer Frage: Warum hatten die Götter so etwas Seltsames geschickt? "Es sah aus wie Wasser, aber es war härter als alles, was er kannte. Das schönste und seltsamste Ding, das sie je gesehen hatten" - so beschreibt der Erzähler aus dem Off die Verwunderung in Xis Stamm ob dieser Gabe Gottes. Es ist einer dieser Filme, die gefühlt mindestens einmal pro Monat im Fernsehen laufen: "Die Götter müssen verrückt sein", Botswana 1980. Es ist eine grandiose Parabel über den Widerspruch zwischen menschlichem Ursprung und der Colaflasche als Symbol der kapitalistischen Weltherrschaft, die dann leider in sprödem Slapstick mündet. Urteilsbegründung: nö Das Kulturgut Colaflasche taugt auch heute noch für Klamauk. Diesmal: Australien 2014, oberstes Bundesgericht in Adelaide, auch ziemlich sonnig, auch eine Art Kulturkampf. Nämlich der zwischen Coca-Cola und seinem alten und größten Rivalen Pepsi. Letzterer hatte auf dem fünften Kontinent vor einigen Jahren begonnen, seine braune Konkurrenzbrause in Glasflaschen abzufüllen, die der klassischen Colaflasche mit den längs verlaufenden Wölbungen, der schlanken Taille und dem auf stolz geschwellte Brust geprägten weißen Coca-Cola-Schriftzug zum Verwechseln ähnlich sehen. So jedenfalls argumentierten die Anwälte von Coca-Cola: Verwechslungsgefahr! Markenrechte! Ihr nutzt unser gutes Image aus! Detailansicht öffnen Design-Klassiker und Ebenbild des Welterfolgs amerikanischer Konsumkultur: die Coke-Flasche. Gibt es selbst dort zu kaufen, wo Sattsein Luxus ist. (Foto: Imago) Kurz zusammengefasst geht die Urteilsbegründung des vorsitzenden Richters Anthony Besanko in etwa so: nö. In der Langfassung argumentierte das Gericht natürlich rechtlich einwandfrei, fast schon philosophisch. Die Pepsi-Flasche sei nun mal nicht ähnlich genug, befand der Richter, denn sie habe weder Kannelüren (Kannelüre: senkrechte Rille am Säulenschaft, von lat. canna = Rohr, frz. cannelure = Rinne, Furche), noch habe sie wie das Behältnis der Konkurrenz ein klar abgegrenztes, flaches Gürtelband mit dem Schriftzug. Viel mehr prägten horizontale Wellen die Flaschenform. "Außerdem", sagte Besanko über die Pepsi-Version, "ist ihre Taille gradueller und scheint sie sich an der Flasche höher auszudehnen." Vor allem in den USA eine Glaubensfrage Und dann ist da noch die Sache mit den Markenlogos. Experten hätten Besanko verraten, der Coca-Cola-Schriftzug in der bis 1925 offiziellen Schulschreibschrift der USA sei "eines der am besten wiederzuerkennenden Werbebilder der Welt". Es sei schon schwierig nachzuvollziehen, warum ein gewöhnlicher Konsument seine Entscheidung nicht auch wegen der Marken oder Logos treffen sollte. Äh. Ja. Coca-Cola oder Pepsi, das ist unter Zuckerbrausetrinkern vor allem in den USA eine uralte Glaubensfrage. Verwechseln gibt's da nicht. Aber irgendwie kann man es verstehen, wenn Coca-Cola sich einen vierjährigen Prozess antut. Als das Unternehmen 1916 seine neue Flasche präsentierte, hatte der Designer Earl R. Dean einen Wettbewerb gewonnen, dessen Ergebnis "eine Flasche, die jemand sogar im Dunkeln erkennt, so geformt, dass jeder weiß, was es war, selbst wenn sie zerbrochen ist" sein sollte. Das Ding ist eben heilig.
https://www.sueddeutsche.de/politik/tuerkei-besuch-warum-merkel-bei-erdogan-nichts-zu-gewinnen-hat-1.3360673
mlsum-de-9323
Die türkische Regierung verfügt über den Tag der Kanzlerin, die Opposition wirft ihr Wahlkampfhilfe für den autokratischen Präsidenten vor - selbst im Auswärtigen Amt rätselt man über den Sinn der Reise.
Für Kanzlerin Merkel beginnt der Türkei-Besuch wie eine Reise ins Ungewisse. Selbst am Donnerstagmorgen, vor ihrem Abflug, steht noch nicht genau fest, wen sie wann treffen wird. Aus ihrem Stab heißt es, es sei gut möglich, dass ihre Termine erst beim Anflug auf den Flughafen von Ankara festgezurrt würden. Merkel ist nicht irgendein Gast für Erdoğan. Sie ist Kanzlerin des Landes, in dem drei Millionen Türken wohnen. Kein anderes europäisches Land ist so eng verwoben mit der Türkei wie Deutschland. Und Merkels Rolle in Europa? Sie ist die Politikerin. All das ändert nichts daran, dass heute die türkische Seite mehr oder weniger über ihren Tag verfügt. Alle Termine müssen um das Treffen mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan in seinem Palast und mit Premier Binali Yıldırım herumgebaut werden. Eigentlich will Merkel auch noch Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu treffen. Am Abend werde sie ihn sehen, heißt es. Vielleicht. Ein großes Vielleicht. Es heißt auch, diese Reise von Merkel wäre nicht einfach. Aber welche Reise von Merkel in die Türkei in den vergangenen Jahren war das schon? Wenn Merkel kommt, dann mittlerweile nur noch aus einer defensiven Position heraus. Als sie im Herbst 2015 Erdoğan traf, sah sie sich regelrecht zu dieser Reise gezwungen. Die Flüchtlingskrise hatte auch Deutschland auf die Probe gestellt. Merkel musste die Türkei als Partner für ein Flüchtlingsabkommen gewinnen. Damals empfing Erdoğan Merkel im Istanbuler Sternenpalast. Der Raum steckte voller Prunk. Wenn es ein Bild gibt, das aus der Zeit von Merkel und Erdoğan in Erinnerung bleiben wird, dann ist es wohl dieses, wie Merkel in dem goldenen, thronähnlichen Sessel zu versinken droht. Ihr Unwohlsein war ihr körperlich anzumerken. Sie übersah sogar, wie Erdoğan ihr die Hand reichte. Und dieses Mal? Detailansicht öffnen Kanzlerin Merkel 2015 im Sternenpalast. (Foto: AFP) Selbst bis ins Auswärtige Amt hinein fragen sich die Leute: Was bezweckt sie mit dieser Reise? Sie kann ja nicht wirklich etwas gewinnen. Im Herbst wird in Deutschland gewählt. Bilder von Merkel aus dieser Türkei? Das ist mittlerweile nicht mehr so leicht zu erklären: Nach dem Putschversuch vom Sommer vergangenen Jahres hat Erdoğan damit begonnen, die Justiz Stück für Stück auszuhöhlen. Der Ruf nach der Rückkehr zur Todesstrafe begleitet Erdoğans Auftritte. 100 000 Beamte sind aus dem Staatsdienst entlassen worden. 40 000 Menschen warten in U-Haft auf ihren Prozess, weil die Regierung sie verdächtigt, den Putschversuch in irgendeiner Form unterstützt zu haben. Sie macht die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen für den versuchten Umsturz verantwortlich. Dessen Netzwerk soll den Staat unterwandert haben. In Deutschland haben Dutzende türkische Soldaten von Nato-Stützpunkten Asyl beantragt, weil sie Angst vor Folter und unfairen Verfahren haben, wenn sie sich der Justiz in der Türkei stellen. Ankara verlangt, die Anträge abzulehnen. Längst hat der innertürkische Konflikt deutschen Boden erreicht. Von der Türkei bezahlte Imame sollen Glaubensbrüder bespitzelt und ihre Erkenntnisse Ankara gemeldet haben. Auch dies dürfte Thema an diesem Donnerstag in der türkischen Hauptstadt werden. Im April will sich Erdoğan per Volksabstimmung zum Superpräsidenten küren lassen. Seine Pläne für den Wechsel zum Präsidialsystem, der mit einem weitreichenden Machtzuwachs für ihn verbunden wäre, stehen zur Abstimmung. Die prokurdische Oppositionspartei HDP - entschiedener Gegner von Erdoğans Vorhaben - ist jetzt schon handlungsunfähig. Ihr Spitzenpersonal sitzt in Haft, ebenfalls wegen des Terrorvorwurfs. Es geht um das ambivalente Verhältnis der HDP zur Terrororganisation PKK, das es der Regierung leicht macht, sie auszugrenzen und zu demontieren. Zu all dem dürfe Merkel nicht schweigen, rufen ihr die Politiker aus Deutschland hinterher. Oppositionsführer Kılıçdaroğlu ist verbittert Merkels Besuch fällt auch mitten in den Wahlkampf für das Präsidialsystem, das zum "Ende der Demokratie in der Türkei" führen könnte, wie die Opposition meint. Wieder einmal ist der Zeitpunkt für Merkels Reise denkbar ungünstig. Als sie 2015 Erdoğan wegen der Flüchtlingskrise besuchte, wurde kurz darauf ein neues Parlament gewählt. Erdoğans AKP gewann haushoch. Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu ist verbittert. Aus seiner Sicht betreibe Merkel nun abermals Wahlkampfhilfe für Erdoğan. Wie tief die Enttäuschung sitzt, lässt sich an seinem Kommentar ablesen, es sei nun auch schon "egal", von wem Erdoğan Unterstützung bekomme, ob von Trump, Putin oder eben von Kanzlerin Merkel. Andererseits ist kaum zu erwarten, dass Erdoğan sich auch nur einen Millimeter auf Merkel zubewegt; Druck rauslässt, größere Zugeständnisse macht. Ihr auch nur irgendetwas liefert, was sie als Verhandlungserfolg hinterher präsentieren könnte. Im besten Fall steht am Ende des Treffens wohl, dass die Zusammenarbeit nicht noch schlechter wird und man im Gespräch bleibt. In Berlin argumentiert das Merkel-Lager: Vielleicht erkenne Erdoğan ja endlich, dass er in Europa nicht mehr viele Verbündete habe und Kanzlerin Merkel immerhin noch diejenige sei, die mit ihm spricht. Die Türkei ist heute nicht mehr das Land, das Merkel in ihren frühen Jahren als Kanzlerin kennenlernte, bei ihrem ersten Besuch 2006 zum Beispiel. Die EU-Mitgliedschaft sah sie damals auch schon skeptisch, obwohl die Türkei unter Erdoğan als Ministerpräsident zu diesem Zeitpunkt noch klar Kurs in Richtung Europa genommen hatte. "Wir sind dabei, die Brücken zueinander, die fest verankert sind, noch breiter zu machen", sagte Merkel damals. Heute fragt man sich, was die Brücken überhaupt noch aushalten?
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bank-wer-kuenftig-fuer-alle-privatkunden-verantwortlich-ist-1.2488712
mlsum-de-9324
Das unglamouröse Massenkundengeschäft bei der Deutschen Bank übernimmt überraschend Rechtsvorstand Christian Sewing. Noch nicht mal in neuer Position, wird ihm nachgesagt, dass er irgendwann auf Jain oder Fitschen folgen könnte.
Als Christian Sewing auf einmal groß eingeblendet wird auf dem riesigen Bildschirm in der Festhalle in Frankfurt, in der die Deutsche Bank ihre Hauptversammlung abhält, schaut er für einen Moment verlegen. Kein Wunder, denn der 45jährige Banker - jungenhafte Erscheinung, trendige Brille - ist Öffentlichkeit bisher wenig gewohnt. Dies könnte sich bald ändern, denn zum 1. Juli übernimmt Sewing, der erst seit Jahresanfang Rechtsvorstand ist, überraschend das Geschäft mit Privat- und Firmenkunden. Er folgt auf Rainer Neske, der das Kreditinstitut im Streit über die Strategie nach 25 Jahren verlässt. Viele sagen, Sewing gehöre damit ab sofort zur Reserve für den Chefposten der Deutschen Bank, wenn die Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen eines Tages nicht mehr zu halten sein sollten oder die Verträge auslaufen. Die nächste Zeit wird Sewing daher zeigen, was er kann. Doch gerade das unglamouröse Massenkundengeschäft war im Konzern zuletzt höchstens gefragt, wenn es darum ging, die Spareinlagen für die Refinanzierung der Großkunden und des Investmentbankings zu verwenden. In den vergangenen Wochen erwog die Bankführung sogar, das Privatkundengeschäft und die Postbank komplett abzuspalten. Jetzt, da die Sparte im Konzern verbleibt und nur die Postbank abgespalten wird, sind die Erwartungen umso größer. Es geht nicht nur darum, die Kulturunterschiede zwischen Filialmitarbeitern und Investmentbankern zu überwinden, sondern auch zu beweisen, dass die Bank in Deutschland doch noch verankert ist. Und natürlich geht es darum, die neue Strategie umzusetzen, 200 Filialen zu schließen, Tausende Stellen zu streichen, gleichzeitig aber die Digitalisierung voran zu treiben. Wer ist dieser Mann? Aufsichtsratschef Paul Achleitner deutete daher an, dass Sewing das Rechtsressort abgeben wird, ist es doch kaum vorstellbar, dass dieser Visionen für das Privatkundengeschäft entwickelt und sich zeitgleich um die unzähligen Rechtsstreitigkeiten kümmert. "Das Privatkundengeschäft an allen Schnittstellen zum Kunden neu aufzustellen, ist eine gigantische Herausforderung, erst recht für jemanden, der zuvor für Recht zuständig war", sagt Personalberater Andreas Halin von Globalmind. Doch wer ist Christian Sewing? Über ihn persönlich ist wenig bekannt, nur, dass er 1989 eine Banklehre bei der Deutschen Bank in Bielefeld absolvierte und dem Haus bis auf eine kurze Unterbrechung treu blieb. Es folgten Stationen in Hamburg, Toronto, Tokio und London, wo Jain seine Machtbasis hat. Jahrelang arbeitete Sewing an der Seite von Risikochef Hugo Bänziger, der das Haus 2012 verließ. In den letzten Jahren kam Sewing weiter nach oben, er wurde Vize-Risikochef, Aufsichtsrat bei der Postbank und Anfang Januar Rechtsvorstand. Mit dem Privatkundengeschäft kam er 2013 als Mitglied des erweiterten Führungszirkels in Berührung. Klar ist, dass er sich für seine neue Aufgabe der vollen Rückendeckung von Aufsichtsratschef Achleitner sicher sein kann. Abgesehen von Neske war Sewing der einzige Vorstand, zu dem sich Achleitner in der Pressemitteilung von Mittwochnacht äußerte: Er sei der Richtige, um diesen für die Bank so wichtigen Kernbereich in eine neue Wachstumsphase zu führen. Womöglich nicht nur das.
https://www.sueddeutsche.de/politik/japan-der-widerstand-des-herrn-onaga-1.2689994
mlsum-de-9325
Die US-Basis Futenma auf Okinawa gilt als gefährlichster Militärstützpunkt der Welt. Ein neuer Standort ist längst gefunden - doch der Gouverneur der japanischen Insel sperrt sich.
Der Gouverneur von Okinawa, Takeshi Onaga, hat die Bewilligung für Vorarbeiten zum Bau des US-Stützpunkts Henoko widerrufen. Japans Premier Shinzo Abe hatte die Genehmigung dessen Vorgänger abgerungen. Von sofort an sind Bauarbeiten in der Bucht von Henoko illegal. Damit steckt die Verlegung der Marinebasis Futenma nach Henoko erneut fest. Das Vorhaben belastet das Verhältnis zwischen Washington und Tokio schon seit zwanzig Jahren. Die japanische Presse bezeichnet die Basis Futenma im Städtchen Ginowan auf Okinawa als gefährlichsten Militärstützpunkt der Welt. Mitten in einem Wohngebiet starten und landen hier US-Kampfflugzeuge rund um die Uhr. 2004 stürzte ein Hubschrauber auf den Campus der Universität, der direkt ans Flugfeld grenzt. Washington hat schon 1995 akzeptiert, dass Futenma aus Sicherheitsgründen nicht zumutbar sei und verlegt werden müsse. Das Pentagon bestand allerdings darauf, die Basis müsse auf Okinawa bleiben. Schließlich einigten sich Washington und Tokio auf einen neuen, größeren Stützpunkt mit Landebahn in der Bucht von Henoko, die unter Naturschutz steht. Der Premier hält am Standort Henoko fest Mit dem Rückruf der Baubewilligung hat der 65-jährige Gouverneur Onaga sein Versprechen gehalten, für das er im Januar 2014 gewählt wurde. Vier Jahre zuvor hatte sein Vorgänger die Wahl mit dem gleichen Versprechen gewonnen. Doch er knickte Silvester 2013 unter dem Druck Abes ein, was ihn sein Amt kostete. Als wollten die Menschen in Okinawa ihre Entschlossenheit unterstreichen, wählten sie bei der Unterhauswahl 2014 alle Abgeordneten von Abes liberaldemokratischer Partei (LDP) ab. Dennoch hält der Premier am Standort Henoko fest. Abe hat US-Präsident Barack Obama versprochen, den Stützpunkt durchzuboxen. Sein Kabinettssekretär Yoshide Suga sagte am Dienstag, die Regierung werde sich über Onagas Beschluss hinwegsetzen. Verteidigungsminister Gen Nakatani will den Baustopp des Gouverneurs vor einem Gericht anfechten. Bis 1972 war Okinawa von den USA besetzt. Die Inselgruppe zwischen Japan und Taiwan diente als wichtigster US-Stützpunkt im Vietnamkrieg. In einem geheimen Vertrag hatte Tokio den USA erlaubt, hier Atomwaffen zu lagern. Kürzlich musste das Pentagon zugeben, das amerikanische Militär habe auf Okinawa hochgiftiges Dioxin verscharrt, das in Vietnam als Entlaubungsmittel eingesetzt worden war. Okinawa umfasst nur 0,6 Prozent der japanischen Landmasse, trotzdem sind hier 74 Prozent der US-Truppen in Japan stationiert. Diese Belastung sei zu groß, klagt Onaga. Der Streit um die Verlegung der Basis dreht sich seit zwanzig Jahren im Kreis. Zu Beginn waren die Wähler in der Präfektur Okinawa gespalten. Die Wirtschaft profitiert von den US-Truppen, unter den Kritikern des Stützpunkts waren viele Zugewanderte und Aktivisten aus Tokio. Heute weiß Gouverneur Onaga eine große Mehrheit hinter sich. Statt aufs Militär setzt die lokale Wirtschaft nun eher auf Tourismus. Einen Plan B gibt es nicht Experten in Washington und Tokio bezweifelten stets, dass sich der Standort Henoko durchsetzen lasse. Richard Armitage, Vize-Außenminister unter George W. Bush, verlangte schon vor fünf Jahren einen Plan B. Den gibt es bis heute nicht. Die strategische Bedeutung von Henoko ist umstritten. Die bisher in Futenma stationierten Einheiten, deren Abzug aus Okinawa der Gouverneur verlangt, machen nur fünf Prozent der US-Truppen in Japan aus. Onaga ist, anders als seine Vorgänger, in Okinawa geboren. Er ist kein Linker, sondern war einst Chef der LDP auf Okinawa. Kürzlich trug er seinen Protest der UN-Menschenrechtskommission vor. Japan habe sich Okinawa im 19. Jahrhundert einverleibt. In den 27 Jahren der US-Besatzung habe Tokio die Okinawer nicht einmal als seine Staatsbürger anerkannt. Es sei deshalb "nur verständlich", dass es Leute gebe, die von einer Sezession Okinawas von Japan redeten.
https://www.sueddeutsche.de/politik/us-kongresswahl-wie-facebook-wahlen-beeinflusst-1.2204996
mlsum-de-9326
"Ich wähle!"- mit dieser Nachricht erinnert das soziale Netzwerk Millionen US-Nutzer daran, ihre Stimme bei der Kongresswahl abzugeben. In der Vergangenheit hat das bereits geklappt. Nun fürchten Kritiker Manipulationen.
Wenn sich Millionen Amerikaner heute bei Facebook einloggen, werden sie daran erinnert, dass in ihrem Land eine wichtige Wahl stattfindet. Oben in ihrem Newsfeed erscheint dann eine Nachricht: "It's election day". Darunter ein Knopf zum Anklicken "I'm a voter" - "Ich wähle" und ein Hinweis auf das nächstgelegene Wahlbüro. Wenn jemand anklickt, dass er wählen geht, erscheint das als Nachricht im Newsfeed seiner Freunde. Auf diese Weise will das soziale Netzwerk Menschen dazu bringen, ihre Stimme abzugeben - mit Erfolg. Mehrere Hundertausend Wähler durch Hinweis Bereits bei der Kongresswahl vor vier Jahren bekamen 60 Millionen amerikanische Nutzer von Facebook, den Hinweis, wählen zu gehen. Dazu wurden bis zu sechs Profilbilder von Freunden eingeblendet, die bereits gewählt hatten. Und tatsächlich: Wer die Nachricht sah, ging eher zur Wahl, als Facebook-Nutzer, die keinen personalisierten Hinweis erhalten hatten. 2010 war die Funktion noch Teil eines sozialwissenschaftlichen Experiments, dessen Ergebnisse 2012 im Fachmagazin Nature veröffentlicht wurden. Erstellt hatte die Studie ein Team um den Politikwissenschaftler Robert M. Bond von der University of Californa in Kooperation mit Facebook. Demnach animierte der Wahl-Knopf bis zu 0,39 Prozent der angesprochenen Nutzer zur Abgabe ihrer Stimme. Bei 60 Millionen Empfängern wären das immerhin mehrere Hundertausend Menschen. Funktion auch bei Wahlen in anderen Ländern aktiv Bei der Kongresswahl 2010 sah nur ein zufällig ausgewählter Teil der amerikanischen Facebook-Nutzer den Hinweis im Newsfeed. Spätestens seit diesem Jahr ist die Wahlerinnerung in vielen Ländern jedoch fester Bestandteil des sozialen Netzwerks, sie ist für alle volljährigen Nutzer sichtbar. Die Funktion wurde bei der Wahl des Europaparlaments geschaltet, sowie bei dem Referendum zu Schottlands Unabhängigkeit und den Parlamentswahlen in Indien. Auch bei den diesjährigen Wahlen in Brasilien und Indonesien soll der Knopf bei allen wahlberechtigten Nutzern eingeblendet worden sein, bestätigte ein Facebook-Sprecher der New York Times. So soll es auch bei der heutigen Kongresswahl in den Vereinigten Staaten sein. Ob die Wahlaufforderungen einen Einfluss auf die Wahlbeteiligung und Ausgang haben werden, weiß man vermutlich erst in mehreren Jahren. Ihre Auswertung der US-Präsidentschaftswahl 2012, bei welcher der Wahl-Knopf bei einem Teil der Facebook-Nutzer eingeblendet worden war, haben die Forscher um Robert M. Bond noch nicht veröffentlicht. Bei Kritikern sorgt der Wahl-Knopf aber schon jetzt für Unmut. Das soziale Netzwerk könnte schließlich nur einen bestimmten Teil der wahlberechtigten Bevölkerung auf die Wahl hinweisen, sinnierte die politische Website Techpresident im Juli. Denkbar wäre etwa, dass vorrangig Demokraten die Aufforderung erhalten. Das würde die Wahlbeteiligung in dieser Bevölkerungsgruppe steigern und damit den Ausgang der Wahlen beeinflussen. Bei einer Wahl wie 2012, als Obama mit großem Vorsprung Herausforderer Romney schlug, würde so etwas zwar nicht den Ausschlag geben. Aber wenn es so knapp würde wie bei der Präsidentschaftswahl 2000, als George W. Bush wegen 537 Stimmen den US-Staat Florida - und damit die gesamte Wahl - gewann, könnte eine Manipulation erfolgreich sein. Facebook bestritt vor kurzem im Gespräch mit der US-Zeitschrift Mother Jones, die "I'm a voter"-Funktion für Manipulationen nutzen zu wollen. Solange der Konzern die Details zur Nutzung des Wahl-Knopfs nicht veröffentliche, könne man sich aber nicht sicher sein, mahnt die linksliberale Zeitschrift in einer ausführlichen Analyse. Denkbar ist auch, dass Facebook selbst dann die Wahlen beeinflusst, wenn es allen Nutzern den Wahl-Knopf zeigt. Schließlich sind manche Bevölkerungsgruppen in dem sozialen Netzwerk überrepräsentiert. Freunde geben den Ausschlag, wählen zu gehen Einer Erhebung aus dem Jahr 2013 zufolge nutzen in Amerika mehr Frauen als Männer Facebook, und jüngere Menschen vernetzen sich dort häufiger als ältere. Das spreche dafür, dass die Facebook-Nutzer eher den Demokraten zugeneigt seien, schreibt Mother Jones. Dagegen spricht eine dieses Jahr veröffentlichte Studie: Ihr zufolge hat sich zwar der Anteil der Amerikaner, die sich via Smartphone über politische Entwicklungen informieren, seit der letzten Kongresswahl verdoppelt. Allerdings engagierten sich Republikaner und Demokraten in etwa gleich stark im Internet. Vermutlich sollte man den Einfluss des Wahl-Knopfes auf die Wahlbeteiligung aber auch nicht überschätzen. Da es bisher erst eine Studie zu der Wirkung der neuen Facebook-Funktion gibt, ist nicht auszuschließen, dass die Zunahme der abgegebenen Stimmen bei den Kongresswahlen 2010 auch andere Gründe hatte. Das räumen die Facebook-Forscher selbst in ihrer Studie ein. Nicht die Erinnerung an die Wahl war demnach ausschlaggebend dafür, dass mehrere Hunderttausend Menschen den Weg ins Wahlbüro fanden. Sondern das Gefühl, dass Facebook-Freunde, denen man auch im echten Leben nahe steht, wählen gehen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/noor-basha-beim-tsv-1860-muenchen-bedrohlicher-hashtag-1.2381971
mlsum-de-9327
Während die Mannschaft vor einem wichtigen Heimspiel steht, geht beim TSV 1860 der Machtkampf weiter: Noor Basha will nach SZ-Informationen "Sports- und Business Manager" sein - und sendet seltsame Botschaften.
Noch eine Spur spannender als die Frage, wer am Sonntag (13.30 Uhr) beim TSV 1860 gegen Sandhausen Mittelstürmer spielt, war am Freitag ein Eintrag von Noor Basha, dem Münchner Statthalter des jordanischen Investors Hasan Ismaik, auf Twitter. Was Basha im Internet bekannt gibt, ist bekanntlich stets in Rätselform gehalten. Dennoch war der Eintrag nur vor dem Hintergrund des schwelenden Machtkampfs zwischen Basha und dem Präsidium um Gerhard Mayrhofer zu verstehen. Und die Differenzen drehen sich offenkundig vor allem um die Rolle des umstrittenen Sport-Geschäftsführers Gerhard Poschner, mit dem Basha äußerst eng verbandelt ist; der Streit trat zuletzt beim Chaos um die Trainerwahl zutage, das mit dem Engagement von U21-Coach Torsten Fröhling endete. "Wir können ihn in einer Sekunde vernichten." "#Ifanyoneplaningoralreadyplannedtostopusweareablefinishhimwithinasecond", schrieb Basha also, was trotz der fehlenden Leerzeichen recht eindeutig zu verstehen war: "Wenn irgendjemand plant oder schon geplant hat, uns aufzuhalten, können wir ihn in einer Sekunde vernichten." Auf Nachfrage erklärte Basha, er werde dazu "kein Wort" sagen; das sei "privat", er habe "einfach so einen Hashtag gemacht". Es liegt allerdings in der Natur der Sache, dass ein Eintrag bei Twitter nicht privat ist; schon gar nicht, wenn es um Aufhalten und Vernichtung geht, und auf keinen Fall, wenn ein Protagonist des TSV 1860 München schreibt. Ein Hintergrund der seltsamen Botschaft könnte Bashas Suche nach einer neuen Rolle im Verein sein. Nachdem die Vermarktungsrechte zuletzt von Ismaiks Firma HI Squared auf Infront übergangenen waren, hatte Basha bereits im Trainingslager in Marbella angekündigt, sich künftig "mehr um die KGaA", also um den Sport, kümmern zu wollen. Der SZ liegt ein Schreiben vor, das Basha an die Sponsoren des Klubs verschickte. Daran teilt er mit, er wolle seine "Erfahrungen in meiner künftigen Aufgabe als Sports- und Business Manager beim TSV 1860" einbringen: "Kern meiner neuen Aufgabe ist neben der intensiven Mitarbeit im sportlichen Bereich die Projektarbeit im Business Development."
https://www.sueddeutsche.de/sport/olympia-ioc-gesundheit-athleten-1.3864612
mlsum-de-9328
Priorität des Komitees ist es, die globalen Fernsehquoten zu optimieren. Also müssen die Eiskunstläufer früh morgens, die Skispringer spät abends starten - entgegen ihrem natürlichen Rhythmus.
Fürs Wetter können die Olympia-Macher ausnahmsweise mal nichts. Wobei, in dieser grundsätzlichen Form stimmt dieser Satz auch nicht, wie sich etwa bei den Sommerspielen 2008 in Peking zeigte, als die Organisatoren mehr als tausend Raketen mit Silberjodid auf die nahenden Regenwolken abfeuerte, um zur Eröffnungsfeier einen herrlich blauen Himmel zu garantieren. Also genauer: Für den strammen Wind und die eisige Kälte von bis zu minus 18 Grad, die gerade die Spiele von Pyeongchang prägen, können die Olympia-Macher nichts. So kann das nun mal bei Wettkämpfen in der winterlichen Natur vorkommen. Aber dafür, dass es gerade so stark um das Wetter-Thema und seine Folgen geht, kann das Internationale Olympische Komitee schon etwas. Das zeigt sich insbesondere bei den Skispringern und Biathleten. Die müssen immer spät am Abend ihre Wettkämpfe bestreiten; dann sitzen die einen bibbernd auf dem Bakken und laufen die anderen dick eingepackt durch den Schnee. In der Athleten- wie Ärzteschaft steigen die Sorgen um die Gesundheit, die Lücken auf den Tribünen werden zu so später Stunde und bei so eisigen Temperaturen eher größer als kleiner. Das alles ließe sich angenehmer gestalten, wenn die Wettbewerbe ein paar Stunden früher und bei Sonnenschein laufen würden. Dann wäre es zwar immer noch kalt, aber immerhin ein paar Grad wärmer. Doch das IOC setzt andere Prioritäten. Und eine seiner obersten lautet, die Vermarktung und die globalen Fernseh-Quoten zu optimieren - und dementsprechend das zweiwöchige Programm zu strukturieren. Im Biathlon und beim Skispringen zählt vor allem Mitteleuropa, also sind die Wettbewerbe so gelegt worden, dass diese dort morgens im TV zu sehen sind statt mitten in der Nacht. Pech, wenn es in Pyeongchang dann noch ein bisschen kälter ist. Aber auch die Eiskunstläufer spüren die Folgen der olympischen Schwerpunktsetzungen. Gemeinhin treten sie nachmittags oder abends an, in Pyeongchang müssen sie um zehn Uhr morgens ran (und müssen um vier Uhr aufstehen). Der Grund: Primetime-Alarm in Nordamerika. Im Übrigen ist auch der Terminstress, der den Alpinen nach den bisherigen Absagen droht, nicht nur dem bösen Willen des Windgottes geschuldet, sondern auch Teil eines strukturellen Problems: eines ziemlich gedrängten Terminkalenders. Wenn es bei den Winterspielen, wie etwa vom deutschen Vorzeige-Fahrer Felix Neureuther vorgeschlagen, nur noch Abfahrt, Riesenslalom und Slalom geben würde, ließe sich eine Absage viel einfacher auffangen. So aber sind innerhalb von zwei Wochen allein elf Alpin-Entscheidungen zu disponieren im Wind der Taebaek-Berge.
https://www.sueddeutsche.de/politik/krieg-in-syrien-berichte-busse-zur-evakuierung-syrischer-doerfer-in-brand-gesteckt-1.3300362
mlsum-de-9329
Der Angriff gefährdet die Fortsetzung der Rettung von Zivilisten aus Ost-Aleppo. Von dort dürfen nur Menschen abtransportiert werden, wenn auch die Orte in der Provinz evakuiert werden.
Angreifer haben in zwei umkämpften syrischen Dörfern mehrere Busse in Brand gesteckt, die für die Rettung Verletzter und Kranker vorgesehen waren. Das syrische Staatsfernsehen berichtete, es handle sich bei den Tätern um "bewaffnete Terroristen" - so bezeichnet das Regime von Baschar al-Assad sämtliche aufständischen Kämpfer. Einige Busse und Krankenwagen hätten den Eingang der schiitisch geprägten Dörfer al-Fua und Kefraja in der Provinz Idlib zwar erreicht, die Einfahrt sei dort jedoch von Rebellen der früheren Al-Nusra-Front versperrt worden, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die Angaben der in Großbritannien ansässigen Organisation sind kaum zu überprüfen. Ein Korrespondent der Agentur AFP beobachtete, wie rund zwei Dutzend Bewaffnete Busse stoppten, die auf dem Weg in die Dörfer waren. Sie zwangen die Fahrer zum Aussteigen, beschossen die Fahrzeuge und setzten mindestens fünf Busse in Brand. 15 000 Menschen harren bei Eiseskälte ihrer Rettung aus Ost-Aleppo Der Angriff droht die ohnehin gefährdete Fortsetzung der Evakuierung von Ost-Aleppo zu verzögern: Zivilisten und verbliebene Kämpfer dürfen die zerstörte Metropole nach den Bedingungen der syrischen Regierung nur verlassen, wenn auch Menschen aus al-Fua und Kefraja gebracht werden. Beide Dörfer sind von Rebellen belagert. Sobald die Bewohner sicher in Gebieten unter Regierungskontrolle angekommen seien, würden weitere Menschen aus Ost-Aleppo herausgebracht. Dort sind nach Angaben des UN-Sonderbeauftragten Staffan de Mistura noch 40 000 Menschen eingeschlossen. In der einstigen Großstadt hatten sich in der Nacht rund 15 000 Menschen auf einem zentralen Platz versammelt, um die Fortsetzung der Rettungstransporte abzuwarten. Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt verbrachten viele die Nacht im Freien, Beobachtern zufolge hatten sie weder Trinkwasser noch Lebensmittel zur Verfügung. Frankreich legt UN-Resolution zur Entsendung von Beobachtern vor Nach einiger Verzögerung war am Donnerstag eine mühsam ausgehandelte Evakuierungsaktion aus Ost-Aleppo angelaufen. Mehrere Konvois mit rund 8500 Menschen gelangten aus der zerstörten Stadt, darunter nach Angaben von Aktivisten rund 3000 Kämpfer. Am Freitag hatte Russland, Assads wichtigster Verbündeter, erklärt, die Rettungsaktion sei beendet. Die syrische Regierung sprach lediglich von einer Unterbrechung. Der UN-Sicherheitsrat will am Sonntag über einen Resolutionsentwurf Frankreichs abstimmen, der den Einsatz von UN-Beobachtern bei der Evakuierung Ost-Aleppos ermöglichen soll. Es wird erwartet, dass Russland als Regime-Verbündeter die Entscheidung kraft seines Veto-Rechts blockiert. Am Dienstag will der russische Außenminister Sergej Lawrow mit seinen Amtskollegen aus Iran und der Türkei über die Lage in Syrien beraten.
https://www.sueddeutsche.de/reise/ende-der-reise-es-werde-licht-1.2425571
mlsum-de-9330
Die Tourismusindustrie versucht, Frauen mit Kerzen, Rosenblüten und Prosecco für Reisen zu begeistern. Damit ist sie nur vermeintlich am Puls der Zeit. Tatsächlich wirbt sie mit einem überholten Frauenbild.
Es ist schon klar: Wer im Tourismus explizit Frauen als Kunden möchte, der sollte besser keine Whisky-Touren oder Sand-Buggy-Rennen anbieten. Weil er oder sie dann nämlich ziemlich sicher kein Geschäft machen würde. Aber gibt es denn andererseits überhaupt keine alternativen Lockmittel, um Frauen für eine Reise zu interessieren, als Kerzen und Rosenblüten? Nein, sagt die Tourismus-Industrie vehement; was Frauen wollen im Urlaub, seien Kerzen, Rosenblüten, ein paar Gläschen Prosecco und vielleicht noch ein Vital-Frühstück. Sonst nichts. Das erinnert an die Argumentation von Fernsehredakteuren, die dem Publikum seit Jahrzehnten Cornwall- und Afrika-Schmonzetten, Eine-Frau-geht-ihren-Weg-Filme mit entweder Veronica Ferres oder Christine Neubauer sowie "Alarm für Cobra 11" vorsetzen. Und die natürlich längst darauf verweisen können, dass die Zuschauer etwas anderes gar nicht wollen. Wie auch, sie kennen schließlich nichts anderes. Auf ähnliche Weise benebelt der Tourismus Frauen seit Jahren mit Räucherstäbchen, ätherischen Ölen und dem Duft diverser Kräuter-Grüntee-Mixturen. Das beeinträchtigt natürlich die Wahrnehmung von Dingen, die jenseits der Saunatür liegen. Nun spricht grundsätzlich wenig gegen einen Wellness-Urlaub. Aber die Ausschließlichkeit, mit der Frauen mit solchen Angeboten umworben werden, ist bedenklich - zumal sich niemand darüber aufregt. Wenn die CSU Frauen mal wieder lebenslang an Heim und Herd ketten möchte, ist der Protest inzwischen völlig zu Recht immens. Wenn die Tourismus-Industrie hingegen die Frauen ferienlang ins Spa sperrt, finden wenige etwas dabei. Frauen sollen Dax-Konzerne lenken, im Urlaub aber bitte Yoga machen - um die Seele in der Balance zu halten. Dahinter steckt die Unterstellung: Weil das mit dem Dax-Konzern-Lenken im Grunde nichts für sie ist. Genauso wenig wie Mountainbiken, Segeln oder Zugfahren in Indien - vermeintlich ist so etwas Männerurlaub. Ohne Unterlass posaunt die Tourismusindustrie angebliche Trends in die Welt, suggeriert, sie fühle den Puls der Zeit. Tatsächlich hat sie ein Frauenbild wie sonst nur die katholische Kirche.
https://www.sueddeutsche.de/sport/wuerzburger-kickers-offene-gretchenfrage-1.3691060
mlsum-de-9331
Nach dem trostlosen 0:2 gegen Haching steht Trainer Stephan Schmidt bei den Kickers vor dem Aus.
Von Daniel Sauer gibt es herrliche Bilder. Mal trägt er ein Band um seinen Kopf, um seine Haare nicht ins Gesicht wehen zu lassen. Mal hält er einen kleinen Ball lässig in der Hand und blickt mit juveniler Frische und strohblondem Haar drein. Es sind Bilder aus Sauers Handballzeit - und das führt zum Kern eines Problems, mit dem sich Sauer herumschlägt, seit er in den Fußball übergesiedelt ist und beim Drittligisten FC Würzburger Kickers die Geschicke leitet: Sauer hängt die Handballzeit nach. Sie gibt dem kritischen Umfeld Anlass, seine Fachkompetenz in Frage zu stellen. Die Kickers haben in diesem Jahr noch kein Heimspiel gewonnen Das ging Klubvorstand Sauer am Samstag vielleicht durch den Kopf, als er der Mannschaft nach einem trostlosen 0:2 gegen Unterhaching ein vernichtendes Zeugnis ausstellte: "Man muss keine zwanzig Jahre Fußball gespielt haben", sagte Sauer, "um zu sehen, dass die Laufbereitschaft, die Leidenschaft und die Emotionen nicht da waren. Wir können uns nur entschuldigen für die Leistung." Wenig später saß Trainer Stephan Schmidt im Presseraum und traf einige Aussagen, die in krassem Kontrast zu diesem entwaffnend offenen Urteil standen. "Ich will das relativieren", sagte Schmidt, "ich glaube nicht, dass es an der mangelnden Einstellung lag." Zu den herausragenden Errungenschaften von Schmidt zählt, dass er schon einmal Trainer bei den krisenerprobten Klubs SC Paderborn und Energie Cottbus war. Zu den weniger herausragenden Errungenschaften zählt, dass er bei beiden Klubs entlassen wurde. Aber immerhin: Seither ist auch Schmidt krisenerprobt. Das kam ihm am Samstag zugute, als man am Würzburger Dallenberg erstmals "Trainer raus"-Rufe vernehmen konnte. "Das ist doch ganz normal", sagte Schmidt also mit spektakulärer Souveränität, "den Frust kann ich zu 100 Prozent nachvollziehen." Schließlich haben die Kickers in diesem Kalenderjahr noch immer kein Heimspiel gewonnen. Konnte man in den ersten Saisonwochen noch das ungeheure fußballerische Vermögen dieser Mannschaft erkennen, so war nach diesem Spiel festzustellen: Man konnte es nicht einmal erahnen. In den vergangenen Wochen hatten die Verantwortlichen so manches schlechtes Spiel verklärt, nun aber kündigte Sauer an, die "vielen Probleme hart und offen" zu besprechen. Dann bekam der Sportdirektor die Gretchenfrage gestellt: Sitzt Schmidt an diesem Dienstag beim Landespokalspiel in Rosenheim auf der Bank? Derlei Ja-Nein-Fragen, das ist an dieser Stelle zu erläutern, sind eine sagenhafte Erfindung. Sie untersagen Geplänkel und sparen Zeit, da sie ja nur zwei Antwortoptionen zulassen. Sauer war daran gelegen, Zeit zu sparen. Allzu wohl dürfte er sich aber trotzdem nicht gefühlt haben vor den kritischen Herrschaften mit Diktiergeräten und Notizblöcken. Und so sagte er schließlich: "Das Spiel am Dienstag in Rosenheim ist natürlich unglaublich wichtig für die DFB-Pokalqualifikation, da muss auf jeden Fall eine Reaktion der Mannschaft kommen." Auch auf Nachfragen wich Sauer aus. Er stehe noch unter dem Eindruck des Spiels und müsse erst einmal Gespräche führen. Und: "Im ersten Schritt ist der Trainer in solchen Gesprächen mit dabei, weil er derjenige ist, der am nächsten an der Mannschaft ist." Stellt sich die Frage: Und was passiert im zweiten Schritt?
