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Dr.
Dr. Gottfried Curio AfD
Gottfried
Curio
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Abgeordnete! Bei der Grenzöffnung wurde sehenden Auges voll auf Risiko gefahren, der Verlust der Sicherheit einfach einkalkuliert. Der Fall Susanna zeigt beispielhaft den Maximalschaden der Durchwinkekultur. Ein Hohn, wenn Frau Merkel uns erzählt, der Mord sei eine Aufforderung an uns alle, die Integration sehr ernst zu nehmen. Der Mörder war als abgelehnter Asylbewerber ohnehin kein Fall für Integration, sondern abzuschieben. Aber selbst ein Mord ist nur Anlass für sie, ihre abwegigen Dogmen zu propagieren. Sie lässt unberechtigte Personen unerkannter Identität rein – Vergewaltiger, Mörder, Terroristen inklusive –, und wir sollen uns verantwortlich fühlen. Nicht wir haben zu handeln, die Verursacherin muss endlich Verantwortung übernehmen und zurücktreten! Ein Staat, der seine Bürger nicht schützt, aber sie zwingt, Betrüger zu alimentieren. Wer illegal die Grenze übertritt, ist Betrüger; wer ohne Papiere kommt, will das deutsche Volk betrügen. Dieser Betrug ist Raub, ist Gewalt, ist Kriminalität. Und wer Leute ohne Papiere reinlässt, leistet Beihilfe, ist Mittäter. Jeder darf sich doch jetzt fragen: Merkels „Ist mir egal, ob ich schuld an den Migranten bin; jetzt sind sie halt da“, meint das auch: „Ist mir egal, ob ich schuld am Schicksal der Mädchen bin, jetzt sind sie halt tot“? Wann ist endlich Schluss mit diesem Wahnsinn, mit dieser allzu oft tödlichen Willkommenskultur? Da wird ein Millionenheer archaisch geprägter junger Männer ins Land gelassen, denen Frauen als Schlampen und Übergriffsobjekte gelten, wenn sie sich nicht der islamischen Unterdrückungskultur anbequemen. Gelernte Frauenverachtung aber ist programmierter Frauenmord. Beim BAMF braucht es nicht mehr Bearbeiter, sondern weniger Scheinasylanten. Seit 2015 ging es doch nur noch um den Anschein von Bearbeitung. Herr Weise hatte Potemkinsche Dörfer zu errichten, die Bürger zu täuschen durch angeblich bewältigte Fallzahlen, hinter denen aber gar keine seriöse Bearbeitung stand. Erscheinen des Antragstellers? Braucht es nicht. Das Gewünschte ankreuzen geht schneller. Identitätsnachweis? Braucht es nicht. Noch schneller. Papiere? Braucht es nicht. Vereidigte Dolmetscher? Braucht es nicht. Ausgebildete Entscheider? Braucht es auch nicht. Alles ganz nach Merkels Motto „Aus Illegalen Legale machen“. Ein Amt nicht für Geldwäsche – nein, für Rechtswäsche. Hauptsache, der Wahlkampf 2017 würde ungestört laufen. Dem wurden Sorgfalt und Sicherheit geopfert. Heute müssen wir sagen: auch Menschenleben. Merkel gibt zu: Das Kanzleramt, sie selbst ist verantwortlich. Ein allzu billiges Wort, wenn man dann den Stuhl nicht räumt. Wenn die Koalition uns jährlich 200 000 Migranten aufzwingen will, braucht es 200 AnKER-Zentren. Der Minister hat Schwierigkeiten, sechs Pilotzentren zu schaffen. Da geht nichts schneller. Örtliche Konzentration schafft nicht mehr Verwaltungsrichter. Da wird nicht besser abgeschoben. Ohne erzwungene Residenzpflicht tauchen die einfach ab. Es ist nicht der Job der Bundespolizei. Die müssten die Grenze kontrollieren und die Leute erst gar nicht reinlassen. Im September 2015 gab es natürlich keine humanitäre Ausnahmesituation. Die Leute waren in Ungarn in Sicherheit und lange vorher. Denen ging es um kalte Vorteilsnahme im Staat mit den besten Sozialsystemen. Die ganze sogenannte Willkommenskultur ist inhuman. Mit demselben Geld hilft man hundertmal effektiver vor Ort, und zwar den wirklich Armen. Und wo Herr Seehofer nur bereits Registrierte zurückweisen will, also nicht mal das rechtlich Gebotene fordert, da stellt Merkel sich schon quer und erzwingt die ewige Fortsetzung ihrer sogenannten Ausnahmeentscheidung – also Dauerüberflutung durch Illegale. Herrn Seehofers Vorschlag ist aber völlig ungenügend. Die Betrüger werden sich einfach nicht mehr vor Erreichen Deutschlands registrieren lassen. Aber Frau Merkel will uns sogar erzählen, ihre gänzlich offene Grenze sei vorrangiges europäisches Recht. Was für ein Unsinn! Dublin III ist europäisches Recht. Gerade da ist der Erstzutrittsstaat zuständig und nicht Deutschland. Danach müssten sogar alle zurückgewiesen werden; denn sie kommen über sichere Drittstaaten aus einem anderen Erstzutrittsland. Dublin anzuwenden, ist kein nationaler Alleingang. Nationaler Alleingang war Merkels Handstreich im September 2015. Meine Damen und Herren, Zeit für den Masterplan zur Zurückweisung einer illegal agierenden Kanzlerin. Zwei Drittel der Bürger wollen die Grenzschließung sofort, appellieren an Sie als ihre Repräsentanten. Werden Sie Ihrer Verantwortung für das Land gerecht. Entfernen Sie diese Frau aus dem Amt. Wählen Sie sie ab! Sprengen Sie die Fesseln der Parteidisziplin und den Würgegriff dieser Politik unendlichen Schadens. Schützen Sie das Leben der Bürger! Retten Sie den Rechtsstaat! Befreien Sie das Land von dieser Politik! Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Nächstes spricht zu uns ein Mitglied des Bundesrates. Ich erteile Herrn Senator Andreas Geisel das Wort.
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Andrea Nahles SPD
Andrea
Nahles
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der nächsten Woche jährt sich der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz hier in Berlin. Dieser Anschlag – das haben viele so empfunden – war ein Anschlag auf uns alle. Er hat Menschen aus dem Leben gerissen, er hat Familien zerrissen, und er hat unendliches Leid und Schmerz für die Opfer und Angehörigen gebracht. Ich möchte deswegen sagen: Den Opfern und Angehörigen gilt auch heute unser tief empfundenes Mitgefühl. Wir haben an dieser Stelle, wie ich denke, wirklich eine gemeinsame Haltung in diesem Haus. Zu der Trauer und auch der Anteilnahme ist allerdings im Laufe des letzten Jahres ein anderes Gefühl hinzugetreten, das mich sehr bedrückt. Es ist bei mir ein Gefühl von Scham und Schuld aufgetreten, je mehr Tatsachen durch die Aufklärungsarbeiten über das, was vorgefallen ist, an den Tag gebracht wurden, Tatsachen, bei denen wir uns eingestehen müssen, dass wir letztendlich bei der Verhinderung dieses Anschlags versagt haben. Aber was besonders schlimm ist: Wir haben auch noch versagt, angemessen auf die Opfer und Angehörigen zuzugehen und sie angemessen zu unterstützen. Das muss hier und heute benannt werden. Es sind Missstände in der Terrorismusbekämpfung ans Tageslicht gekommen, beispielsweise die viel zu lückenhafte oder späte Registrierung von Asylbewerbern. Bei der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden der unterschiedlichen Ebenen unseres Landes ist es so gewesen, dass es unklare Kompetenzen und auch Fehleinschätzungen gegeben hat, Fehleinschätzungen beispielsweise in Bezug auf die Frage der Überwachung von Gefährdern. Gerade der Täter vom Breitscheidplatz hat mehrere Straftaten begangen, aber es wurde kein Haftbefehl beantragt. Ich muss an dieser Stelle sehr klar sagen, dass sich das ändern muss. Deswegen ist es gut, wenn wir Anfang nächsten Jahres zu diesem Thema einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einsetzen, um diesen Sachverhalt weiter aufzuklären. Das Ziel dieses Untersuchungsausschusses muss es sein, einerseits die Verantwortung der Bundesbehörden zu beleuchten, andererseits Konsequenzen aus den Fehlern zu ziehen. Es muss sich aber auch ändern, wie auf die Opfer von Terroranschlägen und ihre Angehörigen zugegangen wird. Regierung und Behörden haben teilweise unbeholfen und ohne Routine reagiert. Ich selber war bei dem Trauergottesdienst dabei. Mir war nicht bewusst – was später klar geworden ist –, dass viele der Angehörigen zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht wussten, ob geliebte Menschen unter den Opfern waren. Finanziell erhielten viele nicht die Unterstützung, die sie erwartet oder dringend gebraucht hätten – zumindest nicht so unbürokratisch, wie es notwendig gewesen wäre. Auch dabei brauchen wir eine Veränderung. Ich möchte heute den Angehörigen der Opfer vom Berliner Breitscheidplatz meinen allergrößten Respekt aussprechen; denn sie haben die Kraft aufgebracht, mit diesem schweren Schicksal umzugehen. Sie haben aber auch noch die Kraft gehabt, sich gegenseitig zu unterstützen. Und sie haben sich zusammengeschlossen, um in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin einen Handlungsbedarf des Gesetzgebers aufzuzeigen. Ich denke, dass das Respekt verdient; denn es ist nicht selbstverständlich, diese Sache in dieser Weise zustande zu bringen. Es gibt hier, jedenfalls bei uns, ein offenes Ohr für die Anliegen. Kurt Beck ist der von der Bundesregierung Beauftragte für die Opfer der Hinterbliebenen. Er hat sich in die Sache reingekniet und heute im Kabinett seinen Bericht vorgelegt. Er hat eine ganze Reihe von Änderungsvorschlägen gemacht, die die Bundesregierung annehmen wird. Wir wissen, dass bereits eine umfangreiche Reform des Entschädigungsrechtes von der Bundesregierung erarbeitet wird. Dieser Punkt muss erweitert werden um die Aufarbeitung und die Erkenntnisse des Berichtes des Opferbeauftragten Kurt Beck, dem ich an dieser Stelle dafür ebenso danke wie der Bundesregierung für die Bereitschaft, diese Aspekte aufzunehmen. Die Einrichtung von einheitlichen Anlaufstellen, eine bessere finanzielle und unbürokratischere Soforthilfe, psychologische Betreuung – das sind Erkenntnisse, die wir hier gesammelt haben, und das alles sind Dinge, die wir in Zukunft brauchen werden; ich hoffe, so selten, wie es nur irgend geht. Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, heute einen gemeinsamen Antrag mit CDU/CSU, der FDP und Bündnis 90/Die Grünen vorzulegen und damit zum Ausdruck zu bringen, dass dieser Anschlag nicht vergessen ist und dass wir daraus für die Zukunft Konsequenzen ziehen wollen. Volker Kauder ist der nächste Redner in der Debatte für die CDU/CSU-Fraktion.
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Alexander Radwan CDU/CSU
Alexander
Radwan
CDU/CSU
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute eine Aktuelle Stunde zum Thema „Deutsche Bank, Commerzbank“. Was hier mitschwingt, ist der Vorwurf, dass diese Thematik, die ja eigentlich der Markt regeln sollte, zu stark politisiert wird, dass sich das Bundesfinanzministerium hier zu stark einmischt. Die Aussage von Herrn De Masi hat mich erschrocken, und ich wäre erstaunt, wenn es so wäre. Herr De Masi – auch wenn Sie gerade nicht zuhören können –, welche Machtfülle Sie dem Bundesfinanzminister zugestehen: eine Herrschaft über die EZB und über den IWF, und alle kuschen vor ihm, nur damit das zustande kommt. Ich glaube, der Finanzminister würde sich wünschen, diese Machtfülle zu haben. Meine Damen und Herren, die Art und Weise des Umgangs der Opposition mit diesem Thema ist genau das Gegenteil: Sie politisieren zwei Marktakteure, die gesagt haben, dass sie miteinander reden wollen. Sie tragen das Thema in den Deutschen Bundestag, in die Politik, in die Öffentlichkeit und nutzen jede Sekunde, diese Finanzinstitute auch noch schlechtzureden, nach dem Motto „Wir wollen sie nach unten prügeln“, statt zur Stärkung des Finanzmarkts beizutragen. Fusionen, Kooperationen, Übernahmen bekommen wir täglich aus den Zeitungen mit. Die Landesbanken diskutieren darüber, wie es weitergeht. Im Mobilitäts- und Pkw-Bereich reden Daimler und BMW darüber, zu kooperieren und national stark zu werden, Herr Kollege Dr. Toncar. – Ich habe gerade gesagt: Wir reden über Fusionen, Kooperationen, Übernahmen. Wissen Sie, was in zehn Jahren dabei herauskommt, Herr Gottschalk? Sie wissen es natürlich nicht. Da kann sich etwas anbahnen. Es kann auch sinnvoll sein, was da gemacht wird. Wir reden hier von einer offenen Prüfung. Das Erstaunliche ist: Zeitungskommentatoren, Wissenschaftler, auch Mitglieder hier im Parlament wissen bereits, was herauskommt. Die Zahlen liegen nicht auf dem Tisch. Wir wissen auch nicht, welches Geschäftsmodell dem zugrunde liegt. Aber genau das gilt es abzuwarten. Das müssen die Vorstände jetzt prüfen und dann entsprechend offenlegen. Lassen Sie sich von meiner Seite sagen: Eine hohe Bilanzsumme ist kein Wert an sich. Auch ein nationaler Champion ist kein Wert an sich. Aber auf eines lege ich Wert, meine Damen und Herren, nämlich dass die Aufseher von Anfang an beteiligt sind. Das habe ich bisher von keinem Redner hier gehört. Die BaFin, die Bundesbank, die Europäische Zentralbank müssen an dem Prozess beteiligt sein. Der SSM wird darüber entscheiden, werter Kollege Schäffler. Er wird aber politisch nicht allein von Deutschland bestimmt werden, außer es träte ein, was die AfD zuletzt gefordert hat, nämlich dass die EZB jegliche Aufsicht in Europa abgibt. Auch der SRM, der Einheitliche Abwicklungsmechanismus, muss dazu gehört werden. Sie alle müssen sagen, was es bedeutet, wenn wir eine Bank von dieser Größe, mit dieser Struktur bekommen. Warten Sie doch die Antworten mal ab. Sie geben diese ja schon, bevor Sie wissen, wie die Analysen aussehen werden. Natürlich muss auch das Kartellamt mit Blick auf die Auswirkungen auf den Wettbewerb für die großen und mittleren Unternehmen und für den industriellen Mittelstand gehört werden. Lassen Sie mich eines abschließend sagen: Wir können ja nicht ausschließen, dass die Vorstände am Ende zu dem Schluss kommen, eine Fusion, ein Zusammengehen der beiden Banken, lohnt sich nicht. Es gilt dann, diese Entscheidung zu respektieren. Das gilt für das Parlament und für die Bundesregierung. Es wird zu entsprechenden Verwerfungen und Diskussionen an den Märkten kommen. Wir müssen dann die Kraft haben, zu sagen: Das ist nicht der Weg, den wir gehen. – Die Frage, wie es mit den Unternehmen alleine weitergeht, wie sich diese entwickeln müssen, meine Damen und Herren, ist dann noch nicht gelöst. Dann gilt es natürlich, auch diese Fragen zu beantworten. Die Finanzmärkte haben sich verändert und werden sich weiterhin massiv verändern, zum Beispiel durch die Digitalisierung. Natürlich wird auch das Auswirkungen auf die Strukturen der Commerzbank und der Deutschen Bank haben. Zu suggerieren, Herr De Masi, dass sich nichts verändert, wenn keine Fusion kommt, ist ein Trugschluss. – Aber suggeriert. – Ein ständiger Wandel wird die Finanzwirtschaft ereilen, und natürlich werden wir dann auch über die Strukturen sprechen müssen. – Aber Sie suggerieren es, indem Sie bestimmte Themen aufgreifen und zum Beispiel sagen, es dürfe keine Arbeitsplatzverluste geben. Wir müssen bei der Frage der Champions und der Begleitung der deutschen und europäischen Wirtschaft auch mal europäisch denken. Möglicherweise ist es in einem europäischen Binnenmarkt notwendig, dass grenzüberschreitende Wirtschaftsstrukturen geschaffen werden. Dann ergeben sich auch neue Chancen in der Diskussion darüber, wie wir unseren Finanzplatz in Deutschland, aber auch in Europa stark machen. Das, meine Damen und Herren, ist unsere Aufgabe. Unsere Aufgabe ist es nicht, unsere Bankhäuser und damit den Finanzmarkt durch regelmäßige Diskussionen in den Parlamenten schlechtzureden. Besten Dank. Vielen Dank, Alexander Radwan. – Nächster Redner: Kay Gottschalk für die AfD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Diether Dehm DIE LINKE
Diether
Dehm
DIE LINKE
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ja, die Koalition hat, so wie die Grünen, in ihren Anträgen richtige Verweise auf klare Klima- und Sozialstandards im Abkommen gegeben. Aber natürlich hätte das Abkommen ins Parlament gehört, und zwar in alle Parlamente, auch hier in den Bundestag. Und es fehlt die Verbindlichkeit. Wenn man Klimaschutz wirklich mit den Menschen machen möchte – es geht nicht anders, es geht nicht über Eliten, und es geht nicht nur übers Schüren von schlechtem Gewissen –, dann muss man das verbindlich festschreiben. Klimaschutz geht nur sozial. Da sind wir beim zentralen Problem, wie es zum Brexit kam. Das geht leider die Bundesregierung in ihrem Antrag nicht an. Die Unzufriedenheit und der Zorn, die zum Brexit führten, gingen nicht nur auf ein Projekt der Ausschöpfung elitärer und chauvinistischer Potenziale von rechts zurück, sondern es gab dabei eben auch eine sehr große Beimischung von Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet hatten und sich dann einfach abgehängt und verachtet fühlten, Menschen, die weniger laut über das Ende der Welt klagen als über das Ende des Monats, weil sie nicht wissen, wie sie über die Runden kommen. Es ist die mangelnde Sozialstaatlichkeit, die den Gegnern jeglicher europäischer Integration die Hasen in die Küche treibt. Wenn ich etwas zur Sozialstaatlichkeit sage, spreche ich nicht nur über Beiwerk. Sie ist von den Müttern und Vätern der meisten Verfassungen in der EU als Replik auf den Faschismus in den 40er-Jahren in die Verfassungen – so auch ins Grundgesetz mit den Artikeln 14 und 15 – implantiert worden. Warum? Weil man eine Kapitalübermacht begrenzen wollte, die sich erstens einen Hitler finanziert, zweitens auf Fingerschnipp einen Weltkrieg initiiert – das sage ich im Jahr des 80. Jahrestages des Beginns des Überfalls auf die Sowjetunion –, und die drittens den Alltag der Menschen durch das Auspressen beim Lohn bis zur Zwangsarbeit, bis zur Sklavenarbeit geprägt hat. Deswegen findet sich die Sozialbindung des Eigentums im Grundgesetz und in vielen anderen Verfassungen. Das gehört in das Primärrecht der Europäischen Union, wenn Sie die Herzen der Menschen, und zwar der Menschen, die sich wirklich vor dem Brexit in Großbritannien ausgegrenzt fühlten, jetzt zurückerobern möchten. Es ist also ein Gebot der Sozialstaatlichkeit und des Antifaschismus – das sage ich gerade in diesem Jahr –, dass das, was im Grundgesetz, in der italienischen Verfassung, der spanischen Verfassung, in anderen Verfassungen möglich ist, im Primärrecht der EU festgelegt wird. Einige waren vielleicht schadenfroh, dass sich die Labour Party zerlegt hat, über das soziale Gefälle und über den Brexit. Aber allmählich zerlegt sich auch die ganze EU, wenn im Streitfall soziale Grundrechte, Löhne, Streikrecht, Kapitalsteuern immer hinter dem freien Kapital zurückbleiben. Schauen Sie sich doch das Impfchaos an: Das weckt nun wirklich kein Vertrauen in die EU. Kollege Dehm! Der letzte Satz, liebe Frau Präsidentin: Deswegen lehnen wir in letzter Konsequenz den Antrag ab. Die Linke kämpft an der Seite der Gewerkschaften für die soziale Fortschrittsklausel, die die Gewerkschaften wollen, und an der Seite der Klimabewegung für Umweltstandards, die nicht mehr auf dem Altar des großen Kapitals und der Konzerne geopfert werden können. Ich danke für die Aufmerksamkeit. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Franziska Brantner das Wort.
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Dr.
Dr. Jens Zimmermann SPD
Jens
Zimmermann
SPD
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich ja mit dem Antrag der Grünen beginnen, aber zu dem Thema Hackback muss man, glaube ich, doch noch einmal etwas sagen; denn so, wie es eben dargestellt wurde, hätte das folgende Logik: Wir haben einen Einbrecher entdeckt, der ein Auto mit einem Nummernschild aus Hamburg hat, und jetzt schießen wir einfach mal auf alle Autos, die ein Hamburger Kennzeichen haben. Das ist doch eines der großen Probleme, die wir beim Thema Hackback haben. Wen wollten Sie denn nach den bisherigen Attacken eigentlich angreifen? Man weiß nicht genau, von welchem Server der Angriff kam, und am Ende schießt man dann mit den Offensivkapazitäten vielleicht ein Krankenhaus in Frankfurt ab. Da bitte ich um ein bisschen mehr Zurückhaltung und weniger Kriegsgetöse, meine Damen und Herren. Die Grünen haben diesen Antrag gestellt, und ich kann mich den Vorrednern anschließen: Auch ich finde, dass es eigentlich ein sehr guter Antrag ist. Er greift viele Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag auf. Wenn ich aber zu den Kolleginnen und Kollegen der Grünen hinüberschaue, vor allem zu denjenigen aus Hessen, dann muss ich sagen: Vorsicht an der Bahnsteigkante! – Denn hier wird gesagt, dass es ein Problem ist, dass sich der Verfassungsschutz zum Beispiel auch der Instrumente des Internets bedient und das zu Sicherheitslücken führen kann. Das Problem hat ja die schwarz-grüne Landesregierung auch, sonst wären Ihre Mitglieder in Hessen nicht so auf der Palme und die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen müsste nicht zum x-ten Male die Verfassungsschutzreform verschieben. Dort passiert genau das Gleiche wie hier im Bundestag: Wir führen eine kontroverse Diskussion über die Frage: Was müssen wir können, um Sicherheit zu gewährleisten, und was müssen wir verhindern, um Freiheitsrechte nicht aufzugeben? Ich finde es gut, dass ihr in Hessen die gleichen Diskussionen wie wir hier im Bundestag durchmachen müsst. Ich bitte aber darum, das bei der Rhetorik an der einen oder anderen Stelle zu bedenken. Die Jamaika-Verhandlungen sind noch nicht so lange her. Wäre Jamaika zustande gekommen, würden wir das Ganze hier vielleicht mit anders verteilten Rollen diskutieren. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt, den ich den Kolleginnen und Kollegen der Grünen noch mit auf den Weg geben möchte. Die Diskussion über den Antrag ist wichtig, und die Notwendigkeit, das IT-Sicherheitsgesetz weiterzuentwickeln, besteht. Wir haben Ideen, was beim BSI verbessert werden muss. Da sind wir, was die Zielrichtung angeht, glaube ich, einer Meinung. Deswegen freue ich mich auf die weitere Debatte über dieses Thema, und freue mich natürlich auch, zu beobachten, wie man am Ende in Hessen zu einem Ergebnis kommen wird. Vielen Dank. Vielen Dank, Dr. Zimmermann. – Letzter Redner in der Debatte: Hansjörg Durz für die CDU/CSU-Fraktion.
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Dr.
Dr. Martin Neumann FDP
Martin
Neumann
FDP
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Liebe Gäste auf den Rängen! Wir hatten ein Jahr Zeit gehabt, dieses Gesetz zu beraten. Jetzt muss es ganz, ganz schnell gehen. Ich nehme das Ergebnis mal voraus: Die eigentlichen Probleme, nämlich die CO 2 -Emissionen zu senken und das 65-Prozent-Ziel zu erreichen, löst dieses Gesetz nicht. Wir haben steigende Stromkosten. Wir sind in der Zwischenzeit bei 34 Cent pro Kilowattstunde. In Berlin und in Hamburg sind die Stromkosten in den letzten zehn Jahren um 50 Prozent gestiegen. Die CO 2 -Emissionen sinken dagegen nur ganz minimal. Schauen wir noch mal auf die Ziele, die man mal mitschreiben sollte: Was wollen wir eigentlich mit der Energiewende? Wir wollen Versorgungssicherheit. Wir wollen Preisstabilität, Akzeptanz und vor allen Dingen – das war immer das Ziel, zu dem wir uns verpflichten – eine CO 2 -Minderung. Das geht nur – das sage ich noch mal ganz deutlich – mit mehr Marktwirtschaft und Wettbewerb. Genau bei diesen Punkten hapert es im Gesetz. Diese 4-Gigawatt-Sonderausschreibung je Technologie trotz Netzengpässen, trotz fehlender Speicher verteuert die Kosten des Stroms und der Energie weiterhin. Und was das Netzausbaubeschleunigungsgesetz angeht – Herr Westphal, Sie haben darauf hingewiesen –: Von den 5 900 Kilometern Leitungen haben wir erst 150 Kilometer realisiert. Mir fehlt jegliche Fantasie, um mir vorzustellen, wie das jetzt in der Kürze der Zeit gemacht werden soll. Herr Minister – Sie sind jetzt wieder da –, die Bundesregierung fordert mehr Tempo – das ist ja richtig –, bremst aber gleichzeitig. Machen Sie das mal als Autofahrer: bremsen und gleichzeitig Gas geben. Das gibt ein Motorengeheul. Unter Experten heißt das Donut; der eine oder andere weiß, was das heißt. Das EEG – das muss man noch mal ganz deutlich sagen – bleibt der gravierende Bremsklotz. Wir brauchen eine Umgestaltung von einer Planwirtschaft, die zu nichts führt – wir sehen es doch –, zu mehr Marktwirtschaft; denn das EEG belastet nicht nur den Mittelstand, sondern auch die Verbraucher. Jetzt nenne ich einmal die Chancen und Potenziale, die in diesem Gesetz liegen. Wir haben festgestellt, dass der Strom an sich ja wettbewerbsfähiger wird. Aber trotzdem haben wir so viele Probleme nicht gelöst. Wir müssen deutlich mehr emissionsarme Energieträger zulassen. Die Verengung nur auf Wind und Sonne ist nicht zielführend. Ich will ganz deutlich machen: Wir brauchen viel mehr Offshoreanlagen, von der Versorgungsseite her gesehen. Wir brauchen eine Energieversorgung für 8 760 Stunden im Jahr. Wenn die Offshoreanlagen beispielsweise schon fast 5 000 Stunden an Energieversorgung abdecken können, dann ist das doch ein Schritt in die richtige Richtung. Auch die Akzeptanz ist hier viel höher als bei den anderen. Aber im Gesetz steht da zu wenig. Der Ansatz für 2019 macht noch nicht einmal 5 Prozent der Gesamtausschreibung aus. Das ist einfach zu wenig. Das Ziel, meine Damen und Herren – das will ich zusammenfassend sagen – muss sein, endlich Technologieoffenheit umzusetzen. Wir brauchen dringend eine Speicheroffensive. Denn ein Speicher ist wie ein Parkhaus; er ist weder ein Verbraucher noch eine Autofabrik oder eine Schrottpresse. Das heißt: Das Auto fährt rein und wieder raus. So ist es auch mit dem Speicher in Bezug auf die Energien. Meine Kollegin kann dann noch nachlegen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, sehr geehrter Herr Minister. Was ist notwendig? Was müssen wir tun, um den Prozess erfolgreich zu machen? Wir müssen erstens viel innovationsoffener denken und sollten nicht Leistung um jeden Preis installieren. Zweitens brauchen wir mehr Markt und mehr Wettbewerb und insbesondere gesicherte Leistung, elektrische Arbeit und Speicher; wir brauchen Flexibilität und müssen technologieoffen ausschreiben. Das könnte ein Ansatz für den richtigen Weg sein. Vielen Dank, meine Damen und Herren. Vielen Dank, Dr. Neumann. – Nächster Redner: Lorenz Gösta Beutin für die Fraktion Die Linke.
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Dr.
Dr. Dietmar Bartsch DIE LINKE
Dietmar
Bartsch
DIE LINKE
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor fast 80 Jahren überfiel Nazideutschland die Sowjetunion. Eines der größten Verbrechen der Geschichte ging von deutschem Boden aus. Der Krieg gegen die Sowjetunion wurde als Angriffs- und Vernichtungskrieg konzipiert und geführt, der alle bis dahin geltenden Zivilisationsregeln suspendierte. Der Krieg wurde nicht als Krieg einer Armee gegen eine andere geführt, sondern als Krieg gegen eine Bevölkerung, die – wie die Juden – ausgerottet bzw. dezimiert und versklavt werden sollte. Die Völker der Sowjetunion kostete dieser Vernichtungskrieg 27 Millionen Menschenleben: Russen, Weißrussen, Ukrainer, Balten, Kaukasier, Juden, Soldaten, Zivilisten, Kriegsgefangene, Männer, Frauen, Kinder, Angehörige Dutzender Nationalitäten. Fast jede Familie der Sowjetunion hatte Opfer zu beklagen. Meine Fraktion, ich hoffe, wir alle, wollen dem würdevoll gedenken, und auch ich verneige mich vor den Opfern. Meine Damen und Herren, im Januar 2014 sprach der damals 95-jährige russische Schriftsteller Daniil Granin hier an diesem Platz im Deutschen Bundestag. Er sagte, man dürfe nicht vergessen und man müsse doch vergeben können, Hass führe in die Sackgasse. Das sagte der Verteidiger von Leningrad. Heiko Maas, Graf von Lambsdorff haben darauf hingewiesen, was das an diesem Pult bedeutet. Granin sagte, es sei ihm eine große Ehre, hier zu sprechen. Auch eingedenk dieser Worte beschämt es mich, wie der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung mit diesem Jahrestag umgehen. Ein offizielles Gedenken gibt es weder hier noch da, und das im 80. Jahr des Überfalls. Die dürftigen Begründungen und Verweigerungen sind in den Antworten auf die Anfragen meiner Fraktion nachzulesen. Ich finde, das ist ein Zeugnis von Geschichtsvergessenheit. Ich bin froh, dass der Bundespräsident, Herr Steinmeier, hier anders handelt. Heute gedenken wir eines Tages größter deutscher Schuld. Es geht um Terror, der in dieser Stadt erdacht und inszeniert worden ist. Deshalb sind Zeichen der Demut und der Scham so notwendig. Meine Damen und Herren, ich habe ein paar Jahre in der Sowjetunion gelebt, ich habe dort eine Aspirantur gemacht. Ich hatte eine Russischlehrerin, die mir sagte, dass ihrer Großmutter, als sie ihr erzählte, dass sie jetzt auch einen Deutschen unterrichtet, die Tränen gekommen sind, weil ihr Bruder, der Bruder der Großmutter, von Deutschen umgebracht worden ist. Sie konnte gar nicht verstehen, warum sie einen Deutschen unterrichtet. Ich habe mit der Lehrerin lange geredet und habe ihr natürlich auch versichert: Nie wieder! – Kurz vor meiner Verteidigung, das war im Mai 1990, gab es in den ostdeutschen Ländern (neu) riesige Nazischmierereien. Ihre Frage war damals im Mai 1990: Glaubst du, dass das wieder passieren kann? – Natürlich habe ich das verneint und gesagt: Das ist unmöglich! Nie wieder deutsche Soldaten. Meine Damen und Herren, was soll ich meiner damaligen Lehrerin eigentlich sagen, wenn heute die NATO-Staaten ihr größtes Manöver seit dem Ende des Kalten Krieges ausgerechnet im Osten Europas abhalten und die Bundeswehr dabei ist? Ich finde, das ist beschämend! Wir sollten Lernfähigkeit zeigen gegenüber allen ehemaligen Republiken der Sowjetunion. Ich appelliere an die Bundesregierung: Lieber Heiko Maas, kappen Sie nicht die Drähte zu allen ehemaligen Sowjetrepubliken, auch nicht nach Russland, nicht die Gesprächsfäden, nicht die Handelswege, nicht die Pipelines. Fördern Sie die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen, den Jugendaustausch, die Städtepartnerschaften, und – heute wichtiger denn je – arbeiten Sie an einer neuen Ära der Abrüstung! Wer es heutzutage gering schätzt oder ignoriert, dass die Rote Armee in der Anti-Hitler-Koalition den größten und opferreichsten Beitrag erbracht hat, wer ignoriert, dass die Politik Gorbatschows das Tor zu Gewaltverzicht und Abrüstung öffnete, den Fall des Eisernen Vorhangs und die Deutsche Einheit überhaupt erst ermöglichte, hat aus der Geschichte nichts gelernt, der handelt arrogant und ohne Empathie. Wer das ignoriert, brüskiert zahlreiche Staaten und Völker. Das heißt übrigens nicht „Sprachlosigkeit“, das heißt es ausdrücklich nicht. Wir gedenken heute auch David Dushman, der in der Nacht auf Samstag in seiner Wahlheimat München mit 98 Jahren gestorben ist und der gerade in diesen Minuten verabschiedet wird. Er war ein Veteran der Roten Armee und der letzte noch lebende Befreier von Auschwitz. Unermüdlich hat er als Zeitzeuge bis zuletzt von den Schrecken des Krieges und dem Terror des Faschismus berichtet. „Nicht die Deutschen sind schuld, der Faschismus muss zerstört werden“, sagte dieser große Held, vor dem wir uns auch in Dankbarkeit verneigen. Meine Damen und Herren, wir leben in einer vermeintlich stabilen Demokratie. Doch das vermeintlich Sichere ist so sicher nicht. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit müssen täglich erkämpft und verteidigt werden. Auch 75 Jahre nach dem Ende des faschistischen Raub- und Vernichtungskriegs haben wir keinen Grund, Bertold Brechts Warnung in den Wind zu schlagen: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“ Gar nicht selten geht Verharmlosung mit Verherrlichung einher; wir erleben das, leider auch manchmal in diesem Haus. Brechts Stück, übrigens auch im Jahre 1941 geschrieben, trägt den Titel „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“. Deshalb sehe ich darin Zuversicht und zugleich Auftrag für uns alle. Wir alle sind gefordert. Ja, es gibt keine Politik ohne Geschichte! Herzlichen Dank. Claudia Roth, Bündnis 90/Die Grünen, ist die nächste Rednerin.
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Steffen Kotré AfD
Steffen
Kotré
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Staatssekretär Kellner, wollen wir mal Ihre Märchenstunde hier beenden. Als ob es die Verbraucher interessierte, welche Vorprodukte irgendwo drin sind! Wahrscheinlich wären Produkte hergestellt in Russland in anderen Ländern, auf anderen Erdteilen sogar ein Verkaufsschlager. Was Sie sagen, ist völliger Quatsch. Eine ungarische Lösung bei uns? Ja, warum denn auch nicht bei uns! Warum nicht Ostdeutschland da rausnehmen? Ein Ölembargo, das ist, als würden wir den Ast absägen, auf dem wir sitzen. Das ist doch völlig klar. Und es ist völliger Wahnsinn, dass wir über ein Embargo reden, obwohl wir von diesem Öl abhängig sind. Wenn der Ölhahn oder der Gashahn zugedreht wird, dann sind wir das doch, die das machen. Wir schädigen uns doch selber und nicht die Russen – die Russen reagieren nur. Die reagieren nämlich auch auf die Quasienteignung durch Unterstellung einiger ihrer Betriebe unter Treuhandverwaltung, was auch nichts anderes als eine Art von Enteignung ist. Wasserstoff als große Chance: Wir haben schon oft darüber geredet, dass das alles andere als eine große Chance ist, sondern Wolkenkuckucksheim. Öl von woandersher importieren: Wir haben gerade doch festgestellt, dass das Öl aus der Druschba-Pipeline besonderes Öl ist. Das kann nicht einfach so ersetzt werden. Wenn Sie sagen, wir können das mir nichts, dir nichts einfach so machen, dann ist das Wolkenkuckucksheim. Nein, wenn wir ein Ölembargo gegen Russland verhängen, dann gehen in Schwedt leider die Lichter aus, und das ist eine sozialpolitische und auch eine wirtschaftliche Katastrophe. Seien Sie bitte ehrlich und sagen Sie das den Leuten. Das ist ja auch auf der Betriebsversammlung herausgekommen. Da glaubt Ihnen keiner aus der Belegschaft, dass Sie wirklich ehrlich an einer Lösung arbeiten, weil Sie nämlich genau das Gegenteil machen. Sie sind nicht lösungsorientiert. Sie sind das Problem und nicht die Lösung. Auch dass Nord Stream 2 jetzt durch den Krieg beendet worden wäre, ist falsch. Nein, Sie haben schon vorher die Weichen so gestellt, dass das zu den Akten gelegt wird, weil Sie eben kein Gas wollen, weil Sie in einem Wolkenkuckucksheim leben und erneuerbare Energien wollen, die nicht funktionieren und die instabil sind. Das ist doch völlig klar; das liegt auf der Hand. Minister Habeck hat es ja auch gesagt: Wir werden bei einem Versorgungsstopp einen zeitweisen Ausfall haben, und wir werden hohe Preissprünge haben. Es ist auch eine sozialpolitische Katastrophe, was hier gerade passiert. Insofern schädigen wir uns selbst. Herr Bundeskanzler Scholz hat zwar gesagt, dass wir keine Sanktionen verhängen, wenn wir uns selbst damit mehr schädigen als den Sanktionierten. Aber genau das passiert doch hier: Wir schädigen uns selbst mehr als den Sanktionierten. Insofern müssten Sie eigentlich sagen: Nein, wir wollen kein Ölembargo. – Auf diese vernünftige Politik warten wir: Nein zu einem Embargo. Die Folgen für Unternehmer und für Bürger stehen eben in keinem Verhältnis. Schon 2014 haben wir gesehen, dass gerade wir Deutsche unter den Sanktionen leiden. Die Exporte der USA nach Russland sind gestiegen; unsere Mittelständler haben in die Röhre geguckt. Das sind die Realitäten, wenn wir Sanktionen verhängen. Wir werden die Russen mit unseren Sanktionen doch nicht zu irgendeiner Politik zwingen können; das ist doch völlig illusorisch. Insofern ist das völlig überflüssig und wird an dieser Stelle überhaupt nicht Ihrem eigenen Ziel gerecht. Was passiert denn, wenn wir in Ostdeutschland Treibstoffnotstand haben? Das würde sich einreihen und würde zum Beispiel zur Berliner Politik passen, wo Parkplätze weggenommen werden, wo plötzlich Straßen gesperrt werden. Da wird eben der individuelle Autoverkehr eingeschränkt. Und vielleicht wollen Sie ja das; vielleicht steht das ja dahinter. Denn eine andere rationale Erklärung kann ich mir hier an dieser Stelle nicht vorstellen, meine Damen und Herren. Der ungarische Ministerpräsident Orban hat gesagt, dass das Embargo wie eine Atombombe für die Wirtschaft wirkt. In ähnlicher Form wäre es auch bei uns so. Aber im Unterschied zu uns haben die Ungarn eine Regierung, die sich an den Interessen der Leute orientiert, nicht an irgendwelchen anderen Interessen und vor allen Dingen auch nicht an Zielsetzungen, die nicht zu erreichen sind. Wir werden keinen großen Einfluss des Embargos auf den Staatshaushalt der Russischen Föderation sehen; denn sie wird ihr Öl woandershin liefern. Nur wir sind aufgrund der Preissprünge und aufgrund der Lieferengpässe dann wieder diejenigen, die das Nachsehen haben. Und wenn hier heute so getan wird, dass mit der Belegschaft der PCK in Schwedt eine Verständigung erreicht worden ist, muss ich sagen: Nein, am Montag gab es doch eine ganz klare Frage, welche Interessen Minister Habeck eigentlich verfolgt. Das sind die Fragen, die dort gestellt wurden. Und es wurde gesagt: Unsere Arbeitsplätze gehen doch verloren. Wir sind auf dieses Öl angewiesen. – Da kam man nicht, wie Sie suggerieren, zu einer gemeinsamen Lösung. Das war nicht so. Sie kommen bitte zum Ende. Da wird Sand in die Augen der Leute gestreut. Wir sollten uns dem nicht verschließen, dass die Folgen verheerend sein würden. Sie kommen bitte zum Ende. Und deswegen lehnen wir dieses Ölembargo ab. Der Kollege Olaf in der Beek hat für die FDP-Fraktion das Wort.
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Stefan Keuter AfD
Stefan
Keuter
AfD
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn die Union einmal mehr demonstrieren möchte, dass sie nicht mehr als einen opportunistischen Scheinoppositionsantrag hier einbringt, dann wohl mit diesem Antrag. Da regiert in diesem Land eine linksliberale Ampelkoalition, die den ideologischen Unfug jedes durchschnittlichen linken Aktivisten als seriöse Politik verkaufen möchte, und die Union meint, diesen infantilen Ungeist auch noch überbieten zu müssen. Sie fordern: „Den Testfall einer frauenorientierten Außenpolitik zum Erfolg machen“. Bemerkenswert ist, dass Sie den Begriff „feministisch“ vermeiden, obwohl der Kollege Hardt aus Ihren Reihen in einer Pressemitteilung vom 26.09. dieses Wort sehr wohl schon verwendet hat. Sie vermeiden es offensichtlich jetzt, um Ihre ideologische Nähe zu den Grünen hier nicht allzu offensichtlich zur Schau zu tragen. Und um die Scheinheiligkeit der Diskussion um die Entwicklung im Iran zu entlarven, reicht ein Blick auf die politischen Entscheidungen dieser Regierung. Während Sie nun den Iran als schlimmstes theokratisches Terrorsystem aller Zeiten stilisieren, verkaufen Sie weiter via EU-Deals Waffen nach Saudi-Arabien, einem Land, in dem die Scharia herrscht. Wo ist denn da der Aufschrei, Ihr Ruf nach einem Regime Change und nach mutigem Widerstand? Wo ist da der Aufruf an die Frauen, ihre Gewänder und Kopftücher abzulegen und offen gegen den Staat zu rebellieren? Er bleibt aus. Und weshalb bleibt er aus? Weil Saudi-Arabien ein strategischer Partner der USA ist und bisher im transatlantischen Narrativ einfach verschont wurde. Und hier sehen wir wieder einmal: Realpolitik triumphiert über angebliche Wertepolitik. Die emotionsgeladenen Phrasen, die Sie in diesem Zusammenhang immer gerne bringen und auspacken, passen dann halt hier nicht. Der Iran wäre ein potenzieller Alternativlieferant für russisches Öl, das Sie ja nicht mehr wollen. Aber anstelle hier Verhandlungen anzustreben, um die Energieversorgung Deutschlands abzusichern, fordert unsere Außenministerin weitere Sanktionen gegen Teheran. Sie sagen: weil es ein sogenannter Schurkenstaat sei. Da frage ich mich: Seit wann interessiert Sie das? War das etwa ein Thema, als Vizekanzler Habeck in Katar den Kniefall machte und um Öl und Gas bettelte, das es gar nicht gab? Bei dem Staat, wo wir die Fußball-WM austragen wollen, aber Frauen immer noch die Erlaubnis ihrer Männer brauchen, um das Haus zu verlassen? Der Testfall frauenorientierter Außenpolitik hat hier bereits stattgefunden, und Sie haben hier kläglichst versagt. Die Bilder aus dem Iran sind zweifelsohne verstörend und besorgniserregend. Ich bzw. meine Fraktion zollen jedem Mädchen und jeder Frau, die hier auf die Straße gehen, Respekt. Die islamischen Werte, die im Iran von den Mullahs vertreten werden, sind eindeutig nicht unsere westlichen Werte. Jedoch müssen wir offensichtlich die Herrschaften in diesem Hohen Haus daran erinnern, dass Teheran nicht in der Bundesrepublik liegt. Der Raum, in dem Sie dafür sorgen können, dass Frauen sich nicht um ihre Gesundheit in diesem Land sorgen müssen, ist hier in Deutschland. Doch ausgerechnet in unserem Land interessieren Sie Islamisierung, Ehrenmorde, Beschneidungen von Mädchen und Zwangsehen nicht die Bohne. Setzen Sie Ihren scheinheiligen Werteimperialismus erst einmal auf die Parallelgesellschaften in deutschen Großstädten an. Sie können in meiner Heimat, dem Ruhrgebiet, oder hier in Berlin gerne damit anfangen, bevor Sie sich mit Ihrem Werteimperialismus auf andere Staaten stürzen. Lassen Sie die Moral in sauren Phrasen sein, und kümmern Sie sich um die Probleme in Deutschland – denn dafür und nur dafür wurden Sie gewählt! Die Außenministerin ist heute nicht da, aber einen Ratschlag gebe ich ihr noch: Bevor sie hier vorgaloppiert mit Forderungen, sollte sie erst einmal ihr Haus auf Kurs bringen, weil offensichtlich die führenden Beamten im Auswärtigen Amt dies alles auch ein bisschen anders sehen als unsere Außenministerin. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Das Wort erhält Lamya Kaddor für Bündnis 90/Die Grünen.
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Christina-Johanne Schröder BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Christina-Johanne
Schröder
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe Ihren Antrag, liebe CDU/CSU-Fraktion, gelesen und dachte: Wow, die Union hatte einen echten Erkenntnisprozess. Sie fordern den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft hin zu Klimaneutralität, den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien und wollen damit die Versorgungssicherheit in Deutschland sichern. Sie wollen einen besseren Schutz vor Starkregen, Hochwasser und Dürre, also die Folgen des Klimawandels abmildern. Sie von der Union wünschen sich Straßen, die nicht von Schlaglöchern übersät sind, Brücken, die man nicht sperren muss, weil sie unter der Last des Verkehrs zusammenbrechen. Und damit es weniger Verkehr gibt, sollen der ÖPNV und die Schieneninfrastruktur ausgebaut werden. Dabei denken Sie nicht nur an diejenigen, die von A nach B kommen müssen, sondern auch an jene, die unter Lärm und Abgasen leiden. Wir befinden uns inmitten einer großen Wohnungs- und Mietpreiskrise. Die wollen Sie durch mehr bezahlbaren Geschosswohnungsbau lösen. Nicht zuletzt fordern Sie in diesem Antrag, die landwirtschaftliche Nutztierhaltung umzubauen, damit Tiere nicht leiden, sondern sich entsprechend ihren Bedürfnissen – Platz, Licht und Luft – bewegen können. Liebe Kollegen der Union, das wollen wir auch. Ich habe mich nicht gefragt, warum Sie in den letzten 16 Jahren diese Ziele nicht umgesetzt haben. Ich war vielmehr sehr daran interessiert, was Sie vorschlagen, und muss feststellen, dass wir das ganz gut mit der SPD umsetzen. Ihre Lösungen sind halt beim Alten geblieben. Ihre zentrale Lösung, um die Planung in der Bundesrepublik zu beschleunigen, ist weiterhin die Beschneidung von Beteiligungsrechten. Bürger/-innen und Umweltverbände werden weiterhin als Planungsbremser/-innen abgewertet. Neu ist, dass die Beschneidung der Beteiligungsrechte mit ein bisschen Digitalisierung garniert wird. Herr Bilger, Sie haben das Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz erwähnt. Das hat nun ein Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen die Bundesrepublik ausgelöst. Dass dieses Gesetz gegen die Aarhus-Konvention verstößt, war schon während des Gesetzgebungsprozesses so gut wie klar. Das ist auch ein Versuch, Maßnahmen wie die Weservertiefung durchzudrücken, gegen die alle Parteien vor Ort sind und die ein normales Planfeststellungsverfahren nicht überleben würden. Wichtige Maßnahmen hingegen, die wir dringend brauchen, werden dadurch gestoppt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, so wird das nichts. Durch die Ampelregierung wurde der Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung bereits gestartet. Die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen ist Chefsache bei uns. Das Kanzleramt durchforstet mit den Staatssekretären bestehende Gesetze, plant Verschlankungen und analysiert sachgerecht die Ursachen für zu lange Genehmigungsprozesse. Es ist beinahe nicht zu glauben, dass praktisch alle Gesetze zur Entbürokratisierung und zur Planungsbeschleunigung nicht sachgerecht evaluiert wurden. Da kommen wir zu einer wesentlichen Frage dieser Debatte: Warum verzögern sich Planungen in Deutschland? Das ist wichtig: Es liegt nicht an der demokratischen Legitimation, an Bürger/-innen- und Beteiligungsrechten. Dieser Mythos gehört in den verstaubten Aktenschrank. Dass schnelle Planung in Deutschland mit einer effektiv arbeitenden Regierung möglich ist, zeigen Gesetze, die wir aktuell beraten, zum Ausbau der erneuerbaren Energien und auch zu den LNG-Terminals, um Menschen im Winter eine warme Wohnung zu bieten und der Industrie die notwendige Prozesswärme. Wir werden die dialogische Kompetenz für Beteiligungsverfahren stärken und den Ländern und Kommunen die eigenen Beratungskapazitäten zur Verfügung stellen. Frühzeitige Verfahrenskompetenzen zwischen Vorhabenträgerinnen und ‑trägern, Anhörungs- und Genehmigungsbehörden werden grundsätzlich etabliert, um gerichtliche Auseinandersetzungen zu minimieren. Behörden werden endlich mit der notwendigen Technik ausgestattet, damit Daten zur Kartierung und zum Artenschutz flächenübergreifend und lange nutzbar sind – und zentral zugänglich. Das Raumordnungsgesetz und das Baugesetzbuch werden modernisiert, und das nicht erst zum Ende der Legislaturperiode. Ein Grund für Verzögerungen in der Planung und Genehmigung ist sicherlich auch die personelle Ausstattung; deswegen ist eine Ausbildungs- und Fortbildungsinitiative ein zentraler Bestandteil der Planungsbeschleunigung. Liebe Union, an 38 Punkten des Koalitionsvertrages wird die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen behandelt. Wir messen dem einen hohen Wert zu, und wir werden das verlorene Vertrauen von Gesellschaft und Wirtschaft zurückgewinnen, und zwar ohne Bürger/-innenrechte zu schleifen oder Schutzgüter infrage zu stellen. Vielen Dank. Das Wort hat der Kollege Klaus Ernst für die Fraktion Die Linke.
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Reinhard Houben FDP
Reinhard
Houben
FDP
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank, Herr Feiler und Herr Zimmermann, wir hätten uns als FDP gefreut, wenn wir in dieser Woche Gelegenheit gehabt hätten, über den Brexit vernünftig zu diskutieren. – Herr Zimmermann, Sie wissen genau, dass der Außenminister sieben Minuten zum sperrigen Begriff Brexit-Übergangsgesetz reden wird. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass das eine ehrliche und ausführliche Debatte bezüglich dieser wichtigen Frage ist. Machen Sie sich doch nicht lächerlich, Herr Zimmermann. Das glaubt doch kein Mensch in diesem Land. Herr de Maizière, wir haben Unternehmen angefragt. Meinen Sie, wir haben einen schlechten Traum, um einen solchen Antrag zu schreiben? Wir haben massive Rückmeldungen von Unternehmen bekommen in der Zeit vor dem Brexit. Den Antrag, den wir geschrieben haben, haben wir natürlich in dem Gedanken geschrieben, dass wir zumindest einen irgendwie geregelten Brexit bekommen. Wenn er aber nicht kommt, Herr de Maizière, rechnet der DIHK mit ungefähr 10 Millionen zusätzlichen Zollanmeldungen pro Jahr. Das sind an einem Arbeitstag ungefähr 20 000 Zollanmeldungen. Dann erklären Sie mir, wie Sie das mit 750 noch nicht eingearbeiteten Leuten regeln wollen. Das ist für mich wirklich eine ganz spannende Frage. Vielen Dank, liebe Frau Dröge, Sie haben scheinbar als Einzige den Antrag so gelesen, wie er gemeint ist. Es geht hier nicht um Mitarbeiterbashing beim Zoll, sondern es geht darum, Verfahren zu vereinfachen. Kollege Zimmermann, Ihr Grummeln bei der Bemerkung Blockchain zeigt, dass die SPD im Moment bei technologischen Entwicklungen nicht auf der Höhe der aktuellen Entwicklung ist. Ich wünsche ganz besonders Ihnen einen schönen Tag und freue mich auf die Ausführungen unseres Außenministers. Ob er hier wirklich in sieben Minuten die komplexen Probleme des Brexits, vor allem eines harten Brexits, darstellen kann? Vielen Dank. Letzter Redner in der Debatte ist der Abgeordnete Sebastian Brehm für die Fraktion der CDU/CSU.
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Nicole Gohlke DIE LINKE
Nicole
Gohlke
DIE LINKE
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind mittendrin in der zweiten Welle der Pandemie, und mittlerweile ist klar: Auch Kinder, auch Schülerinnen und Schüler sind unter den Infizierten und können die Krankheit weiterverbreiten. Die Frage, die jetzt im Raum steht und die die Menschen beschäftigt, ist: Wie geht es weiter mit den Schulen, wie geht es weiter mit den Bildungseinrichtungen? Droht wieder die völlige Schulschließung wie im Frühjahr mit allen negativen Folgen für die Kinder, für ihr soziales Leben, für ihre Bildungschancen und mit den negativen Folgen für die Berufstätigkeit der Eltern und für die Gleichstellung von Frauen? Gleichzeitig sorgen sich natürlich die Lehrkräfte und die Schülerinnen und Schüler um ihre Gesundheit, wenn sie zum Beispiel nach einer Fahrt im überfüllten Bus oder in der überfüllten Bahn dann im Klassenzimmer auf andere 20 bis 30 Menschen treffen, die den gleichen Weg hinter sich haben. Ich finde, das sind wichtige Fragen, und ich finde es absolut skandalös, wie wenig die Bundesregierung bislang hier beizutragen hat und wie wenig sie das alles offenbar interessiert. Das ist ungeheuerlich! Was muss das Ziel sein, Kolleginnen und Kollegen? Das Ziel muss sein, die Schulen und Bildungseinrichtungen möglichst offen zu halten – da sind wir uns einig – und trotzdem keine unnötigen Risiken für die Beschäftigten und die Schülerinnen und Schüler einzugehen. Das ist doch das Ziel. Aber für die Erreichung dieses Zieles muss man etwas machen. Dafür braucht es doch einen Plan. Da darf sich diese Große Koalition nicht länger aus der Verantwortung stehlen. Das, was wir jetzt gerade erleben, kommt wirklich nicht überraschend. Es war bekannt, dass es eine zweite Welle geben wird; es war bekannt, dass es schwieriger werden wird, die Pandemie in der kalten Jahreszeit in den Griff zu kriegen, weil sich das Virus eben besonders gut in geschlossenen Räumen verbreitet. Meine Partei Die Linke hat wirklich im Wochentakt den Sommer über Vorschläge gemacht, wie man einigermaßen pandemiefest über die Wintermonate kommen kann, mit Ideen für einen besseren Infektionsschutz am Arbeitsplatz oder zum Beispiel mit der frühen Beschaffung von Luftfiltern. Und was macht die Bundesregierung? Ende Oktober legen Sie ein Förderprogramm für Lüftungsanlagen in öffentlichen Einrichtungen auf. Im Oktober! Und dann fördern Sie noch nicht mal mobile Luftfilter, obwohl deren Wirksamkeit auch längst nachgewiesen wurde. Ja, wie kurzsichtig ist das denn, bitte schön? Und über die Frage von baulichen Maßnahmen an Schulen haben Sie sich bis jetzt gar keinen Kopf gemacht. Dabei wissen wir von Hunderten Schulen, bei denen sich nicht mal die Fenster öffnen lassen aufgrund der baulichen Gegebenheiten. Warum gibt es hier keine Vorschläge? Warum passiert denn da nichts? Es ist ein kapitales Versagen dieser Regierung, dass Sie das letzte halbe Jahr, dass Sie wichtige Monate einfach haben verstreichen lassen, in denen man vieles hätte auf den Weg bringen können, das uns jetzt dabei geholfen hätte, drastische Maßnahmen zu verhindern. Das wäre die Aufgabe dieser Regierung gewesen. Sie sagen immer, dass Sie Schulschließungen vermeiden wollen. Das ist ja auch richtig; denn natürlich geht es darum, Bildung zu gewährleisten. Darauf haben die Kinder und die jungen Menschen einfach ein Recht. Aber mit dem Aufsagen dieses Satzes ist es doch nicht getan. Das ist doch kein Beten des Rosenkranzes. Die Wahrheit ist: Wegen der Versäumnisse dieser Regierung wird das Szenario von Homeschooling und Schulschließungen immer wahrscheinlicher. Das ist die Situation. Und wen wird das dann wieder am härtesten treffen? Die Alleinerziehenden, diejenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich ihre Arbeitszeiten eben nicht flexibel einteilen können. Und es wird diejenigen Schülerinnen und Schüler am heftigsten treffen, die eben nicht aus begüterten und topgebildeten Elternhäusern kommen, für die kein neuer Laptop und schnelles Internet bereitstehen, sondern bei denen vielleicht Sprachbarrieren bestehen und wo die Eltern vielleicht nicht helfen können. Eine Schulschließung unter solchen Vorzeichen ist ein Programm zur sozialen Spaltung, und das ist nicht hinnehmbar. Kolleginnen und Kollegen, die Schulen und Bildungseinrichtungen haben nicht erst seit gestern ein Problem. Seit Jahren gibt es einen Lehrkräftemangel, der mit dafür verantwortlich ist, dass die Lehrerinnen und Lehrer schon lange vor der Pandemie zu einer der am schlimmsten überlasteten Berufsgruppen zählen, der es natürlich auch jetzt gerade erschwert, die Klassen zu teilen. Warum machen Sie nicht endlich etwas dagegen? Warum legen Sie nicht endlich ein Programm für die Ausbildung von mehr Lehrkräften auf? Das ist doch überfällig, Kolleginnen und Kollegen. Ich sage Ihnen: Einen wirklichen Gesundheitsschutz an Schulen gibt es nur durch Investitionen. Dafür muss man Geld in die Hand nehmen, und zwar spätestens jetzt. Die Lufthansa haben Sie mit einem Milliardenpaket gerettet, für Rüstungsprojekte mobilisieren Sie im Rahmen des großen Konjunkturpakets 10 Milliarden Euro, aber für 8 Millionen Schülerinnen und Schüler und für 800 000 Lehrkräfte in diesem Land lässt sich kaum Geld mobilisieren. So eine Schieflage! Das können Sie niemandem erklären. Machen Sie endlich Politik für die Menschen, die es am dringendsten brauchen! Vielen Dank. Das Wort hat der Kollege Rudolf Henke für die CDU/CSU-Fraktion.
