Wahlperiode
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Karsten Hilse AfD
Karsten
Hilse
AfD
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestern gab es ja lautstarke Tumulte, als ich ein paar Analogien in den Mittelpunkt meiner Rede stellte. Heute lass ich es etwas ruhiger angehen; aber nicht deshalb, weil ich zwischenzeitlich zahmer geworden bin, sondern weil der vorliegende Antrag im Großen und Ganzen unseren Einstellungen entspricht. Als konservative Partei tritt die AfD ein für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen unserer Gesellschaft bei gleichzeitiger Berücksichtigung technischer, wirtschaftlicher Anforderungen der Entwicklung Deutschlands, aber auch weltweit. Umweltpolitische Konzepte der AfD stellen unsere menschliche Gesellschaft in den Mittelpunkt, ohne aber die Abhängigkeit menschlicher Gemeinschaften von intakten natürlichen Kreisläufen zu vernachlässigen. AfD-Umweltpolitik folgt der Erkenntnis, dass das gegenwärtige wirtschaftliche Wachstum und die enorm steigende Bevölkerungsdichte in der Welt unweigerlich an den rasant wachsenden Verbrauch natürlicher Ressourcen gebunden sind. Ohne ideologische Scheuklappen suchen wir Wege, natürliche Ressourcen nachhaltig zu nutzen. Eine der wichtigsten Ressourcen unseres Planeten stellen die Ozeane in ihrer Gesamtheit dar. Die Ozeane sind komplexe Ökosysteme, Wasserspeicher, Klimaregulator und Lebensraum von Tausenden Lebensformen. Sie sind aber auch Transportweg, Rohstoff, Lagerstätte und Nahrungsmittellieferant für Milliarden von Menschen. Die weltweite Fischerei fängt pro Jahr 140 Millionen Tonnen Fisch, also durchschnittlich 20 Kilogramm je Mensch. In weiten Bereichen wie dem Mittelmeer, in Skandinavien, vor der südamerikanischen Westküste und im Chinesischen Meer sind einst reiche Fischbestände stark reduziert worden. Die riesigen Fischfangflotten und die industrielle Verarbeitung auf See erzeugen einen Druck auf die Fischbestände, dem die Regenerationsfähigkeit vieler Arten nicht gewachsen ist. Viele dieser Bestände brauchen dringend Erholung von der übermäßigen Nutzung. Fangquoten sind hilfreich bei der Schonung von geschwächten Beständen. Dorsch und Hering haben sich zum Beispiel nach deutlicher Überfischung in den 70er-, 80er- und 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts in vielen Gebieten wieder erholt. Die Erholungsphase dauerte teilweise sehr lange, zum Beispiel bei den Heringsbeständen vor Norwegen circa 20 Jahre. Bei einigen Arten sind länger anhaltende strikte Fangverbote notwendig. Je gefährdeter eine Art ist, umso länger müssen die Fangverbote rigoros durchgesetzt werden. An den sich langsam erholenden Walbeständen wird das deutlich. Leider werden häufig Fangquoten und -verbote mehr oder weniger ignoriert bzw. halblegal unterlaufen. Die ständig steigende Nachfrage der wachsenden Weltbevölkerung nach proteinhaltiger Nahrung und die Minderung der Erträge in den traditionellen Fanggebieten lenken immer mehr Fangflotten in bisher nicht bewirtschaftete Meeresregionen, zum Beispiel in die Antarktis. Dazu gehören zum Beispiel die Gebiete um das antarktische Festland. Die reichen Krill- und Fischbestände locken, die Absatzmärkte wachsen. Ökologische Belange, aber auch Ziele nachhaltiger Bewirtschaftung dürften für Fischfangflotten insbesondere aus sich stark entwickelnden Volkswirtschaften nachrangig sein. Neben dem Zweck, die biologische Artenvielfalt und einzigartige Ökosysteme zu erhalten, ist auch aus diesem Grund die Einrichtung weitflächiger Gebiete, in denen zu stark befischte bzw. bejagte Populationen geschützt sind und sich regenerieren können, anzustreben. Daher unterstützt die AfD-Fraktion die Forderung der Einrichtung eines Schutzgebietes im Weddellmeer. Beim Lesen der weiteren Ziele fiel mir die Mahnung des Kollegen Koeppen vom gestrigen Tag ein, der anmahnte, sich realistische Ziele und einen realistischen Erfüllungsrahmen zu setzen. Mit der Ausweisung von Meeresschutzgebieten ist es aber nicht getan. Ein großes Problem – Sie sprachen es an – ist die Vermüllung. Ein großer Schritt, um die Vermüllung der Meere zu stoppen, wäre aus unserer Sicht, die Länder, die den größten Plastikeintrag in die Meere verursachen, dabei zu unterstützen, eine funktionierende Müllentsorgung und eine Recyclinginfrastruktur aufzubauen. Geld genug ist da. Das Geld müsste nur aus den auch durch Deutschland und die EU geförderten sinnlosen Klimaschutzmaßnahmen in diesen Ländern in die gerade genannten Projekte umgeleitet werden. Das wäre ein wirklicher Schutz der Umwelt. Trotz der kleinen Mängel im Antrag werden wir diesem zustimmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und ein schönes Wochenende. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Michael von Abercron für die CDU/CSU-Fraktion.
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Michael Groß SPD
Michael
Groß
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war ja eine interessante Debatte. Man konnte sehr genau nachvollziehen, wer hier wen schützen möchte. Ich fange einmal bei den Grünen und bei den Linken an. Wir sind inhaltlich natürlich nahe beieinander; aber die Grünen hätten ja bei Jamaika all das durchsetzen können, was sie heute hier gefordert haben. Wir haben einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Ich wäre gespannt gewesen, was Sie in einer Koalition mit FDP und Union erreicht hätten. Herr Houben, ich habe Ihnen sehr gut zugehört. Ich hoffe, Sie haben nicht gemeint, dass diejenigen, die als Friseurin, als Reinigungskraft, als Pflegerin, in der Stadtreinigung arbeiten, nicht leistungsfähig sind. Sie haben ja gesagt, wir müssten Leistung belohnen. Ich hoffe, Sie sind auch dafür, dass wir durch eine starke Mitbestimmung die Löhne anheben. Es geht hier um Maß und Mitte in den Betrieben, und es geht darum – das haben Sie vielleicht zur Kenntnis genommen –, dass die Löhne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eben nicht so stark ansteigen wie die Spitzengehälter der Vorstandsmitglieder in den DAX-Unternehmen. Gerade hatten wir das Thema „soziale Marktwirtschaft“. Ich kann da nur Ludwig Erhard zitieren, der einmal gesagt hat: Wir haben den Aufstieg mit der sozialen Marktwirtschaft geschafft. Mein Vater war Betriebsratsvorsitzender auf einer Zeche in Marl-Brassert. Ich habe ihn in den 1970er-Jahren gefragt: Was hältst du davon, wenn dein Standortleiter mehr verdient? – Da hat er gesagt: Das Dreifache ist okay; der leistet mehr. – Heute ist die Situation so, dass Vorstände wie der Chef der Deutschen Post 232-mal mehr verdienen. Das ist für uns Sozialdemokraten unverhältnismäßig. Das spiegelt auch nicht die Leistungsfähigkeit dieser Menschen wider. Sie können argumentieren, dass diese Menschen mehr Verantwortung haben und zeitlich vielleicht auch mehr arbeiten; aber dadurch wird es nicht gerecht. Maß und Mitte heißt eben auch, dass die Menschen in dieser Gesellschaft darauf vertrauen können, dass wir so etwas regulieren. Johannes Fechner hat deutlich gemacht, was wir als Sozialdemokraten uns vorstellen können. Da geht es auch um die steuerliche Absetzbarkeit der Gehälter und der Altersbezüge derjenigen, die in den Vorständen arbeiten. Wir sagen eindeutig: So etwas wollen wir nicht mehr. Der Kollege Hoffmann hat es ja gesagt: Es geht um die soziale Marktwirtschaft. Es geht darum, die Zukunft so zu gestalten, dass die Menschen das Gefühl haben, es gehe sozial gerecht zu. Ich hoffe, wir schaffen es in den Koalitionsgesprächen, die Aktionärsrechterichtlinie noch zu verbessern. Sie können ja mitmachen. Sie können unserem Vorschlag folgen, und dann bekommen wir eine gute Gesetzgebung zum Thema „Unterbindung der Gehaltsexzesse“ hin. Das ist unser Ziel als Sozialdemokraten. Auf die Aktionärsrechterichtlinie sind Sie schon eingegangen; darauf will ich nicht mehr hinweisen. Es geht um das Thema „Transparenz zwischen Gesellschafter und Aktionären“. Es geht darum, dass insbesondere die Vorstände dazu gezwungen werden, Vergütungssysteme aufzustellen, und sich letztendlich auch dazu verpflichten, Berichte vorzulegen, die Einkommensentwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter offenzulegen, und zwar im Verhältnis zur Einkommensentwicklung der Vorstände und Vorstandsvorsitzenden. Das ist nur richtig so, damit wir auch sehen, wie sich das entwickelt. Wir Sozialdemokraten sagen: Wir brauchen noch andere Instrumente. Sie haben unser Sozialstaatskonzept zur Kenntnis genommen. Wir müssen über höhere Mindestlöhne reden. Wir müssen auch darüber reden, dass natürlich einige im Haus den Solidaritätszuschlag abschaffen wollen für 10 Prozent der Reichsten. Das würde dazu führen, dass diejenigen, die 6 Millionen Euro im Jahr verdienen, 160 000 Euro weniger Steuern zahlen müssten. Das ist, glaube ich, nicht das, was wir alle wollen. Das ist sozial ungerecht. Deswegen lehnen wir das ab. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich schließe die Aussprache. Wir kommen – Tagesordnungspunkte 11 a und 11 c – zur Überweisung der Vorlagen auf Drucksachen 19/7979 und 19/8282 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse. Die Federführung ist allerdings strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen Federführung beim Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen möchten eine Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Ich lasse über den Überweisungsvorschlag der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen, Federführung beim Ausschuss für Wirtschaft und Energie, abstimmen. Wer stimmt dafür? – Das sind die Linken und die Grünen. Dagegen? – Alle übrigen Fraktionen. Enthaltungen? – Keine. Damit ist der Überweisungsvorschlag abgelehnt. Wir stimmen über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, Federführung beim Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, ab. Wer stimmt dafür? – Das sind AfD, FDP, CDU/CSU und SPD. Dagegen? – Linke und Grüne. Keine Enthaltungen. Damit sind die Überweisungsvorschläge angenommen. Zum Tagesordnungspunkt 11 b sowie zum Zusatzpunkt 8. Interfraktionell wird hier Überweisung der Vorlagen auf Drucksachen 19/8233 und 19/8269 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Es gibt keinen Widerspruch. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
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Hartmut Ebbing FDP
Hartmut
Ebbing
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Bundeskulturförderung legte in den vergangenen 20 Jahren besonderen Fokus auf die prestigeträchtigen urbanen Projekte. Der ländliche Raum kam hier oft zu kurz. Insofern begrüßen wir es, dass die Koalition das Thema „Kultur im ländlichen Raum“ als eigenständige Thematik identifiziert hat. Gerade im ländlichen Raum ist die kulturelle Bindung der Bürger zu ihren Gemeinden besonders eng und fördert nicht nur regionale Identitäten, sondern ist auch essenziell für den sozialen Zusammenhalt. Daher begrüßen wir die Grundthematik des Antrags der Koalition, die Kultur im ländlichen Raum gezielter zu fördern – und zu wollen vor allen Dingen. Liest man sich aber den siebenseitigen und – Herr Rabanus hat es erwähnt – mit 34 Einzelforderungen versehenen Antrag durch, wird man erinnert an eine kunterbunte Patchworkdecke. Die FDP ist ja bekannt für die Tolerierung bunter Lebensbeziehungen, aber ein strukturelles Problem lösen wir nicht mit einem Flickenteppich. Die Koalition hat sich bei ihrem Antrag – vielleicht noch nicht – die Mühe gemacht, nach den Ursachen der Probleme im ländlichen Raum zu suchen, und sie geht an mögliche Lösungen meines Erachtens nur halbherzig heran. Wie immer greift die Koalition auf das altbewährte Mittel zurück, den Status quo mithilfe von viel Geld zu bewahren und die eigentlichen Probleme zu vertagen. Einige Beispiele hierzu: In Forderung 3 verlangt die Koalition, „ein Konzept für ein Zukunftsprogramm Kino vorzulegen“. Der Fokus liegt hier allerdings einzig und allein auf der Bestandssicherung und den Investitionen in Ausstattung und Technik. Keine Gedanken hat man sich gemacht, weshalb die Kinos im ländlichen Raum weniger Menschen anziehen als zum Beispiel in Städten und wie man die Kinosäle gegenüber Netflix, Amazon und Co vielleicht wieder attraktiver machen könnte. Ist das Kino von heute nicht der CD-Player von gestern? Das könnte man ja mal überlegen. In Forderung 13 verlangt die Koalition die stärkere Förderung von ländlichen Bibliotheken aufgrund ihrer zunehmenden gesellschaftlichen Bedeutung. Schrammt dies nicht ein wenig an der Realität vorbei? Gerade im ländlichen Raum wäre es viel wichtiger, ergänzend zum analogen Angebot innovative und vor allen Dingen digitale Konzepte zu entwickeln, mit deren Hilfe die Landbevölkerung online auf ein breiteres Angebot von Büchern und Zeitschriften zugreifen kann. Mehr Gigabits in die Breitbandkabel, das ist, glaube ich, das, was wir vornehmlich im ländlichen Raum machen müssen. In Forderung 14 verlangt die Koalition die Stärkung der sogenannten dritten Orte zur Förderung von Soziokultur, Industriekultur und Kulturtourismus, ohne jedoch irgendwelche konkreten Vorschläge zu unterbreiten. Wie wäre es denn, an dieser Stelle den Blick nach Großbritannien zu wagen? Der National Trust könnte als Vorbild für eine optimale Verschmelzung eines breiten kulturellen Angebots im ländlichen Raum mit der Bewahrung unseres kulturellen Erbes und starken wirtschaftlichen Engagements dienen. Um das zu erreichen, ist die Forderung 4 Ihres Antrages nach einer Entbürokratisierung und Modernisierung der Antragsverfahren meines Erachtens essenziell. Doch frage ich mich hier auch, warum die Erkenntnis erst dieses Jahr kommt. Die Entbürokratisierung und Digitalisierung betrifft eben nicht nur die Bezirksämter in Großstädten, sondern genauso die zahllosen und vor allem heillos unübersichtlichen Antragsverfahren auf kulturelle Förderung im ländlichen Raum. Es gibt heute zahlreiche Kulturschaffende – Herr Präsident, ich bin gleich fertig –, die Fördermittel teilweise gar nicht mehr in Anspruch nehmen und beantragen, weil der Aufwand hierfür schlicht und einfach zu groß ist. Die Verwaltung sollte für den Bürger da sein und nicht umgekehrt. Vielen Dank. Nächste Rednerin: die Kollegin Brigitte Freihold, Fraktion Die Linke.
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Johannes Schraps SPD
Johannes
Schraps
SPD
Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat schade, dass diese wichtige Thematik – und das hat die Rede des Kollegen Krischer gerade auch gezeigt – von den Grünen ganz offensichtlich nicht aufgrund der in der Tat vorhandenen Notwendigkeit für Diskussionen, sondern ausnahmslos für durchsichtige politische Spielchen aufgesetzt wurde. Das wird der gebotenen Ernsthaftigkeit bei dieser Thematik leider nicht gerecht. Denn bei jedem, der die aktuelle Situation in Russland verfolgt, muss sich momentan das Gefühl einstellen, dass wir schon wieder in einer neuen, schwierigeren Phase angekommen sind. Alexej Nawalny, der erst vergiftet wurde, diesen Anschlag auf sein Leben nur mit viel Glück überlebt hat und nun ohne jegliche Legitimation in ein Arbeitslager gesteckt wurde, ist ja nur das leuchtende Symbol dafür. Als er nach seiner Rückkehr und der sofortigen Festnahme zu Protesten aufgerufen hatte, da kam es in so gut wie allen größeren und kleineren Städten Russlands zu Kundgebungen. Auch für viele Beobachter war es eher überraschend, dass mit der jüngsten Protestwelle eben auch in zahlreichen Provinzstädten viele Leute auf die Straße gingen im Einsatz für Bürgerrechte und für einen demokratischen Wandel Russlands. Das waren keine einzelnen, lokalen oder nur auf Moskau bezogenen Proteste, nein, das waren landesweite Proteste, und so etwas war in Russland in diesem Umfang lange nicht vorgekommen. Beispiellos war jedoch auch – leider – der Einsatz der Sicherheitskräfte; denn so brutal waren sie vorher selten gegen friedliche Teilnehmer einer Demonstration vorgegangen. Dazu gleichen sich die Berichte aus vielen Städten. Das russische Regime geht gegen seine Gegner mit kaum vorstellbarer Gewalt vor. Mittlerweile ist von über 11 000 Verhaftungen die Rede. Das Vorgehen gegen Nawalny persönlich ist also nur das Symbol für die allgemeine Situation in Russland; er steht symbolisch für viele Tausend Menschen, die auf die eine oder andere Art und Weise für ihre politischen Überzeugungen bestraft werden, mit körperlicher Gewalt oder mit Freiheitsentzug. Ein solches Vorgehen widerspricht fundamental den freiheitlichen, rechtsstaatlichen Werten, auf die wir uns hier in der Europäischen Union verständigt haben. Deshalb – und das hat Außenminister Heiko Maas zum Glück deutlich gemacht – kann es auf diese Vorkommnisse auch nur eine europäische Reaktion geben und keine nationalen Reaktionen. Eine einheitliche EU-Linie im Umgang mit Russland hat es in den letzten Jahren – das müssen wir uns eingestehen – leider nicht immer gegeben. Diese Uneinigkeit hat dazu geführt, dass die EU in Russland als politischer Akteur offensichtlich nicht immer ganz ernst genommen wird. Wie die Situation ausschaut, mussten wir beim Besuch des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell in der vergangenen Woche in Moskau leidvoll beobachten. Die Ausweisung von EU-Diplomaten aus Deutschland, Schweden und Polen während der Pressekonferenz von Borrell mit dem russischen Außenminister Lawrow ist ein diplomatischer Affront, der ganz bewusst herbeigeführt wurde. Das russische Regime weiß ganz genau, dass es darauf eine Reaktion der EU geben muss; es provoziert damit eine Eskalation der Beziehungen und verkauft dies der eigenen Bevölkerung dann als ein Zeichen, dass Nawalny ein Agent des Westens sei und dass Russland von ach so vielen Feinden umgeben sei. Nils Schmid hat zu Recht auf die Situation und auf den Zustand des Landes hingewiesen. Nur mit diesen antiwestlichen Narrativen und mit immer neuen außenpolitischen Provokationen können die Schwierigkeiten im eigenen Land, die sich eben auch in diesen landesweiten Protesten widerspiegeln, zumindest zeitweise überdeckt werden. Außenpolitik ist vor allem in Russland immer auch Teil der Innenpolitik, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Doch deshalb sollten wir aus meiner Sicht dort, wo wir es können, nicht auf Dialog verzichten. Er wird auf parlamentarischer Ebene von Kollegen wie Frank Schwabe im Rahmen des Europarates oder auch von mir im Rahmen der Ostseeparlamentarierkonferenz intensiv gepflegt, wo es geht; denn Dialog ist die Grundlage jedes demokratischen Miteinanders. Aber man redet besser auf Augenhöhe, wenn man sich der eigenen Stärke auch bewusst sein kann. Deswegen muss die Stärkung der europäischen Sicherheitspolitik, unter anderem im Bereich Cybersecurity, eine große Priorität sein, die Stärkung der Europäischen Verteidigungsunion ebenso, und auch bei der Diskussion um weitere zielgerichtete Sanktionen sollte die EU meines Erachtens klare Kante zeigen. Stärke besteht hier aber vor allem in europäischer Einigkeit. Einigkeit innerhalb der EU zu erzielen, muss deshalb das Ziel unserer europäischen Aktivitäten sein. Mit einer baldigen Verbesserung der EU-Russland-Beziehungen – das muss man ehrlich eingestehen – ist aktuell nicht zu rechnen. Aber: Wir verurteilen das Regime von Putin, nicht das Land Russland und auch nicht die Menschen, die dort leben. „Putin ist nicht Russland“, verehrte Kolleginnen und Kollegen; das müssen wir immer wieder deutlich sagen. Deshalb geht es auch um Zeichen an die russische Zivilgesellschaft, so schwer es uns die Gesetzgebung „gegen ausländische Agenten“ auch macht. Ein starkes Signal wäre für mich dabei eine Visaliberalisierung für junge Russinnen und Russen; denn dann verteilt nicht mehr das Regime die Genehmigung, über den eigenen Horizont, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und den eigenen Horizont zu erweitern, sondern dann würden wir vielen jungen Menschen die Möglichkeit einräumen, dies zu tun. Eine Kombination aus einheitlicher EU-Strategie, klar fokussierten Sanktionen, einer Fortsetzung des Dialogs über bestehende Kanäle und der Unterstützung der russischen Zivilgesellschaft, das ist die richtige Vorgehensweise. Sie wird uns – damit komme ich zum Schluss – wahrscheinlich keinen schnellen Erfolg bringen. Beim Ziel der Verbesserung der EU-Russland-Beziehungen sollten wir uns nicht auf einen Sprint, sondern auf einen Marathon einstellen, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank. – Das Wort geht an Matern von Marschall für die CDU/CSU-Fraktion.
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Ulrich Lechte FDP
Ulrich
Lechte
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Die NATO-Operation Sea Guardian ist eine vielseitige Mission mit einem großen Aufgabenspektrum und einem sehr großen Operationsgebiet, dem gesamten Mittelmeer. Dieses sehr flexible Mandat wurde in diesem Hause schon verschiedentlich kritisiert, weil es zu ausschweifend und zu unkonkret sei. Aber diese Anpassungsfähigkeit eines Mandats kann auch eine Stärke sein. Zumindest eine kluge Bundesregierung könnte ein solches Mandat nutzen, um schnell und flexibel auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren. Aktuell hätten wir einen solchen Fall, bei dem die Bundesregierung zeigen könnte, wie geschickt sie mit einem solch anpassungsfähigen Mandat umgehen kann. Aber sie ist den Beweis, dass sie dies kann, bisher leider schuldig geblieben. Lassen Sie mich erklären, was ich damit meine: Am 19. Januar dieses Jahres fand hier in Berlin die Libyen-Konferenz statt. Die Teilnehmer hatten sich auf eine Vereinbarung verständigt, durch die die Einmischung von außen in den Libyen-Krieg beendet und ein Friedensprozess ermöglicht werden sollte. Zu der Vereinbarung gehört auch eine Bekräftigung des bereits bestehenden UN-Waffenembargos gegen Libyen. Am 12. Februar hat dann der UN-Sicherheitsrat bei Enthaltung Russlands eine solche Resolution beschlossen. Damit hat also auch der UN-Sicherheitsrat erneut das geltende Waffenembargo bekräftigt. So weit, so gut. Auf diplomatischem Parkett hat Deutschland eine gute Figur hingelegt. Aber was sind diese Beschlüsse wert, wenn sie nicht umgesetzt werden? Das Waffenembargo wird weiterhin gebrochen, und wir tun nichts dagegen, obwohl die Bekämpfung von Waffenschmuggel zum Aufgabenspektrum von Sea Guardian gehört. Man höre und staune! Im Mandatstext wird zwar auch die Kooperation mit der EU-Operation Sophia, die es momentan ja eigentlich nicht mehr gibt, und einer möglichen Folgemission erwähnt – danke, Roderich, dass du „Irene“ schon erwähnt hast –, wir wissen aber auch, dass die Österreicher nicht sonderlich glücklich mit dieser Mission sind. Jetzt frage ich hier im Hohen Haus: Wo ist denn die Logik, eine Mission für etwas aufsetzen zu wollen, wofür wir bereits eine Mission haben? Wenn Sea Guardian in der Lage ist, Waffenschmuggel zu unterbinden: Für was brauche ich eine Folgemission für die EU-Operation Sophia? Warum verlegen wir nicht einfach Boote der Sea-Guardian-Mission vor Libyen, um diese Mission Sea Guardian das tun zu lassen, was sie tun soll, nämlich den Waffenschmuggel unterbinden? Das wäre doch mal eine wunderbare Lösung. Ich hoffe, dass ich der Bundesregierung jetzt einen Dienst erwiesen habe, indem ich sie auf diese Möglichkeit hingewiesen habe. Sie wissen ja: Die Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ ist im Rahmen von Sea Guardian unterwegs. Vielleicht wäre es – selbstverständlich in Absprache mit den Partnern – sinnvoll, diese Fregatte einfach aus der Ägäis abzuziehen, sie direkt vor Libyen zu positionieren und dafür zu sorgen, dass keine zusätzlichen Waffen mehr, von wem auch immer – seien sie aus der Türkei oder woher auch immer –, in den libyschen Bürgerkrieg kommen. Das wäre doch mal was. Ich hoffe, lieber Niels, du nimmst diese Position mit und überbringst sie deiner Obersten Heeresleitung; die Bundesverteidigungsministerin ist auch da. Was wäre es doch für ein toller Erfolg der deutschen Außenpolitik, wenn wir den Partnern zeigen, wie wir als Mitglied die Resolutionen des Sicherheitsrates entsprechend umsetzen können. Vielen Dank. Das Wort hat die Kollegin Kathrin Vogler für die Fraktion Die Linke.
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Stephan Thomae FDP
Stephan
Thomae
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Doro Bär, lieber Alexander Throm, bei Ihren Debattenbeiträgen habe ich mich an das Schauspiel „Der zerbrochne Krug“ von Heinrich von Kleist erinnert. Darin geht es um den Dorfrichter Adam, der über eine Tat zu Gericht sitzen muss, von der er genau weiß, dass er selber sie begangen hat. Das kam mir in den Sinn, als Sie aufgezählt haben, welche Fehler und Versäumnisse sich diese Regierung zuschulden kommen ließ. Es sind eigentlich die Fehler und Versäumnisse Ihrer Regierung aus der letzten Flüchtlingskrise in den Jahren 2015 folgende. Einen nationalen Flüchtlingsgipfel – daran entsinne ich mich sehr gut – hielt die Union in den Jahren 2015 folgende für völlig unnötig. Oder ein anderes Thema: Eine gleichmäßige europäische Verteilung der Flüchtenden ist auch der Union in der letzten Flüchtlingskrise nicht gelungen. Von daher sind es die gleichen Versäumnisse und Fehler, die damals schon geschehen sind, die Sie uns jetzt vorhalten. Gab es ferner bedarfsorientierte Unterstützung, psychosoziale Betreuung in den Jahren 2015 folgende? Nein, all das gab es nicht. Das sind Ihre Versäumnisse und Fehler gewesen, die Sie uns jetzt vorwerfen und die Frau Spiegel wahrscheinlich besser meistert, als es Ihnen damals gelungen ist. Dann gibt es eine ganze Reihe von Punkten, die machen wir doch eigentlich. Sie fordern, die Beförderungsabläufe zu verbessern. Bundesminister Volker Wissing hat im Verkehrsministerium einen Koordinationsstab eingerichtet, der genau das tut und leistet, was Sie fordern. Jetzt kann man sagen: Es läuft nicht alles perfekt, noch nicht alles rund. – Ja, weil die Dinge sich auch laufend ändern. Aber es ist im Gang, und es läuft, wie ich finde, eigentlich schon sehr gut. Zu den Schulangeboten für Kinder. Wovon spricht Bildungsministerin Stark-Watzinger denn jeden Tag? Ich finde, dass die Kommunen die Beschulung schulpflichtiger Kinder in den Schulen eigentlich sehr gut meistern. Aber das heißt nicht, dass ich alles falsch finde, was in Ihrem Antrag steht. Thema Registrierung: Ja, natürlich wäre es gut, ein genaues Bild davon zu haben: „Wie viele Menschen sind da, und wer ist da?“, um bedarfsgerechte Angebote für die Frauen und Kinder zu unterbreiten. Nur: Es ist – das haben wir gerade in der Kontroverse gehört – rechtlich und auch faktisch nicht ganz so einfach. Wenn ein ukrainischer Staatsangehöriger mit biometrischem Pass in den Schengenraum einreist, im Privat-Pkw von Freunden, Bekannten, Verwandten über Polen, Slowakei, Ungarn, Österreich oder Tschechien nach Deutschland kommt und hier innerhalb von 90 Tagen keine Leistungen beantragt, vielleicht auch weiterreist oder ausreist, dann ist es rechtlich und faktisch gar nicht so einfach zu erkennen: Da ist jemand da. Herr Kollege Thomae, erlauben Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Throm? Von Herrn Throm; das habe ich gesehen. Sehr gerne, Herr Kollege Throm. Ich danke Ihnen, Herr Kollege Thomae. – Ich danke Ihnen zunächst einmal auch dafür, dass Sie eingangs Ihrer Rede bestätigt haben, dass in dieser Bundesregierung entsprechende Fehler und Versäumnisse passieren, auch wenn Sie sie auf die Jahre 2015/2016 bezogen haben. Aber schade ist, dass diese Versäumnisse in Ihrer Bundesregierung in 2022 zumindest wiederholt werden nach Ihrer eigenen Aussage. Zweitens. Sie haben darauf hingewiesen, dass Ukrainer mit biometrischen Pässen zu Recht hier nach Deutschland kommen dürfen und Freizügigkeit genießen. Ich frage Sie, wie Sie denn feststellen, dass die ukrainischen Staatsbürger tatsächlich biometrische Pässe besitzen. Müssen Sie dazu nicht eine Personenfeststellung durchführen? Weitere Frage: Sie waren, glaube ich, gestern im Innenausschuss dabei, als der Präsident der Bundespolizei bestätigt hat, dass genau diese Personenfeststellung auch in Zügen und Bussen nicht vollständig stattfindet. Können Sie das bestätigen? Herr Kollege Throm, zunächst einmal habe ich nicht von „unseren“ Fehlern gesprochen, sondern ich habe gesagt, dass „Sie“ uns Fehler vorhalten, die aber Ihre eigenen Fehler gewesen sind. Das macht einen Unterschied. Zum Zweiten findet die Grenzkontrolle an den Schengen- und EU-Außengrenzen statt; Polen, Ungarn, Slowakei sind Schengenstaaten, Rumänien ist kein Schengenstaat, aber ein EU-Staat. An diesen Außengrenzen findet die Zutrittskontrolle statt. Wenn sich aber jemand erlaubtermaßen in den Schengenraum begeben hat, auch dank der Notfallrichtlinie und der Beschlüsse der EU-Kommission, dann kann er natürlich auch innerhalb der Europäischen Union in andere Unionsländer weiterreisen. Das geschieht natürlich. Das erfahren Sie auch nicht automatisch. Aber es wäre schon wichtig – das habe ich gesagt –, ein genaueres Bild zu erhalten: Wer ist denn nun eigentlich bei uns? Darüber muss man sich unterhalten. Darum sagte ich auch: Ihr Antrag enthält durchaus Vorschläge, die ich nicht total falsch finde. Es wäre in der Tat wichtig, zu wissen, wer bei uns ist, um die Menschen, die hier ankommen, auch bedarfsgerecht zu versorgen, vielleicht auch längerfristig zu versorgen. Deshalb ist das eine wichtige Frage. Das ist aber etwas anderes als eine Registrierungspflicht; denn da frage ich mich, wie Sie das faktisch durchsetzen wollen. Das ist der Unterschied zu dem, was Sie gesagt haben. Ich sagte eben: Ich halte nicht alles in Ihrem Antrag für völlig verkehrt. Gesundheitscheck und Verwaltungslotsen sind Ideen, über die man sich durchaus unterhalten kann. Daher bin ich aus den Gründen, die ich soeben genannt habe, der Meinung, dass es schade wäre, Ihren Antrag in Sofortabstimmung abzulehnen. Lassen Sie uns doch diesen Antrag von Ihnen in aller Ruhe, konzentriert im Ausschuss beraten. Daher wäre ich für eine Überweisung in den Innenausschuss. Vielen Dank. Der nächste Redner: Josef Oster, CDU/CSU-Fraktion.
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Nicole Bauer FDP
Nicole
Bauer
FDP
Montags, donnerstags, sonntags – jeden dritten Tag wird eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Schwere Misshandlungen und andere körperliche Verletzungen finden jeden Tag mehrmals statt, mitten in unserer Gesellschaft. Das ist eine unvorstellbare Größenordnung für ein modernes Land wie Deutschland. Dabei ist das nur die Spitze des Eisbergs. Die Demütigungen, die verbalen Erniedrigungen, die Spyware auf dem Handy – all das beginnt schon lange, lange vorher. Gewalt hat also viele Gesichter, und jede hinterlässt Spuren. Das eigene Zuhause ist für viele Frauen ein gefährlicher Ort, die Flucht ins Frauenhaus oft der einzige Ausweg und gleichzeitig der erste Schritt aus der häuslichen Gewalt – wenn, ja wenn dort ein Platz frei ist. Aktuell wird jede zweite Frau abgewiesen. Diesen Zustand, meine Damen und Herren, müssen wir schnellstens beenden. Menschen, die häusliche Gewalt erleben und Schutz suchen, müssen Schutz finden. Wir dürfen hier als Politik nicht länger versagen. Die Bundesregierung kommt ihrer Aufgabe bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention nicht nach. Es gibt immer noch Landkreise im ganzen Bundesgebiet, die sagen, sie bräuchten überhaupt keine Frauenhausplätze. Wachen Sie endlich auf, meine Damen und Herren! Ein entschiedenes Nein zu jeglicher Form von Gewalt, das erwarte ich mir, auch trotz Föderalismus, und dazu konkrete Lösungen: Erstens. Wir müssen die massive Unterversorgung angehen. Wir brauchen mehr Frauenhausplätze, und zwar regional verteilt und an den wirklichen Bedarfen orientiert. 2,5 Plätze pro 10 000 Einwohner, das ist eine klare Zielgröße. Es geht aber weiter: Mehr Frauenhausplätze erfordern zugleich mehr Personal; wir kennen das aus dem Kitabereich. Frauen haben besondere Bedürfnisse. Das ist also die Voraussetzung, damit wir eine gute und individuelle Unterstützung gewährleisten können, und deshalb setzen wir uns dafür ein. Zweitens muss Frau Giffey endlich die Ergebnisse des runden Tisches vorlegen. Die eklatanten Finanzierungsfragen sind aktuell nicht geklärt. Gewalt macht nun einmal nicht an den Ländergrenzen halt. Wir brauchen deshalb ein einheitliches System der Kostenerstattung. Und wir brauchen – drittens – vor allem eine ganzheitliche Strategie des Bundes zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in unserer Gesellschaft, inklusive Koordinierung, Monitoring und Präventionsarbeit. Dann – und nur dann – haben wir einen ersten großen Schritt erreicht und können uns über einen Rechtsanspruch unterhalten. Vielen Dank, Nicole Bauer. – Nächste Rednerin: Cornelia Möhring für die Fraktion Die Linke.
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Dr.
Dr. Christoph Ploß CDU/CSU
Christoph
Ploß
CDU/CSU
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Führt flächendeckende Fahrverbote für sämtliche Dieselfahrzeuge ein! Keine generelle Zulassung mehr für Diesel- und Benzinmotoren! Wenn dabei Arbeitsplätze verloren gehen, dann ist das eben so. – Diese und ähnliche Aussagen müssen wir uns in diesen Tagen von vielen Vertretern der politischen Linken anhören. In diesem Land bekommt man manchmal den Eindruck: Es geht der Linkspartei und auch den Grünen vor allem darum, das Auto zu verteufeln und abzuschaffen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist genau der Weg, den wir hier im Deutschen Bundestag nicht einschlagen dürfen. Für die CDU/CSU-Fraktion ist vollkommen klar: Erstens. Fahrverbote müssen unter allen Umständen verhindert werden; denn sie treffen unschuldige Bürger, Handwerker, Pendler und viele andere, und sie schränken die Mobilität zahlreicher Bürger in unserem Land ein. Zweitens. Die Menschen dürfen im Falle von Nachrüstungen nicht zur Kasse gebeten werden. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir die Standorte der Messstationen überprüfen; denn die Messwerte werden häufig durch den Standort oder das Wetter beeinflusst. Oft können nur wenige Meter darüber entscheiden, was für Messwerte am Ende herauskommen und ob die Grenzwerte eingehalten werden. Deswegen möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass in dieser Woche herauskam, dass eine Messstation in Aachen zum Beispiel falsch installiert wurde. Die Messwerte sind nicht korrekt; rechtswidrig ist die Grundlage und nicht objektiv. Wir können davon ausgehen, dass auch andere Messstellen einer Überprüfung nicht standhalten würden. Deswegen, meine Damen und Herren, müssen wir an diese Überprüfung ran. Ich möchte aber noch zwei Fakten in die Debatte hier einbringen; denn in dieser Debatte wird viel vermischt. Wir haben zwei unterschiedliche Gruppen von Dieselautos: einmal diejenigen, bei denen die Werte des Schadstoffausstoßes manipuliert wurden, die sogenannten Schummelautos, und zum anderen diejenigen Autos, die korrekt gebaut wurden und über eine europaweite rechtliche Zulassung verfügen, aber deren Stickoxidausstoß mittlerweile nicht mehr den geltenden Vorschriften entspricht. Während wir bei der ersten Gruppe mit aller Härte des Rechtsstaates vorgehen müssen – ich weise darauf hin: Volkswagen musste zum Beispiel schon eine Strafe in Milliardenhöhe für die Verfehlung zahlen –, so haben wir bei der zweiten Gruppe gar keine rechtliche Handhabe, die Autohersteller zu zwingen, die Kosten beispielsweise für Hardwarenachrüstung oder auch eine Umrüstung der Flotte zu übernehmen. Das wird nur im Dialog gehen. Das ist politisch nicht ganz so einfach, wie es hier einige im Haus erscheinen lassen. Aber wir werden die Luft in unseren Großstädten nicht alleine durch Hardwarenachrüstungen verbessern können, sondern vor allem, indem wir andere Maßnahmen einleiten. Wir brauchen einen attraktiven öffentlichen Nahverkehr. Wir brauchen attraktive Angebote für den Radverkehr. Ich möchte bei der Gelegenheit dem Kollegen Gero Storjohann gratulieren, der gestern den Vorsitz des neu gegründeten Parlamentskreises Radverkehr übernommen hat. Herzlichen Glückwunsch! Darüber hinaus gilt es, innovative, klimaschonende Antriebstechnologien zu entwickeln und in Kraftstoffe zu investieren: Elektrobatterien, Brennstoffzellen, synthetische Kraftstoffe bzw. E-Fuels. Wir müssen in dieser Legislaturperiode im Deutschen Bundestag die Grundlage für die Infrastruktur für diese Antriebstechnologien schaffen, damit die Verbraucher am Ende bereit sind, auf umweltfreundliche Autos umzusteigen. Das wird die große verkehrspolitische Aufgabe für uns alle hier im Hause sein. Deswegen sind auch die Initiativen von Verkehrsminister Andreas Scheuer und der Bundesregierung richtig, Dieselbusse und kommunale Fahrzeuge nachzurüsten, sodass diese sauberer werden, die Anschaffung von Elektrobussen und Elektrotaxis zu fördern, gleichzeitig in den Ausbau von U-Bahnen und S-Bahnen, in alternative Antriebstechnologien, in die Förderung des Radverkehrs zu investieren. Wir werden mit diesem Verkehrshaushalt, den wir in diesem Jahr noch beschließen werden, so viel in die Mobilität in Deutschland investieren wie noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Und – lassen Sie mich das zum Abschluss noch sagen – wenn wir wollen, dass unsere deutschen Unternehmen auch in Zukunft mit sauberen, modernen Fahrzeugen weiter Exportschlager für die ganze Welt herstellen, wenn wir wollen, dass in Deutschland Arbeitsplätze gesichert werden, dass in Deutschland Steuern gezahlt werden, und wenn wir auch wollen, dass sich die Luft in unseren Städten weiter verbessert und Fahrverbote auch in Zukunft vermieden werden können, dann lassen Sie uns jetzt in Elektromobilität, synthetische Kraftstoffe und umweltfreundliche Technologien investieren. Das, meine Damen und Herren, ist die Mobilität der Zukunft. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Dr. Ploß. – Als Nächstes für die FDP-Fraktion der Kollege Oliver Luksic.
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Tabea Rößner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Tabea
Rößner
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben selten Grund, die Bundesregierung zu loben. Heute will ich das tun, weil Sie eine Lernkurve hingelegt haben. Die ist zwar eher flach als steil, und Sie brauchten etwas Nachhilfeunterricht, aber Sie setzen den Vorschlag der Grünen um und führen eine freiwillige Gutscheinlösung in der Reisebranche ein. Das ist gut. Zur Erinnerung: Anfang April hatte das Coronakabinett Zwangsgutscheine für Pauschalreisen, Flugtickets und Freizeitveranstaltungen beschlossen. Im Veranstaltungsbereich haben Sie diese auf dem Rücken der Verbraucherinnen und Verbraucher durchgedrückt. Bei Pauschalreisen und Flügen hat Sie aber die EU-Kommission zurückgepfiffen. Es stimmt also nicht so ganz, wenn Sie, Frau Bundesjustizministerin, sagen, Sie hätten eine Lösung gefunden. – Sei es drum. Die Frage aber ist: Hilft diese Lösung? Der Gesetzentwurf ist nicht verkehrt, kommt aber viel zu spät. Heute gab es wieder eine große Demo der Reiseunternehmen, weil sie sich von der Bundesregierung durch Zögern und Zaudern an den Abgrund ihrer Existenz befördert sehen. Schon vor Wochen hätten Reiseunternehmen ihre Kunden mit attraktiven Gutscheinangeboten besänftigen können. Sie haben aber erst einmal Wut und Verunsicherung hervorgerufen. Heute haben wir im Rechtsausschuss darüber gesprochen, wie viele Menschen seit Monaten auf die Rückerstattung warten. Manche bekamen nicht einmal eine Antwort von ihrer Fluggesellschaft. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Fraglich ist auch, ob die Regelung wirklich die Liquidität der Unternehmen erhält. Das Geld bleibt ja nicht bei den Reisebüros. Im Gegenteil: Die haben einen zusätzlichen Aufwand mit der Abwicklung der Gutscheine. Und das kleine Reisebüro vor Ort, das seine Kundinnen und Kunden kennt, kann diese nicht einfach hinhalten. Das würde die vertrauensvolle Kundenbeziehung dauerhaft zerstören. Das ist für die Branche nicht gut. Den Branchenriesen ist der einzelne Kunde dagegen ziemlich egal. Vielleicht sollten Sie Ihre Prioritätensetzung noch einmal überdenken. Während Sie große Unternehmen von TUI bis Lufthansa mit milliardenschweren Hilfspaketen unterstützen, lassen Sie die kleinen Reiseunternehmen und die Verbraucherinnen und Verbraucher im Stich. Das Konjunkturpaket kommt sicher auch der Reisebranche zugute. Für viele aber ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir Grüne fordern deshalb einen Rettungsfonds für die Tourismuswirtschaft, und der ist auch umfassender als das, was die FDP will. Nur damit können auch kleine Reiseveranstalter und Reisebüros den Rückerstattungsansprüchen nachkommen und das Geld an die Kundinnen und Kunden auszahlen und vor drohender Insolvenz bewahrt werden. Gerade für die vielen ländlichen Regionen ist Tourismus ein wichtiger Wirtschaftszweig. Dafür müssen die Strukturen erhalten bleiben. Insgesamt braucht es nachhaltigere Lösungen. Es ist zum Beispiel lange überfällig, die Insolvenzregelungen im Pauschalreiserecht anzupassen. Wir sollten auch das Geschäftsmodell im Flugverkehr, bei dem Kunden weit im Voraus das komplette Ticket bezahlen und damit einen Kredit geben müssen, was sich ja jetzt in der Krise als Brandbeschleuniger erweist, hinterfragen. Kommen Sie bitte zum Schluss. All das gehen Sie trotz des dringenden Handlungsbedarfs bedauerlicherweise nicht an. Denn eines ist klar: Die freiwillige Gutscheinlösung allein wird den Tourismus nicht retten. Vielen Dank. Vielen Dank, Tabea Rößner. – Die nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Gülistan Yüksel.
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Jörg Cezanne DIE LINKE
Jörg
Cezanne
DIE LINKE
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Zoll erhebt neben seinen anderen Aufgaben im internationalen Warenverkehr nach Deutschland die Einfuhrabgaben. Er überwacht, ob Verbote und Beschränkungen einer Einfuhr entgegenstehen. 2017 wurden mehr als 220 Millionen Sendungen im Warenverkehr mit Staaten außerhalb der Europäischen Union abgewickelt. Mit 130 Milliarden Euro nimmt der Zoll den größten Teil der Steuereinnahmen des Bundes ein. Ich finde es sonst ein bisschen seltsam, wenn wir hier vorne stehen und uns bei Beschäftigten des Bundes bedanken; aber angesichts dieser stillen, ruhigen und soliden Tätigkeit der Zollbeamtinnen und Zollbeamten schließe ich mich dem Dank meiner Vorrednerinnen und Vorredner an. Für Schlagzeilen hat die Zollverwaltung in den letzten Monaten aber gesorgt, weil die neu aufgebaute Einheit zur Bekämpfung von Geldwäsche und illegalen Geldgeschäften mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Geldwäscheverdachtsmeldungen von Banken einschließlich Verdachtsmeldungen bezüglich Terrorfinanzierung sind wochenlang und in sehr großer Zahl unbearbeitet liegen geblieben. Das verweist auf das größte Problem beim deutschen Zoll: Im vergangenen Jahr waren von 39 000 Planstellen 6 000 gar nicht besetzt. Es ist gut, dass der Bundesfinanzminister jetzt zielgerichtet vor allen Dingen Stellen bei der Geldwäscheeinheit, der Mindestlohnkontrolle und der Schwarzarbeitsbekämpfung besetzen will. Aber mit diesen neuen Stellen verbleiben wir immer noch beim Stopfen der durch falsche politische Entscheidungen in den vergangenen Jahren gerissenen Lücken. Es freut mich, dass die FDP die Personalnot in der öffentlichen Verwaltung sieht und anspricht. Aber das ist auch ein Hinweis darauf, dass eine schwarze Null um jeden Preis, ein schlanker Staat im Zweifelsfalle mehr Geld kostet, als man kurzfristig einsparen kann. Dabei führt der wachsende internationale Warenaustausch auch zu einer stetig wachsenden Zahl von Abfertigungsbewegungen beim Zoll. Am stärksten treten die Personalprobleme – das erfährt man, wenn man mit Praktikern spricht – offensichtlich bei der Freigabe von Waren an den großen Einfuhrzentren, also den Seehäfen in Hamburg und Bremerhaven und an den internationalen Flughäfen, allen voran natürlich dem Frankfurter Flughafen, auf. Die Dauer der Freigabe wird auch von den Beschäftigten selbst als zu lang angesehen. Meine Damen und Herren, der Abfertigungsprozess darf für die Beteiligten nicht zu einem Handelshemmnis werden; das ist völlig klar. Die IT-Ausstattung des Zolls spielt dabei offensichtlich eine zentrale Rolle. Die Vereinheitlichung der Zollverfahren in der Europäischen Union ist erfolgt, aber sie ist eben nur insoweit erfolgt, als dass die Abfertigungsregeln vereinheitlicht worden sind. Was noch nicht gelungen ist – auch das haben meine Vorredner zum Teil schon angesprochen –, ist die Vereinheitlichung der Informationstechnik, über die das laufen kann. Der EU-Zollkodex wurde 2016 eingeführt. Die Umsetzung einer einheitlichen IT-Lösung ist für 2020 angestrebt. Wir haben jetzt die Hoffnung – der Bericht des Rechnungshofs der Europäischen Union ist schon angesprochen worden –, dass das bis 2025 gelingt. Das ist kein Ruhmesblatt. Es liegt aber – das will ich an dieser Stelle deutlich sagen – nicht in erster Linie am deutschen Zoll. Trotzdem sind Mängel in der IT-Ausstattung und Vernetzung nicht nur auf der europäischen Ebene ein Problem. Fragt man Praktiker aus der Zollverwaltung, erfährt man, dass es auch bei den deutschen Behörden zahlreiche Unzulänglichkeiten gibt. So ist offensichtlich die Kommunikation zwischen den Zollpraktikern und dem Informationstechnikzentrum Bund stark verbesserungsbedürftig. Häufig kommt es zu Verzögerungen bei Projekten. Bereits verabredete Roll-out-Pläne müssen nicht selten verschoben werden. Allein die Antragsverfahren für neue IT-Projekte benötigen nach Auskunft derer, die es wissen müssen, meist bis zu zwei Jahre Zeit. Und das ist die Zeit, in der der Antrag erarbeitet wird. Insbesondere bei einer der beiden IT-Abteilungen, die der Zoll unterhält, beim Zollkriminalamt in Köln, ist es offensichtlich nicht möglich, Stellen zu besetzen, weil die Tarifbedingungen des Zolls mit dem allgemeinen Gehalts- und Vergütungsniveau in Köln kaum mithalten können. Häufig werden dann hohe Summen für externe Dienstleister ausgegeben, deren Know-how aber mit Abschluss des Projekts verschwindet und dem Zoll verloren geht. Meine Damen und Herren, die FDP hat uns – jetzt werde ich ein bisschen polemisch – eine Liste einzelner Aspekte der Zollabfertigung zusammengestellt und vermerkt: Es muss alles einfacher werden. – Das kann man machen. Das ist eine verständliche Absichtserklärung, aber natürlich kein überzeugendes Konzept. Vielleicht fällt den Kolleginnen und Kollegen von der FDP aber bis zum Beginn der Ausschussberatungen noch der eine oder andere konkrete und praktikable Vorschlag ein, über den sich dann zu reden lohnt. Ich danke Ihnen. Vielen Dank. – Als Nächste spricht die Abgeordnete Katharina Dröge für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Dr.
Dr. Gottfried Curio AfD
Gottfried
Curio
AfD
Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mehr Verdrängung von Schuld war nie. Die entmachtete Union fordert jetzt die Beseitigung der Missstände, die sie selbst verursacht hat: Effektiver Grenzschutz – Fehlanzeige! Geltendes Recht – gebrochen; Dublin III. Und was lesen wir nun? Wortreich beschreibt der Unionsantrag das Scheitern Ihrer Asylpolitik: Die EU-Außengrenze steht offen, Erstaufnahmeländer registrieren nur sporadisch, Rücküberstellung findet kaum statt. Wir lesen: „Dem vielfachen Missbrauch des Schutzsystems ist entgegenzuwirken.“ Na, da fällt der Union ja was auf. Kaum in der Opposition – ganz neue Einsichten! Sie hatten 16 Jahre Zeit, dem entgegenzuwirken. Asylmissbrauch und Überlastung Deutschlands sind auf Ihrem Mist gewachsen. Die Union schreibt, dass die europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik nicht funktioniert. Bitte, das war die Unterdrückung geltenden Rechts, Dublin III, durch Ihre Kanzlerin, durch Sie gewollt oder geduldet. Niemand anders als diese Union hat die europäische Asylpolitik im Alleingang zerstört. Aber die CDU kann nicht aus ihrer Haut. Sie schreibt: „Deutschland hat sich … so humanitär und solidarisch gezeigt wie nur wenige Länder“. Man betont, dass die CDU-Regierung ganz viel getan hat – zulasten Deutschlands. Dass man die Asylpolitik von 2015 als vorbildlich darstellt, zeigt, dass man gar nichts gelernt hat: Immer noch die Moralselbstbelobigungsnummer statt Politik für Deutschland, meine Damen und Herren. Und man spielt Opposition: Faesers Koalition der Willigen, der aufnahmebereiten Staaten, eine alte Seehofer-Idee, nennt man jetzt „realitätsfremd“ und „gefährlich“. Und wenn jetzt ausgerechnet Sie empfehlen, deutsche Alleingänge, die den Migrationsdruck erhöhen, zu unterlassen, dann heißt das de facto: Wählen Sie auf keinen Fall die Union! Die Wahrheit ist: Sie haben das Narrativ befeuert, dass da vor allem Flüchtlinge kämen und nicht Wirtschaftsmigranten. Sie entlarven sich selbst. Forderung Nummer 1 – Steuerung, Ordnung, Begrenzung der irregulären Migration –, schon dieser schönfärberische Euphemismus „irregulär“ für „einfach illegal“ verrät Sie doch. Illegale Handlungen sind nicht weißzuwaschen und zu ordnen oder zu begrenzen, sondern zu beenden! Und die Abwehr von Sekundärmigration kann nicht erst in der EU beginnen. Wer Schutz sucht, kann nicht erst durch zig sichere Drittstaaten ziehen, der muss beim Erstzutritt im sicheren Nachbarland den Antrag stellen. Alles andere ist Asyltourismus. Aber ist die Merz-CDU nun anders? Was war denn bei Merkels Grenzöffnung 2015? Merz war dafür. Was war beim UN-Migrationspakt mit grenzenloser Migration als Grundprinzip? Merz ist dafür. Merkel kriegt zwar die CDU aus sich raus, aber die CDU nicht Merkel. Es macht nicht den kritischen Unterschied, ob man nun über die Klippe hinausrast wie die Ampel oder das wie die Union mit angezogener Handbremse tut: Man zerschellt unten. Sie haben jetzt die Wahl: Mit der Ampel mit Volldampf in den Abgrund, Zerstörung Deutschlands bis 2025, mit der Union bis 2029, mit der AfD Rettung Deutschlands als Heimat und Staat. Die Alternative heißt nur noch: Verschwinden Deutschlands im Globalismus der forcierten Völkerwanderung oder Freiheit für eine souveräne deutsche Nation. Wir wählen die Freiheit! Ich erteile das Wort zu seiner ersten Rede hier im Deutschen Bundestag dem Kollegen Julian Pahlke, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Matthias Gastel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Matthias
Gastel
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Das Positive vorweg: Bei der Vegetationskontrolle entlang der Bahnstrecken sollen die Zuständigkeiten, die Verantwortlichkeiten klar sein. Sie sollen bei den Eisenbahninfrastrukturunternehmen liegen, aber gegebenenfalls auch bei Privaten, wenn deren Grundstücke an den Bahnstrecken angrenzen. Das ist ein guter und wichtiger Beitrag zur Verkehrssicherheit, aber auch zur Zuverlässigkeit des Bahnverkehrs in Deutschland. Bahn muss möglichst unabhängig von Jahreszeiten und Witterung sein. In dem Zusammenhang ist auch zu erwähnen: Die sogenannte neue Schneestrategie der Deutschen Bahn ist zu Recht fraktionsübergreifend auf deutliche Kritik gestoßen. Es geht schlicht und ergreifend nicht, was im Februar der Fall war: dass wesentliche Teile des Schienennetzes fast eine Woche lang gesperrt gewesen sind und man sie einfach hat zuschneien lassen. Es geht darum, dass die Infrastruktur möglichst zu jeder Zeit verfügbar sein muss. Dafür sorgt dieses Gesetz ein Stück weit. Negativ ist aber – lieber Herr Ferlemann, das haben Sie leider nicht gesagt, obwohl Sie doppelt so viel Redezeit hatten wie ich jetzt –: Straßenbaulastträger sollen künftig Entwidmungen von Eisenbahninfrastruktur beantragen können. Damit machen Sie den Bock zum Gärtner. Zukunftsperspektiven von Bahnstrecken dürfen doch nicht von den Interessen des Straßenbaus abhängig gemacht oder gar zerstört werden. Es wurde schon viel zu viel Infrastruktur der Bahn zerstört. Seit 1994, dem Jahr der Bahnreform, wurden 14 Prozent der Strecken in Deutschland stillgelegt oder auch entwidmet. Gleichzeitig ist aber die Verkehrsleistung auf der Schiene im Personenverkehr um 50 Prozent und im Güterverkehr sogar um 90 Prozent gewachsen. Das heißt, auf geschrumpfter Infrastruktur gibt es deutlich mehr Verkehr. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Dann kann man nicht gleichzeitig auch noch die Entwidmung von Eisenbahninfrastruktur einfacher machen, als sie heute ist; das ist doch absurd. Was wir brauchen, ist ein bundesweites Reaktivierungsprogramm von Infrastruktur, wie es beispielsweise in Baden-Württemberg gemacht wird. 42 stillgelegte, teilweise auch entwidmete Bahnstrecken wurden dort auf ihr Fahrgastpotenzial hin untersucht, 22 davon haben jetzt gute Chancen, wieder in Betrieb genommen zu werden. Das sollte der Bund zusammen mit den Ländern auch anderswo machen, damit wir wieder mehr Infrastruktur haben und die Bahn in die Fläche bringen. Also, noch mal und zusammenfassend: Es ist gut, dass die Infrastruktur unabhängig von Witterung und Jahreszeit verlässlich zur Verfügung gestellt werden soll. Wo wir aber als Grüne nicht zustimmen können, ist, dass Straßenbauer über die Zukunft von Infrastruktur der Schiene mitentscheiden können, indem sie einen Antrag auf Entwidmung stellen. Das ist schlicht und ergreifend absurd, da machen wir nicht mit. Deswegen stimmen wir diesen Gesetzesänderungen auch nicht zu.
