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Eines eint alle Fälle sexuellen Missbrauchs in Internaten und Klosterschulen: Die Angst und Scham der Schüler machten die Übergriffe von Pädagogen und Priestern erst möglich. Bei den meisten der in Schulen und Internaten geschehenen Fälle sexuellen Missbrauchs, die nun, oft erst nach Jahrzehnten, öffentlich werden, wurden die Betroffenen nicht durch physische Gewalt gefügig gemacht. Sondern durch den Tribut, den die Macht stets und überall einfordern kann, wenn sie es darauf anlegt: die Angst. Wer die Macht hat, muss nicht den Kasernenhofton anschlagen, um unwiderstehlich zu werden. Er kann den Tribut mit freundlichen Blicken oder einem Schwall schmeichelnder Worte einfordern, und er kann mit stummen, aber unmissverständlichen Signalen dementieren, dass das, was er gerade vollzieht, Machtmissbrauch ist, bis sich über den angstdurchsetzten Verzicht auf Gegenwehr die Suggestion des Einverständnisses gelegt hat. Der mächtigste Verbündete dieser scheinbaren Anerkennung der Rechtmäßigkeit des Geschehens ist die Begleiterin der Angst, die Scham. Scham ist Angst vor der Selbstentblößung und darum Angst auch vor der Bloßstellung des Mächtigen, der seine Macht missbraucht hat. In der Diskussion über die öffentlich gemachten Missbrauchsfälle sitzen derzeit die katholische Kirche und die Reformpädagogik gemeinsam auf der Anklagebank. Sie waren bisher eher durch tiefes wechselseitiges Misstrauen miteinander verbunden. Bischof Mixa hat die Diskussion um ein ziemlich einfältiges Argument bereichert: Erst die sexuelle Liberalisierung, ein Lieblingsthema der Reformpädagogen in der Odenwaldschule und anderswo, habe den Missbrauch in Kirchen und Schulen ermöglicht. Sicher, es gehörte ja zum Selbstverständnis der Reformpädagogik, das Wohl des Kindes vor dem Zugriff der großen, mächtigen, hierarchisch gegliederten Institutionen retten zu wollen. Gerade weil die Unterschiede zwischen der großen, alten, machterprobten Institution und der jugendbewegten, institutionsskeptischen, im frühen 20. Jahrhundert wurzelnden Reformpädagogik so groß sind, treten die Gemeinsamkeiten umso stärker hervor. Hier wie dort wurde lange geschwiegen, zirkulierte das Wissen um die Missbrauchsfälle allenfalls intern, wird erst seit kurzem energisch Recherche in eigener Sache betrieben.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/sexuelle-uebergriffe-missbrauch-der-macht-1.17194
Sexuelle Übergriffe - Missbrauch der Macht
00/03/2010
Eines eint alle Fälle sexuellen Missbrauchs in Internaten und Klosterschulen: Die Angst und Scham der Schüler machten die Übergriffe von Pädagogen und Priestern erst möglich.
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mlsum_de-train-501
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Rein statistisch sind nur die allerwenigsten Sex-Täter Priester. Ein Generalverdacht gegen Geistliche ist daher falsch. Und auch die Schuld dem Zölibat zu geben, ist wohl zu kurz gedacht. Der Gastbeitrag wurde verfasst von Christian Pfeiffer. Der 66-Jährige ist Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Der Theologe Hans Küng hat vor kurzem in der Süddeutschen Zeitung die These aufgestellt, der Zölibat sei mitverantwortlich für einen massenhaften sexuellen Missbrauch von Kindern durch katholische Priester und Ordensangehörige. Gibt es für diese Behauptung ausreichende Belege? 0,1 Prozent der Täter waren katholische Priester Der Spiegel fragte Anfang Februar bei allen 27 Diözesen Deutschlands nach, wie viele Priester oder kirchlich angestellte Laien in ihrem jeweiligen Amtsgebiet seit 1995 als Tatverdächtige oder Verurteilte dieses Deliktes registriert worden sind. 24 Diözesen haben geantwortet. Wenn man die von ihnen benannten sieben Laien streicht, ergeben sich 117 tatverdächtige Priester - im Durchschnitt pro Bistum also 4,9. Unterstellt man ferner für die drei fehlenden Bistümer sicherheitshalber jeweils eine doppelt so große Zahl, also 30 weitere Personen, errechnet sich eine Gesamtzahl von vielleicht 147 Priestern, die in den 15 Jahren bundesweit von der Polizei als Tatverdächtige registriert wurden. Dem steht gegenüber, dass in Deutschland zwischen 1995 und 2008 die Zahl der polizeilich erfassten Tatverdächtigen des sexuellen Kindesmissbrauchs insgesamt 128.946 betrug. Rechnen wir für 2009 noch den Durchschnittswert dieser 14 Jahre hinzu, ergibt sich für die 15 Jahre eine Gesamtzahl von rund 138.000. Von ihnen waren also 0,1 Prozent katholische Priester. Massenhaft kann man das nicht nennen. Aber gibt es hier nicht ein erhebliches Dunkelfeld? Ja - und es spricht viel dafür, dass es bei Missbrauchsfällen in der Kirche besonders groß ist. Die Hemmschwelle, einen Priester anzuzeigen, dürfte für viele Opfer höher sein als bei Tätern aus ihrem sonstigen nicht-familiären Umfeld. Aber selbst wenn die kirchliche Dunkelfeldquote deswegen beispielsweise dreimal größer wäre als dort, läge der Anteil der Priester bei den Tätern lediglich bei drei statt bei einem Promille. Die katholische Kirche hat also gegenwärtig kein primär quantitatives, sondern vor allem ein qualitatives Problem. Die Menschen sind entsetzt darüber, dass gerade Priester und Ordensmitglieder, die mit hohem moralischen Anspruch auftreten, sich derart massiv an Kindern versündigt haben. Und sie sind empört über eine Kirche, die die Opfer schlecht behandelt hat, die solche Vorgänge vertuscht hat und die schuldige Priester oft nur versetzt hat, mit der Folge, dass weitere Kinder Opfer des Missbrauchs geworden sind. Aber wie steht es um die zweite These von Küng, dass katholische Priester durch den Zölibat ein deutlich erhöhtes Risiko haben, zu Kinderschändern zu werden? Gegen diese Behauptung spricht zunächst, dass es sich bei einem großen Teil der Täter um pädophile Männer handelt, also um Personen, die bereits unmittelbar nach der Pubertät darauf festgelegt sind, durch vorpubertäre Kinderkörper sexuell erregt zu werden und sich in Kinder zu verlieben. Bei ihnen kann die spätere Entscheidung, als Priester eine Keuschheitsverpflichtung einzugehen, ihre sexuelle Grundorientierung in keiner Weise befördert haben. Zu beachten ist nun allerdings, dass ein beträchtlicher Teil der Taten von Personen begangen werden, die eigentlich erwachsene Sexualpartner bevorzugen würden - das aber aus verschiedenen Gründen nicht können. Die an der Charité Berlin tätigen Sexualforscher um Professor Klaus Beier nennen hier als Gründe beispielsweise eine Intelligenzminderung, eine Persönlichkeitsstörung oder eine Suchtproblematik. Die sexuellen Übergriffe gegen Kinder sind dann gleichsam eine Ersatzhandlung. Die Frage stellt sich deshalb, ob auch der Zölibat ein derartiges Verhalten provozieren kann. Prävention und Hilfeleistung: Lesen Sie auf der nächsten Seite, was die Kirche jetzt unbedingt tun muss.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauch-in-der-katholischen-kirche-drei-promille-aller-taeter-1.24359
Missbrauch in der katholischen Kirche - Drei Promille aller Täter
00/03/2010
Rein statistisch sind nur die allerwenigsten Sex-Täter Priester. Ein Generalverdacht gegen Geistliche ist daher falsch. Und auch die Schuld dem Zölibat zu geben, ist wohl zu kurz gedacht.
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mlsum_de-train-502
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Schelte von der US-Außenministerin: Israel belastet mit seinen Siedlungsplänen die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. Kurzmeldungen im Überblick. Die Beziehungen zwischen Israel und den USA werden durch den geplanten Wohnungsbau in Ost-Jerusalem stark belastet. Zwar drückte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Sonntag sein Bedauern über die Verkündung der Siedlungspläne während eines Besuchs von US-Vizepräsident Joe Biden aus. Vom Vorhaben, 1600 Wohneinheiten zu bauen, rückte er jedoch nicht ab. "Das war ein bedauerlicher Zwischenfall und geschah ohne böse Absicht", sagte Netanjahu vor seinem Kabinett. Ein Team von Mitarbeitern werde den Vorfall untersuchen und so sicherstellen, dass Ähnliches in Zukunft nicht mehr vorkomme. US-Außenministerin Hillary Clinton warf dem israelischen Regierungschef in einem Telefonat vor, der Bau in dem auch von Palästinensern beanspruchten Gebiet sei ein "zutiefst negatives Signal". Es untergrabe das Vertrauen in den Friedensprozess. Sie verstehe nicht, wie es zu der Ankündigung kommen konnte. Auf die Frage, ob Clinton sich in dem Telefonat dezidiert wütend gab, sagte ein Sprecher: "Frustriert drückt es besser aus." In einem Fernsehinterview bezeichnete die Außenministerin den Zeitpunkt der Verkündung der israelischen Pläne als "beleidigend". Das Weiße Haus verurteilte das Vorhaben Israels indes als "Affront". Unterdessen nahmen israelische Soldaten nach Armeeangaben ein ranghohes Mitglied der radikalen Palästinensergruppe Hamas im Westjordanland fest. Maher Audi gehöre zu den Gründern der Hamas und sei für den Tod von zehn Israelis verantwortlich. Er sei bei einer Razzia in der Stadt Ramallah geschnappt worden. Von der palästinensischen Autonomiebehörde gab es allerdings keine Bestätigung. Bei der Parlamentswahl im Irak baut Ministerpräsident al-Maliki seinen Vorsprung aus, bei den Regionalwahlen in Russland dominiert die kremlnahe Partei "Geeintes Russland" und im Sudan kommen zwei französische Geiseln frei. Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Kurzmeldungen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-clinton-ein-zutiefst-negatives-signal-1.20977
"Clinton: ""Ein zutiefst negatives Signal"""
00/03/2010
Schelte von der US-Außenministerin: Israel belastet mit seinen Siedlungsplänen die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. Kurzmeldungen im Überblick.
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mlsum_de-train-503
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Einige Mitarbeiter des Bundespräsidenten wollen gehen - angeblich auch, weil sie mit Köhlers Arbeitsweise unzufrieden sind. Im Amt von Bundespräsident Horst Köhler herrscht seit einigen Monaten große personelle Unruhe und Unzufriedenheit. Zahlreiche leitende Mitarbeiter im Bundespräsidialamt haben sich deshalb andernorts um Anstellungen bemüht und ihre Posten aufgegeben. Dazu gehört der bisherige Sprecher des Bundespräsidialamts, Martin Kothé. Kothé, der nach der Wahl Köhlers seine Aufgabe als Sprecher der Bundes-FDP aufgegeben und die Leitung der Pressestelle im Bundespräsidialamt übernommen hatte, wird im Mai einen Posten in der Wirtschaft übernehmen. Gründe dafür nannte er bislang nicht. Kothé sagte nur, er blicke zurück "auf sechs Jahre enger, vertrauensvoller und spannender Arbeit" an der Seite des Bundespräsidenten. Er habe viel von diesem gelernt und bleibe ihm verbunden. Er sei dem Präsidenten auch "dankbar für sein Verständnis", dass er sich jetzt neuen Aufgaben stellen wolle. Inzwischen wurde aber auch publik, dass andere Referats- und Abteilungsleiter neue Posten außerhalb des Präsidialamts anstreben oder bereits übernommen haben. In der Behörde selbst ist von schlechter Stimmung und Unzufriedenheit der Beschäftigten die Rede. Ausdrücklich widersprochen wurde Spekulationen, die Amtsführung und der Stil des obersten Beamten im Bundespräsidialamt, Hans-Jürgen Wolff, sei der alleinige Grund der grassierenden Unzufriedenheit. Zwar pflege Wolff einen nicht allen Beschäftigten immer angenehmen Stil. Doch bislang sei allein das Verhältnis zwischen Kothé und Wolff äußerst konfliktreich gewesen. Wolff war bis vergangenen Herbst Chef der Inlandsabteilung des Bundespräsidialamts und rückte dann an die Spitze vor. Seither habe es zwischen beiden Meinungsverschiedenheiten und Eifersüchteleien gegeben, hieß es aus Kreisen des Amtes. Von "Hahnenkämpfen" war die Rede, die die ohnehin gedrückte Stimmung im Haus nicht verbessert hätten. Unzutreffend seien auch Spekulationen, wonach Wolff den Zugang anderer Mitarbeiter zum Bundespräsidenten generell beschneide und ihnen die Teilnahme an Routine- oder Fachbesprechungen versperre. Als eine Ursache der Unzufriedenheit wurde die Amtsführung und der Stil des Bundespräsidenten selbst genannt. Köhler konzentriere sich sehr auf internationale Aspekte seiner Arbeit, Vorschläge für innenpolitische Themen und Auftritte fänden aber kaum Anklang, hieß es. Köhler hatte zu seinem Amtsantritt vor sechs Jahren angekündigt, ein offener und notfalls auch "unbequemer" Bundespräsident sein zu wollen und sich in ihm wichtig erscheinende Debatten einzumischen. In seiner ersten Amtszeit hatte er sich oft zu Wort gemeldet, auch mit kritischen Worten an die frühere rot-grüne Koalition unter Kanzler Gerhard Schröder und die große Koalition von Angela Merkel. Seit seiner Wiederwahl im Mai vergangenen Jahres hat er sich zu großen innenpolitischen Themen - etwa den trotz hoher Staatsschulden geplanten Steuersenkungen oder der zuletzt heftigen Sozialstaatsdebatte - noch nicht geäußert.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/unzufriedene-mitarbeiter-schlechte-stimmung-in-koehlers-amt-1.13760
Unzufriedene Mitarbeiter - Schlechte Stimmung in Köhlers Amt
00/03/2010
Einige Mitarbeiter des Bundespräsidenten wollen gehen - angeblich auch, weil sie mit Köhlers Arbeitsweise unzufrieden sind.
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mlsum_de-train-504
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Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist nach der von ihm angeordneten Versetzung des Brigadegenerals Henning Hars in den einstweiligen Ruhestand in die Kritik geraten. Verteidigungspolitiker der Opposition aus SPD, Grünen und Linkspartei äußerten den Verdacht, Guttenberg könne keine Kritik an seiner Amtsführung ertragen. Er dulde keine Andersdenkenden in der Militärführung und drohe, das Vertrauen der Truppe zu verlieren. Das Verteidigungsministerium wies diese Anschuldigungen zurück. Ein Thema im Untersuchungsausschuss des Bundestags, der Licht in die von einem deutschen Offizier angeforderte Bombardierung eines Tanklastzuges im afghanischen Kundus bringen und die Rolle von Guttenberg aufklären will, wird diese Personalie aber wohl nicht werden. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte der Süddeutschen Zeitung: "Diese Angelegenheit ist vom Untersuchungsauftrag nicht gedeckt." Arnold äußerte sich zugleich skeptisch, ob der Bundestag wegen dieser Entlassung bereit sein werde, den Untersuchungsauftrag noch einmal zu verändern. Harsche Kritik Der 54 Jahre alte Hars war vergangene Woche in den Ruhestand versetzt worden, nachdem er vergangenes Jahr in einem Schreiben offenbar harsche Kritik an Guttenberg geäußert hatte. In dem öffentlich noch nicht bekannten Brief soll er nach den Gründen der Entlassung von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan im November sowie nach den unterschiedlichen Einschätzungen Guttenbergs zu dem folgenreichen Bombardement eines Tanklastzuges bei Kundus gefragt haben. Nach Angaben aus Offizierskreisen hatte Hars darin Guttenberg sogar kaum verhohlen zum Rücktritt aufgefordert. Er, Hars, habe den Eindruck, Minister Guttenberg sei nicht aufrichtig und solle, wenn dem so sei, daraus selbst Konsequenzen ziehen - so wurde der Inhalt des Briefes in diesen Kreisen wiedergegeben. Der Brief von Hars sei "recht unverschämt" und "unangemessen im Ton" gewesen, hieß es in diesen Kreisen. Das Schreiben habe man als eine "Bitte um Rausschmiss" interpretiert. Hars, Vater von sieben Kindern, kam nach dem Abitur 1974 zur Bundeswehr, studierte an der Bundeswehrhochschule Hamburg Pädagogik und war neben zahlreichen Aufgaben in der Truppe auch im Kanzleramt tätig sowie als Sekretär der von Altbundespräsident Richard von Weizsäcker geleiteten Kommission, die eine Strukturreform der Bundeswehr erarbeiten sollte. Unterschiedliche Einschätzungen Von 2006 bis 2009 war er Verteidigungsattaché an der deutschen Botschaft in Washington und zuletzt beim Wehrbereichskommando in Kiel. Dort sollte er sich auf eine neue Aufgabe vorbereiten. In der Spitze des Verteidigungsministeriums gab es dem Vernehmen nach unterschiedliche Einschätzungen darüber, wie man nach dem Schreiben mit dem Brigadegeneral verfahren sollte. Guttenberg habe zunächst mit einer Versetzung in den Ruhestand gezögert, weil er sich der anschließenden Diskussionen bewusst gewesen sei und Kritik an einer solchen Entscheidung erwartet habe, hieß es. Staatssekretär Rüdiger Wolf und andere Vorgesetzte des Generals, die mit Hars über sein Schreiben gesprochen hätten, seien für eine Trennung gewesen, verlautete weiter. Schneiderhan und der frühere Staatssekretär Peter Wichert sollen am Donnerstag im Untersuchungsausschuss des Bundestages aussagen. Beide waren im November wegen Informationspannen abgelöst worden. Im Mittelpunkt wird dabei die Frage stehen, ob Schneiderhan und Wichert tatsächlich mit dafür verantwortlich waren, dass ihr Minister wegen ihm angeblich vorenthaltener Informationen über Opferzahlen den Angriff mit bis zu 142 Toten zunächst falsch eingeschätzt und ihn deshalb als "militärisch angemessen" beurteilt hatte.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/verteidigungsminister-in-der-kritik-neue-debatte-um-guttenberg-1.24645
Verteidigungsminister in der Kritik - Neue Debatte um Guttenberg
00/03/2010
Das Ministerium von Karl-Theodor zu Guttenberg verteidigt die Entlassung eines Generals, der einen "unverschämten" Brief geschrieben haben soll.
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mlsum_de-train-505
mlsum_de-train-505
Viele warten darauf, dass sich Papst Benedikt XVI. zu den Missbrauchsfällen, die seine Kirche erschüttern, äußert. Doch das Oberhaupt der katholischen Kirche schweigt weiter. Der Vatikan meint: Für eine Stellungnahme des Papstes ist es noch viel früh. Immer wieder findet der Papst vor dem wöchentlichen Angelus-Gebet auf dem Petersplatz Worte zu aktuellen Ereignissen. An diesem kühlen Fastensonntag hat Benedikt XVI. über das Gleichnis vom verlorenen Sohn gesprochen. Auf die Missbrauchsfälle, die seine Kirche erschüttern, ist er nicht eingegangen. Auch wenn viele darauf warten. Dieses Verhalten des Papstes sei klug, sagt einer, der den Vatikan von Innen kennt. Längst ist nicht alles aufgeklärt Jesuitenpater Bernd Hagenkord leitet das deutsche Programm von Radio Vatikan. Derzeit, so sagt er, sei das Bild der Vorgänge in Deutschland ja noch gar nicht vollständig. Würde der Papst nun als höchste Instanz Stellung nehmen, wäre dies zu früh. Es würde als eine Art Schlusswort aufgenommen werden, das die Jagd beendet - obwohl längst nicht alles aufgeklärt ist. Das Thema Missbrauch beschäftige die Kurie aber stark, sagt Hagenkord. Er ist überzeugt, dass der Vatikan die völlige Aufklärung wünsche. Es werde keine Umkehr von dieser Linie geben. Der entschlossene Umgang des Papstes mit den Skandalen in den USA und in Irland habe das bewiesen. Als die irischen Bischöfe Rom von den Fällen in ihren Diözesen berichtet hatten, bestand Benedikt XVI. darauf, dass alle wichtigen Amtsträger des Vatikans anwesend sind, damit jeder erfährt, was passiert war. Die Untersuchungen in Irland sind inzwischen abgeschlossen, und es wird erwartet, dass der Papst in den nächsten Tagen in einem Brief an die Bischöfe dort nochmals das Wort ergreift. Der Vatikan sei aber der Auffassung, erläutert Pater Hagenkord, dass die Aufklärung der Misshandlungs- und Missbrauchsfälle Aufgabe der Kirchen in den jeweiligen Ländern ist. Auch, um die Nähe zu den Opfern zu wahren. So lehnt der Vatikan auch eine Stellungnahme zu dem von der Süddeutschen Zeitung berichteten Missbrauchsfall im Erzbistum München-Freising ab. Das päpstliche Presseamt verweist auf das Erzbistum München. Das passt zu dem, was der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, am Freitag in Rom gesagt hat: Die deutschen Bischöfe haben den Vatikan nicht um Hilfe bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle gebeten. Sie schafften dies aus eigener Kraft und seien dazu auch entschlossen. Zollitsch: Papst ist tief betroffen Der Papst, so hat Zollitsch von seinem Gespräch mit Benedikt XVI. berichtet, sei tief betroffen von den Taten. Er habe den Weg der deutschen Bischofskonferenz, aufzuklären, Opfern zu helfen und mit der Justiz in vollem Umfang zu kooperieren, ausdrücklich unterstützt und ermutigt, ihn weiterzugehen. Auch wenn der Papst öffentlich schweigt, äußert sich doch sein Sprecher, Pater Federico Lombardi. Der Chef der vatikanischen Presse teilt mit, die Bischöfe in Deutschland hätten ihren Willen zur Transparenz bewiesen. Sie hätten die Opfer eingeladen zu reden, auch wenn die Fälle sehr lange zurückliegen. Es sei der richtige Ansatzpunkt "anzuerkennen, was geschehen ist, die Sorge um die Opfer und die Folgen dessen, was ihnen angetan wurde". Es gilt, die Person des Papstes zu schützen Am Samstag hat Lombardi unter anderem auch mitgeteilt, "die Kirche sieht trotz dieses Sturms klar die Linie, der sie unter der sicheren und entschlossenen Führung des Heiligen Vaters folgen muss". Der Vatikan hoffe, dass das "Leid am Ende der ganzen Gesellschaft helfe, mehr Sorge zu zeigen für den Schutz und die Erziehung von Kindern und Jugendlichen". In dem Münchner Fall, der in italienischen Medien stark aufgegriffen wurde und bei dem laut Corriere della Sera der Vatikan vorgewarnt gewesen sei, hat Lombardi aber nicht nur auf das Kommuniqué des Bistums verwiesen. Denn natürlich gilt es nun, die Person des Papstes zu schützen, der seinerzeit Erzbischof von München und Freising war. Es gab, so der Vatikansprecher, "in den vergangen Tagen einige, die verbissen in Regensburg und München nach Elementen gesucht haben, um den Heiligen Vater persönlich in die Missbrauchs-Fragen hineinzuziehen. Es ist offensichtlich, dass diese Bemühungen gescheitert sind." Zu Wort gemeldet hat sich auch der Justiz-Verantwortliche der Glaubenskongregation, Monsignore Charles Scicluna, die seit 2001 zuständig ist für die kirchlichen Ermittlungen bei Sexualdelikten. In L'Avvenire, der Zeitung der italienischen Bischöfe, sagte Scicluna, als damaliger Chef der Glaubenskongregation habe sich Kardinal Ratzinger entschlossen und mutig gezeigt im Umgang mit solchen Fällen. Es sei lügnerisch und verleumderisch zu behaupten, Ratzinger habe eine Politik der Verschleierung betrieben. In den vergangenen neun Jahren habe die Glaubenskongregation Beschuldigungen in 3000 Fällen zu beurteilen gehabt. Sie reichten bis zu 50 Jahre zurück. Einen großen Teil hätten die Missbrauchsdelikte in den USA ausgemacht. Seit 2007 seien im Jahr rund 250 Fälle weltweit eingegangen. Dabei wird es 2010 kaum bleiben. Mit Opfern von Missbrauch in der Kirche hatte sich Papst Benedikt XVI. in den USA und in Australien getroffen. Vielleicht wiederholt er diese Geste eines Tages in Deutschland.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/papst-und-missbrauchsdebatte-entschlossenes-schweigen-1.23664
Papst und Missbrauchsdebatte - Entschlossenes Schweigen
00/03/2010
Viele warten darauf, dass sich Papst Benedikt XVI. zu den Missbrauchsfällen, die seine Kirche erschüttern, äußert. Doch das Oberhaupt der katholischen Kirche schweigt weiter. Der Vatikan meint: Für eine Stellungnahme des Papstes ist es noch viel früh.
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mlsum_de-train-506
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Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat sich zum ersten Mal offiziell zu den Vorwürfen der Opposition geäußert, er betreibe Günstlingswirtschaft. Nach seiner Rückkehr von der Südamerikareise sprach er am Sonntag auf dem NRW-Landesparteitag in Siegen über die "Attacken". Die Opposition hatte ihm vorgehalten, sein Lebensgefährte Michael Mronz habe die gemeinsame Reise nach Südamerika für geschäftliche Zwecke genutzt. Westerwelle bezeichnete es als "einmaligen Vorgang", dass die Opposition eine Attacke gegen den Außenminister fahre, während dieser sich im Ausland aufhalte, weil "man sich im Ausland gegen die Attacken nicht wehren kann." Das, so der FDP-Bundesvorsitzende, gehöre sich nicht. "Nur noch unanständig" Westerwelle erklärte, in anderen Ländern werde ein Außenminister kritisiert, wenn er nicht Chancen für die Wirtschaft auf seinen Reisen eröffnet. Und weiter: "In Deutschland wird man dafür kritisiert." Besonders perfide bezeichnete Westerwelle das Vorgehen, den Bundespräsidenten in die Debatte "hineinzuziehen" und ihm vorzuwerfen, er habe sich "nicht auf Seiten der Opposition gestellt". Die Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen Renate Künast hatte dem Bundespräsidenten Horst Köhler parteiisches Verhalten zugunsten der Union und der FDP vorgeworfen. Das, so Westerwelle weiter, finde er "nur noch unanständig". Diese Debatte "schadet den Interessen des Landes". Außerdem sieht Westerwelle diese Attacke als Beispiel für die Kulturlosigkeit der Opposition. Er schlussfolgerte: "Wenn links regiert, hat dieses Land auch keine politische Kultur mehr. " Direkten Bezug auf seinen Lebensgefährten Michael Mronz, auf den sich der Vorwurf maßgeblich bezog, nahm Westerwelle nicht. Stattdessen betonte er, sich durch diese Diskussion nicht aus der Ruhe bringen zu lassen: "Sie merken, dass ich sehr gelassen bin, sehr ruhig, aber auch sehr entschlossen. " Die Attacke wertete er als "ein gutes Zeichen", denn, so der Außenminister: "Wir sind der Konkurrenz zu groß geworden und deswegen arbeitet sie sich an uns ab. " Er prognostizierte: "Das wird so weitergehen bis zur Wahl." "Not the public opinion!" Dann wechselte er wieder zum Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen. Hier setzte er vor allem die Schulpolitik als Thema ein. Weiter sprach Westerwelle über entideologisierte Energiepolitik und verteidigte die Änderung im Erbschaftssteuerrecht ("ich werde dafür kritisiert, das ist mir aber egal, weil es nötig ist.") Er warb für ein "einen Neuanfang in unserem Steuer und Abgabensystem" und betonte: "Ein faires Steuersystem, es rettet die Staatsfinanzen." Außerdem sprach er sich erneut er für moderne Gen- und Nanotechnologien aus. Das Beispiel eines zuckerkranken Jungen, den er zufällig in seinem Winterurlaub kennenlernte und der dank Geninsulins "einigermaßen unbeschwert mit mir in einem anderen Land im selben Hotel Urlaub machen konnte"," sollte die Bedeutung von modernen Technologien erläutern. Guido Westerwelle benutzte auch ein paar englische Worte: "The published opinion ist not always the public opinion.That's english." Dazu erklärte er in Richtung der anwesenden Medienvertreter: "Um es auf deutsch zu sagen: Ihr kauft mir den Schneid nicht ab." Weiter legte Westerwelle in der Hartz IV Debatte nach und forderte, "dass der Sozialstaat denen hiflt, die nicht können, aber nicht denen hilft, die nicht wollen, obwohl sie können. "
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/westerwelle-auf-dem-nrw-parteitag-ihr-kauft-mir-den-schneid-nicht-ab-1.17752
"Westerwelle auf dem NRW-Parteitag - ""Ihr kauft mir den Schneid nicht ab"""
00/03/2010
Auf dem Landesparteitag in Siegen verteidigt FDP-Chef Guido Westerwelle sein Verhalten auf Auslandsreisen und legt in der Hartz-IV-Debatte nach.
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mlsum_de-train-507
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Warum nach Jahrzehnten so viele Missbrauchsfälle auf einmal bekannt werden - und wie sich Schweigekartelle verhindern lassen. Günter Bierbrauer, 63, ist Professor für Rechtspsychologie an der Universität Luzern. Er hat in Stanford bei Philip Zimbardo promoviert, der 1971 das berühmt-berüchtigte Gefängnis-Experiment zur Erforschung menschlichen Verhaltens in einer geschlossenen Einrichtung machte. SZ: Fast täglich kommen neue Missbrauchsfälle an Schulen und Internaten ans Licht. Warum wurde zuvor jahrzehntelang geschwiegen? Bierbrauer: Solch ein Schweigekartell ist ein typisches Problem geschlossener Institutionen, in denen es ein Machtgefälle gibt und keine Kontrollmechanismen. Dann besteht die große Gefahr der Tabuisierung von Missbrauch. Es entsteht eine Atmosphäre, in der potentielle Täter davon ausgehen, sich Missbrauch erlauben zu können und Opfer oder Zeugen unsicher sind, wie damit umzugehen ist. Das gibt es augenscheinlich oft in kirchlichen Einrichtungen, aber auch in anderen Internaten und Schulen. SZ: Sie vergleichen die Situation in Klöstern und Internaten mit dem Stanford-Gefängnis-Experiment. Als Wärter eingesetzte Studenten misshandelten ihre Kommilitonen, die als Häftlinge eingeteilt waren. Das Experiment musste nach sechs Tagen abgebrochen werden. Bierbrauer: Ich will damit verdeutlichen, dass wir den Blick auf die Strukturen und Situationen richten müssen, nicht nur auf Personen. Die Studenten in Stanford wurden vorher psychologisch untersucht, keiner war verhaltensauffällig. Aber in der geschlossenen Institution des Gefängnisses, in der es vermeintlich keine Beobachtung und keine Kontrollinstanz gab, leistete sich ein Drittel der Wärter extreme Grenzüberschreitungen. Und die Opfer und die anderen Wärter schwiegen und akzeptierten. SZ: Wie lässt sich das erklären? Bierbrauer: In der Sozialpsychologie nennt man das "Pluralistische Ignoranz". Menschen wissen zuerst nicht, wie sie einen ungewohnten Übergriff einschätzen sollen. Das gilt ganz besonders für Kinder. Man hat Angst, schämt sich, schweigt und beobachtet die Reaktion der Mitmenschen. Die schweigen und beobachten aber auch, und so entsteht bei Zeugen und auch Opfern der Eindruck: Ich bin besorgt, die anderen nicht, also wird es nicht so schlimm sein. Man blockiert sich gegenseitig. SZ: Und wenn eine Person diesen Prozess durchbricht, setzt sich eine Kettenreaktion in Gang? Bierbrauer: Genau. Das ist vereinfacht gesprochen wie im Märchen "Des Kaisers neue Kleider", in dem ein Kind das Schweigekartell auffliegen lässt. Das erleben wir derzeit: Opfer für Opfer, Zeuge für Zeuge meldet sich. Es braucht also Mechanismen, um diese erste Meldung zu erleichtern und Mechanismen, die gewährleisten, dass solch eine Meldung ernst genommen wird. SZ: Zum Beispiel? Bierbrauer: An manchen Universitäten in den USA müssen Professoren jedes Jahr einen Bericht abgeben, ob es Annäherungen zu Studenten oder Studentinnen gab, ob sie von Verdachtsfällen gehört haben. Ich bin der Meinung, wir brauchen ähnliche Verfahren in Deutschland. Zum Beispiel ein größeres Gremium, an das sich Lehrer und Schüler bei vermeintlich auffälligem Verhalten wenden können. Dadurch wird bei möglichen Tätern die Erkenntnis geweckt, dass ein Fehlverhalten registriert und verfolgt wird, und bei den Opfern das Bewusstsein für Übergriffe geschärft. SZ: Muss das Thema Missbrauch Bestandteil des Unterrichts werden? Bierbrauer: Ja, aber auch Teil der Lehrer- und der Priesterausbildung. Junge Pädagogen müssen darauf vorbereitet werden, dass sie eventuell in eine Institution kommen, in der tabuisiert wird und die es ihnen ermöglicht, ihre Macht zu missbrauchen, was ein großer Anreiz für Fehlverhalten ist. Auch das zeigte die Untersuchung in Stanford: Die Brutalität der Wärter war dem situativen Kontext geschuldet. Gibt es keine Kontrollen und keine Sanktionsmöglichkeiten, wird zum Missbrauch geradezu eingeladen. SZ: Führt das nicht zu einer Misstrauenssituation, in der bereits ein Kopftätscheln als verdächtig eingestuft wird? Bierbrauer: Die Gefahr besteht. Andererseits: Nichts gegen diese Tabuisierung zu tun, ist keine Lösung. Wir müssen eine Kultur des Hinschauens entwickeln.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kindesmissbrauch-opfer-fuer-opfer-zeuge-fuer-zeuge-1.12106
Kindesmissbrauch - Opfer für Opfer, Zeuge für Zeuge
00/03/2010
Warum nach Jahrzehnten so viele Missbrauchsfälle auf einmal bekannt werden - und wie sich Schweigekartelle verhindern lassen.
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mlsum_de-train-508
mlsum_de-train-508
Wer Gudio Westerwelle angreift, schadet Deutschland und kann nur vom linken Zeitgeist beseelt sein. Der Außenminister will "jetzt erst recht" gegen alle Kritiker kämpfen. Der Außenminister hat Blut geleckt. Guido Westerwelle ließ gleich nach seiner Rückkehr eine Salve von Kurzinterviews los, um allen seinen Gegnern eines klar zu machen: Jetzt wird gekämpft und er, der Außenminister, Retter von Arbeitsplätzen, Beschützer der ordentlich Arbeitenden werde aus der Schlammschlacht als Sieger hervorgehen. In der Bild am Sonntag ging er die Opposition frontal an, sie schade mit ihrer Kritik an ihm dem Ansehen Deutschlands. Es sei "der Tiefpunkt der politischen Kultur, wenn die Opposition für ihre parteipolitischen Anliegen sogar Familienmitglieder des politischen Gegners attackiert". Westerwelle kündigte an, "jetzt erst recht" die Auseinandersetzung zu suchen. "Mein Fell ist sehr dick. Parteipolitische Diffamierungskampagnen beflügeln mich zum Kampf." In der Wirtschaftswoche bezichtigt der Außenminister seine Kritiker der linken Kleingeisterei. In anderen Ländern sei es für Außenminister völlig normal, sich für die heimische Wirtschaft zu engagieren. "Der linke Zeitgeist hält Geschäftemachen für fragwürdig. Die Gesellschaft muss sich daran gewöhnen, dass das künftig anders ist", so Westerwelle. In der Welt am Sonntag verteidigt der Vizekanzler die Auswahl seiner Begleiter. Es gebe im Auswärtigen Amt ein eingespieltes Verfahren zur Auswahl von Delegationsgästen. "Allerdings lege ich besonderen Wert auch auf die Teilnahme kleinerer und mittlerer Firmen und nicht nur der Großindustrie." Westerwelle wird unter anderem vorgehalten, sein Lebenspartner Michael Mronz könnte solche Reisen zur Anbahnung eigener Geschäfte nutzen. Der Event- und PR-Manager Mronz, der auf die Vermarktung von großen Sportereignissen spezialisiert ist, hatte den Außenminister nach Südamerika begleitet. In Brasilien finden 2014 die Fußball-WM und zwei Jahre später die Olympischen Spiele statt. Zur Delegation einer China-Reise im Januar gehörte auch der Chef eines Unternehmens, an dem Westerwelles Bruder Kai Anteile hält. Bei der nächsten großen Auslandsreise des Außenministers wird Mronz nicht dabei sein. Der Sportveranstaltungs-Manager kündigte an, er wolle auf die Mitreise nach Südafrika im April verzichten. Er habe "andere Termine". Mronz wies den Vorwurf zurück, in Südamerika berufliche Interessen verfolgt zu haben. Seine Firma sei "nicht auf solche globalen Events wie die WM oder die Olympischen Spiele" ausgerichtet. Nach Ansicht des SPD-Außenexperten Rolf Mützenich hinterlässt die Reise einen "faden Beigeschmack". "Ich habe den Eindruck, dass Herr Westerwelle es nicht geschafft hat, jeden Anschein von Interessenkollision zu vermeiden, und da sind ja wohl Nachfragen erlaubt." Westerwelle wird am Sonntag auf dem Parteitag der nordrhein-westfälischen FDP in Siegen auftreten. Er hat bereits angekündigt, sich dort mit aller Kraft gegen die Vorwürfe im Zuge der Südamerika-Reise zu wehren. Ob es auch wieder um "spätrömische Dekadenz" gehen wird, ist noch nicht bekannt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kritik-an-suedamerika-reise-westerwelle-feuert-aus-allen-rohren-1.20714
Kritik an Südamerika-Reise - Westerwelle feuert aus allen Rohren
00/03/2010
Wer Gudio Westerwelle angreift, schadet Deutschland und kann nur vom linken Zeitgeist beseelt sein. Der Außenminister will "jetzt erst recht" gegen alle Kritiker kämpfen.
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Nach der Entlassung eines Generals, weil dieser kritische Fragen stellte, mehrt sich die Kritik am deutschen Verteidigungsminister. Grünen-Sprecher Nouripour wirft Guttenberg vor, andere Meinungen nicht zuzulassen. Die Entscheidung von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), im Zusammenhang mit der Kundus-Affäre einen weiteren General zu entlassen, sorgt in der Opposition für Unmut. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte dem Berliner Tagesspiegel: "Ich habe zunehmend den Eindruck, dass es an der Spitze des Ministeriums nicht nur Militärs gibt, in die der Minister kein Vertrauen hat, sondern auch Militärs, die in den Minister kein Vertrauen haben." Das Ministerium hatte am Freitag bestätigt, dass der 54-jährige Brigadegeneral Henning Hars in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden sei. Der frühere Gruppenleiter im Bundeskanzleramt und Militärattaché in Washington hatte nach der Entlassung des Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan im Zuge der Kundus-Affäre einen Brief an Guttenberg geschrieben, der ihn den Job kostete. "Ein Minister sollte sich auf eine Diskussion einlassen" Arnold sagte: "Es ist das gute Recht des Ministers, einen General zu entlassen, wenn er kein Vertrauen mehr in ihn hat. Ob das klug ist als Signal - wenn Soldaten entlassen werden, weil sie sich als Bürger in Uniform kritisch äußern -, das ist eine andere Frage." Er erwarte von einem Minister, dass er sich auf eine Diskussion einlasse. Der stellvertretende Linke-Fraktionschef, Jan van Aken, sagte der Zeitung: "Herr zu Guttenberg scheint seine Generäle noch schneller zu wechseln als seine Meinung. Falls die Entlassung von General Hars etwas mit dessen kritischen Fragen zum Bombenangriff von Kundus zu tun hat, ist auch zu Guttenberg reif für den vorzeitigen Ruhestand." Der verteidigungspolitische Grünen-Sprecher Omid Nouripour sprach von "atemberaubenden Zuständen" im Ministerium. "Es sieht so aus, als würden unliebsame Querköpfe einfach deshalb rollen, weil sie eine andere Meinung vertreten als der Minister", sagte Nouripour der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung. Nach Darstellung des Verteidigungsministeriums führten Staatssekretär Rüdiger Wolf und ein weiterer Vorgesetzter Gespräche mit Hars über das Schreiben an Guttenberg. "Als Ergebnis dieser Gespräche haben beide dem Minister die Versetzung des Brigadegenerals Hars in den einstweiligen Ruhestand empfohlen", erklärte ein Ministeriumssprecher an diesem Freitag. Guttenberg folgte dieser Empfehlung und veranlasste die Entlassung durch Bundespräsident Horst Köhler. Der Tagesspiegel berichtete an diesem Samstag, Hars habe in seinem Brief nach den Gründen für die Entlassung Schneiderhans und nach der Einschätzung des Ministers zum Bombardement von Kundus gefragt. Bei dem von einem Bundeswehroberst befohlenen Angriff waren Anfang September 2009 bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden. Das Verteidigungsministerium äußerte sich nicht zum Inhalt des Briefes. Bereits Ende November mussten Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert wegen Informationspannen im Zusammenhang mit der Kundus-Affäre ihre Ämter niederlegen. Diese Woche sagen beide vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestags aus. Laut Tagesspiegel war als nächste Station für Hars ein viermonatiger Einsatz im Kosovo geplant. Danach sei er als Direktor für den Bereich Lehre an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg vorgesehen gewesen. Kein Kommentar, dafür ein Wehrdienst-Konzept Von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gab es zur Personalie Hars ebenfalls keine Wortmeldung. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk kündigte er an, die Konzeption für einen von neun auf sechs Monate verkürzten Grundwehrdienst fertiggestellt zu haben und seine Vorstellungen nun den Bundestagsfraktionen präsentieren zu wollen. Die Verkürzung der Wehrdienstzeit hatten CDU/CSU und FDP bei Bildung der schwarz-gelben Bundesregierung im Koalitionsvertrag vereinbart. In dem Rundfunkinterview nannte Guttenberg als Ziel, "einen attraktiven Wehrdienst zu gestalten", so dass junge Männer diese sechs Monate als einen Gewinn im Leben sehen könnten. Damit werde ihnen erleichtert, schneller wieder ins Berufsleben einzusteigen und früher ein Studium anzutreten. Die sechs Monate müssten aber gut genutzt sein.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/guttenberg-entlaesst-general-atemberaubende-zustaende-1.6376
"Guttenberg entlässt General - ""Atemberaubende Zustände"""
00/03/2010
Nach der Entlassung eines Generals, weil dieser kritische Fragen stellte, mehrt sich die Kritik am deutschen Verteidigungsminister. Grünen-Sprecher Nouripour wirft Guttenberg vor, andere Meinungen nicht zuzulassen.
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Bei einer Anschlagsserie in der afghanischen Stadt Kandahar sind am Samstagabend 30 Menschen getötet worden. Unter den Anschlagsopfern seien Zivilisten und Polizeibeamte, sagte der Chefarzt des größten Krankenhauses in Kandahar. Mehr als 50 Menschen seien zudem verletzt worden, als nach Einbruch der Dämmerung vier Sprengsätze in der Innenstadt in kurzer Folge explodiert seien. Die radikal-islamischen Taliban bekannten sich zu der Anschlagsserie. Die Selbstmordanschläge seien als Warnung an die ausländischen Truppen gerichtet, teilten die Aufständischen am Samstag auf ihrer Internetseite mit. Bei den Attentaten seien "zahlreiche Feinde der Gotteskrieger" getötet worden. Die größte Bombe detonierte nach Angaben der Provinzregierung nahe des streng bewachten Gefängnisses von Kandahar. Den Angreifern sei aber wohl nicht gelungen, in das Gefängnis einzudringen, sagte der Vorsitzende des Provinzrates von Kandahar, Ahmed Wali Karsai, der dpa. Der Bruder von Staatspräsident Hamid Karsai hielt sich zum Zeitpunkt der Angriffe in der Hauptstadt Kabul auf. Aufständische hatten das Gefängnis bereits im Juni 2008 angegriffen. Damals war es ihnen gelungen, hunderte Gefangene zu befreien. Ein weiterer Anschlag zielte auf das Gebäude des Polizeichefs. Ein dritter Sprengsatz ging nahe der Residenz des Provinzchefs Ahmad Wali Karsai, dem Halbbruder von Präsident Hamid Karsai, in die Luft. Die US-Streitkräfte haben noch für dieses Jahr eine Offensive gegen die Aufständischen in der Provinz Kandahar angekündigt und den Einsatz bereits im Vorfeld als möglicherweise entscheidende Schlacht gegen die Taliban bezeichnet. Kandahar war die inoffizielle Hauptstadt der Taliban bis zu deren Sturz 2001. Ein mutmaßliches Mitglied des Terrornetzwerks al-Qaida hat jahrelang in einer US-Atomanlage gearbeitet, in Thailand marschieren Zehntausende Demonstranten in Richtung Bangkok und in Irland sind drei Verdächtige im Zusammenhang mit dem geplanten Mord an einem Mohammed-Karikaturisten wieder auf freiem Fuß: Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Kurzmeldungen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-anschlagsserie-erschuettert-kandahar-1.6391
Anschlagsserie erschüttert Kandahar
00/03/2010
Bei vier Explosionen in der afghanischen Taliban-Hochburg Kandahar sind 30 Menschen getötet worden. Kurzmeldungen im Überblick.
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Kräftemessen vor der Präsidentschaftswahl 2012: Martine Aubry, die Chefin der Sozialisten, hat ihre Partei zum großen Siegeszug aufgerufen. Frankreichs Präsident Sarkozy ist alarmiert. Der französische Präsident hat versprochen, sich nicht in den Regionalwahlkampf hineinziehen zu lassen. "Das entspräche nicht meiner Rolle", sagte Nicolas Sarkozy. So ist es wohl reiner Zufall, dass er jüngst Regionen besuchte, in denen seiner UMP-Partei der Sieg über die Linken nicht sicher ist. Und einer Laune des Kalenders muss es auch entsprechen, dass er nun, zwei Tage vor der Wahl am Sonntag, dem Magazin des Figaro ein seitenlanges Interview gewährt. Rastloser Reform-Präsident Darin ordnet der Präsident an: "Ich wünsche, dass die Wähler der Regierungsmehrheit an den Wahlen teilnehmen." Zudem verblüfft er mit dem Versprechen, im zweiten Halbjahr 2011 eine Pause bei den Reformen des Landes einzulegen. Eine Pause? Sarkozy? Das klingt, als würde ein Kolibri geloben, künftig ruhig auf einem Ast sitzen zu bleiben. Rastlos ist der Präsident bisher von Reform zu Reform geflattert. Arbeitsrecht, Steuern, Hochschulen, Gymnasien, Staatsfernsehen, Justiz, Renten, Pflege - alles wird umgekrempelt, bis zur Erschöpfung der Franzosen. Nichts scheint Sarkozy mehr zu scheuen als ein Innehalten. Und nun kündigt er eine Pause an? Die Intervention hat ihren Grund. Sarkozy will die Bürger besänftigen. Denn bei der Wahl in den 22 Regionen Frankreichs (hinzu kommen vier Überseeregionen) droht dem rechten Lager des Präsidenten ein Debakel. Schon bisher werden 20 Regionen von den Sozialisten und deren kleineren Partnern regiert. Lediglich im Elsass und auf Korsika bestimmt die UMP. Nun sind auch diese Bastionen gefährdet. Frankreich soll rot werden Martine Aubry, die Chefin der Sozialisten, hat ihre Partei zum grand chelem aufgerufen, zum großen Siegeszug. Ganz Frankreich soll rot werden - entweder am Sonntag oder eine Woche später, beim zweiten Wahlgang in jenen Regionen, in denen keine Partei die absolute Mehrheit erreichte. 22 rote Regionen - das wäre so, als würde in allen Bundesländern die SPD regieren. Natürlich hinkt der Vergleich. Anders als Deutschland ist Frankreich ein zentralistisches Land, und das schon seit Jahrhunderten. Die Könige, und dann, nach der Revolution von 1789, die Jakobiner sowie Napoleon bündelten die Macht in Paris. Seither regiert die Zentrale mit ihren Präfekten tief in die örtlichen Angelegenheiten hinein. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann eine zaghafte Dezentralisierung. Regionen wurden geschaffen. Sie orientieren sich zum Teil an historischen Namen wie der Bretagne und Burgund. Zum Teil wurden sie künstlich zusammengefügt, etwa die Region Provence-Alpes-Côte d'Azur, kurz Paca genannt. Mit der Präsidentschaft François Mitterrands in den achtziger Jahren bekamen die Regionen dann echte Bedeutung. Sie erhielten vom Volk gewählte Versammlungen, Präsidenten, Finanzhoheit und Kompetenzen, etwa für Raumplanung, Berufsausbildung, Gymnasien, regionale Kultur und Verkehr. So stark wie deutsche Länder aber sind sie nicht. Dennoch werden die Regionalwahlen wichtig genommen. Weniger von den Bürgern, die oft nicht wissen, wie ihr Regionspräsident heißt und was er treibt, umso mehr aber von den Politikern. Sie sehen in den Regionalwahlen das bedeutendste Kräftemessen vor der Präsidentschaftswahl 2012. Deshalb hat Sarkozy seine Minister aufs Land geschickt, um zu kandidieren und den Sozialisten die eine oder andere Region zu entreißen. Mehr Arbeit, weniger Verdienst Vergeblich, wie es scheint. Zwar prophezeien die Meinungsforscher, dass nach dem ersten Wahlgang die UMP und die Sozialisten im Landesdurchschnitt Kopf an Kopf liegen werden, bei je 30 Prozent. Bei den Stichwahlen am 21. März aber dürfte ein Linksbündnis aus Sozialisten, Grünen und Radikalen weit davonziehen. Die Gründe dafür liegen in Paris. Sarkozy und seine UMP-Regierung sind sehr unpopulär. Firmenschließungen, Arbeitslosigkeit und Geldsorgen in Folge der Wirtschaftskrise bedrücken die Menschen. Sarkozy hatte ihnen versprochen, unter seiner Präsidentschaft würden sie mehr arbeiten und mehr verdienen. Nun spottet die Opposition, in Frankreich werde zwar mehr gearbeitet, aber weniger verdient. Aubry fordert die Bürger auf, dem Präsidenten einen Denkzettel zu verpassen. Sarkozy wolle nach den Regionalwahlen den "Bambusstock" auspacken in Gestalt von Steuererhöhungen und Rentenkürzungen. Am Sonntag sei Gelegenheit, ihn zu stoppen. Die 59 Jahre alte Aubry war 2008 als Verlegenheitslösung an die Spitze der Sozialisten gelangt. Seinerzeit wirkte sie samt ihrer Partei dem Präsidenten hoffnungslos unterlegen. Ihre beharrliche Arbeit aber, und dazu die Wirtschaftskrise, haben die Sozialisten stabilisiert. "Die Linke lässt die Hölle hinter sich und kommt ins Spiel zurück", frohlockt die Zeitung Libération. Madame Royal würde gerne wieder antreten Neben Aubry wollen auch andere Oppositionspolitiker die Gunst der Regionalwahlen nutzen, um ihr Profil zu schärfen. Ségolène Royal etwa, die gescheiterte sozialistische Präsidentschaftskandidatin von 2007. Sie ist Regionspräsidentin von Poitou-Charentes am Atlantik und glaubt, durch eine Wiederwahl Rückenwind für ihre nationalen Ambitionen zu bekommen. 2012 würde Madame Royal gern wieder gegen Sarkozy antreten. Auch das Parteienbündnis Europe Écologie könnte zu einem Sieger der Regionalwahlen werden. Bei der Europawahl 2009 erreichten die Ökologen sensationelle 16,3 Prozent. Jetzt wollen sie ihren dritten Rang im Parteienspektrum festigen. Ihre Hoffnung ist es, am Sonntag wenigstens in einer Region besser als die Sozialisten abzuschneiden. Dann könnten sie dort an der Spitze eines Linksbündnisses in die Stichwahl gehen. Das grüne Elsass erscheint den Ökologen aussichtsreich zu sein. Sogar in der verzagten UMP gibt es in diesen Tagen einen Sieger. Er heißt François Fillon. Lange galt der Premier als eine Art Hausmeister auf Abruf des Präsidenten. Mit seiner gelassenen Art kommt Fillon mittlerweile aber besser an als der Präsident. Im Wahlkampf machte er eine starke Figur als Schadensbegrenzer für die UMP. Schon wird spekuliert, Fillon könnte 2012 nach dem höchsten Amt im Staat greifen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/regionalwahlen-in-frankreich-rot-en-vogue-1.13329
Regionalwahlen in Frankreich - Rot en vogue
00/03/2010
Kräftemessen vor der Präsidentschaftswahl 2012: Martine Aubry, die Chefin der Sozialisten, hat ihre Partei zum großen Siegeszug aufgerufen. Frankreichs Präsident Sarkozy ist alarmiert.
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Zwei Monate vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen schießt sich die FDP immer stärker auf die Grünen ein. Am 9. Mai gehe es um die Frage: "Die Grünen oder wir", schwor Fraktionschef Gerhard Papke die Delegierten des FDP-Landesparteitags in Siegen auf eine harte Auseinandersetzung um Platz drei im Düsseldorfer Landtag ein. Auch Parteichef Andreas Pinkwart griff die Grünen scharf an. "Sie ruinieren unser Land, wenn man sie nur lässt", warnte der Düsseldorfer Innovationsminister. FDP-Innenexperte Horst Engel stieß ins gleiche Horn: "Diese Truppe darf nicht in die Landesregierung." Die grundsätzliche Abneigung gegen die Grünen hat sich bei der FDP seit dem vergangenen Donnerstag zur anhaltenden Empörung gesteigert. In einer Landtagsdebatte hatte der Grünen-Innenpolitiker Horst Becker die Liberalen mit dem Vorwurf zur Weißglut gereizt, er halte die FDP "innerhalb der Parlamente für einen extremen marktradikalen Rand". Damit seien sie "genau der Gegenpol zur Linken". Mit solchen Angriffen auf die FDP wollten die Grünen nur davon ablenken, dass sie einen "Pakt mit den Linksradikalen" vorbereiten, konterte der neuen Generalsekretär der NRW-FDP, Joachim Stamp. Die Grünen seien eine "kalte, machthungrige Truppe, die mit jedem geht, der Pöstchen verspricht". Adressat der Empörung der FDP ist auch Koalitionspartner CDU. Schwarz-grüne Gedankenspiele sorgen bei den Liberalen schon seit geraumer Zeit für Unmut. Die CDU müsse sich entscheiden, "ob sie genau so klar wie wir auf die Fortsetzung von Schwarz-Gelb setzt, oder ob sie sich auf schwarz-grüne Experimente einlassen will", forderte Papke. In Teilen der CDU gebe es den naiven Glauben, man könne sich die Grünen als Machtreserve halten. Die Grünen seien gerade in Nordrhein-Westfalen fester Bestandteil des linken Lagers. "Wer bei der CDU von Schwarz-Grün träumt, der könnte am Morgen nach der Landtagswahl mit Rot-Rot-Grün aufwachen." Deshalb irritiert Liberalen auch die neue Schul-Kampagne der CDU gegen die Schulpläne von SPD und Linkspartei. Von der kommenden Woche wollen die Christdemokraten in der Nähe von Schulen im ganzen Land Plakate mit der Aufschrift hängen: "Diese Schule wird geschlossen, wenn Rot-Rot regiert." Der FDP fehlen auf den Plakaten die Grünen. Alle drei Parteien forderten "glasklar und übereinstimmend die Einheitsschule", erinnerte Stamp CDU-Generalsekretär Andreas Krautscheid an die Beschlusslage bei SPD, Grünen und Linkspartei. Rösler fordert klaren Kurs von der CDU Auch Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler forderte beim Landesparteitag der Liberalen in Niedersachsen einen klaren politischen Kurs von der CDU. "Wenn wir in der Bundesregierung jetzt nicht schnellstmöglich anfangen, konkreter zu werden als bisher, dann haben die Menschen Recht, wenn sie sich beklagen", sagte er. "Der Erfolg dieser Bundesregierung wird davon abhängen, schnellstmöglich zu klaren Lösungsvorschlägen kommen." Rösler verteidigte auch FDP-Chef Guido Westerwelle gegen Kritik. Dieser sei mit seinen Äußerungen bewusst den "unbequemen Weg" gegangen, auch auf die Gefahr hin, dass er das Ansehen seiner eigenen Position gefährde. Rösler wurde bei dem Parteitag mit einem klaren Ergebnis als Landesvorsitzender der niedersächsischen FDP bestätigt . 97,67 Prozent stimmten für den 37-jährigen, der das Amt seit 2006 innehat.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/fdp-parteitag-in-siegen-liberale-schiessen-sich-auf-gruene-ein-1.1229
FDP-Parteitag in Siegen - Liberale schießen sich auf Grüne ein
00/03/2010
Kampfbereite FDP: Zwei Monate vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen nimmt Spitzenkandidat Pinkwart die Grünen ins Visier.