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Oliver Krischer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Oliver
Krischer
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist der Dreh- und Angelpunkt jeder Klimaschutzstrategie. Wenn wir Wasserstoff, E-Fuels, Elektromobilität, Wärmepumpen, was auch immer, wollen, dann müssen wir den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben, dann müssen wir das Ausbautempo in Deutschland vervielfachen. Ich sage es mal ganz deutlich: Diese Novelle wird diesem Anspruch nicht im Ansatz gerecht. Das muss hier ganz klar gesagt werden. Meine Damen und Herren, das wird am deutlichsten, wenn man in die Entschließung guckt, die Sie mit beschließen wollen. Da dokumentieren Sie, dass Sie sich nicht auf Ziele und Ausbaupfade verständigen konnten. Was ist das für eine Bankrotterklärung, wenn man ein Gesetz verabschiedet, das kein Ziel hat, das keine Ausbaupfade nennt? Das ist ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren. Lieber Matthias Miersch, ich finde es, ehrlich gesagt, ein bisschen unverschämt, hier nicht die Grundlage für den Ausbau im Land zu liefern und dann auf die Länder zu zeigen. Man müsste mal darüber reden: Welche Rolle haben eigentlich Sozialdemokraten in diesen Ländern? Da werden wir sehr schnell fündig. Da erkennen wir sehr schnell, wer den Ausbau der erneuerbaren Energien dort bremst. Herr Kollege Krischer, dazu möchte Ihnen ein Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion eine Zwischenfrage stellen. Da habe ich sehnsüchtig drauf gewartet. Lieber Oliver Krischer, Sie sind gestern im „Handelsblatt“ zitiert worden. Es ging darum, warum wir die EU-Klimaschutzziele nicht umsetzen. Aber Sie wissen ja – hoffentlich – ebenso wie ich, dass die noch gar nicht fixiert sind. Die Staaten der EU sagen jetzt: Minus 55 Prozent – mit ein paar Schlupflöchern, wie die Kritiker es sagen. Das Europäische Parlament will in den Verhandlungen 60 Prozent erreichen. Das ist noch nicht entschieden. Die Entscheidung kommt erst in den nächsten Wochen. Wenn Sie jetzt so tun, als sei die Entscheidung für 55 Prozent schon gefallen, dann fallen Sie damit den Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament, die jetzt hart für eine Verschärfung der Ziele streiten, in den Rücken. Das müssen Sie auch mal klar sagen. Deswegen wäre es seriös, die Zieldebatte zu verschieben. Mit den Zielen nehmen Sie es ja auch nicht so genau. Gucken wir mal nach Baden-Württemberg: Ein Minus von 25 Prozent ist dort im Klimaschutzgesetz geregelt. Das schaffen Sie nicht. Im Bund sind es minus 40 Prozent. Wenigstens gibt es hier eine Überprüfung. In dem Prüfbericht steht drin: Der Bund hat einen guten Job gemacht, was das Klimaschutzgesetz angeht. Warum – das ist jetzt meine Frage an Sie – werden Sie nicht endlich konstruktiv? Warum werden Sie nicht sachlich? Bereiten Sie sich schon auf die Hängematte mit Herrn Altmaier vor, oder was soll das hier? Ich kann Ihnen nur eins sagen: Diese Hängematte kann schnell reißen. Auf die Polemik am Schluss muss man gar nicht eingehen. – Lieber Kollege, ich weiß ja nicht, wo Sie im letzten Jahr waren; aber Ursula von der Leyen ist seit einem Jahr Kommissionspräsidentin und sagt: Wir brauchen ein ambitioniertes Klimaschutzziel. – Sie sagt 55 Prozent. Das Parlament sagt 60 Prozent. Es ist seit einem Jahr klar, dass wir das Ziel von 40 auf mindestens 55 oder 60 Prozent erhöhen werden. Deshalb frage ich mich: Wenn Sie vorangehen wollen, warum sagen Sie nicht: „Wir machen die 60 Prozent, wir setzen das um, wir Sozialdemokraten reiten endlich mal wieder voraus“? Herr Kollege, auf die Frage nach Baden-Württemberg habe ich gewartet. Sie gibt mir die Gelegenheit, die Agentur für Erneuerbare Energien zu zitieren, die Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein – beide Bundesländer haben übrigens grüne Umweltminister – Platz eins beim Ausbau der erneuerbaren Energien 2019 zugesprochen hat. Das älteste Klimaschutzgesetz – ein Klimaschutzgesetz, als Sie noch nicht wussten, was das ist –, die Solarpflicht, ein Erneuerbare-Wärme-Gesetz, all das ist in Baden-Württemberg gemacht worden. Dann möchte ich hier mal eines erwähnen: In Baden-Württemberg ist der Ausbau der Windenergie verfünffacht worden. Das reicht bei Weitem noch nicht aus; damit haben Sie völlig recht. Aber woran liegt das denn? Ich weiß, das hören Sie nicht mehr gerne, aber es gab hier mal einen Energieminister Sigmar Gabriel – den erwähnen Sie heute nicht mehr so oft –, der Ausschreibungen gemacht hat, die die südlichen Bundesländer systematisch benachteiligt haben. Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz sind danach zurückgeworfen worden, weil Sie den Osten und den Norden an der Stelle gestärkt haben. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Dazu sollten Sie hier auch mal stehen und nicht mit dem Finger auf andere zeigen, meine Damen und Herren. Und jetzt – wie absurd! – feiert sich Matthias Miersch für eine Großtat: Was die Sozialdemokratie, was die SPD geschafft habe, das müsse man anerkennen. Sie feiern sich dafür, dass Sie ein paar von den Schikanen, die Peter Altmaier in den Gesetzentwurf eingebaut hat, rausgenommen haben. Aber nur ein paar Schikanen rauszunehmen, das macht aus einem miesen Gesetz kein gutes Gesetz; davon sind wir weit entfernt. Und an manchen Stellen – das muss man klar sagen – haben Sie es sogar noch verschlechtert. Warum streichen Sie aus diesem Gesetz heraus, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien im öffentlichen Interesse ist? Erneuerbare sollen unsere zukünftige Energieversorgung sein, zu 100 Prozent. Wenn das nicht im öffentlichen Interesse ist, was soll denn bitte schön dann im öffentlichen Interesse sein? Meine Damen und Herren, zum Abschluss – das möchte ich in aller Klarheit sagen –: Erneuerbare Energien schaffen Arbeitsplätze. Peter Altmaier hat in seiner Amtszeit allein in der Windindustrie 40 000 Arbeitsplätze vernichtet. Das sind doppelt so viele Arbeitsplätze, wie es in der Kohleindustrie überhaupt gibt; das muss man klar sagen. Zu dem, was Herr Pfeiffer hier gesagt hat, kann man nur sagen: Automobilindustrie, Maschinenbau, Chemie – alle fordern den Ausbau der erneuerbaren Energien, weil das die Zukunft ist. Sie bremsen diesen Ausbau. Sie sind längst zum Standortrisiko für die Industrie in Deutschland geworden, wenn es um den Ausbau der erneuerbaren Energien geht. Das dokumentieren Sie mit dieser Novelle. Wir werden diese Novelle ablehnen, meine Damen und Herren. Dr. Andreas Lenz, CDU/CSU, ist der nächste Redner.
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Tessa Ganserer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Tessa
Ganserer
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal freut es mich sehr, dass wir heute hier an diesem Platz zu prominenter Zeit über das Thema Nachhaltigkeit debattieren. Bei der Vorbereitung meiner Rede habe ich mir Gedanken gemacht, wie die Debatte wohl verlaufen wird. Ich habe mich ganz bewusst entschieden, nicht in ein parteipolitisches Klein-Klein zu verfallen, weil mir das Thema der nachhaltigen Entwicklung einfach viel zu wichtig ist. Wie Bundesministerin Svenja Schulze und auch Staatssekretärin Bettina Hoffmann schon deutlich gemacht haben: Es geht hier um nichts Geringeres, als dafür zu sorgen, dass alle Menschen hier in Deutschland, aber auch auf dem kompletten Planeten ein gutes Leben in Würde führen können und dass wir das auch unseren Enkelkindern und Urenkelkindern ermöglichen müssen. Dafür ist es notwendig, dass wir alle unsere Lebens- und Wirtschaftsweise so gestalten, dass dabei die ökologischen Belastungsgrenzen unseres Planeten nicht überschritten werden. Ich möchte an dieser Stelle positiv herausheben, dass wir hier eigentlich einen breiten parteipolitischen Konsens haben. Seit 2002 gibt es in Deutschland eine Nachhaltigkeitsstrategie, an der die jeweilige Bundesregierung, und zwar unabhängig von ihrer parteipolitischen Farbzusammensetzung, festgehalten hat und die von ihr jeweils auch fortgeschrieben wurde. Nichtsdestotrotz müssen wir ehrlich feststellen, dass wir vom Erreichen der Nachhaltigkeitsziele national wie global noch meilenweit entfernt sind. So aktuelle Krisen wie die Coronapandemie oder jetzt der fürchterliche Angriffskrieg stellen uns natürlich vor unerwartete Herausforderungen, auf die wir auch kurzfristig Antworten finden müssen. Aber wir dürfen dabei das langfristige Ziel der nachhaltigen Entwicklung natürlich nicht aus den Augen verlieren. Wir müssen also unsere Kraftanstrengungen noch intensivieren, damit wir die Ziele der UN auch erreichen. Der Staatssekretär/-innenausschuss für nachhaltige Entwicklung hat jetzt erstmals sogenannte Transformationsteams eingesetzt, in denen ressortübergreifend und vernetzt an den in der Nachhaltigkeitsstrategie festgelegten Transformationsbereichen gearbeitet werden soll. Ich erachte das für einen wahnsinnig wichtigen Schritt, weil nämlich bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie alle Ministerien mitarbeiten müssen. Darüber hinaus ist es meiner Überzeugung nach dringend notwendig, dass wir der Nachhaltigkeitsüberprüfung in der Gesetzesfolgenabschätzung, so wie im Koalitionsvertrag vereinbart, noch mehr Gewicht verleihen. Dazu muss diese Nachhaltigkeitsüberprüfung von einer formalen Überprüfung zu einer qualitativen Prüfung weiterentwickelt werden und eben auch der Klimacheck mit eingebunden werden; denn beides ergänzt und bedingt sich. Ich möchte dafür werben, dass wir bei dieser Nachhaltigkeitsüberprüfung zu mehr Ehrlichkeit kommen, dass wir offen und transparent gewisse Zielkonflikte ansprechen. Es ist in der Vergangenheit bisher nicht passiert, dass wir in der Nachhaltigkeitsüberprüfung transparent offenlegten und damit deutlich machten: Wenn wir uns für ein Ziel entscheiden, das wichtig ist und wofür wir gute Gründe finden, und wenn wir sehen, dass wir in anderen Bereichen Zielkonflikte haben, dann müssen wir dort unsere Anstrengungen noch weiter intensivieren. Auch im Deutschen Bundestag muss die Nachhaltigkeitspolitik deutlich gestärkt werden. Der PBnE ist ein Ort, wo frei und wirklich am Ziel orientiert diskutiert wird; es ist ein guter Ort. Ich lade Sie daher ein: Kommen Sie zu unseren Anhörungen. Bei konkreten Entscheidungen und bei den Umsetzungen ist der PBnE jedoch außen vor. Deswegen bin ich der Überzeugung, dass dieser Ort für die Nachhaltigkeitsdebatte gestärkt werden muss und dass der PBnE mehr Kompetenzen benötigt. Wir werden hier, wie im Einsetzungsantrag beschlossen, entsprechende Vorschläge liefern; denn gebraucht wird der PBnE auf jeden Fall. Das Thema ist sehr wichtig, das haben die vorhergehenden Reden gezeigt, und das wird auch die noch folgende Debatte zeigen. Es braucht hier im Deutschen Bundestag ein Entscheidungsgremium, wo wir wirklich über die Nachhaltigkeitsstrategie debattieren können. Vielen Dank. Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Enrico Komning.
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CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Tagen reden wir sehr viel über den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land. Am treffendsten hat das aus meiner Sicht unser Bundestagspräsident in dieser Woche formuliert, als er sagte: Wir erkennen erst jetzt so richtig, welche Auswirkungen der Zustrom an Flüchtlingen und Migranten auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land hat. Weiter sagte er: Nur der Ausgleich untereinander wird zu mehr Akzeptanz für den unausweichlichen gesellschaftlichen Wandel führen. Dieser Ausgleich untereinander funktioniert nur, wenn wir den Haushalt Arbeit und Soziales zukunftsfest und zukunftssicher machen. Ich glaube, dass der Haushalt, dessen Entwurf heute vorliegt, seinen Beitrag dazu leistet. Mehr Akzeptanz für unsere Politik, wie von Bundestagspräsident Schäuble angemahnt, schaffen wir nur, wenn alle in unserem Land auch von unserer wirtschaftlichen Stärke profitieren. Mehr Akzeptanz für unsere Politik schaffen wir nur, wenn wir den Menschen in unserem Land zeigen, dass wir die großen Herausforderungen unserer Zeit wie die Digitalisierung, die unsere Gesellschaft verändert, verlässlich politisch begleiten und gestalten. Mehr Akzeptanz für unsere Politik schaffen wir nur, wenn es in unserer Gesellschaft gelingt, dass es gerecht zugeht. Als Schlagwort möchte ich hier nur den Generationenvertrag nennen. Lassen Sie mich bitte auf diese drei Punkte eingehen. Punkt eins: Alle müssen von der wirtschaftlichen Stärke unseres Landes profitieren. Deshalb war es gerade für die CSU wichtig, dass es zu einer Absenkung um 0,5 Prozentpunkte bei der Arbeitslosenversicherung kommt, eine Entlastung von 6 Milliarden Euro. Sehr geehrter Herr Vogel, es ist unverständlich, eine Rechnung aufzumachen, die das eine mit dem anderen vergleicht. Wir müssen nur schauen, vor welch großen Herausforderungen wir in der Pflegeversicherung stehen. Wir bieten insbesondere den Familien neue Leistungen an. Daher ist es, glaube ich, klar, dass man – das sollte gerade einem FDPler geläufig sein –, wenn man mehr Leistungen anbietet, Mehrkosten hat und diese durch Geld decken muss. Das darf man nicht verrechnen. Wir haben das Möglichste herausgeholt, und das ist auch gut so. Die CSU schaut vor allem – das hat unser Landesgruppenvorsitzender in seiner Rede angesprochen – auf die Entlastung der politischen Mitte. Dazu gehören der Abbau des Solidaritätszuschlags, aber auch der Abbau der kalten Progression. Dazu gehört aber auch, weiter daran zu arbeiten, dass wir Vollbeschäftigung in unserem Land erreichen. Die Union hat hier in den letzten Jahren sehr viel erreicht; aber es gibt noch einiges zu tun. Der Haushalt spiegelt das wider, sehr geehrter Herr Minister, mit mehr Geld für die Jobcenter und deren wichtige Arbeit, aber auch für das neue Regelinstrument Teilhabe am Arbeitsmarkt, um gerade langzeitarbeitslosen Menschen Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt zu geben. Punkt zwei: die großen Herausforderungen unserer Zeit verlässlich politisch begleiten und gestalten, keine Wahlkampfrede halten, sondern Themen ansprechen, die die Menschen in unserem Land aus meiner Sicht auch bewegen. Das eine Thema ist die Digitalisierung, die die Welt verändert. Dies müssen wir ins Arbeitsleben mit aufnehmen und bei unseren politischen Entscheidungen hinsichtlich der Arbeitswelt von morgen berücksichtigen. Hierzu gehört unter anderem, wie es auch der Haushalt darstellt, die Förderung von innovativen Projekten, aber auch die neue Denkfabrik digitale Arbeitsgesellschaft, Herr Minister. Ich bin gespannt, was da rauskommt. Die Erwartungen sind groß, und es ist auch viel Geld im Haushalt vorgesehen. Ich glaube, da muss man schon schauen, dass man diesen Prozess gut und verantwortungsvoll begleitet. Eine der großen Herausforderungen, die wir aktuell zu bewältigen haben, ist der Umgang mit dem Fachkräftemangel in unserem Land. Es ist gut und wichtig, dass wir das Fachkräftezuwanderungsgesetz schnell auf den Weg bringen. Hoffentlich zeigt es schnell Auswirkungen, dass gerade unsere Handwerker und die mittelständischen Betriebe neue Fachkräfte bekommen. Der dritte Punkt: Es muss gerecht zugehen in unserer Gesellschaft. Mit dem Rentenpakt wurden wichtige Punkte auf den Weg gebracht. Uns war wichtig, dass das Rentenniveau bis 2025 bei 48 Prozent stabilisiert wird. Zur Gerechtigkeit gehört aber auch die Ausweitung der Mütterrente. Dies hat die CSU im Koalitionsvertrag gefordert, und das haben wir umgesetzt. Wir haben Wort gehalten. Das ist aus meiner Sicht ein wichtiger Anhaltspunkt für Gerechtigkeit – auch wenn es der ein oder andere anders sieht. Aber den Menschen vor Ort, insbesondere den Frauen, kann man schlecht erklären, warum Leistungen vor 1992 anders behandelt werden als Leistungen nach 1992. Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine der wichtigsten Aufgaben wird es sein, den Generationenvertrag zukunftsfest zu machen. Hier hat die eingesetzte Rentenkommission eine wichtige Aufgabe. Zur Gerechtigkeit gehört auch, dass man vor allem diejenigen von staatlichen Leistungen profitieren lässt, die es am meisten brauchen. Sehr geehrter Herr Bundesminister, die Diskussion zum bayerischen Landespflegegeld und zum Familiengeld in Bayern war unverständlich. Diese Diskussion hat die Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, zutiefst verunsichert. Ich denke, dass wir gerade in diesem Bereich den Menschen, die Kinder erziehen, die Angehörige pflegen, dieselben Leistungen zukommen lassen müssen wie denen, die keine Grundsicherung erhalten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Haushalt setzt die richtigen Schwerpunkte, verantwortungsvoll und vernunftorientiert – ganz im Gegensatz zu dem, was Sie behauptet haben, Herr Kollege Witt. Gemessen werden wir sicher daran, ob es uns gelingt, unsere Gesellschaft wieder zusammenzuführen. Die wichtigste Aufgabe von uns allen in diesem Hohen Haus ist es, den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land in den Mittelpunkt unserer Arbeit zu stellen. Dazu gehört der soziale Zusammenhalt, der gestärkt werden muss. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Michael Groß, SPD.
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Markus Kurth BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Markus
Kurth
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieser ganze Gang zur Grundrente erinnert mich ein wenig an die Eroberung des Südpols; dafür brauchte es ja auch mehrere langjährige Anläufe. Um im Bild zu bleiben: So weit südlich wie die Expedition Heil ist keine der Vorgängerexpeditionen gekommen – weder Andrea Nahles noch Ursula von der Leyen. Ich bin jetzt mal gespannt, ob es auch bis zum Ziel klappt. Vor Ihnen liegt ja noch das Sturmtief Ralph, das Sie umfahren müssen. Wir werden mal sehen! Aber immerhin! Wir sind jetzt in der ersten Lesung, und ich sage: Das ist gut. Es ist gut, dass wir jetzt die Chance haben, darüber zu diskutieren und im größten Zweig der Sozialversicherung eine notwendige Neuerung zu entwickeln, nämlich eine Mindestversicherungsleistung. Das ist gut und wichtig, um die Legitimität und Akzeptanz der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten. Vom Grundsatz her – Johannes Vogel, da unterscheiden wir uns – wollen wir ein intaktes Rentenversicherungssystem. Wenn wir dort eine Schwäche haben, dass auch langjährige Beitragszahlung und langjährige Zugehörigkeit zur Versicherung nicht zu einer Mindestleistung führen, dann unterhöhlt das die gesetzliche Rentenversicherung, die Akzeptanz der Pflichtversicherung, und das wollen Bündnis 90/Die Grünen nicht. – Danke für den Applaus aus der SPD. – Und das möchten die Sozialdemokraten und der Sozialflügel der CDU auch nicht. Insoweit besteht in der Diskussion tatsächlich sogar eine gemeinsame Basis. Ich glaube auch, dass wir gerade in dieser Coronakrise gemeinsam das Signal senden sollten, dass die Systeme sozialer Sicherung entwicklungsfähig sind und dass das Parlament auch in der Lage und willens ist, darauf zu reagieren. Jetzt kommt allerdings das Aber! – Nein. – Es droht, dass Sie dort auch einiges in den Sand setzen. Zunächst einmal handeln Sie nach der Devise: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Es gibt einen wahnwitzig komplizierten Aufwertungs- und dann wieder Abschlagsmechanismus, ganz besondere spezifische Anrechnungsregeln für das Wohngeld, einen Freibetrag in der Grundsicherung, wenn trotzdem alles nicht reicht. Kein Mensch weiß, ob er oder sie die Grundrente bekommt und, wenn ja, wie viel. Das ist überhaupt nicht gut. Ich habe heute am späten Nachmittag einen Termin bei meiner Friseurin. Dem sehe ich schon seit Tagen erwartungsfroh entgegen. Ich werde dann mal versuchen, das Grundrentenmodell der Koalition zu erklären, und dem stelle ich als Alternative dann die Garantierente von Bündnis 90/Die Grünen gegenüber. Die ist nämlich einfach, unkompliziert, handhabbar: 30 Versicherungsjahre, 30 Entgeltpunkte, und der Drops ist gelutscht. Dann werden wir sehen, was einfacher, verständlicher und vertrauensstiftender in Bezug auf die gesetzliche Rentenversicherung ist. Das zweite Problem ist: Auch mit der Grundrente, wie Sie sie vorschlagen, bleiben viele leider mit einem Bein in der Sozialhilfe stecken; denn durch Ihre Abschläge werden viele Personen trotzdem in der Grundsicherung bleiben und diesen Freibetrag in Anspruch nehmen müssen. Auch hier ist die Alternative die grüne Garantierente, eine Versicherungsleistung, die aus dem Bereich der Versicherung kommt und die Grundsicherung hinter sich lässt und überwindet, und das muss das Ziel sein, um die Rentenversicherung zu stärken. Dann können wir jetzt kurz zu dem wüsten Verwaltungsaufwand kommen. Ich will das nicht zu sehr vertiefen, aber einfach einmal das Thema Kapitaleinkünfte ansprechen. Das war ja dem Wirtschaftsflügel der Union so unglaublich wichtig. Das hätten Sie aber einfach lösen können, meine Damen und Herren von der Union, indem Sie die Abgeltungsteuer abgeschafft hätten, die ja Leute mit einem Spitzeneinkommen belohnt, weil sie weniger zahlen als durch die Einkommensteuer. Wenn die Kapitaleinkünfte nach Abschaffung der Abgeltungsteuer wieder in der Einkommensteuererklärung auftauchen würden, wäre ja alles kein Problem. Aber da wollten Sie natürlich nicht ran. Stattdessen haben Sie ein kompliziertes Prüfungsverfahren eingeführt, was den Verwaltungsaufwand erhöht, und es ist ja wirklich ein Treppenwitz – das ist bizarr –, dass ich heute von Carsten Linnemann vom Wirtschaftsflügel lese, wegen des Verwaltungsaufwands, den er ja erst produziert hat, könne man das alles nicht umsetzen. So was ist ja widersinnig! Das passt allerdings sehr gut zu Ihrer Doppelzüngigkeit angesichts der Finanzierung; Hubertus Heil hat ja das Notwendige dazu gesagt. Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir bei diesem Gesetzgebungsverfahren aufpassen müssen – es gibt bessere Modelle –, dass wir nicht etwas hinkriegen, was in der nächsten Legislaturperiode verbesserungsfähig ist. Ansonsten, wenn Sie Hoffnungen und Erwartungen wecken, die dann nicht in Erfüllung gehen, wird die gesetzliche Rentenversicherung beschädigt. Wir dürfen gerade in diesen Zeiten der Unsicherheit, die auch noch lange anhalten werden, keine Enttäuschung produzieren. Darum hoffe ich, dass wir mit sehr großer Ernsthaftigkeit an dieses Verfahren herangehen und dass wir in der öffentlichen Debatte vor allen Dingen eines nicht vergessen: Die Grundrente ist eine Teilleistung, eine Mindestleistung. Ein insgesamt funktionierendes Altersversicherungssystem braucht aber drei Dinge, einen Dreiklang: Sie braucht ein angemessenes Rentenniveau – denn sie muss als Einkommensversicherung auch für die Mittelschicht funktionieren –, sie braucht die bereits angesprochene Mindestsicherung, und sie braucht ein breites Fundament, das heißt, wir brauchen endlich die Bürgerversicherung in der Rentenversicherung. Dieser Dreiklang wird Vertrauen und Stabilität stärken. Das Gesetzgebungsverfahren, das uns bevorsteht, ist ein Baustein dafür, und wir werden es konstruktiv begleiten. Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Katja Mast das Wort.
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Dr.
Dr. Andrew Ullmann FDP
Andrew
Ullmann
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kurz ein Hinweis zu Frau Malsack-­Winkemann: Die Welt ist rund und keine Scheibe, und Multiresistenz ist etwas Globales und nichts Lokales, nichts, was es nur in Deutschland gibt. Ich bitte Sie! Ein bisschen mehr Professionalität erwarte ich hier schon im Bundestag. Die Aufgabe des Staates ist, einen ordnungspolitischen und einen finanziellen Rahmen für das Gesundheitssystem zu schaffen, damit Ärztinnen und Ärzte, Physiotherapeutinnen und -therapeuten, Pflegerinnen und Pfleger, um nur einige zu nennen, sich um die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger kümmern und den Menschen helfen können. Deshalb habe ich vor 35 Jahren mit dem Medizinstudium begonnen; denn wie heute wollte ich den Menschen helfen. Doch die Realität in unserem Gesundheitswesen sieht anders aus. Das spiegelt sich auch in dem Einzelplan 15 wider. So führt das zunehmend planwirtschaftliche System dazu, dass über alle Bereiche des Gesundheitssystems hinweg Menschen frustriert sind. Die Menschen in Gesundheitsberufen lieben ihren Job, lieben es, mit Menschen zu arbeiten. Sie helfen, wo es am nötigsten ist, sind aber frustriert von einem System, das seine Regulierungs- und Sparwut an den falschen Stellen und an jenen auslässt, die es am wenigsten verdient haben. So stehlen sich die Bundesländer beispielsweise regelmäßig aus der Verantwortung der dualen Finanzierung ihrer Krankenhäuser. Lieber Herr Bundesminister Spahn, viele meiner ehemaligen Kollegen und Kolleginnen aus dem Krankenhaus und ich selber freuen uns, dass Sie in der Pflege aktiv werden und dass Sie sich die Digitalisierung auf die Fahne geschrieben haben. Aber mit ein paar Millionen Euro mehr in der Pflege und ein paar Stellen mehr im Ministerium verschreiben Sie uns allen, befürchte ich, Valium, damit wir vergessen, dass unser Gesundheitssystem wie ein entkerntes Krankenhaus ist, in dem motivierte Menschen gezwungen werden, irgendwie mit staatlichen Krücken zu arbeiten. Sie, lieber Herr Minister, nennen diese Krücken übrigens „Instrumente der Versorgungs- und Bedarfssteuerung“. Ein klassisches Beispiel ist die Budgetierung. Dieses unsägliche Instrument der Planwirtschaft zeigt die ganze Misere. Es müssen Praxen am Ende eines Quartals schließen. Ärztinnen oder Ärzte gerade auf dem Land versorgen mehr Patienten. Das Budget ist dann bereits aufgebraucht. Wenn Patienten ärztliche Betreuung suchen, heißt es daher: Budgeturlaub! Systembedingt sind die Praxen geschlossen. Also geht der Patient ins Krankenhaus. Im Krankenhaus ist man dann überfordert mit den vielen Patienten, die eigentlich durch den Hausarzt hätten behandelt werden können. Das ist doch irrsinnig und teuer. Wie wollen wir diesem Irrsinn Einhalt gebieten? Ihre Lösung ist Planwirtschaft. Sie wollen junge Studenten verpflichten, aufs Land zu gehen. Lebensentscheidungen sollen getroffen werden, bevor man überhaupt ein richtiges Arztleben begonnen oder auch nur kennengelernt hat. Eine unzufriedene Generation wird so der nächsten folgen – und alles zum Leidwesen der Patientinnen und Patienten. Die bessere Lösung, Herr Minister, wäre klar die Entbudgetierung. Die Lösung für das Problem der fehlenden Ärzte im ländlichen Raum muss klar und einfach sein. Diesen wunderschönen Beruf müssen wir endlich wieder attraktiv machen, indem sich erbrachte Leistung lohnt. Sie brauchen dabei keine Erhöhung der Pflichtsprechstundenzahl. Sie können alles durch eine einfache Maßnahme erreichen: Entbudgetierung. Ich möchte gern noch ein anderes Beispiel aus unserer DDR-haften Gesundheitsplanwirtschaft geben: die Grippeimpfung. Am Anfang des Jahres wurden nicht nur Arztpraxen, sondern auch Krankenhäuser bis an ihre Kapazitätsgrenzen durch Grippeerkrankte überlastet. Wenn die entsprechenden Grippeimpfstoffe für alle als Versicherungsleistung erhältlich gewesen wären, wären viele schwere Verläufe und Todesfälle verhindert worden. In der nächsten Saison stehen diese besseren Impfstoffe immerhin allen zur Verfügung. Der Gemeinsame Bundesausschuss leistet natürlich hervorragende Arbeit – in seinem Planungsrahmen. Aber wenn etwas nicht nach Plan läuft, dann ist er handlungsunfähig. Seit Jahren wird der Gemeinsame Bundesausschuss wegen seiner Struktur- und Ablaufautomatik kritisiert, aber es sind keine Zeichen der Reformbereitschaft aus dem Ministerium zu erkennen. Im Gegenteil: Es wird teurer und nicht besser. Reformbereitschaft sieht anders aus. Sie, Herr Spahn, und auch Ihr Kollege Herr Gröhe hielten wichtige Rechtsgutachten zu Strukturreformen lange zurück, um den Diskurs zu vermeiden und Transparenz zu verhindern. Reformen sind notwendig; denn es soll niemand mehr sterben, weil medizinische Innovationen zu spät zur Verfügung gestellt worden sind. Meine Damen und Herren, dieser Leidensdruck im Gesundheitssystem hat mich dazu bewogen, dass ich mich jetzt in der Politik einsetze, um Menschen zu helfen. Uns als FDP-Fraktion liegen die Patientinnen und Patienten am Herzen, und wir vergessen vor allem nicht die engagierten Personen im Gesundheitswesen. Wenn ich Ihre Aussagen zum Haushalt höre, Herr Minister, dann weiß ich nicht, ob Sie die gleiche Motivation haben oder ob Sie das tun, was nötig ist, um den nächsten Schritt Ihrer Karriere zu gehen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, allen im Gesundheitswesen Tätigen herzlich zu danken. Ohne euren bzw. Ihren engagierten Einsatz wäre vieles dort schon dramatisch schlechter. Auch zu ihrem Wohl lehnen wir den Einzelplan 15 des Haushalts ab. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Ullmann. – Sie sehen, die Sitzungsleitung hat gewechselt. Als Nächster für die Fraktion Die Linke der Kollege Harald Weinberg.
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Hermann Gröhe CDU/CSU
Hermann
Gröhe
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Freier Handel muss fairer Handel werden, damit er allen Menschen zugutekommt – das ist die Überzeugung Christlicher Demokraten und Christlich-Sozialer. Und deswegen ist die heutige Beschlussfassung eines Lieferkettengesetzes ein großer Fortschritt. Es ist ein Stück Internationalisierung der Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Denn auch die soziale Marktwirtschaft kennt einen verbindlichen Rahmen für unternehmerische Verantwortung: kein Appell an freiwillige Beachtung notwendiger Regelungen, sondern ein Zusammenhang von Sozialstaatlichkeit und wirtschaftlicher Freiheit. Dies ist kein Wettbewerbsnachteil, sondern nachgewiesenermaßen seit Jahrzehnten ein Wettbewerbsvorteil für dieses Land. Deswegen: verbindliche Regeln. Gerade Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich in eindrucksvoller Weise im Rahmen ihrer Sorgfaltspflichten um die Beachtung von Menschenrechten bemühen, haben immer wieder gesagt: Wir brauchen Verbindlichkeit; Wegschauen darf kein Vorteil sein. Meine Damen, meine Herren, ich will aber auch zu den parlamentarischen Beratungen etwas sagen und manchem Gerücht hier entgegentreten. Dieses Gesetz verlässt das parlamentarische Verfahren wirksamer und stärker mit Blick auf die Menschenrechte und zugleich rechtssicherer und umsetzbarer für die beteiligte Wirtschaft. Es ist eben falsch, da ständig einen Gegensatz hineinzulesen. Nein, wir brauchen beides: Wir weiten den Anwendungsbereich aus – und das ist gut so – auf ausländische unselbstständige Tochtergesellschaften einer bestimmten Größenordnung. Das ist eine Ausweitung; die Einbeziehung beherrschter deutscher Töchter in den eigenen Geschäftsbereich ist eine Stärkung. Gleichzeitig haben wir natürlich Sorgen ernst genommen, wenn uns Menschen gefragt haben: Wie geht ihr mit dem Grundsatz, dass Unmögliches nicht verlangt werden darf, um? Wenn ein Staat wie die Volksrepublik China keine Gewerkschaften zulässt, dann ist natürlich klar, dass das kein Unternehmen ändern kann, und dann ist es auch richtig, dass wir explizit ins Gesetz aufgenommen haben, dass solche Dinge oder auch die Nichtnachverfolgbarkeit des Ursprungs mancher Produkte natürlich Beachtung finden müssen. – Das waren uns wichtige Anliegen. Insofern weise ich auch den Vorwurf zurück, diejenigen, die hier den Unternehmen zugehört hätten, nähmen es mit Menschenrechten nicht ernst. Wir brauchen ein Gesetz, das vernünftige Handelsbeziehungen und Achtung der Menschenrechte gemeinsam stärkt. Das ist uns gelungen, und darauf können wir auch stolz sein. Ich möchte sagen: Die Rechtssicherheit nehmen wir ernst, Sorgen nehmen wir ernst. Ich sage gleichzeitig: Ungerechtfertigte Pauschalkritik an diesem Gesetz weisen wir zurück. Wer erklärt, die Herkunftsgeschichte eines jeden Bleistifts im Büro müsse umfangreich dokumentiert werden, der sagt bewusst die Unwahrheit, und das weisen wir an dieser Stelle genauso deutlich zurück. Ja, dieses Gesetz ist eine gute Blaupause für die EU, und es ist vor allen Dingen auch für uns ein Anlass – darauf werden wir auch als Parlament achten müssen –, dass der Staat mit Beratungsangeboten, mit Handreichungen, wie sie das Gesetz ausdrücklich nennt, diesen Prozess unterstützt. Insofern bleiben beide, die Politik und die Wirtschaft, weiterhin gefordert. Mit diesem Gesetz gehen wir einen richtigen, einen wichtigen Schritt auf diesem Weg. Herzlichen Dank. Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Bärbel Kofler, SPD.
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Johannes Huber AfD
Johannes
Huber
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die heutige Debatte ist eine Folge der eigentlich abgewählten Großen Koalition der vergangenen Wahlperiode. War sie damals noch voll des Lobes für das entworfene Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, so bezeichnet die heutige Große Koalition es nur noch als Vorarbeit. Wir sagen Danke, dass Sie auf die Entschlusskraft der AfD gewartet haben. Als Bürgerpartei vertreten wir die Anliegen der öffentlichen Petitionen an den Bundestag. So können wir uns durchaus mit Ombudsstellen für Betroffene in der Kinder- und Jugendhilfe anfreunden, soweit damit die soziale Teilhabe von Eltern und Kindern gewährleistet wird. Wir wollen aber nicht, dass Eltern und ihre Kinder in der Debatte um die Kinderrechte gegeneinander ausgespielt werden. Es ist ein Skandal, dass Bundesfamilienministerin Giffey eine Broschüre gefördert hat, in der es darum geht, in Kitas an einer Gesinnungskontrolle von Eltern zu arbeiten, wie es eine Vertreterin der Amadeu-Antonio-Stiftung hier im Bundestag ausgedrückt hat. Genauso lehnen wir den Vorschlag Ihrer Fraktion, also der Grünen, ab, Kinder zu eigenständigen Leistungsberechtigten mit Antragsrecht zu machen. Denn damit würden familiäre Bindungen aufgelöst und ganze Familien gespalten werden. Die Zugriffsmöglichkeiten der Grünen beim Thema Kinder sollte man sowieso beschränken. Vor allem in Deutschland, wo die Erfolgschancen für Kinder mit am stärksten vom Status der Eltern abhängen, sollte klar sein: Wer Kinder und Jugendliche wirklich stärken will, der muss zuerst die Eltern von der Steuerlast und der Zeitknappheit entlasten. Auch als Mitglied der Kinderkommission kann man sehr schnell erkennen, wie mit allen vorliegenden Anträgen auf dem Rücken der Schwächsten ideologische Politik betrieben wird. Mit Ihren Inklusionsträumereien sind Ihnen sogar behinderte Kinder offenbar nicht zu schade, um sie für Ihre Ideologie einer sozialistischen Gleichmacherei einzusetzen. Unterstützungsangebote individuell und bedarfsgerecht auszugestalten, bedeutet für uns ganz klar, Förderschulen und ein gestuftes Schulsystem auszubauen, damit Kinder durch entsprechend ausgebildetes Personal passgenau die Förderung bekommen, die sie benötigen. Die AfD erteilt aber auch anderen sozialen Experimenten von freien Trägern der Jugendhilfe eine Absage, wenn sie sich zu linksradikalen Keimzellen entwickeln. – Hören Sie zu. Zum Beispiel erhält das Alternative Jugendzentrum in Chemnitz im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe jährlich 500 000 Euro. Das sind 500 000 Euro für ein Zentrum, welches die einschlägig bekannte Band „Feine Sahne Fischfilet“ beherbergt und in dem die Rotfaschisten der sogenannten Antifa Kongresse abhalten können, zum Beispiel zur Vorbereitung der Demonstrationen beim G-20-Gipfel in Hamburg, oder Seminare, die Titel tragen wie „Militanz, Gewalt und die Frage: Politische Gegner ignorieren, blockieren oder verhauen?“ Wenn es die Kinder- und Jugendhilfe der Großen Koalition sein soll, eine Rotfront zu züchten, dann ist sie jedenfalls erfolgreich. Mit dem Grundgesetz hat das aber nichts mehr zu tun. Immerhin haben Sie alle im Einklang erkannt, dass asylsuchende Kinder, Jugendliche und Frauen in Aufnahmeeinrichtungen in Deutschland wieder Gewalt erfahren müssen. Suchen wir die Ursache, so landen wir bei den so liebevoll angekündigten Fachkräften, leider Gottes bei sehr vielen Leuten, die eher qualifiziert mit Messern umgehen können. Allein diese Tatsache ist die selbst ausgestellte Bankrotterklärung dieser Bundesregierung. Kommen Sie bitte zum Schluss. Hier hilft es auch wenig, an den Symptomen herum­zudoktern und Träger von Asylunterkünften jetzt Schutzkonzepte entwickeln zu lassen. Wer während des Asylverfahrens in und außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche verübt, der muss unverzüglich abgeschoben werden. Erst wenn Sie das verstanden haben, hat Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland eine Zukunft. Vielen Dank. Nächster Redner in der Debatte: Marcus Weinberg für die CDU/CSU-Fraktion.
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Dr.
Dr. Dietmar Bartsch DIE LINKE
Dietmar
Bartsch
DIE LINKE
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Großer Bruch jetzt in der Debatte. – Unser Antrag „Bundestagsabgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen“ soll ein Angebot sein – ein Angebot an Sie, an uns alle, vor allen Dingen ein Angebot für mehr Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik. Wir haben einen Vorschlag unterbreitet; der kann, der soll gerne veredelt werden. Aber das Grundziel ist: Spätestens nach der nächsten Bundestagswahl sollen alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages in die gesetzliche Rente einzahlen. Das ist unser Ziel. Das würde den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land, gerade in der Krise, wesentlich stärken. Meine Damen und Herren, wir Abgeordneten haben nach zwei Wahlperioden einen deutlich höheren Versorgungsanspruch als Arbeitnehmer, die 45 Jahre zum Durchschnittslohn gearbeitet haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Arbeitnehmer bezahlen mit ihren Steuern, vielleicht auch mit den Steuern auf die Rente, dann auch unsere Altersentschädigung mit. Das ist nicht gerecht, das ist nicht vermittelbar, und das schadet dem Ansehen der Politik insgesamt. Meine Damen und Herren, das, was wir in unserem Antrag vorschlagen, hat unser Nachbar Österreich in der Substanz bereits umgesetzt. Dort gibt es eine Rentenkasse, in die alle Bürgerinnen und Bürger einzahlen, auch Abgeordnete. Das ist dort selbstverständlich. Ich meine, wir sollten uns das Rentensystem in Österreich einmal ganz genau anschauen; denn Österreich hat eine funktionierende Erwerbstätigenversicherung, hat keinen Riester-Irrsinn, eine Rente ab 65 und nicht erst ab 67, die im Durchschnitt 800 Euro höher ist, und dazu eine armutsfeste Grundrente. Das, meine Damen und Herren, wird auch dadurch ermöglicht, dass alle einzahlen. Ja, ich weiß, unser Antrag hat vor allen Dingen eine tiefe Symbolwirkung. Allein das Einbeziehen der Abgeordneten – – Herr Kollege Bartsch, gestatten Sie eine Wortmeldung? Wie bitte? Gestatten Sie eine Zwischenfrage? Ja, immer gern. Herr Dr. Bartsch, es ist normalerweise nicht meine Art, eine Zwischenfrage vor dem Beitrag der eigenen Rednerin zu stellen; aber mir geht dann doch die Hutschnur hoch, wenn ich höre, was Sie hier sagen. Wenn Sie sagen, dass die Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung Ihr Ziel ist, warum stellen Sie dann nicht einen entsprechenden Antrag? Es ist auch das Ziel von Bündnis 90/Die Grünen, Abgeordnete – und zwar angemessen – in die gesetzliche Rentenversicherung mit einzubeziehen. Warum stellen Sie einen Antrag, der sich ausschließlich auf Abgeordnete bezieht, und täuschen vor, dass das ein Vertrauensangebot ist? Was Sie de facto tun, ist, auf das Erregungspotenzial draußen zu setzen, wo es dann heißt: Die da oben, die werden ja viel besser versorgt. Unter dieser falschen Flagge erreichen Sie aber de facto eine Beschädigung dieses Parlaments, und das in einer Zeit, wo die Demokratie ohnehin unter Druck steht. Das finde ich aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Ordnung. Sehr geehrter Herr Kurth, man merkt, dass Sie offensichtlich von dem, was wir hier vorschlagen, getroffen sind. Ich will ausdrücklich sagen – das ist auch nicht neu bei der Linken –: Selbstverständlich wollen wir, dass alle einbezahlen, selbstverständlich auch Beamte, auch Freiberufler. Das haben wir mehrfach beantragt. Selbstverständlich! Ich habe es eben gerade gesagt – Sie haben sich ja schon gemeldet, da hatten Sie noch gar nicht bis zum Ende zugehört –: Natürlich geht es hier um ein Symbol. Das weiß ich doch auch. Dieser Antrag löst nicht das millionenfache Problem der Altersarmut. Das weiß ich sehr wohl. Aber jetzt zu sagen: „Na ja, das wollen wir nicht“? Nein, es ist das ausdrückliche Angebot: Tun Sie mit, dass wir diesen Schritt gehen! Wir haben hier im Deutschen Bundestag leider aktuell keine Mehrheiten, die es möglich machen, dass auch Beamtinnen und Beamte einzahlen, dass Selbstständige und auch Abgeordnete aller Ebenen einzahlen. Die haben wir leider nicht. Aber dass Sie, wenn es darum geht, diesen Schritt zu vollziehen und Vertrauen zurückzugewinnen, mit der Populismuskeule kommen, zeigt, dass Sie offensichtlich ein bisschen traurig sind, dass Sie diesen Antrag nicht gestellt haben. Aber dafür kann ich nun leider nichts. Ich will es wiederholen: Ja, natürlich, der Antrag löst nicht die Grundprobleme. Das ist doch unbestritten; das habe ich auch nicht behauptet. Ich habe gesagt und wiederhole das noch mal für Sie: ein Antrag mit Symbolwirkung. Aber es geht um das Signal an die Bürgerinnen und Bürger, das Signal an die Gesellschaft, dass wir alle uns darüber Gedanken machen. Es muss am Ende nicht unser Antrag umgesetzt werden. Bringen Sie Ihre ganze Kompetenz ein. Wir sind bereit, dort mitzumachen. Aber eine Rentenkasse für alle, dieses Ziel haben wir als Linke, und das seit Langem. Dafür sind wir schon im letzten Bundestagswahlkampf eingetreten. Tun Sie ruhig daran mit; das würde uns zumindest freuen. Wir müssen aufhören und Schluss machen mit dem Extrasystem für Abgeordnete. Das ist unser Ziel. Das ist eine vertrauensbildende Maßnahme. Ansonsten, wenn wir es nicht tun, ist das ein Einfallstor für den Populismus, lieber Herr Kurth. Das ist das große Problem. Dass wir darüber hinaus eine große Rentenreform brauchen, ist unbestritten. Vielleicht können wir die ja in der nächsten Legislatur gemeinsam in Angriff nehmen. Ich würde mich darüber freuen. Aber diesen einen Schritt können wir jetzt schon gehen. Darüber lassen Sie uns wirklich seriös debattieren, damit wir das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung wieder erhöhen. Herzlichen Dank, meine Damen und Herren. Vielen Dank, Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Bartsch.
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Claudia Müller BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Claudia
Müller
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Klappern gehört zum Handwerk. Aber bei diesem Antrag hat die AfD eindeutig die Rüttelplatte rausgeholt. Die Handwerksnovelle als Vernichter des Handwerks, das ist das Bild, das Sie hier zeichnen. Das ist – die Vorrednerinnen und -redner haben das dargestellt – deutlich überzeichnet. Die FDP hingegen ist deutlich vorsichtiger. Man muss sich schon bemühen, die klare Positionierung zu erkennen. Ihr Antrag enthält die Forderung nach Überprüfung der Ausweitung der Meisterpflicht auf Verfassungs- und Europarechtskonformität und Bestandsschutz für Betriebe der Anlage B1 ohne Meisterpflicht. Ich muss gestehen: Ich finde es durchaus ein bisschen ironisch, dass die selbsternannte Freiheitspartei hier anstatt auf positive Anreize tatsächlich auf eine Rückkehr zur Zwangsverpflichtung, wie Gegner es nennen, setzt. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Immerhin haben Sie den Punkt des Bestandsschutzes drin. Das ist etwas deutlich Positives, woran die AfD ja noch nicht einmal denkt. Ihnen von der AfD scheint es vollkommen egal zu sein, was Ihr Antrag für Tausende von Betrieben und Solo-Selbstständige bedeuten würde, nämlich den Verlust der Zulassung. Das ist Ihnen vollkommen egal. Man sieht wieder: Ihr Antrag besteht nur aus Plattitüden, enthält keine Ideen zur Lösung des Problems und ist zum Teil wieder einmal kompletter Unsinn. Von Ihnen ist auch nichts anderes zu erwarten. Was Sie können, ist dramatisieren. Die AfD spricht davon, dass das Handwerk nur wegen der Handwerksnovelle 2004 im Kern so destabilisiert ist, dass es keinen gesicherten Fortbestand der zulassungsfreien traditionellen B2-Gewerke gibt. Sie haben sie ja genannt: Sattlerei, Glockengießerei, Siebdruckerei, Uhrmacherei. In allen diesen Bereichen arbeiten also nur noch so wenige Menschen wegen der Handwerksnovelle 2004. Veränderte Lebensgewohnheiten, die Ausweitung von industrieller Fertigung, all das hat in Ihren Betrachtungen keinen Einfluss. Der Antrag zeigt wieder einmal Ihre Haltung: Zurück zum Anfang des 20. Jahrhunderts, wenn nicht sogar zurück ins 19. Jahrhundert! Mit den Methoden der Verkürzung und Überdramatisierung kennen Sie sich ja aus. Schauen wir uns doch mal die Ausbildungszahlen an. Ihrer Meinung nach sanken die ja erst seit der Handwerksnovelle 2004. Das ist übrigens ein tolles Beispiel, wie man mit Verkürzungen manipulieren kann. Es ist ja vollkommen unbestritten, dass die Ausbildungszahlen im Handwerk sinken, und das schon seit vielen Jahren, in den alten Bundesländern übrigens seit Mitte der 80er-Jahre, in den neuen Bundesländern seit dem Jahre 2000. Das gilt übrigens sowohl für die zulassungsfreien als auch für die zulassungspflichtigen Berufe. Es gibt sogar einige Bereiche, in denen die Zahlen vorher sogar noch stärker gesunken sind. Ich habe mal ein Beispiel rausgesucht – ich habe das eigentlich für Herrn Linnemann rausgesucht; denn er nimmt es auch sehr gerne –: die Fliesen-, Platten- und Mosaikleger. 1998 hatten wir in diesem Bereich noch 8 114 Auszubildende, im Jahre 2004 3 029. Es ist nicht so, dass die Zahlen die ganze Zeit ein Plateau gebildet haben und dann 2004 schlagartig absanken. Vielmehr war es ein gradueller Rückgang. 2004 hatten wir nur noch 37 Prozent der Auszubildenden, die wir 1998 hatten, und das innerhalb von sechs Jahren. Bis 2017 sank die Zahl dann auf 2 353. Aber Sie sehen: Das ist ein deutlich geringerer Abfall als in der Zeit davor. Das heißt, hier zu sagen, die Handwerksnovelle sei verantwortlich für diesen Einbruch, ist schlicht und ergreifend falsch. Monokausales Denken hilft uns an dieser Stelle nicht weiter. Wenn wir über den Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel reden, dann müssen wir analytisch an dieses Thema herangehen und dürfen das nicht so populistisch machen wie Sie. Ein Gegenbeispiel: Wir haben diese Einbrüche auch in zulassungspflichtigen Bereichen. Meine Kollegin Monika Lazar ist eine Vertreterin des Bäckerhandwerks. Auch dort haben wir extreme Einbrüche gehabt, sowohl in der Ausbildung als auch in den Betrieben. Aber einer der Hauptgründe ist hier die deutliche Ausweitung der industriellen Fertigung. Das treibt die kleinen Handwerksbetriebe aus dem Markt. Seriöse Studien, wie zum Beispiel die von Klaus Müller aus dem Jahre 2018, weisen darauf hin – ich zitiere –: Es ist anzunehmen, dass das veränderte Ausbildungsinteresse der Jugendlichen an einzelnen Berufen eine sehr viel größere Rolle spielt als die Novellierung der HwO. Die Novellierung der Handwerksordnung wird in diesem Punkt also deutlich überschätzt. Und: Ja, die Anzahl der Klein- und Kleinstbetriebe hat sich erhöht, allerdings ebenfalls in den zulassungspflichtigen Bereichen. Sie hat sich in den Jahren 1995 bis 2015 in beiden Bereichen fast verdreifacht. Sie lag allerdings bei den Betrieben aus dem B1-Bereich schon vor 1995 deutlich höher als in den anderen Bereichen. Sie sehen: Es ist also deutlich komplizierter als gedacht. Die Antwort auf die Kleine Anfrage, die wir gestellt haben – mehrere Kollegen haben ja schon darauf hingewiesen –, gibt eine breite Antwort auf viele Fragen. Allerdings ist es ein Sammelsurium. Wir wünschen uns, dass wir, bevor wir hier Schritte unternehmen, noch mal einen deutlichen Blick darauf werfen, insbesondere was die Evaluation im Hinblick auf die Einhaltung von Artikel 12 GG und die Europarechtskonformität angeht. Es gibt Experten, die hier von der Büchse der Pandora sprechen. Frau Grotelüschen hat das angesprochen: Das kann tatsächlich genau das Gegenteil von dem bewirken, was wir wollen. Da müssen wir sehr vorsichtig sein. Was wir tun sollten, ist, den Meisterbrief zu stärken, Anreize zu setzen. Es gibt Bundesländer – Frau Grotelüschen, Sie haben darauf hingewiesen –, die durch Ausbildungsprämien – ähnlich dem Meister-BAföG – unterstützen, allen voran Niedersachsen mit 4 000 Euro und Mecklenburg-Vorpommern auf Platz zwei mit 2 000 Euro und 5 000 Euro für die Jahrgangsbesten. Wir sollten Anreize schaffen und zeigen, dass der Meisterbrief nicht nur Qualität bedeutet, sondern auch Chancen für einen Bildungsaufstieg eröffnet, dass er den Einstieg für alle Bildungswege offenhält, dass die Entscheidung für eine Ausbildung oder ein Handwerk in jungen Jahren gleichbedeutend damit ist, dass einem später alle Türen für den beruflichen Werdegang offenstehen. Darauf sollten wir einen Blick werfen. Insofern brauchen wir hier keine Schnellschüsse, sondern eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema. Vielen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Jens Koeppen, CDU/CSU.
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Michael Kruse FDP
Michael
Kruse
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Dieser Redeslot ist ja Fluch und Segen zugleich. Man hat immer die Möglichkeit, mit ein paar Vorurteilen, mit dem, was hier gerade erfunden wurde, aufzuräumen. Das habe ich mir heute auch als Ziel gesetzt. Ich habe mich, nachdem ich mir systematisch die AfD-Reden angeschaut habe, mal damit auseinandergesetzt, was Sie uns eigentlich alles vorgeworfen haben. Dann habe ich das, was wir schon alles erledigt haben, danebengelegt. Und siehe da: Wir haben in diesem Jahr in der Energiepolitik und vor allem für die Energiesicherheit in diesem Land mehr Dinge erledigt, als Sie überhaupt zu kritisieren in der Lage sind. Weil das so viel ist, werde ich meine gesamte Redezeit darauf verwenden, Ihnen einmal zu sagen, was wir schon alles getan haben. Wir haben im Gasbereich Vorgaben für die Gasspeicherfüllstände gemacht. Wir haben den Erwerb von Gasmengen über die THE organisiert und damit die Speicherbefüllung auf 99,6 Prozent – Stand heute – vorangetrieben. 99,6 Prozent – wer hätte das gedacht? Wir haben die Sicherung der Gasspeicher vor russischem Einfluss durch die Treuhandverwaltung ermöglicht. Wir haben dafür gesorgt, dass die Gasspeicher nicht ohne Genehmigung außer Betrieb genommen werden können. Wir haben die Gasimporte erhöht: aus Norwegen, aus den Niederlanden. Wir haben die LNG-Importe aus der ganzen Welt diversifiziert. Wir haben dafür gesorgt, dass in der Nordsee neue Gasfelder erschlossen werden können. Und ja, wir sind im Bereich des LNG-Imports Kooperationen mit unseren Nachbarländern eingegangen. Wir haben die Pipelines umgerüstet. Wir sorgen jetzt dafür, dass die Pipelines Gas auch von Westen nach Osten transportieren können, siehe beispielsweise Frankreich. Wir haben das LNG-Beschleunigungsgesetz auf den Weg gebracht, und wir haben damit für einen schnelleren Ausbau der Pipelines gesorgt. Wir haben die FSRUs an den Start gebracht. In Wilhelmshaven geht es Ende 2022 los, die zweite FSRU in Wilhelmshaven. Sie merken, ich habe gar nicht genug Zeit, um das alles zu erzählen. Die FSRU in Brunsbüttel wird noch Ende 2022 in Betrieb gehen. Wir haben eine FSRU in Lubmin; eine zweite FSRU in Lubmin ist geplant. Wir sorgen jetzt dafür, dass wir auch die Rohre dafür haben, damit diese FSRUs uns Gas liefern können. Denn anders als Russland sind diejenigen, die die FSRUs betreiben, ja willens und in der Lage, uns Gas zu liefern. Wenn Sie das auch nicht wollen, dann wollen Sie in Wahrheit nicht, dass wir Gas in diesem Land haben. So einfach ist es. Wir haben auch in Stade eine FSRU in Anbahnung für Mitte, Ende 2023. Wir haben den Bau von festen LNG-Terminals in den nächsten Jahren auf den Weg gebracht. Dabei sorgen wir dafür, dass sie nicht nur Gas importieren können, sondern auch Wasserstoff-ready sind, zum Beispiel für Ammoniak, ein Wasserstoffderivat. Wir haben mit 738 Millionen Euro in dieser Nacht, in der Bereinigungssitzung, dafür gesorgt, dass wir auch im kommenden Haushalt eine ordentliche Finanzierung für den Hafenbau und den Ausbau der LNG-Infrastruktur zur Verfügung haben. Wir haben die Stützung und Übernahme von Uniper organisiert. Wir haben Insolvenzen in diesem Bereich verhindert. Wir haben Anreize geschaffen zur Verbrauchsminderung, bei Industrie und auch bei privaten Endverbrauchern. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das hier ist die stolze Ergebnisliste einer Ampelkoalition, die so viel im Energiebereich auf den Weg gebracht hat wie die letzten drei Regierungen zusammen nicht. Das nächste Mal, wenn ich mehr Redezeit habe, geht es weiter mit Strom und Öl. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Das Wort hat der Kollege Ralph Lenkert für die Fraktion Die Linke.
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Hagen Reinhold FDP
Hagen
Reinhold
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Debatte eben musste ich jetzt viel mitschreiben. Herr Kießling, ich bin ja ganz erstaunt, dass aus dem Werkzeugkoffer, den Sie bei der Union in den letzten vier Jahren mit sich herumgetragen haben, jetzt schon eine ganze Werkstatt geworden ist. Da freue ich mich. Aber das zeigt schon, wie komplex dieses Thema ist, und das hat man an der Debatte heute auch gemerkt. Was hier alles reingespielt wurde! Es wurde von – was habe ich nicht alles gehört? – Spekulationen, die die Grundstückspreise hochtreiben, von der Mietpreisbremse und von was nicht allem noch gesprochen. Herr Kühn, hier zeigt sich, dass es die FDP ganz offensichtlich doch braucht; denn mit Ihrem Werkzeugkoffer oder Ihrer ganzen Werkstatt kommen Sie allein nicht weiter. Deshalb braucht es uns hier so dringend. Es ist schön – ich nehme Sie hier beim Wort –, wenn Sie die FDP auffordern, ein umfangreiches Programm vorzulegen, damit Sie abschreiben können. Sehr gerne machen wir auch das. Heute haben wir uns in unserem Antrag hauptsächlich um die Baukosten und um die Entbürokratisierung gekümmert. Ganz ehrlich: Dass Sie das nicht verstehen, zeigen die Debatten. Hier vorne steht ein Maurermeister. Wenn es um den Brandschutz geht, dann braucht man bauaufsichtlich zugelassene Produkte. Ich weiß nicht, ob Sie so etwas schon einmal in der Hand hatten; wahrscheinlich ja. Dann wissen Sie vielleicht auch, dass ich ein Produkt, für das in Deutschland eine bauaufsichtliche Zulassung notwendig ist, noch nicht einmal alleine mit einer EU-Zertifizierung bekomme, sondern dafür muss es in Deutschland noch eine DIN-Norm obendrauf haben. Das macht das Bauen in Deutschland einfach nur teuer. Die Produkte kosten ein Vielfaches von dem, was sie im Ausland kosten. Das zeigt doch, dass hier was passieren muss. Dafür braucht es Entbürokratisierung. Das ist nun einmal so. Herr Wegner, ganz ehrlich: Ich war eben erschüttert. Sie sagen, wir hätten den ländlichen Raum ausgelassen. Bei mir im ländlichen Raum wird gebaut, bei Ihnen vielleicht nicht. Jeder, der baut, braucht günstige Baukosten, im ländlichen Raum genauso wie in den Ballungsgebieten. Das ist nun einmal so. Liebe Frau Lay, wer noch immer nicht verstanden hat, dass günstiges Bauen auch günstige Mieten hervorruft, der tut mir leid. Das ist wirklich beratungsresistent, und Sie zeigen, dass Sie wahrscheinlich genau so rechnen. Sie sprachen von einer Steigerung der Grundstückskosten um 1 000 Prozent. Ich muss sagen, ich habe geschmunzelt. Selbst wenn das Grundstück in Berlin vorher nur 1 Euro pro Quadratmeter gekostet hätte und 300 Quadratmeter groß ist, würde es jetzt 300 000 Euro kosten. Da stimmt in Ihrer Rechnung schon was nicht, aber so rechnen die Linken. Damit kann man eben nicht viel erreichen. Lassen Sie mich kurz noch – leider habe ich zu wenig Zeit, um alles abzuräumen – auf den Antrag zurückkommen. Es ist wichtig, dass wir das Bauen in Deutschland vereinfachen. Mir ist bewusst, dass der Bund allein hier nicht reicht. Wir brauchen auch die Länder und die Kommunen dazu; das ist selbstverständlich. Wie kann es sonst sein, dass beim systematischen Bauen in Deutschland nicht nur in jedem Bundesland andere Anforderungen gelten – in dem einen muss ich eine Entrauchungsanlage oder einen Sprinkler einbauen, in dem anderen nicht; auch die Auflagen zum Brandschutz sind unterschiedlich –, sondern es sogar in ein und demselben Bundesland unterschiedliche Auflagen gibt. Das kann nicht sein. Das macht das Bauen in Deutschland teuer. Wenn wir erkennen, dass wir mehr Wohnraum brauchen, um ein Angebot an Mietwohnungen herzustellen – bei einem größeren Angebot sinken auch die Mieten wieder –, dann brauchen wir serielles Bauen, dann brauchen wir Entbürokratisierung. Das erreichen Sie, indem Sie den Antrag der FDP ernst nehmen. In dem Antrag wird eigentlich nur darauf hingewiesen, dass die ausgearbeiteten Vorschläge der Baukostensenkungskommission umgesetzt werden sollen. Wie wichtig das Thema dem Minister ist, der es an sich gezogen hat, das sieht man heute. Ich freue mich, dass es dazu einen eigenen Ausschuss gibt. Die Wichtigkeit des Themas erkennt jeder; da kann auf die Straße gehen, wer will. Herr Seehofer scheint das Thema nicht sehr ernst zu nehmen. In der ersten Debatte, in der es um Bauen gehen, ist er nicht da. Das ärgert mich, ehrlich gesagt, ungemein. Ich danke Ihnen. Nächste Rednerin für die Fraktion der SPD ist Claudia Tausend.