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/fussball-regionalliga-kraechzen-in-stereo-1.3111327
mlsum-de-9332
Nach dem 2:1-Sieg des TSV 1860 II beim VfR Garching versichern sich beide Trainer ihrer gegenseitigen Hochachtung. Die 90 Minuten davor laufen deutlich kontroverser ab
Daniel Bierofka bekam als Erster das Mikrofon. Mit krächzender Stimme erklärte er, eine krächzende Stimme zu haben, so sehr hatte sie während des Spiels gelitten. Als Sieger eines Heiserkeitsduells war der Trainer der zweiten Mannschaft des TSV 1860 München jedoch nicht auszumachen. Auch die Stimme von Daniel Weber, Coach des VfR Garching, war an diesem Samstagnachmittag strapaziert worden. Abwechselnd schilderten Bierofka und Weber den im Garchinger Stadion verbliebenen Zuschauern ihre Sicht auf die vorangegangenen 90 Minuten Regionalliga-Fußball, die der TSV knapp mit 2:1 (1:0) Toren für sich entschieden hatte. Weber lobte die Münchner, Bierofka lobte die Garchinger. Er selbst hatte Anfang der neunziger Jahre in der C-Jugend des VfR gespielt, sein Vater Wilhelm war damals Trainer der ersten Mannschaft gewesen. Freundschaftlich sprachen die beiden mit- und übereinander. Von kommender Woche an werden sich Bierofka und Weber in der Sportschule Hennef, wo sie ihre A-Lizenz machen, wieder ein Zimmer teilen. Eine lustige Anekdote hier, ein paar wohlwollende Worte da. Wäre das Stereo-Krächzen nicht gewesen, die Zuschauer hätten glatt vergessen, wie emotional es in der Partie davor zugegangen war - gerade in der Schlussphase. Detailansicht öffnen Knapp unterlegen: Florian de Prato (vorne), VfR Garching, gegen Junglöwe Nicholas Helmbrecht. (Foto: Claus Schunk) Drei, vier Meter war Weber aus seinem Arbeitsbereich herausgeeilt, geradezu gesprungen in einem Satz, über die weiße Linie hinweg auf den Rasen, die Hände ungläubig über dem Kopf zusammengeschlagen. Früh hatte Simon Seferings die Löwen mit einem direkt verwandelten Freistoß in Führung gebracht (3.). Direkt nach dem Seitenwechsel hatte Christoph Daferner im Anschluss an eine Ecke per Kopf den zweiten Münchner Treffer erzielt (51.). Kurz darauf hatte Mike Niebauer den Garchingern mit seinem Tor wieder Auftrieb verliehen (57.). Und nun stand Weber eben dort auf dem Platz, inzwischen zornig mit beiden Armen fuchtelnd. Brüllend ließ er wissen, sich um den möglichen Ausgleich gebracht zu fühlen. Garchings Manuel Eisgruber war Sekunden zuvor im Strafraum gefallen, vermeintlich nach einem Schubser seines Gegenspielers (72.). "Ich habe die Hände am Mann gesehen, die gehören da nicht hin", sagte Weber nach der Partie. Der Schiedsrichter dagegen ließ weiterspielen, zeigte Augenblicke später Daniel Suck wegen eines taktischen Fouls an der Mittellinie die gelbe Karte und ermahnte danach Weber, der sich auch über die Verwarnung für seinen Mittelfeldspieler lautstark beschwerte. Garching, das die Anfangsphasen beider Halbzeiten wie schon in den vorangegangenen Spielen verschlafen hatte, drängte auf den Ausgleich. Den Münchnern dagegen ging allmählich die Kraft aus. Bereits nach einer Stunde hatte Bierofka zum dritten Mal gewechselt, um dem sichtbar frühen Verschleiß einiger Spieler entgegenzuwirken. Lautstark dirigierte auch er seine Mannschaft im Kampf gegen den zunehmenden Druck der Gastgeber. Erneut kochten die Emotionen an der Seitenlinie hoch, als Löwen-Keeper Maximilian Engl einen bereits sicher geglaubten Ball fallen ließ, sich dem Spielgerät hinterher warf, um seinen Fehler wieder auszubügeln, und der Schiedsrichter dann auf Stürmerfoul entschied, obwohl zwei Garchinger zwar einschussbereit lauerten, zu Engls Aussetzer aber nicht beigetragen hatten. Engl, der es mit seinen 18 Jahren bereits erstaunlich gut versteht, sich gleichsam glaubwürdig und diplomatisch auszudrücken, sagte anschließend: "Ich habe mich nur auf den Ball konzentriert, lag dann außerhalb des Fünfers. Einen Kontakt habe ich gespürt. Ich weiß nicht, ob es nur ein Mitspieler oder der Gegner war. Der Schiedsrichter hatte da bessere Sicht." 63-Meter-Berühmtheit | Dennis Niebauer Kandidat für „Tor des Monats“ Mit einem einzigen Schuss hat Dennis Niebauer, 28, Kapitän des VfR Garching, internationale Berühmtheit erlangt: Sein Treffer aus 63 Metern zum 3:1-Endstand gegen den FC Ingolstadt 04 II steht in der Wahl zum "Tor des Monats" Juli der ARD-Sportschau, Fox Sports (USA), Daily Mirror (England) oder Blick (Schweiz) berichteten. "Den Wirbel hätte ich nie erwartet. So ein Ding schießt man nicht alle Tage, und dann auch noch vor laufender Kamera: Da bin ich schon stolz drauf", sagte Niebauer. Die Abstimmung läuft noch bis 21. August, 18.45 Uhr, unter www.sportschau.de. SZ Es waren Szenen, in denen die Garchinger am Samstag glücklos blieben und daher im dritten Heimspiel der Saison erstmals verloren - in der Tabelle steht Garching mit sechs Zählern nun auf Rang elf, die Löwen haben nach Punkten (12) mit Spitzenreiter Unterhaching gleichgezogen. Szenen, über die kommende Woche in Hennef auch Weber und Bierofka noch einmal sprechen werden. "Natürlich reden wir über solche Spiele und tauschen Erfahrungen aus", sagte Weber, der sicher ist, stark von diesem Austausch zu profitieren: Mehrmals wird es in dieser Spielzeit noch so sein, dass Garching auf Gegner trifft, die zuvor gegen die Löwen gespielt haben. Weber und Bierofka sind beinahe damit fertig, den im Stadion verbliebenen Zuschauern zu erzählen, warum wer die jeweils andere Mannschaft beeindruckend, den anderen Verein großartig findet, da stichelt Garchings Trainer dann doch noch kurz in Richtung seines Kollegen: "Alles in allem wäre ein Unentschieden heute verdient gewesen. Aber dann holen wir die Punkte eben im Grünwalder", sagt Weber schelmisch grinsend ins Mikrofon. Auf eine Gegneranalyse von Bierofka braucht er vor dem Rückspiel im November trotz aller Freundschaft wohl nicht zu hoffen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-russland-untersuchung-1.4220506
mlsum-de-9333
Vor Reportern hatte der Präsident betont, dass er die Antworten persönlich verfasst habe. Unterdessen werden neue Vorwürfe bekannt: Einem Medienbericht zufolge soll Trump im Frühjahr versucht haben, Ermittlungen gegen zwei seiner politischen Gegner anzustrengen.
Lange war darüber diskutiert worden, in welcher Form der US-Präsident dem Sonderermittler in der Russland-Affäre Rede und Antwort stehen würde. Jetzt hat Donald Trump seine Antworten schriftlich im Büro von Robert Mueller eingereicht. Das teilte Trumps Anwalt Jay Sekulow am Dienstag mit. Bei den Ermittlungen Muellers geht es um die Frage, ob und inwieweit sich russische Regierungskreise in die amerikanische Präsidentenwahl 2016 eingemischt haben - und ob das Lager des damaligen Kandidaten Donald Trump davon wusste oder sogar aktiv einbezogen war. Vergangene Woche hatte der Präsident vor Reportern gesagt, dass nicht seine Anwälte die Antworten formulierten, sondern er selbst. Dies gilt als wichtiger Meilenstein in Muellers Untersuchung, da der Präsident damit erstmals persönlich Auskunft zu Schlüsselaspekten gibt, die das Team des Sonderermittlers prüft. Neben einer möglichen Absprache mit Russland geht es auch um die Frage, ob Trump in der Folge des Skandals versucht hat, die Justiz zu behindern. Die Washington Post berichtet unter Berufung auf einen von Trumps Anwälten, die Antworten des Präsidenten enthielten keine großen Überraschungen. Es stecke nichts darin, was nicht schon öffentlich bekannt sei. Trump hatte die Vorwürfe in der Vergangenheit pauschal zurückgewiesen und die Ermittlungen als "Hexenjagd" verurteilt. Trump soll versucht haben, das Justizministerium auf Clinton und Comey anzusetzen Parallel zur Nachricht, dass Mueller nun Trumps Antworten vorliegen, wurden am Dienstagabend (Ortszeit) neue Vorwürfe öffentlich. So berichtet die New York Times, dass der Präsident im Frühjahr dieses Jahres versucht haben soll, das Justizministerium auf zwei seiner politischen Gegner anzusetzen: seine demokratische Gegnerin im Präsidentschaftswahlkampf, Hillary Clinton, und Ex-FBI-Chef James Comey. Das berichtet die Zeitung unter Berufung auf zwei mit dem Gespräch vertraute Personen. Der Rechtsberater des Weißen Hauses, Donald McGahn, soll Trump darauf hingewiesen haben, dass er nicht die Autorität habe, eine solche Untersuchung anzuordnen. Er könne lediglich ein entsprechendes Gesuch stellen - das könne aber als Machtmissbrauch von Seiten des Präsidenten gewertet werden. Zur Verdeutlichung ließ McGahn seine Mitarbeiter demnach ein Memo verfassen, dass Trump mögliche juristische Folgen darlegte - bis hin zu einem Amtsenthebungsverfahren. McGahn hatte sein Amt im August dieses Jahres aufgegeben. Medienberichten zufolge weil er befürchtete, dass er im Zuge von Muellers Ermittlungen ebenfalls wegen Behinderung der Justiz belangt werden könnte. McGahn kooperiert mit dem Sonderermittler.
https://www.sueddeutsche.de/politik/japan-rangelei-unter-verteidigungspolitikern-1.2652509
mlsum-de-9334
Japanische Abgeordnete wehren sich gegen die neue Verteidigungspolitik von Regierungschef Abe - nicht nur mit Worten.
13 000 Menschen demonstrieren gegen Abe Die geplante Reform der japanischen Verteidigungspolitik hat am Donnerstag zu einer hitzigen Debatte im Oberhaus geführt. Während auf der Straße etwa 13 000 Menschen gegen ein umstrittenes Sicherheitsgesetz demonstrierten, kam es in einem Ausschuss der sonst eher ruhigen Parlamentskammer zu einem Handgemenge zwischen Abgeordneten von Regierung und Opposition. Der Oppositionsabgeordnete Tetsuro Fukuyama warf der Regierung von Ministerpräsident Shinzo Abe in einer emotionalen Rede vor, die Meinung der Bevölkerung zu missachten. Das Gesetz soll der Regierung erlauben, die Streitkräfte künftig zu Kampfeinsätzen ins Ausland zu schicken, selbst wenn die Sicherheit Japans nicht direkt bedroht ist. Mit der Reform würde eine nach dem Zweiten Weltkrieg auf Druck der USA eingeführte Bestimmung gestrichen, die den Einsatz der Streitkräfte ausschließlich zur Verteidigung des Landes erlaubt. Ministerpräsident Shinzo Abe will die Rolle des japanischen Militärs stärken, um der wachsenden Präsenz Chinas in der Region entgegenzuwirken. "Ihr könnt machen, was ihr wollt, weil ihr die Mehrheit habt?" Kritiker halten Abes Pläne für verfassungswidrig und fürchten zudem, dass Japan in Konflikte hineingezogen werden kann, die vor allem etwa die USA angehen. Den Abschied von der pazifistischen Ausrichtung des Staates lehnt lauf Umfragen auch die Mehrheit der Bevölkerung ab. In den vergangenen Wochen kam es deswegen fast täglich zu Massenprotesten. "Hört die Regierungspartei auf die Stimmen der Öffentlichkeit? Ihr könnt machen, was ihr wollt, weil ihr die Mehrheit habt - ist es das, was ihr denkt?", sagte der Oppositionsabgeordnete Fukuyama am Rande der Tränen. Die Abstimmung in dem Ausschuss musste mehrfach verschoben werden, da Abgeordnete der Opposition in der Nacht zu Donnerstag die Türen und Flure des Parlaments blockiert hatten. Vor dem Parlament kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei, bei denen 13 Demonstranten festgenommen wurden.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/europaeische-zentralbank-draghi-gibt-sich-hart-1.2251862
mlsum-de-9335
Nach der ersten Sitzung des EZB-Rates im neuen Gebäude der Europäischen Zentralbank wird deutlich, wie tief der Graben innerhalb des 24-köpfigen Gremiums ist: EZB-Präsident Mario Draghi würde Staatsanleihekäufe auch gegen den Willen Deutschlands durchsetzen.
Wenn es noch einen Restzweifel gegeben haben sollte, ob Mario Draghi im Ernstfall auch mit einer knappen Mehrheit im EZB-Rat den umstrittenen Ankauf von Staatsanleihen beschließen würde - diese Zweifel hat der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag endgültig ausgeräumt. "Wir brauchen keine Einstimmigkeit für eine solche Entscheidung", sagte Draghi. Angesprochen darauf, ob es ihm gelingen würde, das kritische Deutschland für diese mögliche Entscheidung zu gewinnen, antwortete der Italiener: "Das ist eine politische Frage. Wir haben ein Mandat und das ist die Erhaltung der Preisstabilität." Ausreichende Mehrheit für Draghis Kurs Die Premierensitzung des EZB-Rats im neuen EZB-Gebäude im Frankfurter Osten unterstrich damit den tiefen Graben innerhalb des 24-köpfigen Gremiums. Bundesbankchef Jens Weidmann und EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger haben öffentlich Kritik an den geplanten Staatsanleihekäufen geäußert. Auch andere EZB-Ratsmitglieder sind skeptisch. Doch eine ausreichende Mehrheit stützt Draghis Kurs. Der EZB-Chef möchte durch die Ankäufe die Inflation in der Euro-Zone ankurbeln. Die Teuerungsrate liegt bei 0,3 Prozent. Der rapide sinkende Ölpreis könnte die Inflation demnächst auf null Prozent drücken. Das ist zwar gut für die Verbraucher, doch Draghi befürchtet eine gefährliche Deflation, die im schlimmsten Fall zu einer langjährigen Stagnation wie in Japan führen könnte. Viele Ankaufsvarianten Deshalb hat die EZB den Leitzins bereits auf 0,05 Prozent gesenkt und mit dem Ankauf von Kreditverbriefungen und Pfandbriefen begonnen. Rund eine Billion Euro möchte Draghi in den nächsten zwei Jahren in den Finanzmarkt kanalisieren. In den nächsten Wochen vergibt die EZB billige Kredite in Milliardenhöhe an Banken, unter der Bedingung, dass diese das Geld als Kredit an Unternehmen und Haushalte verleihen. "Wie werden diese bereits laufenden Maßnahmen Anfang des nächsten Jahres analysieren. Wenn nötig, weiten wir unsere Maßnahmen aus." Draghi erzählte, dass der EZB-Rat viele Varianten durchgespielt hat. "Wir diskutierten den Ankauf von allem Möglichen - außer Gold", sagte Draghi. Der Italiener räumte ein, dass es einen Vorschlag gab, ausländische Devisen zu kaufen. Davon, so Draghi, halte er wenig, weil es ein direkter Eingriff am Devisenmarkt sei. In der vergangenen Woche hatte EZB-Direktor Yves Mersch neben Staatsanleihen und Unternehmensanleihen auch Aktien, Immobilien und Gold als theoretisch mögliche Vermögenswerte für die EZB genannt. Draghi machte in der letzten Pressekonferenz des Jahres einen entschlossenen Eindruck, auch wenn die erste Reaktion der Finanzmärkte verhalten war. Der Dax sackte kurz nach Beginn der Pressekonferenz um 0,8 Prozent auf 9890 Punkte ab und schloss später 1,2 Prozent im Minus, nachdem er zunächst mit 10 083 Zählern ein neues Rekordhoch aufgestellt hatte. Die für ihn lästige Frage, ob Draghi denn glaube, dass der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB überhaupt legal sei, konterte er wohlgelaunt mit der Gegenfrage: "Glauben Sie, wir diskutieren Dinge, die illegal sind?"
https://www.sueddeutsche.de/sport/laenderspiel-deutsche-u21-ueberzeugt-gegen-mexiko-1.4121908
mlsum-de-9336
Die Mannschaft von Trainer Stefan Kuntz gewinnt mit 3:0. Leroy Sané und Mats Hummels fehlen dem DFB-Team gegen Peru. Italien enttäuscht in der Nations League.
DFB, U21: Die deutsche U21-Nationalmannschaft hat bei der Generalprobe für die Schlussphase der EM-Qualifikation eindrucksvoll überzeugt. Die neu formierte Mannschaft von DFB-Trainer Stefan Kuntz gewann am Freitag in Fürth problemlos 3:0 (1:0) gegen Mexiko. Im ersten Test der neuen Länderspielsaison dominierte die Elf des Deutschen Fußball-Bundes trotz etlicher Umstellungen und Wechsel nach Belieben und sammelte vier Tage vor dem wichtigen Qualifikationsspiel in Irland Selbstvertrauen. Stürmer Janni Serra (22.) brachte Deutschland nach einer Ecke von Philipp Ochs mit seinem ersten Tor im siebten U21-Einsatz in Führung. Aaron Seydel (50.) und Cedric Teuchert (55.) stellten im zweiten Abschnitt gegen chancenlose Mexikaner den Endstand her. "Wir sind auf den erhofften, gut eingestellten Gegner getroffen, in Irland wird es uns ähnlich ergehen. Mir war es wichtig, dass die Mannschaft etwas probiert. Sie sollte zuerst einen offensiven Gedanken haben, bevor sie einen defensiven Gedanken hat", sagte Kuntz. Nations League, Italien: Die krisengeschüttelte italienische Fußball-Nationalmannschaft hat auch zum Auftakt der Nations League enttäuscht. "Glanzlose Azzurri", schrieb die Gazzetta dello Sport nach dem 1:1 (0:1) gegen Polen am ersten Spieltag der Division A: "Nur Chiesa rettete eine Nationalmannschaft, die eine Stunde lang enttäuschte und dann dank Spielerwechsel aufwachte." Die Zeitung Squadra bezeichnete den Auftritt in Bologna als "ideenlos und ohne Persönlichkeit". Im ersten Pflichtspiel unter Trainer Roberto Mancini rettete Mittelfeldspieler Jorginho den offensiv harmlosen Italienern durch einen Elfmeter ein Unentschieden. Der Strafstoß in der 78. Minute war der erste Schuss auf das Tor der Polen. Zuvor hatte Piotr Zielinski (40.) den WM-Teilnehmer in Führung gebracht. Robert Lewandowski vom deutschen Meister Bayern München führte sein Team als Kapitän aufs Feld. DFB-Team, Leroy Sané: Die deutsche Nationalmannschaft muss im Länderspiel gegen Peru in Sinsheim am Sonntag auf Leroy Sané verzichten. Wie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) am Freitag bekannt gab, habe der Offensivspieler von Manchester City das Teamhotel in München in Rücksprache mit Bundestrainer Joachim Löw aus privaten Gründen verlassen. Der 22-Jährige verkündete am Samstag, dass er Vater geworden ist. Seiner Tochter Rio Stella und seiner Freundin Candice Brook ginge es gut, teilte er über Twitter mit. Neben Sané fehlt der Nationalelf Mats Hummels. "Mats wird nicht spielen können", sagte Bundestrainer Joachim Löw am Samstag. Der Verteidiger habe bereits vor und während dem 0:0 gegen Weltmeister Frankreich am vergangenen Donnerstag in München über Probleme mit der Achillessehne geklagt, berichtete Löw: "Nichts Dramatisches, aber wir werden das Risiko nicht eingehen." Löw verriet zudem, dass der Hoffenheimer Neuling Nico Schulz in seinem Heimstadion auf der linken Abwehrseite sein Länderspieldebüt geben werde. Im Tor wird laut Löw Marc-Andre ter Stegen stehen, auch Julian Brandt werde beginnen. Biathlon, Wahl: Olle Dahlin ist neuer Präsident des Biathlon-Weltverbandes IBU. Der 63 Jahre alte Schwede wurde am Freitag auf dem IBU-Kongress im kroatischen Poreč als Nachfolger des unter Korruptionsverdachts stehenden Norwegers Anders Besseberg gewählt. Dahlin setzte sich bei der Wahl mit 39 Stimmen klar gegen die lettische Verbandspräsidentin Baiba Broka durch, die auf zwölf Stimmen kam. Nur das Duo hatte sich zur Wahl gestellt. Die Amtszeit dauert vier Jahre. Dahlin steht nun vor der schweren Aufgabe, den Biathlon-Weltverband aus seiner schwersten Krise zu führen. Neben dem russischen Dopingskandal um mutmaßliches Staatsdoping sorgt auch ein schwerer Korruptionsskandal für Negativschlagzeilen. Unter Besseberg, der nach 25 Jahren im Amt nicht mehr antrat, sollen neben Bestechungsgeldern für die WM-Vergabe ans russische Tjumen 2016 auch russische Dopingsünder gedeckt und 65 Doping-Proben vertuscht worden sein. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Österreichs ermittelt gegen zwölf Personen - gegen zwei, darunter Besseberg, wegen Korruptionsvorwürfen. Besseberg bestreitet alle Vorwürfe.Dahlin versprach in seinem Wahlprogramm Transparenz und einen harten Anti-Dopingkampf. In den vergangenen vier Jahren war er unter Besseberg Vize-Präsident und trat dabei nicht als Aufklärer und Reformer in Erscheinung.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/fussball-ein-held-aus-haching-1.3031737
mlsum-de-9337
Regionalliga-Torwart Stefan Marinovic gewinnt mit Neuseeland die Ozeanien-Meisterschaft. Im Finale pariert der 24-Jährige zwei Elfmeter
Stefan Marinovic war noch etwas benommen. Zum einen von der Größe des Augenblicks: Neuseeland hatte soeben den OFC Nations Cup gewonnen, die kontinentale Fußballmeisterschaft der ozeanischen Staaten, und Marinovic, Torwart der All Whites, war mit zwei Paraden im Elfmeterschießen der Held des Finals gewesen. Zum anderen hatten gerade noch seine Mitspieler auf ihm gelegen. Alle. Weshalb Marinovic nach dem ersten Jubelsturm noch ein wenig atemlos hauchte: "Ich bin so glücklich." Der 24-jährige Regionalliga-Torwart der SpVgg Unterhaching, geboren in Auckland und vor zwei Jahren über den SV Wehen Wiesbaden, den FC Ismaning und die U21 des TSV 1860 München zur SpVgg gekommen, betont stets, welche Ehre es für ihn ist, für sein Heimatland zu spielen. "Er war herausragend", lobte Nationaltrainer Anthony Hudson seinen Keeper, der im Endspiel gegen Gastgeber Papua-Neuguinea nach 120 torlosen Minuten die Schüsse von Koriak Upaiga und Turnier-Torschützenkönig Raymond Gunemba parierte. Marco Rojas verwandelte zum 4:2-Endstand für Neuseeland. Die Nummer 147 der Fifa-Weltrangliste hatte sich mit Siegen gegen Fidschi (3:1), Vanuatu (5:0), die Solomonen (1:0) und im Halbfinale gegen Neukaledonien (1:0) für das Finale qualifiziert. Mit dem Sieg beim OFC-Cup steht Neuseeland als Teilnehmer am Confed Cup 2017 fest - unter anderem gegen Weltmeister Deutschland und den nächsten WM-Gastgeber Russland. Marinovics Elfmeterparaden gegen Papua-Neuguinea waren nicht seine ersten im Nationaldress. Gleich bei seinem Debüt im März 2015 in einem Freundschaftsspiel gegen Südkorea hatte er ebenfalls einen Strafstoß pariert. Nach dem OFC-Finale erhielt er den "Golden Glove Award" für den besten Torhüter. Den einzigen Gegentreffer im gesamten Turnierverlauf hatte Marinovic im Auftaktspiel gegen die Fidschi-Inseln kassiert - durch einen Elfmeter. Foto: AFP
https://www.sueddeutsche.de/auto/nissan-x-trail-erst-einmal-ueberzeugungsarbeit-leisten-1.570341
mlsum-de-9338
Dank der Mischung aus Komfort und Geländegängigkeit soll der Off-Roader Kunden anderer Marken und Segmente an sich binden
(SZ vom 16.06.2001) Dass Totgesagte länger leben, ist eine Weisheit, die sich gerade in der Automobilbranche immer wieder bewahrheitet. Seit Nissan eine Allianz mit Renault eingegangen ist, geht es mit dem japanischen Unternehmen wieder bergauf. Die Verkaufszahlen der ersten Monate dieses Jahres beweisen, dass nicht nur die Talsohle durchschritten ist, sondern dass sich Nissan auf eine solide Basis gestellt hat. Das spiegelt sich seit geraumer Zeit auch in den Modellen wider. Von September dieses Jahres an wird es eine Baureihe mehr in dem Segment geben, in dem Nissan traditionell stark ist - bei den Off-Roadern. Der X-Trail ist ein Wagen, der sich - neben den derzeit anderen drei Reihen (Terrano II, Patrol und Pathfinder) - behaupten soll. Dabei liegt der Schwerpunkt nicht auf der Geländegängigkeit des X-Trail, sondern auf dem Komfort auf der Straße. Von außen sieht man dem neuen Wagen seine Bestimmung nicht unbedingt an. Klassische Geländewagenelemente zieren seine Karosserie. Bullige Front, hochgezogene Gürtellinie, hohe Einstiege und ein massives Heck sind der erste Eindruck. Ganz anders das Gefühl, das im Innenraum aufkommt. Großzügige Maße, viel Platz für Front- und Fondpassagiere, bequeme und dabei gut konturierte Sitze präsentieren den Komfort, den Nissan mit dem X-Trail vermitteln will. Die Instrumente sind zentral positioniert, das heißt, Tachometer und Drehzahlmesser sitzen in der Mitte des Armaturenbretts. Dabei ist ihre Position ergonomisch so gewählt, dass der Fahrer den Blick nicht unangenehm weit von der Straße nehmen muss - ein gelungener Kompromiss zwischen modernem Design und Funktionalität. Wie von einem komfortorientierten Wagen zu erwarten ist, bietet der X- Trail reichlich Ablagen und durchdachte Staumöglichkeiten. In der Mittelkonsole befindet sich unter der Armlehne ein tiefes Fach, in dem zum Beispiel CDs oder größere Kleinigkeiten Platz finden. Unterhalb der Instrumente sichern Klappen die klimatisierten Dosenfächer, in denen Getränke sowohl warm als auch kalt gelagert werden können. Im Kofferraum, der ein Volumen von 410 Litern aufweist, befindet sich unter dem Boden eine Mulde. Seitlich bieten Klappfächer Platz für weiteren Krimskrams. Obwohl das Kofferraumrollo gut in der Führung läuft und leicht einzuhaken ist, bleibt ein Wehrmutstropfen. Die Bedienung mit einer Hand ist selbst für Menschen mit kräftiger Handmuskulatur nicht möglich, da man das Rollo nicht greifen kann. Eine kleine Aussparung oder ein Griff könnte abhelfen. Ein geländegängiger Komfort-Wagen lebt aber nicht nur vom ausgereiften Innenraum allein. Ganz entscheidend ist der Antrieb, der für ein entsprechendes Fortkommen sorgt. Beim X-Trail stehen zwei Aggregate zur Auswahl: ein Benzin- und ein Dieselmotor. Und um es gleich vorwegzunehmen, der Diesel ist - trotz positiver Punkte für den Benziner - der bessere Motor. Aus 2,2 Liter Hubraum schöpft der Common-Rail-Diesel 84 kW (114 PS). Das maximale Drehmoment von 270Nm, die bereits bei 2000/min anliegen, lässt die Kraft des Triebwerks schon von unten heraus wirken. Dabei zeigt sich der Motor leise und kultiviert, wirkt agil und auch flexibel. Nicht umsonst rechnen die Verantwortlichen bei Nissan damit, dass sich etwa 70Prozent der X-Trail- Kunden für den Diesel entscheiden werden. Trotz des Fahrzeuggewichts von gut 1, 6 Tonnen begnügt sich der Diesel mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 7, 2 Liter auf 100 Kilometer. Allein schon in dieser Disziplin muss sich der Benziner hinter dem Diesel anstellen. Bei ihm werden durchschnittlich gut zwei Liter mehr - nämlich 9,3Liter - fällig. Seine 140 Pferdestärken (103kW) ziehen den 4,51 Meter langen Wagen zwar auch bei Steigungen kraftvoll, doch spürt man das niedrigere Drehmoment von 192Nm deutlich. Das serienmäßige, präzise zu schaltende Fünfgang-Getriebe will öfter bedient sein. Für den Benziner gibt es wahlweise auch eine Vier-Stufen-Automatik, die allerdings das serienmäßig Sechsgang-Getriebe des Diesels nicht ersetzen kann.Beide Motoren erfüllen die EU-3-Abgasnorm. Auf der Straße gibt der X-Trail trotzdem mit beiden Aggregaten eine gute Figur ab. Er lässt sich trotz Masse und Größe wendig fahren, neigt bei eng gefahrenen Kurven allerdings leicht zum Untersteuern. Dieser Tatsache versucht Nissan damit abzuhelfen, dass es - bisher nur für die Benzin-Version - ein optionales ESP gibt. Für den Einsatz abseits asphaltierter Straßen bietet der X-Trail, der grundsätzlich Frontantrieb hat, noch zuschaltbaren Vierradantrieb. In der Mitte des Armaturenbretts befindet sich der Auto-Schalter, der das elektronisch gesteuerte System auslöst. Auch auf losem Untergrund reagiert der Wagen harmonisch, er lässt sich leicht beherrschen und vermittelt dabei durchwegs ein sicheres Fahrgefühl. Für den X-Trail bietet Nissan drei Ausstattungspakete an: Comfort, Sport und Elegance. Mit einem Grundpreis von 44769 Mark bietet der kleine Comfort bereits reichlich Komfort- und Sicherheitsdetails. Darunter sind elektrische Außenspiegel, Airbags auch an der Seite und ABS. Der günstigste Diesel schlägt mit 47703 Mark zu Buche. Wenn Nissan im Herbst bei der IAA in Frankfurt ein neues luxuriöses SUV präsentiert, wird das der Nachfolger des Pathfinder sein, und über kurz oder lang ersetzt der X-Trail, der auf der gemeinsamen Plattform von Almera und Primera, der so genannten MS-Plattform, steht, den Terrano II. Im wachsenden Segment der komfortablen geländegängigen Fahrzeuge, wird der X-Trail ein entscheidendes Wörtchen mitreden. Die Erwartungen von Nissan, im kommenden Jahr 6000 Stück in Deutschland abzusetzen, werden mit großer Wahrscheinlichkeit erfüllt werden, denn der X-Trail hat durchaus das Zeug dazu, Fahrer anderer Marken und Fahrzeugklassen von sich zu überzeugen. Von Marion Zellner
https://www.sueddeutsche.de/geld/orte-ohne-banken-geld-vom-baecker-1.2071684
mlsum-de-9339
Online-Banking lässt Bankfilialen sterben, manche Orte haben gar keine Bank mehr. Das hat teils bizarre Folgen für die Einwohner. Ein Besuch in Jöhstadt im Erzgebirge.
Es wirkt fast so, als hätte man die Geschäftsstelle gar nicht schnell genug räumen können. Die Topfpflanzen stehen noch immer in dem sonst leeren Raum, als wären sie beim überstürzten Auszug vergessen worden. Welk hängen die Blätter über dem Boden, neben dem verlassenen Bankschalter prangt in großen Lettern das Versprechen "Beratung". Seit Januar befindet sich an der Eingangstür der Jöhstädter Sparkasse allerdings ein zweites, kleineres Schild, das das andere außer Kraft setzt: "Wir sind umgezogen", heißt es dort. Treffender wäre wohl: "Wir haben dichtgemacht". Die Filiale am Marktplatz ist direkt im Erdgeschoss des Rathauses untergebracht. Sie ist eine von 38 Geschäftsstellen der Erzgebirgssparkasse, die zu Beginn des Jahres geschlossen wurden. Die Beratung am Schalter lohne sich in Zeiten von Onlinebanking nicht mehr, gerade in einem Landkreis wie dem Erzgebirge, in dem die Einwohnerzahl jährlich sinke, begründete der Vorstand seine Entscheidung. Eine Entscheidung, die in den vergangenen Jahren viele Banken trafen: Seit 2003 sind einer Studie der KfW und der Universität Siegen zufolge in Deutschland mehr als 4500 Filialen zugemacht worden - mehr als jede zehnte, betroffen sind vor allem ländliche oder wirtschaftlich schwache Regionen. Meist werden die Geschäftsstellen geschlossen, um die hohen Fixkosten an Personal und Immobilien einzusparen. Bis 2020 könnte es der Studie nach sogar bis zu einem Drittel weniger Bankfilialen geben. Im Eingang des Jöhstadter Rathauses steht momentan noch ein Geldautomat wie eine letzte Bastion vor den verschlossenen Türen der Geschäftsstelle. Er soll zum Ende des Jahres abgebaut werden, bis dahin können sich die mehr als 2800 Jöhstädter dort noch Geld und Kontoauszüge holen - wem fehlt da schon die Filiale, könnte man meinen. "Ich merke am Umsatz, dass die Filiale weg ist" Beate Klabuhn deutet auf diese Frage hin schweigend auf den Marktplatz. Die 62-Jährige führt seit mehr als zehn Jahren den Laden "Haus und Hof". In den Schränken findet sich ein Sammelsurium aus Rührbesen, Töpfen und Briefumschlägen. Doch im Gegensatz zu den prall gefüllten Regalen stehen draußen auf dem Parkplatz nur wenige Autos. Genau das ist Klabuhns Problem: "Ich merke es am Umsatz, dass die Filiale weg ist. Die Leute müssen jetzt sechs Kilometer weiter ins benachbarte Königswalde, um zur Bank zu gehen. Dann kaufen sie dort auch gleich ein." Gerade ältere Leute, die auf den Enkel mit dem Auto angewiesen seien, kämen seltener. Klabuhn seufzt und verschränkt die Arme. "Ist ja auch klar, ich nehme das keinem persönlich übel", sagt sie. Weil der Bankautomat bald wegkommt, hat sich die Ladenbesitzerin vorsorglich ein EC-Kartengerät angeschafft. Bisher nutzen das nur wenige. Die Kunden sind Bargeld gewöhnt, außerdem sind die Beträge meist klein. "Wir hier sind einfach enttäuscht, wie das alles gelaufen ist", sagt Klabuhn. Ein paar Häuser weiter die gleichen Reaktionen: Ein Seufzen. Ein Kopfschütteln. Klabuhn ist nicht die Einzige, die seit der geschlossenen Filiale weniger Kundschaft hat. Ob im Blumenladen oder der Bäckerei, überall ist man sich einig - mit dem Weggang der Sparkasse hat Jöhstadt mehr verloren als nur Bankschalter. "Da will man den Ort attraktiver machen, auch für Touristen, und dann so etwas. Irgendwann wird Jöhstadt wahrscheinlich einschlafen, wenn das so weitergeht", sagt Annett Schröder, die im Backwarengeschäft neben dem Rathaus arbeitet. Nach Königswalde ist sie bisher kein einziges Mal gefahren, aus Prinzip nicht. Bald wird sie das wohl müssen.
https://www.sueddeutsche.de/stil/designermoebel-fuer-haustiere-samt-fuer-die-pfoten-1.1901512
mlsum-de-9340
Ob stilvolle Toilette statt Katzenklo oder Hundebett für 2000 Euro - das Geschäft mit ambitioniertem Heimtier-Design brummt. Den Haustieren sind die Vorzüger exklusiver Möbel allerdings herzlich egal. Eine Marktanalyse.
In der Mitte der loungehaften Sitzlandschaft flackert ein Feuer im offenen Kamin. Das Dach lässt sich auf Knopfdruck öffnen, der Blick in den Sternenhimmel ist grandios. Marty hat sich große Mühe gegeben, um seine Bleibe cocooningmäßig durchzustylen. Man könnte sich das Ganze als Homestory in Architectural Digest vorstellen. Abgesehen davon, dass Marty jetzt nicht so der typische AD-Bauherr ist - sondern ein entflohenes Zebra. Das neue Zebra-Zuhause ist eine Erfindung des Animationsfilms "Madagascar". Darin verschlägt es Marty vom New Yorker Zoo, zusammen mit einem eitlen Löwen, einer hypochondrisch veranlagten Giraffe und einer grandios zickigen Nilpferddame, in die sogenannte Wildnis nach Madagaskar. Und was tut das Zebra? Es macht einen auf Ambiente, Lifestyle, Wohnkultur, Lampions inklusive. Das ist absolut lustig. Allerdings bevorzugen echte Zebras statt einer Lounge dann doch eher die Grassteppe. "Nicht die Tiere interessieren sich für Design, sondern die Menschen." Das sagt Otto Meyer, 55, Innenarchitekt und Hersteller "designorientierter und langlebiger Tiermöbel". Zusammen mit seiner Frau Christel hat er vor einigen Jahren die Firma "pet-interiors" samt Online-Vertrieb im fränkischen Lichtenfels gegründet. "Auf Anregung von Frau Schmitt." Das war offenbar keine schlechte Idee, denn das Geschäft mit ambitioniertem Heimtier-Design brummt geradezu. Design als Leckerli, die gute Form für Hund und Hamster: Das ist seit einiger Zeit ein Trend. Frau Schmitt ist übrigens die Katze der Meyers. War, muss man leider sagen, denn sie ist im vorigen Jahr gestorben. Ihrem Bedürfnis nach einem gut gestalteten Schlafplatz, so geht jedenfalls die Firmenlegende, ist die Idee einer Möbelkollektion zu verdanken - erst für Katzen, dann auch für Hunde. "Tierisches Wohlbefinden vereint mit menschlichen Designansprüchen", erklärt Otto Meyer, das sei der Anspruch des Unternehmens. Kein Leben ohne Design Die Legende ist wahrscheinlich selbst eine Legende. Denn jeder Tierbesitzer weiß: egal, welches Körbchen man kauft, Hund und Katze suchen sich ihren Schlafplatz immer noch selber aus, und der perfekte Ort ist in ihren Augen leider meistens das weiche Menschen-Sofa. Aber Tierfreunde, die sich sowohl für ihren Vierbeiner als auch für Bauhaus-Design, Neue Sachlichkeit oder die Less-is-more-Formel begeistern, macht es eben glücklicher, wenn das Tiermöbel das gut durchdachte Menschen-Ambiente nicht verhunzt. Mit Meyers smartem Entwurf "Rondo Stand", einem "Aktions- und Ruhemöbel für Katzen", befindet man sich auf der geschmacklich sicheren Seite. Das gut gearbeitete Möbel besteht aus einem Standfuß aus gebürstetem Edelstahl und einer Filz-Kuschelhöhle. Man kann das Höhlenrund aber natürlich auch in feinem Leder ordern. Dann kostet Rondo Stand 689 Euro. Im Hintergrund ist auf der Meyerschen Homepage passgenau zu Rondo die Liege "LC4" von Corbusier zu sehen - in der beliebten Kuhfell-Variante. Und das Sitzkissen "Bowl" (699 Euro in der XL-Ausgabe für Katzen von Garfield-Format) wird flankiert vom "Egg Chair", einem berühmten Sessel von Arne Jacobsen. Egg Chair, Bowl, Rondo, LC4: Das ist eine wohnliche, sehr ästhetische Überdosis Stilbewusstsein. Wozu ein großer Satz von Loriot passt: "Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos." Ein Leben aber ohne Design ist offenbar unvorstellbar. Nachdem unsere Kinder schon mit Bauhaus-Mobiliar erfreut werden und mit einer Puppenstube, die von Zaha Hadid entworfen wurde; nachdem sich der Reihenhausgarten als Dauerausstellung für elegante Kugelgrillfronten, Lichtsteine und wetterfeste Plastik-Loungemöbel etablieren konnte; nachdem es Rollatoren gibt, die nicht nur Senioren begeistern, sondern auch die Jury vom Red Dot Award; nachdem also nahezu alle Zielgruppen bereits mit Design versorgt werden - war es nur eine Frage der Zeit, bis die Tierwelt, tendenziell eine designfreie Zone, als Nachfragepotenzial entdeckt wurde. Das gilt zumindest für jenen Teil der Tierwelt, der über ein kaufkräftiges Herrchen oder ein shoppingaffines Frauchen verfügt.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/karriere-frauen-im-job-mehr-stress-aber-weniger-geld-1.2888682
mlsum-de-9341
Berufstätige Frauen in Deutschland kümmern sich länger um Kinder und Haushalt als ihre Männer. Und die Löhne unterscheiden sich stärker als sonst in Europa.