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Stephan Kühn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Stephan
Kühn
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland hat sich zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens verpflichtet. Die Festlegung neuer CO 2 -Reduktionsziele für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge ist der Lackmustest, wie ernst es diese Bundesregierung mit dem Klimaschutz meint. Die Bundesregierung hat mit dem Klimaschutzplan 2050 beschlossen, im Verkehrssektor bis 2030, also in zwölf Jahren, mindestens 40 Prozent weniger CO 2 im Vergleich zu 1990 zu emittieren. Im Moment steigen aber die CO 2 -Emissionen, die im Verkehr zu zwei Drittel von Autos verursacht werden. Allerdings nicht, wie so oft behauptet, weil jetzt weniger Diesel und mehr Benziner verkauft werden, sondern weil immer mehr schwere, hochmotorisierte SUVs auf den Straßen unterwegs sind. Die EU-Kommission hat nun vorgeschlagen, dass die durchschnittlichen CO 2 -Emissionen neuer Autos in den Jahren 2025 bzw. 2030 um 15 bzw. 30 Prozent unter den Werten des Jahres 2021 liegen müssen. Der aktuelle Grenzwert lautet 95 Gramm CO 2 pro Kilometer. Dieser gilt aber nicht für jedes einzelne Auto, sondern für die durchschnittlichen CO 2 -Emissionen aller Autos. Bis auf die AfD haben das auch alle verstanden. Am 25. Juni berät nun der EU-Umweltrat den Vorschlag der Kommission. Bis dahin braucht die Bundesregierung eine abgestimmte Position. Davon ist man aber weit entfernt. Die Vernichtung einer europäischen Leitindustrie mache er nicht mit, giftete Andreas Scheuer unlängst in Richtung seiner Ressortkollegin Svenja Schulze im Umweltressort. Diese hatte vorgeschlagen, die CO 2 -Emissionen neuer Pkws und leichter Nutzfahrzeuge bis 2030 um 50 Prozent sinken zu lassen. Auch wenn die Umweltministerin die Autohersteller ambitionierter als die EU-Kommission regulieren will, bleibt es für den Klimaschutz zu wenig. Notwendig ist aus unserer Sicht eine Erhöhung der EU-weiten Reduktionsziele auf 45 Prozent im Jahr 2025 sowie auf 75 Prozent im Jahr 2030. Verkehrsminister Scheuer ist ein klimapolitischer Geisterfahrer, wenn er behauptet, diese Grenzwerte seien willkürlich politisch-ideologisch motiviert. Die Fakten sprechen eine völlig andere Sprache. Würde man dem Vorschlag der Kommission in Brüssel folgen, würden bis 2030 in Deutschland nach mehreren Berechnungen nur 4 Millionen Tonnen CO 2 eingespart; 50 Millionen Tonnen CO 2 müssen aber eingespart werden. Wie diese Lücke geschlossen wird, kann der Minister natürlich nicht beantworten. Der Minister stellt sich mit seiner Position aber nicht nur gegen den Klimaschutz, sondern auch gegen die Verbraucherinnen und Verbraucher. Sinkende CO 2 -Emissionen bedeuten nämlich auch sinkende Kraftstoffverbräuche und damit sinkende Kosten. Wer wie die FDP keine neuen CO 2 -Grenzwerte festlegen und den Verkehr in den Emissionshandel aufnehmen will, entlässt die Automobilindustrie aus der klimapolitischen Verantwortung und belastet ausschließlich die Verbraucherinnen und Verbraucher. Denn dadurch würden nur die Preise an der Tankstelle steigen, fürs Klima aber nichts getan werden. Meine Damen und Herren, ambitionierte CO 2 -Grenzwerte sind technologisch machbar, wirtschaftlich vorteilhaft, sie vernichten keine Industrie. Im Gegenteil: Sie wirken als Innovationstreiber, sie sichern der deutschen Automobilindustrie den Vorsprung bei klimafreundlichen Fahrzeugtechnologien, und sie sorgen endlich für den Markthochlauf beim Thema „Elektromobilität“. Selbst die EU-Kommission kommt zu der Einschätzung, dass mit besseren CO 2 -Emissionsstandards sowohl Beschäftigung als auch die Wirtschaftskraft in Europa wachsen können. Meine Damen und Herren, diesen Transformationsprozess müssen wir endlich anschieben. Die Entwicklung in Europa und auch auf den internationalen Märkten wie in China deutet auf ein baldiges Ende des fossilen Verbrennungsmotors hin. Ich erinnere daran: Norwegen will ab 2025 keine Autos mehr zulassen, die nicht emissionsfrei sind, Großbritannien ab 2040 keine Benziner und Dieselfahrzeuge, – Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss. – Frankreich keine Autos, die Treibhausgase ausstoßen. Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Meine Damen und Herren, Wertschöpfung sichert man nicht, indem man Trends verschläft. Herzlichen Dank. Vielen Dank. – Als nächstes für die CDU/CSU-Fraktion die Kollegin Dr. Anja Weisgerber. Ich weise alle Redner ausdrücklich auf § 35 Absatz 3 der Geschäftsordnung hin.
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Johannes Kahrs SPD
Johannes
Kahrs
SPD
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einen Antrag der FDP vorliegen, der sehr oberflächlich ist und von viel Misstrauen geprägt ist. Der Redner vor mir, Herr Kollege Brinkhaus, hat ganz klar gesagt, dass Europa ein großartiges Projekt ist. Und genau das ist es. Europa ist ein großartiges Projekt. Aber wie alle Projekte hat es auch Probleme. Über die muss man reden dürfen. Die Probleme muss man benennen können. Man muss Europa auch verbessern. Das ist auch Aufgabe des Deutschen Bundestages. Leider taugt dafür der Antrag der FDP überhaupt nicht. Ich glaube, mit Blick auf Europa muss man schon konkreter werden. Wir Sozialdemokraten sagen, dass man erst die Ziele für Europa definieren und dann über die passenden Instrumente reden muss. Das Definieren der Ziele ist relativ schwierig. Die Europäische Kommission hat Vorschläge gemacht. Ich glaube zwar, dass man über diese Vorschläge genauso wie über die weitergehenden Vorschläge des französischen Präsidenten Macron reden muss. Wir hätten es übrigens auch gut gefunden, wenn die geschäftsführende Bundeskanzlerin hier eine Regierungserklärung zu dem Thema abgegeben hätte. Das hätte helfen können. Entscheidend ist allerdings, wie man weiterhin damit umgeht. Wir Sozialdemokraten können uns zum Beispiel einen europäischen Finanzminister vorstellen. Wir Sozialdemokraten glauben, dass Europa ganz anders strukturiert werden muss. Es muss auf mehr Verantwortung gesetzt werden. Wir Deutschen haben damit am wenigsten Probleme. Wir haben einen gegliederten Staatsaufbau mit Kommunen, Ländern und dem Bund. Daher hätten wir damit, im Falle der angestrebten Vereinigten Staaten von Europa, jemanden über uns zu haben, weniger Probleme als die Franzosen oder andere. Ich glaube aber, dass es wichtig ist, dann seine eigenen nationalen Interessen zu definieren. Die eigenen nationalen Interessen Deutschlands sind ein starkes Europa. Wir sind ein Land mit einer starken Wirtschaft. Wir handeln in Europa. Wir haben viele Dinge, die man nur über Europa regeln kann. Nur ein entschlossenes Europa kann dem Klimawandel effektiv entgegentreten. Kampf gegen Klimawandel und Energiepolitik gibt es nur mit Europa. Wir können hier nicht den Ausstieg aus der Atomenergie beschließen, und an den Grenzen Deutschlands werden die Atomkraftwerke gebaut. – Ja, natürlich ist das so. Aber deswegen brauchen wir ein stärkeres Europa, in dem man das entsprechend regelt. Nur ein starkes Europa kann Firmen wie Facebook oder Apple dazu zwingen, unsere Regeln und Grundrechtsstandards zu akzeptieren. Wir brauchen natürlich auch eine gemeinsame Steuerpolitik. Dazu steht übrigens im Antrag der FDP gar nichts. Was macht denn Irland zurzeit? Da werden Apple praktisch 13 Milliarden Euro geschenkt. Das kann doch nicht Sinn und Zweck der Übung sein. Dafür brauchen wir ein starkes Europa. Nur ein solidarisches und starkes Europa kann der Steuerflucht und übrigens auch dem internationalen Terrorismus entgegentreten. Das kriegen die einzelnen Staaten nicht mehr hin. Wenn man sieht, wie China in Afrika operiert oder wie die Staatsfonds und die großen Fonds hier in Deutschland agieren, wird deutlich: Wir brauchen ein starkes Europa. Der Antrag, der uns vorliegt, zeigt etwas Allgemeines auf, aber er sagt nicht konkret, was passieren muss. Er enthält keine Vision und keine Ideen. Deswegen ist es wichtig, dass wir sagen: Wir wollen ein starkes Europa. Wir wollen ein handlungsfähiges Europa. – Natürlich muss man die Probleme bekämpfen; das ist alles richtig. Aber das geht nur, wenn wir vorher unser nationales Interesse definieren, wenn wir sagen, wie wir Europa haben wollen, und dann über die passenden Instrumente reden. Erst die Ziele für Europa definieren, dann die Instrumente: Ich glaube, dass der Kollege Brinkhaus viel dazu gesagt hat. Kollege Kahrs, das hört sich nach dem Schluss Ihrer Rede an. Ich wollte aber gerade fragen, ob Sie bereit sind, eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung zuzulassen. Ehrlicherweise, zur AfD habe ich schon alles gesagt, was notwendig war. Deswegen brauche ich von denen auch keine Zwischenrufe oder -fragen. An dieser Stelle möchte ich nur noch gerne dem Kollegen Rehberg beste Genesung wünschen. Der haushaltspolitische Sprecher der Union hat gerade eine Operation hinter sich. Es soll ihm ganz gut gehen. An dieser Stelle dem Kollegen Rehberg, mit dem wir lange und gut zusammengearbeitet haben, die besten Genesungswünsche! Auf die AfD kann ich verzichten. Vielen Dank. Vielen Dank, Johannes Kahrs. Seitens des Präsidiums schließen wir uns den Genesungswünschen von Herzen an. Den nächsten Redner rufe ich auf zu seiner ersten Rede. Das ist Peter Boehringer. Er hat fünf Minuten Redezeit. Das war ursprünglich ein kleiner Fehler.
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Carsten Schneider SPD
Carsten
Schneider
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Sehr geehrter Herr Kollege, ich weiß exakt, was ich gesagt habe. Am Sonntag, nach dem Totschlag an dem jungen Mann in Chemnitz, fand die erste Demonstration mit 800 Hooligans statt; sie sind durch Chemnitz gezogen. – Hören Sie mir genau zu! – Am Montag fand die zweite Demonstration statt: 1 000 bis 2 000 Demonstranten auf der Seite der eher politischen Mitte bzw. links und 5 000 bis 8 000 Leute eher auf der rechten politischen Seite. – Warten Sie es ab! – Dabei sind diese Sprüche gefallen. Am Montag sind die Mitarbeiter aus meinem Büro in Erfurt nach Chemnitz gefahren. Sie haben sich nicht sicher gefühlt. Es waren 800 Polizisten da, viel zu wenige. Die Entscheidung, ob es dort brennt oder nicht, haben die Hooligans getroffen. Am Samstag darauf war ich in Chemnitz. Ich weiß nicht, ob Sie da waren. Es gab zwei Demonstrationen: eine Demonstration, an der ich teilgenommen habe, und eine andere, zu der die AfD aufgerufen hatte. Da waren auch 5 000 bis 6 000 Demonstranten da. Diese war gemeinsam mit Pegida und Pro Chemnitz. Sie sind gemeinsam marschiert; die Demonstrationen wurden vereinigt. Aus dieser Demonstration heraus sind unsere Sozialdemokraten angegriffen worden. Das sind die Fakten, und denen können auch Sie sich nicht entziehen. Der nächste Redner ist der Kollege Otto Fricke, FDP-Fraktion.
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Detlev Spangenberg AfD
Detlev
Spangenberg
AfD
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bedarfsgerechte Personalbemessung in Krankenhäusern einführen, so der Antrag der Linken. Die Linke greift, es wurde eben gesagt, ein Konzept der Deutschen Krankenhausgesellschaft, des Deutschen Pflegerats und der Gewerkschaft Verdi auf. Für mich stellt sich die Frage, warum dieser Antrag überhaupt eingebracht wird, obwohl doch Mitte Januar offiziell die Pflegepersonalregelung im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege, KAP, vorgestellt wurde. Das Bundesministerium für Gesundheit hat doch bereits, wie eben auch gehört, eine Überprüfung bzw. Mitarbeit angekündigt. Insofern ist es nicht nachvollziehbar, warum Sie das jetzt hier einbringen. Sie fordern dabei auch noch, dass eine Verordnungsermächtigung durch das Bundesministerium mit eingeführt werden soll. Damit können Sie ja nur leichte Regelungen durchführen. Ich kann auch dabei den Sinn nicht erkennen. Ich möchte darauf hinweisen, dass die AfD auf Drucksache 19/15790 vom 11. Dezember bereits einen Antrag eingebracht hat, aufgabengerechte Personalvorgaben für alle im Krankenhaus tätigen Berufsgruppen einzuführen. Diesen Antrag haben Sie natürlich auch schon wieder abgelehnt. Das ist ja typisch: Wenn es nicht von Ihnen kommt oder von der AfD, muss es abgelehnt werden. Das kennen wir ja. Jetzt meine Stellungnahme zu dem, was Sie hier vorschlagen. Die Einführung dieser neuen Regelung würde aus unserer Sicht voraussichtlich mehr Personal kosten, was entweder zur Folge hat, dass bei der gleichen Anzahl von Patienten mehr Pflegepersonal eingestellt werden muss – aber wie? – oder, im Umkehrschluss, bei der gleichen Anzahl von Pflegepersonal weniger Patienten behandelt werden können. Die Nachteile der jetzigen Untergrenzen würden womöglich bestehen bleiben, wobei die Behandlung von weniger Patienten in unserem Gesundheitssystem – ich denke, da sind wir uns einig – nicht vorgesehen ist. Wir sehen es so, dass die Problematik des Personalbedarfs sich nicht nur auf die Kliniken bezieht, sondern auf alle bettenführenden Einrichtungen, zum Beispiel auch auf die Altenpflege. Hierzu gibt es zahlreiche Berichte von Pflegeverbänden, welche eine zu hohe Belastung des Pflegepersonals beklagen. Weiterhin müssen die Einrichtungen auch in der Lage sein, hausinterne Engpässe selbstständig und flexibel zu lösen. Der Präsident der DKG, Gerald Gaß, sprach sich für das sogenannte Ganzhauskonzept aus. Es gibt viele andere Berufsgruppen in den Krankenhäusern, auf welche die Personalbemessung ebenfalls angewendet werden müsste. Meine Damen und Herren, allerdings ist eine zeitnahe Umbesetzung dieser neuen Personalregel für die Pflege in allen Klinikbereichen mit Vorbehalt zu betrachten. Es kann kein benötigtes Personal eingesetzt werden, welches auf dem Arbeitsmarkt nicht vorhanden ist; wir haben ja keines. – Ich komme noch dazu. – Der Pflegemarkt ist deutschlandweit leergefegt, so ebenfalls Präsident Gerald Gaß, und es ist fraglich, ob diese von Ihnen vorgeschlagene Regelung eine sinnvolle Alternative zur jetzigen Pflegepersonaluntergrenzen-Regelung darstellt. Die Einführung einer generellen Personalbemessung in den Kliniken ist stufenweise – wenn Sie es überhaupt machen wollen – umzusetzen, um den Arbeitgebern die Möglichkeit zu geben, Personal neu zu gewinnen bzw. bedarfsgerecht auszubilden. Meine Damen und Herren, sieht man sich das geplante Regelwerk an, drängt sich der Eindruck auf, dass bei dieser Regelung ein erheblicher Teil der Arbeitszeit des Pflegepersonals für bürokratische Formalien aufgewendet werden muss. Zu nennen ist hier vor allem ein sehr hoher Aufwand für Dokumentationspflichten. Dieser verkürzt die effektive Arbeitszeit mit den Patienten. Ich habe Ihnen einmal das Blatt mitgebracht; das kennen Sie ja. Also ich finde das ganz doll. Ich bin Diplom-Betriebswirt und kriege die Krise, wenn ich das lese – sage ich ganz ehrlich –: Es erfolgt eine tägliche Einstufung der Patienten in 4 Leistungsstufen der allgemeinen Pflege (A1 Grundleistungen bis A4 hochaufwändige Leistungen) sowie in 4 Leistungsstufen der speziellen Pflege (S1 bis S4). Jeder A- und S-Leistungsstufe sind entsprechende Minutenwerte zugeordnet. Zudem gibt es für jeden Patienten einen Grundwert pro Tag und einen einheitlichen Fallwert. Die allgemeine Pflege umfasst dabei die Leistungsbereiche der Körperpflege, Ernährung, Ausscheidungen und Mobilisation. – Sagen Sie mal, Sie müssen ja drei Leute haben, die nur mit dem Zettel herumrennen und das alles auflisten. Das ist doch Wahnsinn, was hier los ist! Also, meine Damen und Herren, dem, der so etwas auflegt, kann ich nur sagen: Katastrophal! Sie haben anscheinend noch nie in der Wirtschaft gearbeitet. Das System muss ja pleitegehen, das kann ja gar nicht klappen, wenn Sie so etwas machen. Meine Damen und Herren, wünschenswert wäre ein System, welches weniger Bürokratie erfordert. Mit der Kritik an der von der Bundesregierung bisher bevorzugten Lösung, ausländische Arbeitskräfte anzuwerben, steht die AfD nicht allein da. Erfahrungen zeigen inzwischen, dass diese scheinbare Lösung nicht hält, was sie bringen soll; Andreas Mogwitz, Universitätsklinikum Dresden, Marco Schüller, Universitätsklinikum Leipzig, bestätigen diese Ansicht. Zielführend ist primär eine Verbesserung der Arbeitssituation für die Pflegekräfte – da können Sie ja wenigstens einmal zustimmen – und damit der Erhalt von aktiven Pflegekräften im Land, meine Damen und Herren. Es gibt immer noch zu viele aktive Pflegekräfte, welche aus dem Beruf herausgehen. Sie brechen die Ausbildung ab und stehen damit nicht mehr zur Verfügung. Es sollte vorrangig – das ist unsere Meinung – die Nutzung der potenziellen Ressourcen im eigenen Land mal geprüft werden. Wir haben über 2 Millionen, ich glaube 2,4 Millionen, Arbeitslose in Deutschland. Vielleicht können wir mit denen einmal reden, vielleicht kann man denen eine Perspektive aufzeigen. Allemal besser als das, was Sie immer so vorschlagen. Meine Damen und Herren, wir sehen es so, dass zuerst sämtliche Mittel der Hilfe zur Selbsthilfe im Inland ausgenutzt werden sollten, und erst wenn diese ausgeschöpft worden sind, dann können wir über weitere Maßnahmen nachdenken. Man sollte bedenken, dass die Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland einen Pflegekräftemangel in denjenigen Ländern hervorruft, aus denen Sie die Pflegekräfte abziehen. Was Sie da machen, ist Neokolonialismus: Wir schicken Entwicklungshilfe hin und holen die Arbeitskräfte raus. – Das ist doch völlig sinnlos, was Sie hier aufziehen. Meine Damen und Herren, im Kosovo beispielsweise ist laut Medienberichten – und wir wissen ja, die Medien sagen nur Wahres; „Lügenpresse“ gibt es ja nicht – inzwischen ein tiefgreifender Mangel an medizinischen Fachkräften entstanden. Das ist Folge Ihrer Politik: Entwicklungshilfe rein und dafür Arbeitskräfte wieder raus. Meine Damen und Herren, wir dürfen die Schwierigkeiten bei uns nicht auf Kosten anderer Länder beheben. Letzter Satz. Zu berücksichtigen ist auch, dass die angeworbenen Pflegekräfte vorrangig wegen der besseren Bezahlung nach Deutschland kommen. Das ist klar. Aber hier stehen wir in Konkurrenz mit der Schweiz, mit Österreich, mit Skandinavien, mit Holland. Die haben teilweise noch bessere Entlohnung und bessere Bedingungen. Das heißt also, die angeworbenen Kräfte könnten gegebenenfalls nur kurz bei uns bleiben und gehen dann in diese Länder oder zurück in die Heimat. Ich muss noch einmal eines sagen: Was wir hier haben, ist – da gebe ich Ihnen recht – hausgemacht; es ist ja schon seit vielen Jahren Thema. Ich frage mich, was Sie überhaupt bisher gemacht haben, wo Sie regiert haben. Wir haben Universitäten, wir haben Hochschulen, wir haben doch Statistikerlehrstühle; die können Prognosen erstellen, die können genau ausrechnen anhand der Bevölkerungsentwicklung, wie alt die Leute werden, was für Krankheiten sie bekommen, was sie brauchen. Das gleiche Problem wie bei Lehrern: Sie sind unfähig, den Laden zu regieren. Vielen Dank, meine Damen und Herren. Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der SPD der Kollege Dr. Edgar Franke.
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Dr.
Dr. Sascha Raabe SPD
Sascha
Raabe
SPD
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man als vorletzter Redner einer Debatte spricht, fällt schon auf, dass es bei den Fraktionen zur Rechten und zur Linken eine bemerkenswerte Übereinstimmung gibt, weil es die einzigen beiden Fraktionen sind, die die klare Positionierung unseres Bundesaußenministers kritisieren. Ich knöpfe mir erst mal die AfD vor. Sie fragen: Was ist die Alternative zu Neutralität? – Ich möchte mit Erlaubnis des Präsidenten unseren ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck zitieren – das hilft Ihnen auch in der innenpolitischen Debatte weiter –: „Es zählt nicht die Herkunft, es zählt die Haltung.“ Ich sage an dieser Stelle: Ich bin unserem Bundesaußenminister Heiko Maas äußerst dankbar, dass er in dieser Frage frühzeitig Haltung für Freiheit und Demokratie gezeigt hat. Wir Sozialdemokraten werden auch in Zukunft – da können Sie schreien, wie Sie wollen – immer klare Haltung gegen Autokraten und Diktatoren zeigen, egal ob sie von rechts oder von links kommen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir stehen an der Seite der unterdrückten und armen Bevölkerung Venezuelas. Ich bin Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und seit 2002 zuständig für Venezuela und Lateinamerika. Ich erinnere mich gut an das Jahr 2004 – damals war Chávez noch Präsident –, als wir die Entwicklungszusammenarbeit haben auslaufen lassen. Wir haben damals in Konzentration unserer Partnerländer gesagt, dass ein Land, das über die höchsten Erdöleinkommen und -reserven der Welt verfügt, Entwicklungszusammenarbeit nicht braucht. Caracas müsste eigentlich wie Dubai aussehen. Die Menschen müssten in Luxus und Wohlstand leben können. Aber – das ist nämlich ein Teil der Wahrheit, der auch von der Linkspartei ausgeblendet wird – die Misere fing ja nicht erst mit Maduro an, sondern gerade in den letzten Jahren des Chavismus hat sich leider das, was hoffnungsvoll begann, sehr schnell gewandelt, auch schon in Richtung Autokratie, Richtung Diktatur. Und ich habe viele Dienstreisen erlebt, wo Kolleginnen und Kollegen von Ihnen mit dem Regime dort nicht etwa einen kritischen Dialog geführt haben, sondern sie sind hofiert worden. Sie haben das Regime im Prinzip unterstützt. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Da habe ich mich manchmal geschämt, wie Sie sich verhalten haben. Wir sind 2006 vom Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nach Venezuela gereist. Ich war der Delegationsleiter. Wir haben uns damals schon die Misiones angeschaut, wo es durchaus Ansätze im Sozialbereich gab, die uns gefallen haben. Trotzdem war es damals schon so – das haben Sie immer ausgeblendet –: Wenn ich als frei gewählter Abgeordneter in Venezuela mal mit Arbeitern, Angestellten oder auch mit kubanischen Ärzten sprechen wollte, dann kam gleich der Mann vom Geheimdienst, von der Regierung, der neben uns stand, und sagte, Fragen zu der sozialen Lage dürfe ich nicht stellen. Als man dann 2006 zurückgefahren ist, hatte man schon ein Gefühl dafür, was sich in diesem Land ereignet hat. Natürlich hat auch das am Ende Maduro den Weg bereitet. Von dieser Warte aus ist es richtig, dass unser Bundesaußenminister die Stimme erhoben hat. Wir erkennen Herrn Juan Guaidó nicht als Präsidenten an – das hat der Herr Bundesaußenminister auch nie gesagt –, aber als Parlamentarier muss man sich doch auf die Seite des Parlamentspräsidenten stellen. Dieses Parlament ist rechtswidrig entmachtet worden. Wie weit sind Sie denn in Ihren Ansichten heruntergekommen, dass Sie jetzt lieber einem Diktator Maduro die Stange halten als einem demokratisch gewählten Parlamentspräsidenten, der angekündigt hat, dass er nicht Präsident bleiben, sondern Neuwahlen und damit freie Wahlen erreichen will? – Ich denke, das muss unser Ziel sein. Wir setzen mit einer klaren Haltung auf Neuwahlen und freie Wahlen. Wir verwehren uns gegen jede militärischen Pläne, die es geben mag. Deshalb stehen wir auch überhaupt nicht auf der Seite von irgendeinem Donald Trump oder irgendwelchen US-Militärs. Aber wir wollen freie und faire Wahlen für Venezuela, und dafür werden wir kämpfen. Dafür werden wir weiter Haltung zeigen. Ich möchte an dieser Stelle auch mal den kirchlichen Hilfsorganisationen wie Misereor und unseren politischen Stiftungen danken, die dort immer noch vor Ort sind und die seit Jahren unter schwierigen Bedingungen gute Arbeit leisten, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie auch unsere Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer. Auch wenn wir auf staatlicher Ebene nicht mehr mit der Regierung zusammenarbeiten können, machen sie auf zivilgesellschaftlicher Ebene eine tolle Arbeit. Die unterstützen wir übrigens auch finanziell, und das werden wir auch weiter machen. Ich hätte mir nie gewünscht, dass Venezuela wieder ein so armes Land wird. Aber wenn demnächst dort eine frei und fair gewählte Regierung an die Macht kommt, dann sollten wir auch überlegen, bilateral einer neuen, demokratischen Regierung zu helfen, dem Land aus Armut und Hunger herauszuhelfen, damit es dort allen Menschen besser geht und die Menschen in Frieden leben können. Deshalb, Herr Bundesaußenminister, haben Sie weiter unsere volle Unterstützung: für eine Haltung für Frieden, Demokratie, Menschenrechte, gegen Hunger und Armut, gegen Autokraten und Diktatoren. Dafür stehen wir. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Dr. Raabe. – Als Letzter spricht nun zu uns in der Aktuellen Stunde der Kollege Peter Weiß, CDU/CSU-Fraktion.
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Dr.
Dr. Anna Christmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Anna
Christmann
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten diese Woche im Forschungsausschuss den EU-Forschungskommissar Carlos Moedas zu Besuch, und er hat an etwas sehr Wichtiges erinnert, nämlich daran, dass das weltweite Internet durchaus in Europa, beim CERN, erfunden worden ist. Nur leider sind dann von den Anwendungen, die sich daraus so vielfältig ergeben haben, nicht mehr so viele aus Europa gekommen. Jetzt haben wir mit der KI aber wieder eine Technologie, die durch Grundlagenforschung durchaus noch mal ganz entscheidend weiterentwickelt werden kann. Das heißt, wir haben wieder die Stunde von Europa. Europa ist stark in Grundlagenforschung, und wenn wir jetzt unsere Kräfte bündeln, dann können wir weltweit aus Europa heraus die Standards für KI setzen. Europa könnte richtig zeigen, was es kann. Aber was macht die Bundesregierung? Sie verlieren sich in kleinsten Aktivitäten wie 20 KI-Trainer hier und 12 Zentren dort, statt glasklar auf ein europäisches Forschungsnetzwerk zu setzen. Sie setzen – das haben Sie eben auch mehrfach gesagt – auf „AI made in Germany“ statt auf „AI made in Europe“, und das ist ein Fehler. Es gibt da längst auch die europäischen Initiativen ­ELLIS und CLAIRE, Forschungsnetzwerke, die gerne Unterstützung hätten. Sie lassen sie aber leider links liegen. Dabei muss es unbedingt unser Ziel sein, dass so eine weitreichende Technologie wie maschinelles Lernen von Menschen entwickelt wird, die unsere Werte teilen. Dann hat sie nämlich das Potenzial, bei ökologischen und sozialen Herausforderungen zu helfen und uns den Alltag zu erleichtern. Überlassen wir es hingegen autokratischen Systemen wie China, kommt Social Scoring dabei heraus. Das müssen wir verhindern. Es wäre daher dringend an der Zeit, dass Sie eine klare Initiative für eine europäische Entwicklung für KI und für globale Standardsetzung für ihre Anwendung erarbeiten. Aber mit der Umsetzung hat es die Bundesregierung ja leider nicht so sehr. Denn von den angekündigten Milliarden sind bisher nur 50 Millionen Euro dieses Jahr überhaupt in den Haushalt eingestellt, und – das kommt noch dazu – sie sind ja noch nicht mal verteilt. Auf unsere Nachfrage hin hat die Bundesregierung uns mitgeteilt, man arbeite gerade noch am Gesamtkonzept zur Verteilung dieser 50 Millionen Euro. Immerhin haben Sie erkannt, dass die Strategie offenbar noch nicht dafür taugt, überhaupt zu wissen, wofür man das Geld ausgibt. Aber wir stellen fest: Sie haben 3 Milliarden Euro ins Schaufenster gestellt, und jetzt wissen Sie noch nicht mal, was Sie mit den 50 Millionen Euro dieses Jahr machen sollen. Das ist zu wenig. Dabei gäbe es wirklich genug Ideen, was man sofort tun könnte. Wir haben dazu Vorschläge gemacht – schauen Sie gerne in unseren Antrag, der seit Herbst vorliegt –: unter anderem 100 Millionen Euro für ein europäisches Forschungsnetzwerk, aber zum Beispiel auch für soziale Innovationen und für mehr Frauen in der KI-Entwicklung. Denn es kommt auch darauf an, wer KI entwickelt, also auf Diversität. Da haben Sie auf Nachfrage vor allem den Girls’ Day erwähnt. Ich finde den Girls’ Day super, aber ich glaube, das kann nicht der ganze Weg sein, um die KI-Expertinnen zu gewinnen, die wir brauchen. Danke schön. Nadine Schön, CDU/CSU, ist die nächste Rednerin.
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Dr.
Dr. Karl-Heinz Brunner SPD
Karl-Heinz
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Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Ein Bekenntnis zu Israel ist selbstverständlich, aber heute nicht unbedingt Gegenstand dieser Beratungen. – Die gehören sicherlich dazu. Aber wir diskutieren jetzt nicht quer. Sie hören mir mal kurz zu! Was wollen Sie, was will die AfD mit diesen Anträgen, die heute eingebracht worden sind? Sie wollen doch nichts anderes – die Kollegin Motschmann hat das auch schon angesprochen –, als die über 11 Millionen geschundenen Seelen, die vor Assad, dem Schlächter, der Giftgas gegen sein eigenes Volk einsetzt, geflohen sind, wieder in die Hände dieses Schlächters zurückführen. Das darf nicht sein, und das darf in diesem Hause, im Deutschen Bundestag, nicht auch nur annähernd eine Zustimmung erfahren. Ich sage das ganz deutlich, weil hier manchmal offensichtlich Ursache und Wirkung verwechselt werden. Ich bin froh, dass der Kollege Nouripour den Ursprung in der Stadt Daraa, das Auflehnen der Bevölkerung gegenüber einem Despoten, angesprochen hat. Es ist nicht Assad gewesen, der dem Land Frieden gebracht hat, sondern es sind mehr oder weniger glückliche oder unglückliche Umstände gewesen, die dazu geführt haben, dass Frieden herrscht oder Krieg. Ich sage ganz deutlich: Das Beispiel der KSZE zieht nicht. Das zieht deshalb nicht, weil wir offensichtlich vergessen haben, dass die KSZE-Akte mit der Friedenssicherung einen Schlusspunkt gesetzt hat, wir dafür aber vorher Frieden in Syrien und in der Region erreichen müssten. Wenn wir Frieden haben, können wir eine Art KSZE-Akte als Schlusspunkt setzen. Das wäre der richtige Weg. Sie sehen ja in Ihrem Weltbild – die Kollegin Özoğuz hat es schon angesprochen – den Vorderen Orient Goethes – das ist eher veraltet – im Mittelpunkt, nicht die Zukunft. Deshalb ist es ja auch typisch, dass Sie in Ihrem Antrag das Wort „laizistische“ mit vier I schreiben, obwohl das Wort üblicherweise mit drei geschrieben wird. Das zeigt die Flüchtigkeit bei diesem Antrag. Mit Ihrem Antrag wollen Sie in erster Linie wirtschaftliche Sicherheit für Assad erreichen. Sie wollen nicht den Menschen vor Ort Stabilität geben. Und Sie sind keineswegs bereit, so wie Sie das bei Ihrer Privatreise nach Syrien schon getan haben, für die Menschen da zu sein, sondern Sie wollen mit Machthabern sprechen, um die Situation zu erzeugen, dass die geschundenen Menschen wieder zurückgeführt werden. Wir haben nicht zuletzt durch den Fünf-Punkte-Plan von Außenminister Heiko Maas sehr viel dazu beigetragen – und machen hier auf diplomatischem Weg weiter –, die Waffenruhe zu stabilisieren - – das ist nämlich das Erste, was wir in dieser Region brauchen –, humanitäre Hilfe zu geben – Deutschland ist das zweitgrößte Geberland für humanitäre Hilfe in Syrien und hat bereits 500 Millionen Euro für 2019 zugesagt –, den politischen Prozess zu unterstützen, also ein Verfassungskomitee unter Leitung der Vereinten Nationen personell und finanziell zu unterstützen – dieses Land braucht eine Verfassung; dieses Land braucht die Grundlage für eine Versöhnung der Bürgerinnen und Bürger in Syrien und in dieser Region – und – nicht last, but not least, sondern zuvor – den Kampf gegen den IS fortzuführen. Ich persönlich weigere mich, von einem „Staat“ zu sprechen, denn der IS ist kein Staat, sondern eine Verbrecherorganisation, die aus dieser Region beseitigt werden muss. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lambsdorff? Nein, das gestatte ich nicht. Last, but not least sind internationale Partner einzubinden, den UN-Prozess fortzuführen, aber auch mit der Türkei und Russland bilateral zu sprechen. Die Small Group on Syria unterstützt den politischen Prozess bereits. Die humanitäre Diplomatie der Geberkonferenzen arbeitet im Dialog mit entsprechenden Partnern und politischen Entscheidungsträgern. Im Kreis der EU, die in Ihrem Antrag nicht genannt wird, und der Vereinten Nationen setzt sich Deutschland für die Erhöhung und Bereitstellung von Geldern für humanitäre Hilfe ein. Deshalb ist es richtig und gut, dass wir uns in Deutschland und aus Deutschland heraus an diesem umfangreichen politischen Prozess in Syrien beteiligen. Denn ohne Frieden in dieser Region wird wirtschaftliche Hilfe und wird letztendlich auch eine Rückkehr der geschundenen Menschen an den Ort, an den sie wollen, ihre Heimat, nicht möglich sein. Ich glaube, dass es notwendig ist, dass diese Menschen in ihre Heimat erst zurückkehren, wenn sie dort in Sicherheit, Frieden und Freiheit leben können, so wie dies bei uns selbstverständlich ist. Vielen Dank. Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Alexander Radwan, CDU/CSU-Fraktion.
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Susann Rüthrich SPD
Susann
Rüthrich
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kinder in Zeiten von Corona – worüber könnten wir da nicht alles reden! Vielleicht darüber, dass die Stimmen der Kinder in den ersten Monaten und während der Pandemie so gut wie gar nicht mehr gehört wurden, darüber, dass lange über Kita- und Schulöffnungen nur aus Sicht der Eltern und Arbeitgebenden diskutiert wurde. Die Eltern müssen ja endlich wieder arbeiten können. Dabei sind Kitas, Tagespflegeeinrichtungen, Schule, Horte doch Bildungseinrichtungen für die Kinder, Orte, an denen sie für das Leben lernen, sich einbringen, Freunde, Gleichaltrige treffen. Wir könnten einmal schauen, welche der in den Bundesländern ja sehr unterschiedlichen Schritte zur Öffnung von Kitas, Schulen und Freizeiteinrichtungen nachweislich zu welchen Effekten in Bezug auf das Infektionsgeschehen geführt haben. Wir könnten darüber reden, was es mit den Kindern gemacht hat und noch macht, wenn sie öffentlich über Monate nur noch als Virenschleudern und Superspreader angesehen werden, als Gefahr für die Erwachsenen. Wir könnten über arme Kinder reden, die mit wenig Platz und Raum für sich klarkommen mussten und noch müssen, denen ihr warmes Mittagessen in der Kita oder in der Schule gefehlt hat und die an der U-Bahn-Haltestelle ins WLAN gehen, damit sie ihre digitalen Hausaufgaben aufs Handy laden können. Wir könnten über Kinder reden, für die die Kita und die Schule sichere Orte sind, weil sie sich zu Hause leider nicht sicher fühlen können. Wir könnten über Jugendliche reden, die die Welt entdecken und gestalten wollen, sich ausprobieren wollen, für die der Jugendklub aber genauso zu war wie der Sportverein oder der Jugendverband, mit dem sie ansonsten im Sommer ins Zeltlager gefahren wären. Wir könnten auch über Kinder mit psychischen oder chronischen gesundheitlichen Belastungen sprechen, die vielleicht seltener oder nicht mehr zum Arzt oder zur Ärztin und nicht zur Kur und nicht zur Reha konnten, oder über Kinder, die aus Angst vor Ansteckung die U‑Untersuchungen verpasst haben. Wir könnten über Kinder in Kinderheimen sprechen, die ihre Elternteile wochenlang nicht mal mehr besuchsweise treffen konnten. Wir könnten sogar über geflüchtete Kinder reden, die in den großen zentralen Aufnahmeeinrichtungen keinen Abstand einhalten können und die hier immerhin ein Dach über dem Kopf haben – im Gegensatz zu den Kindern in Moria. Kurz: Wir könnten also auch darüber reden, wie wir die Kinderrechte auf Schutz, Förderung und Beteiligung stärken und ins Grundgesetz aufnehmen können, damit sie in der Krise nicht mehr unter die Räder zu kommen drohen. Denn gerade in der Krise zeigt sich ja, ob sich auch Kinder und Jugendliche auf ihre Rechte verlassen können. Wir könnten nun endlich darüber reden, Kinderarmut in diesem reichen Land durch eine Kindergrundsicherung abzuschaffen. Wir könnten über eine viel stärkere Unterstützung für Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Schulpsychologinnen und Schulpsychologen und Schulkrankenschwestern sprechen, über eine bessere Unterstützung von Jugendverbänden und ‑vereinen. Wir könnten überlegen, wie wir die Kinder und deren Meinung selbst mehr einbeziehen: über ein bundesweites Jugendparlament, über einen Jugendbeirat, über eine Kinderfragestunde hier im Plenum. Worüber reden wir aber stattdessen, werte Kolleginnen und Kollegen? Wir reden wieder mal über das neue Lieblingsthema derer, denen sonst die Themen ausgehen: über Masken. Glauben Sie hier am rechten Rand ernsthaft, dass die Kinder und Jugendlichen im Land gerade keine anderen Sorgen haben? Oder werfen Sie mal wieder einfach eine Nebelkerze? Schließlich haben Sie als Partei auf nicht ein einziges der tatsächlichen Probleme der Kinder und Jugendlichen auch nur ansatzweise so was wie eine Lösung anzubieten. Das gilt im Übrigen für jede sonstige Herausforderung in diesem Land. Oder habe ich Ihr Rentenkonzept oder was Sinnvolles zu Energiepolitik oder zu Pflege oder zu irgendeinem Thema von Relevanz übersehen? Haben Sie da was? Nein, habe ich nicht übersehen! Mittlerweile wissen wir es ja auch aus Ihrem eigenen Munde: Es muss dem Land und den Leuten schlecht gehen, damit es Ihrer Partei gut geht. Deshalb geben Sie sich noch nicht mal den Anschein, für irgendwas eine Lösung zu erarbeiten. Dieser Antrag ist wieder einmal ein Beweis für Ihre Arbeitsverweigerung. Gestern Abend hatten Sie Ihr Pamphlet noch nicht mal vorgelegt. Und deshalb einfach nur: Danke für nichts! Vielen Dank, Frau Kollegin Rüthrich. – Nächster Redner ist der Kollege Norbert Müller, Fraktion Die Linke.
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Dr. Matthias Bartke SPD
Matthias
Bartke
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass der heutige Tag nicht nur von dem Geschwisterstreit zwischen CDU und CSU geprägt ist, sondern dass wir auch noch ein ganz wunderbares Gesetz zur Stärkung der Rechte von Menschen mit Behinderung auf den Weg bringen. Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, jeder von Ihnen hat es heute schon einmal gemacht. Wir kommunizieren ständig online. Die Digitalisierung macht das möglich. Für viele Menschen macht sie die Dinge einfacher. Auch Menschen mit Behinderung profitieren ganz massiv von der Digitalisierung. Kürzlich hat ein gehörloser Autor beschrieben, wie das Internet für ihn lange der Inbegriff der Barrierefreiheit gewesen ist. Ich zitiere: Chat-Nachrichten, Foren – plötzlich war mühelose Kommunikation per Text möglich. Kein anstrengendes Lippenlesen mehr, Videos gab es sowieso keine, und wenn, dann hängte sich der Player auf. In diesem kurzen Zitat steckt schon das ganze Dilemma: Die Digitalisierung birgt riesige Chancen, aber sie hat auch das Potenzial für neue Barrieren. Videos beispielsweise hängen sich inzwischen nicht mehr auf, dafür sind sie auf Social-Media-Kanälen aber gang und gäbe geworden. Für Gehörlose sind sie allerdings nur nachvollziehbar, wenn sie auch Untertitel haben. Wir wollen Menschen mit Behinderungen in unserer digitalisierten Wert teilhaben lassen, dann müssen wir aber auch dafür sorgen, dass bestehende digitale Barrieren verschwinden und neue gar nicht erst entstehen. Das gibt uns allein die UN-Behindertenrechtskonvention vor, meine Damen und Herren. Ich finde es daher großartig, dass wir mit dem Gesetzentwurf gleich eine ganze Reihe von Verbesserungen in diesem Bereich auf den Weg bringen. Das fängt damit an, dass wir den Anwendungsbereich für digitale Barrierefreiheit von Trägern öffentlicher Gewalt auf öffentliche Stellen des Bundes ausweiten. In Zukunft sind beispielsweise also auch das Goethe-Institut, das Deutsche Rote Kreuz und – Herr Beeck – auch die Deutsche Bahn verpflichtet. Ist das nicht wunderbar? Bisher war es so, dass digitale Barrierefreiheit schrittweise umgesetzt werden sollte. Nur, wie groß diese Schritte sein sollten und bis wann sie gemacht werden sollten, das war eben nicht definiert. Dem setzen wir ein Ende, meine Damen und Herren. Von nun an gelten klare Fristen, bis wann Webseiten und mobile Anwendungen barrierefrei sein müssen. Das hat uns die Richtlinie so vorgegeben. In unserem Änderungsantrag haben wir darüber hinaus auch eine konkrete Frist für elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe eingeführt. Wir haben auch klargestellt, dass die grafischen Programmoberflächen weiterhin von der barrierefreien Gestaltung umfasst sind – Herr Pellmann, Sie hätten es lesen können – und – soweit möglich – auch die Angebote auf Webseiten Dritter. Das war ein wesentliches Ergebnis der Verbändeanhörung vom Montag; also auch das Video, das öffentliche Stellen auf Facebook einstellen, muss barrierefrei sein, wenn Facebook die Möglichkeit dazu bietet. Das Gute an diesem Gesetzentwurf ist übrigens, dass wir nicht nur neue Verpflichtungen schaffen. Gleichzeitig haben wir auch ein ganzes Paket mit Maßnahmen zur Durchsetzung der digitalen Barrierefreiheit geschnürt. Alle öffentlichen Stellen des Bundes müssen zukünftig eine Erklärung zur Barrierefreiheit ihrer Webseiten und Apps veröffentlichen. Sie müssen darin begründen, wenn sie – ganz wichtig – ausnahmsweise keine vollständige barrierefreie Gestaltung gewährleisten. Außerdem wird es einen Feedback-Mechanismus geben. Damit können Nutzerinnen und Nutzer zurückmelden, wenn immer noch Barrieren bestehen. Diese Möglichkeit ist von allergrößtem Wert; denn die Beratungspraxis der Fachstelle für Barrierefreiheit hat schließlich gezeigt, dass es in den seltensten Fällen am Unwillen liegt, dass Webseiten nicht barrierefrei sind. Es fehlt meistens einfach nur an Wissen. Da werden die Rückmeldungen der Betroffenen in Zukunft ein ganz anderes Bewusstsein schaffen. Einen ähnlichen Effekt wird auch die neu eingerichtete Überwachungsstelle haben. Sie wird innerhalb weniger Jahre nahezu jede öffentliche Stelle des Bundes in der einen oder anderen Weise getestet haben. Das wird Missstände aufdecken, wo es sie noch gibt, und die barrierefreie Gestaltung kräftig voranbringen. Zu guter Letzt stärken wir das Schlichtungsverfahren, durch das Einzelne wie auch Verbände ihre Rechte geltend machen können. Die SPD-Fraktion hat hier noch eine wesentliche Verbesserung erreicht: Zukünftig wird ein Schlichtungsverfahren die Klagefrist unterbrechen. Das ist ein großer Vorteil für die Betroffenen; denn Klagen müssen dann nicht mehr parallel zur Schlichtung eingereicht werden, und die Schlichtung muss nicht unter Zeitdruck erfolgen. Meine Damen und Herren, mit dem Gesetzentwurf und unserem Änderungsantrag machen wir die öffentlichen Stellen zu den Taktgebern für digitale Barrierefreiheit. Ich danke Ihnen. Vielen Dank, Dr. Bartke. – Der nächste Redner in der Debatte: Uwe Witt für die AfD-Fraktion.
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Dr. Sascha Raabe SPD
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ja, es stimmt: Afrika könnte ein reicher Kontinent sein. Er ist nicht arm wegen der Hitze oder weil es zu wenig Bodenschätze gibt, sondern weil für viele Länder der Reichtum an Rohstoffen eher Fluch als Segen ist. Das hat natürlich viel damit zu tun – das steht zu Recht in dem Antrag der Linken –, dass europäische Unternehmen den afrikanischen Kontinent nur als Rohstoffversorger für Europa wahrnehmen. Dementsprechend muss die Handelspolitik der Europäischen Union geändert werden. Das ist keine Frage. Als jemand, der seit 2002 im entwicklungspolitischen Ausschuss tätig ist und in diese Länder fährt, sehe ich natürlich schon eine Veränderung in den letzten 10, 15 Jahren. Wenn man heute vom Flughafen in die meisten Hauptstädte der afrikanischen Länder fährt, sieht man immer mehr Villen, immer mehr SUVs, immer mehr Vier- und Fünf-Sterne-Hotels, immer größere Präsidentenpaläste. Doch wenn man aufs Land fährt, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein: die gleiche bittere Armut wie früher. Woran liegt das? Das liegt daran, dass heute nicht mehr nur der böse Norden den Süden ausbeutet, sondern es heute in den meisten afrikanischen Staaten auch eine korrupte, verantwortungslose Elite gibt, die gemeinsam mit den Regierungen und den Unternehmen in den Industrieländern das eigene Volk ausbeutet. Deswegen müssen wir, wenn wir mit den afrikanischen Staaten jetzt ein neues Abkommen abschließen und damit unsere Handelsbeziehungen neu ordnen, darauf achten, dass Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte und soziale Standards endlich verbindlich sind und eingehalten werden und dies die Voraussetzung für den Handel mit afrikanischen Staaten ist. Das bedeutet, dass wir es nicht mehr zulassen dürfen, dass fast 2 Millionen Kinder auf den Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste und in Ghana arbeiten, sich selbst mit Pestiziden vergiften, mit Macheten arbeiten müssen und nicht zur Schule gehen können. Wir dürfen nicht zulassen, dass das die nächste Generation ist, die, weil sie dort keine Perspektiven hat, an Europas Tür anklopft, um hier als Armutsflüchtling vielleicht eine Chance zu finden. Deswegen muss endlich Ernst gemacht werden mit vielen von den Dingen, die schon in unseren Präferenzregeln stehen. Darin steht eigentlich, dass es keine Kinderarbeit und keine Menschenrechtsverletzungen geben darf, wenn man zollfrei Waren in die EU liefern will. Im Augenblick ist die Europäische Union ja dabei, mit Staaten in der ganzen Welt Verhandlungen über Freihandelsabkommen zu führen, auch mit den afrikanischen Staaten über ein Nachfolgeabkommen zum Cotonou-Abkommen. Da gibt es ein schönes Nachhaltigkeitskapitel, in dem wieder drinsteht – ganz toll –, dass die Menschenrechte eingehalten werden sollen, dass es keine Kinderarbeit geben soll, dass die Arbeitnehmerrechte gelten sollen. Aber was passiert, wenn dagegen verstoßen wird? All diese Verträge sind wieder so angelegt, dass am Ende im Prinzip nichts erfolgt. Es heißt, man führe einen Dialog mit der Zivilgesellschaft, und am Ende ist das schärfste Schwert die Rüge eines Expertengremiums. Deswegen fordere ich Minister Müller auf – er hat mir versprochen, das zu tun; ich werde das weiter beobachten –, mit dem Kollegen Altmaier zu reden, damit Brüssel jetzt nicht mit Japan und Singapur Verträge abschließt, in denen diese Nachhaltigkeitskapitel unverbindlich sind; denn wenn wir das mit diesen Ländern unverbindlich halten, dann sagen die afrikanischen Länder zu Recht: Warum behandelt ihr diese Länder anders als uns? – Nein, wir müssen, um glaubwürdig zu bleiben, allen Ländern, mit denen wir Handel treiben wollen, klarmachen: Es kommt nicht nur darauf an, dass ihr technische und sanitäre Standards einhaltet, sondern für uns ist auch wichtig, unter welchen Bedingungen die Produkte, die bei uns auf die Märkte kommen, hergestellt werden; wir wollen kein Blut an T-Shirts; wir wollen nicht, dass auf Kakao- und Kaffeeplantagen Kinder arbeiten; wir wollen nicht, dass Arbeiter aus der Luft mit Pestiziden vergiftet werden. Nur wenn das gewährleistet ist, dann dürfen die Waren zollfrei nach Europa geliefert werden. Ansonsten gilt: Fairer statt freier Handel; das ist es, was wir brauchen. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Raabe. – Das war kurz vor La-Ola-Wellen. Damit schließe ich die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 19/2528 und 19/2519 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen, wobei die Federführung jeweils beim Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung liegen soll. Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
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Daniela Wagner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Daniela
Wagner
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
So umfangreich wird es nicht. – Herr Kollege, dass der Koalitionsfrieden an sich schon einen Wert darstellt, müsste Ihnen ja bestens vertraut sein. Deswegen habe ich viel Verständnis für das Anliegen, den Koalitionsfrieden zu erhalten bzw. zu schaffen. Zum Thema Frankfurt will ich nur sagen: Ich glaube, das ist nicht das Entscheidende. Entscheidend ist, dass unsere Ministerin die Wohnungsbaumittel in Hessen vervierfacht hat und dass damit in Hessen in nicht gekanntem Ausmaß und in nicht gekanntem Tempo die Wohnungsbauförderung voranschreiten konnte. Deswegen finde ich den Fall Polizeipräsidium weniger aufregend, als Sie es als Opposition vielleicht empfinden. Aber ich verstehe diese Haltung durchaus. Zu Ihnen, Herr Reinhold, will ich nur so viel sagen: Der private Kleinvermieter, der Amateurvermieter, also das klassische Haus-und-Grund-Mitglied, ist von der Mietpreisbremse überhaupt nicht betroffen, weil er nämlich die Mieten in dem Ausmaß wie diejenigen, die die Mietpreisbremse trifft und treffen muss, in aller Regel gar nicht erhöht. Das ist jedenfalls meine Erfahrung auf dem Wohnungsmarkt der Kleinvermieter. Wir fahren in der Rednerliste fort. Der Kollege ­Torsten Schweiger hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Claudia Moll SPD
Claudia
Moll
SPD
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, meine Frage bezieht sich auf das Thema Pflege. Ich habe bis zum 23. September 2017 fast 30 Jahre in der Pflege gearbeitet, und zwar sehr gerne. Im letzten Jahr haben wir zusammen mit der Union das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz auf den Weg gebracht. Das ist zwar ein kleiner Schritt gewesen, aber ein sehr guter. Er geht in die richtige Richtung. Nur brauchen wir jetzt dringend Tariflöhne für die Pflegefachkräfte. Sie sind unterbezahlt, dabei hat man als Pflegefachkraft eine sehr große Verantwortung. Ohne Tariflöhne geht es nicht mehr. Aber nicht nur an die Tariflöhne müssen wir ran. Wir müssen auch darüber nachdenken, wie wir die Eigenanteile für die Pflege neu gestalten. Es kann nicht sein – da spreche ich aus Erfahrung –, dass es Pflegebedürftige bzw. Angehörige gibt, die die Pflege wirklich nicht mehr bezahlen können. Wir sollten endlich zu einer Deckelung des Eigenanteils bei den Pflegekosten kommen. Viele vergessen, dass auch viele junge Familien davon betroffen sind; denn auch junge Menschen können aufgrund von Unfall oder Krankheit pflegebedürftig sein. Das wird ganz oft vergessen. Frau Kollegin, schauen Sie einmal auf die Ampel! Ja, ich beeile mich. Frau Bundeskanzlerin. – Nein, die Zeit ist jetzt um. Entschuldigung, das tut mir leid. Die Zeit für Ihre Frage ist jetzt deutlich abgelaufen.
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Katharina Beck BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Katharina
Beck
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Haben wir in Deutschland ein Problem mit massiven Preissteigerungen? Ja. Sehr, sehr groß ist dieses Problem. Gurken beispielsweise sind über 40 Prozent teurer geworden. Alle Lebensmittel sind durchschnittlich über 10 Prozent teurer geworden. Wie sollen sich das Menschen, deren Hartz‑IV-Sätze beispielsweise nicht gestiegen sind, oder Menschen, die wie Manager 70- oder 80‑Stunden-Wochen haben, aber das in drei Jobs erarbeiten müssen und dann vielleicht sogar noch aufstocken müssen, leisten? Dieses Problem ist wirklich massiv. Wir als Regierung – das haben jetzt schon so viele gesagt – steuern wirklich mit riesigen Entlastungspaketen schon dagegen. Aber es ist wichtig, uns zielgerichtet und mit soliden Staatsfinanzen und für die Zukunft richtig aufzustellen. Es wäre aber vermessen, zu glauben, das Problem sei jetzt mit einer Einzelmaßnahme bei den Lebensmittelpreisen zu lösen. Ich hatte gerade schon gesagt: Die Gurkenpreise beispielsweise und viele andere Preise sind im zweistelligen Bereich angestiegen. – Selbst wenn die Senkung zu 100 Prozent weitergegeben würde, würde wir das nicht komplett heilen. Das Problem ist viel größer. Käme so eine Maßnahme denn auch an? Die Studien variieren da; das ist nicht komplett nachvollziehbar. Aber selbst wenn man mal annimmt, dass etwas weitergeben wird und ungefähr 60 Prozent ankommen – das DIW hat bei der letzten Mehrwertsteuersenkung von 50 Prozent gesprochen; manche sprechen von 70 Prozent im Lebensmittelbereich; wir wissen es einfach nicht –: Können wir es uns leisten, dass die restlichen 40 Prozent dann bei den Handelsketten, die in der Coronapandemie wirklich große Umsatzsteigerungen verbuchen konnten, landen? Das wären 800 Millionen bis 2 Milliarden Euro, die uns für andere, gezielte Entlastungsmaßnahmen fehlen würden. Die Meinung dieser Koalition ist: Nein, das können wir uns so nicht leisten. Wir müssen gezielt helfen. Die Antwort kann nur sein, dass wir sagen – Herr Güntzler hat das ja selbst gesagt und viele andere auch –: Wir brauchen diese Entlastung nicht. Das heißt, wir müssen die Hartz‑IV-Regelsätze gegebenenfalls anheben, damit man sich das noch leisten kann. Vor allen Dingen dürfen wir auch nicht vergessen, dass es in diesem Bereich einfach ist, die Menschen zu erreichen; denn sie sind schon im System. Aber diejenigen, die wirklich wenig Geld verdienen, müssen wir auch erreichen. Glücklicherweise haben wir den Grundfreibetrag angehoben. Glücklicherweise haben wir die Energiepreispauschale eingeführt, die aber auch frei verfügbar für Dinge einsetzbar ist, die man wirklich braucht. Über Pauschallösungen müssen und sollten wir weiter nachdenken, auch im nächsten Schritt. Und – ich hatte das heute Morgen schon ausgeführt –: Die Wurzel allen Übels sind die extrem explodierten Energiepreise. Das heißt, um hier mittelfristig wirklich abzufedern und auch die Lebensmittelpreise in Deutschland wieder zu senken – die hängen in Deutschland nämlich noch viel mehr als an den Lieferketten an den Energiepreisen –, müssen wir an die Energie ran. Wir müssen uns diversifizieren. Wir machen es wirklich nicht leichten Herzens, dafür nach Katar zu fahren; aber für die Übergangstechnologien muss das sein. Den Ausbau der Erneuerbaren, der Freiheitsenergien, voranzutreiben, das machen wir, und zwar sehr beherzt. Wir geben dem hier im Planungsrecht einen Vorrang. Und drittens. Wir müssen an die Preisbildung rangehen, das Kartellrecht substanziell reformieren, sodass es nicht mehr zu der Möglichkeit kommen kann, die Preise so zu setzen, wie es geschehen ist. Um 38 Prozent sind die Energiepreise gestiegen; das ist wirklich exorbitant. In diesen oligopolistischen Markt reinzugehen, auch das macht diese Bundesregierung. Frau Kollegin! Das heißt: kluge Antworten finden, nicht Einzelmaßnahmen, die dann nicht ausschließlich denen zugutekommen, die es bräuchten, sondern die zum Teil auch versickern würden. – Ich bin sehr konkret geworden, glaube ich, mit sehr vielen Maßnahmen. Das kann sie gar nicht mehr, weil sie über ihre Redezeit schon hinaus ist. Deswegen machen wir einen klugen Mix an Maßnahmen und verlieren uns nicht in Einzelmaßnahmen, die im Endeffekt nicht zielgenau und effizient genug sind. Herzlichen Dank.