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Reinhard Houben FDP
Reinhard
Houben
FDP
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Altmaier, ich habe mal auf die Uhr geschaut: Ihre 9 Minuten haben Sie in 7 Minuten Energie und 2 Minuten Wirtschaft aufgeteilt. Es tut mir leid, aber wie beim letzten Mal haben mir wieder so einige für die FDP, die Freien Demokraten, wichtige Stichworte gefehlt. Kein Wort zum Mittelstand, kein Wort zum Handwerk. Da müssen Sie sich irgendwann mal entscheiden, wie Sie das noch einbauen, und zwar nicht nur in die Rhetorik, sondern eben auch in die Politik. Das wäre, glaube ich, ganz schön wichtig. Sie haben zum Glück das Thema Handelsstreit angesprochen. Aber ich muss sagen: Die Wahrnehmung dieses Problems durch die Bundesregierung können wir nicht als befriedigend empfinden. Es ist hier um uns herum der Teufel los. Ich sage mal: Zum Glück haben wir Brüssel, zum Glück haben wir Frau Malmström, zum Glück haben wir Herrn Juncker. Die sind sehr viel mutiger und entschiedener in dieser Frage als die Bundesregierung und auch – es tut mir leid – als Sie, Herr Minister, persönlich. – Ach, Herr Gauland, nun regen Sie sich doch nicht auf. Denken Sie an Ihr Herz. – Ich denke nur an Sie. Zur Industriepolitik. Herr Altmaier, die Frage müssen Sie natürlich auch beantworten: Wie wollen Sie die Industriepolitik gestalten? Viele laufen herum – reden Sie mit der IG BCE oder mit der IG Metall – und sagen: Ja, klar müssen wir Industriepolitik machen. – Aber die meinen natürlich einen ganz stark staatlich und klar vorbestimmten Weg, auf dem sie sich dann möglichst bequem bewegen können, am besten noch unter Vorgabe der Produkte, die sie herstellen sollen. – Wir waren doch gemeinsam bei der Veranstaltung, Herr Kollege. – Wie sieht Ihr Ansatz, marktwirtschaftliche Grundeinstellung mit einer Industrie zu gestalten, aus? Es ist ja nicht so, dass wir als FDP da nicht mitgehen wollen. Aber wir müssten mal eine Orientierung bekommen, wie Sie Industriepolitik und Marktwirtschaft vereinbaren können. Weitere Bemerkung: Braunkohle. Dort müssen wir doch bitte auch mal unterscheiden zwischen den Problemen in der Lausitz und den Problemen im rheinischen Braunkohlerevier. Dort sind die Probleme ganz anders, aber auch nicht zu ignorieren. Wenn Sie also in der fälschlicherweise „Braunkohle-Kommission“ genannten Kommission arbeiten, denken Sie auch daran: Es sind unterschiedliche Probleme, die diese Regionen betreffen. Das sollte bitte im Auge behalten werden. Die Zeit läuft mir davon. – Eine Grundmelodie ist ja, meine Damen und Herren – das kommt sowohl von der CDU/CSU als auch von der SPD –: Es geht uns im Grunde gut, und das läuft auch weiter so. – Ich teile diesen Optimismus nicht. Wir müssen im Moment sehr aufpassen, dass wir unser Niveau halten können, und dort sind Sie gefordert. Einige Bemerkungen zum Haushaltsplan selbst. Wir halten das Vorgehen beim Thema Elektromobilität für unsicher und auch unsinnig. 1 Million Autos werden wir auf diesem Weg nicht bekommen. Es soll weiterhin einen Digitalbotschafter geben. Das muss auch nicht sein. Meiner Meinung nach ist er eher ein Grüßonkel. Dann ist eine Entscheidung von der GroKo getroffen worden, die mich doch sehr zum Nachdenken gebracht hat. Die FDP hat vorgeschlagen, dass man bei der Freigabe von Überbrückungskrediten in Fällen à la Air Berlin irgendwie das Parlament in die Diskussion einbindet. Mit den Stimmen der Koalition ist dieser Vorschlag abgelehnt worden. Anstatt auf unsere Budgethoheit zu setzen, setzen Sie also offensichtlich mehr auf die Kompetenz und Expertise der Bundesregierung gerade in solchen Fragen. Wir finden es sehr fragwürdig, dass wir bis zu 300 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung stellen, ohne dass wir eine vernünftige parlamentarische Kontrolle installieren. Das halten wir für falsch. Sie sollten bei der Frage noch mal in sich gehen. Vielen Dank. Das Wort hat der Kollege Alexander Ulrich aus der Fraktion Die Linke.
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Dr.
Dr. Alexander Gauland AfD
Alexander
Gauland
AfD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte französische Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 55 Jahre Élysée-Vertrag: Das ist weder ein herausragendes Datum noch ein rundes Jubiläum, um den Aufwand hier und anschließend in Paris zu rechtfertigen. Aber, meine Damen und Herren von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen, Ihnen geht es gar nicht um diesen Vertrag und noch nicht einmal um die deutsch-französische Aussöhnung. Ihnen geht es um einen willkürlichen Anlass, die von Herrn Schulz ausgerufenen Vereinigten Staaten von Europa einzuläuten. Zu diesem Zweck missbrauchen Sie ein Ereignis und den Namen eines großen Franzosen für Ziele, die den seinen konträr waren. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn de ­Gaulle etwas nicht wollte, dann die Vereinigten Staaten von Europa. Denn er glaubte an Nationen, an die große französische zuerst und dann an die große deutsche. Bei seinem berühmten Deutschlandbesuch 1962 sagte er auf dem Bonner Marktplatz – ich durfte damals als ganz junger Mann dabei sein –: Wenn ich Sie alle so um mich herum versammelt sehe, wenn ich Ihre Kundgebungen höre, empfinde ich noch stärker als zuvor die Würdigung und das Vertrauen, das ich für Ihr großes Volk – jawohl, für das große deutsche Volk – hege. Das würden Sie alle, wie Sie hier sitzen – uns ausgenommen – nicht mehr in den Mund nehmen, meine Damen und Herren. Deshalb ist diese ja nun doch zur Feierstunde gewordene Parlamentssitzung auch eine Heuchelei. Das beginnt mit dem Ausschluss zweier Fraktionen dieses Hauses aus den Vorbereitungen und endet nicht mit dem nutzlosen Flug nach Paris, an dem wir uns natürlich nicht beteiligen. Und, meine Damen und Herren, wir werden auch keiner Resolution zustimmen, die über unsere Köpfe hinweg verabschiedet worden ist. Ja, im Entschließungsantrag der Linken kann man manches unterschreiben. Aber insgesamt werden wir auch den ablehnen. Ja, meine Damen und Herren, der Élysée-Vertrag hatte und hat ein hehres Anliegen: die Aussöhnung zweier Völker, die sich seit dem ausgehenden Mittelalter bekämpft haben. Und ja, wir, die AfD, stehen zu dieser Aussöhnung, aber so, wie sie de Gaulle gewollt hat: als ein Bündnis der Nationen und nicht als ein übernationales Europa. De Gaulle war ein leidenschaftlicher Patriot, der sein Land und sein Volk wieder zum größten und stärksten in Europa machen wollte, was es seit Waterloo nicht mehr war. Für die französische Grandeur suchte er deutsche politische und wirtschaftliche Unterstützung. Als der Streit zwischen Atlantikern und Gaullisten in Bonn, der mit einer Präambel zu diesem Vertrag beigelegt wurde, die die Einigung Europas unter Einbeziehung Großbritanniens und die Bindung an Amerika betonte, diesem Kalkül ein Ende bereitete, war er zutiefst enttäuscht, und der Élysée-Vertrag verschwand für lange Zeit in den Schubladen der Diplomatie. Meine Damen und Herren, wenn Sie ihn heute in eine Charta eines übernationalen Europas umdeuten, dann dürften Polen, Ungarn und Tschechen Ihnen darin kaum folgen. Aber die deutsch-französische Freundschaft ist der AfD und mir viel zu wichtig, um sie als Spaltpilz für Europa zu instrumentalisieren. Ich bedanke mich. Jetzt hat der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Christian Lindner, das Wort.
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Stefan Keuter AfD
Stefan
Keuter
AfD
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden heute über Forschungsförderung. Schauen wir uns einmal die Chronologie an: Im Koalitionsvertrag ist die steuerliche Forschungsförderung erwähnt. Dann passierte lange nichts, still ruhte der See. Im Oktober 2018 kam dann der erste Antrag zum Thema Forschungsförderung, und zwar von der AfD-Bundestagsfraktion. Es hat dann bis zum Juni 2019 gedauert, bis der Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgelegt wurde, der jetzt im November abschließend beraten werden soll. In diesem Zusammenhang habe ich eine nette Anekdote für Sie: Letzten Dienstag hat ein Berichterstattergespräch zum Thema stattgefunden. Das ist extrem konstruktiv verlaufen. Das Einzige, was auffiel, war, dass die Grünen und die Linken nicht mit Abgeordneten vertreten waren. Das hat mich schon gewundert, und meine Frage an Sie ist: Interessiert Sie das Thema „steuerliche Forschungsförderung“ gar nicht? Die erfolgreiche Oppositionspolitik der AfD kommt mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zum Ausdruck. Der Antrag der AfD 2018 enthielt verschiedene gute Forderungen: Förderung von Forschung und Entwicklung neben projektbezogener Forschungsförderung. Die Bemessungsgrundlage sollten die Personalkosten im Forschungs- und Entwicklungsbereich sein. FuE-Unternehmen, auch die Unternehmen ohne Gewinn, sollten Nutznießer der steuerfreien Zuschläge sein. Die Kernforderungen der AfD, die mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung jetzt vorgelegt worden sind, sind erfüllt worden: Arbeitsplätze, Wohlstand, Standortsicherung, technologisches Wissen. Aber unter dem Dogma des Klimawandels wird das alles mutwillig vernichtet. Schauen wir einmal in die Vergangenheit. Es gab große deutsche Erfindungen: der Computer, der Buchdruck, der erste Elektromotor, das erste Auto mit Verbrennungsmotor, das erste Düsenflugzeug, die Me 262, die erste Rakete im Weltall, das Aggregat 4, die Ohrstöpsel von Ohropax, der Doppelkammerteebeutel von 1949 – Produkte, die milliardenfach angewendet und gekauft wurden, entwickelt und produziert von deutschen Unternehmern. Nach 1950 wird es relativ dünn. Da sind zu erwähnen die Chipkarte von Jürgen Dethloff 1969 und das MP3-Format 1994. Ich stelle fest, dass die deutsche Innovationskraft rückläufig ist, auch wenn sie im internationalen Vergleich noch relativ gut dasteht. Ich mache mir Sorgen, insbesondere wenn ich auf den Bloomberg Innovation Index gucke: Deutschland ist abhängig von Daimler, Volkswagen und Bosch, und diese Unternehmen leiden unter Ihrer links-grün ideologisch getriebenen Politik. Abgehängt sind wir in den Bereichen Hightech und künstliche Intelligenz. Diese Positionen gilt es zu verteidigen bzw., je nach Blickwinkel, zurückzuerobern, meine Damen und Herren. Forschungsförderung ist der geeignete Weg zur Stärkung von Forschungsaktivitäten. Wir haben allerdings auch einige Kritikpunkte am Gesetzentwurf der Bundesregierung. Wir sehen drohende Mitnahmeeffekte. Frau Schüle, Ihre Einschätzung zu einem zeitnahen Controlling kann ich nicht teilen. Ihr Entwurf sieht die erste Evaluierung nach fünf Jahren vor. Die Deckelung auf 500 000 Euro bis maximal 2 Millionen Euro Personalkosten scheint uns sehr willkürlich. Die AfD wünscht sich außerdem die Berücksichtigung von Kosten für Freiberufler zusätzlich zu den eigenen Personalkosten. Die Bürokratie ist sehr groß, gerade wenn man auf die Bescheinigung für das Finanzamt schaut, der elektronische Weg ist hier nicht vorgesehen. Das wäre wünschenswert. Wir sehen erheblichen Nachjustierungsbedarf, ziehen aber das Fazit, dass die Bundesregierung dem Antrag der AfD weitgehend folgt, für uns leider nicht weit genug. Trotzdem stimmen wir dem Gesetzentwurf zu. Ich stelle zum Schluss die Frage: Warum sollte nicht wieder eine bahnbrechende, sich weltweit auswirkende Erfindung aus Deutschland kommen? Vielen Dank, meine Damen und Herren. Danke, Stefan Keuter. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Thomas de Maizière.
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Matthias Moosdorf AfD
Matthias
Moosdorf
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Wir alle stehen fassungslos inmitten einer furchtbaren Tragödie. Kaum jemand wollte glauben, dass ein solcher Zivilisationsbruch im 21. Jahrhundert und in unserer direkten Nachbarschaft stattfinden könnte. Unsere Gedanken sind bei den vielen Opfern, Soldaten und Zivilisten beider Seiten. Sie alle haben Familien. Wir fordern Russland auf, das Blutvergießen sofort einzustellen und zurück zur Vernunft, also an den Verhandlungstisch, zu kommen! Alle sollten nach Tod und Zerstörung verstanden haben, dass nun wirklich verhandelt werden muss und Ergebnisse in beiderseitigem Interesse umgesetzt werden müssen. Meine Damen und Herren, 2014 trafen sich die in den Ersten Weltkrieg verwickelten Staaten und versicherten, aus der Geschichte gelernt zu haben. Niemals wieder wollte man schlafwandlerisch in einen Krieg schlittern; Auseinandersetzungen seien in einem aufgeklärten Jahrhundert friedlich beizulegen. Der Krieg in der Ukraine ist nun der vorläufige Höhepunkt einer langen Reihe von Konflikten. Sehr viele davon wurden vom Westen begonnen, vielleicht in guter Absicht, aber mindestens töricht in ihrem Ausgang. Wir müssen uns heute fragen, warum das heraufziehende Unheil trotz vieler Warnungen von Joe Biden bis Helmut Schmidt, von Henry Kissinger bis Peter Scholl-Latour, von Bill Clinton bis Michail Gorbatschow nicht politisch verhindert wurde. Wo waren die lauten Proteste im Westen, als beginnend 2014 immer mehr Menschen im Donbass verschwunden sind? Wo war der Druck der internationalen Gemeinschaft, beide Minsker Abkommen umzusetzen? Seit 2014 hatten laut Caritas 2 Millionen Ukrainer ihr Land verlassen, die meisten Richtung Russland. Die Ukraine hat ihren Landsleuten im Osten faktisch die Sprache genommen, TV- und Rundfunksender geschlossen, Russischstämmige aus leitenden Positionen entfernt und sogar die Rentenzahlung eingestellt. Wo blieben die Proteste? Schauen wir auch nicht weg, wenn sich auf der scheinbar richtigen Seite die falschen Leute sammeln! Wer die Videos der Asow-Brigaden gesehen hat, weiß, wovon die Rede ist. Übrigens hat Kollege Gysi in diesem Bundestag diese Leute als Faschisten bezeichnet. Meine Damen und Herren, ich bin in den letzten 30 Jahren beruflich in mehr als 65 Ländern unterwegs gewesen. Das Bild, welches wir in Deutschland von der Welt zeichnen, hat sich beträchtlich von der Wirklichkeit entfernt. Politik und Medien machen uns glauben, Sanktionen und Waffenlieferungen seien nun die Mittel der Wahl. Dieses verheerende Denken verkennt, dass es in unserer heutigen Welt keine Sieger und keine Verlierer geben darf, nur ein empfindliches, stets bedrohtes Gleichgewicht – es ist ein schmaler Grat, der uns von der Apokalypse trennt. Was, wenn es nicht darauf ankommt, ob die Ukraine an Putin fällt, sondern nur wann und auf Kosten wie vieler Opfer? Viele junge Männer auf beiden Seiten wissen nicht, was Krieg bedeutet. Es gehört zum Selbstverständnis freiheitlicher Demokratien, dass der Staat um der Menschen willen da zu sein hat und nicht umgekehrt. Das Opfer des Lebens widerspricht der Menschenwürde, die über allen politischen Interessen steht. Das ist Verantwortung, meine Damen und Herren. Der israelische Ministerpräsident – so wird in einigen Medien berichtet – soll Präsident Selenskyj geraten haben, einzulenken – nicht aus Schwäche, sondern aus Vernunft. Beide Seiten müssen jetzt gesichtswahrend aus der Sache herauskommen, und vor allen Dingen müssen wir dafür Sorge tragen, dass die NATO nicht in den Krieg hineingezogen wird. Die AfD lehnt Wirtschaftssanktionen ab. Wir werden damit wenig an Umdenken erreichen, uns aber gewaltig schaden. Durch eigene Sonderwege hat sich Deutschland alleine schon in die energiepolitische Abhängigkeit begeben, und es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass unsere Bundeswehr durch schon zu lange andauernde feministische Verteidigungspolitik quasi ruiniert wurde. Das ist die Lage. Meine Damen und Herren, es ist zutiefst verstörend, wenn soziale Netzwerke in diesem Moment Hasskommentare gegen Russland erlauben – nicht überall; nein, nur in den Ländern, in denen eine Eskalation dieses Krieges zuerst erfolgen würde. Es ist verstörend, dass Menschen mit russischem Namen und ukrainischen Wurzeln in Deutschland Angst haben müssen, weil russische Schulen, wie in Berlin geschehen, angegriffen und Künstler diffamiert werden, weil Restaurants Schilder mit der Aufschrift „Russen unerwünscht“ aufhängen und Kinder aus dem Kindergarten nach Hause geschickt werden. Ich erinnere an den Ausspruch von Henryk Broder: „Wenn ihr euch fragt, wie es damals passieren konnte: Weil sie damals so waren, wie ihr heute seid.“ Helfen wir lieber, dass in der Ukraine mit klugen politischen Mitteln ein Interessenausgleich möglich wird. Der Krieg hat Russen und Ukrainer für mindestens eine Generation unrettbar entfremdet. Der mutige Widerstand wird Präsident Selenskyj stattdessen einen Neugründungsmythos für sein Land liefern. Aber die Menschen in der Ostukraine sollten mit internationaler Beobachtung selbst abstimmen, unter welchem Dach sie leben wollen. Wenn wir ehrlich sind, gibt es dazu keine Alternative, auch nicht auf der Krim. Es ist die Wirklichkeit, die zählt, und nicht unser Wunsch, die Wirklichkeit möge eine andere sein. Meine Damen und Herren, es gibt nur ein Gebot der Stunde: Friede. Ihn zu stiften ist die große Aufgabe Europas. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Der Kollege Alexander Graf Lambsdorff hat das Wort für die FDP-Fraktion.
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Stephan Stracke CDU/CSU
Stephan
Stracke
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland ist inzwischen länger vereint, als Mauer und Stacheldraht es getrennt haben. In diesem Jahr feiern wir den 30. Jahrestag des Mauerfalls. Das sollte uns allen ins Bewusstsein rufen, dass Ostdeutschland aus dem langen Schatten der DDR-Vergangenheit herausgetreten ist, auch beim Thema Rente. Der aktuelle Rentenwert Ost ist seit 1991 von 10,79 Euro auf 31,89 Euro angestiegen und hat sich damit verdreifacht. Das Verhältnis zwischen den aktuellen Rentenwerten Ost und West ist in diesem Zeitraum von rund 51 Prozent auf 96,5 Prozent angestiegen. Mit anderen Worten: Die Rentnerinnen und Rentner in den neuen Ländern sind die Gewinner der deutschen Einheit. Das ist eine riesige gesamtdeutsche Leistung, auf die wir stolz sein können, weil es an dieser Stelle auch eine gesamtdeutsche Solidarität gab. Deswegen lassen wir es nicht zu, dass hier getrennt wird. Es ist eine gesamtdeutsche Leistung, etwas wirklich Großartiges in diesem Bereich. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Deutsche Bundestag hat vor knapp zwei Jahren das Gesetz über den Abschluss der Rentenüberleitung beschlossen. Mit diesem Gesetz werden die Rentenwerte Ost schrittweise bis 2024 an die Rentenwerte West angeglichen. Damit haben wir die Voraussetzung geschaffen, die zentrale rechtliche und sozialpolitische Anpassung in Ost und West zu vollenden. Mit der Rentenangleichung haben wir einen offenen Punkt bereinigt, der vielen Menschen in Ostdeutschland zu Recht außerordentlich wichtig war. Die Menschen in den neuen Bundesländern haben sich Freiheit und Demokratie in der friedlichen Revolution selbst erkämpft. Für sie war der Vereinigungsprozess mit vielen gesellschaftlichen Umbrüchen und persönlichen Einschnitten verbunden. Ich weiß um die Enttäuschungen vieler Menschen, dass wegen der unterschiedlichen Organisation der DDR-Sozialversicherung bestimmte Besonderheiten des DDR-Rentenrechts keinen Einzug in das gesamtdeutsche Rentenrecht gefunden haben; in den Anträgen, über die wir heute beraten, sind einige Fallkonstellationen benannt. Aus diesem Grund haben wir uns in den Koalitionsverhandlungen vorgenommen, die Fälle noch einmal anzuschauen. Wir streben keine rentenrechtliche Lösung an, die in der Vergangenheit mit guten Gründen abgelehnt wurde und auch gescheitert ist. Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, für Härtefälle in der Grundsicherung einen Ausgleich durch eine Fondslösung zu schaffen. Das bedeutet eine gezielte Verbesserung für Menschen, die es finanziell nötig haben, keine Besserstellung für alle. Auf diese Weise setzen wir gezielt darauf, Altersarmut zu vermeiden. Dies ist auch der rote Faden, der uns beim Thema Grundrente bewegt. Lebensleistung wollen wir belohnen; aber wir reichen nicht gleichzeitig die Hand dazu, die Rentenkassen zu plündern und Gelder mit der Gießkanne zu verteilen. Nein, es muss auf den Bedarf ankommen und eine gezielte Verbesserung für diejenigen sein, die es tatsächlich nötig haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Zusammenhang mit der Fondslösung wird das Rentenüberleitungsrecht nur ein Teil der Lösung sein. Wir wollen dies auch für die Gruppe der Spätaussiedler und der jüdischen Kontingentflüchtlinge prüfen. So haben wir es im Koalitionsvertrag ausdrücklich verabredet. Über Lösungswege zur Alterssicherung bezüglich jüdischer Kontingentflüchtlinge haben wir bereits im Deutschen Bundestag debattiert. Die Beseitigung von Nachteilen deutscher Spätaussiedler bei der gesetzlichen Rente haben wir uns als CDU/CSU besonders auf die Fahnen geschrieben. Mit dem früheren Fraktionskollegen und heutigen Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Bernd Fabritius, haben wir da einen engagierten Kämpfer. Bei den Spätaussiedlern haben wir mit dem Fremdrentenrecht einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt. Deshalb wäre dort eine rentenrechtliche Lösung folgerichtig. Wir sind, was diese Fragen angeht, in guten Gesprächen. Wir nehmen diejenigen in den Blick, meine sehr verehrten Damen und Herren, die es finanziell nötig haben. Wir setzen uns für gezielte Verbesserungen ein und verteilen nicht mit der Gießkanne. Der Härtefallfonds ist hier der beste und schnellste Weg für konkrete Verbesserungen. Ein herzliches Dankeschön. Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort die Kollegin Monika Lazar.
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Berengar Elsner von Gronow AfD
Berengar
Elsner von Gronow
AfD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die UN-Mission UNIFIL läuft bekanntermaßen seit 1978. 2006 wurde sie um die maritime Komponente erweitert, in der wir uns besonders engagieren. Liest und hört man die offiziellen Aussagen von Regierung und militärischer Führung, ist es ein toller und höchst erfolgreicher Einsatz; wir haben das ja gerade gehört. Fragt man im Detail nach, sieht es allerdings schon nicht mehr ganz so rosig aus. Und fragt man in der Truppe, sind die Antworten häufig eher „enttäuscht“– ob der Sinnhaftigkeit des Einsatzes, der Aussicht auf Erfolg im Sinne dauerhaften Friedens zwischen Libanon und Israel oder auch nur umfänglicher Erfüllung der weiteren Mandatsziele. Nach über 40 Jahren Einsatzdauer bestätigte diese schlechten Aussichten auch im März der Generalsekretär der Vereinten Nationen. Legt man also Maßstäbe an diesen Einsatz an wie die Forderung nach einer klaren Strategie mit Zielvorstellung, das Erreichen von Meilensteinen, die Messbarkeit der Erfolge, eine klare Exit-Strategie, die Risiko-Nutzen- und auch die Kosten-Nutzen-Rechnung, kommt man zu dem Ergebnis, dass unser Engagement dort nicht sehr sinnvoll ist. Angesichts der Unzulänglichkeiten des Mandats und der vielfältigen Widerstände in der Region ist zu erwarten, dass dieser Einsatz noch bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag fortgeführt werden könnte, ohne nachhaltigen Erfolg zu zeitigen. Speziell unsere eingangs stets sehr engagierten Soldaten schilderten mir ihr Bedauern über den mangelhaften Erfolg bei der Umsetzung unserer Ausbildungsunterstützung durch die libanesischen Kräfte, etwa bei der Nutzung, der Instandhaltung oder dem Einsatz der von Deutschland zur Verfügung gestellten Mittel. Aber auch häufig wechselnde Ansprechpartner, mangelhafte Kooperation und ungenügende oder sogar fragwürdige Nutzung der durch UNIFIL-Kräfte gelieferten Informationen seien hinderlich. Hinzu kommen weitere Aspekte wie die politischen und finanziellen Verstrickungen von Streitkräften und Offiziellen mit der Hisbollah und dem dahinterstehenden Iran, die ungeklärten Fragen um Grenzverläufe mit Israel, die möglichen Auseinandersetzungen um Rohstoffe in der Region, eine drohende weitere Verschärfung der Sicherheitslage in der Region über Israel und Libanon hinaus bis hin zu Kriegshandlungen und vielem mehr. Vor dem Hintergrund der hohen Belastungen unserer Streitkräfte, der drohenden Risiken für unsere Soldaten, der enormen Kosten für Deutschland und der mangelnden Erfolgsaussicht erscheint uns eine weitere Verwendung unserer Soldaten vor Ort, um außenpolitisches Engagement zu demonstrieren, nicht nur nicht sinnvoll, sondern auch nicht vertretbar. Dafür sind uns unsere Soldaten und das Geld des deutschen Steuerzahlers zu schade. Daher werden wir einer Verlängerung des Mandates nicht zustimmen können. Danke. Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Hardt, CDU/CSU.
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Claudia Müller BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Claudia
Müller
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Es fühlt sich langsam an wie ein wöchentliches Ritual. Aufgrund einer Initiative der drei demokratischen Oppositionsfraktionen sprechen wir hier über das Coronahilfenchaos, und das zu Recht; denn leider versteht die Bundesregierung weiterhin nicht, in welcher Lage sich vor allem kleine Unternehmen und insbesondere ihre Inhaberinnen befinden, in welch prekärer, für einige scheinbar hoffnungsloser Situation viele Soloselbstständige sind. Jede Ankündigung auf schnelle, unbürokratische Hilfe weckte bisher neue Hoffnungen, um dann bitterlich enttäuscht zu werden. Deswegen ist es wichtig und richtig, dass wir hier darüber reden. Noch wichtiger wäre aber, dass die zuständigen Minister Scholz und Altmaier, der ja immerhin anwesend ist, auch ernsthaft zuhören und dann entsprechend handeln. Aber an diesem Punkt scheinen wir ein Jahr nach Beginn der Pandemie leider immer noch nicht zu sein; denn weiterhin hat die Bundesregierung vor allen Dingen die großen Konzerne im Blick. Verstehen Sie mich nicht falsch! Natürlich sollen alle Hilfe erhalten, die sie durch Corona nötig haben, aber eben alle und nicht nur die Großen und die besonders Lauten. Werfen wir einen Blick auf die derzeitigen Programme. Auch bei der Hilfe für vollständig geschlossene Unternehmen bestehen Sie darauf, dass 10 Prozent der Fixkosten von den Unternehmen selbst getragen werden, und verstecken sich hinter dem EU-Beihilferecht. Doch das ist tatsächlich nicht richtig; denn für Beträge bis zu 2 Millionen Euro wäre auch eine 100-prozentige Hilfe möglich. Sie ist auch dringend notwendig; denn vollständig geschlossene Unternehmen, die seit Monaten keine Einkünfte und auch keine Reserven mehr haben, können selbst diese 10 Prozent nicht aufbringen. Wovon soll denn die selbstständige Veranstaltungstechnikerin, die nun schon seit fast zwölf Monaten keine Einnahmen mehr hat, diese 10 Prozent aufbringen? 90 Prozent ist in diesem Fall zum Leben zu wenig. Gucken wir uns die Neustarthilfe für Selbstständige an. Kollege Vogel hat sie bereits angesprochen. Es ist gut, dass der maximale Auszahlungsbetrag angehoben wurde, und es ist auch gut, dass es sich um eine Pauschale handelt. Aber es ist eben eine Fixkostenpauschale. Deswegen haben Sie gesagt, dass die Mittel der Grundsicherung nicht darauf angerechnet werden. Das begrüßen wir; das ist gut. Aber leider gilt das nur für die Grundsicherung. Andere Formen der Mittel für den Lebensunterhalt werden angerechnet, zum Beispiel auch das ALG I, Elterngeld oder wenn ich über andere Möglichkeiten für meinen Lebensunterhalt gesorgt habe. Diese Mittel werden in der Endabrechnung angerechnet und sorgen somit für eine Benachteiligung all derjenigen, die nicht in der Grundsicherung sind. Wenn zum Beispiel eine Soloselbstständige ALG I bezieht, weil sie freiwillig eingezahlt hat – sie bekommt übrigens nur ALG I, wenn sie sich komplett arbeitslos meldet, was ein Hemmnis ist, wenn sie später wieder eine Tätigkeit aufnehmen will –, bekommt sie eben keine vergleichbare Leistung wie das Kurzarbeitergeld. Wenn sie jetzt die Neustarthilfe beantragt, wird das in der Endabrechnung mitberücksichtigt, ob sie antragsberechtigt war oder nicht. Das ist doch eine absolute Ungerechtigkeit im Vergleich zu den unterschiedlichen Sozialleistungen. Oder nehmen wir die junge Unternehmerin im Lebensmittelbereich, die momentan ihre Produkte nicht vertreiben kann, weil ihre Hauptabnehmer Restaurants sind. Sie ist nicht antragsberechtigt, weil sie einen ganz kleinen Nebenjob als Dozentin an der lokalen Hochschule hat. Deswegen kann sie keine Neustarthilfe bekommen. Das ist nicht gerecht. Ich fordere Sie auf, an dieser Stelle nachzubessern. Das ist doch das Gegenteil dessen, was wir wollen. Das gibt keinen Anreiz zur Selbstständigkeit und dazu, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen, sondern Sie setzen damit leider genau den gegenteiligen Anreiz. Das zeigt wieder einmal, wie wenig Sie die Realität der modernen Arbeitswelt verstanden haben. Meine Fraktion fordert seit Monaten – ich glaube, demnächst können wir sagen: seit Jahren – endlich Unterstützung für diese besonders betroffenen Gruppen. Die wichtigste Unterstützung wäre – und das auch rückwirkend – ein Unternehmerinnenlohn, wie es einige Bundesländer, und zwar unabhängig von der Farbe, schon machen. Ebenfalls hilfreich wäre die Anerkennung der Krankenkassenbeiträge für den Betreffenden selbst als Betriebsausgabe. Auch das ist ja momentan an dieser Stelle nicht gedeckt, auch das sorgt bei vielen Betroffenen für eine große Verunsicherung. Wir haben während der Pandemie an diesen Stellen immer wieder Vorschläge unterbreitet. Ich weigere mich, hier aufzugeben, weil viele Betroffene inzwischen an dem Punkt sind – ich erlebe wirklich sehr viele demoralisierte Menschen –, nicht mehr zu glauben, dass Politik ihnen helfen will, nicht mehr zu glauben, dass wir ihnen zuhören und ihre Nöte und Ängste sehen. Kommen wir zum Schluss zu dem neuesten Hilfsprogramm, dem Härtefallfonds: Ausgestaltung unklar, möglicherweise auch zwischen den Bundesländern uneinheitlich. Und ganz ehrlich: Dieser Fonds ist doch ein Eingeständnis, dass Sie bei Ihren Hilfen zu viele Leerstellen gelassen haben, dass diese bei den Betroffenen nicht ankommen. Daran, ob dieser jetzige Fonds dies dann ausgleichen wird, habe ich nach den Erfahrungen, die wir mit den Hilfen bis jetzt haben, erhebliche Zweifel. Wir stehen Ihnen gerne für sachdienliche Hinweise zur Verfügung, was man machen kann. Aber die großen Lücken, wie sie zum Beispiel – wie im Ausschuss gesagt wurde – für Mischbetriebe bestehen, sind doch kein Fall für eine Härtefallregelung. Sie haben hier große Lücken, die Sie eigentlich über die regulären Programme abdecken müssen und nicht über einen Härtefallfonds. Ganz kurz zu den beiden Anträgen von Linken und FDP. Wir werden uns bei beiden enthalten. Wir haben viel Sympathie dafür; sie enthalten aber zum Teil Ausgestaltungen, denen wir nicht komplett folgen können. Aber ich will eines deutlich machen: Uns drei eint doch, dass wir in der Vergangenheit, im letzten Jahr, immer wieder konstruktive Vorschläge gemacht haben, wie man diese Hilfen besser ausgestalten kann. Wir haben das Thema immer wieder in den Bundestag geholt. Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte. Und da gehört es auch hin. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Axel Knoerig, CDU/CSU-Fraktion.
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Dr.
Dr. Katja Leikert CDU/CSU
Katja
Leikert
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachhaltigkeit ist keine Bürde, Nachhaltigkeit ist keine Last. Nachhaltigkeit ist vielmehr eine große Chance, wenn man sie richtig versteht und richtig umsetzt. Lieber Herr Hofreiter, wir halten hier nicht nur schöne Reden, sondern wir handeln längst. Wir sind mit unserem Klimaschutzgesetz national ambitioniert und sind es auch in Europa. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat heute Morgen in ihrer Grundsatzrede vor dem Europäischen Parlament klargestellt: Nachhaltigkeit ist ein zentraler Bestandteil unserer Wachstumsstrategie in Europa. – Erst wenn die Wirtschaft bei der nachhaltigen und digitalen Transformation unterstützt wird, machen wir sie global wettbewerbsfähiger. Genau hier wollen wir schneller und besser werden. Etliche Unternehmen, von Tallinn bis Zagreb, von Lissabon bis Sofia, haben dies längst erkannt und setzen sich für einen starken Klimaschutz ein. Es sind 164 namhafte Unternehmen in Europa, die, wie gerade erst gestern angekündigt, das Klimaziel unterstützen, die Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2030 auf 55 Prozent zu erhöhen. Es ist ein großes deutsches Stahlunternehmen, es ist der Hamburger Hafen, es sind deutsche Autobauer, die diese Strategie unterstützen. Dies zeigt: Klimaschutz und wirtschaftliches Wachstum stehen im Einklang miteinander. Klar ist: Wir in Deutschland als größtem und wohlhabendstem Industrieland in Europa tragen hierbei einen großen Teil der Verantwortung. Klar ist aber auch, dass wir das nur leisten können, wenn wir unsere Verantwortung mit unseren europäischen Partnern teilen. Nachhaltigkeit ist natürlich mehr als Klimaschutz. Nachhaltigkeit bedeutet auch mehr Sorgfalt und Verantwortung in den globalen Lieferketten. Keiner von uns möchte ein T-Shirt kaufen, das durch Kinderarbeit gefertigt wurde. Wichtig ist daher, dass Unternehmen sich ihrer Verantwortung bewusst sind und ihre Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette noch stärker ausüben. Auch hier gehen viele Unternehmen bereits mit gutem Beispiel voran, etwa ein großer deutscher Kaffeehersteller; aber es sind noch viele mehr. Es stimmt aber auch: Nur jedes dritte Unternehmen in der Europäischen Union prüft aktuell seine globalen Lieferketten sorgfältig genug mit Blick auf Menschenrechte und Umweltauswirkungen. Auch deshalb ist es gut, dass wir hier Verantwortung zeigen, mit unserem Minister Gerd Müller, der eben noch hier war, an der Spitze. Es ist auch wichtig, dass wir das auf europäischer Ebene begleiten. Es ist daher zu begrüßen, dass die EU-Kommission dazu im ersten Quartal 2021 eine Initiative für eine branchenübergreifende EU-Lieferkettenregulierung einbringen möchte. Denn auch hier ist klar: Wir brauchen ein europäisches Vorgehen im Sinne der Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Nachhaltigkeit bedeutet auch ein Bekenntnis zum Freihandel. Richtig ist nämlich, dass Handel für einen rohstoffarmen Kontinent wie unseren die wesentliche Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum ist. Ohne einen Ausbau unserer Handelsbeziehungen – ich weiß, dass das jetzt nicht alle hier gerne hören – werden wir den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Europa nicht schaffen. Deshalb begrüßen wir die europäischen Freihandelsabkommen mit Japan und mit Kanada. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir hier nicht aufhören dürfen. Gerade in Zeiten von protektionistischen Bewegungen müssen wir unsere Handelsbeziehungen mit wichtigen Partnern weiter ausbauen. Auch hier geht das eine nicht ohne das andere, sondern eben nur zusammen. Hierzu brauchen wir ambitionierte Abkommen mit starken Nachhaltigkeitskapiteln. Denn klar ist auch: Wenn wir die Standards nicht setzen, dann setzen sie andere Akteure wie beispielsweise China; wir sehen das in Lateinamerika, in Afrika oder in Ost- und Mitteleuropa. Da müssen wir konsequent gegensteuern. Meine Damen und Herren, diese Beispiele zeigen: Nur durch nachhaltiges Wachstum wird Europa im globalen Wettbewerb bestehen können. Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden uns dafür einsetzen. Herzlichen Dank. Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Kai Whittaker.
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Stephan Stracke CDU/CSU
Stephan
Stracke
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist Krieg in Europa. Dieser Krieg berührt, bewegt, erschüttert uns im Herzen. Unsere Herzen öffnen unsere Türen, um die vielen Geflüchteten willkommen zu heißen und ihnen Schutz zu bieten. Es ist beeindruckend, wie viele helfen: beim Spendensammeln, beim Transport von Hilfsgütern, in den Erstanlaufstellen oder in Gemeinschaftsunterkünften. Es sind wieder die Ehrenamtlichen, die Wohlfahrtsverbände und ‑organisationen, die hier an vorderster Front stehen und einfach anpacken. Es ist großartig. Ein herzliches Dankeschön an alle Helferinnen und Helfer! Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir helfen, versorgen, organisieren. Wir bieten Schutzräume für die vielen Geflohenen. Die Mütter mit ihren Kindern, die große Zahl an Älteren oder Menschen mit Behinderungen, sie sollen und sie dürfen hier bei uns ankommen, unterkommen und sich sicher fühlen. Wir wollen gerade Kindern und Jugendlichen möglichst schnell wieder ein kleines Stück Normalität geben. Deshalb brauchen wir auch eine schnelle Integration in Kita und Schule. Wir brauchen auch eine psychosoziale Betreuung. Denn das, was man im Krieg und auf der Flucht erlebt, ist etwas, was lange nachwirkt. Ja, denen, die können und wollen, die den Kopf frei haben, bieten wir auch Sprachkurse an. Wir bieten ihnen auch Arbeitsmarktintegration an mit einem breiten Dienstleistungs- und Förderungsangebot der Bundesagentur für Arbeit. Wir stehen insgesamt vor einer großen humanitären Aufgabe. Das ist ein gewaltiger Kraftakt, und das gelingt nur gemeinsam: gemeinsam mit den Kommunen vor Ort, mit den Ländern und auch mit dem Bund. Der Bund muss hier seiner Verantwortung gerecht werden; denn es geht um eine faire Lastenverteilung bei den Kosten und auch bei der Verteilung der Geflüchteten auf die Länder und innerhalb der Europäischen Union. Dazu bedarf es einer systematischen und lückenlosen Registrierung. Hier ist der Bund am Zug. Er muss seiner Verantwortung auch an dieser Stelle gerecht werden. Der Krieg hat tiefgreifende Folgen, humanitäre und wirtschaftliche. Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind immens und werden jeden Tag sichtbarer. Lieferketten brechen zusammen, und notwendige Rohstoffe fehlen. Das führt zu Produktionsstopps und zu Kurzarbeit; viele Arbeitsplätze sind bedroht. Es war notwendig und richtig, dass die Bundesregierung die Kurzarbeiterregeln erweitert; das erkennen wir ausdrücklich an. Sie haben nachgebessert bei der Zeitarbeit und auch bei der Möglichkeit, die Sozialversicherungsbeiträge wieder zu ersetzen. Jetzt, Herr Heil, müssen Sie dafür sorgen, dass die Unternehmen in diesen Bereichen tatsächlich schnell Planungssicherheit haben. Das tut not. Die Kurzarbeit ist ein gutes, ein schnell wirksames und – das haben wir in der Pandemie gesehen – auch ein teures Instrument. Das wissen wir. Die Kurzarbeit alleine wird nicht ausreichen, um Arbeitsplätze zu schützen. Wir brauchen passgenaue Lösungen gerade für unsere energieintensiven Betriebe, die ja zum Teil schon ihre Produktion eingestellt haben. Das, was die Ampel hier beschlossen hat – Energiegeld, Einmalzahlung, Senkung der Kraftstoffsteuer –, hilft nicht weiter. All das hilft dem produzierenden Gewerbe nicht. Es ist zu wenig, und es ist zeitlich zu kurz angelegt. Wir brauchen eine echte Entlastung der Wirtschaft, ein Hilfspaket, das auch Überbrückungshilfen umfasst. Hier muss die Bundesregierung das Richtige und Notwendige tun, und zwar jetzt. Die Wirtschaft und somit auch unsere Arbeitsplätze brauchen Unterstützung. Auch die Menschen brauchen Unterstützung. Millionen sind aufs Auto angewiesen, um zur Arbeit zu kommen, um einzukaufen, um das Familienleben zu organisieren, damit die Kinder Oma und Opa besuchen können oder damit sie am Vereinsleben wieder teilhaben können. Wir brauchen eine starke soziale Abfederung der Krise. Die beschlossenen Maßnahmen der Ampel helfen an dieser Stelle, ja, sie reichen jedoch nicht aus. Es ist interessant, wenn man sich ansieht – das ging ja auch durch die Presse –, wie das Bundesarbeitsministerium im Vorfeld Kraftstoffrabatte oder Abschläge auf die Energiesteuer bewertet hat. Da wurde dann typischerweise gesagt: Diejenigen mit höherem Einkommen sind auch mobiler und mehr unterwegs. – Erstaunlich ist vor allem, welche Ratschläge gegeben wurden. Beispielsweise hieß es: Wenn man die entsprechenden Steuern senken würde, was kurzfristig umsetzbar wäre, würde es keinen Anreiz zum Sparen geben. Dann gab es gleich einen Rat hinterher: Man könnte ja statt 110 km/h 90 km/h fahren. – Ich bin oft im ländlichen Raum unterwegs, auf Landstraßen, auf Bundesstraßen. Ich wusste gar nicht, dass man da 110 km/h fahren darf. Das zeigt: Wir brauchen keine Verhaltensratschläge aus dem Haus des Bundesarbeitsministeriums, sondern wir brauchen tragfähige Vorschläge. Diese haben wir als Union unterbreitet. Wir brauchen spürbare Steuersenkungen bei den Energiekosten; das muss natürlich auch die Mehrwertsteuer umfassen. Es ist auch viel zu kurz gesprungen, dass Sie ihre Maßnahmen für nur drei Monate beschlossen haben. Natürlich ist es notwendig, die Pendlerpauschale zu erhöhen, und zwar ab dem ersten Kilometer. Entlasten Sie die Bürgerinnen und Bürger. Helfen Sie den Bürgerinnen und Bürgern in dieser schweren Situation. Das ist das, was jetzt nottut, damit wir gut durch diese Krisensituation kommen. Dafür steht die Union. Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Andreas Audretsch.
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Isabel Mackensen SPD
Isabel
Mackensen
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Die gesellschaftlichen Fragen nach mehr Tierwohl, Biodiversität und Klimaschutz werden immer lauter. Der ökologische Landbau kann einen relevanten Beitrag zur Lösung der umwelt- und ressourcenpolitischen Herausforderungen dieser Zeit leisten und gilt zu Recht als ein Schlüssel für eine nachhaltige Landwirtschaft. Das erklärte Ziel der Bundesregierung – so steht es auch im Koalitionsvertrag – ist die Erhöhung des Anteils der Flächen für den Ökolandbau auf 20 Prozent bis zum Jahr 2030. Im Jahr 2018 betrug der Flächenanteil mit 1,521 Millionen Hektar nur rund 9,1 Prozent. 20 Prozent bis 2030 zu erreichen, wird bei dem jetzigen Tempo schwierig. Gleichzeitig kann es nur eine Etappe auf dem Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft sein, die mit Blick auf die steigende Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher nach Bioprodukten auch von dieser Seite gewünscht wird. Daher werde ich mich zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Bundestagsfraktion für den weiteren Ausbau sowie für die Förderung von Forschung und Innovation des ökologischen Landbaus einsetzen. Hinzu kommt, dass Bioprodukte häufig nicht direkt vor Ort verkauft, sondern über weite Strecken transportiert werden. jedoch würden von der Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten die Konsumentinnen und Konsumenten, vor allem aber auch die Landwirtinnen und Landwirte profitieren. Das Ziel muss sein, Angebot und Nachfrage nach regionalen Erzeugnissen zusammenzubringen und die dafür notwendigen Infrastrukturen für die Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte zu erhalten bzw. wieder auszubauen, ganz nach dem Motto: nachhaltig produzierte Lebensmittel aus der Region für die Region. Als Pfälzerin liegt mir zudem der traditionelle Weinbau besonders am Herzen. Diesem Thema möchte ich hier im Hohen Haus mehr Raum geben. Letztes Wochenende haben wir in meinem Wahlkreis Neustadt-Speyer, in Bad Dürkheim an der Deutschen Weinstraße, den 603. Wurstmarkt, das größte Weinfest der Welt, eröffnet. Hier werden Winzerhandwerk, Tradition und friedliches Miteinander gefeiert. Daher freue ich mich ganz besonders, im nächsten Jahr bei der großen Novelle des Weingesetzes mitwirken zu können. Mit den Chancen der Digitalisierung, einer Modernisierung des Bezeichnungsrechts und der verbesserten Absatzförderung werden wir unseren Beitrag für den Erfolg des deutschen Weinbaus leisten. Vielen Dank. Und auch noch die Redezeit vorbildlich eingehalten. Glückwunsch! – Der Kollege Christian Haase hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Carsten
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Abgeordnete Weidel, ich habe den Medien entnommen, dass eine Besuchergruppe von Ihnen aus Ihrem Wahlkreis im Konzentrationslager Sachsenhausen war, dass sie dort antisemitische Äußerungen getätigt hat und dass sie die in der Vergangenheit stattgefundenen Ereignisse relativiert hat. Ich finde, hier im Deutschen Bundestag wäre heute der geeignete Ort gewesen, dass Sie sich davon distanzieren, Frau Weidel. Sie haben diese Chance verpasst, genauso wie Herr Gauland heute die Chance verpasst hat, sich von den Ereignissen in Chemnitz zu distanzieren, wo Menschen in Aufruhr waren und die Unsicherheit auf die Straße gebracht haben, die einer Demonstration folgten, die Ihr Landesvorsitzender aus Thüringen, Höcke, mit organisiert und angeführt hat, mit dem Pegida-Chef Bachmann und anderen stadtbekannten Hooligans, in deren Folge Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten aus Marburg durch die Stadt getrieben wurden, denen Fahnen abgenommen und die geschlagen wurden. Davon hätten Sie sich distanzieren können, Herr Gauland. Nichts in diese Richtung. Nichts! – Sie waren nicht dabei, richtig. Aber Sie scheinen ein klares Urteil zu haben. Meine Damen und Herren, was in Chemnitz und in Köthen passiert ist: Jeder Tod eines Unschuldigen ist ein Tod, der uns schmerzt, ja. Aber was danach an Demonstrationen stattfindet, die das Demonstrationsrecht überschreiten, wo Neonazis aufrufen und Hooligans die Städte unsicher machen, wo zu Gewalt aufgerufen wird, wo wie in Chemnitz von Hooligans gerufen wird – ich zitiere –: Wir sind Krieger, wir sind Fans, Adolf Hitler, Hooligans. Wo dies passiert und die normalen Menschen danebenstehen und applaudieren, da ist etwas ins Rutschen gekommen, meine Damen und Herren. Wir Demokraten sind dazu angehalten, das zu stoppen. Das erinnert mich sehr stark an die Zeit zwischen 1990 und 1992 und an Rostock-Lichtenhagen. – Ich lasse keine Zwischenfrage zu. Ich kann nur dazu auffordern, dass wir an dieser Stelle exakt sind und denjenigen sagen, die Sorgen haben und sich nicht sicher fühlen, dass wir diese Sicherheit gewährleisten wollen. Dass wir diese Sorgen ernst nehmen, ist gar keine Frage. Aber wer mit Neonazis marschiert, kann danach nicht sagen, er hat mit denen nichts zu tun, sondern er macht sich mit ihrer Sache gemein. Das ist die wirkliche Gefahr. Bei der öffentlichen Sicherheit hätte ich mir gewünscht, dass es, bevor wir zu Urteilen kommen – Herr Kauder ist gerade nicht hier; er hat das eben selbst bezogen auf die Innenausschusssitzung und die Äußerungen von Herrn Maaßen gesagt –, eine Unvoreingenommenheit gibt. Diese Unvoreingenommenheit betrifft auch einen Kollegen Ihrer Fraktion, nämlich den Chef des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Herrn Schuster, der heute Morgen im Fernsehen gesagt hat: Wir können zur Tagesordnung übergehen. Meine Damen und Herren, ich sehe das nicht so, und die SPD-Fraktion auch nicht. Wir brauchen Vertrauen in den Rechtsstaat. Wir brauchen Vertrauen in die Sicherheitsbehörden. Ich war zehn Jahre lang Vorsitzender des Vertrauensgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste und weiß, wovon ich spreche. Dieses Vertrauen ist nicht nur angekratzt. Denn was wir erleben mussten, war ja, dass eine Äußerung der Bundeskanzlerin persönlich von dem ihr eigentlich unterstehenden Geheimdienstchef des Inlandsgeheimdienstes nicht nur relativiert, sondern konträr dargestellt wurde. Die Frage, die ich mir dabei wirklich stelle, ist: Reden die eigentlich miteinander? Es ist ja wohl entscheidend, dass der Bundesinnenminister, die Kanzlerin und der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz miteinander sprechen und über die Lage die gleiche Einschätzung haben; denn nur dann kann man handeln, und darum geht es. Darum geht es für uns Sozialdemokraten. Hier geht es nicht um einen Kopf. Hier geht es um die Frage des Vertrauens in den Rechtsstaat und auch in die öffentliche Sicherheit in Deutschland. Das ist für uns zentral, genauso wie die soziale Sicherheit. Dazu sind wir hier auch anderer Auffassung als die Grünen und die FDP. Herr Lindner hat das heute bei der Rente und auch bei der Miete klargemacht. Ja, die SPD ist mit Sicherheit nicht die Partei der Interessen der Eigentümer, also von Haus & Grund, sondern die SPD ist eher Interessenvertreter derjenigen, die im Mieterbund organisiert sind. Völlig klar. Wenn ich in einer Großstadt mittlerweile 40 Prozent meines Einkommens und mehr nur noch für Miete ausgebe, dann ist das nicht mehr akzeptabel, weil das auch eine Umverteilung ist. Denn durch die Preissteigerungen der letzten Jahre ist bei denjenigen, die Eigentum haben und über Wohnungen und Häuser in Berlin, München und Hamburg verfügen, das Vermögen gestiegen. Dazu kommt noch das zusätzliche Einkommen aus der höheren Miete. Wir sagen: Nein! Stopp! Wir Sozialdemokraten werden das stoppen. Diesen Abfluss und diese Umverteilung gibt es mit uns nicht. Wir greifen ein. Faire Mieten in unserem Land sind ein Grundrecht. Von daher: Dieser Haushalt stellt in diesem Herbst insbesondere alles, was den sozialen Aufbruch bringt, in den Mittelpunkt. Wir werden um eine gesellschaftliche Mehrheit dafür kämpfen, dass wir die gesetzliche Rentenversicherung – Andrea Nahles hat das gesagt – dauerhaft stabilisieren und das Rentenniveau nicht absinken lassen. Mit dem ersten Gesetz, dessen Entwurf Hubertus Heil vorgelegt hat, ist es uns gelungen, hier Sicherheit bis 2025 zu geben. Ja, dafür brauchen wir Geld. Aber wir werden Geld in die Hand nehmen und die zur Verfügung stehenden Mittel nutzen und sie beispielsweise nicht hauptsächlich für Verteidigungsausgaben verwenden. – Sehr geehrte Damen und Herren von der AfD, Ihre Kollegin Weidel hat eben gesagt, dass sie das 2-Prozent-Ziel der NATO erreichen will. Das bedeutet 40 Milliarden Euro mehr für Aufrüstung. Sozialdemokraten wollen das nicht. Wir wollen das Geld für eine stabile Rente. Ich erteile das Wort zu einer Kurzintervention dem Kollegen Leif-Erik Holm.
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Monika Lazar BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Monika
Lazar
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich möchte mich in meiner Redezeit den aktuellen Problemen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ widmen; denn es ist leider nicht so, wie Sie, Frau Ministerin, es uns in blumigen Worten geschildert haben. Zuerst wundert man sich, dass trotz guter Auslastung in diesem Jahr der Etatansatz um 8 Millionen Euro gekürzt wurde. Das ist ein völlig falscher Ansatz, und ich kann Sie von den Koalitionsfraktionen nur auffordern, diese Kürzung zurückzunehmen; denn der Bedarf ist auf alle Fälle da. Offenkundig gibt es auch an anderen Stellen sehr unterschiedliche Meinungen darüber, wie es bei diesem Bundesprogramm weitergehen soll. Wir brauchen jedenfalls mehr denn je eine ausreichende und dauerhafte Bundesförderung für bewährte zivilgesellschaftliche Initiativen. Doch leider ist das Gegenteil der Fall. Die Dachverbände der mobilen Beratung und der Opferberatung wurden bereits beim Interessenbekundungsverfahren vom Ministerium abgelehnt und dürfen folglich nicht einmal mehr einen Förderantrag stellen, obwohl diese Dachverbände seit nun mittlerweile 20 Jahren ein bundesweites Monitoring rechter Gewalt entwickeln, Qualitätsstandards weiter bearbeiten und auch die Vernetzung vorantreiben. Sie sind auch ein gutes Beispiel dafür, wie westdeutsche Verbände von ostdeutschen Projekten lernen konnten; denn die Bundesprogramme sind vor 20 Jahren in Ostdeutschland eingerichtet worden. Aber trotz dieser jahrelang nachgewiesenen Qualitätsstandards werden sie nicht weiter gefördert. Ich fordere das Ministerium auf, das noch einmal zu überdenken und die Förderung dieser bewährten Projekte wieder möglich zu machen. Auch die Anzahl der finanzierten Modellprojekte soll im nächsten Jahr drastisch zurückgefahren werden; auch das ist ein Fehler. Ein weiteres Beispiel: Bei den vom Bund geförderten Kompetenznetzwerken gibt es das Problem, dass im Interessenbekundungsverfahren bewährte Träger abgelehnt wurden. Das betrifft zum Beispiel das Netzwerk für Demokratie und Courage im Saarland – und das, liebe Frau Ministerin, wo Sie erst vor zwei Wochen in Leipzig bei der 20-Jahr-Feier des bundesweiten Netzwerks Demokratie und Courage waren und sich von der Qualität der Arbeit überzeugen konnten. Für mich ist das jedenfalls nicht nachvollziehbar. Das Bundesprogramm krankt leider an der nicht vorhandenen Planungssicherheit. Wir brauchen aber Sicherheit für die Expertinnen und Experten für unsere Demokratie und sollten die Förderung deshalb weiter unkompliziert gestalten. Weiterhin stellen wir fest, dass die Daueraufgabe Demokratieförderung, obwohl dies in beiden Abschlussberichten der NSU-Untersuchungsausschüsse des Bundestages gefordert wurde, immer noch nicht umgesetzt ist. Deshalb fordern wir als Bündnis 90/Die Grünen ein Demokratiefördergesetz. Meines Wissens fordert das die SPD auch. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, wir haben noch einige Wochen Zeit, um in den Haushaltsberatungen wirklich die richtigen Signale zu setzen, indem wir die Kürzung der Mittel für „Demokratie leben!“ zurücknehmen und den Weg freimachen für ein Demokratiefördergesetz, damit die zivilgesellschaftlichen Strukturen endlich dauerhaft finanziell und strukturell abgesichert werden. Vielen Dank. Vielen Dank. – Als Nächste spricht für die Fraktion der SPD die Kollegin Leni Breymaier.
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Matthias Höhn DIE LINKE
Matthias
Höhn
DIE LINKE
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ich halte Ihre sicherheitspolitische Agenda für ein Sicherheitsrisiko. Das Zweite, was Ihre bisherige vierjährige Amtszeit kennzeichnet – ich habe nicht den Eindruck, dass das besser wird –, ist ein unverantwortlicher Umgang mit Steuergeld. Zu diesem Punkt will ich als Erstes etwas sagen. Sie haben heute wieder gesagt, wie viele Jahre lang wie viel Geld gekürzt worden ist, wie viel gespart worden ist. Was Sie heute nicht gesagt haben, ist – ich will das noch einmal in Erinnerung rufen –, dass der Verteidigungshaushalt in den letzten vier Jahren um 20 Prozent gestiegen ist. Der Verteidigungshaushalt hat inzwischen ein größeres Volumen erreicht – er wird in dieser Legislaturperiode weiter wachsen – als jeder andere Verteidigungshaushalt in den letzten Jahren. 20 Prozent Steigerung in vier Jahren – andere Haushalte, liebe Kolleginnen und Kollegen, würden sich über solche Wachstumsraten freuen. Jetzt schauen wir einmal, was Sie mit diesem Geld gemacht haben. Wir haben ja in dieser Woche den Rüstungsbericht vorgelegt bekommen. Ich will zwei Beispiele nennen. Das erste Beispiel ist das Projekt Eurofighter. Der Eurofighter ist wahrscheinlich zwölf Jahre später fertig als geplant und kostet 6,7 Milliarden Euro mehr. Das zweite Beispiel ist der A400M. Er ist wahrscheinlich elf Jahre später fertig als ursprünglich geplant und kostet 1,2 Milliarden Euro mehr. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie reden hier gerne über Haushaltsdisziplin und die schwarze Null. Beim Verteidigungshaushalt scheint das alles kein Problem zu sein. Ich halte das für unverantwortlich. Frau Ministerin, Sie reden gerne über Trendwenden. Ich würde mich über die Trendwende hin zur Sparsamkeit im Verteidigungsetat freuen. Das wäre einmal ein echter Fortschritt. Ich möchte noch eine Bemerkung zum Thema Sicherheitsrisiko machen. Sie haben auf die Friedensdividende der 90er-Jahre hingewiesen. Sie haben auch darauf hingewiesen, dass sich die Sicherheitslage verändert habe, spätestens seit 2014. Dazu will ich Folgendes sagen: Die Großprojekte, über die ich gerade gesprochen habe, aber auch andere wie zum Beispiel der Puma – wir könnten die Liste fortsetzen –, diese Großprojekte, die so unendlich ins Geld gehen, wurden lange vor dieser sicherheitspolitischen Veränderung geplant und in Auftrag gegeben, zu einer Zeit, als wir uns noch über die Friedensdividende gefreut haben. Sie sind nicht das Ergebnis einer veränderten sicherheitspolitischen Lage, sondern wurden lange vor dieser Veränderung geplant. Also begründen Sie diese Projekte bitte nicht mit einer veränderten sicherheitspolitischen Lage. Letztlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, stellt sich die Frage, ob wir wieder in eine Periode kommen, in der wir uns wieder über eine Friedensdividende freuen können. Natürlich ist es richtig, dass nicht nur die ­NATO-Staaten ihre Militäretats hochfahren, sondern auch China, Russland und andere Staaten dieser Welt. Es stellt sich doch die Frage, wie wir das beenden wollen. Ich glaube nicht, dass wir das beenden können, indem wir alle immer so weitermachen und noch mehr drauflegen. Ich glaube, dass irgendjemand den ersten Schritt unternehmen und sagen muss: Wir kürzen unseren Verteidigungsetat; wir machen bei dieser Spirale nicht mit. Wenn wir die Einzigen in diesem Hause sind, die das fordern, sage ich: Noch sind wir die Einzigen. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Höhn. – Als letztem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Reinhard Brandl für die CDU/CSU-Fraktion.