Der moderne Mann kümmert sich nicht nur um die Karriere, sondern auch um die Kinder. Und er lässt seine Frau nicht mit der Hausarbeit sitzen, Ehrensache. So oder so ähnlich lautet jedenfalls das Selbstverständnis, das von Männern inzwischen häufiger zu hören ist. Eine Untersuchung zeigt nun, dass sich die Realität von diesem Bild noch ziemlich unterscheidet. Demnach beschäftigen sich Frauen deutlich länger mit Haushalt und Kindern - selbst wenn sie genauso lange im Beruf arbeiten wie der Gatte. Allen männlichen Ankündigungen zum Trotz, hat sich in den vergangenen Jahren offenbar nur wenig verändert. Wie Elke Holst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) herausgefunden hat, verringern sich die Unterschiede zwischen den Geschlechtern nur langsam. So leistete 2014 in Familien, in denen beide in Voll- oder Teilzeit verdienen, praktisch jede Frau Hausarbeit. Bei den Männern waren es nur zwei von drei. Das sind immerhin sechs Prozentpunkte mehr als eine Dekade zuvor, der Unterschied bleibt dennoch markant. Ähnlich ist es bei den Kindern. Während berufstätige Frauen kleine Kinder pro Werktag im Schnitt fast sechseinhalb Stunden betreuten, kümmerten sich die Männer nur zweieinhalb Stunden - und damit kaum länger als ein Jahrzehnt zuvor. Dass Frauen die Kinder eineinhalb Stunden kürzer betreuen als damals, liege also weniger an den Männern als am Ausbau der Kindertagesstätten, folgert Holst. Die Forscherin gesteht ein, dass ein Teil der Unterschiede darauf zurückgeht, dass Frauen im Schnitt zweieinhalb Stunden pro Tag weniger im Beruf arbeiten. Doch auch wenn das berücksichtigt wird, ist ihre Belastung höher: Beruf, Kinder und Hausarbeiten addiert, kommen sie auf zwei Stunden mehr am Tag. Frauen, die genau wie ihr Ehemann Vollzeit berufstätig sind, beschäftigen sich täglich drei Stunden mehr mit Kindern, Kochen, Waschen und anderen Hausaufgaben. Die Verteilung von Kinderbetreuung und Haushalt wird schon deshalb zunehmend bedeutsamer, weil immer mehr Frauen eine Arbeit aufnehmen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind inzwischen gut 18,5 Millionen von ihnen berufstätig, gut zwei Millionen mehr als ein Jahrzehnt zuvor. So gehen inzwischen 82 Prozent der Männer zwischen 15 und 65 arbeiten, aber auch 73 Prozent der Frauen (2005: 67 Prozent). Gehaltsunterschiede bleiben Die Quoten der Berufstätigkeit nähern sich an, was nach wie vor differiert, ist die Bezahlung. Frauen in der Bundesrepublik verdienten 2014 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes brutto pro Stunde 22 Prozent weniger als Männer. Ein Teil dieser Differenz erklärt sich zwar daraus, dass sie häufiger schlechter bezahlte soziale Berufe wählen, wegen Kinderbetreuung länger aussetzen und in Teilzeit arbeiten. Doch auch wenn sie genauso qualifiziert sind wie Männer und dieselbe Arbeit machen, verdienen sie im Schnitt sieben Prozent weniger, so die Statistiker. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) möchte daher per Gesetz eine gleiche Bezahlung durchsetzen. Unterstützung für ihr umstrittenes Vorhaben erhält die Ministerin nun durch die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Abgeordneten Sabine Zimmermann. Demnach fällt die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern von 22 Prozent im Vergleich der 28 EU-Staaten besonders hoch aus. Nach Angaben des EU-Statistikamts unterscheidet sich die Bezahlung zwischen den Geschlechtern nur in Österreich (23 Prozent) und Estland (28 Prozent) stärker. In den anderen großen Flächenstaaten wie Italien, Frankreich, Spanien oder Großbritannien fällt die Differenz mit 6,5 bis 18 Prozent geringer aus als in Deutschland.
https://www.sueddeutsche.de/politik/amtliches-endergebnis-gruene-bleiben-in-hessen-zweitstaerkste-kraft-1.4213925
mlsum-de-9342
Damit zerschlagen sich die Hoffnungen der SPD, im Rahmen einer Ampel-Koalition doch noch die Macht in Hessen zu übernehmen. Der Abstand zwischen Grünen und Sozialdemokraten ist aber weiter geschrumpft.
Knapp drei Wochen nach der Landtagswahl in Hessen hat die Wahlleitung das Ergebnis im Grundsatz bestätigt. An der Sitzverteilung, nach der die amtierende schwarz-grüne Koalition eine knappe Mehrheit von einem Mandat hat, ändert sich laut dem am Freitag in Wiesbaden festgestellten amtlichen Endergebnis nichts. Auch bleiben die Grünen nach den Nachzählungen mit knappem Vorsprung auf dem zweiten Platz hinter der CDU und vor der SPD. Der grüne Vorsprung hat sich allerdings verringert. In den Wochen nach der Wahl war von einem Unterschied von 94 Stimmen zwischen Grünen und SPD ausgegangen worden. Das amtliche Endergebnis besagt nun, dass die Grünen sogar lediglich 66 Stimmen vor den Sozialdemokraten liegen. Nach dem vorläufigen Endergebnis war die CDU auf 27,0 Prozent (minus 11,3 Prozentpunkte) gekommen. Die Grünen erreichten 19,8 Prozent (plus 8,7). Die SPD landete ebenfalls bei 19,8 Prozent (minus 10,9). Die AfD holte 13,1 Prozent (plus 9,0) und zog erstmals in den Hessischen Landtag ein. Die FDP erzielte 7,5 Prozent (plus 2,5) und die Linke 6,3 Prozent (plus 1,1). FDP will keine Ampel unter Grünen-Führung Im neuen Landtag hat die CDU nach dem vorläufigen wie nach dem endgültigen Ergebnis 40 Sitze, die Grünen kommen auf 29 Parlamentarier. Die SPD stellt ebenfalls 29 Abgeordnete. Die AfD kommt auf 19 Mandate, die FDP stellt elf und die Linke neun Parlamentarier. Insgesamt 137 Abgeordnete sitzen im Landtag. Damit zerschlagen sich die Hoffnungen der SPD, im Rahmen einer Ampel-Koalition doch noch die Macht in Hessen zu übernehmen. Rechnerisch sind zwar sowohl eine Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition unter Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) als auch eine Ampel aus Grünen, SPD und FDP oder ein schwarz-rotes Bündnis möglich. Die FDP hat eine Ampel unter Führung der Grünen allerdings ausgeschossen. Auch Schwarz-Rot gilt als unwahrscheinlich. Weil es bei der Auszählung der Stimmen etliche Pannen gab, galt eine Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse als nicht ausgeschlossen. Diese trat jedoch nun nicht ein.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fruehes-aus-o-sullivan-scheitert-bei-der-snooker-wm-1.2968857
mlsum-de-9343
Sollte Deutschland doch eine Chance auf Olympia bekommen, würde der Würzburger noch einmal spielen. Ronnie O'Sullivan scheidet bei der Snooker-WM aus. Rafa Nadal klagt nach Doping-Vorwürfen.
Basketball, Nationalteam: Dirk Nowitzki hält sich im Falle einer Olympia-Chance durch die Hintertür doch noch einmal ein mögliches Comeback im Nationalteam offen. Die deutschen Basketballer könnten angesichts drohender Sperren für andere Nationen durch den Weltverband FIBA zum Ausrichter eines Qualifikationsturniers für die Sommerspiele in Rio de Janeiro ernannt werden. "Wenn das der Fall ist, müsste ich wohl zurückkehren", sagte der 37-Jährige am Dienstag bei den Saisonabschluss-Interviews seiner Dallas Mavericks lachend. Der europäische Verband hatte acht Nationalverbände für alle Herren-Wettbewerbe gesperrt, weil Clubs aus ihren Ländern eine Teilnahme am von der Euroleague organisierten Eurocup zugesagt haben. Die FIBA Europe erkennt den Eurocup nicht als Wettbewerb an. Unter den gesperrten Verbänden ist Olympia-Qualiturnierausrichter Serbien, auch der weitere Gastgeber Italien ist von einem Bann bedroht. "Ich denke, die Entscheidung wird die nächsten Wochen fallen", sagte Nowitzki. "Dann können wir uns darüber unterhalten, ob ich das Trikot wieder anziehe." Sportlich hatten die deutschen Basketballer den Sprung zu Olympia durch das EM-Vorrunden-Aus vergangenes Jahr verpasst. Nowitzki war daraufhin aus dem Nationalteam zurückgetreten. Bundesliga, Abstieg: Hannover 96 rechnet nach dem Abstieg in die 2. Fußball-Bundesliga mit gravierenden Einschnitten im Finanzbereich. "Der Umsatz wird nächste Saison mehr als halbiert", erklärte der Vorstandsvorsitzende Martin Kind auf der Jahreshauptversammlung am Dienstagabend. Dank der stabilen wirtschaftlichen Lage könne der Traditionsverein den Abstieg ins Unterhaus, der seit Sonntag endgültig feststeht, wirtschaftlich aber verkraften. "Der Abstieg schmerzt, darf aber nicht zur Depression führen. Wir haben Fehler gemacht. Der sofortige Wiederaufstieg ist das Ziel", rief Kind den rund 1000 Mitgliedern zu. Trotz der sportlichen Enttäuschung sei die Identifikation mit dem Verein weiterhin groß. Die Zahl der Mitglieder ist auf die Rekordzahl von 19 789 gestiegen. Zudem sei die Unterstützung für das Profi-Team von Trainer Daniel Stendel weiterhin groß. "Die Samstag-Partie gegen Schalke ist ausverkauft", erklärte Kind unter großem Beifall. Auch würden 98 Prozent aller Sponsoren das Team in der 2. Liga unterstützen. Tennis, Rafael Nadal: Der Spanier hat nach den Dopingvorwürfen gegen seine Person eine Klage gegen die ehemalige französische Sportministerin Roselyne Bachelot eingereicht. "Ich will meine Integrität und mein Image als Sportler verteidigen, aber auch die Werte, für die ich in meiner gesamten Karriere gekämpft habe", sagte der 14-malige Grand-Slam-Gewinner in einer offiziellen Mitteilung. Um seine Sauberkeit zu untermauern, bat Nadal in einem Brief an den Tennis-Weltverband ITF um die Veröffentlichung der Resultate aller seiner Dopingtests. "Es ist wichtig, dass unser Sport ein Flaggschiff in einer Welt wird, in der Transparenz und Ehrlichkeit die beiden Säulen unseres Handelns sind", schrieb Nadal an den ITF-Präsidenten David Haggerty. Bachelot hatte im März in einer TV-Sendung behauptet, Nadal habe 2012 mit einer mehrmonatigen Verletzungspause einen positiven Dopingbefund kaschieren wollen. Damals war der Linkshänder wegen einer Knieverletzung für ein halbes Jahr ausgefallen. "Ich möchte verhindern, dass in den Medien falsche Behauptungen gegen einen Athleten geäußert werden, ohne jeden Hintergrund", sagte Nadal. Die 69 Jahre alte Roselyn Bachelot war von 2007 bis 2010 Sportministerin unter Frankreichs damaligem Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. Danach hatte sie ihre politische Karriere beendet. Snooker-WM: Überraschung bei der Snooker-Weltmeisterschaft in Sheffield/England: Top-Favorit Ronnie O'Sullivan ist raus, der fünffache Titelträger scheiterte bereits in der zweiten Runde knapp mit 12:13 an Barry Hawkins. Hawkins führte schon mit 12:9, ehe O'Sullivan drei Frames in Serie gewinnen konnte - den entscheidenden Frame holte aber wiederum Hawkins. Er steht damit im Viertelfinale, wo er auf Marco Fu aus Hongkong trifft. Fußball, 2. Liga: RB Leipzig hat im Aufstiegsrennen der 2. Fußball-Bundesliga einen kleinen Dämpfer hinnehmen müssen. Das Team von Trainer Ralf Rangnick kam am Montagabend in Kaiserslautern nicht über ein 1:1 (0:0) hinaus und verpasste es damit, sich weiter vom 1. FC Nürnberg abzusetzen. Drei Spieltage vor dem Saisonende haben die Leipziger aber immer noch vier Punkte Vorsprung auf den 1. FC Nürnberg auf dem Relegationsplatz drei. Vor 27 332 Zuschauern erzielte Emil Forsberg in der 56. Minute die Führung für die Gäste. Kacper Przybylko gelang sieben Minuten vor dem Ende der Ausgleich für den FCK. Leipzigs Willi Orban sah in der 63. Minute Gelb-Rot. Der frühere Kaiserslauterer, der vor der Saison zu RB gewechselt war, stand ohnehin im Mittelpunkt: Er wurde von den Heimfans wüst beschimpft, ein Plakat zeigte den gebürtigen Lauterer im Fadenkreuz. Leipzigs Trainer Ralf Rangnick sprach von einer "neuen Dimension der Geschmacklosigkeit". Der DFB-Kontrollausschuss kündigte am Dienstag an, Ermittlungen gegen die Anhänger aufzunehmen. Fußball, England: Für den krassen Außenseiter Leicester City wird der erste Gewinn der englischen Fußball-Meisterschaft immer wahrscheinlicher. Verfolger Tottenham Hotspur ließ am Montag beim 1:1 gegen West Bromwich Albion zwei Punkte liegen. Damit beträgt der Vorsprung der Foxes vor den letzten drei Saisonspielen sieben Zähler. Bereits mit einem Sieg bei Manchester United am Sonntag könnte Leicester den Titelgewinn perfekt machen. Tottenham ging an der White Hart Lane durch ein Eigentor von Craig Dawson in der 33. Minute in Führung. Dawson machte in der 73. Minute seinen Fauxpas aber wieder wett und traf per Kopf zum Ausgleich.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/us-praesident-in-davos-trump-macht-die-schweiz-nervoes-1.3819506
mlsum-de-9344
Der US-Präsident will zum Weltwirtschaftsforum nach Davos kommen. Hoteliers fürchten ein Chaos. In Zürich und Bern könnte es zu größeren Protesten kommen.
Im vergangenen Jahr war er das wohl größte Thema, in diesem Jahr kommt er persönlich nach Davos: US-Präsident Donald Trump. Nur noch knapp zwei Wochen, dann werden im schweizerischen Bergdorf Davos die Reichen und Mächtigen dieser Welt eintreffen. Es schien, als sei alles vorbereitet für das jährlich stattfindende Weltwirtschaftsforum. Doch am Dienstagabend erreichte die Schweiz eine Nachricht, die so ziemlich alles verändert. Donald Trump wird nach Davos fliegen, teilte das Weiße Haus mit. Der Präsident freue sich sehr darauf, seine "America first"-Politik mit anderen Staatschefs zu diskutieren, teilte seine Sprecherin mit. Seither herrscht große Aufregung im Land. Die Nachrichten überschlagen sich geradezu. So erklärt die Boulevard-Zeitung Blick ihren Lesern sehr ausführlich, wie viele Helikopter, Limousinen und schwer bewaffnete Sicherheitskräfte "die Amis" bei solchen Besuchen üblicherweise mitbringen. "So marschiert das Weiße Haus in Davos ein", schrieb das Blatt. Alain Berset, seit einigen Tagen Bundespräsident der Schweiz und damit protokollarisch an der Reihe, ist davon nicht eingeschüchtert. Im Gegenteil: Er ließ bereits mitteilen, er würde den US-Präsidenten gerne zum "Austausch" treffen. Sein Sprecher lobte zudem die Beziehungen zu den USA. Die Veranstalter des Weltwirtschaftsforums, die im vergangenen Jahr mit Chinas Staatschef Xi Jinping immerhin den "zweitmächtigsten Mann der Welt" zu Gast hatten, freuen sich über die unerwartete Aufwertung der zum 48. Mal stattfindenden Zusammenkunft in den Bündner Bergen. Ein Davoser Hotelier, der einst Bill Clinton zu Gast hatte, warnt dagegen vor dem logistischen Aufwand, der nun auf den Ort zukommt: "Trumps Besuch wird Davos ganz dramatisch berühren", sagte er. Schließlich reist der Präsident mit einer riesigen Entourage an - gut möglich, dass er ein gesamtes Fünf-Sterne-Hotel belege. Von einer Neubeurteilung der Sicherheitsmaßnahmen ganz zu schweigen. Auch inhaltlich dürfte der Besuch von Trump, der für eine protektionistische Wirtschaftspolitik steht, den Charakter des Weltwirtschaftsforums verändern. 2017 fand das Treffen wenige Tage vor Trumps Amtsantritt statt - und damals waren sich die meisten Besucher einig: Der Populist aus Washington, der sich gegen viele internationale Verträge ausgesprochen hatte und weder für Freihandel noch für koordinierten Klimaschutz etwas übrigzuhaben schien, sei ein Problem. Ohnehin schien die neue US-Administration wenig vom Treffen in der Schweiz zu halten. Trumps früherer Chefstratege Steve Bannon hatte Davos als "Hort der feigen globalen Elite" geschmäht. Nun fliegt Trump persönlich ein. Und trotz der möglichen Konflikte freuen sich die Veranstalter. Barack Obama hatte es während acht Jahren Präsidentschaft nie nach Davos geschafft. 2016 flog, ebenfalls mit gewaltigem Sicherheitsaufwand, sein Vize Joe Biden ein. Die Trump-Administration schickte im vergangenen Jahr nur Anthony Scaramucci, der im Sommer für einige Tage Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses wurde. In Davos wurde der Berater des US-Präsidenten trotzdem als "heimlicher Star" gehandelt. Seine Botschaft von damals ähnelt den Worten, mit denen Trump sich auf Twitter in diesen Tagen selbst beschreibt. Der Präsident sei ein "Genie", sagte Scaramucci in Davos. Die Welt könne froh sein, ihn zu haben. Für linke Politiker ist der Trump-Besuch ein Albtraum Viele sehen das anders, auch in der Schweiz. Linke Politiker wie die Juso-Präsidentin Tamara Funiciello protestieren gegen den Besuch. Es sei "eine Katastrophe, dass dieser Typ" anreise, sagte sie. Trump ist in linken Kreisen das Feindbild schlechthin: Er gilt als neoliberal, rassistisch, sexistisch und verlogen. Die Demonstrationen gegen das Weltwirtschaftsforum, die vor einigen Jahren das ganze Land beschäftigt hatten, waren zuletzt kleiner geworden. Mit Trump als Special Guest wird das anders sein. In Zürich und Bern werden große Proteste erwartet. "Niemand sonst hat das Potenzial, in Davos oder anderswo in der Schweiz derart für Gegenveranstaltungen und Proteste zu mobilisieren", teilt die globalisierungskritische Nichtregierungsorganisation "Public Eye" mit. Auch die Boulevardzeitung Blick kann ihre Aufregung nicht für sich behalten. Die "brave Runde", zu der Davos in den vergangenen Jahren geworden sei, werde durch Trump wieder aufgemischt. "'Amerika wieder groß machen' lautete Trumps Versprechen. 2018 macht er Davos wieder groß. Riesig groß."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bedingungsloses-grundeinkommen-grundeinkommen-experiment-auch-in-deutschland-moeglich-1.3339961
mlsum-de-9345
Zwar müsste es die ein oder andere Gesetzesänderung geben - ein pauschales Grundeinkommen-Verbot steht jedoch nicht im Grundgesetz.
Bei dem Experiment in Finnland bekommen nur Erwerbslose ein Grundeinkommen. Interessant wäre auch, was passieren würde, wenn in einer bestimmten Region jeder ein Grundeinkommen bekommen würde, wie beispielsweise hier in Niedersachsen. Wahrscheinlich hat die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik Finnlands zuletzt in den frühen 1990er-Jahren so viel Aufmerksamkeit bekommen. Damals durchlitt das Land eine Wirtschaftskrise. Nun testet man dort ein bedingungsloses Grundeinkommen, und erneut schauen viele genau hin. Was beim Blick gen Norden untergeht: Auch in Deutschland tut sich derzeit einiges, das die Debatte um ein Grundeinkommen in den kommenden Monaten prägen wird. Im Oktober und Dezember vergangenen Jahres haben die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages zwei Untersuchungen veröffentlicht. Für das erste Papier ließ Wolfgang Strengmann-Kuhn, sozialpolitischer Sprecher der Grünen, herausarbeiten, ob ein Modellversuch wie in Finnland auch hier rechtlich möglich wäre. Das zweite Papier hat Linken-Chefin Katja Kipping initiiert, seit Jahren Mitglied im "Basic Income Earth Network". Für das Grundeinkommen müsste das Gesetz geändert werden In beiden Fällen kommen die Wissenschaftler zu interessanten Ergebnissen: Ein Modellversuch im finnischen Stile wäre hierzulande rechtlich möglich. Dazu wäre eventuell ein eigenes Gesetz notwendig. Es müsse sicher sein, dass der Versuch zeitlich und räumlich begrenzt wäre und "die Auswahl innerhalb der Zielgruppe zufällig erfolgen würde", so die Forscher. Auch ein bundesweites Grundeinkommen, das zeigt der zweite Bericht, verbietet das Grundgesetz nicht pauschal. Allerdings kommt es, so die Wissenschaftler in beiden Fällen, auf die konkrete Umsetzung an, und es wären weitgehende Gesetzesreformen notwendig. Beides ist insofern spannend, als es zwar bereits in den 1970er-Jahren Modellversuche in den USA und später in anderen Ländern gab, aber hier bisher nur eine private Berliner Initiative mittlerweile 74 einjährige Grundeinkommen per Crowdfunding finanziert hat. Strengmann-Kuhn hatte das Papier vor allem in Auftrag gegeben, um zu erfahren, ob ein Versuch rechtlich möglich wäre, "denn in Deutschland sind solche Experimente unüblicher als beispielsweise in den USA", sagt er. Ein Versuch hat seiner Ansicht nach den Vorteil, die ewig diskutierte Frage zu beantworten, wie die Menschen sich verhalten, wenn sie ohne Vorbedingungen Geld bekommen. Der Ausgang des finnischen Experiments wird wichtig Trotz der Studien halten sowohl der Grünen-Politiker als auch Kipping andere Bedingungen als in Finnland für sinnvoll: "Spannend wären Experimente, bei denen in einer Region jeder ein Grundeinkommen kriegen würde", sagt Strengmann-Kuhn. In Finnland profitieren nur Erwerbslose vom Versuch. Kipping hält auch die Höhe des dortigen Betrags, 560 Euro, für nicht aussagekräftig: "Die Höhe des Grundeinkommens muss auch wirklich die Existenz und Teilhabe sichern", sagt sie. Obwohl die Papiere bisher wenig Beachtung fanden, ist davon auszugehen, dass das Thema bald wieder stärker in der Politik diskutiert wird. Zum einen wird voraussichtlich im Februar eine europäische Resolution verabschiedet werden, die die Länder dazu auffordert, sich damit zu befassen, wie sie die Sozialsysteme verändern müssen, wenn häufiger Roboter Jobs von Menschen übernehmen. Laut der Resolution sollen die Länder auch ein Grundeinkommen in Erwägung ziehen. Auf nationaler Ebene formiert sich in Deutschland zudem eine Partei, mit dem einzigen Ziel, das Thema Grundeinkommen aufs große Tableau zu bringen - ohne Festlegung auf eine Variante oder einen konkreten Betrag. Wie die Debatte verlaufen wird, hängt dennoch weiter am Blick gen Norden. "Es ist auch für die Diskussion in Deutschland wichtig, wie die Ergebnisse vor allem in Finnland aussehen", glaubt Grünen-Politiker Strengmann-Kuhn.
https://www.sueddeutsche.de/politik/vor-dem-cdu-parteitag-auf-dem-cdu-parteitag-droht-der-grosse-streit-1.2779153
mlsum-de-9346
Der Druck auf die Bundeskanzlerin in der Flüchtlingsfrage steigt: Die Junge Union fordert ein "Signal der Begrenzung", Sachsen-Anhalts Ministerpräsident hat die Obergrenze schon ausgerechnet.
Vor dem CDU-Parteitag wird in der Union die Kritik am Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingskrise lauter. In einer gemeinsamen Erklärung bezeichnen die Junge Union (JU) und die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union (MIT) den von der Parteispitze vorgelegten Leitantrag zur Flüchtlingspolitik als "unzureichend". Sie fordern ein "Signal der Begrenzung". "Auch wir wollen eine europäische Lösung", zitiert die Erklärung den JU-Vorsitzenden Paul Ziemiak, "aber diese kommt seit Monaten nicht und es gibt wenig Anzeichen, dass die europäischen Staaten in absehbarer Zeit die EU-Außengrenzen sichern und die Flüchtlinge innerhalb Europas gerecht verteilen können." Auch der MIT-Vorsitzende Carsten Linnemann fordert eine Strategie für den Fall, dass eine europäische Einigung in der Flüchtlingsfrage nicht zustande kommt. "Wir müssen auch eine Lösung haben, falls Europa weiter versagt." Ziemiak und Linnemann gehören dem Bundesvorstand der CDU an, der am Sonntag über den Leitantrag beraten soll. Dieser sieht in seiner jetzigen Form explizit keine Obergrenze für Flüchtlinge vor. Ziemiak und Linnemann bereiteten deshalb einen gemeinsamen Änderungsantrag vor. "Das Thema ist wichtig für Deutschland und die CDU", so Ziemiak, "deshalb muss man darüber auch offen diskutieren können." Haseloff will die Obergrenze "konkret beziffern" Kritik an dem Leitantrag kommt auch von anderen prominenten Parteimitgliedern. So forderte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff ausdrücklich eine Obergrenze. "Wir haben jetzt sehr lange Zeit abstrakt über diese Grenze nach oben diskutiert, nun sollten wir sie auch konkret beziffern", sagt Haseloff in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Für Sachsen-Anhalt habe er eine solche Grenze bereits gezogen: "Das Ergebnis lautet, dass in Sachsen-Anhalt höchstens 12 000 Flüchtlinge im Jahr aufgenommen und wirklich integriert werden können." Hochgerechnet auf Deutschland ergebe das 400 000 Flüchtlinge im Jahr, sagte Haseloff, "die wir aufnehmen können, ohne dass es zu Parallelgesellschaften, zu höherer Arbeitslosigkeit und zu enttäuschten Erwartungen bei den Flüchtlingen kommt". Er rufe dringend dazu auf, "diese immanente Grenze zu beachten und damit aus den Geschehnissen in Ländern zu lernen, in denen Integration offensichtlich misslungen ist". CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte dem Spiegel, der aktuelle Leitantrag entspreche " leider zu 100 Prozent meinen Erwartungen". Bei den "wirklich wichtigen und in Partei und Gesellschaft umstrittenen Fragen" sei er "sehr vage". Bosbach forderte "strikte Grenzkontrollen, die diesen Namen auch verdienen" sowie eine Klarstellung, "wann das geltende Recht wieder konsequent angewandt werden soll". Günter Krings, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, sagte: "Das Ziel effektiver Grenzkontrollen gehört natürlich in den Parteitagsbeschluss. Ich bin mir sicher, dass man dafür noch einen guten Platz im Antragstext finden wird."
https://www.sueddeutsche.de/digital/online-kommentare-google-will-trolle-mit-kuenstlicher-intelligenz-bekaempfen-1.3391804
mlsum-de-9347
Das Programm "Perspective" soll aus Millionen Nutzerkommentaren gelernt haben, was eine Beleidigung ist. Jetzt wollen mehrere Zeitungen damit ihre Online-Diskussionen besser machen.
"Nicht die Kommentare lesen" ist ein weit verbreiteter Tipp, wenn es um Online-Diskussionen geht. Menschen sollen davor bewahrt werden, ihre Zeit damit zu verschwenden, niveaulose Beleidigungen zu lesen. In den vergangenen Jahren haben sich mehrere Webseiten, darunter auch SZ.de, dazu entschlossen, den Kommentarbereich auf ihren Webseiten abzuschalten. (Hier die Begründung.) Wenn es nach Jigsaw geht, einem Google-Thinktank, könnte dieser gut gemeinte Tipp bald überflüssig sein. Jigsaw hat an diesem Donnerstag ein Produkt mit dem Namen Perspective veröffentlicht. Künstliche Intelligenz wird dazu eingesetzt, beleidigende Kommentare schneller zu erkennen - und auszuschließen. Das erklärte Ziel ist es, die Aggression aus Online-Diskussionen zu nehmen. "Hochwertige Gespräche ermöglichen" "Mit Perspective bekommen Verlage ein Werkzeug in die Hand, um hochwertige Gespräche zu ermöglichen", sagt Jared Cohen, der Jigsaw leitet. Zu Beginn werden Webseiten wie die britische Zeitung The Guardian und das britische Magazin Economist die Google-Technik einsetzen. Die New York Times testet das Produkt bereits seit Monaten. Jigsaw setzt auf künstliche Intelligenz (KI), um Algorithmen zu trainieren. Das bedeutet, dass das Programm aus einer Sammlung von Kommentaren samt ihrer jeweiligen Bewertung selbständig Regeln entwickelt, um zukünftige Kommentare bewerten zu können. Der Algorithmus soll also vorhersagen können, wie ein Nutzer oder Moderator auf einen Kommentar reagieren wird. Und damit auch einschätzen, welche Kommentare als akzeptabel gelten und welche nicht. Solche KI-Modelle brauchen ein riesiges Set an Daten. Jigsaw bekam von der Zeitung New York Times 17 Millionen Kommentare samt der Informationen, welche durch Moderatoren als "unangebracht" abgelehnt wurden. Dazu stellte die Wikimedia Foundation Teile aus 130 000 Diskussionen zu Wikipedia-Einträgen zur Verfügung. Jeweils zehn Personen wurden befragt, ob sie diesen Kommentar beanstanden würden. Zu Beginn wird es Perspective nur in englischer Sprache geben. Sobald Google genug Datensätze hat, um die Algorithmen auch auf Deutsch zu trainieren, könnte es auch in Deutschland zur Verfügung stehen. "Giftgehalt" auf einer Skala von null bis 100 Aus diesen Daten ermittelt Perspective auf einer Skala von null bis 100 den "Giftgehalt". Dieser Wert könnte als erster Schritt von Verlagen eingesetzt werden, um Kommentare auszusortieren. Diese Zahl soll etwa der Wahrscheinlichkeit entsprechen, mit der man nach dem jeweiligen Kommentar in der echten Welt ein Gespräch beenden würde. In der offiziellen Pressemitteilung von Google wird ein alternativer Einsatz von Perspective beschrieben. "I think you're stupid" tippt dort eine Person. Ich glaube, du bist dumm. Kaum ist der Satz beendet, sieht der Kommentarschreiber eine Warnung: "Deckt sich zu 94 Prozent mit Kommentaren, die Nutzer als 'giftig' beschrieben haben." Das soll Nutzer dazu bringen, ihren möglicherweise beleidigend formulierten Beitrag neu zu verfassen. Es ist umstritten, ob man künstliche Intelligenz dazu einzusetzen sollte, um menschliche Meinungensäußerungen auf einer Skala zu bewerten. Jigsaw-Chef Cohen verweist auf Studien (hier als PDF), nach denen mindestens ein Drittel aller Internetnutzer selbst auf Kommentare verzichten, weil sie Angst davor haben, anschließend angefeindet zu werden. Soziale Netzwerke verlassen sich bislang vor allem auf hoffnungslos überforderte Löschteams. Auch beim Guardian verspricht man sich davon Entlastung: "Wir hoffen, dass uns Algorithmen dabei helfen, unsere Community-Richtlinien effektiv umzusetzen." Jigsaw konzentriert sich auf gefährdete Nutzer In einem Selbsttest kam Andy Greenberg, Journalist bei Wired, zu einem vielversprechenden Ergebnis: Die Software sei in der Lage, "erstaunlich subtile" Unterschiede in der Sprache zu erkennen. Doch wiederholt passierte es, dass Jigsaw Fehlentscheidungen treffe. Das englische Äquivalent zu "Kein Scheiß" war Perspective zufolge ähnlich giftig wie "Du bist scheiße". Das System ist nicht perfekt, sagt auch Jigsaw-Chef Cohen. Verbesserungen würden im laufenden Betrieb eingearbeitet. Jigsaw ist eine Google-Tochter, die sich vor allem auf gefährdete Nutzer konzentriert. So werden potenziellen IS-Sympathisanten, die anhand ihrer Suchbegriffe identifiziert werden, neben den eigentlichen Treffern Links zu Anti-IS-Kampagnen angezeigt. Werbung gegen Terrorismus, sozusagen. Auch Password-Alert, bei dem Nutzer vor Phishing-Versuchen gewarnt werden, ist ein Jigsaw-Produkt.
https://www.sueddeutsche.de/digital/funksignal-an-herzschrittmacher-hack-ins-herz-1.297308
mlsum-de-9348
Mit dem Computer hackten US-Forscher Herzschrittmacher. Es gelang ihnen sogar, die Geräte anzuweisen, Elektroschocks abzugeben. Droht hier Gefahr für Patienten?
Der Redner bricht mitten im Satz ab, zuckt wie von einem Schlag auf die Brust getroffen zusammen und fällt schließlich bewusstlos zu Boden, während hinten im Saal eine unauffällig gekleidete Person den Deckel ihres Laptops schließt und im allgemeinen Tumult unbemerkt durch eine Tür nach draußen schlüpft. Detailansicht öffnen Ein Herzschrittmacher könnte per Funk angreifbar sein und Elektroschocks aussenden. (Foto: Foto: iStock) Später stellt sich heraus: Der Mann am Rednerpult trug einen implantierten Herzschrittmacher, der plötzlich verrückt spielte, weil er ein merkwürdiges Funksignal empfing. Ist dieses Szenario, das man sich gut als Eröffnungssequenz eines James-Bond-Films vorstellen könnte, neuerdings realistisch? Eine Studie, die neun Wissenschaftler dreier amerikanischer Universitäten jetzt veröffentlicht haben, scheint das auf den ersten Blick nahezulegen. Detailliert beschreibt das Team aus Informatikern, Elektrotechnikern und einem Kardiologen, wie es ihnen gelang, aus einem Gerät, wie es Millionen Patienten weltweit unter der Haut tragen, nicht nur Informationen auszulesen, sondern es auch per Funkbefehl dazu anzuregen, Elektroschocks abzugeben. Patienten, die einen implantierten Herzschrittmacher oder Defibrillator (ICD) tragen, in Deutschland sind das etwa 500.000, können aber beruhigt sein. Die Gefahr ist nur eine sehr theoretische. So wollen die Autoren ihre Arbeit auch verstanden wissen. Ihnen geht es vor allem darum, wie sie deutlich betonen, auf potentielle Gefahren aufmerksam zu machen. "Wenn ich einen Defibrillator bräuchte", sagt der an der Studie beteiligte Herzspezialist William Maisel, "würde auch ich einen mit Funktechnologie nehmen." Herzschrittmacher und Defibrillator in einem Die Geräte, um die es geht, sind etwa so groß wie eine Streichholzschachtel. Sie vereinen zwei Funktionen in sich: die des Herzschrittmachers und eines Defibrillators. Sie werden im Brustbereich unterhalb des Schlüsselbeins unter der Haut eingesetzt. Eine, bei manchen Geräten auch zwei Elektroden an dünnen Kabeln führen direkt ins Herz und fühlen anhand der elektrischen Signale des Herzmuskels, mit welcher Frequenz das Organ schlägt. Sie senden ihrerseits kleine Stromimpulse, um das Herz dazu zu veranlassen, sich regelmäßig und mit der richtigen Frequenz zusammenzuziehen. Schlägt das Herz zu langsam oder kommt es zum gefürchteten Flimmern, versuchen die Schrittmacher zunächst, das Herz mit kleinen Stromimpulsen wieder in den normalen Rhythmus zurückzubringen. Wenn das nicht funktioniert, wird mit dem eingebauten Defibrillator ein energiereicher Stromstoß erzeugt, der dafür sorgt, dass der Herzmuskel wieder in seinen normalen Takt kommt. Ist der ICD einmal eingesetzt, kann er er dort einige Jahre bleiben, bis die fest integrierte Batterie leer ist und das Gerät ausgetauscht werden muss. Die Elektroden können dabei oft weiterverwendet werden. Das Gerät überwacht aber nicht nur den Herzmuskel, es speichert auch Informationen. Mit einer eigens dafür vorgesehen Programmiereinheit kann der Arzt diese Informationen auslesen und das Gerät gegebenenfalls auf neue Werte einstellen. Das geschieht per Funk. Auf der nächsten Seite: Wie das Bewusstsein für digitale Gefahren geschärft werden soll.
https://www.sueddeutsche.de/geld/stuttgart-rein-in-die-stadt-1.2588335
mlsum-de-9349
Immer mehr Menschen drängen in die Großstadt. Seit 2005 sind 30 000 Bürger zugezogen, vor allem Familien und Studenten - ein Problem für die Gemeinden.
Was für ein Bild der Tristesse: "In und um Stuttgart mehren sich die Anzeichen für eine ernste Krise. Die Arbeitslosigkeit steigt stetig. Noch nie waren so viele Menschen von Kurzarbeit betroffen wie jetzt. Der Maschinenbau, die Elektrotechnik und vor allem der Automobilbau, die drei Stützen der Region am mittleren Neckar, gehen in die Knie. Stuttgart und die benachbarten Landkreise, das starke Zentrum des einstigen Musterländles Baden-Württemberg, drohen zum Sorgenkind zu werden. Zusätzliche Probleme verschärfen die Lage: Die Wohnungsnot weitet sich aus, nicht zuletzt, weil baureife Neubauflächen fehlen. Die Ansiedlung von Gewerbe stößt auf immer neue Hindernisse . . . Der Verkehr nimmt überhand, der öffentliche Nahverkehr lässt zu wünschen übrig." Von Arbeitslosigkeit ist heute in Stuttgart und seinen angrenzenden 178 Städten und Gemeinden natürlich längst nicht mehr die Rede. Ganz im Gegenteil. Aber der mahnende Leitartikel der Stuttgarter Zeitung vom Januar 1993 liest sich zu den Themen Wohnungsnot, mangelnde Gewerbeflächen und nach wie vor eher unzureichende öffentliche Nahverkehrs-Infrastruktur auch 22 Jahre später noch aktuell. Der Autor des Kommentars mahnte damals "eine regionale Planung und eine regionale Wirtschaftsförderung, regional abgestimmte Baugebiete und -flächen für Arbeitsplätze und Wohnungen, Straßenbau und Nahverkehr" an. Die Region brauche "Politiker, die regionale Verantwortung tragen, die an das Ganze denken und nicht nur an den eigenen Kirchturm." Es war damals ein langes, leidenschaftliches politisches Gezerre, bis 1994 endlich der "Verband Region Stuttgart" (VRS) gegründet war, bestehend aus der Stadt Stuttgart und den Landkreisen Esslingen, Böblingen, Ludwigsburg, Rems-Murr und Göppingen. Ein Regionalverband mit eigenem Parlament, das knapp 2,7 Millionen Einwohner, 179 Städte und Gemeinden auf 3654 Quadratkilometern umfasst, und heute gut 110 Milliarden Euro an Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftet. "Die Kannibalisierung der Einzelhandelsstandorte gewinnt an Schärfe." Angesichts eines solchen politischen Verbands-Gremiums als Körperschaft des Öffentlichen Rechts mit 80 gewählten Vertretern verschiedener politischer Couleur sind Konflikte und Reibereien geradezu programmiert. Der eng verflochtene Großraum um Stuttgart zählt zu einem der am dichtesten besiedelten und verkehrsreichsten der Republik, was die Probleme bei Wohnungsbau, Wirtschaftsförderung, Landschaftsschutz und Verkehrsplanung nicht einfacher macht. Oder, wie der Oberbürgermeister Esslingens, Jürgen Zieger (SPD), sagt: "Solange wir in diesem Ballungsraum ein Konglomerat von 179 einzelnen Kommunen haben, wird die Bereitschaft zur Zusammenarbeit begrenzt sein. Da ist zwangsläufig jeder zunächst mal sich selbst der Nächste." Im Grunde funktioniert der Regionalverband ein bisschen wie eine Mini-EU: Der eigene Kirchturm ist allemal näher als das große Ganze. Und die - eigentlich folgerichtige - Vision von einer einzigen, großen "Regionalstadt" Stuttgart-Umland ist nach wie vor so fern wie die einer EU als politische und wirtschaftliche Einheit mit zentralen Kompetenzen. Zwar ergab eine Bürgerumfrage von 2013, dass immerhin 96 Prozent der Regionsbewohner zufrieden sind mit ihrer Lebensqualität. Aber die Wohnungssituation lässt dann doch für immer mehr Menschen zu wünschen übrig - wie in allen Ballungsgebieten Deutschlands. Axel Fricke ist schon seit 25 Jahren im Stadtplanungsamt der Stadt Stuttgart tätig, Abteilung Strategie und Wohnen. "Seit zehn Jahren arbeiten wir an der Neuerfindung der Wohnbaupolitik", sagt er. "Bis dahin sind wir von falschen Voraussetzungen ausgegangen." Bis 2005 nämlich war es für die Landeshauptstadt und die Umlandgemeinden ausgemachte Sache, dass Stuttgart mit damals noch 585 000 Einwohnern bis 2015 weitere 30 000 ins Umland "auf die grüne Wiese" verlieren würde. Aber genau das Gegenteil ist eingetreten. Es sind seither 30 000 Menschen in die Stadt gezogen. Nicht nur Ältere, die städtisches Leben mit bequemer Infrastruktur schätzen, sondern vor allem Junge - Familien und Studierende. Letztere haben bereits dafür gesorgt, dass der Stuttgarter Westen, ein beliebtes Quartier, fast schon flächendeckend zur Wohngemeinschaftslandschaft mutierte. Schon deswegen, so Fricke, "kommen wir mit dem Ausbaus von Kita-Plätzen schon lange nicht mehr hinterher." In die Röhre schauen dafür die Umlandgemeinden wie zum Beispiel Filderstadt nahe dem Flughafen und 20 Kilometer vom Stuttgarter Stadtkern entfernt. Früher eine erste Ausweichoption für gut situierte Stadtbewohner mit Hang ins Grüne, kommt die Umlandgemeinde in einer neuesten Stadtentwicklungsstudie zur Erkenntnis, dass die gewohnte Wanderungsbewegung die längste Zeit ein Selbstläufer gewesen ist: "Für Filderstadt bedeutet dies, dass wir die urbane Attraktivität für jüngere Leitmilieus steigern müssen, um der Abwanderungssogwirkung nach Stuttgart entgegenwirken zu können." Mit anderen Worten: Hier wird konkurriert statt kooperiert. Erschwerend kommt Stuttgarts Talkessellage hinzu, wo es schlichtweg keine zusätzlichen Freiflächen zu bebauen gibt. 40 Prozent des Stadtgebiets sind Grünflächen - Parks und Weinberge zum Beispiel - , die aber schon aus klimatischen Gründen nicht bebaut werden dürfen und sollen. Also, so Fricke, "bleibt uns nicht viel mehr als nachzuverdichten." Verdichten, das stadtentwicklerische Zauberwort für alle Metropolen mit sehr begrenzten Bebauungsflächen: Schließen von Baulücken, Abriss alter Häuser und dafür der Neubau, Dachausbauten, Hinterhofbebauung. Bis zu 2500 neue Wohnungen sollen so in der Landeshauptstadt jährlich neu geschaffen werden. Von Gewerbegebieten und Einkaufszentren erst gar nicht zu reden. Auch da sind Eifersüchteleien zwischen Stuttgart und den Umlandgemeinden an der Tagesordnung, wird um Zuständigkeiten und Geld gerungen. So meint Stuttgarts grüner Oberbürgermeister Fritz Kuhn: "Bei der Frage, wo man noch große Einzelhandelszentren braucht, wünsche ich mir mehr Zusammenarbeit mit der Region. Aber das ist sauschwierig, weil es da auch um Einnahmen für die Kommunen geht." Wie "sauschwierig" das ist, bestätigt Esslingens OB Jürgen Zieger: "Die Kannibalisierung der Einzelhandelsstandorte in der Stadt Stuttgart und der Region gewinnt an Schärfe. Und das ist nicht gerade ein Grundmuster für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit." Der Regionsgrande spielt dabei auf die zwei kürzlich in Stuttgarts Innenstadt neu eröffneten Super-Shopping-Malls "Milaneo" und "Gerber" an, die - natürlich, was sonst? - den Händlern im Umland das Wasser abgraben.
https://www.sueddeutsche.de/digital/drohnen-weltmeisterschaft-eine-pusteblume-rettet-menschenleben-1.2341445
mlsum-de-9350
Deutschland schafft es bei der Drohnen-Weltmeisterschaft in Dubai ins Finale. Es gewinnt ein Roboter aus der Schweiz: Er sieht aus wie eine Pusteblume und soll Katastrophengebiete erkunden.