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Verunsicherte Gläubige, ein Erzbischof, der "Aufklärung und Aufarbeitung" fordert - doch was denkt der Vatikan? Das offizielle Sprachrohr schreibt nun: die Kritik sei "übertrieben". Es ist keine Frage des Glaubens, sondern der Glaubwürdigkeit: Einer Emnid-Umfrage zufolge geben 67 Prozent der deutschen Katholiken an, dass die katholische Kirche durch die jüngsten Aufdeckungen von Missbrauchsfällen an Glaubwürdigkeit eingebüßt hat, in der Gesamtbevölkerung liegt der Anteil bei 71 Prozent. Die in der Bild am Sonntag veröffentlichten Zahlen spiegeln sich in der immer lauter werdenden Kritik der Basis: Die Laienbewegung "Wir sind Kirche" hält inzwischen eine Entschuldigung von Papst Benedikt XVI. für überfällig. "Wir sind enttäuscht, dass der Papst bisher kein mitfühlendes Wort für eine Bitte um Vergebung und Versöhnung gefunden hat", sagte "Wir sind Kirche"-Sprecher Christian Weisner am Samstag. Es gehe niemandem um Rücktrittsforderungen an den Papst. "Aber ein Zeichen der Buße und Umkehr von oberster Stelle ist nötig." Erklärungsbedarf des Papstes sieht die kirchenkritische Reformbewegung auch für dessen Zeit als Münchner Erzbischof von 1977 bis 1982. Erzbischof Marx: Täter sollen sich "Verantwortung stellen" Der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, kündigte eine umfassende Aufarbeitung und Gerechtigkeit für die Opfer an. Marx sagte Bild am Sonntag: "Unsere Linie ist: Aufklärung und Aufarbeitung! Die Täter müssen sich ihrer Verantwortung stellen. Den Opfern soll Gerechtigkeit widerfahren. Wir sehen uns darin von Papst Benedikt XVI. bestärkt." Marx fügte hinzu: "Wir wollen uns gemeinsam mit anderen Institutionen und gesellschaftlichen Gruppen der vor uns liegenden Aufgabe stellen, Missbrauch zu verhindern, die Prävention zu verstärken und die Sorge um das Wohl der Kinder und Jugendlichen in den Mittelpunkt zu stellen." Der Erzbischof zeigte sich bestürzt über die bekanntgewordenen Vorfälle: "Als Volk Gottes erschrecken wir darüber, dass in unserer Mitte diese schrecklichen Vergehen passiert sind. Es gilt, diese schwere Stunde der Kirche als geistliche Herausforderung zu sehen." Vatikanzeitung: Kritik ist "übertrieben" In ihrer Sonntagsausgabe setzt sich die Vatikanzeitung Osservatore Romano gegen Angriffe auf die katholische Kirche und ihre Leitung zur Wehr. Es werde mit "Verbissenheit" versucht, Missbrauchsfälle als besonders häufig in der Kirche darzustellen. Dabei sei sie diejenige Institution, die am klarsten gegen sexuellen Missbrauch von Minderjährigen vorgehe, heißt es in einem Gastkommentar von Giuseppe Versaldi auf der Titelseite. Versaldi, Mitglied des vatikanischen Obersten Gerichtshofs der Signatur und Bischof im italienischen Alexandria, verurteilte die Kritik an seiner Kirche im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen als "übertrieben". Die These, das Zölibat sein eine der Ursachen für Pädophilie, wies er ab und betonte: "Es ist erwiesen, dass keinerlei Kausalzusammenhang besteht." Darüber hinaus sei sexueller Missbrauch, so Versaldi, bei Nichtklerikern und Verheirateten verbreiteter als bei ehelos lebenden Geistlichen. Priester, die pädophile Vergehen begangen hätten, hätten auch schon zuvor Probleme mit ihrer Ehelosigkeit gehabt. Neue Missbrauchsfälle bekannt Am Samstag hatten verschiedene Medien neue Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen ans Tageslicht gebracht. Der Spiegel berichtet, dass es im Internat der Regensburger Domspatzen noch bis mindestens 1992 zu sexuellen Übergriffen auf Schüler gekommen sei. Zuvor waren nur Fälle aus den 50er und 60er Jahren bekannt. Ein ehemaliger Internatsschüler berichtete von Vergewaltigungen durch ältere Schüler und Analverkehr zwischen Schülern in der Wohnung eines Präfekten. Die Mittelbayerische Zeitung berichtet von Übergriffen auf Schüler durch Benediktiner im Internat des Klosters Plankstetten zwischen 1965 und 1967. Der Abt des Klosters bestätigte, dass 1967 ein Bruder des Klosters verwiesen wurde, von den Vorkommnissen höre er aber zum ersten Mal. Ein ehemaliger Schüler berichtete von Übergriffen im Schlafraum, im Sportunterricht, beim Spaziergehen oder beim Duschen. "Fünf oder sechs Buben" sei es genauso ergangen. Der Donaukurier berichtete von Fällen in Ingolstadt und Eichstätt. Ein ehemaliger Schüler der Wirtschaftsschule sagte dem Blatt, er sei in den 1970er Jahren im Ingolstädter Kolpinghaus von einem Mitarbeiter der Einrichtung sexuell missbraucht worden. Auch im Ingolstädter Canisiuskonvikt und im Eichstätter Studienseminar soll es zu sexuellen Übergriffen auf Schüler gekommen sein. Auch im Oldenburger Münsterland gibt es nun Verdachtsfälle auf sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche.Die Fälle stammten aus den 50er und 60er Jahren, sagte ein Sprecher des Offizialats im niedersächsischen Vechta am Samstag und bestätigte einen Bericht der Nordwest-Zeitung. Instrumentalisierung gegen den Papst Die Süddeutsche Zeitung hatte aufgedeckt, dass während der Amtszeit Joseph Ratzingers als Erzbischof von München und Freising ein wegen Kindesmissbrauchs vorbelasteter Priester in der Gemeindearbeit eingesetzt worden war. Einem Bericht der Mailänder Zeitung Corriere della Sera zufolge hatte Rom mit einer solchen Enthüllung gerechnet. Kaum habe die Süddeutsche Zeitung Informationen zu dem Vorfall veröffentlicht, sei die Darstellung der Diözese zu den Vorgängen im Internet aufgetaucht "und sofort von Pater Lombardi wiederholt worden", so das Blatt. Im Vatikan spreche man von einer "klaren, gegen den Papst gerichteten Instrumentalisierung" des deutschen Skandals um sexuellen Missbrauch. Der Vatikan wandte sich entsprechend deutlich gegen direkte Angriffe auf den Papst: "In den letzten Tagen gab es einige, die mit einer gewissen Verbissenheit in Regensburg und in München nach Elementen gesucht haben, um den Heiligen Vater persönlich in die Missbrauchsfragen mit hineinzuziehen", sagte Sprecher Federico Lombardi in Rom. Diese Versuche seien jedoch gescheitert, meinte Lombardi.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauch-vatikan-haelt-skandal-fuer-uebertrieben-1.8390
Missbrauch - Vatikan hält Skandal für übertrieben
00/03/2010
Verunsicherte Gläubige, ein Erzbischof, der "Aufklärung und Aufarbeitung" fordert - doch was denkt der Vatikan? Das offizielle Sprachrohr schreibt nun: die Kritik sei "übertrieben".
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Zur Belohnung gibt's ein Schlückchen Sekt. Und das ist irgendwie verständlich. Alles ist einfach zu schön hier. Das Projekt klingt gut, die Zusammenarbeit soll funktionieren, die Botschaft passt. Das muss gefeiert werden. Also steht Dirk Niebel, der deutsche Entwicklungsminister, am zweiten Tag seiner Vietnam-Reise mit einem Glas Sekt in einem großen, aufgeräumten Supermarkt der Großhandelskette Metro. Neben ihm strahlt der deutsche Supermarktleiter, hinter ihm zerlegt eine zierliche Arbeiterin einen gigantischen Thunfisch, und ringsum präsentieren Bauern aus der Gegend, fein herausgeputzt, Milchäpfel, Dragon-Früchte und Avocados. Andauernd möchte man hier in etwas hineinbeißen. Und das mitten in Saigon, das heute Ho Chi Minh City heißt. Helfen und Strahlen Für Niebel ist der Supermarkt die Zukunft. Er ist das Musterbeispiel für das, was sich Niebel unter guter Entwicklungspolitik vorstellt. Ein deutsches Unternehmen will etwas aufbauen, bietet den lokalen Bauern eine Perspektive und bekommt dafür Unterstützung aus dem Entwicklungsministerium. PPP heißt das unter Experten, public private partnership. Gemeint sind Kooperationen zwischen öffentlicher Hand und privaten Firmen. Das bringt dem Unternehmen etwas, soll den Menschen helfen und fördert das Image Deutschlands. Wenn es klappt, kann der FDP-Mann zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen - wobei in diesem Fall die eine Fliege (der Nutzen für Metro) mindestens so groß sein dürfte wie die andere, die Hilfe für die Bauern. Völlig neu ist das Modell nicht. Auch Niebels Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul hatte derlei gefordert und manchmal sogar gefördert. Doch wo bei der SPD-Politikerin stets Distanz, manchmal sogar Abscheu zu spüren war, will Niebel breitbeinig einsteigen. Immer wieder erklärt er, dass deutsche Entwicklungspolitik auch deutschen Interessen dienen müsse. Wobei der FDP-Mann die Interessen deutscher Unternehmen natürlich besonders im Blick hat. Eine bessere Zukunft Im Supermarkt von Saigon kann er fürs Erste einen Erfolg verbuchen. Drei Jahre lang bildeten das Unternehmen und deutsche Entwicklungsexperten die Bauern aus, erklärten Hygiene, Ackernutzung und Vermarktung. Gekostet hat das 400.000 Euro, getragen zu gleichen Teilen vom Bund und von Metro. Das Ergebnis: Alle scheinen glücklich zu sein. Das gilt auch für die Bauern, jedenfalls für die, die da sind. Von Niebel beflissen befragt, erklären sie sehr ausführlich, dass sie mehr Geld verdienen als früher, dass sie mehr Mitarbeiter eingestellt haben und eine bessere Zukunft erwarten. Niebel braucht diese Zitate. Nur so können auch die mitgereisten Abgeordneten der anderen Parteien keine Einwände haben - obwohl Metro wahrscheinlich auch ohne die Hilfe sein Glück versucht hätte. Für Niebel ist der Besuch an der Obsttheke ein schöner Moment in schwierigen Zeiten. Er zeigt, wie schön sein Job sein kann. Vietnam ist ein spannendes Land, hier gibt es viel zu helfen und bald auch sehr viel zu verdienen. Die Preußen Asiens, wie die Vietnamesen von ihren Nachbarn genannt werden, streben nach vorne und hinauf. Die Millionen Motorroller, mit denen sie durch ihr weites Land, ihre wachsenden Städte und über ihre vielen Brücken düsen, sind Sinnbild ihres Tempos und ihrer Entschlossenheit geworden. 2010 ist das Jahr des Tigers. Natürlich wollen sie schnell selbst zum Tigerstaat aufsteigen. Trotzdem kann sich Niebel nur schwer auf das Land und seine Reise konzentrieren. Gut vier Monate ist er nun im Amt, und noch immer hängt ihm sein Start wie ein Klotz am Bein. Dass die FDP das Ministerium abschaffen wollte und er trotzdem zugriff, lähmte den Anfang. Dann kamen die Fotos von der Gebirgsjägerkappe, mit der er in Afrika auftrat. Schließlich hat man ihm vorgeworfen, er wolle eigentlich nur Freunde, Militärs, FDPler versorgen. Das ist zwar nur die halbe Wahrheit. Denn daneben hat Niebel fast das gesamte Vorzimmer seiner Vorgängerin übernommen und ihren persönlichen Referenten gar zum Büroleiter aufsteigen lassen. Trotzdem hat sich ein anderes Image festgesetzt, das Bild vom Militär-Fan und breitschultrigen Rambo, der so auch Politik macht. Wer ist Niebel? Schuld daran ist nicht nur, aber auch er selbst. Das zeigt sich auf dieser Reise. Denn irgendwie kann sich Niebel noch nicht entscheiden, wie und wer er sein möchte. Mal ist er leise, fragt nach, gibt sich hie und da ganz bescheiden. Und dann wieder spielt er mit kleinen und größeren Provokationen, als wolle er trotzig am Polter-Image festhalten. Beim abendlichen Empfang in der Botschaft beginnt er seine Rede mit dem Hinweis, es handele sich hier um eine deutsche Botschaft, deshalb werde er deutsch sprechen. Es gebe ja noch eine Übersetzung. Soll ihm das Profil geben? Will er es unbedingt seinem Parteichef Guido Westerwelle gleichtun, der sich mit Ähnlichem nach der Wahl Kritik einfing? Er bleibt eben der, der gerne aus der Hüfte einen Schuss abgibt. Dass seine Militärkappe auf dem Kopf eines Bundesentwicklungsministers wie eine kleine Provokation wirkt - er findet es klasse. "Ich liebe diese Kappe", sagt er auf Einwände, "deshalb trage ich sie weiter." Und doch, vielleicht könnte die Reise ihn verändern. In diesen fünf Tagen muss er lernen, wie sehr sein Image vieles überlagern kann, also auch seine wichtigsten Ziele. Denn der Niebel von heute ist nicht mehr der von Ende Oktober. Mittlerweile hat er Appetit bekommen, will dem Amt seinen Stempel aufdrücken und bemüht sich, die Menschen das auch merken zu lassen. Also richtet er sich einen Planungsstab ein, will "auf Augenhöhe" sein mit den Kollegen. Und zudem hat er Spaß am Repräsentieren. Das geht so weit, dass immer wieder der Eindruck entsteht, da präge nicht etwa ein Minister sein neues Amt, sondern die Fakten prägten den neuen Minister. In Hanoi unterschreibt er mit australischen Partnern eine so resolute wie unverbindliche Kooperationsvereinbarung - und gibt das als großen Erfolg aus. Als Oppositionspolitiker hätte er das Ministern nicht durchgehen lassen. Auf einer Umweltkonferenz verspricht er Leidenschaft und Kooperation im Kampf gegen den Klimawandel, wie es seine Vorgängerin nicht emotionaler hätte tun können. Je länger die Reise geht, desto mehr spürt man, wie sich da einer einrichtet in seinem zunächst unbeliebten Amt. Hie und da lässt er sogar durchblitzen, dass er sich insgeheim spitzbübisch freut über seine neuen Möglichkeiten. Das heißt vor allem: Über mehr als sechs Milliarden Euro, die jetzt er verwaltet - und nicht sein Außenminister und Parteichef. Das falsche Bild Nur konsequent ist deshalb auch sein größtes politisches Ziel, die Fusion der drei staatlichen Entwicklungsorganisationen. Doch obwohl ihm fast alle zustimmen, die Grünen eingeschlossen, muss er, als der Plan zu Beginn dieser Reise richtig bekanntwird, erkennen, dass sein Image des Polit-Rambos dafür eine gefährliche Begleitmusik liefert. Plötzlich muss er fast wehrlos aus der Ferne zusehen, welche Kraft die einmal geprägten Bilder von der Kappe und vom Image des Haudraufs entwickeln. Irgendwann zwischen Vietnam und Kambodscha, an einem Abend, in einem leisen Moment, fragt er plötzlich: "Wann hört das auf? Es behindert meine Arbeit." Er hat immerhin gemerkt, dass es ihn belastet. Schön ist es da für ihn, dass es auch auf dieser Reise einen letzten Tag gibt. Einen, an dem der Entwicklungsminister ganz Entwicklungsminister sein darf. Niebel fährt im Norden Kambodschas übers Land, er besucht eine Bauerngemeinschaft, eine Schule, ein Frauenzentrum. Die Bauern beschwört er, ihre Chance mit dem eigenen Land zu nutzen. Und den Schülern erklärt er, dass die deutschen Steuerzahler gerne helfen, solange die Schüler ihr Leben auch wirklich in die Hand nehmen. Jedesmal gibt es dafür viel Lob und noch mehr Beifall. Und das bleibt nicht ohne Wirkung. Es kommt, was in den elf Jahren davor auch stets dazu gehörte. Seine Vorgängerin war berühmt und berüchtigt dafür, kleine Kinder auf den Arm zu nehmen. So weit mag Niebel (noch?) nicht gehen. Aber er schüttelt sehr fleißig Schülerhände und lacht in die jungen Gesichter. Ein Hauch von Heidi weht plötzlich über den Schulhof. Bis Niebel seine Militärkappe aufzieht, den Rücken durchdrückt und aufbricht. Dann, spätestens dann, hat sich der Hauch schon wieder erledigt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/entwicklungsminister-niebel-der-poltergeist-1.9858
Entwicklungsminister Niebel - Der Poltergeist
00/03/2010
Entwicklungsminister Niebel versucht in Vietnam, sein Image als Rambo zu korrigieren - doch auch im Ausland packt ihn immer wieder die Rauflust.
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Nicht nur Westerwelle: Laut einem Magazinbericht soll auch Amtsvorgänger Steinmeier Parteispender mit auf Reisen genommen haben. Nach Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sieht sich jetzt auch der heutige SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier Vorwürfen der Vermischung von Partei und Amt ausgesetzt. Wie das Nachrichtenmagazin Focus berichtet, wurde Steinmeier als Bundesaußenminister auf seinen Reisen oft von Konzernmanagern begleitet. Die SPD habe teilweise üppige Spenden dieser Unternehmen erhalten. So ging nach Recherchen des Magazins drei Wochen vor Steinmeiers Reise nach Ghana, Togo und Burkina Faso im Februar 2008 am 18. Januar eine Spende der Evonik Industrie AG von 100.000 Euro auf dem SPD-Konto ein. Evonik-Manager Kai Uwe Brackler habe den Außenminister dann auf der Afrika-Reise begleitet. Im Wahljahr 2009 habe die SPD erneut eine Evonik-Spende von 100.000 Euro erhalten. Grillfest für Wahlkampfhelfer Wie das Auswärtige Amt laut Focus bestätigte, lud Steinmeier als Außenminister zudem am 10. Juli 2008 und 28. Mai 2009 zu zwei Grillabenden in das Gästehaus Villa Borsig am Tegeler See ein. Die Gäste aus dem Kulturbereich wurden auf Staatskosten bewirtet. Ein Gutteil der 50 Gäste im Juli 2008 habe zum Kreis aktiver Wahlhelfer der SPD gehört, wie die Schriftsteller Sten Nadolny und Tilman Spengler oder der Kameramann Michael Ballhaus. Zudem habe der SPD-Außenminister knapp ein Jahr später in der heißen Wahlkampfphase vor der Europawahl noch mehr SPD-Unterstützer in die Villa Borsig eingeladen. Viele der rund 90 Gäste hätten sich später im Bundestagswahlkampf als Wahlhelfer engagiert. Westerwelle selbst führt die Vorwürfe, er begünstige auf Auslandsreisen Freunde und Familienmitglieder, auf den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen zurück. Dem Nachrichtenmagazin sagte der FDP-Vorsitzende: "Das ist eine durchsichtige Kampagne der Kräfte, die in Nordrhein-Westfalen eine Linksregierung wollen. Dass dabei nicht einmal vor der Diffamierung von Familienangehörigen zurückgeschreckt wird, ist infam."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/auslandsreisen-von-ministern-steinmeiers-spendabler-reisegefaehrte-1.23139
Auslandsreisen von Ministern - Steinmeiers spendabler Reisegefährte
00/03/2010
Nicht nur Westerwelle: Laut einem Magazinbericht soll auch Amtsvorgänger Steinmeier Parteispender mit auf Reisen genommen haben.
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Der Missbrauchsskandal erschüttert die katholische Kirche existentiell. Sie ist in der Krise, weil sie sich immer noch stärker selbst bemitleidet, statt den Opfern zu helfen. Jetzt geht es um das Vertrauen, das mehr als eine Milliarde Katholiken in den Pontifex setzen können. Nun also betrifft der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche den Papst selber. Während Benedikt XVI. in Rom mit dem deutschen Bischofskonferenzvorsitzenden und Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch redet und beide sich anschließend ehrlich betroffen angesichts der Übergriffe von Priestern und Ordensleuten zeigen, verdichten sich die Hinweise: Als Josef Ratzinger Erzbischof von München und Freising war, kam ein Pfarrer von Essen nach München, um dort eine Therapie zu beginnen. Der Pfarrer hatte in Essen Jugendliche sexuell missbraucht. Er wurde in München wieder in der Seelsorge eingesetzt, er hat 1986 wieder Jugendlichen sexuelle Gewalt angetan, wofür er verurteilt wurde. Hat der heutige Papst damals einen folgenschweren Fehler gemacht? Das ist noch völlig unklar. Joseph Ratzinger hat nach jetziger Erkenntnis gewusst, warum der Priester von Essen nach München versetzt wurde. Die Entscheidung, den Mann parallel in der Seelsorge einzusetzen, hat er nicht getroffen. Dem damaligen Generalvikar Gerhard Gruber kann man zugute halten, dass er der Therapiegläubigkeit der 80er Jahre erlag und den Pfarrer für in der Seelsorge einsetzbar hielt. Aber es bleiben Fragen, drängend sind sie, und beantworten kann sie letztlich nur Papst Benedikt XVI. in Rom. Er sollte sie beantworten, um der Klarheit und der Wahrheit willen, nicht, weil er an den Pranger gehört. Existentielle Krise Doch egal, wie der Münchner Fall sich entwickelt - er zeigt, wie tief, geradezu existentiell die Kirche in die Krise geraten ist. Benedikt XVI. hat sexuellen Missbrauch auf das schärfste verurteilt, man kann ihn insofern nicht als Vertuscher oder Leugner hinstellen. Und trotzdem hat das Thema ihn erreicht; jetzt geht es um das Vertrauen, das mehr als eine Milliarde Katholiken in der Welt in den Pontifex setzen können - oder nicht. Es hat sich also zur grundlegenden Vertrauenskrise entwickelt, was mit einzelnen Fällen im Berliner Canisiuskolleg begann. Die Vertrauenskrise wird sich in den Kirchenaustrittszahlen widerspiegeln, sie spiegelt sich jetzt schon in dem wider, was Menschen erfahren, die sagen, dass sie der katholischen Kirche angehören. Eltern müssen erklären, warum sie noch ihre Kinder in der Ministrantengruppe lassen, Priester müssen darlegen, dass sie nicht mit permanentem Triebstau durchs Leben gehen. Und die Bischöfe müssen sich gegen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenbergers Verdikt verteidigen, die Kirche wolle ihr eigenes Recht bei der Aufklärung schaffen. Starkes Selbstmitleid Aber die katholische Kirche hat sich selber in diese Lage gebracht. Erzbischof Zollitsch hat geschwiegen, wo er sofort hätte reden sollen. Der Jesuitenpater Klaus Mertes, der in Berlin die ersten Fälle öffentlich machte, wird intern als Getriebener hingestellt. Es fehlt nicht an Hinweisen aus Bischofskreisen, dass es doch anderswo auch schlimm sei und die Journalisten nun ein Kesseltreiben veranstalteten wie einst die Nazis mit ihren Sittlichkeitsverbrechern. Ja, es gibt anderswo Missbrauch, ja, die Kirche hat sich 2002 Leitlinien gegeben - übrigens auch damals erst auf öffentlichen Druck hin. Doch wer als Betroffener so redet, erweckt den Eindruck, er wolle vor allem die eigene Institution schützen, ausgerechnet dort, wo sie ihren Auftrag am schmählichsten verrät. Die Kirche ist nicht in die Vertrauenskrise geraten, weil sie ein Verein von Missbrauchern ist. Sie ist in der Krise, weil sie sich immer noch stärker selbst bemitleidet, statt den Opfern zu helfen, zum Beispiel mit einem Entschädigungsfonds. Sie ist in der Krise, weil sie nicht zugeben will, dass der Priester- und Ordensberuf Männer mit sexuellem Identitätsproblem anzieht. Es ist eine Krise, die das gesamte Land angeht, weil in der Kirche bislang eine Nähe und Wärme möglich war, die anderswo in der Gesellschaft knapp geworden ist. Dieses knappe Gut könnte sie nun verspielen. Auch da ist nun der Papst gefragt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/katholische-kirche-die-krise-erreicht-benedikt-xvi-1.16698
Katholische Kirche - Die Krise erreicht Benedikt XVI.
00/03/2010
Der Missbrauchsskandal erschüttert die katholische Kirche existentiell. Sie ist in der Krise, weil sie sich immer noch stärker selbst bemitleidet, statt den Opfern zu helfen. Jetzt geht es um das Vertrauen, das mehr als eine Milliarde Katholiken in den Pontifex setzen können.
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Sexueller Missbrauch und kein Ende: Die Schriftstellerin Amelie Fried erinnert sich an ihre Zeit an der Odenwaldschule - damals, als sie keine "schwäbische Spießerin" sein wollte. In der zerfallenen, oder besser zerfallenden Welt des Gerold Becker galt die Suche stets mehr als die (bürgerliche) Sicherheit. Die Suche nach Freiheit, nach Liebe, nach dem Ich. Umso betrüblicher, wie nun Tag für Tag Unentschuldbares aus dem Leben des langjährigen Leiters der Odenwaldschule nach außen dringt. Was in jenem berühmten Internat im hessischen Heppenheim geschah, der Heimstatt vorbildlicher Reformpädagogik, hat nichts zu tun mit dem wilden Gefühl der siebziger Jahre, sondern eher mit Justitiablem. Gerade hat Beckers Lebensgefährte Hartmut von Hentig die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegenüber Schülern in der Süddeutschen Zeitung matt abgewehrt und davon gesprochen, dass vielleicht einmal, wenn überhaupt, ein Schüler den Lehrer Becker verführt haben könnte - da breitet die Schriftstellerin und TV-Moderatorin Amelie Fried ihre Erinnerungen an die Odenwaldschule in der Frankfurter Allgemeinen aus. Es ist ein Bild der Widersprüche, das sie zeichnet: Einerseits die geliebte Schule "OSO", die rebellische Geister damals auffing. Andererseits das Unbehagen über die vielen Anzeichen sexuellen Missbrauchs, die über all die Jahre ignoriert wurden. Amelie Fried schwärmt von den Jungs-Beziehungen in der Odenwaldschule, vom Wohnen mit Gleichaltrigen in "Familien", von Frühstücks-Sessions bei Lehrern, von der Erziehung zu Mut. Aber da ist auch der "Familienvater", der sich plötzlich im Mädchen-Duschraum dazugesellte oder zu Strip-Poker-Runden in seiner Wohnung nötigte. Als "verklemmte schwäbische Spießerin" verhöhnt, willigte die Heranwachsende damals doch ein. Sie habe sich furchtbar geschämt und die Erinnerung daran für Jahrzehnte verdrängt, schreibt Fried heute. Freunde hätten damals Andeutungen über die Vorliebe des Direktors Becker und des Musiklehrers für kleine Jungs gemacht und dass die Knaben morgens mit der "Hand unter der Bettdecke" geweckt worden seien. Aber all das Gerede führte zu nichts. "Als Kind oder sehr junger Jugendlicher will man nicht glauben, dass ein Lehrer, der ja ein Vorbild ist und ansonsten auch ein netter Kerl, etwas Unrechtes tut. Lieber gibt man sich selbst die Schuld." Damals sei das Ideal der griechischen Knabenliebe bemüht worden und der Zeitgeist kam den Pädagogen entgegen, die Ära der sexuellen Befreiung. Die Jugendlichen seien damals glücklich gewesen, in einer angstfreien Klima sich selbst zu entdecken - dass einige Erzieher diese "großartige neue Freiheit als Deckmäntelchen für ihre Übergriffe missbrauchten, das ist der Skandal", erläutert Fried. Der Schock sitzt tief über die Vorgänge in der Ideal-Schule im Odenwald, in der besonders Schüler aus schwierigen Familienverhältnissen, die vom Jugendamt geschickt worden waren, unter dem Missbrauch litten. Es gebe Hinweise, dass deutlich mehr Lehrer in die damaligen Vorgänge verwickelt waren, schreibt die einstige Schülerin Fried, und erwähnt ein System aus Machtmissbrauch und Abhängigkeiten, das von Gerold Becker installiert worden sei. Sie schreibt von einem Lehrer, der davon schwärmte , wie er unter den "vielen wunderschönen und gescheiten Jungfrauen in Oberhambach" sich eine aussuchte und ehelichte. Wenn man das alles so liest, kommt wieder die Frage auf: Warum erst jetzt? Schließlich hatte die Frankfurter Rundschau schon 1999 von dubiosen Vorgängen in der Odenwaldschule berichtet. Schulleiter Becker war kurz darauf zurückgetreten. Damals sei versucht worden, Missbrauchsopfer als "Nestbeschmutzer" abzuwerten, erläutert Fried, und sie nennt den Altschüler Peter Conradi: "Wer hätte reden wollen, der hätte reden können", sagte der langjährige SDP-Politiker damals. Viele hätten eben nicht den Mut zur Aufklärung gehabt, beklagt die Autorin Fried und nennt den einstigen OSO-Lehrer Bernhard Bueb, der seinen Freund Becker nie auf die Missbrauchsvorwürfe angesprochen hätte, weil das sein "Frage von Takt und Respekt" gewesen sei, wie er meinte. Bueb wartet seit Jahren mit harten Thesen zur Erziehung in Büchern und TV-Shows auf, eine pädagogische Richtung, die ganz im Gegensatz zur Odenwaldschule-Philosophie steht. Zum Schluss hat Fried noch einen Rat an Gerold Becker: "War das, was Du uns auf der OSO beigebracht hast, ernst gemeint? Konflikten nicht aus dem Weg gehen. Sich für andere einsetzen. Mutig sein. Dann gehe Konflikten nicht aus dem Weg! Sei mutig! Entschuldige dich und bitte Deine Opfer um Verzeihung!" Überschrieben ist ihr Text übrigens mit: "Die rettende Hölle". Beckers Freund Hartmut von Hentig hat eine andere Erklärung für das, was jetzt geschieht: Die Gesellschaft blicke "misstrauisch auf jede Zärtlichkeit und errichtet fürsorgliche Schutzvorkehrungen gegen den scheuen Gott".
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauch-odenwald-schule-strip-poker-beim-lehrer-1.9408
Missbrauch: Odenwald-Schule - Strip-Poker beim Lehrer
00/03/2010
Sexueller Missbrauch und kein Ende: Die Schriftstellerin Amelie Fried erinnert sich an ihre Zeit an der Odenwaldschule - damals, als sie keine "schwäbische Spießerin" sein wollte.
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Der Krieg gegen Afghanistan, der Irakkrieg, die Öffnung von Guantanamo. George W. Bush hat in seiner Zeit als US-Präsident viele umstrittene Entscheidungen getroffen. Und die meisten davon wohl nicht allein. Der ehemalige US-Präsident galt als besonders abhängig von seinen engen Mitarbeitern und Beratern. Karl Rove war einer der einflussreichsten - das lässt sich an seinem Spitznamen ablesen: "Bushs Gehirn" wurde er genannt. Jetzt hat Rove seine Memoiren veröffentlicht. Brisanz hat dabei besonders sein Eingeständnis, dass die Entscheidung in den Irak einzumarschieren unter falschen Vorraussetzungen getroffen wurde. Genug Insiderwissen, um aus "Courage and Consequence" (Mut und Konsequenz) ein spannendes Buch zu machen, sollte Rove haben. Viele Jahre hat er für Bush gearbeitet, war einer der einflussreichsten Berater des ehemaligen US-Präsidenten. Er gilt als der Architekt der siegreichen Präsidentschaftswahlkampagnen Bushs im Jahr 2000 und 2004, der Präsident konsultierte ihn in allen wichtigen Bereichen. Und einen Aufreger findet man in dem 600 Seiten starken Werk ohne Frage. Denn Rove spricht über die Entscheidung in den Irak einzumarschieren. Und er gesteht Fehler ein. "Hätten es den Irakkrieg gegeben, wenn man gewusst hätte, dass es dort keine Massenvernichtungswaffen gibt? Nein, dass bezweifle ich. Es wäre sehr unwahrscheinlich gewesen, dass der Kongress dann die Resolution für den Einsatz von Waffen unterstützt hätte. Und die Bush-Administration selbst hätte wohl zu anderen Maßnahmen gegriffen, um Saddam aus dem Amt zu drängen", schreibt Rove. Damit wirft Rove eine zentrale Frage auf. Nämlich die, ob Bush wusste, dass Saddam Hussein nicht über Massenvernichtungswaffen verfügt. Der Vorwurf, der Kriegsgrund sei vorgeschoben und die Invasion habe ihre wahren Hintergründe in wirtschaftlichen und geostrategischen Überlegungen, steht bis heute im Raum. "Hat Bush uns mit Lügen in diesen Krieg geführt?" "Hat Bush uns mit Lügen in diesen Krieg geführt?" fragt Rove. Die Antwort des konservativen Politikberaters überrascht nicht. "Absolut nicht." Rove bleibt dabei: Der Präsident sagte die Wahrheit. Er und sein Stab schenkten den Geheimdienstberichten über vorhandene Massenvernichtungswaffen im Irak aufrichtig ihren Glauben. Und obwohl sich keine Arsenale biologischer oder chemischer Waffen, keine smoking gun, in den Händen Husseins fanden, plädiert Rove auch nachträglich für den Einsatz der Armee. Allein die Möglichkeit, so Roves Argumentation, Demokratie als Bollwerk gegen den islamistischen Extremismus in den Nahen Osten zu bringen, rechtfertige die Entscheidung, den Diktator zu stürzen. Die New York Times beschreibt Roves Buch als eine "dreiste Verteidigung" ("unapologetic defense") seiner eigenen Strategien und der Präsidentschaft von George W. Bush. Das Buch schieße außerdem gegen politische Gegner und kritische Medien, die er als eitel, scheinheilig und hinterlistig darstelle. So schreibt der ehemalige stellvertretende Stabschef des Weißen Hauses Sätze wie: "Ich bewundere Anführer, die in großen Zusammenhängen denken und nach ihren Überzeugungen handeln. George W. Bush war so ein Anführer. Seine Präsidentschaft war nicht ohne Fehler - aber das ist keine Präsidentschaft. In der Gesamtheit, ist das was er in acht Jahren erreicht hat, eindrucksvoll, dauerhaft und von Bedeutung." In einem Interview mit der BBC legte Rove jetzt noch nach. Er verteidigte die Anwendung von Foltermethoden wie Waterboarding, simuliertes Ertränken, bei Verhören von mutmaßlichen Terroristen. "Ich bin stolz, dass wir durch den Einsatz dieser Technik die Welt sicherer gemacht haben." Seiner Auffassung nach sei Waterboarding ein angemessenes Mittel, das zudem im Einklang mit dem US-amerikanischen Recht stehe. Andere amerikanische Kommentatoren gehen mit ihrer Kritik noch weiter als die New York Times. Die Huffington Post, eine Online-Zeitung, meint, die Biographie sei mit ihrer Darstellung von Geschichte weit von der Wahrheit entfernt. Und sie veröffentlicht eine, nicht ganz erst gemeinte, Liste mit alternativen Titeln für Roves "Courage and Consequence". Darunter finden sich zu Beispiel: "Gemein & Gemeiner", "Dumm & Dümmer" oder "Krieg & Krieg".
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/memoiren-von-karl-rove-das-leben-des-gehirns-von-george-w-bush-1.16741
"Memoiren von Karl Rove - Das Leben des ""Gehirns"" von George W. Bush"
00/03/2010
Der Chefstratege von George W. Bush, Karl Rove, hat seine Memoiren veröffentlicht. Seine Ausführungen über den Irakkrieg sorgen für Wirbel.
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Der Vatikan reagiert empört auf den SZ-Bericht über den pädophilen Pfarrer, der im Erzbistum von Ratzinger eingesetzt wurde. Unterdessen wurden weitere Missbrauchsfälle bekannt - wieder bei den Domspatzen. Der Vatikan sieht in der Berichterstattung über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche einen direkten Angriff auf Papst Benedikt XVI. "In den letzten Tagen gab es einige, die mit einer gewissen Verbissenheit in Regensburg und in München nach Elementen gesucht haben, um den Heiligen Vater persönlich in die Missbrauchs-Fragen mit hineinzuziehen", sagte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi am Samstag in Rom als Reaktion auf den Bericht in der Süddeutschen Zeitung. Für jeden objektiven Beobachter sei aber klar, "dass diese Versuche gescheitert sind", meinte Lombardi. In dem jüngsten Münchner Fall, der in einem Bericht der Süddeutschen Zeitung behandelt wird, sei deutlich, dass der damalige Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger nichts zu tun gehabt habe mit Entscheidungen, "nach denen es später dann zu den Missbräuchen kommen konnte", betonte der Papst-Sprecher. Ratzinger hatte als Erzbischof im zuständigen Kirchengremium der Versetzung eines wegen Kindesmissbrauchs vorbelasteten Priesters von Essen nach München zugestimmt. Lombardi hielt fest, das Erzbistum München habe mit einem ausführlichen und detaillierten Statement auf die Fragen zu dem Priester geantwortet, der sich des Missbrauchs schuldig gemacht hatte. "Trotz des Sturms hat die Kirche deutlich den Weg, den sie gehen soll, vor Augen - unter der sicheren und strengen Führung des Heiligen Vaters." Lombardi sprach von "klarem Kurs auch bei hohem Wellengang". Zu hoffen sei jetzt, "dass diese Turbulenz letztendlich eine Hilfe für die Gesellschaft insgesamt sein kann, um im Schutz und der Ausbildung von Kindern und Jugendlichen immer besser zu werden", schloss der Jesuitenpater seine Stellungnahme. Laienbewegung fordert Entschuldigung Die kirchliche Reformbewegung "Wir sind Kirche" hält inzwischen eine Entschuldigung von Papst Benedikt XVI. für überfällig. "Wir sind enttäuscht, dass der Papst bisher kein mitfühlendes Wort für eine Bitte um Vergebung und Versöhnung gefunden hat", sagte "Wir sind Kirche"-Sprecher Christian Weisner der Deutschen Presse-Agentur dpa. Es reiche nicht aus, dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, nach einer Audienz beim Papst berichtet habe, Benedikt XVI. sei tief betroffen und bestürzt über den Missbrauchsskandal. "Es wäre gut, wenn der deutsche Papst ein Wort der Entschuldigung zu den Vorfällen in Deutschland fände", sagte Weisner. "Damit würde Joseph Ratzinger ein hilfreiches Vorbild geben, wie seine Bischöfe mit diesem Thema umgehen müssen." Es gehe niemandem um Rücktrittsforderungen an den Papst. "Aber ein Zeichen der Buße und Umkehr von oberster Stelle ist nötig." Erklärungsbedarf des Papstes sieht die kirchenkritische Reformbewegung auch zu dessen Zeit als Münchner Erzbischof 1977 bis 1982. Der Vatikan hat seit 2001 von rund 3000 Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche aus den vergangenen 50 Jahren erfahren. Das sagte ein Vertreter der päpstlichen Glaubenskongregation, Charles Scicluna, am Samstag der italienischen Bischofszeitung Avvenire. Von 2001 bis 2010 habe es rund 3000 Beschwerden über Geistliche gegeben. In rund 60 Prozent der Fälle sei es um gleichgeschlechtliche Kontakte gegangen. Bei 30 Prozent der Beschwerden handelt es sich demnach um heterosexuelle Kontakte und in nur zehn Prozent der Fälle um pädophile Übergriffe Geistlicher. Weitere Missbrauchsfälle in Bayern Unterdessen wurden weitere Fälle von sexuellem Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen bekannt. Bei den Regensburger Domspatzen sollen sexuelle Übergriffe und Misshandlungen länger vorgekommen sein als bisher bekannt. Wie der Spiegel berichtet, kam es nach Aussagen von Betroffenen noch mindestens bis 1992 zu sexuellen Übergriffen auf Schüler. Bislang waren nur Fälle aus den 50er und 60er Jahren bekannt. Demnach sagte ein Ex-Schüler dem Magazin, dass er bis zum Verlassen des Internats 1992 sexuelle und körperliche Gewalt als allgegenwärtig erlebt habe. Er selbst sei im Internat von älteren Schülern vergewaltigt worden, auch in der Wohnung eines Präfekten sei es zu Analverkehr zwischen Schülern gekommen, zitiert der Spiegel den Ex-Schüler: "Die haben den Druck eines totalitären Systems eben weitergegeben." Das Bistum Regensburg wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Auch der Chorchef und Papstbruder Georg Ratzinger wurde dem Bericht zufolge von ehemaligen Domspatzen als "extrem cholerisch und jähzornig" erlebt. So habe Ratzinger noch Ende der 80er Jahre bei Chorproben erzürnt Stühle in die Reihen der Männerstimmen geworfen. Der 86-jährige Ratzinger wollte sich dazu ebenfalls nicht äußern. Zuvor hatte er eingeräumt, bis zum Ende der 70er Jahre in den Chorproben selbst hin und wieder Ohrfeigen verteilt zu haben. Doch habe er nie jemanden "grün und blau" geschlagen. Auch im Kloster im oberpfälzischen Plankstetten seien nach Informationen der Mittelbayerischen Zeitung Missbrauchsfälle gemeldet worden. Der Zeitung zufolge gab es in dem Internat des Klosters im Bistum Eichstätt Übergriffe auf Schüler durch Benediktiner. Ein heute 58 Jahre alter Mann berichtete dem Blatt von sexuellen Handlungen zu seiner Schulzeit in den 1960er Jahren. Der Abt des Klosters bestätigte, dass 1967 ein Bruder des Klosters verwiesen wurde. Von den Vorkommnissen höre er aber zum ersten Mal. Übergriffe beim Sportunterricht Berichten des 58 Jahre alten Mannes aus Regensburg zufolge handelte es sich bei dem Hauptverantwortlichen für die sexuellen Übergriffe von 1965 bis 1967 um einen damals etwa 35 Jahre alten Ordensmann. Es ging unter anderem um unsittliche Berührungen im Schlafraum. Auch im Sportunterricht, beim Spazierengehen oder beim Duschen soll es zu Übergriffen gekommen sein. Er wisse "von fünf bis sechs Buben", denen es genauso ergangen sei. Der erst am Freitag zum Abt des Klosters gewählte Pater Beda Sonnenberg zeigte sich "entsetzt und betroffen" über die Missbrauchsfälle. Generalvikar Johann Limbacher kündigte an, den Fall "ganz offen" bearbeiten zu wollen. Es solle nichts vertuscht werden. Eichstätts Bischof Gregor Maria Hanke, der früher auch Abt in Plankstetten war, bat seine Bistumsmitarbeiter um Aufmerksamkeit und Offenheit gegenüber Missbrauchs- und Gewaltopfern. Der Donaukurier berichtet in seiner Samstagausgabe von Fällen in Ingolstadt und Eichstätt. Ein ehemaliger Schüler der Wirtschaftsschule berichtete dem Blatt, er sei in den 1970er Jahren im Ingolstädter Kolpinghaus von einem Mitarbeiter der Einrichtung sexuell missbraucht worden. Auch im Ingolstädter Canisiuskonvikt und im Eichstätter Studienseminar soll es zu sexuellen Übergriffen auf Schüler gekommen sein. Unterdessen beteiligen sich nun auch kirchliche Würdenträger an der Diskussion über das Zölibat. Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke hat sich im Hamburger Abendblatt für eine Koexistenz von Zölibat und verheirateten Priestern ausgesprochen - und sich so gegen die Position von Papst Benedikt XVI. gestellt. Einen unmittelbaren Bezug zwischen dem Zölibat und den vielen Missbrauchsfällen in katholischen Einrichtungen sieht Jaschke zwar nicht, "allerdings kann die zölibatäre Lebensform auch Menschen anziehen, die eine krankhafte Sexualität haben", sagte der Weihbischof. Sie würden hierin fälschlicherweise "eine Lösung ihrer Erkrankung" sehen. Katholische Geistliche müssten ein unverkrampftes Verhältnis zur Sexualität gewinnen, sagte Jaschke. "Man muss sich selber auch als sexuelles Wesen erfahren." Der sexuelle Trieb dürfe nicht abgeklemmt werden. Eine vollkommene Abschaffung des Zölibats lehnt der Weihbischof ebenso ab wie katholische Priesterinnen. Es sollte darüber nachgedacht werden, "ob es in der katholischen Kirche durch verheiratete Priester nicht eine größere Vielfalt geben könnte", sagte Jaschke dem Blatt. Er könne sich vorstellen, dass Priester mit Familie zu den Sorgen und Anliegen von verheirateten Menschen und Eltern einen besseren Zugang hätten. Für Papst Benedikt XVI. hingegen gibt es weiterhin keine Alternative zum Zölibat. Die enthaltsame Lebensform sei ein "kostbares Geschenk" und "Zeichen der vollständigen Hingabe" an Gott, sagte Benedikt XVI. am Freitag auf einer Tagung der Kleruskongregation im Vatikan. Der Präsident des Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, sieht das offensichtlich anders. Er sprach sich für eine Aufhebung des Pflichtzölibats aus. Die Kirche müsse "Konsequenzen struktureller Art ziehen und dabei reflektieren, ob es kirchenspezifische Bedingungen gibt, die den Missbrauch begünstigten", sagte ZdK-Präsident Alois Glück der Süddeutschen Zeitung.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauch-in-der-katholischen-kirche-vatikan-sieht-angriff-auf-papst-1.12438
Missbrauch in der katholischen Kirche - Vatikan sieht Angriff auf Papst
00/03/2010
Der Vatikan reagiert empört auf den SZ-Bericht über den pädophilen Pfarrer, der im Erzbistum von Ratzinger eingesetzt wurde. Unterdessen wurden weitere Missbrauchsfälle bekannt - wieder bei den Domspatzen.
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Es flossen Tränen, als sich der Pfarradministrator im Jahr 2008 von seiner oberbayerischen Gemeinde verabschiedete. Er hielt seine Predigt in Reimform, eine Ministrantenabordnung überreichte ihm Geschenke - allein, warum er die Gemeinde verlassen musste, das wusste damals niemand. Das Erzbischöfliche Ordinariat bestätigte Informationen der Süddeutschen Zeitung, wonach der Pfarrer, der bis heute in Oberbayern als Kur- und Tourismusseelsorger tätig ist, 1986 wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden ist. Und auch vorher gab es schon Vorwürfe gegen ihn: Als junger Kaplan kam er wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch von Jugendlichen 1980 aus seiner damaligen Pfarrgemeinde im Bistum Essen nach München, mit Zustimmung des Ordinariatsrats der Diözese. Erzbischof war damals Joseph Ratzinger, der heutige Papst Benedikt XVI. Zur Therapie in den Süden Der Rat beschloss, dass der Pfarrer zur Therapie nach München kommen und in dieser Zeit in einem Pfarrhaus wohnen könne. Jedoch setzte ihn der damalige Generalvikar Gerhard Gruber - laut Ordinariat eigenmächtig - 1980 direkt wieder in einer Münchner Pfarrei zur Seelsorge ein. Zur Begründung sagt Gruber heute: "Wir wollten nicht, dass er den ganzen Tag nichts zu tun hat, außer einer Stunde Therapie." Er bedauere diese Entscheidung, sagt der heute 81 Jahre alte Gruber. Doch der Pfarrer wurde rückfällig und 1986 wegen sexuellen Missbrauchs zu 18 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Nach dem Urteil arbeitete der Pfarrer zunächst in einem Altenheim und wurde 1987 erst Kurat und dann Pfarradministrator in einer Gemeinde in Oberbayern. Dort blieb er 21 Jahre. Von Vorfällen ist nichts bekannt. Der damalige Generalvikar Gruber sagt, das Urteil von 1986 habe kein Berufsverbot enthalten. "Ich war dafür, dass er wieder eingesetzt wird." Gruber sagt, er habe an die Rehabilitation des Pfarrers geglaubt, und sei bis heute davon überzeugt. Der Pfarrer, heute 62 Jahre alt, wäre wohl weiter Pfarradministrator geblieben, hätte sich nicht das Missbrauchsopfer Wilfried F. aus dem Ruhrgebiet entschlossen, etwas dagegen zu unternehmen. Der Pfarrer soll Wilfried F. im Jahr 1979 nach einer Ferienfreizeit in der Eifel sexuell missbraucht haben. Damals war F. elf Jahre alt. Unter anderem habe ihn der Pfarrer zum Oralverkehr gezwungen. Erst Ende 2006, schreibt Wilfried F., habe er aufgehört, das Geschehene zu verdrängen. Er habe herausgefunden, dass der Mann weiter als Pfarrer auch mit Jugendlichen arbeite. "Zum Schweigen bringen" Wilfried F. schrieb ihm daraufhin E-Mails, fragte ihn, ob er ein schlechtes Gewissen habe und forderte eine Entschädigung. Die E-Mail habe der Beauftragte für Missbrauchsvorwürfe des Münchner Erzbistums, Siegfried Kneißl, beantwortet. Eine der E-Mails aus dem Jahr 2008 liegt der SZ vor. Darin bittet Kneißl den Absender, seine Anonymität aufzugeben, damit er den Vorwürfen nachgehen könne. F. tat dies nicht. Wenige Tage später, so sagt Wilfried F., stand bei ihm die Polizei vor der Tür. Der Vorwurf: Er soll den Pfarrer erpresst haben. "Das Ordinariat wollte mich zum Schweigen bringen", sagte F. Das Verfahren gegen ihn wurde im Mai 2008 eingestellt, eine Erpressung war nicht nachzuweisen. Es dauerte noch etwa drei Monate, dann wurde der pädophile Geistliche versetzt. Er wechselte in eine andere oberbayerische Gemeinde, wo er bis heute als Kur- und Tourismusseelsorger arbeitet. Ihm wurde laut Ordinariat auferlegt, keine Kinder-, Jugend- und Ministrantenarbeit mehr zu machen. Denn: "Ein auf Wunsch des neuen Erzbischofs Reinhard Marx erstelltes forensisches Gutachten rechtfertigte aus Sicht des Ordinariats nicht den Verbleib des Mannes in der Pfarrseelsorge." Doch der Pfarrer feiert Gottesdienste für Jugendliche. Der Pfarrbrief berichtet von einem "schönen Gottesdienst" auf einem Jugendzeltlager im August des vergangenen Jahres.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/erzbistum-muenchen-gescheiterte-rehabilitation-1.15011
Erzbistum München - Gescheiterte Rehabilitation
00/03/2010
Trotz mehrerer Missbrauchsfälle ermöglichte das Erzbistum München einem vorbestraften Pfarrer, immer wieder mit Kindern in Kontakt zu treten.