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Petr Bystron AfD
Petr
Bystron
AfD
Erstens. Sie zitieren falsch. Sie haben mir unterstellt, dass ich das gesagt habe. Richtig ist, dass das meine Kollegin bei einem innerparteilichen Wahlkampf gesagt hat. So viel zum Umgang zwischen Frauen und Männern. Zweitens. Sie wurde nicht gewählt, und ich wurde auch nicht gewählt in diesem Wahlgang. Gewählt wurde unser Kollege Kay Gottschalk, weil er der Beste war. So ist das bei uns in der Partei. Drittens. Es war wirklich durchsichtig, dass das jetzt kommt. Sie sehen: Wir haben uns längst vertragen. Wir kommen sehr gut miteinander aus. Wir brauchen so etwas nicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit schließe ich die Debatte. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 19/7920 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt in den Saal kommen oder den Saal verlassen, das möglichst zügig zu machen, damit wir ohne Verzögerung fortfahren können.
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Katrin Budde SPD
Katrin
Budde
SPD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht nur die erste Rede, es ist mir eine Ehre, auch das letzte Wort heute bei diesem Einzelplan zu haben. Das muss man mit der ersten Rede erst einmal schaffen. Immerhin. Der Haushalt des Bereichs Ernährung und Landwirtschaft ist nicht unbedingt der größte Haushalt. Es ist ein großer, aber vieles – wir haben es gehört – ist im Bereich der sozialen Sicherungssysteme angesiedelt. Es ist auch nicht der, der immer die lauteste Auseinandersetzung hervorruft. Aus 27 Jahren Landespolitik weiß ich, dass es unter den Bäuerinnen und Bauern dann doch immer viel Einigkeit gibt. Vielleicht sollte er aber doch ein Haushalt mit einer großen Auseinandersetzung sein, nicht weil wir in den Fragen und Inhalten so zerstritten sind, sondern weil es der Haushalt ist, der einen entscheidenden Teil unseres Lebens abbildet. Landwirtschaft, Forst- und Ernährungswirtschaft sind entscheidende Säulen unserer Wirtschaft. Sie haben Einfluss auf das Essen, die Gesundheit, die Umwelt und die Umgebung, in der wir leben. 80 Prozent der Bundesrepublik sind ländliche Räume. Sie sind sehr differenziert und unterschiedlich, aber es sind ländliche Räume. Genau deshalb muss die Politik für ländliche Räume sichtbarer, effektiver und wirkungsvoller werden. Dies muss ein Kernthema des Ministeriums in dieser Legislatur sein. Ich erhoffe mir – das, Herr Fuchtel, geht jetzt sozusagen an Ihre Chefin – durch den Führungswechsel an der Spitze des Ministeriums auch etwas mehr Empathie und Fingerspitzengefühl. Der weibliche Blick für das Wesentliche und für Nachhaltigkeit, also Verantwortung für gegenwärtige und folgende Generationen, ist ja meist – und das schon seit Jahrtausenden – etwas geschärfter, und das kann sehr gut sein. Wenn man über ländliche Räume redet, meine Damen und Herren, dann trifft man ja im Grunde immer wieder auf gute alte Bekannte, nämlich Themen wie Mobilität, Gesundheitsinfrastruktur, Bildungsinfrastruktur, Versorgung. Es wird immer über diese Dinge geredet, wenn wir über ländliche Räume sprechen. Daneben schiebt sich aber seit einigen Jahren, in den letzten Monaten noch einmal verstärkt, das Thema Digitalisierung als ein neues Querschnittsthema der Daseinsvorsorge dazwischen – nicht nur in Ballungszentren, sondern insbesondere in ländlichen Räumen. Erreichbarkeit in der digitalen Welt bzw. über die digitale Welt ist auch als Schlüssel für neue, andere, zusätzliche und interessante Arbeitsplätze unerlässlich. Einfach alles in der heutigen Welt ist von Erreichbarkeit und Schnelligkeit abhängig. Manchmal mag man darüber auch denken: leider. Das denke ich auch oft; aber man braucht sie. Doch um die wirtschaftliche Entwicklung des ländlichen Raumes zu stärken, benötigen wir auf der einen Seite schnelles Internet, auf der anderen Seite brauchen wir aber auch eine größere regionale Wertschöpfung, regionale Verarbeitung und regionale Vermarktung. Das Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“ ist gut. Die Verstetigung der Mittel im Bundeshaushalt ist richtig und wichtig. Dass sie noch nicht alle vollständig abgerufen werden, zeigt, dass noch viel Arbeit vor uns liegt. Eingeplante und dennoch verfallene Mittel helfen weder den Menschen vor Ort, den Bäuerinnen und Bauern, noch denjenigen, die in der ländlichen Region etwas aufbauen wollen, oder der gesamten Gesellschaft. Also müssen wir erreichen, dass die Mittel abgerufen werden. Wir halten an unserem Ziel der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse fest. Die Haushaltsmittel sind dabei nur Mittel zum Zweck; wir müssen etwas daraus machen. Ein entscheidender Punkt ist dabei – das wurde schon oft gesagt und ist deshalb nicht falsch, sondern umso wichtiger – die regionale Wertschöpfung. Regionale wirtschaftliche eigenständige Strukturen, die tragen, sind gesund und umweltfreundlich. Regionalität ist nicht das Zauberwort, das alle Probleme löst, ist aber entscheidend. Regionalität ist der Schlüssel, um dem Ziel, unseren Regionen vor Ort wieder Lebenskraft zu geben, ein wenig näherzukommen. Deshalb können wir uns auch gut vorstellen, eine Ergänzung vorzunehmen und ein Modul für regionale Wertschöpfung und Vermarktung im Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“ aufzunehmen. Geld ist ja ganz offensichtlich da; wir müssen es nur sinnvoll ausgeben können. Auch die Gründung des Kompetenzzentrums Ländliche Entwicklung mit ressortübergreifendem Ansatz ist ein solcher Baustein für integrative Politik, für Zusammenarbeit und gegen Ressortdenken. Begleitforschung ist dabei übrigens immer wichtig, meine Damen und Herren von der AfD, und nicht ein notwendiges Übel. Ein Thema, das ich noch zum Schluss ansprechen möchte, mir extrem wichtig ist, aber nicht unmittelbar mit dem Haushalt zu tun hat, ist der drohende Ausverkauf von Grund und Boden an Finanzinvestoren oder an Gesellschaften, die mit Grund und Boden handeln oder Grund und Boden als Geldanlage sehen. Wir brauchen die bodengebundene, die inhabergeführte, die bäuerliche Landwirtschaft. Egal ob es große, kleine oder mittlere Betriebe sind – es muss eine gute Mischung geben. Wir brauchen die Bäuerinnen und Bauern als Eigentümerinnen und Eigentümer in der Region, in der sie arbeiten und wohnen. Sie kennen ihr Land. Sie kennen ihre Region. Sie kennen die Witterungsbedingungen. Sie wissen, was zu machen ist. Sie wissen, was Verantwortung für die nächste Generation heißt. Und auch wenn dies kein zentrales Haushaltsthema ist, muss es hier doch einmal angesprochen werden. Wir müssen helfen, Lösungen zu finden – im Haushalt und außerhalb des Haushalts. Es ist gerade ein akutes ostdeutsches Problem; aber ich habe gelernt: Es macht vor anderen, westlicheren Bundesländern nicht halt. Ich habe aus Baden-Württemberg gehört, dass es auch dort Probleme gibt. Also, zum guten Schluss: Perspektiven für ländliche Räume schaffen, heißt Arbeiten, Wohnen und das Gesundheitssystem fördern, heißt Infrastruktur für Mobilität auf Straße, Schiene und im Netz ausbauen, heißt Schulen, Kitas und Horte finanziell besser ausstatten, heißt Studium und Facharbeiterausbildung in der Fläche ermöglichen, Familiengründung und Modern-leben-Können fördern, heißt, die Abwanderung der klugen, jungen Frauen stoppen. Wir können auch Traktoren und Krane fahren. Wir können all das, was die Männer können; aber ohne kluge junge Frauen in der Region wird es ein wirkliches Problem geben. Das heißt, wir müssen ihre Abwanderung stoppen. Heimat ist mehr als das Aufhängen von Kreuzen. Das sage ich, auch wenn ich selbst katholisch bin. Vielen Dank fürs Zuhören. Vielen Dank. – Wir sind damit am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 16. Mai 2018, 9 Uhr, ein. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Feierabend und sage abschließend: Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 17.24 Uhr)
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Bijan Djir-Sarai FDP
Bijan
Djir-Sarai
FDP
Exakt! – Herr Präsident, vielen Dank für Ihre Fürsorge! – Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es direkt auch hier am Anfang der Debatte ganz deutlich zu sagen: Das Ende des New-START-Vertrages wäre nicht nur bedauerlich, sondern außerordentlich gefährlich für Deutschland, für Europa und übrigens für die gesamte internationale Gemeinschaft. Nach dem Scheitern von INF, JCPoA und Open Skies ist New START faktisch einer der letzten großen Kooperationen der internationalen Rüstungskontrolle. Gerade deshalb, meine Damen und Herren, muss alles darangesetzt werden, damit nicht auch noch dieser Vertrag scheitert. Gerade in unsicheren Zeiten wie diesen muss auf die Verbindlichkeit internationaler Verträge besonders geachtet werden. Die Bundesregierung hätte ihre Bemühungen sowohl bilateral als auch innerhalb des NATO-Bündnisses schon längst intensivieren müssen; denn nicht erst seit gestern wissen wir, wie Präsident Trump mit internationalen Abkommen umgeht. Auch wird bei dieser Debatte viel zu oft vergessen, worum es eigentlich hier geht: Es geht um eine nachhaltige Sicherheitsarchitektur für Deutschland und Europa. Viel früher hätte die Bundesregierung auf die immer wieder im Raum stehenden Vorwürfe der Vertragsverletzung Russlands reagieren müssen. Viel früher hätte die Bundesregierung auf die zum Teil berechtigte Kritik der US-Administration eingehen müssen. Es war nicht die Trump-Administration – das ist ja vorhin schon gesagt worden –, die diese Debatte angestoßen hat. Diese Debatte hat schon in der Obama-Administration existiert, meine Damen und Herren. Auch die Tatsache, dass Staaten wie Iran und Pakistan nuklear aufrüsten, stellt die Sinnhaftigkeit einiger Verträge seit geraumer Zeit infrage. Die internationalen Regelwerke müssen daher der politischen Realität angepasst werden. Unser ehemaliger Außenminister Guido Westerwelle hat sich immer für eine atomwaffenfreie Welt eingesetzt. Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen müssen ein zentrales Anliegen deutscher Außenpolitik sein. Dennoch dürfen wir auf dem Weg dahin – und das ist der große Unterschied – nicht naiv sein. Eine einseitige, von hier ausgehende Abrüstung wäre nicht nur naiv, sondern gefährlich. Übrigens: Auch das hat Guido Westerwelle immer gesagt. Ich sage das, weil hier in den Debatten gelegentlich unser Freund Guido Westerwelle falsch zitiert wird. Man kann nicht – das ist das, was man dieser Bundesregierung und auch einigen, die sich in dieser Debatte äußern, vorwerfen muss – auf der einen Seite Multilateralismus predigen und auf der anderen Seite zugleich den Ausstieg aus multilateralen Bündnissen mit demselben Zungenschlag fordern. Ein derartiger Schritt würde Deutschland in der NATO isolieren. Es wäre schlecht für Deutschland, schlecht für Europa und übrigens auch schlecht für die NATO. Deutschland kommt eine besondere Verantwortung zu. Deutschland muss außen- und sicherheitspolitisch endlich mehr Verantwortung übernehmen. Meine Damen und Herren, die Welt von heute ist viel komplizierter und komplexer geworden. Dementsprechend ist Abrüstung heute viel komplizierter und komplexer als vor einigen Jahren. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie sich mit der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft mit aller Kraft für eine sinnvolle und nachhaltige Sicherheitsarchitektur in Europa einsetzt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Die nächste Rednerin ist für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Katja Keul.
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Ulle Schauws BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ulle
Schauws
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Keine Corona-Hilfen für Macho-Betriebe", so lautete die Schlagzeile einer großen Sonntagszeitung unmittelbar vor dem Koalitionsgipfel im Juni, wo die umfassenden Konjunkturhilfen beschlossen wurden. Als Frauenministerin forderten Sie dort, Frau Dr. Giffey, dass Unternehmen nur dann Geld aus dem Konjunkturprogramm bekommen, wenn sie sich auch zur aktiven Gleichstellung bekennen. Das ist eine absolut wichtige Forderung. Genau so etwas bräuchte es jetzt, um der Gleichstellung hierzulande einen Schub zu geben. Aber leider kann ich Ihnen kein Lob aussprechen; denn mehr als das Interview gab es dazu von Ihnen nicht. Von konkreten Hilfen für Frauen war im milliardenschweren Konjunkturprogramm dann leider nichts mehr zu finden. Und nicht nur das: Die große Ungerechtigkeit beim Kurzarbeitergeld für Frauen, meistens in Steuerklasse V, haben Sie immer noch nicht ausgeräumt. Frauen verlieren hierdurch bis zu mehreren Hundert Euro pro Monat im Vergleich zur Steuerklasse III. Das geht nicht, und das wissen Sie auch. Kolleginnen, die Krise hat uns gezeigt, dass die Wirtschaft nur funktioniert, wenn vor allem Frauen sich kümmern: sei es unbezahlt mit Sorgearbeit, Homeschooling und Haushalt, oder bezahlt als Pflegekraft, Erzieherin oder beim Supermarktkassieren. Die Krise hat uns schmerzhaft vor Augen geführt, dass der Stand der Gleichstellung von Männern und Frauen nicht so weit ist, wie viele sich das wünschen. Wir müssen jetzt die Chance zum Umsteuern nutzen und unser Land modernisieren und vor allem krisenresilient machen. Das geht nur, wenn wir Frauen endlich den Weg frei machen. Die Normalität kann nicht weiter sein, sich dreifach anstrengen zu müssen: gegen Diskriminierung, gegen Doppelbelastung und gegen alltäglichen Sexismus. Gerechte Entlohnung, gerechte Rente, gerechte Verteilung öffentlicher Mittel, gleichermaßen für Frauen und Männer, und gerechte Aufteilung von Macht, Einfluss und Repräsentanz – das ist mehr als überfällig. Kolleginnen und Kollegen, der Schutz vor Gewalt ist ein Menschenrecht. Deutschland hat sich mit dem Beitritt zur Istanbul-Konvention verpflichtet, Frauen in Deutschland umfassend vor Gewalt zu schützen. War die Frauenhilfestruktur schon vor der Pandemie mit 16 000 fehlenden Frauenhausplätzen massiv unterausgestattet, hat sich diese Problemlage unter Corona noch verschärft. Frau Ministerin, Sie haben mit dem Ausbau der Förderung des Gewalt-Telefons sowie einer groß angelegten Öffentlichkeitskampagne einen wichtigen Beitrag in der Krise geleistet. Aber das reicht nicht. Es kann nicht sein, dass einer hilfesuchenden Frau bei der Gewalt-Hotline gesagt wird, dass es für sie und vielleicht ihre Kinder keine Unterbringung in der Not gibt. Gewaltschutz ist staatliche Aufgabe und muss auf Dauer gesichert werden, auch vom Bund und eben nicht nur von den Ländern. Wir Grüne haben bislang als Einzige einen Vorschlag zur Frauenhausfinanzierung vorgelegt, verbunden mit einem individuellen Rechtsanspruch. Wo ist Ihre Lösung? Ich kann nur sagen: Klar ist, dass Gewaltschutz nicht mehr warten kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frauen werden nicht nur im Alltag, sondern auch im Netz bedroht und angegriffen. Auch weibliche Abgeordnete werden in diesem Haus mit Sexismus konfrontiert. Da ist es mehr als notwendig, die Umgangskultur und die Dominanz von Männern in diesem Haus zu ändern. Das muss aufhören. Wir Frauen haben eine fraktionsübergreifende Initiative auf den Weg gebracht – mit fünf Fraktionen – für mehr Frauen im Parlament. Aber Sie haben zur Parität aus meiner Sicht hier nichts beigetragen. Schweigen im Walde! Von einer Frauenministerin erwarten wir mehr bei einem Frauenanteil von 30,9 Prozent in diesem Haus. Das Thema auszusitzen und in die nächste Wahlperiode zu schieben, ist eine verpasste Chance für die gleiche Repräsentanz von Frauen im Bundestag. Wir Grüne und Linke bleiben dran. Wir werden unseren Gruppenantrag, der leider von Ihnen nicht mehr unterstützt wird, hier zur Abstimmung stellen. Dann können Sie Farbe bekennen. Ich sage: Es ist Zeit für mehr Geschlechtergerechtigkeit und Repräsentanz, auch in diesem Haus. Vielen Dank. Der Kollege Sönke Rix ist der nächste Redner für die Fraktion der SPD.
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Agnieszka Brugger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Agnieszka
Brugger
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir an die vergangenen Debatten zu diesem Bundeswehrmandat zurückdenken, dann fällt uns auf: Wir haben über die Lage in Libyen sehr intensiv gesprochen. Das Mandat hängt ja direkt damit zusammen; denn sein Kernauftrag ist die Überwachung des Waffenembargos der Vereinten Nationen. Da gab es den Hoffnungsschimmer – nach so vielen Jahren des Blutvergießens, des Chaos und der Auseinandersetzungen zwischen den Konfliktparteien, die sich nicht einigen konnten –, dass es zu Wahlen kommen könnte, die dazu beitragen, dass es eine vom Parlament breit getragene, geeinte Regierung gibt. Heute muss man leider feststellen, dass mit der Absage der Wahlen und einer Reihe von anderen Entwicklungen der Friedensprozess bestenfalls ins Stocken geraten ist. Trotz des VN-Waffenembargos, trotz der Vereinbarung sind nach wie vor ausländische Kämpfer und Söldner im Land, und es kommen auch immer wieder neue Waffen in diesen Konflikt. Im Rückblick muss man auch feststellen, dass die mangelnde europäische Einigkeit an dieser Stelle ein gefährliches Vakuum hinterlassen hat, das nicht nur die Vereinten Nationen in ihrem jahrelangen Bemühen geschwächt hat, sondern das auch anderen Akteuren den Raum gegeben hat, mit Waffen, mit ausländischen Kämpfern nicht die Sicherheit der Menschen und die Stabilität in Libyen zum Ziel zu haben, sondern ihre eigenen geopolitischen Machtinteressen oder auch den Zugang zu Rohstoffen. Deshalb war es richtig, dass die Europäische Union sich vor einigen Jahren entschlossen hat, die Vereinten Nationen stärker zu unterstützen, und auch Deutschland hat daran einen entscheidenden Anteil. Ein Aspekt dieses Engagements ist das Mandat, das heute hier vorliegt. Es geht nämlich darum, sicherzustellen, dass über den Seeweg nicht immer wieder neue Waffen nach Libyen in diesen Konflikt kommen. Jetzt kann man natürlich zu Recht sagen: Waffen kommen nicht nur über den Seeweg; sie kommen auch über den Luftraum, sie kommen auch über Land. – Das sollte aber keine Kritik an der Mission Irini sein, sondern uns eher dazu anhalten, mit den Vereinten Nationen gemeinsam zu überlegen, welchen Mechanismus wir finden können, um auch hier effektiver zu werden. Was ich mir aber auch noch wünschen würde – da ist in den vergangenen Jahren einiges passiert, aber noch nicht genug –, ist, dass, wenn im Rahmen der Mission in Absprache mit den Vereinten Nationen Embargobrecher erkannt werden, sie dann auch offensiv benannt werden und es zu klaren Konsequenzen kommt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist der Grund, warum wir als Grüne in der Opposition dieses Mandat nicht abgelehnt haben. Wir haben ihm aber auch nicht zugestimmt; denn – das ist etwas, was wir im Koalitionsvertrag miteinander vereinbart haben – wir wollen noch einmal stärker, genauer, kritischer und sachlicher auf die Auslandseinsätze der Bundeswehr schauen. Das kann im Einzelfall bedeuten, richtige Aufträge und sinnvolle Beiträge auszubauen und zu verstärken. Das kann aber auch an der ein oder anderen Stelle bedeuten, Komponenten, die hoch problematisch sind, zu verändern oder gar zu beenden. Dafür ist auch diese Mission absolut ein gutes Beispiel, weil die Überwachung des Waffenembargos richtig ist. Aber was definitiv falsch war, ist die im alten Mandatstext vorgesehene Möglichkeit, die sogenannte libysche Küstenwache auszubilden. Und das ist auch aus guten Gründen nicht passiert. Herr Grübel, Sie wissen ganz genau, dass es eine Küstenwache in dieser Form nicht gibt; sie wird nicht staatlich kontrolliert. Wir reden in Teilen von Verbrechern, von Organisierter Kriminalität, von Schleppern. Wir kennen die Berichte von Amnesty International, in denen darüber berichtet wird, dass Boote abgedrängt werden, dass Menschen in Lager verschleppt werden, dass es Folter, sexualisierte Gewalt, die Versagung von medizinischer Versorgung von Kindern gibt. Das Auswärtige Amt hat selbst in Drahtberichten von – Zitat – „KZ-ähnlichen Zuständen“ gesprochen. Ich bin der Außenministerin und der Verteidigungsministerin dankbar, dass sie diese Komponente, auch wenn sie in der Realität aus guten Gründen nicht stattgefunden hat, aus dem Mandatstext genommen haben. Denn es muss doch klar sein, dass wir Menschenrechtsverletzer nicht ertüchtigen und ausbilden. Das hat auch was mit Mandatswahrheit und ‑klarheit zu tun. Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf eine zweite Veränderung eingehen, die gerade in diesen Stunden besondere Bedeutung hat. Sie haben vielleicht gelesen bzw. gesehen, dass der Chef von Frontex wahrscheinlich zurücktreten wird, weil offensichtlich sehr schwerwiegende Vorwürfe im Raum stehen wie der, dass er illegale Pushbacks durch Frontex in der Ägäis vertuscht hat. Ich muss Ihnen sagen: Das ist ein absolutes Armutszeugnis. Das hat nichts mit internationalem Recht zu tun, und das hat auch nichts mit europäischen Werten zu tun. Das zeigt, wie viel Handlungsbedarf es auch in Europa angesichts der sehr hohen Zahl von Menschen, die auf dem Mittelmeer sterben, gibt. Da müssen wir insgesamt in Europa besser werden und mehr tun. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen alle: Es gibt das internationale Recht und die Verpflichtung zur Seenotrettung; das ist eine Selbstverständlichkeit. Im Rahmen der Vorgängermission von Irini, EUNAVFOR MED Sophia, hatte auch ich einmal die Gelegenheit, die Soldatinnen und Soldaten zu besuchen. Sie haben unfassbar viele Menschenleben gerettet; und mit welcher Überzeugung und auch Selbstverständlichkeit sie das aus sich heraus getan haben, das hat mich damals zutiefst beeindruckt. Ich möchte wirklich allen danken, ob in Uniform oder im Rahmen einer privaten Seenotrettungsinitiative, dass sie diese Menschenleben retten, und auch denjenigen, die sich dafür einsetzen, dass es in Libyen zu mehr Stabilität und Sicherheit kommt, damit nicht immer wieder neue Waffen ins Land kommen. Sehr geehrte Damen und Herren, die Veränderungen, die die Bundesregierung in diesem Mandat vorgenommen hat, sie stehen eben dafür, dass beim internationalen Krisenmanagement der Auftrag der Bundeswehr darin besteht, Teil eines Friedensprozesses zu sein, dafür Sicherheit zu schaffen, Stabilität zu gewährleisteten, Menschen zu schützen und nicht Menschenrechtsverletzer und Verbrecher auszubilden. Vielen Dank. Der Kollege Jürgen Hardt spricht jetzt für die CDU/CSU-Fraktion.
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Dr. Volker Ullrich CDU/CSU
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig, über eine nationale Gesamtstrategie im Bereich der Sicherheitspolitik zu sprechen. Aber wenn wir über Ihren Antrag diskutieren, dann verläuft die Trennlinie in diesem Hohen Haus zwischen Ihnen und uns, vor allem deswegen, weil in Ihrem Antrag entlarvende Sprachbilder vorhanden sind. Ich will Ihnen das vor Augen führen. Sie sprechen – ich zitiere – vom Krieg „in der Ukraine“. Ich glaube, so sollten wir nicht sprechen. Es ist ein Angriffskrieg auf die Ukraine. Sie sprechen von einer – ich zitiere weiter – „ideologiefreien Strategie“. Wenn man den Begriff der Ideologie heranzieht, dann muss man wissen, dass Ideologie „Ideenlehre“ oder „Weltanschauung“ bedeutet. Aber wenn es um Weltanschauungen geht, kann dieser Staat niemals neutral sein. Wir stehen auf der Seite von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten, auch als Ordnungsprinzip internationaler Organisationen. Sie sprechen weiterhin davon – ich zitiere –, etwas könne nur „frei von der Einflussnahme anderer Staaten“ erfolgen. Auch das ist ein sehr irritierender Begriff. Wir wissen, dass unsere eigene Souveränität und das Wohlergehen unseres Landes und der Bevölkerung davon abhängig sind, dass wir in internationalen Organisationen integriert sind und mit unseren Nachbarn gut zusammenarbeiten. Wir können nicht „frei von der Einflussnahme“ sein, sondern wir wollen gemeinsam unsere Ideen voranbringen. Wir wollen die Einbindung in EU, NATO und OSZE. Es geht darum, dass wir die internationale Ordnung stärken, für das Völkerrecht eintreten sowie Frieden und Freiheit gemeinsam sichern. Das geht nicht, indem wir uns von anderen abgrenzen, sondern nur, indem wir unsere Stärken gemeinsam bündeln. Das unterscheidet uns fundamental von Ihnen. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, können im Großen und Ganzen unter der Überschrift „Welche Art von Ordnung wird das 21. Jahrhundert bestimmen?“ zusammengefasst werden. Sind das Staaten und Staatenverbünde, die sich auf das Völkerrecht, auf Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte stützen, oder wollen Sie, dass die autoritäre Herrschaft letztlich die Oberhand gewinnt? Darum geht es übrigens auch in der Ukraine. Es geht um die Verteidigung von Freiheit und Demokratie. Die Bilder des Maidan und die Demokratiebewegung in der Ukraine sind der eigentliche Feind Russlands, der dort bekämpft wird. In der Ukraine wird auch Demokratie als Ordnungsprinzip bekämpft. Deswegen müssen wir auf der Seite der demokratischen Staaten stehen. Die Frage, wie das in Zukunft weiter diskutiert wird, muss uns sehr stark beschäftigen. Wir haben beispielsweise die Einflusssphären von China und von Russland. Die Frage, welches Licht stärker leuchtet – Demokratie oder autoritäre Herrschaft –, wird uns in den nächsten Jahren beschäftigen, und damit muss sich auch eine Sicherheitsstrategie deutlich auseinandersetzen. Wir brauchen einen klaren Schwerpunkt auf der Frage der zukünftigen Versorgungssicherheit, auf Klimafragen, auf Krisenprävention, Demokratie und Menschenrechte, aber auch auf soziale Sicherheit als Ordnungsprinzip internationaler Beziehungen. Und deswegen ist es wichtig, dass die Bundesregierung versucht, ihre Konzepte und Strategien stärker zu ordnen. Aber wichtig wird auch sein, das Parlament bei dieser Frage nicht außen vor zu lassen. Es muss durch die Ausschüsse – möglicherweise auch durch weitere Gremien – und durch intensive Debatten einbezogen werden; denn die Fragen, um die es hier geht, betreffen letztlich uns alle und geben die Richtung vor, in welcher Welt wir leben wollen. Ich glaube, das kann nur die Welt von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten sein.
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Stephan Thomae FDP
Stephan
Thomae
FDP
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen! Verehrte Kollegen! Deutschland ist faktisch ein Einwanderungsland. Es hat aber nicht die Regeln eines Einwanderungslandes – es hat nicht das Regelwerk dafür –, und die Bundesregierung tastet und taumelt bei der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik vor sich hin. Unser Ausländer-, Aufenthalts- und Asylrecht ist hyperkomplex, in sich nicht ohne Widersprüche. Es gibt keine ordnende Hand. Die Planlosigkeit – das ist das Schlimme – hat aber auch Methode, weil sich die Union lange Zeit verweigert hat, ein Einwanderungsrecht in Angriff zu nehmen, weil sie dem alten Irrglauben anhing, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei. Linke, SPD und Grüne haben ebenfalls Diskussionen gescheut, weil sie sich in einem Multikulti-Rausch befanden und keine Regelung dieser Materie wollten. Nun hat der Koalitionsgipfel dieser Tage ein Eckpunktepapier für ein Fachkräftezuwanderungsgesetz beschlossen, dem deutlich anzumerken ist, welchen Widerwillen die Union dabei an den Tag gelegt hat. Man wundert sich ein bisschen über die Leichtgläubigkeit, die Vertrauensseligkeit der SPD, die dahintersteckt. Wenige Tage nach dem Koalitionsgipfel und der Verkündung des Ergebnisses hat ein Kollege aus der Unionsfraktion schon öffentlich gesagt, er wisse nicht, was ein verlässlicher Status Geduldeter eigentlich sein soll, wie das aussehen soll. Ich muss sagen: Ich weiß es auch nicht. Ministerpräsident Daniel Günther kann es gar nicht weit genug gehen. Der Fraktionsvorsitzende der Union will diese Regelung nach fünf Jahren auslaufen lassen. Die Kanzlerin äußert sich gar nicht dazu. Ich bin gespannt, wie nach den Landtagswahlen in Bayern und in Hessen das Thema weitergehen wird. Es ist zu vermuten, dass dann der Koalitionsstreit über dieses Thema neu ausbrechen wird. Die FDP will deswegen diese ordnende Hand anlegen und hat ein Gesamtkonzept, ein Eckpunktepapier für ein Gesamtkonzept vorgelegt, das unter dem Motto „Weltoffen, aber mit klaren Regeln“ steht. Ich kann in der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit nicht die gesamten Punkte entfalten und will nur fünf zentrale Punkte daraus vortragen, die auch neue Punkte darstellen. Wir wollen zum Ersten einen neuen Schutzstatus einführen für Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention, also für Menschen, die vor Krieg und Bürgerkrieg in ihrer Heimat geflohen sind. Wir bewegen uns da in einem – so nennen wir das – Vier-Türen-Modell. Die klassischen Asylbewerber kommen durch die erste Tür. Wer vor Krieg und Bürgerkrieg flüchtet, kommt durch eine zweite Tür. Dieser Status soll unbürokratisch verliehen werden, nicht durch das komplizierte Verfahren des Asylrechts gehen müssen, aber eben zeitlich begrenzt für die Dauer des Krieges oder Bürgerkrieges in der Heimat dieser Menschen. Wir wollen zum Zweiten neben diesen beiden ersten Türen – Asyl und Flüchtlingskonvention – eine dritte Tür eröffnen, die Einwanderung in unseren Arbeitsmarkt, und dort ein Zwei-Säulen-Modell etablieren, neben der schon bestehenden Bluecard, die verbessert werden muss, eine zweite Säule errichten, ein klassisches Punktesystem, wie es die Kanadier, die Australier, aber auch Neuseeland kennen, mit einem klaren Kriterienkatalog, um den Wettbewerb um die klügsten Köpfe dieser Welt aufnehmen zu können. Zum Dritten bekennen wir uns zum Spurwechsel, damit nicht länger die Falschen abgeschoben werden, nämlich gut integrierte Familien, die sprachlich, rechtlich, wirtschaftlich bei uns im Land angekommen sind, statt derjenigen, die wir abschieben wollen, verurteilte Straftäter und Gefährder, die wir nicht loswerden. Wir wollen zum Vierten die Abschiebepraxis neu ordnen, die zurzeit in der Zuständigkeit der Länder liegt, dort aber föderal zersplittert ist, von den Ländern höchst uneinheitlich gehandhabt wird. Wir wollen, dass die Abschiebung beim Bund gebündelt wird, damit diese komplexen, auch internationalen Sachverhalte beachtet werden können. Wir wollen zum Letzten ein integrationspolitisches Leitbild in die Welt setzen, damit diejenigen, die sich gut integrieren – sprachlich, wirtschaftlich, rechtlich –, die Chance haben, bei uns zu bleiben. Wir wollen ihnen auch die doppelte Staatsangehörigkeit zugestehen, jedenfalls in den ersten beiden nachfolgenden Generationen. Deswegen – damit komme ich zum Schluss, Frau Präsidentin – sind wir der Meinung, dass wir ein Einwanderungsrecht aus einem Guss benötigen: weltoffen, pragmatisch, mit klaren Regeln. Dann werden auch diejenigen an Zustimmung verlieren, deren politisches Erfolgsmodell momentan darauf beruht, dass wir solche Regeln nicht haben oder sie nicht konsequent durchsetzen. Vielen Dank. Vielen Dank, Stephan Thomae. – Nächster Redner: Dr. Stephan Harbarth für die CDU/CSU-Fraktion.
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Dr.
Dr. Robby Schlund AfD
Robby
Schlund
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Der Schutz der Risikogruppen steht für uns – das haben wir hier schon mehrfach deutlich gemacht – an allererster Stelle. Das ist das Alpha und Omega und natürlich die Mutter aller Fragen im Pandemiemanagement. Aber nicht nur dort, sondern auch im Medizinprodukterecht geht es vor allem auch um die älteren Menschen unter uns, die geschützt sein müssen. Deshalb müsste man dem Gesetzentwurf der Regierungskoalition sogar zustimmen, da viele kluge Regelungen eingearbeitet wurden, ebenso zusätzliche Änderungen, die zu einer weiteren Verbesserung der Versorgung und Anwendungssicherheit beitragen werden. Dennoch gibt es Defizite, die bei der öffentlichen Anhörung im März dieses Jahres deutlich benannt, aber leider nicht korrigiert wurden. So lässt der Entwurf bei der Umsetzbarkeit und leider auch der Patientensicherheit Fragen offen, wo es um die Einwilligung beim direkten Patientenkontakt geht oder um Fälle, wo es wegen der Zuständigkeit verschiedener Landesbehörden zu unterschiedlichen Auffassungen kommen könnte. Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf enthalten. Kommen wir nun zum Antrag der FDP. Hier wird in der Tat ein wirkungsvoller Schutz der Risikogruppen gefordert, um aus den Einschränkungen der Grundrechte herauszukommen. Ein wichtiger Ansatz ist auch der geforderte Bürokratieabbau unter Nutzung der heutigen technischen Möglichkeiten. In der geforderten Präventions- und Teststrategie erkennen wir letztendlich die Forderung unserer Fraktion aus dem Februar 2020 wieder. Reichlich spät, liebe FDP, aber dennoch besser als gar nicht. Doch dann, meine Damen und Herren, wird es holprig. Die FDP-Teststrategie der Selbst- und Schnelltests sowie der besonderen Schulung wird nicht klar herausgearbeitet und ist daher auch, ehrlich gesagt, nicht richtig erkennbar. Deshalb enthalten wir uns auch hier. Zum Antrag der Grünen ist insgesamt eigentlich nicht mehr viel zu sagen, da er sich – ein Erguss der grenzenlosen Begeisterung für Schnell- und Selbsttests – nach der öffentlichen Anhörung von Experten de facto selbst erledigt hatte. Zum Beispiel äußern sich die Deutsche Gesellschaft für Public Health, die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften und auch die Virologin Professor Protzer eher sehr kritisch zu diesem Antrag. Neben einem Mangel an Effekten für die Pandemiekontrolle und Problemen durch konzeptionelle Datenverzerrung insbesondere bei Tests von symptomlosen Personen können diese Tests aufgrund von schlechter Sensitivität und Spezifität nicht an die PCR-Testungen heranreichen. Nach all dem ist es eher verwunderlich und erstaunlich, dass Sie diesen Antrag nicht zurückgezogen haben. Nichtsdestotrotz vertrauen wir, die AfD, eher den Meinungen der Experten als Ihnen und lehnen demzufolge diesen überflüssigen Antrag ab. Vielen Dank. Danke sehr. – Das Wort geht an Martina Stamm-Fibich von der SPD-Fraktion.
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Michael Brand CDU/CSU
Michael
Brand
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir heute die Modernisierung der Rechtsgrundlagen für die Bundespolizei auf den Weg bringen, ist ein wichtiger, von vielen kaum mehr erwarteter Erfolg für die über 50 000 Bundespolizistinnen und Bundespolizisten. Aus vielen Gesprächen der letzten Jahre mit der Bundespolizei, vor allem vor Ort, weiß ich, wie wichtig diese konkreten Änderungen für die tägliche Praxis sind. Wir alle wissen, dass die Bundespolizei 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche ihre Aufgaben für die Freiheit und für die Sicherheit unseres Landes wahrnimmt, in einem Dienst, der enorm viel fordert und viel Risiko bedeutet. Für diesen Dienst an unserer Demokratie den höchsten Respekt und unseren Dank an die Bundespolizei! Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Reform war überfällig. Mit ihr lösen wir in wichtigen Bereichen teils lange ungelöste Probleme, indem wir Befugnisse der Bundespolizei dosiert und gezielt anpassen. Niemand will übertriebene Regelungen; die finden auch nicht statt. Aber Sicherheit und Schutz gegen Anschläge, Menschenhandel und Organisierte Kriminalität sind nötig und sind möglich in vollem Einklang mit Datenschutz und Bürgerrechten. Dazu gehören die Neuregelungen zur Telekommunikationsüberwachung oder zu Meldeauflagen bei Hooligans und anderen Gewalttätern und die Zuständigkeit nicht allein für Vergehen, sondern gezielt bei Verbrechen. Ebenfalls alltagsrelevant ist die Übernahme von Ermittlungen durch die Bundespolizei auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft außerhalb der originären Strafverfolgungszuständigkeit. Zentral sind auch die neuen Befugnisse zur Beendigung unerlaubten Aufenthalts, also Abschiebung von Personen ohne Duldung, die an Bahnhöfen oder Flughäfen aufgegriffen werden. Zur Sicherung von Flughäfen und anderen wichtigen Einrichtungen wird die Bundespolizei zur Abwehr von Angriffen mit Drohnen oder Laserpointern befugt sein, um auf neue Gefährdungen reagieren zu können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese und andere Punkte machen diese Reform zu einem echten Zugewinn an Sicherheit für unser Land. Zu den Punkten zählt im Übrigen auch – es ist erwähnt worden – die Verbesserung der Unterbringung der Bundespolizei, zum Beispiel an Bahnhöfen. Das war nicht nur unter dem Gesichtspunkt der dienstlichen Fürsorge ein überfälliger Schritt. Wir als CDU/CSU sind froh, dass dies und mehr mit dem Koalitionspartner möglich war. Diese Reform ist natürlich ein Kompromiss. Klar ist dabei auch, dass wir als Union weitere Maßnahmen für die Bundespolizei für richtig halten. Ich erwähne hier die Gesichtserkennung an Gefahrenschwerpunkten oder die Distanz-Elektroimpulsgeräte, die präventiv wirken und auch die Polizei schützen. Dazu gibt es einen Weg, und der heißt Bundestagswahl. Für diese Wahl gilt der Grundsatz: Wer mehr Sicherheit will, muss mehr Union wählen. Zum Abschluss gilt meiner eigenen Fraktion, dem Koalitionspartner und dir, lieber Uli Grötsch – ich hatte mir das auch vorgenommen –, ein herzliches Dankeschön für die gute Zusammenarbeit. Das war konstruktiv, es war im besten Sinne ein Ringen um eine gute Lösung, und es ist wirklich etwas Gutes herausgekommen. Allen, die bei der schwierigen Geburt mitgeholfen haben, möchte ich zum Abschluss danken, auch denen aus der Praxis, die uns mit Rat und Tat und kritischer Prüfung zur Seite gestanden haben: die Gewerkschaft der Polizei und die Deutsche Polizeigewerkschaft – die im Übrigen sehr froh sind, Frau Mihalic, dass genau diese Entscheidungen heute die Zustimmung des Deutschen Bundestages finden – und auch der Präsident der Bundespolizei, Dr. Romann. Alles in allem bringt diese erste substanzielle Reform seit 1994 der Bundespolizei und unserer öffentlichen Sicherheit in einer Reihe von wichtigen Punkten deutliche Verbesserungen, und das ist einen solchen Kompromiss allemal wert. Vielen Dank an alle, die dazu beigetragen haben.
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Dr.
Dr. Andrew Ullmann FDP
Andrew
Ullmann
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich vor drei Jahren in den Bundestag gewählt wurde und mich von meiner Station in der Uniklinik in Würzburg verabschiedet habe, kam die Stationsschwester zu mir und sagte: Wenn du nach Berlin gehst, vergiss uns bitte nicht! Vergiss diese Hamsterräder nicht! Vergiss nicht die tägliche Frustration, die wir im Krankenhaus haben! Vergiss nicht, wie wenig Zeit wir haben, um unsere Patienten zu versorgen! – Eigentlich ist es beschämend, auch für mich, dass wir Patienten im Krankenhaus abarbeiten, statt sie adäquat mit Medizin und Menschlichkeit zu versorgen. Vielleicht kennen Sie diese Realität: als Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter oder als Angehörige. Da stellt sich hoffentlich uns allen die gleiche Frage: Was läuft schief? Was können wir eigentlich dagegen tun? Es ist nicht die Schuld der Ärzte oder des Pflegepersonals oder die der Physiotherapeuten oder gar der Verwaltung. Nein, meine Damen und Herren, die Probleme sind durch eine fehlgeleitete Politik verursacht. Die drei Zentralpunkte sind: erstens das Versagen der Länder in der dualen Finanzierung der Krankenhäuser, zweitens die überbordende, nicht moderne und uneinheitliche Bürokratie und drittens das Aufrechterhalten einer seit Jahrzehnten überholten Krankenhauslandschaft. Herr Spahn, keines dieser Probleme gehen Sie mit diesem Gesetz an. Ich frage mich, wo das Gesetz jetzt hingeht: zurück in die Vergangenheit oder voran in die Zukunft; ich weiß es nicht genau. Wir als Freie Demokraten wollen eine hochwertige und flächendeckende stationäre Versorgung. Dafür brauchen wir einen Mix aus maximal versorgenden und spezialisierten Krankenhäusern: nicht zum Wohle der Krankenhäuser, sondern zum Wohle der Patientinnen und Patienten und all derer, die in diesen Krankenhäusern auch arbeiten. Krankenhäuser, meine Damen und Herren, müssen modern, menschlich und leistungsfähig sein. Digitalisierung dient dabei als sinnvolles Werkzeug und war längst überfällig. So geht Krankenhaus. Lieber Herr Minister Spahn, körperlich sind Sie ja groß, der Titel des Gesetzentwurfs ist sogar noch größer, aber der Inhalt ist leider sehr, sehr klein. Weil es inhaltlich so wenig ist, können wir in großen Teilen sogar zustimmen. Aber bitte machen Sie weiter so! Trauen Sie sich! Gehen Sie an die Arbeit! Machen Sie unsere Krankenhäuser wirklich fit für die Zukunft! Wir helfen Ihnen gerne dabei. Die Stärkung der digitalen Struktur in den Krankenhäusern kann nur ein erster Schritt sein. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Ullmann. – Nächster Redner ist der Kollege Harald Weinberg, Fraktion Die Linke.
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Stephan Albani CDU/CSU
Stephan
Albani
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin den Oppositionsfraktionen für die beiden Anträge sehr dankbar, durch die wir diese Debatte nutzen können, um auch über die Langzeitfolgen einer Covid‑19-Erkrankung zu reden. Ja, nach Angaben der amerikanischen Seuchenschutzbehörde CDC treten als Langzeitsymptome der Covid‑19-Erkrankung am häufigsten folgende Symptome auf: Fatigue – das heißt Müdigkeit –, schnelle Erschöpfung, Luftnot, Husten, Gelenkschmerzen, Thoraxschmerzen, also Schmerzen des oberen Brustkorbes, Konzentrationsprobleme, Depressionen, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, rezidivierendes Fieber und Palpitationen, was Herzklopfen, Herzstolpern und dergleichen mehr bedeutet. Sie sehen an dieser großen Auswahl: Wer das hat, der weiß, was er hat. Das ist sehr unangenehm. Aber zugleich wird deutlich: Es ist eine große Heterogenität, was die Fragen der Zuordnung, des richtigen Umganges und der Behandlung sehr schwierig zu beantworten macht. Diese Symptome treten, wie meine Vorrednerin schon gesagt hat, erst nach zwölf Wochen auf, teilweise auch erst nach sechs Monaten. Es kann also teilweise sehr lange dauern, bis dies auftritt. Und ja, in der derzeitigen Situation beschäftigen sich die Berichterstattungen, beschäftigen wir uns im Rahmen der öffentlichen Diskussion über die Pandemie mit Inzidenzen, R‑Werten, Infektionszahlen, Auslastungen. Wir beklagen über 84 000 Tote in der Pandemie – Menschen, die wir verloren haben. Diese Verluste können wir nicht wiedergutmachen. Gegen alle anderen Folgen der Pandemie können und müssen wir aktiv arbeiten. Das tun unzählige Menschen jeden Tag, und zwar nicht nur, wie hier häufig erwähnt, in den Altenheimen, Krankenhäusern, Intensivstationen, Impfzentren, Hausarztpraxen – in der letzten Zeit sehr intensiv –, sondern halt auch in den Rehaeinrichtungen. Und es gibt bereits – da möchte ich Sie korrigieren – erste Spezialeinrichtungen, Spezialsprechstunden, gerade an Universitätskrankenhäusern, zum Beispiel in München. Da gibt es also schon einiges. Ich danke auch den Menschen in diesem Bereich; denn sie werden mitunter vergessen. Wir lernen täglich über die Pandemie hinzu, und im Lichte neuer Erkenntnisse verschärfen wir auch die Anstrengungen. Als Forschungspolitiker möchte ich daher sagen: Die Anträge der Opposition sind deutlich hinter dem zurück, was wir derzeit bereits auf den Weg gebracht haben – 150 Millionen Euro für den Aufbau eines Forschungsnetzwerkes, um die Forschungsaktivitäten der gesamten Universitätskliniken rund um die Bewältigung der Covid‑19-Pandemie zu unterstützen. Da geht es auch genau um die Datensammlung, von der Sie sprachen und die derzeit – weil wir versuchen, solche Fälle zu verhindern – erst in begrenztem Maße vorliegt. Aber die entsprechenden Daten zu sammeln, ist auf den Weg gebracht. Hier geht es darum, konkrete Erfahrungen aus der Behandlung von Coronapatienten so schnell wie möglich auszutauschen. Denn das ist natürlich notwendig, um entsprechende Maßnahmen dagegen zu entwickeln. 50 Millionen Euro wurden für ein neues Förderprogramm zur Unterstützung der Entwicklung von Therapeutika und klinische Studien bereitgestellt, fast 1 Milliarde Euro für die Forschung im Bereich der Impfstoffe. Insofern möchte ich die Behauptung, dass hier – auch im Bereich des Danach – nichts getan würde, entschieden zurückweisen. Hier haben wir viel auf den Weg gebracht. Auch im Rahmen des Gesundheitsforschungsprogramms der Bundesregierung haben wir für Corona ein entsprechendes Rahmenprogramm für die Erforschung körperlicher und psychosozialer Folgen von Covid-19 auf den Weg gebracht. Wir stärken die entsprechenden Strukturen der Medizininformatik-Initiative und der DZG. Die Ministerin Karliczek hat einen Vorschlag unterbreitet, wie auf europäischer Ebene im Rahmen der Pandemiebewältigung das Danach gestaltet werden soll, hier durch die Einrichtung einer europäischen Agentur für Krisenvorsorge und die Schaffung derartiger Strukturen. Hier ist also einiges zusammen mit Experten auf den Weg gebracht. Das zeigt, dass die Anträge der Opposition in Bezug auf die Forschung zu der Erkrankung zu spät und leider in einigen Bereichen viel zu früh kommen. Das heißt, die Wissenschaft lernt über die Erkrankung täglich dazu. Aber nach Vorstellung der FDP sollten schon heute Behandlungszentren eingerichtet werden. Als eine ansonsten so staatsskeptische Partei fordern Sie schon wieder eine Struktur, der die Wissensgrundlage momentan noch fehlt. Kommen Sie bitte zum Ende. Insofern müssen wir sagen: Mit diesen Anträgen wollen FDP und Linke schlauer sein als die Wissenschaft. Bitte nehmen Sie es mir nicht übel: Sie sind es nicht. Herzlichen Dank. Vielen Dank. – Das Wort geht an Dr. Robby Schlund von der AfD-Fraktion.
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Till Mansmann FDP
Till
Mansmann
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dass wir heute, noch vor Bildung der neuen Bundesregierung, hier über das Thema „Umsatzsteuerpauschalierung für Landwirte“ sprechen müssen, zeigt offensichtlich ein Versäumnis, das seine Wurzeln bereits im Jahre 2013 hat und das sich über die letzte Legislaturperiode dann noch weiter angestaut hat. Frau Kollegin Tillmann, Sie haben da sehr schnell auf Opposition umgeschaltet. 2013 wurden die Wurzeln im BMF gelegt, das damals von der CDU geführt wurde. Das ist ein Problem, das Sie produziert und die ganze Zeit weiter ausgebaut haben. Heute müssen wir das einfach regeln. In aller Kürze: Wir müssen das jetzt in letzter Minute vor Jahreswechsel abschließen, um Schaden vom deutschen Fiskus, aber auch von den betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben abzuwenden. Im Kern geht es darum, dass in der Vergangenheit die Pauschalierung zu hoch war, sodass man die Regelung als unzulässige Beihilfe werten musste. Das hat uns nicht nur die EU-Kommission so gesagt, sondern auch unser eigener Bundesrechnungshof. Aber auf die Frage meines Kollegen Gero Hocker in einer Kleinen Anfrage im September 2020, ob die Bundesregierung eine Anpassung des Pauschalierungssatzes plane, hat die Bundesregierung vor gerade einem Jahr noch eindeutig mit Nein geantwortet. Man habe der Kommission die „Berechnungsmethode und die … Datenquellen ausführlich dargelegt und erläutert“. Und heute sehen wir: Die Bundesregierung war da auf dem Holzweg. Jetzt ist die Zeit sehr knapp geworden. Das ist aber kein Grund, auf die ordentliche parlamentarische Befassung zu verzichten, weder jetzt noch bei der zukünftig nötigen regelmäßigen Neufestsetzung des Pauschalierungssatzes. Ich freue mich ausdrücklich auf die Expertenanhörung, wo wir im Interesse der betroffenen Landwirte auch noch einmal über die Berechnung gerade in der Übergangszeit der ersten drei Jahre sprechen müssen. Eine generelle Anmerkung. Pauschalierungen leiden immer unter gewissen Unsicherheiten bei ihrer Festsetzung. Sie sind aber immer noch ein sehr wichtiges Instrument, um ausufernde Bürokratie einzudämmen. Ein anderes, auch ergänzendes Instrument kann es sein, das Verfahren an sich zu modernisieren. Viele Probleme kommen noch aus der Zeit, als man Steuerbelastungen noch auf Papier ausrechnen und in Papierformulare eintragen musste. Unser Steuersystem ist immer noch nicht wirklich im digitalen 21. Jahrhundert angekommen, gerade auch bei der Umsatzsteuer. Frau Kollegin Tillmann, das lag auch an den letzten 16 Jahren Ihrer Regierung. Da sind viele unserer Nachbarländer, große wie kleinere, deutlich weiter, auch was die Umsatzsteuer betrifft: Frankreich, Italien, Tschechien zum Beispiel. Jetzt in Deutschland weitere vier Jahre zu warten, um die 20 Jahre des Abwartens und des Nichtstuns vollzumachen, bis wir Anschluss an das internationale Feld gefunden haben, das wäre ein großer Fehler! Lassen Sie uns mithilfe elektronischer Rechnungen und digitaler Übermittlungs- und Kontrollverfahren gerade unsere kleinen und mittelständischen Betriebe von Bürokratie entlasten! Auch kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe, die wir jetzt leider belastet und verunsichert haben, würden davon schnell profitieren. Die Menschen, die dort arbeiten, sollen sich doch um ihr eigentliches Geschäft kümmern und nicht um Bürokratie. Bei dieser Gelegenheit sollten wir auch noch einmal auf die durch die Pandemie deutlich verstärkte Fristenballung im nächsten Dreivierteljahr aufmerksam machen. Da sollten wir auch nicht zuletzt zur Entlastung der Steuerfachleute noch einmal genau hinschauen. Um im landwirtschaftlichen Bild zu bleiben: Holen wir nun in diesem Jahr noch die Kuh vom Eis, was die Frage der Pauschalierung angeht, und ab dem nächsten Jahr schmelzen wir dann das Eis der Bürokratie in diesem Land generell ab! In diesem Sinne freue ich mich auf die Arbeit der nächsten Jahre. Wir stimmen der Überweisung in den Hauptausschuss natürlich zu. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege. – Für seine erste Rede hier im Deutschen Bundestag erhält jetzt das Wort Klaus Stöber von der AfD.
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Detlef Müller SPD
Detlef
Müller
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Vertreter der Bundesländer! Ich freue mich, dass der öffentliche Personennahverkehr seit Wochen ein prominentes Thema in den Medien ist. Da gehört er auch häufiger hin, was seine Bedeutung für Millionen Pendler täglich und auch für den Klimawandel angeht. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass diese Prominenz weniger aus einem öffentlich ausgetragenen Dissens um eine einzelne Maßnahme kommt, sondern aus dem, was wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen haben: den strukturellen Ausbau des ÖPNV als Rückgrat der Verkehrswende, eine Garantie für modernen, bezahlbaren und klimafreundlichen öffentlichen Verkehr für möglichst viele Menschen in diesem Land. Liebe Kolleginnen und Kollegen, um es vorwegzunehmen: Die Idee, dem ÖPNV einen Attraktivitätsschub zu geben und auch den Menschen mit dem 9‑Euro-Ticket eine deutliche Entlastung zu verschaffen, begrüße ich ausdrücklich. Herr Minister Wissing, es war eine spontane Nachtgeburt im Koalitionsausschuss, durchaus überraschend und zugleich ein mutiger Vorschlag. Das 9‑Euro-Ticket ist nicht nur eine große und wirkliche soziale Entlastung, sondern zugleich eine große Chance für den ÖPNV. Der Bund hat eine faire Finanzierung angeboten. Die Mehrkosten sind mit 2,5 Milliarden Euro seriös kalkuliert, und auch die im Gesetz geregelte Kompensation für die Coronaschäden beim ÖPNV ist dringend notwendig, um den Unternehmen wieder etwas Luft nach den schwierigen Pandemiezeiten zu verschaffen. Aber – das gehört zur Wahrheit –: Wir wissen, dass mit dem heute zu beschließenden Gesetz die strukturellen Probleme des ÖPNV nicht gelöst werden. Der ÖPNV ist in Deutschland in einer schwierigen Situation: weggebrochene Fahrgastzahlen, erheblicher Modernisierungsbedarf, steigende Betriebskosten auf der einen Seite und gleichzeitig riesige Erwartungen im Rahmen der Verkehrswende mit Angebotsausweitung und damit weiter steigenden Kosten auf der anderen Seite. Wir müssen daher aufpassen, dass das 9‑Euro-Ticket kein Strohfeuer wird. Die Gefahr von künftigen Abbestellungen von Bussen und Bahnen oder von Fahrpreissteigerungen ist real. Energiepreise und richtigerweise höhere Löhne treiben viele Unternehmen an die Grenze des Leistbaren. Die Situation hat sich durch den Ukrainekrieg noch einmal verschärft, weil die Kosten für Kraftstoffe und für Elektroenergie explodieren. Umso mehr braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen, um mit diesen Herausforderungen umzugehen. Darauf haben wir uns im Koalitionsvertrag verständigt, dazu stehen wir, und das gilt. Für die Verkehrswende braucht es mehr Nahverkehr und einen dauerhaft und strukturell stark aufgestellten ÖPNV. Wir wollen nicht nur den Erhalt des Bestehenden, sondern Wachstum, einen besseren Nahverkehr und ein größeres Angebot. Darum haben wir einen Mobilitätspakt vereinbart. Möchten Sie eine Zwischenfrage der AfD zulassen? Nein. – Ich verstehe die Not der Länder bei der Organisation eines leistungsfähigen ÖPNV. Ich möchte mich ausdrücklich bei den Ländern, den Verkehrsverbünden und Verkehrsunternehmen bedanken für die Anstrengungen der letzten Wochen, um die Umsetzung dieses 9‑Euro-Tickets zu gewährleisten. Das war ein Riesenkraftakt. Aber, lieber Herr Donth, lieber Michael, ich bin nun auch nicht blauäugig. Klar wird es Probleme geben, es wird überfüllte Züge geben, Regionalexpresse beispielsweise. Es wird ab und an eng auf bestimmten touristischen Relationen. Das ist mir und den Verbündeten und allen Beteiligten völlig klar. Aber vielleicht sollten wir einmal aufhören, immer nur das Negative herauszupicken: geht nicht, wird schwierig, die Ressourcen, kein Personal, keine Fahrzeuge. Besser und zielführender finde ich, finden wir, dass die Chancen des Projektes in den Mittelpunkt gerückt werden, die Chance, für wenig Geld den ÖPNV, Busse, Bahnen und Züge bundesweit zu nutzen, die Chance, als Pendler, der schon jahrelang den ÖPNV nutzt, richtig Geld zu sparen, die Chance, dass der Gewohnheitsautofahrer einfach einmal in Bus und Bahn umsteigt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, selbstverständlich werden wir dem Gesetz zustimmen. Ich fordere die Länder auf, morgen im Bundesrat Gleiches zu tun; alles andere wäre peinlich. Herr Kollege. Diejenigen, die ablehnen, dürfen das auch den Bürgerinnen und Bürgern erklären, die sich auf das 9‑Euro-Ticket freuen und die es angesichts steigender Preise auch tatsächlich brauchen. Vielen Dank. Wolfgang Wiehle hat das Wort für die AfD-Fraktion.
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Heike Baehrens SPD
Heike
Baehrens
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorrang für die Pflege – das ist die klare Botschaft der Ständigen Impfkommission. Nicht Bevorzugung ist das, auch nicht Privilegierung, nein: Vorrang. Wohl begründet, im öffentlichen Diskurs und transparent ist die STIKO zu dem klaren Ergebnis gekommen, dass die Älteren in unserem Land und alle, die in der Pflege arbeiten – in Krankenhäusern, in stationären oder ambulanten Pflegeeinrichtungen –, als Erste die Möglichkeit erhalten sollen, sich impfen zu lassen. Das ist richtig so. Denn sie sind seit Monaten einer extremen Belastung ausgesetzt und leisten ihre wichtige Arbeit ständig in der Sorge, womöglich selbst das Virus zu verbreiten oder die eigene Gesundheit zu gefährden. Das klare Votum der STIKO unterstreicht den hohen Stellenwert der Beschäftigten in der Pflege und ihre Schlüsselrolle im Gesundheits- und Infektionsschutz. Während die meisten von uns sich nun langsam auf die Weihnachtsfeiertage einstimmen, wird das Personal in Pflegeheimen, in den Krankenhäusern und in den ambulanten Diensten weiter unter Stress stehen. Tag und Nacht, auch an den Feiertagen, werden sie weiter zuverlässig Menschen versorgen und auch um das Leben von Menschen ringen. Voller Sorge blicke ich auf die nächsten Wochen; denn die Zahl der schwer Erkrankten steigt stark. In Pflegeeinrichtungen nimmt die Virusbelastung zu, und Personalengpässe werden sich weiter verschärfen. Erst heute Morgen hat die Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerats, Christine Vogler, im „Morgenmagazin“ angesichts dieser Lage in einem dringenden Appell ehemalige Kolleginnen und Kollegen dazu aufgerufen, sich zur Verfügung zu stellen und das Gesundheitssystem zu unterstützen. Da erhält das Wort „Notbetreuung“ eine vertiefte Bedeutung; denn es wird vor allem darauf ankommen, Fachkräfte zu schützen und zu unterstützen. Es muss klar sein: Diejenigen, die Kinder haben, müssen sich darauf verlassen können, dass diese gut aufgehoben sind, auch dann, wenn dies in der Familie gerade in dieser Zeit und über die Feiertage womöglich nicht gestemmt werden kann. Darum appelliere ich ausdrücklich und nachdrücklich an die Länder und Kommunen: Sorgen Sie vor! Überlegen Sie gemeinsam mit Ihren Krankenhäusern und Pflegeanbietern, was gebraucht wird. Entwickeln Sie Betreuungsangebote ohne große Hürden, aber in guter Qualität. Denn in vielen Regionen zeichnet sich ab, dass wirklich jede Kraft gebraucht wird. Es ist ein sehr gutes Signal, dass nun bald geimpft werden kann. Ich denke, es macht uns allen Hoffnung. Ich wünsche mir sehr, dass diejenigen, die in der Pflege arbeiten, diese Chance nutzen und unsere Impfzentren so schnell wie möglich aufsuchen und sich impfen lassen. Wenn die mobilen Impfteams zum Einsatz kommen – was mit Sicherheit eine große logistische Herausforderung darstellt –, dann, denke ich, wird es weiter vorangehen. Ich hoffe, dass es gelingt, möglichst vielen Menschen diese Impfung zeitnah zukommen zu lassen. Christine Vogler hat übrigens an uns alle einen Appell gerichtet und klargemacht, wie jede und jeder Einzelne von uns dazu beitragen kann, kranke und alte Menschen, seine Familie und vor allem das Personal in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zu schützen, nämlich indem wir uns an die Regeln halten: indem wir Maske tragen, Hände waschen und zu Hause bleiben, wo immer das möglich ist. Das sind doch ganz einfache Dinge, die wir alle beherzigen können. Die Pflege schützt uns – lassen Sie uns gemeinsam die Pflege schützen. Der Vorrang der Pflege bei der Impfstrategie ist richtig und klug. Ich denke, Pflege braucht auch in Zukunft Vorrang in der Politik. Vielen Dank. Danke schön. – Das Wort geht an den Ministerpräsidenten Michael Kretschmer als Vertreter des Bundesrates.