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Norbert Kleinwächter AfD
Norbert
Kleinwächter
AfD
Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Grünen und die Linken versuchen sich mal wieder an der Rentenversicherung, und da kommt nichts Gutes bei raus. Was die Grünen in der Regierung leisten, haben wir unter Schröder gesehen, und bei den Linken wird es geradezu verfassungsfeindlich. Also wirklich, diese Idee, dass man die Beitragsbemessungsgrenze aufhebt und dadurch bessere Renten quasi kürzt, also die Rentenauszahlungen der Menschen konfisziert, deckelt, wird bestimmt genauso grandios funktionieren wie der Berliner Mietendeckel. Rot-Rot-Grün ist ja in Berlin auf die Nase gefallen, der Mietendeckel war verfassungswidrig. Was haben wir jetzt davon? Die Eigentümer haben verloren, die Vermieter haben verloren, die Mieter haben verloren, müssen jetzt massiv nachzahlen. Rot-rot-grüne Politik ist Politik, bei der einfach alle verlieren, meine Damen und Herren! Aber wir können es uns nicht leisten, dass die Rentner verlieren. Wir können es uns nicht leisten; denn wir haben ihnen gegenüber eine Verantwortung. Sie haben ihr Leben lang gearbeitet, und wir müssen dafür sorgen, dass das Rentenniveau auch in Zukunft passt. Machen wir uns nichts vor: Dieses Niveau ist bedroht. Es ist bedroht, weil wir eine schrumpfende Erwerbstätigengeneration haben, weil wir zu wenige Kinder haben und weil von denen, die wir haben, ganz viele ins Ausland gehen, vor allem, wenn sie besser verdienen. Wegen Ihrer völlig irren Steuer- und Abgabenpolitik und ihrer grünen Spinnereien gehen die Leute. Alles, was Sie von den Grünen dem entgegenzusetzen haben, ist wirklich reichlich primitiv. Sie wollen, dass alle Möglichen in die Rentenversicherung mit einzahlen. Abgeordnete, Selbstständige, Beamte, sogar Arbeitslose und Hartz-IV-ler sollen also ins System einzahlen. Und weil das auch noch nicht reichen wird, werden Sie Tausende Mütter in die Arbeit zwingen, Billionen Migranten ins Land importieren und Milliarden Steuergelder in die Rente stecken. Irgendeiner muss Ihre Mindestrentenvorstellungen usw. ja bezahlen. Und das sind natürlich die Erwerbstätigen oder – über die Schulden – eben die Kinder. Von wegen: Sie machen nachhaltige Politik, Sie machen gar keine nachhaltige Politik. Es ist unsozial, und es funktioniert auch nicht. Wir wollen diese Menschen auch einbeziehen. Wir wollen auch, dass Abgeordnete in die Rentenversicherung miteinbezogen werden, ganz einfach, damit wir selbst erleben, was wir hier beschließen. Wir wollen das Beamtentum auf hoheitliche Bereiche konzentrieren. Und wir wollen Selbstständige absichern, die keine private andere Versorgung haben. Aber das machen wir nicht, um das System zu schützen, sondern aus gesellschaftlichen Gründen. Das System selbst profitiert nämlich nicht; denn die erwerben ja alle wieder Ansprüche, wenn sie einbezogen werden, es sei denn, man konfisziert die, wie die Linken das wollen. Das wahre Problem ist, dass wir zu wenige Kinder haben. Deswegen brauchen wir eine generative Komponente in der Rentenversicherung, damit wir Kinder haben, die dieses Rentenversicherungssystem stützen, die ihre Eltern lieben, die ihr Land lieben, die ihre Heimat lieben. Darauf baut ein Umlagesystem auf. Wenn ich das nicht will, dann brauche ich so ein kapitalgedecktes Ding, das auch nicht funktioniert, wie das von der FDP. Aber jetzt muss ich noch mal mit Ihnen von den Grünen schimpfen, weil ich das wirklich perfide finde. Ich finde es perfide: Sie gehen da in die Welt hinaus – zum Beispiel mit Ihrem Covergirl Luisa Neubauer – und vermitteln den Leuten, gerade den jungen Leuten, dass Sie für eine prosperierende Zukunft sorgen würden. Was Sie den jungen Menschen hinterlassen werden, wenn Sie mal an die Macht kommen – Gott bewahre! –, das ist ein grandioser Schuldenberg, das ist eine völlig kaputte Wirtschaft und das ist ein katastrophales Rentensystem, meine Damen und Herren. Würden Sie bitte zum Schluss kommen? Die Menschen, die im Begriff sind, Ihnen Vertrauen zu schenken, die werden genauso irregeführt werden wie die Berliner Mieterinnen und Mieter. Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss. Das ist jugendfeindlich, das ist unmoralisch, und das ist falsch. Haben Sie vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Kollege Kleinwächter. – Ich weiß gar nicht, warum das so eine Erregung auslöst. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Jana Schimke, CDU/CSU-Fraktion.
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Yasmin Fahimi SPD
Yasmin
Fahimi
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren im Parlament! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer an den Monitoren! Ich habe jetzt sozusagen das Schlusswort in dieser Debatte, und ich werde mich einmal um eine Art Zusammenfassung dessen bemühen, was ich hier heute gehört habe. Wenig überzeugend fand ich – bei aller Sympathie – das, was die Fraktion Die Linke hier heute noch einmal untermauert hat. Diese Art der apodiktischen Politik – nichts unter 100 Prozent unserer eigenen Positionen lassen wir auch nur im Ansatz zu – ist wenig überzeugend. Liebe Kolleginnen und Kollegen, immer nur den Schnaps in der Theorie zu versprechen, macht in diesem Land auch keinen lustiger. Wir haben hier und da etwas von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gehört. Das war mir ein bisschen zu viel Schaufensterpolitik. Man muss schon darüber reden, was die Zielkonflikte dahinter sind, und darf die nicht einfach unter den Teppich kehren. Da nützt es nichts, hier über den Ausbau der erneuerbaren Energien zu sprechen, aber gleichzeitig in Baden-Württemberg den Umbau nicht hinzubekommen. In Baden-Württemberg bauen Sie gerade einmal halb so viele Windkrafträder wie das viel kleinere Nachbarland Rheinland-Pfalz, vom Netzausbau überhaupt nicht zu sprechen. Das, glaube ich, macht deutlich, woran man Politik wirklich messen muss. Am problematischsten ist aber die erratische Politik der Union, die heute hier noch einmal unterstrichen worden ist. Stillstand ist das, was Sie hier erzählen. Mit beiden Beinen haben Sie die gesamte Legislatur über auf der Bremse gestanden, wenn es um faire Entlohnung, wenn es um gute Arbeitsbedingungen und wenn es um angemessene Renten gegangen ist. Das ist Ihr wahres Gesicht, das Sie hier heute noch einmal gezeigt haben. Jens Spahn hat sich mehr um die Maskendeals gekümmert als um eine solide Krankenhausfinanzierung oder eine Offensive der Fachkräfte in den Pflegebereichen. Frau Karliczek hat den Neustart im BAföG verhindert und hat Gelder, die wir zur Verfügung gestellt haben, einfach nicht ausgegeben, sondern schickt sie wieder zurück, anstatt etwas damit zu machen. Sie können bis heute keine klare Aussage über das Rentenniveau treffen, spekulieren stattdessen lieber über die Anpassung des Renteneintrittsalters. Und Sie negieren bis heute das Problem der sachgrundlosen Befristung. Diese Art der erratischen Politik gehört abgewählt. Über die Hasardeure der FDP will ich gar nicht reden. Das ist alles Neoliberalismus aus der Mottenkiste. Am Ende geht es nur um die Abschaffung des Solis für Spitzenverdiener; das können wir uns sparen. Die sklerotische Politik der AfD ist genauso verknöchert wie die Abgeordneten, die sie hier im Parlament vertreten. Spielen Sie sich nicht auf als die Partei des kleinen Mannes. Sie wollen den Mindestlohn abschaffen. Sie wollen ein strengeres Bankengeheimnis. Sie sind nichts anderes als die Schutzmacht der Steuerbetrüger und nicht die Partei des kleinen Mannes oder der kleinen Frau. Was dieses Land braucht, ist eine Politik aus einem Guss, gute Übergänge von Schule in Ausbildung, in Jobs. Dafür brauchen wir einen Neustart im BAföG und eine Ausbildungsgarantie. Wir wollen gut bezahlte Arbeit. Dafür wollen wir den Mindestlohn anheben, und dafür brauchen wir ein Bundestariftreuegesetz, weil es nämlich um faire Löhne geht. Wir wollen die Mitte entlasten durch die Einführung einer Kindergrundsicherung und durch den Bau von bezahlbarem Wohnraum. Und wir brauchen Investitionen in die Modernisierung unserer Industrie, damit klimaneutrales Wirtschaften gelingen kann, aber damit auch gute Arbeitsplätze von morgen gesichert sind. Das ist qualitatives Wachstum und gutes Leben. Im Übrigen wissen wir auch, wie es geht: mit soliden Finanzen, und zwar nicht einfach über eine Schuldenbremse. Herr Laschet hat sich da vorhin mit Schuldenbremse und schwarzer Null vertan; das kann er sich ja noch einmal ansehen. Es geht um gerechte Verteilung. Das gibt unser Steuerprogramm sehr genau her. Sehr geehrte Damen und Herren an den Monitoren, liebe Wählerinnen und Wähler, wir, die SPD, wollen eine Politik der Zuversicht, und wir setzen dabei auf Ihre Potenziale, auf Ihren Fleiß, auf Ihre Kreativität, auf Ihr Engagement. Das ist die Art des Respekts, die wir Ihnen mit unserem Programm zollen wollen. Wenn man sich ansehen will, wie das konkret aussieht, dann sage ich nur: Hannover. Es ist eine Stadt, die 75 Jahre von keiner anderen Partei so geprägt worden ist wie von der SPD. Neun von zehn Menschen leben in Hannover gerne, zufrieden und glücklich. Das ist sozialdemokratische Politik. Das ist eine Gesellschaft des Miteinanders. Wer das will, der muss am 26. September Olaf Scholz und unsere gemeinsame Partei, die SPD, wählen. Ich schließe die Aussprache.
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Martina Renner DIE LINKE
Martina
Renner
DIE LINKE
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt tödliche Waffen, und es gibt gefährliche Spionagesoftware, die tödlich wirken kann. Ich rede über Spionagewerkzeuge wie Pegasus, Candiru oder QuaDream. Mit ihnen werden Smartphones zu Wanzen, durch die Menschen unbegrenzt überwacht werden können. Pegasus wurde gegen die Verlobte des ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi eingesetzt. Der mexikanische Journalist Cecilio Pineda Birto wurde erst ausspioniert und dann ermordet. Es gibt Spähangriffe gegen Oppositionspolitikerinnen und ‑politiker im Wahlkampf, gegen die unabhängige Justiz, gegen kritische Journalistinnen und Journalisten, auch in Europa – in Polen und Ungarn –, in angeblichen Rechtsstaaten. Der Antrag meiner Fraktion ist die notwendige Antwort auf diese Entwicklungen. Der Ankauf und der Einsatz derartiger Spähsoftware muss sofort unterbunden werden. Durch die Geschäfte der Bundesregierung mit den profitierenden Unternehmen wird diese Praxis gewissenlos unterstützt, sodass Diktatoren, die diese Spionagesoftware kaufen, indirekt profitieren. Mit dem Einsatz hier folgen unverhältnismäßige Eingriffe von Polizei, Zoll und Geheimdiensten in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger. Wir ahnen allein dank investigativer Presserecherche, welche Behörden Pegasus nutzen: BKA und BND; das BfV nutzt wohl den Zwilling Candiru. Die Bundesregierung schweigt dazu. Parlament und Öffentlichkeit wissen nichts über den konkreten Vertragsinhalt zu dem Trojaner. Wir sollen uns darauf verlassen, dass das BKA eine an unsere Rechtslage angepasste Pegasus-Version erhalten hat. Aber wer hat dies eigentlich kontrolliert? Wir sollen uns darauf verlassen, dass die abgefangenen Daten nur bei deutschen Behörden landen. Naiv nenne ich so eine Vorstellung nach dem NSA-BND-Skandal. Wir sollen uns darauf verlassen, dass der unantastbare Kernbereich der Privatsphäre geschützt wird. Dabei wissen wir, dass Geheimdienste auf Grundrechtsschutz pfeifen. Auf all das verlassen wir Linke uns lieber nicht. Daher fordern wir heute das Verbot des Ankaufs und des Einsatzes entsprechender Software. Dies reicht meiner Meinung nach aber nicht. Wer die Begehrlichkeiten der Behörden stoppen will, der muss bei den Befugnissen ansetzen. Im Bereich der Gefahrenabwehr, im Bereich der geheimdienstlichen Überwachung ist der Einsatz dieser Software generell unverhältnismäßig. Spähsoftware anzukaufen, widerspricht dem Rechtsstaat. Entsprechende Befugnisse der Behörden sind zu streichen. Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Uli Grötsch das Wort.
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Karoline Otte BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Karoline
Otte
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin Geywitz! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit einem Koalitionsvertrag starten wir in diese Regierung, der die Lebensrealitäten von Menschen in den Blick nimmt und sich zur Aufgabe macht, diese spürbar zu verbessern. Bitter genug, dass das hier erwähnenswert ist, etwas, was eigentlich grundsätzlich Aufgabe von Politik sein sollte, aber viel zu selten in den letzten 16 Jahren Unionsregierung der Grundsatz war. Vieles von dem, was wir hier in Berlin im Bundestag beraten und beschließen, vieles von dem, was die Bundesregierung auf den Weg bringt, kann nur umgesetzt werden, wenn wir nicht an den kommunalen Realitäten vorbei entscheiden. Hierauf werden wir im zuständigen Ausschuss ein Auge haben. Aber auch unsere Regierungskoalition hat sich dies ins Stammbuch geschrieben; denn unsere Vorhaben können wir nur mit starken Kommunen vor Ort Realität werden lassen. Wir brauchen die Städte und Gemeinden, damit unsere Politik bei den Menschen vor Ort ankommen kann. Für das kommende Jahr hat sich die Ampel das Ziel gesetzt, Planungsvorhaben zu beschleunigen, damit es vorangeht, damit die Energiewende vor Ort Realität wird, damit 1,6 Millionen neue Wohnungen gebaut werden können, damit wir endlich einen zügigen Zubau der Schiene erreichen. Durch die Verschärfung des kommunalen Vorkaufsrechts erweitern wir kommunale Handlungsspielräume und begegnen Wohnraumspekulationen und Verdrängungstendenzen. Aber gebaut, gekauft oder saniert wird nur da, wo man nicht in Schulden zu ersticken droht. Fast 150 Milliarden Euro kommunale Investitionsrückstände, das sind keine Schulden in den Büchern, aber in der bitteren Realität. Wenn wir über desolate Schultoiletten reden, dann müssen wir auch über die kommunale Finanzlage sprechen. Wenn wir hier nicht anfassen, dann bricht die kommunale Daseinsvorsorge weg. Das kommunale Schwimmbad, die Bibliothek wird geschlossen, das Krankenhaus privatisiert, die Buslinie gestrichen. Das trifft vor allem die Menschen, die den Wegfall nicht mit privatem Einkommen ausgleichen können. Das dürfen wir nicht zulassen. Für die Sicherung der kommunalen Daseinsvorsorge und zur Realisierung der notwendigen Investitionen ist es wesentlich, dass wir überschuldeten Kommunen helfen und sie nicht mit ihren Sozialausgaben alleine lassen. Fördermittel müssen wir gerade für finanziell belastete Kommunen niedrigschwellig gestalten. Damit öffentlich gebaut wird, müssen wir den Fördermitteldschungel anfassen und Ausschreibungskriterien vereinfachen. Unser Grundgesetz gibt das Versprechen von gleichwertigen Lebensverhältnissen. Dieses Versprechen ist noch lange nicht eingelöst. Aber besonders in Zeiten einer globalen Krise sind Solidarität und gesellschaftlicher Zusammenhalt so wichtig. Beides muss vor Ort spürbar werden. Vor Ort müssen wir mit starken, solidarischen Kommunen klarmachen, dass wir für die Menschen einen Unterschied machen. Packen wir es an!
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Friedrich Straetmanns DIE LINKE
Friedrich
Straetmanns
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorliegend beraten wir über einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen, der mit den blumigen Worten „Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit“ daherkommt. Tatsächlich handelt es sich aber um einen schwerwiegenden Angriff auf die grundgesetzliche Ordnung, namentlich auf das Doppelbestrafungsverbot des Artikels 103 Absatz 3 Grundgesetz. Mit dem Grundgesetz wurde im Spannungsfeld zwischen materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit die Rechtssicherheit eindeutig höher gewichtet. Auch wenn manche Fälle, die mit Freispruch enden, unsäglich wirken – für einen Freispruch unter Vorbehalt lässt das Grundgesetz keinen Raum. Wo wir schon bei unsäglichen Fällen sind: Es wird solche bedauerlicherweise weiter geben. Ein Beispiel hierfür ist der Fall Oury Jalloh. Dieser war im Januar 2005 im Polizeigewahrsam verbrannt. Die zuständigen Polizeibeamten wiesen jegliche Verantwortung von sich. Seither wird in der Öffentlichkeit darüber diskutiert, wie in aller Welt der gefesselte Mann bitte seine Matratze anzünden konnte, so wie von den Polizeibeamten geäußert. „Oury Jalloh – das war Mord“, diese Parole findet man immer wieder, beispielsweise an Hauswänden. Der Bundesgerichtshof hat den Fall nunmehr entschieden und bestätigte eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung. Den Verdacht, dass Polizeibeamte Oury Jalloh misshandelten und dann in Verdeckungsabsicht einen Suizid inszenierten, wird das Land Sachsen-Anhalt nie mehr ausräumen können, da die Ermittlungen eine Tendenz zur Nichtverfolgung polizeilicher Straftaten aufwiesen. Es gäbe unzählige Möglichkeiten, materielle Gerechtigkeit herzustellen, ohne die Axt an das Grundgesetz anzulegen, diese werden allerdings von dieser Koalition schlichtweg ignoriert. So könnten Sie beispielsweise die Justiz endlich ertüchtigen, wie Sie es zu Beginn dieser Legislatur vollmundig angekündigt haben. Im Rahmen dieser Ertüchtigung könnten zusammen mit den Ländern Institutionen eingerichtet werden, die vernünftige Ermittlungen bei möglichen Straftaten seitens Polizeibeamter ermöglichen. Ein solches Vorgehen ist dringend nötig. Denn es vergeht gefühlt keine Woche, in der nicht rechtsradikale Chatgruppen in Polizeieinheiten, sogenannte Munitionsverluste oder ein Todesfall unter widersprüchlichen Umständen in Polizeigewahrsam auftreten. Was Sie auch zusammen mit den Ländern tun könnten, ist, Opfer von schweren Gewalttaten neben dem Strafrecht nicht mit den Folgen alleinzulassen und den institutionellen Opferschutz zu stärken. So könnten Sie zum Beispiel Ausländern, die in Deutschland Opfer rassistischer oder vorurteilsmotivierter Gewalt werden, ein unbedingtes Bleiberecht in der Bundesrepublik gewähren, wie es meine Fraktion fordert. Die Liste wäre noch lang; aber ich komme zum Schluss. Was Sie hier vorhaben, ist so falsch, dass Sie in der Sache nicht einmal das Bundesministerium der Justiz hinter sich haben. Lassen Sie es bitte. Vielen Dank. – Das Wort geht an Canan Bayram von Bündnis 90/Die Grünen.
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Theurer
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die deutsche Automobilindustrie steht für 4 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes, sie steht – wenn man alle Wertschöpfungsbereiche zusammennimmt – für über 1 Million Arbeitsplätze. An ihr hängen Existenzen, Menschen mit gut bezahlten Jobs. Wir sind in Sorge um diese Jobs. Wir erfahren ja auch bei den Beratungen im Wirtschaftsausschuss, dass die IG Metall befürchtet – auch durch den erzwungenen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor –, dass 450 000 Arbeitsplätze, die am Verbrennungsmotor hängen, gefährdet sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn allein durch die Elektromobilität – laut Aussagen des Fraunhofer-Instituts – netto mindestens 100 000 Arbeitsplätze wegfallen, dann kann die Politik dies nicht einfach akzeptieren, dann müssen wir an dieser Stelle diskutieren, wie wir die Automobilindustrie und vor allen Dingen die Beschäftigten am Standort Deutschland sichern können. Mit „Industrie“ meinen wir nicht nur die Autokonzerne, sondern vor allen Dingen die mittelständischen Zuliefererbetriebe, die Tier-1-, Tier-2- und Tier-3-Zulieferer, und natürlich auch den Maschinenbau, der zu 40 Prozent am Automobil hängt. Drei Krisen prägen zurzeit die Automobilindustrie. Klar, da ist Corona und die Schließung von Autohäusern und Werkstätten. Da ist die Unsicherheit, Stichwort „Kurzarbeit“, die viele Menschen dazu bringt, eben kein neues Auto kaufen zu wollen. Aber es gibt weitere Krisen: die Handelskriege zwischen den USA und China und zwischen den USA und Europa. Wer die deutsche Automobilindustrie analysiert, stellt fest: Wir haben die Arbeitsplätze erhalten, weil wir Premiumfahrzeuge in Deutschland herstellen und exportieren. Wer Arbeitsplätze in der Automobilindustrie erhalten will, der muss sich für Freihandel einsetzen, für multilaterale Freihandelsabkommen, aber auch für bilaterale Freihandelsabkommen. Deshalb, sehr geehrter Herr Minister Altmaier, meine Damen und Herren, müssen wir jetzt die Freihandelsabkommen CETA und Mercosur ratifizieren. Wir brauchen eine Freihandelsoffensive, meine Damen und Herren. Aber wir müssen vor allen Dingen die fehlgeleitete CO2-Regulierung verändern. Meine Damen und Herren, ich sage es so hart: Die CDU-geführte Bundesregierung zerstört die deutsche Automobilindustrie durch Kaufprämien und die einseitige Fokussierung auf batteriebetriebene Elektromobilität. Das ist ein Arbeitsplatzvernichtungsprogramm zulasten der deutschen Wirtschaft, des Wohlstandes und der Steuerzahler. Und die CDU geführte EU-Kommission mit Frau von der Leyen an der Spitze besorgt den Rest. Durch die Ausgestaltung der Flottengrenzwerte sorgt sie dafür, dass die Batterieautos keine Konkurrenz bekommen. Klimaneutral hergestellte Kraftstoffe – synthetische Kraftstoffe – werden immer noch nicht angerechnet bei den Flottengrenzwerten; das ist ein Skandal. Es ist klimapolitisch falsch, meine Damen und Herren; es muss korrigiert werden. Es ist ein Skandal, dass in Deutschland die von der Firma Bosch entwickelten Kraftstoffe wie Care-Diesel nicht zugelassen werden. Meine Damen und Herren, wir haben in Deutschland, anders als es die Grünen hier in diesem Haus immer wieder darstellen, nicht die Macht, durch internationale Abkommen Klimaschutz zu erzwingen. Wenn wir Klimaschutz wollen, dann müssen klimaschützende Technologien skaliert werden. Wir haben die Technologieführerschaft auch beim Verbrennungsmotor. Erhalten wir diese, und machen den Verbrennungsmotor klimaneutral durch synthetische Kraftstoffe, durch E-Fuels! Schaffen wir einen regulatorischen Rahmen dafür, dass diese auch zugelassen werden! Da liegt die Macht Deutschlands: Als Technologienation können wir der Welt bei 1 Milliarde Verbrennungsmotoren global die Technik in die Hand geben, die diese Verbrennungsmotoren klimaneutral macht. Dann verbinden wir Klimaschutz mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen und Wohlstand. Dafür lohnt es sich zu kämpfen, meine Damen und Herren. Nur zum Verständnis: Wenn die Redezeit abgelaufen ist, lasse ich keine Zwischenfragen mehr zu. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Matthias Heider, CDU/CSU.
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Katrin Budde SPD
Katrin
Budde
SPD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das letzte Jahrhundert war das Jahrhundert der Ideologien, das stimmt. Aber das letzte Jahrhundert war auch das Jahrhundert der Demokratie; denn ohne dieses Jahrhundert könnten wir bestimmte Jubiläen, die ganz wichtig sind für unsere Geschichte und für die heutige Demokratie, heute gar nicht feiern. Da sind 100 Jahre Weimarer Reichsverfassung. Da sind 100 Jahre Frauenwahlrecht, 80 Jahre Grundgesetz, 30 Jahre Friedliche Revolution, 29 Jahre deutsche Einheit, um nur einige zu nennen. Aber auch seit dem letzten Jahrhundert wissen wir, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist, nicht unangreifbar ist, dass sie anstrengend ist, und dass Demokratie eben nicht heißt: Ich bekomme automatisch Recht. Denn es wird in der Demokratie mit Mehrheit entschieden, nachdem diskutiert wurde, nachdem Argumente ausgetauscht und abgewogen wurden, nachdem Kompromisse gefunden wurden. Die Demokratie garantiert eines, und das ist ganz wichtig: Sie garantiert die Unantastbarkeit der Menschenwürde, die Freiheit der Person, die unverletzlich ist, die Gleichheit vor dem Recht, die Gleichberechtigung, die Unverletzlichkeit der Wohnung, die Religionsfreiheit, Versammlungs- und Meinungsfreiheit, das Briefgeheimnis, Freiheit von Kunst, Wissenschaft und Lehre, die Freizügigkeit und die Berufsfreiheit. – Es klingt doch gut, wenn man so aufzählt, was der Wert von Demokratie ist, und welche Chancen darin stecken. Und dass das zu verteidigen ist, darin sind wir uns hier garantiert einig. Die Weimarer Reichsverfassung hat damals ja nicht nur das parlamentarische System und die Grundrechte des Einzelnen geregelt, sondern eben auch das Gemeinschaftsleben. Und damals sahen es die Verfassungsmütter und ‑väter als notwendig an, dass zum Beispiel jedem Schüler bei Beendigung des Schulbesuchs ein Abdruck der Verfassung ausgehändigt wurde. Das regt vielleicht zum Lesen an und ist, glaube ich, eine kleine, aber gute Idee, die sich auch in diesem Antrag wiederfindet. Dass Weimar nach knapp 15 Jahren gescheitert ist, war nicht Schuld der Verfassung. Deutschland hat zum einen unter den Kriegsfolgen gelitten, und es gab – ja – zu wenige überzeugte Demokratinnen und Demokraten, und das ist nicht zu simpel gedacht, sondern ist die bittere und böse Wahrheit. Aber Demokratie ist wichtig. Sie garantiert Frieden und Freiheit, Mitsprache und Sicherheit, und auch dafür haben wir im Herbst 1989 gekämpft; denn Freiheit und Demokratie waren für uns nicht Alltag und nicht selbstverständlich. Auch heute, im wiedervereinten Deutschland nach 29 Jahren ist Demokratie keine Selbstverständlichkeit. Das darf sie auch nicht sein; denn sie lebt und sie muss gelebt werden. Wir müssen weiter jeden Tag an jedem Ort, wo wir stehen, für sie kämpfen. Wir müssen sie verteidigen, müssen sie vor ihren Feinden schützen. Und ja, in diesen Zeiten antidemokratischer, nationalistischer, extremistischer Bestrebungen ist es umso wichtiger und umso nötiger, das Wissen über unsere Demokratie zu stärken und ihre Vorteile systematisch zu erklären. Das ist die Voraussetzung, das ist die Herausforderung, vor der wir als Demokratinnen und Demokraten tagtäglich stehen. Vor ihr stehen wir auch in diesem Hause – ich brauche auf die Vorgängerrede nicht einzugehen, sie spricht für sich. Demokratieförderung und Extremismusprävention gibt es heute schon, es gibt zahlreiche Projekte und Bundesprogramme – das ist gut – und ehrenamtliches Engagement. Es ist gut, wenn wir die Orte der deutschen Demokratiegeschichte, authentische Orte, an denen man erleben, sehen und fühlen kann, was und wie positiv Demokratie ist, zusätzlich stärken. Es ist gut, wenn wir nicht nur das Scheitern dieser Demokratie, sondern auch das Positive und die Möglichkeiten der Demokratie herausstellen. Es ist Krieg und keiner geht hin – das ist ein Spruch, den wir, glaube ich, gerne hören. Es ist Demokratie und keiner macht mit – das darf aber nie passieren; denn das könnte tödlich sein. Lassen Sie uns deshalb daran arbeiten, die Demokratie weiter zu stärken. Vielen Dank, Frau Kollegin Budde. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dr. Stefan Ruppert, FDP-Fraktion.
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Marian Wendt CDU/CSU
Marian
Wendt
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dresden, Paris, Nizza, Lyon, Wien – innerhalb von 28 Tagen wurden neun Menschen in Europa, mitten unter uns, auf grausamste Art und Weise von Islamisten ermordet und viele weitere schwer verletzt. Wir trauern mit den Angehörigen und Freunden der Opfer. Wir befinden uns in einem europäischen Terrorherbst, und der islamistische Terrorismus in Europa nimmt zu. Aber – das haben die Kolleginnen und Kollegen heute bestätigt – es ist kein Kampf zwischen Christen und Muslimen. Es ist ein Kampf zwischen der Mehrheit der Menschen, die sich für Frieden engagieren und sich ein Leben in Freiheit wünschen, und denen, die die Welt brennen sehen wollen. Deswegen ist der gemeinsame Kampf aller gesellschaftlichen Kräfte besonders wichtig. Wir sollten als Christen, als Juden, als Muslime, als Atheisten zusammenstehen. Genau weil es sich um islamistischen Terrorismus handelt, ist es besonders wichtig, Frau Ali, dass die Muslime ein deutliches Zeichen senden. Es muss klar sein, dass Muslime diesen Hass und diese Gewalt verurteilen; dieses Signal wünsche ich mir noch sichtbarer. – Weil Sie das gefordert haben, und ich unterstütze Sie dabei. Der Islamismus ist eine Gefahr für Deutschland und Europa. Der Angriff auf ein schwules Paar in Dresden war der Beginn dieses europäischen Terrorherbstes. Der mutmaßliche Angreifer war ein mehrfach verurteilter islamistischer Gefährder. Unsere Sicherheitsbehörden tun ihr Möglichstes, um die Bevölkerung vor Anschlägen wie diesem zu schützen, und wir hier im Deutschen Bundestag – wie auch die Kolleginnen und Kollegen in den Landtagen – sind aufgefordert, unser Möglichstes zu tun, um sie dabei zu unterstützen. Nun heißt es nämlich ganz konkret, Farbe zu bekennen. Wir haben vom Innenministerium und von der Bundesregierung einen Vorschlag zur Umsetzung der Quellen-TKÜ auf dem Tisch. Alle Fraktionen hier im Hohen Haus können diesen guten Vorschlag, diese Novelle zum Verfassungsschutzgesetz, unterstützen und daran mitarbeiten, dass unsere Sicherheitsbehörden, die Männer und Frauen, die für unsere Sicherheit zuständig sind, entsprechende Instrumente an die Hand bekommen, um uns noch besser vor diesen Gefährdern zu schützen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Denn wir dürfen aus meiner Sicht nicht akzeptieren, dass unsere Sicherheitsbehörden den Terroristen wegen mangelnder Befugnisse im digitalen Raum hinterherlaufen. Wir können im Jahre 2020 nicht mit der Gesetzgebung von 1990 gegen Terroristen vorgehen. Ich möchte an dieser Stelle betonen, lieber Konstantin von Notz, weil du von „allem rechtlich Möglichen“ gesprochen hast: Es ist jetzt an der Zeit, Farbe zu bekennen. Macht mit! Reiht euch ein! Sorgt für Akzeptanz, und unterstützt die schnelle Einführung der Quellen-TKÜ! Aber wir müssen auch ein Stück weiter schauen, außerhalb unseres Landes. Der mutmaßliche Attentäter von Dresden ist 2015 nach Deutschland gekommen, zusammen mit hunderttausend weiteren Menschen. In dieser Ausnahmesituation wussten unsere Sicherheitsbehörden zeitweise nicht, wer da alles über die Grenzen zu uns kam. Deshalb: Ja, wir als Union setzen uns für striktere Einreisekontrollen ein. Wir müssen an unseren europäischen Außengrenzen die Hintergründe und Motive der Einreisenden aus entsprechenden Gebieten vorab prüfen und erst dann die Einreise ermöglichen. Es braucht einheitliche Terrordatenbanken, einheitliche Gefährderlisten und ein einheitliches Asylregime, damit wir dieser Situation gerecht werden können. Ansonsten setzen wir unsere Bürgerinnen und Bürger in Europa einer möglichen Gefahr aus wie in Nizza oder Dresden, und das dürfen wir unter keinen Umständen zulassen. Für mich ist es, ehrlich gesagt, immer noch schwierig, zu verstehen, dass ein Gefährder, der in Italien als solcher registriert ist, überhaupt keinen Alarm auslöst, wenn er sich in Frankreich aufhält. Das müssen wir zwingend und sofort beenden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Neben dem dringend benötigten schnelleren und europaeinheitlichen Informationssystem ist auch ein – es wurde von mir schon angesprochen – einheitliches Asylsystem wichtig. Wir müssen alles dafür tun – das haben die Kolleginnen und Kollegen heute auch gesagt –, dass wir die vermeidbaren Gefahren begrenzen, und wir müssen dafür sorgen, dass unsere Bürgerinnen und Bürger kein Leben in Angst und Hass führen, sondern sich sicher fühlen, dass sie in unserem freiheitlichen Land, auf diesem freiheitlichen Kontinent gerne leben. Dafür braucht es eine starke Zivilgesellschaft, die ein Bollwerk gegen radikale Islamisten aufbaut. Ich glaube – das sage ich zum Schluss –, dieser europäische Terrorherbst erinnert uns doch daran, dass wir – egal was wir glauben oder denken – für unsere freiheitliche Gesellschaft in Europa kämpfen werden und diese Terroristen am Ende nicht siegen. Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Kollegin Aydan Özoğuz.
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Philipp Amthor CDU/CSU
Philipp
Amthor
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst sagen: Wir haben in Europa-Debatten von der FDP schon schlechtere Anträge gesehen. Vielen Punkten, die hier in dem Plädoyer enthalten waren, können wir insbesondere in der Zielstellung zustimmen. Es ist richtig und es sollte unser gemeinsames Anliegen sein, gerade auch vor der Europawahl, die Integrität von Wahlen zu schützen. Es sollte unser gemeinsames Ansinnen sein, die Institutionen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten zu schützen. Es ist richtig – wie Sie es in Ihrem Antrag vorschlagen –, die politischen Stiftungen in ihrer Arbeit im Ausland zu fördern und sich klar gegen Fake News und gegen Desinformationskampagnen zu bekennen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, es ist richtig, vorauszuschicken, dass das uns ein gemeinsames Anliegen sein kann. Ich will ausdrücklich sagen: Ich kann den Ausführungen des Kollegen Kuhle zum Thema Russland und zu den Gefahren, die von Russland auch für unsere staatlichen Institutionen ausgehen, zustimmen. Denn auch für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist es ein Skandal, wenn sich die Medienberichterstattung über das Verhältnis des AfD-Abgeordneten Frohnmaier zu Russland bewahrheitet. Dem müssen wir entgegentreten. Wenn Sie von der AfD es ernst meinen würden, dann würden Sie sich an die Spitze der Aufklärung dieser Vorwürfe stellen. Wir sind uns also einig in dem, was die Zielstellung angeht. Nur – das gehört auch zur Wahrheit –: Die FDP hat heute vieles gesagt, was in der Zielstellung richtig ist. Aber sie hat gleichzeitig doch dieses Thema zuallererst aufgesetzt, um – das kann ich ja verstehen – ein kleines glühendes Plädoyer noch vor der Europawahl abzusetzen. Das ist in Ordnung. Aber mit den Lösungen, lieber Herr Kollege Kuhle, war es dann doch eher ein bisschen magerer; denn hier ist, wie ich finde, eine kritische Auseinandersetzung schon ein Stück weit notwendig. Da will ich den Blick insbesondere auf den Vorschlag der FDP werfen, eine europäische Agentur für Demokratie einzuführen, wie sie Emmanuel Macron vorgeschlagen hat. Die Grünen und die FDP sind ja vor Verzückung schon ganz begeistert. Emmanuel Macron – was für ein toller Typ! – Ja, genau, ihr freut euch schon. Ihr könnt zusammen mit Macron Hand in Hand gehen. Ich kann verstehen, dass die FDP von Macron begeistert ist. Er schaut am Tag bestimmt genauso oft in den Spiegel wie Christian Lindner. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hebner? Von Herrn Hebner? Ja, gerne. – Oh, herzlich willkommen! Vielen Dank, Herr Amthor, für das Zulassen der Zwischenfrage. – Sie haben gerade das Verhältnis zu Herrn Putin angesprochen. Haben Sie sich eigentlich mal mit Ihrem Koalitionspartner unterhalten, aus deren Reihen der frühere Bundeskanzler namens Schröder kommt und der von Herrn Putin in einer großen Firma – nennen wir sie mit Namen: Gazprom – eingestellt worden ist? Herr Putin hat ihn auch in diesem Falle wirklich hofiert. Haben Sie mal mit Ihrem Koalitionspartner darüber gesprochen, welche Geheimnisse oder welche vertraulichen Informationen da eventuell geflossen sind, welche Vorbereitungen es gab, was vorher passierte? Haben Sie sich im Übrigen auch mal – anderes Thema – mit der Situation in Frankreich auseinandergesetzt, mit den bürgerlichen Protesten, die dort seit über 20 Wochen in über 30 Städten stattfinden und massive Verletzungen zur Folge hatten? Wissen Sie eigentlich, was da an Verletzungen zugefügt wurde? Es gab über 2 000 Schwerverletzte: mit ausgeschossenen Augen, mit abgeschossenen Händen und Füßen. Wissen Sie auch, dass es schon etwa 15 Tote gab? Ist Ihnen eigentlich bewusst, was in diesem Europa momentan passiert? Und da fangen Sie an, zu scherzen und über Herrn Macron, der dafür verantwortlich ist, Witze zu reißen! Ist Ihnen eigentlich die Situation bewusst, die da herrscht? Herzlichen Dank. Okay, die Frage wurde verstanden. – Herr Kollege Amthor. Herr Hebner, ich danke Ihnen sehr, dass Sie uns für diese Debatte jetzt noch praktischen Anschauungsstoff gegeben haben, wie nämlich Desinformation und Ablenken funktioniert. Denn das ist der Kerninhalt der AfD. Anstatt hier auch nur mal ein Wort darüber zu verlieren, dass Sie den Vorwürfen gegenüber Herrn Frohnmaier vielleicht nachgehen, lenken Sie ab und verweisen auf Fälle im Zusammenhang mit Gerhard Schröder und sonst was. Ich will Ihnen eines sagen: Es wäre ein Skandal, wenn Gerhard Schröder das, was er jetzt macht, als Abgeordneter des Deutschen Bundestages machen würde. Denn das ist es, was Sie hier praktizieren. Ich will Ihnen noch etwas zur Methode der AfD sagen: Es gibt keine Gleichheit im Unrecht. So argumentieren Sie hier jedes Mal! Nach dem Motto: Die CDU hatte vor ein paar Jahren eine Spendenaffäre – jetzt sind wir auch mal dran! Der Schröder hat tolle Kontakte nach Russland und kriegt Geld dafür – jetzt können wir auch mal was bekommen! Das ist Ihr Modus. Ich kann nur sagen: So funktioniert das nicht. Danke für Ihr praktisches Beispiel, wie Vereinfachungen und Ablenkungen von rechts und links funktionieren. Mit uns ist das nicht zu machen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte den Blick auf das konkrete Thema lenken, das ich gerade aufgeworfen habe, nämlich auf eine sachliche Auseinandersetzung mit der Frage „Brauchen wir das, was Macron vorschlägt? Brauchen wir eine europäische Agentur zum Schutz der Demokratie? Brauchen wir so etwas?“ Das klingt ja großartig und toll; aber bisher habe ich von der FDP eigentlich einen klügeren Ansatz gekannt. Denn bisher sagte die FDP immer: Bevor man neue Behörden schafft, sollte man darüber nachdenken, ob diese auch einen Mehrwert bringen. Hier wird zuallererst eine neue Behörde gefordert; allerdings ist der Mehrwert nicht zu sehen. Deswegen: Hinterfragen Sie mal ganz ehrlich, ob Ihr Freund Emmanuel Macron auch wirklich immer für unsere gemeinsamen europäischen Interessen und für unser deutsches Interesse steht. Dass das nicht so ist, kann man an einem praktischen Beispiel sehen, nämlich an der Frage, ob es für die Europäische Union einen gemeinsamen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen geben soll. Das ist sicherlich ein vernünftiger Vorschlag, aber ein Vorschlag, der nicht zuallererst im Interesse Frankreichs liegt. Deswegen lehnt Ihr Kumpel Emmanuel Macron das auch ab. Deswegen: Seien Sie vorsichtig, wer Ihre Freunde sind. Emmanuel Macrons Meinungen zu übernehmen, steht nicht immer für das, was in unserem deutschen Interesse liegt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wenn es dann um den europäischen Mehrwert geht, frage ich mich: Was soll diese Agentur zum Schutz der Demokratie denn tun? Sie soll unsere Cybersicherheit erhöhen. Sie soll vor Hacking schützen. Sie soll vor Desinformationskampagnen schützen. Ich sage im Namen unserer Fraktion: Genau dafür haben wir starke und gute Sicherheitsbehörden. Genau dafür haben wir funktionierende Polizeibehörden. Genau dafür haben wir einen Verfassungsschutz. Ich würde mir wünschen, Sie würden genauso leidenschaftlich, wie Sie hier dafür werben, eine neue Agentur zu schaffen, auch mal für unsere Sicherheitsbehörden kämpfen; aber die bekommen von Ihnen immer nur Misstrauen. Das ist nicht unser Ansatz. Wir wollen deswegen den Verfassungsschutz zuallererst auf der Ebene der Mitgliedstaaten realisieren. Dafür müssen wir unsere Sicherheitsbehörden stärken. Sie brauchen nicht Ihr Misstrauen, das man im Antrag daran sieht, wie Sie mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik umgehen: Sie tun so, als stünde es unter der Kontrolle und politischen Leitung des Innenministeriums. – Das ist eben kein Interessenkonflikt, wie Sie hereinrufen. Das ergibt sich schon aus dem gesetzlichen Auftrag des BSI. Dabei geht es darum, Schwachstellen gezielt auszumerzen. Genau das macht das BSI auch. Ich weise dieses Misstrauen gegenüber unseren Sicherheitsbehörden zurück. Das ist nicht der richtige Weg. Stattdessen geht es um die Frage: Wo können wir einen europäischen Mehrwert schaffen? Ich sehe, dass wir dann, wenn es um den Eigenschutz der Institutionen der Europäischen Union geht, auch über Verfahren nachdenken können. Aber das geht eben Hand in Hand. Und auch wenn bald die Europawahl ist, ist heute nicht der richtige Tag, um auf dem Rücken der nationalen Sicherheitsbehörden hier für mehr Behörden in Europa zu werben. Da hätte ich von der FDP Besseres erwartet. Ich will zum Schluss aber etwas Versöhnliches sagen. Es gibt, wie gesagt, viele vernünftige Ansatzpunkte, die wir auch teilen; darüber können wir sachlich reden. Und immerhin: Man hat sich bemüht, dem Anspruch der Serviceopposition gerecht zu werden. Da ist noch Luft nach oben; aber das Thema bietet immerhin Stoff für gute Diskussionen. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Amthor.
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Nina Warken CDU/CSU
Nina
Warken
CDU/CSU
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Möglichkeit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist eine große Errungenschaft, um die Exekutive zu kontrollieren und um Sachverhalte zu erforschen. Dieser Untersuchungsausschuss ist, denke ich, wichtig für die Bürger, die sich beim Thema Maut fragen: Wie kann das sein? Wie konnte das passieren? Aber das alles wird entwertet von billigem Aktionismus von Leuten, denen nichts an Aufklärung gelegen ist, deren einziges Ziel es ist, einen Minister zu diskreditieren. Ein bräsiges YouTube-Video eines Kollegen in der Bibliothek, eine vorweggenommene Beweiswürdigung, bevor man die Zeugen überhaupt angehört hat: Wie tief kann man eigentlich sinken? Wo bleiben die Leute in der FDP und bei den Grünen, die an den Rechtsstaat und an echte Sachverhaltsaufklärung glauben? Die hat es nämlich einmal bei Ihnen gegeben. Bereits im Vorfeld der Sitzung des Untersuchungsausschusses in der vergangenen Woche haben die Oppositionsfraktionen in der Öffentlichkeit einen solchen Erwartungsdruck aufgebaut, der nach der Sitzung dann wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen ist. Mit dieser Situation haben sie nun ein Problem. Weil die Opposition ihrem vorgefassten Ziel keinen Schritt nähergekommen ist, wollen sie nun heute unbedingt, dass politische Konsequenzen gezogen werden. Liebe Grünenfraktion, mit staatspolitischer Verantwortung hat diese Aktuelle Stunde heute nun gar nichts zu tun. Sie zeigt nur, dass Ihnen überhaupt nicht an Aufklärung gelegen ist, sonst wären wir nämlich nicht hier, sondern wir würden drüben im Anhörungssaal weiter die Zeugen befragen. Ich würde mich auch freuen, wenn der Kollege Krischer sich vielleicht die Zeit nehmen würde, auch mal bei der einen oder anderen Sitzung zugegen zu sein. Dann müsste er hier nicht so ein Zeug reden. Der Opposition geht es also einzig und allein um die Diskreditierung des Ministers und nicht um Sacharbeit und Sachaufklärung. Wer aber so agiert, der diskreditiert vor allem sich selbst. Die Ausschusssitzung vom vergangenen Donnerstag sollte aus Oppositionssicht einen vorläufigen Höhepunkt des Untersuchungsausschusses markieren und nur noch das vorgefertigte Ergebnis zutage fördern: die Amtsniederlegung. Und weil Sie jetzt eben mit leeren Händen dastehen und völlig hinter Ihren Erwartungen zurückgeblieben sind, was die mediale Wirkung des Auftritts und der Aussagen von Bundesminister Scheuer vor diesem Untersuchungsausschuss anbelangt, muss es jetzt eben diese Aktuelle Stunde richten. Wir sind mit den Zeugenaussagen in der letzten Sitzung sehr gut in der Sache vorangekommen. Klar, viele Fragen sind offengeblieben, insbesondere aufseiten der Betreiber, und es gibt einige Ungereimtheiten. Eine möchte ich auch hervorheben, nämlich die kurzfristige Vorlage eines Erinnerungsprotokolls: erstellt am 19. September 2020, vorgelegt am 23. September 2020, zu einem Gesprächstermin am 29. November 2018 – jetzt kommt es –, von einem Menschen, der überhaupt nicht selbst an dem Gespräch teilgenommen hat. Dieses Gedächtnisprotokoll hat der Zeuge also knapp zwei Jahre nach dem besagten Gespräch und damit zu einem höchst ungewöhnlichen Zeitpunkt erstellt, als er nämlich bereits als Zeuge für den Untersuchungsausschuss geladen war. Darüber, dass wir als Ausschussmitglieder von der Existenz dieses Gedächtnisprotokolls zunächst aus der Presse erfahren haben, kann, glaube ich, sich jeder selbst ein Bild machen. Seriosität sieht meiner Meinung nach anders aus. Welcher Beweiswert den Aussagen dieses Zeugen und seines Gedächtnisprotokolls zukommt, darüber wird noch zu sprechen sein. Ich kann verstehen, dass die Betreiberfirmen als Vertragspartei eigene Interessen und Ziele verfolgen. Wir müssen auch bedenken, dass es bei den Aussagen um erhebliche finanzielle Interessen geht, die Gegenstand des laufenden Schiedsverfahrens sind. Was aber aus meiner Sicht wirklich bemerkenswert ist, ist, dass die Opposition sich während eines laufenden Schiedsverfahrens so uneingeschränkt auf die Seite der Betreiberfirmen stellt. Das ist schon ein starkes Stück. Wir werden den Minister in einem weiteren Termin im Untersuchungsausschuss befragen können und gegebenenfalls auch noch einmal die Vertreter des Betreiberkonsortiums. Meine Damen und Herren, der Untersuchungsausschuss ist das schärfste Schwert, das dem Parlament zur Verfügung steht, und stellt zugleich ein Minderheitenrecht dar. Das bedeutet aber nicht, dass man schon vorher genau weiß, was am Ende herauskommt, wie es hier einige Kollegen anscheinend tun. Die Opposition hat mit diesem Recht eine ganz besondere Verantwortung, die Sie aber bisher vermissen haben lassen. Uns geht es um Sachaufklärung, der Opposition um Vorverurteilung und Herabwürdigung – um nichts anderes. Genau in dieses Bild passt auch die neueste Rücktrittsforderung der FDP vom gestrigen Tag, die höchst unterhaltsam ist: falsche Prioritätensetzung und Vernachlässigung des dringenden und notwendigen Ausbaus der digitalen Infrastruktur. Liebe Kollegen der FDP, Sie waren mal eine staatstragende Partei. Das haben Sie ad acta gelegt. Kehren Sie doch auf den Boden der Tatsachen zurück! Hören Sie mit dem Klamauk auf, und kommen Sie dem Untersuchungsausschussauftrag nach! Im Übrigen darf ich hier auf die Erfolge in der Digitalisierungspolitik verweisen: Besserer, flächendeckender Mobilfunkausbau, Breitbandbauausbau sind hier die Stichworte. Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende. Genau das zu bestreiten, macht deutlich, in welcher aussichtslosen Situation Sie sind. In die haben Sie sich selber hineinmanövriert. Ich lade Sie ein: Kommen Sie wieder zur Sacharbeit zurück! Vielen Dank. Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD der Kollege Andreas Mrosek. Herr Kollege, Sie müssen eine Maske tragen, wenn Sie zum Pult kommen. Bitte. So ist richtig. Prima! Ausgezeichnet! So, jetzt haben Sie das Wort. Sie können sie jetzt wieder absetzen; jawohl.
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Olaf in der Beek FDP
Olaf
in der Beek
FDP
Ich will immer „Präsidentin“ sagen. Herr Kollege, Sie dürfen mich auch mit „Frau Präsident“ anreden. Das ist kein Problem. Nein, das würde ich natürlich nicht machen, Herr Präsident. – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! In den Tiefen des Weddellmeers schlummert eines der faszinierendsten und einzigartigsten Ökosysteme unseres Planeten. Das müssen wir uns immer und immer wieder ins Gedächtnis rufen, wenn wir über den Schutz der Ozeane reden. Doch wer es ernst meint mit dem Klima und der Natur, der muss die Meere in den Fokus rücken. Der Zustand unserer Ozeane ist nicht nur in Gefahr, er ist hochgradig kritisch. Deshalb freue ich mich, dass wir trotz der krisenhaften Zeiten auch dieses Thema hier im Deutschen Bundestag diskutieren. Es ist ein starkes Zeichen, dass wir so geschlossen und parteiübergreifend für dieses Ziel einstehen. Dennoch – so ehrlich müssen wir sein –: Es ist ernüchternd, dass dies nach wie vor notwendig ist. Wenn wir über den internationalen Meeresschutz im Allgemeinen und den Schutz des Weddellmeeres im Speziellen reden, dann reden wir auch zwangsläufig über Politik und Diplomatie. Natürlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, es könnte so einfach sein – ist es aber nicht. Die internationale Meerespolitik ist hochkomplex und diplomatisch aufgeladen. Aufgrund der komplizierten Rechtslage und der Zuständigkeiten auf hoher See ist beim Meeresschutz eine intensive internationale Zusammenarbeit notwendig; das gilt nicht nur, aber auch für die Einrichtung von Schutzgebieten. Umso wichtiger wäre es nun, dass Deutschland sich hier klar positioniert und den Schutz des Weddellmeeres einfordert. Internationaler Klimaschutz geht nicht ohne Meeresschutz, und internationaler Meeressschutz ist auch immer Diplomatie. Dass die Meere und deren Schutz einen höheren Stellenwert in der internationalen Politik einnehmen müssen, sollte die außenpolitische Maßgabe unserer Bundesregierung für die anstehenden Verhandlungen sein. Und das ist sie auch. Wie wir bereits im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, wird sich diese Regierung deutlich mehr als zuvor für die Belange unserer Ozeane einsetzen. Wenn wir eine echte Meeresoffensive wollen, dann reicht es nicht, wenn wir uns nur um Nord- und Ostsee kümmern. Es kann nicht sein, dass China und Russland seit Jahren den effektiven Schutz der Meere blockieren. Und ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, mancher mag sagen, es gebe zurzeit wichtigere Themen. Aber Krieg und Energiekrise dürfen nicht dazu führen, dass wir andere Herausforderungen unseres Planeten aus dem Blick verlieren. Denn wenn wir das Klima schützen wollen, geht das nicht ohne konsequenten Schutz unserer Meere. Und ja, die Unterschutzstellung des Weddellmeeres hat auch Symbolcharakter. Denn es braucht generell eine Offensive für die Meere. Im Sinne unserer Ozeane setzen wir uns für die nachhaltige Nutzung und den Schutz ein. Beides sollten wir zusammen denken und nicht gegeneinander ausspielen. Deshalb ist es neben der Nutzung der Meere eben auch wichtig, dass wir der Meeresnatur Räume geben, in denen sie sich geschützt vor externen Eingriffen entfalten kann. Dass die Meerespolitik in dieser Koalition eine besondere Rolle spielt, haben wir auch schon daran gesehen, dass wir mit der „Polarstern II“ ein neues Forschungsschiff finanzieren werden. Das kostet viel Geld, aber es ist gut angelegtes Geld. Denn wenn wir Klima- und Meeresschutz ernst nehmen wollen, dann müssen wir auch mehr Forschung betreiben. Die Meere müssen besser geschützt werden, und wir müssen einfach mehr über die Meere wissen. Dabei geht es natürlich auch um Biodiversität. Denn neben dem Klimawandel ist der Verlust der Artenvielfalt die größte ökologische Herausforderung unserer Zeit. Der Schutz des Weddellmeeres wäre dabei nicht nur ein wichtiger Schritt für den Erhalt der Meeresnatur, sondern auch ein Zeichen für die internationale Klima- und Umweltpolitik. Noch etwas zum Schluss: Ich finde, wir sprechen in diesem Hohen Hause viel zu selten über die Ozeane. Wenn wir unserer Verantwortung gegenüber unserem Planeten gerecht werden wollen, dann muss sich auch unser Bewusstsein für die Meere ändern. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Meere sind nicht alles, aber ohne unsere Meere ist alles wirklich nichts. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege in der Beek. – Da Sie nicht der Einzige sind, der seine Rede mit „Frau Präsidentin!“ beginnen wollte, kann ich nur sagen: Die statistische Wahrscheinlichkeit ist auf Ihrer Seite – 83 Prozent Wahrscheinlichkeit, dass hier eine weibliche Präsidentin sitzt, gegen 16 Prozent Wahrscheinlichkeit, dass es ein männlicher Präsident ist. Aber die Wirklichkeit holt Sie gelegentlich ein. Nächster Redner ist der Kollege Ralph Lenkert, Fraktion Die Linke.