Roboter mögen keine Hindernisse. Ein Schutthaufen, ein Tunnel, ein Abgrund, damit endet oft der Rettungseinsatz eines computergesteuerten Assistenten. Aber es gibt Ausnahmen: Gimball etwa hilft ein Hindernis bei der Orientierung. Und deshalb hat der Roboter nun die erste Weltmeisterschaft für zivile Drohnen in Dubai gewonnen. Gimball wurde von einem Schweizer Start-up in Kooperation mit der Technischen Universität in Lausanne entwickelt. Das Ding sieht aus wie die Blüte einer Pusteblume - allerdings mit einem Durchmesser von 37 Zentimetern. Die Stäbe des schwebenden Käfigs, der die darin steckende Technik beim Aufprall schützt, sind aus Carbon, deshalb wiegt Gimball nicht einmal ein halbes Kilo; zugleich lernt er aus seinen Zusammenstößen. Noch aber ist der Prototyp nicht schneller als ein Fußgänger, und: Sein Akku hält noch nicht sonderlich lange. Für große Gebiete taugt Gimball also noch nicht so recht. Die Mission der Drohne aber ist umso größer. Gimball soll Lecks von defekten Gasleitungen ebenso verorten wie verunglückte Menschen nach Bränden oder Erdbeben. Die Idee, Roboter in Katastrophengebiete zu schicken, ist nicht neu. Neu ist, diese Roboter so auszurüsten, dass sie in dem unwegsamen Gelände nicht die Orientierung verlieren oder kaputtgehen. In Fukushima, erzählt Patrick Thévoz, einer der Gründer des Start-ups, seien ebenfalls Roboter eingesetzt worden. Aber sie seien nicht bis an die zentralen Stellen des verunglückten Atomreaktors gekommen, weil zu viel Schutt im Weg lag. "Gimball ist der erste Roboter, der bis ins Herz eines Desasters vordringt", sagt Thévoz. Mehr zum Thema Das englischsprachige Bewerbungsvideo für den Roboter Gimball. Allein aus Spanien kamen mehr Konzepte als aus den USA Bei der Drohnen-WM in Dubai haben sich die Schweizer am Wochenende gegen insgesamt 800 Bewerber durchgesetzt: Ins Finale hatte es auch ein deutsches Team mit einer Drohne zur Düngung und Bewässerung von Feldern geschafft, und ein spanisches Team, das Organspenden in Notfällen per Drohne zustellen will. Zum schönen Titel gibt es für Gimball nun auch ein Preisgeld von einer Million Dollar, das die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate aus dem Staatshaushalt spendiert. Sie hat das Spektakel ausgerichtet - als eine Art Spielwiese für Entwickler, um Ideen für einen friedlichen Einsatz von Drohnen auszutauschen. Die vermeintlich so technologieskeptischen Europäer, erzählt Cheforganisator Saif Al Aleeli, haben sich dabei übrigens als so einfallsreich wie keine andere Region erwiesen: Allein aus Spanien kamen mehr Konzepte als aus den USA. Die Entwickler von Gimball haben sich übrigens von der Natur inspirieren lassen. Irgendwann fragten sie sich, warum viele Tiere so problemlos durch Gebäude manövrieren können, obwohl sie meist sehr viel schlechtere Augen haben als Menschen. Die einfache Antwort: Für ein Insekt ist es keine große Sache, mal gegen ein Fenster zu fliegen - für einen Roboter schon. Im April will das Schweizer Start-up die ersten seiner gut gepolsterten Drohnen an Kunden ausliefern.
https://www.sueddeutsche.de/politik/berlin-rausch-unter-aufsicht-1.2539745
mlsum-de-9351
Wenn es nach Kreuzbergs Bürgermeisterin Monika Herrmann geht, soll der Konsum von Cannabis künftig in Shops möglich sein - unter Kontrolle.
Angefangen hat das Vorhaben keineswegs mit einer Leidenschaft für Marihuana. Die gibt es offenbar weder bei Kreuzbergs Bürgermeisterin Monika Herrmann noch beim für ihr Projekt "Cannabisfachgeschäfte" zuständigen Koordinator Horst-Dietrich Elvers. "Hier sitzen zwei, die ohne Kifferei leben, von Anfang bis jetzt", sagt die Grüne. "Es geht nicht um Happy-Kifferland", die Freigabe von Drogen sei nicht ihr Ziel. "Wir wollen die Kontrolle zurückerlangen. Dieser Staat hat über den Verkauf von Drogen keine Kontrolle mehr. Jeder kann sie kaufen." Kreuzberg hat massive Probleme mit illegalem Drogenhandel, den die Polizei kaum in den Griff bekommt. Herrmann hat jetzt einen Antrag an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte abgeschickt. Sie bittet um die Genehmigung, im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg vier Verkaufsstellen für Cannabis einzurichten. Dort sollen alle im Bezirk gemeldeten Erwachsenen Cannabis kaufen können, zehn Gramm je Einkauf, bis zu 60 Gramm im Monat. Sie müssten sich bei einer unabhängigen Stelle registrieren lassen und würden dann mit einer Art ID-Karte bei den staatlich lizenzierten Betreibern einkaufen können. Das Cannabis soll in Berlin oder Brandenburg angebaut werden, auch das unter strenger Kontrolle. Denn es gehe um Gesundheits- und Jugendschutz und die Bekämpfung von Kriminalität. Wie aber Jugendliche vom Einkauf auf dem Schwarzmarkt abgehalten werden sollen, bleibt offen. Herrmann sieht Kreuzberg als bundesweiten Vorreiter. "Letztendlich machen wir die Arbeit des Bundesgesetzgebers", sagt sie. "Ich glaube, dass wir ein kleines Stück Geschichte schreiben." Andere Kommunen interessierten sich schon für ihr Konzept, das etwa der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) kategorisch ablehnt. Binnen drei Monaten erwartet Herrmann eine Entscheidung des Bundesinstituts.
https://www.sueddeutsche.de/sport/dfb-team-der-luxus-wird-fuer-loew-zum-risiko-1.3651496
mlsum-de-9352
Noch nie hatte der Bundestrainer eine so große Auswahl an Spielern und Systemen wie zurzeit. Doch vor dem Qualifikationsspiel gegen Norwegen könnte ihn das zu riskanten Entscheidungen verführen.
Könnte Havard Nordtveit auch für Deutschland verteidigen? Wäre Stürmer Joshua King gut genug, nicht nur für den AFC Bournemouth regelmäßig Tore zu schießen, sondern auch für die deutsche Nationalmannschaft? Und Sander Berge, 19, das Top-Talent? Käme er, wäre er Deutscher, auch schon in die Nähe der obersten Mannschaft des Landes? Es gibt tatsächlich Fragen, die noch nie ein Mensch gestellt hat, insofern war es vermutlich höchste Zeit, dass diese Frage nun endlich in der Welt war. Ob es einen Spieler der norwegischen Nationalelf gebe, den er gerne in seiner eigenen Mannschaft hätte? Das wollte ein norwegischer Reporter am Sonntag von Joachim Löw wissen. Es war ein netter Versuch. Denn das hätte dem Boulevard, entsprechend hingedreht, ja schon ein paar saubere Schlagzeilen liefern können: Hoppla, was läuft da mit Nordtveit? Oder: Löw: Lieber King als Gomez! Oder so. Womit der Reporter nicht rechnen konnte: dass Löw ein höflicher Mensch ist. Und dass ihm der Gegner manchmal einigermaßen wurscht ist, auf höfliche Weise selbstverständlich. "Wir wissen natürlich, wie sie grundsätzlich spielen, aber bei allem Respekt interessiert mich Norwegen nur bedingt", sagte Löw vor dem Qualifikationsspiel in Stuttgart. Und ob er einen norwegischen Spieler haben wolle? Darüber müsse er sich keine Gedanken machen, "ich bin mit meiner Mannschaft zufrieden". Löw hat ein Luxusproblem Das wäre ja auch noch schöner: Wenn dieser Bundestrainer, der ohnehin schon aus 38 oder 43 hochkarätigen Kräften auswählen muss, sich diese Auswahl jetzt noch ohne Not erschweren würde. Der Kollege könne zurzeit "drei Mannschaften auf demselben Niveau stellen", hat Norwegens Nationaltrainer Lars Lagerbäck gerade gesagt, und natürlich klang im Untertitel mit: Wie gerne hätte ich wenigstens eine! Aber allen Nationaltrainern der Welt sei zum Trost gesagt: Ja, es ist einerseits schon ein sehr cooler Lebensentwurf, im Moment Joachim Löw zu sein. Andererseits: Wird zu viel Luxus nicht irgendwann ungesund? Zwei Tage, bevor Löw bei der Pressekonferenz in Stuttgart auf norwegische Reporterfragen antwortete, hatte seine Elf 2:1 in Prag gewonnen, dabei aber "ein Qualifikationsspiel der schlechteren Sorte" abgeliefert, wie Abwehrspieler Mats Hummels anmerkte. Hummels fiel das Übelnehmen leicht, er hatte diesem nicht standesgemäßen Spiel mit seinem Kopfballtor kurz vor Schluss wenigstens ein standesgemäßes Ergebnis beschert. Aber nach einem tadellosen Start samt frühem Treffer von Timo Werner (4.) war Löws Luxusproblem überraschend schnell sichtbar geworden. Dem Bundestrainer geht es neuerdings wie einem viel zu reichen Menschen, der unzählige Spitzenfahrzeuge in der Garage hat und sich nur schwer entscheiden kann: Welches nehm' ich denn heute? Es kann dann schon mal vorkommen, dass man ein besonders ausgefallenes Cabrio wählt, wobei es dann nach vier tadellosen Fahrminuten scheußlich zu schiffen anfängt.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-ex-fifa-praesident-havelange-ist-tot-1.3123341
mlsum-de-9353
Er starb im Alter von 100 Jahren in einem Krankenhaus in Rio. Havelange war der Mann, unter dem das korrupte System der Fifa entstand.
Der langjährige Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa, João Havelange, ist übereinstimmenden Medienberichten zufolge in Brasilien am Dienstag im Alter von 100 Jahren gestorben. Er verstarb im Krankenhaus Samaritano im Stadtteil Botafogo von Rio de Janeiro. Dort lag er seit Juli aufgrund einer Lungenentzündung. Havelange war von 1974 bis 1998 Chef der Fifa. Mit Havelange starb einer der umstrittensten Sportführer der Welt. Sein Lebenswerk hat in den vergangenen Jahre tiefe Risse bekommen. Im Juni 2012 veröffentlichte Dokumente bestätigten, was viele geahnt und Eingeweihte in der Fifa-Spitze gewusst und lange vertuscht hatten: Beim Aufbau des spröden Verbandes zum florierenden Milliarden-Unternehmen hatte er kräftig mitkassiert - bei vielen lukrativen Verträgen wie der Vergabe von Übertragungsrechten an die 2001 pleitegegangene Vermarktungsagentur ISL. 1,5 Millionen Schweizer Franken Schmiergeld Wegen Schmiergeld-Zahlungen hatte als erstes das IOC gegen den Ex-Präsidenten des brasilianischen Olympia- und Fußballverbandes (1956-1974) ermittelt. Im Dezember 2011 trat Havelange, als Schwimmer 1936 und Wasserballer 1952 selbst Olympiastarter, nach 48 Jahren als IOC-Mitglied "aus gesundheitlichen Gründen" zurück und kam damit seinem Rauswurf zuvor. Am 18. April 2013 legte der Anwalt und Unternehmer dann seinen Titel als Fifa-Ehrenpräsident ab. Dabei hatte Havelange, Sohn eines belgischen Waffenhändlers, den Weltverband entstaubt, modernisiert, für viele neue Länder geöffnet, aber auch zu seinem persönlichen Werkzeug gemacht. "Was ich bei der Fifa geschafft habe, war, die ganze Welt in sie hineinzubringen", sagte der stets aristokratisch auftretende Patriarch. Mit den ersten Aufträgen an die Vermarktungsfirma ISL wurden die Türen für Korruption und Bestechung weit aufgestoßen. Schmiergeld floss, darunter dokumentierte 1,5 Millionen Schweizer Franken an Havelange.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-werner-schiesst-erst-an-die-latte-dann-das-siegtor-1.3735534
mlsum-de-9354
Leipzig dreht die Partie gegen Hannover. Schalke hat Glück gegen Freiburg. Der HSV gewinnt gegen zehn Stuttgarter - auch der 17-jährige Arp trifft.
Im Verfolgerduell der Fußball-Bundesliga hatte Vizemeister RB Leipzig einige Mühe, gewann aber trotz eines Rückstandes und behauptete seine Position im Vorderfeld der Tabelle: Im Heimspiel gegen Aufsteiger und Überraschungsteam Hannover 96 kamen die Sachsen zu einem 2:1 (0:0). Jonathas (56.) brachte die Niedersachsen in Führung, Yussuf Poulsen (70.) und Timo Werner (85.) trafen für den Champions-League-Starter, der zuletzt drei Pflichtspielniederlagen in Folge erlitten hatte. Arp trifft erneut Der Hamburger SV stoppte seine Talfahrt durch ein 3:1 (1:0) gegen Aufsteiger VfB Stuttgart. Mittelfeldspieler Aaron Hunt (20.) war für das 1:0 der Gastgeber verantwortlich. Er profitierte allerdings von einem groben Fehler des VfB-Keepers Ron-Robert Zieler. Die Schwaben hatten in der 13. Minute Dzenis Burnic per Gelb-Roter Karte wegen wiederholten Foulspiels (12.) verloren. In der 55. Minute glich Stuttgart per Handelfmeter durch Daniel Ginczek nach Videobeweis in Unterzahl aus. Filip Kostic (65.) und der 17-jährige Jann-Fiete Arp (69.) mit seinem zweiten Bundesligator sicherten dem HSV die drei Punkte. Borussia Mönchengladbach musste zu Hause gegen den FSV Mainz 05 einen Rückschlag verkraften. Die Fohlen kamen über ein 1:1 (0:1) nicht hinaus. Abdou Diallo (19.) brachte zunächst die Mainzer in Führung. Levin Öztunali (39.) schien sogar auf 2:0 für die Rheinhessen erhöht zu haben, doch Schiedsrichter Sven Jablonski nahm seine Entscheidung nach Videobeweis wieder zurück und entschied auf Foulspiel an Gladbachs Matthias Ginter. Jannik Vestergaard (67.) gelang per Kopf der Ausgleichstreffer. Augsburg gleicht zwei Minuten später aus Bayer Leverkusen musste sich beim 1:1 (0:0) beim FC Augsburg mit einer Punkteteilung zufriedengeben. Die Leverkusener gingen durch Kevin Volland (47.) in Führung, doch nur zwei Minuten später glichen die bayerischen Schwaben durch Kevin Danso aus. Schalke 04 holte dagegen durch das 1:0 (0:0) beim SC Freiburg drei Zähler. Daniel Caligiuri (62.) schoss Schalke mit einem abgefälschten Schuss zum Sieg.
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-juncker-weist-seehofer-zurecht-1.2710660
mlsum-de-9355
Der Kommissionschef verbittet sich Kritik an der EU-Flüchtlingspolitik. Er arbeite Tag und Nacht an einer Lösung. "Feierliche Appelle aus Bayern" brauche er nicht.
Keine Appelle aus Bayern, bitte: Hier spricht Juncker auf dem Kongress der Europäischen Volkspartei vergangene Woche in Madrid. Auch dort ging es - um Flüchtlinge. Juncker kritisiert Seehofer Er sprach mit ruhiger Stimme zu den Abgeordneten des Europäischen Parlaments in Straßburg. Die Botschaft von Kommissionspräsident Juncker aber war unmissverständlich. Es könne nicht angehen, dass seiner Behörde unterstellt werde, in der Flüchtlingskrise nicht genug zu unernehmen. "Es braucht keine feierlichen Appelle, aus Bayern oder von sonst wo", sagte Juncker. Und, jedes Wort betonend: "Die Kommission verdient keine Kritik in dem Zusammenhang." Adressat der Äußerung des Kommissionschefs war vor allem einer, der gar nicht im Parlament saß. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer fällt seit Wochen mit harscher Rhetorik in der Flüchtlingsfrage auf. Mal kritisiert er die Bundeskanzlerin, mal Nachbarländer wie Frankreich oder Österreich, mal die Politik der Europäischen Union. In Bayern kommen derzeit besonders viele Flüchtlinge an. Menschenrechte in der Türkei seien zweitrangig Aber das ließ Juncker nicht gelten, schließlich sei auch die EU-Kommission derzeit stark belastet: "Ich tue sonst nichts. Wenn andere so aktiv wären bei der der Bekämpfung der Flüchtlingskrise, wie die Kommission dies in täglichem und nächtlichem Einsatz ist, dann wären wir sehr viel weiter." Bei der Debatte im Europäischen Parlament in Straßburg sprach Juncker sich außerdem dafür aus, mit der Türkei zu einer schnellen Einigung bei der Lösung der Flüchtlingskrise zu kommen. Kritik an der Menschenrechtslage in der Türkei sei berechtigt, aber derzeit zweitrangig. "Das bringt im Moment nichts", so Juncker. "Ob es passt oder nicht passt, ob es gefällt oder nicht gefällt, wir müssen mit der Türkei in gemeinsamer Anstrengung zusammenarbeiten." Die Türkei sei bereit, viele Flüchtlinge im Land menschenwürdig unterzubringen, im Gegenzug müsse man der Regierung Erdoğan drei Milliarden Euro bereitstellen. Jeder Tag zählt Vor kurzem hatten sich die Europäische Union und die Türkei grundsätzlich auf die Umsetzung eines Aktionsplans zur Bekämpfung der Flüchtlingskrise geeinigt. Ihn zügig umzusetzen, dieser Forderung verlieh Juncker mit seinem Auftritt Nachdruck. Die EU-Mitgliedsstaaten rief Juncker auf, sich besser untereinander abzustimmen und bestehende Vereinbarungen umzusetzen. Defizite gebe es etwa bei der Registrierung der Flüchtlinge und bei ihrer Umverteilung auf die verschiedenen Mitgliedsstaaten. Wenn die Zusammenarbeit nicht besser werde, so Juncker, drohe eine humanitäre Katastrophe. "In der vergangenen Woche haben Flüchtlinge an frierenden Flüssen und im Schlamm geschlafen. Bald wird es Eis und Schnee sein. Jeder Tag zählt."
https://www.sueddeutsche.de/panorama/germanwings-absturz-bundestag-beschliesst-strengere-kontrollen-fuer-piloten-1.2949044
mlsum-de-9356
Die Entscheidung ist eine Reaktion auf den Germanwings-Absturz. Währenddessen haben in den USA die Familien der Opfer Klage gegen die Flugschule eingereicht, an der Andreas Lubitz ausgebildet wurde.
Für Piloten soll es künftig strengere Drogen- und Alkoholkontrollen geben. Nach dem neuen Gesetz sollen Fluggesellschaften untersuchen, ob ein Pilot bei Dienstantritt unter dem Einfluss von "Medikamenten, Alkohol oder anderen psychoaktiven Substanzen" steht, wenn ein entsprechender Verdacht besteht. Daneben sind Zufallskontrollen geplant. Das beschloss der Bundestag am Donnerstag als Reaktion auf den Absturz einer Germanwings-Maschine im März 2015. Ermittlungen zufolge ließ der Copilot Andreas Lubitz die Maschine in den französischen Alpen absichtlich abstürzen. Alle 150 Menschen an Bord starben. Hinterbliebene verklagen Lufthansa-Flugschule Etwa 80 Familien der Opfer haben am Mittwoch in den USA eine Sammelklage gegen eine Lufthansa-Flugschule in Arizona eingereicht. Sie wollen die Flugschule haftbar machen, an der der Copilot Andreas Lubitz ausgebildet wurde. Germanwings gehört zur Lufthansa-Gruppe Die Angehörigen werden von der US-Anwaltskanzlei Kreindler & Kreindler vertreten. Es geht um Schadensersatz in Millionenhöhe. Lubitz hatte offenbar unter Depressionen gelitten und deswegen auch Ärzte aufgesucht. Der 27-Jährige hätte deshalb nicht zu der Lufthansa-Flugschule zugelassen werden dürfen, wird in der Sammelklage argumentiert. Die Flugschule sei nachlässig und leichtsinnig gewesen, sagte Rechtsanwalt Brian Alexander von Kreindler & Kreindler. Sie habe ihre selbstgesetzten Standards nicht erfüllt. Klare Warnhinweise seien übersehen worden. "Ein ordentliches Screening hätte seine Krankheitsgeschichte mit schweren Depressionen offengelegt", heißt es in der Klage. Lubitz sei eine Zeitbombe gewesen. Hintergrund der Klage ist das Zerwürfnis, das die Frage der Entschädigungszahlungen zwischen der Lufthansa und vielen Angehörigen verursacht hat. In den USA erhalten Hinterbliebene in der Regel deutlich höhere Entschädigungen als in Deutschland. Lufthansa und Germanwings lehnen eine Verhandlung des Falles in den USA ab. Ob die Klage der Angehörigen Aussicht auf Erfolg hat, ist unter Rechtsexperten umstritten.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tesla-elon-musk-wird-kuenftig-von-robyn-denholm-kontrolliert-1.4202143
mlsum-de-9357
Tesla bekommt eine neue Verwaltungsratschefin. Der polarisierende Gründer Elon Musk bleibt zwar Firmenchef, kann sich aber nicht mehr selbst beaufsichtigen.
Der Elektroauto-Hersteller Tesla bekommt eine neue Verwaltungsratschefin. Robyn Denholm, die seit 2014 im Tesla-Verwaltungsrat sitzt, soll den umstrittenen Firmengründer Elon Musk an dieser Position ablösen. Sie wird damit zur obersten Kontrolleurin innerhalb des E-Auto-Herstellers. Musk wird zwar weiter Chef des Unternehmens bleiben, konkret bedeutet der Wechsel jedoch, dass sich Musk künftig nicht mehr selbst beaufsichtigen kann. Seine Ablösung ist Teil einer Übereinkunft zwischen Tesla und der US-Börsenaufsicht SEC, wonach Musk seinen Posten als Verwaltungsratschef für drei Jahre ruhen lassen muss. Die Behörde hatte den polarisierenden Manager vor einem US-Bundesgericht in Manhattan wegen Betrugs verklagt, weil er "falsche und irreführende" Twitter-Nachrichten über einen angeblich geplanten Börsenrückzug des Autoherstellers verfasst hatte. Musk hatte darin im August überraschend angekündigt, Tesla zu einem Preis von 420 Dollar pro Anteilsschein womöglich von der Börse nehmen zu wollen. Zwei Wochen später nahm er diese Ankündigung wieder zurück. Verärgerte Investoren warfen Musk vor, den Kurs der Tesla-Aktie durch seine Ankündigung künstlich in die Höhe getrieben zu haben. Musk schadete damit jenen Anlegern, die auf ein Fallen der Tesla-Aktie gewettet hatten. Einige von ihnen wollen deshalb eine Sammelklage einreichen. Teslas neue Verwaltungsratschefin Denholm ist bislang auch Finanzchefin bei der australischen Telekommunikationsfirma Telstra. Nach Angaben von Tesla wird sie dieses Amt in den kommenden Monaten niederlegen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/galopp-unfall-sturz-in-kurve-eins-1.3242409
mlsum-de-9358
Jockey Frederik Tylicki gerät nach einer Kollision unter die Hufe und ist derzeit gelähmt. Die Galopp-Szene organisiert eine weltweite Hilfsaktion.
An jenem schicksalhaften Tag vor zehn Tagen um 16.20 Uhr auf der Galopprennbahn Kempton Park südwestlich von London hat der Jockey Frederik Tylicki das getan, was er am liebsten macht und am besten kann. Er hat sich im dritten Rennen des Tages in der ersten Kurve an die verheißungsvolle zweite Position geschoben, und dort hat er auf eine Lücke gelauert, die sich auftun könnte im engen Feld, das ihn zu allen Seiten umgab. Es war extrem eng in diesem 1600-Meter-Rennen um 6500 Pfund Preisgeld. Es war also ein Rennen, in dem es finanziell um gar nicht so viel ging. Aber so etwas interessiert einen Vollblutjockey natürlich nicht. Tylicki - vor 30 Jahren in Köln geboren und wohnhaft im englischen Newmarket - ritt wie immer mit Herz, Leidenschaft und Mut, als sein Pferd Nellie Deen plötzlich den Halt verlor und zu Boden stürzte. Es sind schreckliche Bilder, die sich ins Gedächtnis brennen. Zumal wenn man weiß, dass Tylicki derzeit noch immer im St. George's Hospital in Süd-London liegt, bis zuletzt intensivmedizinisch betreut wurde und noch immer von der Hüfte abwärts gelähmt ist. In der ersten Kurve hatte sich der Führende Graham Gibbons auf Madame Butterfly plötzlich umgeschaut, weil er spürte, dass sein Pferd hinter ihm ein anderes Pferd touchierte. Gibbons drehte, im Höchsttempo reitend, den Kopf plötzlich erst nach rechts und dann nach links, weil er nicht wusste, wo genau sich Tylicki und Nellie Deen hinter ihm befanden - und just als Gibbons sich nach links umblickte, riss es Nellie Deen die Beine weg. Sie stürzte inmitten des galoppierenden Feldes zu Boden. Tylicki kugelte über ihren Kopf aufs Geläuf, und das ganze Feld trampelte über ihn hinweg. 500 bis 600 Kilogramm wiegt so ein Vollblüter. Vier Pferde stürzten, vier Jockeys gingen zu Boden, der Rest lief das Rennen zu Ende, während Tylicki regungslos im Sand liegen blieb. Der Renntag wurde abgebrochen und Tylicki mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus geflogen, wo man eine Beschädigung des Wirbels T7 diagnostizierte. Tylicki droht von der Hüfte abwärts gelähmt zu bleiben. Erika Mäder hat momentan keinen Kontakt zu ihm. Die Krefelder Galopptrainerin sitzt dem Deutschen Trainer- und Jockey-Verband vor, in dem Tylicki als Jockey mit einer englischen Lizenz zwar nicht Mitglied ist, von dem er aber trotzdem eine Zuwendung bekommt. "Wir werden eine fünfstellige Summe spenden", sagt Mäder, "er war Freelancer, er hatte also keine festen Gehälter und braucht nun jede Unterstützung - wenn so etwas passiert, dann rückt man zusammen." Das Gestüt Australian Bloodstock stellt nun also auf Initiative des Pferde-Agenten Ronald Rauscher einen Decksprung des Deckhengstes Protectionist zur Verfügung, dieser wird kommende Woche von der Baden-Badener Auktionsgesellschaft im Internet versteigert. Der Zuschlagspreis geht als Spende an die Familie Tylicki. In einen in England für Tylicki eingerichteten Fonds haben bis Mittwoch zudem binnen weniger Tage fast 4000 Spender mehr als 266 000 englische Pfund (300 000 Euro) einbezahlt. Eine enorme Summe. "Es ist bislang schon mehr Geld zusammengekommen, als ich mir vorstellen konnte. Es soll aber niemand glauben, wir hätten schon genug gesammelt", sagte der britische Reitsport-Reporter Matt Chapman, der den Fonds aufgelegt hatte. "Da spenden auch viele große Besitzer", sagt Trainerin Mäder, "in England ist der Galoppsport ein Wirtschaftsbetrieb." Die Galoppbranche wird immer wieder von schwerwiegenden Unfällen erschüttert. Harro Remmert (1967), Christian Zschache (1999), Neil Grant (2000), Peter Gehm (2004) oder Peter Heugl (2009) sind Fälle bekannter Jockeys, die nach Stürzen auf deutschen Bahnen oder in deutschen Ställen Lähmungen erlitten haben und ihre Jockey-Karrieren beenden mussten. Tylicki, Sohn des 2003 verstorbenen dreimaligen Champion-Jockeys Andrzej Tylicki, war einer der meistgebuchten Jockeys der Branche. Auf der Stute Speedy Boarding siegte er vor einem Monat im Prix de l'Opera in Paris-Chantilly, nachdem er im Sommer mit Savoir Vivre Zweiter im Deutschen Derby in Hamburg geworden war. In Deutschland hat Tylicki viele Geschäftspartner und Freunde, aber im Krankenhaus in London besuchen darf ihn derzeit niemand. Die hiesigen Jockeys sorgen sich um seinen Zustand, aber sie erfahren bislang wenig Neues. "Die Familie schirmt ihn ab", sagt der Österreicher Andreas Suborics. Mit den bislang gesammelten Spenden wollen Tylickis Mutter Irene und seine Schwester Madeleine einen weiteren Hilfsfonds einrichten. Der englische Trainer Rod Millman, der Tylicki dieses Jahr so oft wie kein anderer als Jockey engagiert hat, hofft, dass sein "Kampfgeist" Frederik Tylicki heil durch die schwere Zeit bringen wird.
https://www.sueddeutsche.de/sport/deutsche-nationalmannschaft-sotchi-1.4022816
mlsum-de-9359
Aus Watutinki nach Sotschi - nach der Auftakt-Niederlage gegen Mexiko hat der DFB-Tross das Quartier gewechselt. Doch was als Erfrischungsaufenthalt geplant war, ist zum Krisentrainingslager geworden.
Joachim Löw ganz entspannt, das war aber im Jahr 2014: Der Strand vor dem Campo Bahia, dem Quartier der Weltmeister, war für ihn Ort der Inspiration. Vielleicht wird man Joachim Löw jetzt wieder beim Joggen am Strand sehen. Vielleicht wird er wieder an einer Anlage vorbeilaufen, in der die Fernsehreporter wohnen, und vielleicht wird er dann wieder einen kurzen Boxenstopp einlegen, um mit einem der Reporter einen freundlichen Smalltalk zu halten. Vielleicht werden Leon Goretzka und Timo Werner wieder im Strandcafé sitzen, und Julian Brandt wird wieder ins Meer springen. Vielleicht wird Antonio Rüdiger wieder als Einziger die Hotelanlage nicht verlassen, und vielleicht wird er nachher wieder Witze darüber machen. Bestimmt isst Urs Siegenthaler wieder ein Eis. Bilder können manchmal gemein sein, selbst wenn es schöne Bilder sind. Am Dienstag hat der Tross der deutschen Nationalmannschaft für fünf Tage sein Quartier verlegt, von Watutinki im Südwesten Moskaus hinunter nach Sotschi ans Schwarze Meer, wo am Samstagabend ab 20 Uhr das zweite Vorrundenspiel gegen Schweden zur Austragung kommt. Sotschi ist nicht irgendein Ort, Sotschi kann rechts wie links, es kann Olympische Winterspiele und Sommer-Fußball-WM. Aber aus Sicht des deutschen Fußballs ist Sotschi vor allem ein Symbol: Sotschi steht für Glück, Harmonie und unermesslichen Reichtum. Vor einem Jahr gewann von dort aus eine junge deutsche Nationalmannschaft den Confederations Cup, eine Art Generalprobenturnier für die große WM, und nachher blickte die Welt mit neidischer Bewunderung auf diesen fast schon anstößigen Überfluss an Talenten. Dieser Werner, dieser Goretzka! Und dieser Abwehrspieler heißt Ginter, oder? Und dieser Rudy im defensiven Mittelfeld, ist der etwa auch noch jung? Eingetreten ist das Gegenteil dessen, was geplant war All diese Spieler sind ein Jahr später auch wieder dabei, der Bundestrainer mit den Laufschuhen im Gepäck ebenfalls, der Chefscout Siegenthaler sowieso. Und doch ist alles anders jetzt, auf einmal wirkt die Sotschi-Reise ein bisschen wie das Auftaktspiel gegen Mexiko: Eingetreten ist das Gegenteil dessen, was geplant war. Es ist inzwischen kein Geheimnis mehr, dass der Genussmensch Löw das DFB-Camp für die komplette Zeit am Schwarzen Meer aufschlagen wollte, während die Verbandslogistiker gemeinsam mit dem Quartiermeister Oliver Bierhoff am Ende gegen Löws Willen dieses kuriose Watutinki durchsetzten, das nicht am Meer sowie am Fuße der schneebedeckten Gipfel des Kaukasus liegt, sondern an der Stadtautobahn sowie am Fuße der staubbedeckten Plattenbauten von Watutinki. Oliver Bierhoff hat vor allem logistische Gründe ins Feld geführt, und am Ende ist ihnen zur Befriedung des Konflikts noch ein Kompromiss eingefallen, auf den sie alle recht stolz waren: Vor dem zweiten Gruppenspiel in Sotschi würde man nicht einen oder zwei, sondern gleich vier Tage vorher an den Spielort fliegen. Der Genussmenschtrainer hätte dort seinen Cappuccino am Meer und seinen Lauf am Strand, und seine Spieler könnten nach einem Auftaktsieg gegen Mexiko ein wenig Seele und Beine baumeln lassen. Und die jungen Confed-Cup-Gewinner würden sich mit einem versonnenen Lächeln zurückerinnern und den älteren Spielern, die nicht dabei waren, davon erzählen. Die älteren Spieler würden dann stolz und beglückt und motiviert sein, und alle gemeinsam würden sie dann die Schweden besiegen, 4:0 oder so. Die Realität ist nun aber so, dass sich Sotschi für den DFB anfühlen muss wie die Klosterpforte für den HSV. Dieses ostwestfälische Quartier haben die Verantwortlichen des Hamburger Bundesligisten gern gebucht, wenn die Mannschaft mal wieder auf den Relegationsplatz zurückgefallen war, nach einem 0:4 gegen den FC Augsburg möglicherweise. Nach dem 0:1 gegen den FC Mexiko fühlt sich nun auch Deutschland im Abstiegskampf. Aus dem Erfrischungsaufenthalt in Sotschi ist plötzlich ein Krisentrainingslager geworden.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/stuttgart-21-kosten-steigen-1.3840536
mlsum-de-9360
Das Bahn-Prestigeprojekt soll nun bis zu 8,2 Milliarden Euro kosten - und erst 2025 fertig werden, bestätigt das Unternehmen. Kritiker fürchten ein ähnliches Fiasko wie beim Berliner Flughafen BER.
Wie weit man mit Prognosen daneben liegen kann? Als der damalige Bahn-Chef Heinz Dürr, Verkehrsminister Matthias Wissmann und Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel 1994 erstmals die Vision eines unterirdischen Bahnhofs für Stuttgart entwarfen, war der Zeit- und Kostenplan noch völlig klar: 4,8 Milliarden sollte der Bau kosten - D-Mark wohlgemerkt. Fertigstellung: spätestens 2010. Die Aufsichtsräte der Bahn, die in dieser Woche in der Konzernzentrale über den aktuellen Daten brüteten, können über solche Prognosen bestenfalls noch schmunzeln. Denn das umstrittene Prestigeprojekt der Bahn wird noch später fertig und auch noch teurer werden als bislang gedacht. Auf bis zu 8,2 Milliarden Euro schätzt die Bahn-Spitze die Kosten inzwischen. Die eigentlichen Projektkosten liegen bei 7,7 Milliarden Euro. Hinzu kommt laut einem Vorschlag für den Aufsichtsrat ein sogenannter Risikopuffer von bis zu 500 Millionen Euro. Spätestens 2025 soll der Bahnhof demnach in Betrieb gehen - noch ein Jahr später, als es sich bereits im Dezember abgezeichnet hatte. Der Aufsichtsrat hat am Freitag darüber beraten, wie es mit einem der größten Infrastrukturprojekte Europas weitergehen soll. Auf einer Sondersitzung beschlossen die Kontrolleure einen neuen Kosten- und Zeitplan für das Projekt. In Workshops hatten sie sich ein Bild von der schwierigen Lage am Bau gemacht. Von langen Fragenkatalogen an das Management des Staatskonzerns ist die Rede. Die Steigerung der Baupreise sowie immer aufwendigere Bauverfahren in den schwierigen Formationen des Minerals Anhydrit machten den Bau teurer. Zudem dauerten die Genehmigungsverfahren auch wegen Umweltauflagen länger. Mit der Zeit aber stiegen auch die Baupreise. Die bislang taxierten Kosten erhöhen sich damit von 6,5 auf 7,7 Milliarden Euro. Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla soll den Aufsichtsräten zudem den Puffer von bis zu 500 Millionen Euro vorgeschlagen haben, um für weitere Risiken gewappnet zu sein. Die Bahnführung sei bemüht, ein realistisches Bild der Lage zu zeichnen, heißt es. Bei dem Projekt soll aus dem Stuttgarter Kopfbahnhof ein unterirdischer Durchgangsbahnhof werden. An der Station wird seit Februar 2010 gebaut. Mehr denn je steht Stuttgart 21 bei Kritikern im Verdacht, zu einem ähnlichen Fiasko zu werden wie der Berliner Flughafen BER. Dessen Kosten liegen nach jüngsten Prognosen bei rund sieben Milliarden Euro. Bahn drohen neue Diskussionen über die Finanzierung Damit drohen der Bahn auch neue Diskussionen über die Finanzierung. Bahn, Bund, EU, das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart und der Flughafen hatten 2009 vereinbart, die Kosten aufzuteilen. Damals gingen sie von 4,5 Milliarden Euro aus. Inzwischen wollen sich die Projektpartner an den Mehrkosten jedoch nicht mehr beteiligen. So will Baden-Württemberg nur die im Finanzierungsvertrag vereinbarten 930 Millionen Euro zahlen, auch der Bund lehnt die Übernahme weiterer Kosten ab. Die Bahn hat deshalb schon 2016 Klage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht. Ein Urteil wird in den nächsten Monaten erwartet. Die Probleme sollen nun auch personelle Konsequenzen haben. Olaf Drescher, bislang Projekt-Chef der Neubautrasse Berlin - München, zieht in die Geschäftsführung der S21-Planungsgesellschaft PSU ein. Drescher hatte dabei den letzten Termin- und Kostenplan für die Neubautrasse eingehalten. Für die Pannen zum Start des Milliardenprojekts sei er nicht verantwortlich, heißt es bei der Bahn. Drescher solle zum Februar als technischer Geschäftsführer seine Arbeit in der Spitze der Projektgesellschaft aufnehmen. Bahn-Vorstand Pofalla traue ihm zu, die Probleme beim Bau in den Griff zu bekommen. Die Bahn bestätigte die Personalie. Das Verhältnis zwischen der Berliner Bahn-Zentrale und den Stuttgarter Chefplanern galt zuletzt als angespannt.
https://www.sueddeutsche.de/sport/tsv-1860-muenchen-sie-werden-viel-besser-wenn-sie-1860-verlassen-1.3721689
mlsum-de-9361
Harte Zeiten für die Fans des TSV 1860: Während ihr Verein das Regionalliga-Derby verliert, treffen ehemalige Talente gleich reihenweise in der Bundesliga - und einer besiegt sogar Mourinho.