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Glöckner
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es ja sehr schön, Frau Rüffer, dass Sie mich persönlich ansprechen. Ich glaube, das ist in der Tat ein sehr wichtiges Thema, das uns alle auch emotional sehr berührt. Wir wollen viel für Barrierefreiheit tun. Ich will für die Koalition noch mal betonen: Ich bin der Auffassung, wir tun etwas dafür. Es ist naturgemäß so, dass das der Opposition vielleicht nicht weit genug geht. Aber man muss doch einfach mal zur Kenntnis nehmen, dass wir – das wurde heute mehrfach vorgetragen – in naher Zukunft etwas dafür tun, dass Dienstleistungen und Produkte barrierefrei werden. Frau Rüffer, Sie haben eben angesprochen, dass ich gesagt habe, man müsse die Menschen mitnehmen. Was ist der Grund, warum ich das in der letzten Debatte gesagt habe? Wir machen ja als Abgeordnete in unseren Wahlkreisen gewisse Erfahrungen. Wir kämpfen dafür, dass Bankfilialen vor Ort, in der Fläche erhalten bleiben. Ich habe die Erfahrung gemacht: Es schließen immer mehr Bankfilialen im ländlichen Raum. Wenn ich einer Bank sage: „Du musst einen Bankautomaten für 30 000 Euro kaufen“: Wissen Sie, was die einzige Bank, die in dem Ort, von dem ich gerade spreche, noch verblieben ist, macht? Sie schließt. Dann muss man sich doch mal überlegen: Was nutzt es den Menschen mit Behinderungen, wenn sie viel weitere Wege zurücklegen müssen? Diesen Punkt muss man doch auch mal mit in Erwägung ziehen. Diese Betrachtungen muss man sorgfältig gegeneinander abwägen. Diese Realitäten kann man nun nicht einfach ausblenden. Herr Pellmann, Sie haben eben gesagt, das Ergebnis sei null. – Ich will noch einmal betonen: Wir schaffen Marktaufsichtsbehörden. Wir schaffen ein geordnetes Verfahren, bei dem entweder stichprobenweise Barrierefreiheit überprüft wird oder auf Antrag, wenn Verbraucher/‑innen meinen, ein Produkt sei nicht barrierefrei. Wer damit nicht einverstanden ist, der hat die Chance, dagegen Rechtsmittel einzulegen. Man kann sogar Verbandsklagerecht geltend machen. Wir schaffen eine Schlichtungsstelle. Das ist doch mehr als null. Das kann man doch nicht verschweigen. Diesem Gesetzentwurf werden wir eine Entschließung beilegen. Das ist wichtig, zu betonen. Wir wollen der Bundesregierung mit auf den Weg geben, dass sie in wichtigen Punkten in Kürze handeln muss, um das Beratungsangebot der Bundesfachstelle Barrierefreiheit in die Fläche zu tragen, um bauliche Barrieren bei Gebäuden durch zügige Umsetzung des Programms Barrierefreiheit der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ schnell abzubauen. Und wir wollen – das hat Herr Oellers auch schon gesagt –, dass Barrierefreiheit frühzeitig in den Köpfen implementiert wird: in der Ausbildung, in der Weiterbildung; das sind alles wichtige Punkte. Wir wollen die Menschen mit Beeinträchtigungen früh in das Verfahren der Marktüberwachung einbinden, weil sie die Expertinnen und Experten sind. Das ist ein wichtiger Punkt. Wir haben als Koalition – das will ich auch noch mal sagen – auf Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners ein Ergebnis zustande gebracht. Wir sind damit zufrieden. Aber für uns als SPD-Fraktion – das will ich noch mal ganz klar betonen – sind die Punkte in dieser Entschließung, die ich eben genannt habe, ein Signal dafür, dass wir Tempo machen wollen bei der Herstellung von mehr Barrierefreiheit. Die weiteren Änderungen im Gesetz – diese wurden bereits genannt – halte ich für wichtig. Ich bitte Sie unter diesen Vorzeichen, unserem Gesetzentwurf, unserer Entschließung und den dazugehörenden Änderungsanträgen zuzustimmen. Vielen Dank. Den Beitrag des Kollegen Peter Aumer nehmen wir zu Protokoll.1 Anlage 18 Ich schließe die Aussprache.
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Hermann Färber CDU/CSU
Hermann
Färber
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute das Direktzahlungen-Durchführungsgesetz und damit die einmalige Erhöhung der Umschichtung um 1,5 Prozentpunkte – das entspricht einer Erhöhung um 4,50 Euro pro Hektar – aus der ersten in die zweite Säule. Damit schaffen wir die dringend benötigte Rechtssicherheit für Landwirte, die an den Agrarumweltprogrammen der zweiten Säule teilnehmen. Wir erwarten jedoch, dass die 1,5-Prozentpunkte-Umschichtung ausschließlich an die landwirtschaftliche Mittelvergabe gebunden bleibt. Und wir stimmen diesem Gesetzentwurf nur unter der Maßgabe zu, dass diese Umschichtung für ein Jahr gilt und eine einmalige Maßnahme bleibt. Es darf nicht zu einem schleichenden Ausstieg aus den Direktzahlungen kommen. Es wird auch nicht funktionieren, immer mehr praktische Leistungen für Umwelt und Naturschutz von den Bauern einzufordern und im Gegenzug die finanziellen Leistungen immer mehr zu kürzen. Ich möchte an dieser Stelle mein Wort an die Kollegen von der FDP richten: Bitte heucheln Sie heute nicht schon wieder! Im Bundesrat haben auch die Länder mit FDP-Beteiligung wie Rheinland-Pfalz oder Schleswig-Holstein ihre Zustimmung zu einem Antrag für eine Umschichtung von sogar 8,5 Prozent gegeben. Noch im Sommer haben Mitglieder Ihrer Fraktion die komplette Abschaffung der Direktzahlungen an Landwirte gefordert. Hier dann eine Umschichtung auf 6 Prozent abzulehnen, wie Sie es schon angekündigt haben, halten wir für geradezu unseriös. In den Anträgen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen wird eine Weidetierprämie für Schafe und Ziegen in Form von gekoppelten Zahlungen aus den Direktzahlungen der ersten Säule gefordert. Wir lehnen aber gekoppelte Zahlungen grundsätzlich ab, weil dadurch falsche Anreize gesetzt werden. Den Bundesländern steht zur Förderung der Schaf- und Ziegenhalter bereits jetzt ein breites Maßnahmenspektrum zur Verfügung. Und gerade durch die heute zu beschließende Umschichtung erhalten die Bundesländer die Möglichkeit, diese Programme für Schaf- und Ziegenhalter finanziell aufzustocken und zusätzlich zu stärken. Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen erkennen in ihrem Antrag völlig richtig, dass die Schafhalter mit ihrer Arbeit zum Natur-, Arten-, Hochwasser- und Klimaschutz beitragen und uns in der Bevölkerung gleichzeitig mit hochwertigen Produkten versorgen. Aber sie ziehen halt die falschen Schlüsse daraus. Die Schäferinnen und Schäfer dürfen nicht zu bloßen Almosenempfängern degradiert werden. Vielmehr müssen wir dafür sorgen, dass ihre Produkte wieder mehr Wertschätzung in der Gesellschaft erhalten und marktfähig werden. Wenn die Gesellschaft eine solche Art der Tierhaltung will, dann muss sie es auch mit Taten belegen. Die Wolle und das Fleisch aus heimischer Schafhaltung, aus extensiver Schafhaltung sind am Markt leider Gottes so gut wie wertlos. Es kann nicht sein, dass man die extensive Weidehaltung verlangt, aber dann intensiv gemästetes Lammfleisch aus Neuseeland auf dem Teller liegen hat. An dieser Stelle sind wir alle verantwortlich; im Übrigen auch die Gastronomie des Parlaments. Wer Produkte aus Schafwolle verwendet, wer heimisches Lammfleisch oder ein Lammfell kauft, der ist nicht schuld am Tod eines Tieres, sondern der schafft überhaupt erst die Voraussetzungen dafür, dass Lämmer und Schafe hierzulande auf Wiesen, auf Weiden und auf Dämmen leben und die Schäferinnen und Schäfer von ihrer Arbeit leben können. Vielen Dank. Vielen Dank. – Zweiter Redner in der Debatte ist der Kollege Peter Felser für die Fraktion der AfD.
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Dr.
Dr. Rainer Kraft AfD
Rainer
Kraft
AfD
Geschätzte Präsidentin! Werte Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf ist nichts anderes als Ihr Eingeständnis, dass die Energiepolitik der Kanzler Schröder und Merkel gescheitert ist. In diesen verschenkten 23 Regierungsjahren von SPD, Union, FDP und Grünen wurde die hervorragende Energieversorgung Deutschlands mit zuverlässiger und preiswerter Energie von Ihnen mutwillig zerstört. Sie haben die Bürger und Unternehmen dieses Landes damit in eine existenzgefährdende Situation und Deutschland in große Abhängigkeit von einer fremden Macht gebracht. Zu klären wäre lediglich, ob es sich nur um pure Dummheit oder um Verrat handelt. Mit Corona und dem Krieg in der Ukraine versuchen Sie sich nun aus Ihrer Verantwortung zu stehlen. Dabei urteilte das „Wall Street Journal“ bereits im Jahr 2019 – also vor Corona und weit vor der russischen Invasion –, dass Ihre Energiepolitik die dümmste der Welt ist. Wohin hat uns diese – Ihre – dumme Energiepolitik geführt? Zu unflexiblen Stromerzeugungsmärkten und teuren Endverbraucherpreisen. Dazu ein schnelles Beispiel: Von 2010 bis 2012 stieg der Erdgaspreis in Deutschland um circa 40 Prozent. Als Folge wurde die Verstromung aus Gas um die Hälfte reduziert, verbunden mit einem entsprechenden Anstieg der Kohleverstromung. Die Stromerzeuger wichen also vom teureren Gas auf die preiswertere Kohle aus und vermieden es so, den Anstieg des Gaspreises über die Strompreise an die Endverbraucher weiterzugeben. Das nennt man „Marktwirtschaft“. Springen wir schnell ins Jahr 2021. Erneut ist der Gaspreis extrem hoch. Doch wo befindet sich die Stromproduktion aus Gas? Auf Rekordniveau, weil Ihr dauersubventionierter Schrottstrom der Erneuerbaren in 2021 immer noch nicht liefert, aber ein Ausweichen in Kohle nicht mehr möglich ist, weil unverantwortlich agierende Anhänger einer Klima-Voodoo-Sekte ein Kohleausstiegsgesetz verabschiedet haben. Als Folge davon wird teures Gas weiter verstromt und treibt damit den Gaspreis vor sich her. Die Schuld daran tragen Sie. Sie haben die Diversifizierung in der Stromerzeugungsbranche durch Ihre Ausstiegsbeschlüsse beerdigt. Sie haben die Marktwirtschaft im Energiesektor abgeschafft. Sie bessern nun das angesprochene Gesetz nach; denn Gas wird knapp in Deutschland. Aber Moment mal: So knapp, Herr Krischer, kann das Gas in Deutschland ja gar nicht sein; denn diese Regierung unternimmt seit Wochen und Monaten nichts, um die Gasverstromung in Deutschland zu reduzieren, indem man mehr Strom aus der Kohle gewinnt oder indem man mehr Strom aus Kernenergie produziert. Was sagen denn eigentlich Polen und Bulgaren dazu, dass Sie wertvolles Gas weiterhin hier in Deutschland verstromen, nur weil Sie sich weigern, Kohle und Kernkraft zur Stromerzeugung zu benutzen? Sagen Sie daher Ja zu deutscher Kohle, und sagen Sie Ja zur Kernkraft in Deutschland! Ihr Gesetzentwurf legt nun dar, wie und wann Sie Besitzer kritischer Infrastruktur unter Treuhandverwaltung stellen und/oder enteignen können. Die notwendige Bedingung dazu lautet – Zitat –: wenn dem Sektor Energie dienende Aufgaben nicht erfüllt werden und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht. – Herzlichen Glückwunsch, Herr Staatssekretär! Sie können damit am ersten Tag nach Inkrafttreten dieses Gesetzes sämtliche Wind- und Photovoltaikanlagen in Deutschland unter Treuhand stellen oder enteignen; denn diese erfüllen ihre „im Sektor Energie dienenden Aufgaben“ niemals zufriedenstellend, und sie gefährden die Versorgungssicherheit in Deutschland permanent. Aber all Ihre staatliche Planwirtschaft bringt an dieser Stelle gar nichts. Es handelt sich nämlich um einen Systemfehler dieser minderwertigen Energieerzeugungsmethoden. Die AfD hat immer davor gewarnt. Nun geht die Energiewendesaat auf, das heißt: Nein, sie geht noch nicht auf, sie keimt gerade erst einmal. Für die Bürger bedeutet dies explodierende Kosten und unsichere Versorgung, während die Energiewendelobby – sie ruft ja gerade rein, die Energiewendelobby – nun mit Steuerzahlergeld gemästet wird. Daran ändert auch Ihr Gesetzentwurf nichts. Ihr Versagen lässt sich in drei Worten zusammenfassen: Energiewende, Atomausstieg, Kohleausstieg. Michael Kruse, FDP-Fraktion, ist der nächste Redner.
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Michael Thews SPD
Michael
Thews
SPD
Vielen Dank für die Glückwünsche, Frau Präsidentin! Es gibt nichts Schöneres, als seinen Geburtstag bei den Kolleginnen und Kollegen im Plenum zu verbringen; insofern bin ich sehr gerne hier. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich will vielleicht noch ein Wort zu Frau Weisgerber sagen. Frau Weisgerber, Sie lösen mit Ideen von vorgestern nicht die Probleme von heute. Da Sie immer wieder die Atomkraft anbringen: Wir reden hier über 6 Prozent der Energie, die die Atomkraftwerke liefern, und über riesige Probleme. Wir benötigen die Hälfte der Haushaltsmittel für die Endlagerung von radioaktiven Abfällen. Wir erzeugen Abfälle für Tausende von Jahren und belasten damit die Nachfolgegenerationen für eine kurze Spanne der Energiegewinnung von gerade mal 6 Prozent. Dieselbe Größenordnung könnten wir momentan unter anderem mit Biogas erzeugen. Das sollte man nicht vergessen. Die derzeitige weltpolitische Lage, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, die Spannungen zwischen China und Taiwan, die Auswirkungen der Coronapandemie haben Deutschland und Europa deutlich vor Augen geführt, dass wir, um zu exportieren und zu produzieren, Energie- und Rohstoffeimporte aus anderen Ländern brauchen, um unseren Wohlstand nicht zu gefährden. Auch wenn der Fokus, wie gerade eben schon bemerkt, auf Energieknappheit liegt, gibt es auch immer wieder Verknappungen bei Rohstoffen und Vorprodukten. Bauprojekte verzögern sich, Hightechprojekte sind nicht mehr durchführbar, weil Elemente fehlen. Die Automobilindustrie leidet unter fehlenden Ersatzteilen und Teilen, die nicht geliefert werden. Wir merken also: Rohstoffe wie Lithium, Metalle, Öl und vieles mehr sind knapp und teuer, und die Nachfrage steigt. Ein Stück Unabhängigkeit von Lieferungen aus anderen Ländern bringt einmal die Produktion hier vor Ort, aber natürlich auch – das sage ich ja seit Jahren immer wieder – ein hochwertiges Recycling und eine durchdachte Kreislaufwirtschaft. Sie stellen genau die Rohstoffe hier im Land bereit, die wir dringend brauchen. Das ist gut für die deutsche Wirtschaft, und das ist gut für den Schutz der Umwelt. Damit Rohstoffe nicht illegal das Land verlassen, brauchen wir eine entschlossene Verfolgung von illegalen Abfalltransporten. Frau Ministerin Lemke, Sie haben das zwar für die Transporte nach Polen angekündigt – da gibt es solche Vorfälle –, aber wir müssen insgesamt dafür sorgen, dass illegale Transporte eingeschränkt werden. Wir beobachten das seit Jahren in immer wieder neue Länder. Sie haben bei diesem Vorhaben meine und die Unterstützung meiner SPD-Fraktion. Wir sind sehr gespannt auf Ihre Vorschläge in dem Bereich. Die Herausforderungen, vor denen wir derzeit stehen, sind groß; aber wir werden nicht lockerlassen: bei der ökologischen Transformation, bei der Energiewende, bei dem Umbau der Wirtschaft zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Eine nachhaltige Entwicklung bedeutet, nachfolgenden Generationen keine haushohen Schulden zu hinterlassen, keine unwiederbringlich zerstörte Natur und keine weiteren radioaktiven Abfälle für Tausende von Jahren. Vor diesem Hintergrund stehen die Verhandlungen zum Haushalt des Umweltministeriums. Und ich bin sehr froh, dass dieser Haushalt nicht gekürzt, sondern um knapp 264 Millionen Euro auf insgesamt 2,4 Milliarden Euro aufgestockt wurde. Ein Punkt, der mir dabei besonders wichtig ist, ist der nationale Meeresschutz. Er erfährt einen Aufwuchs von 1 Million auf 22 Millionen Euro. Ein wichtiger Punkt ist hierbei die Bergung der Munitionsaltlasten, die wir in Nord- und Ostsee haben. Insgesamt liegen dort 1,6 Millionen Tonnen Bomben, Granaten, Torpedos und vieles andere mehr, auch Reste chemischer Kampfstoffe, die verfallen so langsam, die korrodieren und setzen giftige Substanzen frei, die wir heute schon messen können. Wir brauchen das Geld dringend, um eine schwimmende Plattform in Auftrag zu geben, die vollautomatisch die Bergung vornimmt, die Munition zerlegen kann und unschädlich macht. Mit der Kollegin Bettina Hagedorn – sie ist auch heute hier – haben wir vor Kurzem eine Veranstaltung gemacht. Wir haben mit Experten gesprochen, die noch mal bestätigt haben, dass wir mit dieser Plattform starten können, dass es aber auch nötig ist, jetzt damit zu starten. Deswegen will ich das an dieser Stelle noch mal erwähnen. Im Haushalt für 2023 sind hierfür 20 Millionen Euro veranschlagt. Ich könnte mir vorstellen, dass wir das auch noch erhöhen; das wird sich innerhalb der Beratungen zeigen. Einen weiteren bedeutenden Aufwuchs um 26,6 Millionen Euro haben wir beim Bundesnaturschutzfonds. Hier sind viele Dinge enthalten: der Wildnisfonds, die Auenrenaturierung, das Bundesprogramm Biologische Vielfalt. Aber ich will an dieser Stelle noch mal sagen, dass wir insbesondere beim Artenschutzprogramm vieles vorhaben. Im Bereich des Ausbaus der regenerativen Energie, insbesondere der Windkraftanlagen, wollen wir natürlich dafür sorgen, dass der Artenschutz nicht gefährdet wird. Deswegen ist dieses Programm an der Stelle besonders wichtig. Ebenfalls einen Aufwuchs gibt es bei dem Förderprogramm zur Vermüllung der Meere. Für das Jahr 2023 werden 8 Millionen Euro mehr veranschlagt; ich will das noch mal besonders erwähnen. Dieses Projekt machen wir ja durchaus auch schon länger. Mit den Mitteln werden Organisationen mit Sitz in Deutschland gefördert, die Projekte zum Beispiel in Vietnam, Indien und in der Karibik durchführen. Dies ist ein ganz wichtiger Beitrag für ein globales Problem, die Vermüllung der Weltmeere. Ich glaube, dieses Geld ist sehr gut angelegt. Es ist ein Förderprogramm genau zur richtigen Zeit. Ein Bereich, der in diesem Haushalt neu dazugekommen ist, der aber besonders wichtig ist, ist der Verbraucherschutz. Gerade in diesen Zeiten haben wir mit Energieknappheit, mit sozial-ökologischer Transformation und mit Digitalisierung zu tun, und ebendort gibt es einen besonderen Bedarf für den Verbraucherschutz. Gerade in letzter Zeit haben wir erlebt, dass Verbraucher immer wieder mit schwierigen Situationen konfrontiert wurden. Es wurden Verträge gekündigt, es kam zur Einstellung der Belieferung mit Strom, zu unzulässigen Preiserhöhungen und vielem mehr. Es ist ganz wichtig, dass wir die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland in dieser Situation, in der die Herausforderungen sowieso groß sind, in der aber auch vieles schiefläuft, nicht alleinlassen, dass wir dort unterstützen, wo Unterstützung notwendig ist. Dafür brauchen wir auch die Informationen in diesem Bereich. Deswegen setzen wir uns für ein Bundesinstitut für Verbraucherforschung ein. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir es im nächsten Jahr schaffen, dieses Institut zumindest, sage ich mal, zu prüfen und auf den Weg zu bringen. Man muss dann noch darüber reden, wie es genau ausgestaltet wird. Aber ich glaube, es ist eine gute Idee, insbesondere für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich auf die weiteren Haushaltverhandlungen. Lassen Sie uns streiten! Lassen Sie uns verhandeln, für die besten Lösungen für die Menschen in unserem Land! Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Ziel. Wie gesagt: Ich freue mich auf die nächsten Wochen. Vielen Dank. Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgang Wiehle für die AfD-Fraktion.
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Andreas Mehltretter SPD
Andreas
Mehltretter
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Union ist eine klassische Mogelpackung. Auf dem Antrag steht: Teuerspirale durchbrechen. Im Antrag sind aber kaum Maßnahmen enthalten, die die Inflation tatsächlich dämpfen könnten. Wir alle kennen die Zahlen: Dieses Jahr erwartet die Europäische Zentralbank eine jährliche Inflationsrate von 6,8 Prozent. Diese Inflation ist für uns alle spürbar. Für viele ist sie aber nicht nur spürbar, viele können die stark gestiegenen Preise schlicht nicht bezahlen. Natürlich müssen wir diese Menschen entlasten. Das haben wir schon getan, und das werden wir mit zusätzlichen Maßnahmen tun, vor allem gezielt dort, wo Menschen von den Kostensteigerungen überfordert sind. Wir tun auch das, was Sie versprechen, aber mit Ihrem Antrag nicht halten: Wir müssen die Inflation abdämpfen, und das heißt, wir müssen dort ran, wo die Preisanstiege tatsächlich herkommen. Eine Hauptursache sind die Energiepreise. Schon im Winter sind sie gestiegen, und seit dem Krieg in der Ukraine sind sie steil nach oben gegangen. Mit den steigenden Energiepreisen zahlen wir jetzt dafür, dass wir zu lange in der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern geblieben sind. Wir zahlen dafür, dass wir die erneuerbaren Energien nicht schnell genug ausgebaut haben. Schon jetzt ist Strom aus Wind und Sonne viel günstiger als Strom aus Gas und Kohle und auch als Atomstrom. Während die Preise für fossile Energieträger gerade durch die Decke gehen, ist abzusehen, dass die Kosten für die Nutzung erneuerbarer Energien weiter sinken werden. Es ist und bleibt daher richtig, die Energiewende voranzutreiben – weil wir unsere Klimaziele erreichen müssen, weil wir nur so unabhängig von fossilen Energieträgern werden und weil wir nur so die Preisspirale durchbrechen können. Die Preise sind auch deswegen so hoch, weil Gas, Öl und Kohle nicht so sicher verfügbar sind, wie wir immer geglaubt haben. Eine Verlängerung der Laufzeit der noch betriebenen Atomkraftwerke bietet diese Sicherheit aber genauso wenig. Das Gegenteil ist der Fall; auch wenn Sie, liebe Union, das in diesen Tagen immer wieder behaupten. Das zeigt gerade ein Blick nach Frankreich. Dort sind mehr als die Hälfte aller Atomkraftwerke gerade wegen Sicherheitsmängeln außer Betrieb. Das heißt, Kernenergie kann die Versorgungssicherheit nicht gewährleisten, und teuer ist sie auch noch. Der Ausfall der französischen Atomkraftwerke hält in ganz Europa die teuren Gaskraftwerke am Laufen und treibt den Strompreis nach oben. Das sind die Fakten, liebe Union. Um Gas zu sparen und um den Strompreis wieder zu drücken, müssen wir jetzt wieder Kohlekraftwerke aus der Reserve ans Netz nehmen. Das ist bitter, aber leider notwendig. Wir wollen weitere Anreize setzen, den Gasverbrauch zu reduzieren. Konkret sind Auktionsmodelle für die Industrie in Planung. Bei den privaten Haushalten schlagen wir zum Beispiel einen Energiesparbonus vor, weil auch ein geringerer Verbrauch insgesamt für jeden Einzelnen die Preise senkt. Gleichzeitig tun wir alles, was sinnvoll ist, um ein ausreichendes Angebot an Gas sicherzustellen, weil mehr Angebot die Preise auch wieder drückt. Deswegen schaffen wir in einem rasanten Tempo Anlandemöglichkeiten für Flüssiggas und füllen unsere Speicher. Meine Damen und Herren, wenn wir über zu hohe Preise reden, müssen wir auch darüber reden, wo im Moment die Preise hochgetrieben werden, um möglichst großen Profit aus der aktuellen Situation zu schlagen. Genau das ist zum Beispiel bei Benzin und Diesel das Problem. Das Kartellrecht sollte hier dagegenhalten können, aber dieses Schwert ist leider eher ein stumpfer Dolch. Die Lücken im derzeitigen Kartellrecht sind offensichtlich; nicht erst seit heute. Eine Reform wäre auch schon unter dem letzten Wirtschaftsminister – er war übrigens von der Union – fällig gewesen. Das holen wir jetzt nach. Wir werden Sektoruntersuchungen so ausbauen, dass sie konkrete Maßnahmen zur Folge haben für mehr Wettbewerb und damit für niedrigere Preise. Wir werden die Hürden für die Vorteilsabschöpfung entscheidend senken und Entflechtungen als letztes Mittel ermöglichen. Meine Damen und Herren, zur Bekämpfung der Inflation gehört eine Energiepolitik, die den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt, statt ihn mit unsinnigen Abstandsregeln zu verhindern. Dazu gehört ein Kartellrecht, das günstigere Preise durch mehr Wettbewerb schafft. Wir brauchen keine Unionsmogelpackung, sondern diese konkreten Maßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben und die den Preisanstieg wirklich bremsen. Katharina Beck ist die nächste Rednerin für Bündnis 90/Die Grünen.
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Pascal Kober FDP
Pascal
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich kann das doch gar nicht sein, dass ausgerechnet wir in Deutschland keine genauen Kenntnisse über das Phänomen der Wohnungslosigkeit und der Obdachlosigkeit haben. Eigentlich haben wir Statistiken über alles und jedes. Wir kennen alle Zahlen im Detail, aber ausgerechnet zu diesem bedrängenden Problem fehlen uns konkrete Daten. Deshalb ist es richtig und gut, dass endlich eine entsprechende Statistik auf den Weg gebracht wird. Es ist absolut notwendig, lieber Frank Heinrich, dass da noch eine ergänzende Forschung stattfinden wird und wir versuchen, das Problem zu begreifen und näher zu betrachten. Im vergangenen Jahr – das Beschämende ist, dass wir uns da allein auf Schätzungen von Wohlfahrtsverbänden verlassen müssen – sind zwölf Menschen erfroren, weil sie kein Obdach gefunden haben in den kalten Winternächten. Das ist für ein so reiches Land, wie Deutschland es ist, einfach nur beschämend. Da müssen wir Lösungen finden. Natürlich gibt es öffentliche Räume, wo wir nicht einfach zulassen können, dass alles und jedes stattfindet. Natürlich müssen wir auch an der einen oder anderen Stelle Menschen von Plätzen verweisen. Es kann aber nicht sein, dass wir die Menschen ins Nichts verweisen, sondern wir brauchen dann ein passgenaues Angebot. Wir brauchen Angebote, die auch zu den Menschen passen. Mancher möchte nicht in eine Obdachlosenunterkunft, weil er seinen Hund nicht mitnehmen kann. Das ist so. Manche Obdachlosenunterkünfte nehmen Menschen nicht auf, wenn sie Drogen genommen haben. Aber die Konsequenz kann nicht sein, dass wir die Menschen dann sich selbst überlassen mit der Folge, dass der eine oder andere vielleicht auf tragische Weise erfriert. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir über Wohnungslosigkeit, über Obdachlosigkeit reden, dann müssen wir auch über eine verfehlte Baupolitik reden; denn es fehlen – so schätzt man – allein in den Zentren, in den großen Städten, 1 Million Wohnungen. Deshalb müssen wir natürlich auch bei der Baupolitik neue Wege gehen. Es kann doch nicht sein, dass Bauen immer teurer wird, und zwar auch deshalb, weil wir als Politik immer mehr Vorschriften erfinden, die die Kosten entsprechend in die Höhe treiben. Von 1990 bis heute ist die Zahl der Bauvorschriften allein im Hochbau von 5 000 auf 20 000 angewachsen. Da müssen wir uns auch einmal fragen, ob wir eigentlich die richtigen Hebel in Bewegung setzen oder ob wir uns da nicht einmal entsprechend zusammenfinden sollten, um einen großen Schritt voranzugehen, wenn es um Möglichkeiten für den Bau neuer Wohnungen geht. Dazu gehört natürlich auch, dass die Mietpreisbremse der völlig falsche Weg ist; denn sie verhindert, dass privates Kapital in den Wohnungsmarkt kommt. Das ist eine falsche Politik. Wir brauchen mehr Wohnungen und nicht die Verhinderung des Baus von mehr Wohnungen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Als Letztes möchte ich noch darauf hinweisen: Wir brauchen eine andere Sozialpolitik. Wir brauchen eine Sozialpolitik, die passgenau für die Menschen ist, die die Menschen befähigt und stärkt, damit sie im Arbeitsmarkt Fuß fassen können und in persönlichen Krisen nicht aus der Bahn geworfen werden. Vielen Dank. Vielen Dank, Pascal Kober. – Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Caren Lay.
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Dr.
Dr. Tanja Machalet SPD
Tanja
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, man kann trotz allem sagen: Heute ist ein guter Tag für die Rentnerinnen und Rentner und für die Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger im Land, weil wir heute nach kurzer Beratung die Energiepreispauschale beschließen. Man muss wirklich sagen, dass das eine gute Maßnahme ist, die wir hier heute auf den Weg bringen. Ich habe es schon mal gesagt: Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir das durchaus schneller machen können. Aber wenn man sich das Verfahren anschaut, muss man sagen: Wir sind schnell in der Umsetzung. Wir wollen, dass das Geld noch im Dezember, vor Weihnachten, bei den Menschen ankommt. 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner und Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger werden es noch vor Weihnachten beziehen; in der Anhörung am Montag ist ja deutlich geworden, dass das funktioniert. Dank all denen – die Staatssekretärin hat es schon gesagt –, die im Ministerium daran gearbeitet haben und die jetzt daran arbeiten, dass das Geld möglichst schnell bei den Menschen ankommt! Herr Straubinger, Sie haben es heute nicht gesagt, aber die letzten Tage immer mal wieder von dem sogenannten Schlechtes-Gewissen-Gesetz geredet. Das ist ja ein netter Slogan. Es sei Ihnen auch gegönnt, dass der Ihnen eingefallen ist; ich habe gar kein Problem damit. Aber ich glaube, es wird sich noch zeigen, wer das schlechte Gewissen beim Thema Rente haben muss; denn – Sie erinnern sich vielleicht daran – wir waren es, die die Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrentnerinnen und ‑rentnern durchgesetzt haben. Das hat mit Ihnen lange nicht funktioniert. Wir werden demnächst den Wegfall der Hinzuverdienstgrenze auf der Tagesordnung haben. Wir werden das Rentenniveau stabilisieren. Wir werden das Renteneintrittsalter nicht anheben; das haben wir versprochen, und das halten wir. Ja, die Einmalzahlung, die wir heute beschließen, die ist in der aktuellen Situation wichtig und richtig. Aber es ist noch wichtiger, dass wir eine dauerhaft gute Absicherung für die Menschen im Alter hinbekommen. Das werden wir auf den Weg bringen. Dazu werden wir bald das Rentenpaket II auf dem Tisch haben. Ich bin gespannt, wie sich die Union dazu verhalten wird. Ich freue mich darauf. Am Montag ist die Konstituierung des Bundestages ein Jahr her. Ich will noch einmal daran erinnern – ich habe letzte Woche schon Redezeit darauf verwendet –, was wir außer den Entlastungspaketen I und II in diesem einen Jahr alles auf den Weg gebracht haben: Wir haben die EEG-Umlage zum 1. Juli 2022 abgeschafft; davon haben auch Rentnerinnen und Rentner profitiert. Wir haben die Fernpendlerpauschale erhöht. Wir haben den Grundfreibetrag erhöht. Wir haben den Arbeitnehmerpauschbetrag erhöht. Wir haben den Mindestlohn angehoben. Wir haben den vereinfachten Zugang zum Kurzarbeitergeld verlängert – im Übrigen auch nicht mit Ihrer Unterstützung. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir tun heute das, was nötig ist. Heute beschließen wir die Energiepreispauschale für Rentnerinnen und Rentner und Bundespensionärinnen und Bundespensionäre. Auch hierzu hat es Fragen gegeben. Einige Länder sind ja dabei, auch eigene Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Ich würde mich natürlich darüber freuen, wenn es alle täten; das liegt aber in der Hoheit der Länder. Weil hier angesprochen wurde – auch in der Anhörung am Montag ist das deutlich geworden –, dass einige Personengruppen noch nicht von den Einmalzahlungen profitieren, sage ich: Es ist natürlich immer ein Spagat zwischen „einfach und schnell“ und „komplex und langsam“. Wir haben uns hier für den schnelleren Weg entschieden. Wir haben aber die Bundesregierung im Ausschuss noch einmal aufgefordert, zu prüfen, welche Personengruppen bisher noch nicht von den Einmalzahlungen profitiert haben. Da geht es um Übergangsgeldempfängerinnen und ‑empfänger, Krankengeldempfängerinnen und ‑empfänger und auch die Gruppen, die Frau Ferschl eben genannt hat. All das soll jetzt noch einmal geprüft werden mit dem Blick darauf, wie man dort zu Entlastungen kommen kann. Wir haben aber bewusst gesagt: Wir möchten das nicht in diesem Gesetzentwurf nachregulieren, weil das die Auszahlung deutlich verzögern würde. Es war und es bleibt unser großes Anliegen, dass die Menschen das Geld vor Weihnachten auf dem Konto haben. So wird es sein, und das ist auch gut so. Herzlichen Dank. Für die CDU/CSU hat das Wort Dr. Ottilie Klein.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor meiner Zeit als Abgeordneter des Deutschen Bundestages war ich 25 Jahre in der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung als Wasserbauer und Bautechniker beschäftigt. Wir haben Uferböschungen saniert und wasserbauliche Anlagen repariert und damit dafür gesorgt, dass die Wasserstraßen schiffbar geblieben sind. Dabei haben wir stets die Güterschifffahrt im Blick gehabt. Die Güterschifffahrt auf unseren Flüssen und Kanälen bildet seit Jahrhunderten die Grundlage für Handel und Industrie. Die großen Handels- und Industriemetropolen in unserem Land sind auf leistungsfähige Wasserstraßen angewiesen. Daher beruht auch unser Wohlstand zu einem großen Teil auf unseren Wasserwegen. Aber unsere Flüsse und Kanäle können noch mehr: Sie dienen der Erholung, dem Tourismus, dem Sport, und sie sind ein bedeutender Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Auch hierfür muss sich jemand zuständig fühlen. Bisher haben das die Länder gemacht, aber nur unzureichend. Deshalb ist es richtig und gut, dass der Bund jetzt diese Verantwortung übernimmt. Mit dem heutigen Gesetzentwurf bekommt die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung als Behörde des Bundesverkehrsministeriums einen deutlichen Aufgabenzuwachs. Zukünftig ist die Behörde auch zuständig für Freizeitschifffahrt und sorgt dafür, dass die Gewässer so beschaffen sind, dass die Lebensräume für Pflanzen und Tiere erhalten bleiben. Wir als Deutscher Bundestag haben dafür gesorgt, dass im Verkehrshaushalt mehr Personal und mehr finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Ich habe allerdings große Sorge, ob das im Bundesverkehrsministerium genauso umgesetzt wird, wie Herr Ferlemann es eben gesagt hat. Die Wasserstraßen in Deutschland leiden seit Jahren unter einem massiven Sanierungsstau. Schleusen, Wehre, Ufer, Brücken müssen dringend saniert werden. Weder Bundesverkehrsminister Scheuer noch der Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt leisten aus meiner Sicht einen hinreichenden Beitrag dazu. Einige Beispiele aus Schleswig-Holstein: Seit etlichen Monaten sind Schleusentore am Nord-Ostsee-Kanal kaputt, und sie sind noch nicht einmal zur Sanierung ausgeschrieben. Sorgen Sie dafür, dass diese Ausschreibungen kommen! In Geesthacht streitet man sich darüber, wer für die Schiffsaufstiegsanlage zuständig ist; meistens sind es Juristen und keine Wasserbauingenieure. Ein anderes Beispiel, aus Nordrhein-Westfalen: Seit drei Jahren werden Nischenpoller an der Schleuse in Marl am Wesel-Datteln-Kanal nicht saniert. – Die Liste ließe sich endlos fortsetzen, bis in die Morgenstunden. Nein. Nein, das machen wir nicht. Gerade jetzt erwarten wir von einem Bundesverkehrsminister – sagen Sie das Herrn Scheuer! –, Sorge dafür zu tragen, dass die Stellen nicht in einem monatelangen, mühsamen Abstimmungsprozess zwischen Ministerium, GDWS und seinen Ämtern, sondern zügig besetzt werden. Sorgen Sie dafür, dass die Anlagen an den Wasserstraßen zügig saniert und instand gesetzt werden. Und sorgen Sie dafür, dass die Führungsebene der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung ein Verständnis dafür entwickelt, dass sie auch für einen natürlichen Ausbau der Wasserstraßen zuständig ist. Für uns als Sozialdemokraten ist das das Mindeste. Wir wollen mit unserem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz das modernste Mobilitätssystem Europas schaffen. Dazu gehören natürlich Wasserstraßen – Kanäle und Flüsse –, die klimaneutral und zukunftsfest gestaltet werden. Wir wollen die Potenziale der Schifffahrt und des Tourismus heben und dass die Wasserstraßen für alle nutzbar sind. Das ist für uns ein ganz wichtiger Beitrag. Ganz kurz zum Schluss – ich habe noch drei Sekunden; der Kollege Jung macht sich bereit –: Ich danke Ihnen. Sie halten jetzt Ihre letzte Rede, weil Sie sich nach Baden-Württemberg aufmachen. Kommen Sie jetzt bitte zum Schluss. Das wollte ich jetzt nämlich sagen. Jetzt aus die Maus! Ach so. – Sie haben hervorragend – – Nein, jetzt kommen Sie zum Schluss! Das ist mein Part. Okay, alles klar. Vielen Dank, Mathias Stein. – So, wie fange ich denn jetzt an? Also, wir haben uns hier etwas überlegt. Es gibt ja die sogenannte Premiere – wenn jemand zum ersten Mal redet –, und dann gibt es – wir wussten nicht, was das Gegenteil ist – – – Ihr Angeber, Gscheitle! Das haben wir in der Zwischenzeit auch herausbekommen: Es gibt die Dernière. Dr. Christian Jung wird in der Tat jetzt seine letzte Rede hier im Deutschen Bundestag halten, weil er uns verlässt. Das Warum kann man beantworten: weil er in den baden-württembergischen Landtag wechselt. Ob Sie das dann genauso genießen können wie hier, das werden wir dann vielleicht von Ihren Kollegen hören. Auf jeden Fall freuen wir uns jetzt – und Ihre ganze Fraktion – auf Ihre letzte Rede hier im Deutschen Bundestag. Das Wort hat für die FDP-Fraktion Dr. Christian Jung. – Ich bin in Ulm geboren; wir müssen ja jetzt Herrschaftswissen austauschen.
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Dr.
Dr. Julia Verlinden BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Julia
Verlinden
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An meinen Vorredner von der Union gerichtet: Es ist schon interessant und verwunderlich, wie Sie über das Thema Tempo sprechen. Ich kann mich an einen Minister Ihrer Partei erinnern, der nach Monaten im Amt noch nicht einmal einen Staatssekretär hatte. Dahingegen haben wir mit dieser Koalition ein neues Bauministerium gegründet. Und dieses Bauministerium hat bereits Anfang des Jahres einen Gesetzentwurf zum Heizkostenzuschuss vorgelegt, den wir innerhalb weniger Wochen hier beschlossen haben. Und ein paar Wochen später hatten die Menschen das Geld auf ihrem Konto. Also insofern: Bleiben Sie bei der Wahrheit. Die aktuellen Energiepreise machen uns allen zu schaffen; das ist klar. Und es gibt Menschen, die sehr viel härter davon betroffen sind als die allermeisten hier in diesem Raum. Und genau diesen Menschen, die hart getroffen sind, weil sie bereits jetzt hohe Mieten zahlen müssen im Vergleich zu ihrem Einkommen, den Empfängerinnen und Empfängern von Wohngeld, wollen wir mit diesem Gesetz unter die Arme greifen. Aber da hören wir nicht auf. Wir erhöhen nicht nur das Wohngeld, sondern wir erweitern auch sehr deutlich den Kreis der Berechtigten; denn die Mieten explodieren in zahlreichen Städten und stellen zum Beispiel Familien vor große finanzielle Herausforderungen – trotz festem Einkommen. 2 Millionen Haushalte sollen deswegen künftig das verbesserte Wohngeld beantragen können. Das ist ein richtig großer Fortschritt. Das ist eine Verdreifachung. Vielen herzlichen Dank für diesen Vorschlag. Gleichzeitig bringen wir erneut einen Heizkostenzuschuss auf den Weg. Damit helfen wir den Beziehern von Wohngeld, aber auch von BAföG, Berufsausbildungsbeihilfen und Ausbildungsgeld. Die Ampelregierung setzt so ein klares Zeichen: Wir lassen die Menschen mit geringem Einkommen nicht im Stich. Und klar ist auch: Das Wohngeld ist ein wichtiges soziales und unverzichtbares Instrument, aber es packt das Problem nicht an der Wurzel. Mit dieser Förderung unterstützen wir natürlich die Menschen, die es brauchen. Wir finanzieren indirekt aber auch die zum Teil viel zu hohen Mieten in unserem Land. Da müssen wir ran, und da gehen wir auch ran. Ich sage Ihnen jetzt gerne, was wir im Zuge dieses Richtungswechsels hin zu mehr bezahlbarem Wohnraum noch vorhaben. 2006 hatten wir noch 2 Millionen Sozialwohnungen. Beim Regierungswechsel letztes Jahr waren es nur noch 1,1 Millionen Sozialwohnungen. Das geht nicht. Mit mehr sozialem Wohnungsneubau und einer neuen Wohngemeinnützigkeit können und werden wir als Ampel gegensteuern. Dabei geht es nicht nur um den Neubau. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, vorhandene Gebäude auch besser zu nutzen, auszubauen, zu reaktivieren. Viele Kommunen und Wohnungsgenossenschaften haben damit angefangen. Sie haben unter anderem Wohnungstauschprogramme etabliert, sodass zum Beispiel die wachsende Familie mit der alleinstehenden Dame die Wohnungen unterschiedlicher Größe tauschen kann, sofern das beide wollen. So nutzen wir vorhandene Wohnungen sinnvoll. Auch anzubauen oder beispielsweise Dachgeschosse auszubauen, dort neuen Wohnraum zu ermöglichen, ist ein ganz wichtiger Beitrag dazu, ressourcenschonend und zügig zusätzlichen Platz zu schaffen. Fossile Heizenergie ist teuer und widerspricht den Klimazielen. Im Gebäudesektor entsteht rund ein Drittel des gesamten CO2 in Deutschland. Deshalb brauchen wir eine strukturelle Veränderung in der Wärmeversorgung; das ist klar. Die energetische Ertüchtigung und tiefergehende Sanierung unserer Gebäude muss in der Prioritätenliste weiter nach oben steigen. Es geht um Energieeffizienz, es geht um erneuerbare Wärme. Nur so können wir die Mieterinnen und Mieter vor weiteren Preissteigerungen wirklich nachhaltig schützen und vermeiden, dass der Heizkostenzuschuss eine Dauerlösung werden muss. Auch dieser Punkt ist im Wohngeld mitgedacht. Mit einer Klimakomponente gleichen wir eventuelle Mietanpassungen nach einer Sanierung aus. Gleichzeitig unterstützen wir auch die Vermieter/-innen und Gebäudeeigentümer mit zielgerichteten Fördergeldern in der Gebäudesanierung. Im Haushalt stellen wir hierfür Milliarden in zweistelliger Höhe bereit, weil sie eine sinnvolle Investition sind. So wird ein klimaneutraler Gebäudebestand ein greifbares Ziel, bei dem alle Beteiligten mitgenommen werden und davon profitieren. Herzlichen Dank. Nächster Redner ist für die AfD-Fraktion Roger Beckamp.
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Manfred Todtenhausen FDP
Manfred
Todtenhausen
FDP
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es ja gut, dass wir uns in einigen Punkten tatsächlich einig sind. Heute müssen wir uns um die Aus- und Weiterbildung unserer Fachkräfte kümmern, damit wir sie morgen haben. Wir brauchen sie in allen Bereichen, ob als Klimawerker, Baufachleute oder als Mitarbeiter im Gesundheitssystem oder in der Pflege. Allein im Handwerk fehlen 250 000 ausgebildete Fachkräfte, in den Klimagewerken sind es 60 000. Diese enormen Lücken müssen geschlossen werden. Neben einer generellen geregelten Zuwanderung gehört mehr Aus- und Weiterbildung im Inland dazu. Aber das Thema ist ja nicht neu. Der Bundestag hat dazu in der letzten Wahlperiode eine Enquete-Kommission einberufen, an der auch ich mitarbeiten durfte. Sie hat viele gute Ideen und Empfehlungen auf den Weg gebracht, die auch heute eine Bedeutung haben. In Ihrem Antrag finde ich dazu sogar einige Ansätze. Ich erwähne nur digitale Lernplattformen oder den Aufbau eines deutschen beruflichen Austauschdienstes. Beim Lesen Ihrer Wünsche frage ich mich dennoch – ich weiß, Sie können es schon lange nicht mehr hören –: Wer stellte eigentlich 16 Jahre lang die Bundesbildungsministerin, und wer hat auf den Trend gesetzt, dass wir immer mehr Akademiker brauchen, während gleichzeitig die berufliche Bildung ins Hintertreffen geraten ist? Es waren Ihre drei Ministerinnen, liebe Union. Erst Frau Karliczek hat am Ende versucht, hier umzusteuern. Lieber Herr Wiener, Sie haben den Elektroberuf gelernt. Ich übe ihn bis heute aus. Und Sie wären besser Elektriker geblieben, kann ich Ihnen nur sagen. Meine Damen und Herren, Vorhaben wie die Exzellenzinitiative Berufliche Bildung und der Ausbau der Berufsorientierung werden bereits von der Ampel umgesetzt. Andere Projekte finden Sie in einer umfassenden Fachkräftestrategie, die die Bundesregierung gerade erst auf den Weg gebracht hat. Wenn es nach mir ginge, gibt es neben dem Freiwilligen Sozialen und Ökologischen Jahr bald auch das freiwillige Jahr in den Klimagewerken. Da gibt es sicher eine hohe Nachfrage. Bei dieser Koalition ist die Fachkräfteentwicklung in guten Händen. Ein gutes Beispiel: Wir waren es, die den Haushaltstitel für die überbetrieblichen Lehrwerkstätten von 49 Millionen auf 70 Millionen Euro erhöht haben. Uns ist wichtig, sowohl die Ausbildung attraktiver zu machen als auch die Ausbildungsbetriebe zu entlasten. Die Betriebe finden dabei nicht nur die Unterstützung in den Fraktionen, sondern auch in unserer Regierung. Unsere Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger steht absolut hinter der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung. Nach bald einem Jahr Ampelkoalition sind wir auf einem guten Weg, den wir weiter gehen werden. Vielen Dank. Als Nächstes folgt für die SPD-Fraktion Manuel Gava.
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Jan Ralf Nolte AfD
Jan Ralf
Nolte
AfD
Frau Kollegin Weber, auch ich habe an der öffentlichen Anhörung teilgenommen, von der Sie eben gesprochen haben. Sie haben gesagt, dass sich dort mehrere Verbände gegen unseren Vorschlag klar geäußert hätten. In der Realität ist es aber so gewesen, dass Ihr Kollege Herr Felgentreu sogar mehrmals nachgehakt und versucht hat, aus den Verbänden etwas herauszukitzeln. Er hat mehrmals versucht, die Verbände dazu zu bewegen, ihm zu sagen, was denn an dem, was die AfD will, nicht gut sei. Aber es kam nichts Klares. Wir haben unseren Spaß daran gehabt und haben Ihnen gesagt: Da müssen Sie sich die Argumente für Ihre Rede dieses Mal selber ausdenken. – Meine Frage lautet nun: Welche Verbände, Frau Weber, waren das denn – bei einer öffentlichen Anhörung ist alles nachprüfbar –, und was genau haben diese gesagt bzw. kritisiert? Danke. Wollen Sie antworten, Frau Weber? – Bitte schön.
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Rudolf Henke CDU/CSU
Rudolf
Henke
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Hocker, der vorliegende Gesetzentwurf beschränkt die Freiheit, zu rauchen, in keiner Weise, sondern er stärkt die freie Willensbildung bei der Entscheidung für oder gegen das Rauchen. Denn im Moment haben wir ein krasses Missverhältnis zwischen Prävention und Werbung. Wenn wir in den Bundeshaushalt gucken, dann sehen wir da round about zweieinhalb Millionen Euro im Jahr für die Rauchprävention zur Verfügung stehen. Allein die Kosten für Außenwerbung und Kinowerbung der Tabakindustrie belaufen sich auf rund 100 Millionen Euro, 40-mal so viel, wie wir im Bundeshaushalt für die Präventionsleistungen bereitstellen. Das ist ein krasses Missverhältnis. Deswegen hätte ich, lieber Herr Kollege Hocker, vom Vertreter einer liberalen Partei erwartet, dass Sie die Freiheitlichkeit unseres Entwurfs begrüßen, weil es doch kein Freiheitsrecht ist, sich einem suchterzeugenden Produkt zu beugen. Jetzt kommen wir zu der Frage: Wie ist das mit den Jugendlichen? Da erreichen wir durch die Werbebeschränkungen, dadurch, dass wir die Werbung aus dem öffentlichen Raum entfernen, dass Jugendliche nicht mehr in den Einflussbereich dieser Werbung hineinkommen. Das ist wichtig, weil das wirkt und weil die Psychologie der Werbung darauf aus ist, einem das Gefühl von Wohlbehagen und Freiheit zu vermitteln. Ich kann mich erinnern an meine Vorstellung als kleines Kind von der großen weiten Welt. Oder: Warum denn gleich in die Luft gehen? Und dann gab es ja auch diesen Wilden Westen. Das alles löst Verführung aus. Ich glaube, dass die Assoziation eines hochschädlichen Produktes gerade mit Jugendlichkeit, gerade mit unberührter Natur, gerade mit Zusammengehörigkeitsgefühl ganz kalkuliert auch auf die Identitätskonflikte Jugendlicher abzielt. Deswegen finde ich: Was wir hier leisten, ist ein Schritt zugunsten von Freiheitlichkeit. Es ist auch ein Schritt zugunsten des Marktes – wenn ich das mal sagen darf –; denn hinter diesen Produkten steckt ja eine Schädigung der Wirtschaft. Ja, da sind 100 Millionen Euro jetzt für die Werbewirtschaft weg. Aber wir haben eine Belastung der Wirtschaft in einer tausendfachen Größenordnung. Wir haben 100 Milliarden Euro pro Jahr als volkswirtschaftliche Kosten des Tabakkonsums. Im Vergleich zu den 100 Millionen Euro, die wir vielleicht im Bereich der Außenwerbung einbüßen, bedeutet es für die Wirtschaft und auch für die Produktivität und Gesundheit der Menschen, die in Zukunft durch dieses Produkt nicht mehr verführt werden, einen großen Gewinn. Deswegen sage ich Danke; ich freue mich. Ich sage Danke Christian Schmidt und Hermann Gröhe, die mit dem Bundeskabinett 2016 schon einmal einen sehr ähnlichen Entwurf vorbereitet und ihn im Kabinett verabschiedet hatten. Ich sage Danke Marlene Mortler und Daniela Ludwig, beide Drogenbeauftragte der Bundesregierung, die mit daran gearbeitet haben, das herbeizuführen. Ich sage Danke Ralph Brinkhaus, der in unserer Fraktion den Meinungsbildungsprozess vorangetrieben und die Abstimmung ermöglicht hat. Und ich sage Danke Angela Merkel, die mit ihrer eben schon zitierten Antwort auf eine klug gestellte Frage dafür gesorgt hat, – Kollege Henke. – dass wir mehr Raum dafür gekriegt haben, diese Entscheidung so vorzubereiten, wie sie jetzt kommen wird. – Schöne Grüße an Lothar Binding. Rede Ende. Stimmen Sie dem Entwurf dann später zu. Ich bitte, bei zukünftigen Redebeiträgen geplante Danksagungen, Grußübermittlungen und anderes schon einmal mit einzupreisen. Ich schließe die Aussprache.