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Der Außenminister wehrt sich gegen Vorwürfe, er vermische auf Dienstreisen private und dienstliche Interessen - und erhält nun Unterstützung: von Kanzlerin Merkel. Er wirkte in den vergangenen Tagen wie ein Außenwirtschaftsminister, der mit den Lieben auf Südamerika-Tour geht: Guido Westerwelle von der FDP. Sein Lebenspartner Michael Mronz ist mit von der Partie, auf eigene Kosten zwar, aber womöglich auch auf eigenen Profit. Denn das WM-Land Brasilien, das Westerwelle und Entourage ansteuerten, hat für den Sportmanager Mronz besondere Bedeutung. Der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dürften die vielen kritischen Storys über ihren reisenden Stellvertreter und seine Geschäftsfreunde, zum Beispiel den Investor Cornelius Boersch, wenig erfreut haben. Aber was soll's, das Image der Regierung darf nicht leiden - und so hat sich Merkel zaghaft und vorsichtig in der Kontroverse über die Mitnahmepraxis bei Auslandsreisen hinter Westerwelle gestellt. Regeln befolgt Angela Merkel sei davon überzeugt, dass der Vizekanzler und Außenminister "in Übereinstimmung mit den Unsancen und den Regeln" vorgegangen sei, erklärte Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach an diesem Freitag in Berlin. Sie wies darauf hin, dass über die Zusammensetzung der Delegationen jeder Minister selbst entscheide. Westerwelle war in die Kritik geraten, weil er schon zuvor auf Auslandsreisen befreundete Geschäftsleute mitgenommen hatte. Auch der Vize-Sprecher des Auswärtigen Amtes, Stefan Bredohl, bekräftigte, dass bei der Auswahl der Wirtschaftsgäste die eingespielten Regeln eingehalten worden seien. Zu den Entscheidungsabläufen bei der Mitnahme in Einzelfällen wollte er sich nicht äußern. In der Öffentlichkeit auf Kritik gestoßen war zum Beispiel, dass Ralf Marohn, Geschäftsführer der Beraterfirma Far Eastern Limited, an der auch Westerwelles Bruder Kai beteiligt ist, den Außenminister im Januar nach Asien begleitet hatte. Mahron hatte als Reaktion auf die Kritik an seiner Reise mit Westerwelle behauptet, 1999 auch schon in einer China-Delegation des rheinland-pfälzischen SPD-Ministerpräsidenten Kurt Beck vertreten gewesen zu sein. Dies bestreitet die Staatskanzlei jedoch. Das Mainzer Wirtschaftsministerium hat angekündigt, seine Geschäftsbeziehungen zu Marohn beenden zu wollen. Die Zusammenarbeit mit der Marohn/Westerwelle-Firma soll zum 1. Mai - dem frühestmöglichen Termin - gekündigt werden, wie Staatssekretär Siegfried Englert sagte. Derzeit bereite sich Marohn noch auf eine nicht absagbare Wirtschaftsreise nach China im April vor. "Ich nenne das Korruption" Bredohl wies weiter Berichte zurück, dass es bei den Mitarbeitern im Auswärtigen Amt Unmut darüber gebe, dass das Haus seit Wochen nicht aus den Negativ-Schlagzeilen herauskomme. Dies könne er "in keiner Weise bestätigen", betonte Bredohl. Jeder Mitarbeiter versuche, seine Arbeit sachlich zu erledigen. Die Opposition sieht das anders. Für sie steht fest, "dass in den ersten 200 Tagen bei Reisen im wesentlich die dabei sind, mit denen er entweder verwandt ist oder die große Spenden für die FDP geleistet haben", so Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Westerwelle am Freitag vor, als Außenminister die Regeln des "bürgerlichen Anstands" zu verletzen. "Seine Art der Amtsführung und die Verquickung mit privaten Geschäftsinteressen wirken auf viele Menschen abstoßend", sagte Gabriel. Er sei sicher, dass sich auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für ihren Koalitionspartner "schämt", fügte Gabriel im Blick auf die Debatte um die Mitnahme von befreundeten Geschäftsleuten durch Westerwelle ins Ausland hinzu. Die Linkspartei ist noch entschiedener."Ich nenne das Korruption - und ich finde, man muss in Deutschland einen korrupten Politiker auch noch einen korrupten Politiker nennen dürfen", erklärt die designierte Parteichefin Gesine Lötzsch. "Für viele unbequem" Die Liberalen wollen das nicht auf sich sitzen lassen. Generalsekretär Lindner droht an, man werde sich die Großspender der SPD aus den vergangenen Jahren ansehen und die Namen mit den Reisebegleitern von Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier vergleichen Der FDP-Mann hat die kritischen Berichte über Westerwelle als Gefahr für die Demokratie eingestuft. "Wir müssen aufpassen, dass die Demokratie insgesamt nicht Schaden nimmt durch solche Vorwürfe, die da konstruiert werden", so Lindner im ZDF-Morgenmagazin. Er wertete die Vorwürfe als Retourkutsche für die vom Parteivorsitzenden Westerwelle angestoßene Hartz-IV-Debatte. "Das ist für viele unbequem. Er wird (...) dadurch auch zu einer Art Zielscheibe von Diffamierungskampagnen." Mronz fliegt nicht nach Südafrika Wie unterdessen bekannt wurde, wird Westerwelles Lebensgefährte Michael Mronz den Außenminister nicht auf dessen Reise nach Südafrika im April begleiten. Er habe andere Termine, sagte Mronz an diesem Freitag zum Ende von Westerwelles Lateinamerika-Reise in Rio de Janeiro. Zugleich wies er den Vorwurf zurück, er habe bei dem Besuch in Brasilien eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt. Seine Sportmarketing-Agentur sei nicht auf solche globalen Events wie die bevorstehenden sportlichen Großereignisse in dem lateinamerikanischen Land ausgerichtet, erklärte Mronz. Die Frage stelle sich daher gar nicht. "Ich definiere meinen Beruf nicht über das Amt von Herrn Westerwelle." Mronz besuchte am Freitag in Rio ein Kinderdorf, an den Terminen von Westerwelle nahm er nicht teil. Der Außenminister informierte sich am Vormittag über die Vorbereitung der Fußball-WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016. Seine nächste große Reise wird ihn im April nach Südafrika führen.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/causa-westerwelle-chefin-merkel-hilft-ihrem-vize-ganz-diplomatisch-1.16476
Causa Westerwelle - Chefin Merkel hilft ihrem Vize ganz diplomatisch
00/03/2010
Der Außenminister wehrt sich gegen Vorwürfe, er vermische auf Dienstreisen private und dienstliche Interessen - und erhält nun Unterstützung: von Kanzlerin Merkel.
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In fast ganz Deutschland ist es in den vergangenen 50 Jahren zu Misshandlungen und sexuellem Missbrauch an Schulen und Internaten gekommen. In fast ganz Deutschland ist es in den vergangenen 50 Jahren zu Misshandlungen und sexuellem Missbrauch an katholischen Schulen und Internaten gekommen. Mittlerweile sind mindestens 23 Schulen und Internate von den Vorwürfen betroffen, insgesamt gibt es wohl mehr als 250 Opfer. Bis auf Ostdeutschland, wo es nur wenige katholische Internate gibt, liegen mittlerweile beinahe in allen Bistümern Verdachtsfälle vor - und fast täglich kommen neue hinzu. Das ergaben Nachfragen bei Bistümern und Internaten. Die Anschuldigungen reichen von Priestern, die - wie zum Beispiel im Aloisiuskolleg in Bad Godesberg - Internatsschüler beim Duschen beobachtet, sie unsittlich angefasst oder Nacktfotos von ihnen gemacht haben sollen, bis hin zu Fällen von schwerem sexuellen Missbrauch. Vieles ist verjährt Die meisten Fälle liegen viele Jahre zurück, wie etwa jener am Musikgymnasium Regensburg, bei dem ein Präfekt im Jahr 1958 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde, da man ihn bei unsittlichen Handlungen mit seinen Schützlingen ertappt hatte. Andere Fälle stammen aus der jüngeren Vergangenheit, wie etwa im Maristeninternat Mindelheim, wo der frühere Leiter des Internats wegen sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen im Jahr 2008 zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt wurde. Die meisten der bisher bekannten Fälle wurden jedoch nicht vor Gericht verhandelt. Für den Großteil dürfte es jetzt auch zu spät sein, da die Vorfälle entweder lange zurückliegen oder die mutmaßlichen Täter gestorben sind. Dennoch haben die Bistümer häufig die Staatsanwaltschaften eingeschaltet. Nicht nur Katholiken betroffen Die Recherchen zeigen jedoch auch, dass sexueller Missbrauch und Gewalt nicht nur in der katholischen Kirche vorkommen. So sind etwa aus der evangelischen Internatsschule Schloss Gaienhofen am Bodensee fünf Fälle von sexuellem Missbrauch bekannt und in der privat geführten, weltlichen Odenwaldschule in Heppenheim berichten 33 ehemalige Schüler von Missbrauch. Zudem haben Pädagogen in zahlreichen weltlichen Kinderheimen geprügelt und missbraucht. Nur einige davon - wie etwa das Vincenzhaus der Caritas in Hofheim oder das Vinzenzwerk in Münster - werden von kirchlichen Organisationen getragen. Die Bistümer nehmen die Aufklärung der Fälle ernst, nicht überall sind die Diözesen jedoch zu Transparenz bereit. So wollen sich etwa die Bistümer Aachen, Erfurt und Magdeburg zur Zeit nicht zu den bisher bekannten Fällen auf ihrem Gebiet äußern. Sie verweisen auf die Deutsche Bischofskonferenz, die jedoch ebenfalls eine Stellungnahme ablehnt. Derzeit sei es für Berichte über Ergebnisse der Nachforschungen noch zu früh, wird argumentiert. In den kommenden Tagen wird sich die Zahl der Fälle weiter erhöhen; das Bistum Rottenburg-Stuttgart hat etwa einen Zwischenbericht seiner internen Recherchen angekündigt und auch das Bistum Fulda untersucht zur Zeit neue Vorwürfe gegen fünf Priester und Kirchenmitarbeiter.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/misshandlungen-in-deutschland-karte-der-leiden-1.12996
Misshandlungen in Deutschland - Karte der Leiden
00/03/2010
In fast ganz Deutschland ist es in den vergangenen 50 Jahren zu Misshandlungen und sexuellem Missbrauch an Schulen und Internaten gekommen.
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Die großen Verbände können sich nicht auf eine Haltung zur Islamkonferenz einigen - neben Forderungen nach einem Ausstieg gibt es auch Signale für einen Dialog. Im Streit über die Zukunft der Deutschen Islamkonferenz haben sich die großen muslimischen Verbände am Freitag nicht auf eine gemeinsame Haltung gegenüber der Bundesregierung einigen können. Es gebe noch Diskussionsbedarf, sagte der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime (KRM), Bekir Alboga, nach fast achtstündigen Beratungen der Organisationen in Köln. "Das war ein sehr intensives Gespräch - das verdeutlicht noch einmal die Wichtigkeit." Nach Darstellung von Alboga ist unklar, ob sich die Verbände doch noch auf einen Ausstieg aus der Konferenz von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verständigen. "Alle Optionen sind offen", sagte Alboga. Die Beratungen würden wahrscheinlich am nächsten Freitag fortgesetzt, der Termin sei aber noch nicht sicher. Im Koordinationsrat sind die vier großen muslimischen Verbände zusammengeschlossen, unter ihnen der Islamrat. Dieser war von de Maizière vorerst aus der Konferenz ausgeladen worden, nachdem gegen seinen größten Mitgliedsverband Milli Görüs Ermittlungen unter anderem wegen Steuerhinterziehung und Bildung einer kriminellen Vereinigung eingeleitet worden waren. Daraufhin hatten zwei KRM-Mitglieder, der Zentralrat der Muslime und VIKZ, ihre Beteiligung an dem Gremium in Frage gestellt. "Guter Ansatz" Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sagt nach der Sitzung: "Es ging weniger um den Ausschluss des Islamrats als vielmehr um Inhalte, Konzepte und Ziele." Kurz vor der Entscheidung hatte der KRM allerdings die Bereitschaft zur Beilegung des Streits signalisiert. Alboga begrüßte Äußerungen von de Maizière, wonach in den Beratungen Themen wie Rassismus und Islamophobie "durchaus Platz finden" könnten. Diese Äußerungen des Ministers seien ein "guter Ansatz" für eine Fortsetzung des Dialogs, sagte Alboga der Nachrichtenagentur AFP. Sie würden das Treffen in Köln sicher "wohlwollend begleiten". Alboga fügte hinzu, er habe nie von einem "Boykott" der Islamkonferenz gesprochen. Es gehe ihm um Inhalte und die personelle Zusammensetzung. De Maizière war in der Süddeutschen Zeitung den Verbänden nach deren Kritik an der Schwerpunktsetzung der Konferenz entgegengekommen. Zugleich hatte er aber eine kritischere Haltung der übrigen muslimischen Verbände gegenüber Milli Görüs angemahnt. "Eine Reifeprüfung" Wie aus Teilnehmerkreisen verlautete, sprach sich der türkische Moscheeverband Ditib bei dem Treffen in Köln gegen einen Ausstieg aus der Konferenz aus. Ditib ist mit etwa 800 Moscheegemeinden der größte Muslim-Verband in Deutschland und hat enge Verbindungen zur türkischen Regierung, die unter anderem die Imame für den Verband in Deutschland stellt. Allerdings gab es offenbar auch andere Stimmen, die Beratungen dauerten dementsprechend deutlich länger als ursprünglich geplant. Ein Verbandsvertreter sprach sich für eine harte Haltung gegenüber der Bundesregierung aus: "Das ist eine Reifeprüfung für das Selbstbewusstsein der Muslime." Allerdings dürfte die kompromissbereite Haltung von Ditib besonderes Gewicht haben. Der Moscheenverband genießt innerhalb des Koordinationsrates eine herausgehobene Stellung und hat als Einziger ein Vetorecht. Die SPD kritisierte die Entscheidung de Maizières, den Islamrat bis auf weiteres auszuladen. "Wenn wir die Integration des Islam in Deutschland befördern wollen, dann müssen wir mit allen Vertretern der Muslime reden, die zum Dialog bereit sind und Gewalt ablehnen", sagte der Berliner Innensenator Ehrhart Körting. Die Begründung für den Ausschluss überzeuge ihn nicht: ,,Das ist eine unverhältnismäßige und für die Integration des Islam in Deutschland falsche Entscheidung.''
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/islamkonferenz-alle-optionen-sind-offen-1.11232
"""Alle Optionen sind offen"""
00/03/2010
Die großen Verbände können sich nicht auf eine Haltung zur Islamkonferenz einigen - neben Forderungen nach einem Ausstieg gibt es auch Signale für einen Dialog.
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Mit Auftritten eines Doppelgänger ihres Ehemannes soll eine Frau den gewaltsamen Tod ihres Gatten verschleiert haben. Von dem Fischer fehlt jede Spur, die Frau sitzt inzwischen hinter Gittern. Man kannte Hermann H., 71, gut in Kappel-Grafenhausen, einem Flecken in der Rheinebene, etwa 40 Kilometer nördlich von Freiburg. Er war - und man muss das wohl in der Vergangenheitsform ausdrücken - Rheinfischer und Fischzüchter, außerdem organisierte er Bootstouren in einem nahen Naturschutzgebiet. Seine Frau ist Opernsängerin, was viele im Ort für etwas ungewöhnlich hielten. Der Fischer und die Diva. Mittlerweile geht die Freiburger Polizei davon aus, dass Hermann H. nicht mehr lebt und seine Ehefrau etwas mit dem Tod ihres Mannes zu tun hat. Anschließend soll sie versucht haben, mit einem Doppelgänger so zu tun, als sei alles in bester Ordnung. Ein Verdacht kam auf, als sich Ende Oktober 2009 ein Mieter von Hermann H. bei der Polizei meldete und sagte, er habe den Hausbesitzer seit Monaten nicht mehr gesehen. Eine Vermisstenanzeige wurde aufgegeben, die Beamten begannen mit Nachforschungen. Die Ehefrau habe jedoch nur äußerst widerwillig Auskunft gegeben, wo sich ihr Mann befinden könnte, der wegen einer Herzerkrankung ständig Medikamente brauchte. "Bei den weiteren Ermittlungen erschienen die Umstände um das Verschwinden immer ominöser", sagte ein Polizeisprecher. Immer wieder durchsuchte die Polizei die Wohnungen des Ehepaares. Ein zunächst gelungener Coup In dieser Zeit soll die Ehefrau zu einer Anwältin gegangen sein, gemeinsam mit einem älteren Herren, der sich als ihr Ehemann ausgab. Die Anwältin vereinbarte sogar einen Termin bei der Polizei, der dazu dienen sollte, den Fahndern zu zeigen, dass Hermann H. bei bester Gesundheit ist. Das Treffen ließ die Opernsängerin dann aber platzen. Begründung: Ihr Ehemann habe kurzfristig an einer Kreuzfahrt teilgenommen. Bis heute fehlt von Hermann H. jede Spur. Einmal tauchte noch jemand auf, der sich so nannte. Bei einem Notar bekam die Ehefrau von ihrem angeblichen Mann Vollmachten übertragen. Der Doppelgänger hat inzwischen gestanden, von einer Maskenbildnerin nach dem Vorbild eines Fotos von Hermann H. so zurecht gemacht worden zu sein, dass er dem Vermissten ähnelte. Die Ermittler gehen nun von der Tötung des 71-Jährigen aus. Eine Gruppe von Ermittlern verfolgte 250 Spuren und wertete mehr als 7000 Kontaktdaten aus. Mit einer aufwendigen Verschleierungstaktik habe die Frau seit Wochen die Abwesenheit ihres Mannes zu verdecken versucht, sagt die Polizei. So suchte sie etwa nach Leuten, die bestätigen sollten, sie hätten H. jüngst noch gesehen. Unter anderem seien mehrere Männer ausfindig gemacht worden, die von der Frau gebeten worden waren, als Doppelgänger aufzutreten. Alle hatten abgelehnt - mit einer Ausnahme. Der geständige Mann muss sich nun wegen Urkundenfälschung verantworten. Die Ehefrau wird des Betruges und Totschlages verdächtigt. Sie sitzt seit Donnerstag in Haft und verweigert die Aussage.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/ominoeser-tod-in-baden-wuerttemberg-der-fischer-und-die-diva-1.14779
Ominöser Tod in Baden-Württemberg - Der Fischer und die Diva
00/03/2010
Mit Auftritten eines Doppelgänger ihres Ehemannes soll eine Frau den gewaltsamen Tod ihres Gatten verschleiert haben. Von dem Fischer fehlt jede Spur, die Frau sitzt inzwischen hinter Gittern.
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Da ist auf einmal der Mann am Telefon und redet und redet, weil es ihm gut tut, sagt er, und weil ihm endlich geglaubt wird, nach mehr als 25 Jahren. Er sagt Sätze wie: "Mein erstes sexuelles Erlebnis war ein Samenerguss von Pater M. auf meinem Rücken." Erzählt vom Prügelsystem des Paters P., dass er die Hose herunterlassen musste und zwischen den Schlägen die Hand des Mannes lange auf der Pospalte liegen blieb. Und wie er vor kurzem im Internet gelesen hat, wie dieser Pater die "Null-Bock-Generation" geißelte. Und davon, wie er seiner Mutter von den Schlägen erzählte und die antwortete, dann werde er die Prügel wohl verdient haben. Der Mann ist 46 Jahre alt, er hat ein Geschäft und ist in der ganzen Welt unterwegs. Er sagt, er habe viel Wissen und Bildung aus dem Internat und der Schule der Benediktiner in Ettal mitgenommen. Er sagt aber auch: "Ich könnte jeden zweiten Tag weinen, weil mich das so ankotzt." Alles kommt in diesen Tagen der Wahrheit wieder nach oben. Als Student war er Langstreckenläufer, "weil ich vor meinem Leben weglaufen wollte". Wenn er eine Frau ansprechen wollte, fehlten ihm die Worte. Zwei Semester verließ er sein Zimmer nicht, schmiss das Studium, baute sein Geschäft auf, brach mit 35 Jahren zusammen. "Wer hat eigentlich Ihre Seele ermordet?" fragte ihn der Therapeut. Da endlich erzählte er, was ihm in Ettal widerfahren war, und begriff, warum er sich immer anderen Menschen unterwürfig angeboten hatte, warum er sich lieber selber geschadet hatte als anderen. Als sich die Meldungen über Ettal überschlugen, hat er einen Freund angerufen. Sie haben lange über den Mitschüler geredet, der später an einer Überdosis Drogen starb. Eine öffentliche Aufarbeitung unter Druck hält er für viel zu wenig. "Ettal muss den Opfern helfen, auch mit einem Entschädigungsfonds." Der Mann hat vor drei Wochen seine Lebensgeschichte dem Münchner Rechtsanwalt Thomas Pfister geschickt, der die Missbrauchsfälle in Ettal aufarbeiten soll. Eine Antwort hat er noch nicht erhalten - Pfister ist am Rande der Belastungsfähigkeit. Etwa 50 Rückrufzettel liegen noch auf dem Schreibtisch des Anwalts, etwa 120 Opfer haben sich bei ihm gemeldet. Sein Fazit: Die Übergriffe hatten System, vor allem im Internat, bis es 1991 eine neue Leitung gab. Dass diese Zustände in Ettal zehn Jahre länger als in anderen Internaten herrschten, hat auch mit einem System aus großer Nähe und luftabschnürender Enge, aus pädagogischem Eifer und Grenzüberschreitung zu tun. Es konnte entstehen und sich so lange halten, weil in Schule, Internat und Kloster unter den Erwachsenen eine Insiderkultur herrschte, ein Atmosphäre des Ungesagten und Unsagbaren. Viele Patres waren früher selber in der Schule und auf dem Internat gewesen, in der Abtei trafen sie ihre früheren Lehrer als Mitbrüder wieder. Mönche hatten Beziehungen untereinander und mit Frauen, was aus der Sicht der katholische Kirche verboten ist - so hatte jeder jeden in der Hand, keiner schaute so genau hin, was der andere tat; insofern war hier der Zölibat durchaus ein Grund, weshalb der Missbrauch so lange ungeahndet blieb. Pater M. lebte bis zu seinem Tod unmittelbar neben Schule und Internat, als die Vorwürfe gegen ihn intern längst bekannt waren. Bis vor zwei Wochen ging das Kloster auch davon aus, dass der Fall eines jungen Paters, der 2005 einem Schüler unter den Pullover gefasst hatte, intern geklärt werden könnte - die Schulleitung hatte ihn sofort aus dem Unterricht genommen und zur Begutachtung zu dem forensischen Psychiater Friedemann Pfäfflin geschickt. Über die Interpretation des Gutachtens herrscht bis heute Uneinigkeit. Das Erzbistum und der Missbrauchsbeauftragte Siegfried Kneißl wurden auch dann nicht informiert, als klar war, dass die Vorwürfe öffentlich werden würden. Das, so heißt es im Münchner Ordinariat, habe das harte Eingreifen von Generalvikar Peter Beer nötig gemacht, der Abt Barnabas Bögle und den Prior und Schulleiter Maurus Kraß zum Rücktritt drängte: "Wir hatten den Eindruck, dass dort eine solche Insiderkultur herrscht, dass das Kloster die Sache nicht alleine lösen kann," heißt es in München. Das Kloster hat nun um einen Apostolischen Visitator gebeten, der die Klostergemeinschaft begutachten, aber auch klären soll, ob das Erzbistum zurecht in das eigentlich unabhängige Kloster eingegriffen hat. Unter den jetzigen Schülern sei die Solidarität für Bögle und vor allem Kraß groß, heißt es in Ettal. Und auch viele Ehemalige formieren sich um das Kloster wie eine zweite Mauer. Zum Konventamt am vergangenen Sonntag kamen mehrere hundert Alt-Ettaler - nicht um die Position der Opfer zu stärken, sondern den Ruf Ettals zu schützen. In geschlossenen Internetforen wird noch deutlicher, wie schwer sich viele Ehemalige mit der Aufarbeitung tun. Der externe Ermittler Pfister wird als "Inqisitor" bezeichnet, man überlegt, ob er für seine deutlichen Äußerungen rechtlich zu belangen sei. Nicht die mehr als zehn Patres aus Ettal, die missbraucht und geprügelt haben, müssen sich rechtfertigen, sondern diejenigen, die sich als Opfer zu erkennen geben. Nur wenige reagieren so geschockt wie eine frühere Schülerin. Sie schreibt von großartigen Lehrern, von denen sie nun erfährt, dass die am Nachmittag offenbar ins Internat gingen und Kinder prügelten. "Mein Weltbild ist aus den Fugen." Das zwiegespaltene Gefühl der Ehemaligen drückt auch Thomas Knemeyer aus. " In einem Bericht an die SZ geht es auch um Pater L., den in der 11. Klasse ein Zimmergenosse nachts aus dem Raum warf, weil er sich ihm angetrunken sexuell nähern wollte. Er erzählt von Präfekten, die mit Spickern auf Schüler warfen und sadistische Gefühle auslebten. Und er rechnet mit der Verlogenheit ab, die er in Ettal in den 60er und 70er Jahren erfahren hat: "Nie wird eine Schuld ganz anerkannt, immer wird beschönigt, verniedlicht, verharmlost. Sie schlagen sich jeden Tag dreifach vor die Brust - mea culpa - und tun es dann doch wieder." Aber Thomas Knemeyer versucht auch klarzumachen, warum viele von Ettal noch immer fasziniert sind. Das Theater, die Musik, den Sport zählt er auf, und die anderen Patres, die Gutherzigen, die Werte vermittelten. "Die Waagschale tendierte zum Guten - trotz allem", schreibt er über seinen Bericht. So erinnern sich offenbar viele: Die Zahl der Anmeldungen für das kommende Schuljahr ist höher als im vergangenen Jahr.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauchsskandal-schlaege-triebe-ettal-1.18243
Missbrauchsskandal - Schläge, Triebe, Ettal
00/03/2010
Tage der bitteren Wahrheit: Immer mehr Opfer sprechen über die sexuellen Übergriffe und das Prügelsystem in dem katholischen Internat Ettal.
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In der Amtszeit des heutigen Papstes Benedikt XVI. als Erzbischof von München und Freising ist ein wegen Kindesmissbrauchs vorbelasteter Priester in der Gemeindearbeit eingesetzt worden. Dort verging er sich erneut an Jugendlichen und wurde dafür verurteilt. Der damalige Erzbischof Joseph Ratzinger soll dem Umzug des pädophilen Priesters von Essen nach München im Jahr 1980 zugestimmt haben. Das Erzbischöfliche Ordinariat in München bestätigte am Freitag Informationen der Süddeutschen Zeitung, wonach der Priester seit 1980 fast ununterbrochen in der Gemeindearbeit eingesetzt wurde und noch immer als Seelsorger in Oberbayern tätig ist. Der Sprecher des Bistums, Bernhard Kellner, sprach von "schweren Fehlern", die in den achtziger Jahren gemacht worden seien. Nun würden alle Akten auf sogenannte Altfälle untersucht. Die Verantwortung für den Einsatz des Priesters übernahm der frühere Generalvikar Gerhard Gruber, 81. "Der wiederholte Einsatz des Mannes in der Pfarrseelsorge war ein schwerer Fehler", sagte er der SZ am Freitag. "Ich übernehme dafür die volle Verantwortung. Ich bedauere zutiefst, dass es durch diese Entscheidung zu dem Vergehen mit Jugendlichen kommen konnte und entschuldige mich bei allen, denen Schaden zugefügt wurde." Mit Wissen des Erzbischofs Besondere Brisanz erhält der Fall dadurch, dass der heutige Papst darin verwickelt ist. Benedikt XVI. saß damals als Erzbischof von München und Freising im Ordinariatsrat des Bistums. Dieser Rat stimmte dem Umzug des pädophilen Priesters nach München zu, der sich im Bistum Essen wegen Kindesmissbrauchs nicht mehr halten konnte. "Diesen Beschluss hat der damalige Erzbischof mit gefasst", erklärte das Bistum. Der SZ liegt die eidesstattliche Erklärung des damals elf Jahre alten Opfers aus Essen vor, wonach ihn der Priester zum Oralverkehr gezwungen habe. Der Täter sollte zur Therapie nach München kommen. Er wurde aber sofort wieder in einer Gemeinde eingesetzt. Davon allerdings soll der damalige Erzbischof Ratzinger nichts gewusst haben. Der Generalvikar habe eigenmächtig den Beschluss gefasst, den Priester in der Gemeindearbeit einzusetzen, sagte Bistumssprecher Kellner. Möglicherweise sei Erzbischof Ratzinger die Dienstanweisung Grubers an den pädophilen Priester, wieder in der Gemeinde zu arbeiten, zugestellt worden. Man könne aber nicht davon ausgehen, dass Ratzinger sie persönlich geprüft habe. Wieder im Dienst nach Verurteilung 1982 ging Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation nach Rom. 1986 wurde der Priester von einem oberbayerischen Amtsgericht wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger zu 18 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Außerdem musste er 4000 Mark Strafe zahlen. Trotzdem wurde er danach erneut in einer Gemeinde eingesetzt. Der Geistliche ist noch heute in Oberbayern im Dienst. Vom Vatikan war bis Freitagabend keine Stellungnahme zu dem Vorfall zu erhalten. Auch der pädophile Priester wollte sich zunächst nicht äußern. Am Freitag empfing der Papst den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Der Papst sei wegen der Missbrauchsfälle in Deutschland zutiefst erschüttert, hieß es nach dem Treffen. Benedikt XVI. unterstütze in vollem Umfang das Vorgehen der katholischen Bischöfe und habe diese zur Aufklärung der Vorwüfe ermutigt, sagte Zollitsch. Nicht zur Sprache gekommen seien bei dem Treffen die Vorfälle beim Regensburger Domspatzen-Chor, dessen langjähriger Leiter der Bruder des Papstes, Georg Ratzinger, war.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauch-in-der-katholischen-kirche-paedophiler-pfarrer-in-ratzingers-bistum-1.14013
Missbrauch in der katholischen Kirche - Pädophiler Pfarrer in Ratzingers Bistum
00/03/2010
Mit Wissen des heutigen Papstes kam in den achtziger Jahren ein einschlägig belasteter Pfarrer nach München.
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Vorwurf der Vetternwirtschaft: Außenminister Westerwelle hat sich selbst in Bedrängnis gebracht, weil er seine eigenen hohen Maßstäbe nicht einhält - das aber nicht wahrhaben will. Guter Stil ist Guido Westerwelle wichtig. Der Bundesaußenminister, Vizekanzler und FDP-Vorsitzende legt Wert auf bürgerliche Umgangsformen. Er schätzt es nicht, wenn im Parlament Zeitung gelesen wird. Er entschuldigt sich sehr höflich, wenn er einen Diskussionspartner im Eifer des Gespräches unterbrochen hat. Und niemand in der Bundesregierung knöpft so formvollendet und verlässlich seinen mittleren Sakkoknopf zu, wenn er sich erhebt, und knöpft ihn wieder auf, wenn er sich setzt. Sicherheit in Stilfragen ist ganz grundsätzlich auch für einen Politiker eine wichtige Voraussetzung. Solange er in der Opposition sitzt, legitimiert sie Angriffe gegen die Regierung, wie Westerwelle sie zum Beispiel in Zeiten der großen Koalition gerne geführt hat. Die Politik war sowieso schlecht, aber der Koalition mangelte es laut Westerwelle bisweilen auch an Respekt vor der Verfassung und vor den Bürgern, was er wiederum mit der Arroganz der Macht erklärte. Sitzt ein Politiker selbst in der Regierung, kann Stilsicherheit helfen, ihn genau vor dieser Arroganz zu schützen. Westerwelle hat als neuer Außenminister demonstrativ den Eindruck erweckt, in dieser Hinsicht weiter sensibel sein zu wollen. Dafür spricht zum Beispiel, dass sein Lebensgefährte Michael Mronz aus eigener Tasche bezahlt, wenn er mit Westerwelle reist. Das müsste er nicht tun. Westerwelle und Mronz wollten jedoch von Beginn an jeden Anschein einer zweifelhaften Vorteilsgewährung vermeiden. Der Außenminister Westerwelle verhält sich in diesem Fall überkorrekt. Genau deshalb ist umgekehrt so schwer zu verstehen, warum er an anderer Stelle sozusagen unterkorrekt handelt, wenn er den Geschäftsführer einer Firma mit Verbindungen zu seinem Bruder mitnimmt. Es gibt für diesen Stilbruch zwei mögliche Erklärungen: Entweder Westerwelle hat nicht gemerkt, welchen Anschein einer zweifelhaften Vorteilsgewährung er damit zulässt. Oder aber er hat es gesehen und einfach gehofft, dass es sonst niemand merkt. Denn anders als im Falle seines Lebensgefährten, dessen Dasein als Selbstzahler aktiv und bereitwillig veröffentlicht wurde, bedurfte es im anderen Falle erst medialer Berichterstattung, um Transparenz herzustellen. Eine von vielen Gefahren für einen Regierenden besteht darin, dass er dem Glauben verfällt, mit der politischen Macht auch die Definitionshoheit über politischen Stil errungen zu haben. Dann betrachtet er, wie jetzt Guido Westerwelle, Fragen nach schwerverständlichen Vorgängen als den Versuch parteipolitischer Kampagnen oder verleumderischer Manöver. Dann sieht er sich umstellt von Übelmeinenden und aktiviert seine Unterstützer. Einer von denen ist der Generalsekretär der FDP, Christian Lindner. Er nimmt seinen Parteichef als das Opfer einer Diffamierungskampagne in Schutz, die sogar die Demokratie gefährde. Das allerdings hat mit gutem oder schlechtem Stil nichts mehr zu tun. Es ist einfach nur dummes Geschwätz.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/aussenminister-in-erklaerungsnot-westerwelles-stilbrueche-1.12672
Außenminister in Erklärungsnot - Westerwelles Stilbrüche
00/03/2010
Vorwurf der Vetternwirtschaft: Außenminister Westerwelle hat sich selbst in Bedrängnis gebracht, weil er seine eigenen hohen Maßstäbe nicht einhält - das aber nicht wahrhaben will.
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Gegen den schleswig-holsteinischen SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Ralf Stegner (50) ermittelt die Kieler Staatsanwaltschaft wegen Betrugsverdachts. Dies teilte die Behörde mit. In dem Verfahren geht es um Zahlungen aus Stegners Zeit im Aufsichtsrat der HSH Nordbank. Er hatte 14.375 Euro für das Jahr 2007 bekommen, als er in der damaligen schwarz-roten Landesregierung noch Innenminister war. Gezahlt wurde das Geld erst 2008, als Stegner das Amt schon aufgegeben hatte und Fraktionschef im Landtag war. Er behielt die gesamte Summe. Laut Staatsanwaltschaft hätte er nach den Nebentätigkeitsvorschriften nur 5550 Euro behalten dürfen und den Rest an die Landeskasse überweisen müssen. Stegner begründete sein Vorgehen erneut mit einem Rechtsirrtum. Die Differenz von 8825 Euro habe er schnellstmöglich zurückgezahlt. "Ob und inwieweit Dr. Stegner einem von ihm öffentlich behaupteten Irrtum über die Abführungspflicht erlag, bedarf der Aufklärung", heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Die Anklagebehörde wies extra darauf hin, dass für Stegner wie für jeden Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren die Unschuldsvermutung gelte. "Erheblicher Irrtum" Stegner sprach in einer Erklärung von einem "erheblichen Irrtum über die Ablieferungspflichten". In früheren Äußerungen hatte er dies mit falschen Auskünften von Regierungsmitarbeitern begründet. Er werde dazu beitragen, dass die Ermittlungen so schnell wie möglich abgeschlossen werden können, damit die Vorwürfe gegen ihn entkräftet werden, gab Stegner an. Er sei zuversichtlich, dass dies bald der Fall sein wird. "Dass durch diesen Vorgang meine Fraktion und Partei, aber auch mein persönliches Umfeld belastet wird, auch die Politik insgesamt, bedauere ich sehr." Der Vorsitzende des SPD-Landesparteirates, Andreas Beran, gab Stegner Rückendeckung: Es sei absurd, ihm vorsätzliche Täuschung oder Betrug zu unterstellen. Beran warf der CDU Intrigen gegen den SPD-Landeschef vor. "Man kann zu Ralf Stegner stehen wie man will, aber in dieser Auseinandersetzung, in der es um die Integrität unseres Landesvorsitzenden geht, stehen wir an seiner Seite." Stegner selbst hatte im Zusammenhang mit seinen HSH-Tantiemen Strafanzeige gegen unbekannt gestellt, weil ein Briefwechsel zwischen ihm und Innenstaatssekretär Volker Dornquast an die Presse lanciert wurde. Wenig später zog er gegen Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) vor Gericht, weil dieser ihm sinngemäß vorgehalten hatte, er habe 2007 vor seinem Ausscheiden aus dem damaligen schwarz-roten Kabinett um seine Ministerpension gefeilscht. Der Streit endete mit einem Vergleich: Die Kontrahenten verpflichteten sich, das Thema nicht mehr öffentlich zu erwähnen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/stegner-unter-betrugsverdacht-der-staatsanwalt-ermittelt-1.24541
Stegner unter Betrugsverdacht - Der Staatsanwalt ermittelt
00/03/2010
Verdacht Betrug: Die Staatsanwaltschaft in Kiel hat den schleswig-holsteinischen SPD-Vorsitzenden Stegner im Visier. Es geht um seinen Verdienst als HSH-Nordbank-Aufsichtsrat.
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Bombenterror im "Herzen Pakistans": Zwei Selbstmordattentäter haben in der pakistanischen Metropole Lahore mindestens 48 Menschen in den Tod gerissen. Bei zwei gegen das Militär gerichteten Anschlägen in der pakistanischen Stadt Lahore sind mindestens 48 Menschen ums Leben. "Der Tod von 30 Zivilisten und 18 Soldaten ist bestätigt", sagte ein Armeeoffizier, der anonym bleiben wollte. Knapp hundert weitere seien verletzt worden, teilten die Behörden mit. Die zwei Selbstmordattentäter hätten sich in einem Abstand von 15 bis 20 Sekunden in die Luft gesprengt, sagte der Polizeichef der Provinz vor Reportern. Die Attentate ereigneten sich in einem Teil der Stadt, in dem sich zahlreiche Einrichtungen des Militärs befinden. Der Armee zufolge waren fünf Soldaten unter den Toten. Außenminister Shah Mehmood Qureshi verurteilte das Attentat. Dem Terrorismus in seiner schändlichen Art werde ein Sieg niemals gestattet. Einem Reuters-Fotografen zufolge sperrten Soldaten das Gelände ab. Andere Militärs überwachten das Gebiet von umliegenden Dächern aus. Über ihnen kreiste ein Hubschrauber. Extremisten hatten das Land in dieser Woche mit einer Reihe von Anschlägen überzogen. Am Montag kamen in Lahore bei einem Selbstmord-Attentat 13 Menschen ums Leben. Die Stadt gilt als "Herz Pakistans". Lahore ist die zweitgrößte Stadt nach der Hauptstadt Karachi und das kulturelle Zentrum des Landes. Mehr als sechs Millionen Menschen leben hier nur wenige Kilometer entfernt von der Grenze zum großen Nachbarn Indien. Im Video: Bei zwei gegen das Militär gerichteten Anschlägen in der pakistanischen Stadt Lahore sind am Freitag zahlreiche Menschen in den Tod gerissen worden Weitere Videos finden Sie hier
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https://www.sueddeutsche.de/politik/pakistan-viele-tote-in-lahore-zwei-attentate-in-20-sekunden-1.1761
Pakistan: Viele Tote in Lahore - Zwei Attentate in 20 Sekunden
00/03/2010
Bombenterror im "Herzen Pakistans": Zwei Selbstmordattentäter haben in der pakistanischen Metropole Lahore mindestens 48 Menschen in den Tod gerissen.
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Kopftuchverbot, Minarettverbot - Amerikas Regierung sorgt sich um die Diskriminierung von Muslimen in Europa. Zur Lage im eigenen Land steht nichts in dem Bericht. Die Volksabstimmung in der Schweiz über ein Bauverbot von Minaretten, der Kopftuchstreit in Deutschland, Frankreichs Diskussion, Burkas zu verbieten - das alles sind Anlässe für die US-Regierung, sich um die wachsenden Diskriminierung von Muslimen in Europa zu sorgen. Jedes Jahr veröffentlicht Washington einen Bericht zu Lage der Menschenrechte in der Welt. In der jüngsten Ausgabe, die das State Department um Hillary Clinton nun vorstellte, heißt es zum Beispiel zum deutschen Kopftuchverbot lapidar, dass Gerichte "immer wieder" juristische Anfechtungen abgeschmettert hätten. "Immer wieder Graffiti und Beschimpfungen" Zur Lage in den Niederlanden führt der Bericht aus, dass schwerere Übergriffe gegen Muslime zwar selten seien. "Kleinere Vorfälle wie Einschüchterungen, Streitereien, Vandalismus, Graffiti und Beschimpfungen kommen aber immer wieder vor", befinden die Autoren. Zu Frankreich wird erwähnt, dass Präsident Nicolas Sarkozy im Juni 2009 im Parlament ein Verbot von Burkas vorgeschlagen habe, weil die verhüllende Tracht für Frauen "in Frankreich nicht willkommen ist". Der Bericht untersucht die Lage der Menschenrechte in 194 Ländern. Darin heißt es, auch im vergangenen Jahr begingen überall auf der Welt Regierungen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen - allerdings geht der Bericht nicht auf die Lage der Menschenrechte in den USA ein, es geht nur um den Rest der Welt. China prangert Lage in den USA an Im Vorwort des Berichts wird Kritik an dieser Praxis zurückgewiesen: Die Situation in den USA werde in "zahlreichen Foren" im Rahmen der internationalen vertraglichen Verpflichtungen immer wieder zum Thema gemacht. Das soll reichen. Dabei hätten die Vereinigten Staaten einiges über sich selbst zu berichten. Immer wieder steht das Land selbst am Pranger, wenn es um die Wahrung der Menschenrechte geht, sei es das Straflager in Guantanamo auf Kuba, sei es die Todesstrafe, die noch in der Mehrzahl des Bundesstaaten vollstreckt wird. Und gerade nach den Anschlägen vom 11. September 2001 berichteten auch immer wieder arabisch aussehende Menschen, wie sie bei der Einreise in die USA diskriminiert, an ihrem Arbeitsplatz, auf der Straße oder im Supermarkt beschimpft oder belästigt worden seien. Auf die Vorstellung des Menschenrechtsreports in Washington folgte denn auch prompt ein Konter Chinas, das in dem Bericht ebenfalls nicht gut wegkommt. Die Anschuldigungen der US-Regierung seien bloße Heuchelei, zitierte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua die chinesische Regierung: "Die Vereinigten Staaten haben nicht nur eine entsetzliche Menschenrechtsbilanz im Inland, sie sind auch der wichtigste Quell für viele Menschenrechtsdesaster weltweit." Die eigenen Menschenrechtsprobleme ignoriere Amerika, stattdessen greife es andere Länder an. Lage in Iran hervorgehoben China wird wegen des Vorgehens gegen die Minderheit der Uiguren und in Tibet kritisiert. "Die Menschenrechtsbilanz der chinesischen Regierung bleibt schlecht und verschlimmerte sich in einigen Bereichen", sagte der Abteilungsleiter für Menschenrechte im US-Außenamt, Michael Posner. Dazu zähle auch die Verfolgung von Dissidenten und Aktivisten. Europa und China spielen allerdings nicht die Hauptrolle in dem Bericht über 2009. Die US-Regierung hebt vor allem die Lage in Iran hervor, die sich angesichts der Gewalt gegen Demonstranten nach den Wahlen vom Juni erheblich verschlimmert habe. "Die ohnehin schon schlechte Menschenrechtslage in Iran hat sich nach den Wahlen im Juni weiter verschlechtert", sagte Posner. Kritisiert wurden darüber hinaus vor allem die Situation in Kuba, Nordkorea, Russland und im Sudan. Der Report beklagt zudem, dass in Afghanistan die wachsende Gewalt vor allem zu Lasten von Zivilisten gehe. Die Regierung in Kabul sei immer weniger in Lage, die Bevölkerung in ländlichen Regionen zu schützen. Und der irakischen Regierung wird vorgeworfen, im vergangenen Jahr für "willkürliche Tötungen" verantwortlich zu sein.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/lage-der-menschenrechte-usa-tadeln-europas-umgang-mit-muslimen-1.21427
Lage der Menschenrechte - USA tadeln Europas Umgang mit Muslimen
00/03/2010
Kopftuchverbot, Minarettverbot - Amerikas Regierung sorgt sich um die Diskriminierung von Muslimen in Europa. Zur Lage im eigenen Land steht nichts in dem Bericht.
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Er erlässt Gesetze, um sich vor der Justiz zu drücken, und inszeniert sich als verfolgte Unschuld: Berlusconis Versuche, sich an der Macht zu halten, sind verzweifelt - und vergeblich. Nun hat er sich wohl fürs Erste wieder gerettet, vor zumindest zwei Prozessen. Italiens Premier Silvio Berlusconi kann sich mit dem gerade beschlossenen Gesetz über die "Rechtmäßige Verhinderung" für anderthalb Jahre mit Amtsgeschäften bei Gericht entschuldigen. Seine Minister auch. Im Herbst hatte das Verfassungsgericht das Immunitätsgesetz für die Inhaber der höchsten Staatsämter aufgehoben. Seitdem hatte die meiste Energie des Premiers und seiner Juristen der Konstruktion eines neuen Schutzschildes gegolten. Ein Gesetzentwurf nach dem anderen wurde erarbeitet, viele scheiterten, weil klar wurde, dass sie mit der Verfassung kollidieren würden oder zu große Kollateralschäden für das Funktionieren der Justiz bedeutet hätten. Die Idee, eine Immunitätsregelung für Regierungsmitglieder und Parlamentarier zu schaffen, ist nicht illegitim. In den meisten Ländern gibt es so etwas. Nicht falsch ist auch das Vorhaben, das Prozessrecht in Italien zu reformieren. Doch allzu offensichtlich war bei den Vorschlägen der römischen Regierung, dass sie in erster Linie Gesetze ad personam Berlusconi sein sollten. "Die Demokratie ist in Gefahr" Die Begleitmusik zu all dem war garstig, die Kultur der politischen Auseinandersetzung hat Schaden genommen. Die Justiz fühlt sich beschädigt. "Die Demokratie ist in Gefahr", warnte der Oberste Richterrat des Landes soeben. "Talibanrichter" ist nur eine der wütenden Beschimpfungen, die Berlusconi für die Vertreter der Justiz fand. Von politischer Verfolgung durch die linke Richterschaft sprach er immer wieder. Auch die Verfassungsrichter nahm er nicht aus. Die Opposition empörte sich, die Richter verwahrten sich, der Staatspräsident rief ein ums andere Mal zur Mäßigung und Achtung der Institutionen auf. In jedem anderen westeuropäischen Land wäre dies das Aus für einen Regierungschef gewesen - aber Berlusconi machte weiter. So wie im vergangenen Jahr. Da sahen ihn viele auch am Ende, als der Skandal um seine Partys mit Callgirls und die Freundschaft zu einer 18-Jährigen den Sommer erhitzten. Die Geschichte hat dem Premier geschadet. Aber dann witzelte er sich mit ein paar schlüpfrigen Bemerkungen und dem Lob seiner Männlichkeit durch die Affäre hindurch. Von Scham auch hier keine Spur, so wenig wie bei den Versuchen, Gesetze zu seiner Gunst zu biegen. Frechheit siegt. Wählerautrag als Freibrief Es gibt bislang nicht viel, was Berlusconi bremsen könnte. In beiden Kammern des Parlaments hat er satte Mehrheiten und beruft sich auf den Wählerauftrag - den er als Freibrief interpretiert. Zudem ist er ein mächtiger Unternehmer im Land, und sein medialer Einfluss ist groß. Da sind die Sender seines Familienkonzerns Mediaset, in denen politische Informationen wenig Platz finden. Und auch wichtige Personalentscheidungen in der staatlichen Senderkette Rai fällt Berlusconi schon mal selbst. Es gibt nicht mehr viele TV-Sendungen, die sich kritisch mit Politik auseinandersetzen. Die großen Zeitungen des Landes tun das zwar noch, aber ihre Leserschaft ist eine Minderheit. So nehmen ihm immer noch viele Italiener die Opferrolle ab, in die der Premier gerne schlüpft, wenn es problematisch wird - als von Medien und Richtern verfolgte Unschuld. Andere wenden sich angewidert von der etablierten Politik insgesamt ab. Sie trauen keinem mehr und fühlen sich mit ihren Problemen alleingelassen, vor allem den wirtschaftlichen. Die neue Bewegung des Popolo viola, des lila Volks, hat zwar in den letzten Monaten einige hunderttausend Menschen gegen Berlusconi auf die Straßen gebracht, doch ihr Programm besteht bisher nur aus Protest. Die parlamentarische Opposition ist nicht wirklich schlagkräftig. Die größte Partei in ihren Reihen, Partito Democratico (PD), gewinnt zwar in Umfragen, ringt aber noch mit dem eigenen Profil. In zweieinhalb Jahren ihrer Existenz hat die Gruppierung nun den dritten Vorsitzenden. Zu stark, um am Ende zu sein - zu erschöpft, um stark zu sein Prominent unter den Oppositionspolitikern ist noch Antonio di Pietro mit seiner kleinen Partei Italia dei Valori. Doch der ehemalige Staatsanwalt aus dem Mailänder Anti-Korruptionsteam Mani Pulite, das Anfang der neunziger Jahre das alte Parteiensystem zum Einsturz brachte, hat mit seinem ständigen Gepoltere viel Gunst verspielt. Trotzdem ist Berlusconis beste Zeit vorbei. Jeder Schritt zu seiner politischen Existenzsicherung ist mit größten Schwierigkeiten verbunden. Viele Projekte seiner Regierung kommen nicht voran, nicht zuletzt weil der Premier sich ausgiebig um seine Probleme mit der Justiz kümmern muss. Die Wirtschaft lahmt, die Staatsverschuldung ist gefährlich hoch. Die Bürger merken, dass sie nicht im Mittelpunkt des Interesses der Regierung stehen. In den jüngsten Umfragen haben Berlusconi und seine Mannschaft an Vertrauen verloren. Pierluigi Bersani, der Chef der oppositionellen PD, hat es kürzlich auf diese Formel gebracht: Berlusconi ist noch zu stark, um am Ende zu sein. Aber er ist schon zu erschöpft, um noch stark zu sein. Die bevorstehenden Wahlen in 13 der 20 Regionen werden zeigen, wie viel Kraft Berlusconi noch hat. Vorläufig befreit von seinen Justizproblemen hätte er danach noch drei weitere Jahre Zeit, um endlich Politik nicht nur für sich, sondern für Italien zu machen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/italien-berlusconis-stern-sinkt-1.1592
Italien - Berlusconis Stern sinkt
00/03/2010
Er erlässt Gesetze, um sich vor der Justiz zu drücken, und inszeniert sich als verfolgte Unschuld: Berlusconis Versuche, sich an der Macht zu halten, sind verzweifelt - und vergeblich.
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Der Papst zeigt sich tief betroffen über den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche - und sichert den deutschen Bischöfen seine Unterstützung zu. Papst Benedikt XVI. hat den deutschen Bischöfen bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen Rückendeckung gegeben. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, sagte nach einem Treffen mit dem Papst am Freitag in Rom, Benedikt XVI. habe seine Zustimmung für die von der Bischofskonferenz eingeleiteten Maßnahmen erklärt. Der Papst habe ihn ermutigt die Fälle rückhaltlos aufzuklären und den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Dazu gehöre auch die Ernennung des Trierer Bischofs Stephan Ackermann zum Sonderbeauftragten für Fälle sexuellen Missbrauchs. Auf seinen Bericht zu den Missbrauchsfällen in Deutschland habe der Papst "sehr bewegt" reagiert, sagte Zollitsch. Er sei tief betroffen und bestürzt gewesen. Kindesmissbrauch sei allerdings nicht nur ein Problem der katholischen Kirche, so Zollitsch. "Ich habe den Papst über die Maßnahmen informiert, die wir zur Aufklärung der Missbrauchsfälle ergriffen haben", sagte Zollitsch. Der Papst habe "bewegt und mit wachem Interesse" zugehört. Zollitsch entschuldigte sich erneut bei den Missbrauchsopfern. Bereits bei der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe Ende Februar in Freiburg hatte Zollitsch sexuellen Missbrauch an Minderjährigen als "abscheuliches Verbrechen" bezeichnet und die Opfer von katholischen Geistlichen um Entschuldigung gebeten. Das Treffen mit Papst Benedikt war eigentlich ein Routinebesuch, bei dem Zollitsch über die Bischofsversammlung Bericht erstatten sollte. Durch den aktuellen Missbrauchsskandal erhielt das Gespräch allerdings eine neue Tragweite. Der Vatikan hatte der deutschen katholischen Kirche zuletzt bescheinigt, "schnell und entschlossen" auf die Missbrauchsvorwürfe reagiert zu haben. Seit Ende Januar sind weit mehr als hundert Fälle in den meisten der 27 deutschen Bistümer ans Licht gekommen. Den Ausgang nahm der Skandal am Canisius-Kolleg, einem Berliner Jesuitengymnasium, das sexuelle Übergriffe zweier Patres in den 70er und 80er Jahren öffentlich gemacht hatte.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/benedikt-xvi-empfaengt-erzbischof-zollitsch-holt-sich-rueckhalt-vom-papst-1.1845
Benedikt XVI. empfängt Erzbischof - Zollitsch holt sich Rückhalt vom Papst
00/03/2010
Der Papst zeigt sich tief betroffen über den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche - und sichert den deutschen Bischöfen seine Unterstützung zu.
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Der Papst schaltet sich ein: Erzbischof Zollitsch muss Benedikt über die Missbrauchsfälle Bericht erstatten. Der Vatikan ist enttäuscht von den deutschen Bischöfen. Jeden Tag neue Fälle. Jeden Tag neue Details. Jeden Tag wächst das Entsetzen. Jetzt muss sich auch der Papst erstmals direkt mit dem Missbrauchsskandal an katholischen Einrichtungen in Deutschland auseinandersetzen. Wenn Benedikt XVI. am Freitagnachmittag den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, den Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, empfängt, wird das Thema im Mittelpunkt stehen. Im Mittelpunkt stehen müssen. Zollitsch selbst hat dazu lange geschwiegen, es enstand der Eindruck, er wolle die Sache aussitzen. Im Vatikan haben einige darauf mit Unverständnis reagiert. Und so dürfte für Bischof Zollitsch der Besuch im Vatikan zum Gang nach Canossa werden: Der deutsche Papst reagierte in der Vergangenheit äußerst sensibel auf das Thema und bezeichnete Missbrauch wiederholt als ein unerträgliches Verbrechen. Er hatte sich persönlich des Skandals in den USA angenommen und später auch die irischen Bischöfe wegen der dortigen Probleme nach Rom zitiert. Damit rückte Benedikt vom üblichen Prozedere ab. Das sieht vor, dass die Bistümer zunächt versuchen, die Vorwürfe intern aufzuklären - und dann dem Vatikan berichten. Aufgrund der gewaltigen Dimension des Skandals könnte der Papst nun wieder besondere Maßnahmen ergreifen. Denn die Nervosität steigt. Seit auch Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen und im Kloster Ettal bekannt wurden, ist der Skandal dem Vatikan näher gerückt. Georg Ratzinger, der Bruder des Papstes, war Regensburger Domkapellmeister. "Tiefer Enttäuschung und sehr großer Zorn" Da wiegt es umso schwerer, dass man im Apostolischen Palast nicht damit zufrieden ist, wie die katholische Kirche in Deutschland bisher mit dem Thema umgeht. Von "tiefer Enttäuschung, Schmerz und sehr großem Zorn" hat Walter Kasper, der deutsche Ökumene-Beauftragte von Papst Benedikt XVI. und dienstälteste Kardinal an der Kurie in Rom über die italienischen Zeitung La Repubblica berichtet. Die katholische Kirche in Deutschland müsse die Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen rückhaltlos aufklären, die Täter, wenn möglich, vor Gericht bringen und die Opfer entschädigen. Auch wenn Kasper später seine Aussagen bezüglich der Entschädigungsforderung relativierte und im Radio Vatikan die Darstellung der Zeitung diesbezüglich eine "sehr freie" Wiedergabe seiner Äußerungen nannte, seine Worte müssen die deutschen Brüder als Warnung verstehen. "Der Papst wird nicht einfach zusehen", warnt Kasper. Und kündigt ein Schreiben von Benedikt XVI. an, das sexuellen Missbrauch auf das Schärfste verurteilen wird. Kardinal Kasper, so berichtete La Repubblica, sei im Gespräch ziemlich ungehalten gewesen über die Aufklärungsarbeit. Die Vatikanzeitung Osservatore Romano beschäftigte sich auch mit den Missbrauchsvorwürfen im Internat der Regensburger Domspatzen. Der Heilige Stuhl, heißt es in einem Beitrag, unterstütze die Bereitschaft von Bischof Gerhard Ludwig Müller, "die schmerzhafte Angelegenheit mit Entschlossenheit und in offener Weise zu untersuchen". Auch das ist wohl eher als Aufforderung und versteckte Drohung zu verstehen denn als Untersütztung. Der Regensburger Bischof hat sich bislang nicht sonderlich um die Aufklärung verdient gemacht. Er sieht in der Berichterstattung über die Missbrauchsfälle gar eine "Verletzung der Menschenwürde aller katholischen Priester und Ordensleute" und wirft Kritikern vor, sie versuchten, die Kirche zu kriminalisieren. Dabei steht Müller selbst stark unter Druck. Er sieht sich bereits sei einiger Zeit dem Vorwurf der bewussten Vertuschung in einem Fall von Kindesmissbrauch ausgesetzt. Im Jahr 2008 war der Priester von Riekofen im Landkreis Regensburg verurteilt worden. Er war strafrechtlich belangt worden, weil er zwei Jungen unsittlich berührt hatte. Dennoch wurde er vom Bistum wieder eingesetzt und missbrauchte einen Ministranten. Der Richter, der den Priester verurteilte, kritisierte damals Bischof Müller: Man habe den pädophilen Priester "in eine Versuchungssituation geführt. Das ist so, als stellt man einen wegen Untreue verurteilten Täter bei einer Bank an". An vielen Stellen nehmen aktuell die Debatten innerhalb der Kirche zu. So erschien in der Vatikanzeitung auch ein Beitrag der Historikerin Lucetta Scaraffia. Wären Frauen befugt, Leitungsämter in der Kirche auszuüben, wären viele der nun ans Licht kommenden Fälle von sexuellem Missbrauch durch katholische Priester verhindert worden, schreibt die Autorin. "Frauen neigen von Natur aus stärker dazu, Kinder vor Missbrauch zu schützen." Schwerer Schaden wäre so von der Kirche abgewendet worden. Dass der Artikel gerade jetzt in der amtlichen Zeitung des Vatikans erscheint, ist bemerkenswert. Zollitsch wird sich beim Papst kritischen Fragen stellen müssen. Und solche könnte er in zwei Wochen erneut zu hören bekommen: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat den Bischof zu einem Treffen am 25. März eingeladen. Dabei soll der Streit um die ihrer Meinung nach mangelhafte Aufarbeitung der Missbrauchsfälle seitens der Kirche beigelegt werden. Die Bischofskonferenz reagierte "überrascht", wie Sprecher Matthias Kopp sagte. Man habe über die Medien von der Einladung erfahren. Zollitsch sei an dem Tag verhindert.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauchsskandal-unzufrieden-mit-den-deutschen-bruedern-1.22426
Missbrauchsskandal - Unzufrieden mit den deutschen Brüdern
00/03/2010
Der Papst schaltet sich ein: Erzbischof Zollitsch muss Benedikt über die Missbrauchsfälle Bericht erstatten. Der Vatikan ist enttäuscht von den deutschen Bischöfen.