Am Sonntag hat der TSV 1860 München 0:1 gegen den FC Bayern München verloren. Allerdings gegen den FC Bayern II, die U23 des benachbarten Rekordmeisters - in der Regionalliga. Die Blauen, die sich vor rund 15 Jahren unter dem längst verstorbenen Präsidenten Karl-Heinz Wildmoser noch auf Augenhöhe mit dem Nachbarn wähnten und eine gemeinsame Arena errichteten, unterlagen nun im Grünwalder Stadion in Giesing den "kleinen Roten", die noch grün hinter den Ohren sind. Das Ereignis wurde live auf Sport 1 übertragen, für 650 000 Zuschauer - ein neuer TV-Rekordwert für ein Viertligaspiel. Wer aber dachte, dass das Wochenende für die Sechziger gar nicht mehr nerviger werden könnte, hatte nicht mit dem Bundesligaspiel am Sonntagabend gerechnet. Da traf ein gewisser Ohis Felix Uduokhai, 20, per Kopf in der Nachspielzeit für Wolfsburg zum 1:1 gegen Hoffenheim und verlängerte die Unentschiedenserie des VfL vor mutmaßlich noch größerem Fernsehpublikum auf fünf Spiele. "Große Leistung für kleines Geld" Uduokhai also traf, der bei den Löwen gespielt hatte, seit er zehn Jahre alt war, und im Sommer nach dem Absturz aus der zweiten Liga in die Regionalliga für eine Million Euro nach Wolfsburg gegangen war. "Große Leistung für kleines Geld" attestierte der Sport-Informationsdienst dem "Schnäppchen". Für den bei Huddersfield in der Premier League spielenden Christopher Schindler (gewann gegen José Mourinhos Manchester United) oder Marius Wolf (Frankfurts Torschütze zum 2:2 am Samstag gegen Dortmund) haben die Löwen einst noch Geld kassiert. Und für die Benderzwillinge Lars und Sven immerhin einen Apfel und ein Ei. Aber nach der vergangenen grandiosen Geldverbrennungssaison und der Weigerung des dafür maßgeblich verantwortlichen 1860-Investors Hasan Ismaik, wenigstens die Drittligalizenz zu sichern, fand nicht einmal ein Ausverkauf statt. Florian Neuhaus etwa ging ablösefrei nach Mönchengladbach, wurde von dort nach Düsseldorf verliehen und ist nun ein zentraler Spieler beim Zweitliga-Tabellenführer. Der Profifußball ist derart unterwandert von glänzenden ehemaligen Löwen, dass 1860-Fans beim Fernsehgucken von Verfolgungswahn ereilt werden. Sogar Ribamar trifft jetzt - das ist nicht zu fassen Natürlich haben nicht alle Akteure, die 1860 im Sommer verlassen haben, bei ihren neuen Klubs mehr Erfolg. Mittelfeldspieler Frank Boya kam bei Royal Mouscron in Belgien erst auf 13 Einsatzminuten, Flügelstürmer Daylon Claasens neuer Klub Bidvest Wits FC schwebt in Südafrika als Meister der Vorsaison in Abstiegsgefahr - und Deutschlands krisenerprobteste Pressesprecherin, Lil Zercher, steht mit Köln sieglos auf dem letzten Bundesligaplatz und musste nun auch Manager Schmadtkes Weggang begleiten. Doch für die meisten Ehemaligen gilt die seit vielen Jahren gültige Regel, dass sie viel besser werden, wenn sie 1860 verlassen haben. Der für 2,5 Millionen Euro geholte und kostenlos gegangene Stürmer Ribamar traf in Brasiliens erster Liga vier Mal für Paranaense. Das mag nicht sensationell sein, aber wer ihn bei Sechzig gesehen hat, kann es nicht fassen. Zum Positiven: 1860 ist Tabellenführer der Regionalliga und hat noch immer viele junge Talente aus seiner erstaunlichen Nachwuchsmaschinerie. Allerdings rückt der FC Ingolstadt als Verfolger langsam bedrohlich nahe. Der FC Ingolstadt II, die U23 des benachbarten Zweitligisten.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/handelsstreit-trump-will-zoelle-auf-china-importe-in-hoehe-von-200-milliarden-dollar-1.4132260
mlsum-de-9362
Eskaliert der Handelsstreit? Schon morgen könnten die USA die Zölle gegen China so dramatisch erhöhen, dass Peking nicht mehr einfach nachziehen kann.
Mitarbeiter des Weißen Hauses streuen die Nachricht in US-Medien: Anfang nächster Woche könnte US-Präsident Donald Trump neue Zölle gegen China verkünden. Importe in Höhe von 200 Milliarden Dollar sollen betroffen sein, mit Zöllen von zehn Prozent. Das war bisher nur eine Drohung, und eigentlich sollten gerade neue Handelsgespräche zwischen Peking und Washington aufgenommen werden. Kommen die Zölle tatsächlich, eskaliert der Handelsstreit zwischen den USA und China. Denn bisher sind nur 50 Milliarden Dollar mit Zöllen belegt. Sind künftig insgesamt 250 Milliarden Dollar von zusätzlichen Zöllen betroffen, werden viel mehr Produkte teurer für Amerikas Firmen und Verbraucher. Im Jahr 2017 haben die USA Waren im Wert von 500 Milliarden Dollar aus China importiert, fast die Hälfte wären also von Zöllen betroffen. Bisher hat China auf neue US-Zölle stets mit Abgaben in gleicher Summe reagiert. Das wäre jetzt nicht mehr möglich: Im Vorjahr hat das Land lediglich 130 Milliarden Dollar für US-Produkte ausgegeben. China könnte von den 200 Milliarden Dollar also lediglich rund 80 Milliarden Euro nachziehen, wenn man das Handelsvolumen des Vorjahrs zugrunde legt. Die US-Verbraucher werden die 200-Milliarden-Dollar-Zölle spüren, prognostiziert eine Berechnung der Denkfabrik Peterson Institute for International Economics. Denn um Importe in dieser Größenordnung zu erreichen, müssen viele stark nachgefragte Güter mit Zöllen belegt werden. Die entsprechende Liste ist bereits öffentlich (PDF). Besonders betroffen sind Computer und Möbel, so das Peterson Institute, zudem Lampen und Reisekoffer, aber auch Staubsauger, Küchengeräte und Kühlschränke.
https://www.sueddeutsche.de/politik/nsu-prozess-unwuerdig-1.3752118
mlsum-de-9363
Anwälte müssen für ihre Mandanten kämpfen, klar. Aber was Beate Zschäpes Verteidiger aufführen, ist reine Destruktion.
Ein Verteidiger hat das Recht, mit allen legalen Mitteln für seinen Mandanten zu kämpfen. Er muss sich nicht vornehm zurückhalten, wenn Opfer weinen. Er muss nicht gleich verstummen, wenn das Gericht ihn ermahnt. Gute Verteidiger zeichnen sich oft dadurch aus, dass sie die Grenzen des rechtlich Möglichen ausreizen. Aber es gibt den einen Punkt, an dem auch streitbare Verteidiger zu schweigen haben: wenn die Plädoyers der anderen beginnen. Schon die Höflichkeit gebietet, den Schlussvorträgen der Prozessbeteiligten zuzuhören. Gerade im NSU-Prozess hat das Abschlusswort der Nebenkläger besonderes Gewicht. Denn die Familien der NSU-Opfer konnten jahrelang ihre Sicht der Dinge nicht darstellen. Im NSU-Prozess aber grätschen die alten Verteidiger von Beate Zschäpe immer wieder dazwischen, wenn der Vertreter von zwei Getöteten zu einem Vortrag über Rassismus ausholt. Selbst die Bundesanwaltschaft, die sich oft mit den Nebenklägern streitet, sieht in dem Plädoyer kein Problem, auch das Gericht nicht. Denn Rassismus war die Triebfeder der NSU-Mörder. Aber die Verteidiger geben nicht nach, sie stellen sich so in eine Ecke, in die sie nicht gehören - die der Destruktion. Selbst wenn sie formal recht hätten: In einem Fall, in dem die Opfer jahrelang missachtet wurden, ausgerechnet ihren Vertretern das Wort zu verbieten, ist nicht nur unklug. Es ist stillos und unwürdig.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-transferblog-ter-stegen-lehnt-gladbachs-angebot-ab-1.1856689
mlsum-de-9364
Torwart Marc-André ter Stegen verlängert seinen Vertrag mit Borussia Mönchengladbach nicht - ein Wechsel zum FC Barcelona wird damit wahrscheinlicher. Der ehemalige Bundesligaprofi Albert Streit verlässt Viktoria Köln und schließt sich Fortuna Köln an.
Bundesligist Borussia Mönchengladbach muss sich für die kommende Saison einen neuen Torhüter suchen. Nationalspieler Marc-André ter Stegen wird das Angebot des Klubs zur Verlängerung seines 2015 auslaufenden Vertrags nicht annehmen und den Verein zum Ende der Saison wohl verlassen. Dies teilte der Torhüter den Borussia-Verantwortlichen am Montag vor dem Trainingsauftakt mit. "Das überrascht uns nicht. Nun müssen wir uns im Sommer einen neuen Torhüter suchen", sagte Borussias Sportdirektor Max Eberl. Seinen neuen Arbeitgeber verriet ter Stegen noch nicht. "Ich gehe davon aus, dass er zu dem Klub wechseln wird, der in den Medien kursiert", sagte Eberl. Seit Wochen wird über einen Wechsel des Torhüters nach Barcelona spekuliert. Ein konkretes Angebot gebe es aber noch nicht, so Eberl, der sich bei einem Wechsel im Sommer wohl mit einer zweistelligen Ablösesumme trösten könnte. Der ehemalige Bundesligaprofi Albert Streit wechselt innerhalb der Regionalliga West von Viktoria zu Fortuna Köln. Nach Angaben von Tabellenführer Fortuna vom Montag löste der 33-Jährige am Vormittag seinen Vertrag mit der Viktoria und nahm bereits am Nachmittag am Training des Lokalrivalen teil. Beide Seiten hätten sich nach intensiven Gesprächen auf eine Zusammenarbeit verständigt und die wirtschaftlichen Eckpunkte festgelegt. Bislang gebe es lediglich eine mündliche Vereinbarung, hieß es. Die Fortuna geht aber davon aus, dass es auch beim schriftlichen Vertrag keine Probleme geben wird. Trainer Uwe Koschinat sagte, Streit solle nun an seiner Fitness arbeiten und in das Spielsystem integriert werden. "Sobald dieser Prozess abgeschlossen ist, werden wir alle viel Freude an ihm haben", ergänzte Koschinat. Nach dem feststehenden Wechsel von Torjäger Robert Lewandowski zu Bayern München will Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund möglichst schnell Klarheit über den weiteren Verbleib von Leistungsträger Ilkay Gündogan. Dem Kicker sagte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, man wolle auf eine "zeitnahe" Entscheidung drängen. Laut Sportdirektor Michael Zorc sei es erste Priorität, auszuloten, ob "die Bereitschaft zu einer Vertragsverlängerung vorhanden ist". Zorc erklärte aber auch, dass "die andere Seite Verändständnis dafür entwickeln muss, dass der BVB Klarheit benötigt". Dem BVB sei nicht verborgen geblieben, dass "Ilkay für andere Klubs interessant ist". Der Vertrag zwischen dem Champions-League-Finalisten von 2013 und Gündogan läuft 2015 aus. Manager Michael Zorc sagte, man wisse in Dortmund, dass der Nationalspieler für andere Vereine interessant sei. Der FSV Mainz 05 heizt den Konkurrenzkampf im Tor weiter an. Die Rheinhessen haben den kroatischen Nationaltorhüter Dario Kresic verpflichtet. Das teilte der Klub am Montag mit. Der 29-Jährige wechselt ablösefrei von Lokomotive Moskau nach Mainz und erhält einen Vertrag bis Saisonende mit einer Option auf einen Anschlusskontrakt bis Juni 2016. "Wir standen mit Dario Kresic schon öfter in Kontakt. Jetzt hat sich die Gelegenheit ergeben, ihn für uns zu gewinnen, darüber freuen wir uns sehr. Kresic ist ein erfahrener Torhüter. Er wird sich bei uns dem Konkurrenzkampf stellen", sagte Manager Christian Heidel. Kresic reiste noch am Montag ins Trainingslager ins spanische Marbella nach. In der Jugend spielte er für den VfB Stuttgart, von 2003 bis 2006 lief er für Eintracht Trier unter anderem in der 2. Liga auf. Zweitligist 1860 München steht vor der Verpflichtung des japanischen Nationalspielers Yuya Osako (23). "Ich bin sehr optimistisch, dass der Transfer klappt", sagte 1860-Trainer Friedhelm Funkel der Bild-Zeitung. Laut tz soll der Angreifer, der noch beim japanischen Rekordmeister Kashima Antlers unter Vertrag steht, bereits den Medizincheck bei den Löwen bestanden haben. Funkel hatte Osako zuletzt als "absoluten Wunschspieler" bezeichnet. In sechs Länderspielen gelangen dem 23-Jährigen drei Tore, im November hatte er in einem Länderspiel gegen die Niederlande (2:2) getroffen. Für Kashima erzielte Osako in der vergangenen Saison 19 Tore in 33 Liga-Spielen. Diego will seinen im Sommer auslaufenden Vertrag beim VfL Wolfsburg erfüllen. Einen Wechsel im Januar schloss der brasilianische Fußball-Profi im kicker-Interview aus. "Ich bleibe mindestens bis zum Saisonende", versicherte Diego. Das weitere Vorgehen sei mit VfL-Manager Klaus Allofs abgesprochen. "Er hat mir gesagt, dass Ende Januar oder Anfang Februar eine Entscheidung über meine Zukunft fallen soll. Ich warte bis dahin und werde dann sehen, wie der Klub denkt", berichtete Diego. Positiv beurteilte der VfL-Spielmacher die geplante Verpflichtung des Belgiers Kevin de Bruyne vom FC Chelsea. Der belgische Nationalspieler steht als Verstärkung für die Bundesliga-Rückrunde auf der Wolfsburger Wunschliste. "Ich weiß Bescheid und finde es gut. De Bruyne wäre klasse für uns", erklärte Diego. "Wir brauchen Spieler mit hoher Qualität, um Konkurrenzkampf und ein starkes Team zu haben."
https://www.sueddeutsche.de/sport/riesenslalom-bei-der-ski-wm-rebensburg-gewinnt-sekt-1.2349450
mlsum-de-9365
Endlich die erste WM-Medaille für den DSV: Nach einer furiosen Aufholjagd holt Viktoria Rebensburg Silber im Riesenslalom. Die Freude bei den Deutschen ist mächtig - damit hatten sie am wenigsten gerechnet.
Viktoria Rebensburg kletterte in die sogenannte "Leadersbox", dort, wo die Führende des zweiten Laufs Platz nimmt. Sie lächelte. Rebensburg und die zweiten Läufe, das war bei großen Anlässen oft eine harmonische Beziehung gewesen, bei den Winterspielen 2010 hatte sie sich vom achten auf den ersten Platz geschlichen, in Sotschi war sie nach Platz sechs im ersten Lauf noch als Dritte eingetroffen. Jetzt hatte sie im zweiten Lauf erneut eine mutige Fahrt in den Schnee gezaubert, zehn Fahrerinnen standen noch oben beim Riesenslalom der alpinen Ski-Weltmeisterschaften in Beaver Creek. Die 25-Jährige wusste, dass sie der Konkurrenz eine kniffelige Aufgabe gestellt hatte. "Ich habe auf alle Fälle alles gegeben. Sekt oder Selters", sei die Devise gewesen, sagte Rebensburg. Es wurde dann ein zweiter Platz, es wurde Sekt. Eine Fahrerin nach der nächsten arbeitete sich an Rebensburgs Referenzwert ab. Tina Weirather unterzog Rebensburgs Zeit einem ersten Stresstest, am Ende fehlten ihr 15 Hundertstelsekunden. Tina Maze war müde nach ihren Goldfahrten in der Abfahrt und Kombination, sie traf mit drei Zehnteln Verspätung ein. Auch der Vorsprung der Schwedin Jessica Lindell-Vikarby schmolz wie Schnee in der frühlingswarmen Sonne Colorados, im Ziel leuchtete ihre Zeit rot auf, rot bedeutet Rückstand, um neun Hundertstelsekunden! Rebensburg riss beide Arme nach oben, Bronze war ihr sicher, kurz darauf war es gar Silber, Michaela Kirchgasser war vor dem Zielhang an einem Tor hängen geblieben. Für ein paar Sekunden war sogar Gold möglich, auch Anna Fenninger verhedderte sich an einem Tor, am Ende rettete die Österreicherin ganze 1,40 Sekunden ins Ziel. Silber also für die 25-jährige Deutsche, ihre erste Medaille bei einer Weltmeisterschaft. "Bei der WM zählen nur Medaillen, deshalb bin ich volle Kanne von oben bis unten gefahren", sagte Rebensburg nach dem Rennen, "das ist ein superschönes Gefühl". Die Freude war mächtig im Deutschen Skiverband, mit dieser Medaille hatten sie ja am wenigsten gerechnet.
https://www.sueddeutsche.de/politik/vize-debatte-pence-verschafft-trump-etwas-luft-1.3191064
mlsum-de-9366
Souverän und mit Hilfe einiger Lügen kontrolliert Trumps Stellvertreter die Debatte der Vize-Kandidaten. Demokrat Tim Kaine bietet Substanz, doch schadet sich selbst durch seinen Übereifer.
Zwei Stunden vor Beginn der Debatte an der Longwood University steht der Gewinner schon fest - zumindest für die Republikaner. "Als sich der Staub gelegt hat, waren sich alle einig: Mike Pence war der klare Sieger", steht auf der Website der Grand Old Party, weil jemand versehentlich einen Entwurf publiziert hatte. Der Spott bei Twitter und im Kabel-Fernsehen ist groß - doch als ganz falsch entpuppt sich die Prognose nicht. Pence macht den besseren Eindruck. Doch von vorne: Anders als bei der TV-Debatte zwischen Hillary Clinton und Donald Trump stehen deren running mates nicht hinter Pulten, sondern sitzen an diesem Abend in Farmville, Virginia, an einem runden Tisch beisammen. Der Demokrat Tim Kaine und der Republikaner Mike Pence schütteln sich die Hände, fassen sich an die Schultern und lächeln sich an, wie man dies in ihrer Heimat, dem Mittleren Westen, so macht. Pence, Gouverneur von Indiana, trägt eine strahlend blaue Krawatte und strahlt von der ersten Minute an Gelassenheit und Selbstbewusstsein aus. Vor seiner Polit-Karriere moderierte der 57-Jährige jahrelang eine Talkradio-Sendung - das hilft ihm, seine Sätze immer irgendwie zu beenden und seine Botschaft rüberzubringen. Dass er dabei oft die eigentliche Frage ignoriert, gehört sichtbar zur Strategie. Tim Kaine strahlt auch, macht aber vor allem in den ersten 30 Minuten den klassischen Fehler eines Sachpolitikers: Der Senator aus Virginia will die Debatte gewinnen, nicht die Sympathie des Publikums. Immer wieder unterbricht er sein Gegenüber, wirkt übereifrig bei dem Versuch, die Diskussion in seine Richtung zu lenken. Das überlagert die Tatsache, dass der 58-Jährige konkreter als Pence auf die Fragen antwortet. Erst in der zweiten Hälfte der Debatte findet Kaine eine ruhigere Haltung. So gehen die beiden miteinander um: Kaines Taktik ist klar: Er greift seinen Gegner nicht persönlich an, sondern indirekt - indem er ihn mit umstrittenen Aussagen und Politikvorschlägen seines Chefs konfrontiert. Immer wieder fordert er Pence auf, Trumps Aussagen über die Nato, die Mauer zu Mexiko oder dessen abschätzige Bemerkungen über Frauen zu erklären. "Ich verstehe das einfach nicht, wie Sie das verteidigen können", ist sein Standard-Satz. "Sie sind Trumps Auszubildender", wirft er dem Republikaner einmal vor, provoziert ihn mit Fragen wie "Glauben Sie, dass Donald Trump schlau ist, weil er keine Steuern zahlt?" Doch anders als sein Chef lässt sich Pence nur selten reizen. Oft kontert er Kaines Aussagen mit "Das ist Unsinn" und macht dann damit weiter, Hillary Clinton zu kritisieren und als Teil der Washingtoner Elite darzustellen, die sich von den Bürgern entfernt habe. Dies fällt ihm sichtlich leichter, als Trumps kontroverse Positionen zu verteidigen. "Er ist kein polierter Politiker wie Sie und Hillary Clinton", rechtfertigt er Trumps Aussagen über Einwanderer aus Zentralamerika ("Vergewaltiger und Kriminelle"). "Er zeigt, wer er ist", kontert Kaine. Wer seinem Chef mehr hilft: 2012 musste Joe Biden nach Obamas desaströser Debatte den Demokraten wieder Hoffnung geben. Dies gelang dem Vizepräsident eindrucksvoll und Pence schafft an diesem Abend Ähnliches. Er erinnert früh an Clintons Spruch, wonach 50 Prozent der Trump-Fans "kläglich" und "nicht zu retten" seien - ein guter Konter auf Kaines Vorwurf, Trump sei ein Serien-Beleidiger. Pence ist vorbereitet und variiert seine Botschaft: Clinton-Kaine wollen, dass alles weiter gehe wie bisher ("höhere Steuern, mehr Regulierung"), während er mit Trump Washington verändern werde. Von Beginn an attackiert er Clintons Bilanz als Außenministerin ("der Nahe Osten ist in Aufruhr"), verspricht ein "starkes Auftreten" der USA auf der Weltbühne und nennt es Korruption, dass die Clinton-Stiftung Spenden von ausländischen Regierungen angenommen habe. Dass er die Fakten biegt und etwa den Demokraten falscherweise vorwirft, "alle Grenzen öffnen" zu wollen: Seinen Chef wird das nicht stören. "Hillary Clinton und ich" ist Kaines Lieblings-Einleitung: Der erfahrene Politiker präsentiert sich als Team-Player, der voll hinter der Kandidatin steht und ihre Ideen und Motive erklären kann. Einerseits gelingt es ihm, Clinton zu vermenschlichen und selbst deren umstrittene Familienstiftung (wenn auch unter Mühen) zu verteidigen. Andererseits schürt er Zweifel an Donald Trump und betont die außenpolitische Erfahrung des Teams Clinton-Kaine. Zu kurz kommt, was selbst viele politische Gegner sagen: dass Kaine ein guter, verlässlicher, reflektierender Mensch ist. Diese Eigenschaft scheint auf, als er vom "härtesten Gewissenskonflikt meines religiösen Lebens" erzählt - als bekennender Katholik in seiner Rolle als Gouverneur von Virginia hatte er politisch die Vollstreckung der Todesstrafe zu akzeptieren. Mehr vom Menschen statt vom Politiker Kaine hätte auch Clinton geholfen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/flucht-aus-afrika-keine-angst-vor-dem-meer-1.3025474
mlsum-de-9367
Die Strecke Libyen-Italien wird wieder zur Hauptroute über das Mittelmeer nach Europa. Wo die Flüchtlinge herkommen und welche Wege sie hinter sich haben.
Mit neuen "Migrationspartnerschaften" will die EU-Kommission die europäischen Flüchtlingszahlen weiter senken. Nach dem Vorbild des Abkommens mit der Türkei plant Brüssel, sieben afrikanische Staaten zu Partnern im Kampf gegen die sogenannte irreguläre Migration zu machen. Sie sollen abgewiesene Flüchtlinge wieder aufnehmen und ihre Grenzen stärker sichern; im Gegenzug stellt die EU unter anderem Unterstützung beim Grenzschutz, Handelserleichterungen und mehr Entwicklungshilfe in Aussicht. Den Blick auf Afrika lenken auch die jüngsten Mittelmeer-Flüchtlingszahlen. Seit dem Türkei-Deal im März sinkt die Zahl der täglich in Griechenland Ankommenden rapide, von mehr als 2000 Flüchtlingen im Februar auf knapp 50 im Mai. An der Mittelmeerküste Italiens ist es dafür seit einigen Wochen umgekehrt: Die Zahl der Flüchtlinge, die dort pro Tag ankommen, steigt - von etwa 130 (Februar) auf fast 700 (Mai). Mit der blockierten Route im östlichen Mittelmeer wird die Strecke zwischen Libyen und Italien also wieder zum bedeutendsten Fluchtweg Richtung EU. Damit rücken Herkunftsstaaten in den Fokus, die monatelang im Schatten des Krieges in Syrien gestanden haben: An der libyschen Küste steigen nach Angaben der Vereinten Nationen fast nur Afrikaner in die Boote - und so gut wie keine Flüchtlinge aus Syrien oder Afghanistan, den bisher größten Gruppen unter den nach Europa Geflüchteten. Knapp die Hälfte der etwa 50 000 Italien-Ankömmlinge des laufenden Jahres kommen aus Nigeria, Gambia, Somalia, Eritrea und der Elfenbeinküste. Warum fliehen Menschen aus diesen Gebieten? Ein Überblick über die neuen wichtigen Herkunftsstaaten. Nigeria Sie gilt als die tödlichste Terrorgruppe der Welt: Nicht einmal der "Islamische Staat" hat in den vergangenen Jahren so viele Menschen umgebracht wie die nigerianische Islamistenmiliz Boko Haram. Seit 2009 wüten die Milizionäre im Nordosten Nigerias, inzwischen auch in den Nachbarstaaten Kamerun, Tschad und Niger. Ihrem grausamen Feldzug fielen nicht nur etwa 15 000 Menschen zum Opfer, er hat auch mehr als zwei Millionen in die Flucht geschlagen. Die meisten von ihnen leben als Vertriebene im eigenen Land oder in den angrenzenden Staaten. Solange Boko Haram weiter Anschläge verübt, können sie nicht zurückkehren. Inzwischen bilden nigerianische Männer, Frauen und Kinder auch die größte Gruppe unter den Mittelmeer-Flüchtlingen, die nach Italien übersetzen - etwa 15 Prozent. Der brutale Krieg der Terrormiliz in den nordöstlichen Landesteilen ist wohl der zentrale Fluchtgrund. Einige Nigerianer dürften sich aber auch aus Mangel an Perspektiven auf den Weg machen: Obwohl Nigerias Volkswirtschaft die größte in ganz Afrika ist und das Land über immense Ölreserven verfügt, lebt fast die Hälfte der Bevölkerung in Armut.
https://www.sueddeutsche.de/politik/ungarn-im-zweifel-fuer-den-fluechtling-1.3551255
mlsum-de-9368
Ein Gericht hebt das harte Urteil gegen einen syrischen Flüchtling auf und ordnet ein neues Verfahren an. Dies dürfte Premier Victor Orbán, bekannter Kritiker der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin, ärgern.
Als das europäische Parlament Mitte Mai in einer Resolution die "systematische Bedrohung des Rechtsstaats" in Ungarn kritisierte, war in der Debatte auch der Fall des Syrers Achmed H. aufgekommen. Er war Anfang 2016 von einem ungarischen Gericht zu zehn Jahren Haft wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt worden. Der Hintergrund: H. war vorgeworfen worden, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 als Rädelsführer einen Sturm auf den Grenzzaun im Grenzort Röszke angeführt zu haben. Das Verfahren habe sich durch einen Mangel an Beweisen und zweifelhafte Zeugenaussagen ausgezeichnet, überdies sei das Urteil unmäßig hart und der Vorwurf des Terrorismus nicht haltbar, so die Kritik. Ungarns Außenminister Péter Szijjártó warf der EU daraufhin vor, einen "Terroristen freigesprochen" und sich "gegen Ungarn" gestellt zu haben. Kurz darauf äußerte sich auch Viktor Orbán: "Brüssel stellt sich auf die Seite von Terroristen , so der Premier. Achmed H. wurde vom früheren Justizminister vertreten, der das Verhalten der Polizei verurteilte Nun hat sich, wenn man diese Diktion aufnehmen will, auch ein ungarisches Gericht auf die Seite des "Terroristen" Achmed H. gestellt. Ein Berufungsgericht im südungarischen Szeged, nahe bei Röszke, hob das Urteil gegen Achmed H. auf und ordnete ein neues Verfahren an. In erster Instanz war er verurteilt worden, weil er per Megafon andere Flüchtlinge aufgepeitscht und Gegenstände auf Polizisten geworfen haben soll. Die Berufungsrichter kritisierten nun, dass die Vorinstanz den Aussagen von Polizisten grundsätzlich mehr Glaubwürdigkeit beigemessen habe als anderen Zeugen; dass sich Aussagen widersprochen hätten und der Ablauf insgesamt unklar geblieben sei. Der Angeklagte könne nicht als Einzelperson für die Tat einer Gruppe haftbar gemacht werden; die Rädelsführerschaft sei Achmed H. nicht eindeutig nachzuweisen gewesen. Der Flüchtling selbst, gegen den neben der zehnjährigen Haft anfangs auch ein lebenslanges Aufenthaltsverbot in der EU verhängt worden war, sagte in seinem Schlusswort, er sei nicht gewalttätig gewesen, sondern habe vielmehr in der aufgeheizten Lage an der Grenze, an der wegen der hohen Zahl nach Norden drängender Personen damals eine bedrohliche Lage geherrscht habe, per Megafon vielmehr zur Ruhe aufgerufen. Er habe nichts gegen die Ungarn oder den Staat Ungarn, wolle aber jetzt zu seiner Familie zurück, die mehrheitlich in Zypern lebt. H. wurde vom früheren sozialdemokratischen Justizminister Peter Bárándy vertreten, der das Vorgehen der Polizei verurteilte und sich gegen das erste Urteil verwahrte, in dem der muslimische Glaube seines Mandanten eine negative Rolle gespielt habe. H. selber sagte, die Tatsache, dass er Muslim sei, habe ihn "automatisch schuldig" sein lassen. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen hatten nach dem erstinstanzlichen Urteil kritisiert, hier sei offenbar eine Art Schauprozess gegen einen Flüchtling abgehalten worden - zur Abschreckung und Demonstration von Härte. Sie begrüßten die neue Entscheidung. Die Staatsanwaltschaft zeigte sich gleichwohl uneinsichtig; sie lehnte ein neues Verfahren ab und forderte die Erhöhung der Strafe auf bis zu 20 Jahre.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-arsenal-arsene-wenger-fuer-vier-spiele-gesperrt-1.3353979
mlsum-de-9369
Der Trainer von Mesut Özil erhält eine empfindliche Strafe. Norwegens Handballer erreichen das WM-Finale. Darts-Legende Phil Taylor kündigt seinen Rücktritt an.
England, FC Arsenal: Arsene Wenger ist seine Unbeherrschtheit teuer zu stehen gekommen. Der Teammanager des 13-maligen englischen Fußball-Meisters FC Arsenal wurde vom englischen Verband FA für vier Spiele gesperrt, nachdem er am vergangenen Sonntag beim 2:1-Sieg gegen den FC Burnley zunächst wegen einer verbalen Entgleisung auf die Tribüne verbannt worden war und anschließend vor dem Spielertunnel den vierten Offiziellen geschubst hatte. Zudem muss Wenger umgerechnet 29.000 Euro Strafe zahlen. Der 67-Jährige hatte sich zwar direkt nach dem Spiel für sein Fehlverhalten entschuldigt, was ihn aber nicht vor der empfindlichen Strafe bewahrte. Der frühere Schiedsrichterchef Keith Hackett hat dem englischen Verband geraten, ein Exempel zu statuieren und den französischen Coach der deutschen Weltmeister Mesut Özil, Per Mertesacker und Shkodran Mustafi für sechs Spiele aus dem Verkehr zu ziehen. Handball-WM, Halbfinale: Norwegens Handballer haben erstmals ein WM-Finale erreicht. Der EM-Vierte besiegte im Halbfinale in Paris den zweimaligen Olympiasieger Kroatien mit 28:25 (22:22, 12:10) nach Verlängerung und trifft im Endspiel am Sonntag (17.30 Uhr) an gleicher Stelle auf Gastgeber und Titelverteidiger Frankreich. Ex-Weltmeister Kroatien kämpft am Samstag (20.45 Uhr) gegen Slowenien um Bronze. Bester Werfer beim Sieger war Kreisläufer Bjarte Myrhol mit sechs Toren. Die Norweger, die zuvor noch nie eine Medaille bei einem Großereignis gewonnen hatten, waren bereits in der Vorrunde auf Rekordweltmeister Frankreich getroffen und mussten beim 28:31 ihre einzige Turnierniederlage hinnehmen. Darts, Phil Taylor: Rekord-Weltmeister Phil Taylor will nach der kommenden Weltmeisterschaft beim Weltverband PDC von der großen Darts-Bühne abtreten. "Es ist mein letztes Jahr, die nächste WM wird meine letzte sein - und ich freue mich wirklich, wirklich drauf", sagte der 56-Jährige am Freitagabend beim Sender ITV. Die PDC-Weltmeisterschaft startet traditionell im Dezember. Taylor hatte nach dem Viertelfinal-Aus bei der WM Ende des vergangenen Jahres gegen den Niederländer Raymond van Barneveld angekündigt, noch einen weiteren Anlauf auf den Titel starten zu wollen. Jahrelang dominierte der Brite den Darts-Sport. Er ist mit insgesamt 16 Weltmeister-Titeln - davon 14 bei der PDC (Professional Darts Corporation)und zwei bei der BDO (British Darts Organisation) - unangefochtener Rekord-Champion. Rodeln, WM: Felix Loch hat die WM-Titelverteidigung im Rodel-Sprint klar verpasst und damit eine weitere Enttäuschung hinnehmen müssen. Beim Sieg von Lokalmatador Wolfgang Kindl musste sich der Olympiasieger in Innsbruck/Igls am Freitag mit Rang zehn zufrieden geben und wartet damit in diesem Winter weiter auf seine zweite Podestplatzierung. Silber sicherte sich der Russe Roman Repilow vor Dominik Fischnaller aus Italien. Johannes Ludwig, der zwischenzeitlich auf Bestzeit-Kurs war, stürzte im letzten Bahnabschnitt und vergab somit eine Medaille, er wurde Letzter. Andi Langenhan belegte als bester Deutscher Rang sechs. Vize-Europameister Ralf Palik war bereits in der Qualifikation als 20. gescheitert. Nach Gold für die Doppelsitzer Tobias Wendl/Tobias Arlt sowie Bronze für Toni Eggert/Sascha Benecken und Tatjana Hüfner bei den Frauen beendeten die deutschen Rodler einen enttäuschenden ersten Tag mit nur einem von drei möglichen Titeln. Bundesliga, FC Bayern: Arturo Vidal und Thiago stehen dem FC Bayern am Samstag beim Lieblingsgegner Werder Bremen nicht zur Verfügung - doch Trainer Carlo Ancelotti rechnet mit einer baldigen Rückkehr der beiden angeschlagenen Stars. "Ich denke, dass sie nächste Woche wieder trainieren können und für das Schalke-Spiel bereit sind", sagte Ancelotti am Freitag. Der Rekordmeister spielt am 3. Februar gegen Schalke. Jerome Boateng fällt dagegen weiterhin verletzt aus.Ancelotti hatte im August beim 6:0 gegen Werder einen glänzenden Bundesliga-Einstand gefeiert. Der 57 Jahre alte Italiener erwartet diesmal aber "ein anderes Bremen". Er fordert jedoch auch von seinem Team nach dem mühsamen 2:1 in Freiburg einen Aufwärtstrend: "Wir haben zwar einen guten Charakter gezeigt, müssen uns aber spielerisch steigern." Die letzten zwölf Spiele haben die Münchner gegen Werder gewonnen, die letzten fünf sogar ohne Gegentor (22:0). Bei einem Erfolg am Samstag würden die Bayern einen neuen Rekord aufstellen, denn noch nie hat ein Bundesligateam so viele Siege in Serie gegen denselben Gegner erreicht. Der letzte Werder-Erfolg datiert vom September 2008 (5:2).Werder gegen Bayern ist auch das Duell der beiden besten ausländischen Angreifer der Ligageschichte. Robert Lewandowski hat 135 Treffer erzielt, Claudio Pizarro 190. Der ehemalige Münchner hat jedoch in seinen letzten zehn Partien nicht mehr getroffen, dennoch hat Ancelotti großen Respekt vor dem 38-Jährigen: "Claudio ist sehr intelligent, einer der besten Stürmer im Strafraum, er hat einen fantastischen Instinkt."
https://www.sueddeutsche.de/digital/digitale-debatte-wie-aus-hippie-utopien-monopolkapitalismus-wurde-1.3828503
mlsum-de-9370
Die LSD-getränkte Ideologie Kaliforniens sollte die Welt verbessern und gebar die Macht des Silicon Valley. Nun hat sich die Digitaldebatte erneut heftig gedreht.
Die Hippies sind schuld. Wobei "schuld" ein viel zu schweres Wort ist, wenn man den Verlauf der digitalen Debatte verstehen will. Die entwickelte sich in erstaunlich kurzer Zeit von der euphorischen Feier einer Technologie, der man schon die Rolle des Weltgeistes zugeschrieben hatte, zu einem globalen Katergefühl, dass man sich mit dem Internet sinistre Kräfte wie den Monopolkapitalismus, die Geheimdienste und den Mob ins Leben geholt hatte. Die Wurzel beider Seiten dieser globalen Debatte liegt im Kalifornien der späten Sechzigerjahre, als dort die digitale Welt ihre ersten Entwicklungsschritte machte, damit aus einer Technologie für Staaten und Konzerne ein Alltagsphänomen werden konnte, und in der gleichzeitig von einer wirklich besseren Welt geträumt wurde. Ende der Achtzigerjahre noch konnte man in Kalifornien den Utopisten begegnen, die Gesellschaft und Technologie als großes Ganzes betrachteten. Der Ökologe Stewart Brand war der erste der Hippies, die in den digitalen Technologien ein Befreiungspotenzial sahen. Und der LSD-Prophet Timothy Leary sah schon in den späten Achtzigerjahren in der Virtual Reality das Tor zu einer Bewusstseinserweiterung, die er bis dahin in den Drogen vermutete. Die Hippies speisten auch ihr kritisches Denken ins Erbgut der digitalen Welt ein So viel Utopie und Begeisterung tun keiner Entwicklung gut. Ähnlich wie die Aufbruchsstimmung der Hippies in Ideologien erstarrte, verhärtete sich die digitale Euphorie Anfang der Nullerjahre zu einem rigiden Zukunftsglauben. Der aber hatte den Effekt, dass sich der Monopolkapitalismus des Silicon Valley ungestört verfestigen konnte. So konnte es kommen, dass die vier Konzerne Apple, Google, Facebook und Amazon fast alle Bereiche des menschlichen Lebens erfasst und vermarktet haben. Auf Kosten vieler - Einzelhandel, Kulturwirtschaft, Privatsphäre, Steuergerechtigkeit und der politische Diskurs. Und das ist nur der Beginn einer sehr langen Liste von Dingen, die dabei auf der Strecke blieben. Man muss auf der anderen Seite dankbar dafür sein, dass die Debatten um die digitale Welt in den letzten beiden Jahren eine so finstere Wendung genommen haben. Denn die Hippies speisten nicht nur ihre Euphorie und ihren Zukunftsglauben in das Erbgut der digitalen Welt ein, sondern auch ihr kritisches Denken. Es dämmert ja selbst Konzernchefs wie Tim Cook, Sergej Brin und Mark Zuckerberg, dass sie einiges angerichtet haben, was die Welt nicht zu einem "besseren Ort" gemacht hat, wie sie im Silicon Valley so mantraartig behaupten. Es ist deswegen kein Zufall, dass die Stimmen mit der fundiertesten Kritik derzeit aus den eigenen Reihen der digitalen Kultur kommen. Nach dem bekanntesten aller Whistleblower, Edward Snowden, der das Internet als gigantische Überwachungsmaschine entlarvte, sind es derzeit vor allem die Pioniere der sozialen Medien, die vor den Gefahren ihrer Schöpfung warnen. Facebook-Mitgründer Sean Parker warnte vor den Suchtgefahren von Facebook. Chamath Palihapitiya, der früher bei Facebook für das Nutzerwachstum zuständig war, sagte, jeder Nutzer werde von seinen Geräten programmiert, nicht umgekehrt. Der ehemalige Google-Designer Tristan Harris ist seit über einem Jahr auf Welttournee, um die Gefahren zu erläutern, die in einem so unverdächtigen Alltagsgerät wie dem Smartphone lauern. Es sind nun gerade die Technologiekonferenzen wie die DLD, auf denen zum einen solche Kritik deutlich und mit einem Höchstmaß an Kompetenz formuliert wird. Zum anderen sind es genau die Orte, an denen die Debatte wieder eine positive Wendung nehmen kann. Wo, wenn nicht hier kommen die Frauen und Männer zusammen, die die Entwicklung der digitalen und realen Welt so nachhaltig beeinflussen. Die Anfänge sind gemacht.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/negativzinsen-nehmt-unser-geld-1.3884820
mlsum-de-9371
Online-Vergleichsportale liefern sich eine verrückte Preisschlacht. Zurzeit bekommen Kunden sogar Geld dafür gezahlt, dass sie einen Kredit aufnehmen. Die Unternehmen zahlen drauf. Einen Haken hat die Sache aber.