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Stephan Mayer CDU/CSU
Stephan
Mayer
CDU/CSU
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Wir erleben in den letzten Jahren eine außerordentlich besorgniserregende und bedenkliche Zunahme der Straf-, aber auch Gewalttaten gegen Politiker auf allen politischen Ebenen. Traurige und höchst verwerfliche Höhepunkte dieser Entwicklung waren beispielsweise im Oktober 2015 das Attentat auf die CDU-Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker in Köln oder im letzten Monat der tätliche und schwerwiegende Angriff auf den CDU-Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, aber auch im Deutschen Bundestag gab es bedenkliche Entwicklungen. In der letzten Legislaturperiode sind zahlreiche Kolleginnen und Kollegen türkischer Abstammung nach der Abstimmung über die Resolution bezüglich des Genozids an den Armeniern im Jahr 1915 bedroht worden. Das sind mit Sicherheit Entwicklungen, die uns in höchstem Maße besorgen müssen. Deswegen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, war es nur konsequent, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik um eine neue Rubrik ergänzt wurde, nämlich um Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger. Im Jahr 2016 wies diese Rubrik insgesamt 1 841 Straftaten auf. Sie wurden übrigens überwiegend aus dem rechtsextremistischen Bereich begangen; das möchte ich dazusagen. Deswegen ist der Titel dieser Aktuellen Stunde etwas zu kurz gegriffen, wenn er sich nur auf linksextremistisch motivierte Straf- und Gewalttaten gegen Politiker bezieht. Jede Art von Extremismus ist gleichermaßen verwerflich, und jeder Art von Extremismus ist gleichermaßen zu begegnen. Ich möchte für die CDU/CSU-Fraktion sagen, dass wir hier keine Belehrungen benötigen, ganz im Gegenteil. Wir haben in den vergangenen Jahren jede Art von Extremismus, egal ob im rechten, im linken oder im religiös motivierten Spektrum, entschieden und konsequent bekämpft. Ich möchte, meine Kolleginnen und Kollegen, auch nur erwähnen, dass von den 1 841 Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger im letzten Jahr die meisten gegen CDU/CSU-Mandatsträger begangen wurden, nämlich 760. Es ist natürlich die Frage zu stellen: Wie kommt es zu dieser Entwicklung? Was wir erleben, ist eine sehr deutliche Zunahme der Zentrifugalkräfte in unserer Gesellschaft, eine Zunahme der Fliehkräfte, eine stärkere Verrohung der Gesellschaft, aber auch eine stärkere Verrohung der Sprache. Ich bin der festen Überzeugung, dass insbesondere der jüngste Bundestagswahlkampf ein beredtes Beispiel dafür war, dass die Auseinandersetzung deutlich aggressiver vorgenommen wird. Das mündet nicht immer in tätlichen Angriffen. Die meisten Straftaten bewegen sich im Bereich der Verbalinjurien, der Beleidigungen, aber auch der Sachbeschädigungen. Das muss intensiv bekämpft werden. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wie ist auf diese Entwicklung zu reagieren? Aus meiner Sicht muss klargemacht werden, dass Gewalt niemals ein adäquates Mittel der politischen Auseinandersetzung sein darf. Es darf hier auch keine falsch verstandene Toleranz geben. Ich habe vorhin gesagt, dass nicht unterschieden werden darf zwischen Rechts- und Linksextremismus. Wir dürfen auch nicht unterscheiden zwischen gutem und schlechtem Extremismus. Ich muss ganz offen sagen: Es gab hier aus meiner Sicht in den letzten Jahren in diesem Haus manchmal unterschiedliche Bewertungen. Wenn ich mir Aussagen der früheren Bundesfamilienministerin vor Augen führe, die noch vor eineinhalb Jahren gesagt hat, dass das Phänomen des Linksextremismus in Deutschland überbewertet werde, dann ist dies sehr ernst zu nehmen und bedenklich. Wir müssen jede Art von Extremismus gleichermaßen ernst nehmen und dürfen keine falsch verstandene Toleranz an den Tag legen. Der Rechtsstaat muss konsequent und entschieden alle Straftaten bekämpfen, weil sich diese Straftaten – das müssen wir unseren Mitbürgern immer wieder deutlich vor Augen führen – nicht nur gegen einzelne Personen richten, sondern gegen die Demokratie, gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung insgesamt. Wenn das dann dazu führt, dass manche Politiker, insbesondere im kommunalen Bereich, wegen dieser Bedrohungen und Angriffe ihre Mandate zurückgeben, dann ist dies aus meiner Sicht sehr ernst zu nehmen. Wir müssen mit Sicherheit auch eine Debatte darüber führen, ob wir das Strafrecht ändern. Ich sage ganz klar: Diese Debatte muss offen geführt werden. Es gibt Gründe, die dafür sprechen; es gibt aber auch Gründe, die dagegen sprechen. Was wir aus meiner Sicht auf jeden Fall verhindern sollten, ist ein Sonderstrafrecht für Straftaten gegen Politiker. Wir sollten uns hier nicht besserstellen als die allgemeine Bevölkerung. Mir ist wesentlich wichtiger – das möchte ich zum Abschluss sagen –, dass wir eine intensive zivilgesellschaftliche Debatte führen. Es geht hier auch um den Erhalt unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Richtschnur unseres Wirkens und unseres Tätigwerdens sollte aus meiner Sicht ein Zitat von Voltaire sein, der gesagt hat: Ich verabscheue Ihre Meinung, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie sie sagen dürfen. Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
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Cansel Kiziltepe SPD
Cansel
Kiziltepe
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP mischt die wohnungspolitische Debatte in dieser Plenarwoche gleich mit zwei Anträgen auf. Es könnte der Anschein erweckt werden, die FDP plane eine wohnungspolitische Wende für die breite Bevölkerung in Deutschland. Aber das ist ein Trugschluss. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Deutschland wird es immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Allein in Berlin sind die Immobilienpreise im letzten Jahr – nur in einem Jahr – um 20 Prozent gestiegen, ganz zu schweigen von den Mietpreissteigerungen, die bei über 60 Prozent liegen. In keiner anderen Stadt weltweit war der Preisanstieg so groß wie in Berlin. Aber auch Hamburg, München und Frankfurt gehören zu den zehn Städten mit den am schnellsten steigenden Preisen. Viele Unistädte gehören auch dazu. Nicht umsonst sind über 20 000 Menschen letztes Wochenende auf die Straßen gegangen, um gegen den Mietenwahnsinn und die soziale Verdrängung zu protestieren, und das zu Recht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und was fällt der FDP ein? Der FDP fällt nichts Besseres ein, als einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer zu fordern. Jeder weiß: Der Erwerb einer eigenen Immobilie kommt heutzutage – mit oder ohne Freibetrag – nur für einen sehr kleinen Bevölkerungsteil infrage, vielleicht im ländlichen Raum. Es geht jedoch vor allem um die Menschen in Ballungszentren. Deutschland ist traditionell eine Mieternation. Das ist bei Ihnen offenkundig nicht angekommen. Zur Aufklärung: In den Städten, in denen bezahlbarer Wohnraum besonders knapp ist, ist die Mieterquote besonders hoch. In Berlin wohnen 86 Prozent der Menschen zur Miete, in Frankfurt 80 Prozent, in München 79 Prozent, in Hamburg 76 Prozent. Wir als SPD wollen deshalb eine wohnungs- und mieterpolitische Wende und haben dementsprechend auch im Koalitionsvertrag Maßnahmen für mehr bezahlbaren Wohnraum durchgesetzt. Wir wollen, dass in den kommenden Jahren 1,5 Millionen Wohnungen gebaut werden. Hierfür werden wir den Ländern in den kommenden zwei Jahren zweckgebunden 2 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Wir werden eine Enquete-Kommission „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“ einsetzen. Wir werden den Missbrauch bei der Grunderwerbsteuer durch Share Deals effektiv und rechtssicher beenden. Das steht auch so im Koalitionsvertrag, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Länder brauchen das Geld. Ein Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer schafft ein neues Loch. Problematische Ausnahmen gibt es genug. Deshalb wollen wir insbesondere bei den Share Deals so schnell wie möglich zum Zuge kommen. Hierzu gibt es bereits eine Arbeitsgruppe der Länder. Bis zur Sommerpause werden hier Vorschläge gemacht werden, wie man verhindern kann, dass die Grunderwerbsteuer systematisch umgangen wird. Ein Beispiel: Das Sony Center am Potsdamer Platz wurde im letzten Herbst im Rahmen eines Share Deals für 1,1 Milliarden Euro verkauft. Dem Land Berlin sind dadurch 66 Millionen Euro an Steuereinnahmen verloren gegangen. Ich kann Ihnen sagen: Wir brauchen dieses Geld, um mehr bezahlbaren und sozialen Wohnraum zu schaffen. Darauf können wir nicht verzichten. Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus den Reihen der Freien Demokraten? Ja. Werte Frau Kollegin, Sie sprachen gerade die Gelder für den sozialen Wohnungsbau an. Das freut mich natürlich sehr. Sie sagten auch, da brauchen Sie noch mehr Geld und wollen dort noch mehr Geld ausgeben. Stimmen Sie mit mir überein, dass es gerade nach der Föderalismusreform und nach dem Ende der Zweckbindung der Gelder für den sozialen Wohnungsbau augenscheinlich viele sozialdemokratisch geführte Bundesländer gibt, die das Geld nicht einmal ausschütten, sondern in ihren Landeshaushalten an anderen Stellen versickern lassen, und das, obwohl das Finanzministerium sozialdemokratisch geführt ist? Ich stelle das in Mecklenburg-Vorpommern fest, ich habe das in Berlin zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Gelder, die der Bund den Ländern seit Jahren für den sozialen Wohnungsbau überweist, gerade in Ländern, wo Sie Verantwortung tragen, leider dafür nicht eingesetzt werden. Ich teile Ihre Einschätzung teilweise. Der Bundeszuschuss für den sozialen Wohnungsbau läuft 2019 aus. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die entsprechende Regelung im Grundgesetz verlängert wird, weil das im Rahmen des Länderfinanzausgleichs einfach nicht berücksichtigt wurde. Es wird eine Grundgesetzänderung dazu geben. Es werden den Ländern zweckgebunden 2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, und das ist auch gut so. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden also insbesondere den Missbrauch von Share Deals beenden, bevor wir irgendetwas bei der Grunderwerbsteuer unternehmen. Falls wir hier nicht zuerst handeln, droht die Grunderwerbsteuer, wie gesagt, durch eine weitere Ausnahme zu einem Schweizer Käse zu werden. Das wollen wir nicht. Das ist ein Riesenproblem. Das würde auch zu Einnahmeausfällen führen, die die Länder sich nicht leisten können. Es gibt eine Studie des IW in Köln, die aufzeigt, dass die Steuereinnahmen aus der Grunderwerbsteuer um die Hälfte, also um fast 6 Milliarden Euro pro Jahr, niedriger ausfallen würden. Das geht nicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland ist eine Mieternation. Deswegen brauchen wir Maßnahmen, die bezahlbaren Wohnraum schaffen und die Spekulationen beenden. Dazu leistet der FDP-Antrag leider keinen Beitrag. Vielleicht ändert sich das in Zukunft. Vielen Dank. Herzlichen Dank, Frau Kollegin. – Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt erteile ich dem Kollegen Sebastian Brehm für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
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Amira Mohamed Ali DIE LINKE
Amira
Mohamed Ali
DIE LINKE
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Auch heute, auch in diesen Minuten, sterben in der Ukraine Menschen. Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands, dieser Krieg, bringt jeden Tag unvorstellbares Leid. So viele Menschen sind schon gestorben. Tausende stehen vor den Scherben ihrer Existenz. Tausende sind auf der Flucht. Ihnen gehört unsere unumstößliche Solidarität. Dank gilt vor allem denjenigen, die jetzt große Hilfsbereitschaft zeigen, die sich selbstlos einsetzen für diese Menschen in Not. Das ist so wichtig. Klar ist: Dieser Krieg muss so schnell wie möglich beendet werden. Klar ist auch: Putin darf ihn nicht gewinnen. Aber wer ernsthaft glaubt, dass man Russland, die größte Atommacht der Welt, mit militärischen Mitteln in die Knie zwingen kann, der irrt einfach. Im Gegenteil: Das ist ein hochgefährlicher Kurs. Oft wird in der aktuellen Debatte aber leider so getan, als gäbe es nur die Alternativen zwischen militärischem Sieg und Kapitulation der Ukraine. Wir erleben sogar immer wieder, dass diejenigen, die über sofortige diplomatische Bemühungen auch nur sprechen, in die Nähe Putins gerückt werden, besonders wenn das politisch passt. Aber das ist doch Quatsch. Diese Art der Auseinandersetzung hilft doch nicht weiter, und sie hilft vor allem nicht den leidtragenden Menschen in der Ukraine. Das ist die Wahrheit. Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi hat doch recht, wenn er auf Friedensverhandlungen drängt. Ja, ich weiß: Friedensverhandlungen brauchen die Bereitschaft, einen Kompromiss zu finden. Einen Kompromiss zu finden, wo Russland doch die Ukraine überfallen hat, das widerspricht dem Gerechtigkeitsempfinden – auch meinem eigenen, natürlich. Aber ich kann doch trotzdem dem britischen Premier Boris Johnson nicht zustimmen, wenn er sagt, mit Putin gebe es nichts zu verhandeln. Denn: Was ist die Alternative zu diplomatischen Lösungen? Es ist ein immer länger dauernder Krieg mit immer mehr Toten. Es ist die wachsende Gefahr einer Ausweitung des Krieges, die Gefahr eines dritten Weltkrieges, und das darf doch nicht sein, Kolleginnen und Kollegen. Es heißt oft, die Türen für diplomatische Lösungen seien aktuell verschlossen. Frau Baerbock, ich möchte Sie einmal fragen: Wie viele Klinken haben Sie denn bisher eigentlich ernsthaft probiert? Warum waren Sie nicht in Peking oder in Neu-Delhi? Ich habe manchmal den Eindruck, Sie verwechseln, für welches Ressort Sie zuständig sind. Sie sind nicht die Verteidigungsministerin. Sie sind die Außenministerin, die Chefdiplomatin, und da erwarte ich auch Diplomatie von Ihnen. Deutschland muss gemeinsam mit der EU endlich zur Stimme der Vernunft werden, und das kann die EU auch. Erinnern wir uns an den Fünf-Tage-Krieg um Südossetien zwischen Georgien und Russland im Jahre 2008. Es war eine extrem schwierige Situation. Die Vereinten Nationen waren mit ihren Bemühungen bereits gescheitert. Es war die EU, die einen Kompromiss vermittelte. Bei dem Treffen des Europäischen Rates sollte es daher vor allem um gemeinsame diplomatische Anstrengungen gehen. Stattdessen wird es aber vor allem um Sanktionen gehen, aber nicht mit Schwerpunkt gegen die russische Führung, gegen die mächtigen Oligarchen – das wäre richtig und auch wichtig –, sondern um allgemeine Sanktionen, die in Russland vor allem die Bevölkerung treffen und die schon jetzt in Deutschland und der EU einen enormen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Weil diese Sanktionen vor allem die eigene Wirtschaft und damit die eigene Bevölkerung so hart treffen, machen viele Länder dabei auch nicht mit, und sie kritisieren die Sanktionspolitik der EU. Schauen wir nach Südamerika, nach Südafrika, nach Indien. Ich kann verstehen, dass viele Menschen in Deutschland Angst bekommen, wenn sie vom geplanten Ölembargo hören; denn sie fürchten, dass die Lebenshaltungskosten dann noch weiter steigen. Es ist doch jetzt schon so, dass sich so manche Friseurin am Ende des Monats kein frisches Obst mehr für ihre Kinder leisten kann. Herr Scholz, Sie behaupten immer, das sei nicht so. Sie ignorieren diese Not. Es ist aber die Realität. Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Ich kann verstehen, dass viele Menschen Angst um ihre Arbeitsplätze haben. Gehen Sie mal nach Schwedt. Die Raffinerie dort ist auf das Öl aus Russland angewiesen. Da kann man sich als gut bezahlter Politiker nicht einfach hinstellen und sagen: Das ist nun mal der Preis der Freiheit. – Das ist doch wirklich zynisch. Sie haben Verantwortung für die Menschen in unserem Land, besonders für die, die jetzt schon kaum wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. Fakt ist doch: Ihre Entlastungspäckchen, die Sie heute wieder angepriesen haben, decken nicht mal im Ansatz die realen Mehrkosten ab. Was jetzt durch ein Ölembargo auf uns zukommen wird, ist doch um ein Vielfaches gravierender. Da helfen keine Lippenbekenntnisse und keine Durchhalteparolen. Es braucht konsequente Maßnahmen, zum Beispiel die Senkung von Verbrauchsteuern auf Grundnahrungsmittel, eine funktionierende staatliche Preisaufsicht für die Energie, wesentlich höhere Direktzahlungen. Es braucht einen Schutzschirm für betroffene Unternehmen, besonders im Osten, damit dort nicht zum zweiten Mal nach der Wende reihenweise Existenzen zerstört werden. Dafür wäre es dringend notwendig, Geld in die Hand zu nehmen – und zwar wirklich viel Geld –, aber nicht für das sinnlose Sondervermögen für die Bundeswehr, was nur einen Effekt haben wird, nämlich die Aktienkurse der Rüstungsindustrie in die Höhe zu treiben. Da machen wir als Linke nicht mit. Vielen Dank. Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Achim Post.
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Dr.
Dr. Karamba Diaby SPD
Karamba
Diaby
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Knapp ein Zehntel der Bevölkerung auf dem afrikanischen Kontinent ist derzeit vollständig gegen Corona geimpft. Das ist besorgniserregend; denn diese Pandemie besiegen wir weltweit oder gar nicht. Die Große Koalition hat in der letzten Legislaturperiode bereits bedeutende Fortschritte erreicht, um den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen. Ich nenne hier nur drei Beispiele: Das BMZ hat jährlich rund 2 Milliarden Euro in Ernährungssicherung, Landwirtschaft und ländliche Entwicklung investiert. Seit 2020 setzt Deutschland ein weltweites Corona-Sofortprogramm von sage und schreibe 4,7 Milliarden Euro um. Und über 1 Milliarde Euro werden jährlich zusätzlich in globale Gesundheit investiert. Die Bundesregierung ist der zweitgrößte Geber der Covax-Initiative, die für globale Impfstoffgerechtigkeit gegründet wurde. Für den Aufbau der Coronaimpfstoffproduktion in Afrika wurden rund 500 Millionen Euro investiert. Der Ausbau der lokalen Impfstoffproduktion ist entscheidend, um den Globalen Süden unabhängiger von Impfstoffimporten zu machen. Die Bundesregierung unterstützt deshalb vier afrikanische Länder, hier unter anderem das Institut Pasteur in Dakar im Senegal, beim Aufbau einer eigenen Produktion. Das ist ein erster Schritt, um den afrikanischen Kontinent als souveränen, qualifizierten Akteur wahrzunehmen. In der aktuellen Pandemie hat sich der afrikanische Kontinent als effektiver Pandemiemanager bewiesen, besonders durch regionale Zusammenarbeit und Initiativen der Afrikanischen Union. So wurden unter anderem eine eigene Seuchenschutzbehörde und eine gemeinsame digitale Beschaffungsplattform für medizinische Ausrüstung gegründet. Damit zeigt sich der afrikanische Kontinent als fähiger Partner in der Entwicklungszusammenarbeit. Das nimmt uns in die Verantwortung; denn auch wir müssen uns neu ausrichten, hin zu einer Entwicklungszusammenarbeit auf Augenhöhe, einer globalen Strukturpolitik. Meine sehr verehrten Damen und Herren, aktuell wirft uns die Pandemie in der Erreichung der Agenda 2030, der Nachhaltigkeitsziele – der SDGs – enorm zurück. Wir sollten daher die Zeit nach der Pandemie nutzen, um einen neuen Weg der nachhaltigen Entwicklung einzuschlagen. Die aktuellen Herausforderungen des Klimawandels und globaler Pandemien können wir nur gemeinsam bewältigen. Hier können – ganz im Sinne des vernetzten Ansatzes – Investitionen in internationale Forschung hilfreich sein. Auch die Potenziale der Digitalisierung sollten wir nutzen, um beispielsweise den universellen Zugang zu Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. An diesem Punkt können wir von unseren Partnern auf dem afrikanischen Kontinent lernen. Fest steht: Die Herausforderungen des Klimawandels und globaler Pandemien können wir nur gemeinsam bewältigen. Diese Ziele der Agenda 2030 müssen unsere Richtschnur für die Entwicklungspolitik der kommenden Jahre sein. Packen wir das an! Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache.
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Dr. Marcus Faber FDP
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Faber
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich bin der Meister meines Los’. Ich bin der Käpt’n meiner Seel. Das sind die letzten Zeilen des Gedichtes „Invictus“ von William Ernest Henley. „Invictus“ bedeutet auf Deutsch so viel wie „unbesiegt“ oder „unbezwungen“. Und genau das sind die Menschen, über die wir hier heute sprechen: unbesiegt. Seit 25 Jahren entsendet Deutschland Soldaten in Auslandseinsätze. 40 dieser Einsätze sind inzwischen beendet. 11 Einsätze laufen derzeit. 111 deutsche Soldaten verloren im Ausland ihr Leben und fanden dort den Tod. Deutlich mehr Soldaten wurden teils schwer verletzt – an Körper und Seele. Diese Einsatzversehrten brauchen die bestmögliche Hilfe von uns. Das ist mehr als unsere Pflicht; das muss für uns auch ein Herzensanliegen sein. Ein kleiner und dennoch wichtiger Beitrag dazu ist die Integration in den Alltag durch Sport. Die Sportschule der Bundeswehr und das Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr in Warendorf leisten hier tagtäglich großartige Arbeit. Die Invictus Games bieten dafür alle zwei Jahre eine große Bühne. Sie schaffen Sichtbarkeit. Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sind ein Teil unserer Gesellschaft, auch wenn es einigen hier im Saal nicht passt. Ihr Leiden sollte für uns genauso im Zentrum stehen wie ihre Genesung und ihre Erfolge. Es geht darum, den Menschen, die für unsere Sicherheit ihr Leben riskiert haben, weiterhin die Möglichkeit zu geben, ihre Leistungsfähigkeit auch zu zeigen. Deutschland hat von Beginn an ein Team zu diesen Spielen entsandt, auch wenn das von der Politik und von der Öffentlichkeit häufig zu wenig beachtet wurde. Ich finde, wir hätten es mehr beachten müssen. Mir stellt sich schon die Frage, warum es Frau von der Leyen erst bei der vierten Auflage der Spiele, im vergangenen Jahr, gelungen ist, bei diesen Spielen präsent zu sein. Wo andere Staaten ihre höchsten Vertreter schickten, war dies bei der Bundesregierung bisher nicht der Fall. Noch viel mehr aber stellt sich die Frage, warum die Regierungsfraktionen im November 2018, vor vier Monaten, den Antrag der Freien Demokraten, die Invictus Games nach Deutschland zu holen, in diesem Saal abgelehnt haben, um heute hier den Antrag einzubringen, die Invictus ­Games nach Deutschland zu holen. Ich finde, hier macht sich diese Regierung und damit auch diese Koalition lächerlich. Lieber Herr Silberhorn, lieber Herr Pilger, ich habe Ihre Beiträge aufmerksam verfolgt, und ich kann Ihren Ausführungen inhaltlich nur zustimmen. Ich frage mich allerdings schon, warum Sie vier Monate für diese Erkenntnisse gebraucht haben. Ich kann ja nur mutmaßen: Wenn es Ihnen um die Sache ging, dann war Ihr damaliges Nein zu unserem Antrag nicht sinnvoll. Wenn es Ihnen aber um politische Profilierung ging, dann hätten Sie zumindest etwas weniger offenkundig bei der FDP abschreiben können. Meine Damen und Herren, ich fände das nur halb so schlimm, wenn von der Großen Koalition ansonsten großartige Anträge zum Thema „Bundeswehr und Verteidigung“ kommen würden. Das ist allerdings nicht der Fall; das ist überhaupt nicht der Fall. Das ist seit langer Zeit der erste vernünftige Vorschlag, der von dieser Koalition zum Thema „Bundeswehr und Verteidigung“ kommt. Ich sage Ihnen: Danke für diesen Vorschlag. Wir unterstützen ihn, auch wenn er kleinlaut und geklaut ist. Dazu, dass Sie dafür vier Monate brauchten, sage ich Ihnen: Guten Morgen – auch um 15.30 Uhr. Sie machen hier Parteipolitik mit Kriegsversehrten. Das finde ich – bei aller Liebe – erbärmlich. Ich sage Ihnen aus tiefstem Herzen: Sie sollten sich schämen! Vielen Dank. Das Wort hat Dr. André Hahn für die Fraktion Die Linke.
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Jamila Schäfer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Jamila
Schäfer
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weg von plumpem Antiamerikanismus und Nationalismus, zurück zur Sache! Letzte Woche hat eine Mehrheit der afrikanischen Staaten Russlands Aggression in der Ukraine klar zurückgewiesen. 30 afrikanische Staaten stimmten der UN-Resolution gegen die Annexion der Ostukraine durch Russland zu. Kein afrikanischer Staat hat sich auf Russlands Seite geschlagen. Angola, Madagaskar, Marokko, der Senegal – der Moment den Vorsitz in der Afrikanischen Union hat –, all diese Staaten haben anders als im März diesmal mit der breiten Staatenallianz in den Vereinten Nationen gestimmt. Diese Zahlen zeigen: Auch in Afrika gab es in den letzten Monaten eine Bewegung weg von Russland. Diese Bewegung ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ein Verdienst unserer aktiven Außenpolitik durch die neue Außenministerin Annalena Baerbock. Gemeinsam mit unseren transatlantischen und unseren europäischen Partnerinnen und Partnern arbeiten wir daran, die starke Allianz gegen Russland auf der Ebene der Vereinten Nationen auszubauen, und das hat Erfolg: in Afrika, im Nahen Osten und in Lateinamerika. Es ist der Erfolg einer wertegeleiteten Außenpolitik, der die territoriale Souveränität und das Völkerrecht gegen den russischen Imperialismus verteidigt. Zur Wahrheit gehört leider dazu, dass sich 19 afrikanische Staaten bei der Abstimmung letzte Woche enthalten haben, darunter zum Beispiel Südafrika und Mali. Die Ursachen sind so vielfältig wie die Staaten selbst. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, ist ein Punkt, den Sie in Ihrem Antrag leider unterschlagen. Um Russlands Einfluss in Afrika zu verstehen, müssen wir uns mit den Bedürfnissen der einzelnen Staaten und ihrer Geschichte auseinandersetzen, vor allem auch mit unserer europäischen Kolonialgeschichte. Wir müssen uns auseinandersetzen mit den letzten zwanzig, dreißig Jahren deutscher und europäischer Afrika-Politik, bei der wir uns nicht immer mit Ruhm bekleckert haben. Viele der afrikanischen Staaten, die sich bei der Abstimmung in der letzten Woche enthalten haben, kämpften in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts gegen die Kolonialstaaten um ihre Unabhängigkeit. Dazu zählen unter anderem Südafrika, Namibia, Äthiopien und Guinea. Hilfe für ihren Kampf erhielten sie damals von der Sowjetunion, zum Beispiel beim Guerillakampf der Antiapartheidbewegung in Südafrika oder in Namibia. Die Verbundenheit dieser Staaten zu Russland resultiert aus dieser Geschichte. Dazu kommen enge wirtschaftliche, militärische und politische Verbindungen in einigen Teilen des afrikanischen Kontinents. Russland nutzt diese Verbindungen jetzt schamlos aus für seinen eigenen Imperialismus. Der Sudan ist abhängig von russischem Weizen, der Präsident der Zentralafrikanischen Republik von russischen Waffen. Die Wagner-Gruppe – das hat der Kollege Karamba Diaby schon angesprochen – wird von Putin überall dort eingeschleust, wo der Westen in den vergangenen Jahrzehnten gefährliche Leerstellen hinterlassen hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wollen wir, das können wir selbstverständlich ändern. Um das notwendige Vertrauen dafür zu schaffen, müssen wir unsere koloniale Geschichte aber endlich konsequent aufarbeiten. Wir müssen aufhören, Afrika einfach – das tun Sie in Ihrem Antrag leider noch – als Problemkontinent zu beschreiben. Wir müssen mit der jahrzehntelangen Afrika-Politik Deutschlands brechen, die allem voran die wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik als Fortschritt für Afrika verkaufen möchte. Ich bin deshalb froh, dass wir jetzt eine Außenministerin haben, die sich nicht auf eine neue alte Blockkonfrontation in Afrika einlässt und nicht eine rein interessengeleitete, sondern eine wertegeleitete Außenpolitik macht, eine feministische Außenpolitik, die darauf setzt, dass die Bedürfnisse der Staaten und eben auch ihrer Menschen, ihrer Bevölkerung und ihre komplexen Motivlagen ernst zu nehmen sind, die auf eine Stärkung der jungen und motivierten Zivilgesellschaft – die in Ihrem Antrag leider kein einziges Mal erwähnt wird – setzt, die auf die Stärkung der afrikanischen Gesundheitssysteme setzt, für die Corona immer noch ein massives Problem ist. Auch das ist leider nicht Teil dessen, womit Sie sich in Ihrem Antrag beschäftigen. Corona ist in Afrika jedoch immer noch ein extrem großes Thema. Und sie setzt auf eine zivile Krisenprävention, auf humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit, die die partnerschaftliche Kooperation in den Mittelpunkt stellt. Zum Schluss komme ich gerne noch einmal auf die Wirtschaft zu sprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Denn eine effektive Klima- und Energieaußenpolitik, wie Sie sie auch in Ihrem Antrag fordern, die hätten wir längst haben können, die hätten wir längst aufbauen müssen in den letzten 16 Jahren. In der Ampelkoalition gibt es jetzt endlich eine eigens dafür bestellte Staatsministerin. Wir halten uns beim Ausbau der erneuerbaren Energien, bei Investitionen in nachhaltige Infrastruktur und die lokalen Wertschöpfungsketten an die Bedürfnisse unserer afrikanischen Partner und nicht an eine neokolonial anmutende Symbolpolitik. Dementsprechend werden wir diesen Antrag ablehnen. Mit den Herausforderungen werden wir uns natürlich weiter beschäftigen. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der Kollege Andrej Hunko, Fraktion Die Linke.
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Peter Boehringer AfD
Peter
Boehringer
AfD
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Guten Morgen! Der Haushaltsentwurf 2019 war eine schwere Geburt: 16-stündige Wehen in der Bereinigungssitzung, in den allerletzten Stunden noch ein 300-seitiges Papier zum Beraterwildwuchs im Verteidigungsministerium sowie Anträge für über 1 000 zusätzliche Posten auf Regierungsebene. Die plakative schwarze Null des Haushalts ist erneut nur durch Tricksereien, Auslassungen und Sondereffekte zustande gekommen. Wie schon 2018 ist der Haushalt unvollständig. Erneut sind keinerlei Rückstellungen für die Euro-Risiken eingepreist, obwohl in drei Wochen ein neues Euro-Rettungspaket beschlossen werden soll, zu dem selbst wir im Haushaltsausschuss trotz x Nachfragen noch keine belastbaren Details bekommen haben. Es ist völlig intransparent, welches Paket im Dezember beschlossen werden soll, mit welchen Instrumenten, mit welchen Obergrenzen, mit welchen parlamentarischen Beteiligungsrechten. Sicher ist hier nur die alte EU-ropäische Grundregel: L‘Allemagne paiera – Deutschland wird zahlen. Wir erleben ganz aktuell wieder eine Staatsanleihen- und Bankenkrise in Südeuropa. Griechenland und Italien wären ohne EZB und ohne deutsche Bonität bereits in der Insolvenz. Der griechische Bankensektor hat allein in den letzten sechs Monaten die Hälfte seines Börsenwerts verloren, allein in der letzten Woche 13 Prozent. Aufschläge auf italienische Anleihen liegen derzeit bei 330 Basispunkten. Nach ifo-Institut ist das die sogenannte Todeszone. Für Griechenland werden derzeit neue Rettungsprogramme verhandelt, zumindest diskutiert, und das keine 15 Wochen, nachdem uns im Haushaltsausschuss in einer Sondersitzung explizit gesagt wurde: Das ist nun die dauerhafte Rettung Griechenlands. – Nein, die absehbare erneute Rettung sowohl von Griechenland als auch von Italien wird schon 2019 wieder stattfinden müssen, vermutlich in Form von extremen Refinanzierungsprogrammen der EZB. Über 300 Milliarden Euro stehen da an. Unseres Erachtens sind solche langfristigen Mega-Tender verfassungswidrig; denn sie stellen keine Geldpolitik dar, sondern sind verbotene Wirtschaftspolitik und Staatsfinanzierung durch die Zentralbank. Minister Scholz, Sie sagten neulich in den Medien, italienische Schulden seien das nationale Problem Italiens. Aber gleichzeitig tut die Bundesregierung alles dafür, diese südeuropäischen Schulden zu sozialisieren. Fast jeden Monat erfahren wir zurzeit von einer neuen Rettungsfazilität, einem neuen Rettungsinstrument. Das alles sind gewaltige unerklärte Risiken für den Bundeshaushalt und kommende Transferleistungen Deutschlands und des Steuerzahlers. Die Regierung profitiert heute ohne ihr Zutun von der Nullzinspolitik der EZB, die wie ein riesiges Konjunkturprogramm auf Pump wirkt. Für den Bundeshaushalt ist es die beste aller Welten: sprudelnde Steuereinnahmen und minimale Zinskosten. Dennoch erreicht die Regierung die schwarze Null nur ganz knapp durch Anzapfen von Rücklagen. Man muss in dieser Situation Rücklagen anzapfen. Das ist schon Wahnsinn. Die finanziellen Spielräume in einem national-rational geplanten Haushalt wären in diesem Umfeld so groß, dass man gleich zwei große Würfe machen könnte – die AfD hat das beantragt und auch vollständig gegenfinanziert –: Erstens könnte der Solidaritätszuschlag ab 2019 vollständig abgeschafft werden. Das wären gut 19 Milliarden Euro Entlastung für den Bürger schon ab 2019. Die Regierung plant den Soliabbau erst ab 2021 und auch nur teilweise. Selbst ihrer eigenen Planung scheint sie nicht wirklich zu trauen; denn statt hier Beschlüsse herbeizuführen, wurde das Thema in den Ausschüssen dreimal nacheinander von der Tagesordnung genommen. Zweitens. Die Regierung könnte 2019 auch sämtliche Schulden tilgen, die im Zuge der Finanzkrise vor zehn Jahren entstanden sind. Das sind wirklich viele große Zahlen. Selbst zehn Jahre nach 2009 werden diese Schulden aber immer noch nicht getilgt. Stattdessen führt die Regierung die Haushaltsüberschüsse auch 2019 wieder der sogenannten Asylrücklage zu, die mit den 18er- und 19er-Zuschüssen und ‑Abflüssen auf über 30 Milliarden Euro steigen wird. Das ist die Erwartung, die wir zum Jahresende 2018 haben. Die Rücklage ist seit nunmehr vier Jahren das Überlaufbecken für Haushaltsüberschüsse, die den Menschen zurückgegeben werden müssten. Selbst dann blieben noch reichlich Mittel für die Pflege, für die Rente sowie Investitionen in Schulen, in den Breitbandausbau, in die Straßen und Familien. Die AfD fordert die Regierung auf, endlich wieder Politik und Haushaltspolitik für das deutsche Volk zu machen. Die schwarze Null wurde vom Finanzministerium diesmal nachts um vier herbeigerechnet durch Änderungsanträge zu Zinskosten in Milliardenhöhe. Diese Position wird schon zum wiederholten Mal missbräuchlich zu dieser Nullrechnung benutzt. Solche Tricksereien sollte das BMF einfach mal lassen und stattdessen seine kreativen Kapazitäten nutzen, um die Bundesschuld sauber zu strukturieren. Wir könnten 30-jährige Bonds emittieren zu einem lächerlichen Minizins von 1 Prozent. Es wäre möglich, erheblich mehr zu machen. Nur ein Zehntel der Bundesschuld ist derzeit als Langläufer ausgestaltet. Doch es geschieht nichts. Stattdessen gibt es Kurzläuferanleihen. Der Grund ist natürlich: Es kostet nichts, sie kosten wirklich null. Aber das ist kurzfristige Legislativdenke. Nach uns die Sintflut; das ist die Denke bei dieser Verschuldungspolitik. Ebenfalls nachts um vier hat die GroKo dann, versteckt im Kleingedruckten, noch einen Aufwuchs des Kreditrahmens für internationale Finanzinstitutionen um 14 Milliarden Euro beschlossen – einfach verfügt, zugestimmt. Alle Parteien außer der AfD haben hier kritiklos zugestimmt. Der Ökonom Roland Baader sagte zu solcher Politik schon vor zehn Jahren: „Wir werden nachhungern müssen, was wir“ – auf Kredit – „vorausgefressen haben!“ Er dachte noch an das langfristige Wohl der Nation, und er schämte sich nicht dafür, dass im Wort „Nationalökonomie“ das Wort „Nation“ vorkommt und im Wort „Volkswirt“ das böse Wort „Volk“, das schon damals von der GroKo so geschmäht wurde. Es gibt gewaltige unerklärte Risiken, speziell in der Mittelfristplanung, durch die TARGET-Forderung der Bundesbank: fast 1 Billion Euro. Die AfD hat auch hierzu risikominimierende Anträge gestellt. Wir machen das auch im Dezember noch mal. Zum Brexit: Wir fordern die Regierung auf, endlich den ständigen Aufwuchs der EU-Beiträge zu stoppen. Die EU plant ernsthaft eine Erhöhung der deutschen Beiträge von 30 bis 31 Milliarden Euro im Jahr 2018 auf 45 Milliarden Euro pro Jahr in der neuen Siebenjahresplanung. Und ja, Herr Minister, ich weiß, dass heute Nacht die Verhandlungen gescheitert sind; aber wir ahnen, dass sie doch nicht dauerhaft gescheitert sind und Sie hier nachgeben werden. Deutschland würde auf dieser Basis den Brexit praktisch alleine finanzieren, zusätzlich noch das an dieser Stelle vor drei Tagen mit Herrn Macron ausgekungelte Euro-Zonen-Budget. Zu den Migrationslasten im Haushalt. Die Zustimmung der Länder wird erkauft durch Milliardentransfers des Bundes in Form von negativen Einnahmen und damit auch hier ohne klaren Ausweis im Bundeshaushalt. Ja, sie sind drin, aber sie sind nicht klar drin. Der offizielle Ausweis der Flüchtlings- und Integrationskosten von jährlich 21 Milliarden Euro unterzeichnet die Lage. Bei realistischer Einrechnung aller gesellschaftlichen Kosten wären sie noch viel höher und permanent ansteigend. Das ist ja ein Sockelbetrag; es steigt ja mit jedem Tag, an dem die Grenzen offen sind. Wir fordern, die Integrationskosten für Migranten ohne Bleiberecht gänzlich zu streichen. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Viele Migrationskosten sind zudem immateriell, aber doch fatal für unsere Gesellschaft – dazu mehr nächste Woche an gleicher Stelle, bei der Debatte zum Global Compact for Migration. Auch er wird natürlich – wenn er denn wirklich kommt – haushaltsrelevant, wenn auch nicht heute. Die Haushaltsposten zur Fluchtursachenbekämpfung wären ja im Prinzip sogar zustimmungsfähig. Auch wir versuchen, Fluchtursachen zu minimieren. Doch auch diese Titel sind vielfach weltfremd. Einige Beispiele – ich kann Ihnen das nicht ersparen; es gäbe Hunderte davon –: Förderung erneuerbarer Energien in Moscheen in Nordafrika, Stärkung von LGBTI in Honduras, angewandtes Gender Diversity Management im Nahen Osten – das muss man sich vorstellen –, bezahlbarer und nachhaltiger Wohnraum in Asien und – das ist wirklich die Krönung – ein Resilienzprogramm im Jemen, also ausgerechnet in jenem Land, das gerade auch mit deutschen Waffen durch Saudi-Arabien zurück in die Steinzeit gebombt wird, wo ein Genozid an den dortigen Schiiten stattfindet. Man versucht hier, bestmenschlich zu helfen, während man die eigentlichen Ursachen des Wahnsinns nicht sehen will oder sie sogar selbst herbeiführt – ähnlich wie beim Global Compact, der auch nur an Symptomen herumdoktert und die Überbevölkerung in Afrika und in islamischen Staaten als Ur-Ursache des Migrationsdrucks partout nicht nennen will. Ich komme zum Schluss. Das Motto hier ist: Mit deutschem Geld können wir alle Probleme lösen. – Das ist alles Hybris, Machbarkeitswahn, Weltbeglückung. Der vorliegende Haushalt ist voll davon. Wir werden ihn ablehnen. Danke. Nächster Redner ist Johannes Kahrs, SPD.
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Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ekin
Deligöz
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit einer aktuellen Entwicklung anfangen, die uns im Haushaltsverfahren ereilt hat: Am Vortag der Bereinigungssitzung wurde ein 150-Millionen-Euro-Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus beschlossen und uns dann vorgelegt. Wir unterstützen es, dass Sie da etwas machen. Ich finde sogar, es war überfällig, dass wir da handeln. In diesem Sinne haben Sie unsere Unterstützung. Unsere Unterstützung werden Sie übrigens auch haben, wenn Sie uns ein Demokratiefördergesetz vorlegen; das haben wir ja längst im Bundestag verlangt. Ich hoffe, dass das reibungslos läuft und uns Ihre Vorlage noch in dieser Wahlperiode erreicht. Unsere Unterstützung dafür hätten Sie. Als Haushälterin muss ich aber sagen: Die Lage ist für mich sehr unbefriedigend. Eigentlich haben wir ja das Haushaltsverfahren, damit wir über Ihre Vorschläge beraten können, damit wir das von Ihnen Vorgelegte etatisieren können und unsere eigenen Vorschläge danebenlegen können, also konstruktiv mitarbeiten können. An dieser Stelle war das aber komplett ausgeschlossen. Sie haben uns aus diesem ganzen großen Ankündigungsüberschriftenpaket keine einzige etatreife Vorlage vorgelegt. Von daher bleibt eine gewisse Skepsis nach wie vor bestehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich will verdeutlichen, woher diese Skepsis kommt. Meine Fraktion hat im Haushaltsverfahren mehrere Vorschläge eingebracht, aber ich nehme jetzt mal zwei heraus. Ein Vorschlag war die finanzielle Stärkung der Antidiskriminierungsstelle, deren Leitung übrigens seit vier Jahren nicht besetzt ist. Das passt sehr gut in den Kontext. Eigentlich fordern Sie das ja irgendwie auch selber. Und was haben Sie gemacht? Sie haben die Aufstockung und Aufwertung abgelehnt. Ein zweites Beispiel. Wir haben Ihnen einen Aktionsplan für Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in unserer Gesellschaft vorgeschlagen. Es gibt inzwischen einen aktuellen Anlass dafür: Wir haben einen Monitoring-Bericht vorliegen, der uns erschreckende Ergebnisse liefert. Er zeigt auf, dass transfeindliche und homofeindliche Gewalt in unserer Gesellschaft um sich greifen und dass wir dringend agieren müssen. Was haben Sie gemacht? Sie haben das abgelehnt. Es geht aber nicht nur um diese Ablehnung. Es ist richtig, was mein Kollege Meyer hier gesagt hat: Wir warten an ganz vielen Stellen auf Ergebnisse von Ihnen. Wir warten darauf, dass Sie endlich handeln und nicht nur Überschriften produzieren. Ich gebe Ihnen da ein paar schöne Beispiele: Bundesfreiwilligendienst/Jugendfreiwilligendienst: Es ist noch kein ganzes Jahr her, dass Sie gesagt haben: Wir möchten das stärken; alle Jugendlichen, die teilnehmen wollen, sollen auch teilnehmen können. Wir möchten in diesem Land groß etwas verändern. – Gekommen ist bisher nichts, liebe Kolleginnen und Kollegen. Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung: Nicht nur Sie, sondern auch die Kanzlerin sagt, wie dringend er umgesetzt werden muss. Das ganze Verfahren ist im Moment aber komplett in der Schwebe, und wir wissen nicht, ob in diesem Jahr überhaupt noch was passieren wird, geschweige denn im nächsten Jahr. Das Ganze steht auf der Kippe. Ja, ich gebe zu, es ist eine Herausforderung, mit den Ländern hierüber zu verhandeln. Aber auch Sie müssen da ein bisschen Schuld eingestehen. Warum? Weil Sie ein großes Glaubwürdigkeitsproblem bei den Maßnahmen haben. Sie haben allen versprochen, zum Beispiel bei dem Gute-KiTa-Gesetz, dass bis 2024 in der Finanzplanung eine Verstetigung vorgesehen werden soll. Gekommen ist – nichts, gar nichts. Dann haben Sie versucht, Frau Ministerin, das irgendwie verbal zu kaschieren. Aber so doof sind die Länder auch nicht; sie durchschauen das, und sie vertrauen Ihnen nicht mehr. Sie vertrauen Ihnen nicht nur hier nicht, sondern sie vertrauen Ihnen auch bei den Ganztagsschulmaßnahmen nicht. Deshalb tun Sie sich so schwer, mit den Ländern zu verhandeln, und deshalb ist die Umsetzung vor Ort so schwer. Sie versprechen viel, aber Sie halten Ihre Versprechen einfach nicht ein, Frau Ministerin. Frau Ministerin, Sie haben versprochen, dass im Bereich der Frauenhäuser etwas passiert, dass eine Verstetigung in der Finanzarchitektur kommt, dass verlässliche Strukturen kommen. Was ist bisher passiert? Was kommt? Nichts, das große Nichts – außer dass wir damit hingehalten werden, dass irgendwelche Verhandlungen geführt werden. Vereinbarkeit von Pflege und Beruf: Gerade erst, vor einer Stunde, wurde hier darüber debattiert. Sie haben da Maßnahmen, Sie haben da Programme, die komplett gescheitert sind, die komplett am Bedarf vorbeigehen. Auch da: Seit drei Jahren kündigen Sie uns Haushältern an, dass Sie die Regelungen überarbeiten werden, dass Sie sie verbessern werden, dass da andere Maßnahmen kommen. Gekommen ist – nichts, Frau Ministerin. Ein letztes Beispiel – das nehme ich Ihnen wirklich auch persönlich übel –: Unser größtes Problem im Moment ist, gerade in der Pandemie, dass Familien, die in Armut leben, immer mehr darunter leiden. Wir haben vorgeschlagen, dass zumindest mal für die Ärmsten der Armen, die Kinder in ALG-II-Haushalten, ein Zuschlag kommt, damit auch der Wintermantel und die Winterschuhe gesichert sind. Von Ihnen haben wir dazu nichts gehört, Frau Ministerin. Das ist zu wenig. Ja, wir sind in der Pandemie. Das ist die Stunde der Exekutive, und die Familien wollen eine Vertreterin, eine Anwältin haben. Ihre Antwort, Frau Ministerin, darauf ist – nichts. Bedauerlicherweise ist es anders in Ihrem Wahlkampf; da machen Sie ja sehr viel. Jetzt hat das Wort die Bundesministerin, Frau Franziska Giffey. Frau Ministerin, bitte.
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Frank Pasemann AfD
Frank
Pasemann
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Deutschland wirtschaftlich, militärisch und moralisch am Boden. In den Folgejahren entwickelte sich allerdings durch die Wirtschaftspolitik Ludwig Erhards unter dem Schlagwort „Wirtschaftswunder“ eine florierende soziale Marktwirtschaft, die sich vor allem auf eines stützte: auf das Handwerk. Dieses baute die daniederliegende deutsche Wirtschaft in fast allen Bereichen wieder auf, und schon bald spielte Deutschland mit seiner Wirtschaftskraft wieder im Konzert der Großen mit. Die deutsche Politik und Wirtschaft galten wieder etwas in der Welt, die Deutsche Mark wurde zum Inbegriff einer starken europäischen Wirtschaftspolitik. Das deutsche Handwerk hatte goldenen Boden und bildete das Rückgrat des Mittelstandes. Ein deutscher Meisterbrief in einem Handwerksberuf wurde weltweit als Empfehlung und Gütesiegel für handwerkliche Meisterleistungen angesehen. Der deutsche Handwerksmeister muss insofern als Kulturgut gelten. Doch wie steht es heute um das einst viel gerühmte deutsche Handwerk? Dem Handwerk fehlt es an dringend benötigtem Nachwuchs. Mit der zunehmenden Internationalisierung der Ausbildung durch den sogenannten Bologna-Prozess ging eine Angleichung der akademischen Standards einher, oft nicht ohne Qualitätsverluste. Wir verloren in diesem Zug ein weiteres Kulturgut: den deutschen Ingenieur. Immer mehr junge Menschen machen Abitur und einen Universitätsabschluss. Wir erleben derzeit eine wahre Akademikerschwemme, besonders in den sogenannten Geisteswissenschaften. Die derzeitigen Bildungspolitiker landauf, landab sehen darin einen Erfolg. Doch wohin mit all diesen Geisteswissenschaftlern? In der Wirtschaft kann man zum großen Teil nichts mit ihnen anfangen. Aus dieser Politik erwächst dem Handwerk eine gefährliche Konkurrenz. Viele junge Menschen, die eigentlich nicht für eine akademische Laufbahn geeignet sind, werden in die akademische Ausbildung getrieben. Dies alles kann nicht im Interesse der deutschen Berufsbildung sein. Stärkeres Ziel unserer Berufsförderungspolitik muss der Anreiz zu einer selbstständigen Tätigkeit in einem Meisterberuf sein. Die Bundesregierung muss es endlich schaffen, mit ihrer Politik die Begeisterung für den handwerklichen Beruf in unserer Jugend wiederzuerwecken. Der Meistertitel als Qualitätsgarant muss als solcher gesichert werden, und das Handwerk muss auch in Deutschland wieder den anfangs erwähnten goldenen Boden bekommen. Ziel unserer Politik muss es sein, dem Mittelstand, insbesondere dem deutschen Handwerk, den ihm gebührenden Platz in unserer Gesellschaft zuzuweisen. Sie sind und bleiben das Rückgrat unserer Wirtschaft. Hierbei kann eine weiter reichende Wiederherstellung der Meisterpflicht nur dienlich sein. Danke. Das Wort hat die Kollegin Gabriele Katzmarek für die SPD-Fraktion.
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Bernd Reuther FDP
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kruse hat es gesagt: 108 Punkte sind von der Regierung vorgelegt worden. Da nützt manchmal auch ein Blick zurück. Beim letzten Antrag in der vergangenen Wahlperiode waren es 78 Punkte, jetzt sind noch 30 hinzugekommen. Woran liegt das? Viele sind einfach nicht abgearbeitet worden, es ist nichts passiert. Ich will hier ein Beispiel nennen. Herr Kollege Saathoff hat den Landstrom angesprochen. Im Antrag der letzten Wahlperiode stand unter Punkt 32, die Bundesregierung möchte prüfen, ob der Landstrom von der EEG-Umlage befreit werden kann. In diesem Antrag heißt es unter Punkt 58: … zu prüfen, ob Landstrom in Häfen mit einer reduzierten EEG-Umlage und einem abgesenkten Netzentgelt belegt werden … Liebe Freunde der Bundesregierung, vielleicht prüft ihr einmal zu Ende und macht etwas. So wird nämlich auch ein Beitrag zum Klima geleistet. Das ist hier der Punkt. Es ist schon mehrfach angesprochen worden: Die maritime Wirtschaft braucht vernünftige Infrastruktur. Das gilt natürlich besonders für die Häfen entlang der deutschen Küste. Das gilt aber auch für die Hinterlandanbindungen. Die Anbindung der Seehäfen an die deutschen Wirtschaftsregionen muss mit dem Wachstum des Außenhandels mithalten, ansonsten drohen Infrastrukturengpässe, die die Konjunktur nachhaltig schwächen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der wirtschaftliche Erfolg in unserem Land wird auch weiterhin davon abhängen, ob die Lieferketten funktionieren. Das belegen die unterschiedlichen Industrien, zum Beispiel auch die inzwischen viel gescholtene Autoindustrie. Ich gehe davon aus, dass, mit welcher Antriebsart auch immer, deutsche Autos auch in Zukunft über die deutschen Seehäfen exportiert werden. Dafür brauchen wir vernünftige Transportketten. Gleiches gilt für die chemische Industrie, für den Maschinenbau etc. etc. Ich komme jetzt einmal mit einem Lob um die Ecke. Ich bin sehr froh, dass der Bundesverkehrsminister in dieser Woche den Masterplan Binnenschifffahrt vorgelegt hat. Das war lange überfällig; denn auch eine funktionierende Binnenschifffahrt trägt dazu bei, dass die maritime Wirtschaft, dass die Seehäfen funktionieren. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir haben marode Schleusen. Wir brauchen die Abladeoptimierung am Mittelrhein. Das trägt dazu bei, dass die deutsche Industrie ihre Waren auch zukünftig in alle Welt exportieren kann. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, verehrte Bundesregierung, sorgen Sie dafür, dass wir eine Infrastruktur haben, die funktioniert, dass die Waren aus Deutschland rauskommen. Dann können wir uns auch in Zukunft weiter Exportweltmeister nennen. Herzlichen Dank. Peter Stein, CDU/CSU, hat als nächster Redner das Wort.
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Bernhard Daldrup SPD
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Klinge, auch ich gratuliere Ihnen natürlich zu Ihrer ersten Rede, will aber zumindest sagen: Die ersten 100 Tage, die wir regieren und in denen wir etwas zustande gebracht haben, das ist ungefähr die Zeitspanne, die Sie sozusagen in touristischer Manier auf dem Balkon verbracht haben und in der Sie nichts Vernünftiges hinbekommen haben. Herr Brehm hat den Sachverhalt hier sehr schön steuerrechtlich eingeordnet. Ich will mal ein bisschen politisch zur Sache Stellung nehmen. Wenn die AfD über Steuerrecht redet, hat sie meist in petto, eine Steuer abzuschaffen. Dieses Mal will sie sogar eine Steuer abschaffen, die es gar nicht gibt, allenfalls im Jargon der Lobbyisten: die Urlaubssteuer. Es geht aber natürlich – die Urlaubszeit steht vor der Tür – nicht darum, über marktbeherrschende Unternehmen und über die Frage zu sprechen, ob sie Preissprünge in der Hochsaison nicht reduzieren sollten, damit sich Familien mit Kindern einen Urlaub leisten können. Vielmehr liegt alles angeblich am Staat, und das ist etwas, was kaum glaubhaft ist. Worum geht es eigentlich in der Diskussion? Herr Brehm hat darauf hingewiesen: Es geht um Steuern. Konkret geht es um die Gewerbesteuer. Noch präziser: Es geht um Gleichbehandlung bei der Veranlagung zu dieser Steuer. Ich will daran erinnern, wie das eigentlich zum damaligen Zeitpunkt war: 2008 haben SPD und Union eine sehr große Steuerreform für Unternehmen durchgeführt. Wir haben die Körperschaftsteuer von 25 Prozent auf 15 Prozent gesenkt. Wir haben die Gewerbesteuermesszahl von 5 Prozent auf 3,5 Prozent abgesenkt. Dadurch haben wir die Unternehmen in Deutschland um rund 5 Milliarden Euro pro Jahr entlastet. Selbstverständlich profitiert davon auch die Tourismusbranche jedes Jahr. Sollen wir diese Steuersenkung eigentlich jetzt zurücknehmen? Das ist ja die Frage, die sich stellt, wenn man die Anträge von AfD und FDP liest. Rosinenpickerei reicht ja wohl nicht aus; denn gleichzeitig mit den Steuersenkungen im Jahr 2008 haben wir die Regeln für die gewerbesteuerliche Hinzurechnung systematisiert, aktualisiert. Wie alt sie ist, hat Herr Brehm eben gesagt. Damit haben wir erreicht, dass alle Unternehmen gewerbesteuerlich gleichbehandelt werden, egal ob sie betriebsnotwendiges Aktivvermögen fremd- oder eigenkapitalfinanzieren, ob sie es anmieten oder im Eigentum nutzen. Ich will Ihnen ein Beispiel geben: Es kann doch nicht wahr sein, dass ein Reiseveranstalter, der ein Hotel im Eigentum hat, schlechtergestellt wird als ein Reiseveranstalter, der die Zimmer nur anmietet. Das ist doch wohl nicht gerecht. Vor dem Hintergrund muss man sagen: Die massive Steuersenkung bei gleichzeitiger Hinzurechnung einzelner Tatbestände dient dazu, Gleichbehandlung zu erreichen. Wer die Hinzurechnung nicht will, der kann auch die Steuersenkung nicht haben. Das war und das bleibt auch gerecht. Schauen wir mal anhand eines praktischen Beispiels, worum es eigentlich geht. Die Tourismusbranche selber sagt, dass eine Reise wegen der gewerbesteuerlichen Gleichbehandlung um 2,3 Prozent teurer wird; das sind bei einer Pauschalreise im Wert von 1 000 Euro also immerhin 23 Euro. Das ist das Ergebnis einer lobbygetriebenen Berechnung. Es gibt andere Berechnungen – auch unsere eigene –, die zu dem Ergebnis kommen, dass es – weil nur Teilbereiche der Kosten wie beispielsweise unstreitig die Übernachtungskosten in die gewerbesteuerliche Hinzurechnung einbezogen werden – gerade mal 0,6 Prozent, also 6 Euro bei einer 1 000 Euro teuren Reise, sind. Diese Summe müssen übrigens dann nur Unternehmen zahlen, die über den ebenfalls 2008 eingeführten Freibetrag von 100 000 Euro kommen; darüber ist eben gesprochen worden. Dass man bei der Berechnung differenzieren kann, wissen wir, weil die FDP seinerzeit die Mövenpick-Steuer eingeführt hat. Da war das mit der Auseinanderrechnung auch kein Problem. Also: Die Behauptung, wegen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung würden Urlaubsreisen zu teuer, hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Die Forderung der AfD ist also erwartungsgemäß Unsinn. Das gilt erst recht für die Anwendung auf einzelne Branchen. Würde man den Sachverhalt so regeln, kämen andere Branchen an und würden sagen: Gleiches Recht für alle! – Die Messebauer beispielsweise würden darauf hinweisen, dass ihnen die Messehallen auch nicht gehören. Die Logistiker würden selbstverständlich entsprechend darauf hinweisen. Es wäre ein Einfallstor, um die Axt an die Gewerbesteuer zu legen. Das will die FDP. Das ist traurig, muss man sagen. Es geht um Steuerrecht; es geht aber auch darum, was eigentlich mit der Gewerbesteuer finanziert wird. Wer, wenn nicht die Kommunen, produziert denn die Standorte für die Tourismusindustrie? Die Kommunen produzieren die Standorte; das kann kein anderer. Und ich sage Ihnen: Die von ihnen geschaffene touristische Infrastruktur ist die Voraussetzung dafür, dass touristische Unternehmen überhaupt ihre Angebote realisieren können. Ich komme gleich zum Schluss. Ich will aber noch ganz kurz sagen: Ich bin nicht so ganz sicher, ob dieser penetrante Lobbyismus seit vielen Jahren der Tourismusindustrie wirklich nützt, wenn man sich mal überlegt, wer eigentlich diese Interessen hier vertritt. Darüber sollte man tatsächlich mal nachdenken. Eine letzte Bemerkung zum Antrag der FDP, der im Grunde genommen darauf zielt, die Gewerbesteuer abzuschaffen. Ich sage Ihnen: Es geht hier um ein besonderes Thema, aber Ihr Modell führt zu einer Verschärfung der Gegensätze zwischen wohlhabenden und strukturschwachen Gemeinden in Deutschland; Ihr Modell führt nicht zu gleichwertigen, sondern zu gegensätzlichen Lebensverhältnissen in Deutschland. Das wollen wir auf gar keinen Fall. Ich kann Ihnen in einer Extradebatte mal zeigen: Was Sie da wollen, ist so kommunalfeindlich, wie es überhaupt nur sein kann. Das ist mit uns nicht zu machen. Herzlichen Dank. Nächste Rednerin: die Kollegin Kerstin Kassner von der Fraktion Die Linke.
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Dr.
Dr. Jens Brandenburg FDP
Jens
Brandenburg
FDP
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Viele Studierende stehen jetzt in der Coronakrise vor großen Geldsorgen. Sie sind oft auf umfangreiche Nebenjobs angewiesen, um ihr Studium zu finanzieren. Diese Nebenjobs fallen jetzt weg – in der Gastronomie, im Tourismus, bei Großveranstaltungen. Frau Karliczek, dass ausgerechnet Sie jetzt auf zeitliche Engpässe verweisen, ist doch wohl ein schlechter Witz. Die Nöte sind seit vielen Wochen bekannt. Sie haben bisher nur die 12 Prozent BAföG-Empfänger in den Blick genommen. Vor allem Nicht-BAföG-Empfänger stehen aber aktuell vor großen Problemen. Die haben Sie bisher völlig im Stich gelassen. Die Sorgen kennen wir. Jetzt ist Zeit, zu handeln, Frau Ministerin! Ein Darlehen haben Sie letzte Woche angekündigt. Konkretes bleiben Sie uns ja auch heute wieder schuldig. Klar ist nach Ihren Medienäußerungen bisher nur, dass es wieder nur einer kleinen Gruppe helfen soll, diesmal denen, die für das BAföG schon aufgrund ihrer Studiensituation gar nicht erst infrage kommen. Durchs Raster fallen wieder all jene jungen Menschen im Erststudium, deren Eltern auf dem Papier fürs BAföG zu viel verdienen. Was nützt denn der formale Unterhaltsanspruch, wenn die Eltern in Kurzarbeit sind, aber deshalb noch lange nicht ihr Eigenheim verkaufen werden? Öffnen Sie das BAföG-Volldarlehen für alle, die ihren Nebenjob verloren haben! Die Verfahren sind eingespielt, der Förderanspruch ist sehr schnell zu prüfen, und die Rückzahlung, Frau Bas, wäre dann erst nach dem Studium bei gutem Einkommen fällig. Das wäre eine schnelle, pragmatische, finanzierbare Lösung, die vielen erst mal Luft zum Atmen verschafft. Also handeln Sie, Frau Ministerin! Wir brauchen eine krisenfeste Studienfinanzierung für alle. Schaffen Sie einen unbürokratischen Härtefallfonds, um Studierenden in besonderen finanziellen Notlagen auch mit direkten Zuschüssen direkt unter die Arme greifen zu können. Die Mittel sind vorhanden: 900 Millionen Euro BAföG-Mittel wurden allein im letzten Jahr nicht verausgabt. Schaffen Sie mit der Arbeitsagentur und den Studierendenwerken vor Ort eine schnelle Vermittlung in neue Nebentätigkeiten zur Unterstützung der Landwirte, der Supermärkte, der Gesundheitsbehörden. Sorgen Sie dafür, dass neue BAföG-Ansprüche schneller berechnet werden. Vereinfachen Sie die Verfahren, indem Sie wie ja schon bei der Grundsicherung auf die aufwendige Vermögensprüfung verzichten. Stellen Sie klar, dass das aktuelle Sommersemester nicht auf die BAföG-Höchstförderdauer angerechnet wird. Und öffnen Sie sich endlich für eine strukturelle Reform zu einem elternunabhängigen BAföG, wie wir Freie Demokraten es längst vorgeschlagen haben. Also, handeln Sie, Frau Ministerin! Ein eigenes Konzept für eine krisenfeste Studienfinanzierung bleiben Sie uns auch heute schuldig. Ihre Planlosigkeit macht mich fassungslos. Kommen Sie jetzt endlich in die Pötte! Unterstützen Sie die Studierenden, damit Corona nicht auch noch zur Bildungskrise wird! Vielen Dank. – Als Nächstes spricht für die Fraktion Die Linke die Kollegin Nicole Gohlke.