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Vor 70 Jahren versenkte der Kapitän die Admiral Graf Spee vor Montevideo selbst - Hitler schäumte. Nun befürwortet Außenminister Guido Westerwelle die Bergung des Panzerschiffs. Eines immerhin hat die Admiral Graf Spee erreicht, nämlich Adolf Hitlers Nervenkostüm nachhaltig zu erschüttern. Die Vorstellung, die das große Panzerschiff in den fernen Gewässern vor Montevideo lieferte, entsprach nicht der Vorstellung des Diktators, wie andere für ihn zu sterben hatten. Kapitän Hans Langsdorff hatte das von den Briten gestellte und beschädigte Schiff räumen und am 17. Dezember 1939 vor der Küste sprengen lassen. Hitler überschüttete die Marineführung mit Vorwürfen. Seit jenen Tagen ruht das Wrack im schlammigen Grund, dem Mündungsgebiet des Rio de la Plata. Westerwelle will würdiges Gedenken Doch das soll sich jetzt ändern. Auf seiner Südamerikareise ist Außenminister Guido Westerwelle von dem bisherigen deutschen Kurs abgerückt, der, leicht vereinfacht, so lautet: Lasst den Kahn bloß da unten, mitsamt dem schaurigen Nazizauber, der ihn umgibt. Westerwelle kann sich ein würdiges Gedenken mitsamt einer didaktisch wertvollen Ausstellung über das Schicksal des Schiffs vorstellen. Der umtriebige Unternehmer Alfredo Etchegaray, der das Schiff sogar einmal zur Gänze rekonstruieren wollte und eine finanzielle Beteiligung der Bundesrepublik am Bergungsprojekt verlangt, lässt derweil immer neue Funde aus dem Wasser ziehen, unter anderem den kolossalen Heckadler aus Bronze, der ein Hakenkreuz in den Krallen hält. Die Stücke lagern nun in Depots der uruguayischen Marine. Wie stets ist das Gedenken aber keine einfache Sache. Viele Auslandsdeutsche in Uruguay, unter ihnen Mitglieder der Besatzung von 1939, haben das Schiff und seinen letzten Kampf in weltanschaulich nicht immer unproblematischen Ehren gehalten. Die Schlachtschiffe der NS-Kriegsmarine umweht ein dunkler Mythos. Dabei wurden die meisten von den zur See überlegenen Briten zusammengeschossen. Schrecken der Handelsschiffe Und doch war die Admiral Graf Spee zunächst ein Sinnbild des Schreckens, der die belagerten Demokratien Westeuropas 1939 erfasste, als sie sich schlecht vorbereitet im Krieg wiederfanden. Nur 186 Meter lang, gehörte sie zu jener Klasse von schnellen und schwer bewaffneten "Westentaschen-Schlachtschiffen", mit welchen ihre Erbauer die Größenbeschränkung durch internationale Abkommen umgangen hatten. Die Marine schickte die Admiral Graf Spee schon Wochen vor Kriegsausbruch in den Südatlantik, wo sie dann bald zum Schrecken der Handelsschiffe wurde. Sie versenkte etliche, übrigens unter Schonung der Besatzungsmitglieder, die sie als Gefangene aufnahm. In einer Zeit ohne Satellitenbilder und ausgefeiltes Radar konnte selbst ein solches maritimes Monstrum monatelang in der Weite der See verborgen bleiben. In die Enge getrieben Schlimmer noch als die versenkten Schiffe war der psychologische Schrecken, der von ihm ausging: Jederzeit konnte das unheimliche Nazi-Panzerschiff dem Fliegenden Holländer gleich auftauchen und das Feuer eröffnen. Schließlich stöberten die drei Kreuzer Exeter, Achilles und Ajax die Spee auf und stellten sie zum Kampf. Überzahl und geschicktes Manövrieren glichen die technische Überlegenheit des deutschen Schiffes aus. Es hatte die Exeter zwar schwer beschädigt, musste sich aber selbst in den neutralen Hafen von Montevideo zurückziehen. In die Enge getrieben wie ein Bär von einem Wolfsrudel, beschädigt und ohne genug Munition, war die Admiral Graf Spee nicht mehr zu retten. Nach der Sprengung erschoss sich Kapitän Langsdorff in Montevideo, auf einer Reichskriegsflagge liegend. Sein "Führer" hat ihm dennoch nicht verziehen, dass der Kapitän lieber das Schiff als dessen Mannschaft geopfert hatte. Die Briten aber feierten den ersten Triumph in einem bis dahin deprimierend verlaufenen Krieg. Ihr First Lord of the Admirality, Winston Churchill, verglich das Schicksal des Schiffs mit dem einer Schnittblume: "Schön anzusehen und doch dem Tod geweiht."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/gesunkenes-kriegsschiff-nautischer-nazizauber-1.2451
Gesunkenes Kriegsschiff - Nautischer Nazizauber
00/03/2010
Vor 70 Jahren versenkte der Kapitän die Admiral Graf Spee vor Montevideo selbst - Hitler schäumte. Nun befürwortet Außenminister Guido Westerwelle die Bergung des Panzerschiffs.
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Erste Zahlen deuten darauf hin, dass die katholische Kirche mit einer Austrittswelle rechnen muss. Das moralische Desaster könnte zu einem finanziellen Fiasko werden. Die katholische Kirche steckt in Deutschland schon lange in einer Krise. Die Zahl der Mitglieder in Deutschland ist seit der Wiedervereinigung konstant rückläufig, bundesweit traten durchschnittlich mehr als hunderttausend Katholiken im Jahr aus. Angesichts der zahlreichen Enthüllungen über sexuellen Missbrauch und körperliche Misshandlungen muss die Kirche nun einen massiven Exodus befürchten. In der Vergangenheit genügten bereits umstrittene Entscheidungen aus dem Vatikan, etwa im Zusammenhang mit den Piusbrüdern, einen Anstieg der Austritte auszulösen. Wie stark sich der Skandal auf die Zahl der Kirchenaustritte auswirkt, wird sich vermutlich erst Ende des Monats zeigen. In Bayern deuten erste Zahlen aus dem März aber bereits darauf hin, dass die Kirche mit einem dramatischen Anstieg rechnen muss. Eine Recherche von sueddeutsche.de in den sechs größten Städten des katholisch geprägten Bayerns ergab einen eindeutigen Trend. So traten beispielsweise in Würzburg in den ersten zehn Märztagen 29 Menschen aus der katholischen und evangelischen Kirche aus - fast eine Verdreifachung der Austrittszahlen. In Regensburg ist das Verhältnis zwischen dem gesamten Januar und den ersten zehn Märztagen 48 zu 43. Auch in Nürnberg, Augsburg, Ingolstadt und München bestätigte sich der Trend. Pro Tag sind in diesen Städten im Januar durchschnittlich insgesamt 30 Menschen ausgetreten, bis zum 10. März 59 - also fast doppelt so viele. Der Vergleich mit den Januarzahlen liegt nahe, da Ende jenen Monats der Missbrauchskandal am Berliner Canisius-Kolleg seinen Anfang nahm. Die Berichte über sexuellen Missbrauch von Kindern an der Jesuitenschule lösten eine Flut an Enthüllungen über die unglaublichen Zustände in katholischen Einrichtungen aus. Die Sankt-Ansgar-Schule in Hamburg, das Kolleg St. Blasien in Südbaden, das Aloisius-Kolleg in Bonn, das Konvikt St. Albert in Rheinbach, das Internat der Heiligen Familie in Biesdorf: Überall missbrauchten katholische Geistliche das Vertrauen der Kinder, prügelten und vergewaltigten Schutzbefohlene. Ende Februar erreichte die Missbrauchswelle schließlich Bayern. Im Kloster Ettal wurden erst vereinzelte Fälle von Missbrauch bekannt, dann wagten sich immer mehr Opfer an die Öffentlichkeit. Eine Woche verging, bis auf einer Pressekonferenz ein externer Ermittler erste Ergebnisse seiner Untersuchung präsentierte und das Kloster als "rechtsfreien Raum" beschrieb, in dem "systematische Gewalt und sexueller Missbrauch" gedeihen konnten. Es folgen neue Fälle und Vertuschungsversuche am Maristenkolleg in Mindelheim und schließlich beim weltberühmten Knabenchor der Regensburger Domspatzen. Seit Anfang März verging kein Tag ohne neue Enthüllungen - und ein Ende ist nicht in Sicht. Da wohl viele Menschen die Entscheidung über einen Austritt nicht über Nacht treffen, könnten die nächsten Wochen noch zu weit höheren Austrittszahlen führen. Die Kirche verzeichnet durch die Austritte auch massive Ausfälle bei den Kirchensteuereinnahmen. Wenn sich Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mit ihrer Forderung nach einer Entschädigung der Missbrauchsopfer durchsetzt, dann könnte das moralische Desaster zu einem finanziellen Fiasko für die katholische Kirche werden. Im Ausland brachten vergleichbare Missbrauchsskandale die Kirche massiv in Bedrängnis. In den USA zahlte die Kirche im Jahr 2006 mehr als 1,5 Milliarden Dollar (1,2 Milliarden Euro) an Missbrauchsopfer. Viele Diözesen gerieten damals an den Rand des Ruins. Sie mussten ihre Ausgaben drastisch reduzieren, schlossen Kirchen und Schulen. Seit 1950 kosteten die Verfehlungen von Priestern die Kirche dort insgesamt mehr als 2,6 Milliarden Dollar (derzeit fast 1,9 Milliarden Euro). In Irland vereinbarte die Regierung 2009 mit kirchlichen Orden einen Entschädigungsfonds von 2,1 Milliarden Euro. Ein Großteil des Geldes brachte die Kirche durch den Verkauf von Gebäuden und Ländereien auf.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/folgen-des-missbrauchskandals-die-katholische-krise-1.15911
Folgen des Missbrauchskandals - Die katholische Krise
00/03/2010
Erste Zahlen deuten darauf hin, dass die katholische Kirche mit einer Austrittswelle rechnen muss. Das moralische Desaster könnte zu einem finanziellen Fiasko werden.
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FDP-Politiker behaupten, die Kritiker von Guido Westerwelle seien schwulenfeindlich. Das scheint auch die Sicht des Außenministers zu sein. Doch der Vorwurf diskriminiert die Kritiker als Diskriminierer - und das ist hanebüchen und perfide. In der Diskussion über die Reisegepflogenheiten des Bundesaußenministers und FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle gibt es zahlreiche Fragen, einige Mutmaßungen und allerlei Anschuldigungen. Noch gibt es keinen Beweis, dass Westerwelle sein Staatsamt mit privaten Angelegenheiten und Interessen vermischt, ob er seinem Lebensgefährten Michael Mronz, Gönnern, Bekannten und Verwandten tatsächlich den Weg ebnet zu Geschäftskontakten im Ausland. Man darf aber schon jetzt sagen, dass zwei andere Vorwürfe bestenfalls hanebüchen sind, schlimmstenfalls perfide. Ziemlich absurd ist der Vorwurf, Wirtschaftsvertreter hätten sich mit Parteispenden einen Platz im Flugzeug des Außenministers erkauft. Kein Kanzler, kein Außen-, Wirtschafts- oder Finanzminister geht ohne Begleitung von Bankern und Unternehmern auf große Auslandsfahrt. Außenwirtschaftsförderung ist kein zufälliger Nebeneffekt, sondern ein wesentlicher Grund politischer Auslandsbesuche. Dürften nur noch Wirtschaftsvertreter an Bord eines Regierungsflugzeugs, die nie einer Partei Geld zukommen ließen - Angela Merkel und auch Bundespräsident Horst Köhler wäre auf Reisen ziemlich einsam. Schwerer wiegt es, dass einige FDP-Politiker behaupten, die Westerwelle-Kritiker seien schwulenfeindlich. Die Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin und der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, beschuldigen SPD-Politiker, Vorbehalte gegen Homosexuelle zu schüren, wenn sie über die Motive der Mronz-Mitreise mutmaßen. Das scheint auch Westerwelles Sicht der Dinge zu sein, zumindest widerspricht er seinen Parteikollegen nicht. Der Vorwurf aber ist unangemessen und unlauter. Weder der frühere Außenminister Frank-Walter Steinmeier noch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles oder van Essens sozialdemokratischer Kollege Thomas Oppermann haben jemals Anlass zu dem Verdacht geliefert, sie seien schwulenfeindlich, offen oder unterschwellig. Auf die Frage nach den Reisemotiven des Unternehmers Mronz geben Koch-Mehrin und van Essen keine Antwort. Statt dessen diskriminieren sie Kritiker als Diskriminierer. Folgt man diesem Argument, dürfte man den Außenminister überhaupt nie in Frage stellen. Gegen die Unterstellung, man bringe aus niedrigen Motiven Westerwelles sexuelle Orientierung in die politische Debatte, kann sich keiner wehren. In der FDP sollte man sich an den Gedanken gewöhnen, dass viele Menschen zu respektieren gelernt haben, dass eine Frau Kanzlerin werden kann, ein Schwuler oder ein Rollstuhlfahrer Minister. Das heißt aber auch: Eine Frau, ein Schwuler, ein Behinderter müssen sich der gleichen politischen Kritik stellen wie ein heterosexueller, nicht behinderter Mann. Und Westerwelle kann sich sicher sein: Ginge ein Minister mit seiner Partnerin auf Reisen, die ihr Geld als Managerin verdient, müsste auch er sich den gleichen Fragen stellen. Im Video: Am Rande seines Besuchs in Brasilien hat sich Bundesaußenminister Guido Westerwelle am Donnerstag gegen Vorwürfe zur Wehr gesetzt, er vermische bei seinen Auslandsreisen private und dienstliche Interessen. Weitere Videos finden Sie hier
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/fdp-kritik-an-westerwelle-kritik-sexuelle-orientierung-als-pseudo-problem-1.20501
FDP: Kritik an Westerwelle-Kritik - Sexuelle Orientierung als Pseudo-Problem
00/03/2010
FDP-Politiker behaupten, die Kritiker von Guido Westerwelle seien schwulenfeindlich. Das scheint auch die Sicht des Außenministers zu sein. Doch der Vorwurf diskriminiert die Kritiker als Diskriminierer - und das ist hanebüchen und perfide.
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Die Bundesregierung will Imame besser auf ihre Rolle als Seelsorger und Integrationshelfer vorbereiten. Zudem sollen die Rechte von Kindern illegaler Zuwanderer gestärkt werden. Die Bundesregierung will Imame aus dem Ausland umfassend auf ihre Arbeit in Deutschland vorbereiten und damit eine bessere Integration der etwa vier Millionen Muslime erreichen. "Die Imame müssen in der Lage sein, hier Seelsorge und Integrationsaufgaben wahrzunehmen und hierzu bedarf es einer gründlichen Vorbereitung", sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU) der Süddeutschen Zeitung. Das Thema sei jahrelang ausgeblendet worden, die Imame nähmen jedoch als Autoritätspersonen eine zentrale Rolle für viele Muslime ein. Bisher gibt es lediglich zwei Modellprojekte, um die Imame schon vorab besser zu integrieren: Das Bundesamt für Migration schult seit Ende vergangenen Jahres Imame in Nürnberg und Köln, die Konrad-Adenauer-Stiftung bietet ähnliche Kurse in der Türkei an. Nicht mit dem Umfeld junger deutscher Muslime vertraut In dem Unterricht lernen die Vorbeter Deutsch, auch das Thema Grundwerte und kulturelle Unterschiede wird behandelt. "Die Vorbereitung muss aber über diese Kurse hinausgehen", sagte Böhmer. Sie werde das Thema bei ihrem Treffen mit der türkischen Regierung in Ankara vor Ostern ansprechen. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) unterstrich die Bedeutung der Imam-Fortbildung. Die Vorbeter aus dem Ausland seien "oftmals mit dem Umfeld ihrer Gemeindemitglieder - gerade der jungen aus der 2. und 3. Generation - nicht vertraut". Laut Bundesamt für Migration arbeiten etwa 2000 Imame in Deutschland. Langfristig planen Bund und Länder, Imame an deutschen Hochschulen auszubilden. Der Islamrat, dem etwa 300 Milli-Görüs-Moscheen angehören, zeigte sich offen für solche Schulungen. "Das ist ein Gewinn für die Imame - so können sie gerade Jugendliche hier besser verstehen und ansprechen", sagt der Islamratsvorsitzende Ali Kizilkaya der SZ. Bildungsangebote für Kinder illegaler Zuwanderer Böhmer kündigte zudem an, dass die Bundesregierung künftig auch den Kindern illegaler Zuwanderer zu Bildung verhelfen will. "Wir wollen den Kindern sowohl den Besuch von Schulen als auch den von Kindergärten ermöglichen", sagt Böhmer. Hierzu solle das Aufenthaltsrecht geändert werden. Bisher müssen Lehrer und andere Staatsdiener den Ausländerbehörden melden, wenn sie im Dienst erfahren, dass sich ein Kind ohne die nötigen Papiere im Land aufhält. Dies kann die Entdeckung und Abschiebung der Familie zur Folge haben. In einzelnen Ländern wie Bayern bestehe sogar eine Schulpflicht für die Kinder, gleichzeitig aber eine Meldepflicht der Pädagogen. "Hier müssen wir jede Unsicherheit der Lehrer beseitigen", sagte Böhmer. Der Staatsministerin zufolge findet das Vorhaben Unterstützung in allen Koalitionsfraktionen. Böhmer kritisierte Äußerungen des Berliner Ex-Finanzsenators Thilo Sarrazin (SPD). Dieser hatte gefordert, Familien, deren Kinder es zweimal versäumen, ihre Hausaufgaben zu machen, das Kindergeld zu kürzen. "Kindergeld kürzen geht nicht - schon nach dem Verfassungsrecht", sagte Böhmer. Sie setze auf Vereinbarungen der Schulen mit den Eltern.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/imame-in-deutschland-nachhilfe-fuer-vorbeter-1.14059
Imame in Deutschland - Nachhilfe für Vorbeter
00/03/2010
Die Bundesregierung will Imame besser auf ihre Rolle als Seelsorger und Integrationshelfer vorbereiten. Zudem sollen die Rechte von Kindern illegaler Zuwanderer gestärkt werden.
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Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger drängt die Bischöfe zur Zusammenarbeit mit den Behörden. Eine Kabinettskollegin von der CDU distanziert sich von der FDP-Politikerin - und nimmt die katholische Kirche in Schutz. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erhöht den Druck auf die katholische Kirche. Die FDP-Politikerin pocht nach den zahlreichen Missbrauchsskandalen in katholischen Einrichtungen auf eine engere Zusammenarbeit der Kirche mit der Justiz. In der Vergangenheit seien Staatsanwaltschaften in zu wenigen Fällen eingeschaltet worden, sagte die Ministerin in der ZDF-Sendung Maybrit Illner. "Das muss besser werden." Die derzeit noch gültige Richtlinie der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 2002 "zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche" müsse geändert werden. In den Richtlinien gibt es keine Anzeigepflicht. Zur Zusammenarbeit mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden heißt es darin: "In erwiesenen Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger wird dem Verdächtigten zur Selbstanzeige geraten und ggf. das Gespräch mit der Staatsanwaltschaft gesucht." Und weiter: "In erwiesenen Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger wird dem Verdächtigten - falls nicht bereits eine Anzeige vorliegt oder Verjährung eingetreten ist - zur Selbstanzeige geraten und je nach Sachlage die Staatsanwaltschaft informiert." Bundesfamilienministerin Kristina Schröder distanzierte sich dagegen indirekt von der Justizministerin. "Sexueller Missbrauch ist nicht nur ein Thema der Kirchen. Deshalb sollten wir sie auch nicht einseitig an den Pranger stellen. Probleme mit Kindesmissbrauch gibt es in unterschiedlichen Bereichen, etwa in Internaten, in Sportvereinen, aber auch in der Familie selbst", sagte Schröder der Financial Times Deutschland. "Mein Ziel ist eine Selbstverpflichtung von Einrichtungen wie Schulen und Vereinen, wie sie sich in konkreten Missbrauchsfällen zu verhalten haben", sagte die Ministerin. Deswegen werde man mit Vertretern von Familienverbänden, Internatsträgern, beider großen Kirchen, der freien Wohlfahrtspflege und Ärzten über Konsequenzen aus den jüngsten Missbrauchsfällen reden. Der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann zeigte sich verständigungsbereit. Ackermann war am 25. Februar von der Deutschen Bischofskonferenz zum Beauftragen für Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche ernannt worden. Zollitsch berichtet Papst Benedikt XVI. Er ließ allerdings erneut offen, ob die katholische Kirche dem Gesprächswunsch der Justizministerin nachkommen werde. Leutheusser-Schnarrenberger hatte den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, zu einem Treffen am 25. März eingeladen. Dabei soll der Streit um die ihrer Meinung nach mangelhafte Aufarbeitung der Missbrauchsfälle seitens der Kirche beigelegt werden. Die Bischofskonferenz reagierte "überrascht", wie Sprecher Matthias Kopp sagte. Man habe über die Medien von der Einladung erfahren. Zollitsch sei an dem Tag verhindert. Dagegen war die Teilnahme an einem "Runden Tisch" zum Thema sexueller Missbrauch, zu dem Familienministerin Schröder und Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) für den 23. April eingeladen haben, zugesagt worden. Dort soll das Thema nach Schröders Worten umfassender behandelt werden. Benedikt XVI. empfängt Zollitsch an diesem Freitag. Der Bischof soll dem Papst Bericht über die Missbrauchsfälle in Deutschland erstatten.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/diskussion-um-missbrauchsskandal-die-kirche-und-der-pranger-1.2657
Diskussion um Missbrauchsskandal - Die Kirche und der Pranger
00/03/2010
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger drängt die Bischöfe zur Zusammenarbeit mit den Behörden. Eine Kabinettskollegin von der CDU distanziert sich von der FDP-Politikerin - und nimmt die katholische Kirche in Schutz.
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Islamkonferenz vor dem Aus: Innenminister de Maizière verteidigt die Ausladung von Milli Görüs und wirbt um die übrigen Islam-Vertreter. Die muslimischen Verbände erwägen, aus der Islamkonferenz der Bundesregierung auszusteigen. Sie sind verärgert über die Reform und Neubesetzung des Gremiums durch Innenminister Thomas de Maizière. An diesem Freitag wollen die Verbände über ihre Teilnahme entscheiden. SZ: Nach dem Ausschluss von Milli Görüs und seines Dachverbands Islamrat aus der Islamkonferenz erwägen nun auch die anderen großen Muslim-Verbände auszusteigen. War es ein Fehler die Organisation auszuladen? De Maizière: Ich habe den Islamrat nicht ausgeschlossen, sondern habe ihm eine ruhende Mitgliedschaft vorgeschlagen, solange die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen. Die Entscheidung ist mir nicht leichtgefallen. Aber schließlich geht es bei Milli Görüs um sehr gewichtige Vorwürfe wie Bildung einer kriminellen Vereinigung, Steuerhinterziehung in Millionenhöhe und Geldwäsche. Dies wiegt so schwer, dass ich mit diesen Vertretern so nicht an einem Tisch sitzen will. Dies hat aber nichts mit den anderen muslimischen Verbänden zu tun, diese sind weiter herzlich willkommen. SZ: Die übrigen Verbände haben Zweifel, ob die Konferenz ohne die gut 300 Moscheegemeinden von Milli Görüs sinnvoll arbeiten kann. De Maizière: Der Islamrat hat die Tür ja selbst zugeschlagen, weil er keine ruhende Mitgliedschaft akzeptieren wollte. Von mir aus steht die Türe weiter offen , der Islamrat kann kommen, wenn die Vorwürfe geklärt sind. SZ: Dennoch fühlen sich die anderen Verbände offenbar verpflichtet, dem Islamrat beizustehen, schließlich sind die großen Verbände im Koordinationsrat der Muslime zusammengeschlossen. De Maizière: Da hätte ich mir unter den Verbänden eine kritischere Haltung gewünscht angesichts der Vorwürfe, die gegen Milli Görüs erhoben werden. Man muss es also anders herum sehen: Die Verbände sind in der Pflicht, aus den Vorwürfen gegen ihren Partner Islamrat Konsequenzen zu ziehen. SZ: Die Ausladung ist nicht der einzige Kritikpunkt. Die Muslime bemängeln, dass die unabhängigen Vertreter in der Konferenz ein größeres Gewicht erhalten haben: Islamkritiker wie Seyran Ates und Necla Kelek haben Sie als Berater behalten, gleichzeitig sollen zehn neue Vertreter jenseits der Religionsverbände dazukommen. Ist das nicht eine Schieflage? De Maizière: Nein, man darf nicht vergessen, dass die Verbände nur etwa ein Viertel der in Deutschland lebenden Muslime repräsentieren. Deshalb bildet die Zusammensetzung mit den unabhängigen Muslimen ein sehr kluges Mobile, das die Breite des muslimischen Lebens in Deutschland widerspiegelt. Wir haben vier religiöse Verbände, einen weltlichen und zehn unabhängige muslimische Persönlichkeiten. Es geht mir aber nicht um Quoten, sondern darum, dass sich möglichst viele Muslime von der Deutschen Islamkonferenz repräsentiert fühlen. Wir wollen die Konferenz praktischer ausrichten, deshalb habe ich mehr Leute mit Praxiserfahrung eingeladen, wollte aber gleichzeitig die alten Mitglieder nicht als Bündnispartner verlieren. SZ: Der Zentralrat der Muslime sagt, wichtige Inhalte wie der alltägliche Rassismus gegen Muslime oder Islamophobie seien in Ihren Plänen gar nicht erwähnt worden. De Maizière: Ich bin für thematische Anregungen der muslimischen Verbände selbstverständlich offen. Ich halte es allerdings für notwendig, die drei Schwerpunkte Wertekonsens mit der Gleichberechtigung der Geschlechter, Imam- und Islamlehrerausbildung sowie das Vorgehen gegen Extremismus zu diskutieren. Das ist das Wesen des Dialogs. SZ: Sie sind offen für neue Themen? De Maizière: Die von den muslimischen Verbänden vorgeschlagenen Themen wie Rassismus und Islamophobie können durchaus Platz finden. Aber wir sollten nicht erst langwierig darüber diskutieren, über was wir überhaupt sprechen wollen. Es soll ja schließlich keine inner-islamische Veranstaltung sein, sondern die Agenda ergibt sich schon aus den Problemen, die wir in unserer Gesellschaft haben.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/islamkonferenz-der-islamrat-hat-die-tuer-selbst-zugeschlagen-1.15585
"""Der Islamrat hat die Tür selbst zugeschlagen"""
00/03/2010
Islamkonferenz vor dem Aus: Innenminister de Maizière verteidigt die Ausladung von Milli Görüs und wirbt um die übrigen Islam-Vertreter.
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"Fühle mich wie zu Hause": Israel und die USA schlagen nach den Differenzen über den Siedlungsbau versöhnliche Töne an. Kurzmeldungen im Überblick. Israel und die USA haben nach den offen ausgetragenen Differenzen über den Siedlungsbau wieder versöhnliche Töne angeschlagen. "Präsident (Barack) Obama und ich wissen, dass die USA keinen besseren Freund in der Völkergemeinschaft haben als Israel", sagte US-Vizepräsident Joe Biden während einer Grundsatzrede am Donnerstag in Tel Aviv. Obama und er fühlten eine tiefe Freundschaft und Seelenverwandtschaft mit Israel. "Ich fühle mich hier wie zu Hause", sagte Biden. Der US-Vizepräsident forderte außerdem Israel und die Palästinenser zum raschen Beginn indirekter Verhandlungen unter Vermittlung der USA auf. Biden ging auch auf die Sorge Israels vor dem iranischen Atomprogramm ein. Die USA würden alles tun, damit der Iran keine Atomwaffen besitzen werde, versprach der 67-Jährige. Um die Missstimmung der vergangenen Tage zu beenden, hatte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu noch vor Redebeginn mit dem US-Vizepräsident telefoniert. Netanjahus Büro veröffentlichte außerdem eine offizielle Erklärung. Darin bedauert der Regierungschef die "unglückliche Zeitwahl" bei der Bekanntgabe eines israelischen Bauprojektes im arabischen Ostteil Jerusalems. Netanjahu habe Innenminister Eli Jischai angewiesen, Maßnahmen einzuleiten, damit sich so etwas nicht wiederhole, heißt es. Das israelische Innenministerium hatte am Dienstag den Bau von 1600 Wohnungen in Ramat Shlomo im besetzten arabischen Ostteil von Jerusalem angekündigt und damit Biden brüskiert. Der US-Vizepräsident verurteilte die Pläne umgehend. Lesen Sie auf den nächsten Seiten, wie der Zentralrat der Juden den israelischen Siedlungspläne kritisiert und weshalb die türkische Regierung ihren Botschafter aus Schweden abzieht. Weitere Meldungen im Überblick.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-versoehnliche-worte-zwischen-israel-und-usa-1.10718
Politik kompakt - Versöhnliche Worte zwischen Israel und USA
00/03/2010
"Fühle mich wie zu Hause": Israel und die USA schlagen nach den Differenzen über den Siedlungsbau versöhnliche Töne an. Kurzmeldungen im Überblick.
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Bei den irakischen Parlamentswahlen zeichnet sich ein Sieg von Regierungschef Nuri al-Maliki ab. Am Donnerstagabend lagen zwar nur die vorläufigen Ergebnisse für zwei der 18 irakischen Provinzen vor. In den beiden südlichen Provinzen Nadschaf und Babil, in denen die religiös-islamistischen Schiiten-Parteien stark sind, konnte Malikis säkular-nationalistisches Parteienbündnis "Rechtsstaat" nach Angaben der Obersten Wahlkommission aber mehr als 40 Prozent der Stimmen gewinnen. Malikis Gegner erhoben den Vorwurf, die Ergebnisse seien gefälscht worden. Politiker und Beobachter waren von einem Gleichstand der vier großen Parteienbündnisse ausgegangen. Diese sind Malikis national-säkulare Rechtsstaats-Liste, die schiitisch-islamistische National-Allianz, die säkulare Irakiya-Liste und die Kurdenallianz. Die Wahlkommission will ein vorläufiges Ergebnis bekanntgeben, wenn 30 Prozent aller Stimmen der zweiten Parlamentswahl nach dem Sturz des Saddam-Regimes ausgezählt worden sind. Eigentlich wollte sie schon am Mittwochabend Teilergebnisse melden. Die Kommission hat dies aber ohne Angabe von Gründen verschoben. Die Ergebnisse aus dem Süden des Landes sind wichtig: Dort galt Maliki als schwach. Er musste die Konkurrenz des islamistisch-religiösen Bündnisses Nationale Allianz der großen Schiiten-Parteien fürchten. In der Allianz sind die Iran nahestehende ISCI-Partei und die radikalen Anhänger des Predigers Sadr vertreten. Aus dem ISCI war allerdings bereits kurz nach der Wahl am Sonntag verlautet worden, man habe schlechter als erwartet abgeschnitten. Viele Iraker sind von der Politik der mit Maliki regierenden religiösen Parteien enttäuscht, da die sozialen Fragen nicht gelöst wurden. Maliki selbst kann für sich hingegen in Anspruch nehmen, die Sicherheitslage im Land verbessert zu haben. In der Provinz Babil gewann das Maliki-Bündnis 42 Prozent, in der Provinz Nadschaf 47 Prozent. Besonders das Ergebnis in Nadschaf ist erstaunlich. Die Provinzhauptstadt ist den Schiiten heilig und Sitz ihrer theologischen Hochschulen: Hier sind die religiösen Schiiten-Parteien tief verwurzelt. In beiden Provinzen landete die Schiiten-Allianz aber auf dem zweiten Platz. Die säkulare Irakiya-Liste kam im Süden auf den dritten Platz. Da sie aber sowohl die Interessen säkular orientierter Schiiten als auch die der politisch marginalisierten Sunniten vertritt, könnte sie in der Hauptstadt Bagdad und den sunnitisch geprägten Provinzen im Westen und im Landesinneren deutlich besser abschneiden. Die Schiiten-Allianz hat angekündigt, sie werde das Ergebnis nur anerkennen, wenn es mit den Ergebnissen ihrer eigenen Beobachter übereinstimme. Alle Parteien hatten Beobachter in die Wahllokale geschickt. Hinzu kamen Zehntausende unabhängige irakische und einige internationale Wahlbeobachter. Entifadh Qanbar, ein Kandidat der Schiiten-Allianz, warnte vor Fälschungen auf Wunsch der USA: "Wir befürchten, dass die Amerikaner bei der Endauszählung mit den Computern der Wahlkommission manipulieren werden." Selbst wenn Maliki sich landesweit als klarer Sieger durchsetzen sollte, wird mit einer langwierigen Regierungsbildung gerechnet. Auch er wäre gezwungen, mit einer oder zwei anderen Listen eine Koalition einzugehen. Seine Person stößt aber in allen anderen Gruppen auf Widerstand. Ein naheliegender Partner für Maliki wäre die Kurdenallianz. Die Kurden haben aber erklärt, dass sie die Klärung der Frage, wem Kirkuk gehört, zur Bedingung jeder Regierungsbeteiligung machen wollen. Die ölreiche Stadt wird von den Kurden beansprucht. Dies lehnen die große arabische und die kleine turkmenische Bevölkerungsgruppe aber ab. Das offizielle Ergebnis wird erst in einigen Wochen erwartet.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/irak-erfolg-fuer-maliki-1.2901
Erfolg für Maliki
00/03/2010
Überraschung im Irak: Das Bündnis des Regierungschefs holt offenbar in Schiiten-Hochburgen über 40 Prozent. Malikis Gegner wittern Betrug.
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Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Johannes Vogel, geht auf Distanz zu den Hartz-IV-Äußerungen seines Parteivorsitzenden Guido Westerwelle. "Langzeitarbeitslosigkeit demütigt und isoliert die Menschen", sagte Vogel. "Wenn man diesen Menschen nur Beschäftigungstherapien verordnet, hilft es ihnen nicht." Westerwelle hatte verlangt, dass "junge Sozialleistungsempfänger zum Schneeräumen auf Bürgersteigen" eingesetzt werden. Vogel hält solche Jobs allenfalls für sinnvoll, um Langzeitarbeitslose wieder an den Arbeitsmarkt heranzuführen. Dies solle jedoch "in erster Linie diesen Menschen helfen, nicht primär der Gesellschaft, die gerne Gegenleistungen für das Arbeitslosengeld hätte", sagte Vogel der Süddeutschen Zeitung. Ein Thesenpapier, das Vogel mit FDP-Generalsekretär Christian Lindner sowie den liberalen Sozialpolitikern Heinrich Kolb und Pascal Kober vorgelegt hat, grenzt sich ebenfalls von Westerwelle ab: "Aktuelle Forderungen nach einem gemeinwohlorientierten Arbeitsmarkt sind volkswirtschaftlich schädlich", schreiben die Autoren, ohne Westerwelles Schneeräum-Forderung zu nennen. Sie verweisen auf einen Bericht des Bundesrechnungshofs, nach dem 80 Prozent der Ein-Euro-Jobs reguläre Arbeitsplätze gefährden. Vogel selbst vermied direkte Kritik an Westerwelle, grenzte sich aber von der Forderung ab, "dass Arbeitslose in öffentlichen Parks unentgeltlich Hecken schneiden" sollen. "Die Grundsicherung, die der Staat gewährt, ist ein Grundrecht", sagte Vogel. Der FDP-Politiker, der auch Vorsitzender der Jungen Liberalen ist, regt an, einen Teil der Hartz-IV-Empfänger weniger stark zu kontrollieren. Erwachsene Arbeitslose müssten "massive Schnüffelei in privatesten Lebensverhältnissen" erdulden. Derzeit kürzen Ämter ihnen den Regelsatz leicht, wenn sie nachweisen können, dass zwei erwachsene Arbeitslose als Paar zusammenleben. Um solche Bedarfsgemeinschaften zu ermitteln, zählen Kontrolleure der Sozialämter gelegentlich auch Zahnbürsten im Badezimmer der Alg-II-Empfänger. Vogel nimmt an, dass sich manche Paare sogar zwei Wohnungen nehmen, um nicht als Bedarfsgemeinschaft zu gelten. Letztlich müsse das der Staat finanzieren. Solche Fälle könnten nicht durch immer schärfere Kontrollen verhindert werden; stattdessen solle der Staat den Erwachsenen einer Bedarfsgemeinschaft die vollen Regelsätze zahlen, empfiehlt Vogel. Die von Liberalen immer wieder geforderte Abschaffung der Bundesagentur für Arbeit zählt nicht zu den Anliegen Vogels und seiner Mitstreiter. Stattdessen plädieren sie dafür, "die Fachkompetenz und Motivation der Mitarbeiter in der Arbeitsvermittlung vor Ort" zu fördern. Zu prüfen sei auch, "ob eine bessere Relation zwischen Vermittlern und Kunden erreicht werden muss". Vogel verlangt, die Erfolge der Arbeitsvermittler bei ihren inneren Reformen in den vergangenen Jahren anzuerkennen: "Es hilft nicht weiter, nur grundsätzlich Kritik an der Bundesagentur zu üben."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/hartz-iv-fdp-sozialpolitiker-grenzt-sich-von-westerwelle-ab-1.4847
Hartz-IV - FDP-Sozialpolitiker grenzt sich von Westerwelle ab
00/03/2010
"Ein-Euro-Jobs keine Lösung": Der FDP-Sozialpolitiker Johannes Vogel geht auf Distanz zu den Hartz-IV-Äußerungen seines Chefs Guido Westerwelle.
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Einer für alle, alle für einen: Wie Außenminister Guido Westerwelle, sein Bruder Kai, Lebenspartner Michael Mronz und Geschäftsfreund Cornelius Boersch geschäftlich verbunden sind - und voneinander profitieren. Das Lebensmotto von Cornelius "Conny" Boersch ist schlicht und einfach: "Beziehungen schaden nur dem, der sie nicht hat", zitierte ihn einmal die Financial Times Deutschland. Boersch aber hat Beziehungen, beste sogar. Der Selfmademan zählt den FDP-Chef und Bundesaußenminister Guido Westerwelle zu seinen engsten Freunden. Im Wahlkampf 2002 trat Boersch als Wirtschaftsberater des selbsternannten "Kanzlerkandidaten" Westerwelle auf. Die Kontakte sind seitdem ausgezeichnet: Bei Westerwelles jüngsten Auslandsreisen in die Türkei und nach China ist Boersch Teil der offiziellen Wirtschaftsdelegation. Auf Fotos steht Westerwelles alter Kumpel gerne hinter ihm. Boersch und Westerwelle geben auch gemeinsam ein Buch heraus, das einen vielsagenden Titel trägt: Das Summa Summarum von Politik und Wirtschaft. Pikant: In dem Buch wird durchaus Verständnis dafür gezeigt, dass Gutbetuchte ihr Geld lieber über die Grenze schaffen, als es in Deutschland zu versteuern. Es sei ja vielmehr der Staat, der mit seinem verzwickten Steuerrecht diese armen Mitbürger ins Ausland treibe, heißt es darin. Dabei hatte Westerwelle noch kürzlich erklärt, dass er die ehrlichen deutschen Steuerzahler schützen wolle. Sein Freund Boersch, deutscher Staatsbürger und Gründer sowie Hauptanteilseigner der Beteiligungsgesellschaft Mountain Partners, zahlt seine Steuern lieber in der Schweiz. Der Firmensitz ist St. Gallen. Angeblich, weil ihm die Schweiz immer schon gut gefallen habe. Dafür ist Boersch ein fleißiger Parteispender. Zwischen 2002 und 2008 hat er der Partei seines Freundes Westerwelle die stolze Summe von 164.200 Euro überwiesen. Involviert in Boerschs umfangreiches Geflecht von mehr als 200 Beteiligungen sind oder waren neben Guido Westerwelle noch dessen zwei Jahre jüngerer Bruder Kai sowie Westerwelles geschäftstüchtiger Lebenspartner Michael Mronz. Fast wie eine kleine Familie. An der Postadresse von Boerschs schweizerischem Firmensitz, Dufourstrasse 121 in St. Gallen, ist lediglich sein Anwalt beheimatet. Das Klingelschild umfasst gein Dutzend sogenannter Briefkastenfirmen. Darunter bis vor kurzem auch offensichtlich solche der dubiosen Art. Hinter einem steht der inzwischen abgetauchte Fondsmanager Florian Homm. Hinter einem anderen der in den USA wegen Betrugs in Handschellen abgeführte Allen Stanford. Die eigentliche Firmenzentrale liegt im kaum 100 Kilometer von St. Gallen entfernten Wädenswil - in einer Villa mit Blick auf den Zürichsee. Mountain Partners ist laut Boersch ein "institutionalisierter Business Angel", eine Art finanzkräftiger Schutzengel für vielversprechende, aber finanziell unterbemittelte Jungunternehmen. Mit seinen mehr als 200 Beteiligungen ist Boersch ein Venture-Kapitalist, wie er im Buche steht. Das Ziel: billig einkaufen, teuer verkaufen. Sein Geschäftsmodell bezeichnet er als "schnell, oberflächlich und opportunistisch". Die aktuelle Finanzkrise scheint ihn nicht zu stören. Für ihn sei sie "eine tolle Ausgangsposition". Die erfolgversprechendsten Beteiligungen aber wolle er nicht zu schnell verkaufen, "sondern erst dann, wenn auch mal wieder die Gier da ist". Boersch ist bekannt dafür, dass er Verwandte und gute Freunde gerne zu lukrativen Jobs verhilft. Seinen Vater, einen alten Volksbanker, integrierte er in sein Unternehmensgeflecht ebenso wie seine Schwester. Westerwelle war selbst Teil von Boerschs Firmenimperium Auch Kai Westerwelle, im Hauptberuf Partner der Anwaltskanzlei TaylorWessing, steht beziehungsweise stand gleich mit zwei Posten auf Boerschs Lohnliste. Der Bruder des Außenministers ist Verwaltungsratspräsident der in St. Gallen ansässigen Taishan Invest AG und war bis 2008 in gleicher Funktion bei der Taishan Capital Management AG. Weil es thematisch so schön passt, durfte auf der Asienreise des neu-Außenministers Westerwelle im Januar auch ein gewisser Ralf Mahron mitfahren. Mahron ist Geschäftsführer und Mehrheitseigner der Far Eastern Fernost Beratungs- und Handels GmbH aus Ludwigshafen. Das Unternehmen vermittelt deutschen Firmen Zugänge zum chinesischen Markt. Und wieder offenbaren sich alte Seilschaften: Westerwelles Bruder Kai hält Anteile an dem Unternehmen. Mit an Bord ist natürlich Boersch mit seiner Beteiligungsfirma Mountain Partners. FDP-Chef Westerwelle war bis zum vergangenen Jahr selbst Teil von Boerschs Firmenimperium. Er arbeitete bis zum 1. Oktober 2009 als Beirat der Beratungsfirma TellSell Consulting, an der Boersch beteiligt ist. Westerwelle hat dafür ausweislich seiner veröffentlichungspflichtigen Angaben auf der Bundestags-Webseite im Jahr 2006 mindestens 7000 Euro erhalten. TellSell-Beirat ist noch immer der FDP-Haushaltsexperte und schleswig-holsteinische FDP-Landeschef Jürgen Koppelin. Auf der Website von TellSell Consulting wird die Aufgabe der Beiräte klar definiert: "Unsere Beiräte öffnen für Sie Türen und bringen Sie mit relevanten Ansprechpartnern zusammen."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/guido-westerwelle-der-familienminister-auf-reisen-1.9162
Der Familienminister auf Reisen
00/03/2010
Einer für alle, alle für einen: Wie Außenminister Guido Westerwelle, sein Bruder Kai, Lebenspartner Michael Mronz und Geschäftsfreund Cornelius Boersch geschäftlich verbunden sind - und voneinander profitieren.
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Außenminister Westerwelle geht nach den Vorwürfen der Vetternwirtschaft in die Offensive und wettert gegen "persönliche Attacken" seiner Kritiker. Eine Oppositionspolitikerin nennt ihn "korrupt". Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat Kritikern vorgeworfen, ihn und seine Familie mit persönlichen Attacken verleumden zu wollen. Westerwelle ließ am Rande seiner Lateinamerika-Reise neue Vorwürfe zurückweisen, er vermenge außen- und parteipolitische mit privaten Interessen. Auf einer früheren Reise hatte ihn der Geschäftsführer einer Firma begleitet, an der Westerwelles Bruder beteiligt ist. "Da der Opposition die politischen Argumente ausgehen, versuchen sie es jetzt mit persönlichen Attacken gegen mich und meine Familie", sagte Westerwelle in São Paulo. Er sprach von "parteipolitischen Kampagnen und durchsichtigen, auch verleumderischen Manövern". Die Berliner Zeitung hatte berichtet, dass zur Wirtschaftsdelegation, mit der Westerwelle im Januar in Asien unterwegs war, auch der Unternehmer Ralf Marohn gehörte. Er ist Geschäftsführer der Ludwigshafener Firma Far Eastern Fernost Beratungs- und Handels GmbH, an der Westerwelles Bruder Kai beteiligt ist. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Andreas Peschke, erklärte, die Vorwürfe und Unterstellungen gegen den Minister seien "haltlos". Marohn genieße seit vielen Jahren einen "hervorragenden Ruf als China- und Asien-Experte". Er berate auch die Landesregierung von Rheinland-Pfalz "und hat Ministerpräsident Kurt Beck und Landesminister auf Auslandsreisen begleitet", so Peschke. Beck ließ diese Darstellung jedoch zurückweisen: Die Behauptung, dass Marohn Ministerpräsident Beck auf Auslandsreisen begleitet habe, sei "unwahr", teilte der Mainzer Regierungssprecher Walter Schumacher mit. "Richtig ist, dass Ralf Mahron niemals Delegationsmitglied auf Reisen des Ministerpräsidenten gewesen ist." Er habe lediglich vor dem Jahr 2006 Auslandsreisen ehemaliger rheinland-pfälzischer Wirtschaftsminister und Wirtschaftsstaatssekretäre vorbereitet und begleitet. Vor 2006 war der FDP-Politiker Hans-Artur Bauckhage Wirtschaftsminister. Er war 1998 seinem Parteifreund Rainer Brüderle gefolgt. "Westerwelle schadet der Bundesrepublik" Westerwelle war bereits in den vergangenen Tagen in die Kritik geraten, weil auf seiner Asien-Reise ein Unternehmer zur Wirtschaftsdelegation gehörte, der zuvor 160.000 Euro an die FDP gespendet haben soll. Auch war hinterfragt worden, ob Westerwelles Lebensgefährte, der Event-Manager Michael Mronz, in Lateinamerika wirtschaftliche Interessen verfolge. Westerwelle und Mronz hatten dies vehement bestritten. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warf dem Außenminister Vetternwirtschaft vor. "Westerwelle schadet der Bundesrepublik, er schadet dem Ansehen des Auswärtigen Amtes", kritisierte Künast. Auch die designierte Linke-Vorsitzende Gesine Lötzsch griff Westerwelle scharf an. In Anspielung auf Formulierungen, mit denen er die Hartz-Debatte begonnen hatte, sagte Lötzsch: "Herr Westerwelle sorgt liebevoll dafür, dass sein Lebenspartner, seine Familie und FDP-Großspender anstrengungslos zu noch mehr Wohlstand kommen." Es müsse aber in diesem Land erlaubt sein, "einen korrupten Politiker einen korrupten Politiker zu nennen". FDP-Generalsekretär Christian Lindner sprach von einer "systematischen Diffamierungskampagne" gegen Westerwelle und bezichtigte Gesine Lötzsch des Rufmords: Es sei "ein skandalöser Tiefpunkt, dass ausgerechnet die SED-Nachfolgepartei, deren Vorgängerin sich verbrecherisch am Staatsvermögen der DDR bereichert hat, den haltlosen Vorwurf der Korruption erhebt", sagte Lindner.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/wegen-des-vorwurfs-der-vetternwirtschaft-westerwelle-meine-familie-wird-verleumdet-1.22486
Wegen des Vorwurfs der Vetternwirtschaft - Westerwelle: Meine Familie wird verleumdet
00/03/2010
Außenminister Westerwelle geht nach den Vorwürfen der Vetternwirtschaft in die Offensive und wettert gegen "persönliche Attacken" seiner Kritiker. Eine Oppositionspolitikerin nennt ihn "korrupt".
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mlsum_de-train-545
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Seit 1971 ist das griechisch-orthodoxe Seminar geschlossen. Folgen der Ankündigung von Vizeregierungschef Arinc Taten, erfüllen die Türken eine Forderung der EU. Ein seit fast 40 Jahren geschlossenes Priesterseminar der griechisch-orthodoxen Kirche in der Türkei soll wieder geöffnet werden. Er hoffe, dass dies ohne größere Verzögerungen geschehen werde, sagte Vize-Regierungschef Bülent Arinc nach Berichten mehrerer türkischer Nachrichtensender. Die Christen hätten ein Recht auf die Ausbildung eigener Geistlicher. Die EU und Griechenland verlangen seit Jahren eine Wiedereröffnung der seit 1971 geschlossenen Schule auf der Insel Heybeliada - griechisch Halki -, einer der Prinzeninseln im Marmarameer bei Istanbul. Arinc betonte, in der Türkei solle sich niemand als Bürger zweiter Klasse fühlen. "Sowohl ich persönlich als auch die Regierung sind entschlossen, dass die Ausbildung am Priesterseminar wieder aufgenommen werden soll", sagte Arinc nach einem Treffen mit christlichen und jüdischen Religionsführern im Istanbuler Amtssitz des Ministerpräsidenten. Die türkische Regierung arbeitet nach eigenen Angaben seit längerem an einem rechtlichen Modell, das die Wiedereröffnung der Schule ermöglichen soll. Die Gespräche mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchat in Istanbul über dieses Thema sollen laut Arinc fortgesetzt werden. Zwar habe das Verfassungsgericht den gesetzlichen Rahmen für die Öffnung eng gefasst, sagte Arinc. Er hoffe dennoch, dass die Wiedereröffnung des Seminars im Rahmen der bestehenden Gesetze "ohne große Verzögerungen" verwirklicht werden könne.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/priesterseminar-tuerken-wollen-eu-forderung-folgen-1.3029
Priesterseminar - Türken wollen EU-Forderung folgen
00/03/2010
Seit 1971 ist das griechisch-orthodoxe Seminar geschlossen. Folgen der Ankündigung von Vizeregierungschef Arinc Taten, erfüllen die Türken eine Forderung der EU.
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mlsum_de-train-546
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Die Polen sehen in Deutschland kein Feindesland mehr. Nur noch jeder siebte gab in einer Umfrage an, Angst vor Deutschland zu haben - 1990 waren es noch 90 Prozent. 20 Jahre nach dem Neuanfang im deutsch-polnischen Verhältnis sieht die überwiegende Mehrheit der Polen in Deutschland kein Feindesland mehr. Nur noch jeder Siebte (14 Prozent) empfindet Angst vor dem mächtigen Nachbar im Westen, geht aus einer Umfrage des Warschauer Meinungsforschungsinstituts CBOS hervor. Über die Ergebnisse der Befragung berichtete die Zeitung Rzeczpospolita am Donnerstag. 1990 hatte noch fast jeder neunte (88 Prozent) Pole Deutschland gefürchtet; 2004 war es noch jeder Dritte (35 Prozent) gewesen. Dank der Deutschen können wir "süße Weintrauben" essen, kommentierte der Gesellschaftspsychologe Janusz Czapinski die Ergebnisse. "Die Mehrheit der EU-Mittel, die wir nutzen, hat der westliche Nachbar erarbeitet", erläuterte er. Die Polen hätten eingesehen, dass sich die Deutschen zum Guten geändert haben und ihren Nachbarn "freundlich und friedlich" begegnen, so Czapinski. Auch die Angst vor Russland hat sich, obwohl auf hohem Niveau, verringert. Die Hälfte der Befragten fürchtet den östlichen Nachbar, vor fünf Jahren waren es zwei Drittel (67 Prozent) gewesen. Jeder fünfte Pole (20 Prozent) meint, Polen habe überhaupt keine Feinde mehr. An der Umfrage hatten sich Ende Januar 1027 Menschen beteiligt. Nach dem demokratischen Umbruch in Ost- und Mitteleuropa von 1989 und der Wiedervereinigung Deutschlands ein Jahr später hatten Warschau und Berlin ihr durch den Zweiten Weltkrieg und die Terrorherrschaft der Nazis belastetes Verhältnis normalisiert und einen Neuanfang gestartet. Beide Länder sind seit Jahren Partner in der NATO und EU. Bis auf die Regierungszeit der Nationalkonservativen unter Jaroslaw Kaczynski in den Jahren 2005-2007 verbesserten die Nachbarn ständig ihr Verhältnis.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/umfrage-polen-fuerchten-deutschland-nicht-mehr-1.23402
Umfrage - Polen fürchten Deutschland nicht mehr
00/03/2010
Die Polen sehen in Deutschland kein Feindesland mehr. Nur noch jeder siebte gab in einer Umfrage an, Angst vor Deutschland zu haben - 1990 waren es noch 90 Prozent.