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Bettina Margarethe Wiesmann CDU/CSU
Bettina Margarethe
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir regeln heute die Eintragung einer Variante der Geschlechtsentwicklung, also von Intersexuellen, in das Geburtenregister – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich möchte gleich vorneweg betonen, dass ich dies als den ersten von zwei zusammengehörigen Schritten betrachte, um intersexuellen und transsexuellen Menschen ein würdiges, selbstverständliches und respektiertes Dasein in unserer Gesellschaft – und zwar in der Mitte dieser Gesellschaft – zu ermöglichen. Eine umfassende Reform der materiellen gesetzlichen Regelungen, zum Beispiel das schon angesprochene Verbot geschlechtsverändernder Operationen im Kindesalter, das wir anstreben, steht aus und für 2019 an. Es ist nicht redlich – wie es viele Oppositionsredner heute und auch schon im Ausschuss getan haben –, den vorliegenden ersten Schritt als ambitionslos oder irgendwie beschränkt zu kritisieren. Wir bekennen uns ausdrücklich dazu, dass diese größere Reform jetzt kommen muss. Aber auch das Gesetz, das wir heute beschließen, bringt echte Fortschritte für die Betroffenen. – Wir haben auch nächstes Jahr noch viele Chancen. Was sind diese Fortschritte? Erstens. Intersexuelle Kinder und ihre Familien werden entlastet. Kinder sollen gut aufwachsen und in ihren Familien den besonderen Schutz erfahren, den ihnen sonst keiner bieten kann. Durch das Gesetz geben wir Eltern die Sicherheit, dass ihr Kind genauso normal ist wie andere, auch wenn es nicht männlich oder weiblich ist. Intersexuelle Kinder wachsen künftig nicht mehr im Gefühl einer Differenz zwischen der auch noch schriftlich attestierten Außenwahrnehmung und dem eigenen, oft längere Zeit unklaren Empfinden auf. Die Kategorie „divers“ legitimiert den Prozess der Identitätsgewinnung auch in geschlechtlicher Hinsicht. Übrigens: Diesen Selbstwerdungsprozess gestehen wir unseren heranwachsenden Kindern auch in anderer Hinsicht zu. Weitere Entlastung: Eltern sollen nicht für ihr Kind entscheiden, wofür sie beim besten Willen doch keine zuverlässige Grundlage haben können. Deshalb schlagen wir die jetzt auch noch mal verbesserte Formulierung „Kann … ‚divers’ …eingetragen werden“ vor. Eltern haben die Möglichkeit, dem Kind eine Geschlechtsidentität zu geben, die sein Leben zunächst bestimmen soll, sie müssen es aber nicht – denn das Leben ist bunt, und dafür kann es auch gute Gründe geben. Später kann sich das Kind, wenn sich seine Variante ausprägt, gegebenenfalls einem anderen als dem bisher eingetragenen Geschlecht zuordnen und dies dann eben eintragen lassen. Es ist eine gute Lösung in diesem Punkt. Zweitens. Die Nachweispflicht wird angemessen gestaltet; dazu ist schon vieles gesagt worden. Das Gesetz sieht – so wie es übrigens das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch vorgibt – einen Nachweis des Sachverhalts vor. Bei den intersexuellen Personen, über die wir hier heute reden, liegt dieser Nachweis in der Regel vor – das hat Herr Henrichmann auch schon ausgeführt –; denn junge Menschen sind in unserem Gesundheitssystem heute hervorragend begleitet und zumeist schon sehr früh in dieser Eigenschaft identifiziert. Etwas anderes ist es aber bei Menschen, deren geschlechtliche Variante unterdrückt oder medizinisch beseitig worden ist. Und auch für diese muss es eine ihre Würde wahrende Form der Erklärung ihres Geschlechts für das Standesamt geben, die aber zugleich dem Anspruch einer validen Personenstandsbestimmung entspricht. Ich bin überzeugt, dass die Formulierung in Punkt zwei der Beschlussempfehlung diesem vollauf Rechnung trägt. Sie besagt – das ist schon erwähnt worden; ich erwähne es dennoch noch mal –: In den meisten Fällen gibt es die Bescheinigung, und der Eintrag wird geändert. Oder: In begründeten Ausnahmefällen, die tatsächlich Härtefälle sind, genügt die eidesstattliche Versicherung. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich festhalten: Es ist ein guter Kompromiss. Den Geschlechtseintrag ins Geburtenregister brauchen wir. Es ist die einzige rechtlich valide Bestimmung, auf der eine Vielzahl von Regelungen und Ansprüchen basiert in vielen Bereichen unserer Gesetzgebung. Er muss glaubhaft sein, und er muss ernsthaft vorgenommen werden. Aber zugleich müssen wir die ohnehin spezielle und oft belastende Lebenssituation intersexueller Menschen in angemessener Weise berücksichtigen. Das tun wir hiermit, und deshalb ist auch dieser Punkt eine gute Lösung. Ich möchte noch einen Kritikpunkt, einen Satz erwähnen, der hier angesprochen worden ist: Es würden ja nicht alle intersexuellen Menschen berücksichtigt. – Und es ist richtig: Es gibt Varianten der Geschlechtsidentität, die unabhängig von einer Variante der Geschlechtsentwicklung bestehen. Sie werden von diesem Gesetz nicht abgedeckt. Aber auch für diese Menschen muss eine Regelung gefunden werden. Dies kann das alte Transsexuellengesetz nicht leisten, und deshalb werden wir es reformieren. Wir werden den zweiten Schritt – Frau Kollegin, jetzt sind Sie deutlich über der Zeit. – zur Gleichberechtigung von Menschen jenseits der binären Geschlechtlichkeit gehen – eine Aufgabe für das nächste Jahr. Jetzt bleibt mir noch die Aufgabe, Ihnen ein frohes Weihnachtsfest zu wünschen. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin Wiesmann. – Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben. Der Ausschuss für Inneres und Heimat empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/6467, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 19/4669 und 19/5422 in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegen drei Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen werden. Wir beginnen mit dem Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/6476. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Zugestimmt haben die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Dagegengestimmt haben die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, FDP und AfD. Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/6477. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist abgelehnt bei Zustimmung von Bündnis 90/Die Grünen, der Linken und der Fraktion der FDP. Dagegengestimmt haben die Fraktionen von SPD, CDU/CSU und AfD. Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/6478. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Zugestimmt haben die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken. Dagegengestimmt haben die Fraktionen von SPD, CDU/CSU und AfD. Enthalten hat sich die Fraktion der FDP. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen bei Zustimmung von CDU/CSU und SPD, bei Gegenstimmen von der Linken und der AfD und bei Enthaltung von FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich jetzt zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist angenommen bei Zustimmung der Fraktionen von SPD und CDU/CSU, bei Gegenstimmen der Fraktionen Die Linke und der AfD und bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP. Wir stimmen nun über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/6479 ab. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Zugestimmt haben die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken. Dagegengestimmt haben die Fraktionen von SPD, CDU/CSU und AfD. Enthalten hat sich die Fraktion der FDP. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Wir setzen die Abstimmung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat auf Drucksache 19/6467 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/4828 mit dem Titel „Selbstbestimmung, Gleichbehandlung, körperliche Unversehrtheit – Die Grund- und Menschenrechte zur geschlechtlichen Vielfalt gewährleisten“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Für die Beschlussempfehlung haben die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, FDP und AfD gestimmt. Gegen die Beschlussempfehlung haben die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen gestimmt. – Vielen Dank. Das war die Abstimmung.
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Stefan Keuter AfD
Stefan
Keuter
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Liebes Publikum! Liebe Zuschauer zu Hause an den Fernsehgeräten! Liebes – leider immer noch unvollständiges – Präsidium! Ich darf daran erinnern: Die AfD hat immer noch keine Bundestagsvizepräsidentin oder keinen -vizepräsidenten. Die Linkspartei möchte wieder einmal in die Freiheitsrechte der Marktteilnehmer unserer sozialen Marktwirtschaft eingreifen. Diesmal soll das eh schon darbende Bankgewerbe getroffen werden. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei, lieber Fabio De Masi, das war ein ziemlich dünner verbaler Erguss, der da eben kam. Für einen Volkswirt müsste da ein bisschen mehr Substanz am Knochen sein. Ich gehe jetzt auf drei Themen ein, einmal auf die Sicht der Banken, dann auf die Sicht der Verbraucher, und als Drittes rechnen wir zusammen gleich mal ein bisschen. Meine Damen und Herren, die Linke will den Banken vorschreiben, dass der Dispozins für Kunden maximal 5 Prozentpunkte über dem – wie sie es nennt – Leitzins der EZB liegen soll. Das ist linke Gleichmacherei. Das ist Sozialismus pur, und das ist mit uns nicht zu machen. So, ich kündigte es Ihnen an: Punkt eins: Wir schauen uns die Bankenseite an. – Dass man mit so wenigen Abgeordneten hier so einen Krach macht, das kann nur die Linkspartei. Wir schauen uns die Bankenseite an. Haben Sie als Antragsteller eigentlich schon mal eine Bank von innen gesehen? – Ja, Dispozins beantragt; ich weiß. – Als gelernter Bankkaufmann und studierter Betriebswirt, Schwerpunkt Bankbetriebswirtschaftslehre, will ich Ihnen da mal ein bisschen was erklären. Der Hauptrefinanzierungssatz der EZB dient der Beleihung von erstklassigen Wertpapieren, die die Bank zuvor erworben hat, also gute Bonitäten. Mit der Refinanzierung von Dispositionskrediten hat dieser Satz nichts, aber auch gar nichts zu tun. Vielmehr kommt hier ein Mix aus Einlagen, ausstehenden Inhaberschuldverschreibungen und diversen Eigenkapitalprodukten zur Anwendung. Dazu kommen noch die Kreditmarge zur Abdeckung des Kreditausfallrisikos sowie die operativen Kosten, die die Bank hat, und ja, auch das gebundene Eigenkapital will verzinst werden. Überlassen Sie den Banken bitte ihre Produkt- und Kundenkalkulation selber. Sie müssen sich im Wettbewerb behaupten. Da muss eine Linke überhaupt nicht eingreifen. Wir leben nicht in einer sozialistischen Planwirtschaft, und das ist auch gut so. So, wir kommen zu Punkt zwei: Wir schauen uns die Kundenseite an. Dispokredite dienen dem Abpuffern von unregelmäßigen Zahlungen und sollten idealerweise im Jahresverlauf zurückgeführt werden. Dass zahlreiche Bankkunden auch über einen Dispositionskredit hinaus vorgezogenen Konsum finanzieren, mag bedauerlich erscheinen, ist jedoch nicht im Einflussbereich eines Staates, der auf die Freiheit des Einzelnen setzt, und politisch nicht zu verhindern. Dass Ihnen als Sozialisten das nicht passt, glaube ich gerne. Aber Sie wollen doch jetzt nicht ernsthaft einen Angriff auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung starten, oder? In der Praxis machen die Banken ihren Kunden Angebote für Ratenkredite, ja, die Banken sind sogar verpflichtet, zu beraten und im Zweifel auf Kredite umzuschulden, die mit dem Einkommen zu bezahlen sind. Dazu sind sie verpflichtet, und das wissen sie auch. Deshalb ist dieser Antrag zusätzlich wieder einmal unnütz. Und hier kommt es darauf an, dass der Kunde die Raten mit seinem Einkommen bezahlen kann. Das passiert dann auch. Von daher wird bereits vor der Bemessung des Kreditrahmens auf die Bonität abgestellt. Und ja, Banken lassen bisweilen auch Überziehungen zu. Das ist auch gut so. Sollen bei knapper Überschreitung des Kreditrahmens der Dauerauftrag für die Mietzahlung oder die Lastschrift für den Strom nicht ausgeführt werden? Eher nicht. Aber wenn ein Kunde sein Konto nicht im vorgesehenen Dispositionsrahmen führt, stellt er halt eine schlechtere Bonität dar. So, ich sagte: Punkt drei: Wir rechnen mal zusammen. Das „Handelsblatt“ hat eine Umfrage gemacht. Nur 11,8 Prozent der Dispositionskredite liegen über 1 500 Euro, das heißt über 88 Prozent unter 1 500 Euro. Wir rechnen mal: Bei einem durchschnittlichen Dispositionszinssatz von 9,72 Prozent beträgt die Zinslast 138 Euro pro Kreditnehmer und Jahr. Was Sie mit der Deckelung erreichen wollen, wäre eine Ersparnis von 63 Euro. Das heißt, die Zinslast würde bei 75 Euro liegen. Meinen Sie wirklich, dass Sie mit diesem marginalen Betrag die Verbraucher entschulden können, dass dies ein echter Beitrag dazu ist? Ich glaube das nicht. Nein, es geht Ihnen um etwas ganz anderes. Ihnen sind privatwirtschaftlich geführte Banken ein Graus, und Sie wollen diese zerstören. Das ist im Kern ein Angriff auf unsere freiheitliche Grundordnung. Meine Damen und Herren, deshalb lehnt die AfD Ihren Antrag ganz vehement und konsequent ab. Vielen Dank. Danke schön, Herr Keuter. – Nächste Rednerin: Sarah Ryglewski für die SPD-Fraktion.
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Bernhard Daldrup SPD
Bernhard
Daldrup
SPD
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Titel des Antrages, den Sie gewählt haben, ist schon einmal gut, weil er endlich Konsens nicht nur hinsichtlich der Notwendigkeit der Wärmewende, sondern auch hinsichtlich eines entsprechend hohen Tempos signalisiert. Das ist ja nicht immer so gewesen. Der erste Absatz Ihres Antrages ist aber nicht nur eine richtige Beschreibung, sondern, Herr Dr. Meister, auch ein Eingeständnis von Versäumnissen, nicht nur Ihrer Versäumnisse, aber eben auch Ihrer Versäumnisse, und das über einen längeren Zeitraum. Um das zu verdeutlichen: Wir haben von 1990 bis 2020 – in 30 Jahren – die Emissionen im Gebäudesektor von 210 Millionen Tonnen CO2 auf 120 Millionen Tonnen CO2 reduziert. Jetzt nehmen wir uns vor, in acht Jahren, bis zum Jahre 2030, diese 120 Millionen Tonnen auf 67 Millionen Tonnen CO2 zu reduzieren. Das heißt mit anderen Worten, dass dieses Tempo vielleicht gar nicht nötig wäre, wenn die Zeichen der Zeit früher erkannt worden wären. Sie waren ja beteiligt. Auf diesem Wege muss man dann alle möglichen Instrumente einsetzen: Investitionen, Förderprogramme, Ordnungsrecht, natürlich auch das Steuerrecht; das ist ja keine Frage. Der Steuerspartrieb – das wissen wir ja alle – kommt in Deutschland offensichtlich unmittelbar nach dem Fortpflanzungstrieb. Das scheint also eine besonders hohe Bedeutung zu haben; das hat mal ein Finanzminister gesagt; das kommt nicht von mir. Länder und Kommunen spielen auch eine große Rolle. Deswegen will ich an dieser Stelle sagen, dass die kommunale Wärmeplanung von besonderer Wichtigkeit ist. Damit muss jetzt schnell begonnen werden. Die gesetzlichen Grundlagen sind in Vorbereitung; denn in den Kommunen muss die Wärmewende erfolgreich umgesetzt werden. Lange Zeit war die Wärmeversorgung des privaten und öffentlichen Wohnungsbaus vor allen Dingen kostenorientiert und überhaupt nicht klimaorientiert. Das ist auch eine Erkenntnis Ihres Antrages; dies kann ich nur begrüßen. Das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ hat auch festgestellt: Der Wohnungsbau kann nicht mehr geplant und durchgeführt werden, ohne dessen Auswirkung für das Klima und die Umwelt mitzudenken. Marktkräfte alleine haben es eben nicht geschafft; das muss man deutlich sagen. Der Antrag Ihrer Fraktion, Herr Dr. Meister, enthält nicht nur bereits Erledigtes – darauf komme ich gleich noch einmal zurück –, sondern auch Vorschläge, über die man im Rahmen der Beratungen des Jahressteuergesetzes noch weiter reden sollte – das ist auch in Ordnung –, und Überraschendes, zum Beispiel die Forderung, die Sonder-AfA für den Mietwohnungsbau mit klimapolitischen Zielen zu verknüpfen. Das war ja in der Vergangenheit für Sie überhaupt gar kein Thema. Ich finde es aber gut, dass Ihnen neuerdings Klima- und Energiefragen besonders wichtig sind. Das im Rahmen einer zeitlich befristeten Sonder-AfA anzupacken, ist in der Tat eine Neuerung, die man so ohne Weiteres nicht erwartet hätte; darüber kann man weiter diskutieren. Allerdings ist das klimapolitisch ziemlich ohne Ambitionen. Sie bleiben beim EH55-Level, ohne sozialpolitische Steuerung. Denn Anschaffungs- und Herstellungskosten von bis zu 5 000 Euro pro Quadratmeter sind nichts anderes als nur der Nachvollzug der Preisentwicklung ohne jedweden Gestaltungsanspruch für bezahlbares Wohnen und bezahlbares Bauen. Dieser Verzicht auf Gestaltung – das ist wichtig für Sie, Herr Dr. Meister, und für die anderen Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU – war übrigens einer der Ursachen für das von Ihnen angesprochene Wirrwarr, das Peter Altmaier hinterlassen hat. Deswegen ist es aus dem Ruder gelaufen. Viel Geld wurde einsetzt, ohne die entsprechende Wirkung zu entfalten. Die befristete Sonder-AfA haben wir in der letzten Wahlperiode auf 3 000 Euro pro Quadratmeter begrenzt, weil wir eben keine Luxuswohnungen wollten. Das aber ist für Sie offensichtlich kein Kriterium. Ihre Forderungen zu Steuermäßigungen für energetische Sanierungsmaßnahmen beim selbstgenutzten Wohnraum erstaunen mich, ehrlich gesagt, ebenfalls. Denn wir haben vor nicht einmal drei Jahren gemeinsam und durchaus selbstbewusst vertreten, dass für Investitionen in Höhe bis zu 200 000 Euro gilt, dass bis zu 20 Prozent, also 40 000 Euro, in drei Jahren von der Steuerschuld abgezogen werden können. Eine großzügigere Förderung hat es in dieser Form jedenfalls steuerrechtlich noch nicht gegeben. Das wollen Sie jetzt verdoppeln. Warum eigentlich? Warum nicht verdreifachen? Und für welche Gruppe von Einkommensbeziehern machen Sie das eigentlich? Mit anderen Worten: Sie haben Menschen im Blick, die eigentlich aus anderen Gründen diese Aufgaben wahrnehmen müssten. Das tun sie aber nicht. Ihre Forderungen im Bereich der Photovoltaik sind größtenteils überholt. Sie stellen Forderungen in Ihrem Antrag, die im Grunde genommen schon erledigt sind; das ist ganz interessant. Sowohl die Ertragsteuerbefreiung bei Photovoltaikanlagen mit einer installierten Bruttoleistung von bis zu 30 kWp als auch der Nullsteuersatz für die Lieferung und Installation von Photovoltaikanlagen sind bereits Teil des Jahressteuergesetzes. Ich vermute – am Rande ist es eben erwähnt worden; auch der Kollege Gutting hat es heute Morgen angesprochen –, Sie hätten auch noch die Anhebung der linearen Abschreibung bei Neubauten als eine Ihrer Maßnahmen vorgeschlagen. In der Vergangenheit hat das aber nicht funktioniert. Jetzt sag noch einer: Es lag an der SPD! – Das ist wie mit dem schlechten Wetter. Aber Ihr habt es einfach nicht hingekriegt. Das ist, ehrlich gesagt, eine ziemlich bedauerliche Angelegenheit; das will ich ausdrücklich betonen. Wir haben nun zwei Maßnahmen zur Förderung von Neubauten vorgesehen, die einerseits auf das Bauen abzielen, beispielsweise durch zinsverbilligte Kredite, andererseits die Eigentumsbildung bei Familien fördern. Diesen Weg wollen wir weitergehen. Das ist sehr viel besser als das, was bei Ihnen an neuen Erkenntnissen gewonnen worden ist. Dass es bei Ihnen neue Erkenntnisse gibt, begrüße ich aber durchaus. Herzlichen Dank. Das Wort hat der Abgeordnete Jörn König für die AfD-Fraktion.
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Christoph Bernstiel CDU/CSU
Christoph
Bernstiel
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn. Insofern wundert es mich nicht, dass es auch der AfD mal gelungen ist, tatsächlich ein paar Dinge anzusprechen, die in unserem Land verkehrt laufen. Das Thema Linksextremismus beschäftigt uns nicht erst, seitdem es die AfD hier im Deutschen Bundestag gibt. Nein, wir beschäftigen uns schon sehr lange damit. Es ist natürlich ein Problem, wenn wir in Leipzig marodierende Banden haben, autonome Linksextremisten, wenn die Polizei angegriffen wird. Da gibt es nichts schönzureden, und wir gehen auch dagegen vor. Allerdings kommt man nicht umhin, zu sagen, lieber Herr Hess: Aktuell ist es in unserem Land nun mal der Rechtsextremismus, der die größte Gefahr für unsere Demokratie ist. Es ist richtig, nicht das eine mit dem anderen zu vergleichen. Aber es ist auch falsch, wenn man immer nur auf den Linksextremismus schaut und nie die gleiche Initiative ergreift hinsichtlich des Rechtsextremismus Ihrer Partei. Für uns als CDU beziehungsweise als Union – ich begrüße meine CSU-Kollegen – ist es natürlich wichtig, alle Phänomenbereiche im Blick zu haben. Das wurde heute in den Debatten schon deutlich. Das bedeutet: Nur weil wir noch keine linksextreme Bewegung haben, die mordend durch die Lande zieht, heißt das noch lange nicht, dass diese Gefahr nicht existiert; denn der aktuelle Verfassungsschutzbericht zeichnet ein ganz klares Bild. Schauen wir uns die Zahl der Gewalttaten an: Die Gewalttaten der Linksextremisten und der Rechtsextremisten sind leider fast auf gleicher Höhe. Wir haben auch eine zunehmende Tendenz bei den Tötungsversuchen in den letzten vier Jahren: 33 im Bereich des Rechtsextremismus, 11 im Bereich des Linksextremismus. Das ist etwas, was wir nicht ignorieren können. Meine Damen und Herren, wir können auch nicht warten, bis sich eine zweite RAF gebildet hat, und wir können auch nicht warten, bis sich das, was auf dem Breitscheidplatz passiert ist, wiederholt. Als verantwortliche Demokraten und als Mittler der Sicherheitsbehörden muss es unser Interesse sein, alle Extremismusformen gleichermaßen zu bekämpfen, und dazu gehört der schon häufig genannte 360-Grad-Blick. Da brauchen wir von Ihnen tatsächlich keine Belehrungsversuche. Einen Punkt möchte ich noch ansprechen. Wenn es um das Phänomen des Linksextremismus geht, dann müssen wir auch über das gesellschaftliche Klima reden, in dem er blüht. Denn leider ist auch eine Wahrheit: Wenn es rechtsextremistische Ausfälle gibt, dann gibt es ein breites Spektrum in der Bevölkerung, auch in den Medien, das ganz klar, deutlich und teilweise auch vorschnell verurteilt und sich mit neuen Forderungen überbietet. Gibt es linksextreme Gewalt, vermisse ich die eindeutige Verurteilung dieser Gewalt, dieser Angriffe auf Polizisten, auch auf Gegenstände, auf einzelne Personen. Ich vermisse auch ein gesellschaftliches Klima, das ganz klar diesen Linksextremismus ächtet und auch mal Ross und Reiter benennt. Da gibt es tatsächlich noch eine Baustelle. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, Sie wissen, wenn es um Linksextremismus geht, dann müssen Sie natürlich auch erwähnt werden. Insofern finde ich es ein wenig schwierig, dass Ihre neue Bewerberin um den Parteivorsitz, die Frau Hennig-Wellsow, erst kürzlich ausgetreten ist aus den vom Verfassungsschutz beobachteten Plattformen marx21 und „Sozialistische Linke“. Sie sagt selbst, dass sie in diesen strittigen und zum Teil linksextremen Plattformen nicht länger mitarbeiten kann, wenn sie sich für ein höheres Amt bewirbt und mit diesem Amt auch rechnet. Es ist doch kein klares Zeichen, wenn selbst Ihre designierte Parteivorsitzende den Plattformen, die Sie noch mit unterstützen, die demokratische Legitimation abspricht. Also bitte, denken Sie doch mal darüber nach, und helfen Sie mit, den Linksextremismus endlich genauso zu verurteilen wie jede Form von menschenverachtender Ideologie bzw. einer Ideologie, die Gewaltbereitschaft gegenüber unserem Staat rechtfertigt. Zum Abschluss noch ein kurzer Satz. Herr Hess, Ihr Antrag beschäftigt sich ja auch mit den sogenannten Distanz-Elektroimpulsgeräten, besser bekannt als Taser. Ich komme nicht umhin, ich muss das einfach mal vorlesen. Sie haben ja zwei Anträge gestellt. Der erste Antrag heißt: „Null Toleranz statt Deeskalation“, darin sprechen sie von – ich zitiere – „Entschlossenheit zu einer konsequenten und robusten Durchsetzung von Recht und Ordnung“, unter anderem durch Anpassung des Zwangsmittels. So. Und gleichzeitig fordern Sie Taser. Machen Sie es das nächste Mal doch ein bisschen einfacher und transparenter, schreiben Sie doch einfach, dass Sie Linksextremisten tasern wollen und dass das Ihr Verständnis von rechtsstaatlichem Schutz unserer Demokratie ist. Dann haben wir es hier ein bisschen einfacher und sparen uns auch kostbare Debattenzeit. Vielen herzlichen Dank. Die nächste Rednerin ist für die Fraktion der FDP die Kollegin Linda Teuteberg.
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Dorothee Bär CDU/CSU
Dorothee
Bär
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe zu, dass ich in dieser Debatte von der Ampelregierung eines vermisst habe, nämlich auch mal einen Dank, Herr Kollege Lauterbach, an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, haben wir Sie doch mit unseren Änderungsanträgen vor Chaos und vor allem auch vor Betreuungsnotstand in diesem Herbst und Winter bewahrt. Wenn wir nicht Druck gemacht und Änderungsanträge eingebracht hätten, hätten die Menschen in Deutschland demnächst eine Regelung, die wirklich chaotische Folgen nach sich gezogen hätte. Nur um Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Tribüne, das einmal klarzumachen: Herr Lauterbach hatte eine Attestpflicht für Kinder und Jugendliche bei Coronaverdacht geplant, was bedeutet hätte, dass Kinder erst wieder in die Schule oder in den Kindergarten gekonnt hätten, wenn sie beim Kinderarzt oder beim Hausarzt gewesen wären. Wenn das so gekommen wäre, wären nicht nur die Kinderarztpraxen in Deutschland massiv überfordert gewesen. Nein, Sie hätten auch das Kindeswohl derer gefährdet, die im familiären Alltag außer Haus betreut werden, und das sind eben die meisten Kinder in unserem Land. Wir hätten die Betreuung von Kindern, von Jugendlichen in Einrichtungen der Tagespflege, in Horten, in der stationären Inobhutnahme nicht mehr gewährleisten können, wenn schon für die Beschäftigten mit Erkältungssymptomen ein Betretungsverbot da gewesen wäre. Auch das war in den Plänen der Ampel, bis die CDU/CSU-Bundestagsfraktion an dieser Stelle massiv eingeschritten ist. Was mich wundert, ist, dass Sie diese Vorgabe 30 Monate nach Pandemiebeginn und zu Beginn einer Jahreszeit, in der eine Schnupfnase für die meisten leider auch dazugehört, auf den Weg geschickt haben. Ich will es nicht verharmlosen. Ich kann nur hoffen, Herr Lauterbach, dass eine solche Verschärfung der Rechtslage, wie wir sie noch nie hatten, an dieser Stelle nur ein Versehen Ihres Hauses war. Aber gut, wir sind da; wir helfen ja gerne. Sie haben es eingesehen, haben es gerade noch über Nacht beseitigt, wie Sie selbst gesagt haben. Ein kurzer Exkurs, damit man mal sieht, dass das überall so passiert: Beim Elterngeld im März war es ja ganz genauso. Die CDU/CDU-Fraktion hatte einen Antrag zur Verlängerung der coronabedingten Elterngeldregelungen eingebracht, sonst wäre es von dieser Bundesregierung auch glatt vergessen worden. Deswegen: Einen kleinen Dank und vielleicht auch, Herr Kollege Buschmann, ein bisschen weniger Hybris, wenn Sie zu so einem Thema sprechen – das würde ich mir persönlich wünschen. Ein bisschen weniger Buschmann, ein bisschen mehr Lukas Köhler, der nämlich in seiner Rede dankenswerterweise auch gesagt hat, dass das mit den Abwägungen manchmal schwer ist, um zu zeigen: Es geht auch anders in der FDP-Fraktion. Zum Schluss zurück zum Infektionsschutzgesetz. Vor allem als Familienpolitikerin mein dringender Appell: Führen Sie zielgerichtete Maßnahmen ein! Denken Sie an die Verhältnismäßigkeit, und haben Sie ein besonderes Augenmerk auf unsere Kleinsten! Herzlichen Dank.
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Karl Holmeier CDU/CSU
Karl
Holmeier
CDU/CSU
Sehr verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der ländliche Raum ist ein starkes Stück Deutschland. Der ländliche Raum ist nicht nur Landwirtschaft und gutes Wohnen, sondern ein starker Standort für Handwerk, Industrie und Tourismus. Der ländliche Raum ist Deutschlands Kraftquelle und braucht sich keinesfalls zu verstecken. Die Förderung und Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land ist im Grundgesetz ja auch verankert. Wir wollen mit unserem Antrag „Gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken – Gutes Leben und Arbeiten auf dem Land gewährleisten“ diesem Verfassungsauftrag nachkommen. Der ländliche Raum darf gegenüber den Städten nicht benachteiligt werden und muss für junge Menschen wieder attraktiver werden. Dafür haben wir unter anderem die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ gegründet. Mit Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände werden hier Lösungen erarbeitet, um strukturschwache Regionen in Deutschland zu unterstützen. Die Kommission wird nach Wegen suchen, um sowohl die Infrastruktur als auch das Wohlbefinden der Menschen im ländlichen Raum zu verbessern. Es werden im ersten Halbjahr 2019 erste Ergebnisse und konkrete Vorschläge vorgelegt werden. Wichtige Voraussetzung für die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist eine gute, flächendeckende Infrastruktur: Straße, Schiene, öffentlicher Personennahverkehr und natürlich Breitbandversorgung und Mobilfunknetz. All das ist Daseinsvorsorge und schafft einen Standortvorteil im nationalen und internationalen Wettbewerb. Der flächendeckende Breitbandausbau in Deutschland schreitet voran. In der vergangenen Legislaturperiode wurden dafür mehr als 4 Milliarden Euro ausgegeben, und in dieser Legislaturperiode sind bis zu 12 Milliarden Euro für den Ausbau der Gigabitnetze bereitgestellt. Im Sommer letzten Jahres haben wir das bestehende Förderprogramm vereinfacht, verschlankt und beschleunigt. Gefördert werden nur noch Glasfaseranschlüsse. Seither wurden Anträge mit einem Gesamtvolumen in Höhe von 509 Millionen Euro gestellt. Davon wurden bereits 202 Millionen Euro bewilligt. 104 bereits bewilligte Projekte konnten in den letzten Monaten ihren Antrag auf Förderung umstellen, weg vom Kupferkabel hin zum modernen Glasfaserkabel. Die letzte Meile zu den einzelnen Anschlüssen, ob Privathaushalt, landwirtschaftlicher Betrieb oder Gewerbebetrieb, wird bei diesen Projekten also nur noch mit Glasfaser bewältigt. Seit November letzten Jahres sind alle Schulen, Gewerbegebiete und Krankenhäuser ohne Anschluss an das Giga­bitnetz förderfähig. Über 6 400 Schulen haben bereits die Förderung eines Gigabitanschlusses beantragt. Zudem wird derzeit das „Weiße-Flecken-Programm“ überarbeitet, und es wird ein „Graue-Flecken-Programm“ kommen, das zurzeit mit der Europäischen Union abgestimmt wird. Damit können alle Haushalte und Unternehmen in ganz Deutschland an gigabitfähige Netze angeschlossen werden. Der Ausbau eines Mobilfunknetzes gerade im ländlichen Raum ist Schwerpunkt für die Stärkung des ländlichen Raums. Zurzeit läuft die Ausbauverpflichtung aus der Versteigerung der Digitalen Dividende II aus dem Jahr 2015. Diese Umsetzungsverpflichtung muss bis Ende 2019 abgeschlossen werden. Wenn ich meine Region betrachte, kann ich sagen: Wir werden das schaffen. Wir setzen ständig neue Masten in Betrieb. Die Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen für 5G neigt sich langsam dem Ende zu. Hohe Versorgungsauflagen waren von Anfang an für die Union wichtig und bedeutend. Die Umsetzung muss schnell erfolgen. Lokales Roaming ist für eine flächendeckende Versorgung notwendig. Wir brauchen aber nicht nur eine Versorgung der Haushalte und Unternehmen, sondern gerade für die Landwirtschaft brauchen wir eine Versorgung in der Fläche oder besser gesagt: der gesamten Fläche. Daran werden wir weiter tatkräftig arbeiten. Mit diesem Antrag wird der ländliche Raum noch attraktiver. Der ländliche Raum ist stark. Der ländliche Raum muss selbstbewusst auftreten und braucht sich in keiner Weise zu verstecken. Verehrte Damen und Herren, wir haben mit unserem Antrag ein Gesamtkonzept entwickelt, von dem alle im ländlichen Raum profitieren werden. Den Antrag der FDP lehnen wir ab, weil er zu kurz springt. Vielen Dank. Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Dirk Wiese.
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Dr. Johannes Fechner SPD
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Fechner
SPD
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Zu den wichtigsten Aufgaben für uns Abgeordnete hier im Parlament gehört es, dafür zu sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger Vertrauen in die Entscheidungen haben, die wir im Bundestag treffen. Genau dem dient auch dieser Gesetzentwurf. Wir brauchen klare, nachvollziehbare Regelungen für die Höhe der Abgeordnetendiäten. Genau die schaffen wir mit diesem Gesetz. Es ist gut, dass sich die neue Ampelkoalition schon im Koalitionsvertrag vorgenommen hat, für mehr Transparenz und mehr Bürgernähe bei unseren Entscheidungen hier im Parlament zu sorgen. Das ist ein ganz wichtiges Vorhaben, ein ganz wichtiges Signal, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere Entscheidungen hier im Bundestag zu sichern, liebe Kolleginnen und Kollegen. So werden wir, um ein paar Punkte zu nennen, mit einem noch effektiveren Lobbyregister sicherstellen, dass Transparenz darüber herrscht, welcher Interessenverband Einfluss auf ein Gesetzgebungsverfahren genommen hat. Wir wollen zudem mit dem sogenannten exekutiven Fußabdruck Klarheit darüber schaffen, ob und wie Interessenvertreter bei der Erstellung von Gesetzen in den Ministerien durch Kontakte mit Bundesministerien Einfluss genommen haben. Und wir wollen die Straftatbestände der Abgeordnetenbestechung und der Abgeordnetenbestechlichkeit effektiv verschärfen; denn es muss immer klar sein – das müssen wir hier auch strafrechtlich sichern –: Wir Abgeordneten haben für das Allgemeinwohl zu arbeiten, nicht für den eigenen Geldbeutel und schon gar nicht für kriminelle Interessen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Allzu oft wird kritisiert, dass wir Abgeordneten selbst über unsere eigene Entlohnung entscheiden. Dazu sind wir als Gesetzgeber befugt, und es ist auch unsere Aufgabe, selbst für die Festlegung unserer Einkommen zu sorgen. Gerade deshalb aber braucht es hier maximale Transparenz und ganz klare Regeln. Deswegen ist es richtig, dass wir heute mit diesem Beschluss für diese 20. Wahlperiode festlegen, dass unsere Diäten an die Entwicklung des allgemeinen Lohnniveaus gekoppelt sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine ganz wichtige Entscheidung für diese Wahlperiode. Es ist fair und gerecht, dass unsere Diäten nur in dem Umfang steigen können, in dem auch die Löhne der Bürgerinnen und Bürger steigen. Sinken die Nominallöhne, wie zum Beispiel coronabedingt 2020, dann sinken auch die Abgeordnetengehälter. Konkret ändern sich unsere Diäten jährlich zum 1. Juli in dem Umfang, in dem das Statistische Bundesamt in dessen jeweils im März erstellten Bericht Änderungen bei der Entwicklung der Nominallöhne feststellt. Das ist fair und transparent, und deshalb ist es gut, dass wir gleich zu Beginn unserer Amtszeit, zu Beginn dieser Wahlperiode für diese Wahlperiode die Höhe der Abgeordnetendiäten an die Lohnentwicklung binden. Das schafft Vertrauen und damit Glaubwürdigkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen. Bei der Höhe der Diäten orientieren wir uns weiterhin ganz klar an der Richterbesoldung der Stufe R 6. Das entspricht etwa dem Gehalt – wenn Sie mir den Vergleich mit meiner baden-württembergischen Heimat gestatten – eines Oberbürgermeisters einer baden-württembergischen Gemeinde mit 50 000 Einwohnern. Ohne Frage, das ist viel Geld; das ist eine sehr gute Bezahlung. Aber wer unseren Abgeordnetenjob ernst nimmt – wirklich die allermeisten machen das ja auch –, der hat viele Stunden zu tun, der hat Wochenendtermine, der ist unter der Woche viel unterwegs, nicht nur hier in Berlin, sondern in den Nichtsitzungswochen auch im Wahlkreis; viele haben auch einen Betreuungswahlkreis. Also kommen da wirklich sehr viel Zeit und Engagement zusammen. Außerdem tragen wir mit unserem Amt und durch unsere Entscheidungen hier wirklich eine ganz große Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger. Deswegen ist es gerechtfertigt, dass unser Amt als Bundestagsabgeordneter, als Bundestagsabgeordnete wirklich auch angemessen bezahlt ist. Entscheidend ist aber, dass wir dafür transparente, klare und nachvollziehbare Regelungen haben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Genau dafür wollen wir heute mit diesem Beschluss sorgen. Klare Regeln, klare Bindung an die allgemeine Lohnentwicklung, klare Orientierung an der Richterbesoldung – das ist bürgernahe Transparenz; damit wollen wir Vertrauen schaffen. Ich bitte um Zustimmung. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Fechner. – Für die CDU/CSU-Fraktion erhält nun das Wort der Kollege Patrick Schnieder.
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Dr.
Dr. Danyal Bayaz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Danyal
Bayaz
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann der Koalition nicht vorwerfen, dem Jahressteuergesetz einen knackigen Namen wie „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität“ zu geben. Was man Ihnen schon vorwerfen kann, ist, dass Sie den Eindruck erwecken, hiermit die notwendigen Maßnahmen im Kampf gegen die Klimakrise auf den Weg zu bringen. Das ist Etikettenschwindel, meine Damen und Herren. Werfen wir doch mal einen Blick zurück. Vor ziemlich genau zehn Jahren hat eine andere Große Koalition – viele von Ihnen waren damals schon dabei – eine Abwrackprämie auf den Weg gebracht. Wir haben 5 Milliarden Euro in die Hand genommen, um die Autoindustrie in einer konjunkturellen Delle zu unterstützen. 27 Millionen Steuerpflichtige haben quasi 2 Millionen Pkw-Käuferinnen und -Käufern jeweils 2 500 Euro geschenkt. Das hatte keinerlei ökologische Lenkungswirkung. Es ist kein Zufall, dass das genau die Autos sind, die uns heute in einigen Städten Probleme machen. Ich finde, die Abwrackprämie war genau das Gegenteil von nachhaltiger Finanzpolitik und kluger Industriepolitik. Sie war teuer. Die Gelegenheit, die ökologische Modernisierung einer wichtigen Leitindustrie in diesem Land voranzubringen, wurde damit verpasst. Das müssen Sie sich heute noch mal anhören, meine Damen und Herren. Was hat das mit diesem Gesetzentwurf zu tun? Sie wollen jetzt wieder Fördergelder für Autokäufer zur Verfügung stellen, nämlich 250 Millionen Euro für die Elektromobilität. Die strukturellen Hemmnisse und die strukturellen Barrieren auf dem Weg zur emissionsfreien Mobilität gehen Sie aber nicht an. Wir bräuchten eigentlich mehr Mut bei der Reform der Kfz-Steuer und bei der Dienstwagenbesteuerung. Wir müssen emissionsfreie Fahrzeuge steuerlich fördern, und gleichzeitig müssen die Fahrzeuge, die einen hohen CO2-Ausstoß haben, teurer werden. Es ist keine Verbotspolitik, sondern Marktwirtschaft, wenn man Umweltverschmutzung einen Preis gibt. Mit einem funktionierenden Bonus-Malus-System, mit Kaufprämien für Elektroautos würden auch viele unserer Autobauer bei der Fahrzeugentwicklung viel engagierter andere Prioritäten setzen. Das wäre eine kluge Industriepolitik. Ich glaube, viele Ingenieurinnen und Ingenieure in diesem Land würden diese Herausforderung gerne annehmen. Wir würden den Wirtschaftsstandort dadurch nachhaltig stärken. Ich bin echt davon überzeugt, dass Klimaschutz für eine erfolgreiche, wettbewerbsfähige Industrie sehr wichtig ist. Wir brauchen mutige Weichenstellungen und sollten einfach engagierter sein. Wenn wir über Wettbewerbsfähigkeit sprechen, dann sollten wir auch die klugen, gut ausgebildeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Blick nehmen. Der Kollege hat es gerade angesprochen: Die Bildung von Wissenskapital in einer modernen Volkswirtschaft ist zentral für Innovationskraft, Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität. Das sollten wir viel stärker in den Fokus nehmen. Wir brauchen gute Bedingungen bei der Bildung, bei der Weiterbildung und bei der Fortbildung. In Ihrem Gesetzentwurf finden sich schon ein paar kritische Punkte. Sie wollen die Umsatzsteuerfreiheit von Fort- und Weiterbildungsangeboten einschränken. Ich verstehe, dass die europäische Rechtsprechung das einfordert. Sie gehen aber eben weiter, als es das Europarecht erfordert. Deswegen finde ich, dass Sie die Bedeutung von Weiterbildungsangeboten in der heutigen Wirtschaft an der Stelle ein Stück weit ignorieren. Aufgrund der Transformationsphase, in der wir uns befinden – denken Sie an Algorithmen, künstliche Intelligenz und Automatisierung –, sollten wir noch viel stärker in die Köpfe unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer investieren. Ein letzter Satz. Sie haben völlig recht, Frau Staatssekretärin: Es ist gut, dass wir die digitalen Produkte der Medienwirtschaft jetzt den analogen Pendants anpassen. Wir schaffen aber auch neue Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer. Deswegen möchte ich hier auf einen Aspekt eingehen. Wir und viele andere haben eine Petition für die Steuerermäßigung bei Hygieneprodukten für Frauen unterstützt. Ich finde, es ist ein schlechtes Signal, dieses berechtigte Anliegen, das bislang völlig ignoriert wird, Herr Kollege Steiniger, nicht weiter zu verfolgen. Es gibt einen dichten Ausnahmedschungel. Eine Steuerermäßigung für Tampons und Binden leistete zwar keinen Beitrag für die Lichtung dieses Dschungels, wäre aber von hohem symbolischem Wert und würde zeigen, dass eine geschlechtergerechte Anpassung im Steuerrecht möglich ist. Deswegen: Nehmen Sie diese Petition und die Menschen, die sie unterstützen, ernst und diesen Punkt im Gesetzentwurf auf. Wir schauen genau drauf. Danke schön. Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Lothar Binding.
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Johannes Huber AfD
Johannes
Huber
AfD
Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Obwohl wir im Gesetzentwurf der Bundesregierung statt von verfestigter lieber von stabiler eheähnlicher Lebensgemeinschaft sprechen würden, können wir der Vorlage zustimmen, weil erstens die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in engen Grenzen umgesetzt wird und weil zweitens primär auf das Wohl des Kindes abgestellt wird. Eine Zustimmung der AfD heißt aber nicht, dass wir dadurch die Demokratie kaputtmachen oder die Bundeskanzlerin den Gesetzentwurf rückgängig machen muss. Den Antrag der FDP lehnen wir ab, weil uns sowohl eine weiter gehende Öffnung der Stiefkindadoption für alle nichtehelichen Paare als auch eine gemeinsame Adoption von fremden Kindern zu weit geht. Der Antrag der Grünen wiederum möchte die Stiefkindadoption für lesbische Paare nicht etwa ermöglichen, sondern sie aus ideologischen Gründen direkt abschaffen. Nach Vorstellung der Grünen soll die biologische Mutter nach Gutdünken eine weitere Frau ohne eine entsprechende Überprüfung ihrer Eignung durch das Familiengericht oder Jugendamt zur Co-Mutter ihres Kindes machen können. Dies soll über eine sogenannte Mutterschaftsanerkennung analog zur Vaterschaftsanerkennung erfolgen. Dabei verkennen sie nicht nur, dass der Gesetzgeber die rechtliche Fiktion der Vaterschaftsanerkennung geschaffen hat, weil davon auszugehen ist, dass im Regelfall der anerkennende Vater der wahre, der biologische Vater ist; die Grünen verkennen ebenso, dass Kinder aus einer Ehe zwischen Mann und Frau entstehen. Eine Co-Mutter hingegen kann niemals die biologische Mutter des Kindes sein. Sie bleibt bestenfalls ein juristisches Konstrukt. Tatsächlich entstehen Kinder aus der Verbindung von Mann und Frau, und das ist nicht verfassungswidrig, das ist Biologie. Die Grünen möchten die Stiefkindadoption abschaffen, weil sie die damit verbundene Überprüfung der Co-Mutter als unverhältnismäßig und mit 300 Euro als zu teuer ansehen. Liebe Grüne, ich muss Ihnen sagen, es ist unfassbar, dass Ihnen Kinder nicht einmal 300 Euro wert sind. Ihnen ist es auch herzlich egal, ob die Co-Mutter charakterlich geeignet ist, ein Kind zu adoptieren. Tatsächlich dient die Überprüfung nämlich nicht der Gängelung der Co-Mutter, sondern der Sicherstellung des Kindeswohls. Das Kindeswohl mag für Sie zweitrangig sein – für die AfD ist es aber nicht verhandelbar. Leider muss ich Ihnen sagen, dass Sie überhaupt einen zutiefst menschenverachtenden Blick auf Kinder haben. Sie möchten zukünftig rechtlich verbindliche Verabredungen zwischen zwei Frauen und dem Spender über noch nicht gezeugte Kinder zulassen. Das degradiert wiederum Kinder zum reinen Objekt, zur Verhandlungsmasse, und verletzt die Würde des Menschen. – Ja, darüber muss man reden. – Ist das Kind dann geboren und kommen jetzt Zweifel über seine tatsächliche Abstammung, möchte es etwa – wie 80 Prozent der anderen Spenderkinder – den biologischen Vater kennenlernen, wollen die Grünen ihm noch nicht einmal die Möglichkeit geben, ihn auch zu seinem rechtlichen Vater zu machen. Denn anders als die Möglichkeit der Vaterschaftsanfechtung, die Kinder aus heterosexuellen Beziehungen haben, sehen Sie dieses Anfechtungsrecht bei Frauenpaaren nicht vor. Sie haben also nicht nur ein Problem mit den Rechten der Kinder, sondern, aus meiner Sicht, auch mit den Rechten der Väter. Wenn sich einer dieser Väter für sein Kind interessiert, dann sprechen Sie von einem – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten – „Samenspender“, der sich „nachträglich … in ihre Familie hineindrängt“. Das ist aus meiner Sicht eine zutiefst widerwärtige Ausdrucksweise, die Männer sogar entmenschlicht. Finden Sie – und das ist mein Rat zum Schluss – zurück zum Boden des Grundgesetzes und zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das feststellt, dass diejenigen, die einem Kind das Leben geben, von Natur aus grundsätzlich bereit und berufen sind, die Verantwortung für die Pflege und Erziehung zu übernehmen. Wir erinnern uns kurz: Das sind immer noch Mann und Frau. Vielen Dank. Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Axel Müller.
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Johannes Schraps SPD
Johannes
Schraps
SPD
Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Erndl, warum Sie sich schämen, kann ich nicht richtig nachvollziehen. Dann sprechen Sie ganz offensichtlich mit vielen Menschen in Ihrem Wahlkreis, die alle ganz anders denken als die Menschen, die viele andere Kolleginnen und Kollegen treffen; das hat jedenfalls die Debatte aus meiner Sicht sehr deutlich gezeigt. Eines ist aus dieser Debatte aber auch, wenn ich das als letzter Redner so sagen darf, sehr deutlich hervorgegangen: Die Gräueltaten Russlands in der Ukraine führen uns tagtäglich vor Augen, dass die Ukraine nie wieder das Land werden wird, das sie vor diesem Krieg war. Dasselbe gilt auch für Deutschland und den europäischen Kontinent; denn mit dem russischen Angriffskrieg ist nichts mehr wie früher. Dass sich diese Zeitenwende natürlich auch in unseren Haushalten widerspiegelt, ist, glaube ich, völlig normal. Europa als Friedenskontinent, wie wir ihn über Jahrzehnte als vollkommen selbstverständlich wahrnehmen durften, diese Realität hat Putin mit seinem Angriffskrieg brutal zerstört. Ich möchte deshalb zum Abschluss dieser Debatte die Worte, die auch der Bundeskanzler heute Morgen erneut gewählt hat, unbedingt noch einmal wiederholen: Putin darf und wird diesen Krieg nicht gewinnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen; denn nur so kann Europa irgendwann wieder zum Friedenskontinent werden. Der Krieg in der Ukraine, dieser Krieg auf europäischem Boden prägt natürlich auch alle Bereiche unseres Lebens. Deshalb ist es nur logisch, dass er auch Auswirkungen auf unsere Finanz- und Haushaltsplanung hat. Putins Krieg gegen die Ukraine braucht geschlossene Antworten der EU, und er braucht auch Antworten aus Deutschland. Weil es uns um die Zukunft Europas und um unsere Verantwortung gegenüber der Ukraine geht, geben wir mit dem hier vorgelegten Haushalt auch Antworten, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Natürlich ist dieser Haushalt geprägt von den Eindrücken des Krieges. Der Haushalt, den uns die Berichterstatterinnen und Berichterstatter, denen ich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich danken möchte, vorgelegt haben, ist aus meiner Sicht sehr gut austariert und wohlüberlegt. Ich freue mich, dass vor allem für den Bereich der humanitären Hilfe und für die Unterstützung der Ukraine als angegriffenem Land in diesem Haushalt viele Mittel eingeplant wurden. 2,7 Milliarden Euro sind richtigerweise für den Bereich der humanitären Hilfe eingestellt. – Kollege Gysi, wenn ein Drittel des Haushalts des Auswärtigen Amts für humanitäre Hilfe aufgewandt wird, kann man doch nicht von einem militaristischen Haushalt sprechen. Entweder haben Sie den Haushalt nicht gelesen, oder Sie wussten schon vor der Aufstellung des Haushalts, was Sie hier am Pult in dieser Debatte sagen wollen. Wir kommen schlichtweg unserer Verantwortung nach, die wir gegenüber der Ukraine haben; das haben Außenministerin Baerbock, Michelle Müntefering und andere Rednerinnen und Redner gesagt. Mit den Mitteln im humanitären Bereich wird mithilfe zahlreicher Partnerorganisationen dort Unterstützung geleistet, wo sie am allernötigsten ist, nämlich bei den Menschen in der Ukraine, wo es aufgrund der russischen Angriffe und der riesigen Zerstörungen der Infrastruktur des Landes häufig am Lebensnotwendigsten fehlt. Da müssen wir helfen, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Mit diesem Haushalt stellen wir die Mittel dafür zur Verfügung. Außerdem unterstützen wir die Zivilbevölkerung in der Ukraine, aber auch – das ist angesprochen worden – in Russland, in Belarus und in anderen Ländern Osteuropas, in denen das dringend notwendig ist. Dazu zählen Journalistinnen und Journalisten, Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Oppositionelle, die derzeit nicht oder nur unter großer Gefahr für ihr Leben ihrer Arbeit nachgehen können. Durch die Aufstockung der Mittel im Zuge der Haushaltsberatungen fördern wir zudem auch mehrere Projekte, die sich für den Erhalt von Meinungsvielfalt und gegen Falschmeldungen einsetzen. Das ist wichtig, weil leider nicht mehr überall die Freiheitsrechte gelten, die wir in unserem demokratischen System hier gewohnt sind, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Mitbedacht haben wir – das hat Kollege Heidt richtig gesagt – auch Maßnahmen wie die Finanzierung von Ermittlungsverfahren gegen Kriegsverbrechen in der Ukraine sowie die Unterstützung besonders vulnerabler Partnerländer wie beispielsweise die Republik Moldau, die selten genannt wird, aber als kleines Land mit nicht einmal 3 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern besonders viele schutzsuchende Menschen aus der Ukraine aufgenommen hat und ebenfalls große Unterstützung von uns benötigt und diese auch bekommt, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Ich halte es für ausgesprochen wichtig, dass wir gerade vor dem Hintergrund der Auswirkungen des Krieges auch die Beziehungen zu unseren europäischen Partnerländern weiter stärken und intensivieren. Auch das tun wir mit dem vorliegenden Haushalt. Ich will hier nur einige wenige exemplarische Beispiele nennen. Ich freue mich zum Beispiel sehr, dass der Ansatz für die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit deutlich erhöht wird. Auch die 2020 ins Leben gerufene Elisabeth-Selbert-Initiative des ifa, des Instituts für Auslandsbeziehungen, die geflüchtete Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger unterstützt, wird besser ausgestattet. Das alles sind wichtige Projekte, die uns auch in der Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern helfen. Gestärkt werden die Beziehungen zu unseren europäischen Partnern aber vor allem auch durch gegenseitiges Kennenlernen und durch das Abbauen von Vorbehalten. Deshalb halte ich es für ausgesprochen wichtig und richtig, dass wir auch einen Fokus auf die Austauschprogramme legen, insbesondere auf den Jugendaustausch: mit der Erhöhung der Mittel für die Internationale Jugendbegegnungsstätte im polnischen Kreisau, mit der Stärkung des Netzwerks der bereits genannten PASCH-Schulen oder mit der Stärkung der Jugendarbeit des Europarates. All das sind wichtige Maßnahmen, die zum europäischen Zusammenhalt beitragen, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Zum Abschluss: Gerade in den heutigen Zeiten wird uns ganz klar, dass Europa nur miteinander solidarisch sein kann und sein muss. Das ist der einzige Weg für uns, um stabil und widerstandsfähig zu bleiben und um als Europäer zusammenzustehen und mit einer Stimme zu sprechen. Diese Prioritäten spiegelt dieser Haushaltsplan eindrucksvoll wider. Wir stellen uns den Herausforderungen, die uns diese bewegten Zeiten auferlegen. Als Ampelkoalition tragen wir mit diesem Haushalt unseren Teil zur europäischen Antwort auf den Angriffskrieg Putins bei. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Michael Gerdes SPD
Michael
Gerdes
SPD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme dem Antrag der Fraktion Die Linke in einem Punkt zu. Da heißt es nämlich in den ersten zwei Eingangssätzen: Seit dem Frühjahr 2020 hat die Corona-Pandemie neben den gesundheitlichen Auswirkungen enorme ökonomische und soziale Verwerfungen verursacht. Es ist dringend erforderlich, die ökonomischen und sozialen Folgen abzufedern und Arbeitsplätze zu sichern. Das stimmt, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Folgen der Pandemie versetzen unser Land, die Welt insgesamt in einen Ausnahmezustand und bringen Ungleichheiten stärker ans Tageslicht. Und genau deshalb haben wir zahlreiche Hilfen für die verschiedensten Zielgruppen auf den Weg gebracht, ein Konjunkturpaket erarbeitet und massiv Geld in die Hand genommen. Der Bundeshaushalt 2021 beinhaltet Rekordausgaben, um die Folgen der Pandemie abzumildern und unsere Gesundheit zu schützen. Und selbstverständlich geht es darum, soziale Härten abzufedern. Soziale Ungleichheit ist nicht nur ein Problem für die Betroffenen selbst; sie blockiert stabile demokratische Strukturen und verhindert wirtschaftliches Wachstum. Deshalb ist uns daran gelegen, niemanden zurückzulassen; deshalb gilt die Regelung zum Kurzarbeitergeld; deshalb haben wir den vereinfachten Zugang zur Grundsicherung verlängert; deshalb wurde unter anderem der Kindergeldbonus gezahlt oder die Sonderregelung für die Mittagsverpflegung von Schülerinnen und Schülern im Rahmen des Bildungspakets verlängert. Was können wir aber perspektivisch tun, sprich: über die Coronahilfen hinaus? Im Gegensatz zur AfD steht die SPD für einen starken Sozialstaat, der in Strukturen investiert und sich kümmert, einen Staat mit guter Kinderbetreuung, guten Schulen, guter Infrastruktur und verlässlichen Sozialversicherungssystemen. Wir stehen für einen Staat, der Menschen qualifiziert und alles dafür tut, dass Arbeitslosigkeit gar nicht erst entsteht. Wir setzen auf Leistungsgerechtigkeit und Solidarität. Deshalb haben wir für die Grundrente gekämpft; deshalb stehen wir zum Grundsatz: Je länger man in die Arbeitslosenversicherung einzahlt, desto länger hat man auch Anspruch auf Arbeitslosengeld I; Ältere brauchen einen längeren Anspruch als Jüngere. Ich weiß, Minijobber sind von der Krise besonders betroffen; man denke nur an die vielen Jobs in der Gastronomie und im Einzelhandel. Minijobber profitieren nicht von der Arbeitslosenversicherung. Wir sollten uns aber klarmachen, dass Minijobs auch ohne Pandemie keine wirkliche Perspektive oder Sicherheit bieten. Es hat sich auch nicht die Hoffnung erfüllt, dass Minijobs eine Brücke in den regulären Arbeitsmarkt bauen. Deshalb sagen wir als SPD immer wieder, dass unser erstes Ziel die Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Jobs sein muss, am besten mit Tarifbindung. Nur gute Löhne verringern Vermögensungleichheit; nur gute Löhne sorgen für eine bessere Rente. Daran arbeiten wir. Wir handeln in der Krise. Glück auf! Frohe Weihnachten Ihnen allen und einen guten Rutsch in ein hoffentlich besseres Jahr 2021! Bleiben Sie gesund! Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Gerdes. – Aber nur wegen der guten Wünsche. Letzter Redner ist der Kollege Tobias Zech, CDU/CSU-Fraktion.