Es ist ein irres Duell, das sich der Kreditanbieter Smava aus Berlin und die Vergleichsseite Check24 aus München liefern. Beide Unternehmen bieten zurzeit Negativzinsen von fünf Prozent auf einen ausgewählten Kredit. Wer sich bei Check24 zurzeit 1000 Euro leiht, zahlt über ein Jahr hinweg nur 972,49 Euro zurück. Bei Smava muss der Nutzer für die gleiche Summe über 36 Monate insgesamt 923,04 Euro zurücküberweisen. Dass die Unternehmen Geld verschenken, wirkt zunächst merkwürdig. Hinter der Aktion verbirgt sich natürlich auch ein PR-Gag: Beide Firmen liefern sich seit geraumer Zeit ein teils skurriles Wettrennen um das beste Kreditangebot in Deutschland. Smava rühmt sich seit jeher, "Deutschlands günstigsten Online-Kredit" anzubieten. 2015 verlangte das Berliner Unternehmen erstmals null Prozent für einen Kredit. Der Münchner Konkurrent Check24 zog 2016 nach. Christian Nau, Geschäftsführer bei Check24, sagt: "Wir bieten Kunden grundsätzlich immer das günstigste Angebot am Markt." Als dann am Sonntagabend Check24 einen Kredit mit Negativzinsen von minus 1,5 Prozent anbot, eskalierte der Wettstreit. Bereits am nächsten Tag zog das Kreditportal Smava nach und senkte seinerseits die Zinsen auf minus drei Prozent. Das Ganze schaukelte sich so lange hoch, bis am Ende bei beiden Portalen eine fünf hinter dem Minus stand. Da sich beide Firmen das Geld zu normalen Zinsen bei einer Bank leihen müssen, zahlen sie doppelt drauf: einmal an die Bank und einmal an die Kunden. Smava kostet ein Kredit etwa 147 Euro, Check24 wohl 42 Euro. Am Dienstag verkündete ein drittes Portal, Finanzcheck.de, dass es 100 Kredite mit Zinsen von Minus 100 Prozent vergibt. Oder anders: Es verschenkt das Geld komplett. Was irre klingt, ist nicht uneigennützig. Die Unternehmen versuchen mit dem Angebot, neue Kunden und deren Daten zu gewinnen. "Aus Sicht der Anbieter mag der Ankauf der Daten mit so einer Marketingaktion preiswert sein", sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Er warnt davor, zu viele Kredite aufzunehmen, selbst, wenn einem egal ist, wo die Daten landen. "Kreditanfragen können zu einer schlechteren Bewertung der eigenen Bonität führen. Das kann sich negativ auswirken auf die Konditionen weiterer Kredite". Auch die Schufa weist daraufhin, dass die kostenlosen Kredite in ihrem Score auftauchen. Ob diese negativ bewertet werden, sagt ein Sprecher, hänge aber von den persönlichen Umständen ab. Verbraucher sollten zumindest vorsichtig sein.
https://www.sueddeutsche.de/sport/sport-kompakt-oesterreicher-wollen-koller-statt-daum-1.1154548
mlsum-de-9372
Deutsche Fußball Liga bleibt im Fall des HSV-Interimstrainers hart, Bundestrainer Joachim Löw plant ersten Einsatz von Ilkay Gündogan, Bayern-Profi Franck Ribéry verzichtet auf seine Reise zur französischen Mannschaft, Tennis-Spielerin Sabine Lisicki hat erneut gesundheitliche Probleme.
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat den Antrag des Hamburger SV auf Fristverlängerung für die Tätigkeit von Bundesliga-Interimstrainer Rodolfo Cardoso mit Verweis auf die Statuten abgelehnt. Aus Sicht der DFL liegen "keine besonderen Umstände vor, die eine Verlängerung der 15-Werktage-Frist und damit eine Abweichung von den Statuten rechtfertigen", teilte die DFL am Dienstag mit. Der HSV hat nun eine Woche Zeit, gegen diese Entscheidung Beschwerde einzulegen. Der Verein werde prüfen, ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, sagte HSV-Mediendirektor Jörn Wolf. Detailansicht öffnen Ungewisse Zukunft: HSV-Interimstrainer Rodolfo Cardoso. (Foto: Bongarts/Getty Images) Bundestrainer Joachim Löw will sich im Wettstreit mit der Türkei um hierzulande aufgewachsene Fußballspieler türkischer Abstammung die Dienste von Ilkay Gündogan sichern. Der Bundestrainer plant, den 20 Jahre alten Mittelfeldspieler von Borussia Dortmund nach dessen Einsatz in der deutschen U 21-Auswahl am Donnerstag in der EM-Qualifikation gegen Bosnien-Herzegowina zum A-Team zu holen. Dies kündigte Löw am Dienstag in Mainz an. Erst mit einem Punktspieleinsatz in der A-Nationalelf am kommenden Dienstag gegen Belgien wäre Gündogan für Deutschland festgespielt. Im Moment könnte sich der in Gelsenkirchen geborene Gündogan auch noch für die Nationalmannschaft der Türkei entscheiden. Die Türken haben noch die Chance, sich als Gruppenzweiter hinter Deutschland ebenfalls für die EM 2012 in Polen und der Ukraine zu qualifizieren. Das könnte die Bemühungen des türkischen Verbandes erneut forcieren. Gündogan hat bislang immer erklärt, für Deutschland spielen zu wollen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und der türkische Verband konkurrieren hart um junge Spieler mit deutsch-türkischen Wurzeln. "Wir setzen niemanden dieser Spieler unter einen gewissen Druck", betonte Löw am Dienstag. Der angeschlagene Franck Ribéry vom FC Bayern München muss auf die abschließenden Partien in der EM- Qualifikation mit der französischen Fußball-Nationalmannschaft verzichten. Wegen einer Wadenverletzung könne der 28-Jährige nicht an den Spielen an diesem Freitag gegen Albanien und am 11. Oktober gegen Bosnien teilnehmen, teilte der nationale Verband am Montagabend mit. Das habe eine Untersuchung in Rambouillet ergeben. Ribéry hatte sich die Blessur in der Bundesliga-Partie gegen 1899 Hoffenheim (0:0) am Samstag zugezogen und war in der Halbzeit ausgewechselt worden. Frankreichs Nationaltrainer Laurent Blanc muss im Qualifikationsendspurt zur Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine zudem ohne Karim Benzema (Adduktoren), Blaise Matuidi (Oberschenkel) und Bacary Sagna (Wadenbeinbruch) auskommen. Die Équipe Tricolore führt die Tabelle der Gruppe D vor den letzten beiden Spielen mit 17 Punkten vor Bosnien (16) an. Das Verletzungspech bleibt dem spanischen Fußball-Erstligisten FC Barcelona treu: Ibrahim Afellay fällt mit einem Bänderriss für voraussichtlich sechs Monate aus. Der niederländische Mittelfeldspieler hatte sich die Verletzung vergangene Woche im Training zugezogen. Mit den ebenfalls verletzten Andres Iniesta, Eric Abidal, Cesc Fabregas und Alexis Sanchez war der Kader des amtierenden Meisters in den vergangenen Wochen bereits zuvor deutlich dezimiert. US-Chefcoach Jürgen Klinsmann hat Edson Buddle vom FC Ingolstadt für die kommenden Testspiele der amerikanischen Fußball- Nationalmannschaft nachnominiert. Zuvor hatte der frühere Bayern- Profi Landon Donovan wegen einer Oberschenkelverletzung für die Partien gegen Honduras am Samstag (Ortszeit) und gegen Ekuador am 11. Oktober absagen müssen. Das teilte der nationale Verband am Montagabend mit. Neben Zweitligaspieler Buddle berief der frühere Bundestrainer Klinsmann in Timmy Chandler (1. FC Nürnberg), Steve Cherundolo (Hannover 96) und Danny Williams (1899 Hoffenheim) drei Bundesligaprofis in sein Aufgebot für die Freundschaftsspiele. Fußball-Zweitligist 1860 München muss in den beiden kommenden Partien auf Rotsünder Stefan Buck verzichten. Der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) habe den Abwehrspieler "wegen unsportlichen Verhaltens" mit einer Sperre von zwei Meisterschaftsspielen belegt, teilten die "Löwen" am Dienstag mit. Buck hatte am Sonntag beim 2:4 im Heimspiel gegen Dynamo Dresden wegen einer Notbremse die Rote Karte gesehen. 1860 München habe dem Urteil zugestimmt, das damit rechtskräftig sei, hieß es weiter. Damit fehlt der Defensivspieler in den nächsten Partien bei Hansa Rostock und daheim gegen den SC Paderborn.
https://www.sueddeutsche.de/politik/china-alle-ehren-fuer-die-unbequeme-1.2512945
mlsum-de-9373
Feierlich empfängt Peking Myanmars Oppositionsführerin, obwohl es stets das Regime dort stützte. Doch China hat viele Interessen im Nachbarland.
Bei Pekings Staatsführern geben sich Besucher die Klinke in die Hand, aber dieser Besuch ist doch eine Überraschung. Gleich "doppelt ungewöhnlich" sei er, hieß es in einem Kommentar auf einem WeChat-Konto des Parteiblattes Volkszeitung: Da komme "eine ungewöhnliche Politikerin" zu einem "ungewöhnlichen Zeitpunkt". Tatsächlich. Aung San Suu Kyi besucht China auf Einladung der Kommunistischen Partei. Die Oppositionsführerin von Myanmar beim Tête-à-tête mit Chinas Präsident Xi Jinping und Premier Li Keqiang. Das war bis vor Kurzem noch ein kaum vorstellbares Bild. Und jetzt rollt China gleich für fünf Tage den roten Teppich aus, vom 10. bis 14. Juni. Für eine Frau, die als Vorkämpferin für Demokratie gilt. Suu Kyi nennt die These asiatischer Autokraten absurd, wonach Asien für Freiheit und Demokratie ungeeignet sei. Für ihren Kampf erhielt sie im Jahr 1991 den Friedensnobelpreis. "China hegt keinen Groll wegen vergangener Unfreundlichkeiten" Bislang war von Pekings Herz für Demokraten und Friedensnobelpreisträger eher wenig bekannt: Der Autor Liu Xiaobo, als Preisträger seit 2010 Suu Kyis Kollege, sitzt bis heute in einem Gefängnis bei Peking. Aber, schrieb die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua: "China heißt jeden willkommen, der gute Absichten hat und hegt keinen Groll wegen vergangener Unfreundlichkeiten." Wie das mit dem Groll auf Seiten Suu Kyis aussieht, ist nicht bekannt, in den beinahe zwei Jahrzehnten jedenfalls, in denen die Militärjunta sie ihrer Freiheit beraubte, war es die Regierung in Peking, die eben diese international isolierte Junta unterstützte und finanzierte. Noch 2012 wurde ein Kinofilm über das Leben Suu Kyis in China von der Zensur verboten. Die Dinge aber haben sich gewandelt, seit die Regierung von Myanmar vor mehr als vier Jahren mit einem Mal eine vorsichtige Liberalisierung einleitete, Aung San Suu Kyi die Freiheit schenkte und die Fühler zu Ländern wie den USA und Indien ausstreckte - eine Kehrtwende, die die Machthaber in Peking offenbar kalt erwischte. Die Kontaktaufnahme nun entspringt wohl nüchternem, realpolitischem Kalkül auf beiden Seiten: Aung San Suu Kyi ist dabei, von einer zur Passivität verurteilten Ikone zur aktiven Politikerin zu werden. Dem Wandel ist wahrscheinlich auch ihr stark kritisiertes Schweigen zur Verfolgung der muslimischen Rohingya in ihrer Heimat geschuldet.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bahn-preise-fuer-pendler-bleiben-stabil-1.2674364
mlsum-de-9374
Zeitkarten und Abonnements werden 2016 nicht teurer. Dafür erhöhen viele Verkehrsverbünde ihre Tarife zum Teil erheblich.
Pendler, die Stammkunden der Deutschen Bahn (DB) sind, müssen nächstes Jahr für ihre Dauertickets nicht mehr bezahlen. Die Preise für Zeitkarten und Abonnements von Berufs- und Ausbildungspendlern sowie für Schüler bleiben 2016 stabil. Das hat der Staatskonzern mitgeteilt. Auch die Pauschalpreistickets "Quer-Durchs-Land" und "Schönes Wochenende" werden nicht teurer. Das gilt nach Angaben der Bahn auch für die meisten Länder-Tickets und regionalen Angebote. Einzelfahrscheine der 1. und 2. Klasse im Nahverkehr sollen im Durchschnitt aber zwei Prozent mehr kosten. Bezieht man alle Angebote mit ein, ergibt dies eine durchschnittliche Preiserhöhung von 0,9 Prozent. Die Preise für Zeitkarten der Bahn gelten allerdings nur für etwa jeden fünften Kunden im Nahverkehr. 80 Prozent nutzen die Verkehrsverbünde. Diese haben ihre eigenen Tarife, auf die die Bahn nicht so starken Einfluss hat. Diese haben zum Teil deutliche Preiserhöhungen angekündigt. Berthold Huber, Vorstand für Personenverkehr der DB, sagte: "Wir halten die Preise für Millionen Pendler stabil. Und bei den übrigen Angeboten haben wir uns bewusst zu Preiserhöhungen unter dem Durchschnitt der großen Verkehrsverbünde entschieden." Die Bahn hatte bereits angekündigt, die Preise im Fernverkehr in der Regel nicht zu erhöhen. Das Unternehmen hatte Kunden verloren, weil das Autofahren wegen der gesunkenen Benzinpreise billiger geworden ist und mehr Menschen Busse oder Billig-Flieger nutzen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/borussia-moenchengladbach-luuk-de-jong-zum-medizincheck-nach-newcastle-1.1874812
mlsum-de-9375
Andreas Ludwig von 1899 Hoffenheim wechselt auf Leihbasis zum Münchner Zweitligisten. Borussia Mönchengladbach twittert, dass sich Stürmer Luuk de Jong auf dem Weg zum Medizincheck nach England befindet. Der Hamburger SV und Leverkusen suchen indes neues Personal.
1899 Hoffenheim leiht seinen talentierten Spieler Andreas Ludwig bis zum Saisonende an den Zweitligisten 1860 München aus. Das gab der Verein am Mittwoch bekannt. Der 23-Jährige gehört seit einem Jahr zum Profikader der TSG und kam bislang auf sechs Einsätze in der Fußball-Bundesliga. "Andreas kann in der Offensive auf nahezu allen Positionen eingesetzt werden", sagt Sportchef Florian Hinterberger, "er ist laufstark und schnell, hat einen guten linken Fuß. Er ist ein junger, hungriger Spieler mit großem Entwicklungspotential." Der FSV Mainz 05 und Niko Bungert haben sich auf eine Fortsetzung der Zusammenarbeit geeinigt. Der Innenverteidiger verlängerte nach Klubangaben vom Mittwoch seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag bis zum 30. Juni 2016. Der 27-Jährige hat sich nach langer Verletzungspause wieder an den Kader des Tabellenachten der Bundesliga herangekämpft. Bungert kam 2008 vom damaligen Zweitligisten Kickers Offenbach nach Mainz und absolvierte bisher 138 Pflichtspiele für die 05er. Stürmer Luuk de Jong vom Fußball-Bundesligisten Borussia Mönchengladbach steht offenbar vor einem Wechsel zum englischen Premier-League-Klub Newcastle United. Wie der fünfmalige deutsche Meister twitterte, reiste der Niederländer am Dienstag zu einem Medizincheck nach England. Der 23-Jährige war im Sommer 2012 für 12 Millionen Euro Ablöse als bisher teuerster Transfer der Gladbacher Vereinsgeschichte von Twente Enschede gekommen. De Jong hatte sich jedoch bisher nicht durchsetzen können. Mit der Verpflichtung von Nationalspieler Max Kruse und des Brasilianers Raffael hatten die Borussia vor der Saison entsprechend reagiert und de Jong signalisiert, den Verein bei einem akzeptablen Angebot verlassen zu können. Englische Medien spekulierten zuletzt über ein Tauschgeschäft von de Jong gegen den Ex-Freiburger Papiss Demba Cissé von Newcastle United. Insgesamt bestritt de Jong 36 Bundesliga-Einsätze für die Borussen und erzielte sechs Treffer. In der laufenden Spielzeit stand er nicht einmal in der Startformation und wurde 13-mal erst in der Schlussphase eingewechselt. Sportdirektor Oliver Kreuzer (48) vom stark abstiegsgefährdeten Hamburger SV sondiert nach dem Absturz auf Platz 16 in der Fußball-Bundesliga noch einmal den Transfermarkt nach Verstärkungen. "Normalerweise passiert nichts mehr", sagte Kreuzer nach dem Debakel gegen Schalke 04 (0:3), "aber natürlich beobachten wir den Markt. Ich will nichts ausschließen. Man weiß nie, was passiert." Eigentlich hatte der sportlich wie finanziell angeschlagene HSV nach den Ausleihgeschäften mit Ola John (Benfica Lissabon) und Ouasim Bouy (Juventus Turin) seine Transferaktivitäten für beendet erklärt. Doch nach den jüngsten Verletzungen von Torjäger Pierre-Michel Lasogga (Muskelfaserriss) und Verteidiger Zhi Gin Lam (Bänderdehnung) sowie der desaströsen Vorstellung gegen Schalke hat offenbar ein Umdenken im Klub eingesetzt. "Manchmal hat man Glück und holt kurz vor Ende der Transferperiode einen Spieler, der dann hilft", sagte Kreuzer, der vor allem nach einem Angreifer Ausschau halten soll. An diesem Freitag (31. Januar) endet die Winter-Transferperiode.
https://www.sueddeutsche.de/politik/cdu-vom-general-zum-sekretaer-1.3458781
mlsum-de-9376
Peter Tauber wird von seiner CDU im Wahlkampf degradiert: Der schleichende Machtverlust eines überforderten Parteireformers.
In der Politik gibt es den schnellen und den schleichenden Machtverlust. Norbert Röttgen oder Hans-Peter Friedrich waren ihre Ministerämter einst schneller los, als sie es wahrhaben wollten. Peter Tauber hingegen fällt in die zweite Kategorie. Die Bedeutung des CDU-Generalsekretärs schrumpft schon seit Langem. Erst kassierte Tauber auf Parteitagen Niederlagen bei Themen, für die er in die Bütt gegangen war. Dann holte Angela Merkel ihren Vertrauten Joachim Koschnicke zurück in die CDU-Zentrale, auf dass dieser Tauber beim Wahlkampf unter die Arme greife. Und nun bekommt dort auch noch Peter Altmaier ein Büro, um sich an Taubers Stelle um das Wahlprogramm zu kümmern. Spätestens jetzt ist klar: Der CDU-General ist nur noch Sekretär. Tauber bemüht sich darum, die Union jünger, weiblicher und bunter zu machen. Und er setzt sich dafür ein, dass die CDU endlich auch alle digitalen Möglichkeiten nutzt. Das ist überfällig, reicht aber nicht aus. Zu viele in der Partei zweifeln an der Expertise ihres Generalsekretärs. Vor allem aber weiß die CDU spätestens seit dem Erstarken der SPD, dass sie in diesem Wahlkampf das Kanzleramt nicht mehr im Spaziergang verteidigen wird können. Das Risiko einer Niederlage ist zu groß. Mit den Profis Altmaier und Koschnicke dürfte es jetzt wieder kleiner werden - auch weil Tauber sich, zumindest bisher, mannschaftsdienlich einreiht.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/expansion-fit-fuer-asien-1.2771629
mlsum-de-9377
Es gibt eine Reihe an Angeboten und Kontakten, die Mittelständlern auf dem asiatischen Markt helfen.
Asien hat sich in den vergangenen Jahren als Wachstumsmotor der deutschen Wirtschaft etabliert. Insbesondere der Boom in der Volksrepublik China, mit Abstand wichtigster Handelspartner Deutschlands, bescherte Unternehmen kräftige Zuwachsraten. Trotz hoher Eintrittsbarrieren und regulierten Märkten expandierten neben großen Dax-Konzernen viele mittelständische Zulieferer mit eigenen Werken nach Fernost. Die Zeiten zweistelliger Wachstumsraten sind zwar vorbei. "Im dritten Quartal sanken die deutschen Exporte in die Region Asien Pazifik im Vorjahresvergleich um 3,2 Prozent. Die Ausfuhren nach China, das knapp die Hälfte der Lieferungen in die Region aufnahm, um 8,4 Prozent", sagt Frank Robaschik, Bereichsleiter Asien Pazifik der Germany Trade and Invest. Das Interesse an der Region bleibt trotzdem hoch. "Ein gewisses Abkühlen des Marktes in weiten Teilen Asiens ist spürbar, auch für deutsche Unternehmen. Wir konnten aber bisher nicht feststellen, dass sich Betriebe von einem Markteintritt abschrecken lassen. Im Gegenteil", sagt Hanna Böhme, Geschäftsführerin des German Centre Singapur. Staatliche Förderungen und Leistungen können kleinen und mittleren Unternehmen bei der aktuellen Marktlage helfen, Unsicherheiten zu minimieren und Gewinne zeitnah zu realisieren. Bund, Länder und Interessenvertretungen unterstützen Betriebe zudem mit einer ganzen Reihe von Angeboten, wenn sie sich für den asiatischen Markt interessieren. "Wir beraten Unternehmen ausführlich darüber, was sie bei der Erschließung neuer Märkte in dem jeweiligen Land unbedingt beachten müssen. Informationen zu Standortwahl und Zertifizierungsvorschriften sind etwa in Indien und China besonders wichtig", sagt Johannes Huber, Referatsleiter Asien der Industrie- und Handelskammer (IHK) München. Bundesweit vermitteln die Kammern etwa in kostenloser Beratung Kontakte zu Firmen sowie Verbänden und Institutionen in den avisierten Ländern. "Deutsche Unternehmer müssen das Marktumfeld am Ort genau prüfen." Die Industrie- und Handelskammern organisieren auch Fachveranstaltungen zu einzelnen Märkten und Spezialthemen wie Zollvorschriften oder Personalsuche. Kleine und mittlere Unternehmen werden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Das sogenannte Markterschließungsprogramm bietet Betrieben die Teilnahme an branchenspezifischen Unternehmerreisen in die Region zu geringen Selbstkosten. So können Anbieter der Photonikbranche im April 2016 nach Südkorea reisen und direkte Kontakte zu potenziellen Partnern und Kunden knüpfen. "Die Situation in den einzelnen asiatischen Ländern verändert sich innerhalb eines Jahres signifikant. Deutsche Unternehmer müssen das Marktumfeld am Ort genau prüfen, um ihre Chancen richtig einzuschätzen", sagt Benedikt Hau, Leiter Beratung International Business der Landesbank Baden-Württemberg. Bayerische Klein- und Mittelbetriebe werden bei ihrem Schritt ins Ausland finanziell vom Freistaat unterstützt. "Bei dem Programm Go International fließt direkt Geld an die Firmen. Die Betriebe bekommen Kosten für Marktanalysen, Marken- und Patentanmeldungen oder Werbemittel zur Markterschließung in zwei Ländern zu maximal fünfzig Prozent finanziert", sagt Huber. Die maximale Fördersumme beträgt 20 000 Euro pro Land. Ansprechpartner für heimische Unternehmen in China, Südostasien und Indien sind die Auslandshandelskammern. Die Experten bieten bei der Vermittlung von Geschäftspartnern, dem Aufbau des Vertriebsnetzes sowie der Gründung einer Niederlassung Know-how und relativ kostengünstige Dienstleistungen. Lokale Plattformen für die deutsche Wirtschaft sind die sogenannten German Centres. Die Einrichtungen der Landesbank Baden-Württemberg (Singapur, Peking, Delhi) und BayernLB (Shanghai, Taicang) vereinen den Service von öffentlichen Stellen mit eigenen Dienstleistungen und externen Angeboten. "Die deutschen Firmen können bei uns Büros mieten, Markteintrittsberatung in Anspruch nehmen und alle Kontakte aus unserem Netzwerk nutzen. Wir vereinbaren unter anderem Termine mit Unternehmen aus der gleichen Branche zum Erfahrungsaustausch", sagt Centre-Geschäftsführerin Böhme. Und Hau meint: "Wir bieten Unternehmen am Ort Finanzierungslösungen für Betriebsmittel und Exporte in die Nachbarländer sowie lokale Exportversicherungsformen. Der innerasiatische Handel gewinnt immer mehr an Bedeutung, hier sind wir gefragt." Im Schatten Chinas hat die Asean-Region (Indonesien, Thailand, Malaysia, Vietnam, Philippinen, Brunei Darussalam, Singapur, Laos, Kambodscha, Myanmar) für den deutschen Export an Bedeutung gewonnen. Der 2015 realisierte Binnenmarkt mit zollfreiem Warenverkehr erhöht die Attraktivität der Region weiter. "Angesichts der langsamer wachsenden chinesischen Wirtschaft bietet der Asean-Markt als Region mit den stabilsten Wachstumsraten in Asien dem deutschen Mittelstand gute Wachstumschancen", sagt Ping Loke, Center Direktor Europe des Singapore Economic Development Board. Dank zentraler Lage und guter Infrastruktur hat sich Singapur als Drehscheibe zwischen China und Südostasien etabliert. Mit etwa 1500 Unternehmen ist der deutsche Mittelstand dort stark vertreten. Der Stadtstaat fördert auch Betriebsansiedelungen von Mittelständlern. Deutsche Asien-Experten, sogenannte Botschafter, sollen dabei helfen: "Die Singapur Wirtschaftsbotschafter sind Manager und Unternehmer mit ausgewiesener Erfahrung in Asien, die wissen, worauf es für mittelständische Unternehmen ankommt. Sie beraten andere Manager und Unternehmer als Sprecher auf Konferenzen, in Fachbeiträgen und in persönlichen Gesprächen", sagt Loke. Wichtig für Betriebe ist auch die Absicherung der Geschäfte. "In Zeiten einer unsichereren Wirtschaftsentwicklung ist es sinnvoll, auf Förderinstrumente wie beispielsweise Hermes-Deckungen stärker zurückzugreifen. Darüber hinaus sollten Betriebe mehr auf sicherere Zahlungsweisen wie auch Bonitätsprüfungen ihrer Geschäftspartner achten", rät Robaschik.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/internet-ende-mit-panne-1.4162631
mlsum-de-9378
Weil herauskommt, dass es eine große Datenlücke gab, schließt Google sein soziales Netzwerk Google Plus für Privatnutzer. Das sollte Kon­kur­renz für Facebook werden.
Google Plus, so hat es ein Twitter-Nutzer sehr treffend zusammengefasst, "war das Fitnessstudio unter den sozialen Netzwerken. Alle sind angemeldet, aber keiner geht hin." Damit könnte es sein Bewenden haben, das Projekt würde sich einreihen unter die vielen Vorhaben des sonst so erfolgsverwöhnten Konzerns, die nicht funktioniert haben. Doch diesmal wird es ein Nachspiel geben, schon im März dieses Jahres gab es bei dem sozialen Netzwerk eine Datenpanne. Das könnte für Google besonders in Europa zum Problem werden. Denn der Konzern entschied sich dafür, die Öffentlichkeit zunächst nicht über das Leck zu informieren. Durch die Software-Panne hatten App-Entwickler Zugriff auf den Namen, die E-Mail-Adresse sowie Informationen über Beschäftigung, Geschlecht und Alter von Nutzern, wie Google am Montag zugab. Andere Daten seien nicht betroffen. Das Unternehmen kann zudem den Kreis der betroffenen Nutzer nicht genau eingrenzen. Der Fehler, teilte Google mit, sei im März 2018 entdeckt und umgehend behoben worden, hieß es. Hinweise darauf, dass die Daten missbraucht wurden, hat Google nach eigener Auskunft nicht, kann das aber auch nicht völlig auszuschließen. Der Konzern hatte sich im März dagegen entschieden, die Öffentlichkeit gleich über die Entdeckung zu informieren. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar leitete deswegen nun Ermittlungen ein. "Offenbar hat Google den Vorfall bewusst verschwiegen, damit Gras über die Sache wächst", sagte Caspar der Deutschen Presse-Agentur. "Zentrale Frage wird sein, wann die Lücke durch Google geschlossen wurde." Denn die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die strikt und unter Androhung drakonischer Strafen vorschreibt, Betroffene zu informieren, greift erst seit Ende Mai. Wenn Google allerdings die Lücke tatsächlich noch im März schloss, gilt dafür noch das alte Recht. Google-Chef Sundar Pichai wusste offenbar über die Datenpanne Bescheid, wie das Wall Street Journal berichtet. In einem internen Memo sei auf den Fall Facebook und Cambridge Anaytica hingewiesen worden. Cambridge Analytica soll Daten von 87 Millionen Facebook-Nutzern missbraucht haben. Die Nachricht hatte zu Verlusten bei der Facebook-Aktie und zu intensiven Nachforschungen in den USA und Europa geführt. Google Plus war im Juni 2011 an den Start gegangen, Ziel war es, dem erfolgreichen Konkurrenten Facebook etwas entgegenzusetzen. Doch Google ging es nicht anders als vielen zu spät Gekommenen. Google Plus war ein gewaltiger Flop. Zuerst erhielt man nur auf Einladung Zugang, später verknüpfte der Konzern sogar seinen erfolgreichen E-Mail-Dienst Gmail mit Google Plus. Mit einem Schlag hatte das soziale Netzwerk damit zwar zwei Milliarden angemeldete Nutzer. Die meisten davon guckten allerdings höchsten einmal kurz hinein und verwendeten es dann nicht mehr. Das Netzwerk wird nicht gleich abgeschaltet, die Abwicklung von Google Plus werde sich über die kommenden zehn Monate hinziehen, teilt Google mit. Die Nutzer würden in dieser Zeit mit Informationen darüber versorgt, ob und wie sie mit ihren Daten zu anderen Diensten umziehen könnten. Eine Version für kommerzielle Kunden soll bestehen bleiben.
https://www.sueddeutsche.de/auto/unterwegs-dem-raser-wird-geholfen-1.2410292
mlsum-de-9379
Der Raser ist des deutschen Gutmenschen liebster Feind. Jetzt hat Ford die ultimative Waffe dagegen entwickelt: den intelligenten Begrenzer.
Auf der Suche nach Feindbildern hat der durchschnittliche deutsche Gutmensch seit geraumer Zeit den Raser ausgemacht. Und er meint damit nicht nur den gewissenlosen, womöglich auch noch alkoholbenebelten Gemeinschädling, der sich bar jeder menschlichen Vernunft des Autos als Waffe bedient. Nein, ein Dorn im Auge sind dem vorgeblich Rechtschaffenen in einem zunehmend hysterischen Gemeinwesen längst selbst jene, die beim Anblick eines rot umränderten Limitschilds nicht unmittelbar in die Bremse springen, um sodann die aufgemalte Forderung strichgenau und ohne Ansehen der Umstände zu erfüllen. Der Gutmensch meint damit vielmehr auch all diejenigen, die unter Zuhilfename des gesunden Menschenverstands in Verbindung mit einem Mindestmaß an Fahrkönnen dem Verkehrsfluss gerecht werden. Und das, ohne Limits generell zu missachten. Ihrer Empörung machen die schulmeisterlichen Schleicher fallweise mithilfe von Lichthupe, Signalhorn oder auch durch drohendes Schütteln der geballten Faust Luft. Weh dem, der nicht handelt wie sie. Vermutlich macht dieser Spezies mitten unter uns nun der Autohersteller Ford ein Geschenk, auf das sonst keiner gewartet hat - auch und vor allem nicht die Gemeindevorstände, die ihre Haushalte mit den abkassierten Bußgeldern Jahr für Jahr so trefflich sanieren. Der Autobauer kündigt stolz einen von ihm sogenannten "intelligenten Geschwindigkeitsbegrenzer" an. Gekoppelt wird dabei der bekannte Tempobegrenzer mit der Verkehrsschilderkennung. Ist das erkannte Limit niedriger als die vom Fahrer eingestellte Geschwindigkeit, wird automatisch die Motorleistung gedrosselt - so lange, bis das vorgeschriebene Tempo erreicht ist. Na prima, werden die Gutmenschelnden nun sagen, endlich ist's vorbei mit den Rasern. Noch ein unnötiger Assistent mehr in unseren Autos, sagen wir. Mehr Hirn ist gefragt.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/3-liga-fussball-ganz-weit-weg-von-osnabrueck-1.3680401
mlsum-de-9380
Die SpVgg Unterhaching nutzt es geschickt aus, dass Gegner Meppen in Gedanken noch bei einem ganz anderen Spiel weilt. Nach forschem Beginn heißt es am Ende 4:0.
Es lief bereits die Nachspielzeit im Sportpark, die Aufregung des Nachmittags hatte sich längst gelegt, zu klar war die Angelegenheit. Schließlich führten die Gastgeber gegen Mitaufsteiger SV Meppen mit 4:0 (2:0) Toren. Manfred Schwabl lehnte entspannt am Zaun neben der Reservebank der SpVgg Unterhaching, der Klubpräsident ließ sich von einzelnen Anhängern auf die Schulter klopfen und konnte seinen Stolz über die Darbietung der Mannschaft kaum verbergen. "Da stehen jetzt sieben Jungs auf dem Platz, die aus unserem eigenen Nachwuchsleistungszentrum kommen", sagte Schwabl. "Das muss man immer im Hinterkopf haben." 30 Meter marschiert Bigalke aufs Tor zu - es wird sein dritter Assist nach dem Treffer zum 1:0 Es ist in der Tat bemerkenswert, wie weit der Drittliganeuling bereits ist. Andere Mannschaften mit diesem geringen Durchschnittsalter hätten jene Rückschläge, die den Rot-Blauen in der englischen Woche widerfuhren, vermutlich nicht so locker weggesteckt: Zunächst hatten sie vor einer Woche eine bitterböse 1:4-Heimpleite gegen die SG Sonnenhof Großaspach eingesteckt, dann verletzte sich im Abschlusstraining vor dem Mittwoch-Spiel bei Rot-Weiß Erfurt Mittelfeldstabilisator Dominik Stahl schwer am Sprunggelenk; er fällt sechs Wochen aus. Beim Gastspiel in Thüringen musste dann auch noch Ulrich Taffertshofer vorzeitig raus, der nächste Routinier. Dennoch rehabilitierte sich die SpVgg für die Großaspach-Pleite und gewann 2:0. Vor dem Meppen-Spiel hatte sich nun Kapitän Josef Welzmüller (muskuläre Probleme) verletzt abgemeldet, der Gegner kam zudem emotional gestärkt durch einen 1:0-Erfolg im ersten Derby gegen Osnabrück seit 17 Jahren. Doch genau dieses Resultat sollte zu einem Schlüssel für den Hachinger Sieg werden, wie SpVgg-Trainer Claus Schromm nach der Partie ausführte: "Das wäre so, als wenn wir erstmals nach 17 Jahren gegen Sechzig gewinnen würden, bei Flutlicht an einem Mittwochabend. Da wäre Meppen für uns auch ganz weit weg gewesen." Und genau so - nur eben umgekehrt - erging es den Emsländern: Sie wussten offenkundig wenig anzufangen mit der eher spartanischen Atmosphäre im Sportpark und dem von Beginn an aggressiven Offensivspiel der Gastgeber. "So war die Ansage an die Jungs: Schnell dranbleiben und versuchen, den Willen des SV Meppen zu brechen, damit die körperliche und mentale Müdigkeit beim Gegner möglichst rasch zutage tritt." Die Strategie ging auf. Nachdem Haching die weit gereisten Nordlichter eine Viertelstunde lang bearbeitet hatte, schoss zunächst Torjäger Stephan Hain seinen Kollegen Thomas Steinherr an, den Abpraller holte sich Max Dombrowka, dessen Flanke von der linken Seite durch Sascha Bigalke in zentraler Position per Volleyschuss veredelt wurde - 1:0 (16.). Haching marschierte weiter, Bigalke chippte den Ball über die Meppener Abwehrkette hinweg in den Lauf von Dombrowka, der alle Gegner stehen ließ und mit einem beherzten Schuss in den linken oberen Winkel abschloss - 2:0 (25.). Steinherr (35.) und der erst 19 Jahre alte Orestis Kiomourtzoglou (43.), der Stahl erneut hervorragend vertrat, ließen Chancen zu weiteren Toren vor der Pause aus. Angesichts der komfortablen Führung konnte es sich Coach Schromm leisten, den weiterhin angeschlagenen Taffertshofer, 25, bei Halbzeit auszuwechseln und durch den 18-jährigen Tim Schels zu ersetzen, dem Spielfluss tat das keinen Abbruch. Nach einem heftigen Foul von Meppens Jovan Vidovic an Steinherr bediente Bigalke per Freistoß von der rechten Strafraumgrenze den völlig freistehenden Stephan Hain, der per Kopf sein achtes Saisontor erzielte (50.). Erst jetzt nahmen die Hachinger etwas den Gang heraus, prompt kam der SVM zu einigen Chancen, das Resultat angenehmer zu gestalten, doch Benjamin Girth (62./63.) und Martin Wagner (74./80.) scheiterten entweder an Torwart Korbinian Müller, der Querlatte oder sie zielten vorbei. Dann kam noch einmal die SpVgg, der eingewechselte Vitalij Lux leitete einen Konter selbst ein, Bigalke marschierte 30 Meter aufs Meppener Tor zu, bediente dann wieder Lux und jener traf aus spitzem Winkel zum abschließenden 4:0 (85.) - Bigalkes dritter Assist nach seinem eigenen Treffer zum 1:0. "Unser Ziel ist es, die Liga zu halten. Wenn es so weiter geht, könnte das früh der Fall sein." Max Dombrowka freute sich darüber, dass sein Team zum zweiten Mal nacheinander zu null spielte: "An der Verteidigung hat es zu Saisonbeginn gehapert, Tore machen wir immer", sagte der Außenverteidiger. Präsident Schwabl stimmte zu: "Am Beginn der Saison waren wir in der Abwehr zu fahrlässig, da hat sich die Mannschaft jetzt gefangen." Trainer Schromm zog nach zehn Spieltagen eine erste Zwischenbilanz: "Wir können total zufrieden sein, unser Ziel ist es, die Liga zu halten. Und wenn das so weiter geht, könnte das richtig früh der Fall sein." Das wäre ganz im Sinne des Vereins, führte der Trainer weiter aus. "Dann könnten wir zeitig in die Planungen einsteigen und dann eventuell im nächsten Jahr den nächsten Step machen." Aber eines sei auch klar: "Wir haben 16 Punkte, und mit 16 Punkten steigt man ab."
https://www.sueddeutsche.de/politik/asyl-innenminister-fluechtlingsstrom-vom-balkan-blamabel-fuer-europa-1.2607474
mlsum-de-9381
Beim Besuch eines Flüchtlingsheims bereitet de Maizère die Deutschen darauf vor, dass noch mehr Flüchtlinge kommen. Er fordert eine starke Differenzierung bei den Asylverfahren.
"Es ist eine große Herausforderung, aber es ist keine Überforderung", sagt Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Ende seines Rundgangs auf dem Gelände der früheren Kaserne der DDR-Volkspolizei in Eisenhüttenstadt. Deutschland könne und werde den Zustrom an Flüchtlingen bewältigen, betont der Innenminister. "Wir sind ein freies und ein reiches Land." Und dann bezieht er klar Stellung: Es gebe, nicht hier in Eisenhüttenstadt, aber an anderen Orten zunehmend Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte. "Das ist unverständlich, unakzeptabel und unseres Landes unwürdig", sagt de Maizière. Weitab von der Landeshauptstadt Potsdam liegt die Zentrale Ausländerbehörde des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt nahe der polnischen Grenze. Hier ist die Zentrale Erstaufnahme des Landes untergebracht, in den letzten Wochen kamen immer mehr Flüchtlinge nach Eisenhüttenstadt , vor allem im Juli. Rund 2000 leben derzeit auf dem Gelände, viele in Zelten und Containern. Der Bundesinnenminister hat zuletzt bundesweit eine Reihe von Flüchtlings-Unterkünften besucht. Auch in Eisenhüttenstadt lässt er sich nun die Abläufe genau erklären, fragt nach konkreten Problemen und nach Ideen für Lösungen. "Wo kommen denn die Zelte her?" fragt er den Leiter der Einrichtung gleich zu Anfang, die großen Wohnzelte würden ja wohl knapp. Die habe man in Rotterdam aufgetan, erfährt er, sie stammen aus alten Beständen der US-Army. Auch an diesem Morgen sind weitere Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt angekommen. Die deutsche Öffentlichkeit müsse sich darauf einstellen, sagt der Innenminister, dass in diesem Jahr noch deutlich mehr kommen würden als bisher prognostiziert wurde. Bislang ging das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge von 450.000 in diesem Jahr aus. Seit Juni habe es jedoch einen großen Anstieg der Asylbewerberzahlen gegeben, sagte de Maizière. Eine konkrete Zahl will er kommende Woche nennen. "Der Schlüssel liegt darin, dass wir differenzieren", sagte de Maizière weiter und bezog das auf die Herkunftsländer der Flüchtlinge. In Eisenhüttenstadt seien viele Flüchtlinge aus Syrien, die ziemlich sicher in Deutschland bleiben könnten. Die zweit -und drittmeisten Asylsuchenden kämen aus Serbien und Albanien, die zu größten Teilen nicht bleiben könnten. Es sei wichtig, dass es für sie schnelle und faire Verfahren gebe und dass "sie dann schnell das Land wieder verlassen". Der Bundesinnenminister bezeichnete es als "inakzeptabel", dass derzeit rund 40 Prozent der Flüchtlinge in Deutschland vom Westbalkan kämen, er nannte dies blamabel für Europa. Es gelte, die Situation der Menschen dort zu verbessern. Er sprach sich zugleich dafür aus, weitere Länder des Westbalkans als sichere Herkunftsländer einzuordnen. Eine solche Initiative sei von Union und SPD gewollt, sie würde derzeit aber noch im Bundesrat am Widerstand der Grünen scheitern. Falls sich diese Lage ändere, werde er am nächsten Tag einen Gesetzentwurf vorlegen, sagte de Maiziere.
https://www.sueddeutsche.de/digital/google-android-fuchsia-1.3522548
mlsum-de-9382
Google arbeitet an "Fuchsia", das auf Handys, Tablets und Laptops laufen soll. Es lässt sich völlig anders bedienen als Android - und wirkt wie von Facebook inspiriert.