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mlsum_de-train-547
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Er war jetzt lange genug still. 25 Minuten lang hat sich Eckhardt Kiwitt, 54-jähriger Verlagsarbeiter aus Freising, einen Vortrag über das Paradies im Islam angehört. Andre Elfiky, ein Muslim, hat in der St.-Korbinian-Pfarrgemeinde in der Münchner Valleystraße über den Koran und über Mohammed gesprochen, der am "Ende seines Lebens schon ins Paradies greifen konnte". Ein paar ältere Zuhörer sind zwischenzeitlich eingeschlafen. Eckhardt Kiwitt ist hellwach. Er hebt die Hand, einmal, zweimal, dann wird er endlich aufgerufen. "Sie sagten, man könne den Koran interpretieren", fragt er den Referenten. "Aber was gibt es an den Begriffen ,töten' und ,getötet werden' zu interpretieren?" An der Wand hängen rosafarbene Luftballons in Form eines Herzens. Aber mit der guten Stimmung ist es in dem Pfarrhaus vorbei. Eckhardt Kiwitt glaubt, dass der Islam keine Religion ist, sondern eine "politische, dem Nationalsozialismus ähnliche Ideologie", die Hass und Terror in die Welt bringe. Der Freisinger ist nicht alleine, sondern Teil einer Bewegung mit Tausenden Anhängern in Deutschland. Sie formieren sich im Internet auf der Webseite "Politically Incorrect" (PI), die täglich mehr als 30.000 Mal angeklickt wird. Und zunehmend drängen die Leser der Seite auf die Straßen und Plätze deutscher Städte. Auf der Webseite polemisieren unterschiedliche, meist anonyme Autoren gegen den Islam, gegen Muslime und gegen vermeintlich zu laxe Integrationspolitik. Gleichzeitig setzt man sich bei PI für eine engere Bindung Deutschlands an Israel und die USA ein. Auch deshalb wird die Seite vom Verfassungsschutz nicht als rechtsradikal bezeichnet - obwohl vor allem im Kommentarbereich der Internetseite täglich fremdenfeindliche Ressentiments veröffentlicht werden. Die Webseite wurde vom Kölner Lehrer Stefan Herre gegründet. Sie ist erfolgreiches Vorbild für Hunderte kleinere Websites mit ähnlichem Inhalt. Die Leser der Seite haben bereits 38 Aktionsgruppen in Deutschland gegründet - vom Ruhrgebiet bis Dresden, von Karlsruhe bis Hamburg. Mehrere hundert Menschen dürften den harten Kern der schnell wachsenden Szene bilden. Ihre Motivation zur Islamkritik ist unterschiedlich: Eine gelegentlich religiös geprägte Liebe zu Israel oder das Gefühl, dass christliche Werte in Deutschland verloren gehen. Andere fürchten sich vor dem Islam oder sind durch die Berichterstattung über "Ehrenmorde" aufgeschreckt worden. "Wir verteidigen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen eine totalitäre Ideologie", sagt Kiwitt. Er meint das ernst, er ist in der Münchner Gruppe aktiv, die vor drei Jahren gegründet wurde. Sie kennen sich unter Pseudonymen. Das verringert die Gefahr, dass ihre Arbeitgeber vom ihrem islamfeindlichen Treiben Kenntnis erhalten. Und es verstärkt das Gefühl, Mitglied einer verschwörerischen, kämpferischen Truppe zu sein. Kritik an der Religion einer Minderheit und Hass auf eine Minderheit liegen eng beisammen. Einerseits wird die junge Bewegung oft von Rechten gekapert und für eigene Zwecke missbraucht, wie auch ihr großes Vorbild, der Publizist Henryk Broder. Vor wenigen Tagen erst wollte sich zum Beispiel eine Chemnitzer NPD-Stadträtin mit dem islamkritischen Schriftsteller gemein machen, gratulierte ihm zu seinem Kampf gegen "Überfremdung." Broder antwortete: "Die Vorstellung, im selben Raum mit Ihnen zu sein, lässt mir das Essen hochkommen." An solchen Klarstellungen fehlt es auf PI, man grenzt sich nicht effektiv nach Rechts ab. Die Qualität der Kommentare ist im Zweifelsfall eher auf dem Niveau eines Stammtisches als auf dem eines politischen Essays. Redakteure und Politiker, die auf der Webseite an den Pranger gestellt werden, erhalten Beleidigungen und Drohungen per E-Mail. Dennoch dürften die meisten Leser und Aktivisten keine Rechtsradikalen sein. Kiwitt wählt konservativ, mitunter auch die FDP. "Niemals aber würde ich mein Kreuz rechts jenseits der CSU machen - und auch niemals links der SPD, bei der Partei, die ich immer noch SED nenne." Zuletzt hat er mit der Münchner PI-Gruppe im Verbund mit der islamkritischen Gruppe "Pax Europa", im Münchner Zunfthaus eine Infoveranstaltung zum Thema Islam gehalten. Knapp 200 Menschen kamen und hörten friedlich zu. Zusammen haben die Münchner Islamfeinde auch eine Unterschriftenaktion gegen die geplante Moschee in Sendling initiiert. Knapp 1300 Signaturen kamen zusammen, die Übergabe an die Stadt im Münchner Rathaus wurde öffentlichkeitswirksam dokumentiert. Auf der PI-Webseite bedankte man sich für die Arbeit der Münchner "Widerstandszelle". Und auch für die Aktion in der St.-Korbinian-Pfarrgemeinde. Kiwitt und seine Mitstreiter sind gekommen, um Stunk zu machen. Von insgesamt 23 Zuhörern gehören an diesem Abend in der Pfarrgemeinde sieben zu den Islamkritikern. Dass sie eine Einheit bilden, ist für den Referenten und die anderen Gäste nicht zu erkennen. Die Gruppe hat sich unauffällig im Raum verteilt. Lediglich der Tenor ihrer Fragen verrät sie, der Tonfall ist aggressiv. Die anderen Besucher auf der Veranstaltung in der St.-Korbinian-Gemeinde sind empört über die Fragen der Gruppe, weil das Thema des Abends nichts mit der von ihnen erzwungenen Debatte um Terrorismus zu tun hat. Mitarbeiter der Pfarrgemeinde versuchen, die Debatte zu drehen, doch die Gruppe lässt sich nicht bremsen. Längst nicht jeder von ihnen argumentiert mit Korankenntnissen, wie zum Beispiel Kiwitt. Einer erzählt, dass er in eine Irakerin verliebt gewesen sei, die ihn verlassen habe. "Was soll daran das von Mohammed versprochene Paradies auf Erden sein", fragt er. Ein anderer hat gezählt, wie oft das Wort "töten" im Koran steht. Referent Elfiky hat längst klargestellt, dass Terror für Muslime nach modernen Koranauslegungen keine Lösung sein könne. "Haben Sie mal gezählt, wie oft ,Liebe' im Koran steht, oder ,Verzeihen'?", fragt er zurück. Der Islamkritiker schüttelt den Kopf.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/islamfeindlichkeit-besuch-von-der-anti-islamischen-kampftruppe-1.13644
Besuch von der anti-islamischen Kampftruppe
00/03/2010
Eine "dem Nationalsozialismus ähnliche Ideologie": Wie Anhänger der Website Politically incorrect Veranstaltungen stören, die sie für pro-muslimisch halten.
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Die Zahl der Übergriffe auf Fahrgäste in Zügen und auf Bahnhöfen nimmt bundesweit zu. Gerade dort fehlen laut einem Prüfbericht jedoch oft Polizisten. München, Hamburg, Berlin: Die Zahl der Übergriffe auf Fahrgäste in Zügen und auf Bahnhöfen nimmt bundesweit zu. Der bekannteste Fall ist der von Dominik Brunner, der an einer Münchner S-Bahnstation von zwei Jugendlichen zu Tode geprügelt wurde, als er sich schützend vor mitreisende Kinder stellte. Die Bundespolizei, die für Sicherheit bei der Bahn sorgen soll, kam wiederholt zu spät. Wie gefährlich Zugfahrten sind, fragen daher besorgte Fahrgäste. Eine erschreckende Antwort liefert der Bundesrechnungshof (BRH) in einem Prüfbericht, der an das Bundesinnenministerium ging. Bei mehr als einem Viertel der 121 Reviere der Bundespolizei sind so wenige Beamte im Einsatz, dass "eine durchgängige Streifenbildung und Besetzung der Wache nicht sichergestellt werden kann". Streifengänge von Polizisten gelten als wirksamstes Mittel gegen Gewalt, und ausgerechnet da fehlt es an Personal. Abhilfe ist nicht in Sicht, trotz der Rüge des BRH. Der Rechnungshof hat untersucht, wie die Bundespolizei ihre Aufgaben bei der Bahn wahrnimmt. Nun liegt das Ergebnis vor, zu dem sich weder Bundespolizei noch Innenministerium äußern wollten. In kleineren Revieren sind "nur im Ausnahmefall" so viele Beamte im Einsatz, dass "die Streifentätigkeit und eine dauerhafte Besetzung der Wache sichergestellt sind". Das ergaben Stichproben in Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz und in Siegburg bei Bonn, zwei Knotenpunkten der Bahn. In Siegburg war das Revier im August und September 2009 bei einem Drittel der Früh-, Tag- und Spätschichten gänzlich unbesetzt. In Bad Kreuznach war das nicht viel besser. Dort kamen Probleme bei den Dienstplänen hinzu. Teilweise waren nachts, als gar keine Züge fuhren, mehr Beamte im Dienst als tagsüber. Die Bundespolizei müsse besser organisiert werden, fordert der Rechnungshof. Außer an Personal mangele es auch an Leitlinien und Konzepten für den Einsatz bei der Bahn, fanden die Prüfer heraus. Für die Bahngewerkschaften Transnet und GDBA sind diese Resultate keine Überraschung. Eine Umfrage hat ergeben, dass sich nicht nur Fahrgäste, sondern auch die Hälfte der Schaffner und Lokführer nicht sicher fühlt und Angst vor Übergriffen hat. Mit einem Bündel von Maßnahmen müsse für mehr Sicherheit gesorgt werden, verlangen die Gewerkschaften. Eine ihrer Forderungen: mehr Personal. Das ist auch ganz im Sinne der Deutschen Bahn (DB). Wichtig sei die "Präsenz von Sicherheitskräften" in den Zügen und Bahnhöfen, sagt ein DB-Sprecher. "Wir wollen das kontinuierlich steigern." Die Bahn hat 3500 eigene Leute im Einsatz. Doch das kann die Lücken bei der Bundespolizei nicht ausgleichen. Diese hat immerhin 33000 Polizeibeamte, die neben der Bahn auch die Flughäfen, die Grenzen, die Küsten und Bundesbehörden schützen sollen. 1800 Stellen seien unbesetzt, rügt die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Außerdem seien 1000 Beamte im Kosovo, in Afghanistan und anderswo im Ausland, ohne dass es im Inland einen Ausgleich gebe, sagt GdP-Vorstand Josef Scheuring. Darunter leide der tägliche Einsatz vor Ort, auch bei der Bahn. Dort könnten die Fahrgäste eher einen Gewalttäter antreffen als einen Polizisten, behauptet Scheuring, Chef der GdP-Sparte Bundespolizei. Er sagt, er habe Innenminister Thomas de Maizière (CDU) das alles vorgetragen, bisher aber keine Reaktion bekommen. Dem Rechnungshof muss de Maizière antworten.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/sicherheit-bei-der-bahn-luecken-im-revier-1.13975
Sicherheit bei der Bahn - Lücken im Revier
00/03/2010
Die Zahl der Übergriffe auf Fahrgäste in Zügen und auf Bahnhöfen nimmt bundesweit zu. Gerade dort fehlen laut einem Prüfbericht jedoch oft Polizisten.
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Westerwelle sagt in Südamerika mit immergleichen Worten so gut wie nichts. Mit der Auswahl seiner Begleiter zieht er dennoch Aufmerksamkeit auf sich. Nun wird publik, dass er auch die Firma seines Bruders protegiert haben soll. Die Liste der Vorwürfe wird länger, die Kritik schärfer: Guido Westerwelle muss sich nicht nur mit der Anschuldigung auseinandersetzen, er habe befreundete Unternehmer als Dank für Spenden in seine Entourage auf Auslandsreisen aufgenommen. Auch für die Mitreise seines Lebensgefährten Michael Mronz, der als Eventmanager vor allem Sportereignisse organisiert, wird Westerwelle gerüffelt - Mronz nutze die Gelegenheit für die Anbahnung privater Geschäfte, sagen Kritiker. Der Außenminister und die FDP weisen die Vorwürfe zurück, sprechen von "haltlosen Behauptungen". Doch nun werden weitere Details bekannt, die Westerwelles Bereitschaft, Staatgeschäfte und Privatangelegenheit zu trennen, in Frage stellen: Zu der Wirtschaftsdelegation, die ihn Mitte Januar auf seiner Reise nach Asien begleitete, habe auch die Ludwigshafener Firma seines Bruders Kai Westerwelle gehört, berichtet die Berliner Zeitung. Wie der Außenminister mit den Vorhaltungen während seiner bislang längsten Auslandsreise umgeht und welche Schatten die innenpolitischen Spannungen auf seinen Aufenthalt in Südamerika werfen, berichten Korrespondenten der Süddeutschen Zeitung: Die Hitze des Nachmittags hat sich über Montevideo gelegt, das trübe Wasser des Rio Plata schlägt kleine Wellen. Im elften Stock eines gläsernen Hochhauses sitzt hinter einem großen Schreibtisch José "Pepé" Mujica. Ein Schnauzbart ziert sein markantes Gesicht. Die Ähnlichkeit mit Asterix, dem Gallier, ist erstaunlich. Mujica war früher einmal Guerillero, saß zu Zeiten der Militärdiktatur lange im Gefängnis und ist erst seit ein paar Tagen Präsident von Uruguay. Nachdenklich hat der neue Staatschef das Kinn auf die linke Hand gestützt. Vor ihm liegt ein Notizblock. Abstand gewinnen Aufmerksam hört er dem Gast auf der anderen Seite des Schreibtisches zu. Er erfährt, dass die Bundesregierung "einen neuen Schwerpunkt" auf Lateinamerika legen will. Guido Westerwelle ist angekommen in Montevideo, der Hauptstadt des kleinen Uruguay, in der Mitte einer ziemlich langen Reise durch Südamerika. Fast eine ganze Woche hat sich Westerwelle dafür genommen; es ist seine längste Tour seit Amtsantritt. Das schafft, zumindest zeitlich und räumlich, Abstand zur deutschen Innenpolitik. So fern der Heimat müsste sie doch am größten sein: die Chance, sich anzunähern an dieses Amt, an den Beruf: deutscher Außenminister. Gleichwohl gibt es für Guido Westerwelle offenbar keine echte Distanz, keinen noch so weit entfernten Ort, an dem ihn die Innenpolitik nicht einholt, besser gesagt: die dauernde Diskussion über ihn selbst. Diesmal geht es um die Manager, die ihn auf dieser Reise begleiten. Und ganz besonders um einen Unternehmer, der jedoch gar nicht als Unternehmer mit an Bord ist. Demonstrative Empörung und spöttische Abwehr Auf dem Flugfeld in Montevideo stellt Westerwelle Michael Mronz dem uruguayischen Protokollchef vor den Fernsehkameras als seinen Partner vor. Bei den vorherigen Stationen, in Santiago zum Beispiel, hat er das nicht gemacht, da war die Diskussion über Westerwelles Mitreisende auch noch nicht voll entbrannt. Der Außenminister reagiert wie so oft, wenn er in die Kritik gerät: mit einer Mischung aus demonstrativer Empörung und spöttischer Abwehr. Immerhin bewirken die innenpolitischen Dissonanzen, dass es in Deutschland überhaupt ein Interesse am gegenwärtigen Aufenthaltsort des deutschen Außenministers gibt. Vorgänger von ihm sind schon mit sehr viel weniger Aufmerksamkeit durch Lateinamerika gereist. Westerwelle könnte diese Chance nutzen, sich gerade bei jenen, die sich wirklich für ihn als Außenminister interessieren, vorteilhaft in Szene zu setzen. Lesen Sie auf Seite 2, wie Westerwelle sich von seinen Amtsvorgängern unterscheidet.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/aussenminister-westerwelle-reisen-mit-guido-1.23793
Außenminister Westerwelle - Reisen mit Guido
00/03/2010
Westerwelle sagt in Südamerika mit immergleichen Worten so gut wie nichts. Mit der Auswahl seiner Begleiter zieht er dennoch Aufmerksamkeit auf sich. Nun wird publik, dass er auch die Firma seines Bruders protegiert haben soll.
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"Die russische Militärdoktrin beruhigt uns nicht gerade": Auch 20 Jahre nach der Loslösung von der UdSSR blickt Litauen mit Sorge auf den Nachbarn. Ein Gespräch mit Außenminister Ažubalis. Audronius Ažubalis erinnert sich genau an den Winter im Jahr 1990. "Es war die spannendste Zeit in meinem Leben", sagt der 52-Jährige. Ažubalis war einer der Journalisten, die für die erste unabhängige litauische Zeitung Atgimimas arbeiten und halbwegs frei in der Sowjetunion herumreisen durften. Natürlich habe er nicht ununterbrochen gearbeitet, aber er habe nie aufgehört zu diskutieren - über die Zukunft Litauens, über Demokratie und die beste Strategie. Heute ist Ažubalis Außenminister des freien Litauens, das seit 2004 Mitglied in EU und Nato ist, doch dieser Weg war nicht vorgezeichnet. Seit Michail Gorbatschow im Rahmen der Perestroika die Kontrolle Moskaus lockerte, hatten sich im Baltikum Volksbewegungen gebildet, die gegen die seit 1944 andauernde Besatzung protestierten. Am 11. März - nach dem Wahlerfolg einer dieser Bewegungen, wagt das Land den nächsten Schritt. Die Sowjetrepublik Litauen erklärt sich für unabhängig. Die Abgeordneten berufen sich auf die Verfassung, die vor dem Zweiten Weltkrieg im freien Litauen galt - und warten ab. "Es herrschte eine große Unsicherheit, denn niemand konnte wissen, wie Moskau reagiert", erinnert sich Ažubalis. Als ein litauischer Delegierter den Beschluss, der im Westen kaum Beachtung fand, in Moskau verkündete, reagierte der Volksdeputiertenkongress mit "Gelächter". Die Führung um Gorbatschow erkannte jedoch, welche Sprengkraft in der Entscheidung lag und versuchte die abtrünnigen Balten durch eine Wirtschaftsblockade zum Aufgeben zu zwingen. Vergeblich: Die Litauer schützten im Januar 1991 das Parlament und den Fernsehturm mit ihren Körpern. Sie ließen sich auch nicht einschüchtern, als sowjetische Panzer durch die Menschenkette fuhr und 14 Menschen starben - im September 1991 erkannte auch Moskau die Unabhängigkeit der baltischen Staaten an. "Ohne die Unterstützung des Volks hätten wir diesen Sieg nicht erringen können", erinnert sich Außenminister Ažubalis. Die Wirtschaftskrise und die Folgen Heute, 20 Jahre später, ist in der Hauptstadt Vilnius trotz strahlendem Sonnenschein von großem Jubel nichts zu spüren, obwohl überall die gelb-grün-roten Fahnen aufgehängt sind und jeder Spaziergänger einen Anstecker mit den Nationalfarben trägt. Litauen wurde von der Finanzkrise hart getroffen, 2009 schrumpfte die Wirtschaft um dramatische 18 Prozent. Immer mehr Menschen können ihre Schulden nicht zurückzahlen, klagen über die Sparprogramme der konservativen Regierung und dass nach der Schließung des Atomkraftwerks Ignalina auch die Energiepreise steigen. Politiker und Experten kommen dennoch unisono zu dem Urteil: Litauens Entwicklung sei ein "echter Erfolg" "Die größte Leistung ist es, unsere Unabhängigkeit bewahrt zu haben", analysiert Ažubalis, der seit einem Monat als Außenminister amtiert. Neben der Arbeit mit den Kollegen in EU und Nato wird er wie seine Vorgänger viel Zeit damit verbringen, die Entwicklung des großen Nachbarn Russland zu beobachten. Die Beziehungen zu Moskau seien recht gut, wenn es um juristische oder technische Fragen gehe - etwa beim Transit in die russische Exklave Kaliningrad.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/litauen-20-jahre-unabhaengigkeit-freiheit-kann-hart-sein-1.21327
Litauen: 20 Jahre Unabhängigkeit - Freiheit kann hart sein
00/03/2010
"Die russische Militärdoktrin beruhigt uns nicht gerade": Auch 20 Jahre nach der Loslösung von der UdSSR blickt Litauen mit Sorge auf den Nachbarn. Ein Gespräch mit Außenminister Ažubalis.
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Er ist jetzt 81 Jahre alt, und alle raunen, dies sei sein letzter Wahlkampf. Seine jüngste Tochter Marine stehe bereit, ihn zu beerben. Doch der massige Mann mit der Hornbrille will von Abschied nichts hören. Er hasse "das Wort Rückzug, im zivilen wie im militärischen Bereich", sagt Jean-Marie Le Pen bei einer Kundgebung seines rechtsextremen Front National in Marseille. Im Kongresspalast der mediterranen Hafenstadt fährt der bretonische Fischersohn noch einmal sein rhetorisches Rüstzeug auf. Er attackiert seine geliebten Feindbilder, Islamisten, Einwanderer, Globalisierer. "Die Moscheen schießen wie Pilze aus dem Boden, und bald werden die Rufe des Muezzins durch unsere Straßen schallen", schockiert er seine Anhänger. Dann ruft er sie auf, das alte Frankreich zu verteidigen, "ein europäisches Volk weißer Rasse". Ein halbes Jahrhundert ist Le Pen nun in der Politik, seit 38 Jahren führt er den von ihm gegründeten Front National - doch der alte Mann wirkt nicht müde. Bei den Regionalwahlen am Wochenende tritt er wieder an, als Listenführer in der Südregion Provence-Alpes-Côte d'Azur. Dort ist die Arbeitslosigkeit höher als im Landesdurchschnitt, dort leben viele Ruheständler, die nun, in der Krise, um ihre Renten fürchten. Ein guter Boden für Le Pen, das spürt er. So reißt er die Arme in Siegerpose nach oben, dass sein hellblaues Einstecktüchlein fast aus der Sakkotasche rutscht. Mal lässt er den linken Zeigefinger wie einen Degen durch die Luft sausen, mal ballt er, von seiner eigenen Rede mitgerissen, die Fäuste. Er schilt den Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy als Großmaul, der viel rede und wenig handle. "Napoleon den ganz Kleinen" bespöttelt er ihn. Und er beschwört die Ahnen, die für die Freiheit Frankreichs gefallen seien. Eineinhalb Stunden geht das so. Le Pens Anhänger sind begeistert. Manche halten ein provokantes Plakat hoch. Darauf sieht man eine verschleierte Frau neben einer Frankreichkarte in den Farben der algerischen Flagge. Aus dem Boden ragen Minarette, in Form von Raketen. "Nein zum Islamismus", steht darüber. Das Plakat macht Furore. Die algerische Regierung protestiert in Paris. Besseres könnte dem Front National nicht passieren. Die Partei erregt wieder Aufsehen. Le Pen ist ein gewiefter Agitator, und seine Karriere beweist, dass Rechtsextreme mit einem solchen Anführer immer wieder Erfolge feiern können. Seit Gründung des Front National 1972 hat Le Pen ihn zur festen Kraft im Parteienspektrum Frankreichs gemacht, die das bürgerliche Lager ärgert, weil sie ihm Stimmen wegschnappt. Einen Triumph feierte Le Pen bei der Präsidentschaftswahl 2002. Da kam er bis in die Stichwahl. Bei den Regionalwahlen 2004 schaffte die Partei im Landesdurchschnitt fast 15 Prozent. Seitdem ging es jedoch bergab. Bei der Europawahl 2009 gab es nur 6,3 Prozent. Die Misserfolge schlugen sich in den Bilanzen nieder, die Partei hat hohe Schulden. Daher versucht sie derzeit, ihren feudalen Sitz in Saint-Cloud bei Paris zu versilbern. Stimmenverluste wegen Sarkozy Ein Grund für die Stimmenverluste in jüngster Zeit ist Sarkozy. Der Präsident und seine konservative UMP-Partei konzentrierten sich auf Themen wie nationale Identität, Einwanderung und innere Sicherheit und zogen viele Wähler des Front National an. Derzeit jedoch steckt Sarkozy im Stimmungstief. Gerade pointiert rechte Wähler finden, er tue zu wenig, um die Franzosen und die französische Wirtschaft vor dem Rest der Welt zu schützen. Zudem missfällt ihnen, dass Sarkozy auch Politiker der Linken mit wichtigen Posten betraut. Der Front National kann daher hoffen, eine Renaissance zu schaffen. Sein Ziel: Er möchte in etwa der Hälfte der 22 Regionen über die Zehn-Prozent-Hürde springen und in die zweite Wahlrunde einziehen. In der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur wird das vermutlich gelingen. Dort kann Le Pen mit deutlich mehr Stimmen rechnen. Der Patriarch der Rechtsextremen möchte sich so einen starken Abgang verschaffen. Zugleich sollen Erfolge des Front National bei den bevorstehenden Regionalwahlen den Übergang in eine Post-Le-Pen-Ära erleichtern. Der Wechsel an der Spitze dürfte auf einem Parteitag im Herbst oder im Frühjahr darauf stattfinden. Le Pen wünscht, dass die Partei ein Familienunternehmen bleibt. Daher hat er seine Tochter Marine zur Nachfolgerin aufgebaut. Etlichen alten Parteigrößen missfällt diese dynastische Regie. Manche haben den Front National verlassen. Auch Marine Le Pen braucht bei der Regionalwahl ein gutes Ergebnis, um ihre Partei von ihren Qualitäten zu überzeugen. Sie tritt in der Region Nord-Pas-de-Calais an. Dort bei den "Ch'tis", wie die Bewohner des äußersten Norden genannt werden, fühlt sie sich willkommen. "Le Nord" leidet unter der Krise der Industrie, viele Fabriken schließen, auch dies ein guter Boden für den Front National. Die 41 Jahre alte Rechtsanwältin Marine Le Pen tingelt im eisigen Wind dieses Spätwinters über die Märkte und von Fabrik zu Fabrik. Die blonde Frau ist robust - in Aussehen und Rhetorik, wie der Vater. Und sie kommt an. "Sie sind schöner als im Fernsehen", schmeichelt man ihr auf den Märkten. Ins alte Schema zurückgefallen Längst hat sie sich ein eigenes Profil neben dem Vater erkämpft. Auch versucht sie, die Partei zu "entteufeln". Der Front dürfe sich nicht als Sammelbecken rechter Nein-Sager sehen, er müsse eigene Vorschläge entwickeln, findet sie. Zeitweise versucht sie, den Schwerpunkt der Propaganda weg vom Thema Einwanderung und hin zu Wirtschaft, Renten, Arbeitsplätzen zu verlegen. Doch sie wäre keine Le Pen, wenn sie nicht ins alte Schema zurückfiele. Sarkozy hätte den Franzosen weniger Einwanderer und mehr Sicherheit versprochen, aber mehr Einwanderer und weniger Sicherheit gebracht, schimpft sie. Von den Regionalwahlen erwartet Marine Le Pen den Beweis, dass der Front National auferstehe. "Man wird wieder mit uns rechnen müssen", prophezeit sie. Sie verabscheut Rückzüge, ganz wie der Papa.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/frankreich-le-pen-papas-letzter-kampf-1.12156
Frankreich: Le Pen - Papas letzter Kampf
00/03/2010
"Man wird mit uns rechnen müssen": Jean-Marie Le Pen führt seine rechtsextreme Partei in die Regionalwahl - danach soll seine Tochter übernehmen. Mit ähnlichen rassistischen Ansichten.
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Klartext zum Missbrauchsskandal: Der frühere Prior des Klosters Andechs, Anselm Bilgri, plädiert für eine Öffnung der Kirche - und kritisiert Bischof Mixa. Anselm Bilgri, Jahrgang 1953, kam in Unterhaching zur Welt. 1975 trat er in den Benediktinerorden ein, studierte Theologie und Philosophie, 1980 weihte ihn der damalige Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger, der heutige Papst Benedikt XVI, zum Priester. Der breiteren Öffentlichkeit wurde der Mönch Anselm Bilgri bekannt als Cellerar der Abtei St. Bonifaz und Prior im Kloster Andechs. Seit seinem Ordensaustritt lebt Bilgri als Buchautor in München. Er ist weiterhin Priester. sueddeutsche.de: Herr Bilgri, der Missbrauchsskandal in katholischen Einrichtungen weitet sich von Tag zu Tag mehr aus. Was ist Ihr Rat an die Kirche in dieser Situation? Anselm Bilgri: Kurzfristig: Unbedingte Offenheit, Klarheit und Transparenz. Auf keinen Fall etwas vertuschen oder auch nur den Eindruck erwecken, etwas verschleiern zu wollen. sueddeutsche.de: Der Vatikan reagiert mit harschen Tönen auf die Missbrauchsmeldungen aus Irland, Deutschland und anderswo. Der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper sprach davon, in der Kirche "aufräumen" zu wollen. Ist dies der richtige Weg? Bilgri: Wenn Kardinal Kasper damit den offenen Umgang mit der Causa meint, dann ja. Aber wenn das "Aufräumen" bedeutet, dass man nur die alte Sexualmoral einhämmert und die Schotten dicht macht, dann tut sich die Kirche keinen Gefallen. In dieser Hinsicht folgt ihr die Gesellschaft nicht mehr. sueddeutsche.de: Können Sie das näher erläutern? Bilgri: Mit den Missbrauchsfällen wird ein für die Kirche ohnehin hochsensibles Thema berührt: Der Umgang mit Sexualität insgesamt. Fakt ist: Viele Katholiken empfinden heute die Freiheit der sexuellen Selbstbestimmung, die Kirche hält strikt dagegen. Und nun kommen ausgerechnet im innersten Kreis, bei Ordensleuten, immer neue Fälle ans Tageslicht, wo mit Sexualität in solch menschenverachtender Weise umgegangen wurde. Die Kirche hat damit ein Glaubwürdigkeitsproblem. Aber dieser Missbrauchsskandal trägt - so furchtbar er ist - auch eine Chance für die Kirche in sich. sueddeutsche.de: Die da wäre? Bilgri: ... dass sie sich jetzt offener mit Sexualität auseinandersetzt. sueddeutsche.de: Was sie bislang nicht tut. Ultrakonservative Kirchenmänner wie der Augsburger Bischof Mixa geißeln den Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen sogar als Folge der sexuellen Revolution. Bilgri: Ich halte dies für einen Fehlschluss. Es ist falsch, wenn die Kirche sich angesichts dieser furchtbaren Fälle einigelt. sueddeutsche.de: Herr Mixa tendiert zum Verbarrikadieren. Bilgri: Bischof Mixa vertritt ja bloß die herkömmliche katholische Sexualmoral. Die besagt, Sex dürfte nur in der Ehe stattfinden. Alles andere ist Sünde, sogar schwere Sünde. Dieser Charakter der schweren Sünde ist die Hauptbarriere, hier sollte man ansetzen. Es müssten andere Wege gefunden werden. sueddeutsche.de: Wie könnte so ein Ansatz lauten? Bilgri: Beispielsweise, indem die Kirche auch einen Lernprozess im Bereich der Sexualität auf dem Weg zu dieser Vollform Ehe akzeptiert, ein Unterwegssein. Voraussetzung ist selbstverständlich: Die Freiheit anderer Menschen darf nie beeinträchtigt werden. Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Anselm Bilgri auch das Thema Zölibat diskutieren will.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kirche-anselm-bilgri-wir-sprachen-nie-offen-ueber-sexualitaet-1.4417
"Kirche: Anselm Bilgri - ""Wir sprachen nie offen über Sexualität"""
00/03/2010
Klartext zum Missbrauchsskandal: Der frühere Prior des Klosters Andechs, Anselm Bilgri, plädiert für eine Öffnung der Kirche - und kritisiert Bischof Mixa.
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Alles war aufs feinste vorbereitet: Präsident Schimon Peres öffnete väterlich die Arme beim Empfang des hohen Gastes aus den USA, und Premierminister Benjamin Netanjahu hatte sogar eine Urkunde vorbereitet, die er dem amerikanischen Vizepräsidenten in Jerusalem überreichen wollte. Der feste Bund zwischen Israel und den USA sollte gefeiert, vielleicht sogar erneuert werden. Doch dann geschah das Malheur - das Glas im Rahmen der Urkunde war gesplittert. Netanjahu und Joseph Biden standen vor einem Häuflein Scherben. Und ein besseres Bild hätte es wohl kaum geben können, um jenseits der politischen Inszenierung den wahren Stand der Beziehungen zu verdeutlichen. Israel und die USA - das ist ein Paar in schwerer Beziehungskrise. Seitdem in Washington Barack Obama regiert und in Jerusalem Benjamin Netanjahu, wuchern Misstrauen und Enttäuschung in dem Verhältnis. Obamas schwungvoller Aufbruch zu einem Frieden in Nahost ist von Netanjahu bis heute boykottiert worden. Die persönliche Beziehung der beiden Männer gilt als weitgehend zerrüttet. Erstaunlich ist allein, dass dies bis heute noch keinerlei Konsequenzen hatte. Im Gegenteil: Washington toleriert bislang noch jede Jerusalemer Eskapade, schluckt den Ärger herunter und antwortet auf Provokationen beharrlich mit Beistandsgarantien. Zu erklären ist das wohl allein mit der Einzigartigkeit dieser "special relationship". Denn ungleich war das Paar gewiss schon immer: hier die fast unangreifbare Weltmacht, da der von Feinden umzingelte Zwergstaat. Goliath hatte sich mit David verbündet, und meist war das zu beider Vorteil. Israel verdankt der amerikanischen Waffenhilfe - die allerdings erst in den sechziger Jahren die französischen Lieferungen ablöste - seine militärische Vormachtstellung in der Region. Im Gegenzug sicherten sich die USA einen zementierten Stand im unruhigen Nahen Osten. Doch im Kern geht es in dieser Beziehung um mehr als nur um eine strategische Partnerschaft, und auch um mehr als nur den Einfluss finanzstarker Lobby-Gruppen. Es geht um die Wertegemeinschaft einer älteren und einer jüngeren Pioniergesellschaft, durchaus auch mit religiöser Konnotation auf jeder Seite. Dies ist das Band, das die beiden im Innersten zusammenhält. Die Verbindung zu Israel hat die USA jedoch von Anfang an in Interessenkonflikte gebracht. Denn für die ölabhängige Wirtschaftsmacht Amerika ist auch das Verhältnis zu Israels feindlichen Nachbarn von eminenter Bedeutung. Washington hat das über die Jahrzehnte zu manchem Spagat zwischen dem jüdischen Staat und der arabischen Welt gezwungen. Oft ist die Spreizbewegung sogar erstaunlich gut geglückt - wenn nicht in den Augen der arabischen Massen, so doch immerhin im Urteil der meist korrupten Regierungen. Amerika präsentierte sich gekonnt in einer Doppelrolle: als treue Schutzmacht Israels und als machtvoller Makler im Friedensprozess, der dem Schützling auch einmal den Weg weisen kann. Unter Präsident George W. Bush war allerdings auch diese Kunst im "Für uns oder gegen uns"-Geschrei zerstört worden. Amerika musste dafür einen hohen Preis entrichten. Obamas Ziel war es nun gewesen, in Nahost wieder die Maklerrolle anzunehmen, die von demokratischen Präsidenten wie Jimmy Carter und Bill Clinton gespielt worden war. Deutlich wurde dies bei seiner Kairoer Rede, die mittlerweile nur noch so weit als historisch gelten kann, als dass sie längst Geschichte ist. Dort war Obama offen auf die arabische Welt zugegangen und hatte von Israel explizit einen Stopp des Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten gefordert. Hätte er in diesem Moment einen Partner auf israelischer Seite gehabt, vielleicht wäre er weit gekommen auf diesem Weg - vielleicht gar bis zu einem Frieden zwischen Israelis und Palästinensern. Doch in Israel wartete kein Partner, sondern Benjamin Netanjahu, und was diesem Premier an Visionen fehlt, kompensiert er mit Finten und Finessen. Obamas Einsatz wurde in Jerusalem nicht als Chance, sondern als Gefahr verstanden - und auf Gefahren reagiert Israel mit Abwehr, deren beste Form nicht selten der Angriff ist. Nur so ist zu verstehen, mit welcher Vehemenz die Regierung derzeit die USA brüskiert. Das musste nun Vizepräsident Biden mit aller Macht erleben: Er predigte gerade noch die unverbrüchliche Freundschaft, da kündigte das israelische Innenministerium den Neubau von 1600 Wohnungen im arabischen Ostteil von Jerusalem an. Das ist Provokation, ja es zeugt von Hybris - der kleine Partner führt den großen vor. Für Präsident Obama sollte dies der Anlass sein, Premierminister Netanjahu druckvoll klarzumachen, dass auch die besondere Freundschaft zwischen den beiden Staaten Grenzen kennt. Die rote Linie verläuft dort, wo Israel Amerikas Autorität untergräbt. Zögert Obama nun, dann wächst die Gefahr, dass sich Jerusalem auch in einer anderen Frage löst von einer Kursabstimmung mit Washington: im Umgang mit dem Teheraner Atomprogramm. Wenn Israel, wie bereits angedroht, tatsächlich im Alleingang die iranischen Atomanlagen bombardieren wird, dann droht die ganze Region im Krieg zu versinken. Im Video: Die israelische Regierung bemüht sich um Schadensbegrenzung, nachdem während des Besuchs von US-Vizepräsident Biden neue Pläne zum Siedlungsbau bekanntgeworden sind. Weitere Videos finden Sie hier
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https://www.sueddeutsche.de/politik/siedlungsbau-in-ostjerusalem-usa-vorgefuehrt-eine-freundschaft-in-scherben-1.3666
Siedlungsbau in Ostjerusalem: USA vorgeführt - Eine Freundschaft in Scherben
00/03/2010
Die israelische Regierung brüskiert mit Vehemenz die USA. Der große Partner muss Israel jetzt die Grenzen aufzeigen - sonst droht im schlimmsten Fall der Nahe Osten im Krieg zu versinken.
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Wenn Auslandsreisen zu Familienausflügen werden: Zu Außenminister Westerwelles Wirtschaftsdelegationen gehören auch Vertreter von Firmen seines Bruders sowie seines Lebensgefährten. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat nach einem Pressebericht auf seinen Auslandsreisen stärker als bislang bekannt die geschäftlichen Interessen seiner Familie protegiert. So gehörte zu der Wirtschaftsdelegation, die ihn Mitte Januar nach Asien begleitete, die Ludwigshafener Firma seines Bruders Kai Westerwelle, wie die Berliner Zeitung am Donnerstag berichtete. Mit dabei war demnach auch ein Geschäftspartner seines Lebensgefährten, des Sportevent-Managers Michael Mronz. Am 13. Januar war Westerwelle zu einer viertägigen Auslandsreise nach Japan und China aufgebrochen. Er sei von einer kleinen, nur zehn Unternehmer umfassenden Wirtschaftsdelegation begleitet worden, wie das Blatt berichtete. Dazu habe Ralf Marohn, Mehrheitseigner und Geschäftsführer der Firma Far Eastern Fernost Beratungs- und Handels GmbH, gehört. Anteilseigner des Ludwigshafener Unternehmens ist demnach neben Marohn auch Kai Westerwelle. Ein weiterer Miteigentümer der Firma ist die Mountain Partners AG aus der Schweiz. Das Unternehmen gehöre dem Westerwelle-Freund und FDP-Großspender Cornelius Boersch, der ebenfalls zusammen mit dem Außenminister nach Asien gereist sei. Boerschs Mountain Partners AG unterhalte seit Jahren geschäftliche Kontakte mit den Westerwelle-Brüdern. Die 1992 gegründete Firma von Kai Westerwelle habe sich der "aktiven Förderung" der Beziehungen zwischen Ostasien und Deutschland verschrieben. Die Far Eastern GmbH, die in den vergangenen Jahren Umsätze zwischen anderthalb und zwei Millionen Euro gemacht habe, betreibt nach eigenen Angaben vier Büros in China und kooperiert mit dem Wirtschaftsministerium in Rheinland-Pfalz. Der Far-Eastern-Miteigner Boersch sei zudem Geschäftspartner von Mronz. Vergangenes Jahr habe eine der Schweizer Boersch-Firmen die Mehrheit an der Mainzer Technologiefirma Arygon AG übernommen, zu deren Aktionären und Aufsichtsratsmitgliedern 2009 auch Mronz gezählt habe. Nach eigenen Angaben hatte die Arygon AG zur Fußball-WM in Deutschland Lesegeräte für die Zutrittssysteme zu den Stadien geliefert. Michael Mronz begleitet Guido Westerwelle auf seiner Reise durch Südamerika, bei der sich der deutsche Außenminister am Freitag in Rio de Janeiro über die bevorstehenden Sport-Großereignisse wie die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016 informieren will. Die SPD hatte die Delegationspolitik von Westerwelle bereits scharf kritisiert. Das Blatt zitiert Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, der sagte, es gelinge dem FDP-Politiker nicht, Staats- und Privatgeschäfte sauber zu trennen. "Ich habe große Zweifel, ob Westerwelle als Außenminister überhaupt ministrabel ist", so Oppermann weiter. Jörg van Essen, der FDP-Parlamentsgeschäftsführer, hat die Kritik an der Südamerikareise von Westerwelle entschieden zurückgewiesen. Die SPD solle sich "hüten", mit der "haltlosen Behauptung" zu argumentieren, Guido Westerwelle gelinge es nicht, Staatsgeschäfte und Privatangelegenheiten voneinander zu trennen. "Das zielt klar unter die Gürtellinie", sagte Essen der Rheinischen Post. Mit solchen Anwürfen verlasse die SPD den "demokratischen Diskurs" und leiste der Politikverdrossenheit "billig Vorschub".
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/vorwuerfe-gegen-westerwelle-firma-des-bruders-an-bord-1.8874
Vorwürfe gegen Westerwelle - Firma des Bruders an Bord
00/03/2010
Wenn Auslandsreisen zu Familienausflügen werden: Zu Außenminister Westerwelles Wirtschaftsdelegationen gehören auch Vertreter von Firmen seines Bruders sowie seines Lebensgefährten.
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mlsum_de-train-555
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Politiker wie Westerwelle und Sarrazin bieten in der Debatte marktschreierische Lösungen an. Damit werden sie dem Problem nicht gerecht. Anders als Windsurfer müssen Politiker nicht darauf warten, bis eine günstige Welle kommt. Sie können die Welle selbst erzeugen. Das gelingt nicht immer, weil nicht jede Provokation die erhoffte öffentliche Resonanz findet. Aber wenn es gelingt, wollen immer möglichst viele mitsurfen. Die aktuelle politische Welle hat FDP-Chef Guido Westerwelle erzeugt, nicht aus Sorge um das Land, sondern aus Sorge um seine Partei, was überhaupt die einzige Sorge zu sein scheint, die Westerwelle nahegeht. Es ist die Hartz-IV-Welle und die Politiker überbieten sich mit Vorschlägen, um diejenigen zur Räson zu bringen, die das Sozialsystem ausnutzen und missbrauchen. Mal sollen sie Schnee schippen (Westerwelle), mal in Altenheimen helfen (die nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft). Jetzt hat sich auch wieder einer zu Wort gemeldet, der seine Rolle als Provokateur offenbar mit wachsender Selbstverliebtheit spielt. Thilo Sarrazin will Eltern, deren Kinder die Hausaufgaben nicht gemacht haben, das Kindergeld kürzen. Marktschreierisch simple Lösungen Das klingt markig und entschlossen und wird dem ehemaligen Berliner Finanzsenator sicherlich sowohl jede Menge böser Kommentare als auch jede Menge zustimmender Briefe einbringen. Womit sich für Sarrazin die Sache wieder mal gelohnt haben dürfte. Das Ärgerliche an der schrillen Hartz-IV-Debatte ist, dass Politiker hier marktschreierisch simple Lösungen für ein Problem anbieten, das in Wahrheit äußerst komplex und nur schwer zu bewältigen ist. Es ist die Frage, was die Gesellschaft tun muss, um die Hartz-IV-Welt aufzubrechen, in der sich ein Teil der Unterschicht dauerhaft eingerichtet hat. Mit Schneeschippen und Hausaufgaben-Kontrolle ist es da nicht getan.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/hartz-iv-debatte-sarrazin-der-naechste-wellenreiter-1.17262
Hartz-IV-Debatte - Sarrazin, der nächste Wellenreiter
00/03/2010
Politiker wie Westerwelle und Sarrazin bieten in der Debatte marktschreierische Lösungen an. Damit werden sie dem Problem nicht gerecht.
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Italiens Premier Silvio Berlusconi hat sich viele Skandale geleistet - und in seiner Partei herrscht kurz vor den Regionalwahlen Chaos: Nun verlieren die Bürger das Vertrauen. Silvio Berlusconi und seine Regierung liegen weniger als drei Wochen vor den Regionalwahlen in Italien im Umfragetief. Nach Zahlen, die die Zeitung La Repubblica veröffentlichte, hat der Premier seit 18. Januar vier Prozentpunkte eingebüßt. Die Frage, ob sie viel oder ausreichend Vertrauen in den Regierungschef haben, bejahten 44 Prozent der Beteiligten. 54 Prozent gaben "wenig oder keines" an. Die Regierung insgesamt verlor seit Januar zwei Prozentpunkte und liegt bei 38 Prozent. Wenig oder kein Vertrauen in sie zu haben, gaben 58 Prozent an. Befragt wurde eine repräsentative Auswahl von 1000 Personen. Allein seit Februar hat Berlusconi zwei Prozentpunkte in Umfragen verloren. In diese Zeit fallen Enthüllungen einer Korruptionsaffäre. Sie betrifft unter anderen den von Berlusconi geförderten Chef des Zivilschutzes, Guido Bertolaso. Außerdem gibt es Verbindungen zur Familie von Berlusconis Kabinettschef Gianni Letta. Chaos herrscht zudem in Berlusconis Partei Popolo della Libertà (PDL), die in der Stadt Rom und in der Provinz Rom von den Regionalwahlen ausgeschlossen wurde. Innerhalb knapp eines Jahres hat Berlusconi zwölf Prozentpunkte verloren. Im April 2009, ein Jahr nach der letzten Parlamentswahl, lag der entsprechende Wert bei 56 Prozent. Diese Zahl wurde wenige Tage nach dem Erdbeben in den Abruzzen erhoben. Der Premier fand damals viel Anerkennung für seine Präsenz in der verwüsteten Region. Seither sind seine Vertrauenswerte gesunken. Einbrüche in den Umfragen passierten im vergangenen Sommer, als diverse Affären Berlusconis enthüllt wurden. Es ging unter anderem um Fotos von ausschweifenden Festen in seinem Anwesen auf Sardinien und um Callgirls bei Abendeinladungen in Rom. Bei den sinkenden Werten gab es 2009 nur eine Ausnahme: Nachdem der Premier im Dezember in Mailand von einem psychisch Kranken verletzt worden war, legte er vorübergehend in Umfragen zu. Seiner Partei PDL vertrauten jetzt 43 Prozent, drei Prozentpunkte weniger als im Januar und Februar. Im vorigen April lag der Wert noch bei 50 Prozent. Von den anderen Parteien hat laut Umfrage seit damals nennenswert nur die Links-Mitte-Partei Partito Democratico (PD) Vertrauen dazugewonnen. Der Wert stieg von 31 auf 40 Prozent. Berlusconi drückt umstrittenes Gesetz durch In den Umfragen spiegelt sich die Wirtschaftskrise. Das Bruttoinlandsprodukt ist 2009 um fünf Prozent gesunken. Die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa zehn Prozent, und es wird erwartet, dass weitere Jobs verlorengehen. Die Sozialleistungen sind gering. Zugleich erleben die Bürger eine Regierung, die seit Monaten einen Großteil ihrer Kräfte dafür aufwendet, immer neue Justizgesetze zu entwerfen. Es handelt sich um Regelungen, von denen der Premier persönlich profitieren würde bei Prozessen, die aus seiner Unternehmertätigkeit gegen ihn anhängen. So brachte er am Mittwoch ein Gesetz durchs Parlament, mit dem die Prozesse gegen ihn um bis zu 18 Monate verzögert werden könnten. Die Regelung räumt ihm die Möglichkeit ein, laufende Gerichtsverfahren für mindestens ein halbes Jahr auszusetzen. Berlusconi präsentierte unterdessen seine Version der Umstände, die zum Ausschluss der PDL in Rom und der Provinz Rom von der Regionalwahl am 28. und 29. März geführt haben. Die PDL hatte die nötigen Unterlagen am 27. Februar nicht innerhalb der Frist bei Gericht abgeliefert. Laut Berlusconi waren die Vertreter der PDL rechtzeitig anwesend. Angehörige der Radikalen Partei sowie Justizmitarbeiter hätten sie aber daran gehindert, die Dokumente rechtzeitig und vollständig zu übergeben. Nach dem Ausschluss der PDL von der Wahl in Stadt und Provinz Rom wollte die Regierung mit einem Dekret die Teilnahme der PDL noch ermöglichen. Jedoch hat ein Verwaltungsgericht das Dekret in der Region Latium für nicht anwendbar erklärt. Berlusconi hat nun seine Anhänger für den 20. März zum Protest in Rom aufgerufen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/italien-berlusconi-in-not-1.20291
Italien - Berlusconi in Not
00/03/2010
Italiens Premier Silvio Berlusconi hat sich viele Skandale geleistet - und in seiner Partei herrscht kurz vor den Regionalwahlen Chaos: Nun verlieren die Bürger das Vertrauen.
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Millionen Bürger können bei Regionalwahlen nicht für die ausgeschlossene Partei Berlusconis stimmen. Der Premier hat die Schuldigen schon gefunden: eine "sowjetische Linke". Einen schönen Schlamassel hat die Partei von Italiens Premier Silvio Berlusconi angerichtet. In Rom und der Provinz Rom wurde die PDL ausgeschlossen von den Wahlen, die Ende des Monats in 13 der 20 Regionen Italiens stattfinden. PDL-Funktionäre haben die Zulassungsfristen für ihre Listen nicht eingehalten. Noch ist nicht gewiss, ob es nur Dilettantismus oder auch Intrige war. Jedenfalls haben nun drei Gerichtsinstanzen die Teilnahme abgelehnt. Auch ein eiliges Dekret der Regierung half nicht. Bleibt es dabei, sind viele beschädigt: Die PDL hat brutta figura gemacht. Der Staatspräsident hat ein fragwürdiges Dekret unterzeichnet. Millionen Bürgern in Latium steht die größte Partei des Landes nicht zur Wahl. Und die anderen Parteien würden nur verzerrte Erfolge einfahren. Silvio Berlusconi hat die für ihn Schuldigen präsentiert - eine "sowjetische Linke" und Richter, die seine Partei von der Wahlteilnahme abgehalten haben. Er und die Seinen sind wieder einmal Opfer. So wie er sich immer als Opfer präsentiert, wenn Richter gegen ihn anhängige Prozesse nicht vergessen oder Gesetze ablehnen, die ihn schützen sollen. Die Justizprobleme des Premiers dominieren die Regierungsarbeit seit Monaten. Die Italiener warten vergeblich, dass ihre wirtschaftlichen Nöte ins Zentrum von Berlusconis Agenda rücken. Nun sieht es so aus, als schwinde das Vertrauen in den Mann selbst. Nach einer neuen Umfrage ist die Zustimmung seit dem Höchststand 2008 um zwölf Prozentpunkte zurückgegangen. Allerdings auf einen Wert, von dem Politiker anderswo träumen - 44 Prozent der Befragten glauben Berlusconi immer noch. Vielleicht auch, weil sie einfach niemanden entdecken, dem sie mehr vertrauen. bac
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/italien-berlusconi-mal-wieder-opfer-1.5533
Italien - Berlusconi, mal wieder Opfer
00/03/2010
Millionen Bürger können bei Regionalwahlen nicht für die ausgeschlossene Partei Berlusconis stimmen. Der Premier hat die Schuldigen schon gefunden: eine "sowjetische Linke".
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Joe Biden ist mit einer Sicherheitsgarantie nach Israel gereist. Zum Dank brüskiert die israelische Regierung den US-Vizepräsidenten mit Plänen für neue Siedlungen in Ostjerusalem. Die Bundesregierung protestiert mit deutlichen Worten. Israel entschuldigt sich halbherzig - und schlittert in ein diplomatisches Fiasko. Joe Biden ist mit guten Absichten nach Israel gereist. Präsident Schimon Peres und Premierminister Benjamin Netanjahu hatten Biden bedrängt, Iran im Atomstreit unter Druck zu setzen und international zu isolieren. Und der US-Vizepräsident fand klare Worte. "Wenn es um Israels Sicherheit geht, passt kein Blatt Papier zwischen die USA und Israel." Schöner hätte es sich Netanjahus Pressereferent kaum ausdenken können. Kurze Zeit später veröffentlichte das Innenministerium neue Pläne für Siedlungen. Die sehen vor, etwa 1600 neue Wohnungen in Ramat Schlomo im Norden Jerusalems zu bauen. Für Israel ist es das ein ganz normaler Stadtteil, seit 1980 einseitig ganz Jerusalem zur unteilbaren Hauptstadt erklärt worden war. Außerdem leben dort bereits 20.000 streng religiöse Juden. Nach internationalem Recht handelt es sich aber um eine israelische Siedlung, weil sie im besetzten arabischen Ostteil Jerusalems liegt. Der Siedlungsbau, besonders in Jerusalem, ist seit jeher einer der strittigsten Punkte im Nahostkonflikt. Die Palästinenser wollen in Ostjerusalem die Hauptstadt eines unabhängigen Staates ausrufen. Entsprechend empfindlich reagieren sie auf die Pläne Israels. Nabil Abu Rudeinah, Sprecher des Palästinenserpräsidenten Machmud Abbas, sprach von einer "Provokation". Doch auch der US-Vizepräsident muss die Ankündigung als Affront verstanden haben. Wegen der wenige Stunden zuvor geäußerten Sicherheitsgarantie. Und weil erst am Montag Israel und Palästinenser zugesagt haben, indirekte Gespräche mit Hilfe eine US-Vermittlers zu führen. Vor dem Hintergrund des eingetrübten Verhältnisses zwischen den beiden Ländern ein diplomatisches Fiasko für Israel. Bidens Reaktion ließ deshalb nicht lange auf sich warten - und war ungewöhnlich deutlich. "Wir müssen eine Atmosphäre schaffen, die Verhandlungen unterstützt und nicht komplizierter macht", ließ der Vizepräsident wissen. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe untergrabe das nötige Vertrauen und laufe den konstruktiven Gesprächen zuwider, die er in der Region geführt habe. Biden gab außerdem der Palästinenserführung Rückendeckung für deren Pläne, die Institutionen und die Wirtschaft für einen eigenen Staat aufzubauen. "Wir müssen auch Wege finden, das Leben der Einwohner des Gazastreifens zu verbessern", sagte Biden. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon kritisierte die Pläne Israels. Die Bundesregierung fand ebenfalls überaus kritische Worte. "Inhaltlich und auch vom Zeitpunkt her" werde damit "ein völlig falsches Signal ausgesandt", ließ Außenminister Guido Westerwelle (FDP) - derzeit auf Dienstreise in Brasilien - über einen Sprecher ausrichten. Die Pläne seinen deshalb "nicht akzeptabel" Nun zeigt Israels Regierung Reue - wenn auch nicht in der Sache. Man hätte mehr Sensibilität während des Besuches eines ranghohen US-Politikers zeigen müssen, sagte etwa der zuständige Bauminister Eli Jischai. Israel habe Biden nicht verletzen wollen. Auch Sozialminister Isaak Herzog entschuldigte sich für die "Peinlichkeit". Und Netanjahu erklärte, er habe Biden nicht brüskieren oder den Besuch stören wollen. Im Video: Die israelische Regierung bemüht sich um Schadensbegrenzung, nachdem während des Besuchs von US-Vizepräsident Biden neue Pläne zum Siedlungsbau bekanntgeworden sind. Weitere Videos finden Sie hier
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/israel-und-der-siedlungsbau-provokation-peinlichkeit-und-nicht-akzeptabel-1.8744
"Israel und der Siedlungsbau - ""Provokation"", ""Peinlichkeit"" und ""nicht akzeptabel"""
00/03/2010
Joe Biden ist mit einer Sicherheitsgarantie nach Israel gereist. Zum Dank brüskiert die israelische Regierung den US-Vizepräsidenten mit Plänen für neue Siedlungen in Ostjerusalem. Die Bundesregierung protestiert mit deutlichen Worten. Israel entschuldigt sich halbherzig - und schlittert in ein diplomatisches Fiasko.