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11,004,824
Falko Mohrs SPD
Falko
Mohrs
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Mein Gesetz ist gut. Daran wird kein Wort geändert. Vielleicht wissen Sie noch, von wem dieser Satz stammt? Er stammt tatsächlich vom damaligen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt aus dem März 2015, und zwar zur ersten Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes, also lange bevor die Pkw-Maut überhaupt in Kraft gesetzt werden sollte. Heute, im Jahr 2019, wissen wir, dass diese Maut nicht zum 1. Januar 2016 gekommen ist, nicht in der letzten Legislaturperiode gekommen ist und – meine Kollegin Kirsten Lühmann hat darauf hingewiesen – offensichtlich nicht mit dieser Bundeskanzlerin und auch nicht mit dem EuGH kommen wird, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Das, was wir in der Zwischenzeit erlebt haben, hat mich manchmal ein bisschen an ein trotziges Kind erinnert, welches probiert, einen viereckigen Bauklotz seines Holzspielzeugs durch das sternförmige Loch zu pressen. Aber heute wissen wir konkret, dass die Pkw-Maut mit dem Urteil des EuGH Geschichte ist. Da muss man sagen: Das Eckige passt in diesem Fall nun einmal nicht durch das Loch. Um bei den Fakten zu bleiben: Fest steht auch, Herr Krischer, dass die SPD-Bundestagsfraktion während der gesamten Verhandlungen zum Koalitionsvertrag und auch danach klar gesagt hat, was wir von dieser Maut halten und wie kritisch wir dieser Maut gegenüberstehen, dass sie nur unter ganz bestimmten Bedingungen von uns mitgetragen wird: wenn es erstens keine zusätzlichen finanziellen Belastungen für inländische Autofahrer gibt und wenn zweitens die europäischen Nutzerinnen und Nutzer bei uns nicht diskriminiert werden. – Sie haben unsere Bedenken in Ihrer Rede leider genauso weggewischt, wie es der Kollege Luksic getan hat. Herr Luksic, da ich gerade bei Ihnen bin: Sie haben ja in Ihrer Rede empfohlen, dass wir uns die FDP zum Vorbild nehmen sollten. Ich sage Ihnen einmal etwas als jemand, der aus Niedersachsen kommt: Wir hätten weder eine Landesregierung in Niedersachsen, wo Sie sich der Bildung einer Ampel entzogen haben, noch hätten wir auf Bundesebene eine Bundesregierung zustande bekommen, wenn sich alle wie Sie aus der Verantwortung gestohlen hätten. Ich bin froh, dass wir uns an Ihnen, der FDP, kein Vorbild genommen haben. Da wir gerade bei einem Rückblick auf die Reden sind, komme ich auch zu den Kollegen Holm und Wiehle von der AfD. Vielleicht sollten Sie in Ihrer Partei und in Ihrer Fraktion auch mal für Klarheit darüber sorgen, was Sie von diesem Vorhaben halten. Ich habe mir den zweifelhaften Spaß gemacht und einmal auf Ihrer Internetseite nachgeguckt. Ihr Kollege Dirk Spaniel behauptet, dass der EuGH mal wieder zulasten des deutschen Staates entschieden hätte; er bedauert, dass diese Maut nicht kommt. In das gleiche Horn stößt übrigens Stefan Keuter, der diese Entscheidung ebenfalls bedauert. Gucken Sie einfach mal auf Ihre eigene Homepage, und überlegen Sie doch mal, ob das, was Sie hier eben gesagt haben, nämlich dass Sie diese Entscheidung begrüßen, am Ende mit dem zusammenpasst und ob Sie neben dem typischen Euro- und EuGH-­Bashing Ihre Positionen für sich wirklich geklärt haben, Kolleginnen und Kollegen von der AfD. Besonders problematisch erscheint mir übrigens – das wurde angesprochen –, dass, obwohl die Klagen aus Österreich und den Niederlanden bereits vorlagen, das Konsortium mit der technischen Vorbereitung beauftragt wurde und die Warnungen an dieser Stelle ignoriert wurden. Das stellt uns jetzt vor zwei konkrete Probleme. Erstens müssen wir dringend klären, in welcher Höhe tatsächlich Vertragsstrafen anfallen. Hier brauchen wir die heute Morgen zugesagte Transparenz, und das zügig. Zweitens muss dringend geklärt werden, wie das entstandene Loch in Ihrem Haushalt, Herr Scheuer, zu stopfen ist. Was nicht funktioniert, ist – um bei dem Bild des trotzigen Kindes zu bleiben –, wie ein kleines Kind, dem das Spielzeug weggenommen wurde, zu Papa Olaf, dem Finanzminister, zu laufen und zu jammern, er möge ihm mehr Geld geben. Herr Scheuer, ich erwarte schon von Ihnen als Minister, dass Sie Lösungsvorschläge machen, wie wir diese Finanzierung am Ende aus Ihrem Haushalt, aus Ihrem Etat sicherstellen können. Dann können wir darüber weiter diskutieren. Fakt ist also: Das Wunschprojekt einiger, die Pkw-Maut, wird nicht kommen; sie ist gescheitert. – Mein Verhältnis zur Regierung ist an der Stelle absolut ungetrübt. Wir haben einen Koalitionsvertrag, Herr Kollege. Im Gegensatz zu Ihnen übernehmen wir Verantwortung und bashen nicht Gerichte und Minderheiten. Wir übernehmen Verantwortung. Ich bin übrigens froh, dass Sie das in diesem Land nicht tun. Dabei wird es hoffentlich auch bleiben. Meine Damen und Herren, die Pkw-Maut wird in dieser Form nicht kommen: mit uns nicht und mit dem EuGH nicht. Und das ist gut. In diesem Sinne: Alles Gute, meine Damen und Herren! Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Karl Holmeier für die Fraktion der CDU/CSU.
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Katharina Dröge BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Katharina
Dröge
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zum Glück sind wir heute 100 Jahre weiter als bei der Einführung des Betriebsrätegesetzes. Damals haben viele Unternehmen Betriebsräte als Organisation des Widerstands und des Aufruhrs gegen den Unternehmer betrachtet. Heute sehen das in der Tat sehr viele Unternehmen in diesem Land anders und betrachten Betriebsräte als wichtigen Bestandteil ihrer Unternehmen. Aber, Herr Biadacz, Sie haben in Ihrem Versuch, das Positive zu beschreiben – was in dieser Debatte auch einen Platz finden muss –, die andere Seite vergessen, und um die geht es hier eben heute auch. Wir müssen feststellen: Auch 100 Jahre nach Einführung des Betriebsrätegesetzes gibt es zu viele Unternehmen, die keine Betriebsräte haben, gibt es Unternehmen, die ihre Betriebsräte behindern oder sogar bekämpfen. Und wenn Ihnen der Antrag der Linken zu kurz war, was die Lösungsvorschläge betrifft, wie man damit umgehen soll, dann empfehle ich Ihnen einfach den Antrag, den wir 2018 eingebracht haben. Darin finden sich neun Punkte, in denen wir konkret aufgeschrieben haben, wie man Betriebsräte besser unterstützen und schützen kann. Es reicht nicht, sich hier nur hinzustellen und zu sagen: Lassen Sie uns nicht über die schlechte Seite reden. – Wir sind nun mal als Parlament gewählt, um zu schützen, um zu regeln. Dazu habe ich von Ihnen einfach gar nichts gehört. Ich rede hier ganz bewusst als Wirtschaftspolitikerin in dieser Debatte, weil es meine feste Überzeugung ist, dass partnerschaftliche Mitbestimmung in den Betrieben ein elementarer Bestandteil guter Wirtschaftspolitik ist, ja, dass Unternehmen etwas davon haben, wenn sie Betriebsräte haben, wenn sie gute Mitbestimmung haben. Denn die Idee der Mitbestimmung ist im Endeffekt ganz einfach: Aus dem Gedanken „Ich habe Beschäftigte, die Menschen sind, die für mich arbeiten“ wird der Gedanke „Ich habe Beschäftigte, die Menschen sind, die mit mir arbeiten“. Das ist das Wertvolle der betrieblichen Mitbestimmung; das nutzt den Unternehmen. Unternehmen, die mitbestimmt sind, sind innovativer, weil sie auch die guten Anreize und Anregungen der Beschäftigten aufnehmen, weil sie mehr in Weiterbildung investieren und damit am Ende in die Zukunft gehen. Mein Heimatbundesland ist Nordrhein-Westfalen. Ich habe mich in den letzten Wochen intensiv mit Betriebsräten aus der Stahlbranche unterhalten. Gerade in der Krise zeigt sich der Wert von Mitbestimmung und von Betriebsräten; denn sie denken weiter, sie entwickeln schon jetzt die Lösungsansätze für ihre Unternehmen in der Zukunft, und sie helfen, das zu kommunizieren, was notwendig ist. Gerade am Beispiel der Stahlindustrie sage ich: Das Zerrbild, das viele Menschen zeichnen, dass Betriebsräte nichts mit Themen wie Klimaschutz oder Ähnlichem anfangen können, ist absolut falsch. Vor allem in der Stahlindustrie leisten die Betriebsräte eine so wichtige Arbeit, indem sie zeigen, warum gerade im klimaneutralen Stahl die Zukunft für die Beschäftigten liegt. Deswegen wäre es auch so wichtig, dass sie in diesem Bereich ein stärkeres Initiativrecht bekommen würden. Wir brauchen Betriebsräte, wenn es um den Wandel der Wirtschaft geht. Die Digitalisierung wurde von Ihnen, Herr Biadacz, gerade ja auch angesprochen. Wir haben dafür in der letzten Sitzungswoche Vorschläge gemacht; denn wir sagen: Gerade wenn ein Wandel wie die Digitalisierung die Arbeit so stark verändert, dann braucht es eine stärkere Mitbestimmung der Beschäftigten in diesem Bereich, insbesondere bei den Fragen zum Thema „Mobiles Arbeiten und Datenschutz“: „Wie gestalten wir Homeoffice?“ und „Wann müssen Beschäftigte erreicht werden?“ Das sind alles Vorschläge, die wir auf den Tisch gelegt haben. Sie haben recht: Die Mitbestimmung braucht ein Update für das digitale Zeitalter. Schließen Sie sich einfach unseren Vorschlägen an. Vielen Dank. – Als Nächste spricht für die Fraktion der SPD die Kollegin Yasmin Fahimi.
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Dr.
Dr. Gregor Gysi DIE LINKE
Gregor
Gysi
DIE LINKE
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan ist einer der ältesten der Menschheitsgeschichte. Dabei ging es vornehmlich um ökonomische Fragen, die dann ethnisiert wurden; die Ethnisierung solcher Konflikte funktioniert leider bis heute bei vielen Völkern immer wieder. In der Sowjetzeit wurde über ein Kaukasus-Komitee mithilfe von Stalin festgelegt, dass die Region um Bergkarabach ein autonomes Gebiet innerhalb Aserbaidschans wird. Dabei blieb es bis zum Ende der Sowjetunion. 1991 erklärten dann Menschen aus Bergkarabach dieses Gebiet, zusammen mit anderen Orten, für unabhängig. Armenien besetzte daraufhin andere Gebiete, damit es eine Verbindung zwischen Armenien und Bergkarabach gibt. – So wie ich dem Westen hinsichtlich des Kosovo eine Völkerrechtsverletzung vorwerfe und Russland hinsichtlich der Krim, muss ich auch hier Völkerrechtsverletzungen in Bergkarabach durch Armenien feststellen. Alle diese Völkerrechtsverletzungen müssen mit einer politischen Lösung korrigiert werden; anders geht es nicht. Es gab eine Verständigung auf einen Waffenstillstand zwischen Armenien und Aserbaidschan, um eine politische Lösung zu suchen. Dazu wurde die Minsker Gruppe gebildet, der auch die Türkei angehört, und Sie kennen die Madrider Prinzipien. Verletzungen des Waffenstillstandes gab es gelegentlich von beiden Seiten. Aber nun hat Aserbaidschan, unterstützt von der Türkei, den Waffenstillstand vollständig gebrochen. Selbst wenn über Russland oder die USA eine neue Waffenruhe vereinbart wird, hält sie von beiden Seiten keine Minute. Der Staatschef von Aserbaidschan erklärte, dass dieser Krieg bis zum Ende geführt werde. Er will sich also gewaltsam das ganze Territorium zurückholen, entgegen den Madrider Prinzipien. Die aserbaidschanische Führung geht aufgrund der Hilfe der Türkei davon aus, Armenien militärisch überlegen zu sein. Politik ist zumeist männlich. Nicht selten lassen sich Männer von militärischer Stärke derart beeindrucken, dass sie sich davon leiten lassen. Die Türkei entsendet nicht nur Waffen, sondern auch Söldner, auch aus Syrien. Das ist katastrophal und muss endlich scharf verurteilt werden, durch die Bundesregierung und die NATO. Aserbaidschan steht kurz vor der Eroberung der Straße zwischen Bergkarabach und Armenien. Kommt es zu dieser Eroberung, entsteht für die Zivilbevölkerung in Bergkarabach eine humanitäre Katastrophe; die Versorgung fiele aus. Der Bundestag hat in einem Beschluss eindeutig bestätigt – das wurde hier schon gesagt –, dass 1915/1916 durch das Osmanische Reich ein Völkermord an dem armenischen Volk in der heutigen Türkei verübt wurde. Deutschland trug dabei auch eine gewisse Mitschuld. Ein Land wie die Türkei, das einen solchen Völkermord begeht, muss sich schon aus ethischen Gründen bei Konflikten mit Armenien zumindest heraushalten und dürfte nie wieder Armenierinnen und Armenier widerrechtlich töten. Bundesaußenminister Maas hat erklärt, dass die Bundesregierung sich eher neutral verhalte, um zu vermitteln. Hier kann man aber nicht neutral sein. Die Übereinkunft, eine politische Lösung zu suchen, ist durch Aserbaidschan und die Türkei gebrochen worden. Bundesaußenminister Maas bestätigte ferner, dass die Türkei als Mitglied der NATO weder die Gremien der NATO noch die anderen Mitgliedsländer vor dem Militärakt informiert oder konsultiert hat. Wenn die NATO dagegen nicht entschieden vorgeht, macht sie sich spätestens zu diesem Zeitpunkt überflüssig. Der französische Präsident Macron nannte sie schon „gehirntot“. Auf beiden Seiten sind Zivilistinnen und Zivilisten umgekommen, die dringend geschützt werden müssen, egal ob sie armenisch oder aserbaidschanisch sind oder einer anderen Nationalität angehören. Ich habe ein Video gesehen, in dem zwei armenische Kriegsgefangene gefesselt erschossen wurden. Das ist ein schweres Kriegsverbrechen. Unabhängige Organisationen bestätigten die Echtheit des Videos. Kriegsverbrechen beider Seiten müssen aufgeklärt und unterbunden werden. Herr Bundesminister, weder im Konflikt der Türkei mit Griechenland und Zypern noch im jetzigen Konflikt Aserbaidschans und der Türkei mit Armenien können Sie neutral bleiben. Sie müssen Farbe bekennen. Sie müssen die Provokation der Türkei eindeutig verurteilen, die Waffenlieferungen an die Türkei aus Deutschland unverzüglich stoppen und dürfen keine neuen Waffenlieferungen mehr genehmigen. Außerdem – ich sage das hier offen – muss die Türkei meines Erachtens aus der Minsker Gruppe ausscheiden. Da hat sie nichts mehr zu suchen. Das Wort hat der Kollege Manuel Sarrazin, Bündnis 90/Die Grünen.
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Dr.
Dr. Bernd Baumann AfD
Bernd
Baumann
AfD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschlands Staatsanwälte ermitteln gegen mittlerweile neun Abgeordnete der CDU/CSU, und täglich können es mehr werden. Der Vorwurf: Korruption, Bestechung, Bestechlichkeit. Fünf Abgeordnete mussten bereits ihr Mandat abgeben oder die Fraktion verlassen. Wie konnte die Partei Konrad Adenauers so tief sinken? Uns überrascht das nicht. Den moralischen Absturz dieser Partei beobachten wir seit Jahren. Und er ist geradezu atemberaubend, meine Damen und Herren; denn zu viele Unionsleute machen Geschäfte, sogar mit dem Leid, sogar in dieser historischen Krise. Zehntausende sterben, Millionen haben Angst, ganze Wirtschaftsbranchen sind ruiniert, die Menschen vereinsamt, eingesperrt in ihre Wohnungen – für die große Mehrheit eine Katastrophe, für Unionspolitiker ein Riesengeschäft, noch dazu eingefädelt von der eigenen Regierung. Denn die zwingt ja jeden Deutschen, Maske zu tragen, und dann zweigen Unionspolitiker für jede Maske Geld ab in ihre eigenen privaten Taschen. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, die Menschen haben Ihnen vertraut, gerade in dieser Krise. Sie sind Ihnen gefolgt. Dieses Vertrauen haben Ihre Leute ausgenutzt. Das ist so perfide, meine Damen und Herren! Die Staatsanwälte ermitteln wegen Bestechung in Millionenhöhe. Bei Nikolas Löbel geht es um eine Viertelmillion, bei Georg Nüßlein, dem ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden der Union im Bundestag, um mehr als eine Dreiviertelmillion Euro, netto. So viel verdienen normale Arbeiter im ganzen Leben nicht. Aber am schlimmsten treibt es die Union dort, wo sie am stärksten ist: in Bayern bei Markus Söder. Da ließ sich wohl mit Alfred Sauter sogar der Ex-Justizminister bestechen, mit 1,2 Millionen Euro, so der Staatsanwalt. Wenn sich sogar Justizminister bestechen lassen, die doch eigentlich die obersten Schützer des Rechts sind, wer ist dann eigentlich nicht käuflich in der Union, meine Damen und Herren? Denn es ist ja noch schlimmer. Weitere Unionspolitiker ließen sich von ausländischen Mächten schmieren, so die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, von hochkorrupten Gewaltregimen und Oligarchen aus Aserbaidschan und vom Balkan. Die Lage ist jetzt so schlimm, dass der Vorstand der Unionsfraktion jedem seiner Abgeordneten misstraut. Er verlangt von jedem eine Ehrenerklärung. Warum wohl? Weil er seine Leute kennt und weiß: Denen ist alles zuzutrauen, meine Damen und Herren! Diese Ehrenerklärung haben übrigens alle unterschrieben, auch diejenigen, die wenige Tage später zurücktreten mussten. Das zeigt, was eine Ehrenerklärung wert ist bei Leuten, die schon lange keine Ehre mehr haben, meine Damen und Herren. Einem solchen Ausmaß an Korruption kommt man nicht mit verlogenen Erklärungen bei; da helfen nur Strafe, Gefängnis und das scharfe Schwert des Rechts. Aber da liegt das nächste Problem: Das bisherige Gesetz greift nicht. Es ist zu schwammig. Es ist so formuliert, dass Abgeordnete kaum verurteilt werden können. Die Richter müssen im Moment nicht nur nachweisen, dass die Abgeordneten von bestimmten Leuten Geld, Schmiergeld, genommen haben und dass sie diesen Leuten dann Vorteile verschafft und staatliche Aufträge zugeschanzt haben; das reicht nicht. Ein Gericht muss auch noch nachweisen, dass es vom Geldgeber einen konkreten, am besten noch schriftlichen Auftrag gab, etwa eine Mail oder einen Brief, der die konkreten Korruptionsziele auflistet, also am besten noch eine Art Schmiergeldvertrag mit Verwendungszweck und Quittung. Das ist so weltfremd, meine Damen und Herren. Diese Schlupflöcher müssen weg. Wir müssen das Gesetz schärfen. Und wenn es geschärft ist, dann brauchen wir auch gleich noch härtere Strafen. Korrupte Politiker ab ins Gefängnis, bis zu zehn Jahre – so unser Antrag, meine Damen und Herren. Das sehen nicht nur wir so. Schon als dieses Gesetz 2014 beschlossen wurde, schüttelten die Sachverständigen den Kopf; das können Sie in den Bundestagsprotokollen nachlesen. Trotzdem peitschte die Union dieses Gesetz samt Hintertürchen durch den Bundestag. Denn das ist es, was bleibt von der Christdemokratie nach Merkel: kein politisches Ziel, keine konservative Überzeugung, kein Idealismus, dafür herzlose Geschäftemacherei. – Wie hatte die CDU vor vier Jahren auf ihren Wahlplakaten getextet? „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben.“ Jetzt wissen wir alle, wer mit diesem „wir“ gemeint war, meine Damen und Herren. Herr Kollege, wenn Sie sich bitte ankleiden, die Maske. – Der nächste Redner: der Abgeordnete Ingmar Jung, CDU/CSU-Fraktion.
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Kay Gottschalk AfD
Kay
Gottschalk
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor allen Dingen aber verehrte Zöllner und Zöllnerinnen! An dieser Stelle zunächst einmal: Vielen Dank für Ihre Arbeit. Das haben Sie, Frau Arndt-Brauer, glaube ich, vergessen zu sagen. Ansonsten habe ich den Eindruck, Sie waren bei der Anhörung nicht zugegen, wenn Sie tatsächlich behaupten, Sie kämen mit diesem Gesetz den Bedürfnissen nach bzw. Sie hätten eine ganze Menge Positives für die Stärkung des Zolls getan. Das Einzige, was Sie getan haben, ist: Sie haben den Bedürfnissen der OK Rechnung getragen. Aber der Reihe nach. Ich möchte zunächst einmal auf die Anhörung vom 25. November 2019 eingehen. Das war insoweit ein kleiner Durchbruch; denn der von uns benannte Sachverständige, ein wirklicher Zöllner und damit Praktiker, brachte, so war mein Eindruck, eine lebhafte Diskussion in Gang. Man höre und staune: Was ich bisher selten und hier im Parlament noch nie erlebt habe, ist die Tatsache, dass zwei andere Sachverständige und auch ein CDU-Abgeordneter vielfach die Dinge und Punkte unseres Sachverständigen aufgriffen und in Teilen sogar bestätigten. Das ist, wie ich finde, in der Weihnachtszeit ein guter Anfang, verehrte Kollegen. Kommen wir aber auch zur Kritik aus der Anhörung. Ein wesentlicher Kritikpunkt bleibt, dass die Anzahl der Paragrafen im Gesetzentwurf nahezu verdoppelt wird. Ob dies wirklich zu einer Klarstellung führt, ist aus meiner Sicht nach wie vor hoch fraglich. Ob es in der Praxis dann zu einem leistungsfähigeren Zollfahndungsdienst führt und damit zu einer effizienteren Verbrechensbekämpfung kommt, bezweifle ich an dieser Stelle umso mehr. Was unser Sachverständiger auf jeden Fall anführte, ist die Tatsache – und der wurde auch kaum widersprochen; insoweit waren Sie, glaube ich, nicht zugegen, Frau Arndt-Brauer –, dass zunächst mal, bevor hier Klarheit kommt, ein erhöhter Schulungsbedarf beim Zoll anfällt. Diese Menschen sind ohnehin heute schon – das haben Sie vergessen – überlastet und haben mit die meisten Überstunden zu leisten. Auch dafür an dieser Stelle noch mal ein großes Dankeschön an den Zoll. Da klingt der im Gesetz genannte geschätzte Erfüllungsaufwand der Verwaltung für den Bund – man höre und staune: gerade mal 26 neue Stellen – wie blanker Hohn – und das in der Vorweihnachtszeit. Grundsätzlich – das möchte ich an dieser Stelle aber auch betonen – sind wir für eine effiziente und hochmotivierte Verwaltung. Das heißt, wir müssen an dieser Stelle tatsächlich darüber nachdenken, wie wir den gewaltigen Beamtenapparat umbauen, um das Personal dort einzusetzen, wo es in der Tat nötig ist, und es andererseits bitte schön abzubauen oder gar nicht erst aufzublähen, wie es zum Beispiel bei der völlig vergurkten Grundsteuerreform oder bei der Bonpflicht für Bäcker gerade geschieht, meine Damen und Herren. Das wäre weitsichtige, planende Politik; die vermisse ich bei dieser GroKo aber nach wie vor. Im Bereich Zoll sehen wir als AfD definitiv die Notwendigkeit, das Personal aufzustocken. Lassen Sie mich auch da ein Beispiel aus der Anhörung vom Sachverständigen der GdP, Herrn Buckenhofer, aufgreifen. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: In den Medien wird „von einer Kokainschwemme oder von massivem Zuwachs des Schmuggels von Crystal Meth an der deutsch-niederländischen Grenze berichtet“. – Die Aufgaben des Zollfahndungsdienstes werden also an dieser Stelle immer umfangreicher. Trotz ungesicherter Grenzen? Meiner Meinung nach eher wegen dieser völlig ungesicherten Grenzen, meine Damen und Herren. Und auch der Rekordfund eines Containers mit Kokain im Hamburger Hafen dürfte an dieser Stelle wohl nur die Spitze eines Eisberges sein. Wir könnten, glaube ich, noch viel mehr Elend von den Straßen holen, wenn wir dort den Zoll stärken würden. Daher ist klar: Der Zoll braucht an dieser Stelle mehr Personal. Dennoch: Der Zoll könnte aus meiner Sicht deutlich effizienter strukturiert werden, was insbesondere bei der Verwaltung und der Führung teures Personal einsparen könnte. Grund dafür sind auch dort – Sie haben es sogar genannt – die Doppelstrukturen unter dem Dach des Zolls, was auch die GdP kritisiert. Lassen Sie mich am Rande weitere Strukturen nennen: die FIU und die FKS. Frau Arndt-Brauer, Sie haben sie angeführt. Dabei kontrolliert die FIU, die Sie hier eben genannt haben und die wirklich nicht so gut funktioniert – ein Drittel der Stellen sind unbesetzt –, nur die andere Seite der organisierten Kriminalität; denn Geldwäsche stellt ja nur die Legalisierung eines erfolgreichen Umgehens des Zollfahndungsdienstes dar. Im Klartext: Die Drogen sind am Mann, an der Frau oder am dritten Geschlecht; jetzt muss das Geld legalisiert werden. Daher, meine Damen und Herren, können und werden wir diesem Gesetz an dieser Stelle nicht zustimmen. Für uns heißt es eindeutig: Grenzkontrollen statt Bonkontrollen. Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und Erkenntnisgewinn! Danke schön. Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Dr. Thomas de Maizière.
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Florian Hahn CDU/CSU
Florian
Hahn
CDU/CSU
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! – Der Präsident hat selbst auch ein bisschen länger gesprochen. Aber lassen wir das. – Die Bundeswehr braucht und gebraucht Drohnen im Einsatz. Drohnen verbessern die Aufklärungsfähigkeiten unserer Einsatzkräfte dramatisch. Damit können diese ihre Aufträge besser erfüllen und sind entsprechend im Einsatz auch besser geschützt. Wir nutzen im Moment Heron 1, das, was die Fähigkeiten angeht, an Grenzen kommt und auch nicht mehr produziert wird, was uns dauerhaft in Probleme bringt, was Ersatzteile angeht. Deswegen haben wir uns in dieser Woche für Heron TP als Zwischenlösung entschieden, bis Europa und wir über eigene Fähigkeiten im Bereich der MALE-Drohne verfügen, damit wir die entsprechenden Fähigkeiten aufrechterhalten können. Das war eine richtige Entscheidung. Nach den Reden, die ich heute von AfD und FDP gehört habe – an dieser Stelle sei übrigens mein Freund Jimmy Schulz, der gerade im Krankenhaus liegt und zuschaut, gegrüßt –, hat es mich ein bisschen gewundert, dass Sie im Ausschuss nicht für die Beschaffung der Drohnen gestimmt haben. Aber widmen wir uns kurz dem Antrag der Linken. Ich kann nur sagen: Der Antrag der Linken ist nicht in Unkenntnis geschrieben, sondern eher in einer Art Scheinheiligkeit; denn seitdem ich im Deutschen Bundestag bin, seit jetzt über acht Jahren, haben die Linken noch nie einem Beschaffungsvorhaben für die Bundeswehr zugestimmt. Ihre Argumente sind nicht glaubwürdig, weil es Ihnen gar nicht darum geht, über ein bestimmtes Beschaffungsvorhaben zu diskutieren, Pro und Kontra abzuwägen, sondern Ihnen geht es schlicht darum, die Bundeswehr, weil Sie die Armee ablehnen, weil Sie die Bundeswehr ablehnen, nicht mehr auszustatten. Sie sollten einfach mal so ehrlich sein und das in diesem Hohen Hause auch klar zugeben. Besonders übel finde ich, in welchem Licht Sie bei Ihren Äußerungen über solche Dinge die Bundeswehr erscheinen lassen. Ich habe mir mal eine Presseerklärung von der Kollegin Buchholz vom 31. März 2015 herausgesucht. Darin schreibt sie: DIE LINKE lehnt Killerdrohnen ab. … Militärsatelliten und Kampfdrohnen sollen die Bundeswehr in die Lage versetzen, in Zukunft von Deutschland aus per Knopfdruck Menschen in Ländern wie Afghanistan zu töten. Nächste Presseerklärung vom Juni 2017: DIE LINKE lehnt grundsätzlich den Einstieg in eine Technologie ab, die vornehmlich dazu dient, per Fernbedienung Menschen in fernen Ländern ohne Anklage hinzurichten. Sehr geehrte Damen und Herren, Die Linke suggeriert damit, dass unsere Soldatinnen und Soldaten im Einsatz vorwiegend morden und hinrichten sollen. Ich finde das wirklich skandalös. Sie sollten sich schämen; das ist unanständig. Sie sollten sich an dieser Stelle mal bei unseren Soldatinnen und Soldaten entschuldigen. Kolleginnen und Kollegen, wir sollten insgesamt aufpassen, wenn wir in Zukunft über eine mögliche Bewaffnung von Drohnen diskutieren. Es ist nicht die Waffe, die das Völkerrecht bricht, sondern es ist der Mensch, der sie bedient, bzw. die Instanz, die sie befiehlt. Mit Blick auf die Bundeswehr, mit Blick auf unser demokratisches System, mit Blick auch auf den Parlamentsvorbehalt habe ich das feste Vertrauen und keinen Zweifel, dass die Bundeswehr sich auch in Zukunft an geltendes Recht und an das Völkerrecht halten wird. Deswegen befürworte ich, in Zukunft auch bewaffnete Drohnen einzusetzen. Herzlichen Dank, Herr Kollege. Vorbildlich! – Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Keine Beschaffung von bewaffneten Drohnen – Rüstungsbegrenzung stärken“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/2582, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/1831 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – – Ich glaube, die Mehrheitsverhältnisse waren ziemlich eindeutig. – Damit ist gegen die Stimmen von Linke und Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU, FDP und AfD die Beschlussempfehlung angenommen.
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Wilfried Oellers CDU/CSU
Wilfried
Oellers
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute das Angehörigen-Entlastungsgesetz und damit ein Gesetzespaket, mit dem im ersten Punkt die Angehörigen von zu pflegenden Personen sehr stark entlastet werden. Die Einkommensgrenze von 100 000 Euro brutto im Jahr wurde schon genannt. Den Worten von Minister Heil kann ich mich nur anschließen, was die Umschreibung der gesamten Thematik betrifft. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf zwei Punkte eingehen, die mir wichtig sind. Herr Pohl hat gerade geschildert, dass – angeblich – die stationäre Pflege gegenüber der ambulanten Pflege bevorteilt werden soll. Das ist nicht der Fall. Im Ausschuss ist er sogar noch weitergegangen und hat gesagt, die ambulante Pflege sei von dem Angehörigen-Entlastungsgesetz gar nicht erfasst. Auch das stimmt nicht, weil wir hier im Rahmen der Hilfe zur Pflege sowohl die ambulante als auch die stationäre Pflege meinen. Und das ist im Gesetz ausdrücklich so erwähnt. Eine Bevorteilung kann ich hier nicht sehen. Das weisen wir an dieser Stelle auch ausdrücklich zurück, da wir die ambulante Pflege als wesentlichen Teil der Pflege für notwendig halten. Zur angesprochenen Thematik der finanziellen Belastung der Kommunen. Ja, es ist richtig, dass die Kommunen diese Kosten zu tragen haben. Aber ich weise auch darauf hin, dass wir im Ausschuss gerade übereingekommen sind, dass wir eine wissenschaftliche Evaluation bis 2025 anstreben, in der wir uns die Entwicklung dieser Kosten ganz genau anschauen werden. Wenn es nötig ist, wird da entsprechend nachjustiert. Ich will auch darauf hinweisen, dass wir in der jüngsten Vergangenheit, insbesondere in der letzten Legislaturperiode, die Kommunen massiv finanziell entlastet haben. Und wenn es an dieser Stelle wieder nötig ist, werden wir das auch tun und uns dafür einsetzen. Ein weiterer Punkt, der wichtig ist, ist die Entfristung der Mittel zur Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung. In der jüngsten Vergangenheit wurde in meinem Wahlkreis eine entsprechende Stelle der EUTB eingerichtet. Sie ist ein wesentlicher Baustein des Bundesteilhabegesetzes, damit man im Rahmen der gesamten Förderprogramme, die es gibt, einen Kompass hat und richtig beraten wird. Ein wichtiger Punkt, den wir im Rahmen der parlamentarischen Beratungen aufgenommen haben, ist die Ergänzung des § 134 Absatz 4 SGB IX. Es geht dabei um die Thematik der Personenzentrierung und insbesondere um Minderjährige, die in Wohngruppen leben. Hier hätten wir nach dem Bundesteilhabegesetz wahrscheinlich die Situation – so ist es uns auch von vielen Sachverständigen bestätigt worden –, dass die Minderjährigen mit Eintritt der Volljährigkeit in ein anderes System kommen und dann nicht mehr in Wohngruppen untergebracht sein könnten. Um gerade diesen wichtigen Bereich des Übergangs zur Volljährigkeit, in dem bestimmte Lebensabschnitte, zum Beispiel eine Ausbildung, beendet werden, keine Unruhe in das Leben der jungen Menschen zu bringen, war es uns wichtig, diesen Bereich des Übergangs zur Volljährigkeit fließend zu gestalten, sodass, wenn ein Minderjähriger in einer Wohngruppe volljährig wird, der Übergang in das nächste System in einem Zeitraum von drei Jahren erfolgen kann. Voraussetzung ist hierbei natürlich, dass die Jugendlichen ununterbrochen in den Wohngruppen gelebt haben. Ein ganz besonderer Teil ist das Budget für Ausbildung. Das ist uns gerade als Ergänzung zum bereits beschlossenen Budget für Arbeit ganz wichtig. Wir ziehen hier eine logische Konsequenz und sorgen dafür, dass die Jugendlichen mit einer Beeinträchtigung finanziell unterstützt werden und auch auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Ausbildung absolvieren können. Wir hätten uns im parlamentarischen Verfahren gewünscht, dass wir den Anwendungsbereich etwas weiter hätten fassen können. Ich hatte das auch in meiner Rede zur ersten Lesung erwähnt; aber wir mussten im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens feststellen, dass das nicht ganz so einfach ist. Deswegen sind wir übereingekommen, dass wir diese Fragen sofort im Anschluss an dieses Gesetzgebungsverfahren noch mal in Ruhe debattieren werden und auch einen entsprechenden Ergänzungsgesetzentwurf einbringen werden, der den Personenkreis insbesondere auf diejenigen ausweitet, die in den Werkstätten tätig sind. Personen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig waren, sollen, wenn sie in eine Werkstatt kommen, auf das Budget für Ausbildung zurückgreifen können. Kommen Sie bitte zum Ende. Sofort, Herr Präsident. – Die Zusammenarbeit der Träger der Eingliederungshilfe mit der BA soll besser gestaltet werden. Insbesondere soll direkt anschließend an das Budget für Ausbildung ein Budget für Arbeit möglich sein. Herr Kollege. Dieser Übergang soll einfach, unkompliziert und unbürokratisch erfolgen. Das sind Dinge, die wir hier noch angehen wollen. Herzlichen Dank. Der Kollege Jens Beeck ist der nächste Redner für die FDP-Fraktion.
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Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Katrin
Göring-Eckardt
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es? Ich will Ihnen sagen, worum es uns geht: Uns geht es um Aufklärung. Uns geht es darum, dass Unregelmäßigkeiten, dass Missmanagement aufgeklärt werden, dass Fehlentscheidungen betrachtet werden, egal ob positiv oder negativ. Und da frage ich schon: Wo war eigentlich der Aufschrei im letzten Jahr, als es über 30 000 Fehlentscheidungen des BAMF gab, die gerichtlich zurückgenommen worden sind? Da gab es keinen Aufschrei, und das muss ich Ihnen vorwerfen. Ich finde, das muss geändert werden. Wenn man sieht, dass das BAMF tatsächlich noch heute in keinem guten Zustand ist, und weil man vor den Jahren 2015/2016 manchmal den Eindruck haben musste – Herr Bartsch hat das gerade richtig ausgeführt –, die machen das mit Absicht, dass dieses Ding nicht richtig funktioniert, dann muss man sagen: Ja, das sollte aufgeklärt werden, und zwar jetzt und schnell. Ab 2015 sollte es nur noch schnell gehen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Zielvorgaben bekommen. Immer gab es neue Prioritäten. Das waren politische Entscheidungen der Großen Koalition, die dazu geführt haben. Das muss abgestellt werden, und zwar sehr grundsätzlich, meine Damen und Herren. Herr Lindner, jetzt fragen Sie ja, warum wir eigentlich keinen PUA wollen. Das ist eine ganz einfache Sache: weil wir finden, dass unsere Aufklärungsstrategie die bessere, die schnellere und die vernünftigere ist. Sie ist nämlich nicht populistisch. Die ersten Antworten liegen bereits auf dem Tisch, weil meine Kollegin Luise Amtsberg gefragt hat und über 50 Fragen mit über 50 Antworten versehen worden sind. Daran sehen Sie, dass es geht. So machen wir das übrigens schon seit Jahren hier in diesem Parlament, gemeinsam mit der Linken. Wir sagen: „Die Missstände müssen aufgeklärt werden“, und machen Vorschläge, wie das geht; denn genau das ist der Punkt. Meine Damen und Herren von der FDP, Sie können sich ganz sicher sein: Wenn gemauert wird in der Bundesregierung, wenn da nicht aufgeklärt wird, wenn Unterlagen nicht eingesehen werden können und manche Frage, die wir an die Bundesregierung stellen, vielleicht dann doch wieder so beantwortet wird, wie wir es manchmal in der letzten Legislaturperiode erlebt haben, nämlich nicht, dann reden wir gern mit Ihnen. Aber wir reden mit Ihnen über einen vernünftigen Untersuchungsauftrag und nicht über das, was Sie jetzt hier machen. Ich weiß, das hören Sie nicht gern – das hört auch der geschätzte Herr Kollege Thomae nicht gern –: Ihre Analyse und Ihre Ausrichtung teilen wir dezidiert nicht. Wenn Sie sich in die Reihe derjenigen stellen und sich denjenigen anschließen, die behaupten, es habe einen Rechtsbruch gegeben und es sei zu einer Grenzöffnung gekommen, dann empfehle ich Ihnen, genauso wie Beatrix von Storch: Lesen Sie wenigstens mal den Verfassungsblog. Lesen Sie die Debatte, die wir hier hatten, nach. Nein, das war kein Rechtsbruch; das war das, was wir in Europa gemeinsam haben – das ist eine echte Errungenschaft, meine Damen und Herren. Das erwarte ich von Ihnen, dass Sie da umschwenken. Eines wundert mich dann doch, Herr Lindner: dass Ihr Aufklärungswille erst mit dem Jahr 2014 beginnt. Da war doch auch irgendwas davor. Da waren Sie an der Regierung beteiligt. 2011 war der Arabische Frühling. Im gleichen Jahr sagte Innenminister Friedrich noch: Italien muss sein Flüchtlingsproblem selber regeln. 2012 hat die schwarz-gelbe Bundesregierung die Zahl der Stellen im BAMF erhöht. Um wie viel? Um 32 Stellen. Oder erinnern Sie sich an das Jahr 2013: Die Bürgermeisterin von Lampedusa sprach von ihrer Insel als dem größten Friedhof Europas. Meine Damen und Herren von der FDP, ich finde, Sie bleiben die Antwort auf die Frage schuldig: Was hätten eigentlich Sie gemacht im Jahr 2015, und was hätten Sie davor, in Ihrer Regierungszeit, besser machen können? Deswegen ganz klar und ganz eindeutig: Lassen Sie uns als Demokratinnen und Demokraten in diesem Hause gemeinsam dem Wahnsinn der AfD entgegenstellen, die das Land spalten will. Die wollen keinen Untersuchungsausschuss, die wollen auch keine Aufklärung. Die wollen ein Tribunal, und zwar ein Tribunal gegen die Menschlichkeit und die Solidarität in diesem Land. Das werden wir nicht mitmachen, ganz klar und ganz eindeutig. Dazu, hoffe ich, habe ich auch Sie an meiner Seite. Die nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Frauke Petry.
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Stephan Albani CDU/CSU
Stephan
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir sind mitten in einer globalen Pandemie. Wir haben weltweit 2,3 Millionen tote Menschen zu beklagen, davon 64 000 Tote allein in Deutschland. Menschen, die wir schmerzlich vermissen, die nicht mehr Teil unserer Familien sind, die eine schmerzliche Lücke hinterlassen. Aber auch die langfristigen Schäden einer überwundenen SARS-CoV-2-Infektion können gravierend sein. Dazu gehören sowohl Lungenschäden als auch Kurzatmigkeit, neurologische Schäden bis hin zum Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn. Unsere Kinder leiden unter den Kontaktbeschränkungen und Einschränkungen, weil sie ihre Freunde nicht mehr treffen können. Kurzum: Die Auswirkungen dieser Pandemie sind gravierend und werfen einen großen, dunklen Schatten auf unser Land. Doch es gibt einen Weg, der aus dieser Krise hinausführt. Dieser Weg wird uns bereitet von klugen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Er basiert auf wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnissen und daraus entwickelten Technologien. Ja, die Entscheidungen, die aus diesen Erkenntnissen gezogen werden, obliegen der Politik. Aber für mich, der ich als Wissenschaftler mein halbes Leben für die evidenzbasierte Medizin gearbeitet habe und dies nun für die evidenzbasierte Politik tue, ist es wichtig, zu betonen, dass die Grundlage der Entscheidungen wissenschaftliche Erkenntnisse sind: sowohl für die Verhaltensmaßnahmen als auch für die medikamentöse Bekämpfung. Die beiden BioNTech-Gründer haben im Januar 2020 die globale Gefahr des SARS-CoV-2 erkannt und haben ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert und Ressourcen mobilisiert, um in die Impfstoffentwicklung einzusteigen. Gleiches gilt für CureVac, die ebenfalls früh erkannt haben, welche Gefahr in diesem Virus steckt. Diese Weitsicht hat zu einem wirksamen und sicheren Impfstoff auf der Basis der messenger-RNA-Technologie binnen eines Jahres geführt. Der Erfolg war keineswegs sicher, da die messenger-RNA-Technologie bisher noch nicht im Einsatz war. Eigentlich war das Ziel von BioNTech ursprünglich die Krebsimmuntherapie, und ich weiß noch, wie intensiv die Diskussion hier war, ob dieser Ansatz schlussendlich erfolgreich sein wird. Wir haben dort noch viel zu erwarten. Hier gelang nun ein enormer technologischer Durchbruch, für den ich dankbar bin. Und wir alle sind dankbar und froh, dass er in Deutschland von talentierten und klugen Spitzenforscherinnen und ‑forschern erreicht wurde. Obgleich die Entwicklung des Impfstoffs innerhalb kurzer Zeit gelang, hat die Forschung an der messenger-RNA-Technologie eine lange Vorgeschichte. Es liegt mir als Wissenschaftler nun wirklich völlig fern, die Politik für etwas zu loben, was ihr in diesem Bereich nicht zusteht. Insofern beziehe ich mich auf die Bewertungen der Geschäftsleitung von BioNTech beim Gespräch in unserer Arbeitsgruppe: Es war auch und insbesondere – nach deren Aussage – die frühzeitige öffentliche Förderung, die die Forschung ermöglichte. Insofern ist es zulässig, zu sagen, dass dieser Erfolg ein Erfolg der Forschungspolitik und der Förderung von Spitzenforschung in den letzten 15 Jahren in Deutschland ist. – Bei 20 bist du dabei. – Wir arbeiten intensiv und seit Langem dafür, dass wissenschaftliche Durchbrüche zu wirksamen Ergebnissen für die Menschen führen. Nachhaltig und langfristig bohren wir diese dicken Bretter beharrlich weiter, in allen Technologiebereichen und eben halt auch in der Biotechnologie, zu der die Gentechnik gehört. BioNTech wurde bereits in der Gründungsphase, 2009, durch die Gründungsoffensive Biotechnologie, GO-Bio, gefördert. Die Gründungsoffensive fördert in der Frühphase die Gründung von Unternehmen aus den Lebenswissenschaften. Ebenfalls war BioNTech eingebettet in die Förderung von Clustern zur Vernetzung von Unternehmen und Hochschulen; beim sogenannten Cluster für Individualisierte ImmunIntervention, Ci3, wirkte diese Firma mit. Das führte zu weiteren Erfolgen. BioNTech wurde am Ende durch die öffentliche Hand mit 375 Millionen Euro, CureVac mit 252 Millionen Euro gefördert. Wir haben damit ein exzellentes Umfeld geschaffen für weitere technologische und wissenschaftliche Durchbrüche. Neben der Anerkennung der klugen Köpfe in diesem Land und der Forschungspolitik in den letzten 15 Jahren dürfen wir aber auch die Rolle der Unternehmer nicht vergessen, die an entscheidender Stelle das Potenzial dieser Technologie erkannt haben. Dietmar Hopp bei CureVac und die Gebrüder Strüngmann bei BioNTech haben hier Wichtiges geleistet. Sie müssen noch Nachahmer finden; denn von den 6,3 Milliarden Euro an Risikokapital für deutsche Start-ups gehen bisher nur 1,5 Prozent in den Biotech-Bereich. Unser Ziel muss es sein, dass mehr Corporate-Venture-Fonds und Frühphasen-Geldgeber in die Biotechnologie gehen. Ich hoffe, der Erfolg von CureVac und BioNTech wird hierfür den Weg bahnen. Hier zeigt sich, dass unsere Bemühungen, den Innovationsstandort Deutschland attraktiver zu machen und zu stärken, noch nicht abgeschlossen sind. So haben in Deutschland gerade viele Start-ups in der Skalierungsphase Probleme. Daher haben wir im November 2019 10 Milliarden Euro in einem entsprechenden Zukunftsfonds installiert, der über den Haushalt 2021 finanziert worden ist. Wie Sie sehen, fallen gute Ergebnisse nicht einfach vom Himmel, sondern sind das Ergebnis langer, nachhaltiger Unionspolitik, die auf die Förderung von Spitzenforscherinnen und Spitzenforschern, exzellenten Universitäten und großen Forschungseinrichtungen setzt. Insofern an dieser Stelle: Ihr Antrag vom November letzten Jahres kommt hier etwas zu spät. Wir sind da schon weiter. So fasse ich zusammen: Wir sehen in der erfolgreichen Impfstoffentwicklung im letzten Jahr ein hervorragendes Beispiel, wozu Menschen fähig sind, wenn alle zusammenarbeiten, wenn wir uns gemeinsam anstrengen, wenn den klügsten Köpfen die Mittel zur Verfügung gestellt werden, die sie zur Verwirklichung ihrer Ideen brauchen. Wir tun dies in der großen Palette zukunftsorientierter Technologien und eben auch und bereits erfolgreich im Bereich der Biotechnologien. Damit sind wir auch in der Lage, so etwas wie Corona zu besiegen. Herzlichen Dank. Vielen Dank. – Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass wir noch einen langen Abend vor uns haben, und bitte, die Redezeiten einzuhalten. Als Nächstes geht das Wort an Dr. Götz Frömming von der AfD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann FDP
Marie-Agnes
Strack-Zimmermann
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der aktuellen Debatte zur Bundeswehr habe ich mit Spannung darauf gewartet, was die Frau Bundeskanzlerin uns heute zu erzählen hat. Sie hat immerhin 38,4 Sekunden dafür verwendet, um der Bundeswehr zu danken – das ist die gute Nachricht – und um zu sagen, dass es mehr Geld gibt, was auch sehr erfreulich ist. Offensichtlich ist endlich im Kanzleramt angekommen, dass dringend gehandelt werden muss; denn das war bei Frau Merkel bisher, bei allem Respekt, nie populär. Um im Bild zu bleiben: Sie ist immer schön in Deckung geblieben. Wir von den Freien Demokraten erwarten, dass die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland nicht nur ihre Verteidigungsministerin vorschickt, sondern dass sie selber eine ganz klare Aussage macht, wohin sie mit der Bundeswehr will, was sie will. Meine Damen und Herren, es geht um 179 345 Soldatinnen und Soldaten, die in ganz vielen Bereichen eingesetzt sind. Es geht darum, wohin wir sie schicken, aber auch darum, unter welchen Bedingungen sie hier vor Ort arbeiten. Es ist geradezu absurd, wenn Soldatinnen und Soldaten von Mali aus nach Hause wollen und das Flugzeug nicht abhebt. Was ist das für ein Bild von uns in der Welt? Es geht aber auch um die vermeintlich kleinen, persönlichen Dinge. Wie erklären Sie, dass die Weihnachtspost erst im Januar ankommt, nur weil Bürokratie und Zoll die Zustellung verhindern? Oder ist es nicht völlig absurd, dass Soldatinnen und Soldaten privat im Adventure Shop ihres Vertrauens Schutzausrüstung und Bekleidung kaufen müssen, weil die Bundeswehr nicht mehr in der Lage ist, ihnen das geeignete Material zukommen zu lassen? Wenn wir wollen, dass die Bundeswehr attraktiv ist, und sie mit entsprechend Personal ausstatten wollen, dann müssen wir an dieser Stelle Gas geben. Einsatzbereitschaft bedeutet Attraktivität. Dazu gehören nicht nur Worte, sondern auch Material und eine Bundesregierung, die das mit aller Ernsthaftigkeit durchsetzt. Heute gab es eine Regierungserklärung. Das heißt, heute wurde die Lippe gespitzt, und wir werden darauf achten, dass auch gepfiffen wird. Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Frau Ministerin, Sie haben bedauerlicherweise der kompletten Bundeswehr ein Haltungsproblem vorgeworfen. Ich weiß nicht, wie Sie das dadurch verlorengegangene Vertrauen je wiedergewinnen wollen. Aber eines ist klar: Die Bundeswehr ist ein Teil dieser Gesellschaft, so wie dieses Parlament. Es gibt zwar Probleme, aber die allermeisten sind Gott sei Dank hervorragende und anständige Menschen. Angesichts der Debattenbeiträge der einen oder anderen Partei heute hier im Parlament könnte man der Logik zufolge glauben, dass auch der ganze Bundestag ein Haltungsproblem hat; aber dem ist nicht so. Meine Damen und Herren, die FDP dringt darauf, dass hier etwas passiert. Ich sage bewusst zur CDU/CSU und zur SPD: Sie hatten jahrelang Zeit. Jetzt jubeln Sie und sagen, entsprechend handeln zu wollen. Wir werden Sie daran messen, ob Sie Ihre Vorhaben umsetzen. Nur das gilt. Vielen Dank. – Jetzt kommt Wolfgang Hellmich für die SPD.
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Helge Lindh SPD
Helge
Lindh
SPD
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herrschaften von der AfD, wer mit dem nationalistischen russischen Regime und den dortigen Energieerpressern fraternisiert wie Sie, der sollte angesichts der Energienot bei Kultur und Medien eines tun: beschämt das Haupt senken und einfach die Klappe halten. Das war nämlich der Gipfel der Scheinheiligkeit Ihrerseits. Wer, liebe Kolleginnen und Kollegen, gesellschaftlichen Fortschritt und Modernität nicht nur als technologischen Fortschritt begreift, der will und braucht starke Kultur und starke Medien. Weil das so ist, ist jetzt der Moment gekommen, dankzusagen, insbesondere den Kulturschaffenden, die nicht nur in den aktuellen Krisen, sondern seit Jahrzehnten oft unter prekären Arbeitsbedingungen genau das tun, nämlich in diesem Labor gesellschaftlicher Modernität arbeiten, sehr innovative Formen der Solidarität und Kollaboration finden und dabei eben nicht lamentieren, sondern handeln. Danke Ihnen, danke euch für diese Arbeit – ja, das ist Arbeit! Deshalb ist das, was wir tun, eben keine Wohltätigkeit, kein Almosen und auch kein Mäzenatentum, sondern es ist schlicht Pflicht – eine Pflicht, die aus dem deutschen Sozialstaat und Kulturstaat erwächst. Deshalb halte ich es für angebracht, dass wir, wenn wir zu Recht von kommunaler Daseinsvorsorge sprechen – darüber sprechen wir viel zu selten –, auch von kultureller Daseinsvorsorge sprechen; darum geht es. Es geht nicht um ein Add-on, ein Ornament, sondern es geht um das Elementare. Wenn wir den vorsorgenden Sozialstaat beschwören – wir sollten ihn heutzutage viel mehr beschwören –, dann, finde ich, sollten wir auch vom vorsorgenden Kulturstaat sprechen; so wichtig ist die Frage, von der wir sprechen. Deshalb ist es eine gute Nachricht, dass die Mittel für den Kulturhaushalt wiederum gestiegen sind, stabilisiert werden konnten, gerade in der Krise und in der Situation des Sparens. Größten Respekt schulden wir dem Finanzminister, dem Kanzler und auch der Staatsministerin, dass sie es unbürokratisch möglich gemacht haben, dass ungefähr 1 Milliarde Euro aus dem Sonderfonds eingesetzt werden kann für Energienot im Bereich Kultur und Medien. Wenn es uns dann auch noch gelingt, das im Zusammenspiel mit Kommunen und Ländern mit einer gewissen bürokratischen Enthaltsamkeit und administrativen Diät umzusetzen, dann ist den Betroffenen noch mehr geholfen. Dabei geht es nicht nur um professionelle Kulturschaffende, sondern auch um den ganzen Bereich der Amateurkunst, der Chöre, der Kulturvereine, all der vielen, für die die Bedrohung durch die Energiekrise eine essenzielle Bedrohung ist. Wenn wir – das erlaube ich mir auch zu sagen – kulturellen Fortschritt wollen, der weit mehr ist als das Aufzählen kultureller Tanker – wie ich es in einigen konservativen Kulturreden vernommen habe –, dann ist das gerade nicht der Syllogismus, also der logische Dreisatz, den Herr Merz vorhin präsentiert hat. Der ging ungefähr folgendermaßen: Staat ist Marktwirtschaft, ich bin die Marktwirtschaft, ergo bin ich der Staat – „L’État, c’est moi“. Das ist aber kein kultureller Fortschritt, das ist auch keine Politik, das ist Abwesenheit von Politik. Wo ist da Ernst? Wo ist die Bevölkerung? Und wo ist da eine Idee? Ich entdecke sie nicht. Deshalb wollen wir Kultur und Medienpolitik mit einer Idee und mit der Bevölkerung, wir wollen den vorsorgenden Kultur- und Sozialstaat, in dem das, was die Kulturschaffenden leisten, begriffen wird als das, was es ist: harte gesellschaftliche und kulturelle Arbeit, die auch der entsprechenden Absicherung und Unterstützung bedarf. Wir sind gefordert, das nicht nur jetzt in der Krise, sondern auch künftig sicherzustellen und uns an den Kulturschaffenden, die nicht lamentiert haben, über Jahrzehnte, sondern gehandelt haben, ein Beispiel zu nehmen. Was aber nicht sein kann ist – auch das ist ein Appell an konservative Fiskalpolitik –: dass reiche Kommunen und wohlhabende Menschen, die dort wohnen, sich Kultur leisten können, – Herr Kollege. – aber in armen Kommunen Kultur zum Luxus wird. Das ist zutiefst unsozial, ja, das ist buchstäblich asozial, nämlich gesellschaftsschädigend. Vielen Dank. Erhard Grundl hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
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Roman Müller-Böhm FDP
Roman
Müller-Böhm
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wahrscheinlich kennt diese Situation jeder hier in diesem Hause: Man kommt in ein Hotel, tritt an die Rezeption, und zunächst wird man erst mal gebeten, den Meldeschein auszufüllen. Dies ist gerade in Urlaubszeiten, wenn nicht nur man selbst an der Rezeption steht, sondern wahrscheinlich auch viele weitere Touristen anstehen, eine durchaus lästige und nervige Prozedur. Es bilden sich lange Warteschlangen, und so ist der Urlaubsbeginn oftmals eben nicht direkt von schönen Eindrücken geprägt, sondern erst mal von lästiger Bürokratie. Diese Prozedur ist nicht nur nervig, sondern im Grunde auch überflüssig. Die Ermittlungsbehörden – das wurde ja gerade auch schon gesagt – haben nur bei einem wirklich extrem verschwindend kleinen Anteil dieser Meldescheine tatsächliche Ermittlungserfolge erzielen können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da stimmt dann das Verhältnis nicht mehr, und deswegen müssen wir daran etwas ändern. Eine der vielen Erkenntnisse aus der Coronakrise ist, dass unser Land gerade in alltäglichen Situationen vergleichsweise schlecht digitalisiert ist. Das haben wir nicht nur heute Mittag bei der Beratung der Datenstrategie gesehen, sondern das sehen wir auch bei dem jetzigen Thema, dem Meldeschein in Beherbergungsstätten. Dies erscheint umso verwunderlicher, wenn man sich Beispiele wie unser Nachbarland Österreich anschaut, das bereits erfolgreich eine funktionierende digitale Meldestruktur erschaffen hat. Damit ist es, offen gesagt, wirklich eine Farce, liebe Bundesregierung, wenn Sie jetzt nur wieder eine Pilotphase für zwei Jahre beschließen wollen, statt tatsächlich mal Politik für das Jahr 2021 zu machen. Durch die Änderungen im Bundesmeldegesetz im Herbst 2019 hat die Bundesregierung versucht, erste Ansätze eines digitalen Ersatzes für einen Meldeschein vorzunehmen. Genauer gesagt: Es wurden in § 29 Absatz 5 Bundesmeldegesetz drei Möglichkeiten geschaffen, Meldedaten elektronisch zu erfassen: durch Nutzung der Kartenzahlung, durch Nutzung der eID-Funktion des Personalausweises oder durch das Auslesen des Personalausweises vor Ort. Tatsache ist aber: Diese Funktionen werden nicht genutzt, und damit ist es im Endeffekt genau das Gleiche wie vorher. Für keinen der Reisenden hat es irgendeine Erleichterung gebracht, und auch die Hotellerie ist weiterhin geplagt von diesem enormen bürokratischen Aufwand. Das versucht die Bundesregierung nun abermals zu ändern, indem sie möchte, dass Betreiber von Hotellerie und Beherbergungsstätten ein Verfahren entwickeln und Anträge stellen können, um Pilotprojekte beim Bundesinnenministerium anzumelden. Dazu muss ich sagen: Grundsätzlich gehen diese Bemühungen ja in die richtige Richtung. Aber ich frage Sie ganz direkt: Warum sollten die Hoteliers das denn machen, wenn in zwei Jahren wieder eine neue Regelung kommt? Das heißt, dann sind wieder nur die Mühen und Arbeit umsonst gewesen. Also habe ich eine bessere Idee: Stimmen Sie heute dem Antrag der FDP zu! Statten wir jetzt bereits Hoteliers mit den Möglichkeiten aus, eine digitale Meldestruktur einzurichten, die dauerhaft von Bestand ist. Herzlichen Dank. Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Ulla Jelpke das Wort.