Das mobile Betriebssystem Android ist eine Erfolgsgeschichte: Auf knapp 77 Prozent aller Smartphones läuft das System von Google, berichtet die Datenanalysefirma Statcounter. Doch Androids Dominanz hat ihren Preis. Am Mittwoch verhängte die Marktwächter der EU-Kommission eine Rekordstrafe von 4,3 Milliarden Euro gegen Google. Zudem hat Android einen internen Konkurrenten: Schon länger arbeiten die Entwickler von Google an einem neuen Betriebssystem namens Fuchsia. Der Code des Projekts steht seit August 2016 auf der Plattform Github. Groß angekündigt hat das Unternehmen Fuchsia bisher nicht. David Burke, der bei Android für Entwicklung verantwortlich ist, beschrieb das neue System letztes Jahr noch als experimentelles Projekt. Nun berichtet der Finanzdienst Bloomberg, dass Fuchsia in Zukunft Android ersetzen soll, und beruft sich auf Personen, die mit dem Vorgang vertraut seien. Mehr als 100 Menschen sollen mittlerweile an dem Projekt arbeiten. Bloomberg zufolge ist Fuchsia nicht nur für Smartphones gedacht. In den nächsten drei Jahren soll es zuerst ein Betriebssystem für smarte Lautsprecher und andere vernetzte Geräte werden. Anschließend soll es auf Laptops laufen und könnte so Googles Betriebssystem Chrome OS ersetzen, das momentan auf mehreren Laptops des Konzerns und anderer Hersteller vorinstalliert ist. Das wichtigste Ziel sei aber, innerhalb von fünf Jahren auf Mobilgeräten Android zu ersetzen, schreibt Bloomberg. Fokus auf Sprachbefehle und Sicherheit Der Fokus von Fuchsia soll auf der Integration von Sprachbefehlen liegen. Außerdem soll Sicherheit eine größere Rolle spielen als bei Android: Immer wieder entdecken Sicherheitsfirmen und Forscher Angriffspunkte in Googles Betriebssystem. Sicherheitsupdates sind von Google, den Geräte-Herstellern und den Mobilfunk-Betreibern abhängig. Die Freiheiten, die Android bietet, machen es nicht ganz so sicher wie etwa das restriktivere Betriebssystem iOS von Apple. Die Google-Spitze hat dem Bericht zufolge allerdings noch keinen Fahrplan für Fuchsia abgesegnet. Da Android auf den Geräten von Dutzenden Partnerfirmen läuft und Tausende Entwickler einspanne, müssten Google-Chef Sundar Pichai und Android-Chef Hiroshi Lockheimer behutsam vorgehen. Ende 2016 hatte Lockheimer noch erklärt: "Wir wollen Android und Chrome OS nicht miteinander verbinden. Chrome OS löst andere Probleme als Android, wir brauchen nicht eine Lösung für zwei Probleme." Strafe wegen Marktmissbrauch Ein noch umfangreicheres Betriebssystem als Android könnte aber auch weitere Probleme mit der EU mit sich bringen: Google missbrauche die Marktmacht von Android, um unter anderem die Stellung der Google-Suche zu festigen, heißt es von der Kommission zur Begründung der 4,3-Milliarden-Euro-Strafe. Mit Android werden auch Dutzende Dienste von Google an die Smartphone- und Tablet-Nutzer ausgeliefert. Gerätehersteller müssen etwa den Browser Chrome und die Google Suche vorinstallieren, damit Nutzer den Play Store erhalten, Googles umfangreicher App Store für Android. Google will Einspruch gegen die Strafe einlegen. In einem Blogpost reagierte Google-Chef Pichai auf die Strafe der EU. Seiner Meinung nach erhöhe Android die Auswahl und verringere sie nicht. "Dank des Geschäftsmodells von Android haben wir von den Smartphone-Herstellern bisher kein Geld verlangt oder mussten das Vertriebsmodell stärker überwachen", schreibt Pichai. Als Beispiel nannte er zudem die Fire Tablets von Amazon, die Android nutzen, aber auf vorinstallierte Google-Dienste und damit auf die mehr als eine Millionen Apps im Play Store verzichten.
https://www.sueddeutsche.de/politik/oesterreich-kanzler-mit-hammer-und-sichel-1.3489263
mlsum-de-9383
Bizarrer Streit in der Wiener Regierungskoalition: Die konservative ÖVP verfasst ein Pamphlet über ihren Regierungspartner SPÖ.
Das rote Wien ist Legende, Klassenkampf war früher. Heute steht der sozialdemokratische Kanzler Christian Kern im eleganten Anzug auf der Hauptstadt-Bühne und redet am Maifeiertag über Hilfe für den Mittelstand. Trotzdem hat der konservative Koalitionspartner ÖVP jetzt ein 58-seitiges Heft mit der Warnung vor einer "linken Wende" herausgegeben. Dessen Titelseite zeigt in Retro-Ästhetik sowjetische Propaganda: den SPÖ-Kanzler mit Hammer und Sichel. Einerseits sind die Österreicher das gewöhnt. Im Land herrscht Dauer-Wahlkampf und Dauer-Gerede über vorgezogene Neuwahlen, was wohl eine Begleiterscheinung der Langzeit-Koalition von SPÖ und ÖVP ist. Würde man diese Beziehung mit einer Ehe vergleichen, stünde das Paar seit Jahren kurz vor der Scheidung, aber die Partner könnten sich aus Angst, im Versorgungsausgleich den Kürzeren zu ziehen, nicht dazu entschließen. Andererseits sind selbst in der früheren KP-Hochburg Graz kürzlich die letzten Alt-Linken aus der Stadtregierung gewählt worden. Und bundesweit käme eine Koalition der SPÖ und den sehr braven Grünen selbst mit Unterstützung der liberalen Neos derzeit bestenfalls auf 40 Prozent. Dennoch wirft die ÖVP, die mit ihrem Koalitionspartner gerade ein scharfes Fremden- und Integrationspaket verabschiedet und das gemeinsame Regierungsprogramm aktualisiert hat, den Sozialdemokraten jetzt vor, die wollten "von Zuwandern nichts einfordern" und Werte und Traditionen nicht erhalten. Im Netz kursieren nun satirische Posts über eine SPÖ-Spitze, die im Kanzleramt die Hymne der UdSSR singt. Der Kanzler selbst reagiert extrem cool: Kern hat auf seiner Facebook-Seite sein Profilbild gegen das Hammer-und Sichel-Porträt ausgetauscht und antwortet mit einer Ansprache, in der er den politischen FreundFeind einlädt, über die wirklich wichtigen Dinge zu diskutieren. Ach ja, und die ersten ÖVP-Landesverbände melden sich mit dem Hinweis, sie würden das KP-Manifest jedenfalls nicht verteilen. Generalsekretär Werner Amon verteidigt die Broschüre mit den Worten, auch die SPÖ sei im Vorwahlkampf. Dennoch verurteilt der Standard die Aktion als "reine Sudelei, obendrein ziemlich dämlich"; die Rede ist von einer "Schmutzkampagne". Man könnte also vermuten, der Schuss des attackierenden Koalitionspartners sei letztlich nach hinten losgegangen. Andererseits ist die scheinbar lässige Reaktion der SPÖ womöglich auch ihrer stillen Panik geschuldet, dass die nächste Regierung ohne rote Beteiligung und stattdessen blau-schwarz unter Führung der FPÖ sein könnte. Denn der wichtigste Landesverband, die Wiener SPÖ, hat sich in einem ausgewachsenen Machtkampf gerade selbst zerlegt, und die Grünen sacken, wie ihr deutsches Pendant, in die Bedeutungslosigkeit ab. Da nimmt es nicht Wunder, dass Kern, dem zuletzt aufgrund guter persönlicher Werte Neuwahlgelüste nachgesagt worden waren, ganz unbedingt erst zum offiziellen Termin im Herbst 2018 wählen lassen will. Und dass er selbst das koalitionäre "Anpatzen", wie solche politischen Angriffe in Österreich genannt werden, scheinbar gut gelaunt erträgt. Er habe, sagt er, mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass er "ein Kommunist" sei.
https://www.sueddeutsche.de/politik/unwetter-seehofer-im-katastrophengebiet-1.3020610
mlsum-de-9384
Rottal-Inn hohe Finanzhilfen, während in Rheinland-Pfalz das Festival "Rock am Ring" wegen der schweren Unwetter abgebrochen werden muss.
Sieben Tote und ein Gesamtschaden von mindestens einer Milliarde Euro - das ist die vorläufige Bilanz des Flutregens im niederbayerischen Landkreis Rottal-Inn. Rund eintausend Haushalte seien nach dem Unwetter vom vergangenen Mittwoch in ihrer Existenz bedroht, sagte Landrat Michael Fahmüller bei einem Besuch des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer im Katastrophengebiet. Das Landratsamt Weilheim-Schongau rief am Sonntag den Katastrophenfall für ein anderes Hochwassergebiet - rund um Polling - aus. Unterdessen wurde am Wochenende das bekannte Rock-Festival "Rock am Ring" in der Eifel in Rheinland-Pfalz, zu dem 90 000 Gäste gekommen waren, von den Behörden in der Nacht zum Sonntag wegen Unwetters abgebrochen. In Rottal-Inn sagte Landrat Fahmüller, insgesamt sei ein Drittel des Landkreises vom Flutregen heimgesucht worden. Mehrere Hundert Menschen hätten kein Obdach mehr. Es seien viele Arbeitsplätze verloren gegangen, weil das Wasser Wirtschaftsbetriebe zerstört habe: "Wie ein Tsunami raste das Wasser durch die Orte." Als Unterstützung forderte er eine Förderung, wie sie bei den Überschwemmungen 2013 an Elbe und Donau geleistet worden war. Seehofer kündigte nach einem Gang durch das zerstörte Simbach am Inn umfangreiche Finanzhilfe an. Am Dienstag werde das Kabinett deren Höhe beschließen. Bis Sonntag wurden im Landkreis Rottal-Inn bereits 5,6 Millionen Euro an Soforthilfe ausgezahlt. Jeder betroffene Haushalt erhält fürs Erste 1500 Euro. Seehofer versprach: "Wir helfen euch wesentlich stärker, als wir es bisher getan haben." Der Ministerpräsident schilderte das Ausmaß der Flut als "unvorstellbar". Fernsehbilder könnten das Drama nicht vermitteln, das sich abgespielt habe. Gleichzeitig warnte er mit Blick auf den Klimawandel vor zukünftigen Katastrophen. "Wir müssen heute mit Ausnahmezuständen rechnen, die sich in kürzeren Abständen mit noch größerer Dramatik wiederholen können. Und es kann jeden treffen." Seehofer forderte Umweltministerin Ulrike Scharf und Landwirtschaftsminister Helmut Brunner auf, mit den Kommunen Hochwasserschutzmaßnahmen auch für kleinere Gewässer vorzubereiten: Der Simbach im gleichnamigen Ort ist bei anderthalb bis zwei Metern Breite in der Regel knöcheltief. Am Mittwoch stieg er in wenigen Minuten auf vier Meter an. In Simbach waren weite Teile der Altstadt noch ohne Trinkwasser. Neben Feuerwehr und Technischem Hilfswerk waren weit mehr als tausend Freiwillige im Einsatz. Am Montag sollen Bundeswehrsoldaten eintreffen. Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks rief die Behörden auf, sich "für akute Überschwemmungsgefahren durch Bäche und kleine Flüsse noch besser zu wappnen". Nationale Vorsorgeprogramme gebe es nur für Ströme wie Rhein oder Donau. Bestürzend sei, dass sich "kleine Bäche in reißende Ströme verwandelten". Sie warnte vor zunehmend extremen Wetterlagen durch den Klimawandel: Der Lauf der Jahreszeiten gerate durcheinander.
https://www.sueddeutsche.de/sport/boxen-85-jahre-nach-max-schmeling-1.3766502
mlsum-de-9385
Manuel Charr erboxt sich den Weltmeisterschafts-Titel im Schwergewicht in Oberhausen - sein Sieg ist die letzte Pointe eines Lebens mit vielen Wendungen.
Natürlich hat der Boxer Manuel Charr am Samstag auch noch einmal gegen die Bilder und Worte vom September 2012 gekämpft, nicht nur gegen seinen Rivalen im Ring, den Russen Alexander Ustinow. Für die Bilder und Worte, die Charr seit fünf Jahren verfolgen, hat er selbst gesorgt. Das Internet ist in solchen Fällen gnadenlos, Youtube archiviert für die Ewigkeit. Damals, in der Olympiahalle in Moskau: Vier Runden lang war Charr von Vitali Klitschko verprügelt worden, Blut tropfte von seiner Augenpartie, als der Ringrichter irgendwann ein Einsehen hatte und den Kampf abbrach. Und dann gab Charr, der sich vor dem Kampf noch sehr großmäulig gegeben hatte, im Ring ein Interview, das den harten Mann in ihm zu konterkarieren schien. Charr redete und redete, irgendwann war das Blut getrocknet und das Gespräch mit dem Fernsehmann im Grunde beendet. Doch Charr redete noch weiter. Er wandte sich an seine Mutter. "Ich liebe dich, du kriegst trotzdem von mir die Einbauküche", sagte Charr. Den Zuschauern dämmerte: Er hätte seiner Mutter gern mehr geschenkt, aber nun, nach diesem aus seiner Sicht sehr unfairen technischen K.o., würde es erst mal bei der Einbauküche bleiben. Zumindest bis zur nächsten WM-Chance. "Dann kriegst du ein kleines Höschen . . . Haus von mir, Mama", sagte Charr. Die Häme der Kritiker war groß, als er Höschen sagte, aber Häuschen meinte Nun ist es tatsächlich so weit. Manuel Charr, 33 Jahre alt, 1,92 Meter groß, der im Libanon geborene "Koloss von Köln", ist der erste deutsche Boxweltmeister im Schwergewicht seit 85 Jahren. So lang ist es her, dass Max Schmeling den Titel aller Klassen besaß, er trug ihn von 1930 bis 1932. Charr besiegte Ustinow in Oberhausen einstimmig nach Punkten (115:111, 116:111, 115:112) und sicherte sich den Titel der WBA. Er dachte nun nicht mehr an seine Mutter, sondern an die Bundeskanzlerin: "Frau Merkel, wir haben es geschafft, wir sind Weltmeister!" , rief er im Ring. Charrs Sieg, das ist unstrittig, ist der Triumph eines Mannes, der in seinem Leben trotz aller Widrigkeiten niemals aufgegeben hat. Und doch mehren sich nun wieder dieselben kritischen Stimmen, die schon nach Charrs Niederlage gegen Klitschko zu Unrecht kübelweise Häme über ihn ausgeschüttet hatten. Dabei ist es ja so: Wer vier Runden lang Prügel von Vitali Klitschko bezieht, der darf unmittelbar danach schon auch mal Höschen sagen und Häuschen meinen. Oder nicht? Detailansicht öffnen Technisch nicht immer brillant, aber effektiv: Manuel Charr (r.) wurde der Titel nach dem Duell mit Alexander Ustinow einstimmig zugesprochen. (Foto: Guido Kirchner/AFP) Charr ist in der Boxszene umstritten. Weil er kein Ausnahmekönner ist, kein graziler Techniker. In jüngerer Vergangenheit hat Charr auch keinen namhafte Gegner besiegt. Um eine Weltmeisterschaft der WBA durfte er nur boxen, weil der Verband neben dem Briten Anthony Joshua gerne einen zweiten Titelträger haben wollte, der sich als solcher zu Geld machen ließe. Damit der Trick funktioniert und es intern trotzdem noch halbwegs fair zugeht, darf sich Joshua im Gegensatz zu Charr und genau wie seine Vorgänger Tyson Fury und Wladimir Klitschko "Superchampion" der WBA nennen. Charr ist kein Superchampion, er ist etwas viel Nachhaltigeres: Charr ist der Boxer mit der interessanten Lebensgeschichte. Und so etwas wiegt dann auch die Einschätzung seines ehemaligen Trainers Ulli Wegner auf, der als Co-Kommentator von Sky am Ring saß, dort erzählte, er gebe "Manuel immer wieder Tipps am Telefon", und über Charrs Gegner Ustinow urteilte: "Nur soviel: Der Russe hatte nichts drauf." Der Russe, der nichts drauf hatte, ist nun der Mann, der Charr zum Weltmeister machte. Man kann sich seine Gegner halt nicht immer aussuchen. Es ist ja ohnehin ein kleines Wunder, dass Charr überhaupt in den Ring klettern konnte am Samstag. Vor sieben Monaten bekam er zwei Hüftprothesen eingesetzt, nach acht Wochen Training stand er schon wieder im Ring. "Manchmal habe ich geweint vor Schmerzen", erzählte Charr nach dem Sieg, er rief: "Glaubt an euch. Arbeitet an euren Zielen. Seid hartnäckig. Nichts ist unmöglich!" Charrs Triumph ist also auch der seiner behandelnden Ärzte. Er holte sie bei der Pressekonferenz auf die Bühne, um sich bei ihnen zu bedanken. Aktuelles Lexikon: Schwergewicht Müssten David und Goliath heute einen Boxkampf austragen, gäbe es ein Problem. Sie dürften gemäß den internationalen Regeln nicht gegeneinander antreten. Goliath war angeblich drei Meter groß, sein Gegner ein schmächtiger Jüngling. Fair war das nicht - worauf der Mythos des Duells ja gerade fußt. Heute steckt der Gedanke, für einen vergleichbaren Wettbewerb zwischen Kontrahenten zu sorgen, in allen Kampfsportarten in der Einteilung von Gewichtsklassen. Der moderne Boxsport begann Ende des 19. Jahrhunderts, 17 Gewichtsklassen haben sich seitdem bei den Profis etabliert. Die unterste Kategorie: das Minifliegen- beziehungsweise Strohgewicht. In ihr darf antreten, wer bei den Männern höchstens 105 Pfund wiegt, umgerechnet 47,627 Kilo. Bei den Frauen liegt die Grenze bei 102 Pfund (46,266 Kilo). Die Königsdisziplin ist das Schwergewicht, dort muss der Athlet mindestens 200 Pfund (90,718 Kilo) wiegen (Frauen: 79,378 Kilo). Nach oben existiert kein Limit. Deshalb war es zulässig, dass der 33 Jahre alte Manuel Charr mit seinen 104,5 Kilo am Samstag in Oberhausen um den WM-Titel gegen Alexander Ustinow kämpfte, der 127 Kilo wog. Mit 2,02 Metern war der Russe zudem fast so groß wie Goliath - trotzdem gewann Charr. Er ist nun der erste deutsche Schwergewichts-Weltmeister seit Max Schmeling 1932. Berühmtester Schwergewichts-Boxer der Geschichte ist noch immer Muhammad Ali. Gerald Kleffmann Charr, der im Alter von fünf Jahren vor dem Bürgerkrieg im Libanon geflüchtete Sohn einer Libanesin und eines Syrers, besitzt seit anderthalb Jahren den deutschen Pass. Hierzulande saß er in Untersuchungshaft und musste vor Gericht, vor zwei Jahren erhielt er einen lebensgefährlichen Bauchschuss in einem Döner-Imbiss in Essen. Wegen seiner Hüftprobleme drohte ihm das Karriereende, "aber ich habe mich durchgebissen", jubelte er nun. Irgendwann, in nicht allzu ferner Zukunft, wird Manuel Charr wohl gegen den Klitschko-Bezwinger Anthony Joshua in den Ring steigen müssen, das große Duell erscheint unausweichlich. "Das ist mein Ziel. Ich will immer die Besten." Der Champion hat keine Angst mehr vor dem Superchampion. Und Mamas Häuschen muss abbezahlt werden.
https://www.sueddeutsche.de/sport/mitchell-weiser-beim-fc-bayern-azubi-auf-der-aussenbahn-1.2456006
mlsum-de-9386
Plötzlich ein Genie? Vor dem Pokalspiel gegen Dortmund haben sich die Karten von Mitchell Weiser beim FC Bayern schlagartig verbessert. Doch ihm fehlt ein Vertrag für die kommende Saison.
Wenn Pep Guardiola ins Schwärmen gerät, kann das zu Verwirrung führen, denn in seinem Wortschatz befinden sich eine Reihe Lobesbekundungen, die sehr ähnlich klingen. Da purzeln die Superlative manchmal wie Dominosteine. "Super, super" (gilt für fast alle), "top, top" (gilt für alle, außer Dante) und natürlich "unglaublich überragend" (gilt nur für Dante) findet der Bayern-Coach seine Spieler - da ist es mit den Abstufungen des Gutfindens natürlich verzwickt. Für Mitchell Weisers Darbietung beim 1:0 gegen Hertha BSC hatte sich der Bayern-Trainer eine neue Schwärmerei zurechtgelegt. Weisers Vorarbeit zu Bastian Schweinsteigers Siegtreffer bezeichnete Guardiola fachgerecht als "Geniestreich", was beim Katalanen eher nach "Chäniästreichä" klang. Der Nachwuchsmann hatte in der 80. Minute gleich vier Berliner zum Spalierstehen verdonnert, als er sie umkurvte. Diese kleine Vorlagenkunstwerk ist natürlich auch dem Coach aufgefallen - für Weiser kam der Auftritt zu einem günstigen Zeitpunkt, denn er braucht derzeit ein paar Argumente, um in der Pep-Gunst nach oben zu kommen. Vom "Chäniästreichä"-Bereich in den "top, top"-Bereich wäre da schon mal ein Anfang. Und vielleicht bekommt der 21-Jährige nach seiner sehr ordentlichen Vorstellung vom Samstag im Pokal gegen den BVB eine weitere Chance. Guardiola wird nach eigener Aussage "erst am Morgen vor dem Spiel entscheiden", wie er seine Mannschaft aufstellt, aber Mitchell Weiser wird sicher eine Rolle in seinen Grübeleien spielen. Denn: Womöglich fehlt dem Pep-System nach dem Ausfall von David Alaba ein weiterer Außenverteidiger. "Ein Geniestreich von Mitch" Sollten die Bayern wieder mit Viererkette agieren wie zuletzt in der Liga und sollte Rafinha wie schon gegen die Hertha ausfallen (ihn zwickt's an den Adduktoren), wäre auf Rechts erneut ein Plätzchen frei. Am vergangenen Samstag besetzte diese Position zunächst Sebastian Rode, der sich aber häufig festrannte. Nach der Pause beorderte Guardiola dann Weiser an selbige Stelle - das Resultat ist bekannt. Der gebürtige Rheinländer selbst freute sich über die Komplimente, allzu euphorisch wollte er sich aber nicht äußern. "Es ist einfach schön, dass ich der Mannschaft zum Sieg verhelfen konnte", sagte Weiser. Etwas blumiger formulierte es Manuel Neuer, der offenbar bei Guardiola im Vokabelheftchen gespickt hatte: "Ein Geniestreich von Mitch." Befeuert von solchen Komplimenten gestalten sich auch Weisers Zukunftchancen in München durchaus positiver als zuvor. Guardiola mag andere Profis etwas lieber haben als den Azubi auf der Außenbahn, aber zumindest Sportvorstand Matthias Sammer ist angetan von dessen Entwicklung. Eine vor Kurzem noch ausgeschlossene Vertragsverlängerung ist nunmehr in den "Vielleicht doch"-Bereich gerückt. Darf Weiser also bleiben? "Die Antwort ist einfach. Wir sind in der Kaderplanung noch nicht in der Entscheidungsphase", sagte Sammer am Wochenende. Man habe vereinsintern "gewisse Überlegungen", aber bei Weiser sei noch keine endgültige Entscheidung gefallen. "Sein Vertrag läuft aus. Auch er hat die Möglichkeit, sich umzusehen. Er weiß von mir, dass wir unsere Entscheidungen sehr spät treffen", präzisierte Sammer, der klar betonte: "Die Tür steht auf." Kommt er gegen Dortmund zum Einsatz? Die entscheidenden Wochen gestalten sich ob der Absenzen anderer Luxuskandidaten für Mitchell Weiser also ziemlich angenehm. Wobei einen weiteren Einsatz gegen Dortmund auch ganz andere Planspiele Guardiolas verhindern könnten: Sollten Rafinha und auch Juan Bernat (er trainierte am Montag nach Sprunggelenksproblemen wieder) rechtzeitig fit werden, stellt sich die Abwehr mit Boateng und Dante in der Mitte fast von selbst auf. Und auch Philipp Lahm kommt nach seinen Ausflügen auf Rechtsaußen (gegen Porto) und auf die Achter-Position (gegen Hertha) natürlich für alle Positionen außer der des Torwarts in Frage (er könnte wohl sogar "Mull" ersetzen). Für Weiser bedeutet dies: Abwarten und hoffen, dass sich Guardiola am Morgen des Spiels an seine neueste Schwärmer-Vokabel erinnert.
https://www.sueddeutsche.de/sport/wettmanipulation-zwei-monate-haft-fuer-handball-weltmeister-karabatic-1.3360116
mlsum-de-9387
Am Sonntag Weltmeister, jetzt verurteilt: Der zweimalige Welthandballer Nikola Karabatic und sein Bruder erhalten eine drastische Strafe auf Bewährung. Sie sollen Wettbetrug begangen haben.
Die beiden französischen Handballer Nikola und Luka Karabatic sind drei Tage nach ihrem Triumph mit der Nationalmannschaft bei der Heim-WM von einem Berufungsgericht in Montpellier zu jeweils zwei Monaten Gefängnis auf Bewährung und einer Geldstrafe von 10 000 Euro verurteilt worden. Der Richter ahndete damit ihre Verwicklungen in einen Wettskandal. Die beiden Weltmeister wurden für schuldig befunden, an einer Spielmanipulation in der höchsten französischen Liga beteiligt gewesen zu sein. Im Mai 2012 hatten die Karabatic-Brüder mit ihrem damaligen Team Montpellier HB überraschend bei Abstiegskandidat Cesson-Rennes Métropole HB 28:31 verloren. Wenig später geriet eine Gruppe von 14 weiteren Personen unter Verdacht, mit selbst oder durch Angehörige platzierte Wetten auf einen Halbzeitrückstand Geld kassiert zu haben. In der ersten Instanz waren Nikola Karabatic zu 10 000 und der jüngere Luka zu 15 000 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Dagegen legte der Generalstaatsanwalt Berufung ein und forderte jeweils 40 000 Euro Strafe. Die Gruppe soll durch ihre illegale Aktion mehr als 100 000 Euro verdient haben. Nikola Karabatic hatte stets alle Anschuldigungen zurückgewiesen. Nikola Karabatic ist einer der erfolgreichsten Handballer überhaupt. 2007 und 2014 wurde er zum Welthandballer gewählt, er hat vier WM-Titel, drei EM-Titel und zwei Mal Olympiagold in seiner Sammlung. Ab 2005 spielte er vier Jahre für den THW Kiel, wurde dabei vier Mal Deutscher Meister. Insgesamt gewann er drei Mal die Champions League.
https://www.sueddeutsche.de/sport/ski-alpin-rueckkehr-des-risikokitzlers-1.2759852
mlsum-de-9388
Der lange verletzte Aksel Lund Svindal bereichert den Kampf um den Gesamtweltcup. Gleich bei der ersten Abfahrt des Winters demonstriert der Norweger seine Klasse.
Die größten Gefahren lauern auf einen Skifahrer nicht immer auf der Piste, sondern daneben, und deshalb spielt der Skirennfahrer Aksel Lund Svindal jetzt erst einmal kein Fußball. Vor einem Jahr in Sölden kickte Svindal mit seinen Teamkollegen aus Norwegen, er streckte sich, ein Knall, die Achillessehne war gerissen, acht Tage vor dem Saisonauftakt. Es war eine blöde Verletzung, nicht ganz so skurril wie bei seinem Landsmann Svein Grondalen; der Fußballer war beim Joggen einst mit einem Elch zusammengestoßen und verpasste ein Länderspiel. Aber Svindal ärgerte sich schon mächtig. Er wusste, dass er wohl die gesamte Saison würde pausieren müssen, er wirkte noch an zwei Rennen bei der WM in Vail mit, fuhr aber nicht mit voller Schubkraft. Vor einem Monat, als Svindal in Sölden vor die Kameras trat, verkündete er also einen amtlichen Beschluss: kein Fußball mehr. "Ich schaue nicht mal mehr im Fernsehen zu", sagte Svindal, dann lachte er. Geschadet hat Svindal der Entzug offenbar nicht. Im Riesenslalom von Sölden kam der 32-Jährige ordentlich in die Saison rein. In Lake Louise/Kanada gewann er am Samstag die Abfahrt, die erste im Weltcup nach seiner langen Pause, am Sonntag auch den Super-G (vielleicht auch deshalb, weil kanadische Fußballübertragungen derart lausig sind, dass er sich aufs Skifahren konzentrieren konnte). Svindal war jedenfalls der Schnellste, am Sonntag vor Matthias Mayer/Österreich (0,35 Sekunden zurück) und Peter Fill/Italien (0,45); am Samstag gar nur eine Hundertstelsekunde vor Fill. Und weit vor den ambitionierten Deutschen, die von Thomas Dreßen (23./Abfahrt) und Josef Ferstl (20./ Super-G) angeführt wurden. Svindal war es fast unangenehm, dass er Fill den Sieg entrissen hatte, "eine Hundertstel, sorry", sagte er, bevor er ein paar Argumente zu seiner Verteidigung anführte: "Ich habe gehört, dass Peter schnell war", da habe er halt alles riskiert. Außerdem sei es "immer cool, Rennen zu gewinnen. Detailansicht öffnen "Ich habe viel riskiert, fast zu viel": Aksel Lund Svindal gewinnt in Lake Louise im ersten Weltcup-Rennen nach langer Verletzung die Abfahrt. (Foto: Alexis Boichard/AFP) Jetzt ist es schon lange her, da ist es noch cooler." Die Konkurrenz wird es wohl verschmerzen, dass ihnen Svindal schon wieder Punkte und Siege wegnimmt. Sie finden es ja schon auch cool, dass dieser Norweger wieder mitmacht. Der Mensch Svindal ist angenehm, sympathisch, eloquent, der Skifahrer Svindal schnell und furchtlos; er verleiht dem Kampf um den Gesamtweltcup, um den sich zuletzt Marcel Hirscher aus Österreich und Svindals Landsmann Kjetil Jansrud gezankt hatten, noch mehr Würze. Viele Scheinwerfer richten sich in diesen Tagen auf Svindal, manche würde das lähmen, aber bei Svindal hat man das Gefühl, dass er sich von diesem Licht nie blenden lässt, im Gegenteil. Svindal, hat sein Trainer Franz Gamper der NZZ einmal gesagt, kann nicht verlieren, im Training nicht, im Wettkampf schon gar nicht. Das sei nicht immer einfach fürs Binnenklima, für Trainer und Teamkollegen, aber letztlich sei es eine gute Sache. Weil es Svindal in andere Leistungssphären hineintreibt. Er begreift den Druck als Partner, der ihn auf dem Weg zu großen Leistung begleitet. Bei Weltmeisterschaften hat er mehr Goldmedaillen gewonnen (fünf) als silberne und bronzene (drei), er ist immer gut, wenn es drauf ankommt, und wenn es nicht drauf ankommt ist er auch gut, seit Jahren. Nachdem sich Svindal vor einem Jahr verletzt hatte, zog er durchs Silicon Valley, dem Think Tank der Technikbranche, "der Industrie der großen Ideen", wie er später berichtete. Er hatte Menschen getroffen, die sich hohe Ziele setzten, die Spaß daran hatten, sich vom Risiko kitzeln zu lassen und großen Zielen hinterherzujagen. "Das hat mir Spaß gemacht", sagt Svindal. In Sölden stellte er fest: "Vielleicht ist mein Körper älter, aber ich habe einen jüngeren Spirit." ‹ › Der Norweger Aksel Lund Svindal ist einer der erfolgreichsten Skirennfahrer der Gegenwart. Der 32-Jährige hat zwei Mal den Gesamtweltcup und acht WM-Medaillen gewonnen. 2010 wurde er in Vancouver Olympiasieger im Super-G. Bild: imago Wird geladen ... "Skifahren ist ein Teamsport", sagt Svindal, "bis auf die zwei Minuten im Wettkampf." Man kann Svindal als Phänomen bezeichnen, das einem Verband nur alle paar Jahre zufällt. Wobei die kleine Alpinnation Norwegen ja seit Jahren diese mental gefestigten Ausnahmefahrer fördert und hervorbringt. In Norwegens Alpinsparte gehört es zur Firmenkultur, dass die Fahrer sich in eine Mannschaft eingliedern, auch die Besten. Sie vererben ihr Wissen an die nächste Generation, von König zu Thronfolger, Lasse Kjus und Kjetil André Aamodt an Svindal, Svindal an Jansrud, Henrik Kristoffersen oder Sebastian Foss Solevaag. Svindal lebt vor, wie und was ein Spitzensportler trainiert, er studiert die Vertragsentwürfe, die Skifirmen den jungen Athleten unterbreiten, er sagt ihnen, wo sie verhandeln sollten und wo nicht. Als er sich in der vergangenen Saison ans Skifahren herantastete, trainierte er mit der zweiten Mannschaft, den Fahrern im Europacup, er gab ihnen viele Tipps, wie ein Co-Trainer. "Skifahren ist ein Teamsport. Bis auf die zwei Minuten, die du im Wettkampf fährst", so sieht Svindal das. Zwei Mal hat er den Gesamtweltcup gewonnen, 2007 und 2009. Und jetzt? "Ich muss mich erst einmal stabilisieren", sagt er. Außerdem war da zuletzt "immer dieser Kerl aus Österreich", Marcel Hirscher; der 26-Jährige ist seit vier Jahren im Besitz der großen Kristallkugel. Hirscher findet es gar nicht so schlecht, dass Svindal wieder mitfährt, er hofft, dass sich die Norweger in den Speed-Disziplinen ein paar Punkte klauen. Svindal und Jansrud deuten es wiederum als Vorteil, dass sie sich haben. Sie beschäftigen den selben Ausrüster, die selben Servicemänner, vor den Rennen testen sie diverse Paar Skier, das beste Paar erhält derjenige, der in der Weltrangliste besser ist. Derzeit also Jansrud. Noch.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/brasilien-profi-surfer-ricardo-dos-santos-vor-seinem-haus-erschossen-1.2314132
mlsum-de-9389
Ricardo dos Santos ist tot. Ein Polizist, der nicht im Dienst war, soll ihn vor seinem Haus niedergeschossen haben. Der brasilianische Surfer erlag seinen Verletzungen.
Santos stirbt nach Notoperation Der brasilianische Surfer Ricardo dos Santos ist vor seinem Haus bei Florianópolis im Bundesstaat Santa Catarina niedergeschossen worden. Der 24-Jährige wurde von drei Kugeln getroffen. Er wurde mit einem Hubschrauber in ein Krankenhaus gebracht. Dort starb er. Dos Santos gehört zur internationalen Surfer-Elite und war einer der bekanntesten Vertreter seines Sports in Brasilien. Nach Angaben des Krankenhauses konnte er trotz einer Notoperation nicht gerettet werden und erlag am Dienstagnachmittag (Ortszeit) seinen Verletzungen. Polizist will in Notwehr gehandelt haben Ein Polizist, der nicht im Dienst war, soll die tödlichen Schüsse am Strand von Guarda do Embaú nahe der südbrasilianischen Stadt Florianópolis abgegeben haben. Die Hintergründe des Falls sind jedoch noch völlig unklar. Wie der leitende Ermittler Marcelo Arruda dem Nachrichtensender G1 Globo sagte, will der Beamte in Notwehr gehandelt haben. Polizei und Militärpolizei ermittelten demnach gegen den 25-Jährigen wegen Mordverdachts. Der 24-jährige dos Santos soll den Polizisten nach dessen Aussage mit einem Messer bedroht haben, sagte Arruda. Am Tatort sei jedoch kein Messer gefunden worden. Zunächst hatte es geheißen, dos Santos habe an seinem Haus Umbauarbeiten vorgenommen. Demnach hatte er den Fahrer eines geparkten Autos gebeten, das Fahrzeug umzusetzen. Anschließend seien die Schüsse gefallen. Zwei Männer seien festgenommen worden. Möglicherweise standen sie unter Drogeneinfluss, berichtete die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf lokale Medien.
https://www.sueddeutsche.de/karriere/hilfskraefte-in-deutschland-sie-machen-den-job-1.2682824
mlsum-de-9390
Hunderttausende Frauen aus Osteuropa pflegen in Deutschland alte Menschen - meist ohne anständigen Vertrag. Wie sich das ändern lässt.
Das Ehepaar im Erdgeschoss hält Mittagsruhe, die Pause von Tatiana Krzyzanowska hat begonnen. Nachts muss sie damit rechnen, geweckt zu werden. Und ein Wochenende gibt es für sie sowieso nicht. Aber zwischen 13 und 17 Uhr hat sie Zeit, um spazieren zu gehen oder in die Stadt zu radeln. Oder sie bleibt in ihrem Zimmer im Obergeschoss des Sechzigerjahre-Siedlungshauses in Erlangen-Tennenlohe, sieht fern oder lernt Deutsch. Für die polnische Haushaltshilfe wurden ein Jugendbett, eine alte Couch und ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen auf dem wild gemusterten Teppich platziert, im Einbauregal steht ein Flachbildschirm. Internet oder Satellitenfernsehen gibt es nicht. Über eine Rasenfläche blickt man durchs Fenster direkt auf die A3. Noch fühlt sich Krzyzanowska sehr fremd, sie ist erst seit drei Wochen in diesem Haushalt. "Ich habe das Gefühl, ich störe." Aber es sei für alte Menschen eben schwer, sich an eine neue Mitbewohnerin zu gewöhnen. Sie hofft, dass das Paar früher oder später Vertrauen zu ihr fasst. "Ich bin immer geduldig", sagt sie, "hier im Zimmer kann ich mal traurig sein oder wütend. Draußen lächle ich." Morgens um halb sieben steht sie auf, macht Frühstück, räumt auf, putzt. Auch für Mittagessen und Abendbrot ist sie zuständig. Wenn es der über 80-jährigen herzkranken Frau nicht gut geht, hilft sie beim Ausziehen. Auch nachts wird sie manchmal gerufen. "Dann tröste ich und sage: Tief atmen!" Tatiana Krzyzanowska ist selbst schon 62, wirkt aber jünger mit dem dunklen Pferdeschwanz und der zierlichen Figur. Früher war sie Chemielaborantin in Stettin, mit Mitte 50 ging sie in den Vorruhestand. Doch dann reichte die kleine Rente nicht, um die Schulden ihres Ex-Mannes abzuzahlen. Tatiana Krzyzanowska beschloss, wie so viele andere Polinnen, als 24-Stunden-Hilfe in Deutschland zu arbeiten. "Ich hatte keine Wahl", sagt sie. "Und ich mag alte Menschen. Ich bin so erzogen, Respekt vor ihnen zu haben." Nach unterschiedlichen Schätzungen sind in 100 000 bis 200 000 deutschen Senioren-Haushalten 24-Stunden-Hilfen aus Osteuropa beschäftigt. Meist müssen sie nicht nur kochen und putzen, sondern auch pflegen. Nach einer Befragung des Deutschen Instituts für Angewandte Pflegeforschung (dip) wird in mehr als drei Vierteln der Haushalte Hilfe beim Waschen und Duschen benötigt. Jede dritte betreute Person leidet unter Demenz, fast 30 Prozent können nicht alleine stehen und gehen und müssen wegen der Sturzgefahr fast permanent beaufsichtigt werden. Auch Tatiana Krzyzanowska hat schon intensiv gepflegt. Zweieinhalb Jahre lang versorgte sie eine bettlägerige Erlangerin in deren Haus, fütterte sie, wechselte ihre Windeln und war auch Ansprechpartnerin für die Hausärztin. Einmal im Jahr nahm sie ein paar Tage Urlaub. Im August ist die alte Dame, die sie sehr mochte, gestorben.
https://www.sueddeutsche.de/reise/ende-der-reise-entdecker-auf-tour-1.4021607
mlsum-de-9391
Die Polizei hat auf der A1 in Holstein einen Liegeradfahrer gestoppt. Der Amerikaner wollte nach Barcelona, das Navi hatte ihm den Weg gewiesen. Ein Pionier!