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Thilo Sarrazin kann es nicht lassen und provoziert weiter: Er fordert drastische Kindergeldkürzungen für Familien, wenn die Kinder die Hausaufgaben nicht machen. Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin hat drastische Sanktionen für Familien gefordert, wenn deren Kinder ihren schulischen Pflichten nicht nachkommen. "Noch mehr Lehrer und noch mehr Förderung, das funktioniert nicht", sagte Sarrazin am Dienstagabend auf einer Diskussionsveranstaltung im Wiesbadener Justizministerium: Zweimal Hausaufgaben nicht gemacht, Kindergeld um 50 Prozent gekürzt", sagte Sarrazin. "Was meinen sie, wie auf einmal die Hausaufgaben gemacht werden." Es müsse gewährleistet sein, dass jedes Kind gerade in den ersten Schuljahren auch wirklich mitkomme, aber nicht über einen weiteren Ausbau der Sozialarbeit, sagte Sarrazin. Nötig seien vernünftige Lehrpläne und eine konsequente Qualitätskontrolle. Für eine bessere Integration von Ausländern sei ein Umdenken bei der Bildungspolitik notwendig. Der frühere Berliner Finanzsenator, dem wegen seiner umstrittenen Äußerungen derzeit der Ausschluss aus der SPD droht, blieb in Wiesbaden bei seiner Migranten-Schelte. Wer die deutsche Sprache nicht lernen wolle, müsse das finanziell zu spüren bekommen: "Integration ist zu 80 Prozent eine Bringschuld und keine Holschuld." Die unerwartet große Wirkung seiner Worte zeige, dass das Thema die Bürger bewege. Im Vorfeld der Veranstaltung demonstrierten einige Dutzend Mitglieder vom "Wiesbadener Bündnis gegen Rechts" gegen die als rassistisch empfundenen Äußerungen des früheren Berliner Finanzsenators. Auch während der Gesprächsrunde wurde aus Protest ein Banner entrollt. Linke spricht von "Pöbeleien" "Es ist das passiert, was zu erwarten war: Sarrazin hat ein Forum geboten bekommen, bei dem er weiter seine kruden und verletzenden Thesen vertreten konnte, die auf Spaltung statt auf eine wirkungsvolle Integration abzielen", kritisierten die hessischen Grünen nach der Diskussionsveranstaltung, an der auch Landesjustizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) teilnahm. Hahn habe auf der Veranstaltung nicht einmal versucht, Sarrazin in die Schranken zu weisen. Die Linkspartei warf Sarrazin "Pöbeleien" vor. "Die Einladung Sarrazins hat ein bezeichnendes Licht auf das Integrationsverständnis von Minister Hahn geworfen", kritisierte die Linken-Landtagsfraktion. Sarrazins abfällige Äußerungen gegenüber Migrantinnen und Migranten förderten rassistisch gefärbte Bilder und enthielten Stereotype, wie sie im rechtsradikalen Diskurs zur Stimmungsmache benutzt würden. Sarrazin hatte sich in Interviews wiederholt abfällig über Migranten geäußert und Hartz-IV-Empfängern bei Geldknappheit empfohlen, warme Pullover anzuziehen statt zu heizen. Der Kreisverband Berlin-Spandau hatte neben anderen Parteigliederungen daraufhin seinen Parteiausschluss gefordert. Die Entscheidung über einen Ausschluss wird in spätestens drei Wochen erwartet.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/provokateur-sarrazin-hausaufgaben-vergessen-kindergeld-kuerzen-1.3786
Provokateur Sarrazin - Hausaufgaben vergessen? Kindergeld kürzen!
00/03/2010
Thilo Sarrazin kann es nicht lassen und provoziert weiter: Er fordert drastische Kindergeldkürzungen für Familien, wenn die Kinder die Hausaufgaben nicht machen.
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Die Insel Hahnöfersand liegt vor den Toren Hamburgs in der Elbe, dort ist die Jugendhaftanstalt der Stadt. Es ist Anfang Februar, als der junge Georgier David M. nach Hahnöfersand zugeführt wird, wie es nach seinem Tod in der Pressemitteilung des Hamburger Senats heißen wird. David M. hat niemanden bestohlen oder eine andere Straftat begangen. Er hat sich selbst bei der Polizei gemeldet und gesagt, er wolle Asyl. Er hat gesagt, er sei 17. Er hatte keinen Pass, kein Geld und keinen Wohnsitz in der Stadt. Bei der erkennungsdienstlichen Behandlung stellt sich in einem europäischen Datenabgleich heraus, dass er bereits in Polen und in der Schweiz einen Asylantrag gestellt hat. Dort hat er angegeben, dass er 25 Jahre alt sei. So steht es im Computer und so hat es am Mittwoch auch ein Mitarbeiter der georgischen Botschaft in Berlin bestätigt. Er sei am 17. November 1984 geboren worden, sagte der Mitarbeiter. Weil der Junge damit in einem sogenannten sicheren Drittland schon einmal Asyl beantragt hat, setzt ein Automatismus ein: Er muss umgehend dorthin zurück. Eine Einzelfallprüfung für seinen Asylantrag ist nicht mehr vorgesehen. Und weil die Ausländerbehörde annimmt, dass er sich entziehen wird, beantragt sie die sogenannte Zurückschiebungshaft. Vor dem Haftrichter sagt David M. dann kein Wort. In Hahnöfersand beginnt er nach elf Tagen einen Hungerstreik. Er trinkt, aber isst nicht. Zur Beobachtung kommt er in das Zentralkrankenhaus für Häftlinge in der Hamburger Innenstadt. Am Samstag vergangener Woche haben die Betreuer den Eindruck, dass er psychisch wieder stabil ist. Er isst wieder. Sonntagnachmittag wird er tot aufgefunden. Er hat sich mit einem Bettlaken erhängt. "Dies ist ein tragischer Fall", erklärt die vom Grünen Till Steffen geführte Justizbehörde; und es ist der Sprecherin anzuhören, dass der Tod des jungen Mannes, der offenbar nicht wusste, dass er an diesem Dienstag nach Polen geflogen werden sollte, sie nicht kalt lässt. Von einem tragischen Fall spricht man wohl, weil im Rahmen des Systems alles in den rechten Bahnen gelaufen sein soll. David M. wurde, so haben Nachforschungen ergeben, intensiv betreut. Als er nicht essen wollte, gab es viele längere Gespräche schon auf Hahnöfersand. Die Zahl der Gespräche wurde protokolliert. Es gab drei mit einem Psychologen, drei mit einem Arzt, weitere mit einem Krankenpfleger, dem Ausländerberater und einem Jugendpsychologen. Er hatte engen Kontakt zum Strafvollzugsleiter. Im Krankenhaus sprach die Ausländerberaterin in der Muttersprache mit ihm. Er sei für die Gespräche offen gewesen. Sein Zimmer wurde per Videokamera überwacht, freilich nicht ständig: Man sah keine Anzeichen für eine Suizidgefahr. "Man hat sich auf keinen Fall ausreichend gekümmert", empört sich dagegen Hermann Hardt vom Hamburger Flüchtlingsrat. Es sei zu spät eingegriffen und die Gefahr des Suizids offenbar übersehen worden. Oft werde unterschätzt, wie dramatisch Menschen in Abschiebungshaft ihre Lage empfinden, sagt die innenpolitische Expertin der Hamburger Grünen, Antje Möller. Sie sind in Haft, obwohl sie nichts getan haben. Sie wissen nicht, was kommen wird. Und selbst wenn alle vorgeschriebenen Abläufe eingehalten werden: Der Fehler liegt auch im System. Schon lange fordern Kritiker, dass jugendliche Flüchtlinge nicht in Abschiebehaft gesteckt werden. Sie gehörten in die Obhut des Jugendamtes. Sie bräuchten Zuspruch - und keine Haft. Nach dem Tod von David M. hat CDU-Innensenator Christoph Ahlhaus jetzt die Praxis ändern lassen. Eine Überprüfung habe zwar ergeben, dass es "keinerlei Fehlverhalten der Ausländerbehörde gegeben" habe. "Gleichwohl haben wir uns für die Zukunft darauf verständigt, bei minderjährigen Ausreisepflichtigen keinen Antrag auf Abschiebehaft beim Amtsgericht mehr zu stellen. Es sei denn, die Jugendlichen sind straffällig geworden." Derzeit befänden sich zwei Jugendliche in "Zurückschiebungshaft", sie werden dort allerdings auch bleiben: Einer sei straffällig geworden, der andere werde volljährig. Der Hamburger Flüchtlingsrat nennt die Reaktion von Ahlhaus "einen Hohn". Er beklagt, dass in der täglichen Praxis viele jugendliche Flüchtlinge "für erwachsen erklärt werden": Die Ausländerbehörde würde bei vielen das jugendliche Alter anzweifeln, sodass sie leichter abgeschoben werden könnten. In der schwarz-grünen Koalition drängen die Grünen seit langem darauf, dass Minderjährige gar nicht abgeschoben werden. Es solle immer eine Einzelfallprüfung geben, es dürfe nicht nach einem automatisierten Verfahren gehen wie im Fall David M, sagt die grüne Innenpolitikerin Antje Möller. Sie erwartet, dass die beteiligten Behörden den Fall David M. detailliert aufarbeiten. "Wir müssen daraus lernen", sagt sie.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/debatte-um-abschiebehaft-tragischer-tod-eines-jungen-georgiers-1.23529
Debatte um Abschiebehaft - Tragischer Tod eines jungen Georgiers
00/03/2010
Der Selbstmord von David M. in Hamburger Abschiebehaft entfacht die Debatte über die Behandlung von Asylbewerbern.
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In Nigeria kommt es immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Christen. Doch die Religion spielt dabei eine untergeordnete Rolle. "Wir rannten aus den Häusern und waren völlig machtlos. Und dann haben sie alle mit Macheten getötet, die nicht schnell genug laufen konnten." Augenzeugen berichten den Medien Schreckliches über die jüngsten Vorfälle in Nigeria. Muslimische Nomaden haben in der Region Plateau ein wahres Blutbad an christlichen Dorfbewohnern angerichtet, laut offiziellen Angaben kamen dabei 109 ums Leben. Wüten in dem Vielvölkerstaat Nigeria etwa Glaubenskriege zwischen Muslimen und Christen? Nein, sagt Heinrich Bergstresser, vom Hamburger Institut für Afrika-Studien. Die Morde auf Religion zurückzuführen sei falsch. "Was hier am Wochenende geschehen ist, sind die Auswüchse eines mehrdimensionalen Konflikts." Es gehe um Landrecht, um Weiderecht. Und darum, wer in der Region das Sagen habe, wer in der Bezirksregierung sitze, meint Bergstresser, der selbst viele Jahre in Nigeria gelebt hat. Es wird also nicht um den wahren Glauben gekämpft, sondern vielmehr um die Machtverhältnisse vor Ort. Und es geht um Geld. Denn wer die Lokalregierung stellt, wird an den Einnahmen des Staates beteiligt. Nigeria ist an sich kein armes Land, es fördert Erdöl und Erdgas. Aber so reich der Staat an Rohstoffen ist, so arm ist seine Bevölkerung, mehr als die Hälfte der Menschen dort lebt von weniger als einem Dollar pro Tag. Wirtschaftliche Konkurrenz befeuert den Konflikt Religion ist wichtig, um den Konflikt zu verstehen. Allerdings eher um die Gruppen voneinander abzugrenzen. Religiöse Motive, etwa ein Heiliger Krieg, sind nicht die Hintergründe für die Übergriffe. Das sind Faktoren wie Machtkompetenzen und eben der Zugang zu öffentlichen Geldern. In der Region um die Stadt Jos leben besonders viele ethnische Gruppen, die um die Vorherrschaft in der Region kämpfen. Es ist die wirtschaftliche Konkurrenzsituation, die immer wieder Gewalt zwischen den Gruppen auslöst. "Die Religion dient hier mehr als Ideologie zur Mobilisierung und überdeckt die eigentlichen wirtschaftlichen Probleme", so Bergstresser. In dem bevölkerungsreichsten Staat Afrikas, kommt es immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen, vor allem im Bundsstaat Plateau. Erst im Juni vergangenen Jahres kamen dabei mehr als 130 Menschen um, im Januar 2010 wurden erneut 500 Menschen getötet. Damals waren es Christen, die Muslime attackierten. Die Angriffe vom Sonntag sind demnach auch von Rache motiviert. Eigentlich herrschte zum Zeitpunkt des Angriffs eine vom Militär überwachte Ausgangssperre. Die konnte die Nomaden aber weder abschrecken noch aufhalten. Als Konsequenz hat Vizepräsident Goodluck Jonathan, der seit der Erkrankung des Präsidenten Umaru Yar'Adua die Regierungsgeschäfte führt, den verantwortlichen nationalen Sicherheitsberater entlassen. Außerdem wurden 96 Verdächtige festgenommen. Unwille der politischen Elite Damit hat die nigerianische Regierung punktuell Härte gezeigt. Das ist wohl auch eine Reaktion auf den internationalen Protest gegen die Untätigkeit. Sowohl US-Außenministerin Hillary Clinton als auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle forderten dazu auf, für mehr Sicherheit zu sorgen. Das zugrundeliegende Problem des Landes, die Armut, wird so nicht gelöst. Das wird auch nicht versucht. Die Elite des Landes zeigt kein Interesse daran, sich um die Probleme der Menschen in Nigeria zu kümmern. Die Führungsschicht des Landes setzt sich übrigens aus verschiedensten religiösen und ethnischen Gruppen zusammen. Herkunft und Religion sind hier aber eher unwichtig. Über die Zugehörigkeit zur Führungsriege des Landes entscheiden allein Macht und Vermögen. Die Oberschicht bereichert sich weiter ungehindert an den Schätzen des Landes. Laut Transparency International gehört Nigeria zu den korruptesten Staaten Afrikas. Von den existierenden Wirtschaftsprogrammen - fast ausschließlich zur Förderung der Bodenschätze - kommt bei der Bevölkerung so gut wie nichts an. Genauso fehlt es an staatlichen Versöhnungs- oder Dialogprogrammen für die sich bekämpfenden Gruppen. Szenen wie die vom Wochenende könnten sich also jederzeit wiederholen. Das liegt aber nicht allein an religiös begründetem Hass zwischen Muslimen und Christen. Sondern vielmehr an der Konkurrenz der Gruppen untereinander, die sich in wirtschaftliche Verteilungskämpfe verstricken. Und an einer Führungsschicht, die die Menschen sich zu großen Teilen einfach selbst überlässt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/unruhen-in-nigeria-im-namen-des-geldes-1.20745
Unruhen in Nigeria - Im Namen des Geldes
00/03/2010
In Nigeria kommt es immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Christen. Doch die Religion spielt dabei eine untergeordnete Rolle.
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Die FDP bezieht in der Hartz-IV-Debatte Position: Ihr Konzept zum Umbau des Sozialstaates sieht höhere Zuverdienstgrenzen und Gutscheine für Kinder vor. Die FDP hat ihre Vorstellungen zur Reform des Sozialstaates konkretisiert. In einem Positionspapier, das auf einem Symposium an diesem Mittwoch in Berlin diskutiert werden soll, werden unter anderem höhere Zuverdienstgrenzen für Bezieher von Arbeitslosengeld II (Hartz IV), eine Pauschalierung der Unterkunftskosten und Sachleistungen für Kinder vorgeschlagen. Ein-Euro-Jobs dürften nach Ansicht der FDP "keine reguläre Gegenleistung für den Leistungsbezug" sein. Aber auch gegen den Missbrauch von Sozialleistungen durch Bezieher wie durch Arbeitgeber will die FDP stärker vorgehen. Das Papier wurde von einer Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Sozialpolitiker Heinrich Kolb, Pascal Kober und Johannes Vogel sowie des Generalsekretärs Christian Lindner verfasst. Es bildet die Grundlage für einen Leitantrag zum Parteitag im April und stellt somit, gewisse Änderungen im Detail vorbehalten, die offiziöse Position der Partei dar. Das Symposium an diesem Mittwoch wurde einberufen, nachdem Parteichef Guido Westerwelle mit seiner Sozialstaatskritik eine heftige Debatte ausgelöst hatte. Teilnehmen wollen neben anderen der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, und der frühere Wirtschaftsminister und SPD-Vize Wolfgang Clement. Die derzeitigen Zuverdienstmöglichkeiten für ALG-II-Bezieher bieten nach Ansicht der FDP nicht genügend Anreize, eine bezahlte Tätigkeit aufzunehmen. Die FDP schlägt zwei Varianten vor, welche beide eine Verbesserung für die Betroffenen gegenüber der bisherigen Regelung darstellen würden. "Der Bezug von Sozialhilfe darf nicht erblich werden" Um den Bedürfnissen von Kindern in Familien von ALG-II-Beziehern gerecht zu werden, schlägt die FDP eine Kombination aus Geld- und Sachleistungen vor. So könne mit Hilfe von Gutscheinen die Teilnahme an kulturellen Angeboten oder an der freien Mittagsverpflegung in der Schule sichergestellt werden. Im Prinzip ziehe die FDP jedoch Geldleistungen als Hilfe zum Lebensunterhalt vor, weil dies eine eigenverantwortliche Lebensführung auch für Bedürftige ermögliche. "Der Bezug von Sozialhilfe darf nicht erblich werden, soziale Ungleichheit darf sich nicht über die Generationen verfestigen", heißt es. Ein-Euro-Jobs sollten nach Auffassung der FDP dort angeboten werden, wo sie der Qualifizierung und Integration in den Arbeitsmarkt dienen. Als reguläre Gegenleistung für den Leistungsbezug seien sie jedoch ungeeignet, da sie sozialversicherungspflichtige Beschäftigung massiv gefährden würden. Kein kalkuliertes Lohndumping Forderungen nach einem gemeinwohlorientierten Arbeitsmarkt, wie sie gerade erst von der stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Hannelore Kraft ins Gespräch gebracht wurden, seien volkswirtschaftlich schädlich und nähmen den Menschen die Chance auf reguläre Arbeit. Allerdings bleibt die FDP bei ihrer Ablehnung von gesetzlichen Mindestlöhnen. Missbrauch von Sozialleistungen verortet die FDP nicht nur bei den Leistungsbeziehern. Es sei nicht hinnehmbar, wenn Arbeitgeber systematisch mit einem ergänzenden Sozialleistungsbezug ihrer Vollzeitkräfte kalkulierten oder die Ausweitung der Zuverdienstmöglichkeiten für Lohndumping nutzen wollten. Hier müsse der Sozialstaat Exzesse verhindern.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/fdp-hartz-iv-sachleistungen-fuer-hartz-iv-kinder-1.4893
FDP: Hartz IV - Sachleistungen für Hartz-IV-Kinder
00/03/2010
Die FDP bezieht in der Hartz-IV-Debatte Position: Ihr Konzept zum Umbau des Sozialstaates sieht höhere Zuverdienstgrenzen und Gutscheine für Kinder vor.
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mlsum_de-train-563
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Die Frage ist simpel, aber Hintergründe und Botschaft sind mysteriös - Amerika rätselt, was es mit dieser Werbetafel in Minnesota auf sich hat. Meinen die das ernst? Hat er das selbst aufhängen lassen? Ist es eine Drohung? Oder einfach nur ein blöder Gag? "Miss me yet?", "Vermisst ihr mich schon?", steht in großen gelben Lettern auf dem schwarzen Plakat, daneben, unverkennbar, ein Bild von George W. Bush: Einfältig strahlt der Ex-Präsident von der Reklamewand herab, linkisch winkt seine Hand dem Betrachter. Das Ensemble schmückt eine riesige Reklametafel, die seit Mitte Februar neben der Interstate 35 steht, einer Autobahn bei Wyoming im US-Bundesstaat Minnesota. Die Frage ist simpel, die dahintersteckende Botschaft rätselhaft. Autofahrer, Blogger und Fernsehzuschauer fragen sich: Wer will das wissen? Doch wohl nicht Bush selbst. Andererseits - zuzutrauen ist es ihm. Aber mal im Ernst: Will hier tatsächlich jemand nostalgische Gefühle für Amerikas Ex-Präsidenten wecken? Oder ist es gar keine Reminiszenz an vergangene Zeiten, nur der Hinweis: Mit Obama ist es doch auch nicht so doll? Stanley Fish, Juraprofessor aus Miami, interpretiert die Reklamewand gar als Zeichen für Bushs Rückkehr auf die politische Bühne und in die Herzen der US-Bürger. Es sei ja nicht nur das Plakat in Minnesota, schreibt der Publizist für den Meinungsblog der New York Times. Fish macht in seinem Beitrag vom 8. März 2010 die Renaissance des texanischen Cowboys vor allem daran fest, dass Newsweek - eines der großen meinungsbildenden Nachrichtenmagazine in den USA - Bush jüngst das Cover und die große Titelgeschichte gewidmet habe. These des Beitrags: Sieben Jahre nach Beginn des Irakkriegs keime derzeit tatsächlich so etwas wie Demokratie im Nahen Osten, das sei der Anfang der Erfüllung von Bushs Zielen. "Die Geschichte von Obamas Abstieg" Man könne zum Inhalt der Story stehen, wie man will, meint Professor Fish, aber: Es gehe bei weitem nicht nur um Bushs Rehabilitierung. Es sei gleichzeitig die Geschichte vom steilen Abstieg Obamas, vom wuchernden Zweifel, ob der erste schwarze Präsident Amerikas wirklich den Wandel bringen kann. Schließlich sei Guantanamo immer noch nicht abgewickelt, die Banken nicht unter Kontrolle, versprochene Gesetze dümpelten vor sich hin. Derweil sei Bush als Leiter der Clinton-Bush-Stiftung für Haiti in die öffentliche Wahrnehmung zurückgekehrt, und zwar mit positiver Konnotation - sieht alles nicht gut aus für Obama, findet Fish. Die Einlassungen des Autoren muten verstiegen an, und vor allem bleibt die Frage nach den Initiatoren offen. Nachdem bereits Mitte Februar die Washington Post und die Online-Zeitung Huffington Post die Existenz der Tafel hinterfragt hatten, ist mittlerweile klargestellt, dass das Plakat tatsächlich an der Interstate 35 steht und nicht nur das Werk eines Photoshop-Künstlers ist. Auch der Nachrichtensender Fox News hat das Thema aufgegriffen und die Werbetafel abgelichtet. Stecken Anhänger des Präsidenten hinter der Kampagne? Zuletzt hat Mary McNamara von der verantwortlichen Werbeagentur Schubert & Hoey Outdoor Advertising in Minneapolis Licht ins dunkle Mysterium um die Werbetafel gebracht: Reportern sagte sie, ein Grüppchen kleinerer Unternehmer, die unerkannt bleiben wollten, habe die Fläche angemietet. Dann ließ sich Frau McNamara noch zu einer brisanten Ergänzung hinreißen: Einige der Businessmen seien eigentlich Obama-Fans. Nach dieser Enthüllung tobt die Debatte noch intensiver, welche konkrete Intention hinter der effizienten Kampagne - ein Plakat, 2,3 Millionen Hits bei Google - steckt. Denn McNamaras Ausführung wollen viele Internetnutzer nicht folgen. Könnten es nicht doch Leute vom Tea-Party-Movement gewesen sein, jene radikalen Konservativen, die in Obama einen Sozialisten sehen, die Republikanische Partei kapern und neu ausrichten wollen? Die Bewegung, die weniger Steuern und mehr Mitbestimmung fordert, genau wie jene aufständischen Kolonisten, die im Jahr 1773 in Boston die Teesäcke der East India Trading Company ins Hafenwasser schleuderten? Keine Stellungnahme aus dem Weißen Haus Andere mutmaßen, die einzig wahre Botschaft müsse lauten: "Wenn ihr glaubt, jetzt läuft's nicht so gut, denkt mal daran, wie übel es vor ein paar Jahren war." Falsch, sagt Werbefrau McNamara, die Gruppe habe folgende Message transportieren wollen: "Hoffnung und Wandel, wo seid ihr geblieben?" Also sollen selbstkritische Förderer von Pluralismus und kritischer Debatte die Plakate aufgestellt haben? Es bleibt ein Mysterium. Ein Ziel haben die ominösen Werbenden zumindest erreicht: Aufmerksamkeit. Dier Interstate 35 ist in diesen Tagen vermutlich die am häufigsten abgebildete Autobahn der Vereinigten Staaten, Youtube und Fernsehen sei Dank. Nur das Weiße Haus will davon bisher nichts wissen - und hat bislang noch keine Stellungnahme abgegeben.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-wer-vermisst-herrn-bush-1.22731
USA - Wer vermisst Herrn Bush?
00/03/2010
Die Frage ist simpel, aber Hintergründe und Botschaft sind mysteriös - Amerika rätselt, was es mit dieser Werbetafel in Minnesota auf sich hat.
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"Wandel oder mehr von demselben?": US-Präsident Obama verliert die Unterstützung der Linken. Führende Bürgerrechtler rücken ihn bereits in die Nähe von George W. Bush. Die vier Bilder wirken missraten. Sehr grau und obendrein unscharf ist die Fotoreihe geraten, mit der die ACLU, Amerikas führende Bürgerrechtsvereinigung, ihre ganzseitige Anzeige in der New York Times illustriert: Ganz links lächelt der junge Barack Obama, ehe er in drei computeranimierten Metamorphosen zu einem grinsenden George W. Bush mutiert. Klar, ja messerscharf ist freilich die Botschaft, mit der Obamas linksliberale Kritiker ihre Fotomontage umrahmen. "Was soll's sein, Herr Präsident?," fragt die ACLU, "Wandel oder mehr von demselben?" Drahtzieher von 9/11 doch vor ein Militärtribunal? Gemeint ist die Anzeige als Aufschrei, als letzte linke Warnung ans Weiße Haus. Aufgeschreckt wurden Bürger- und Menschenrechtsorganisationen durch Meldungen, wonach Obama sich auf einen sehr kühnen Handel einlassen will: Der Präsident scheint bereit, nun doch auf einen spektakulären Strafprozess gegen fünf mutmaßliche Hintermänner der Terroranschläge vom 11. September 2001 vor einem ordentlichen amerikanischen Gericht zu verzichten. Stattdessen, so flüstern Obama-Berater, solle Khalid Scheich Mohammed, der Drahtzieher von 9/11, sich vor einem Militärtribunal verantworten. Das wäre ziemlich genau das Szenario, das die republikanische Vorgängerregierung schon immer verfolgte. Deshalb wähnt die ACLU-Annonce nun Obama an einer sehr prinzipiellen Wegscheide: Der Demokrat könne "sein feierliches Versprechen einhalten und unsere Verfassung und unsere ordentliche Gerichtsbarkeit wiederherstellen". Oder aber er werde "die Politik von Bush und Cheney fortsetzen". Tatsächlich steckt Obama in der Klemme. 14 Monate nach seinem Schwur, binnen eines Jahres das weltweit umstrittene Gefangenenlager auf dem US-Marinestützpunkt Guantanamo zu schließen, braucht der Präsident dringender denn je den Beistand des Kongresses. Erstens muss das Parlament erlauben, Guantanamo-Häftlinge künftig überhaupt auf amerikanischem Festland einzukerkern. Und zweitens kann nur der Kongress jene 237 Millionen Dollar freigeben, mit denen die Regierung ein Hochsicherheitsgefängnis im Örtchen Thompson im Bundesstaat Illinois kaufen und aufrüsten will. Senator fordert Anti-Terror-Gesetz als Gegenleistung Dagegen protestieren nicht nur Republikaner. Auch etliche Demokraten in Senat und Repräsentantenhaus propagieren mittlerweile, man solle das Guantanamo-Lager einfach fortführen. Das will Obama nicht. Aber gemäß des Machtkalküls von Rahm Emanuel, dem Stabschef des Weißen Hauses, wird die Schließung des Lagers politisch nur gelingen, wenn wenigstens einige Republikaner zustimmen. Seit Wochen verhandelt Emanuel deshalb mit Senator Lindsey Graham, einem gemäßigten Konservativen, der früher selbst einmal US-Militärrichter war. Graham scheint bereit, für eine Ende von Guantanamo zu votieren - aber nur um den Preis, dass Obama auf den symbolträchtigen 9/11-Terrorprozess vor einem zivilen Strafgericht in New York verzichtet. Und Senator Graham verlangt noch mehr. Er will ein Anti-Terror-Gesetz, das im Ergebnis die Rechte von Verdächtigen massiv einschränken würde. Demnach sollen die Behörden suspekte Häftlinge wochenlang verhören können, ohne ihnen ihre Rechte vorzutragen. Zumindest für Al-Qaida-Verdächtige würden Prozesse vor Militär- statt vor Zivilgerichten zur Regel. Und das Gesetz würde es ebenso erlauben, mutmaßliche Terroristen über Jahre ohne Anklage hinter Gittern zu halten: Bedingung wäre nur, dass es glaubwürdige Hinweise (nicht konkrete Beweise) für ihre Gewaltbereitschaft gibt. Letzteres zielt auf 37 der noch 184 Guantanamo-Häftlinge, die das Verteidigungsministerium als "gefährlich" einstuft, gegen die aber keine gerichtsverwertbaren Indizien vorliegen. Aus Sicht von Bürgerrechtlern ist dies eine Liste von Horror-Forderungen. Nach dieser Methode, so sagen sie, werde Guantanamo in Illinois neu aufgebaut.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/obama-unter-beschuss-die-letzte-warnung-1.10120
Obama unter Beschuss - Die letzte Warnung
00/03/2010
"Wandel oder mehr von demselben?": US-Präsident Obama verliert die Unterstützung der Linken. Führende Bürgerrechtler rücken ihn bereits in die Nähe von George W. Bush.
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Handelte Generalinspekteur Schneiderhan nun vorsätzlich oder nicht? SPD-Politiker Bartels zur Überreaktion von Minister Guttenberg - und seinem anschließenden Schlingerkurs. sueddeutsche.de: Herr Bartels, Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat jetzt in einem Interview dargelegt, er habe seinem ehemaligen Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan nie Vorsatz oder gar bösen Willen unterstellt, weil dieser ihm Dokumente zum Tanklasterbombardement nahe Kundus nicht vorgelegt hat. Trügt die Erinnerung oder hat Guttenberg recht? Hans-Peter Bartels: Der Minister nimmt mal wieder eine Korrektur seiner eigenen Äußerungen vor. In Talkshows hatte er tatsächlich den Eindruck erweckt, dass hier vorsätzlich gehandelt worden sei: Ihm seien Dokumente vorenthalten worden. Er hat ja Schneiderhan und auch Staatssekretär Peter Wichert genau mit dieser Begründung entlassen, dass die Unterlagen hätten vorgelegt werden müssen. Wenn er jetzt keinen Vorsatz mehr unterstellt, dann fragt man sich, was er ihnen überhaupt noch vorzuwerfen hat. sueddeutsche.de: Schneiderhan hat sich massiv gegen den Vorsatz-Vorwurf gewehrt und den Minister der Lüge bezichtigt. Ist er jetzt rehabilitiert? Bartels: Darum geht es Guttenberg nicht. Was er macht, ist vorauseilende Schadensbegrenzung. In der kommenden Woche werden im Kundus-Untersuchungssauschuss die Zeugen Schneiderhan und Wichert vernommen. Mitte April erwarten wir Guttenberg vor dem Ausschuss. Da werden dann die Aussagen gegeneinander stehen. Guttenberg will diese Front offenbar etwas aufweichen, die er selbst aufgebaut hat. Denn je härter die Front ist, desto leichter kann sie brechen. sueddeutsche.de: Guttenberg hat sich ja früh festgelegt: Der Luftangriff auf die Tanklastwagen, bei dem mehr als 170 Menschen getötet wurden, sei angemessen gewesen. Später zog er die Bewertung zurück mit dem Hinweis, ihm sei von Schneiderhan und Wichert der Feldjägerbericht nicht vorgelegt worden. Ist das glaubwürdig? Bartels: Der Feldjägerbericht enthielt gegenüber den Berichten, die Guttenberg etwa von Seiten der Nato vorlagen, keine neuen Informationen. sueddeutsche.de: Dann suchte er nur nach einem Bauernopfer um seinen plötzlichen Meinungswandel von angemessen zu nicht angemessen zu rechtfertigen? Bartels: Guttenberg hat ganz offensichtlich überreagiert und versuchte damals wie auch jetzt wieder seine Aussagen zu relativieren. Mit der Entlassung von Schneiderhan und Wichert versuchte er offenbar Schuldige dafür zu liefern, warum er wenige Wochen zuvor die Öffentlichkeit über den Inhalt des Nato-Berichtes falsch informiert hat. sueddeutsche.de: Ein Minister, der sich von der eigenen Begründung für die Entlassung von zwei Spitzenbeamten distanziert, müsste der sich nicht jetzt selbst entlassen? Bartels: Der Minister eiert. Da ist er nicht der Einzige in dieser Bundesregierung. Vermutlich deshalb kann Angela Merkel noch mit ihm leben.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/verteidigungsexperte-zur-kundus-affaere-minister-guttenberg-eiert-1.6052
"Verteidigungsexperte zur Kundus-Affäre - ""Minister Guttenberg eiert"""
00/03/2010
Handelte Generalinspekteur Schneiderhan nun vorsätzlich oder nicht? SPD-Politiker Bartels zur Überreaktion von Minister Guttenberg - und seinem anschließenden Schlingerkurs.
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Guido Westerwelle ist in Brasilien, der letzten Station seiner Südamerika-Reise. Wie immer dabei: Lebensgefährte Mronz, Geschäftsleute - und Vorwürfe aus Deutschland. Es ist die letzte Station seiner knapp einwöchigen Südamerika-Reise: Nach Chile, Argentinien und Uruguay ist Außenminister Guido Westerwelle am Dienstagabend in Brasilien eingetroffen. Er wird in der Hauptstadt Brasília zunächst mit Industrieminister Miguel Jorge und anschließend mit Außenminister Celso Amorim zusammenkommen. Stets an Westerwelles Seite: Sein Lebenspartner Michael Mronz - und Vorwürfe aus Deutschland. Mronz nutze Westerwelles Reisen für seinen Job als Event-Manager war einer. Der andere: Der FDP-Chef nehme mit Vorliebe Geschäftsleute mit auf Reisen, die zuvor für die Liberalen gespendet haben. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, hat diese Vorwürfe nun noch verschärft. "Ich habe große Zweifel, ob Westerwelle als Außenminister überhaupt ministrabel ist", sagte Oppermann der Rheinischen Post. Es gelinge Westerwelle nicht, Staats- und Privatgeschäfte sauber zu trennen, kritisierte Oppermann. "Westerwelle beschädigt sein Amt, wenn jetzt vorzugsweise Geschäftsleute, die vor der Wahl für die FDP gespendet haben, den Außenminister auf Regierungsreisen begleiten und als Türöffner nutzen dürfen", so Oppermann. Guido Westerwelle hatte solche Vorwürfe schon zuvor als unbegründet zurückgewiesen. Der Lebenspartner des Vizekanzler rechtfertigte sich nun in der Bild und verwies auf sein soziales Engagement. "Wann immer ich es zeitlich schaffe, möchte ich Herrn Westerwelle auf seinen Reisen begleiten, um mich für Kinder sozial zu engagieren", sagte Mronz, der auch Vorstand der Aktion "Ein Herz für Kinder" ist. Dass er auf eigene Kosten reise, verstehe sich dabei von selbst. "Gerade weil wir keine eigenen Kinder haben, möchte ich ein Herz für Kinder zeigen", so Mronz weiter. Westerwelle hatte bereits zuvor erklärt, dass er sich freue, dass sich "Herr Mronz" die Zeit nehme, ihn zu begleiten, um sich in der Region über soziale Probleme zu informieren und dafür zu engagieren. "Das wollen und werden wir fortsetzen." Ein wichtiger Punkt auf der letzten Station der Südamerikareise des Außenminister sollen Wirtschaftsthemen sein. Brasilien ist Deutschlands wichtigster Handelspartner in Lateinamerika. 1200 deutsche Unternehmen, die 250.000 Menschen beschäftigen und rund 10 Prozent zum industriellen Bruttoinlandsprodukt beitragen, sind dort aktiv. Am Donnerstag wird Westerwelle in São Paulo eine Rede vor deutschen und brasilianischen Unternehmern halten. Außerdem steht der Besuch in einem Siemens-Werk auf dem Programm. Zum Abschluss seiner sechstägigen Reise fliegt Westerwelle am Freitag nach Rio de Janeiro, wo er sich über die anstehenden Sport-Großereignisse informiert. Brasilien richtet 2014 die Fußball- Weltmeisterschaft und 2016 die Olympischen Spiele in Rio aus. Im Video: Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat am Dienstag ein argentinisches Werk des Autoherstellers Volkswagen besucht. Weitere Videos finden Sie hier
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/aussenminister-auf-reisen-zweifel-ob-westerwelle-ministrabel-ist-1.24238
"Außenminister auf Reisen - ""Zweifel, ob Westerwelle ministrabel ist"""
00/03/2010
Guido Westerwelle ist in Brasilien, der letzten Station seiner Südamerika-Reise. Wie immer dabei: Lebensgefährte Mronz, Geschäftsleute - und Vorwürfe aus Deutschland.
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Angst vor der "staatlich geförderten Billigkonkurrenz": Das Handwerk wettert gegen die Vorschläge von Hannelore Kraft. SPD-Chef Gabriel stellt sich dennoch hinter seine NRW-Spitzenkandidatin. Während das Handwerk mit starker Kritik gegen die Vorschläge der SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft angeht, haben sich führende SPD-Bundespolitiker erneut vor die Herausforderin von Ministerpräsident Rüttgers gestellt und deren Vorschläge für eine Hartz-IV-Reform verteidigt. "Wenn einige behaupten, sie habe gefordert, Hartz-IV-Empfänger sollten ohne Bezahlung arbeiten, dann ist das Unsinn", sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel der Thüringer Allgemeinen laut Vorabmeldung. Die SPD-Spitzenkandidatin in Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, hatte vorgeschlagen, Langzeitarbeitslose für gemeinnützige Tätigkeiten einzusetzen. Handwerkspräsident Otto Kentzler warnte unterdessen vor einer staatlich geförderten Billigkonkurrenz. Er kritisierte die Vorschläge, Hartz-IV-Empfänger für gemeinnützige Arbeiten heranzuziehen. "Ob es nun Arbeitspflicht oder 'soziale Arbeit' genannt wird - die öffentliche Förderung gefährdet Arbeitsplätze in Unternehmen und verhindert die Vermittlung in reguläre Beschäftigung", sagte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks der Tageszeitung Die Welt. Das Handwerk mache schon lange schlechte Erfahrungen mit der Billigkonkurrenz zum ersten Arbeitsmarkt, kritisierte Kentzler. Wenn Kommunen Langzeitarbeitslose beispielsweise über Ein-Euro-Jobs zu Dumpingkonditionen für umfangreiche gewerbliche und handwerkliche Tätigkeiten einsetzten, verlören in der Folge Handwerksbetriebe Aufträge und Arbeit SPD-Chef Gabriel hingegen sagte, man müsse Langzeitarbeitslosen bessere öffentliche Arbeitsangebote als Ein-Euro-Jobs machen. Diese seien viel zu kurz befristet. "Und zweitens darf das nicht zu Lasten des ersten Arbeitsmarktes gehen", wurde der SPD-Bundeschef zitiert. SPD- Bundestagsvizefraktionschef Hubertus Heil sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, es sei unmenschlich, Druck auf Menschen auszuüben, die keine Beschäftigungschance hätten. Für einen staatlichen Arbeitsmarkt nannte Heil mehrere Grundsätze: Die Angebote müssten zusätzlich und freiwillig sein. Sie dürften nicht in Konkurrenz zu regulärer Arbeit treten. Und sie müssten eine langfristige Perspektive bieten und sich damit deutlich von den auf sechs Monate befristeten Ein-Euro-Jobs unterscheiden. Der SPD-Politiker sprach sich außerdem dafür aus, eine verlängerte Zahlung des Arbeitslosengeldes I zu diskutieren, dies aber an Bedingungen wie eine Fortbildung zu knüpfen. "Das heißt, wer sich weiterbildet, der kann auch länger ALG I bekommen." Dieser Vorschlag müsse auf jeden Fall erörtert werden, sagte Heil. Erste Ergebnisse sollen demnach in der kommenden Woche vorgestellt werden.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/hartz-iv-debatte-dumping-und-dummheiten-1.1204
Hartz-IV-Debatte - Dumping und Dummheiten
00/03/2010
Angst vor der "staatlich geförderten Billigkonkurrenz": Das Handwerk wettert gegen die Vorschläge von Hannelore Kraft. SPD-Chef Gabriel stellt sich dennoch hinter seine NRW-Spitzenkandidatin.
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Hannelore Kraft hat mit ihrem Hartz-IV-Vorstoß gegen die oberste Regel erfolgreicher Wahlkämpfer verstoßen. Damit hat die SPD-Kandidatin womöglich ihre Wahlchancen verspielt. In acht Wochen wird in Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewählt. Und was machen die Sozialdemokraten, die an Respekt gewonnen und zu ihrer eigenen Überraschung sogar auf eine Rückkehr an die Macht hoffen durften? Sie müssen in Einzelgesprächen, vor Kameras und Mikrophonen, erklären, warum sie und insbesondere ihre Spitzenkandidatin Hannelore Kraft keine Anhänger der törichten Sozialstaatskampagne von Vize-Kanzler und FDP-Chef Guido Westerwelle sind. Demonstration der großen SPD-Schwäche Die oberste Regel erfolgreicher Wahlkämpfer lautet, mit einfachen und vor allem verständlichen Botschaften zu werben und die eigene Anhängerschaft nicht zu verschrecken. Kraft hat gegen dieses Gebot verstoßen, wenngleich unfreiwillig. Sie will Hartz-IV-Empfänger nicht zu gemeinnütziger Zwangsarbeit heranziehen. Was sie will, nämlich bessere Offerten für schwervermittelbare Arbeitslose, verstanden Gewerkschaften, Sozialverbände, Grüne, Linke, Unionisten und die Öffentlichkeit, wenn überhaupt, erst Tage später. Für jede andere Partei wäre ein solcher Fehltritt im Wahlkampf eine Belastung. Für die SPD in Nordrhein-Westfalen ist es ein Debakel. Um die Wahl im Mai einigermaßen respektabel zu bestehen, muss sie Heerscharen von Anhängern zurückgewinnen, die sich aus Wut über die Hartz-Reformen vor fünf Jahren von ihr abgewendet haben. Dass jene Enttäuschten für eine Partei votieren, die ausgerechnet von der Westerwelle-FDP für klare Worte zum Arbeitsmarkt beglückwünscht wird, können selbst die allergrößten Optimisten nicht erwarten. Kraft hat mit ihrem verunglückten Vorstoß ihre Aussichten für die Landtagswahl am 9. Mai gemindert, vielleicht sogar verspielt. Und sie hat, abermals unfreiwillig, eine der großen Schwächen der Sozialdemokraten demonstriert. Dort, wo sie in der Opposition ist, sei es in Nordrhein-Westfalen, sei es im Bund, kann sie aus eigener Stärke nicht an Attraktivität gewinnen. In Düsseldorf konnten Kraft und ihre Leute davon profitieren, dass Schwarz-Gelb im Bund lautstark stritt und die NRW-CDU eine Affäre nach der anderen lieferte. Sobald die politische Konkurrenz nur ein wenig innehält und die SPD selbst für Aufmerksamkeit sorgen muss, bringt sie sich selbst in die Bredouille. So auch der Vorsitzende Sigmar Gabriel, der im Furor gegen das Sponsorengebaren der NRW-CDU ebenso lautstark wie erfolglos den Einsatz von Staatsanwälten verlangte und sich dann in unhaltbare Vorwürfe gegen Bundestagspräsident Norbert Lammert verstieg. Im Bund hat sich die SPD mit der Oppositionsrolle abgefunden, doch noch beherrscht sie diesen Part nicht. Knapp sechs Monate nach der schweren Niederlage bei der Bundestagswahl ist ihr daraus noch kein Vorwurf zu machen. In Nordrhein-Westfalen beweisen die Sozialdemokraten allerdings, dass man zum Studium dieser Rolle manchmal mehr als fünf Jahre braucht.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/spd-in-nordrhein-westfalen-das-naechste-eigentor-1.3572
SPD in Nordrhein-Westfalen - Das nächste Eigentor
00/03/2010
Hannelore Kraft hat mit ihrem Hartz-IV-Vorstoß gegen die oberste Regel erfolgreicher Wahlkämpfer verstoßen. Damit hat die SPD-Kandidatin womöglich ihre Wahlchancen verspielt.
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Die Staatsanwaltschaft wird gegen den CDU-Bundestagsabgeordneten Jasper wegen Titelmissbrauchs ermitteln. Der hält sich für unschuldig. Die Staatsanwaltschaft Münster will offenbar noch in dieser Woche ein Ermittlungsverfahren gegen den "falschen Doktor von der CDU", den Bundestagsabgeordneten Dieter Jasper, in Gang bringen, wie sueddeutsche.de jetzt erfuhr. Die Staatsanwaltschaft Münster werde noch in dieser Woche eine Erklärung dazu abgeben, hieß es. Schon in den nächsten Tagen könnte dann der Immunitätsausschuss des Bundestages mit dem Fall befasst werden. Sein Plazet gilt als Formsache. Jasper ist über den Vorgang informiert worden. Nach Wochen des Schweigens erklärt Jasper dazu in einer Pressemitteilung, er habe "vollstes Vertrauen" in die Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft. Sie sei die "objektivste Behörde der Welt". Jasper rechnet offenbar fest damit, ungeschoren aus der Sache herauszukommen. Er sichert der Staatsanwaltschaft zwar zu, mit ihr kooperieren zu wollen. Allerdings nur, "um auf eine zügige Einstellung des Ermittlungsverfahrens hinzuwirken". Nach Paragraph 132a Strafgesetzbuch wird Titelmissbrauch "mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft". Jasper hält sich offenkundig für unschuldig. Das hat er vor einigen Wochen bereits deutlich gemacht, als er lokalen Medien mitteilte, er sei Betrügern aufgesessen, und sei "dämlich genug" gewesen, den Versprechungen zu glauben. "Man sollte die Dinge relativieren. Was ist denn schon passiert? Ich habe einen Titel getragen, den ich nicht hätte tragen dürfen", sagte er. "Aber das habe ich inzwischen korrigiert." Diese Darstellung halten Experten für Titelmissbrauch wie Manuel Theisen von der Ludwig-Maximilians-Universität München für wenig glaubhaft. Die sogenannte Freie Universität Teufen in der Schweiz, an der Jasper seinen Titel 2004 erworben hat, vergebe solche Titel ausschließlich gegen Geld. Die Einrichtung sei seit den achtziger Jahren als "Titelmühle" bekannt. Jasper hingegen schreibt an diesem Dienstag: "Für mich gilt - wie für jeden anderen Staatsbürger - die Unschuldsvermutung so lange, bis diese durch rechtskräftige Verurteilung widerlegt ist." Aus Respekt vor der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungstätigkeit werde er keine weiteren Erklärungen bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens abgeben. Jasper hat nach eigenen Angaben den falschen Doktortitel von 2004 bis Herbst 2009 geführt, ihn dann aber abgelegt, weil ihm Zweifel an der Rechtmäßigkeit gekommen seien. Seine politischen Gegner werfen ihm vor, den falschen Titel im Bundestagswahlkampf 2009 bewusst eingesetzt zu haben, um seine vorgebliche wirtschaftswissenschaftliche Kompetenz hervorzuheben. Jasper gewann seinen Wahlkreis Steinfurt III im nördlichen Münsterland nur knapp gegen den langjährigen SPD-Bundestagsabgeordneten Reinhold Hemker. SPD fordert Jaspers Rücktritt Ein Wahlprüfungsverfahren lehnte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) vergangene Woche ab. Der Titelmissbrauch sei zwar nicht von der Hand zu weisen. Es könne aber nicht nachgewiesen werden, dass der Doktortitel Jasper zum Sieg getragen habe. Die SPD im Kreis Steinfurt prüft derzeit, ob sie Klage gegen Lammerts Entscheidung einreicht. Unterdessen wächst der Druck auf Jasper, sein Mandat niederzulegen. Sowohl der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, als auch Michael Groschek, Generalsekretär der NRW-SPD, hatten Jasper gegenüber sueddeutsche.de zum Rücktritt aufgefordert. Auch in der eigenen Partei ist Jasper umstritten. Der Steinfurter CDU-Kreisverstand, geführt von NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann, gibt sich nach außen noch verschlossen. Laumann hat bisher keinen öffentlichen Satz über die Affäre verloren. Sollte Jasper jedoch verurteilt werden, dann werde die Lage neu bewertet, heißt es.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/falscher-doktor-jasper-im-visier-der-staatsanwaltschaft-1.5002
Falscher Doktor - Jasper im Visier der Staatsanwaltschaft
00/03/2010
Die Staatsanwaltschaft wird gegen den CDU-Bundestagsabgeordneten Jasper wegen Titelmissbrauchs ermitteln. Der hält sich für unschuldig.
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Protest gegen Westerwelle? Der Berliner FDP-Abgeordnete Lehmann verlässt seine Fraktion und wechselt zur SPD. Dort dürfte man sich freuen - denn just am selben Tag haben die Genossen einen Abgeordneten verloren. Rainer-Michael Lehmann hat seine Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus verlassen. Der FDP-Mann ärgert sich über über die Politik der Liberalen - vor allem über die "soziale Kälte" in seiner Partei. Die FDP habe sich "von den sozialliberalen Grundwerten durch eine Überbetonung des Leistungsgedankens und eine massive Mittelumverteilung" abgewandt, erklärte der gelernte Schriftsetzer, der lange in der Druckerei des Neuen Deutschland arbeitete und seit 1992 Mitglied der FDP ist. Die programmatische Ausrichtung der Partei könne nur noch als Angriff auf den Sozialstaat verstanden und von ihm nicht länger mitgetragen werden, heißt es im Schreiben Lehmanns an den Berliner FDP-Vorsitzenden Markus Löning und an FDP-Fraktionschef Christoph Meyer. Protestiert Lehmann damit gegen Parteichef Guido Westerwelle, der in den vergangenen Wochen mit populistischen Aussagen eine Debatte über Hartz IV und den Sozialstaat angestoßen hatte? Fraktionschef Meyer sieht das nicht so - und unterstellt Lehmann "puren Egoismus". Der Stil des 49-Jährigen gegenüber den Parteifreunden und Wählern sei "unterirdisch". Seine politischen Begründungen für den Wechsel seien "vorgeschoben und sachlich falsch". Der Berliner FDP-Chef Löning sagte, er sei von dem Austritt überrascht worden. Bisher habe ihn auch kein Brief erreicht. Nun fordert er Lehmann auf, "den Willen der Wähler zu respektieren und sein Mandat zurückzugeben". Doch der Sozialexperte hat andere Pläne: Er will sein Mandat im Abgeordnetenhaus behalten - und sich der SPD anschließen, wie er dem RBB verriet. Für die Berliner SPD-Fraktion kommt der angekündigte Wechsel des 49-Jährigen scheinbar zum richtigen Zeitpunkt: Nach einer Sitzung der Sozialdemokraten am Nachmittag in der Hauptstadt verkündete der in die Kritik geratene Abgeordnete Ralf Hillenberg seinen Rückzug aus der Fraktion. Allerdings will Hillenberg sein Mandat gegen den Willen der Parteiführung behalten. Dem 53-Jährigen werden in der Howoge-Affäre Verstöße gegen das Vergabegesetz vorgeworfen werden. SPD-Fraktionschef Michael Müller hatte ihm deswegen den Mandatsverzicht nahegelegt. Mit dem Fraktionsaustritt Hillenbergs schrumpft die Mehrheit der rot-roten Berliner Regierung auf eine Stimme. Durch den Wechsel Lehmanns in die SPD hätte die Koalition aus SPD und Linke wieder zwei Stimmen Vorsprung.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/berliner-fdp-politiker-wechselt-zur-spd-herr-lehmann-froestelt-1.22863
Berliner FDP-Politiker wechselt zur SPD - Herr Lehmann fröstelt
00/03/2010
Protest gegen Westerwelle? Der Berliner FDP-Abgeordnete Lehmann verlässt seine Fraktion und wechselt zur SPD. Dort dürfte man sich freuen - denn just am selben Tag haben die Genossen einen Abgeordneten verloren.
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Die Sicherungsverwahrung ist der deutsche Ersatz für die Todestrafe. Gerade bei Jugendlichen ist sie in der derzeitigen Form eine Bankrotterklärung für den Rechtsstaat. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung für Jugendliche hat die erste juristische Überprüfung überlebt. Ein Anlass zur Freude ist das nicht. Erstens sind die Verbrechen, um die es geht, zu furchtbar, um so ein Wort in den Mund zu nehmen. Zweitens ist das Gesetz, auf dem diese Sicherungsverwahrung basiert, zu schludrig, um darauf eine so harte Sanktion zu gründen. Der Bundesgerichtshof hätte besser daran getan, es dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen. Sicherungsverwahrung bedeutet: Der Häftling bleibt in Haft, auch wenn er die Strafe bereits abgesessen hat. Sie ist die härteste Sanktion, die das Recht kennt. Sie ist der deutsche Ersatz für die Todesstrafe. Die Rechtsordnung nimmt diese Härte in ganz besonderen Ausnahmefällen in Kauf, um die Bevölkerung vor gefährlichen Rückfalltätern zu schützen. Die Härte bedarf einer besonderen Akkuratesse. Diese ist bisher nicht gewahrt. Wenn die Sicherungsverwahrung nachträglich, also erst nach dem Strafurteil, verhängt wird, nimmt sie das Verhalten des Täters in der Haft zur Grundlage für die fortdauernde Haft. Bei einem jugendlichen Täter ist das besonders heikel: Wenn er sich in der Haft auflehnt, wenn er Frust und Gewaltphantasien herausschreit, wie es für eine Therapie notwendig ist - dann hat er keine Chance mehr auf Freiheit. Die Paragraphen ermöglichen es sogar, ein Kind, das zur Tatzeit erst 14 Jahre alt war, wegen besonderer Gefährlichkeit sein Leben lang hinter Gittern zu halten. Das kann nicht richtig sein. Das ist eine rechtsstaatliche und pädagogische Bankrotterklärung. "Verdammt in alle Ewigkeit": das ist der Titel eines Kriegsfilms aus dem Jahr 1953. Er ist kein Motto für ein rechtsstaatliches Verfahren.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/sicherungsverwahrung-von-jugendlichen-verdammt-in-alle-ewigkeit-1.4456
Sicherungsverwahrung von Jugendlichen - Verdammt in alle Ewigkeit
00/03/2010
Die Sicherungsverwahrung ist der deutsche Ersatz für die Todestrafe. Gerade bei Jugendlichen ist sie in der derzeitigen Form eine Bankrotterklärung für den Rechtsstaat.