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Markus Herbrand FDP
Markus
Herbrand
FDP
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut die FDP, dass die brachliegende Bekämpfung von Sozialleistungsbetrug, Schwarzarbeit und Lohnausbeutung endlich aufgegriffen wird. Dabei denke ich nicht nur an den strikten Umgang mit der Kindergeldabzocke, bei der mühsam erarbeitetes Steuergeld der Steuerzahler für Kinder, die es nicht gibt, ausgegeben wird. Auch der Kampf gegen den sogenannten Arbeiterstrich, bei dem die Arbeitskraft der Schwächeren in unserer Gesellschaft auf niederträchtige Weise ausgebeutet wird, wird angegangen. Das ist gut so. Es ist eigentlich schon bizarr, dass das SPD-geführte Finanzministerium dazu erst jetzt aktiv wird. Aber das Gesetz bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück. Es geht nämlich nicht nur darum, mehr Leute beim Zoll einzustellen. Es geht vielmehr darum, auch strukturell dafür zu sorgen, dass der Zoll seiner Arbeit sachgerecht nachgehen kann. In den vergangenen Jahren sind immer mehr Aufgaben – manchmal aus nachvollziehbaren Gründen, manchmal aus weniger nachvollziehbaren Gründen – den Zöllnerinnen und Zöllnern übertragen worden. Deshalb stimmt: Der Zoll braucht mehr Mitarbeiter. Es ist aber – das möchte ich hier auch in aller Deutlichkeit betonen – grundfalsch, andere Möglichkeiten brachliegen zu lassen, die dem Zoll seine Arbeit erleichtern würden. Sehr geehrte Damen und Herren, damit sind wir beim Thema Digitalisierung und somit auch bei dem grundsätzlichen Problem, weshalb dieser Gesetzentwurf hinter seinen Möglichkeiten bleibt. Die IT-Programme, mit denen die Zöllner arbeiten, sind zum Teil steinalt. Bei Kontrollen laufen sie mit Klemmordnern herum und müssen handschriftlich Daten aufnehmen, um die gleichen Daten dann später mühsam in Programme einzuspeisen, die mit anderen Programmen der Verwaltung nicht kompatibel sind. Das ist einfach kein Zustand. Auch nach den geplanten technischen Fortschritten im Rahmen des Gesetzes jagt der Zoll Verbrecher zum Teil noch wie in der Steinzeit. Das sieht man zum Beispiel an der Schweizer Grenze, wo im vergangenen Jahr 17 Millionen Umsatzsteuerrückerstattungen vom Zoll per Hand erstellt werden mussten, weil keine IT bereitgestellt wird. Das Finanzministerium hat vom Normenkontrollrat in unüblich deutlichen Worten einen Rüffel dafür erhalten, dass die durch das Gesetz entstehenden Kosten nicht transparent dargestellt wurden. Das ist eine große Blamage. Genau aus diesem Grund ist es auch eine herbe Enttäuschung, dass Sie mit dem Gesetz neue Doppelstrukturen aufbauen. Wir wollten dies ändern. Unseren Entschließungsantrag hierzu hat die Große Koalition aber ohne jedwede Begründung abgelehnt. Ich möchte noch einmal an alle appellieren, sich endlich mehr mit bürokratischen Folgekosten, die Gesetze immer mit sich bringen, zu beschäftigen. Es gehört zu unserer Verantwortung, Gesetze effizient auszugestalten. Geschätzte Kollegen, wir haben Sympathien für die Forderungen im vorliegenden Gesetzentwurf, und wir tragen die grundlegende Stoßrichtung mit. Wegen der genannten Schwachpunkte und auch, weil nicht sämtliche Bedenken hinsichtlich möglicher unverhältnismäßiger Eingriffe in die Grundrechte ausgeräumt wurden, werden wir uns aber enthalten. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Markus Herbrand. – Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Jörg Cezanne.
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Eckhardt Rehberg CDU/CSU
Eckhardt
Rehberg
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Kleinwächter, ich gönne es Ihnen, dass Sie diese Krankheit gut überstanden haben. Aber wie hätten Sie geredet, wenn der Verlauf schwerwiegender – Beatmungsgerät, Koma, Langzeitfolgen – gewesen wäre? Wie hätten Sie dann hier an diesem Pult geredet? Herr Kleinwächter, ich finde das respektlos gegenüber denjenigen, die nicht so viel Glück gehabt haben wie Sie. Ich finde das einfach respektlos! Kollege Dürr, Sie haben von der Entlastung der Mitte der Gesellschaft gesprochen. Ich gucke jetzt mal in Ihr sogenanntes Strategiepapier rein: „Abschmelzen des Zuschusses des Bundes in die Rentenkasse für eine Rücknahme der Rente mit 63“, „Ablehnung der Mütterrente II“, „Streichung des Baukindergelds“. Beim Thema Baukindergeld kann ich Ihnen nur sagen: Ich bin froh, dass es das in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Alleine in meinem Dorf wohnen mehrere junge Familien, die mit dem Baukindergeld ältere Häuser gekauft und saniert haben; deswegen konnten sie es sich leisten. Diese jungen Familien sind in den ländlichen Raum gezogen. Das hat an dieser Stelle mitgetragen. Die Spitze des Eisbergs bei Ihnen ist wirklich – ich wiederhole das, was ich am Dienstag gesagt habe – die regulierte Freigabe von Cannabis für den selbstbestimmten und verantwortungsvollen Konsum. Das Motto ist: „Kiffen gegen Schulden“, Herr Kollege Dürr. Im Unterschied zu Ihnen haben wir als Große Koalition die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Unternehmen in dieser Legislaturperiode mit 60 Milliarden Euro entlastet. Alleine zum 1. Januar 2021 kommt es zur hälftigen Abschaffung des Soli, zur Kindergelderhöhung, zum weiteren Abbau der kalten Progression und zur Verschiebung des Steuertarifs, was noch einmal 17 Milliarden Euro ausmacht. Das und nicht das, was Sie sich in Ihrem Strategiepapier ausgedacht haben, ist unsere Politik für die Entlastung der Mitte der Gesellschaft. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema der Woche hier im Deutschen Bundestag scheint gewesen zu sein – davor waren auch die eigenen Fraktionen nicht gefeit –: Der Bund ist für alles zuständig. – Frau Hendricks hat vorhin ja die richtigen Fragen an den Kollegen Dürr gestellt. Gucken Sie sich mal Artikel 28 Grundgesetz an. Kollege Dürr und auch allen anderen Kolleginnen und Kollegen rate ich mal, sich die finanzielle Entlastung von Ländern und Kommunen durch den Bund im Bundesrechnungshofbericht anzugucken; die Übersicht wird dieses Jahr wiederkommen. 85 Milliarden Euro Entlastung in 2020! Ich will aber auf was ganz anderes hinaus. Sie haben den DigitalPakt Schule beklagt und machen den Bund für alles verantwortlich. Am 17. Mai letzten Jahres gab es eine Verwaltungsvereinbarung, und ich sage Ihnen: Ich kenne an der Stelle kompliziertere Verwaltungsvereinbarungen. Es muss aber mal die Frage gestellt werden: Was für eine Verantwortung haben denn die Empfänger dafür, dass das Geld abgerufen wird, das in diesem DigitalPakt Schule für die Länder bereitgestellt wurde? Es sind nur 16 Millionen Euro abgerufen worden. Diese Verantwortung liegt an dieser Stelle doch nicht mehr beim Bund, sondern bei den Ländern und letztendlich auch bei den Schulträgern. Ich finde, wir können hier nicht alles auf den Bund schieben. Herr Rehberg, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von Christian Dürr? Aber gerne. Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich habe die Bund-Länder-Vereinbarung einfach dabei, die Herr Kollege Rehberg gerade angesprochen hat. – Ich will Ihnen nur ganz kurz sagen, was dort steht. Dort steht, dass die „Ausgaben für Betrieb, Wartung und IT-Support der geförderten Infrastruktur nicht förderfähig“ sind. Das, was die Schulen eigentlich brauchen, ist also nicht förderfähig. Das haben Bund und Länder gemeinsam verabschiedet. Und wissen Sie, was da noch steht? Da steht, dass gleichzeitig ein Konzept für den IT-Support und die Durchführung der Maßnahmen notwendig ist. Mit anderen Worten: Sie verlangen von den Schulen etwas, was überhaupt gar nicht förderfähig ist. – Ja, die Länder haben das mit unterschrieben. Wir als Freie Demokraten haben Ihnen, Frau Hendricks, gemeinsamen mit den Kollegen der Grünen bereits bei der Grundgesetzänderung gesagt, dass genau das das Problem sein wird, weswegen die Mittel nicht abfließen werden. Diese Voraussage haben Grüne und FDP damals getroffen. Jetzt ist es eingetreten, und jetzt kommt von Ihnen wieder eine Rede nach dem Motto: Ist nicht meine Abteilung. Das erzählen Sie den Familien in Deutschland. Um das in aller Klarheit zu sagen: Dafür, was Sie hier abziehen, hat keiner mehr Verständnis, Herr Kollege Rehberg. Herr Rehberg, bitte. Herr Dürr, gerade mit Ihrer Argumentation sorgen Sie mit dafür, dass sich die Länder an der Stelle hinter dem Bund verstecken. Wir haben eine verteilte Verantwortung – Stichwort: Föderalismus –, wir haben Steuern, wovon mittlerweile nur noch 40 Prozent beim Bund landen, und die Finanzsituation der Länder und Kommunen vor Corona sah so aus, dass massiv Überschüsse da waren. Der DigitalPakt Schule war ursprünglich nur dafür da, dass die digitale Infrastruktur zu den Schulen hinkommen und in den Schulen ausgebaut werden kann. Das war der Ansatz vom DigitalPakt Schule – nicht mehr und nicht weniger. Ich bin schon noch dafür, Herr Kollege Dürr, dass die Länder, die bis 2019 und ab 2021 wirklich eine deutlich bessere Finanzsituation als der Bund gehabt haben bzw. haben werden, an dieser Stelle ihrer Verantwortung nachkommen. Das kann wirklich nicht anders sein. Das Thema der Woche war: Der Bund ist für alles zuständig. Hier beklagen Sie, das sei alles zu bürokratisch und zu kompliziert. Wir haben jetzt einen Bundesrechnungshofbericht zum Thema „Hochschulpakt I und II“ bekommen. Ich rate jedem, sich den mal durchzulesen. Ein Krimi ist gar nichts dagegen, und ganz ehrlich: Ich hätte nicht ansatzweise vermutet, dass man auf so kreative – in Anführungsstrichen – Einfälle kommen kann. Ich stelle hier angesichts dieser Fehlverwendung und Restebildung ganz bewusst die Frage: Welche politisch-moralische Haltung gibt es in mancher Hochschule, in mancher Universität und in vielen Ländern eigentlich? Wenn ich auf der anderen Seite die Situation an vielen Hochschulen und Universitäten sehe, dann ist doch mal die Frage zu stellen: Wie halten wir es zwischen Bund, Ländern und Kommunen an dieser Stelle? – Ganz vorsichtig; das alles war noch aus der rot-grünen Zeit. Liebe Kollegin Lötzsch, beim Parteibuch immer sehr vorsichtig sein, weil sich die Versäumnisse an jeder Stelle mischen! Ich komme jetzt auch noch – Sie haben mir das Stichwort gegeben – zu Ihrer Einlassung und zu der Einlassung des Kollegen Perli zum Thema „sozialer Wohnungsbau“. Sie haben eben Horst Seehofer wieder vorgeworfen, dass in diesem Jahr nur 1 Milliarde Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung steht. Das ist ein Fake; es stehen 1,518 Milliarden Euro zur Verfügung. Was Sie und viele andere unterschlagen – genau das habe ich vermutet –, sind die 3 Milliarden Euro Kompensationsmittel im Bund-Länder-Finanzausgleich über Umsatzsteuerpunkte. Das heißt, in diesem Jahr stehen genau wie im letzten Jahr über 1,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Jetzt gucken wir doch mal, was unter Ihrer Verantwortung in Berlin gelaufen ist. Das Land Berlin hat ja nicht nur im Jahr 2004 mehrere Hunderttausend Wohnungen unter Rot-Rot privatisiert, nein, das Land Berlin hat auch zwischen den Jahren 2006 und 2012 nicht eine neue Sozialwohnung in Berlin gebaut. Frau Kollegin Lötzsch, nehmen Sie sich keinen normalen Straßenbesen, sondern einen Drahtbesen, und kehren Sie erst mal vor Ihrer eigenen linken Tür, wenn Sie über den sozialen Wohnungsbau reden. Die politische Verabredung war: Wenn der Bund Geld zur Verfügung stellt, dann komplettieren das die Länder mit 50 Prozent. Neben Bayern und Baden-Württemberg gibt es nur noch ein Bundesland, nämlich Hamburg, das diese Verabredung seit Jahren und Jahrzehnten vorbildlich erfüllt; Olaf Scholz hatte dort damals schon Verantwortung. Bei allen anderen Bundesländern ist die Kofinanzierung kleiner als 50 Prozent. Wenn ich mal auf das letzte Jahr gucke: 27 040 neue Sozialwohnungen wurden im Jahr 2018 gebaut; im Jahr 2019 waren es fast 1 500 weniger. Für die 3 Milliarden Euro, die politisch vereinbart waren, hätte man rund 46 000 neue Sozialwohnungen bauen können. Ich finde es einen Skandal – das sind alles Berichte, die die Länder geliefert haben –, dass die Länder nicht mal die Bundesmittel, die ihnen zur Verfügung gestellt worden sind, für den sozialen Wohnungsbau ausgegeben haben. Deswegen müssen wir uns grundsätzlich die Frage stellen, wie die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen sein können und müssen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zu einem der Kernprobleme in der Diskussion in dieser Woche: die Summe von 85 Milliarden Euro. In 2020 sind daraus durch die Übernahme der Gewerbesteuerausfälle und durch die Übernahme der KdU rund 100 Milliarden Euro geworden. Wenn Mittel in der Größenordnung von einem Fünftel des Bundeshaushaltes an Länder und Kommunen gehen und sie nicht für unsere eigenen originären Aufgaben zur Verfügung stehen, dann, glaube ich, ist es unsere Gesamtverantwortung in diesem Haus, nicht ständig darauf zu verweisen, dass der Bund für alles zuständig sei. Vielmehr ist darauf zu verweisen, wer wirklich für Schulen, Hochschulen, Kitas usw. zuständig ist. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Eckhardt Rehberg. – Nächster Redner: Marco Bülow.
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Dr.
Dr. Matthias Bartke SPD
Matthias
Bartke
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Politische Entscheidungsträger müssen sich heute ganz anders legitimieren, als das früher der Fall war. Die guten alten Zeiten waren nämlich nicht so gut, wie viele immer noch meinen. Sie waren vor allem deutlich intransparenter. Heute gilt: Transparenz ist erste Politikerpflicht. Denn Transparenz im Parlamentsbetrieb heißt: Es geht um die Legitimation des Gesetzgebungsprozesses. Deswegen nehmen wir die bestehenden Regeln in den Blick und ergänzen sie dort, wo es notwendig ist. Einen wichtigen Schritt in diese Richtung machen wir mit den vorliegenden Entwürfen: Wir ergänzen einen Teil der Transparenzregeln für Bundestagsabgeordnete; wir führen neue Sanktionierungen mit Ordnungsgeldern ein. Die wichtigste Sanktionierung gilt bei Verstößen gegen die Anzeigepflicht von Spenden und bei Verstößen gegen das Annahmeverbot von unzulässigen Zuwendungen und anderen Vermögensvorteilen. Damit setzen wir eine Empfehlung der GRECO um. Die GRECO ist die Staatengruppe gegen Korruption des Europarates. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kommende Jahr ist ein Wahljahr. Ein Ordnungsgeld kann künftig auch für den Einsatz von Abgeordnetenmitarbeitern im Wahlkampf verhängt werden. Es kann bis zur Hälfte einer Abgeordnetendiät betragen – einer Abgeordnetenjahresdiät, wohlgemerkt. Das Bundesverfassungsgericht hat ein solches Sanktionssystem bereits 2017 eingefordert. Man kann sagen: Höchste Zeit, dass wir das umsetzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die von uns jetzt vorgenommenen Rechtsänderungen sind wichtig und notwendig. Aber lassen Sie mich durchaus selbstkritisch sagen: Es stimmt schon nachdenklich, dass wir in Sachen Transparenz immer nur nach Empfehlung und Aufforderung tätig werden; der Kollege Oppermann hat es zutreffend erwähnt. Es gibt tatsächlich noch einige Punkte, über die wir miteinander reden müssen. Wie wir alle wissen, hat es in der Vergangenheit einen Fall gegeben, den Fall des Kollegen Amthor, bei dem dieser für seine Lobbyarbeit Aktienoptionen erhalten hat. Legal, aber ganz sicher nicht legitim. Der Fall zeigt, dass wir unbedingt eine Anzeigepflicht für Aktienoptionen brauchen. Auch müssen wir über die Lobbyarbeit neben dem Mandat reden. Es kann nicht sein, dass Abgeordnete Kapital aus der Mandatsausübung schlagen. Auch der Besitz von Aktien muss strenger reguliert werden. Beteiligungen an Aktiengesellschaften sind nach geltender Rechtslage erst ab 25 Prozent anzeigepflichtig. Dieser Schwellenwert ist viel zu hoch. Bei kleinen Aktiengesellschaften wird er schnell erreicht, bei größeren fast nie. Aber die Beteiligung an größeren Aktiengesellschaften ist sicherlich profitabler. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach § 6 der Verhaltensregeln müssen Abgeordnete vor dem Beginn einer Ausschusssitzung ihre Befangenheit wegen bestehender Interessenkonflikte bekannt geben. Sie können sich vorstellen, wie häufig das praktiziert wird. Richtig: fast nie. Nicht, weil es keine Interessenkonflikte gibt, sondern weil alle denken, sie seien gar nicht befangen. Ich finde, auch hier sollten wir nachbessern und konkretisieren. Vergangenen Donnerstag hatten wir eine spannende Ausschussanhörung zum geplanten Lobbyregistergesetz. Auch das Lobbyregister wird Licht in das Dunkel der Interessenvertretung bei der Gesetzgebung bringen. – Herr Toncar, selbst die FDP ist mittlerweile dafür. Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Ich glaube, man kann insgesamt sagen: Die Zeichen stehen auf Transparenz. Ich danke Ihnen. Ich schließe die Aussprache.
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Hilde Mattheis SPD
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Mattheis
SPD
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem die beiden Vorredner ja schon die entsprechenden Punkte angesprochen haben, will ich mal die lange Linie aufzeigen, die von der AfD seit Bestehen der Coronapandemie gezogen worden ist: Für die AfD gab es erst gar kein Corona, dann plötzlich doch. Dann war der Lockdown nicht hart genug, nun dauert er viel zu lange. Erst waren die Impfstoffe alle gefährlich. Nun kann es mit dem Verimpfen gar nicht schnell genug gehen. Gestern sollten wir den Lockdown sofort komplett beenden. Jetzt sagen Sie: Die pandemische Lage ist so, dass die Risikogruppen aber doch besser geschützt werden sollten. – Der letzte Satz von Herrn Schneider war: „Wir fordern ein Ende des Lockdowns ...“ Ja, was denn nun? Mit dem vorliegenden Antrag für die Testungen mit Corona-Antikörpertests setzt die AfD dieses Schema jetzt fort. Zum Thema Antikörperschnelltest sagte einer Ihrer Redner in der vergangenen Woche, dass es bei diesen Tests zwei Probleme gäbe, nämlich dass sie erstens trotz Infektion manchmal negativ ausfallen würden und zweitens manchmal ein falsch positives Testergebnis aufgrund einer früheren, anderen Coronaerkrankung zeigen würde. Irgendwie müssen Sie sich mal ein bisschen einig werden. Es hilft nicht, dass unterschiedliche Rednerinnen und Redner hier unterschiedliche Thesen vertreten. Vielmehr führen die Behauptungen der AfD dazu, dass wir alle den Eindruck haben: Es geht Ihnen nicht um die Sache; es geht Ihnen um die Polemik. Nur eine Woche nach der von mir dargestellten Rede kommt jetzt die Hundertachtziggradwende der AfD. Sie schreibt plötzlich, dass alle Bedenken gegen Antikörpertests weggewischt werden können. Sie fordert nun, diese massenhaft in der Bevölkerung zu verteilen, um die Herdenimmunität zu prüfen und in der Folge Menschen Impfungen zu verweigern. Nun sind die Tests, die in der Plenarwoche im Februar noch als riskant und unsicher dargestellt wurden, Anfang März plötzlich das Allheilmittel, und es wird behauptet, dass die Pandemie offensichtlich überstanden sei. – Wer schreit, hat nicht recht. Sie müssen schon Argumente bringen. Wir können feststellen: Seit einem Jahr versucht die AfD, dieses Thema für sich politisch auszunutzen, und zwar nicht, um die Pandemie zu überwinden, sondern um irgendwie davon zu profizieren. Je komplexer das Thema wird, je intensiver wir uns im Detail damit auseinandersetzen, desto holzschnittartiger versuchen Sie, irgendwie Honig herauszusaugen, aber nicht, um der Bevölkerung in irgendeiner Weise zu dienen, sondern um vorzukommen. Und: Sachzusammenhänge sind Ihnen noch nie wichtig gewesen. Zu den beiden Anträgen, die Sie hier abliefern. Ich bin meinen beiden Vorrednern, vor allen Dingen Ihnen, Herr Krauß, sehr dankbar, dass Sie die Anträge auseinandergenommen haben; denn es ist eine Zumutung, sie zu lesen. Es ist einfach eine Zumutung für jemanden, der sich mit dem Gesundheitsbereich beschäftigt und versucht, dazu beizutragen, dass wir die pandemische Lage miteinander bewältigen. Ich muss Ihnen sagen: Sie tragen nicht dazu bei, die pandemische Lage zu bewältigen. Ihre Beiträge sind dazu gedacht, die Bevölkerung zu verunsichern, und zwar durch – mein Vorredner hat es schon richtig gesagt – Falschaussagen und Anschuldigungen. Vor allen Dingen Ausgrenzungen prägen Ihre politische Arbeit. Ich sage in diesem Zusammenhang auch: Die AfD will sich als Alternative für Deutschland hervortun. Sie zeigen aber, dass Sie nicht die Alternative für Deutschland sind. Wir hingegen sorgen dafür, dass die pandemische Lage in unserem Land einigermaßen bewältigt wird, und zwar gemeinsam und solidarisch – nicht aufhetzend, nicht antreibend. Das haben wir erst gestern noch gezeigt, als wir über das Fortgeltungsgesetz diskutiert haben. Wir haben beschlossen, die Rahmenbedingungen für die nächsten drei Monate weiterlaufen zu lassen, weil die pandemische Lage noch nicht bewältigt ist. Wir wollen aber, dass zum Beispiel Pflegeeinrichtungen weiter unterstützt werden. Wir wollen auch, dass unsere Gesetzgebung evaluiert wird und im Nachgang der Pandemie aufgearbeitet wird. Wir wollen, dass dieses Parlament alle drei Monate beteiligt ist. Wir treffen auf Argumenten fußende Entscheidungen und berufen uns nicht auf Populismus. Ich muss Ihnen schon sagen: Sie sollten mit Ihren Anträgen vorsichtiger sein. Eine Antragsflut ist noch kein Hinweis auf Qualität. Ich kann nur sagen: Ihre Anträge lehnen wir schlichtweg ab. Die Qualität der Anträge, die Sie abliefern, ist für uns nicht überzeugend. Herzlichen Dank. Das Wort hat Dr. Achim Kessler für die Fraktion Die Linke.
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Philipp Amthor CDU/CSU
Philipp
Amthor
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man könnte sagen: Für die Zukunft des Nationalen Normenkontrollrates ist es fünf vor zwölf, im metaphorischen Sinne. Tatsächlich sind wir aber jetzt schon nach zwölf in dieser Debatte, und dementsprechend ist auch die Qualität des Gesetzentwurfes, der uns vorliegt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen schon sagen: Es ist ein Trauerspiel. Die Ampel, selbsterklärte Fortschrittskoalition, hat tatsächlich mehrfach diese Debatte verweigert. Sie wollte nicht über den Nationalen Normenkontrollrat debattieren. Dann haben Sie dieses Thema in eine Nachtsitzung verbannt. Das zeigt vor allem eines: Bürokratieabbau ist für Sie vor allem ein Thema für Sonntagsreden, aber kein echtes Herzensanliegen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Man muss es so klar sagen – Martin Plum hat es angedeutet; es ist völlig richtig –: Die Verlagerung des Normenkontrollrates vom Bundeskanzleramt ins Justizministerium, das ist nichts anderes als ein Verschachern dieses wichtigen Themas auf dem Basar der Koalitionsverhandlungen. Es ist doch ganz offensichtlich: Das Justizministerium hat die Zuständigkeit für den Verbraucherschutz verloren. Also wollte man noch ein kleines Zückerchen dazuhaben. Dann hat man gesagt: Na gut, dann vielleicht den Nationalen Normenkontrollrat. – Und da muss man sagen: So kann man mit diesen Themen nicht umgehen. Das ist kein richtiger Umgang mit dem Nationalen Normenkontrollrat. Diese Verlagerung bringt inhaltlich keinen Mehrwert. Die Debatte heute, die Debatten, die wir insgesamt erlebt haben, und auch der Vortrag des Staatssekretärs haben gezeigt: Es gibt keinen inhaltlichen Grund für diese Verlagerung des Nationalen Normenkontrollrats. Das ist kein Beitrag zum Bürokratieabbau. Es ist Postenschieberei. Ich finde, Sie haben mit diesem Thema etwas anderes sehr, sehr deutlich gezeigt. Anstatt Bürokratieabbau entstehen rechnerisch 1 400 Arbeitsstunden für die Verlagerung, für den Umzug des Nationalen Normenkontrollrates. Diese Arbeitszeit wäre in Facharbeit besser angelegt gewesen. Was der Normenkontrollrat braucht, ist Wertschätzung. Von uns gab es die immer. Deswegen sage ich für meine Fraktion auch einen ganz besonders herzlichen Dank an den langjährigen Vorsitzenden Dr. Johannes Ludewig. Das war ein echt guter Beitrag, diese Aufbauphase im Kanzleramt. Es ist jetzt ein schwerer Start für den neuen Nationalen Normenkontrollrat; gleichwohl freuen wir uns auf eine gute Zusammenarbeit mit Lutz Goebel. Aber wir müssen schon sagen: Wenn man sich die Debatte heute anschaut, wenn man sich Ihre Schwerpunktsetzung anschaut, dann gilt nicht nur angesichts der Uhrzeit, sondern auch angesichts Ihrer Themensetzung für den Bürokratieabbau in Deutschland: Gute Nacht! – Das ist die Maßgabe des Tages. Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf ab.
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Enrico Komning AfD
Enrico
Komning
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Altmaier! Zunächst mal freue ich mich, dass Sie zu so später Stunde noch hier sind. Sehr vorbildlich! Aber das ist dann auch schon genug der Freude. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht die Einführung einer bundeseinheitlichen Wirtschaftsnummer und die Einrichtung eines Basisdatenregisters für Unternehmen beim Statistischen Bundesamt vor. Was Sie hier tun, meine Damen und Herren, ist nichts anderes als purer Bürokratieaufbau für den Mittelstand. Probleme lösen Sie damit nicht. Schon heute muss sich der mittelständische Unternehmer unzählige Registernummern merken: die Handelsregisternummer, die betriebliche Steuernummer, die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die elektronische Transfer-Identifikations-Nummer, die Nummer der IHK-Unternehmensdatenbank, die Nummer der Transparenzdatenbank und viele mehr. Als wäre das nicht genug, plant das Bundeszentralamt für Steuern die Einführung einer ebenfalls einheitlichen Wirtschafts-Identifikationsnummer. Und Sie, lieber Herr Minister Altmaier, wollen nun auch noch eine neue Nummer schieben. Mal ernsthaft: Unterhalten Sie sich im Kabinett eigentlich noch miteinander? Wenn Sie mit Ihrem Kollegen Bundesfinanzminister Scholz einmal sprechen würden, könnte man nämlich auf die Idee kommen, dass die bereits angekündigte Wirtschafts-Identifikationsnummer des Bundeszentralamtes für Steuern ausreichen könnte. Das wäre sinnvoll, das wäre effizient, und das wäre ein wirklicher Beitrag zur Entbürokratisierung, meine Damen und Herren. Das Basisdatenregister ist der nächste unausgegorene Vorschlag, den Sie uns hier präsentieren. Anstatt ein ordentliches Gesetz in den Bundestag einzubringen, legen Sie hier reines Stückwerk vor, und das dazu noch ziemlich inhaltsleer. Jeder wichtige Sachverhalt soll per Rechtsverordnung geregelt werden. Wieso wollen Sie sich denn dem Parlament entziehen? Die Fragestellungen – Priorisierung der Registerdaten, die Datensicherheit, der Datenschutz oder eine kostenlose Abrufung der Daten aus dem Register für Unternehmen – sind völlig unklar. Wie lösen Sie den Abgleich gleichartiger Datensätze eines Unternehmens aus zwei Registern? Wie wird die Datenschutz-Grundverordnung bei der Zusammenführung der Daten aus 120 Registern berücksichtigt? Das, lieber Minister Altmaier, gehört ins Gesetz und nicht in eine Rechtsverordnung. Sie sollten sich vorher Lösungen dazu überlegen und nicht die Probleme in die Verwaltung abschieben. Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein wirtschaftspolitischer Offenbarungseid. Er steht in einer Reihe mittelstandsfeindlicher Maßnahmen dieser Bundesregierung in dieser ganzen Legislatur. Gerade für den Mittelstand bedeutet dieses Gesetz Unsicherheit statt Erleichterung sowie Bürokratieaufbau statt Transparenz. Das viel beschworene Once-only-Prinzip wird so zur Farce. Die AfD-Bundestagsfraktion ist grundsätzlich für ein zentrales Unternehmensdatenregister; denn es kann tatsächlich einen großen Beitrag zur Entbürokratisierung gerade auch für den Mittelstand leisten. So, meine Damen und Herren, geht es allerdings nicht. Wenn Sie wirklich was für den Mittelstand tun wollen, dann nehmen Sie unseren Antrag und arbeiten unsere Vorschläge ein; dann wäre allen geholfen. So ist der Gesetzentwurf leider nicht zustimmungsfähig. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Komning. Die Kolleginnen und Kollegen Sabine Poschmann, SPD-Fraktion, Manfred Todtenhausen, FDP-Fraktion, Alexander Ulrich, Fraktion Die Linke, Dieter Janecek, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, und Hansjörg Durz, CDU/CSU-Fraktion, haben ihre Reden zu Protokoll1 Anlage 19 gegeben. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir nähern uns der Abstimmung über die einzelnen Tagesordnungspunkte.
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Claudia Müller BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Claudia
Müller
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Es gab in letzter Zeit doch sehr unterschiedliche Stimmen aus der Koalition dazu, was denn jetzt die besten Maßnahmen für Wege aus der Krise seien. Deshalb war ich, ehrlich gesagt, fast ein bisschen überrascht, dass ausgerechnet Sie dieses Thema jetzt setzen. Aber möglicherweise dient diese Aktuelle Stunde ja auch Ihrer Ideenfindung, und da helfen wir natürlich sehr gerne. Denn im Gegensatz zur Bundesregierung haben wir Grüne mit unserem Zukunftspakt heute ein Konzept vorgestellt, ein Konzept zur Stabilisierung und zu Wegen aus der Krise – übrigens nicht nur aus der Coronakrise. Selbstverständlich nehmen wir die Klimakrise mit in den Blick, zu der Sie, Herr Altmaier, heute kein einziges Wort verloren haben. Viele unserer Vorschläge, die Sie darin finden, sind übrigens Vorschläge, die Sie heute auch in der Anhörung von de facto allen Sachverständigen gehört haben. Schauen Sie mal rein, fühlen Sie sich inspiriert. Wir sind aber noch nicht aus der Krise heraus. Das heißt, wir sind noch nicht fertig damit, die besonders stark betroffenen Gruppen vor dem Ruin zu schützen. Das sind: Start-ups, die Kreativszene, Gründerinnen, Unternehmerinnen, die kluge Ideen umsetzen, Menschen, die handwerkliche Traditionen in die heutige Zeit überführen. Sie alle sind Deutschlands Potenzial für die Zukunft, und sie alle sind in erster Linie selbstständig. Wir sprechen ständig mit Stolz von der Gründerrepublik Deutschland. Aber wenn man sich die letzten Wochen anguckt, ist das nichts als blanker Hohn. Monatelang vergisst diese Bundesregierung Millionen von Selbstständigen und Gründerinnen. Und die Hoffnung, dass das in der ersten Runde ein Versehen war, ist jetzt weg; denn Ihre Eckpunkte zeigen, dass Sie die moderne Arbeits- und Wirtschaftswelt nicht verstehen. Der Vorstoß der AG Wirtschaft und Energie der CDU/CSU-Fraktion, der praktisch nur aus ollen Kamellen besteht, macht dies noch deutlicher. Aber gewundert hat mich das, ehrlich gesagt, nicht; denn das sind die gleichen Stimmen, die jetzt gefordert haben, das Thema Klimaschutz und den Green Deal hintanzustellen. Zur Krisenbewältigung auf allen Ebenen brauchen wir jetzt aber einen ganzheitlichen Blick auf die Gesellschaft. Das bedeutet zum Beispiel im Bereich Arbeit, anzuerkennen, dass Unternehmerinnen und Selbstständige eben nicht die Haifische im Becken sind, sondern genauso eine Absicherung und Unterstützung brauchen wie abhängig Beschäftigte. Sie brauchen dringend eine gerechte Unterstützung, um die Krise zu überleben und dann weiterzumachen; denn für sie bedeutet eine Insolvenz im Allgemeinen persönlicher Ruin und Weg in die Armut. Doch Sie von SPD und CDU/CSU schicken diese Menschen zum Jobcenter. Damit lösen Sie Frust und übrigens auch zusätzliche Bürokratie aus; denn die Vermögensprüfung ist keineswegs ausgesetzt; sie findet weiterhin statt. Häufig bedeutet das für die Betroffenen: Die persönliche Altersvorsorge muss angegangen werden; das Partnereinkommen wird geprüft. Das ist übrigens ein Vorgehen, das Sie beim Thema Kurzarbeitergeld ablehnen würden – vollkommen zu Recht. Bei Gründerinnen und Selbstständigen machen Sie das aber. Sie erklären damit Unternehmerinnen, Selbstständige, Gründerinnen und Kreative zu Arbeitenden zweiter Klasse. Unsere Erkenntnis daraus: Neben schnellen, unbürokratischen Hilfen müssen wir auch die sozialen Sicherungssysteme offener gestalten, um diesen Menschen in Krisenzeiten Unterstützung zu bieten und diesen Gruppen – selbst wenn sie nicht einzahlen – ein Anrecht auf Kurzarbeitergeld zu ermöglichen. Denn in der Krise hat sich auch gezeigt, dass gerade kleine Unternehmen, Selbstständige und Kreative mit wenig Ressourcen oft sehr schnell sehr flexibel Dinge verändern können, sich anpassen können. Das ist die Innovationsfähigkeit, die wir jetzt brauchen, um aus dieser Krise zu kommen. Forschung und Innovation sind die Schlüssel, und nichts treibt die Entwicklung in diesem Bereich so sehr voran wie das Thema Klimaschutz. Auch wenn wir jetzt über die Coronakrise reden: Die Klimakrise und das Artensterben haben deswegen nicht aufgehört. Wenn wir über Krisenfestigkeit reden, dann muss das für all diese Krisen gelten. Wir brauchen Investitionen auf allen Ebenen: in Infrastruktur, vor allem die digitale, erneuerbare Energien, Forschung, Innovation, Schulen und frühkindliche Bildung. Wir dürfen nicht zulassen, dass einige – leider momentan entscheidende – Personen mit ihrem Unvermögen die Zukunftschancen dieses Landes und der zukünftigen Generation verspielen. Wir haben jetzt die Chance, aus dieser Krise zu lernen und Ökonomie und Ökologie zu verbinden, nicht nur, um eine Erholung der Wirtschaft zu erreichen, sondern auch, um sie zukunftsfähig und krisenfest zu machen. Denn schon jetzt gilt: Was ökologisch sinnvoll ist, ist auch ökonomisch sinnvoll. Wer das nicht einpreist, dem werden mittelfristig auch keine Rettungspakete mehr helfen. Nächster Redner ist für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Dr. Carsten Linnemann.
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Alois Karl CDU/CSU
Alois
Karl
CDU/CSU
Das Spiel ist noch nicht aus, Herr Präsident. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die augenblickliche Pandemiezeit hat auch etwas Positives: Man kann lesen und vorlesen. Meinem Enkelsohn Christoph habe ich die griechischen Mythologien vorgetragen: Trojanischer Krieg, die Odyssee. In den Abenteuern ist auch der Zyklop Polyphemos vorgekommen. Er hatte mehrere Nachteile, unter anderem den, dass er einäugig war. Wie ich den Antrag der AfD gelesen habe, habe ich an Polyphemos gedacht; denn Sie betrachten die Dinge sehr eindimensional und insbesondere ohne Weitsicht. Sie sind in Ihrer Sichtweise doch sehr eingeschränkt. In Ihrem Antrag heißt es, es soll der Mehrwert, den Deutschland aus der Mitgliedschaft in der EU zieht, durch die Bundesregierung dargestellt werden. Wie ich das so gelesen habe, da habe ich mir beide Augen gerieben und gedacht: Es liegt doch auf der Hand, welchen Mehrwert wir aus der Mitgliedschaft in der EU ziehen. Man muss nicht so weit zurückgehen. Seit Konrad Adenauer 1957 mit den anderen Partnerländern die Römischen Verträge geschlossen und die deutsche Wirtschaft in die Europäische Gemeinschaft geführt hat, gibt es in der deutschen Wirtschaft – um es einmal zu benennen – doch nur eine einzige Richtung, nämlich vorwärts und aufwärts. Noch nie haben wir eine so lange Zeit des wirtschaftlichen Wachstums mit hohen Beschäftigungsraten erlebt und auch nicht des freien Austausches zwischen Menschen, Meinungen, Informationen und Dienstleistungen. All das hat zu einer unglaublichen Erfolgsgeschichte in Deutschland geführt. Ich möchte nicht, dass das hier irgendeiner kleinredet, auch Sie nicht. Die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte wird erweitert um das Friedensprojekt Europa, um eine Wertegemeinschaft. Wenn die Geschichtsschreiber später über die jetzige Zeit schreiben, dann werden sie von einem goldenen Zeitalter reden, von einer Zeit, von der viele Generationen vorher geträumt haben. Meine Damen und Herren von der AfD, das ist der Mehrwert, den ich für Deutschland in Europa erkenne: dass wir in diesem Zeitalter leben dürfen und dass wir dies alles genießen können: Frieden, Freiheit, wirtschaftlichen Wohlstand und eine Wertegemeinschaft. Meine sehr geehrten Damen und Herren, um auf die Wirtschaft zurückzukommen: Wir haben diese Gemeinschaft von 27 Ländern, zollfrei und grenzfrei. 450 Millionen Menschen umfasst sozusagen der europäische Binnenmarkt. Deutschland ist ein vertrauenswürdiger Partner in diesem Europa geworden. Das hat uns sehr vieles gebracht, unter anderem auch die deutsche Wiedervereinigung. Auch darin sehe ich einen Mehrwert für Deutschland innerhalb dieser großen europäischen Gemeinschaft, der nicht kleingeredet werden darf. Die AfD, meine sehr verehrten Damen und Herren, spricht davon, dass Deutschland der größte Beitragszahler in der EU ist. – Stimmt. Wir zahlen ungefähr 25,5 Milliarden Euro. Wir haben eine Nettolast von 13,4 Milliarden Euro, und nach dem Austritt der Briten wird das noch mehr werden. Nur darauf zu verweisen, dass Deutschland der größte Einzahler ist, entspricht Ihrer eingeschränkten Sicht; denn Deutschland ist nicht bloß der größte Einzahler, sondern auch der größte Gewinner in der EU. Wir haben eine Exportleistung von 777 Milliarden Euro in die Mitgliedsländer der EU. Wir sichern damit 6,3 Millionen Arbeitsplätze. Als ob das nichts wäre, meine Damen und Herren! Dass Sie immer wieder auf die Nettobelastung eingehen, ergibt doch gar keinen Sinn. Wir haben in Europa gemeinschaftliche Aufgaben zu erfüllen, was die Sicherheitspolitik und was die Verteidigung anbelangt. Wir haben in Europa gemeinschaftliche Aufgaben zu erfüllen, was Klimaschutz und Energie, was Forschung und Entwicklung, aber auch die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und vieles andere mehr anbelangt. All dies gehört zu dem Mehrwert, den wir aus Europa ziehen. Sie sprechen auch die Hebelung des EU-Budgets und die Risiken der Haftung an. Das ist natürlich nicht ganz unrichtig, aber Fakt ist: Wir verhalten uns in Deutschland schon seit 70 Jahren entsprechend, seit 1951 zum Beispiel mit den Hermesbürgschaften. Wir verbürgten uns im vorletzten Jahr für deutsche Exporte im Wert von 177 Milliarden Euro und hoffen, dass wir nicht auf den Bürgschaften sitzen bleiben. Wir zahlen trotzdem 1 Milliarde Euro drauf, wir nehmen aber auch 1,7 Milliarden Euro an Gebühren ein. Obwohl wir das nicht wollen, ziehen wir daraus also einen großen Nutzen. Ich würde Sie fast bitten, meine Kollegen von der AfD-Fraktion: Verlassen Sie den Holzweg Ihrer Demagogie und der Widersprüchlichkeit, nicht dass es Ihnen so geht wie seinerzeit dem vorhin angesprochenen Polyphemos, der am Ende erblindet. Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Aber ich sehe erste Anzeichen, dass Sie auch weiterhin blind Ihre Politik betreiben. Ich wünsche Ihnen allen ein gutes neues Jahr und Ihnen von der AfD insbesondere Weitsicht. Vielen Dank, Herr Kollege Karl. Das war jetzt schon die Verlängerung. – Damit schließe ich die Aussprache.
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Petr Bystron AfD
Petr
Bystron
AfD
Frau Pau, Respekt für diesen Drahtseilakt, den Sie hier vollbracht haben, und Respekt, dass Sie sich von dem Terrorregime der SED distanziert haben. Aber ich möchte Ihnen ein Zitat von Wladimir Iljitsch Lenin angedeihen lassen: Taten sprechen, nicht Worte. – Wenn Sie sich wirklich distanzieren, warum geben Sie als Partei dann das in diesem Unrechtsregime erworbene Vermögen nicht zurück? Wollen Sie antworten? – Nein. – Dann fahren wir fort in der Debatte. Nächste Rednerin ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Monika Lazar. – Herr Kollege Brandner, solche Zwischenrufe stehen Ihnen nicht zu, die sind respektlos. Ich glaube, das war ein ironischer Zwischenruf. Ich erteile Ihnen dafür einen Ordnungsruf.
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Karsten Klein FDP
Karsten
Klein
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Impfen schützt die Menschen in diesem Land. Impfen verhindert Krankheiten; Impfen schützt vor Lockdown; Impfen schütz vor Folgeschäden, und es bewahrt die Bildungschancen unserer jungen Generation. Deshalb stehen wir Freien Demokraten auch hinter den eingestellten Haushaltsmitteln, hinter den 6,2 Milliarden Euro, für den Bereich Impfen – keine Frage! Aber, liebe Bundesregierung, man muss den Impfstoff auch zum Gamechanger machen, und deshalb: Nur ein verimpfter, ein verabreichter Impfstoff ist ein wirksamer Impfstoff. Deshalb muss der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn endlich die Frage beantworten, warum wir im Vergleich der europäischen Partner nur einen schlechten Mittelfeldplatz bei der Impfgeschwindigkeit belegen, warum 20 bis 25 Prozent der gelieferten Impfstoffe nicht verimpft sind. Das sind Fragen, die endlich geklärt gehören. Dieses Versagen bei der Impfstrategie schadet diesem Land. Dieses Versagen bezahlen die Menschen in diesem Land nicht nur mit ihrer Gesundheit. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Unternehmen bezahlen es im Zweifel mit ihrer Existenz und mit ihren Zukunftsperspektiven. Deshalb: Lassen Sie die Mittel im Haushalt wirken! Wir brauchen mehr Tempo bei der Impfstrategie! Um die wirtschaftlichen Folgen abzumildern, die aus dieser Krise entstehen, schlagen wir Freien Demokraten Ihnen seit einem Jahr ein sehr wirksames Kriseninstrument vor, und zwar die Einführung einer negativen Gewinnsteuer. Vor allem würden die Mittel bei den Betroffenen auch ankommen. Ihre Wirtschaftshilfen, die im Haushalt stehen, kommen ja gar nicht an. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Überbrückungshilfe III – Stand dieser Woche –: 7,4 Milliarden Euro beantragt, 3,1 Milliarden Euro bei den Betroffenen angekommen. Das ist doch keine wirksame Wirtschaftshilfe in einer Krisensituation. Ihre Wirtschaftshilfe ist ein Konjunkturprogramm, aber leider nur für die Insolvenzverwalter. Da hilft es auch nichts, wenn Sie noch mal 25,5 Milliarden Euro ins Schaufenster stellen. Bei der Wirtschaftshilfe muss endlich geliefert werden! Dieses ganze Staatsversagen möchten Sie mit einem Schuldenberg überdecken. Wir Freien Demokraten sagen Ihnen eins: Wenn Sie noch mal 50 Milliarden Euro Schulden über die Feststellung einer Notsituation aufnehmen wollen und der gleiche Betrag als Rücklage eingestellt ist, dann vergehen Sie sich an der nächsten Generation. Zuallererst werden in einer Krise Reserven aufgebraucht, bevor man zukünftige Generationen belastet. Dieser Haushalt ist ein Anschlag auf die Generationengerechtigkeit, Herr Finanzminister. Dieser Haushalt ist nicht enkelfit, und deshalb werden Sie zu diesem Haushalt auch keine Zustimmung der Freien Demokraten, der FDP, erhalten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Dr. André Berghegger, CDU/CSU, ist der nächste Redner.
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Marc Bernhard AfD
Marc
Bernhard
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angela Merkel hat in 16 Jahren dafür gesorgt, dass wir in Deutschland die höchsten Strompreise der Welt haben, doppelt so hoch wie in unseren Nachbarländern. Und Sie von der vielleicht künftigen Bundesregierung wollen das jetzt sogar noch toppen und uns Bürger mit noch höheren Energiepreisen abzocken. So kostet heute schon Heizöl mehr als das Doppelte als im letzten Jahr, und die Explosion der Gaspreise macht den Menschen im Land Angst. Eine vierköpfige Familie zahlt über 600 Euro im Monat für Strom, Benzin und Heizung, also 1 800 Euro pro Jahr mehr als letztes Jahr. Dafür verantwortlich sind Bundesregierungen, die in maßloser Selbstüberschätzung im nationalen Alleingang angeblich die Welt retten wollen. Sie sorgen dafür, dass das Heizen in diesem Winter für viele Menschen unbezahlbar wird. Bereits im letzten Winter mussten mehr als 7 Millionen Menschen frieren, weil sie ihre Wohnung nicht mehr ausreichend heizen konnten. Diese soziale Kälte der Regierung trifft besonders Bedürftige, Rentner, Geringverdiener und Alleinerziehende. Und SPD-Spitzengenossen wie Katarina Barley fällt nichts Besseres ein, als die Menschen zu verhöhnen und ihnen zu raten, dass sie doch einfach weniger Strom verbrauchen und weniger heizen sollen, wenn sie sich die Energiepreise nicht mehr leisten können. Dabei sind die extrem hohen Energiepreise doch gerade das direkte Ergebnis Ihrer völlig verfehlten Klimapolitik, die jetzt von der Realität eingeholt wird, und nichts anderes. Mit der Energiesteuer, der Ökosteuer, der EEG-Umlage, der Gassteuer, der Mineralölsteuer, der Stromsteuer, der CO2-Steuer usw. pressen Sie uns Bürgern immer neue und höhere Belastungen ab. Während Sie unsere Bürger immer weiter abzocken und in kalten Wohnungen sitzen lassen, senkt Italien die Energiepreise für seine Bürger – und zwar mit deutschen Steuergeldern aus den EU-Coronahilfen, meiner sehr geehrten Damen und Herren. Es ist wirklich eine Schande, dass die Bundesregierung Hunderte von Milliarden Euro ans Ausland verschenkt, während Millionen von Menschen in unserem Land frieren müssen. Damit muss endlich Schluss sein! Deshalb fordern wir in unserem Antrag auch die sofortige Streichung der EEG-Umlage, die Abschaffung der CO2-Steuer und die sofortige Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Strom und Heizkosten. Herzlichen Dank, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ihre Redezeit ist vorbei, Herr Bernhard. – Ich erteile das Wort zu seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag Kevin Kühnert.
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Sebastian Roloff SPD
Sebastian
Roloff
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Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben Jahre, in denen ganz offensichtlich ist, dass wir einen aktiven, eingreifenden Staat brauchen, dass wir die Wirtschaft nicht sich selbst überlassen können – so gern wir es wollten – und dass die Pandemie massive Effekte auf die Wirtschaft hat; das ist ganz offensichtlich. Wir kennen die Diskussionen über den Lockdown und seine Folgen, und die Pandemie dauert im Übrigen an. Wir kennen die Unterbrechungen der Lieferketten, und das war alles noch vor dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Anfang 2020 hatte die damalige Bundesregierung die Aufgabe, innerhalb kürzester Zeit – ohne Blaupausen, ohne Beispiele – Unternehmenshilfen auf den Weg zu bringen, um Insolvenzen und Betriebsaufgaben zu verhindern. Das hat funktioniert; die Coronahilfen waren ein voller Erfolg. Das war ein ganz maßgeblicher Teil im Bündel der Maßnahmen. Ich sage nicht, dass alles perfekt war. Aber auch der Internationale Währungsfonds bestätigte uns zum Beispiel, dass Deutschland sehr gut durch diesen Teil der Wirtschaftskrise gekommen ist und diese eben nicht die Auswirkungen hatte, die viele befürchtet haben. Aber klar ist auch – das ist heute auch schon gesagt worden –: Der Bund kann nur den Rahmen setzen und ein großes Stück Geld zur Verfügung stellen. Für die Umsetzung sind oft die Länder verantwortlich, und das hat unterschiedlich gut funktioniert. Selbst in Ländern, wo es besser funktioniert hat, gab es Probleme bei der Antragsstellung, und es gab Fragen in der Abwicklung. Es hat natürlich zu lange gedauert, weil in diesen Krisen jede Minute zählt. Klar ist aber auch, dass es am Ende des Tages gut funktioniert hat. Die Abwägung, vor der wir heute stehen, ist immer eine Frage zwischen der Sicherstellung der Erstattung und einer fairen Regelung im Zweifel des Einzelfalls. Wir stehen vor der Herausforderung, dass sich die Hoffnung, dass die Hilfen nur kurzfristig gewährt werden und dann schnell zurückgezahlt werden können und dann alles wieder gut ist, leider nicht erfüllt hat. Die Krisen sind mehr geworden. In diesem Jahr kam der Angriffskrieg hinzu. Die Pandemie ist nicht vorbei. Wir reden hier regelmäßig über die Inflation, über die Energiepreise. Das macht die Situation für Unternehmen noch viel herausfordernder. Das bedeutet, die Abwicklung bzw. die Rückzahlung fällt in eine außerordentlich schwierige Zeit. Deswegen ist es gut und richtig, dass der Bund bereit ist, hier für Spielraum zu sorgen. Der Bund kann und will da keine Schulden erlassen oder Betrug, den es in einem kleinen Prozentsatz der Fälle auch gab, sozusagen belohnen. Aber die Frist für den Schlussbericht der Länder zum Beispiel auf das Jahresende zu schieben, schafft noch mal Spielraum. Die Länder – ich habe es schon mal gesagt – sind zuständig für die konkrete Ausgestaltung, die Auszahlung und die Rückzahlung. Der Bund schafft nur die Rahmenbedingungen. Wir haben jetzt noch mal mindestens eine Atempause für drei Monate geschaffen. Diese Verlängerung verbessert die Zahlungsbedingungen, verbessert die Situation der Unternehmen. Wir müssen uns natürlich spätestens am Jahresende, wahrscheinlich früher, noch mal in die Augen schauen und uns fragen, ob das reicht und ob der Bund da im Rahmen seiner Möglichkeiten agiert hat oder ob wir das noch mal verlängern müssen. Ganz grundsätzlich sind wir zu der Diskussion natürlich bereit. Wichtig ist – deswegen stelle ich es noch mal ausdrücklich fest –: Es muss unser gemeinsames Ziel sein, dass niemand, kein Unternehmen, wegen der Rückzahlung in Probleme kommt und dass niemandem deswegen die Betriebsaufgabe oder die Insolvenz droht. Dabei liegt der Fokus ganz besonders auf Selbstständige, insbesondere auf Soloselbstständige. Bei diesen halten sich die Rücklagen massiv in Grenzen, und da ist noch viel weniger Spielraum. Da muss es auch möglich sein, über Stundungen zu angemessenen Lösungen zu kommen. Das betrifft übrigens ganz oft Kulturschaffende, die arbeitsrechtlich in der Regel de facto Soloselbstständige sind, die regelmäßig fast prekäre Beschäftigungsbedingungen haben, insbesondere in Krisenzeiten. Diese hat die letzte Bundesregierung nicht vergessen, und auch diese Bundesregierung wird sie nicht vergessen; denn unsere Gesellschaft braucht die Kultur. Das müssen wir mit diesen Regelungen konkret zeigen. Wir können aber auch aus der damaligen Zeit lernen. Wir brauchen auch jetzt wieder schnelle Hilfe, Kurzarbeitergeld – ich habe neulich schon angekündigt: ich werde es in jeder Rede erwähnen –; aber auch das Energiekostendämpfungsprogramm und der Gas- und der Strompreisdeckel, bei denen wir jetzt hoffentlich schnell zu brauchbaren, zu greifbaren Ergebnissen kommen, machen den Unterschied. Der Unterschied zu damals ist: Die jetzige Bundesregierung hat die Möglichkeit, diese Programme schnell, aber auch rechtssicher umzusetzen. Ein starker Staat ist nötig. Das zeigt zum Beispiel eine Umfrage der bayerischen IHKs. Jetzt schon, wo wir wahrscheinlich erst am Beginn dieser Energiekrise sind, investieren 25 Prozent der Unternehmen nicht mehr in die Aufrechterhaltung ihres Kerngeschäfts, und 14 Prozent haben keine Gelder mehr für Bildung und Forschung. Wahnsinnige Warnzeichen, fatale Warnsignale, die wir ernst nehmen! Aktive Wirtschaftspolitik hält den Laden am Laufen, und dafür steht die Fortschrittskoalition. Vielen Dank. Der letzte Redner in der Debatte ist für Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Dieter Janecek.
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Dr.