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Johannes Schraps SPD
Johannes
Schraps
SPD
Verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es jetzt in der Debatte schon mehrfach gehört: Die angekündigte Massenentlassung in der Tochterfirma der Sana Kliniken AG, der DGS pro.service GmbH, hat vollkommen zu Recht einen großen Aufschrei mit sich gebracht. Mehr als 1 000 Beschäftigte sollen bis Ende des Jahres deutschlandweit entlassen werden, und deshalb ist es wichtig, dass wir diese Thematik hier heute diskutieren und dass sie aufgesetzt worden ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Die Sana AG ist ein profitabler Klinikkonzern mit mehr als 50 Standorten in Deutschland, einem Umsatz von 2,8 Milliarden Euro und einem Gewinn von 67 Millionen Euro in 2019. Die Sana DGS pro.service ist als 100-prozentige Tochtergesellschaft der Sana Immobilien Service GmbH Teil der Sana Kliniken AG und an jedem einzelnen Standort der Sana AG tätig. Einer dieser Standorte befindet sich bei mir im Wahlkreis, im Weserbergland. Das ist das Sana Klinikum Hameln-Pyrmont, direkt an der Weser in der Rattenfängerstadt Hameln. Wir hören ja häufig davon in den Nachrichten, wenn sich große Konzerne, aus welchen Gründen auch immer, dazu entschließen, Entlassungen durchzuführen. Für die meisten Beobachter ist das dann sehr weit weg, weil es ja viele Standorte betrifft und weil sich die große Zahl der Entlassungen meist aus vielen kleinen Zahlen zusammensetzt. Aber wie auch in vielen anderen Fällen lohnt sich ein Blick darauf, was das eigentlich vor Ort bedeutet. Auch in Hameln wird es bis Ende dieses Jahres mindestens 36 Beschäftigte treffen. Das ist jetzt vielleicht eine kleine Zahl; an anderen Standorten werden es ähnliche Zahlen, an wiederum anderen vielleicht auch höhere sein. Und überall ist es schlimm; denn für jeden einzelnen Betroffenen und jede einzelne Betroffene ist es schlimm, zu den Entlassenen zu gehören, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Ich bin in den letzten Jahren und Monaten mehrfach in diesem Klinikum gewesen, um mit der Geschäftsführung zu sprechen, um mir von den Ärzten das Coronaprozedere erläutern und zeigen zu lassen und um zu hören, wie es dem Pflegepersonal mit der Belastung in der Coronasituation geht – auch um hier in Berlin dann anschaulich weiterleiten zu können, dass die Belastung am Limit ist, vor und während der Coronapandemie. Mit Manuel Strohdeicher ist übrigens einer der Pfleger aus diesem Hamelner Sana Klinikum von den Patientinnen und Patienten zum beliebtesten Pfleger des Jahres 2019 in Deutschland gewählt worden. Er hat diesen Preis damals, Ende 2019, hier im Reichstagsgebäude in einer Feierstunde übergeben bekommen. Manuel Strohdeicher steht aber für ganz viele engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im gesamten Klinikum; denn so ein Klinikum – das hat Manuel Strohdeicher damals in seiner Dankesrede auch deutlich gemacht – ist ein sensibles Gebilde, in dem viele Rädchen richtig ineinandergreifen müssen, damit das große Ganze funktioniert. Es ist knapp sechs Monate her, da konnte ich mich ganz persönlich – mitten in der Coronazeit – davon überzeugen, dass genau diese Rädchen trotz der extrem schwierigen Situation ineinandergreifen: Am 1. November letzten Jahres wurde ich in ebendiesem Sana Klinikum an der Achillessehne operiert, die ich mir einige Tage zuvor beim Fußballspielen gerissen hatte, nicht beim FC Bundestag. Ich darf an dieser Stelle deshalb nicht nur dem operierenden Arzt, nämlich Professor Dr. Hankemeier, dafür danken, dass ich heute, ein halbes Jahr später, hier stehen kann und mich auf sportliche Betätigung wieder freuen kann, wenn das bald wieder möglich ist. Aber ich kann mich genauso beim Team der Notaufnahme, der Anästhesie, der Radiologie, bei den Stationspflegerinnen und Stationspflegern, bei der Physiotherapie, beim Narkoseteam, bei den Auszubildenden, beim Nachtdienst, bei den Reinigungskräften, bei allen bedanken, die ich vielleicht persönlich gar nicht gesehen habe, die aber mit ihrem Wirken im Hintergrund zum Funktionieren dieses Krankenhauses beigetragen haben. Ich hatte die Tochterfirma der Tochterfirma der Sana Kliniken AG, die DGS pro.service, ja gerade bereits genannt. Neben der Unterhaltsreinigung der Sana Kliniken gehören auch die Stationsassistenz, die Hol- und Bringedienste, die Pforten- und Sicherheitsdienste – das ist gerade schon genannt worden – zum Portfolio dieser Firma. 3 000 Beschäftigte, viele davon in Teilzeit, sind Teil dieses Krankenhaussystems, wo ein Rädchen in ein anderes greifen muss. Sie werden zum größten Teil von diesen Entlassungen betroffen sein; 1 000 von ihnen sollen jetzt entlassen werden. Und wenn der Vorstand der Sana Kliniken AG gestern dem Gesundheitsausschuss schreibt, dass die „Teilbetriebsschließung“ – also alles außer Reinigung ist eben auch nur ein Teil, wenn auch ein großer – für die Beschäftigten keine tarifabsenkende Wirkung haben soll, dann frage ich mich: Warum macht man das denn dann überhaupt, verehrte Kolleginnen und Kollegen? Man kann ja übrigens auch weiter dasselbe verdienen, aber im Endeffekt deutlich mehr zu tun haben, wenn einem die entlassenen Kolleginnen und Kollegen an der Seite fehlen. Mit erhöhtem Arbeitsaufwand und schlechterer Versorgungsqualität werden damit auf dem Rücken von Patientinnen und Patienten und auf Kosten der Beschäftigten massive Einsparungen vollzogen, um die Profite der Anteilseigner zu steigern. Über ihre Werte und Verlässlichkeit – das ist mein abschließender Satz, Herr Präsident – schreibt Sana übrigens auf der eigenen Homepage: Unsere Mitarbeiter sind unser höchstes Gut, all unser Tun ist geprägt durch den respektvollen Umgang untereinander. Liebe Sana Kliniken Aktiengesellschaft, dies ist die falsche Entscheidung zum noch falscheren Zeitpunkt. Überdenken Sie noch einmal genau, was Sie da entschieden haben! Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Kollege Schraps. – Der letzte Redner in der Aktuellen Stunde ist der Kollege Dr. Roy Kühne.
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Sven Lehmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sven
Lehmann
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat haben in dieser Woche 41 Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbände, Kinderschutz- und Familienverbände, der Dachverband der Tafeln und viele, viele mehr in einem eindringlichen Appell erneut deutlich gemacht, dass wir einen Aufschlag auf die Grundsicherung brauchen – um erneut deutlich zu machen, dass die Ärmsten in dieser Krise nicht noch ärmer werden dürfen –, und zwar in Höhe von 100 Euro jeden Monat mehr für Erwachsene und von 60 Euro für Kinder. Wir Grüne schließen uns dieser Forderung an. Wir haben das mehrfach hier beantragt, und wir werden es immer wieder beantragen, bis es dieser Bundestag endlich beschließt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Was machen jetzt CDU/CSU und SPD in diesem Gesetzentwurf? Statt auf die Fachwelt zu hören, sehen sie eine Einmalzahlung in Höhe von 150 Euro vor. Wir haben seit einem Jahr diese Krise. Wir haben es in dieser Zeit geschafft – auch mit großen Mehrheiten –, milliardenschwere Hilfspakete hier auf den Weg zu bringen. Das war richtig. Aber die Ärmsten sind quasi leer ausgegangen. Und jetzt gibt es – nach einem Jahr – eine Einmalzahlung in Höhe von 150 Euro für erwachsene Menschen, die Grundsicherung beziehen. Ich hätte, ehrlich gesagt, erwartet, dass Sie das hier totschweigen, weil es so peinlich ist. Aber stattdessen rühmen Sie sich noch dafür. Das ist nicht mehr als ein wahltaktisches Almosen. Wir brauchen echte Hilfe für die Menschen in der Grundsicherung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Jetzt sagt Minister Heil, wir sollten nicht so tun, als wäre das nichts. Eine Einmalzahlung in Höhe von 150 Euro für 13 Monate, das sind etwa 11,50 Euro pro Monat bzw. 38 Cent pro Tag. Der Regelsatz ist ohnehin schon viel zu niedrig, und jetzt kommen lächerliche 38 Cent pro Tag dazu – bei steigenden Preisen für Obst, für Gemüse, für frische Lebensmittel, für Energie, für Desinfektionsmittel und, und, und. Das ist keine Hilfe. Das ist eine Nullrunde für die Armen; das müssen Sie sich hier vorwerfen lassen, Herr Minister! Jetzt wird damit begonnen, die kostenlose Abgabe von zehn FFP2-Masken für Menschen in der Grundsicherung zu organisieren. Das ist gut, aber es ist ja wohl auch das Mindeste, wenn das Tragen dieser Masken zur Pflicht gemacht wird. Und jetzt stellt sich heraus, dass das seitens der Bundesregierung zum Beispiel für Geflüchtete gar nicht vorgesehen ist; hier verweist die Bundesregierung an die Länder und Kommunen. Ich habe es diese Woche noch schriftlich bekommen. Beim Infektionsschutz besteht also nicht nur ein Flickenteppich, sondern auch ein Klassensystem. Infektionsschutz darf aber weder vom Geldbeutel noch vom Aufenthaltsstatus abhängen, er muss für alle Menschen gelten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich komme zum Schluss: Die Coronakrise ist groß, ja. Deswegen müssen die Reaktionen auch sozialpolitisch groß sein. Dieses Sozialschutz-Paket III ist es leider nicht. Ja, Sie verlängern einige Regelungen beim Zugang zur Grundsicherung, Sie verlängern die Sicherstellung der sozialen Dienste bis Ende Juni. Da frage ich mich, ehrlich gesagt: Warum nur bis Ende Juni? Die Krise wird wohl kaum bis Ende Juni vorbei sein. Gerade die Träger der sozialen Dienste brauchen längerfristige Sicherheit. Das heißt, es braucht an diesem Gesetzentwurf noch deutliche Verbesserungen. Dazu sind wir bereit und werden das auch in den Ausschussanhörungen durch entsprechende Anträge deutlich machen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank. – Das Wort geht an Dagmar Schmidt von der SPD-Fraktion.
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Steffen Kotré AfD
Steffen
Kotré
AfD
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Nein, Herr Westphal, die Energiewende ist kein Feuerwerk an Chancen, sondern ein Feuerwerk an Verbrennung von volkswirtschaftlichen Ressourcen. Herr Linnemann, Sie sagen, dass wir nur einen Anteil von 2 Prozent am weltweiten CO2-Ausstoß haben. Das ist richtig. Das ist unser Reden. Wir kriegen das nicht hin, wenn nur wir in Deutschland dafür unsere Industrie schreddern. Richtig ist: Wir müssen die industriellen und die innovativen Bereiche voranbringen, damit wir CO2 anders behandeln; wenn Sie denn CO2 als Teufelszeug sehen. Das wäre der richtige Ansatz. Nichts anderes sagen wir. Im vorliegenden Haushaltsentwurf finden wir wieder Subventionen für die Markteinführung von E-Mobilität. Aber wie alle Marktwirtschaftler wissen: Subventionen für die Markteinführung alter Technik sind schädlich. Das ist schädlich für die Wirtschaft und hinausgeworfenes Geld. Darüber hinaus zerstört die E-Mobilität im Zusammenhang mit dem Lithiumabbau für die Herstellung von Batterien die Lebensgrundlage zum Beispiel der indigenen Bevölkerung in Südamerika. Die Förderung einer Tonne Lithium bedarf 1 Million Liter Wasser, das verdunstet, also nicht mehr da ist. Der Grundwasserspiegel sinkt, und Flüsse und Feuchtgebiete trocknen aus. Es kommt zu Wasserknappheit in den entsprechenden Gemeinden vor Ort. Darüber hinaus ist die Abbautechnologie mit Bodenkontamination und verseuchtem Trinkwasser verbunden. Das alles ist mit dem Lithiumabbau vor Ort in Südamerika verbunden. Das zerstört die Lebensgrundlage für die Viehzucht. Lamas kommen behindert zur Welt, sterben frühzeitig. Wenn ich an dieser Stelle ein Zitat eines Vertreters der betroffenen Indigenen bringen darf: Der Abbau von Lithium für Europa und der Wechsel zum Elektroauto werden unsere Gemeinden und unsere Landschaft umbringen. Lassen Sie sich das bitte einmal auf der Zunge zergehen. E-Mobilität ist also umweltschädlich und zerstört Lebensgrundlagen. Hören wir also auf, diese rückwärtsgewandte, umweltschädliche Technologie zu subventionieren und weiter zu unterstützen. Hören wir vor allen Dingen auf mit der manischen und pathologischen Propaganda für diese Technik, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Dieseltechnologie zum Beispiel viel umweltfreundlicher ist. Hören wir einfach damit auf, und fangen wir einfach an, mehr im Bereich Kernspaltung und Kernfusion zu forschen. Es gibt auf dem Gebiet der Kernspaltung nunmehr die vierte Generation an Reaktoren, die nach menschlichem Ermessen vermutlich sicher sein wird. Die Wissenschaftler werden noch feststellen, dass das so ist. Beim Zwei-Flüssigkeiten-Reaktor, Dual Fluid, kann keine Kettenreaktion vonstattengehen. Das Schöne ist: Wir können das Endlagerproblem lösen. Die Strahlung wird nur noch 300 Jahre anhalten, aber auch das werden wir lösen, wenn wir die bisher theoretisch ermittelten Forschungsergebnisse auch praktisch umsetzen. Das müssen wir eben, und dafür brauchen wir Geld. Vor allen Dingen: Vernachlässigen wir nicht wie bisher die Kernfusion. Am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald gibt es eklatante Engpässe in der Finanzierung. Die Wissenschaftler dort müssen betteln, damit sie entsprechende Kapazitäten für die Auswertung ihrer Versuchsreihen erhalten. Eine Versuchsreihe dauert drei Monate und die Auswertung dann zwei Jahre, weil kein Personal und vor allem keine Rechnerkapazität vorhanden sind. Das ist ein Skandal für unser Land. Die Asiaten laufen uns davon; denn sie wissen, wie wichtig Zukunftstechnologie ist. Sie investieren dort massiv. Es ist eine Schande für Europa, dass wir unseren Blick hier nicht öffnen, sondern immer noch an alten Technologien festhalten und die zukunftsweisenden Technologien verlieren. Das muss aufhören. Damit muss Schluss sein. Lassen wir bei uns endlich wieder ideologiefreie Wissenschaftler sprechen! Das fordern wir. Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat nun Thomas Jurk das Wort.
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Denise Loop BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Denise
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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe CDU/CSU-Fraktion, auch wenn der erste Satz Ihrer Initiative bizarr ist, Sie haben recht mit der Feststellung: Sexualisierte Gewalt stellt eine schwerste Rechtsverletzung dar und „gehört zu den abscheulichsten Dingen, die einem jungen Menschen angetan werden können“. Dem müssen wir uns als Gesellschaft mit der notwendigen Ernsthaftigkeit widmen. Sie tun dies aber leider nicht. Als Ampelkoalition werden wir sexualisierte Gewalt gegen Kinder entschieden und wirkungsvoll bekämpfen. Um hier nur drei Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zu nennen: Wir werden das Amt der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs gesetzlich verankern. Wir werden die Unabhängige Aufarbeitungskommission Kindesmissbrauch weiterführen. Und wir werden die länderübergreifende Zusammenarbeit in Kinderschutzfällen verbessern. Zu glauben, dass das Ziel allein mit der Speicherung von IP‑Adressen erreicht werden kann, zeugt von einem massiv mangelnden Verständnis der Komplexität dieses Themas; denn es darf hier nicht nur um die Frage „Kinderschutz versus Datenschutz“ gehen. Ihre Versuche, verschiedene Grundrechte gegeneinander auszuspielen, sind schlicht absurd. Denn das Thema ist vielschichtig und muss umfassend betrachtet werden. Ihr Antrag leistet das in keinster Weise. Ihre Forderung ist ebenso reflexhaft wie ineffektiv. Er wird dem Thema nicht gerecht, und Ihre Forderung schützt vor allem kein einziges Kind vor sexualisierter Gewalt. Denn um Kinder wirksam davor zu schützen, offline wie online, braucht es viel mehr. Was das für die Sicherheitsbehörden bedeutet, haben meine Ampelkolleginnen und ‑kollegen hier jetzt schon sehr deutlich gemacht. Unser Ziel muss sein, dass keine Taten passieren. Dafür müssen wir viel früher ansetzen. Wir brauchen Prävention und Schutzkonzepte in Schulen, in Kitas, in Sportvereinen, in allen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Auch das private Umfeld müssen wir in den Blick nehmen; denn viele Taten passieren im direkten sozialen Nahraum. Für effektive Prävention braucht es eine umfassende Aufarbeitung der Taten, die geschehen sind und die noch jeden Tag geschehen. Das heißt: Es muss Angebote für Betroffene geben, um über ihre Erfahrungen sprechen zu können. Sie sollten die Möglichkeit bekommen, zu sagen, welche Präventionsangebote, Unterstützung und Hilfe sie benötigen. Denn es darf nicht vom Zufall abhängen, ob Betroffene Zugang zu derartigen Angeboten haben oder eben nicht. Um Aufarbeitung zu stärken, müssen also verbindliche Strukturen und Hilfsangebote geschaffen werden. Und das sage ich auch als Sozialarbeiterin, die bis vor zehn Monaten im Jugendamt gearbeitet hat und tagtäglich mit dem Schutz von Kindern beauftragt war. Wenn Sie also ein ernsthaftes Interesse daran haben, den Kampf gegen sexualisierte Gewalt an Kindern zu führen, dann lassen Sie uns bitte darüber sprechen, wie wir die Kooperation von allen beteiligten Institutionen voranbringen, wie wir funktionierende Schutzkonzepte in allen Bereichen, in denen sich Kinder und Jugendliche bewegen, etablieren, wie wir alle Menschen für das Thema und die Gewalt, die Kindern und Jugendlichen angetan wird, sensibilisieren und wie wir die Arbeit der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs und der Unabhängigen Aufarbeitungskommission Kindesmissbrauch stärken. Ich bin gespannt auf Ihre konstruktiven Vorschläge. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin Loop. – Nunmehr erhält das Wort die Kollegin Mechthilde Wittmann, CDU/CSU-Fraktion.
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Nicole
Höchst
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Werter Herr Präsident! Werte Kollegen! 2019 – nächster Weltfrauentag, nächste Runde Heuchelei, nächste Runde lauwarmes Anfassen, nächste Runde AfD-Ba­shing! Heute stellt sich doch die Frage: Brauchen wir den klassischen Feminismus noch? Weg damit! Sie alle – außer der AfD – sind in der Fläche nicht willens und in der Lage, den Elefanten anzusprechen, der im Raume steht. Sie sind nicht willens und in der Lage, die islamische Unterwerfung der Frau deutlich anzuprangern. Ganz im Gegenteil dazu fällt diese islamische Besonderheit bei Ihnen unter eine Art Bestandsschutz einer falschen, liberalen Auslegung unseres Grundgesetzes. Sie setzen unter dem Deckmäntelchen von totaler Toleranz und Multikulti-Ekstase Artikel 4 Grundgesetz absolut und akzeptieren unter der Freiheit des Glaubens und ungestörter Religionsausübung stillschweigend, dass Frauen im Islam eben nicht gleichberechtigt sind. Ihre Politik ist untauglich. Wir verzeichnen zum Teil großen zahlenmäßigen Zuwachs im Bereich Kopftuchzwang schon bei jungen Mädchen, Mehrehekinder, Zwangsehen – Cousins und Cousinen heiraten –, religiös und kulturell nicht sanktionierte Gewalt in der Ehe, Genitalverstümmelung und sogenannte Ehrenmorde und Massenvergewaltigung. Sie lassen als Volksvertreter seit Jahrzehnten Frauen, muslimische Frauen, in Deutschland und Deutschland durch Wegsehen und lautes Schweigen im Stich. Diese Frauen und Mädchen in Deutschland hatten Vertrauen in unsere Gesetze und in unseren Staat. Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass Sie damit sexistisch, rassistisch und diskriminierend gegenüber den betroffenen Frauen handeln und dass Sie Deutschland verraten. Sie alle hier schauen gerne – auch heute – in ferne Länder und wollen dort die Dinge verbessern. Schauen Sie sich lieber hier in Deutschland um. Recherchieren Sie einmal im Internet „Die Leine des Grauens“. Stellen Sie sich darüber hinaus die Frage, besonders die sogenannten frauenbewegten Politikerinnen unter Ihnen: Wollen Sie das so? Wollen Sie Frauenrechte zurück in die Steinzeit katapultieren? Echt jetzt? Ja, Vergewaltigung und Mord gab es immer schon in Deutschland. Das galt und gilt es mit aller Härte zu bekämpfen. Das heißt aber auch, dass wir nicht ohne Not zusätzliche Horden testosterongesteuerter junger Männer aus islamisch geprägten Kulturkreisen en masse importieren und uns mit Messern oder sonst wie abschlachten lassen. Diese Leute sagen uns zum Hohn vor deutschen Gerichten aus, dass die vorangegangenen Konflikte in ihrer Kultur eben mit dem Messer gelöst werden. Das können Sie nachlesen. Dafür bekamen und bekommen sie leider noch allzu oft einen strafmildernden Kulturbonus vor deutschen Gerichten. Sie, deutsche Volksvertreter, schützen Sie nicht mehr durch Ihr lautes Schweigen, Ihr Relativieren, Beschönigen, Nicht-wahrhaben-Wollen und Ihr Schattenboxen im Rahmen von – für Sie ungefährlichen – Me-too-Kampagnen unsere Schlächter. Schützen Sie nicht mehr unsere Frauenrechteabschaffer in spe! Und: Schützen Sie unsere Frauen und Mädchen! Schützen Sie Deutschland! Können Sie überhaupt noch in den Spiegel schauen? Ich appelliere an Sie – noch lauter als im letzten Jahr –: Hören Sie endlich auf, Busen in Parlamenten zu zählen! Hören Sie endlich auf, zu feiern und sich dafür feiern zu lassen, dass Sie es Gott sei Dank endlich geschafft haben, die Werbung für straffrei gestellte Tötung von Kindern im Mutterleib zu legalisieren! Schützen Sie endlich wirksam Frauen und Mädchen und Deutschland! Setzen Sie unsere grundgesetzlich verbrieften Rechte mit aller gebotenen Härte und aller gebotenen Konsequenz endlich durch, für alle! Wahrheit kann in einer Demokratie niemals Hetze sein. Gewalt und gesellschaftliche Spaltung kann nie eine Lösung sein. Es wird allerhöchste Zeit für Frauenpolitik, die den Namen auch verdient hat, Zeit für die AfD. Vielen Dank. Nächste Rednerin ist die Kollegin Silvia Breher, CDU/CSU.
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Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken! Fangen wir mal mit dem Positiven in Ihrem Antrag an. Es gibt zwei Sätze, die absolut zutreffend sind: Dieser Krieg ist durch nichts zu rechtfertigen und muss sofort beendet werden. Russische Soldaten und Militärgerät müssen aus der Ukraine abgezogen werden. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, so weit vollkommen richtig. Und der Applaus, der hier durch die Reihen geht, unterstreicht, dass diese Haltung vom allergrößten Teil des Hauses auch getragen und geteilt wird. In diesem Sinne haben sich nach meinem Eindruck die Äußerungen der antragstellenden Fraktionen in den letzten Wochen ein bisschen verändert, weil in den Debatten der letzten Wochen, ebenso heute hier und dankenswerterweise auch im Antrag, ebenfalls klare und in der Form richtige, weil deutlich verurteilende Worte für diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg des Putin-Regimes gegen die Ukraine gefunden wurden. Sehr gut, dass hier eine klare Haltung vorhanden ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Diese Sätze zu Beginn Ihres Antrags sind aber insofern bemerkenswert, als wir es in vielen Debatten der letzten Jahre zu häufig von Ihnen gewohnt waren, dass vorbehaltslos prorussische Ansichten und ein Verteidigen der Putin’schen Politik an der Tagesordnung waren, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Da ist eine Änderung zu sehen. Wenn ich dann nämlich den Antrag weiterlese, öffentliche Äußerungen und auch den Beitrag der Kollegin Nastic hier zu Beginn dazunehme, dann kommen mir doch wieder Zweifel an einer möglicherweise veränderten Einstellung bei Ihnen. Denn wenn die Kollegin Nastic hier sagt, die Ampelkoalition und die Union hätten Deutschland mit ihrem Bundestagsbeschluss, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern und darüber hinaus auch ukrainische Soldaten in Deutschland oder auf NATO-Gebiet auszubilden, zur aktiven Kriegspartei gemacht, dann ist das schlicht falsch, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Sie haben hier eben ausgeführt, dass Sie sich auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages beziehen. Dort heißt es – da müssen wir wirklich genau auf die Formulierung schauen –: ... wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, dann würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen. Der erhebliche Unterschied in der Formulierung, die Sie gerade verwendet haben – zur aktiven „Kriegspartei“ zu werden –, und der Formulierung – möglicherweise den „gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen“ – müsste selbst Ihnen deutlich auffallen. Vor einiger Zeit hätte ich persönlich noch gesagt: Die einzige Handlung, die im gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung liegt, ist die Nichthandlung, also gar nichts zu tun, wirklich niemanden zu provozieren und nichts herauszufordern. Heute wissen wir aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass selbst die Nichthandlung nicht davor schützt, Opfer eines unprovozierten Angriffskriegs zu werden, so wie es die Ukraine geworden ist. Denn Russland hat gegen das UN-Gewaltverbot verstoßen und hat die territoriale Integrität eines friedliebenden Nachbarlandes, nämlich der Ukraine, infrage gestellt und verletzt. Russland hat Völkerrecht gebrochen, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Laut der UN-Charta ist der Verteidigungskrieg die einzig legitime Form eines Krieges. Und als Unterstützer, auch in Form einer Ausbildung, wird man nicht automatisch zur Kriegspartei. Die Schwelle zur Kriegspartei, so sagt es die UN-Charta, wird dann überschritten, wenn eigene Soldaten denen einer anderen Kriegspartei unmittelbar Schaden zufügen. Das ist hier ganz klar nicht der Fall. Wir unterstützen vielmehr die Ukraine in ihrem Recht auf Selbstverteidigung, verehrte Kolleginnen und Kollegen, und das ist auch richtig und gut so. Einen Aspekt, der in Ihrem Antrag völlig außer Acht gelassen wird, möchte ich aber gerne noch mal ansprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken: Das ist Wladimir Putin. Im Laufe seiner Präsidentschaft hat Putin ja schon viele Kriege geführt: den zweiten Tschetschenien-Krieg, den Krieg in Georgien, die Annexion der Krim, den Krieg in der Ostukraine und nun den flächendeckenden Angriffskrieg gegen die Ukraine, um nur ein paar zu nennen; es könnten noch mehr sein. Es gibt kaum Grundsätze des internationalen Rechts, die Putin in diesen Kriegen nicht gebrochen hat; das muss man ganz klar so sehen. Wenn wir aus diesen vielen Auseinandersetzungen, die Putin geführt hat, spätestens jetzt eines gelernt haben sollten, dann ist es die Tatsache, dass Putin sich überhaupt nicht um die Regeln des friedlichen Zusammenlebens schert. Auch rationales Handeln kann man ihm überhaupt nicht attestieren; denn dann hätte er diesen wahnsinnigen Angriffskrieg nie begonnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Wir wissen es nicht sicher, aber möglicherweise ist es für Putins Handeln ja völlig unerheblich, wie wir uns verhalten. Sollte er irgendwann die persönliche Entscheidung treffen, Deutschland, die EU, die NATO oder wen auch immer als Kriegspartei zu sehen, dann ist es jedenfalls sehr unwahrscheinlich, dass er das aus rationalen Erwägungen heraus tun wird. Und er wird da sicherlich auch keine Paragrafen des Völkerrechts bemühen, um das zu erklären, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Denn sein Regime baut seit Jahren auf Desinformation und Propaganda, und Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind leider leere Worte für ihn. Insofern ist dieser Diskurs, den wir hier heute Abend führen und den Sie mit diesem Antrag hier gestartet haben, ein Diskurs, der vielleicht für uns und für unsere eigenen moralischen Ansprüche ein guter und wichtiger ist, aber nicht für Putin, der das Völkerrecht offensichtlich verachtet, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Was unsere eigenen moralischen Grundsätze angeht, da befinden wir uns in der Tat in einem schwierigen Dilemma. Das spüre ich wie wahrscheinlich ganz viele Menschen in unserem Land ganz persönlich. Ich habe ehrlicherweise ein wirklich ungutes Bauchgefühl, wenn ich daran denke, dass ich hier vor einiger Zeit Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet zugestimmt habe. Da habe ich ein ungutes Bauchgefühl, und es wird vielen Kolleginnen und Kollegen so gehen. Ich habe aber ein mindestens ebenso ungutes Bauchgefühl, wenn ich mir vorstelle, wir würden einfach nur zuschauen, wie ein Land von einem feindlichen übermächtigen Aggressor angegriffen wird, und wir würden nur danebenstehen. Herr Kollege! Das geht nicht, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Herr Kollege! Bitte? Sie müssten zum Ende gekommen sein. Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. – Deswegen müssen wir alles tun, was wir nach unserem sorgsamen Abwägen moralisch mit uns vereinbaren können. Zum Glück sind wir mit vielen Ländern – Herr Kollege. – gemeinsam zu dem Schluss gekommen, dass wir die Ukraine nicht einfach sich selbst überlassen können, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Knut Abraham ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.
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Nicole Gohlke DIE LINKE
Nicole
Gohlke
DIE LINKE
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das BAföG steht für Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Es ist das Instrument, mit dem junge Menschen, bei denen der Geldbeutel der Eltern nicht ausreicht, doch noch eine Hochschule besuchen können. 79 Prozent der Geförderten sagen, das BAföG sei für sie die Grundvoraussetzung, um überhaupt studieren zu können. Es ist ein echtes Drama, dass sich die Bundesregierung einer echten, einer substanziellen Reform des BAföG wieder und wieder verweigert. Eine solche Reform stünde jetzt ganz dringend an. Es sind nur noch 13 oder 14 Prozent der Studierenden, die mit dem BAföG gefördert werden. Jedes Jahr werden es weniger, und jedes Jahr trägt das BAföG weniger dazu bei, die Studien- und Lebenshaltungskosten zu decken. Das darf nicht so bleiben. Das, was die Große Koalition heute vorlegt, ist das, was quasi jede Wahlperiode einmal vorliegt: ein zu niedrig angesetzter Ausgleich der Preissteigerungen der letzten Jahre. Das hat nichts, aber auch gar nichts zu tun mit einer Trendumkehr. Sie gleichen den Sinkflug des BAföG damit nicht aus. Das ist schlimm für die Studierenden, und das ist, ehrlich gesagt, traurig für eine Regierung mit sozialdemokratischer Beteiligung. An dieser Stelle muss ich gleich weitermachen. Ich habe gedacht, ich höre nicht richtig, als dann auch noch SPD-Politiker angefangen haben, die geplanten Kürzungen beim Bildungshaushalt schönzureden. Wo sind wir denn, bzw. wo seid ihr denn hingekommen? Wenn irgendwer auf die Idee kommt, beim Bildungshaushalt Einsparungen vorzunehmen, um übrigens im gleichen Atemzug den Rüstungsetat kräftig aufzustocken, dann schreit man doch bitte schön: Nein, auf keinen Fall! Nicht mit uns! Das schreit man doch dann und schreibt nicht auch noch Gastbeiträge wie der Hamburger Wissenschaftssenator der SPD, in denen er sagt: Es ist doch kein Problem, wenn die Ausgaben für Bildung sinken. Das Geld sparen wir dann beim BAföG ein. – Das kann doch wirklich nicht wahr sein, liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten! Da liegt sogar – das muss ich wirklich sagen – der RCDS, der Studierendenverband der CDU, noch richtiger, wenn er schreibt – ich zitiere –: Das BAföG muss regelmäßig an steigende Preise und Einkommen angepasst werden. Die Bundesregierung muss fortwährend die Bedürfnisse der Studenten im Blick haben. – Gut, dass es auch Studentinnen gibt, das muss man dem RCDS noch einmal sagen. Das haben offenbar selbst die jungen Konservativen noch nicht so richtig auf dem Schirm. Aber der Rest war inhaltlich tatsächlich richtig. – Ihnen ist das sowieso völlig unklar; das ist ja bekannt. Die Sachverständigen im Ausschuss haben in der letzten Woche sehr deutlich gemacht, wo der vorliegende Gesetzentwurf nachgebessert werden muss. Erstens. Die Bedarfsätze sind für eine Sozialleistung viel zu niedrig. Das Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie zum Beispiel empfiehlt eine Anhebung auf 500 bis 550 Euro. 150 Euro mehr, während die Regierung 20 Euro plant! Zweitens. Die neue Wohnpauschale von 325 Euro deckt gerade mal so die durchschnittlichen Wohnkosten vom Jahr 2016. Angezeigt wäre aber natürlich eine An hebung auf das, was die Studis wirklich an Miete zu zahlen haben, und zwar im Jahr 2019. Angezeigt wäre, dass sich der Bund endlich angemessen in den Bau von studentischen Wohnheimen einbringt. Drittens. Die Altersgrenzen im BAföG entsprechen weder dem Gedanken des zweistufigen Studiums noch den Realitäten des lebenslangen Lernens. Sie gehören endlich abgeschafft. Viertens. Wir wissen, dass gerade junge Menschen aus finanziell schlecht gestellten Familien Angst haben, sich durch ein Studium zu verschulden, und im Zweifel lieber auf ein Studium verzichten. Das BAföG sollte – wie das früher einmal der Fall war – wieder zum Vollzuschuss werden. Zu all diesen Punkten haben wir Änderungsanträge vorgelegt. Sie können mithelfen, den Studierenden und ihren Familien wieder zu mehr Planungssicherheit und zu mehr Gerechtigkeit zu verhelfen. Sie können mithelfen, das BAföG als großes Instrument der Gerechtigkeit und des Bildungsaufstiegs zu erhalten. Vielen Dank. Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Kai Gehring für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Dr.
Dr. Nina Scheer SPD
Nina
Scheer
SPD
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht heute um die Verabschiedung des Gesetzes zur Veränderung, also zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungs-Quote, um sehr umfangreiche Änderungsanträge, die wir im parlamentarischen Verfahren noch entwickelt haben, und um einen wiederum sehr umfangreichen Entschließungsantrag. Ich möchte ganz zu Anfang meinem Kollegen Herrn Oliver Grundmann von der CDU/CSU-Fraktion für die sehr konstruktive Zusammenarbeit danken. Das ist ein sehr komplexes Gesetzeswerk. Wir haben sehr viele Stunden um eine Handhabung der unterschiedlichen Faktoren gerungen, die hier unter einen Hut zu bringen sind. Ich denke, wir haben auf Grundlage des von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs auch noch einige Veränderungen, Verbesserungen erreichen können. Mitten in den Beratungen ist das Bundesverfassungsgerichtsurteil ergangen, womit klar war, dass jeder Sektor – und damit auch der Verkehrssektor, um den sich dieses THG-Gesetz, abgekürzt gesprochen, dreht – seinen Anteil bringen muss. Insofern haben wir uns auch darauf verständigt: Je mehr Anreize wir mit dem Minderungsgesetz schaffen können, desto mehr wird auch erreicht werden müssen. Ich stelle das insofern voran, weil ich weiß, dass auch vielfach Kritik in Richtung einer Erhöhung der Anreize gekommen ist bzw. jetzt kommt, die da lautet: Wenn man die Anreize zu hoch setzt, dann könnte das vielleicht bedeuten, dass das überhaupt nicht erfüllbar ist und einfach nur teuer wird. – Dem möchte ich gleich vorangestellt – nach dem Motto „Den Stier bei den Hörnern packen“ – auch noch mal entgegenhalten: Wenn man die Anreize erst gar nicht hoch genug setzt, dann muss man sich nicht wundern, wenn man die Klimaschutzziele nicht erreichen kann. In diesem Sinne stehen wir als SPD-Fraktion gemeinsam in der Koalition dazu, dass wir die bis 2030 zu erreichende Minderungsquote von 22 Prozent, die im Regierungsentwurf enthalten war, nun auf 25 Prozent hochsetzen, was einem Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor von 32 Prozent entspricht, den wir bis 2030 erreichen wollen. Es wären sehr viele Details zu thematisieren. Ich kann hier jetzt nur einige herausgreifen: Es ist mir ein ganz besonderes Anliegen, zu betonen, dass wir es geschafft haben, die Ausphasung von Palmölprodukten zu verfrühen. Es war vorgesehen, das bis 2026 herauszuboxen, wir schaffen es jetzt schon bis Ende 2022. Das ist mit Blick auf die Lieferketten das Frühestmögliche, was abbildbar war, und das haben wir geschafft. Es stand in Rede, ob man das überhaupt im Gesetz regeln kann oder ob man das wegen der EU-rechtlichen Verknüpfung nur auf europäischer Ebene erreichen kann. Wir haben beides gemacht: Wir haben das im Gesetz verankert und mit dem Entschließungsantrag die Bundesregierung beauftragt, dass dies auch auf europäischer Ebene erreicht wird. Ich denke, das lässt sich wirklich sehen; das ist ein toller Erfolg. Als Zweites haben wir zum Beispiel auch die Möglichkeit geschaffen – ich weiß, dass das auch in der Kritik steht; aber es ist etwas, was ich verteidigen möchte und was ich auch begründen möchte –, dass bei der Gewinnung von Wasserstoff solche Dinge wie Klärschlamm in kommunalen Einrichtungen, die Verwertung biogener Reststoffe einbezogen werden. Dadurch wird tatsächlich auch Wasserstoffgewinnung für den Straßenverkehr möglich; es gibt ja auch kommunale Fahrzeuge, die dann unmittelbar damit betankt werden können. Das ist auch etwas, wo man fragen kann: „Ist das überhaupt zeitgemäß? Es sind auch viele batteriebetriebene Fahrzeuge unterwegs. Passt das überhaupt in die Landschaft?“ – Ja, es passt, weil wir technologieoffen darangehen wollen. Wenn es diese Möglichkeiten gibt, werden Anreize vor Ort geschaffen, sich daran zu beteiligen. Deswegen ist es eine gute Sache, das mit aufzunehmen. Zudem ist es uns gelungen, ein umfassendes Monitoring im Gesetz zu verankern. Falls sich herausstellt – möglicherweise konnte man das nicht voraussehen –, dass ein paar Weichenstellungen in die ein oder andere Richtung nicht optimal waren, dann kann man das in den nachfolgenden Jahren entsprechend begleiten und korrigieren. Kollegin Scheer, kommen Sie bitte zum Schluss. Der letzte Satz. – Ich konnte auf vieles leider nicht eingehen. Ich denke, es ist ein rundes, gutes Gesetz, und wir haben im parlamentarischen Verfahren viel erreicht. Vielen Dank. Das Wort hat der Abgeordnete Marc Bernhard für die AfD-Fraktion.
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Susanne Ferschl DIE LINKE
Susanne
Ferschl
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Wir brauchen mehr demokratische Kontrolle, gerade in einer Pandemie, die wir zweifelsfrei haben. Die Situation im März hat kurzfristige, einschneidende Maßnahmen nötig gemacht. Es ist eben keine Grippewelle, wie die AfD ständig behauptet. Jetzt, acht Monate später, wird wieder massiv in Grund- und Freiheitsrechte eingegriffen, und zwar ohne Beteiligung der Parlamente, ohne erkennbare Strategie und ohne eine Überprüfung der Wirksamkeit und der Auswirkungen der Maßnahmen, und das geht so nicht weiter. Seit Monaten erleben wir mehrere Akte eines absurden Theaters, aufgeführt von Kanzlerin und Ministerpräsidenten mit den Parlamenten als Zuschauern. Zuerst gab es einen Wettlauf: „Wer schränkt am schnellsten ein?“, danach: „Wer lockert am schnellsten?“, das alles vor der Kulisse: „Wer wird neuer Kanzlerkandidat der Union?“ Und Onkel Söder erzählt uns jetzt, wenn wir alle schön brav sind, dann dürfen wir vielleicht Weihnachten feiern. So schwindet die Akzeptanz der Bevölkerung, die wir dringend brauchen, meine Damen und Herren. Liebe Bundesregierung, gut, dass Sie unserem Antrag folgen und die Maßnahmen im Infektionsschutzgesetz konkretisieren. Aber für mehr Akzeptanz sind weitere Schritte nötig. Erstens. Maßnahmen, die in Grund- und Freiheitsrechte eingreifen, müssen demokratisch legitimiert sein, und die Debatten dazu, die gehören in die Parlamente. Zweitens. Es braucht transparente, nachvollziehbare Strategien, bei welcher epidemischen Entwicklung wie vorgegangen wird. Und zu einer starken Strategie gehört im Übrigen auch – ich muss ja wirklich schmunzeln, dass die FDP nach so langer Zeit endlich den starken Staat entdeckt hat – eine andere politische Weichenstellung, nämlich Maßnahmen gegen den Pflegenotstand und den Lehrermangel, Belüftungsanlagen für Schulen, ein Konzept für den öffentlichen Nahverkehr usw. Es ist doch absurd: Die Menschen haben zwar die Pflicht zum Abstandhalten; aber sie haben kein Recht darauf – zum Beispiel in überfüllten Bussen und Bahnen, in zu kleinen Klassenzimmern, in denen zum Teil nicht mal die Fenster aufgehen. Und es ist skandalös, dass Intensivbetten wegen Personalmangels nicht betreut werden können. Gehen Sie doch diese Probleme endlich an. Drittens brauchen wir den politischen Streit über die Verhältnismäßigkeit. Die Union ist hier raus mit ihrer Blockade beim Arbeitsschutzkontrollgesetz. Aber ansonsten gehören die Maßnahmen abgewogen. Was ist in welcher Situation schlimmer: Existenzangst, Einsamkeit oder Infektionsgefahr? Und darüber muss hier im Parlament unter Einbeziehung von Expertinnen und Experten gerungen werden, und zwar nicht nur ausschließlich mit Virologen. Die Krise ist nicht die Stunde der Exekutive. Sie ist die Stunde der Parlamente; denn sie sind die Herzkammer der Demokratie. Vielen Dank. Nächster Redner ist die Kollegin Dr. Manuela Rottmann, Bündnis 90/Die Grünen.
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Susanne Ferschl DIE LINKE
Susanne
Ferschl
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, meinen herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Ernennung! Mit Ihnen, Herr Heil, zieht allerdings auch ein Verfechter und Architekt der Agenda‑2010-Politik in das Arbeitsministerium ein. Sie sagen, Sie wollen einen verlässlichen, starken und handlungsfähigen Sozialstaat. Aber der Koalitionsvertrag spricht eine andere Sprache. Denn Sie suchen weiter mit alten Rezepten nach Antworten auf die Herausforderungen des digitalen Wandels. Sie sprachen von einer guten Entwicklung. Deutschland hat aber einen der größten Niedriglohnsektoren Europas. Wir haben eine weitere Zunahme von prekären Beschäftigungsformen, zum Beispiel Leiharbeit und Werkverträge. Es gibt einen massiven Druck auf Beschäftigte, jede Arbeit anzunehmen, egal wie schlecht sie bezahlt ist. Daran ändert sich nichts; an alldem halten Sie fest. Wenn man sich den Koalitionsvertrag genauer anschaut, stellt sich die Frage: Was sind wirklich Verbesserungen für die Beschäftigten? Das Rückkehrrecht in Vollzeit, die Einschränkung von Befristungen? Beides gilt erst ab einer bestimmten Betriebsgröße. Damit wird die Mehrheit der Beschäftigten nicht davon profitieren. Sie wollen auch an das Arbeitszeitgesetz heran. Aber CDU/CSU und SPD müssen sich merken: Das Arbeitszeitgesetz ist ein Schutzgesetz; man darf es nicht aufweichen. Sie sprechen immer von sogenannten Experimentierräumen. Aber, meine Damen und Herren, Beschäftigte sind doch keine Versuchskaninchen. Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit für Beschäftigte müssen wir ausbauen und nicht abbauen. Diese Beispiele beweisen: Der Koalitionsvertrag bringt für die Mehrheit der Beschäftigten nichts. Wir als Linke haben klare Vorstellungen davon, was jetzt nötig wäre und was die Beschäftigten brauchen. Wir brauchen beispielsweise einen Mindestlohn in Höhe von 12 Euro ohne Ausnahmen. Wir müssen die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 40 Stunden begrenzen. Wir brauchen eine Stärkung von Tarifverträgen und mehr Mitbestimmung für Betriebsräte und Personalräte. Die kämpfen nämlich für eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Für diese Ziele wird Die Linke auch in den nächsten Jahren engagiert streiten. Herzlichen Dank, Frau Kollegin Ferschl. – Als Letzter hat der Kollege Stephan Stracke für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
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Jürgen Braun AfD
Jürgen
Braun
AfD
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Humanitäre Hilfe ist notwendig, und humanitäre Hilfe soll in den Ländern selbst wirken – dort, wo sie gebraucht wird. Der Bericht der Bundesregierung zur humanitären Hilfe offenbart viele Schwächen. Nur eine davon: Es fehlt ein überzeugendes Konzept. Dieser Bericht ist ein Sammelsurium. Weltweit wachsen die humanitären Krisen. Die Bundesregierung versucht aber, ihre Konzeptionslosigkeit mit viel Geld zu verschleiern. Die enorme Steigerung der Ausgaben für die humanitäre Hilfe offenbart auch eine weitere Schwäche: In den Jahren 2014 und 2015 ist wichtige humanitäre Hilfe aus Deutschland und der EU ausgeblieben. In Syrien und in den Nachbarstaaten wäre sie dringend nötig gewesen. Damals wären es vergleichsweise nur kleinere Millionenbeträge gewesen, nicht viele Milliarden, wie seitdem Jahr für Jahr in Deutschland verschwendet. Die Flüchtlingslager waren 2014 überfüllt. Die Not war immens; in Syrien tobte der Krieg. Dann kam die Wanderungsbewegung – gestoppt erst durch Politiker wie Viktor Orban. Sein Grenzzaun ist heute die Lebensversicherung für Mitteleuropa. Ab dem Sommer 2015 hat das Versagen in der humanitären Hilfe die Bundesregierung eingeholt. Heute sind es viele Milliarden, die jedes Jahr ausgegeben werden müssen. Ich sage es noch einmal: Humanitäre Hilfe muss in den Ländern selbst wirken. Wir können die Probleme Afrikas und der arabischen Welt nicht hier in Deutschland lösen. Der Bericht der Bundesregierung ist damit vor allem eines: ein Dokument des schlechten Gewissens. Die Bundesregierung hat mit einer Vervierfachung der Mittel für humanitäre Hilfe ihr schlechtes Gewissen beruhigt. Vor wenigen Wochen gab es eine öffentliche Anhörung im Ausschuss zu genau diesem Bericht, über den wir hier sprechen. Die AfD-Fraktion hatte Alfred de Zayas eingeladen, einen weltweit geachteten und überaus erfahrenen Experten. Er hat mehrere Jahrzehnte lang wichtige Missionen der UNO geleitet. Und wie nannte dieser international höchst geachtete amerikanische Diplomat den Bericht der Bundesregierung? Eine Selbstbeweihräucherung nannte er ihn. Wichtige Themen fehlen in diesem Bericht wie die Ursache für die katastrophale humanitäre Krise im Südsudan. Ist es wirklich das Klima, wie der Bericht mehrfach suggeriert? Oder liegt es vielmehr daran, dass die Christen im Südsudan vom Nordsudan verfolgt wurden? Im Süden sind die Christen die größte religiöse Gruppe, weit vor den Moslems. Der Südsudan hat sich vom Nordsudan in einem religiösen Konflikt abgespalten. Bei der Bundesregierung fehlt diese Erklärung der Ursachen. Das heute gestürzte Regime al-Baschir gehörte mit Sicherheit zu den Ursachen. Und dann der Jemen: Was ist die Ursache für die humanitäre Krise im Jemen? Warum nennt der Bericht nicht die wahren Gründe? Auch im Jemen sind es kriegerische Stammeskonflikte, und sie sind religiös geprägt. Schauen wir in den Gazastreifen: Seit Jahrzehnten werden dort auch deutsche Steuergelder hineingepumpt, doch fast nichts landet bei den Ärmsten. Die Hamas instrumentalisiert das Leid. Israel-Feindlichkeit und Judenhass werden mit deutschen Steuermillionen gefördert. Viele Mitarbeiter des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge, kurz UNRWA, sind außerdem Hamas-Angehörige, das Neutralitätsgebot der humanitären Hilfe wird missachtet. Eine Schande! Und dann immer wieder das endlose infantile Gelaber vom Klimawandel: Der Klimawandel: das große grün-linke Ablenkungsmanöver unserer Zeit. Allzu oft wird das Klima als Krisengrund genannt, damit man die Wahrheit nicht aussprechen muss. Religiöse Verfolgung ist oft das Problem. Es sind menschengemachte Krisen. Es sind Stammeskonflikte. Es sind Kriege um Rohstoffe. Menschengemachte Krisen weltweit. Zahlreiche islamische Staaten und terroristische Gruppen treten kriegerisch auf, vor allem in Vorderasien und in Afrika. Doch die verantwortlichen Länder sind nicht im Bericht genannt. Es fehlt der Iran, es fehlt Katar, es fehlt Saudi-Arabien. Die Bundesregierung muss endlich ehrlich über die Ursachen der weltweiten Not informieren. Dann können wir über diesen Bericht ernsthaft diskutieren. Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Michael Brand das Wort.
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Ina Latendorf DIE LINKE
Ina
Latendorf
DIE LINKE
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ihre Forderung im Titel der Aktuellen Stunde haben wir in den letzten Wochen nicht selten vernommen: vom Bauernverband, von den Freien Bauern und anderen. Sie möchten eine Erhöhung der Lebensmittelproduktion, verbinden diesen Wunsch mit der extensiven Nutzung landwirtschaftlicher Nutzflächen und emotionalisieren dies damit, Hunger vermeiden zu wollen. Ziel ist Beharrung im Status quo. Weder vermeidet man mit diesem Dreh irgendwelche Versorgungsengpässe, noch entspricht dieses Ansinnen den Grundsätzen einer nachhaltigen Landwirtschaft. Im Gegenteil: Ganz schamlos nutzt die Agrarlobby den Krieg in Osteuropa für ihre Interessen. Diese möchte die Produktion intensivieren, den Ökolandbau schwächen, Nutzflächen weiter ausdehnen und eine naturverträgliche Landwirtschaft eigentlich nicht mehr stattfinden lassen. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Der Krieg in der Ukraine hat die europäischen und weltweiten Probleme der Lebensmittelversorgung nicht unvermittelt erzeugt. Versorgungsschwierigkeiten in der Ernährung haben wir seit Langem vor Augen, Stichwort „Welthungerhilfe“; sonst würde es die nicht geben. Erst jetzt, wo Europa betroffen ist, fangen viele an, sich Sorgen zu machen. Aber was ist mit dem Dauerkrieg im Jemen und in Syrien? Was ist mit der existenziellen Dürrekrise in Afrika? Was ist mit der Hitzewelle in Indien? Was ist mit dem Abtragen landwirtschaftlicher Anbaugebiete in Küstenregionen, in denen der Anstieg des Meeresspiegels die Lebensgrundlage bedroht? Ja, meine Damen und Herren, Sorgen machen müssen wir uns durchaus, und zwar große, und das schon seit längerer Zeit, aber nicht wegen der Stilllegung der Ackerflächen in europäischen Regionen. Die Ursachen liegen in der Art des Wirtschaftens, in Spekulation, ungleicher Ressourcenverteilung und falscher Subventionspolitik. Die Linke hat immer gefordert, dass die weitgehende Sicherung der Ernährung aus eigener Produktion ein wesentliches Ziel sozialer und ökologisch gerechter Landwirtschaftspolitik sein muss, aber nicht auf Kosten der ärmeren Länder der Welt und nicht zulasten der Ökologie und ebenso wenig auf dem Rücken der Bevölkerungsgruppen mit geringen Einkommen. Verwerflich ist die profitorientierte Produktion landwirtschaftlicher Güter; ihre Zwillingsschwester heißt „Spekulation mit Nahrungsmitteln“ – eine börsennotierte elende Plusmacherei mit der Ernährung zulasten der Verbraucher. Das Internationale Expertengremium für nachhaltige Lebensmittelsysteme berichtete im Mai 2022, dass sich die Lebensmittelpreise nun schon zum dritten Mal in den letzten 15 Jahren im Schatten von ökonomischen und politischen Krisen deutlich verteuert haben. Menschen in Deutschland und in der Welt leiden unter hohen Lebensmittelpreisen, und gleichzeitig haben deutsche Düngemittelhersteller ihren Gewinn in den ersten drei Monaten des Jahres 2022 vervierfacht. Die Gründe dafür liegen in der wirtschaftlichen Abhängigkeit von großen Unternehmen und nicht zuletzt in der Spekulation mit Nahrungsmitteln. Teuerungsraten bei Getreide von 54 Prozent sind derzeit zu verzeichnen. Und selbst wenn man den Anteil des Krieges in Osteuropa herausrechnen würde: Es bleibt eine erhebliche Spekulationsgröße übrig, die seit der Finanzkrise 2008 in mehreren Wellen ursächlich ist für die Preisanstiege. Dem begegnet man nicht mit Produktionssteigerung und zusätzlichen Flächenausbeutungen, sondern mit der Beseitigung der Motive für die Spekulation. Und ein weiterer Aspekt kommt hinzu. Der „Spiegel“ zitierte im März 2022 aus einer Studie der Umweltorganisation „Transport & Environment“: In Europa werden „täglich 10 000 Tonnen Weizen“ zu Ethanol verarbeitet – umgerechnet 15 Millionen Brote, um bei dem Beispiel mit den Nahrungsmitteln zu bleiben. Meine Damen und Herren, hier muss angesetzt werden. Alles andere wäre verantwortungslos. Derzeit hungern 800 Millionen Menschen weltweit; aber nur 50 Prozent der weltweiten Getreideernte dienen der menschlichen Ernährung. Die Grundfrage „Teller statt Tank?“ ist hier zu stellen, und sie muss dann auch landwirtschaftlich und ökonomisch vernünftig beantwortet werden. Es geht also keineswegs darum, die ökonomisch gesättigten und monopolartig aufgeteilten Lebensmittelmärkte weiter mit zusätzlichen und oft auch unnötigen Waren zu überschwemmen. Heute früh haben wir im Agrarausschuss noch einmal ganz deutlich gesagt: Es gibt kein Mengen-, sondern ein Verteilungsproblem und ein Bezahlungsproblem. Es muss dafür gesorgt werden, dass alle Menschen sich ausreichend gesunde Lebensmittel auch leisten können. Es darf kein Weiter-so geben! Das Versorgungs-, Verteilungs- und Überlebensdilemma darf nicht noch manifestiert werden. Meine Damen und Herren, Die Linke streitet dafür, eine zeitgemäße, ressourcenschonende Agrar- und Ernährungspolitik zu entwickeln. Das geht nur im Zusammenspiel mit sozialer Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit, und zwar mit dem von uns Linken vorgeschlagenen sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft. Vielen Dank. Für die FDP-Fraktion hat nun die Kollegin Carina Konrad das Wort.
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Armin Laschet CDU/CSU
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Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich bin dem Kollegen Arlt dankbar, dass er hier noch mal beschrieben hat, in welchem ethischen Dilemma man sich befindet. Seit der Zeitenwende sollten wir uns bei internationalen und außenpolitischen Debatten vielleicht insgesamt angewöhnen, dass wir bedenken: Es gibt nicht die schwarze oder die weiße Entscheidung, sondern es gibt Abwägungen, und diese hat die Bundesregierung in diesem Falle getroffen. Man kann jetzt Reden halten, wie man sie immer gehalten hat. Das machten zum Beispiel der Kollege Gysi und der Kollege von der AfD, der hier gleich noch die Interessen der USA umgesetzt gesehen hat, also gleich noch einen Antiamerikanismus mit hineingemischt hat. Das sind die Reden von früher. Aber die Abwägung, die man jetzt treffen muss, ist in der Tat: Wie kann man europäische Kooperationen hinkriegen, wie sie im Aachener Vertrag beschrieben sind? Wie kann man gemeinsame Verteidigungsprogramme intensivieren? So steht es im Aachener Vertrag. Wie kann man gemeinsame Ansätze für Rüstungsexporte entwickeln? Und wie kann man eine stärkere europäische Verteidigungsindustrie in einer sich verändernden Welt darstellen? – Das wird immer zu Konflikten führen. Im Falle der Vereinigten Arabischen Emirate, übrigens auch bei Saudi-Arabien, gibt es auch noch den Player Iran. Den hat hier heute weder Herr Gysi noch der Kollege von der AfD noch irgendjemand erwähnt. Der ist aber die wirklich reale Bedrohung in dieser Region, wenn die Terminals in den Vereinigten Arabischen Emiraten von iranischen Drohnen beschossen werden, die die Huthi-Rebellen in Richtung ziviler Ziele nach Abu Dhabi schicken – da, wo demnächst unsere LNG-Terminals sein sollen, da, wo demnächst unser Wasserstoff herkommen soll. Was sagen wir denn einem Land, das sagt: „Wir möchten uns dagegen verteidigen. Könnt ihr uns helfen?“? Sagen wir nur: „Nein, wir wollen mehr Wasserstoff. Wir wollen mehr LNG-Gas. Wir bitten, dass Sie mit uns kooperieren. Aber wenn Sie die Anlagen schützen wollen, dann sind wir Deutschen außen vor“? Die Antwort auf diese Fragen hängt von der Kernfrage ab: Wie kommt man zu richtigen Abwägungen? Ich finde, in diesem Fall hat die Bundesregierung richtig entschieden. Eines hat mich in dieser Debatte allerdings verstört. Das war die Begründung und die Tonlage des Kollegen Trittin. Sie haben in sehr feinen Worten gesagt: Man darf das Ganze nur machen, wenn es völkerrechtsmäßig ist. Auch die europäische Rüstungskooperation brauche diese Prinzipien. Aber Sie haben dann indirekt – übrigens als einziger Redner aus der Ampelkoalition – die Entscheidung der Bundesregierung kritisiert. Die CDU, die SPD und die FDP verteidigen Ministerin Baerbock und Minister Habeck. Und der Einzige, der aus der Ampel eine Rede mit dem – ich will jetzt kein Adjektiv dafür verwenden – schon extrem starken Argument „Das ist völkerrechtswidrig“ gegen die eigene Regierung hält, waren Sie, lieber Herr Trittin. Ich würde auch Sie bitten, diese Abwägung anzuerkennen und nicht das Handeln der Bundesregierung in dieser Entscheidung als völkerrechtswidrig zu diskreditieren. Das täte dem Stile in diesem Hause gut. Herr Kollege Laschet, vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Joe Weingarten, SPD-Fraktion.
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Dr. Jens Zimmermann SPD
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Zimmermann
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 2016 schrieb der „Spiegel“: „Verbrechen lohnt sich: Geldwäsche-Paradies Deutschland“. 2020 schrieb der „Spiegel“: „Gesetz gegen Geldwäsche: Wir sind alle verdächtig“. Alleine an diesen beiden Überschriften ist schon abzulesen, dass es offensichtlich nicht ganz leicht ist, beim Thema Geldwäschebekämpfung einen Mittelweg zu finden. Wie viel Regulierung brauchen wir, um eine schlagkräftige Bekämpfung zu ermöglichen? Denn eines ist klar: Geldwäsche kann leider überall stattfinden. Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder gesehen, dass es leider auch bei Vereinen, bei Stiftungen und auch beim Kauf von Immobilien zu Geldwäsche kommen kann. Als SPD wollen wir deshalb eine gute, schlagkräftige Gesetzesgrundlage im Kampf gegen Geldwäsche schaffen. Gleichzeitig wollen wir aber eben auch, dass gemeinnützige Initiativen nicht unnötiger Bürokratie ausgesetzt werden. Mit diesem Gesetz werden wir beides vereinen: Wir sorgen erstens für Transparenz und für eine bessere europäische Geldwäschebekämpfung, und wir sorgen zweitens für Erleichterungen für Initiativen des bürgerschaftlichen Engagements. Wir stärken das Ehrenamt. Dass wir heute bei diesem Ergebnis sind, verdanken wir auch den guten Beratungen und einem konstruktiven Austausch mit vielen engagierten Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern sowie einer guten Debatte im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages, für die ich mich bei allen Kolleginnen und Kollegen recht herzlich bedanken will. Für die gemeinnützigen Vereine haben wir im Vergleich zum Regierungsentwurf einige klare Verbesserungen erreicht. Vereine müssen sich jetzt nicht mehr eigenständig in das Transparenzregister eintragen. Langfristig – bis 2024 – wollen wir das Ganze durch die Vernetzung bestehender Register komplett automatisieren. Zudem haben wir die Gebührenbefreiung, die wir bereits im Jahr 2019 eingeführt haben, noch mal vereinfacht; denn gemeinnützige Vereine und Initiativen müssen diese Gebühr nicht zahlen. Wir sorgen dafür, dass es in der Zwischenzeit, bis die Register digital zusammengeführt sind, mit einem einzigen einfachen, unbürokratischen Antrag getan ist. Ich glaube, das ist eine gute Nachricht bei diesem Gesetz für alle Vereine und Initiativen. Wir haben in diesem Gesetz zur Bekämpfung von Geldwäsche nicht nur beim Schaffen von mehr Transparenz, sondern auch beim Thema Digitalisierung einige gute Fortschritte gemacht. Ich habe es gesagt: Wir vernetzen Register. Wir schaffen die Grundlage, um eine zukunftsgerichtete Geldwäschebekämpfung durchführen zu können; denn digitale Register sind die Voraussetzung dafür. Wir haben in den Diskussionen innerhalb der Koalition gesehen, dass vor allem auch die Bundesländer aufgefordert sind, ihre Register zu modernisieren; denn wenn wir das, was „Once Only“ genannt wird – man erfasst alles eben nur einmal und muss es nur einmal eintragen –, wollen, dann braucht es eben auch gemeinsam mit den 16 Bundesländern einheitliche und vor allem digitale Formate. Auch wenn es nicht unmittelbar mit Geldwäschebekämpfung zu tun hat, haben wir uns in diesem Gesetz erneut mit digitalen Schnittstellen befasst; denn wir arbeiten auch am Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz. Bereits 2019 haben wir als Deutscher Bundestag hier den größten und wertvollsten Unternehmen der Welt – wie ich finde, zu Recht – die Zähne gezeigt, und an dieser Stelle schärfen wir noch mal nach. Wir wollen, dass Banken und Finanzdienstleister zum Beispiel auch auf eine Smartwatch mit einem Apfel drauf Zugriff haben können; denn umgekehrt haben Technologieunternehmen heute, wenn wir als Kundinnen und Kunden das erlauben, eben auch sehr einfachen Zugriff auf alle Konten. Da wollen wir, wie man Neudeutsch sagt, ein Level Playing Field. Es soll also eine faire Wettbewerbsposition sowohl für die Banken und Finanzdienstleister auf der einen Seite als auch für die Technologieunternehmen auf der anderen Seite geben. Das machen wir mit diesem Gesetz. Es gelingt uns als SPD und auch als Koalition also, hier ein gutes und wichtiges Gesetz im Kampf gegen Geldwäsche vorzulegen. Wir sorgen für transparentere und bessere Strukturen. Ich möchte mich wirklich noch mal ganz herzlich für die guten Beratungen und die konstruktive Zusammenarbeit bedanken. Ich bin überzeugt: Wir stellen die Geldwäschebekämpfung mit diesem Gesetz einmal mehr gut für die Zukunft auf. Herzlichen Dank. Vielen Dank. – Der nächste Redner: für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Kay Gottschalk.