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mlsum_de-train-572
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Während immer neue Missbrauchsfälle ans Licht kommen, wird die Phase der Betroffenheit abgelöst durch die Debatte über nötige Konsequenzen. Es gehe doch um die Kinder, sagt Siegfried Kneißl, "ich sehe die Kinder vor mir, auch wenn sie jetzt Erwachsene sind." Einen Aktenordner voller Kindheitsgeschichten hat der Missbrauchsbeauftragte des Erzbistums München und Freising inzwischen. Es sind traurige und schreckliche Geschichten von zerbrochenem Vertrauen, von Brutalität und falscher Nähe; jeden Tag kommen neue hinzu. "Und dann kommen die Machtspiele, in der Kirche, in der Politik", empört sich Kneißl. Das stimmt insofern, als dass die Phase der Betroffenheit über die zahlreichen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche, aber auch in nichtkirchlichen Schulen und Einrichtungen, abgelöst wird durch die Debatte, welche Konsequenzen nun zu ziehen sind. Wie hart müssen die betroffenen Institutionen aufklären? Soll der Gesetzgeber Verjährungsfristen verlängern, Missbrauch von Minderjährigen härter bestrafen? Was bringt ein runder Tisch? Der Missbrauchsbeauftragte Kneissl ist selber von dieser Debatte getroffen - das Erzbistum München-Freising wehrt sich gegen den Vorwurf, im Fall des Klosters Ettal überreagiert und zu Unrecht den Abt und den Prior zum Rücktritt gedrängt zu haben. Generalvikar Peter Beer rechtfertigte im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung das harte Vorgehen der Bistumsleitung. Die Grenzüberschreitung eines Paters aus dem Jahr 2005 hätte nach dem Kirchenrecht "auf jeden Fall" sofort dem Erzbistum gemeldet werden müssen, sagte Beer, "wir hätten dann auch von uns aus die Staatsanwaltschaft eingeschaltet." Abt Barnabas Bögle habe aber erst am Abend vor der Veröffentlichung in der SZ den Generalvikar informiert, "nachdem wir ihn von Ettal nach München haben bringen lassen", so Beer. Im Kloster habe "eine Insiderkultur geherrscht, die nur durch die Rücktritte durchbrochen werden konnte". Auch seien gegen den betroffenen Lehrer, den das Kloster durch ein Gutachten entlastet sah, neue Vorwürfe aufgetaucht. Beers Chef, der Münchner Erzbischof Reinhard Marx, räumt ein, dass es in der katholischen Kirche mangelnde Aufklärungsbereitschaft gegeben habe. "Es gab sicher Tendenzen in der Vergangenheit, das Ansehen der jeweiligen Institution nicht zu beschädigen", sagte Marx dem Münchner Merkur.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauchsskandal-und-dann-kommen-die-machtspiele-1.22991
"Missbrauchsskandal - ""Und dann kommen die Machtspiele"""
00/03/2010
Während immer neue Missbrauchsfälle ans Licht kommen, wird die Phase der Betroffenheit abgelöst durch die Debatte über nötige Konsequenzen.
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mlsum_de-train-573
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Guttenberg und die Kundus-Affäre: Ein unerfahrener Minister hat den falsch urteilenden General Schneiderhan zunächst bedenkenlos gestützt - und dann überhastet gestürzt. Es gibt Wörter in der deutschen Sprache, die sind eindeutig. Wenn einer etwas unterschlägt, dann tut er das in vollem Bewusstsein und mit Absicht. Gutwilliges Unterschlagen gibt es nicht. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat Ende November 2009 Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan sowie Staatssekretär Peter Wichert Knall auf Fall entlassen, weil er sich von ihnen in der Kundus-Affäre unvollständig informiert fühlte. Er benutzte im Fernsehen starke Begriffe: Man habe ihm Dokumente vorenthalten, ja sie unterschlagen. Ein unerfahrener Minister und ein falsch urteilender General Es steht außer Zweifel, dass Schneiderhan Fehler gemacht hat. Der gravierendste war seine Fehleinschätzung der Bombenwürfe von Kundus als militärisch angemessen. Und tatsächlich erhielt Guttenberg wohl das eine oder andere Papier nicht. Aber: Guttenberg hatte so oder so genügend Dokumente, unter anderem den Isaf-Bericht, aus denen er selbst hätte schließen können, dass es in Kundus auch um die gezielte Tötung von Menschen ging, dabei aber Dutzende Zivilisten ums Leben kamen. Ein unerfahrener Minister hat einen falsch urteilenden General zunächst ohne Nachdenken gestützt und dann überhastet gestürzt. Guttenberg wollte einen starken Eindruck machen, und um dieses Eindrucks willen warf er dem General Unterschlagung hinterher, die er, nachdem es jeder gehört hatte, wieder zurücknahm. Weil Guttenberg nun fürchtet, dass Schneiderhan vor dem Untersuchungsausschuss unangenehme Wahrheiten oder wenigstens nachteilige Einschätzungen aussprechen könnte, wedelt er jetzt mit dem weißen Taschentuch: War alles nicht so gemeint, das mit dem Vorsatz. In der Truppe würde man sagen: Dem geht der A... auf Grundeis.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/verteidigungsminister-guttenberg-angst-um-den-allerwertesten-1.3085
Verteidigungsminister Guttenberg - Angst um den Allerwertesten
00/03/2010
Guttenberg und die Kundus-Affäre: Ein unerfahrener Minister hat den falsch urteilenden General Schneiderhan zunächst bedenkenlos gestützt - und dann überhastet gestürzt.
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mlsum_de-train-574
mlsum_de-train-574
Die nachträgliche Sicherungsverwahrung bei Jugendstrafen ist zulässig. Ein 32-Jähriger muss in Haft bleiben, obwohl er seine Strafe von zehn Jahren verbüßt hat. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung bei Jugendstrafen ist zulässig. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in seiner ersten Entscheidung zu dem seit Sommer 2008 geltenden Gesetz entschieden. Der Gesetzgeber müsse auch seiner Schutzpflicht nachkommen und Menschen vor Straftaten schützen, befanden die Richter. Die Abwägung dürfe darum zulasten gefährlicher Straftäter gehen. Die Karlsruher Richter bestätigten mit ihrem ersten Urteil zur nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Jugendstrafen eine Entscheidung des Landgerichts Regensburg vom Juni 2009. Danach muss ein 32-Jähriger in Haft bleiben, obwohl er seine Jugendstrafe von zehn Jahren verbüßt hat. Der Mann aus Bayern war 1999 nach dem Mord an einer Joggerin zur Jugendhöchststrafe verurteilt worden war. Er gilt als hochgefährlich. Nur fünf Tage vor seiner für den 17. Juli 2008 geplanten Entlassung trat das Gesetz in Kraft, das die Sicherungsverwahrung auch nach dem Jugendstrafrecht ermöglicht. Nach Auffassung des BGH verstößt die Regelung nicht gegen die Verfassung. Aus Sicht der Karlsruher Richter ist im vorliegenden Fall auch nicht relevant, dass ein Urteil des Europäischen Menschenrechtshofs in Straßburg noch nicht rechtskräftig ist: Die Straßburger Richter hatten im Dezember 2009 geurteilt, dass die deutschen Vorschriften zur Sicherungsverwahrung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/bgh-zu-jugendstrafen-gericht-bestaetigt-sicherungsverwahrung-1.16253
BGH zu Jugendstrafen - Gericht bestätigt Sicherungsverwahrung
00/03/2010
Die nachträgliche Sicherungsverwahrung bei Jugendstrafen ist zulässig. Ein 32-Jähriger muss in Haft bleiben, obwohl er seine Strafe von zehn Jahren verbüßt hat.
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Der frühere Generalinspekteur hat ihm in der Kundus-Affäre Dokumente vorenthalten - so das Urteil des Verteidigungsministers bislang. Nun mildert Guttenberg seine Kritik ab. Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist von dem Vorwurf abgerückt, der frühere Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan habe ihm in der Kundus-Affäre bewusst wichtige Dokumente vorenthalten. "Ich hatte nie den Eindruck, dass seitens General Schneiderhan oder Dr. Wichert vorsätzlich oder böswillig gehandelt wurde", sagte Guttenberg in einem Reuters-Interview. "Richtig ist, dass mir anlässlich meiner ersten Bewertung des Vorfalls Meldungen, Berichte und Unterlagen nicht vorgelegt wurden." Dafür hätten beide schließlich professionell die Verantwortung übernommen. Der Minister milderte damit seine Kritik an Schneiderhan und Ex-Staatssekretär Peter Wichert deutlich ab. Zugleich räumte er einen wichtigen Streitpunkt aus dem Weg, mit dem sich der Kundus-Untersuchungsausschuss befassen wollte und zu dem Guttenberg vor dem Ausschuss befragt werden dürfte. Guttenberg hatte Schneiderhan und Wichert am 26. November entlassen und dies damit begründet, dass ihm wichtige Dokumente in der Kundus-Affäre nicht vorgelegt worden seien. In Interviews formulierte der Minister später jedoch härter und sprach davon, ihm seien Unterlagen vorenthalten worden. Gegen diesen Vorwurf setzte sich Schneiderhan seinerseits in einem Zeit-Interview vehement zur Wehr und bezichtigte Guttenberg der Lüge. "Es gab keinen Vorsatz", betonte der General. Nachdem er dem Minister den umfassenden Nato-Bericht zu dem Luftangriff von Kundus vorgelegt habe, sei er schlicht nicht auf die Idee gekommen, ihm zusätzlich noch die einzelnen Ausgangsberichte zu präsentieren. Die Aufklärung der Umstände der Entlassung Schneiderhans und Wicherts war einer der wichtigsten offenen Punkte des Untersuchungsausschusses zur Kundus-Affäre. Guttenberg hatte mit den nicht erhaltenen Dokumenten seine Kehrtwende in der Bewertung des Luftangriffs erklärt, den er daraufhin nicht mehr als angemessen beurteilte. Bei dem von der Bundeswehr angeordneten Bombardement Anfang September waren auch Zivilisten umgekommen. Im Reuters-Interview würdigte Guttenberg noch einmal die Leistungen Schneiderhans und Wicherts. Zuletzt habe er mit ihnen im Rahmen des großen Zapfenstreichs gesprochen, "mit dem die beiden Herren für ihre unbestreitbar hohen Verdienste verabschiedet wurden", erklärte der Minister.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kundus-affaere-guttenberg-rueckt-von-schneiderhan-schelte-ab-1.3287
Kundus-Affäre - Guttenberg rückt von Schneiderhan-Schelte ab
00/03/2010
Der frühere Generalinspekteur hat ihm in der Kundus-Affäre Dokumente vorenthalten - so das Urteil des Verteidigungsministers bislang. Nun mildert Guttenberg seine Kritik ab.
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Wenn es zu schwierig wird, sucht man gerne nach schlichten Lösungen. Ein schönes Beispiel dafür ist das Thema Entwicklungshilfe und Afrika. Da gibt es Musiker wie Bono oder Bob Geldof, die einfach viel mehr Geld für den Kontinent fordern, dann würde alles besser werden. Und da gibt es die, die aus leidvoller Erfahrung das Ende der bisherigen Politik und eine radikale Kürzung der Zahlungen wollen. Dazu gehören Cap-Anamur-Gründer Rupert Neudeck oder der einstige deutsche Botschafter in mehreren afrikanischen Ländern, Volker Seitz. Die sagen: Schluss mit der Forderung nach mehr Entwicklungshilfe. Bringt in der jetzigen Form eh nichts. Beide Positionen zeigen lediglich, dass mit der Entwicklungshilfe etwas im Argen liegt. Die Zahlen sind ja auch ernüchternd. Es wird geschätzt, dass in den vergangenen 50 Jahren rund eine Billion US-Dollar vom Norden in den armen Süden geflossen sind, der allergrößte Teil davon nach Afrika. Dennoch geht es den meisten Ländern südlich der Sahara heute schlechter als zu Beginn der Unabhängigkeit. 30 der 39 ärmsten Staaten der Welt liegen in Afrika, die Lebenserwartung der Menschen sinkt, und das tägliche Pro-Kopf-Einkommen liegt heute ebenfalls deutlich niedriger als noch vor einem halben Jahrhundert. Doch auch an diesen Zahlen scheiden sich die Geister. Die einen sagen, es wurde eben mit viel zu wenig Geld geholfen, die anderen legen Studien vor, die nachweisen sollen, dass ausgerechnet die Länder am ärmsten dran sind, die die meiste Entwicklungshilfe bekommen haben. Und der Grund dafür sei einfach: Wer es gewohnt ist, Hilfe von außen zu bekommen, werde keine Eigeninitiative zeigen, sich selbst zu helfen. Die interessanteste Kritik an der westlichen Hilfsindustrie aber kommt seit Jahren von Afrikanern. Intellektuelle wie Axelle Kabou, George Ayittey oder Andrew Mwenga haben immer wieder die größten Fehler benannt: Die Entwicklungshilfe setzt viel zu oft an den falschen Stellen an. Wer auf staatlicher Ebene in Kenia, im Kongo oder in Angola die Zusammenarbeit koordinieren muss, braucht sich nicht zu wundern, wenn ein Großteil des Geldes durch korrupte Regierungen verschwindet. Wer glaubt, von außen den Herrschern befehlen zu können, was sie mit dem Geld machen sollen, wird ebenso schnell an seine Grenzen stoßen. Und blickt man auf die Landkarte, dann wird man nur wenige Staaten wie zum Beispiel Botswana entdecken, die sich wirklich um das Wohl aller Bürger kümmern. Die effizienteste Hilfe ist immer noch die Wirtschaftsförderung. Eine neu errichtete Zuckerfabrik in Mosambik beseitigt die Armut weit schneller als das zehnte Brunnenprojekt. Und wer möchte, dass sich eine breite Mittelschicht entwickelt, der sollte lokale Unternehmer mit Krediten fördern, anstatt den nächsten Workshop mit Regierungsmitgliedern zu organisieren. Denn nur dort, wo die Wirtschaft auf einer breiten Basis wächst, können sich die Menschen aus der Armut befreien.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/entwicklungshilfe-brunnen-ohne-boden-1.22283
Brunnen ohne Boden
00/03/2010
Noch mehr Geld für Afrika? Warum die westliche Hilfsindustrie oft die Bedürftigen nicht erreicht und manche Länder sogar lähmt.
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Nach dem jüngsten Massaker in Nigeria haben Polizei und Militär 96 Männer vom muslimischen Nomadenstamm der Fulani Hausa festgenommen. Bei dem Überfall auf drei christliche Dörfer im zentralnigerianischen Bundesstaat Plateau waren in der Nacht zum Sonntag etwa 500 Menschen getötet worden. Der amtierende nigerianische Präsident Goodluck Jonathan zog Konsequenzen - und entließ den nationalen Sicherheitsberater. Erst im Januar waren mehr als 300 Menschen bei Unruhen zwischen Christen und Muslimen getötet worden. US-Außenministerin Hillary Clinton hatte die nigerianische Regierung zu einer Aufklärung der Massaker an Christen und zu einer Bestrafung der Täter aufgerufen. Außerdem mahnte Clinton Besonnenheit an: "Wir rufen alle Parteien dringend auf, sich zurückzuhalten und einen konstruktiven Ausweg aus dem Kreislauf der Gewalt zu suchen." Mehrere hundert Opfer des Angriffs vom Wochenende wurden noch am Montag in Massengräbern beigesetzt, berichtete die Zeitung Vanguard. In den Dörfern wurden Soldaten stationiert, um weitere Übergriffe und Plünderungen zu verhindern. In Jos, der Hauptstadt des Staates Plateau, machten dem Zeitungsbericht zufolge Gerüchte über neue religiöse Gewalt die Runde. Daraufhin brach in mehreren Stadtteilen Panik aus. Westerwelle will seinen Lebensgefährten weiter auf Auslandsreisen mitnehmen, der Vatikan wehrt sich gegen den Eindruck, Missbrauch komme nur in kirchlichen Bildungseinrichtungen vor und im Iran hat der Prozess gegen zwölf Polizisten begonnen: Auf den folgenden Seiten finden Sie weitere Kurzmeldungen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-nach-dem-massaker-96-festnahmen-in-nigeria-1.16650
Nach dem Massaker: 96 Festnahmen in Nigeria
00/03/2010
Dem Massenmord folgt eine Massenverhaftung - in Nigeria greift die Regierung hart durch und nimmt 96 verdächtigte Nomaden fest. Kurzmeldungen im Überblick
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Die Videos verstören selbst den Staatsanwalt: Mitarbeiter einer diakonischen Schule sollen autistische Kinder misshandelt haben. Politiker sind alarmiert - und fordern schärfere Gesetze. Nach der Aufdeckung von Missbrauchsfällen in katholischen Einrichtungen kommen jetzt auch Vorkommnisse in einer Schule der evangelischen Kirche ans Licht. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt gegen 17 ehemalige Mitarbeiter eines Tochterunternehmens der Graf-Recke-Stiftung. Dabei gehe es um Misshandlung Schutzbefohlener, Freiheitsberaubung und Nötigung - unter anderem - autistischer Kinder bei der Stiftungstochter Educon, die Schulen für behinderte und verhaltensauffällige Kinder betreibt. Die Vorwürfe seien der Geschäftsführung im Sommer 2009 bekanntgeworden. Daraufhin sei Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf und dem Landesjugendamt erstattet worden, teilte die Stiftung am Montagabend mit. Die betroffenen Mitarbeiter und die Bereichsleitung seien zunächst vom Dienst suspendiert worden, ihnen sei später gekündigt worden, hieß es. Staatsanwalt Johannes Mocken sprach von einem "extrem rüden Umgang" mit den Kindern. Grundlage der Ermittlungen seien unter anderem zahlreiche Videos, auf denen der Umgang gefilmt worden sei: "Die Bilder sind teilweise extrem erschreckend", sagte Mocken. Die Ermittlungen würden Monate dauern. Zu den konkreten Vorwürfen wollte sich ein Sprecher der Stiftung nicht äußern. Der Stiftungsmitteilung zufolge wurden erste Vorwürfe gegen Mitarbeiter von Educon bereits 2008 bekannt. Educon habe sich damals ebenfalls von der zuständigen Gruppenleitung getrennt. Zur Aufarbeitung der vergangenen Geschehnisse sei eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden. Neue Vorwürfe Nachdem Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen zuletzt für weltweites Aufsehen sorgten, erreicht der Skandal nach Informationen der Nassauischen Neuen Presse jetzt auch die Limburger Domsingknaben. Ein ehemaliges Chormitglied habe Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst angeschrieben und ihm von Übergriffen des damaligen Dirigenten zwischen 1967 und 1973 berichtet. Der beschuldigte Domkapellmeister und Priester ist 2002 gestorben. Unterdessen räumte der frühere Regensburger Domkapellmeister Georg Ratzinger ein, selbst Chormitglieder der Domspatzen geschlagen zu haben. "Ich habe am Anfang wiederholt auch Ohrfeigen ausgeteilt", sagte Ratzinger, der von 1964 bis 1994 im Amt war. Nie habe er allerdings jemanden "grün und blau" geschlagen. Er gab auch zu, von Prügeln in der Internatsvorschule gewusst zu haben. "Mir war bekannt, dass Direktor M. sehr heftige Ohrfeigen verteilt hat", sagte der Bruder von Papst Benedikt XVI. der Passauer Neuen Presse. "Wenn ich gewusst hätte, mit welch übertriebener Heftigkeit er vorging, dann hätte ich schon damals etwas gesagt", so Ratzinger weiter. Er verurteile das Geschehene und bitte die Opfer um Verzeihung. Als Reaktion auf die bekanntgewordenen Missbrauchsfälle rufen unterdessen immer mehr Politiker nach Gesetzesänderungen: Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) fordert die Erhöhung der Mindeststrafe von sechs Monaten auf ein Jahr. "Jeder sexuelle Missbrauch muss wieder als das Verbrechen gebrandmarkt werden, das es nach früherem Recht war und im Verständnis der Bürger immer geblieben ist", sagte sie der Zeitung Die Welt. Schließlich gehöre sexueller Missbrauch "zu den abscheulichsten Dingen, die ein Mensch einer unschuldigen Kinderseele antun kann", sagte Merk weiter. Verjährungsfrist verzehnfachen In der schwarz-gelben Koalition in Berlin gibt es Überlegungen, das Recht von Opfern sexuellen Missbrauchs auf finanzielle Entschädigung zu stärken. Die Verjährungsfrist für solche Ansprüche solle auf 30 Jahre verzehnfacht werden, sagte der FDP-Innen- und Rechtsexperte Hartfrid Wolff der Neuen Osnabrücker Zeitung. "Anders als im Strafrecht sehen wir im Zivilrecht Handlungsbedarf", sagte auch der parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, der FDP-Politiker Max Stadler. "Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren, um Schmerzensgeld und Schadenersatz geltend zu machen, ist deutlich zu kurz." Unionsfraktionsvize Günter Krings sprach sich ebenfalls für längere zivilrechtliche Fristen bei Missbrauch aus. Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx begrüßte den von der Bundesregierung geplanten runden Tisch zur Bekämpfung sexuellen Missbrauchs an Schulen. "Es ist gut, dass Vertreter aller relevanten gesellschaftlichen Gruppen eingeladen sind", sagte Marx dem Münchner Merkur. Er nannte die Meldungen über die Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche entsetzlich: "Ich empfinde Scham." Marx räumte auch ein, dass die Kirche in der Vergangenheit möglicherweise nicht genug an die Opfer gedacht habe.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/misshandlungsfaelle-bei-diakonie-extrem-erschreckende-bilder-1.10922
"Misshandlungsfälle bei Diakonie - ""Extrem erschreckende Bilder"""
00/03/2010
Die Videos verstören selbst den Staatsanwalt: Mitarbeiter einer diakonischen Schule sollen autistische Kinder misshandelt haben. Politiker sind alarmiert - und fordern schärfere Gesetze.
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Ein konservativer Theologe bescheinigt den Verantwortlichen des Klosters Ettal vorbildliches Verhalten - und heizt den Streit über den Umgang der Kirche mit sexuellem Missbrauch an. Es waren zwei furchtbare und dramatische Wochen für das Benediktinerkloster Ettal, die Schule, das Internat. Es wird offenbar: Ein Lehrer hat in den siebziger und achtziger Jahren Schüler sexuell missbraucht, ein ehemaliger Schulleiter hat Kinder sadistisch geschlagen, bis er 1991 abgelöst wurde, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen mindestens eines Übergriffs im Jahr 2005 und weil ein Mönch Kinderpornos heruntergeladen haben soll. Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx und sein neuer Generalvikar Peter Beer waren empört, vor allem darüber, dass der Fall aus dem Jahr 2005 nicht ans Erzbischöfliche Ordinariat weitergeleitet wurde. Sie drängten den Ettaler Abt Barnabas Bögle und Prior Maurus Kraß zum Rücktritt, mit Erfolg. Zu Recht? Zu Unrecht? Darüber ist nun ein Streit von bundesweiter Bedeutung entstanden, der zeigt, wie schwer es ist, Missbrauchsfälle aufzudecken, zu beurteilen, die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Manfred Lütz findet, dass das Erzbistum unter dem Druck der Ereignisse einen Fehler gemacht hat. Der Rücktritt von Bögle und Kraß sei nicht nötig gewesen, vielmehr hätten sie sich 2005 vorbildlich verhalten. Lütz leitet ein großes psychiatrisches Krankenhaus bei Köln und ist ein erfolgreicher Buchautor, vor allem aber ist der konservativ-katholische Psychiater, Theologe und Publizist Berater der Deutschen Bischofskonferenz bei Missbrauchsfällen. Er organisierte 2003 einen großen Kongress zum Thema im Vatikan. Und er beriet 2005 den damals neuen Abt Bögle, als der den Fall des Paters und Lehrers R. übernahm. "Mit großer Offenheit und Akribie" habe Bögle ihm den Fall geschildert, sagt Lütz, und er habe daraufhin empfohlen, den Lehrer vom Ulmer forensischen Psychiater Friedemann Pfäfflin begutachten zu lassen. "Strukturdefizit" oder "Reifestörung"? Um dieses Gutachten geht nun die Debatte. Der Ausgangspunkt ist unstrittig: Der Lehrer wollte einen Schüler trösten, der weinend auf dem Bauch lag, er streichelte ihn dabei unter dem Hemd auf dem nackten Rücken, der Schüler selber und auch seine umstehenden Kameraden empfanden dies als unangenehm und eine Grenzüberschreitung, sie beschwerten sich, die Schule informierte die Eltern der Gruppe. Das war am 7. Mai 2005, am 14. Juli stellte sich der Lehrer bei Professor Pfäfflin vor. Pfäfflin findet, dass der Lehrer durchaus wieder in der Seelsorge, sogar in der Jugendarbeit eingesetzt werden könnte; zwar sprächen die Vorfälle "von sich aus dafür, dass man die Eignung von Pater R. für die Jugendarbeit in Frage stellen könnte", dem sei aber entgegenzuhalten, dass die Anlässe "nicht auf ein unbehebbares Strukturdefizit der Persönlichkeit zurückzuführen" seien, sondern lediglich "auf das, was man gegebenenfalls als eine Reifestörung bezeichnen mag". "Da dürfen wir nichts aufweichen." In einem Brief an den mittlerweile zurückgetretenen Bögle bestätigt Pfäfflin am 1. März 2010, dass 2005 "der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs damals von keiner Seite" erhoben worden sei; "auch bei der Begutachtung durch mich fanden sich diesbezüglich keine Anhaltspunkte". Das Ordinariat, sagt Lütz, "hat in der besten Absicht das Gutachten falsch interpretiert". Das sieht man dort aber nach wie vor anders: "Nach dem Dekret Delicta Gravamina von 2001 muss jeder Verdachtsfall an uns gemeldet werden", sagt der Generalvikar Beer; außerdem habe das Erzbistum die "reaktive Schulaufsicht": "Wir können nur dann aktiv werden, wenn uns etwas gemeldet wird" - und das sei unterblieben. Darin sei man sich auch mit dem zurückgetretenen Abt einig. Und nach wie vor liest man im Ordinariat das nichtöffentliche Gutachten offenbar so, dass Probleme mit dem Pater in Zukunft nicht auszuschließen seien. Und man nimmt dort die Vorwürfe sehr ernst, der Pater habe in einem zweiten Fall einem Jungen in die Unterhose gegriffen. Letztlich aber steht hinter dem Fall der Grundsatzstreit, der nicht nur die katholischen Bistümer in den kommenden Monaten beschäftigen wird: Wie soll eine Institution mit Grenzverletzungen und Übergriffen umgehen? Soll sie im Zweifel Härte zeigen - oder wird die Härte irgendwann kontraproduktiv, wie Lütz nahelegt. Für Generalvikar Beer ist diese Frage bereits entschieden: "In der katholische Kirche muss nun der Grundsatz lauten: Keine Toleranz bei Missbrauch. Da dürfen wir nichts aufweichen." Im Video: Die Leitung der Odenwaldschule hat sich bei ihren ehemaligen Schülern wegen des Missbrauchskandals entschuldigt Weitere Videos finden Sie hier
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauchsskandal-trost-oder-grenzuebertretung-1.6133
Missbrauchsskandal - Trost oder Grenzübertretung?
00/03/2010
Ein konservativer Theologe bescheinigt den Verantwortlichen des Klosters Ettal vorbildliches Verhalten - und heizt den Streit über den Umgang der Kirche mit sexuellem Missbrauch an.
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Hannelore Kraft ist nicht der Westerwelle der SPD. Mit ihrem Vorschlag, Arbeitslose Straßen reinigen zu lassen, hat sie recht. Doch das darf keine regulären Jobs vernichten. FDP-Chef Guido Westerwelle will Hartz-IV-Empfänger Schnee schippen lassen. Die SPD-Vizechefin Hannelore Kraft denkt daran, Langzeitarbeitslose beim Reinigen von Straßen einzusetzen. Trotzdem haben die Sozialdemokraten jetzt nicht ihren eigenen Westerwelle. Der FDP-Chef hat teilweise Selbstverständliches mit so viel Schaum vor dem Mund formuliert, dass sich der Eindruck aufdrängt, es gehe ihm bei seinen Tiraden über Hartz-IV-Empfänger nur um Wählerstimmen. Kraft hat dagegen, wenn auch in missverständlicher Form und mit falschen Zahlen, darauf aufmerksam gemacht, dass es Hunderttausende Dauer-Erwerbslose ohne Aussicht auf eine feste Stelle gibt. Und diese, da hat die SPD-Frau recht, sollten eine Chance haben, sich freiwillig in irgendeiner Weise sinnvoll und gemeinnützig zu betätigen. Kraft hat diese Menschen nicht aufgegeben. Sie hat nur eine Wahrheit ausgesprochen, die in den Jobcentern jeder kennt, aber manche Hartz-IV-Dauerempörte nicht wahrhaben wollen. Den gemeinnützigen Arbeitsmarkt mit permanenten Jobs für solche Langzeitarbeitslosen zu erweitern, ist allerdings schwierig und kostet Geld. Mit Straßen reinigen ist es eben nicht getan. Da ist die Gefahr groß, dass eine neue Kolonne von Straßenfegern regulär Beschäftigten den Arbeitsplatz wegnimmt. Vielmehr muss es um zusätzliche Stellen im sozialen, kulturellen oder ökologischen Bereich gehen. Weder ist dies bei vielen Ein-Euro-Jobs bislang der Fall. Noch gibt es davon genug Stellen, auch wenn das Arbeitsministerium das Gegenteil behauptet. Es wäre eine Kraftanstrengung wert, diesen wirklichen Sozialfällen eine Perspektive in einem gemeinnützigen Arbeitsmarkt zu bieten.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/hartz-iv-wahrheit-und-schneeschippen-1.21765
Wahrheit und Schneeschippen
00/03/2010
Hannelore Kraft ist nicht der Westerwelle der SPD. Mit ihrem Vorschlag, Arbeitslose Straßen reinigen zu lassen, hat sie recht. Doch das darf keine regulären Jobs vernichten.
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Wer möchte, kann im Internet live zusehen, wie Amerika gerade auf einen neuen Geschmack kommt. Knapp 99000 Menschen haben sich bei Facebook bis Montagabend als Kaffeetrinker geoutet. Und jede Minute werden es zwei, drei mehr. Prompt erheben die Aktivisten den Anspruch, eine Bewegung zu verkörpern: "Coffee Party Movement" nennen sie sich. Das ist weniger kulinarisch denn politisch gemeint. Denn die Freunde des Kaffees wollen vor allem eines: Den Trend zum Tee stoppen. Der spektakuläre Feldzug der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung war es, der die Gegenströmung kreierte. Im Januar grübelte Annabel Park - genervt von all den Fernsehreportagen über die wilden Anti-Obama-Proteste - auf ihrer Facebook-Seite öffentlich, dass man eine Gegen-Party "mit irgendwas anderem, nur keinem Tee" anzetteln müsse. Fruchtsaft, Red Bull, Cappuccino, so allerlei kam der Dokumentarfilmerin in den Sinn. Es blieb beim simplen Kaffee. Die Website und das Video auf YouTube folgten. Da steht die kleine Frau, mit einem Pappbecher des Bohnentranks in der Hand und erklärt verzagt, warum es Zeit sei, etwas Neues zu wagen: "Die Tea-Party repräsentiert nicht Amerika." Amerikas politischer Kaffee Die Kaffee-Freunde predigen vor allem Vernunft. Sie mahnen die Parteien in Washington zur Zusammenarbeit, fordern von Demokraten und Republikanern den Mut zum Kompromiss. Das klingt recht unparteiisch, ist aber - da Präsident Barack Obama nichts so dringlich braucht wie etwa das Gesetz zur Gesundheitsreform - letztlich ein Gebräu, an dem die Regierung mehr Geschmack findet als die Opposition. Am Wochenende musste Park dementieren, sie sei eine bezahlte Obama-Agentin: Sie habe 2008 zwar Wahlkampf für den Demokraten gemacht, dafür aber keinen Cent kassiert. Wie stark Amerikas politischer Kaffee ist, will die Bewegung am kommenden Samstag testen: Dann sollen alle Fans sich virtuell oder in irgendeinem Lokal als örtliches Kaffeehaus etablieren. Bis dahin muss Park viel Koffein trinken - um wachzubleiben und die mehr 300 Anfragen zu beantworten, in denen Fans aus allen Bundesstaaten um das Gütesiegel buhlen, eine ehrlich gebrannte Unterabteilung der neuen Bewegung zu sein.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/us-gesundheitsreform-kaffee-statt-tee-1.23231
Kaffee statt Tee
00/03/2010
Koffeinhaltiger Widerstand: Die "Coffee-Party-Bewegung" versammelt auf Facebook Anhänger der US-Gesundheitsreform - und läuft der "Tea-Party-Bewegung" den Rang ab.
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Senioren in Altenheimen Bücher vorlesen, in Sportvereinen helfen oder Straßen sauber halten - so stellt sich die stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Hannelore Kraft, die Zukunft von Langzeitarbeitslosen vor, die keinen regulären Job mehr finden. Aber ist es überhaupt möglich, einen "gemeinwohlorientierten Arbeitsmarkt" aufzubauen, wie es die SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen (NRW) formuliert? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema. Um welche Arbeitslosen geht es? Knapp 6,7 Millionen Menschen sind derzeit auf Hartz IV angewiesen. Von diesen Hilfsbedürftigen sind etwa 1,8 Millionen Kinder, 4,9 Millionen sind erwerbsfähig. Nur ein Teil schafft aber den Sprung zurück in ein geregeltes Berufsleben. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) stellte kürzlich fest: "Viele Bedarfsgemeinschaften bleiben lange bedürftig." Das IAB fand heraus, dass seit Einführung der Hartz-Gesetze 2005 bis Ende 2007 1,5 Millionen Hartz-IV-Haushalte durchgehend auf die staatliche Unterstützung angewiesen waren. Kraft selbst spricht von 1,2 Millionen Langzeitarbeitslosen mit besonderen Handicaps. Sieht die Bundesagentur für Arbeit das genauso wie die SPD-Politikerin? Die Zahl der Langzeitarbeitslosen beziffert die BA offiziell mit 933.000. Viele von ihnen haben gleich mehrere Vermittlungshemmnisse, wie es in der BA heißt: Sie haben zum Beispiel Schulden, sind häufig krank, ohne Berufsausbildung. Oder sie sprechen kaum Deutsch. In einem BA-Papier aus dem Jahr 2006 ist von einem "arbeitsmarktfernen Personenkreis von wenigstens 400.000" die Rede. Gemeint sind damit Menschen, die noch nie oder seit mehr als sechs Jahren nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Existiert bereits ein gemeinwohlorientierter Arbeitsmarkt? Es gibt einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt für gemeinnützige Jobs, die keine reguläre Beschäftigung verdrängen dürfen. Im Februar 2010 registrierte die BA hier 292.000 Stellen. 245.000 waren davon sogenannte Ein-Euro-Jobs, bei denen sich Hartz-IV-Bezieher ein schmales Entgelt hinzuverdienen dürfen. Die Ein-Euro-Jobs sind jedoch umstritten: Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass Ein-Euro-Jobber häufig Aufgaben der Kommunen übernehmen - und zum Beispiel als Gärtner arbeiten statt in einer Essens-Tafel warme Mahlzeiten auszuteilen. Geförderte Billig-Arbeiter verdrängen dadurch reguläre Beschäftigungsverhältnisse. Was will Hannelore Kraft ändern? Auf dem öffentlich geförderten Arbeitsmarkt sind die Jobs befristet. Die SPD-Politikerin plädiert dafür, Langzeitarbeitslose dauerhaft gemeinnützig zu beschäftigen - auf freiwilliger Basis, finanziert von der öffentlichen Hand. "Es muss darum gehen, dass diejenigen, die arbeiten wollen, sich auch einbringen können", sagt die NRW-Spitzenkandidatin. Bei der Höhe der Bezahlung wollte sie sich nicht festlegen. Es solle aber mehr geben als bei den Ein-Euro-Jobs. Ist der Vorschlag neu? Nein, im Koalitionsvertrag der früheren schwarz-roten Koalition stand bereits 2005: "Personen, deren Erwerbsfähigkeit eingeschränkt ist, und die keine Arbeit auf dem regulären Arbeitsmarkt finden können, müssen eine Perspektive bekommen." Es sei deshalb zu prüfen, ob sich für diese Gruppe von Menschen Stellen zur Verfügung stellen lassen, "die eine sinnvolle und den individuellen Möglichkeiten entsprechende Entfaltung zulassen". Entscheidendes passiert ist seitdem jedoch nicht. Wie lässt sich die Idee umsetzen? Dies geht nur über regionale Bündnisse. Experten aus der jeweiligen Kommune, der BA, von Arbeitgebern und Gewerkschaften müssten festlegen, welche gemeinnützige Arbeit sinnvoll ist und keine Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt vernichtet. Wie schwierig das ist, zeigt der Vorschlag von Kraft, Langzeitarbeitslose in Altenheimen Bücher vorlesen zu lassen. Das tun bereits jetzt sogenannte "Alltagsbetreuer", die regulär beschäftigt sind.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kraft-und-die-hartz-iv-debatte-fuer-immer-arbeitslos-1.14285
Kraft und die Hartz-IV-Debatte - Für immer arbeitslos
00/03/2010
Hunderttausende Erwerbslose sind kaum noch vermittelbar. Warum es schwierig ist, ihnen gemeinnützige Aufgaben zu übertragen: Die wichtigsten Fragen und Antworten.
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Neu veröffentlichte Akten des britischen Geheimdiensts enthüllen, wie die Hitlerjugend versucht hat, britische Pfadfinder zu unterwandern. Beide Organisationen steckten ihre Mitglieder in kurze Hosen und schlangen ihnen Tücher um den Hals. Außerdem erfreuten sich Zeltlager in abgelegener Bergwelt bei beiden großer Beliebtheit. Doch damit erschöpften sich bereits die Übereinstimmungen zwischen der britischen Pfadfinderbewegung auf der einen und der nazistischen Hitlerjugend auf der anderen Seite. Dennoch versuchte das nationalsozialistische Deutschland eine Zeitlang, organisatorische und freundschaftliche Bande zu den Wandervögeln auf den britischen Inseln zu knüpfen. Treffen mit Hitler in Aussicht gestellt Wie aus vertraulichen Akten des Inlandsgeheimdienstes MI5 hervorgeht, die nun erstmals veröffentlicht wurden, ordnete Berlin eine regelrechte Charme-Offensive an, mit der Robert Baden-Powell, der greise Gründer der Boy Scouts, für das Projekt gewonnen werden sollte. Demnach versprach der damalige deutsche Botschafter in London und spätere Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop Baden-Powell am Rande eines Empfanges in London im November 1937 ein persönliches Treffen mit Adolf Hitler. Zuvor hatte Hartmann Lauterbacher, der sogenannte Obergebietsführer der HJ, England besucht. Der Pfadfinder-Führer fühlte sich offenbar geschmeichelt. Höflich bedankte er sich für die "freundliche Unterredung, die meine Augen geöffnet hat für das Gefühl, das Ihr Land Großbritannien entgegenbringt und das sich genau deckt mit dem Gefühl, das ich für Deutschland habe". In einem Rundschreiben an die Führer seiner Organisation schwärmte Baden-Powell von dem deutschen Botschafter als einem "charmanten Mann, der viele Verwandte in England" habe. "In Indien habe ich seinen Onkel gekannt", fügte der alte Herr hinzu, als ob damit alle Zweifel an Ribbentrop und seinen Avancen ausgeräumt wären. Kundschafter auf dem Fahrrad Zu einer Zusammenarbeit kam es dann jedoch nicht, weil die britische Regierung dies strikt ablehnte. "Die Hitlerjugend ist keine Pfadfinderorganisation", hieß es in einem vertraulichen Dokument der beiden Geheimdienste MI5 und MI6. "Es ist eine Zwangsformation der Nazis, die ganz bewusst Hass, Verrat und Grausamkeit in Geist und Seele eines jeden deutschen Kindes zu säen versucht. Dies ist, im Wortsinne, eine "Erziehung für den Tod". Vor allem aber hatte der Geheimdienst nach einem angeblich in der Zeitschrift Der deutsche Radfahrer veröffentlichten Artikel Verdacht geschöpft. Darin waren junge Deutsche, die Radtouren auf den Inseln unternahmen, aufgefordert worden, Augen und Ohren offen zu halten, weil die so gewonnenen Kenntnisse "einmal zum Nutzen des Vaterlandes" verwendet werden könnten. "Prägt euch Straßen und Wege, Dörfer und Städte, herausragende Kirchtürme und andere markante Orientierungspunkte ein", hieß es. "Kommt ihr an eine Brücke, so untersucht, wie sie gebaut ist und aus welchem Material. ... Watet durch Furten, damit ihr sie in der Dunkelheit wiederfindet." Da die deutschen Pimpfe in ihren auffälligen Uniformen auf ihren Radwanderungen auch landschaftlich weniger reizvolle Ziele wie das Stahlwerk in Sheffield oder den Gasometer in Glasgow ansteuerten, erhärtete sich der Verdacht, dass es sich bei ihnen um sogenannte "spyclists" handelte - Spione auf dem Rad. Die Polizei beschattete sie und führte Protokoll, wenn die Deutschen zu Würstchen mit Kartoffelbrei eingeladen wurden oder Mützen mit Pfadfindern tauschten. Die Veröffentlichung der Dokumente dürfte freilich jenen Kritikern Baden-Powells Auftrieb geben, die dem erzkonservativen Berufsoffizier schon immer latente Nazi-Sympathien unterstellt haben. Tatsächlich lobte er Mein Kampf als "wunderbares Buch mit guten Ideen". Genützt hätte es ihm aber nichts: Baden-Powells Name stand auf der Liste jener Briten, die nach einer deutschen Besetzung Großbritanniens verhaftet werden sollten.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/hitlerjugend-in-england-spyclists-spione-auf-fahrraedern-1.17550
"Hitlerjugend in England - ""Spyclists"" - Spione auf Fahrrädern"
00/03/2010
Neu veröffentlichte Akten des britischen Geheimdiensts enthüllen, wie die Hitlerjugend versucht hat, britische Pfadfinder zu unterwandern.
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mlsum_de-train-584
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Hans Altendorf, Direktor der Stasiakten-Behörde, war Mitglied im Sozialistischen Hochschulbund - und räumt ein, die DDR als Student verklärt zu haben. Hans Altendorf, 61, ist Direktor der Stasiakten-Behörde. Im Jahr 2001 warf man ihm vor, er sei bei der Aufarbeitung des Kommunismus befangen, weil er im Sozialistischen Hochschulbund (SHB) war, der von 1971 an mit dem Marxistischen Studentenbund Spartakus kooperierte. Behörden-Chefin Marianne Birthler sagte dazu am Montag: "Es gibt für mich keinen Grund, dem Behördendirektor mein Vertrauen zu entziehen." SZ: Herr Altendorf, wie lange waren Sie im SHB aktiv? Hans Altendorf: Ich bin 1969 in die SPD und den damals noch Sozialdemokratischen Hochschulbund, SHB, eingetreten, ein förmliches Austrittsdatum gibt es nicht. Ich habe meine Aktivitäten nach 1972/73 ausklingen lassen, war nicht mehr in herausgehobener Weise tätig. Die Formulierung, ich sei ausgestiegen, als der SHB sich der DDR zuwandte, stammt nicht von mir. Über die Beurteilung realsozialistischer Staaten wurde sehr gestritten. SZ: Sah die Studentenbewegung die DDR nicht generell zu rosig? Altendorf: Sicher. Und ich räume auch selbstkritisch ein, und zwar nicht erst seit ich in der Behörde bin, dass unsere Reflexion der DDR und des kommunistischen Machtbereichs zu wünschen übrigließ. Ich bedaure heute, dass ich damals nicht ebenso kritisch Richtung Osten geschaut habe wie Richtung Westen, auf den Militärputsch in Chile etwa. SZ: Warum kommt dieses Eingeständnis so spät? Bei Amtsträgern mit Stasi-Akte fordern Sie auch Ehrlichkeit. Altendorf: Stasi-IM und Studentenbewegung lassen sich nicht gleichsetzen. Aber ich biete zunächst dem Beirat unserer Behörde hierzu Gespräche an. Es gab dort ja bereits 2001 ein Gespräch. SZ: Warum waren Sie nicht offener? Altendorf: Vielleicht habe ich das Interesse an meinen studentischen Aktivitäten nicht so hoch eingeschätzt. Es spielte vorher in meinem Beruf keine Rolle. SZ: Wie sehen Sie Ihre Aktivitäten im Weltfriedensrat heute? Altendorf: Ich halte das für einen groben politischen Fehler und Irrtum. Das war eine Organisation, die friedensbewegte Menschen im Westen ansprach, gerade solche, die nicht Moskau-nah waren, etwa Pastor Niemöller. Damit wurde eine politische Breite suggeriert, die real nicht vorhanden war. Ich wünschte, ich wäre da früher ausgestiegen. Es gab missbräuchliche Eingemeindungen, und im Ergebnis ging es nicht um pluralistische Diskussionen und den Frieden, sondern um die Zuordung zur Linie Moskaus. SZ: Beschädigt Ihre politische Vergangenheit Sie in Ihrem Amt? Altendorf: Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Diese Erkenntnisse, die in mir gereift sind, lange vor der Wende, haben meinen Blick auf Unrecht und Diktaturen in der östlichen und in der westlichen Hemisphäre geschärft.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/direktor-der-stasiakten-behoerde-ein-grober-politischer-fehler-1.23040
"Direktor der Stasiakten-Behörde - ""Ein grober politischer Fehler"""
00/03/2010
Hans Altendorf, Direktor der Stasiakten-Behörde, war Mitglied im Sozialistischen Hochschulbund - und räumt ein, die DDR als Student verklärt zu haben.
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Die SPD-Spitzenkandidatin in NRW überrascht mit ihren Vorschlägen zu Hartz IV sogar die eigene Partei - doch die Genossen stellen sich hinter Hannelore Kraft. Die Spitze der SPD-Bundespartei ist bemüht, die Aufregung um den jüngsten Vorstoß der Vize-Vorsitzenden und NRW-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft über gemeinnützige Arbeit für Langzeitarbeitslose zu dämpfen. Das Parteipräsidium stellte sich am Montag in einer Sitzung in Berlin hinter Kraft und unterstützte grundsätzlich deren Vorschlag, Hartz-IV-Empfänger länger als bislang möglich für gemeinnützige Tätigkeiten einzuspannen, wenn diese keine Aussichten auf Beschäftigung im regulären Arbeitsmarkt hätten. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sah sich nach der Präsidiumssitzung genötigt, den Vorschlag von Kraft zu erläutern und zu präzisieren. Kraft und der SPD gehe es nicht darum, zusätzlichen Druck auf Langzeitarbeitslose auszuüben. SPD plant bei Hartz-IV-Revision mit Kraft Ziel sei ein Umbau der bisherigen Praxis der Ein-Euro-Jobs, die auf ein halbes Jahr befristet seien. Langzeitarbeitslose, die nicht vermittelbar seien, müssten mehr Möglichkeiten und Chancen erhalten. "Da müssen wir uns was Besseres einfallen lassen", sagte Nahles. Der für kommenden Montag angekündigte Vorschlag der Parteiführung zur Revision einiger Punkte der in rot-grünen Regierungszeiten entstandenen Hartz-IV-Reformen enthalte einen ähnlichen Vorstoß. "Wir werden dies weiterverfolgen in unserem Gesamtkonzept. Die Vorschläge von Frau Kraft werden darin eingehen", sagte Nahles. Sie stellte auch klar, dass die SPD Langzeitarbeitslose nicht zur ständigen Arbeitssuche verpflichten wolle. Wer ein solches gemeinnütziges Arbeitsangebot annehme, müsse in der Zeit keine Sanktionen fürchten, wenn er andere Arbeiten ablehne. Sie machte an einem Beispiel deutlich, was die SPD und Kraft planen. Ein Arbeitsloser mit psychischen Problemen könne davon profitieren, wenn ihm gemeinnützige Arbeit für länger als die bislang zulässigen sechs Monate erlaubt werde, sagte die Generalsekretärin. Sie machte auch deutlich, dass die Sozialdemokraten keine großangelegte Ausweitung der bisherigen Ein-Euro-Jobs planen, die mit hohen Kosten verbunden wäre. Es gehe um mehr Angebote für eine ganz spezifische Gruppe von Arbeitslosen. "Arbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt" Trotz aller Unterstützung wurden in der Parteispitze aber auch Irritationen über die Art und Weise deutlich, wie Kraft ihren Vorschlag am Wochenende präsentiert hatte. Es gebe Zweifel, ob ein relativ kurzes Gespräch mit dem Spiegel für ausreichende Klarheit einer solchen Botschaft sorgen könne. Kraft und die SPD hatten aus allen anderen Parteien zum Teil heftige Kritik für den Vorstoß geerntet. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wies den Vorstoß zurück. Die Äußerung, ein Viertel der Langzeitarbeitslosen sei auf dem regulären Arbeitsmarkt chancenlos, sei problematisch, sagte eine Ministeriumssprecherin in Berlin. "Wir müssen alles tun, damit Arbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt kommen", betonte sie. Auch die Grünen, die Linkspartei sowie Gewerkschaften und Sozialverbänden zeigten sich erstaunt über Kraft und verglichen ihren Vorstoß mit der jüngsten Sozialstaatsdiskussion von Vizekanzler und FDP-Chef Guido Westerwelle. Nahles nahm Kraft vor diesen Anschuldigungen in Schutz; sie sagte, einige der Kritiker hätten nicht verstanden, um was es ginge, und widersprach energisch dem Eindruck, Kraft hege ähnliche Vorstellungen wie Westerwelle. In einem SPD-Präsidiumsbeschluss warf die SPD Westerwelle zugleich vor, eine "verfassungswidrige" flächendeckende Absenkung der Hartz-IV-Sätze verlangt zu haben und rügte den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, der ebenfalls in Missachtung der Verfassung einen verpflichtenden Arbeitsdienst vorgeschlagen habe. Die Diskussion um die Äußerungen von Kraft kommt zu einem für die SPD misslichen Zeitpunkt. In einer Woche will sie ihr innerparteilich bedeutsames Konzept zur Korrektur der Hartz-IV-Beschlüsse vorlegen. Bislang ist keine Abkehr von den Grundsätzen der umstrittenen und von zahlreichen Parteimitgliedern kritisierten Reform geplant. Erwogen wird eine Verlängerung der Zahlungen des Arbeitslosengeldes I für Arbeitssuchende, die sich beruflich weiterqualifizieren. Für die aus den eigenen Reihen erhobene Forderung, für Arbeitslose, die viele Jahre lang gearbeitet haben, dauerhaft zusätzliche Zuschläge auf Hartz-IV-Sätze zu zahlen, gab es in der SPD-Spitze dem Vernehmen nach bislang keine Zustimmung.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/sozialdemokraten-stuetzen-kraft-kraft-voraus-spd-hinterher-1.2241
Sozialdemokraten stützen Kraft - Kraft voraus, SPD hinterher
00/03/2010
Die SPD-Spitzenkandidatin in NRW überrascht mit ihren Vorschlägen zu Hartz IV sogar die eigene Partei - doch die Genossen stellen sich hinter Hannelore Kraft.