Dr. Stephan Harbarth CDU/CSU
Stephan
Harbarth
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist richtig, in wenigen Tagen den Globalen Migrationspakt in Marrakesch zu beschließen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat immer betont, wie wichtig es ist, dass bei der Bewältigung der globalen Herausforderungen der Migration nationale und internationale Schritte Hand in Hand gehen. Nur so kann Migration wirksam gesteuert, nur so kann Migration wirksam begrenzt werden. Deshalb mag es paradox klingen: Aber wir haben in den vergangenen Jahren gerade als Innenpolitiker immer mehr gelernt, welche herausragende Bedeutung die Außenpolitik hat. Vor welchen Herausforderungen stehen wir bei der Migration? Im Kern geht es um das Problem, dass die Standards für Migranten auf der Welt sehr unterschiedlich sind. Diese Standards müssen einander angenähert werden; sie dürfen nicht weiter auseinanderlaufen. Sie müssen enger aneinander herangeführt werden, um den Migrationsdruck auf Europa und auf Deutschland zu reduzieren, und zwar auch dann, wenn dies nur in kleinen Schritten und nur langfristig gelingen mag. Ich bin nicht so naiv, zu glauben, dass wir die Welt auf europäische Standards anheben können; aber ich habe vor wenigen Monaten in einem Flüchtlingslager in Jordanien gesehen, dass bereits eine gesicherte Nahrungsmittelversorgung, medizinische Grundleistungen und der Zugang zu einer einfachen Schulbildung Familien veranlassen, sich nicht auf den Weg nach Europa zu machen, sondern in der Nähe ihrer Heimat zu bleiben. Deshalb haben wir ein überragendes Interesse daran, dass auch in anderen Ländern ein Zugang zu diesen Mindeststandards gewährt wird. Darauf zielt der Globale Migrationspakt ab, und deshalb liegt der Globale Migrationspakt im nationalen Interesse Deutschlands. Herr Dr. Harbarth, erlauben Sie eine Zwischenfrage? Nein. – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, da ich aufgrund meiner Wahl zum Verfassungsrichter den Deutschen Bundestag verlassen werde, möchte ich einige persönliche Bemerkungen an den Schluss meiner Rede stellen. Bundestag und Bundesrat haben mir in der vergangenen Woche die Ehre zuteilwerden lassen, mich zum Richter am Bundesverfassungsgericht und zu dessen Vizepräsidenten zu berufen. Den Kolleginnen und Kollegen, die mir dieses Amt anvertraut haben, spreche ich meinen tief empfundenen Dank aus. Als ich vor ziemlich genau neun Jahren meine Zeit als Abgeordneter begann, wäre mir von allen denkbaren Möglichkeiten des Mandatsverlusts diejenige, die nun eintritt, als allerletzte in den Sinn gekommen. Ich möchte den Wählerinnen und Wählern meines Wahlkreises Rhein-Neckar, die mir bei drei Bundestagswahlen ihr Vertrauen geschenkt haben, herzlich Dank sagen. Es war mir eine große Freude, ihre Interessen über die letzten Jahre im Deutschen Bundestag vertreten zu dürfen. Ich danke Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestags, für die Zusammenarbeit, die immer von gegenseitigem Respekt und von der kollegialen Suche nach einem der Sache dienlichen Kompromiss getragen war. Und ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ohne die wir im Deutschen Bundestag nicht arbeiten könnten. Was wünsche ich diesem Parlament? Ich wünsche dem Deutschen Bundestag die Kraft, bei allen dem demokratischen Willensbildungsprozess immanenten Meinungsverschiedenheiten die Diskussion in einem Stil zu führen, der die Bürgerinnen und Bürger mit Stolz auf dieses Haus blicken lässt, das an fast sieben Jahrzehnten erfolgreicher Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einen so zentralen Anteil hat. Ich wünsche dem Deutschen Bundestag die Fähigkeit, bei allen tagespolitischen Diskussionen die großen Linien der Politik nicht aus dem Blick zu verlieren. Und ich wünsche ihm die Fähigkeit, zu erkennen, dass nationale Maßnahmen immer wichtig sind, aber dass es in einer Welt, die enger zusammenrückt, auch immer der internationalen Perspektive bedarf. Ich wünsche dem Deutschen Bundestag die Fähigkeit zur Erkenntnis, dass es sich bei diesem Haus nicht um ein Experimentierlabor handelt, in dem man einmal dieses oder jenes ausprobieren kann, sondern immer zu sehen, dass jede einzelne Entscheidung dieses Hauses unmittelbar schicksalsrelevant für Menschen wirkt. Es ist deshalb nicht nur ein Privileg, sondern es ist auch eine große Verantwortung, im Deutschen Bundestag für dieses Land politisch wirken zu dürfen, und der Arbeitsstil sollte dem immer Rechnung tragen. Schließlich wünsche ich dem Deutschen Bundestag in einer Zeit, in der Nationalismus und die Versuchung autoritärer Führung leider nichts an Anziehungskraft verloren haben, immer den Ideen den Vorrang zu geben, deren Strahlkraft weit größer ist und die deshalb immer viel heller leuchten werden: den Ideen von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat. Die Mandate im Deutschen Bundestag werden vergeben auf Zeit. Die Erinnerung überdauert diese Zeit. Mir war es Ehre und Freude, diesem Deutschen Bundestag angehören zu dürfen. Herzlichen Dank, alles Gute und auf Wiedersehen. Lieber Dr. Harbarth, ich wünsche Ihnen heute einen spannenden Nachmittag; denn um 15.30 Uhr, wie mir aufgeschrieben wurde, ist es so weit. Um 15.30 Uhr werden Sie durch den Bundespräsidenten zum Richter am Bundesverfassungsgericht und dessen Vizepräsidenten ernannt. Auch ich wünsche Ihnen im Namen von uns Kraft, Mut, Stärke. Ich wünsche mir, dass Sie im allerwahrsten Sinne des Wortes Verfassungsschützer sein werden. Ich glaube, unsere Verfassung braucht das dringend. Alles Gute für Ihren weiteren Weg. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegt uns eine Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung vor.1  Anlage 3 Bevor wir zur Abstimmung kommen, will ich Sie darauf hinweisen, dass wir, wie gestern Abend, um unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etwas zu entlasten, mit fünf und nicht mit sieben Urnen arbeiten. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 19/6061 mit dem Titel „Aufforderung zur Abgabe einer Protokollerklärung zur völkerrechtlichen beziehungsweise rechtlichen Unverbindlichkeit des ‚Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration’ für die Bundesrepublik Deutschland durch die deutsche Bundesregierung bei der Unterzeichnung des Paktes im Dezember in Marrakesch – Die Bundesrepublik Deutschland als ‚permanent objector’“. Wir stimmen namentlich ab. Ich bitte, uns ein Zeichen zu geben, ob die Urnen besetzt sind. – Die Plätze an den Urnen sind besetzt. Ich eröffne die namentliche Abstimmung über den Antrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 19/6061. Darf ich Sie fragen: Gibt es Kolleginnen und Kollegen, die noch nicht abgestimmt haben? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Wie immer wird Ihnen das Ergebnis später bekannt gegeben.2  Ergebnis Seite 8038 D Wir kommen zum nächsten Tagesordnungspunkt. Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen.
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Leif-Erik Holm AfD
Leif-Erik
Holm
AfD
Sehr geehrte Bürger! Herr Präsident! Liebe Kollegen! Wir reden hier heute über den massiven Jobkahlschlag in der Automobilindustrie, und der hat längst begonnen: Angekündigt ist jetzt schon die Streichung von über 100 000 Arbeitsplätzen. Besonders bei den Zulieferern droht im nächsten Jahr eine verheerende Pleitewelle. Grund dafür ist nicht in erster Linie Corona und, lieber Matthias Heider, Grund dafür sind auch nicht gewisse Versäumnisse dieser Regierung, sondern Grund dafür ist der E-Auto-Wahn der EU und dieser Merkel-Regierung. Mit Ihrer fetischartigen Fokussierung auf die Stromer zerstören Sie das Rückgrat unserer Industrie und damit den Wohlstand von Hunderttausenden Familien. Laut Prognosen können fast 500 000 Arbeitsplätze verloren gehen, wenn Sie diesen Irrweg weitergehen. Dabei gibt es keine überzeugenden Argumente für E-Autos. Es mag ja ein nettes Spielzeug sein für gutsituierte Großstädter in den Metropolen. Für die Millionen Pendler, die tagtäglich über das Land fahren, um zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen, ist das aber nichts weiter als ein teurer Klamauk. Da können Sie noch so hohe Prämien draufpacken, Geld von uns Steuerzahlern – es nützt nichts; Nachfrage nach einem sinnlosen Produkt kann man nicht künstlich erzwingen. 1 Million E-Autos hat die staatliche Plankommission bis 2020 vorgegeben. Es sind jetzt gerade 250 000 echte E-Autos. Das heißt, Sie müssen sich jetzt wirklich sputen, Sie haben noch 55 Tage Zeit, das Ziel zu erreichen. Aber – das zeigen die Umfragen – bei Dreiviertel der Deutschen beißen Sie da auf Granit. Das hat auch gute Gründe: Die Fahrzeuge sind schon in der Anschaffung viel zu teuer. Den halben Autopreis macht allein die Batterie aus, und die ist nach fünf, sechs Jahren fertig. Das Laden ist mindestens genauso teuer wie das Auftanken eines Benziners, wenn nicht sogar teurer. Die Ladesäulen fehlen; aber selbst wenn sie da wären: Das Laden dauert viel zu lange. Da können Sie in der Zeit drei Kaffee trinken. Sie fördern damit vielleicht die Kaffeeindustrie; aber das hilft leider nicht, wenn man es eilig hat. Bei den meisten Säulen stehen Sie über 30 Minuten – bei den Säulen, die wir jetzt haben –, 30 bis 40 Minuten. Auch die Reichweite ist nach wie vor ein Witz. Was also, bitte schön, soll das? Wenn man sich nur am Leben von Zahnarztgattinnen in den Metropolen orientiert, okay. Aber wenn man sich am hart arbeitenden Handwerker orientiert, der jeden Tag flexibel mit seinem Auto unterwegs sein muss, dann weiß man genau: E-Autos sind keine Alternative zum Verbrenner. Hören Sie endlich auf mit Ihrer Geisterfahrt! Aber jetzt kommen Ihre Hammerargumente: Klimakrise, bald sind wir alle tot, wenn wir nicht massiv CO2-Emissionen einsparen. – Wie sieht denn die Ökobilanz eines Stromers über den gesamten Lebenszyklus aus? Hans-Werner Sinn, Ökonom, hat berechnet, dass ein moderner Diesel weniger CO2 rausbläst als ein Stromer. Neue Studien des VDI sagen Ähnliches. Wörtlich: Die Produktion der Batterie „verhagelt die CO2-Bilanz … Autos mit modernen Verbrennungsmotoren tragen diese Last nicht, ihre Ökobilanz ist daher deutlich besser“. Mit anderen Worten: Ihre mit unserem Steuergeld subventionierten E-Autos heizen den CO2-Ausstoß sogar noch an. Merken Sie es? Sie führen Ihre eigene Politik ad absurdum. – Wenn das Greta hört! Herr Altmaier, Ihre Bundesregierung geht einen brandgefährlichen Weg, der uns massiv schaden wird. Das zeigen zwei Zahlen: Ein Verbrennungsmotor hat 1 200 Teile, ein Elektromotor hat etwa 200. Glauben Sie ernsthaft, dass wir in der Massenproduktion auch nur im Entferntesten konkurrieren können mit Asien? Es wird nicht gehen. Wir werden unsere gut bezahlten Arbeitsplätze verlieren, wenn es so weitergeht. Das sagt auch Ernst & Young, die sehen schon jetzt keine Alternative zu Werksschließungen und Arbeitsplatzabbau. Das große Erwachen werde wohl im nächsten Jahr kommen, heißt es, dann werde es eine brutale Auslese geben. Das müssen wir verhindern, aber nicht mit noch mehr Subventionen und Prämien, Herr Minister, sondern mit Technologieoffenheit, echter Technologieoffenheit. Was ist mit synthetischen Kraftstoffen und mit guten Rahmenbedingungen für unsere Unternehmen? Also hören Sie endlich auf mit der Strangulation der Automobilindustrie, kommen Sie endlich zurück aus Ihrem Taka-Tuka-Land der E-Mobilität! Herzlichen Dank. Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Bernd Westphal, SPD.
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Hansjörg Durz CDU/CSU
Hansjörg
Durz
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wissen ist Macht – mit dieser These läutete der britische Philosoph und Staatsmann Francis Bacon vor ziemlich genau 400 Jahren ein neues Wissenschaftszeitalter ein. Herzstück von Bacons wissenschaftlicher Methode war das systematische Sammeln aller verfügbaren Daten. Darin sah er nicht nur eine neue Form der Wissensgewinnung, sondern darin sah er vor allem auch Macht. Ob die Gründer der Internetgiganten unserer Tage sich an Francis Bacon orientiert haben, sei mal dahingestellt. Doch wer denkt, die heutige Machtverteilung in der digitalen Welt wäre im Sinne dieses Philosophen gewesen, der irrt; denn der Brite erkannte schon zu seiner Zeit die Gefahren von Wissen als Herrschaftsinstrument. Um diesen Gefahren entgegenzutreten, trat er für die Selbstbestimmung des Einzelnen ein. Doch wie sieht Selbstbestimmung in der digitalen Welt von heute aus? Die Frage kann jeder Internetnutzer beantworten. Seit einer Gerichtsentscheidung im Frühjahr vergangenen Jahres ploppen zum Beispiel tagtäglich in der Bundesrepublik Millionen von Cookie-Einwilligungen auf, in der Regel zum Unmut derer, die nur schnell etwas nachschauen wollen. Selbstbestimmung wird hier allenfalls in der Theorie ermöglicht. Wir aber wollen echte Selbstbestimmung in der Praxis. Wer aber echte Datensouveränität will, der muss den Bürger befähigen, Informationen zu lesen, sein Handeln im Netz zu verstehen und bewusste Entscheidungen zu treffen. Die Datenstrategie zeigt hier ganz konkret Lösungswege auf. Mit einem Datentreuhänder können Menschen zentral bestimmen, wie mit ihren Daten im Netz umgegangen wird und dann souverän lossurfen. Auch die vielen digitalen Identitäten, die jeder von uns besitzt, könnten damit einheitlich gemanagt werden. Wer durchzählt, wie viele Nutzerkonten er hat, wird schnell auf eine Zahl kommen, die er auf den ersten Blick gar nicht vermutet hätte. Ob bei der Bank, bei Mailingdiensten, bei sozialen Netzwerken, bei der Bahn, bei der digitalen Abgabe der Steuererklärung, überall pflegen wir Nutzerkonten. Im Jahr 2020 hatte jeder Bundesbürger im Durchschnitt etwa 200 verschiedene Nutzerkonten. Ich vermute, dass nicht alle 200 AGBs und Datenschutzerklärungen gelesen wurden, und darin liegt auch das Problem. Mit dem Datentreuhänder lässt sich organisieren, welches Unternehmen, welche Institutionen die Nutzerdaten wie verwenden darf. Dabei muss ein Datentreuhänder nicht zwingend eine staatliche Stelle sein. Auch gemeinnützige Organisationen oder Unternehmen müssen diesen Dienst anbieten können. Vielfalt muss möglich sein. Zentral ist jedoch Vertrauen. Wem vertraue ich meine Daten an? Das ist eine Frage, die jeder Bürger selbst entscheiden sollte. Allerdings muss Missbrauch vermieden werden. Deshalb muss eine goldene Regel für jeden Anbieter gelten: Ein Datentreuhänder ist eine neutrale Instanz, und ein Treuhänder verscherbelt keine Bürgerdaten. Die Förderung von Datentreuhändern, die diese Datenstrategie vorsieht, hat jedoch auch Implikationen auf die Struktur der Digitalwirtschaft; denn oftmals ist der Kern vieler digitaler Dienste der gleiche: ein werbefinanziertes Geschäftsmodell. Damit das ordentlich Gewinn abwirft, werden Daten über den Verbraucher gesammelt und Angebote personalisiert. Möglichst viel Zeit soll auf einer Plattform oder mit einem Produkt verbracht werden. Immer stärker soll der Kunde gebunden werden. Der Datentreuhänder kann dazu beitragen, den Wechsel von Anbietern und das Multihoming von Diensten deutlich zu erleichtern und damit dem Log-in-Effekt, der ganz engen Bindung des Nutzers an einen Anbieter, zu entgehen. Hier vereinen sich Bürgersouveränität und Verbrauchersouveränität, und das ist gut so. In der Datenstrategie ist aber nicht bloß das Ziel der Etablierung von Datentreuhändern formuliert, sondern auch dargelegt, welche Schritte wir dafür zu gehen haben: Erstens werden wir einen Ideenwettbewerb für Datentreuhänder initiieren, um eine möglichst breite Vielfalt an Modellen zu gewährleisten. Zweitens werden wir ein Förderprogramm zur Entwicklung und Erprobung innovativer Datentreuhänder aufsetzen. Drittens werden wir einen konkreten Rechtsrahmen für Datenmanagementsysteme schaffen. Ein erster wichtiger Schritt auf diesem Wege ist mit der gestrigen Verabschiedung des TTDSG im Kabinett übrigens bereits gegangen worden. Noch in dieser Legislatur werden wir damit Datentreuhänder ermöglichen und die Datensouveränität der Bürger stärken. Daten sind Wissen. Wissen ist Macht. Der Datentreuhänder ist das zentrale Konzept zur Stärkung der Selbstbestimmung, zur Rückgewinnung der Macht im Netz; denn die muss in guter demokratischer Tradition beim Bürger liegen. Vielen Dank. Vielen Dank, Hansjörg Durz. – Ich schließe die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt.
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Dr.
Dr. Ingrid Nestle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ingrid
Nestle
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht am heute schon fortgeschrittenen Abend um Herkunftsnachweise für erneuerbare Gase und erneuerbare Wärme. Dabei geht es nicht nur darum, EU-Regeln umzusetzen. Nein, es geht auch darum, Transparenz zu schaffen, Transparenz darüber, welche Gase und welche Wärme aus erneuerbaren Energien stammen, eine Transparenz, die für viele unserer Bürger wichtig ist. Es ist sinnvoll, bei diesen Herkunftsnachweisen für erneuerbare Gase eine gemeinsame europäische Lösung zu finden; denn wir haben gemeinsame europäische Märkte, und es wäre einigermaßen abstrus, wenn ab der Grenze ständig andere Regeln gelten würden. In diesem Sinne wird mit diesem Gesetzentwurf, der hier heute eingebracht wird – herzlichen Dank an die Bundesregierung, dass sie es geschafft hat, in diesen Zeiten auch noch dieses wichtige Thema voranzutreiben –, mehr ein Rahmen gesetzt. Auch mit der Verordnungsermächtigung, der wir als Bundestag noch zustimmen werden, wird die konkrete Ausgestaltung so gesetzt, dass sie in den europäischen Rahmen passt. Diese Umsetzung ist nicht nur notwendig, sondern sie passt auch tatsächlich hervorragend in unsere Zeit. Erneuerbare Gase galten lange als die Klimaschützer, waren aber ganz schön teuer. Inzwischen gibt es ein großes Unternehmen, das ein Memorandum of Understanding für die Lieferung von erneuerbarem Gas, erneuerbarem Ammoniak aus Australien, hat, Lieferzeitpunkt 2024. Das erneuerbare Ammoniak ist günstiger als der Import von fossilem LNG und auch günstiger, als wenn man fossiles Gas kauft. Das ändert auch die Situation auf den Märkten grundlegend, und das zeigt, wie wichtig das Thema ist und dass das eine Lösung ist nicht nur in Sachen Klimaschutz, sondern auch für die Frage der Versorgungssicherheit und vor allem für die Frage der bezahlbaren Energie. Das zeigt, dass die erneuerbaren Gase und auch der Import der erneuerbaren Gase tatsächlich schnell eine zentrale Rolle bei uns spielen werden und wir die Rahmenbedingungen dafür schaffen müssen. Zu diesen Rahmenbedingungen gehören die Herkunftsnachweise, um die es heute Abend in diesem Gesetzentwurf geht. Aber zu diesen Rahmenbedingungen gehört natürlich auch die Importinfrastruktur, die wir stärken wollen. Dazu wurden schon Projekte auf den Weg gebracht; im Norden wird das schon weiter ausgebaut. Natürlich bestehen schon heute größere Importinfrastrukturen, um Ammoniak zu händeln, und das kann künftig eben erneuerbar sein und muss nicht mehr fossil sein. Sehr verehrte Damen und Herren, wir sehen einmal mehr: Die Abhängigkeit von den Fossilen treibt uns nicht nur in die Klimakrise; sie hat uns auch in die Kostenkrise getrieben – im Gasbereich wie im Wärmebereich. Deshalb ist die Lösung, dass wir an dieser Stelle unabhängiger werden von den Fossilen, dass wir uns lösen aus der Abhängigkeit und dass wir auf die erneuerbaren Energien setzen. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen zu diesem Gesetzentwurf. Ich freue mich darauf, dass ein weiterer Baustein geschaffen wird, um den Erneuerbaren im Gas- und im Wärmebereich den Weg in die Zukunft zu ebnen. Herzlichen Dank. Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Thomas Heilmann das Wort.
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Josephine Ortleb SPD
Josephine
Ortleb
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Alle zwei Jahre ein Menschenrechtsbericht, alle zwei Jahre ein Blick auf die Menschenrechtslage weltweit. Oft sehen wir dabei vor allen Dingen „die anderen“: Wir sehen die fehlenden Frauenrechte in Saudi-Arabien, die eingeschränkte Meinungsfreiheit in China oder die abnehmenden Rechte der indigenen Bevölkerung in Brasilien. Das ist wichtig. Ich will meine drei Minuten Redezeit dazu nutzen, den Blick auf uns selbst zu richten; denn der Blick auf unsere eigene Gesellschaft und auf unsere eigenen Probleme bei der Umsetzung menschenrechtlicher Garantien fällt uns oft schwer. Blicke ich auf die vergangen Jahre zurück, so sehe ich eine Gesellschaft, in der Rassismus in Sprache und Taten zunimmt. Deutschland hat ein Problem, und dieses Problem heißt Rassismus. Und Rassismus greift das an, was jedem Menschenrecht innewohnt: die Garantie, für alle universell zu gelten. Die Zahl der fremdenfeindlichen Gewalttaten hat sich im Jahr 2018 nach Angaben des Bundeskriminalamtes im Vergleich zum Jahr 2012 mehr als verdoppelt. Mehr als 190 Menschen wurden nach Angaben der Amadeu-Antonio-Stiftung seit der Wiedervereinigung durch rechte Gewalt ermordet, mehrheitlich aus rassistischen Motiven. Rassismus ist tödlich; das wissen wir nicht erst seit dem NSU. Wir müssen dafür sorgen, dass er es nicht bleibt. Wir haben die historische und politische Verantwortung, den Blick ganz genau auf uns selbst zu richten; denn es liegt an uns, Rassismus und andere gruppenbezogene Menschenfeindlichkeiten entschlossen zu bekämpfen. Auch dazu ermahnt uns dieser Bericht. Die Bundesregierung hat ihre Anstrengungen weiter verstärkt: in der Strafverfolgung, in der politischen Bildung, in der Verfolgung von Hasskriminalität im Internet. Doch trotz dieser Anstrengungen sind rassistische Übergriffe auch heute noch an der Tagesordnung: ob in Chemnitz, wo Menschen mit mutmaßlichem Migrationshintergrund durch die Straßen gejagt wurden, oder im Netz, wo rassistische Beleidigungen zur Normalität gehören. Das dürfen wir nicht akzeptieren. Der vorliegende Menschenrechtsbericht der Bundesregierung zeigt uns, dass der Kampf gegen Rassismus weiterhin unserer besonderen Aufmerksamkeit bedarf. Wir brauchen einen Grundkonsens im Kampf gegen Rassismus. Deshalb ist es gut, dass wir die Mittel gegen rechts im Förderprogramm „Demokratie leben!“ erhöht haben, um rassistische Strukturen zu bekämpfen. Damit stärken wir die, die unsere Demokratie stärken. Lassen Sie uns gemeinsam klarmachen, dass Rassismus in all seinen Formen ein Angriff auf die Universalität der Menschenrechte ist. Und lassen Sie uns gemeinsam für das Versprechen der Menschenrechte eintreten – das Versprechen, dass alle Menschen gleich an Würde und Rechten geboren sind. Vielen Dank. Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Stefan Rouenhoff, CDU/CSU.
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Elisabeth Kaiser SPD
Elisabeth
Kaiser
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich festhalten, dass ich mich gefreut habe, dass nun auch die FDP sich mit den Ostdeutschen auseinandersetzt. Wenn ich mir aber die Historie Ihres Antrags so ansehe, dann weiß ich nicht, ob es Ihnen wirklich um die Interessen der Ostdeutschen geht oder vielleicht doch eher um die Wahlen in Thüringen. Sie stellen den Ladenhüter „Freiheitszone“ wieder ins parlamentarische Schaufenster und hoffen jetzt, dass Ihr Marketing wirkt. Dabei hat das schon bei der Bayern-Wahl nicht geklappt. Da wollte die FDP nämlich auch schon die Freiheitszone einführen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, in Ihrem Antrag nehmen Sie die ostdeutsche Gründerszene in den Blick. Das ist schon mal gut, und dagegen ist auch nichts einzuwenden. Nur finde ich das Instrument der sogenannten Freiheitszone, mit dem Sie die Innovationskultur im Osten fördern wollen, fragwürdig; denn Ostdeutschland leidet noch immer unter den Folgen der Politik der Deregulierung nach der Friedlichen Revolution. Das Ergebnis ist: Es gibt auch heute noch deutliche Unterschiede im Lohnniveau. Wenn man den Antrag der FDP so liest, möchte man meinen, der Osten sei wirtschaftlich unterentwickelt und ohne Perspektiven. Aber das Gegenteil ist der Fall. Unser Standbein sind die innovativen kleinen und mittelständischen Betriebe, die sich häufig spezialisiert haben und in so mancher Nische auch Weltmarktführer sind. In meinem Bundesland Thüringen arbeitet der Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee erfolgreich daran, alles dafür zu tun, dass sich innovative Ideen zu vielversprechenden Unternehmen entwickeln. Das Ziel des Wirtschaftsministers ist es, Thüringen zum gründerfreundlichsten Bundesland zu machen. Die Weichen dafür sind gelegt. So fördert das Land Thüringen Unternehmensgründungen finanziell durch die Thüringer Gründerprämie und Mikrokredite. Thüringen verfügt mit dem ThEx über ein deutschlandweit einmaliges Beratungsangebot für Existenzgründungen. So veranstaltet das ThEx zum Beispiel auch eine Roadshow für Unternehmensnachfolge und unterstützt dabei interessierte Gründerinnen und Gründer durch Nachfolgelotsen dabei, die Unternehmensnachfolge zu bewerkstelligen. Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Erst kürzlich, im Frühjahr, besuchte ich in meiner Heimatstadt Gera die ad hoc gaming GmbH, die 2017 gegründet wurde und sich mittlerweile zu einem E-Sport-Zentrum in Thüringen mit einer eigenen Mannschaft entwickelt hat. Das ist schon eine Erfolgsgeschichte, aber auch kein Einzelbeispiel. In den letzten 30 Jahren hat sich Ostdeutschland in wirtschaftlicher Hinsicht sehr positiv entwickelt; das möchte ich festhalten. Nach dem Zusammenbruch der DDR kam es peu à peu zur Angleichung der Wirtschaftskraft und zum Aufbau einer wettbewerbsfähigen Unternehmenslandschaft. Dabei haben die Struktur- und Regionalförderung sowie zahlreiche Förderprogramme des Bundes natürlich einen wichtigen Beitrag geleistet; das wurde schon ausgeführt. Natürlich ist aber auch der Verlust der industriellen Entwicklungsbasis nach der Wende immer noch spürbar. Aber der Strukturwandel, den die Ostdeutschen schon vor 30 Jahren durchmachen mussten, findet verzögert nun auch in anderen Teilen der Bundesrepublik statt. Klar ist dabei Wirtschaftsförderung essenziell. Aber gerade mit Blick auf die demografischen Aspekte braucht es eben auch auf anderen Feldern Unterstützung für strukturschwache Regionen, von denen viele in Ostdeutschland liegen, gerade auch abseits der großen Städte. Ganz konkret geht es um eine gute Verkehrsinfrastruktur, komfortablen ÖPNV, schnelles Internet und Gesundheitsversorgung, gute Wohn- und Arbeitsbedingungen, bedarfsgerechte Kinderbetreuung und ausreichend Freizeitangebote. Die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ hat vor der Sommerpause die Ergebnisse ihrer Arbeit vorgelegt. Die Bundesregierung hat daraus zahlreiche Maßnahmen abgeleitet, die nun in die Umsetzung gehen. Für besonders wichtig halte ich dabei die Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements; denn gerade das ist der Kitt unserer Gesellschaft. Aber wenn der Osten zukünftig wirtschaftlich mithalten soll, braucht es einen schnellen flächendeckenden Ausbau von Glasfaser-Breitband und Mobilfunk sowie eine bevorzugte Ansiedlung von Behörden und Forschungseinrichtungen. Wer sich ernsthaft mit den Problemen Ostdeutschlands auseinandersetzt, der weiß, Herr Kemmerich, dass im 30. Jahr nach der deutschen Einheit immer noch enorme Ost-West-Unterschiede da sind: bei den Löhnen, bei den Renten und bei den Vermögen. Deswegen setzen wir, die SPD, uns dafür ein, dass es eine flächendeckende Tarifbindung gibt und auch eine Grundrente, die einem langen Arbeitsleben Respekt zollt. Frau Kollegin, Ihre Zeit ist deutlich überschritten. Ich komme zum Schluss. – Ich möchte noch sagen: Der Osten wird im Wettbewerb um Fachkräfte nur mithalten können, wenn es auch bei uns gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne gibt. Arbeiten Sie lieber mit daran, dass wir gleichwertige Lebensverhältnisse haben, anstatt hier Freiheitszonen vorzuschlagen! Vielen Dank. Vielen Dank, Elisabeth Kaiser. – Ich schließe die wirklich spannende Aussprache.
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Renate Künast BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Renate
Künast
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Minister, ich weiß es gar nicht: Vielleicht ist es Dummheit, oder vielleicht ist es sogar Absicht. Ich weiß es nicht. Sie haben gesagt: Manche stellen sich dümmer, als sie vielleicht sind. – Das kann auch Absicht sein. Ich stelle in dieser Runde fest, wie menschenverachtend Kollegen hier sein können, die mit Zahlen operieren nach dem Motto: Es sind nicht 100, sondern nur 12 auf der Intensivstation. Ich frage mich bei manchen: Was ist eigentlich in Ihrem Leben schiefgegangen, dass Ihnen diese zwölf Leute so was von egal sind? Wir reden ja über das Impfen und die Frage der Risiken. Natürlich bringt jeder Impfstoff auch ein Risiko mit sich – andere gibt es aber nicht –, aber er ist auch eine Chance. Ich würde gerne mal von Ihnen wissen, wie Sie die Risiken und Chancen der Impfstoffe in Relation zu den Risiken und Chancen, wenn man nicht geimpft ist, abwägen. Ich persönlich kenne auch Leute, die geimpft waren und krank wurden, die danach lange krank sind. Aber Verantwortung und Vorsorgeprinzip heißt ja, das in Relation zu setzen.
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Arno Klare SPD
Arno
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme aus dem Ruhrgebiet. Falls man das hören sollte: Es ist durchaus gewollt. Das Ruhrgebiet ist ein riesiger Ballungsraum, einer der größten in Europa. Für uns ist der Brief, der da geschrieben worden ist, wirklich ein sehr positives Signal. Ich werde versuchen, Ihnen das zu begründen. Die Stadt Essen wird als eine Modellstadt genannt. In die Stadt Essen pendeln pro Arbeitstag 150 000 Arbeitnehmer, die also nicht in Essen wohnen. Das sind übrigens rund 46 Prozent aller Menschen, die in Essen tagtäglich ihrer Arbeit nachgehen. Getoppt wird das in Nordrhein-Westfalen nur von Bonn und Düsseldorf, die noch höhere Einpendlerquoten haben. Das Problem ist: Nur 18 Prozent dieser Menschen pendeln mit dem ÖPNV; 62 Prozent nehmen das Auto. – Das ist für eine Metropolregion wie diese, aus der ich komme, ein wirklich schlechter Wert. Insofern ist das Signal, das von diesem Brief ausgeht: „Der ÖPNV muss attraktiver werden“, goldrichtig. Wir werden die Klimaziele nur erreichen können, wenn der ÖPNV wirklich deutlich attraktiver wird. Hier ist gerade die Rede davon gewesen, man habe keinen Kompass, es sei keine Landkarte zu sehen. Ich werde einmal ein paar Gegenbeispiele nennen. In der letzten Legislaturperiode haben wir die Regionalisierungsmittel um fast 1 Milliarde Euro erhöht. Für die, die es nicht wissen: Daraus wird alles, was im Schienenpersonennahverkehr fährt, finanziert. Wir haben ins Baugesetzbuch ein neues städtisches Gebiet, nämlich das urbane Gebiet, hineingeschrieben, um endlich wieder einmal Arbeit, Freizeit und Wohnen zusammenbringen zu können, so wie es in den Städten ehemals einmal war. Das setzt die Leipzig Charta von 2007 um. In meiner Region werden viele Mittel – in der letzten Ausbaustufe sind es dann fast 4 Milliarden Euro – in ein Backbone-Schienensystem – „RRX“, „Rhein-Ruhr-Express“ genannt – investiert; im Bundesverkehrswegeplan prioritär hinterlegt. Wir reden auch über Radwege. Der RS1, der genau an meinem Wahlkreisbüro vorbeigeht, ist aus dem Ministerium von Barbara Hendricks gefördert worden; weitere Maßnahmen werden aus dem Bundesverkehrswegeplan finanziert. Diese Linie setzt sich fort. Wir werden die Mittel für das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz-Bundesprogramm in dieser Legislaturperiode von 333 Millionen Euro auf 1 Milliarde Euro erhöhen. Als ich das bei einer Veranstaltung erwähnt habe, hat mir irgendein Journalist gesagt, das sei der typische Überbietungswettbewerb von Politikern. Herr Gastel ist mein Zeuge; er war auch bei der Veranstaltung. Jetzt steht das im Koalitionsvertrag. Wir werden auch die Mittel aus dem „Sofortprogramm Saubere Luft“ – 1 Milliarde Euro waren da angesagt – verstetigen und jedes Jahr im Haushalt haben. Jetzt zu sagen, wir hätten nichts getan, ist schlichter Blödsinn. Die Menschen legen pro Tag 3,4 Wege außerhalb ihrer Wohnung zurück. Das ist eine Zahl, die seit 100 Jahren gleich geblieben ist; die hat sich nicht verändert. Nur die Länge der Wege hat sich vervielfacht; die Summe liegt jetzt bei 42 Kilometern. 20 Prozent dieser Wege sind übrigens dem Freizeitbereich zuzuordnen. Im Modal Split bundesweit sind wir bei 11 Prozent ÖV und 55 Prozent MIV, also motorisierter Individualverkehr. Das müssen wir drehen. Wir müssen deutlich bessere Zahlen bekommen. Insofern ist dieser Brief wirklich ein Anstoß, ein Nachdenkanstoß, wie Kirsten Lühmann es gesagt hat. Ich bin froh und dankbar, dass wir heute begonnen haben, auf parlamentarischer Ebene ergebnisoffen darüber nachzudenken, wie wir den ÖPNV attraktiver machen können. – Ich weiß nicht, Herr Krischer, ob Sie mir nie zuhören. Diesmal haben Sie wieder nicht zugehört. Verdammt noch mal! Das kann doch nicht sein! Irgendwann müssen Sie doch mal zuhören! Ich habe doch gerade eine ganze lange Liste aufgezählt. Wieso hören Sie mir nicht zu? Sie von den Grünen haben, weil Sie den Haushalt abgelehnt haben, auch alle die Mittel abgelehnt, die ich gerade aufgezählt habe. Dieser Brief ist der richtige Impuls zur richtigen Zeit. Er steht in einer erfolgreichen Tradition und setzt diese Tradition fort. Wir werden das in dieser Legislaturperiode zu einem sehr guten Ende bringen. Zu seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag hat der Abgeordnete Frank Magnitz aus der AfD-Fraktion das Wort.
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Corinna Rüffer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Corinna
Rüffer
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein ganz warmes Willkommen gerade heute an die Gäste auf den Tribünen! Wir stehen am Anfang einer Entwicklung, die wir gerade noch steuern können. Ein Tropfen Blut soll in diesem Fall Auskunft darüber geben, ob ein zukünftiges Kind mit dem sogenannten Downsyndrom geboren werden würde. Wir wissen: Ganz viele andere Tests stehen vor der Zulassung. Das heißt, wir reden nicht nur über Trisomie 21. Reden wir heute über eine soziale Frage, wie manche behaupten? Ich finde, nein. Das Gesundheitssystem ist dafür da, Menschen zu heilen. Dieser Test kann nicht dazu dienen, zu heilen, weil das Downsyndrom eben keine Krankheit ist. Man kann es nicht heilen, und man sollte es auch nicht. Wozu dient der Test dann? Er dient in aller Regel – machen wir uns nichts vor! – der Selektion. Die allermeisten Föten werden abgetrieben, wenn vermutet wird, dass das zukünftige Kind mit Trisomie 21 auf die Welt kommen würde. Es ist sehr schade, dass heute niemand mit Trisomie 21 von hier aus den eigenen Standpunkt vertreten kann. Leider befinden wir uns erneut in einem Diskurs, der weitgehend über die Köpfe der Betroffenen hinweg geführt wird. In diesem Diskurs gibt es einen Aspekt, den ich für besonders relevant halte: den der Selbstbestimmung. Was sind ihre Bedingungen und Voraussetzungen? Ist Selbstbestimmung unabhängig von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Erwartungen denkbar? Warum entscheiden sich so viele Frauen nach einem – in Anführungszeichen – positiven Testergebnis für eine Abtreibung, obwohl sie zuvor grundsätzlich Ja zum Kind gesagt haben? Um mit Natalie Dedreux zu sprechen – sie hat eine erfolgreiche Petition auf den Weg gebracht und mit einer klugen Frage die Kanzlerin ziemlich in die Bredouille gebracht –: Warum habt ihr Angst vor uns? Ich habe mit vielen Menschen gesprochen, viele Menschen kennengelernt, die mir ihre sehr persönlichen Sichtweisen geschildert haben. Es sind Lebensgeschichten, die oftmals belegen, dass Selbstbestimmung keine einfache oder eindimensionale Sache ist, dass sich Perspektiven verändern. Ich rede von Menschen, die mich gebeten haben, sie heute zu erwähnen, die Sie wissen lassen möchten, dass sie unendlich dankbar dafür sind, dass sie nicht gewusst haben, dass sie nicht wissen mussten, die sich sicher sind, dass sie sich aus Sorge vor Überforderung gegen ihr Kind entschieden hätten. Sehr geehrte Damen und Herren, wir leben in einer Gesellschaft, die leider immer noch außerordentlich ungeübt ist im Umgang mit Behinderungen. Dafür ist sie geübt in der Erwartung nach Leistungsfähigkeit und Gesundheit. Diese Erwartung lastet schwer auf den Schultern von schwangeren Frauen. Sie lastet schwer auf den Schultern von Menschen mit Behinderungen. Lassen Sie uns diese Debatte zum Anlass nehmen, Natalie Dedreux, Oskar Schenck, Arthur Hackenthal und all den anderen zuzurufen – Frau Kollegin Rüffer, auch Ihre drei Minuten sind vorüber. – ich komme zum Ende –: Wir haben keine Angst vor Ihnen. Bitte beenden Sie jetzt Ihre Rede. Das Mikrofon ist schon abgeschaltet. – Frau Rüffer, das Mikrofon ist abgeschaltet. Man hört Sie gar nicht mehr. – Das tut mir leid. Wilfried Oellers, CDU/CSU, ist der nächste Redner.
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Mechthild Heil CDU/CSU
Mechthild
Heil
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht Arbeit etwa oder Rente, nein, „Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit.“ Dieser Satz hat in den letzten Monaten wirklich eine steile Karriere gemacht, auch heute haben wir ihn ein paarmal gehört. Und an dem Satz – das muss ich ehrlich sagen – ist natürlich etwas Wahres dran, aber mit diesem Satz ist noch längst nicht alles gesagt. Wohnen ist doch viel mehr. Wohnen ist das Urbedürfnis von uns Menschen, zu Hause zu sein, Heimat zu fühlen, Schutz zu haben, sich treffen zu können. Wohnen ist eine wichtige gesellschaftliche Frage, es ist eine wichtige wirtschaftliche Frage, und natürlich ist es auch eine kulturelle Frage. Es ist daher zwar richtig, beim Thema Wohnen auf den sozialen Aspekt, wie Die Linke das gemacht hat, und auf die hohen Wohnkosten in den Ballungsgebieten zu schauen, aber das alleine reicht nicht aus; denn nicht überall in Deutschland herrscht Wohnungsmangel. In einigen Regionen gibt es sogar erheblichen Leerstand. Die Menschen gehen dorthin, wo es attraktive Angebote gibt: Angebote für die Ausbildung, für den Arbeitsplatz, für Kitas, für Schulen, für ein breites Freizeitangebot oder auch ein Kulturangebot. Wenn aber die Regionen mit Wohnungsleerstand nur 20 Kilometer vom Ballungsgebiet mit explodierenden Mieten entfernt sind, dann müssen wir uns doch fragen: Woran liegt das? In der Antwort auf diese Frage liegt ein Teil der Lösung für „ die soziale Frage unserer Zeit“. Die ländlichen Räume spielen beim Thema Wohnen eine wichtige Rolle. Es geht – Herr Daldrup hat es eben gesagt – um gleichwertige Lebensverhältnisse in Berlin wie in Berlichingen. Das ist unsere Aufgabe. Es geht um ein faires Miteinander der Regionen zum Wohle aller. Ländliche Räume brauchen starke Zentren, und die Ballungsgebiete haben ihrerseits ein großes, ein vitales Interesse an lebendigen Entwicklungen der Räume um sie herum. Ich kann das auch ganz einfach mit einem indianischen Sprichwort sagen: Erst wenn die letzte Baulücke gefüllt und das letzte Dachgeschoss aufgestockt worden ist, dann werdet ihr merken, dass man in Ballungsgebieten nicht unbegrenzt bezahlbaren Wohnraum schaffen kann. Wir müssen also beides tun: den Gebieten helfen, die von Wohnraummangel betroffen sind – dazu wurde von meinen Vorrednern schon viel Richtiges gesagt –, aber auch Entlastungen schaffen, indem wir die ländlichen Regionen weiter stärken und attraktiver machen, zum Wohle von Stadt und Land. Ich rede hier wirklich nicht dem unkontrollierten Flächenfraß das Wort. Auch im ländlichen Raum gibt es natürlich das Gebot der Verdichtung. Wir brauchen die Revitalisierung der Ortskerne und deshalb auch die Stärkung der örtlichen Verwaltungen, die diese Revitalisierung vor Ort durchsetzen müssen. Wir brauchen auch die Konversion von ehemaligen Militärflächen, und wir müssen über Brachflächenreaktivierung sprechen, gerade mit Blick auf das Problem der unkalkulierbaren Bodenbelastungen. Dieses Problem müssen wir lösen, auch wirtschaftlich. Ländliche Regionen sind als Wohnort dann besonders attraktiv, wenn die Verkehrsanbindungen besonders gut und zuverlässig sind. Deshalb sage ich: Im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs ist noch Luft nach oben, und auch die eine oder andere Straße – das sage ich an die linke Seite dieses Hauses gerichtet – ist noch auszubauen. Auf die Bedeutung guter Freizeitangebote und Naherholungsgebiete habe ich schon hingewiesen. Wenn wir das alles beherzigen, dann kann die Entlastung der Ballungsgebiete ein Stück weit besser funktionieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, Wohnen ist eine der wichtigsten Fragen unserer Zeit; aber wir leben in einem Land, in dem Gebäude oft älter werden, als ein Menschenleben dauert. Was wir heute entscheiden, was wir heute an Bautätigkeiten anregen, wird die Welt unserer Kindeskinder noch prägen. Deshalb ist mir nicht in erster Linie wichtig, dass wir schnell vorgehen, sondern dass wir die Maßnahmen, die wir geplant haben, klug und verantwortungsbewusst umsetzen, zum Wohle unseres Landes. Vielen Dank. Die Kollegin Ulli Nissen spricht nun für die SPD-Fraktion.
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Martin Rabanus SPD
Martin
Rabanus
SPD
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich kann ganz gut an das anknüpfen, was Frau Staatsministerin Grütters ausgeführt hat. Es ist ja gute Tradition, dass wir uns am Ende der Generaldebatte auch noch einmal mit der Kultur befassen und anschauen, wie sie etatisiert ist. Die erste Botschaft dieses Regierungsentwurfes ist: Es bleibt so – die Kultur und der Medienbereich sind dieser Bundesregierung und der Koalition wichtig. 1,95 Milliarden Euro sind im Regierungsentwurf etatisiert, 120 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Das ist eine gute Nachricht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die zweite gute Nachricht ist: Die Koalition setzt die Abarbeitung des Koalitionsvertrages konsequent um. Wir haben uns dort auf eine neue Agenda für Kultur und Zukunft verständigt, die im Grunde genommen drei Schritte hat. Der erste Schritt ist: Wir sichern natürlich im Bundeshaushalt auch die Hauptstadtkulturpolitik ab. Das geschieht, übrigens auch, was die Stiftung Preußischer Kulturbesitz anbelangt, mit einer deutlichen Erhöhung der Finanzierung auf knapp 300 Millionen Euro für 2021, aber darüber hinaus auch für viele Kultureinrichtungen in der Hauptstadt, fast 45 Millionen Euro in den unterschiedlichsten Bereichen. Der zweite Teil ist: Wir kümmern uns natürlich auch um wichtige kulturpolitische Leuchttürme in der ganzen Bundesrepublik Deutschland. Wir haben im Bereich der Musik- und Theaterförderung von den Bayreuther Festspielen über die Barenboim-Said-Akademie, die Bad Hersfelder Festspiele bis hin zum Reeperbahn Festival und vielem mehr über 50 Millionen Euro eingestellt. Wir haben 230 Millionen Euro für unterschiedlichste Kultureinrichtungen quer durchs Land vorgesehen: von dem Freien Deutschen Hochstift über das Haus der Geschichte bis hin zum Jüdischen Museum, um nur drei Schlaglichter zu nennen. Der dritte Teil ist: Wir fördern auch Kultur in der Region. Das ist uns als Koalition wichtig: über die „Landmillionen“, aber auch über die Bundeskulturfonds, die wir haben, bis hin zu dem Löwenanteil der Mittel, die über die Bundeskulturstiftung auch ausgegeben werden. Werte Kolleginnen und Kollegen, „Kultur für alle“: Das ist das Motto dieser SPD, das ist das Motto dieser Koalition, und wir setzen es auch um. Das gilt auch für den angesprochenen Bereich der Filmförderung. Rund 200 Millionen Euro sind dafür vorgesehen. Und nicht zuletzt die Deutsche Welle – Frau Staatsministerin Grütters hat das ausgeführt –: Wir erreichen da jetzt ein Niveau, das mit dem anderer europäischer Länder vergleichbar ist, mit etwa 400 Millionen Euro, die wir für unsere Stimme der Demokratie, die Stimme unseres Landes in der Welt, investieren. Aber natürlich spielt sich das alles unter Coronabedingungen ab und ist überlagert von der Coronasituation. Ich freue mich auch sehr, dass es gelungen ist, mit dem Programm „Neustart Kultur“ 1 Milliarde Euro für das laufende und für das kommende Jahr zu mobilisieren, um die Institutionen abzusichern. Denn es ist so: Ohne Kulturinstitutionen ist es schwer, dass Kultur in unserem Land einen Raum finden kann. Umgekehrt – das ist auch richtig, und wir diskutieren das auch in der Koalition – ist es natürlich so, dass Kultureinrichtungen, in denen keine Künstlerinnen und Künstler mehr aktiv sein können, nicht mehr funktionieren. Deswegen, glaube ich, ist es richtig, auch in den kommenden Wochen noch einmal sehr intensiv auf die Förderkriterien zu schauen, die wir haben. Es hapert im Moment nicht am Geld, sondern wir müssen uns die Förderkriterien noch mal genau anschauen und die Künstlerinnen und Künstler in den Blick nehmen, weil nur beides zusammen funktioniert. Die Kultureinrichtungen, die Kulturinstitutionen und die Künstlerinnen und Künstler müssen gemeinsam gut durch die Krise kommen. Dann ist es auch gut für das Land. Dann ist es stabil. Dann haben wir eine Chance, wenn wir die Coronalage besser im Griff haben, die Kultur in unserem Land wieder richtig hochzufahren. Herzlichen Dank. Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion der CDU/CSU die Kollegin Patricia Lips.
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Jürgen Braun AfD
Jürgen
Braun
AfD
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin! Auch für Sie gilt das. Das generische Maskulinum – das gilt – ist die deutsche richtige Anrede, die ist bis heute gültig. So, dann bekommen Sie einen Ordnungsruf von mir; denn es gibt einen Beschluss, dass Sie die Präsidentinnen als Präsidentin bezeichnen. Ich erteile dem Abgeordneten Braun einen Ordnungsruf. Gut. Das korrekte Deutsch gilt für alle. Ich bitte, die Zeit anzuhalten, wenn hier in dieser Form in meine Redezeit eingegriffen wird. So. Sie haben gar nichts zu bitten, Sie haben jetzt zu reden, oder Sie hören auf zu reden. So. Die Istanbul-Konvention ist ein völkerrechtlich bindender Vertrag. Der türkische Präsident Erdogan hat den Austritt aus der Konvention verkündet. Ein fatales Zeichen ist gesetzt. Erdogan missachtet die Frauenrechte. Die türkische Oppositionspartei, CHP, teilt mit: Der Austritt bedeutet, dass – so wörtlich – Frauen Bürger zweiter Klasse sind und getötet werden. – Ich habe jetzt das Wort, Entschuldigung. Die Grünen haben diese Aktuelle Stunde verlangt. Die Grünen müssen offensichtlich etwas korrigieren, müssen sich rechtfertigen; denn sie sind eigentlich alte Erdogan-Fans, Beifallklatscher für den Despoten. Die Frauenrechte in der Türkei waren ihnen lange Zeit völlig egal – allzu oft völlig blind gegenüber der Gefahr aus dem legalistischen Islam, allen voran Claudia Roth: Sie umarmt ja auch Massenmörder aus dem Iran gerne mal und grüßt sie mit einem kumpelhaften High five. Ich erteile Ihnen einen zweiten Ordnungsruf – Eigentlich war Staatschef Erdogan – – und erbitte, dass das morgen im Ältestenrat thematisiert wird. – Ihr edler Held gegen das böse türkische Militär. – Ich bleibe bei der Sache im Gegensatz zu anderen hier. Als Erdogan an die Macht gekommen war, gehörten die Grünen als Regierungspartei zu den ganz lauten Trommlern für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei. Und immer war Erdogan der große Held gegen das böse, böse Militär. Ein zu großer Einfluss des Militärs auf die Politik ist natürlich schädlich; aber die starke Generalität hat die islamische Radikalisierung der Türkei lange Zeit verhindert. Genau diese Radikalisierung betreibt jetzt Erdogan. Erdogans islamistische Gesinnung ist es, die Jahr für Jahr Hunderte von Frauen das Leben kostet. Frauenrechte sind wichtig. Die AfD-Fraktion betrachtet mit großer Sorge die Entwicklung in der Türkei. Erdogans Scharia-Politik kostet Zigtausende von Menschenleben. Seyran Ates, die mutige Berliner Anwältin, muss unter ständigem Polizeischutz leben, weil sie den politischen Islam kritisiert, und das mitten in Deutschland. Seyran Ates schreibt – Zitat –: Ein Gutteil der muslimischen Jugendlichen in Deutschland denkt mittlerweile islamisch-identitär. Das haben wir den vom türkischen Staatsislam dominierten Verbänden zu verdanken – und der ständigen Klassifizierung kritischer Auseinandersetzung damit als ‚rechtsʼ. Die Armenienresolution: Hundert Jahre hat das deutsche Parlament gebraucht, um diesen Völkermord als das zu benennen, was er ist. Die Bundeskanzlerin und Herr Steinmeier sprechen immer noch nicht von Völkermord, und die Resolution wird nach wie vor durch den Bundestag nicht ernsthaft umgesetzt. Aber das ist auch kein Wunder. Die CDU pflegte ihre Partnerschaft zur Erdogan-Partei AKP. In der SPD geben sich türkische Funktionäre die Türklinke in die Hand. Diese Funktionäre hetzen massiv gegen Armenier. Die etablierten Altparteien sind mit den Leugnern des Völkermords verbündet. Sie sind damit ganz, ganz tief in die Leugnung des Völkermords an den Armeniern verstrickt. Nur die AfD steht konsequent an der Seite der Armenier. Sir Karl Popper sagte: Der Versuch, den Himmel auf Erden einzurichten, erzeugt stets die Hölle. Dieser Versuch führt zu Intoleranz, zu religiösen Kriegen und zur Rettung der Seelen durch die Inquisition. Wer den Himmel verspricht, aber die Hölle bringt: Diese Hölle bringen Kommunisten und Sozialisten. Es geht in der Außenpolitik nicht darum, was der Himmel ist, sondern es geht vor allem in der Menschenrechtspolitik darum, was weniger Hölle ist. Der Einfluss der früheren kemalistischen Generalität in der Türkei war weit weniger Hölle als der Islamismus. Und eines muss die Bundesregierung sofort leisten: Die Beitrittsverhandlungen der Türkei zur Europäischen Union müssen sofort beendet werden, und zwar restlos. Vielen herzlichen Dank Ihnen. – Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Frank Schwabe.
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Katrin Budde SPD
Katrin
Budde
SPD
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben heute Mittag über die Enquete-Kommission debattiert und sie auch gewürdigt und geehrt. Frau Schenderlein, Sie irren sich allerdings: Die Forderung nach dem Mahnmal kommt aus der Enquete-Kommission und stammt von 1992. Von den 30 Jahren seither hat die CDU 22 Jahre mitregiert. Als ich 2017 in den Bundestag gekommen bin, bin ich auf das Mahnmal angesprochen worden, und ich habe mir dann die Geschichte einmal angeguckt; Herr Dombrowski und die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hatten mich darauf angesprochen. Ich habe dann, Gott sei Dank, Kolleginnen und Kollegen in der CDU/CSU-Fraktion gefunden – Frau Connemann, Frau Motschmann –, mit denen zusammen wir das, was die CDU/CSU-Fraktion 2015 blockiert hat, wieder gängig gemacht haben. – Sie sollten hier, wenn, dann die ganze Geschichte erzählen! Dann ging es zügig – Gott sei Dank. Vielleicht sollten Sie die Damen einmal fragen; denn mit denen war das eine super Zusammenarbeit. Im Übrigen kann ich von denen, die jetzt mit uns in der Ampelkoalition sind, nicht sagen, dass sie eine solche Art von Anträgen eingebracht hätten, nur um hier den Lauten zu geben. Die BKM hatte schon lange den Auftrag, ein Gedenkstättenkonzept zu erarbeiten. Dass das so durcheinandergeht, liegt ganz sicher nicht an Frau Roth. Sie haben sie am 12. Januar dieses Jahres gefragt; sie ist seit dem 8. Dezember letzten Jahres im Amt. Sie hätten die Fragen, die Sie haben – warum das nicht funktioniert hat –, der ehemaligen BKM, Ihrer Kollegin Grütters, stellen sollen. Das wäre die richtige Fragestellung gewesen. Es hätte auch dieses Antrages hier nicht bedurft; denn wir sind uns in der Sache einig. Und ich muss sagen – das war das Schöne daran –: Wir sind uns in der letzten Legislatur über fast alle Fraktionen hinweg einig gewesen, wie wichtig dieses Mahnmal ist, und wir haben uns nichts gegenseitig vorgehalten. Was Sie hier heute getan haben – auch mit diesem Antrag –, so zu tun, als ob die Koalition nicht dahinterstehen würde, als ob man Frau Roth auffordern müsste, dies zu tun, ist in einem großen Maße unredlich; das habe ich wirklich schon lange nicht mehr in diesem Bundestag erlebt. – Schütteln Sie lieber nicht den Kopf! Sie waren in der letzten Legislatur auch im Ausschuss, Herr Kollege. Zu dem Standort: In Ihrer Fraktion wird genau wie in allen anderen Fraktionen darüber debattiert, wo das Mahnmal errichtet werden soll. Wir haben alle in unseren Fraktionen konkurrierende Ideen für den Standort Scheidemannstraße: Da ist das sogenannte Polendenkmal, da ist das Dokumentationszentrum zum Vernichtungskrieg gen Osten, da ist das Mahnmal für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft. – All diese Vorschläge zielen auf die Scheidemannstraße ab; die konkurrieren miteinander. In Ihrer Fraktion gibt es dazu, wie in allen anderen Fraktionen auch, unterschiedliche Auffassungen; da gibt es keine klare Meinung, welches Mahnmal da genau errichtet werden soll. Hinzu kommt – das wissen Sie auch ganz genau –: Dieser Standort gehört weder dem Bund noch dem Land Berlin; er gehört Berlin-Mitte. Und es ist Grünland! Es ist nicht einmal bebauungsfähig. Als dann das Konzept fertig war – das war eine geniale Idee: alle zusammen haben ein super Konzept für das Mahnmal erarbeitet, und es ist im Dezember übergeben worden –, hat die Kollegin Grütters Herrn Lederer angeschrieben. Und dann war Ruhe! Wir haben im Ausschuss, in der letzten Sitzung 2021, gemeinsam eine Protokollerklärung verfasst, dass sich die Kulturpolitiker/-innen als Standort für dieses Mahnmal die Scheidemannstraße wünschen, und dazu stehen wir auch noch. Aber wir wissen nicht einmal, ob der Standort überhaupt möglich ist. Und jetzt zum Mahnmal selbst. Damit das Thema nicht untergeht und nicht nur die Erklärung meinerseits nachher im Protokoll steht, die Sie auch vorher hätten nachlesen und nachfragen können, will ich gerne noch einmal wiederholen: In den Diktaturen des Ostens – in unterschiedlich langen Zeiträumen – gab es ganz viele Opfer. Es ist in der Tat höchste Zeit, dass wir diesen Opfern auch in Deutschland ein Mahnmal errichten. Wir haben in Deutschland eine gute Aufarbeitungslandschaft, wir haben eine gute Erinnerungs- und Gedenkstättenlandschaft. Wir haben die Unterlagen der Staatssicherheit gesichert, zugänglich gemacht, aufgearbeitet, und wir haben sie mit einem guten Gesetz in das Bundesarchiv überführt. Wir haben mit der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur eine hervorragende Einrichtung, die die Aufarbeitung vorantreibt, politische Bildung macht. Wir haben die Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur. Wir haben in den Ländern Landesbeauftragte. Wir haben Orte und Gedenkstätten. Wir unterstützen Vereine und Verbände, allen voran die UOKG, die sich dem Thema „Aufarbeitung und Betreuung der Opfer“ verschrieben hat und leidenschaftliche Arbeit leistet. Und wir haben gute Gesetze zur Rehabilitierung der Opfer der kommunistischen Diktatur – gute Gesetze, die aber immer weiter verbessert werden müssen. Das steht auch im Koalitionsvertrag, genauso wie das Mahnmal unter dem Stichwort „Gedenkstättenkonzeption“ – es geht um eine gemeinsame Konzeption – im Koalitionsvertrag steht. Vieles ist bei diesem Mahnmal inzwischen getan. Was noch nicht in trockenen Tüchern ist, ist der Standort. Das werden wir auch noch schaffen, weil wir wissen, dass das Mahnmal wichtig für die Opfer ist – für die Opfer, die in den Gefängnissen saßen und offenes Leid erlebt haben, aber eben auch für all jene, die im ganz normalen Alltag Opfer geworden sind, ob es Schüler, die kein Abitur machen durften, Opfer von Zersetzungsmaßnahmen, deren Familien subtil zerstört worden sind, Eltern, deren Kinder gegen ihren Willen zur Adoption freigegeben worden sind, Künstlerinnen und Künstler, die ihren Beruf nicht ausüben durften, oder all jene waren, die unter den alltäglichen, normalen Alltagsrepressionen gelitten haben. Übrigens: Die Wurzeln der Partei der BKM liegen bei Bündnis 90 im Herbst 1989. Es ist daher skurril, zu unterstellen, dass es kein Anliegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sei, sich genauso leidenschaftlich für die Verwirklichung dieses Denkmals einzusetzen wie wir anderen Parlamentarier hier auch. Ich wünsche mir, dass das nach diesem Intermezzo wieder als überparteiliche Aufgabe angesehen wird und dass wir gemeinsam entweder unsere Fraktionen und Berlin-Mitte davon überzeugen, einen Standort zwischen Scheidemannstraße und Bundeskanzleramt zu nehmen, oder dass wir einen anderen würdigen Standort finden. Wie die endgültige Entscheidung aussehen wird, wissen wir heute nicht; niemand kann das seriös voraussagen. Aber bis auf den Standort, der noch nicht geklärt ist, gibt es eine große Gemeinsamkeit in diesem Hause, und die wünsche ich mir zurück. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Dr. Götz Frömming hat jetzt das Wort für die AfD-Fraktion.