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Lorenz Gösta Beutin DIE LINKE
Lorenz Gösta
Beutin
DIE LINKE
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Es ist ja nun ein offenes Geheimnis, dass linke Klimapolitik in Differenz steht zur Politik dieser Bundesregierung, zum Versagen der Bundesregierung bei der Klimapolitik. Heute Morgen war ich im Wirtschaftsausschuss und war ganz ehrlich etwas darüber erstaunt, wie weit der Realitätsverlust da gediehen ist. Selbstverständlich habe ich auch dort wieder die Klimapolitik der Bundesregierung kritisiert. Was kam als Reaktion darauf? Als Reaktion kam – ich zitiere –: Wir sind auf dem richtigen Weg. – Das heißt, es wird gesagt: Der richtige Weg ist vielleicht der Weg in den Abgrund, der richtige Weg ist zehn Jahre Stillstand bei der Klimapolitik, der richtige Weg ist das Verfehlen der Klimaziele 2020 oder 2030. Wir sehen eine Bundeskanzlerin Merkel, die beim Klimaschutzgesetz bremst, die die Bundesumweltministerin und ein durchaus ambitioniertes Klimaschutzgesetz ausbremst. Das ist nicht der richtige Weg. Das ist der falsche Weg. Dann haben wir uns angeschaut, was die Regierungssprecherin nach der Europawahl zu den Vorschlägen im Bereich der Klimapolitik gesagt hat. Schauen Sie sich das einmal an. Lassen Sie sich das, was dort gesagt wurde, auf der Zunge zergehen. Ich zitiere: Es wird gar nicht zwingend notwendig sein, vonseiten der Politik Vorschriften zu machen, sondern es wird wahrscheinlich schon ein verändertes Verhalten der Bevölkerung bei Mobilität und Ernährung vielleicht dazu führen, dass wir die Klimaschutzziele erreichen. – Das ist eine Frechheit, was Sie hier präsentieren; denn Sie verlagern Ihr Versagen in diesem Bereich auf den Rücken der Bevölkerung. Es geht hier nicht um individuelles Konsumverhalten. Es geht nicht an, dass hier auf ganzer Linie versagt und dann gesagt wird: Die Bevölkerung soll es richten, weil wir es nicht auf die Reihe bekommen. Nein, wir müssen uns doch anschauen, was die Problematik ist. Die Problematik ist, dass 100 Konzerne weltweit verantwortlich sind für über 70 Prozent der CO 2 -Emissionen. Das heißt, es wird überhaupt keine Chance geben, echten Klimaschutz zu machen, wenn wir nicht den Mut haben, uns mit diesen Konzernen anzulegen, die vom Klimawandel profitieren. Das ist jetzt keine Leerformel, sondern das ist ganz konkret. Das kann man ganz konkret für alle Bereiche diskutieren. Zum Kohleausstieg. Der Kohleausstieg funktioniert doch nicht, wenn wir uns mit der Kohle-Lobby nicht anlegen. Er funktioniert doch nicht, wenn wir uns mit den Energiekonzernen nicht anlegen, und er funktioniert schon gar nicht , wenn wir sagen: Okay, dann müssen wir die Kohlekonzerne für die entgangenen Gewinne entschädigen. – Das ist doch der falsche Weg; das haben wir doch gesehen. Wir müssen die Strompreise bezahlbar machen. Wir müssen die Energiewende sozial gerecht machen. Wir müssen Akzeptanz fördern, aber nicht Konzerne für entgangene Gewinne entschädigen. Für die Verkehrswende bedeutet das – das können wir aus dem Dieselskandal lernen –: Es funktioniert nicht, ohne dass wir uns mit den Autokonzernen anlegen, ohne dass wir uns mit Daimler, BMW, VW und mit anderen anlegen. Und auf der anderen Seite müssen wir doch sagen: Es funktioniert nur, wenn wir den Individualverkehr reduzieren, wenn wir dafür sorgen, dass die Städte nicht mehr mit Autos verstopft sind. Es funktioniert doch nur, wenn wir den öffentlichen Nahverkehr massiv ausbauen und wenn wir eine Bahn haben, die eine Bahn für alle ist, die günstig und attraktiv und keine Aktiengesellschaft ist. Das brauchen wir. Kommen wir zum Bereich der Landwirtschaft; da haben wir es neulich auf EU-Ebene bei den Verhandlungen über die GAP gesehen. Es wird nicht funktionieren, ohne dass wir sagen: Mit dieser Form der Agrarindustrie – mit diesen mächtigen Agrarkonzernen, mit Fleischfabriken – wird es nicht funktionieren. Wir müssen eine nachhaltige Landwirtschaft fördern, und wir müssen aus dieser überbordenden Fleischherstellung rauskommen. Last, but not least. Es funktioniert auch nur, wenn wir über den nationalen Tellerrand hinausgucken, wenn wir begreifen, dass es nur mit einer globalen Politik geht, dass es nicht funktioniert mit einer unfairen Handelspolitik, dass es nicht funktioniert mit der Ausbeutung der Ressourcen der Länder des globalen Südens. Eine Energiewende muss auch global eine gerechte Energiewende sein, eine gerechte Klimapolitik. Stattdessen erleben wir eine Regierung – ich muss es leider so bitter sagen –, die die Energiewende momentan an die großen Energiekonzerne verscherbelt. Wir brauchen das Gegenteil: Wir müssen Akzeptanz stärken, indem wir Bürgerenergie fördern, indem wir Genossenschaften fördern, indem wir Kommunen fördern. Wir brauchen eine vollkommen andere Energiepolitik der vielen. Wir brauchen eine demokratische Energiewende. Vielen Dank. Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Carsten Müller.
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Steffen Bilger CDU/CSU
Steffen
Bilger
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeslandwirtschaftsminister trifft Ende dieser Woche im Rahmen der G‑7-Präsidentschaft seine Kollegen aus den sieben führenden Industrienationen, und davon kann nur ein Signal ausgehen: Wenn durch den russischen Angriff auf die Ukraine dort weniger produziert wird und dadurch Hunger und Elend drohen, dann springen andere, allen voran die G 7, in die Bresche und produzieren mehr Nahrungsmittel. Das klingt einfach, das klingt nach gesundem Menschenverstand und schlüssig, ist aber nicht selbstverständlich. Dies belegt Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir ein ums andere Mal. Während die EU‑Kommission als akute Krisenmaßnahme ausnahmsweise den Anbau sämtlicher Feldfrüchte auf ökologischen Vorrangflächen ermöglicht, die meisten EU‑Mitgliedstaaten dieses Instrument nutzen und alle Landwirtschaftsminister der Länder, außer denen der Grünen, das einfordern, lehnt Minister Özdemir das trotzdem ab. Während bekannt ist, dass der ökologische Anbau im Vergleich zum konventionellen Anbau einen deutlich geringeren Ertrag pro Fläche liefert – bei Getreide ist es über ein Drittel weniger an Ernte –, hält es Minister Özdemir für nicht nötig, das Ziel von 30 Prozent Ökolandbau, das diese Regierung für das Jahr 2030 verfolgt, zumindest mal kritisch zu hinterfragen. Während wir als Opposition seit Wochen darauf hinweisen, dass sich in dieser außerordentlichen, nie dagewesenen Krisensituation eine pauschale Stilllegung von 4 Prozent der Ackerfläche, wie sie ab nächstem Jahr verlangt wird, mit den Erfordernissen der Realität beißt, mag Minister Özdemir darüber nicht einmal diskutieren, geschweige denn in Brüssel für eine Neubewertung eintreten. So, Herr Minister, werden Sie Ihrer Verantwortung nicht gerecht. Diese Zeit erfordert ein Innehalten, ein Hinterfragen der bisherigen Politik. Und wir sind ja eigentlich auch alle dazu in der Lage: der EU‑Kommissar, die meisten EU‑Mitgliedstaaten, die Landwirtschaftsminister der Länder, viele hier im Deutschen Bundestag in unterschiedlichen Fraktionen – nicht aber der Bundeslandwirtschaftsminister. Ich sage Ihnen voraus: Diese Position wird sich nicht halten lassen, eben weil wir eine Verantwortung haben – nicht nur für Deutschland, sondern mit den guten Böden, mit den besten Anbaubedingungen in Deutschland und Europa auch für die ganze Welt. Und nein, wir spielen nicht die eine Krise gegen die andere aus. Wir stehen zum Klimaschutz, zum Umweltschutz, zum Schutz der Biodiversität durch die und vor allem mit der Landwirtschaft. Keiner will sich davon verabschieden – nicht wir, nicht unsere Bauern und, ich nehme an, auch nicht Ihr Koalitionspartner FDP, der eine weitere Extensivierung des Landbaus ja auch nicht will. So habe ich Sie bei den letzten Reden hier im Plenum zumindest verstanden. Wir alle haben uns die aktuelle Situation nicht vorstellen können, aber die Realität ist, wie sie ist. Die Preise für Grundnahrungsmittel steigen, sie steigen mitunter stark, und das bedeutet, dass Nahrungsmittel in anderen Regionen dieser Welt knapp werden. Hunger und Elend drohen gerade im Nahen Osten und in Afrika; die Bundesentwicklungsministerin hat kürzlich darauf hingewiesen. Schon 2021 litten weltweit rund 200 Millionen Menschen unter Hunger, und der Krieg in der Ukraine wirkt wie ein Brandbeschleuniger. Ein Weiter-so, als ob nichts wäre, ist zynisch, ist unethisch, ist in meinen Augen ausgeschlossen. Ich glaube, dass das anstehende G‑7-Treffen spannende, für manche Beteiligte auch schmerzhafte Erkenntnisse ans Licht bringen wird. Die bisherige G-7-Agenda von Cem Özdemir passt nicht mehr in die Zeit des Ukrainekriegs und sich weltweit verschärfender Versorgungsengpässe. Die Parteiagenda der Grünen in der Landwirtschaftspolitik ist nicht mehrheitsfähig – nicht in Europa und auch nicht im Kreise der G 7. Jetzt, meine Damen und Herren, ist nicht die Zeit für halbphilosophische Betrachtungen von Klimaschutz, Ernährungssicherung und Frieden als neuem Dreiklang, wie sie der Bundeslandwirtschaftsminister gerne anstellt. Mir drängt sich der Verdacht auf: Da will einer ein ohnehin schon gewaltiges Problem mit möglichst vielen anderen verketten, um vielleicht vom eigenen Nichtstun abzulenken und der Einsicht aus dem Weg zu gehen, dass der eigene Kurs eben korrigiert werden muss. Genau hierfür wünsche ich dem Bundeslandwirtschaftsminister den nötigen Mut. Nur wenn er den hat und jetzt endlich die Ernährungssicherung in den Mittelpunkt seines Handelns rückt, dann kann er die Dinge auch auf G‑7-Ebene glaubwürdig vorantreiben. Deshalb, Herr Minister: Lassen Sie die grüne Parteilyrik! Kommen Sie endlich in den Krisenmodus! Tun Sie das, was jetzt in dieser Zeit geboten ist, damit die von der Bundesregierung ausgerufene Zeitenwende in Ihrem Zuständigkeitsbereich nicht nur eine leere Worthülse ist. Das Wort hat die Kollegin Dr. Franziska Kersten für die SPD-Fraktion.
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Frank Bsirske BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frank
Bsirske
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Abgeordnete! Das Kurzarbeitergeld ist ein Erfolgsmodell. Es mildert Einkommensverluste, bewahrt Beschäftigung und hält Arbeitskräfte im Unternehmen. Es ist wirklicher Unsinn, Frau Schimke, zu behaupten, dass wir das Kurzarbeitergeld nicht mehr bräuchten. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ermöglichen wir dem Bundeskabinett, flexibel von verschiedenen Komponenten des KUG Gebrauch zu machen. Wir beschränken uns aber nicht darauf, mit dem KUG ein wirksames Instrument zur Abmilderung von Krisenfolgen bereitzustellen, sondern betten das KUG zugleich in ein Set weiterer Hilfen ein. Unter anderem öffnen wir das Energiekostendämpfungsprogramm für weitere energieintensive Unternehmen. Für den Mittelstand will Robert Habeck eine zusätzliche Programmstufe vorschlagen. Sie soll nicht nur das produzierende Gewerbe umfassen, sondern auch das Handwerk und die Dienstleistungswirtschaft. Das würde – ja – einen zweistelligen Milliardenbetrag aus dem Haushalt kosten, aber das sollten uns diese dringend benötigten Hilfen wert sein. Damit nicht genug. Aus den Einnahmen der geplanten Zufallsgewinnabschöpfung werden wir eine Strompreisbremse für den Basisverbrauch der privaten Haushalte und KMU finanzieren. Und wir brauchen einen Gaspreisdeckel für eine Grundbedarfsmenge, so wie ihn die Niederlande gerade einführen und ihn die britische Regierung jetzt angekündigt hat. Das darf nicht an mangelnder Finanzierungsbereitschaft scheitern. Die Inflation ist ja nicht nachfrageseitig getrieben, sondern durch die hohen Energiepreise bei Gas und Öl angebotsseitig und muss vor allem durch gezielte Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien bekämpft werden. Dabei gilt es, die Situation gerade der kleineren Unternehmen und der Handwerksbetriebe in den Blick zu nehmen. Uns alle erreichen doch dramatische Botschaften von kleineren Unternehmen, von Bäckereien, von Gärtnereien, die nicht mehr wissen, wie sie angesichts der gestiegenen Preise, insbesondere für Gas, durch diesen Winter kommen sollen. Hinzu kommt ein sich abkühlendes Konsumklima. Das belastet Unternehmen zusätzlich. Darum brauchen wir jetzt einen breiten Rettungsschirm auch für kleine und mittlere Unternehmen, und das darf nicht an mangelnder Finanzierung scheitern. Zentral ist jetzt, ökonomische Strukturbrüche und Arbeitslosigkeit so weit wie möglich zu vermeiden und nicht aus dogmatischen Gründen eine mögliche Rezession zu verschärfen. Aktuell haben wir nämlich nicht nur einen Angebotsschock aufgrund hoher fossiler Energiepreise, sondern es droht auch ein Nachfrageschock, der zu mehr Arbeitslosigkeit, Firmenpleiten, zu weniger Einnahmen und am Ende auch zu mehr Schulden führt. In der Pandemie ist dieser Gefahr mit einer aktiven Finanz- und Wirtschaftspolitik begegnet worden. Arbeitsplätze und Betriebe wurden so abgesichert. Das jetzt nicht zu wiederholen, das jetzt nicht wiederholen zu wollen, stellt eine Gefahr für die deutsche Wirtschaft und für den sozialen Frieden dar. Die kommende Krise ist um ein Vielfaches größer als die Coronakrise. In den Griff bekommen können wir sie nur, wenn der Staat genug Geld bereitstellt, um die Energiepreise auf ein vertretbares Maß zu senken. Dieser Verantwortung gilt es sich jetzt zu stellen. Das Wort hat der Kollege Bernd Rützel für die SPD-Fraktion.
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Thomas Hacker FDP
Thomas
Hacker
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu den grundlegenden Werten unseres Grundgesetzes gehören die Freiheitsrechte: die Meinungsfreiheit, die Gewissensfreiheit, die Versammlungsfreiheit, die Kunstfreiheit, die Religionsfreiheit, aber eben auch und vor allem die Informations- und Pressefreiheit. Auch die Europäische Union gründet sich auf genau diese Freiheitsrechte. Wie schmerzlich für jeden Einzelnen die Einschränkungen dieser Freiheiten sind, erleben wir seit Wochen. Umso mehr ist es unsere Aufgabe, die Freiheit jeden Tag neu zu verteidigen und neu zu erkämpfen. In der Welt, aber auch in Europa erleben wir, dass die Presse- und Informationsfreiheit und dadurch die Meinungsfreiheit beeinträchtigt werden. Durch Monopolisierung und Gleichschaltung der Medien nutzen Regierungen und andere ihre Macht, um Meinungen zu beeinflussen und Informationen zu filtern. Immer wieder werden Journalisten bedroht, angegriffen oder ermordet. Das sind keine beschämenden Einzelfälle. Sie sind fast alltäglich in Europa; Gunther Krichbaum hat ja auf die gravierendsten Fälle hingewiesen. Dabei müssen wir nicht nur nach Ungarn, Malta oder in die Slowakei schauen, um unseren Kontinent als ein gefährliches Schlachtfeld für die Pressefreiheit und die freie Meinungsäußerung zu erleben, wie die „Plattform für den Schutz und die Sicherheit von Journalisten“ des Europarats erst kürzlich feststellte. Die letzten Tage haben uns ganz klar gezeigt: Auch in unserem Land ist die freie Ausübung des Journalistenberufs keine Selbstverständlichkeit. 1. Mai 2020, Berlin: Ein ZDF-Team der „heute-show“ wird nach einem Dreh von einer Gruppe von 25 vermummten Personen angegriffen. Wieder 1. Mai, wieder Berlin: Einer Journalistin wird bei einer Demonstration ins Gesicht geschlagen. Sie verliert mehrere Zähne. Ermittelt wird gegen einen Polizisten. 6. Mai, erneut Berlin: Vor diesem Hohen Haus, vor dem Deutschen Bundestag, wird ein Team der ARD während einer Coronademonstration attackiert. Die Polizei kann gerade noch Schlimmeres verhindern. 9. Mai, dieses Mal in Dortmund: Ein WDR-Journalist wird von mutmaßlich Rechtsextremen beschimpft. Man schlägt ihm die Kamera aus der Hand. Meine Damen und Herren, wenn Medienvertreter zu Freiwild erklärt werden, wenn Berichterstattung nur noch mit Personenschutz möglich ist und Sender aus Angst vor Angriffen überhaupt nichts mehr berichten, dann ist das ein fundamentaler Angriff auf unsere demokratische Grundordnung. Gemäß einer aktuellen Studie sind 60 Prozent der befragten Journalisten in den vergangenen zwölf Monaten Opfer von Drohungen und Angriffen gewesen. Nur wenige Journalisten thematisieren diese Vorfälle, um nicht zusätzliche Angriffsflächen zu bieten oder dieser widerlichen Gewalt zu ihrer Wirkung zu verhelfen. Es ist unsere Aufgabe, diese Angriffe auf Journalisten zu verurteilen. Wir müssen vor allem auch die Bedeutung der Journalisten für unsere Freiheit und die Funktionsweise unserer Demokratie sichtbar machen und uns dazu immer wieder bekennen. Unser großer Dank geht an die Journalistinnen und Journalisten, Pressevertreter und Medienteams, die sich jeden Tag unerschrocken für die freie Meinung einsetzen. Erst ihre Arbeit schafft den Raum für Meinungsvielfalt. Sie sind der Garant für unsere Demokratie. Jeder Angriff auf sie ist ein Angriff auf unsere Freiheit. Jeder Angriff auf sie ist ein Angriff auf uns alle. Vielen Dank. Das Wort hat Dr. Diether Dehm für die Fraktion Die Linke.
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Dieter Stier CDU/CSU
Dieter
Stier
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Landwirte in Deutschland wurden bereits vor Beginn der Coronapandemie sehr hart geprüft. Scharfe Urteile, raue Töne und offene Anfeindungen sind leider Alltag für fast jeden Tierhalter und Betriebsinhaber. Leider hat das Verständnis für ihre tägliche Arbeit seitdem weitere Rückschläge einstecken müssen. Ich möchte daher zu Beginn meiner Anmerkungen unseren Landwirten die oft versagte Anerkennung aussprechen, die sie dringend nötig und verdient haben und die – lassen Sie mich das bitte ergänzen – von diesem Haus nur selten überzeugend von allen hier vertretenen Fraktionen übermittelt wird. Wir sollten mit der Fehlbeurteilung aufräumen. Landwirtschaft ist mehr als nur stinkende Gülle und mehr als laute staubverursachende Traktoren. Deswegen sage ich einen Dank an all jene in der Landwirtschaft und Tierhaltung, die bis heute trotz dieser massiven Widerstände, trotz teilweise anhaltender Trockenheit, trotz ständig steigender Bodenpreise und anderer Widrigkeiten unsere Ernährungsgrundlagen sichern, auch in Zeiten einer Pandemie. Wir alle sollten diese Leistung vorurteilsfrei anerkennen. Für mich ist klar: Nur ein Mindestmaß an Respekt kann die Grundlage für alle weiteren Diskussionen sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute stehen mehrere Dinge zur Beratung an: das Direktzahlungen-Durchführungsgesetz, die Änderung agrarmarktrechtlicher Bestimmungen, welche insbesondere europarechtliche Umsetzungen beinhalten, aber auch ein Antrag der FDP-Fraktion vom Januar, dessen heutige Beratung aus meiner Sicht eigentlich schon durch den langen Zeitablauf entbehrlich gewesen wäre. Zum Direktzahlungen-Durchführungsgesetz und zur Umschichtung der Mittel von der ersten in die zweite Säule hat der Kollege Färber schon die bedeutendsten Punkte ausgeführt, die Vor- und Nachteile abgewogen. Es liegt jetzt bei den Ländern, bei der Umsetzung der Förderprogramme die richtigen Schwerpunkte zu setzen. Ja, als Abgeordneter aus Sachsen-Anhalt kann ich Ihnen sagen, lieber Artur, dass bei uns die Vorgewende sicherlich etwas weiträumiger sind als in Süddeutschland. Deshalb ist es richtig, dass die Länder auch unterschiedliche Förderschwerpunkte bei der Umsetzung setzen können. Ja, ich verstehe nicht, warum in meiner Heimatstadt Weißenfels zwar ein hochmoderner Schlachtbetrieb arbeitet, aber seit dem Fall der Mauer die Tierhaltung dort immer mehr schwindet. Ich kann denen, die das zuständige Ressort in Sachsen-Anhalt verantworten, nur zurufen: Setzen Sie andere Förderschwerpunkte! Unser Gesetzentwurf macht es möglich. Lassen Sie mich auch zum Antrag der FDP einige Anmerkungen machen. Ich stimme Ihnen vollkommen zu, dass Landwirte selbstbestimmte und wirtschaftlich eigenverantwortliche Unternehmer sind und auch künftig bleiben. Das sehe ich genauso, und dafür müssen wir alles tun, und das ist auch unser Leitbild. Ich teile weiterhin Ihre Überzeugung, die uneingeschränkt richtig ist, dass zur Ausrichtung der Betriebe verlässliche und langfristige Rahmenbedingungen erforderlich sind. Hier gibt es überhaupt keine Unterschiede in der Betrachtungsweise. Aber Ihr abenteuerlicher Vorwurf, wir würden uns bewusst jeglichem ernstgemeinten Dialog verweigern, den kann ich für mich, aber sicherlich auch für die Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition so nicht im Raum stehen lassen. Diese Behauptung, liebe Freunde, ist einfach falsch. Sie lässt sich auch leicht widerlegen. Als die Landwirte vor knapp einem Jahr in zahlreichen Städten, insbesondere auch hier in Berlin, ihren Unmut zum Ausdruck brachten, war es da draußen vorm Brandenburger Tor Ministerin Klöckner, die sich den 40 000 geduldig zum Dialog gestellt hat. Verweigerungshaltung, lieber Kollege Hocker, sieht anders aus. Dafür haben selbst Kritiker Anerkennung gehabt. Gestatten Sie denn dem Kollegen Hocker eine Zwischenbemerkung? Aber selbstverständlich gestatte ich dies dem Kollegen Hocker. Vielen Dank, verehrter Herr Kollege, dass ich diese Zwischenfrage stellen darf. – Sie haben eben ja ausgeführt, dass ein Dialog zwischen der Bundesregierung und den Landwirten stattfindet. Würden Sie mir zustimmen, dass zu Beginn dieses Dialogs, zu dem ja über 40 Gruppen und Organisationen eingeladen wurden, schon Referentenentwürfe kursiert haben, in denen es darum ging, wie in Zukunft Düngeverordnungen und weitere maßgebliche Regelungen für Landwirtschaft auszusehen haben? Und wollen Sie tatsächlich an Ihrer Aussage festhalten, dass es ein Dialog auf Augenhöhe ist, wenn die Ergebnisse zu Beginn dieses Dialogs eigentlich schon festgestanden haben? Lieber Herr Kollege Hocker, vielen Dank für die Frage. Die beantworte ich ganz kurz: Bei uns kursieren ständig Entwürfe, weil wir nämlich ständig arbeiten und deshalb fortdauernd Ideen entwickeln. Die werden wir auch mit den Gruppen rechtzeitig besprechen; und das haben wir zu dieser Zeit auch getan. Was, meine Damen und Herren – damit komme ich noch einmal zum Antrag der FDP –, unterscheidet uns von Ihrem Antrag? Die Ministerin verspricht eben nichts, was falsche Hoffnungen weckt, sondern sie sagt ganz schlicht, was möglich ist. Spätestens hier treten die großen Unterschiede zwischen Ihnen und uns in Sachen Herangehensweise auch zutage. Ihr Antrag stellt Scheinlösungen ins Schaufenster, die Sie dann natürlich nicht verantworten müssen. So kommen wir nicht voran. Übrigens – noch ein letzter Satz –: Der Dialog auf Augenhöhe, den Sie uns absprechen, hat längst stattgefunden. Auch die Bundeskanzlerin – Herrn Hoppenstedt habe ich hier gerade gesehen; das kann er ihr ja ausrichten – hat sich im November letzten Jahres auf dem extra anberaumten Agrargipfel mit Landwirten und Vertretern von Branchenverbänden persönlich ausgetauscht, weil wir eben erkennen, dass die Lage der grünen Branche nicht einfach ist. Sie sehen also, meine Damen und Herren: Der von Ihnen angemahnte Dialog hat längst stattgefunden. Er findet täglich statt. Er wird auch künftig sachorientiert stattfinden, und er wird auch ständig fortgeführt werden. Ihr Antrag hilft uns dabei, mit Verlaub, leider nicht weiter. Vielen Dank. Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen sind nicht vorgesehen. Ich schließe die Aussprache.
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Aydan Özoğuz SPD
Aydan
Özoğuz
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Debatte spiegelt die Realität in Afghanistan ja ganz richtig wider. Es ist bedrückend; es ist erschütternd. Während wir hier debattieren, zeigt sich einmal mehr, welch schwierige und wertvolle Arbeit unsere Soldatinnen und Soldaten und alle weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Flughafen in dieser gefährlichen Situation leisten. Ihnen allen gebührt unser aller Dank und unsere hohe Anerkennung für die professionelle Arbeit. Der am Ende überstürzte Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan hat die Situation für die afghanische Bevölkerung überall im Land noch einmal verschärft. Bei unserer letzten Mandatsverlängerung hatten wir uns ja mehr Zeit eingeplant. Es ist anders gekommen, und darüber wird natürlich zu reden sein. Aber ich möchte an dieser Stelle auch anmerken: Viele von uns telefonieren in diesen Tagen mit Afghaninnen und Afghanen und deren Angehörigen und auch mit Deutschen, die dort sind. Sie alle wurden von dieser Entwicklung überrascht. Niemand hat es kommen sehen, dass die Taliban wirklich so schnell in Kabul einmarschieren. Deswegen finde ich es etwas wohlfeil, wenn man jetzt sagt: Na ja, wir haben es immer schon gewusst. – So ist es eben leider nicht. Wir hätten gerne den Menschen noch viel mehr Möglichkeiten geschaffen, dort rauszukommen. Meine Heimatstadt Hamburg ist schnell vorangegangen, denjenigen, die jetzt aus dem Land gebracht werden können, einen sicheren Hafen anzubieten. Ich freue mich über jedes Bundesland, das im Moment Solidarität mit diesen Menschen in großer Not zeigt. – Das ist ganz praktische Politik für die, die da sind. Frau Kollegin Özoğuz, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Nein, ich gestatte im Moment keine. – Wir müssen als internationale Gemeinschaft jetzt wirklich schnell dem UNHCR finanzielle Mittel zukommen lassen; denn wir haben es schon einmal versäumt, dies rechtzeitig zu tun. Wir müssen den Menschen helfen, die sich in den Ländern um Afghanistan herum aufhalten. Wir müssen ihnen wirklich helfen, dass sie dort ordentlich aufgenommen und untergebracht werden können und zu essen bekommen. Es gibt jetzt wenig Spielraum für Verhandlungen; aber immerhin gibt es Gespräche in Doha und Kabul. Wenn die Taliban aus Doha nach Afghanistan zurückkehren, könnte es ja schwieriger werden. Wir müssen also die verbleibende Zeit nutzen. Dafür braucht es gemeinsame, klare Konditionen der internationalen Gemeinschaft, gerade gegenüber den Taliban. Auch wenn die Taliban derzeit über finanzielle Mittel verfügen, wie es den Anschein hat, können wir davon ausgehen, dass Afghanistan auf eine humanitäre Katastrophe zusteuert, spätestens im kommenden Winter. Sie werden auf Hilfe angewiesen sein. Wir müssen versuchen, bei den Taliban genau an diesem Hebel anzusetzen. Wir müssen versuchen, zu retten, was zu retten ist. Ich denke in diesen Tagen ganz besonders an Masar-i-Scharif und an Herat. In meiner letzten Rede hier hatte ich betont, wie viele studierte Frauen sich gerade dort befinden. Heute suchen sie nach Burkas, verstecken sich, zerreißen Fotos. Das ist alles wirklich erschütternd. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass das Durchschnittsalter in Afghanistan bei 18,4 Jahren liegt. Wir haben durch unser 20-jähriges Engagement einer Generation Zugang zu Bildung an Schulen und Universitäten und Zugang zum Gesundheitswesen gegeben. Wir haben humanitäre Hilfe geleistet. Die Hälfte der Bevölkerung kennt die Talibanherrschaft nicht; sie kennt sie nur aus Erzählungen. Ja, es gibt etwas zu verlieren in Afghanistan. Wir dürfen gerade in dieser Lage bei unseren Bemühungen, einige der Errungenschaften zu erhalten, eben nicht nachlassen. Es gilt nun, in der nächsten Bundesregierung schonungslos aufzuarbeiten, was ist, und auch Lehren für künftige Auslandseinsätze der Bundeswehr zu ziehen. Das sind wir uns selbst, unserem Land und allen, die in Afghanistan im Einsatz gewesen sind, schuldig. Vielen Dank. Zu einer Zwischenbemerkung erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Diether Dehm.
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Hannes Gnauck AfD
Hannes
Gnauck
AfD
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben es bei diesem Antrag der CDU mit einem wichtigen und dringenden Anliegen zu tun. Die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderung zu reduzieren, die dazu notwendigen Rahmenbedingungen auszugleichen und eine allgemeine Lebensverbesserung für unsere Mitbürger zu erwirken, ist absolut notwendig. Doch leider konterkarieren Sie auf anderer Ebene alle Bemühungen und Pläne aus diesem Antrag, und zwar mit der von Ihnen verabschiedeten einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Werte Kollegen der Altparteien, Sie können sich nicht für eine bessere Einbindung von Menschen mit Behinderung in unsere Gesellschaft einsetzen, wenn Sie zeitgleich das dafür notwendige Personal aus seinem Beruf verbannen, und das, obwohl wir bereits jetzt an akutem Fachkräftemangel leiden. Sie werden das Leben von vielen Mitbürgern mit Behinderung massiv verschlechtern. Mit den Worten einer 57-Jährigen aus Niedersachsen: Die „Impfpflicht für Pfleger zerstört mein Leben.“ Um die betroffene Dame kümmerten sich bisher vier Pfleger in verschiedenen Blockdiensten. Dieses Modell droht nun zu zerfallen – und damit ihre Lebensqualität. Überhaupt Fachkräfte zu finden, die für den Lohn zu diesen Bedingungen arbeiten, ist bereits eine riesige Herausforderung, auch ohne Impfpflicht. Und angesichts der Aussage des Gesundheitsministers Lauterbach, wonach bloß der eine oder andere radikale Impfgegner aus seinem Job aussteigen müsse, muss man hier wohl feststellen: Der normopathischen Corona-Mainstream-Politik von links bis Union ist das Schicksal unserer behinderten Mitbürger sowie ihrer ungeimpften Pfleger offenbar egal. Der Chef des Caritasverbands Behindertenhilfe, Wolfgang Tyrychter, sieht hier eine Gefährdung der Versorgungsqualität und ‑sicherheit für Menschen mit Behinderung. Die Mitarbeiter im Sozial- und Gesundheitswesen stehen als Fachkräfte schließlich in einem engen Vertrauensverhältnis zu ihren Patienten. Sie lassen sich nicht einfach so austauschen, und die Bindung zwischen Menschen mit Behinderung und ihren Betreuern, meine Damen und Herren, ist doch so viel mehr als nur ein kaltes Dienstleistungsverhältnis. Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, mahnt, dass mit dieser Impfpflicht regional massive Personal- und Versorgungsengpässe drohen. Und mehr noch: Er bezeichnet diese von Ihnen verhängte Impfpflicht als Gesetz gegen den operativen Sachverstand. Und recht hat der Mann! Meine Damen und Herren von der CDU, Sie können hier die notwendigen Maßnahmen fordern, um die soziale Lage von Menschen mit Behinderung in unserem Land zu verbessern. Doch solange Sie eine Impfpflichtpolitik unterstützen, welche die bestehende Versorgungslage zu zerstören droht, kann man Ihre Forderungen nur als eines bezeichnen: billige Heuchelei. Ihre ehemalige Kanzlerin Merkel bezeichnete ihr Verständnis von christdemokratischer Politik einst als mal liberal, mal konservativ und mal christlich-sozial. Letzteres war stets geheuchelt, der Konservatismus – und das wissen Sie – eine Lüge, und Ersteres kam immer zur falschen Zeit. Während Ihre Ikone in der Migrationspolitik zur „Mutti Merkel“ hochgeschrieben wurde, wurden Menschen mit Behinderung stiefmütterlich behandelt. Mit dem durch Ihren Impfzwang drohenden Quasi-Arbeitsverbot für viele wichtige Betreuer riskieren Sie nun den Zusammenbruch der Versorgung. Das, meine Damen und Herren von den Altparteien, haben Sie alle zu verantworten; denn hier macht die Scheinoppositionelle mit der linksliberalen Regierung gemeinsame Sache. Sie riskieren mit Ihrer Politik eine regelrechte soziale Krise, und das, obwohl in allen Ländern um uns herum die Coronamaßnahmen aufgehoben werden und selbst in Österreich die irrsinnige Impfpflicht gekippt wurde. Deshalb: Stellen Sie Ihren unsinnigen Impfzwang zurück, und geben Sie somit einer Verbesserung für die Teilhabe unserer Mitmenschen mit Behinderung überhaupt erst eine Chance. Das, meine Damen und Herren, wäre dann tatsächlich mal solidarisch. Vielen Dank. Jetzt spricht Corinna Rüffer für Bündnis 90/Die Grünen.
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Jörg Schneider AfD
Jörg
Schneider
AfD
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauer! Die AfD möchte Geringverdiener entlasten. Wir möchten das in der Form machen, dass wir Arbeitnehmern die Arbeitnehmeranteile an den Sozialversicherungsbeiträgen erlassen, und zwar bis zu einer Höhe von 300 Euro. Das bedeutet: Wer auf Mindestlohnbasis Vollzeit arbeitet, der zahlt zukünftig keinen Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen mehr. Bei dem, der mehr verdient, schmilzt dann diese Entlastung ab. Was erreichen wir damit? Wir stellen endlich wieder das Lohnabstandsgebot her. Denn wir haben heute doch die Situation: Wer als Mindestlohnempfänger Vollzeit arbeitet, der hat am Monatsende gerade mal 200 Euro mehr in der Tasche als derjenige, der Hartz IV bekommt. Wir machen aus diesen 200 Euro 500 Euro. Wir belohnen damit die Menschen, die für harte Arbeit wenig Geld verdienen, und das ist genau das Ziel unseres Antrags, meine Damen und Herren. Wir lösen damit vielleicht auch noch andere Probleme und stellen gleichzeitig eine Teilfinanzierung unserer Idee sicher. Ich spreche von der Schwarzarbeit. Diese macht in Deutschland jährlich 300 Milliarden Euro aus. Schwarzarbeit wird vor allen Dingen in Bereichen geleistet, in denen nicht viel Geld verdient wird: am Bau, es sind Gärtner, es sind Putzhilfen. Mit Steuerentlastungen können wir diese Menschen kaum in die Legalität locken. Denn selbst wenn sie ihr Einkommen versteuern würden: Viele Steuern würden sie nicht bezahlen. Aber mit einer Entlastung bei den Sozialversicherungsbeiträgen bauen wir diesen Menschen eine Brücke in die Legalität, und wir holen sie auch zurück in die Sozialversicherung. Und ich denke mir: Es ist ein wirklich gutes Ziel, das wir hiermit erreichen können. Ich glaube, unsere Lösung ist auch von großem Vorteil für Hartz-IV-Empfänger. Jeder Hartz-IV-Empfänger, der einen Job annimmt, entlastet unsere staatlichen Haushalte und Sozialkassen jährlich um ungefähr 15 000 Euro. Aber wir machen den Menschen diesen Wechsel nicht besonders leicht. Denn einem Hartz-IV-Empfänger wird in der Regel ein Job im Mindestlohnbereich angeboten. Das ist dann vielleicht nicht der Traumjob. Dazu kommt dann noch, dass man vielleicht Fahrtkosten hat. Von den 200 Euro, die ich eben erwähnt habe, bleibt dann kaum noch etwas übrig. Es ist doch klar, dass dann vielleicht mal ein Jobangebot abgelehnt wird, weil man auf was Besseres hofft. Wir sagen diesen Menschen: Nimm diesen Job ruhig an. Es ist vielleicht nicht dein Traumjob, aber es ist ein Einstieg, und du hast wirklich deutlich mehr in der Tasche als vorher mit Hartz IV. Ich möchte aber nicht verhehlen, meine Damen und Herren: Ein Großteil der Finanzierung dieses Projektes kommt aus einem anderen Topf, und zwar möchten wir die EU-Beiträge der Bundesrepublik Deutschland deutlich reduzieren. Der Antrag dazu wird morgen verhandelt, und dieser Antrag sagt ganz klar Nein zu den Europafantasien eines Macron. Er sagt auch ganz klar Nein zu rot-grünen Luftschlössern einer europäischen Sozialversicherung, die letztendlich finanziert werden würde mit Milliardenbeträgen deutscher Steuerzahler. Wir möchten, dass diese Steuergelder hier im Land verbleiben. Wir möchten mit diesem Geld die Geringverdiener hier in Deutschland entlasten. Das ist das Ziel unseres Antrags, zu dem ich Sie um Ihre Zustimmung bitte. Ich danke Ihnen. Das Wort hat der Kollege Dr. Matthias Zimmer für die CDU/CSU-Fraktion.
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Bernd Riexinger DIE LINKE
Bernd
Riexinger
DIE LINKE
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf will die Bundesregierung die Dauer einer Maßnahme verlängern, die den meisten Mieterinnen und Mietern kaum nutzt. Die sogenannte Mietpreisbremse dämpft den Mietanstieg nur marginal, wenn überhaupt. Was Sie hier vorlegen, wird dem Problem nicht gerecht. Die Situation in den Großstädten und Ballungsgebieten ist dramatisch. In den Städten schießen die Mieten durch die Decke. In München, Stuttgart oder Frankfurt muss eine Erzieherin oder ein Verkäufer bereits 40 oder 50 Prozent des Lohnes für die Miete hinlegen. Das ist nicht normal. Und das ist vor allen Dingen unsozial und eine Enteignung der Löhne von Millionen Menschen. Die Bundesregierung handelt wie jemand, der zum Hochwasserschutz einen Maschendrahtzaun einsetzt. Statt einen Damm zu bauen, versuchen Sie, die Maschen etwas enger zu knüpfen. Das wird nicht funktionieren. Dass die Regierung endlich dafür sorgt, dass Vermieter bei den Verstößen gegen das Gesetz die zu viel gezahlte Miete von Beginn an zurückzahlen müssen, ist längst überfällig. Aber dieser kleine Schritt in die richtige Richtung betrifft nur Mietverhältnisse, die nach Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen werden. Wenn die Mietpreisbremse auch nur etwas bewirken soll, muss sie bundesweit und unbefristet und ohne Ausnahmen eingeführt werden. Ihr Ansatz ist halbherzig, verzagt und weitgehend wirkungslos. Die Mieten sind vielerorts heute schon viel zu hoch. Es reicht nicht, den Anstieg zu bremsen: Wir brauchen einen Stopp für Mieterhöhungen. In vielen Städten müssen die Mieten sogar sinken. Dazu muss bundesweit der Weg für einen Mietendeckel freigemacht werden. Berlin ist hier im Übrigen Vorbild. Dort werden klare Obergrenzen festgelegt, die auch bei Neuvermietung nicht überschritten werden dürfen. Dass Ihnen das ein Dorn im Auge ist, weiß ich. Für die Linke steht fest: Das Recht auf Wohnen ist ein Menschenrecht. – Hören Sie zu! – Deshalb müssen jährlich 250 000 neue Sozialwohnungen geschaffen werden, in öffentlichem und genossenschaftlichem Eigentum. – Ach! – Es ist höchste Zeit, dem Geschäftsmodell der großen Immobilienkonzerne einen Riegel vorzuschieben. Deren Motto „Wohnungen kaufen, Mieter auspressen, kaum neue Wohnungen bauen, Aktionäre bedienen und dann verbrannte Erde hinterlassen“ darf nicht länger akzeptiert werden. – Im Unterschied zu Ihnen haben wir ein Konzept. Unser Konzept ist klar: Mieten deckeln, Sozialwohnungen bauen. Die Spekulation mit Wohnraum muss beendet werden. Das Wort hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Bayram.
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Manfred Grund CDU/CSU
Manfred
Grund
CDU/CSU
Vielen Dank. – Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauer vor den Fernsehgeräten! Ich möchte diese Hongkong-Debatte nutzen, um der Frage nachzugehen: Wie geschlossen, wie einig ist die Europäische Union im Umgang mit der Volksrepublik China? Und ich will eine verpasste Chance ansprechen. Zum Ersten. Im Mai 2016 fand in Peking eine Konferenz statt, an der Vertreter europäischer Parteien teilgenommen haben, so aus Bulgarien der frühere Ministerpräsident Stanischew und aus Rumänien mit Victor Ponta ebenfalls ein vormaliger Ministerpräsident. In seinem Redebeitrag sagte Victor Ponta: Während die EU schläft, handelt China, und wir sind gern bei denen, die etwas tun. – Mit dieser Meinung ist Victor Ponta in den Ländern Süd- und Osteuropas nicht allein: Die EU tue zu wenig, sie investiere zu wenig, sie sei zu träge und überbürokratisiert. Deswegen setzt man dort auch weniger auf EU-Aktivitäten, sondern jeder andere, der Investments anbietet, der die Infrastruktur verbessert, ist willkommen, wird vorbehaltlos begrüßt, auch wenn die Geschlossenheit der EU-Staaten dadurch Risse bekommt und Schaden nimmt. Neben Bulgarien und Rumänien haben sich noch andere europäische Staaten zu dem Format „17 plus 1“ zusammengefunden: 17 Staaten aus Ost- und Südeuropa, „plus 1“ ist die Volksrepublik China. Zuletzt ist Griechenland dieser Initiative beigetreten. „Plus 1“ ist also nicht die EU. Auch wenn bei diesem Format nicht alle Bäume in den Himmel wachsen, die Volksrepublik China nicht alle Erwartungen erfüllen kann, so entsteht doch das Bild einer gespaltenen Europäischen Union, die trotz ihrer neuen Konnektivitätsstrategie, trotz einer veränderten EU-China-Strategie bisher keinen gemeinsamen, keinen einheitlichen Standpunkt gefunden hat. Ein einheitlicher Standpunkt, ein gemeinsames Handeln wäre auch in der Zeit von Corona und bei möglichen Vertragsverletzungen wie in Hongkong zwingend und notwendig. Aber auch in der Coronapandemie war die EU weder federführend noch koordinierend, und statt sich auf Brüssel zu verlassen, haben Staaten wie Italien in China um Hilfe nachgesucht und diese von der Volksrepublik auch bekommen. In anderen Politikbereichen sieht es nicht besser aus: Gemeinsame EU-Strategie beim 5G-Ausbau? Fehlanzeige. Gemeinsame Reaktion auf die Seidenstraßeninitiative? Fehlanzeige. Fehlanzeige auch beim Thema Marktzugang/Marktöffnung. Dabei bräuchten aber die EU-Staaten Klarheit und nach Möglichkeit Einigkeit in ihrer Beziehung zur Volksrepublik China. Denn die Volksrepublik – das ist mehrfach angesprochen worden – vertritt ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen heute viel konsequenter als noch vor 20 Jahren. Der ökonomische, politische und militärische Aufstieg Chinas ist übergegangen in einen Systemwettbewerb zwischen den USA und der Volksrepublik, übergegangen in einen Wettbewerb um eine neue Weltordnung und um die globale Führungsrolle darin. Beim Aufstieg des einen und beim möglichen Rückzug des anderen droht ein weltweiter Ordnungs- und Sicherheitsverlust, und, meine Damen und Herren, weder die Europäische Union noch wir sollten dabei zum Kollateralschaden werden. Wozu Uneinigkeit führen kann, will ich im Punkt zwei, verpasste Chancen, ansprechen. Es geht mir um das gescheiterte Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA; es geht um TTIP. TTIP war die letzte Chance, unter Führung der wichtigsten, der größten liberalen Marktwirtschaften EU und USA verbindliche technische, menschenrechtliche und regulatorische Standards zu setzen, Standards bei der Digitalisierung, beim Einsatz künstlicher Intelligenz, beim Arbeitsschutz, bei Industrie und Handel, beim Zoll, beim Umweltschutz und bei der Transparenz. Diese Chance ist vertan; TTIP ist gescheitert, gescheitert auch an der Ablehnung in der deutschen Öffentlichkeit und der Uneinigkeit in der Europäischen Union: vorbei, vorüber, nie wieder. Nicht wir setzen die Standards, andere gehen in die Lücke, wie etwa die Volksrepublik China. Das ist den Chinesen nicht vorzuwerfen. Der Vorwurf geht an uns; denn wenn wir weltpolitisch ernst genommen werden wollen, müssen wir besser werden. Wir müssen auch schneller werden. Zuallererst aber muss sich die EU gegenüber der Volksrepublik China zu einer einheitlichen Positionierung zusammenfinden, um dann gemeinsam mit der Volksrepublik China über Menschenrechte und die Verbindlichkeit internationaler Verträge zu reden. Dazu wäre, meine Damen und Herren, das geplante EU-China-Gipfeltreffen im September in Leipzig eine gute Gelegenheit. Vielen Dank. Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Dr. Volker Ullrich für die Fraktion der CDU/CSU.
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Agnieszka Brugger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Agnieszka
Brugger
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In keinem anderen Land auf dem afrikanischen Kontinent haben so viele Menschen ihre Heimat verloren wie im Südsudan: 2,5 Millionen sind in die Nachbarländer geflohen, 1,5 Millionen sind Binnenvertriebene, und es sind vor allem Frauen und Kinder. Das ist doch eine Katastrophe, die uns nicht kaltlassen und gleichgültig lassen darf. Präsident Salva Kiir und sein früherer Stellvertreter Riek Machar sind verantwortlich für Menschenrechtsverletzungen, für schreckliche Verbrechen und auch für sexualisierte Gewalt, und all das, um seit Jahren ihren brutalen Machtkampf auf dem Rücken der Menschen auszutragen. Und in ein paar Tagen wird einmal mehr eine Frist für die Bildung einer Übergangsregierung wahrscheinlich folgenlos verstreichen. Meine Damen und Herren, ich will an dieser Lage nichts schönreden. Und auch das ist klar: Die Friedensmission der Vereinten Nationen hat ihre Schwächen und hat ihre Probleme, und sie konnte der Gewalt im Land in der Vergangenheit nur unzureichend begegnen. Aber Resignation darf doch nicht die letzte Antwort auf diese schwierige Situation sein. Nach wie vor sind es 190 000 Menschen, die in den UNMISS-Camps Zuflucht gefunden haben. Für diese Menschen bietet UNMISS damit ein Mindestmaß an Hilfe und an Schutz. Wer diese Mission ersatzlos beenden will, der muss auch erklären, wie eigentlich die Sicherheit dieser Menschen in Zukunft gewährleistet sein soll. Nicht nur vor diesem Hintergrund wollen wir all denjenigen, die Dienst in dieser Friedensmission leisten – ob in Uniform oder ohne –, wirklich noch einmal unseren herzlichen Dank aussprechen; denn es ist kein einfacher und auch kein ungefährlicher Dienst, der dort geleistet wird. Meine Damen und Herren, eins ist aber auch klar: Die Vereinten Nationen sind immer nur so stark, wie die Mitgliedstaaten sie unterstützen. Hier hat Deutschland mit seinem vorübergehenden Sitz im Sicherheitsrat eine besondere Verantwortung dafür, die Vereinten Nationen insgesamt, aber auch gerade ihre Friedensmissionen stärker zu unterstützen. Da verwundert eben – das haben ja auch schon viele Rednerinnen und Redner angesprochen – der Blick ins Mandat schon sehr. Sie sehen eine sehr bescheidene Mandatsobergrenze von 50 vor. Laut der letzten Unterrichtung des Parlaments sind genau 13 Soldatinnen und Soldaten vor Ort. Die Obergrenze wird also nicht einmal annähernd erreicht. Dabei ist doch klar: Langfristige Sicherheit und überhaupt eine kleine Chance auf echten Frieden im Südsudan wird es nur geben mit handlungsfähigen Vereinten Nationen, mit einem belastbaren Friedensplan, mit einem breit angelegten Entwaffnungsprogramm und einer echten Reform des Sicherheitssektors. Dafür müssen wir uns doch stärker engagieren als nur mit 13 Leuten. Wir führen ja seit Jahren diese Debatte über eine größere deutsche Verantwortung in der Außen- und Sicherheitspolitik. Hier, bei den Vereinten Nationen, hätten Sie doch wirklich eine breite Unterstützung aus dem Parlament, aus der Koalition, aber auch aus der Opposition. Ergreifen Sie sie, und unterstützen Sie die Friedensmissionen der Vereinten Nationen endlich stärker – mit mehr Geld, aber auch mit mehr Personal, nicht nur mit militärischem. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin Brugger. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege – – Ingo Gädechens steht bei mir. – Oh, Entschuldigung, Jürgen Hardt. Es ist heute offensichtlich nicht mein Tag. Herr Kollege Hardt.
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Jens Maier AfD
Jens
Maier
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn gleich klarstellen, worum es geht: Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des § 130 StGB hat nicht das Ziel, den zurzeit geschützten Personenkreisen etwas wegzunehmen, den Anwendungsbereich zu verkleinern oder, wie ich in Kommentaren im Vorfeld lesen musste, das Hetzen und Pöbeln gegen Minderheiten freizugeben. Wir wollen das Gegenteil. Das Gegenteil ist der Fall: Die AfD will nur eines, nämlich dass auch die Deutschen vor Hetze und Pöbeleien geschützt werden. Durch unseren Gesetzentwurf soll eine Strafbarkeitslücke geschlossen werden. Herr Kollege Maier, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Grosse-Brömer? Bitte. Herr Kollege Maier, schön, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Weil Sie ja die Deutschen vor Pöbeleien schützen wollen: Ich habe eine Rede von Ihnen gehört, die Sie bei Pegida gehalten haben. Da sagten Sie, hier im Bundestag säßen keine Eliten. Ich glaube, Ihre Fraktion wollten Sie wahrscheinlich außen vor lassen. Alle anderen jedenfalls seien auf keinen Fall Eliten, sondern mehr so – ich zitiere – Funktionärseliten – Nein, Funktionseliten. – oder Funktionseliten – gut, dass Sie sich daran erinnern –, die Sie aus dem Feld schlagen wollen. Richtig, das habe ich gesagt. Sehr gut. – Ich frage mich, seitdem Sie diese Rede bei Pegida gehalten haben: Wie hat er das vor, bei mir jedenfalls? Ja, Sie sind körperlich stärker als ich, oder worauf wollen Sie hinaus? Ich bin ja Deutscher, und Sie wollen Deutsche vor Pöbeleien schützen. Sagen Sie mir doch mal: Wie wollen Sie es schaffen, mich aus dem Feld zu schlagen? Oder ist es möglich, mich davor zu schützen? Darf ich darauf antworten? Ja, Sie müssen es genau genommen sogar. Wenn Sie antworten mögen, dürfen Sie jetzt antworten, und Herr Grosse-Brömer und wir hören uns Ihre Antwort an. Okay. – Sind Sie Schachspieler? Beim Schach sagt man: „aus dem Feld schlagen“. Das ist ein Begriff, den man verwendet, wenn man Schachspieler ist. „Aus dem Feld schlagen“ bedeutet, dass wir uns strategisch und von der Kompetenz her so aufstellen, dass Sie hier bald nichts mehr zu sagen haben. Jetzt können wir weitermachen. Noch einmal: Es soll hier eine Strafbarkeitslücke geschlossen werden. Das ist auch notwendig; denn mittlerweile greift in diesem Land Deutschenfeindlichkeit um sich. Das ist etwas, was hier immer verschwiegen wird. Es wird immer nur die eine Seite gesehen; die andere Seite wird nicht gesehen. Vor zwei Jahren wurde in diesem Hohen Hause die Armenien-Resolution verabschiedet. Ein Mitglied im Vorstand des Türkischen Elternbundes in Hamburg sah sich daraufhin berechtigt, Folgendes bei Facebook zu posten – Zitat –: Erhofft sich Türkei noch immer etwas Gutes von diesem Hundeclan? Erwarte nichts Türkei, übe Macht aus! Sie haben nur Schweinereien im Sinn. Möge Gott ihren Lebensraum zerstören. Fragen Sie die Kinder in westdeutschen Großstädten, ob gegen sie schon einmal in der Schule rassistisch gehetzt wurde, gerade weil sie Deutsche sind. Jährlich werden über 100 Millionen Euro für den Kampf gegen rechts ausgegeben. Für den Schutz der eigenen Bevölkerung vor rassistischer Hetze und Gewalt wird nichts oder so gut wie nichts getan. Das ist ein Skandal! Das Schlimme daran ist: Nicht einmal den gleichen strafrechtlichen Schutz wie den in unserem Land lebenden Gästen von Frau Merkel billigt man den Deutschen zu. Man könnte den § 130 StGB in seiner jetzigen Fassung auch auf rassistische Äußerungen gegenüber Deutschen anwenden, wenn man es nur wollte. Man tut es aber nicht. In dem Fall in Hamburg, als die Deutschen als „Hundeclan“ bzw. – in anderer Übersetzung – als „Köterrasse“ bezeichnet wurden, kam es nicht einmal zu einer Anklage. Das Ermittlungsverfahren wurde von der zuständigen Staatsanwaltschaft eingestellt. Warum aber wäre eine Verfolgung schon jetzt möglich? Dazu muss man zunächst einmal wissen, dass das Schutzgut des § 130 StGB der öffentliche Friede ist. Das ist allgemeine Meinung. Das ist keine Vorschrift, die speziell Minderheiten zu schützen beabsichtigt. Schon in der Fassung des § 130 StGB aus dem Jahr 1960 hat der Gesetzgeber entschieden, dass gerade nicht nur einzelne gesellschaftliche Minderheiten durch den Straftatbestand geschützt werden, sondern er hat auch Tathandlungen gegen Teile der Bevölkerung unter Strafe gestellt. Wenn man den Begriff „Bevölkerung“ als Oberbegriff sieht, dann sind doch auch die Deutschen nur ein Teil davon. Wo anders als hier in Berlin wird dieser Befund deutlich? Da braucht man nur einmal mit der U 7 zu fahren und am Hermannplatz in Neukölln auszusteigen. Dann merkt man das. Doch wie argumentieren die Staatsanwaltschaften und Gerichte? Eine Strafbarkeit scheide aus, weil die Deutschen nicht einen Teil, sondern die Gesamtbevölkerung darstellten. Das deutsche Volk sei kein unterscheidbarer Teil der Bevölkerung, da ein festes oder inneres Unterscheidungsmerkmal fehle. Das ist Unsinn! Eine Mindermeinung in der Literatur widerspricht dem ausdrücklich. Denn wenn Ausländer einen Teil der Gesamtbevölkerung darstellen, dann müssen auch Deutsche Teil der Bevölkerung sein. Alles andere ist unlogisch. Auch ein großer Teil der Gesamtbevölkerung ist ein Teil der Gesamtbevölkerung. Wenn Angehörige einer Bevölkerungsmehrheit gegen Angehörige einer Bevölkerungsminderheit hetzen, ist der öffentliche Friede, das Schutzgut des § 130 StGB, gefährdet. Herr Kollege Maier, es gibt noch einmal den Wunsch zu einer Zwischenfrage aus der CDU/CSU-Fraktion. Von wem denn? Ich habe es jetzt nicht gesehen. Wollen Sie die Zwischenfrage zulassen oder nicht? Das ist meine Frage. Das ist der Herr Müller; den schätze ich. Bitte. – Ja, er sitzt im Rechtsausschuss. Die Frage ist beantwortet, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen. Herr Kollege Maier, die Frage ist, ob das auch weiterhin der Fall bleibt. Herr Kollege Maier, wie lange haben Sie denn in Ihrer bisherigen Tätigkeit Zivilrecht gemacht, und wie lange war Ihre Tätigkeit im Bereich des Strafrechts? Dieser Gesetzentwurf ist strafrechtlich nämlich dermaßen falsch und verquer, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass Sie ausreichende und fundierte Kenntnisse hatten, als Sie ihn formuliert haben. Aber das ist ja gar keine Frage. – Oder war das eine Frage? Die Frage lautet – das ist doch ganz einfach –: Wie lange haben Sie als Zivilrichter gearbeitet, und wie lange haben Sie als Strafrichter bzw. im strafrechtlichen Bereich gewirkt? Wenn man den Gesetzentwurf liest, dann hat man den Eindruck: nicht allzu lange. Herr Kollege Maier, Sie können die Frage beantworten. Sie müssen nicht, Sie können. Ja. – Ich bin Zivilrichter gewesen, und ich war Staatsanwalt. Damit ist die Frage beantwortet. – Fahren Sie bitte fort. Denken Sie auch daran: Ihre Redezeit geht dem Ende entgegen. Da die Staatsanwaltschaften und Gerichte diese Schlussfolgerung nicht ziehen, bedarf es einer klarstellenden Gesetzesänderung, die vorsieht, dass auch das Hetzen gegen die Bevölkerungsmehrheit unter den Tatbestand der Volksverhetzung fällt. Es geht um den Schutz der Deutschen im eigenen Land – nicht mehr und nicht weniger. Diese wollen genauso geschützt werden wie die Gäste von Frau Merkel. Es muss Schluss sein damit, dass die Deutschen im eigenen Land zu Bürgern zweiter Klasse werden, wie wir es immer wieder erleben. Um dies zu verhindern und zu beenden, sind wir, die AfD-Fraktion, jetzt hier in diesem Parlament. Wir sind gekommen, um zu bleiben, und wir bleiben, bis wir uns hier durchgesetzt haben. Vielen Dank. Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Ingmar Jung, CDU/CSU-Fraktion.
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