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In der Hartz-IV-Debatte geht es um "faule Arbeitslose". Dabei gibt es Konzepte, mit denen man Menschen Arbeit und Würde zurückgeben kann, die auf dem Arbeitsmarkt chancenlos sind. Was ist das für eine scheinheilige Debatte. Seit Jahrzehnten ist es das Gleiche: Der Arbeitsmarkt bietet zu wenig Platz für alle. Viele Menschen haben da keine Chance. Sei es, weil sie sich in langen Arbeitsjahren kaputtmalocht haben und nun zu alt für ihren Job genannt werden. Sei es, dass sie es in der Schule nicht schafften, sich für einen Beruf zu qualifizieren. Und doch müssen sie sich vorhalten lassen, sie seien nur faul. Das soziale Netz fängt alle auf. In Deutschland ist es bei allen Unzulänglichkeiten und Ungerechtigkeiten zum Glück immer noch engmaschiger gestrickt als anderswo. Dennoch: Niemand wünscht sich, von Hartz IV abhängig zu sein. Und jeder, der drin ist, will so schnell wie möglich wieder heraus. Die, die das anders sehen, sind die absoluten Ausnahmen. Die meisten schaffen es ganz allein, sich aus dem Netz zu befreien. Sie brauchen kein Jobcenter, keinen Sachbearbeiter, kein Drohen mit Sanktionen. Aber es gibt eben auch die, die das nicht können. Einige sehr wenige mögen es sich mit Hartz IV eingerichtet haben. Aber viele brauchen und wollen Hilfe, einen Anstoß, vielleicht auch noch einen und noch einen, weil sie es alleine nicht schaffen. Die SPD-Spitzenkandidatin in Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, sagt, etwa ein Viertel aller heutigen Hartz-IV-Empfänger hätten keine Chance mehr auf dem ersten Arbeitsmarkt. Die Zahl mag zu hoch gegriffen sein. Doch das ist nicht die Frage. Entscheidend ist, es gibt diese Menschen. Kraft sagt auch nicht, dass sie diese Menschen fallenlassen will, wie ihre politischen Gegner kolportieren. Sie stellt nur die Frage: Was kann diesen Menschen helfen? Es sind Menschen, die das Gefühl verinnerlicht haben, nicht mehr gebraucht zu werden. Sie sind nicht faul, sie sind resigniert. Sie bekommen staatliche Stütze und Politiker wie FDP-Chef Guido Westerwelle halten das für anstrengungslosen Wohlstand. Eine Verhöhnung. Als ob sich diese Menschen ihr Schicksal ausgesucht haben. Westerwelle rät dazu, diese Menschen zum Schneeschippen einzusetzen. Mehr hat er inhaltlich zu der Debatte nicht zu sagen. Auch Hannelore Kraft will die Menschen dazu bringen, wieder zu arbeiten. Sie könnten etwa Straßen säubern oder sich in Vereinen engagieren. Ihr geht es dabei um mehr. Im Prinzip ist es schon tägliche Realität, dass Hartz-IV-Empfänger etwas Gutes tun. Pro Jahr beginnen 700.000 Hartz-IV-Empfänger einen Ein-Euro-Job. Sie pflegen Parks, säubern Spielplätze, kümmern sich um alte Menschen. 700.000 von 5,2 Millionen Erwachsenen, die auf die staatliche Hilfe angewiesen sind. Das Instrument war ursprünglich dazu gedacht, Menschen wieder an Arbeit zu gewöhnen. Darum sind die Grenzen eng gesteckt. Die Kommunen können keine zusätzlichen Ein-Euro-Jobs mehr bereitstellen, ohne Gefahr zu laufen, dem ersten Arbeitsmarkt Aufträge zu entziehen. Dass es nur ein Euro pro Stunde ist, den Jobber sich zu ihren Hartz-IV-Bezügen hinzuverdienen dürfen, ist das kleinere Problem. Hauptproblem ist, dass Ein-Euro-Jobs zeitlich auf maximal ein Jahr befristet sind. Im Schnitt bleibt ein Erwerbsloser nur sechs Monate dabei. Nicht, weil er danach einen regulären Job gefunden hätte. Es stehen einfach zu viele hinten an. Das Einkommen müsste nicht höher sein als bei Hartz IV Kraft hat recht, wenn sie fordert, es müsse fristlose Beschäftigungsverhältnisse für solche Menschen geben. Eine Art dritten Arbeitsmarkt, der jenen das Gefühl gibt, wertvoll zu sein für die Gesellschaft; denen der erste Arbeitsmarkt offenkundig nichts mehr zu bieten hat. Die Gesellschaft darf zu Recht erwarten, dass ein Hartz-Empfänger eine Gegenleistung erbringt für das Geld, das er bekommt. Nur ist der Schluss falsch, dass Hartz-Empfänger das generell anders sähen. Sie arbeiten in der Regel gerne und freiwillig. Nur gibt es nicht genug solcher Jobs für alle. Möglich aber wäre das. Krafts Vorschlag geht in diese Richtung: Es geht um das Konzept der "öffentlich geförderten Beschäftigung", das seit einigen Jahren in der Diskussion ist. Verkürzt gesagt: Langzeitarbeitslose bekommen statt Hartz IV ein garantiertes staatliches Einkommen, wenn sie sich im besten Sinne gemeinnützig machen. Das Einkommen müsste nicht mal zwingend höher sein als Hartz IV, auch wenn das wünschenswert wäre. Es müsste nur ein vollkommen freiwilliges Angebot sein. Ohne Druck. Ohne Gängelung. Ohne Sanktionen. Westerwelle würde sich wundern, wie viele Menschen ohne zu zögern auf ihren "anstrengungslosen Wohlstand" verzichten würden. Dann wären endlich auch die leidigen Debatten über "faule" Arbeitslose hinfällig, weil diese als die Randerscheinung wahrgenommen werden würden, die sie sind. Öffentlich geförderte Beschäftigung wäre eine Chance, den Betroffenen zurückzugeben, was sie oft lange vermisst haben: ihre Würde.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/sozialstaat-deutschland-wuerde-statt-abstellgleis-1.9839
Sozialstaat Deutschland - Würde statt Abstellgleis
00/03/2010
In der Hartz-IV-Debatte geht es um "faule Arbeitslose". Dabei gibt es Konzepte, mit denen man Menschen Arbeit und Würde zurückgeben kann, die auf dem Arbeitsmarkt chancenlos sind.
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Die Taliban führen nicht nur Krieg gegen die Regierung: 50 Menschen sterben bei Kämpfen mit rivalisierenden Extremisten. Kurzmeldungen im Überblick Bei schweren Gefechten zwischen rivalisierenden radikal-islamischen Aufständischen im Einsatzgebiet der Bundeswehr im Norden Afghanistans sind mehr als 50 Menschen getötet worden. Wie der Polizeichef der Provinz Baghlan, Kabir Andarabi, mitteilte, stehen sich im Distrikt Baghlan-e-Markasi seit Samstag schwer bewaffnete Kämpfer der Taliban und Anhänger der Hesbi-Islami-Bewegung des Kriegsherrn Gulbuddin Hekmatyar gegenüber. Die Kämpfe dauerten an. Nach Angaben von Stammesältesten war zwischen den Gruppen ein Streit um die Vorherrschaft in dem Gebiet eskaliert. Hesbi-Islami ist vor allem in den nördlichen Provinzen Baghlan und Kundus aktiv. Wie die Taliban kämpft die Bewegung gegen die afghanische Regierung und die internationalen Truppen im Land. Warum Außenminister Westerwelle seine Reispläne für Südamerika änderte und in Nahost neue Hoffnung auf Friedensgespräche keimt: Auf den folgenden Seiten finden Sie weitere Kurzmeldungen. Im Video: Einem Arzt in Lahore zufolge ist auch ein Kind unter den Toten des Selbstmord-Attentates. Weitere Videos finden Sie hier
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https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-islamisten-gegen-islamisten-1.1857
Politik kompakt - Islamisten gegen Islamisten
00/03/2010
Die Taliban führen nicht nur Krieg gegen die Regierung: 50 Menschen sterben bei Kämpfen mit rivalisierenden Extremisten. Kurzmeldungen im Überblick
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Wer Arbeitslosen helfen will, sollte den öffentlichen Dienst ausbauen oder die Unternehmen zahlen lassen - findet Erwerbslosensprecher Martin Behrsing. Hannelore Kraft erntet für ihre Idee, einen gemeinwohlorientierten Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose aufzubauen, herbe Kritik. "Frau Kraft stößt in das gleiche Horn wie die Herren Westerwelle und Koch - einziger Unterschied, dass sie noch auf Freiwilligkeit setzt", sagte Martin Behrsing, Geschäftsführer der Initiative Erwerbslosen Forum Deutschland, im Gespräch mit sueddeutsche.de. Kraft, stellvertretende Bundesvorsitzende und NRW-Landeschefin der SPD, hatte dem Spiegel mit Blick auf Langzeitarbeitslose gesagt: "Diese Menschen können zum Beispiel in Altenheimen Senioren Bücher vorlesen, in Sportvereinen helfen oder Straßen sauberhalten." Die Tätigkeit sollte auf freiwilliger Basis und gegen einen symbolischen Aufschlag auf die Hartz-IV-Sätze erfolgen. "Ich bin empört, wenn Frau Kraft davon spricht, Langzeitarbeitslosen durch Vorlesen in Altenheimen Würde und eine Perspektive zu geben", sagt Erwerbslosensprecher Behrsing. Man müsse diesen Menschen genug Geld zur Verfügung stellen, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können - unabhängig von gemeinnütziger Tätigkeit. Behrsing findet: "Wir brauchen keine weiteren Ein- oder Zwei-Euro-Jobs." Schon jetzt fielen durch Ein-Euro-Jobs viele reguläre Arbeitsplätze weg, "und zwar insbesondere bei Sozialverbänden oder in Kommunen". Seiner Meinung nach solle man den öffentlichen Dienst ausbauen und dort schwer Vermittelbare regulär beschäftigen. Dieser kostspielige Vorschlag ist angesichts leerer Gemeindekassen aber wohl nur ein Wunschtraum. "Sozialpädagogikstudium wird überflüssig" Laut Behrsing sei in Berlin sogar die Leitung der Schuldnerberatung einmal als Ein-Euro-Job ausgeschrieben worden, "gesucht wurde jemand mit abgeschlossener Hochschulausbildung". Wenn man diese Praxis ausdehne, "brauchen wir am Ende keine Ausbildung mehr in der Altenpflege, von Erzieherinnen, auch das Sozialpädagogikstudium kann man dann abschaffen", klagt Behrsing. Derweil legte Kraft am Montagmorgen im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk nach: Es müsse darum gehen, dass diejenigen, die arbeiten wollen, sich einbringen können. Sie denke an Hartz-IV-Empfänger, die "mehrfache Vermittlungshemmnisse haben, wo man davon ausgehen kann, dass sie keinen regulären Arbeitsplatz mehr finden". Denen müsse man öffentlich finanziert und auf Dauer die Chance geben zu arbeiten. "Jetzt sind die Unternehmen dran" Kraft habe auch davon gesprochen, dass Arbeitslose mit gemeinnütziger Arbeit der Gesellschaft etwas zurückgeben könnten, sagt Behrsing: "Da sind jetzt andere dran, zurückzugeben", hält er dagegen: "die Wirtschaft, die Unternehmen, die in den letzten Jahren massiv entlastet worden sind und die Leute trotzdem in die Arbeitslosigkeit getrieben haben." Behrsing hält auch das Argument für haltlos, Langzeitarbeitslose hätten auf einem gemeinwohlorientierten Arbeitsmarkt wieder eine Aufgabe: "Wer sich in der Gesellschaft engagieren möchte, kann das auch jetzt schon tun - und die Bereitschaft ist da." Es sei momentan nicht das vordringliche Problem, dass sich Menschen nutzlos vorkommen, "sondern dass sie auf Grund der geringen Hartz-IV-Sätze isoliert sind und nicht die Möglichkeit haben, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen". Schließlich sei er "entsetzt", sagte Behrsing, dass der Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in Nordrhein-Westfalen, Guntram Schneider, Krafts Vorstoß gegen Kritik verteidigt hatte. "Wir brauchen die Diskussion über einen dritten kommunalen Arbeitsmarkt für Menschen, die so viele Handicaps haben, dass sie in reguläre Beschäftigung nicht zu vermitteln sind", hatte Schneider der Essener WAZ-Mediengruppe gesagt. "Das ist ein Affront gegen Erwerbslose", urteilt Behrsing. "Nicht jeder Bereich für Langzeitarbeitslose geeignet" Mittlerweile distanziert sich der DGB von dieser Aussage. DGB-Vorstand Annelie Buntenbach sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, unbezahlte gemeinnützige Arbeit sei "kein Weg aus der Langzeitarbeitslosigkeit". Nötig sei ein staatlich geförderter zweiter Arbeitsmarkt mit angemessener Bezahlung. Von unbezahlten Tätigkeiten und Ein-Euro-Jobs gehe die Gefahr aus, dass sie reguläre Arbeitsplätze vernichten. "Deshalb muss Hannelore Kraft klarstellen, wohin die Reise gehen soll", forderte Buntenbach Auch Vertreter von Sozialverbänden kritisierten Krafts Ideenspiele. Der Vorstoß der 48-Jährigen sei "missverständlich", sagte etwa die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, der Frankfurter Rundschau. Es gebe bereits heute eine beachtliche Zahl von gemeinnützigen Jobs in Kommunen oder bei Wohlfahrtsverbänden. Es sei auch nicht jeder Bereich sozialer Arbeit für Langzeitarbeitslose geeignet. "Pflegeheime sind es ganz sicher nicht. Schwer- und schwerstpflegebedürftige Menschen brauchen Pflegekräfte mit hohem fachlichen und persönlichen Qualifikationen", sagte die VdK-Chefin.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/hartz-iv-debatte-kontra-kraft-1.24519
Hartz-IV-Debatte - Kontra Kraft
00/03/2010
Wer Arbeitslosen helfen will, sollte den öffentlichen Dienst ausbauen oder die Unternehmen zahlen lassen - findet Erwerbslosensprecher Martin Behrsing.
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Ein Missbrauchsfall nach dem anderen kommt ans Licht. Es zeigt sich: Für die Kirche zählt der schöne Schein noch immer mehr als das Wohl der Kinder. Wer durch deutsche Landschaften geht, erfährt an jeder Ecke, wie sehr das Christentum dieses Land geprägt hat: An den Autobahnen laden Kapellen zur Rast. An Wegen wachen Marienstatuen über die Wanderer. Auf den Bergen ragen Gipfelkreuze in die Höhe, und zumindest im Süden der Republik hängen Kruzifixe in Klassenzimmern und Gerichtssälen. Wenn Politiker das christliche Abendland preisen, dann klingt das zwar aufgesetzt, aber falsch ist es nicht: Deutschland ist tief geprägt von seiner christlichen Geschichte. Staat und Kirche sind in einem Maße miteinander verwoben, wie es in vielen anderen europäischen Ländern unvorstellbar ist. Der Staat zieht die Kirchensteuer ein, er zahlt aus Steuermitteln das Gehalt der Bischöfe, er gibt Geld für jeden kirchlichen Kindergartenplatz. Auch deshalb trifft die Missbrauchskrise die katholische Kirche mit besonderer Härte. Fast täglich bekennen sich Priester und Ordensleute nun dazu, dass sie Kinder missbraucht und geschlagen haben, dass sie davon gewusst, aber die Polizei nicht informiert haben. Das erschüttert eine Gesellschaft, die bisher großes Vertrauen in die Erziehungsleistung der Kirche setzte: Noch immer wächst die Zahl der Schüler in katholischen Internaten, weil sich die Eltern dort besondere Fürsorge für ihre Kinder versprechen. Bisher galt auch das Kloster Ettal als Vorzeige-Internat - nun stellt sich heraus, dass ein Pater Kinderpornos herunterlud, die Bilder von halbnackten Schülern auf Pädophilen-Seiten ins Internet stellte und Schüler systematisch verprügelt wurden. Statt Aufklärung zu fordern schließen sich viele Ehemalige lieber eng zusammen und beteuern sich gegenseitig, dass alles doch gar nicht so schlimm gewesen sei. Natürlich betonen die betroffenen Internate, Orden, Bistümer, wie leid ihnen das alles tue, wie sehr sie sich schämten. Doch das alles ist so lange Schall und Rauch, solange man zum Kern des Problems nicht vordringt. Wo Autorität und Gehorsam viel bedeuten und kritische Fragen als unbotmäßig gelten, dort wird besonders hartnäckig geschwiegen und vertuscht. Noch viel zu häufig halten selbst die Betroffenen das Bild von der unversehrten Gemeinschaft hoch, fühlen sich als Elite. Dass solche geschlossenen Systeme zur Verletzung der Privatsphäre geradezu einladen, das wird noch immer nicht erkannt. Wer sich als Elite fühlt, der kann nicht Opfer sein. Auch die Kirche ist nicht wirklich bereit, Konsequenzen zu ziehen. Noch immer will sie lieber erst intern prüfen, ob ein Verdacht auf Missbrauch zutrifft. Noch immer will sie im Stillen entscheiden, ob man einen Verdacht an die Staatsanwaltschaft weiterleitet. Es gibt keine Anzeigepflicht für sexuellen Missbrauch, in der Kirche nicht und auch bei Jugendämtern nicht. Aber eine Schule oder eine Behörde, die es ernst meint mit der Fürsorge, schaltet frühzeitig die Staatsanwaltschaft ein.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauchsskandal-der-kirchliche-makel-1.13390
Missbrauchsskandal - Der kirchliche Makel
00/03/2010
Ein Missbrauchsfall nach dem anderen kommt ans Licht. Es zeigt sich: Für die Kirche zählt der schöne Schein noch immer mehr als das Wohl der Kinder.
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Bundesentwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) plant einen weit massiveren Umbau der deutschen Entwicklungshilfeorganisationen als bisher bekannt. So soll die im Besitz des Bundes befindliche Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) nicht nur mit dem Deutschen Entwicklungsdienst (DED) und der Bildungsagentur Inwent fusionieren. Nach SZ-Informationen soll die mit weltweit 13.000 Mitarbeitern sehr mächtige GTZ auch stärker unter die Kontrolle des Ministeriums kommen. Sie könnte sogar ihren Namen und ihren Hauptsitz in Eschborn, wo 1800 Beschäftigte arbeiten, verlieren. Mit der Fusion von GTZ, DED und Inwent sollen einige hundert Stellen und eine Millionensumme an Kosten eingespart werden. Nach Ansicht der Ministeriumsspitze hat sich die GTZ in den vergangenen Jahren zu sehr von der politischen Führung und von den Zielvorgaben des Ministeriums entfernt. Niebel möchte dem Ministerium deshalb gegenüber der GTZ mehr Macht verleihen und zugleich die verschiedenen Organisationen zusammenlegen, um dem Auftritt der deutschen Entwicklungshilfe im Ausland ein einheitliches Gesicht zu geben. Kritiker dieser Linie sagen, Niebel wolle künftig in den Partnerländern einfach "das deutsche Fähnchen hissen". Befürworter einer Reform erwidern, mit einem einheitlichen Auftritt werde sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit erst wieder richtig kenntlich machen. Ministeriumsintern wird das Bestreben als "Höllenritt" bezeichnet, weil Niebel für sein Ziel die Unterstützung des Parlaments braucht und in der GTZ viele vom bisherigen System gut leben würden. Das zeige sich etwa daran, dass nicht das politisch verantwortliche Ministerium die Leistung der GTZ evaluiere, sondern die GTZ selbst. Das soll sich nun ändern. In der Vergangenheit hat es oft Klagen der Partnerländer gegeben, weil der Auftritt der deutschen Entwicklungshelfer unübersichtlich sei, was die Zusammenarbeit erschwere. Intern ist deshalb von massiven Effizienzverlusten die Rede. Außerdem wird intern kritisiert, dass sich die GTZ immer stärker auf Drittgeschäfte mit anderen Auftraggebern konzentriert und ihre Kernaufgabe, die Erfüllung der Aufträge der Bundesregierung, vernachlässigt habe. Die GTZ betreibt Vertretungen in 87 Ländern und arbeitet mit 128 Ländern zusammen. Ihr Jahresumsatz betrug 2008 rund 1,22 Milliarden Euro. Der DED und Inwent haben jährliche Budgets von 140 Millionen und 100 Millionen Euro. Der DED hat 830 Mitarbeiter, Inwent 200. Angesichts der Umbaupläne ist ein Machtkampf ausgebrochen, im Ministerium selbst, aber auch zwischen Niebels Haus und der GTZ. Während die Ministeriumsspitze begonnen hat, bei Parlamentariern für die Fusion zu werben, rüstet sich auch die GTZ, weil sie keine Macht aufgeben möchte. Vom Ministerium um eine Stellungnahme gebeten, erklärte die GTZ, sie halte nichts von der Gründung eines neuen Unternehmens und plädiere für eine Fusion, bei der DED und Inwent "den rechtlichen Rahmen der GTZ übernehmen". Begründung: "Die Verfasstheit der GTZ" biete bestmögliche Gewähr, die Ziele umfassend und ohne wesentliche zeitliche Verzögerungen zu erreichen. In einem beigefügten juristischen Gutachten heißt es weiter, dass andere Lösungen die Gefahr mit sich brächten, bei Übertragung von Immobilieneigentum an ein neu zu schaffendes Unternehmen Grunderwerbssteuer bezahlen zu müssen und womöglich die Gemeinnützigkeit zu verlieren. Bei einem internen Treffen der Ministeriumsspitze mit den Geschäftsführern von GTZ, DED und Inwent am Wochenende ist der große Krach nach Informationen der SZ indes ausgeblieben. Auch zur Überraschung des Ministeriums signalisierten alle drei Organisationen, dass sie den Konflikt nicht auf die Spitze treiben wollten. Stattdessen, so hieß es, hätten alle Seiten sich verständigt, in "einem kooperativen Stil" über ein "identitätsstiftendes Geschäftsmodell" zu verhandeln. Entsprechende Gespräche sollen an diesem Montag beginnen. Das BMZ trifft derzeit auch scharfe Kritik von außen. Denn seit dem Regierungswechsel hat Minister Niebel einen Großteil der Führung mit FDP-Mitgliedern besetzt. Dazu zählt auch der Politologe Tom Pätz, der den Umbau von GTZ, DED und Inwent organisieren soll. Niebel wurde am Wochenende auch von der Opposition kritisiert, weil er im Hamburger Abendblatt das Ziel infrage stellte, dass Deutschland bis 2015 seine Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts aufstocken werde.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/entwicklungshilfe-soll-umgebaut-werden-niebel-und-der-hoellenritt-1.8295
"Entwicklungshilfe soll umgebaut werden - Niebel und der ""Höllenritt"""
00/03/2010
Alles hört auf sein Kommando: Dirk Niebel will die Hilfsorganisation GTZ stärker unter seine Kontrolle bringen. Doch sogar im eigenen Haus formiert sich bereits Protest.
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Merkels Medienberaterin Eva Christiansen steigt auf zur Doppelreferatsleiterin im Kanzleramt. Sie dürfte inzwischen mächtiger sein als der formale Chef des Hauses. Manche behaupten von ihr, sie wisse mehr über Angela Merkel als der Kanzlerin-Gatte Joachim Sauer. Eva Christiansen gehört zum engsten Kreis um die CDU-Chefin, zum inner circle - so wie die getreue Büroleiterin Beate Baumann. Merkel, Baumann, Christiansen - das wurde in der Presse als Girls Camp im Kanzleramt vorgeführt. Jetzt bedankt sich Angela Merkel für die treuen Dienste. Eva Christiansen leitet - wie jetzt bekannt wurde - seit Anfang März neben dem von der Kanzlerin speziell für Christiansen geschaffenen Referat Medienberatung auch das Referat "Politische Planung, Grundsatzfragen, Sonderaufgaben". Damit sind Christiansen jetzt unter anderem auch Merkels Redenschreiber unterstellt. Eva Christiansen hat damit die komplette Außenwirkung der Kanzlerin unter sich. Sie sagt, wie das Licht im Fernsehstudio für das Kanzlerduell zu sein hat. Sie bestimmt, welchen Medien wann Interviews mit der Kanzlerin gewährt werden. Sie gibt vor, in welchem Duktus ihre Reden zu schreiben sind. Sie berät die Kanzlerin auch, wenn es um die Garderobe für die Wagner-Festspiele in Bayreuth geht. Während Regierungssprecher Ulrich Wilhelm die Stimme Merkels im politischen Alltagsgeschäft ist, ist Christiansen für das look and feel der Kanzlerin, für das Gesamtkunstwerk Merkel zuständig. Sie interessiert weniger, was die Regierungschefin sagt, sondern eher wie, wo und unter welchen Umständen. Dass Christiansen damit Erfolg hat, beweisen die seit Jahren guten Persönlichkeitswerte der Kanzlerin in Umfragen. Eine mögliche Erklärung für den neuerlichen Aufstieg von Christiansen könnte der Zustand der schwarz-gelben Koalition sein. Schon bald nach dem Start verhedderten sich die Parteien im Streit um Steuervergünstigungen und Kopfpauschale, der auch Merkel in Gefahr bringen könnte. Mehr Einfluss auf Merkel hat formal nur noch Christiansens direkter Vorgesetzter, Kanzleramtsminister Ronald Pofalla. Und selbst da kann der sich nicht so sicher sein. Bisheriger Leiter der Grundsatzabteilung war Matthias Graf von Kielmansegg. Er wurde zum Gruppenleiter in der Abteilung 3 befördert und zeichnet nun zuständig für Gesellschaftspolitik, Bildung und Forschung. Ein Umstand, den das Kanzleramt nicht als Abstieg oder gar Entmachtung gewertet sehen will. Angeblich hat Kielmansegg selbst um eine neue Aufgabe gebeten, was Christiansens Machtzuwachs ermöglichte. Die 1970 geborene Christiansen ist an Merkels Seite, seit die Ostdeutsche 1998 - noch in Bonn - als Generalsekretärin der CDU ins Konrad-Adenauer-Haus zieht. Christiansen arbeitet damals bereits als stellvertretende Parteisprecherin für die CDU, deren Mitglied sie erst seit 1997 ist. Unter Angela Merkel wird Christiansen Parteisprecherin, dann Fraktionssprecherin. Nach ihrem Wahlsieg 2005 nimmt Merkel die ersten Helferinnen Baumann und Christiansen mit ins Kanzleramt. Kurz danach wird Eva Christiansen Mutter. 2007 kehrt sie zurück, zunächst auf 28-Stunden-Basis. Ihre Prioritäten würden jetzt bei ihrem Kind liegen, heißt es damals. Inzwischen dürfte sie wieder mehr Zeit für ihre Chefin haben. Was man noch über Christiansen weiß: Sie ist Katholikin, Sternzeichen Löwe, tanzte Ballett. Ihr Mann heißt Gordon, die gemeinsame Tochter Sophie Leonor. Eva Christiansen redet nicht gerne über sich, noch weniger über die Kanzlerin. Einladungen zu Hintergrundgesprächen mit Journalisten lehnt sie regelmäßig dankend ab. Als Medienberater können viele tätig sein - doch Christiansens größter Vorzug ist, dass sie schweigen kann. Mal abgesehen davon, dass ihr das nicht mal schwerzufallen scheint. Es sichert ihr etwas, womit Merkel ohnehin nur sehr sparsam umgeht: das Vertrauen der Kanzlerin.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/eva-christiansen-die-frau-die-es-fuer-merkel-richten-soll-1.16396
Eva Christiansen - Die Frau, die es für Merkel richten soll
00/03/2010
Merkels Medienberaterin Eva Christiansen steigt auf zur Doppelreferatsleiterin im Kanzleramt. Sie dürfte inzwischen mächtiger sein als der formale Chef des Hauses.
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Wer sich von Russlands neuer Atomwaffe bedroht fühlt, kann sich beruhigen. Ihre Durchschlagskraft reicht derzeit nicht einmal gegen ein paar Papp-Plakate. Zur Siegesfeier am 9.Mai soll die Interkontinental-Rakete Topol-M erstmals über den Roten Platz geschleppt werden, doch der Stolz der Militärführung wird dieser Tage arg getrübt. Niemand redet über das moderne Raketensystem, aber alle über ein Dutzend Fotos, die demnächst die Straßen und Plätze Moskaus säumen sollen. Die russische Hauptstadt hat dem Wunsch einiger Veteranen-Verbände stattgegeben, zum 65.Jahrestag des Sieges über den Faschismus Stalin-Porträts aufzuhängen. "Ein Regime, das Millionen Menschen umgebracht hat" Menschenrechtler reagierten entsetzt: "Stalin ist ein Krimineller, und es ist eine Schande, Plakate eines Regimes auszustellen, das Millionen Menschen umgebracht hat", sagt Ljudmilla Alexejewa, die bekannteste Menschenrechtlerin Russlands. Oft musste sie sich in ihrem Land wie eine Ruferin in der Wüste fühlen, doch nun hat der Streit über die Rolle des früheren Diktators auch Russlands Führung erreicht. Parlamentspräsident Boris Gryslow forderte das mächtige Moskauer Stadtoberhaupt Jurij Luschkow auf, seine Entscheidung zu ändern. "Er ist kein Historiker, sondern Bürgermeister", sagte Gryslow bissig. Er ist nach Ministerpräsident Wladimir Putin der wichtigste Mann in der Regierungspartei Einiges Russland, ein strammer Parteisoldat, der sich ohne Zustimmung des Premiers kaum mit derartiger Wucht gegen Luschkow wenden würde. Zum 65.Jahrestag des Kriegsendes werden in diesem Jahr auch Soldaten der anderen Siegermächte USA, Frankreich und Großbritannien an der traditionellen Mai-Parade teilnehmen; eingeladen sind Dutzende Staatschefs, unter ihnen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die aufflammende Debatte über die Stalin-Plakate scheint daher dem Kreml die Sorge zu bereiten, dass einige der geladenen Gäste absagen könnten. Putin und Präsident Dmitrij Medwedjew hatten Stalin zuletzt deutlich als Verbrecher bezeichnet, zuvor jedoch der schleichenden Renaissance des Stalin-Kultes lange nichts entgegengesetzt. Die vernachlässigte Stalin-Debatte Viele Jahre wurde in Russland eine Debatte über Stalins Verbrechen vernachlässigt. Nun aber drängt bis zum Sieg-Jubiläum am 9. Mai plötzlich die Zeit, und so versucht Russland derzeit in einer Art Schnellkurs, ein wenig von dem Versäumten nachzuholen. Bürgermeister Luschkow stemmt sich gegen den Wind aus dem Kreml und sagt: "Ich bin kein Bewunderer von Stalin, aber ich bin ein Bewunderer von objektiver Geschichte." Russland könne nicht einfach Persönlichkeiten streichen. Die Informationen über Stalin würden neutral sein. Außerdem machten die Stalin-Bilder nur einen kleinen Teil aller Poster zur Siegesfeier aus. Die Menschenrechtsgruppe Memorial kündigte dagegen einen "Krieg der Plakate" an, um die "Verbrechen des Tyrannen" zu zeigen, und sie wird dabei vom letzten sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow unterstützt. Nicht Stalin habe Russland den Sieg im Zweiten Weltkrieg zu verdanken, sondern der Bevölkerung, sagte Gorbatschow. Das sehen die Kommunisten etwas anders, und auch der Wolgograder Unternehmer Boris Isgarschew. "Ob uns das gefällt oder nicht, doch es war Stalin, der den Krieg gewonnen hat." Zum Jahrestag der Schlacht von Stalingrad ließ er auf das Etikett eines Mineralwassers ein Foto des Diktators drucken. Das Wasser gab es zum verbilligten Preis - als Geschenk an die Veteranen. Frank Nienhuysen
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/russland-streit-um-stalin-krieg-der-plakate-1.9832
"Russland: Streit um Stalin - ""Krieg der Plakate"""
00/03/2010
Half Stalin, den Weltkrieg zu gewinnen? Veteranen in Russland sagen ja und wollen zur Siegesfeier Porträts des Diktators zeigen. Das empört Menschenrechtler - und Russlands Führung.
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Union und Linke sind empört: SPD-Vize Hannelore Kraft hält viele Hartz-IV-Empfänger für ohnehin chancenlos - und will sie deshalb zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten. Die stellvertretende SPD-Chefin Hannelore Kraft hat mit einem Vorstoß Kritik ausgelöst, Langzeitarbeitslose zu gemeinnütziger Arbeit heranzuziehen. Auch ihre Einschätzung, wonach ein Viertel der Langzeitarbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt keine Chancen mehr habe, stieß auf Empörung. Bundeskanzlerin Angela Merkel machte unterdessen deutlich, dass sie als Konsequenz aus dem Verfassungsgerichtsurteil zu Hartz IV auf Sachleistungen und nicht nur auf finanzielle Hilfen setzt, um Kinder Langzeitarbeitsloser besser zu fördern. "Wir müssen ehrlich sein: Rund ein Viertel unserer Langzeitarbeitslosen wird nie mehr einen regulären Job finden", sagte Kraft dem Spiegel. Diese Menschen sollten auf Dauer gegen eine symbolische Bezahlung Straßen sauber halten, in Sportvereinen helfen oder in Altenheimen Bücher vorlesen, forderte die Spitzenkandidatin ihrer Partei bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai. Kraft plädierte für einen "gemeinwohlorientierten Arbeitsmarkt" für Hartz-IV-Empfänger ohne Aussicht auf reguläre Arbeit. Anders als die bisherigen Ein-Euro-Jobs sollte die neue Beschäftigung langfristig angelegt sein. Heftige Kritik Mehrkosten für den Staat dürften jedoch nicht entstehen. "Die meisten Langzeitarbeitslosen werden sich über eine sinnvolle Beschäftigung freuen, selbst wenn sie dafür nur einen symbolischen Aufschlag auf die Hartz-IV-Sätze bekommen", betonte Kraft. Scharfe Kritik erntete die SPD-Politikerin von Union und Linkspartei. Der Chef des CDU-Sozialflügels, Karl-Josef Laumann, nannte es nach einem Bericht von Spiegel Online unerträglich, dass Kraft jedem vierten der rund 570.000 Hartz-IV-Empfänger keine Chance mehr einräume. Der stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, kritisierte, Kraft plane nichts anderes als eine Verschärfung von Hartz IV. Ein-Euro-Jobs gebe es schon heute, das Modell funktioniere nicht. Im Streit über die vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Hartz-IV-Regelsätze für Kinder unterstrich Bundeskanzlerin Merkel, dass Abhilfe nicht allein durch höhere Transferzahlungen geschaffen werden könne. Die Bundesregierung werde prüfen, wie kinderspezifische Bedürfnisse am besten erfüllt werden können, sagte die Kanzlerin dem Kölner Stadt-Anzeiger. Dabei gehe es nicht nur um finanzielle Hilfen, sondern auch um Sachleistungen wie schulische Angebote. Das oberste Gericht hatte die bisherige Berechnung der Hartz-IV-Sätze für Kinder für verfassungswidrig erklärt und eine Neuregelung gefordert. SPD-Chef Sigmar Gabriel warf der Union dagegen Doppelzüngigkeit vor. "Überall dort, wo die CDU regiert, wurden die Sachleistungen, die Angela Merkel jetzt fordert, gestrichen", sagte er im Tagesspiegel am Sonntag. So hätten Hamburg und Niedersachsen die Lernmittelfreiheit für Schulbücher abgeschafft. Damit werde Kindern von Langzeitarbeitslosen der Zugang zu Bildung erschwert.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kritik-an-kraft-vorstoss-schaerfer-als-hartz-iv-1.13467
"Kritik an Kraft-Vorstoß - ""Schärfer als Hartz IV"""
00/03/2010
Union und Linke sind empört: SPD-Vize Hannelore Kraft hält viele Hartz-IV-Empfänger für ohnehin chancenlos - und will sie deshalb zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten.
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Wahlbeteiligung im Irak laut Kommission bei 62 Prozent An den Parlamentswahlen im Irak haben nach Angaben eines Vertreters der Wahlkommission IHEC trotz zahlreicher Terroranschläge 62 Prozent der Stimmberechtigten teilgenommen. Nach Angaben eines Abgeordneten aus dem Lager von Ministerpräsident Nuri al-Maliki gaben im Ausland 250.000 Iraker ihre Stimme ab. Das Wahlbündnis des schiitischen Ministerpräsidenten al-Maliki hat bei der Parlamentswahl nach inoffiziellen Schätzungen die meisten Stimmen erhalten. Trotz des prognostizierten guten Abschneidens al-Malikis wird nicht erwartet, dass eine Partei die Wahl klar für sich entscheiden kann. Neben al-Malikis Rechtsstaat-Koalition kämpfen die religiöse Schiiten-Allianz von Ammar al-Hakim und das reformorientierte Bündnis Irakija unter dem säkularen Schiiten Ijad Allawi um eine Regierungsbeteiligung. Es wird damit gerechnet, dass sich die Verhandlungen über eine Regierungsbildung noch länger hinziehen könnten als nach der Abstimmung 2005. Damals hatte die junge Demokratie fünf Monate gebraucht, um eine Koalition zu bilden. Das vorläufige offizielle Wahlergebnis werde frühestens am Donnerstag verkündet, sagte der Chef der Wahlkommission, Farradsch al-Haidari. Die Wahlkommission erklärte, die Kandidaten und Parteien hätten "Dutzende von Beschwerden" eingereicht, die erst noch geprüft werden müssten. Justizministern Sabine Leutheusser-Schnarrenberger attackiert den Vatikan, Außenminister Westerwelle reist nach Chile, in Pakistan wird ein Anschlag auf ein Polizeigebäude verübt: Auf den folgenden Seiten finden sie weitere Kurzmeldungen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-prognosen-sehen-al-maliki-im-irak-vorne-1.6273
Prognosen sehen al-Maliki im Irak vorne
00/03/2010
62 Prozent der wahlberechtigten Iraker haben ihre Stimme abgegeben. Ministerpräsident al-Maliki soll in Führung liegen. Kurzmeldungen im Überblick.
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In Island schiebt man die Schuld am Icesave-Debakel auf die EU. Doch deren Spielregeln akzeptierten die Politiker der Insel vor dem Crash nur zu gerne. Am Ende wird Island die Icesave-Schulden bezahlen, egal wie das Referendum nun ausgegangen ist. Dafür gibt es einen guten Grund: Das Geld von Hunderttausenden Bankkonten darf nicht einfach verschwinden. Würde man das zulassen und Island die knapp vier Milliarden Euro schenken - das Vertrauen in das europäischen Finanzsystem und den freien Kapitalverkehr wäre erschüttert. Das ist nicht im Interesse Europas, und es ist auch nicht im Interesse Islands. Aber ist das auch gerecht? Die Isländer machen Mängel im europäischen Finanzsystem für den Bankencrash mitverantwortlich. Dieses System, so argumentieren viele, habe die EU geschaffen. Nun hat sich Island aber freiwillig daran beteiligt. Die Politiker der Insel akzeptierten die Spielregeln der europäischen Geldmärkte vor dem Crash nur zu gerne, sie halfen den Banken und waren bestenfalls blauäugig. Möglicherweise waren einige auch korrupt. Das untersucht derzeit eine Parlamentskommission. Aber bei diesen Leuten handelte es sich jedenfalls um die gewählten Vertreter des Volkes. Darum trifft die Isländer eine Mitschuld an der Misere. Teilschuld der EU-Länder In einem Punkt haben die isländischen Kritiker trotzdem Recht: Das internationale Regelwerk ist lückenhaft. Sonst wäre es den Banken in Reykjavik kaum gelungen, nahezu unkontrolliert Kleinsparer im Ausland zu plündern und ihre Heimat an den Rand des Staatsbankrotts zu treiben. Die europäischen Finanzmarktregeln haben dieses Treiben nicht verursacht, aber sie haben es auch nicht verhindert. Deshalb tragen die EU-Länder eine Teilschuld. Ein neues Icesave-Abkommen sollte diesen Sachverhalt widerspiegeln und die Belastungen zwischen den betroffenen Staaten verteilen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/icesave-schulden-island-und-die-schuldfrage-1.18556
Icesave-Schulden - Island und die Schuldfrage
00/03/2010
In Island schiebt man die Schuld am Icesave-Debakel auf die EU. Doch deren Spielregeln akzeptierten die Politiker der Insel vor dem Crash nur zu gerne.
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Hartz IV und spätrömische Dekadenz - kann man das eigentlich in einem Atemzug nennen? Die Antwort wird man nicht durch Parteipolemik, sondern nur durch nüchterne Fakten bekommen: Das Bundesverfassungsgericht hat ein Urteil zur Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch II (den Hartz-Gesetzen) gesprochen - ein bemerkenswertes Urteil! Die beiden Grundpfeiler des Urteils und seiner Begründung sind die Artikel unseres Grundgesetzes zur Menschenwürde (Artikel I,1) und zum Sozialstaat (Artikel 20,1). Darum geht es im Kern: Unser Sozialstaat hat eine Grundsicherung für alle Bürgerinnen und Bürger zu organisieren, sodass ihnen allen ein menschenwürdiges Existenzminimum garantiert wird. Ich bin froh, in einem Land zu leben, das seine Rechtsordnung einschließlich aller Sozialgesetze aus einem solchen Grundgesetz entwickeln kann und in dem ein Gericht über die Einhaltung dieser Grundnormen wacht. Dieses Grundgesetz wurde nach den Erfahrungen der Nazi-Barbarei formuliert. Nicht zuletzt deshalb ist Menschenwürde der zentrale Orientierungsgedanke für alles rechtliche und staatliche Handeln in unserem Land. Nicht zuletzt deshalb ist die Bundesrepublik ein Sozialstaat. Denn zur Garantie des menschenwürdigen Existenzminimums ist eine materielle Basis notwendig - wenn auch nicht hinreichend. Zur Versachlichung der augenblicklichen Debatte trägt bei, wenn wir uns im Einzelnen klarmachen, wovon die Rede ist: Der Regelsatz zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums orientiert sich an den Ausgaben der untersten 20 Prozent der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Einpersonenhaushalte ohne Berücksichtigung der Empfänger von Sozialhilfe. Hierbei gibt es Abschläge: Ausgaben für Bildung werden überhaupt nicht berücksichtigt, die für Bekleidung und Schuhe, Wohnen, Verkehr, Freizeit, Unterhaltung und Kultur nur zum Teil. Kein "leistungsloser Wohlstand" Für Lebenspartner werden 90 Prozent, Kinder bis fünf Jahre 60 Prozent, Kinder zwischen sechs und 14 Jahren 70 Prozent, Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren 80 Prozent der Regelleistung in Anschlag gebracht. Besondere Lebensumstände wie chronische Erkrankungen finden grundsätzlich keine Berücksichtigung. Der Regelsatz beträgt zurzeit 359Euro. In besonderen Ausnahmefällen kann es einmalige Beihilfen geben, schulpflichtige Kinder erhalten 100 Euro pro Schuljahr. Anpassungen dieser Leistungen erfolgen nach der Entwicklung des aktuellen Rentenwertes in der gesetzlichen Rentenversicherung. Um diese Leistungen geht es. Das ist wirklich kein "leistungsloser Wohlstand", wie es heutige Stimmungsmache suggerieren will. Im OECD-Vergleich liegt dieses Leistungsniveau unterhalb des mittleren Wertes. Das Urteil besagt nun, dass die Vorschriften über Regelleistungen für Erwachsene und Kinder nicht dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums entsprechen. Dabei bezieht sich der Begriff Menschenwürde auf die physische Existenz und die Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Das Urteil des Verfassungsgerichts bemängelt, dass die Regelsätze nicht auf verfassungsgemäße Weise errechnet wurden, weil die Abweichungen - "Abschläge" - vom Strukturprinzip des Statistikmodells zur Berechnung des Regelsatzes ohne sachliche Rechtfertigungen vorgenommen wurden. So sind zum Beispiel Kürzungen bei Strom um 15 Prozent nicht nachvollziehbar, solche wegen Pelzen, Maßkleidung und Segelflugzeugen unsinnig, weil sie in der Vergleichsgruppe als Ausgaben in der Realität nicht existieren. Skandalös ist auch, dass Bildungsausgaben nicht berücksichtigt wurden.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/politiker-und-hartz-iv-wie-haltet-ihr-es-mit-der-menschenwuerde-1.6843
Politiker und Hartz IV - Wie haltet Ihr es mit der Menschenwürde?
00/03/2010
Politiker müssen aufhören, Hilfsbedürftige pauschal zu verdächtigen. Die Achtung vor den Menschen fehlt in der Sozialstaatsdebatte. Ein Gastbeitrag von Nikolaus Schneider
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Mehr als 90 Prozent der Isländer wollen die Schulden in Höhe von fast vier Milliarden Euro aus einer Bankenpleite nicht begleichen. Das könnte schwerwiegende Folgen haben. Islands Bevölkerung hat eine Vereinbarung zur Tilgung riesiger Auslandsschulden an Großbritannien und die Niederlande mit der erwartet klaren Mehrheit abgelehnt. Bei dem Referendum am Samstag stimmten nach einer TV-Prognose 93,1 Prozent gegen und nur 1,6 Prozent für den letztes Jahr ausgehandelten Vertrag zwischen den drei Regierungen. Darin verpflichtet sich Island zur Rückzahlung von 3,8 Milliarden Euro sowie 5,5 Prozent Zinsen aus dem Zusammenbruch der heimischen Internetbank Icesave bis zum Jahr 2024. Die Summe entspricht mehr als einem Drittel der jährlichen Wirtschaftsleistung auf der Atlantik-Insel. Unter den 320.000 Bürgern hatten vor allem die hohen Zinsbelastungen große Empörung ausgelöst. Günstigere Bedingungen gefordert Das Referendum gilt als umstritten, weil Briten und Niederländer inzwischen bereits verbesserte Rückzahlungsbedingungen angeboten haben. Islands Ministerpräsidentin Johanna Sigurdardóttir bedauerte das klare "Nein": In der Nacht sagte sie, die Verzögerung bei den weiter laufenden Verhandlungen mit beiden Ländern durch das Referendum seien für Island "sehr teuer". Die Ablehnung könnte die wirtschaftlichen und politischen Probleme des gebeutelten Inselstaates weiter verschärfen. So dringt der Internationale Währungsfonds (IWF), von dem Island einen weiteren Kredit in Höhe von 4,6 Milliarden Dollar erwartet, auf eine Rückzahlung der Auslandsschulden. Überdies könnte die Bonitätsbewertung Islands wegen des Neins bei der Volksabstimmung weiter herabgestuft werden. Findet sich kein Kompromiss mit den Niederlanden und Großbritannien, so könnten die beiden EU-Staaten auch die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Island verhindern. Am Vortag hatte Sigurdardóttir erklärt, sie halte die Volksabstimmung wegen der veränderten Verhandlungslage mit Briten und Niederländern für sinnlos. Die Ministerpräsidentin selbst wollte sich deshalb ihre Stimme enthalten. Island erkennt die Zahlungsverpflichtungen aus dem Icesave-Zusammenbruch im Grundsatz an, will aber günstigere Bedingungen erreichen als bisher vereinbart. Die endgültige Einigung mit Großbritannien und den Niederlanden gilt als Voraussetzung für die Freigabe dringend benötigter Kredite durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) und nordische Partnerstaaten. Die Beteiligung am ersten Referendum in Island überhaupt lag deutlich unter der bei Wahlen üblichen Bevölkerungsbeteiligung: Lediglich 54 Prozent der Isländer votierten. 5,2 Prozent der abgegebenen Stimmen waren ungültig. Das offizielle Endergebnis des Referendums stand auch am Sonntagmorgen wegen extrem schlechten Wetters im nördlichen Landesteil noch nicht endgültig fest.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/referendum-nach-bankenpleite-islaender-brueskieren-die-glaeubiger-1.8377
Referendum nach Bankenpleite - Isländer brüskieren die Gläubiger
00/03/2010
Mehr als 90 Prozent der Isländer wollen die Schulden in Höhe von fast vier Milliarden Euro aus einer Bankenpleite nicht begleichen. Das könnte schwerwiegende Folgen haben.
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Ein neuer Paragraph sollte Zwangsprostituierten die Möglichkeit geben, vor Gericht gegen ihre Peiniger auszusagen und so vor Abschiebung geschützt zu sein. Bisher war die Regelung erfolglos. In Europa, erzählten sie Justine, könne man gut Geld verdienen, als Bedienung oder Putzfrau. Das gefiel der jungen Nigerianerin, sie ließ sich nach Norddeutschland schleusen. Dort aber nahmen ihr stämmige Männer den Pass ab, machten sie mit Schlägen gefügig und schickten die 24-Jährige, die in Wirklichkeit anders heißt, auf den Strich. Endlich flog sie bei einer Razzia auf, doch es wurde nicht wirklich besser: Die Polizei steckte sie in Abschiebehaft. Dort entschied sie sich, etwas gegen die Menschenhändler, die sie zur Prostitution gezwungen hatten, zu unternehmen. Sie sagte gegen ihre Peiniger aus. "Damit provoziert sie die Rache der Täter, doch weder die Staatsanwaltschaft noch die Ausländerbehörde verzögerte ihre Abschiebung zurück nach Nigeria", sagt Stefanie Heye, die in Hannover für die Organisation Kobra Zwangsprostituierte aus Niedersachsen berät. Große Hoffnungen Eigentlich sollten solche Fälle nicht mehr vorkommen, so jedenfalls hatte es der Gesetzgeber beabsichtigt, als er vor drei Jahren den Schutz für Opfer von Menschenhandel, die zur Prostitution oder Nacktaufnahmen gezwungen werden, verbesserte. Seitdem dürfen die Misshandelten - meist Frauen aus dem Ausland - mindestens so lange in Deutschland bleiben, bis sie nicht mehr als Zeuge gebraucht werden. In dieser Zeit dürfen sie sogar legal arbeiten. Die neuen Regeln weckten große Hoffnungen, endlich würden viele gequälte Frauen den Mut fassen, die Täter zu melden. Tatsächlich aber nimmt kaum jemand das Angebot an: Nach neuen Zahlen des Bundesinnenministeriums kamen auf die jährlich etwa 700 erfassten Fälle von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung vergangenes Jahr gerade einmal 45 Opfer, die als Zeugen bleiben durften, 2008 registrierten die Behörde sogar nur 21 - vor allem Frauen aus Bulgarien und Nigeria. Bei den Beratungsstellen ist die Enttäuschung groß. "Die 45 sind ein Bruchteil von denen, die eigentlich in Frage kämen", sagt Heye. "Das neue Ausländerrecht hat keine durchgreifende Besserung gebracht", sagt auch ihre Kieler Kollegin Claudia Franke. "Es gibt auch bei Freiern Mitleid" Nach Erfahrung der Beraterinnen fehlt bei den Behörden häufig der Wille, die Opfer als Zeugen im Land zu lassen oder sie über ihre Rechte aufzuklären. Oft kommt es nicht einmal zu einem Gespräch in den Beratungsstellen, obwohl dies in der Begründung des Gesetzes ausdrücklich vorgesehen ist. Allerdings ist das Angebot "Aussage gegen Aufenthalt" auf den zweiten Blick auch nicht sehr verlockend: Spätestens nach dem Gerichtsverfahren müssen die Frauen wieder die Abschiebung fürchten. Der Mangel an Zeugen ist gerade beim Thema Menschenhandel gravierend, denn die Machenschaften können bisher nur vereinzelt durch Razzien aufgedeckt werden. Die Experten gehen deshalb von einer hohen Dunkelziffer aus, die EU-Kommission schätzt die Zahl der Geschleusten europaweit auf etwa 100.000 im Jahr. Wenn man mehr Menschenhändler fassen wolle, dann dürfe man die Frauen nicht so schnell abschieben, fordern die Beraterinnen. "Man muss den Frauen aber noch mehr bieten, etwa Geld oder eine neue Identität", sagt der Hannoveraner Kriminologe Christian Pfeiffer, der gerade ein Forschungsprojekt zu dem Thema begonnen hat. Auch ein anonymes Telefon für Freier könnte helfen, sagt Pfeiffer. "Es gibt auch bei Freiern Mitleid mit den Frauen."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/menschenhandel-einsame-zeugen-1.2348
Menschenhandel
00/03/2010
Ein neuer Paragraph sollte Zwangsprostituierten die Möglichkeit geben, vor Gericht gegen ihre Peiniger auszusagen und so vor Abschiebung geschützt zu sein. Bisher war die Regelung erfolglos.
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Trotz zahlreicher Terroranschläge gehen viele Iraker zur Wahl - sie wollen nach allem Leid endlich einen Wandel im Lande. Der Wahltag begann mit Explosionen: Pünktlich zur Öffnung der Wahllokale um sieben Uhr morgens war in Bagdad ihr dumpfer Widerhall zu hören. Mörsergranaten schlugen rund um Wahllokale in verschiedenen Stadtteilen ein, vor einem warf ein Mann eine Handgranate zwischen die Wähler, in einem anderen stürzte ein ganzes Haus nach einem Einschlag zusammen. Auch die bestens gesicherte Internationale Zone, in der Premier Nuri al-Maliki sein Büro hat, wurde zum Ziel: Bis zum Mittag waren in Bagdad bereits 26 Menschen getötet worden. Al-Qaida und andere Terrorgruppen hatten ihre Ankündigung wahrgemacht, die Parlamentswahl "mit militärischen Mitteln" zu stören. Der 36-jährige Fotograf Ihab Namuq ging am Sonntagmorgen bei strahlendem Sonnenschein trotzdem wählen: "Klar hatte ich Angst nach den ersten Bomben. Aber genau das wollen die Terroristen." Sein Mut gründet sich auf dem Motiv, das viele Wähler nach der Stimmabgabe nannten: "Nach all dem Leid, das geschehen ist, wollen wir endlich den Wandel für unser Land." Die Menschen kamen nach arabischer Art in die Wahllokale - im Familienverbund, mit den kleinen Kindern auf dem Arm. Die Sicherheitskontrollen waren streng, alle wurden durchsucht aus Angst vor Selbstmordattentätern. Auch Hamdia Muhamed Darwisch kam, um ihre Stimme abzugeben: Für die 80-Jährige war es die erste Wahl ihres Lebens. Die drei Töchter hatten ihre blinde Mutter im Rollstuhl in die Muhammed Bakr al-Hakim-Schule im Stadtteil Chaderiye gebracht. Nachdem sie den DIN-A3-großen Wahlzettel mit Hilfe einer der Töchter ausgefüllt und in die Wahlurne gesteckt hatte, hielt die alte Frau ihren Zeigefinger mit der lila Tintenmarkierung in die Luft: "Bei meinem Leben: Ich habe unseren Premier Maliki gewählt." Raed Hadschi, der Wahlleiter im Bezirk, klagte am Mittag noch über eine schwache Beteiligung: "Die Anschläge zeigen Wirkung, die Leute kommen leider nur langsam. Hoffentlich wird das noch besser." In Hadschis Garten war an diesem Vormittag eine Granate gelandet, "alle Fenster in unserem Haus sind zersplittert, die Wand ist beschädigt." Zu seinem Job ist er dennoch erschienen: "Dies ist meine patriotische Pflicht." Diese zweite irakische Parlamentswahl nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein war ein heikles Unterfangen: Seit Wochen gab es Terrordrohungen, während des Wahlkampfes waren Dutzende Menschen bei Anschlägen in Bagdad und anderen Landesteilen umgekommen. Auch politisch stand die Wahl unter keinem guten Stern: Die Entbaathifizierungs-Kommission hatte einige der wichtigsten Kandidaten der Sunniten wegen ihrer angeblichen Rolle während Saddams Diktatur mitten im Wahlkampf gesperrt. Obwohl auch zahlreiche Schiiten aus dem Rennen ausscheiden mussten, bestand damit Gefahr, dass die Sunniten an dieser zweiten Parlamentswahl im "neuen Irak" nicht in ausreichender Zahl teilnehmen würden. Mit ihrem Boykott der Wahlen 2005 hatte die sunnitische Minderheit das Feld vollends der schiitischen Mehrheit und den auf Autonomie setzenden Kurden überlassen - und sich politisch selbst ins Aus gebracht. Ihr Wahlverhalten wird der entscheidende Faktor dafür sein, ob diese zweite freie Parlamentswahl und die daraus hervorgehende Regierung nach der Auszählung der Stimmen von allen Irakern akzeptiert und damit politisch legitimiert werden kann. "Das Ganze ist nicht wirklich fair" Ob die Sunniten diesmal in großer Zahl teilgenommen haben, wird sich erst im Laufe der Woche zeigen. Einer der Sunniten, die an diesem Vormittag im Wahllokal in Chaderiye erschienen war, blieb skeptisch. "Das Ganze ist nicht wirklich fair. Dass sunnitische Politiker, die seit Jahren offiziell in der Politik sind, mitten im Wahlkampf wegen ihrer angeblichen Baath-Vergangenheit vom Rennen ausgeschlossen worden sind, werden viele als Manipulation betrachten", sagte der ehemalige Saddam-General. Die Wahl könne kaum als eine Chance für alle Iraker betrachtet werden. Genau das aber ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass der Irak nach sieben Jahren Krieg zumindest halbwegs stabil bleibt. Ende August zieht ein großer Teil der US-Truppen ab. 50.000 Berater und Ausbilder werden zwar noch bis Ende 2011 im Land bleiben. Doch schon bei den Wahlen ließen sich die US-Soldaten nicht sehen; die Verantwortung für die Sicherheit liegt weitgehend in den Händen der irakischen Armee. Nur die über der Stadt kreisenden Apache-Helikopter erinnerten daran, dass die Besatzer von 2003 auch im Jahr 2010 ihren Teil zur Sicherheit beitragen. Für die Versöhnung zwischen den Religionsgruppen aber reichen weder US-Hubschrauber noch irakische Soldaten und Polizisten aus: Voraussetzung dafür ist eine gewählte Regierung für alle Iraker.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/wahlen-im-irak-hoffnung-besiegt-die-angst-1.7812
Wahlen im Irak - Hoffnung besiegt die Angst
00/03/2010
Trotz zahlreicher Terroranschläge gehen viele Iraker zur Wahl - sie wollen nach allem Leid endlich einen Wandel im Lande.
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