Die Verwirrung begann bereits mit Christoph Kolumbus, der einen Hafen in China anpeilte, unterwegs die Seepassage nach Indien finden wollte und dabei auf Amerika stieß, was darauf schließen lässt, dass der große Navigator über weite Strecken seiner Entdeckungsreise keinen blassen Schimmer davon hatte, wo er sich befand. Somit hat Kolumbus einiges mit Pauschalurlaubern auf Mallorca gemein, die ihre Lieblingsinsel für das 17. deutsche Bundesland statt für spanisches Territorium halten. Oder mit einem Kosmopoliten vom Schlag des Fußballers Andreas Möller, der einmal, auf seine sportliche Zukunft angesprochen, die berühmt gewordene klare Reiserichtung vorgegeben hat: "Mailand oder Madrid - Hauptsache Italien." Heute gilt noch mehr als zu Kolumbus' Zeiten: Zum Reisen gehört nicht unbedingt ein Plan im Sinne einer Landkarte. Immer wieder wird von der Tourismusindustrie vermeldet, es komme den Urlaubern nicht mehr auf die Ziele an, weil jeder sowieso schon überall war, sondern auf die Art des Urlaubs. Singles, Fahrradfahrer oder Hundebesitzer - jeder verschwindet in einem speziellen Hotel, und egal ob Spanien oder Italien - Hauptsache Kreuzfahrtschiff, das einen Urlaubsort an sich darstellt, wo immer es herumkurvt. Da ist es äußerst erfrischend zu erfahren, dass es doch noch echte Entdecker unter den Reisenden gibt. Unerschrockene, die sich wie einst Kolumbus aufmachen, die Welt zu durchmessen, einen starken Willen in den Knochen und einen modernen Sextanten im Gepäck, bereit, sich über Tausende Kilometer den Launen der Elemente zu unterwerfen. Menschen wie den amerikanischen Liegeradfahrer, den die Polizei diese Woche auf der A 1 in Holstein gestoppt hat. Er kam aus Oslo, hatte Barcelona angepeilt und dabei die Autobahnauffahrt entdeckt, die ihm das Navi seines Smartphones wies. Der Mann zeigte sich den Beamten gegenüber geschockt von seinem Verhalten. Nun könnte man natürlich einwenden, dass Liegeradler die Andreas Möllers unter den sportlichen Individualreisenden sind. Aber damit würde man dieser Pionierleistung nicht gerecht. Gegen Amerika bumsen sowieso alle automatisch, die gen Westen segeln. Aber nicht jeder stößt unterwegs auf Erkenntnis und entdeckt spät, aber immerhin seinen Verstand.
https://www.sueddeutsche.de/politik/kolumbien-adios-buergerkrieg-1.2662945
mlsum-de-9392
Nach einem halben Jahrhundert ist Kolumbien offenbar reif für den Frieden. Die Farc-Rebellen wollen sich wandeln.
Seit mehr als einem halben Jahrhundert tobt ein Bürgerkrieg in Kolumbien. Nun könnte er in nur sechs Monaten vorbei sein. In Havanna präsentierten Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos und der Anführer der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc), Rodrigo Londoño, genannt Timoleon oder Timochenko, eine Erklärung, die Grundlage für einen Frieden sein soll. Das Abkommen soll im März 2016 unterzeichnet werden, verbunden mit einer Volksabstimmung. Es soll ein "definitives Adiós für den längsten Krieg Amerikas" sein, sagte Santos. Dann taten Santos und Timochenko etwas, das lange keinem kolumbianischen Präsidenten und keinem Guerrilla-Führer in den Sinn gekommen wäre: Sie reichten sich die Hand. Auch Kubas Präsident und Gastgeber Raúl Castro gesellte sich aufs Foto, er hatte den Verhandlungen beigewohnt. Kuba und Norwegen sind Garantiemächte für den Frieden. Die Vereinbarung war in dreijährigen Gesprächen in Oslo und Havanna ausgehandelt worden. Oberster Friedensstifter aber war Papst Franziskus, der Kuba gerade verlassen hat. Man handele in seinem Sinne, sagte Santos. Kriegsverbrechen sollen geahndet werden - egal, wer sie begangen hat Kernpunkt des Abkommens ist, dass die Farc aufhören, eine Rebellentruppe zu sein und sich zu einer politischen Bewegung wandeln. Sechs Monate haben sie Zeit, ihre 7000 bis 9000 Kämpfer zu entwaffnen. Hart verhandelt worden war, was mit den vielen Kriegsverbrechern geschehen soll. Nun steht fest, dass es zwar eine Amnestie für politische Aktivitäten geben soll, aber keine Straffreiheit für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Geiselnahme, Folter, Vertreibung, illegale Hinrichtungen und sexuelle Gewalt. Wer kooperiert und gesteht, muss mit fünf bis acht Jahren Haft rechnen. Alle anderen mit 20. Zur Aburteilung werden Gerichtshöfe eingerichtet, denen "unsere qualifiziertesten Richter vorsitzen", wie Santos versprach. Er hob hervor, dass nicht nur Farc-Mitglieder abgeurteilt würden, sondern jeder, der an dem Konflikt teilgenommen und Verbrechen begangen habe - auch staatliche Agenten, Offiziere und Soldaten. Santos schloss, dies sei ein Meilenstein, nicht nur für Kolumbien und Amerika, sondern für die Welt. Er zeige, wie man Konflikte beenden könne. Rebellenführer Timochenko sagte, er sei äußerst zufrieden. Er versprach, alle Anstrengungen zu unternehmen, damit die Vereinbarung umgesetzt werden könne. US-Außenminister John Kerry lobte die Vereinbarung als "historischen Fortschritt". Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte, die "schwersten Hürden" für einen Friedensschluss seien weggeräumt. Deutschland werde bei der "großen Aufgabe der Übergangsjustiz" behilflich sein. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, vor allem von Menschenrechtsgruppen, die auf gescheiterte Friedensvereinbarungen in der Vergangenheit verweisen - sowie das extreme Misstrauen auf beiden Seiten und den bestehenden Gegensatz zwischen Arm und Reich. Das Misstrauen ist in Generationen gewachsen. Der Bürgerkrieg begann Ende der Vierzigerjahre nach der Ermordung des liberalen Politikers Jorge Eliécer Gaitán beim sogenannten "Bogotazo", der in einen bewaffneten Konflikt mündete. Im Prinzip war es ein Kampf Stadt gegen Land, arme Bauern gegen Söldner der Großgrundbesitzer und Konzerne. 1964 gründeten Aufständische die Farc. Anfangs waren sie bei der Landbevölkerung beliebt, überfielen die Milchwagen und verteilten die Ladung, agierten als Schutzmacht der Bauern. Doch im Laufe der Jahrzehnte rüsteten sie immer mehr auf, Farc und rechtsgerichtete Paramilitärs standen sich in einem äußerst brutalen Kampf gegenüber, dazwischen agierte die Armee - nicht weniger brutal. 220 000 Menschen starben, Millionen wurden vertrieben. Seit einigen Jahren finanzieren sich die Farc durch Drogenhandel. Ihre weltweit spektakulärste Tat war die Entführung der Politikerin Ingrid Betancourt. In letzter Zeit zeigten sich die Kämpfer jedoch kriegsmüde, viele wollten lieber am kolumbianischen Wirtschaftswunder teilhaben, als im Urwald zu kämpfen.
https://www.sueddeutsche.de/geld/treppenhaus-ausrutscher-ohne-schmerzensgeld-1.564695
mlsum-de-9393
Wer in einem Miets- oder Bürohaus auf frisch gewischten Treppen ausrutscht und sich verletzt, hat keine Ansprüche gegen den Eigentümer.
Eine Schreibkraft, die in einem Architekturbüro arbeitete, verunglückte, als sie für ihren Chef die Post holen wollte. Um zum Hausbriefkasten zu gelangen, war die Frau eine fünfstufige Treppe hinuntergestiegen. Die mit glänzendem Naturstein belegten Stufen waren kurz zuvor von einer Reinigungskraft feucht gewischt worden und daher glatt. Die Büroangestellte rutschte auf der nassen Treppe aus, stürzte und verletzte sich. Später verklagte sie den Eigentümer und Vermieter des Bürohauses auf Schadenersatz. Sie vertrat die Auffassung, er habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil er die Treppe nass wischen ließ, ohne dafür zu sorgen, dass sie entweder sofort wieder getrocknet oder zumindest ein entsprechender Warnhinweis aufgestellt wurde. Ihre Klage vor dem Landgericht Gießen hatte jedoch keinen Erfolg. Der Vermieter habe seine Verkehrsicherungspflicht nicht verletzt, so das Urteil. Er habe nicht veranlassen müssen, dass nach jedem Wischen die Treppen getrocknet oder Warnhinweise aufgestellt wurden. Eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließe, sei nicht erreichbar, so die Richter. Deshalb müssten Hauseigentümer lediglich dafür sorgen, dass sich andere bei vernünftigem Verhalten frei in ihrem Gebäude bewegen könnten. Sie seien nur verpflichtet, so viel Sicherheit zu schaffen, wie ihre Besucher oder Mieter erwarten dürften. Gegen Gefahren, die diese bei zumutbarer eigener Vorsicht selbst abwenden könnten, müsse keine Vorsorge getroffen werden. In Büro- oder Mietshäusern, so das Gericht, gingen die Sicherheitserwartungen nicht so weit, dass Mieter oder in dem Gebäude arbeitende Personen jederzeit trockene Treppen erwarten könnten. Vielmehr müssten sie immer damit rechnen, dass das Treppenhaus auch während der Arbeitszeiten in regelmäßigen Abständen gereinigt würde. Die Frau hätte daher selbst darauf achten müssen, ob die Treppe frisch gewischt und nass war. Der Vermieter müsse nicht haften, so die Richter. Aktenzeichen: Landgericht Gießen 5 O 139/01. (sueddeutsche.de/ Anwalt-Suchservice)
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-dfb-enthaelt-sich-bei-fifa-abstimmung-1.3500994
mlsum-de-9394
Der Fifa-Kongress nickt die Absetzung der Chef-Ethiker Eckert und Borbely mit großer Mehrheit ab. DFB-Chef Grindel übt Kritik.
Die Ablösung der beiden Chef-Ethiker des Weltverbandes FIFA ist ohne Zustimmung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ratifiziert worden. Der Fifa-Kongress stimmte am Donnerstag mit großer Mehrheit für die vom Fifa-Council vorgeschlagenen Kandidaten, zu denen der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert (München) und der Schweizer Chefermittler Cornel Borbely nicht mehr gehörten. Die beiden hatten am Dienstagabend von ihrer Ausbootung erfahren. Die Fifa-Delegierten stimmten im Kongresszentrum von Bahrains Hauptstadt Manama nicht über jeden einzelnen Kandidaten, sondern für jede Kommission en bloc ab. Der DFB enthielt sich beim Votum für die Ethikkommission, aber jeweils 97 Prozent der Fifa-Verbände winkten die Kandidaten für die ermittelnde und rechtsprechende Kammer durch. Grindel: "Das ist sicherlich nicht der Weg" DFB-Präsident Reinhard Grindel hatte schon während der Council-Sitzung für den Verbleib von Eckert und Borbely plädiert. Die Kandidaten-Liste war dann aber einstimmig abgesegnet worden. "Ich hätte mir gewünscht, dass der Prozess der Neu-Bildung der einzelnen Kommissionen transparenter gewesen wäre, indem die Vorschläge früher bekannt gewesen wären", sagte Grindel: "Ich habe sie erst in der Council-Sitzung gesehen, und das ist sicherlich nicht der Weg, wie wir in Zukunft solche sensiblen Entscheidungen treffen sollten." Grindel sei "gegen das Verfahren und gegen die Ablösung" gewesen: "Ich habe mich eindeutig im Council positioniert - das kann jeder meiner Kollegen bestätigen", sagte der frühere Bundestagsabgeordnete: "Ich habe vor der Entscheidung gesagt, dass es ein schlechtes Signal wäre - und das gilt auch danach noch. Die Reaktionen mit Blick auf das Ansehen der Fifa bestätigen meine Meinung." Aus Deutschland rückt derweil DFB-Vizepräsident Rainer Koch in die Governance-Kommission der Fifa auf. Dieser hätte ursprünglich Grindel angehören sollen, die Wahl ins Fifa-Council und Uefa-Exekutivkomitee machte das aber unmöglich.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-bayern-heynckes-lobt-lahms-kluge-entscheidung-1.3369810
mlsum-de-9395
Der Ex-Trainer bedauert aber, dass der FC Bayern eine weitere Identifikationsfigur verliert. Uli Hoeneß glaubt an eine Rückkehr. Die Stimmen zu Philipp Lahms angekündigtem Abschied.
Karl-Heinz Rummenigge (Vorstandschef FC Bayern): "Der FC Bayern München ist überrascht über das Vorgehen Philipp Lahms und seines Beraters. Ende vergangener Woche hat er uns mitgeteilt, dass er derzeit nicht für eine Position in der sportlichen Leitung zur Verfügung stehen und seinen bis zum 30. Juni 2018 laufenden Lizenzspieler-Vertrag vorzeitig zum Saisonende auflösen möchte. Bis gestern sind wir davon ausgegangen, dass es zu dieser Entscheidung eine gemeinsame Erklärung Philipp Lahms und des FC Bayern München geben wird. Wir möchten klarstellen, dass für Philipp die Türen beim FC Bayern München auch künftig offen stehen." Uli Hoeneß (Präsident FC Bayern via Funke Mediengruppe): "Für Philipp Lahm bleibt die Tür bei uns offen. Ich kann mir vorstellen, dass er eines Tages beim FC Bayern arbeitet. Die Überraschung mit der Bekanntgabe ist für mich eine Marginalie. Da verändert sich nichts. Philipp Lahm hat unseren größten Respekt verdient. Aber es ist nicht üblich, mit diesen Dingen vor wichtigen Spielen an die Öffentlichkeit zu gehen. Samstag hatten wir das Schalke-Spiel. Montag war die Aufsichtsratssitzung. Und Dienstag war das nächste Spiel. Also wollten wir das ab Mittwoch bereden, wie wir verfahren. Wir sahen ja keine Eile. Die Aufgabe als Sportdirektor hätte ja so oder so erst am 1. Januar 2018 begonnen." Mats Hummels (Nationalverteidiger FC Bayern nach dem Spiel): "Davon wussten wir nichts. Es ist sehr schade, dass er ab Sommer nicht mehr dabei ist. Ich hätte es gerne gesehen, dass er noch weiter spielt. Ich bin überrascht, aber respektiere das, er wird seine Gründe haben. Ich kann ihn auch verstehen. Er hat schon in der Nationalmannschaft ein gutes Timing bewiesen. Ich habe keine Ahnung, was er vor hat." Carlo Ancelotti (Trainer FC Bayern München bei Sky): "Von den angeblichen Plänen von Philipp Lahm weiß ich nichts. Er hat heute fantastisch gespielt und ist ein wichtiger Spieler für uns. Er ist eine tolle Persönlichkeit." Jupp Heynckes (Ex-Trainer FC Bayern via Rheinische Post): "Philipp Lahm ist ein konsequenter Mann, und er hat eine kluge Entscheidung getroffen, er will sicher noch etwas Erfahrung sammeln. Er ist der konstanteste Spieler der Bundesliga. Der FC Bayern verliert nach Bastian Schweinsteiger die nächste Identifikationsfigur." Lothar Matthäus (Rekordnationalspieler via Sport Bild): "Ich kann Philipp Lahm nicht ganz verstehen. Wenn man vom FC Bayern ein Angebot als Sportdirektor bekommt, dann sollte man sich das mehr als überlegen. Das kommt vielleicht nur einmal im Leben und bis 2019 warten? Er hätte noch das eine oder andere Jahr spielen können. Aber ganz wegzugehen als Spieler und als Verantwortlicher, das kam für viele überraschend." Mehmet Scholl (Ex-Bayern-Profi und ARD-Experte): "Als Fußballfan finde ich es schade. Er hat in seiner Karriere 70 Prozent überragend gespielt und die restlichen 30 Prozent Weltklasse. Er steht in Deutschland in einer Reihe mit Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Lothar Matthäus - also den ganz Großen. Menschlich kann man sich auf seine Entscheidung immer verlassen. Es war auch nach der WM eine richtige Entscheidung, dass er zurücktritt. Er ist jemand, der seinen Körper kennt. Er wird auch nicht mehr schneller werden. Er tritt jetzt erhobenen Hauptes ab."
https://www.sueddeutsche.de/auto/blinkers-jetzt-blinkt-auch-das-fahrrad-1.3006628
mlsum-de-9396
"Blinkers" soll Radfahren sicherer machen. Denn die Technik kann viel mehr, als nur die Richtung anzuzeigen.
"Wir haben intelligente Autos, wir haben intelligente Häuser, aber das Fahrrad ist stehengeblieben", sagt Nicolas Callejo. Der 21-jährige Spanier, der in Zürich Maschinenbau studiert, hat recht. Das Fahrrad hat sich bis auf die Entwicklung des E-Bikes in seinen Grundzügen in den vergangenen 100 Jahren kaum verändert. Das wollte Callejo ändern. Er gründete mit einigen Freunden, alle Anfang 20 und spanische Studenten in Zürich, das Start-up Velohub. Das erste Produkt dieser Zusammenarbeit ist "Blinkers", ein Blinksystem fürs Rad. Hintergrund der Idee war die unsichere Situation von Radfahrern in der Stadt. In seiner Heimat traue sich kaum jemand mit dem Bike auf die Straße, sagt Callejo. "Die meisten in Spanien fahren aber auch nicht sehr gut Auto", scherzt er. Die Freunde entwarfen deswegen einen Richtungsanzeiger fürs Rad, der deutlich macht, wohin der Fahrer abbiegen möchte. Das dreieckige Element lässt sich am Lenker und an der Sattelstange befestigen, bedient wird die Einheit am Lenker. Die Hände müssen so nicht heruntergenommen werden. Viel mehr als nur Blinker Neben der Blinkeinheit besitzt das System auch integrierte Fahrradlampen, ein Bremslicht und zwei Laser, die grüne Linien rechts und links neben das Rad werfen. Das signalisiert anderen Verkehrsteilnehmern, den nötigen Sicherheitsabstand einzuhalten. Aufgeladen werden die Lichter per USB-Anschluss am Rechner. Sieben Stunden sollen sie so durchhalten. Zurzeit ist das Projekt noch in der Gründerphase. An der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) gewannen die jungen Spanier einen Preis, dessen Prämie ihnen bei der Entwicklung half. Die Swiss Startup Factory, ein Konsortium aus Privatinvestoren, betreute sie dann über drei Monate hinweg, um sie auf ihre Zukunft als Unternehmer vorzubereiten. Es gibt einen riesigen Markt Über das Crowdfunding-Portal Kickstarter soll jetzt das nötige Geld reinkommen. Die Kampagne läuft seit vergangenem Montag, schon nach wenigen Tagen war ein Drittel des Ziels von 50 000 Euro erreicht. Das ist keine große Überraschung. Gerade Produkte rund ums Fahrrad funktionieren sehr erfolgreich auf verschiedenen Finanzierungs-Plattformen. Das liegt daran, dass für junge Menschen in urbanen Gebieten das Auto immer weiter an Reiz verliert. "So ein Auto ist toll", sagt Callejo. "Aber es kostet mich viel Geld - Versicherung, Sprit, und so weiter. Ein Fahrrad bekomme ich schon für 100, 200 oder 300 Franken." Nur "cooles Zubehör" gäbe es noch nicht viel für Radfahrer. Also gründen sich immer wieder Start-ups in diesem Bereich, "weil es da einen riesigen Markt gibt", erklärt Callejo. 72 Millionen Fahrräder gibt es allein in Deutschland. 89 Euro pro Set Für die jungen Gründer ist Kickstarter auch eine Möglichkeit, die Nachfrage für ihr Produkt zu testen. "So sieht man, was die Leute wollen", sagt Callejo. Mit dem Geld solle der Feinschliff an Blinkers vorangetrieben und die ersten Exemplare produziert werden. Bisher löten die Freunde die Prototypen noch selbst zusammen. 89 Euro kostet ein Set mindestens, bei erfolgreicher Finanzierung startet die Auslieferung im Februar 2017. Danach wollen sich die Spanier darauf konzentrieren, neue Funktionen in ihr System zu integrieren. Per Anbindung ans Internet soll sich das Smartphone mit dem Blinker verbinden und Informationen austauschen. So wäre zum Beispiel ein Diebstahlschutz denkbar. Auch den brauchen Radfahrer in der Stadt schließlich dringend.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/fussball-orientierungslos-im-paragrafendschungel-1.3553099
mlsum-de-9397
Der U17 des SC Fürstenfeldbruck fehlte noch ein Punkt zum Aufstieg in die Bayernliga. Dann bekam Konkurrent Unterhaching sechs aberkannte Zähler zurück. Nun fühlt sich der SCF vom Verband benachteiligt.
Vor vier Wochen war alles für eine Feier vorbereitet. Vorletzter Spieltag, fünf Punkte Vorsprung, nur ein Punkt fehlte der U17 des SC Fürstenfeldbruck noch zum Aufstieg in die Bayernliga. Stattdessen müssen sie an diesem Mittwoch gegen den FC Schweinfurt in der Relegation antreten. Besser: sie müssten. Der SCF und sein Präsident Jakob Ettner fühlen sich vom Bayerischen Fußball-Verband (BFV) freilich so sehr benachteiligt, dass er nicht mehr zur Relegation antreten will. Eine entsprechende E-Mail sei am Dienstag an den Verband geschickt worden, erklärt Ettner. Er übernehme die volle Verantwortung dafür, auch wenn dies möglicherweise zur Folge habe, "dass dies mein Ende als Präsident des Vereins ist". Folgendes ist passiert: Ende April hatte das Sportgericht Bayern der SpVgg Unterhaching II, Brucks Konkurrent, sechs Punkte abgezogen. Beim 5:1 gegen Obertraubling hatte die SpVgg einen Spieler ihrer Bundesliga-Mannschaft eingesetzt, der laut Urteil nicht spielberechtigt war. Nach der Berufung der Hachinger entschied das Verbandssportgericht (VSG) unmittelbar vor dem vorletzten Spieltag jedoch, dass Haching die Punkte zurückbekommt. Prompt verloren die geschockten Brucker gegen Milbertshofen - danach war Spitzenreiter Haching uneinholbar. "Aus Sportlersicht ist die Enttäuschung natürlich nachvollziehbar, wenn man statt des sicher geglaubten Aufstiegs in die Relegation muss. Aber nach intensiver Prüfung und Urteil des VSG ist die SpVgg Unterhaching II auf sportlichem Weg korrekt Meister geworden", erklärt BFV-Sprecher Thomas Müther. Zwei Dinge sind es, die Ettner ärgern: Zum einen zweifelt er das Berufungsurteil an. Der Sachverhalt ist kompliziert. Im Kern ging es aber darum, ob der eingesetzte Unterhachinger Spieler Stammspieler der ersten Mannschaft war oder nicht. Dazu gibt es in der Jugendordnung des BFV und jener des Deutschen Fußball-Bundes unterschiedliche Interpretationen. Im ersten Urteil hatte man die bayerische Variante zur Begründung herangezogen. Das, räumt der BFV ein, sei ein Fehler gewesen. Ettner versteht aber die zweite Entscheidung nicht, im wahrsten Sinne. Zumindest sei sie "von Juristen so spitzfindig formuliert, dass man sie als Normalsterblicher nicht nachvollziehen" könne. Er wirkt frustriert. In solchen Fällen seien es ja immer die "großen" Vereine, in diesem Fall die SpVgg Unterhaching, die Recht bekämen. Der zweite Grund: Im März hatte der BFV eine Satzungsänderung vorgenommen, der die Transferphase im Jugendbereich ausweitet: Statt am 15. Juni darf ein Spieler nun schon am 1. Juni einen Verein verlassen. Auch deshalb hätten mittlerweile schon sechs Spieler Fürstenfeldbruck verlassen, für die Relegation stünden noch maximal zehn Spieler zur Verfügung. SCF-Präsident Ettner beklagt Intransparenz beim BFV: "Das ist ja alles nicht mehr zu verstehen." Die Angelegenheit wurde noch komplizierter, weil Ettner Ende Mai im Urlaub und somit nicht zu erreichen gewesen war. Eigentlich wollte der BFV die Relegation nämlich vor den Pfingstferien austragen lassen. Die Spielansetzung war aber daran gescheitert, dass beide Teams mindestens fünf Tage vor der Partie den Termin bestätigen müssen. Ettner glaubt, dass er nicht der einzige Funktionär ist, dem der Paragrafendschungel über den Kopf wächst. So entsteht Misstrauen; und dieses erweitert den Interpretationsspielraum. Ettner geht es längst nicht mehr nur um die U17, sondern um die seiner Meinung nach intransparenten Entscheidungen des Verbands. So wurden seit September 2014, nachzulesen auf der Webseite des BFV, 29 Satzungs- oder Ordnungsänderungen beschlossen - nach dem letzten Verbandstag also, der im Normalfall Satzungsänderungen beschließt. Der Vorstand hat laut Satzung zwar die Möglichkeit, diese Änderungen vorzunehmen. Ettner aber findet, dass es beachtlich viele sind, die im so genannten Umlaufverfahren erwirkt wurden, quasi auf Zuruf. Dieses Verfahren erlaubt dem Vorstand Neuregelungen, die dem nächsten Verbandstag nur noch zur Bestätigung vorgelegt werden müssen. Ettner weiß, dass er auf juristischem Weg gegen den Verband kaum Aussicht auf Erfolg hat - an der BFV-Spitze stehen mehrere Juristen. Trotzdem sagt er: "Die Relegation zu spielen, wäre ein Eingeständnis", und erwägt den Gang vor ein Zivilgericht. Halb im Ernst, halb im Scherz fordert er vom BFV, dass den Vereinen für solche Fälle Anwälte gestellt werden müssten. Denn: "Das ist ja alles nicht mehr zu verstehen."
https://www.sueddeutsche.de/geld/aussergewoehnliche-belastungen-kosten-fuer-krankheit-und-pflege-was-steuerzahler-jetzt-wissen-muessen-1.3463872
mlsum-de-9398
Ein neues Urteil kann helfen, in Fällen mit außergewöhnlicher Belastung mehr Geld vom Staat zurückzubekommen.
Krankheitskosten zählen zu den sogenannten außergewöhnlichen Belastungen, die für die Steuererklärung wichtig sein können Wer in der Vergangenheit versucht hat, Krankheits- oder Kurkosten in seiner Steuererklärung geltend zu machen, ist oft an der hohen Grenze gescheitert, ab der diese Kosten erst steuermindernd sind. Ende März veröffentlichte das höchste deutsche Steuergericht, der Bundesfinanzhof, ein wichtiges Urteil: Die bisherige Berechnung dieser zumutbaren Belastung ist falsch. Grundsätzlich sind private Ausgaben in der Einkommensteuererklärung nicht abzugsfähig. Ausnahmen gibt es aber in kostenintensiven, außergewöhnlichen Notlagen wie Krankheit, Behinderung, Pflege, Hochwasser oder Scheidung. Gerät ein Steuerpflichtiger in solch eine Ausnahmesituation, kann er in seiner Steuererklärung außergewöhnliche Belastungen geltend machen. Zu unterscheiden ist zwischen besonderen und allgemeinen außergewöhnlichen Belastungen. Zu ersteren zählen beispielsweise die Kosten für ein volljähriges Kind in Ausbildung, das zu Hause ausgezogen ist. Dafür können Eltern den Ausbildungsfreibetrag geltend machen. Andere Beispiele sind der Pflege-Pauschbetrag für die unentgeltliche Pflege oder der Behinderten-Pauschbetrag. In diesen Fällen gelten Höchst- oder Pauschbeträge. Die Aufwendungen zählen zwar ab dem ersten Cent, sind aber maximal bis zum Höchstbetrag abzugsfähig. Anders verhält es sich mit Krankheits-, Pflege-, Kur- und Wiederbeschaffungskosten. Diese allgemeinen außergewöhnlichen Belastungen mindern die zu zahlende Steuer erst, wenn die sogenannte zumutbare Belastung überschritten wird. Diese wiederum ist sozial gestaffelt und beträgt zwischen ein und sieben Prozent der Gesamteinkünfte. Paragraf 33 Einkommensteuergesetz sieht drei Einkommensstufen vor: unter 15 340 Euro, bis 51 130 Euro und mehr als das. Abhängig vom Familienstand und der Anzahl der Kinder waren bislang pauschal unterschiedliche Prozentsätze von den gesamten Einkünften zu überschreiten. Ein Beispiel: Ein kinderloser Single mit 51 200 Euro Einkünften musste bislang sieben Prozent davon als zumutbare Belastung selbst tragen, also 3585 Euro. Nur zusätzliche Ausgaben minderten die Steuer. Der Bundesfinanzhof entschied aber in seinem jetzt veröffentlichten Urteil, dass die mit dem Einkommen steigenden Prozentsätze stufenweise anzuwenden seien und nicht wie bislang auf den Gesamtbetrag (Urteil vom 19. Januar 2017, Az. VI R 75/14). Folglich ergibt sich in dem Single-Beispiel nach der neuen Berechnung eine zumutbare Belastung von nur noch 2919,30 Euro, also 665,70 Euro weniger als nach der bisherigen Berechnung. Der Steuerzahler kann also mehr absetzen. Ein weiteres Beispiel: Hat ein lediger Arbeitnehmer Einkünfte von 75 000 Euro und zahlt 30 000 Euro für das Pflegeheim der Eltern, spart er aufgrund des BFH-Urteils fast 300 Euro Steuern. Was Steuerzahler jetzt unternehmen sollten Derzeit ist noch nicht sicher, ob die Finanzverwaltung das BFH-Urteil akzeptieren wird. Allzu oft hat sie in der Vergangenheit auf missliebige mit Nichtanwendungserlassen reagiert. Erst wenn das Urteil offiziell im Bundessteuerblatt veröffentlicht wird, bindet es auch die Finanzämter. Um sich aktuell den Steuervorteil zu sichern, muss ein Steuerpflichtiger, der solche außergewöhnliche Kosten getragen hat, selbst aktiv werden. Alle nachweisbaren außergewöhnlichen Belastungen sollten in der Steuererklärung angegeben werden. Wer seine Steuererklärung 2016 bereits abgegeben, schon den Bescheid erhalten hat oder demnächst bekommt, der sollte binnen eines Monats gegen die Berechnung Einspruch einlegen. Bereits ab 2012 wurde in vielen Steuerbescheiden wegen der zumutbaren Belastung ein Vorläufigkeitsvermerk aufgenommen. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch Ende November 2016 eine Verfassungsbeschwerde zu diesem Thema erst gar nicht angenommen. Derzeit ist beim BFH noch ein Verfahren anhängig, in dem es darum geht, ob Krankheitskosten sogar ohne Kürzung um eine zumutbare Belastung abzugsfähig sein können (Az. VIII R 52/13). Steuerzahler können sich darauf berufen und den Abzug vom ersten Cent an beantragen. Allerdings hat der BFH in seinem aktuellen Urteil bestätigt, dass die zumutbare Belastung an sich verfassungsgemäß ist. Weil seit 2012 viele Steuerbescheide wegen der zumutbaren Belastung vorläufig ergangen sind, können diejenigen, die von einer Neuberechnung betroffen sind, bei ihrem Finanzamt beantragen, dass es die Steuerbescheide ändert. Sie können sich in diesem Fall auf Paragraf 165 Absatz 2 Abgabenordnung berufen.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/demenzkranke-klaenge-gegen-das-vergessen-1.2725504
mlsum-de-9399
Kann man den Text des Schlagers "Griechischer Wein" vergessen? Musik und Bewegung helfen Demenzkranken. Zu Besuch bei einem außergewöhnlichen Ball.
So ein Rollator kann ein ziemlich guter Tanzpartner sein. Er gibt einem nie einen Korb, passt sich jeder Schritttechnik an und macht praktisch nie schlapp. Die kleine grauhaarige Dame auf der Tanzfläche hat beim Cha-Cha-Cha jedenfalls einen Riesenspaß mit ihrem Rollator. Sie erinnern zwar nicht, was sie mittags gegessen haben - aber die Melodie von "Griechischer Wein" "Und jetzt: Rock'n'Roll!" ruft Georg Stallnig, der Tanzlehrer, ins Mikro. Kein Problem für Frau L. und ihr Fahrgestell: Rollatoren sind für Rock'n'Roll geradezu ideal. In der Wolkenburg, einem festlichen Ballsaal im Zentrum Kölns, herrscht an diesem Novemberabend Hochstimmung. Aus den Boxen kommt ein Schlager, und 120 Besucher singen lauthals mit: "Korn-blu-men-blau!" Die Menschen, die sich zur Veranstaltung "Wir tanzen wieder" getroffen haben, sind 60 bis 90 Jahre alt und mittel- bis hochgradig dement. Sie wissen zwar nicht mehr, was sie mittags gegessen haben und wo rechts und links ist - aber wie die Melodie des Schlagers "Griechischer Wein" geht, das wissen sie noch genau. Manche sitzen singend im Rollstuhl, manche sind körperlich noch so fit, dass sie im Walzertakt übers Parkett wirbeln. Die Herren tragen Anzug, Hemd und Krawatte, die Damen festliche Kleider. Einer der Tänzer hat einen Zylinder auf dem Kopf, einen bunten Anzug an und eine rote Pappnase im Gesicht. Ja, ist schon wieder Karneval? Das hier ist nicht der übliche Senioren-Tanztee mit schlechter Musik und Gebäck Der Mann, der hier den "Tanzclown Pfiffikus" gibt, heißt Stefan Kleinstück und ist eigentlich Koordinator eines Kölner Demenz-Servicezentrums. 2007 hatte er die Idee, Demenzkranke zum Tanzen zu bringen. Und zwar nicht so wie beim Tanztee im Seniorenheim, bei dem Volksmusik aus einer schlechten Stereo-Anlage scheppert, während die Bewohner Kuchen essen. "Eine festliche, außergewöhnliche Atmosphäre bekommt man im Altenheim einfach nicht hin", sagt Kleinstück. "Wenn man dagegen zu den Leuten sagt, ,komm, wir gehen tanzen!' und sich dann in so einem schönen Saal in festlicher Garderobe trifft, dann weckt das ganz andere Gefühle." Demenz ist eine der großen Volkskrankheiten. Etwa 1,5 Million Menschen leben in Deutschland mit dieser Erkrankung, die Stück für Stück verschiedene Hirnareale zerstört. Jedes Jahr zählt die Deutsche Alzheimer Gesellschaft 300 000 Neuerkrankungen. Eine Heilung ist trotz intensiver Forschung bislang nicht möglich. Musik kann auf Demenzkranke allerdings wie ein Transformator wirken, sie verändert nicht die Gesamtsituation, aber die Grundstimmung. Ein fast kindlicher Zugang zur Heilung: Fühlen statt Wissen Dass Bewegung hilft, die Demenz etwas hinauszuzögern, wie eine Untersuchung der Deutschen Sporthochschule in Köln herausfand, ist dabei ein willkommener Nebeneffekt. Deshalb sei es wichtig, einen Raum zu schaffen, in dem die Krankheit mal keine Rolle spielt, findet Stefan Kleinstück. Die Wolkenburg bietet das: mit Kronleuchtern, festlich gedeckten Tischen und einer geräumigen Tanzfläche. Kleinstück alias Clown Pfiffikus und Tanzlehrer Stallnig locken die Leute mit allen Tricks aus der Reserve. Sie duzen, drücken, herzen und fordern zum Tanzen auf. Und damit wirklich alle mitmachen, legen sie zwischendurch Kölner Karnevals-Klassiker auf. "Wenn man zu viel nachdenkt, kann man schlecht tanzen", sagt Georg Stallnig. "Wer dement ist, denkt überhaupt nicht nach, wie ein Schritt geht, er versucht es einfach." Es ist ein fast kindlicher Zugang: Fühlen statt Wissen. Aus dem Kölner Experiment ist eine bundesweite Initiative geworden, 13 Standorte, vor allem in Nordrhein-Westfalen und Norddeutschland, bieten mittlerweile Veranstaltungen nach dem Muster von "Wir tanzen wieder" an. Dabei ist den Initiatoren wichtig, dass es nicht um Tanzen als Therapie geht, auch nicht um Unterricht. "Wir erklären ja nicht, wie der Cha-Cha-Cha geht", sagt Georg Stallnig, "wir sagen nur: Lasst uns tanzen!" Es geht um Vernetzung: Hier begegnen sich demente Senioren, Betreuer und Verwandte; Menschen unterschiedlicher Generationen und mit unterschiedlichen Rollen kommen unkompliziert miteinander in Kontakt. Warum die alte Dame lieber mit mit ihrem Rollator schunkelt? Weil sie der Chef sein kann Für Betreuer und Verwandte ist es ein ziemlicher Aufwand, die Demenzkranken in den Ballsaal mitten in der Kölner Altstadt zu bringen, die Gäste kommen mit Bussen aus Senioreneinrichtungen aus der Region rund um Köln. Aber wer die leuchtenden Augen und roten Wangen der Tänzerinnen und Tänzer sieht, weiß: Es lohnt sich. "Wenn sie die Musik von früher hören, kommen so viele Emotionen hoch", sagt Angie Stiak, Betreuerin aus dem St. Anna-Haus der Caritas Hürth. Sie ist mit neun Teilnehmern angereist, die sich gerade auf der Tanzfläche daran erinnern, wie der Cha-Cha-Cha ungefähr geht. Eine Frau tanzt mit ihrem Stoff-Seehund im Arm, den sie auch nicht weglegt, als sie Georg Stallnig zum Tänzchen auffordert. Zwischen zwei Titeln kann man ein Paar beobachten, das sich zärtlich auf die Wangen küsst. Sie wirken verliebt. "Das ist das Schöne hier, die Leute werden aktiv und gehen auf andere zu", sagt Angie Stiak. Auch für die nicht dementen Teilnehmer ist das eine gute Erfahrung: "Das ist dann keine Pflegebeziehung mehr, die manchmal belastend sein kann, sondern eine beschwingte Tanzbeziehung", sagt Stefan Kleinstück. Nur die Rollatoren-Frau schunkelt nach wie vor lieber mit ihrem Metallpartner, obwohl sie körperlich fit genug wäre, auch mit einem Herrn zu tanzen. Einmal habe er sie aufgefordert, erzählt Kleinstück, doch nach einer Runde wollte sie zurück zu ihrem Rollator. Die Begründung der Dame: "Früher musste ich immer so tanzen, wie mein Willi wollte, jetzt tanze ich so, wie ich will." Der Rollator als Ideal-Ehemann auf Rollen, der nie widerspricht. Nach zweieinhalb Stunden ohne Tanzpause wirken die Teilnehmer des Balls erschöpft. Die Senioren haben Schlager aus den Fünfzigern mitgesungen und sind zu Hip Hop im Kreis gehüpft. Was sie gesungen haben, wen sie getroffen haben und welche Titel sie gehört haben, werden die meisten von ihnen schon am nächsten Morgen vergessen haben. "Wir bekommen aber immer wieder Rückmeldungen von Betreuern und Angehörigen, dass das Tanzen die Leute doch nachhaltig beeinflusst", sagt Stefan Kleinststück. Das Glücksgefühl halte länger an als nur ein paar Stunden: "Sie wissen zwar nicht mehr, wo sie waren, aber sie spüren, dass es schön war."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/mittwochsportraet-der-zerrissene-1.3460381
mlsum-de-9400
Jörg Asmussen war einer der wichtigsten Männer der Euro-Zone. Als Investmentbanker berät er heute Unternehmen und Staaten.
Detailansicht öffnen Mit seinem plötzlichen Abgang als Direktor in der Europäischen Zentralbank überraschte Jörg Asmussen die Öffentlichkeit. "Privat war es richtig, beruflich nicht", gibt er heute offen zu. (Foto: Johannes Simon) Ein grauer Tag in Frankfurt: Das Institute of International Finance, die wichtigste Bankerlobby der Welt, hat in ein Nobelhotel geladen, einmal mehr geht es um die drei großen Sorgen der Finanzmärkte: Euro-Krise, Brexit, Trump. Und alle sind gekommen: Deutsche-Bank-Chef John Cryan, Bundesbankpräsident Jens Weidmann, UBS-Verwaltungsratschef Axel Weber, später stößt auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dazu. Und mittendrin: Jörg Asmussen. Er war lange einer der am besten vernetzten Beamten der Bundesregierung. Im Bundesfinanzministerium hat er vier verschiedenen, höchst unterschiedlichen Ministern gedient, meist in deren engstem Umfeld. Den SPD-Mann Oskar Lafontaine hat er zu den Treffen der G-7-Finanzminister begleitet, dessen Nachfolger Hans Eichel machte ihn erst zum Leiter des Ministerbüros, dann zum Abteilungsleiter, Peer Steinbrück berief ihn schließlich zum Staatssekretär und der CDU-Mann Schäuble schickte ihn dann später als Direktoriumsmitglied zur Europäischen Zentralbank. Doch die Zeiten haben sich geändert: In seiner alten Welt, der Politik, ist Asmussen nicht mehr zu Hause. Seit September 2016 arbeitet er jetzt für die amerikanische Investmentbank Lazard. Zu Hause in 27 Ländern, verwaltet sie das Geld Reicher und Superreicher, berät Unternehmen bei Übernahmen und Staaten mit Schuldenproblemen. Griechenland war lange Kunde.