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Nadine Schön CDU/CSU
Nadine
Schön
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir bei dieser Debatte längst nicht einer Meinung sind, ist, glaube ich, deutlich geworden. Aber, Herr Ehrhorn, was Sie jetzt vermischt und zu einem Brei gerührt haben, das ist wirklich unsäglich. Kindesmissbrauch und Gender-Mainstreaming auf eine Ebene zu setzen, das ist wirklich unterste Schublade, und das kann man hier so nicht stehen lassen. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, das ist Artikel 1 unseres Grundgesetzes. Ich sage: Sexueller Missbrauch an Kindern, das ist die übelste Form, die Würde eines Menschen, die Würde eines kleinen Menschen, anzugreifen. Sexuelle Gewalt ist ein Angriff auf den Körper eines Kindes und ein Angriff auf die Seele; ein Angriff, der Spuren hinterlässt, körperlich, aber vor allem psychisch; Spuren, Schäden, die nie wieder weggehen; Verletzungen der Seele, mit denen die Betroffenen oft ihr Leben lang zu kämpfen haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir tun zu wenig, um unsere Kinder zu schützen. Tagtäglich gelingt es Tätern, sich an Kindern zu vergehen, laut der Statistik auch heute wieder 43-mal in unserem Land. Das ist das Hellfeld; das Dunkelfeld kennen wir nicht. Das darf uns nicht ruhen lassen. Jetzt habe ich in der Debatte öfter gehört: Jetzt, wo wieder etwas passiert ist, da ruft ihr schnell nach höheren Strafen, und dann ist es erledigt. – Frau Suding hat das gesagt, auch Herr Müller und Frau Dörner. Das stimmt nicht. Wir rufen nicht nur nach höheren Strafen. Als Unionsfraktion haben wir schon vor anderthalb Jahren gesagt: Wir wollen nicht nur Einzelmaßnahmen, wir wollen das Thema ganzheitlich angehen; wir machen ein Gesamtkonzept, das Hilfe, Schutz und auch Strafverfolgung und höhere Strafen vereint, mit Rechtspolitikern, Innenpolitikern, Gesundheitspolitikern, Familien- und Kinderschutzpolitikern. – So muss man das Thema angehen, ganzheitlich und konkret, und das haben wir getan. 26 Maßnahmen! – Herr Müller, Sie fragen: Wo ist das Konzept? Gucken Sie es sich an! Ich kann Ihnen sagen: Seitdem ist auch schon einiges passiert. Wir haben viele Maßnahmen auf den Weg gebracht und durchgesetzt. Wir haben die Prävention gestärkt. Das Gefährlichste für Kinder ist nämlich, wenn es eine Mauer des Schweigens gibt, wenn es ein Umfeld gibt, das Anzeichen nicht sieht, das stille Hilferufe nicht hört und das auch nicht weiß, wie es reagieren soll, wenn es erste Anzeichen bemerkt. Deshalb brauchen wir mehr Information, mehr Beratung und bessere Schutzkonzepte. Wir haben dafür gesorgt, dass die Mittel des Gute-KiTa-Gesetzes auch für Schutzkonzepte verwendet werden können, Frau Suding; von daher war Ihre Kritik völlig deplatziert. Die Länder können die Mittel des Gute-KiTa-Gesetzes für Schutzkonzepte verwenden; das ist explizit im Gesetz vorgesehen. Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs berät die Länder dabei, wie man Schutzkonzepte an Schulen einführt; auch das wird gemacht. Wir haben seine Arbeit gestärkt und besser, als das bisher der Fall war, finanziert. Wir haben mobile Beratungsstellen ins Leben gerufen. Gerade läuft ein Projekt an, das den Missbrauch im Netz in den Blick nimmt, vor allem im Peer-to-Peer-Bereich. Wir nutzen künstliche Intelligenz, um in digitalen Netzwerken kinderpornografisches Material zu finden und auch zu entfernen. Wir haben die Strafverfolgungsmöglichkeiten verbessert. Der Versuch von Cybergrooming ist strafbar. Wir haben die Ermittlungen im Darknet gestärkt. Das waren alles Initiativen der Union, alles Initiativen aus den letzten anderthalb Jahren, die wir in dieser kurzen Zeit durchgesetzt haben. Wir haben die Traumaambulanzen gestärkt. Ab nächstem Jahr wird es flächendeckend in Deutschland Traumaambulanzen geben und Orte, an denen man eine anonyme Spurensicherung vornehmen lassen kann. Wir haben die Ausbildung von Psychotherapeuten angepasst, damit sie schon im Studium davon erfahren, wie man sexuellen Missbrauch erkennt und wie man die jungen Menschen dann auch entsprechend therapiert. In diesen anderthalb Jahren haben wir vieles umgesetzt. Das gilt nicht nur für uns; das gilt auch für die Länder. Denn was Herbert Reul und die Landesregierung in NRW in den letzten anderthalb Jahren auf den Weg gebracht haben – eine Stärkung der Polizei und der Sonderkommission zu diesem Thema –, das ist eine Menge, und das hat auch dazu geführt, dass diese schrecklichen Taten jetzt ans Licht kommen. Von daher ist Ihre Kritik, Herr Wiese, und dass Sie das parteipolitisch ausschlachten wollen, wirklich absolut deplatziert. Ich bin froh, dass wir jetzt auch die Strafbarkeit angehen. Denn es kann nicht sein, dass der Besitz von Kinderpornografie weniger bestraft wird als ein einfacher Ladendiebstahl; das gehört zum Gesamtkonzept eben auch dazu. Und ja, beim SGB VIII müssen wir den Kinderschutz stärken. Wir müssen schauen, dass die Netzwerke besser greifen, dass keiner durchs Netz fällt, dass wir Anzeichen bemerken und dass den Kindern dann eben auch geholfen wird. Wir müssen auch schauen, dass die Register so ausgerichtet werden, dass darin Kindesmissbrauch nicht schon nach wenigen Jahren gelöscht wird. Vor allem brauchen wir eine Kultur des Hinschauens, von allen. Das ist unsere gemeinsame Verantwortung, und das sind wir den Kindern in unserem Land schuldig. Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der SPD der Kollege Dr. Johannes Fechner.
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Dr.
Dr. Gesine Lötzsch DIE LINKE
Gesine
Lötzsch
DIE LINKE
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Etat für Arbeit und Soziales ist der größte Einzelplan im Bundeshaushalt, und darum, finde ich, müssen wir ihn auch in einen größeren Zusammenhang stellen. Es ist der zehnte Jahrestag der Finanzkrise, und die Krisenkosten haben eben nicht die 1 Prozent Superreichen und auch nicht die kriminellen Banker bezahlt, sondern die Menschen, die ihr Geld auf ehrliche Weise verdienen. Das ist ungerecht und unsozial, und das werden wir immer wieder anprangern. Im Unterschied zur FDP, die gerade vor mir gesprochen hat, fordern wir natürlich höhere Steuern, und zwar für die richtigen Leute. Wir fordern eine Vermögen- und eine Finanztransaktionsteuer. Dann könnten wir unser Land auch sozialer gestalten. Ich will das mit der Finanzkrise vielleicht noch etwas konkreter erklären: Eine vierköpfige Familie hat mindestens 3 000 Euro für die Pleitebanken bezahlt. Nun ist ja ein Familienentlastungsgesetz beschlossen worden. Dadurch wird eine Familie mit zwei Kindern und einem Jahresbruttoeinkommen von 66 000 Euro im Jahr knapp 600 Euro mehr in der Tasche haben. Das heißt also, dass erst nach fünf Jahren die Belastung durch die Finanzkrise ausgeglichen wird. Das ist doch eine Veralberung der Menschen. Das ist keine Politik für die Mehrheit, aber genau das brauchen wir: eine Politik für die Mehrheit der Menschen in unserem Land. Durch die soziale Spaltung wird die Verunsicherung vorangetrieben und damit auch die innere Sicherheit in unserem Land aufs Spiel gesetzt. Das dürfen wir nicht zulassen. Schauen wir auf die Kinderarmut. Sie ist höher als offiziell angegeben. Nach Schätzung des Kinderschutzbundes tauchen etwa 1,4 Millionen bedürftige Kinder in offiziellen Sozialhilfestatistiken überhaupt nicht auf. Die Gründe sind bürokratische Hindernisse oder auch die Scham der Eltern. Es leben also 4,4 Millionen Kinder in einem der reichsten Länder der Welt in Armut. Das ist nicht nur eine Schande, sondern auch das verstärkt die soziale Unsicherheit und muss dringend bekämpft werden. Schauen wir auf den Mindestlohn. Wir als Linke haben viele Jahre für die Einführung des Mindestlohnes gekämpft. Es ist gut, dass es ihn endlich gibt. Aber wir wissen genau: Er ist zu niedrig. Der Mindestlohn muss auf mindestens 12 Euro pro Stunde erhöht werden, damit die Menschen wirklich anständig davon leben können. Schauen wir uns den immer unsicherer werdenden Arbeitsmarkt an. 7 Millionen Menschen arbeiten in unserem Land im Niedriglohnsektor, bei 1,2 Millionen Menschen reicht der Lohn nicht zum Leben, sie müssen zum Amt gehen und aufstocken, und eine weitere Million Menschen sind als Leiharbeiter tätig, ganz zu schweigen von den 3,2 Millionen Beschäftigten, die nur befristet angestellt sind. So viel soziale Unsicherheit im Arbeitsleben ist eine Gefahr für unsere Demokratie, und wir müssen unsere Demokratie verteidigen, meine Damen und Herren. „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“, sagte Karl Marx, und er hatte recht. Schauen wir auf die Rente. In meinem Wahlkreis Berlin-Lichtenberg hat sich die Zahl der Menschen, die Grundsicherung im Alter beziehen müssen, weil die Rente nicht reicht, in nur vier Jahren um 25 Prozent erhöht. Altersarmut ist besonders in Ostdeutschland ein zunehmendes Problem. Sie wissen alle, dass die Menschen, die 1990 in Rente gegangen sind, 100 Jahre alt werden müssen, um vergleichbare Renten zu bekommen wie ihre Brüder und Schwestern, oder vielleicht nur Cousinen oder Cousins, in Westdeutschland. Nun hat sich die vergangene Koalition dafür gefeiert, dass die Ost- und die Westrenten angeglichen wurden. Ich will Ihnen erklären, warum das nicht ehrlich ist. Mit „Mogelpackung“ ist das viel zu nett umschrieben; denn die Umrechnung der Ostlöhne, von vielen fälschlich als „Höherwertung“ bezeichnet, wird abgeschafft. Das heißt konkret: Eine heute 54-jährige Verkäuferin im Osten wird mit ihrem Rentenbeginn wegen der wegfallenden Umrechnung 360 Euro weniger Rente im Jahr bekommen als ihre Kollegin in den alten Ländern. Ich finde, das ist ungerecht und spaltet weiter. Das dürfen wir nicht zulassen. Meine Damen und Herren, wir werden im kommenden Jahr 30 Jahre Mauerfall und im darauffolgenden Jahr 30 Jahre deutsche Einheit feiern. Ich finde, es ist unerträglich, dass es in unserem Land noch solche Unterschiede gibt. Solche Unterschiede verstärken die soziale Unsicherheit. Wir wollen Sicherheit für unser Land, und dafür kämpfen wir. Vielen Dank. Jetzt hat das Wort die Kollegin Ekin Deligöz, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Ulrike
Schielke-Ziesing
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Bürger! Wir sprechen heute über das Thema Altersarmut, weil die Tafeln aktuell Alarm geschlagen haben, weil sie dem Ansturm auf ihre Lebensmittel nicht mehr gewachsen sind und weil es immer mehr alte Menschen sind, die dort anstehen müssen, Menschen im Rentenalter. Diese Menschen haben oft ein ganzes Leben lang gearbeitet und sind nun trotzdem auf gespendete Lebensmittel angewiesen. Mit der gleichen Berechtigung, liebe Kolleginnen und Kollegen, könnten wir heute eine Aktuelle Stunde abhalten, weil das DIW vor Kurzem festgestellt hat, dass mehr Menschen keine Grundsicherung im Alter beantragen, obwohl sie Anspruch darauf hätten, als es Menschen gibt, die tatsächlich zum Amt gehen und Hilfe beantragen. Mit der gleichen Berechtigung könnten wir jede Woche eine Aktuelle Stunde abhalten, weil immer mehr alte Menschen ihre Miete nicht bezahlen können oder ihre Stromrechnung. Und mit der gleichen Berechtigung könnten wir heute eine Aktuelle Stunde beantragen, weil Senioren, die Pfandglas aus den Mülleimern ziehen, inzwischen – auch in der Vorweihnachtszeit – zum Bild deutscher Innenstädte dazugehören. Mit anderen Worten: Wir reden hier über das völlige Versagen in der Renten-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik und das jahrzehntelange Kaputtsparen der gesetzlichen Rentenversicherung. Nirgendwo in Europa zahlen die Bürger so hohe Beiträge von ihrem Einkommen, nirgendwo in Europa erhalten sie im Vergleich so wenig an Leistungen und nirgendwo in Europa müssen sie so lange dafür arbeiten. Das ist seit 2001 politisch so gewollt; das ist die traurige Bilanz Ihrer Politik. Die gesetzliche Rentenversicherung, ehemals verlässliche Basis für die Altersversorgung aller Beitragszahler, ist nur noch eine Säule. Für die anderen Säulen, das heißt die betriebliche und die private Altersvorsorge, durften die Menschen dann in aller Wahlfreiheit selbst aufkommen. Mit den Hartz-IV-Reformen wurde von der SPD ein dauerhafter Niedriglohnsektor geschaffen. Dieser Niedriglohnsektor ist keine Randerscheinung, sondern bis heute ein strukturelles Problem. 2017 hatten über 32 Prozent der Menschen in meinem Bundesland, in Mecklenburg-Vorpommern, weniger als 2 000 Euro brutto zur Verfügung. Wohlgemerkt: Die 2 000 Euro beziehen sich auf qualifizierte Angestellte, geringqualifizierte Arbeitnehmer verdienen natürlich weniger. Wissen Sie, in welchen Berufen die Menschen in Deutschland sehr wenig verdienen? Das sind die Reinigungsberufe, gefolgt von der Tourismusbranche, also den Angestellten in Hotels und Gaststätten. Der Tourismus ist bei uns in Mecklenburg-Vorpommern ein bedeutender Wirtschaftszweig, da können die Angestellten der Tourismusbranche sogar in Zwölf-Stunden-Schichten schuften, allerdings für einen Hungerlohn. Was hat das nun mit dem Thema Rente zu tun? Nun, aus niedrigen Löhnen werden später niedrige Renten. Hinzu kommt eine kontinuierliche Absenkung des Rentenniveaus von 55 Prozent im Jahr 1990 auf rund 48 Prozent heute. Und wer die Möglichkeit hatte, privat, zum Beispiel mit einer Betriebsrente, vorzusorgen, dem wurden durch die Doppelverbeitragung der Kranken- und Pflegeversicherung die Zahlbeträge um rund 19 Prozent gekürzt. Und wer als Kleinanleger seine Rente mit einem Aktiensparplan aufbessern möchte, so wie es die Politik seit Jahren fordert, dem wird demnächst der Ertrag weggesteuert. Außerdem wurde die Deutsche Rentenversicherung über Jahre hinweg mit immer mehr versicherungsfremden Leistungen belastet. Die Zahlen dazu sind inzwischen bekannt: 2017 waren das über 31 Milliarden Euro, und dieses Jahr werden es über 34 Milliarden Euro sein; Geld, mit dem die Altersarmut gemildert werden könnte, wenn es die Rentenversicherung denn hätte. Insofern ist es gut – und ich begrüße das –, dass wir hier und heute die Gelegenheit haben, darüber zu reden, vor allem, da die Koalitionsfraktionen derzeit mehr mit sich selbst und ihren Beziehungsproblemen beschäftigt sind als mit einem vernünftigen Rentenkonzept. Ich finde es erfrischend ehrlich, dass die Grundrente das Erste ist, was die CDU/CSU über Bord werfen möchte, wenn sich die SPD aus der Regierung verabschiedet. Das ist verständlich; denn das Konzept ist Mist. Es ist teuer, wirkungslos und sozial ungerecht. Da sind sich alle Experten, angefangen von der Bertelsmann-Stiftung bis hin zur OECD, einig. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen nicht nur von der Linksfraktion, dann frage ich Sie doch: Wenn Ihnen die Bekämpfung der Altersarmut so sehr am Herzen liegt, warum haben Sie dann unserem Antrag im Ausschuss nicht zugestimmt, der genau das enthält, was einhellig von Experten gefordert wird, nämlich eine Freibetragslösung für die Grundsicherung im Alter? Das wäre doch der einfachste und sicherste Weg für die Entlastung der Rentner mit niedrigem Einkommen. Kann es sein, dass Sie dem Antrag nur deshalb nicht zugestimmt haben, weil er von uns kommt? Sie sollten Ihre Einstellung gegenüber den armen Rentnern noch einmal überdenken. Die heutige Aktuelle Stunde sollte Ihnen Gelegenheit dazu geben. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin Schielke-Ziesing. – Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Ralf Kapschack.
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Claudia Müller BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Claudia
Müller
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Minister Altmaier hat gestern im Ausschuss betont, wie wichtig Verlässlichkeit für Unternehmen sei. Ich fand das, ehrlich gesagt, schon fast frech; denn seit Monaten fordern ich und meine Kolleginnen und Kollegen ihn und Minister Scholz genau dazu auf, endlich für Planungssicherheit für die Unternehmerinnen und Unternehmer durch langfristig angelegte Coronahilfen zu sorgen. Ihre kurzfristigen Hilfszeiträume, die immer neuen Programme und – Frau Poschmann hat es auch zugegeben – die mangelhafte Kommunikation haben dazu geführt, dass wir eine große Verunsicherung und einen großen Vertrauensverlust in die Politik haben; denn die Unternehmer/-innen können kaum abschätzen, wie hoch die zu erwartenden Hilfen sind. Und dann die Angst, vielleicht auf den Beantragungskosten sitzen zu bleiben. Und dann: Wann kommen die Gelder? In welcher Höhe kommen sie? Und: Müssen sie vielleicht zurückgezahlt werden? Das ist ja das, was wir jetzt momentan haben: Dadurch, dass nachträglich FAQs geändert wurden und nicht richtig kommuniziert wurde, wie das Beihilferecht aussieht, wird es so sein, dass viele ihre Mittel zurückzahlen werden; und das ist nicht hinzunehmen. Dieses Chaos – ja, ich benutze dieses Wort – ist von Ihnen hausgemacht. Es ist schlicht und ergreifend in so vielen Sachen etwas verpasst worden, nicht nur bei den Hilfen; darüber haben wir ja im Frühjahr zum ersten Mal gesprochen. Wir haben Sie bereits im Sommer gebeten, eine Form von Pandemiewirtschaft aufzusetzen, dass wir wirklich das Thema Impfstoffproduktion angehen, dass wir das Thema Maskenproduktion angehen. Was ist passiert? Nichts. Wir haben Zeit verloren, weil Sie nicht zugehört haben. Sie haben ein Chaos veranstaltet; und das ist nicht hinnehmbar. Wie prekär die Situation ist, sieht man zum Beispiel bei den Soforthilfen: 13,7 Milliarden Euro Soforthilfen wurden ausgezahlt. Bis jetzt wurden davon bereits 567 Millionen entweder zurückgezahlt oder werden zurückgefordert. Und das läuft – entgegen der Aussage des Ministers – eben nicht immer mit Augenmaß ab. Wer sich davon überzeugen will: Der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland hat Fälle von Rückforderungen zusammengetragen und solche, wo Menschen jetzt wegen Subventionsbetrug strafverfolgt werden. Es ist wirklich unfassbar, was das für Gründe sind. Da ist eine Nachbesserung dringend notwendig; denn es tut unserer Gesellschaft nicht gut, wenn engagierte Unternehmer/-innen, die aufgrund mangelnder Kommunikation, aufgrund falscher Information Dinge missverstanden haben, jetzt kriminalisiert werden. Ich bitte Sie, hier wirklich mit Augenmaß vorzugehen. Die Rückzahlung ist für die meisten bereits Strafe genug. Zum Thema Kommunikation: Sie reden an jeder Stelle von Fixkosten. Es sind aber nicht die Fixkosten, es sind die ungedeckten Fixkosten. Das ist ein himmelweiter Unterschied und hat Auswirkungen auf die Höhe. Sie versprechen etwas – Sie reden von schneller und umfassender Hilfe –, und wenn man sich dann die Details anschaut, muss man feststellen: Genau das wird nicht erfüllt. Und dann das Petitum. Sie lassen die Selbstständigen, die Gründer/-innen, die Unternehmer/-innen im Stich. Es gibt keine Anrechnung der Lebenshaltungskosten, es gibt keine Anerkennung der Krankenkassenkosten. Was Sie für diese Gruppe haben, sind warme Worte und sonst nichts. Und das haben die Menschen in diesem Land nicht verdient. Vielen Dank, Frau Kollegin Müller. – Mit diesen Worten und dem Nachfolgehinweis, dass der Kollege Hansjörg Durz, CDU/CSU-Fraktion, angesichts der fortgeschrittenen Zeit seine Rede – wie ich finde: vorbildlich –zu Protokoll gegeben hat1 Anlage 6, schließe ich die Aussprache.
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Marcus Weinberg CDU/CSU
Marcus
Weinberg
CDU/CSU
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege, nicht nur das Aufsetzen der Maske ist gelegentlich ambitioniert, sondern auch die richtige Wahrnehmung der Dinge, die wir in den letzten Monaten hier im Deutschen Bundestag diskutiert haben mit der Fragestellung: Wie können wir in dieser schwierigen Pandemiesituation den Familien helfen? Ich werde jetzt den Nachweis führen, Herr Kollege, dass wir in nahezu allen Bereichen bei familienunterstützenden Maßnahmen, bei den Angeboten, die wir für Familien haben, immer auch flexibel möglichst schnell nachgesteuert haben; gelegentlich haben wir auch das, was die Regierung uns vorgelegt hat, verbessert. Wir diskutieren hier über die Kompetenz des Parlaments. Ich kann für die CDU/CSU sagen und darf das auch für die SPD-Fraktion sagen, dass wir im Familienbereich hier immer sehr schnell, sehr zügig das nachgearbeitet haben, was Familien dringend brauchten. Fangen wir mit der Aufzählung an: Das war nicht nur beim Kurzarbeitergeld und beim Sozialdienstleister-Einsatzgesetz so, das war auch ganz am Anfang beim Infektionsschutzgesetz so; hier haben wir schnell reagiert und gesagt: Diejenigen, die Kinder zu Hause betreuen, die müssen eine Entschädigung bekommen für bis zu 20 Wochen. Es gibt Kinderkrankentagegeld für 20 Tage pro Elternteil bzw. 40 Tage für Alleinerziehende. Ich sage ganz deutlich für die Union, dass wir auch eine Anpassung für die Selbstständigen, für diejenigen, die privat versichert sind, erreichen wollen, also eine Angleichung von § 56 Infektionsschutzgesetz und § 45 SGB V. Richtig ist, dass Selbstständige keine Kinderkrankentage bekommen. Aber wir wollen, dass beide Regelungen gleich sind; denn uns sind die Selbstständigen wichtig. Im Übrigen sind das in der Regel auch Frauen, die jetzt zu Hause die Kinder betreuen. Wir werden die Vereinfachung im parlamentarischen Verfahren hinbekommen. Da sind wir stolze Parlamentarier und kluge Parlamentarier, weil wir das umsetzen werden. Ich will noch einige weitere Punkte ansprechen, weil Sie es hier so darstellen, Herr Kollege, als hätten wir nichts getan in den letzten Wochen. Bitte schauen Sie mal in die Protokolle! Wir haben – was ich richtig fand – bereits im letzten Jahr einen einmaligen Kinderbonus von 300 Euro auf den Weg gebracht. Jetzt hat man im Koalitionsausschuss beschlossen – richtigerweise –, noch einmal 150 Euro pro Kind auf den Weg zu bringen, um auch im finanziellen bzw. materiellen Bereich die Dinge für die Familien besser zu gestalten. Wir haben den Zugang zum Kinderzuschlag – dem wichtigen Kinderzuschlag, eine der besten familienpolitischen Leistungen – jetzt in der Coronapandemie für Menschen mit einem kleineren Einkommen erleichtert. Wir haben das Elterngeld angepasst; Kollege Beermann wird nachher noch darauf eingehen. Wir haben sozusagen coronagesichert. Auch die Maßnahmen waren richtig und wichtig. Wir haben relativ schnell den Ländern gesagt: Wir geben euch 1 Milliarde Euro. Baut jetzt die Angebote in der Kindertagesbetreuung aus! Schafft in den Einrichtungen Hygienemaßnahmen mit Blick auf das Coronageschehen! Wir haben auch dafür gesorgt, dass die Träger der Kinder- und Jugendhilfe ein Hilfspaket von 100 Millionen Euro bekommen, weil die Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe gerade jetzt wichtig sind, weil wir nach der Coronapandemie eine Zeit erleben werden, wo wir uns um die kümmern müssen, die jetzt in den letzten Wochen und Monaten Schäden mitgetragen haben bzw. Schäden erleiden mussten; denn die Auswirkungen sind nicht nur und in erster Linie materielle Schäden. Deswegen komme ich zum Hauptpunkt. Wenn wir über Familien reden, dann dreht sich die Debatte. Natürlich ist es wichtig für jeden Vater, für jede Mutter: Was habe ich im Portemonnaie? Aber viel wichtiger ist für die Mütter, für die Väter das, was gerade in den Seelen ihrer Kinder passiert, und was in den Seelen der Großeltern passiert. Und das ist nicht nur etwas Materielles, sondern das ist eine Veränderung, eine massive Veränderung nach Wochen, nach Monaten besonderer Maßnahmen – die wichtig und die richtig sind. Aber es ist in der Diskussion, die wir jetzt führen müssen, unser Auftrag, darauf zu achten: Wie verändern sich die Lebenswelten dieser Menschen? Wie ist es denn, wenn sich, wie das Universitätsklinikum Hamburg vor zwei Tagen, festgestellt hat, nach mittlerweile einem Jahr der Pandemie – auch wenn die Maßnahmen unterbrochen wurden – bei ungefähr einem Drittel – einem Drittel! – der Kinder psychische Folgewirkungen zeigen? Wie ist es denn, wenn wir feststellen – krisenchat.de –, dass ungefähr 20 Prozent derjenigen, die anrufen, der jungen Menschen in der Adoleszenz, der jungen Mädchen, der jungen Frauen, suizidal sind? Wie ist es denn, wenn wir merken, dass Kinder mittlerweile tatsächlich psychische Probleme haben bis hin zur Depression, und wenn viele Menschen, die in der Kinder- und Jugendhilfe arbeiten, Auswirkungen wahrnehmen, zum Beispiel beim Thema Essstörungen? Das sind übrigens nicht nur Befindlichkeiten, das ist etwas mehr. Ich glaube, es wird unser Auftrag sein, uns jetzt in der Diskussion dem anzunehmen. Es geht um junge Menschen, die ihre Peergroups nicht mehr sehen, die vereinsamt sind, zehn-, zwölfjährige Kinder, die in den letzten Jahren glücklich waren und jetzt auf einmal sagen, dass sie in die Einsamkeit geraten. Und das wird das sein, was die Familienpolitik in den nächsten Monaten prägen wird. – Ah, der Kollege steht. Er hat die Maske abgenommen und möchte sicherlich eine Zwischenfrage stellen. – Die würde ich zulassen, Herr Präsident. Ich wollte Sie gerade fragen, ob Sie sie zulassen. Natürlich. Herr Kollege Aggelidis. Danke, Herr Präsident. – Danke, lieber Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich höre Ihnen ja gerne zu, wenn Sie über die Folgen für Kinder sprechen, und stimme da mit Ihnen überein. Ich stelle nur immer wieder fest: Es gibt eine Diskrepanz zwischen dem, was Sie hier sagen, und dem, was beispielsweise Ihr Fraktionsvorsitzender sagt. Ich will ihn zu dem Punkt, den Sie gerade angesprochen haben, zitieren, und frage Sie, ob das wirklich so gut zu dem passt, was Sie sagen, und dem Wohl der Kinder förderlich ist. Er sagte: Sorgen bereitet mir allerdings, dass die Länder nun individuell darüber entscheiden, dass Schulen und Kitas wieder zu öffnen sind. Ich habe in dieser Phase der Pandemie Zweifel daran, ob das so richtig ist. Wir müssen wieder zu Inzidenzen unter 10 oder unter 5 kommen, um die Öffnungen entsprechend wieder hinzubekommen. Wissen Sie, wenn das die Perspektive sein soll, zehn Monate nach Ende des ersten Lockdowns, dann, finde ich, ist meine Aussage richtig, dass sich an der Situation – nicht an dem, was Sie hier unternommen haben – von Familien in den letzten zehn Monaten nichts wirklich Gravierendes geändert hat. Lieber Herr Kollege, mein Fraktionsvorsitzender ist ein kluger Kopf, und er hat komplett recht. Ich sage Ihnen, warum: weil mich das auch ärgert, weil das die Familien ärgert. Ich hätte mir gewünscht – und das hat er gestern in der Debatte ausgedrückt –, dass die 16 Bundesländer miteinander vereinbaren, eine einheitliche Lösung herbeizuführen. Wissen Sie, was Familien brauchen? Familien brauchen Planungssicherheit, und Familien wollen, dass die Regierenden eine Entscheidung mit einer gemeinsamen Haltung verkörpern und nicht das eine Bundesland etwas anderes beschließt als das andere. Und gerade im Bereich Kitas und Schulen, in diesem sensiblen, wichtigen Bereich für Familien, wäre es gut gewesen, wenn es aus der MPK heraus wieder zu einer Einheitlichkeit in der Frage der Öffnung gekommen wäre. Ich sage Ihnen mal eins: Ich bin Hamburger. Wir halten jetzt noch bis 1. März die Schulen geschlossen. Und was passiert dann? – Dann sind in Hamburg zwei Wochen Ferien. Das heißt, bis zum 15. März sind die Schulen geschlossen. Ich weiß ehrlicherweise nicht, ob das eine kluge Entscheidung ist. Ich finde es richtig, wenn Länder sie früher aufmachen. Aber Einheitlichkeit wäre das Erste, was geboten wäre. Und das Zweite – das hat der Fraktionsvorsitzende gestern gesagt –: Das muss dann nicht nur mit der Frage verbunden werden: „Öffne ich eine Schule oder eine Kita?“, sondern auch mit folgenden Fragen: Wie sieht es mit Schutzmaßnahmen und Masken aus? Wie sieht es mit Testung aus? Wie sieht es mit einer Begleitung durch Lüfter und ähnlichen Dingen aus? – Und da wäre es ein Wunsch gewesen – das sage ich als Bundestagsabgeordneter ganz deutlich –, dass die Bundesländer hier mal von sich aus eine einheitliche Linie vereinbart hätten, und das haben sie nicht. Und das ist das, was die Eltern irritiert und sie auch ärgert. Daran kann ich gleich anschließen; die Frage ist ja beantwortet. Aber das ist genau der Punkt, den ich jetzt bringen wollte. Eltern machen ja Dinge mit ihren Kindern, mit ihren Familien gemeinsam, verändern ihre Lebenswelt, wenn sie eine Perspektive haben, dass das, was sie tun, irgendwann auch dazu führt, dass ihre Lebenswelt sich wieder so erschließt, wie sie es vorher erlebt haben. Deswegen ist Planungssicherheit ein ganz zentraler Anker, und deswegen braucht man klare Vereinbarungen, damit Eltern wissen, dass sie, wenn sie noch zwei oder vier Wochen ihre Kinder zu Hause betreuen, dann auch eine Perspektive haben. Deswegen muss das Thema „Öffnung von Kitas und Schulen“ ein zentrales sein, weil dort soziale Interaktion stattfindet und weil dort in Kitas und in Einrichtungen das stattfindet, was Kinder in der jetzigen Zeit massiv vermissen. Das wird auch eine Aufgabe der nächsten Monate sein, die wir gemeinsam angehen sollten: Wie gehen wir mit den Fällen von psychischen Problemen in der Folge der Coronapandemie um? Das sind Kinder und Jugendliche, die keine Freunde mehr haben oder kaum noch Freunde treffen. Und das sind dann natürlich auch die älteren Menschen; die gehören nämlich auch mit zur Familie. Wir haben als CDU/CSU-Fraktion das Thema Einsamkeit sehr intensiv beraten: Was erleben die Menschen gerade? Wenn dann eine ältere Dame sagt, sie werde sterben, entweder an Corona oder an Einsamkeit, dann darf uns das nicht ruhen lassen. Dann müssen wir dringend darüber nachdenken, wie wir neben der materiellen Frage auch dies angehen, neben der Frage: Wie können wir alle familienpolitischen Maßnahmen Schritt für Schritt anpacken? Das machen wir. Das machen wir gut, schnell, flexibel, das machen wir auch richtig. Die eigentliche Kernfrage für uns muss sein: Wie können wir die Lebenssituation der Menschen mit Blick auf ihre Lebenswelten wieder verbessern? Denn die Einsamkeit – das wird ein Thema sein – frisst sich in die Seelen unserer Kinder und unserer Großeltern. Und das ist etwas, was gesellschaftspolitisch in dieser Dimension von uns noch gar nicht so richtig erkannt ist. Das wird die Zukunft der Debatte sein, die wir führen müssen, nicht über das Materielle, sondern über das, was die Menschen dann bewegt. Jetzt hat das Wort der Kollege Martin Reichardt, AfD.
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Maik Außendorf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Maik
Außendorf
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Komischerweise drängen Sie als Union erst seit dem Regierungswechsel auf eine schnelle Ratifizierung dieses Handelsabkommens. Wenn Ihnen das so wichtig ist: Warum haben Sie das eigentlich nicht längst erledigt? Sie wissen ganz genau, dass die Koalition einen Zeitplan verabredet hat. Diesen konnten Sie schon im Koalitionsvertrag nachlesen und können das nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in der handelspolitischen Agenda. Im März 2022 hat das Bundesverfassungsgericht einige Rechtsfragen geklärt. Man muss auch sagen: Einige sind noch nicht geklärt. Und es gehört zur Wahrheit dazu: Die endgültige Entscheidung steht erst nach den bereits angekündigten Klagen für den Fall einer Ratifizierung durch das Hohe Haus an. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, haben wir nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes die Gespräche über eine Ratifizierung innerhalb der Koalition aufgenommen. Dabei haben wir uns als Grüne auf zwei Punkte konzentriert: erstens die Sonderklagerechte für Konzerne auf direkte Enteignung einzugrenzen, zweitens für zukünftig zu ratifizierende Abkommen die Aufnahme von verbindlichen Nachhaltigkeitskriterien, sozialen und ökologischen Standards zur Voraussetzung zu machen. Für die Sonderklagerechte wird eine Erklärung des Gemeinsamen Ausschusses angestrebt. Der Text ist zwischen der Kommission und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz abgestimmt und setzt den Rahmen für die Schiedsgerichte entsprechend. Die Bundesregierung hat hier in kürzester Zeit geliefert und jahrelang fehlgeleitete Außenwirtschaftspolitik bestmöglich korrigiert. Wir Grüne haben hier für eine fundamentale Verbesserung gesorgt. Die Verabschiedung dieser Erklärung durch den Gemeinsamen Ausschuss ist dabei zwingende Voraussetzung für unsere Zustimmung zum Ratifizierungsgesetz. Für uns sind gründliche und demokratische Prozesse und enge parlamentarische Einbindung wichtig. Daher stärken wir, wie vom Bundesverfassungsgericht angemahnt, die parlamentarische Einbindung, indem wir einen Unterausschuss zur besseren Kontrolle der Außenwirtschaftspolitik der Bundesregierung einsetzen. So stärken wir die parlamentarische Kontrolle – nicht nur bei CETA, sondern auch bei allen zukünftigen Handelsverträgen. Um an dieser Stelle der Realität zu begegnen, nehmen wir uns für die Zukunft die Nachhaltigkeitskapitel des fertig verhandelten Abkommens mit Neuseeland zum Vorbild. So stellen wir uns gute und faire Handelsabkommen vor. Unmittelbar nach einer endgültigen Ratifizierung von CETA durch alle Partner werden wir daher die Review-Klausel aufrufen, um den Prozess zur Weiterentwicklung von CETA und zur Aufnahme von Nachhaltigkeitskapiteln einzuleiten, um auch mit Kanada den Goldstandard nach Vorbild des Abkommens mit Neuseeland zu erreichen. Für uns Grüne gehörten gemeinsame Werte, Menschenrechtsfragen sowie ökologische und soziale Aspekte schon immer zu den Grundpfeilern der Außenhandelspolitik – für uns ein unabdingbarer Selbstzweck. Jetzt wird angesichts des Angriffskriegs Russlands vielen Kritikerinnen und Kritikern klar: Das war und ist der richtige Ansatz; denn Handelsbeziehungen mit Wertepartnern und dem gemeinsamen Interesse am Klimaschutz führen zu besonders verlässlichen und stabilen Handelsbeziehungen, auf die wir uns auch in Krisen- und Kriegssituationen verlassen können. Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Stefan Rouenhoff das Wort.
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Silvia Breher CDU/CSU
Silvia
Breher
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und habe auch lange in diesem Bereich gearbeitet, und zwar aus Überzeugung. Für mich ist die Tierhaltung in Deutschland, für mich ist die Landwirtschaft in Deutschland, für mich ist die Zukunftsperspektive der Nutztierhaltung in Deutschland ein absolutes Herzensthema. Die Diskussion dreht sich im Kern leider schon viel zu lange im Kreis. Das mögen einige anders sehen. Aber aus meiner, aus unserer Sicht stellt es sich eben oft so dar: Die Bäuerinnen und Bauern wollen mehr Tierwohl im Stall möglich machen. Aber dann bekommen sie die Genehmigung für den Umbau nicht. Auf den Mehrkosten bleiben sie am Ende leider auch oft sitzen, weil sich ein entsprechender Preis an der Ladentheke nicht erzielen lässt, weil der Handel zwar von Montag bis Mittwoch mehr Tierwohl bewirbt, aber von Donnerstag bis Freitag bei unseren offenen Märkten mit Billigfleischangeboten die Kunden in den Laden lockt. Am Ende fordert die Gesellschaft zwar mehr Tierwohl. Aber der einzelne Verbraucher ist unter diesen Voraussetzungen leider viel zu selten bereit, den angemessenen Preis zu zahlen. Diese Rechnung kann leider nicht aufgehen und geht ausschließlich zulasten der Landwirtschaft. Deshalb bin ich der Ministerin sehr dankbar, dass sie im vergangenen Jahr das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung eingesetzt hat. Jochen Borchert ist es mit einer großen Bandbreite an Experten gelungen – das ist wirklich bemerkenswert –, einen Konsens herzustellen und Empfehlungen für den Umbau der Tierhaltung, für einen langfristigen Transformationsprozess vorzulegen. Vielen Dank für diese wertvolle Arbeit! Mit unserem heutigen Antrag unterstützen wir ausdrücklich und mit voller Überzeugung die Umsetzung dieser Empfehlungen, und zwar in Gänze; denn wer den Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland will, wer eine Zukunft für die Nutztierhaltung in Deutschland will, muss die Empfehlungen der Borchert-Kommission im Ganzen umzusetzen bereit sein. Ich habe das schon viel zu oft gehört: Ja, wir wollen mehr Tierwohl, aber das soll nicht mehr kosten. Ja, wir wollen mehr Tierwohl. Aber dafür Stallbauten? Und das Bau- und Umweltrecht wollen wir anpacken. Nein, das packen wir lieber nicht an. – Aber das Herauspicken von Rosinen – nur das Tierwohl nehmen und die Landwirte mit dem Rest alleine lassen – funktioniert einfach nicht. Wer Borchert will, muss auch Ja sagen zu den notwendigen Veränderungen und muss die Voraussetzungen dafür schaffen. Mit unserem Antrag fordern wir nun die Bundesregierung auf, noch in dieser Legislaturperiode, also jetzt, eine Umsetzungsstrategie vorzulegen und auch einen Finanzierungsvorschlag zu unterbreiten. Bei den offenen Märkten ist uns ganz wichtig: Der Verbraucher soll erkennen können, woher das Fleisch in der Ladentheke stammt und wie das Tier gelebt hat. Dafür brauchen wir ein EU-weit verpflichtendes Haltungs- und Herkunftskennzeichen. Dafür wird sich die Bundesregierung während der EU-Ratspräsidentschaft einsetzen. Lassen Sie uns nun alle gemeinsam den Empfehlungen der Borchert-Kommission folgen – ehrlich und konsequent für eine Zukunft für unsere Nutztierhaltung in Deutschland. Vielen Dank. Vielen Dank, Kollegin Breher. – Der nächste Redner ist für die Fraktion der AfD der Kollege Wilhelm von Gottberg.
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Dr.
Dr. Petra Sitte DIE LINKE
Petra
Sitte
DIE LINKE
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer derzeit versucht, die Folgen der geplanten EU-Urheberrechtsreform abzuschätzen, ohne bereits knietief im Thema zu stehen, kann einem fast leidtun. Die einen reden von der Stärkung der Kreativen und der Zähmung der Internetriesen, die anderen von Uploadfiltern und dem Ende des freien Internets. Angesichts von fast 100 Seiten Juristenenglisch ist es vielleicht auch einmal erhellender, zu schauen, wessen Anliegen hier verhandelt wurden. Da sind vor allem die Interessen einer Lobby großer Verlage, insbesondere der Musik- und Zeitungsbranche. Diese haben beispielsweise dafür gesorgt, dass das bereits in Deutschland gescheiterte Leistungsschutzrecht für Presseverlage – allerdings jetzt in verschärfter Form – in Artikel 11 Auferstehung feiert. Insofern werden wiederum Journalisten und Journalistinnen keine höheren Vergütungen bekommen. Dass nun Unionsabgeordnete wie beispielsweise Herr Schipanski – der aufs Stichwort kommt –, den eigenen EU-Abgeordneten in die Parade fahren, ist ein überaus entzückendes Erlebnis für die Opposition, allerdings ist es völlig unglaubwürdig, weil Sie beim Leistungsschutzrecht hier im Bundestag noch tapfer mitgemacht haben. Wir verbuchen das unter: Schiss vor Europawahl, #niewiedercdu, #niewiederspd. Der umstrittene Artikel 13, der Onlineplattformen zum Filtern hochgeladener Inhalte verpflichten soll, stammt ebenso von der Wunschliste großer Medienunternehmen wie die Verlegerbeteiligung an Einnahmen von Verwertungsgesellschaften. Damit verlieren wiederum Autoren und Autorinnen bis zu 50 Prozent an Kopiervergütungen. Dass also diese neuen Regelungen den Kreativen zugutekommen, ist einmal mehr nicht zu erwarten. Zwischenzeitlich waren einige Regelungen im Gespräch, die deren Rechte tatsächlich gestärkt hätten, also ihnen beispielsweise Vergütungsrechte für jede Nutzungsform ihrer Werke zugesichert hatten. Aber genau diese sind nun erheblich abgeschwächt worden, und das auf Druck der Verlage. Dass diese ihrerseits kein Interesse daran haben, die Verhandlungsposition von Urheberinnen und Urhebern zu stärken, überrascht in diesem Hause wahrscheinlich niemanden. Die Internetwirtschaft hat ihrerseits die Rolle eingenommen, sich gegen Artikel 13 zur Wehr zu setzen. Nun sind bekanntermaßen Google, Facebook und Co aus gutem Grund keine Sympathieträger. An vielen Stellen wünschte man sich sehr wohl staatliche Durchgriffe, beispielsweise bei einer angemessenen Besteuerung. Diese Reform ist aber in diesem Punkt schmerzhaft kurzsichtig. Gerade die großen Monopolisten werden die Reformkosten leichter stemmen können als kleine Plattformen, und sie werden bei den Lizenzverhandlungen in weit stärkeren Verhandlungspositionen sein als alle anderen. Facebook lobbyiert, wie inzwischen bekannt geworden ist, hinter den Kulissen sogar für den Einsatz von Uploadfiltern: von Urheberrechtsverletzungen über Hate Speech bis zum Terrorismus. Man sieht also: An dieser Stelle sieht Facebook offensichtlich eine Variante, eine bequeme Möglichkeit, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Nahezu unsichtbar waren zunächst die Anliegen derjenigen, die Werke nutzen und rezipieren. Von ein paar Verbesserungen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich abgesehen, tauchen diese in dieser Reform überhaupt nicht auf, und sie werden doch von den Verwerfungen durch Artikel 11 und 13 direkt betroffen sein. Sichtbar haben sich diese erst durch ihre großartigen Demonstrationen und durch die Petition mit 5 Millionen Unterschriften gemacht, und man kann ihnen dafür nur Danke sagen. Sie haben verstanden: Ohne massive Ausweitungen von Filtersystemen werden die Reformanforderungen nicht zu erfüllen sein. Mit ihnen werden die jungen Nutzer und Nutzerinnen massiv eingeschränkt werden. Damit haben wir ein freiheitliches Problem in diesem Land, erst recht im Internet. Dass automatisiertes Filtern eben nicht gestattet, erlaubte von unerlaubten Nutzungen zu unterscheiden, scheint einem Berichterstatter wie Herrn Voss aus der EVP-Fraktion völlig egal zu sein. Schließlich wird auch für kleine wirtschaftliche Akteure das Internet unfreier und unsicherer. Da frage ich gerade die CDU, gerade die SPD: Wo bleibt denn da fairer Wettbewerb? Die Dominanz einzelner kommerzieller Interessen, maßgeblich der Verlagslobby, hat die Diskussion entgleisen lassen. Selbst wenn der desaströse Entwurf am 23. März 2019 im Europaparlament abgewendet werden könnte, so ist andererseits eine große Chance vertan, ein modernes, zeitgemäßes Urheberrecht auf den Weg zu bringen. Das ist aus unserer Sicht vollkommen verantwortungslos. Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker das Wort.
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Friedrich Straetmanns DIE LINKE
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Straetmanns
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon bezeichnend, dass die AfD sich in der Einleitung des ersten hier vorliegenden Gesetzentwurfes auf den Verfassungsschutzbericht des vorvergangenen Jahres bezieht und nicht auf die aktuellen Zahlen, die schon über ein halbes Jahr verfügbar sind. Aber klar, die aktuellen Zahlen hätten nicht die Tendenz belegt, die Sie mit Ihrem Antrag unterstellen wollen. Dieses Jahr erlebten wir mit dem antisemitischen Anschlag von Halle und dem Mord an Walter Lübcke zwei besonders prominente Fälle rechtsextremer Gewalttaten. Die öffentliche Debatte wurde dadurch nachhaltig geprägt. Letztlich kamen sogar der Verfassungsschutz und das Innenministerium um Horst Seehofer dazu, den Rechtsextremismus – endlich! – als dringlichstes Sicherheitsproblem in Deutschland klipp und klar zu benennen. Ausgerechnet zum Ende dieses Jahres kommen Sie nun mit einem Gesetzentwurf um die Ecke, der sich endlich mal den Linksextremismus vorknöpfen soll. Gegenüber den Angehörigen der Opfer, derer wir heute gedacht haben, ist das der blanke Hohn. Aber um Opfer geht es Ihnen ja nie, zumindest nicht über deren Instrumentalisierung hinaus. Mit dem zweiten vorliegenden Gesetzentwurf wollen Sie mal wieder eine nicht unwesentliche Lehre aus dem Nationalsozialismus vergessen machen. Damals hat man zahllose Jüdinnen und Juden ausgebürgert, um an deren Besitz zu kommen. Diese Möglichkeit wurde zu Recht mit dem Grundgesetz ausgeschlossen. Dass die aktuelle Bundesregierung Mitte dieses Jahres hinter diese Erkenntnis zurückfiel, haben wir damals kritisiert, und das tun wir auch heute. Dass Sie es nun auf den Stand von vor 1949 zurückdrehen wollen, verwundert mich persönlich nicht. Da schließt sich auch der Kreis zum von Ihnen in der Begründung herangezogenen Hans-Georg Maaßen. Dieser hat schon vor knapp zehn Jahren in einem Artikel die Aberkennung der Staatsbürgerschaft in der Terrorismusbekämpfung gefordert. Interessant ist da besonders ein Terminus, den er in diesem Kontext verwendet, nämlich der des „nominell deutschen Staatsangehörigen“. In diesem technisch daherkommenden Begriff spiegelt sich Ihre Ideologie, und das macht es so folgerichtig, dass Sie Herrn Maaßen immer wieder als Kronzeugen heranziehen: Deutsch ist, wer seit Generationen hier lebt. Wer auf anderem Wege deutscher Staatsbürger geworden ist, der kann maximal „nominell deutsch“ werden, aber niemals so richtig hierhergehören. Dieses Denken in Gesetze zu gießen, ist falsch, und wir werden stets dort, wo es uns als Linke möglich ist, dagegen angehen. Der § 129a Strafgesetzbuch ist schon in seiner aktuellen Fassung hochproblematisch, weil er nicht präzise genug gefasst ist und damit den Bestimmtheitsgrundsatz aus meiner Sicht verletzt. Das sieht übrigens nicht nur unsere Fraktion so, sondern das sieht auch der Bundesgerichtshof. Sie planen nun die Strafbarkeit des Versuchs der Vorbereitung der Vorbereitung einer Straftat. Das ist Gesinnungsstrafrecht, eindeutig verfassungswidrig und, nebenbei bemerkt, sehr mutig für eine Fraktion, in deren Umfeld schon mal Munition, Leichensäcke und Löschkalk gefunden werden. Ich wünsche uns dennoch allen das viel beschworene besinnliche Weihnachtsfest und einen besinnlichen Jahresausgang, und Ihnen von der AfD wünsche ich, dass Sie zur Besinnung kommen. Danke. Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort die Kollegin Canan Bayram.
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Dr.
Dr. Kirsten Kappert-Gonther BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kirsten
Kappert-Gonther
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland leidet unter kolonialer Amnesie. Die koloniale Fremdherrschaft über Teile Afrikas, Ozeaniens und Chinas ist noch immer ein verdrängtes Kapitel unserer Geschichte. Zeit, das endlich zu ändern! Immer wieder begegnet mir das Vorurteil, Deutschland sei eine unbedeutende und harmlose Kolonialmacht gewesen. Der Afrikabeauftragte der Bundesregierung hob jüngst gar die angeblich positive Wirkung des Kolonialismus hervor. Es ist höchste Zeit, den Kolonialismus, die damit verbundenen Verbrechen und den antikolonialen Widerstand endlich umfassend aufzuarbeiten. Dass erstmals in diesem Koalitionsvertrag die Aufarbeitung des Kolonialismus angekündigt ist, finden wir richtig gut. Nur, jetzt müssen diesen Ankündigungen natürlich auch Taten folgen. Gegen die koloniale Amnesie hilft nur eine lebendige und vielfältige Erinnerungskultur. Die von Macron angestoßene Diskussion über die Rückgabe von Objekten aus kolonialen Kontexten an ihre rechtmäßigen Besitzerinnen und Besitzer ist ein wichtiger Bestandteil der Debatte. Es kann doch nicht sein, dass die Bundesregierung nicht weiß, wie viele geraubte Objekte und menschliche Gebeine sich in deutschen Sammlungen befinden. Die Mittel für Provenienzforschung müssen endlich erhöht und Rückgabeansprüche gesetzlich verankert werden. Doch es geht um weit mehr als um die Rückgabe von Exponaten. Es geht darum, mit Behauptungen von Ungleichwertigkeit aufzuräumen, die ihren Ausdruck noch heute im Rassismus finden. Es geht darum, endlich einen verantwortungsvollen Umgang mit unserem kolonialen Erbe zu finden. Wir brauchen unabhängig vom Humboldt Forum eine zentrale und gut sichtbare Stätte des Erinnerns und des Lernens. Die Revisionisten von rechts wollen eine saubere deutsche Identität konstruieren, doch genauso wie die Shoah, genauso wie die Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus sind die kolonialen Verbrechen untilgbarer Teil unserer deutschen Geschichte. Sie lassen sich nicht mit einem Schlussstrich ad acta legen. Es geht hier auch nicht, wie die AfD häufig behauptet, um Moralismus. Nein, es geht um Demut und Dialog. Zentral dafür ist, dass wir, die Nachfahren der Tätergeneration, Deutungshoheit aufgeben und die Nachfahren der Betroffenen maßgeblich an diesem Prozess beteiligt sind. Den zivilgesellschaftlichen Initiativen hierzulande und im globalen Süden ist es zu verdanken, dass wir diese Debatte heute überhaupt führen – endlich! Diese Debatte ist allein schon aus Verantwortung gegenüber der Vergangenheit notwendig. Sie wird aber auch einen relevanten Beitrag leisten können, institutionellen Rassismus und bis heute wirksame Ausbeutungsverhältnisse zu erkennen und hoffentlich zu überwinden. Dafür muss die Debatte ernsthaft, selbstkritisch und offen geführt werden. Wir Grüne wollen eine systematische und breite Aufarbeitung des kolonialen Erbes in der Zivilgesellschaft, den Schulen, Universitäten, Museen und eben auch im Zentrum der Republik mit einer Stätte des Lernens und Erinnerns. Denn wer die Vergangenheit verdrängt, trifft falsche Entscheidungen für Gegenwart und Zukunft. Vielen Dank. Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Ansgar Heveling, Fraktion CDU/CSU.
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Grigorios Aggelidis FDP
Grigorios
Aggelidis
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! Menschen zu befähigen, ihnen den Freiraum zu lassen, ihren eigenen Weg zu gehen – das ist unser Bild und unser Kompass. Sie hatten das einmal versprochen, als Sie als Familienministerin begonnen haben, Frau Dr. Giffey. „Nicht einengen, nicht bevormunden und nicht gängeln“ sollte genauso unser Kompass sein. Leider tut die Regierung allzu häufig das Gegenteil bzw. übersieht diesen Kompass. Kollege Weinberg, Sie sind auf das Thema Ehrenamt eingegangen, Frau Pantel auch. Es ist gerade beim Ehrenamt leider Gottes saurer Wein, den Sie haben. Frau Deligöz hat es gesagt. Frau Merkel ist zum Schluss ihrer Rede auf das Ehrenamt eingegangen, ungefähr 60 Sekunden lang. Da war ich mir aber nicht sicher: Verwechselt sie jetzt das Ehrenamt mit dem Programm „Demokratie leben und fördern“? – Sie müssen es nur nachlesen; Sie können es im Protokoll nachlesen. – Frau Merkel sagte auch, das Ehrenamt würde Pars pro Toto für vieles mehr stehen, was diese Regierung macht. – Wie wahr: einen Schritt vor, einen Schritt zurück, ohne Plan. Für 2019 hieß es in den entsprechenden Entwürfen: rund 30 Millionen Euro mehr, wegen der Gründung der Engagement-Stiftung und der Fortsetzung von Programmen. Für 2020 wiederum müssen wir lesen: rund 30 Millionen Euro weniger, unter anderem, weil die Etatisierung der Engagement-Stiftung noch geklärt werden muss. Was mich als jemanden, der aus dem Ehrenamt kommt, aber besonders aufregt, ist, dass diese Regierung nicht Schluss macht mit der Einengung und der Belastung und der Gängelung von Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. Nur hier, ab und zu, finden Sie ein tolles Wort für das Ehrenamt. In der Praxis konfrontieren Sie das Ehrenamt mit immer mehr Bürokratie, immer neuen Vorgaben und steuerlichen Belastungen und immer neuen, zusätzlichen Haftungsrisiken für Menschen, die sich im Ehrenamt engagieren. Im Unterausschuss „Bürgerschaftliches Engagement“ sind wir uns da alle einig, auch die Kollegen von der Koalition. Aber offensichtlich nimmt das in der Regierung niemand zur Kenntnis. Und Sie, Frau Ministerin, machen, um genau das zurückzufahren, leider nichts. Setzen Sie sich endlich einmal mit Ihren Kollegen Scholz und Heil zusammen und setzen Sie durch, dass die Belastungen aus dem Familienministerium, dass die Belastungen aus dem Ministerium für Arbeit und Soziales, was das Ehrenamt angeht, endlich einmal weniger werden; das ist das, was wir fordern. – Sie können ja eine Zwischenfrage stellen; dann erkläre ich Ihnen das. Im Gegenteil, ich bekomme mit: Das BAFzA braucht mehr Personal, weil der Bundesrechnungshof das gefordert und angemahnt hat, aber Sie, das Familienministerium, lehnen das ab. Gleichzeitig leistet sich das Familienministerium aber elf neue Leitungsstellen. Wir finden, das ist die falsche Priorität. Sie sollten lieber das Ehrenamt entlasten, statt bei Ihnen für mehr Leitung zu sorgen. Aber kommen wir zum Thema Elterngeld und Partnermonate. Am 17. Januar 2018 hat Frau Barley hier versprochen, dass es zu einer Reform der Partnermonate kommt. Am 17. Oktober 2018 haben wir einen Antrag dazu eingebracht. Am 16. Januar 2019 haben Sie es in Ihre Vorhabenplanung mit aufgenommen. Für das erste Halbjahr 2019 wurde uns das angekündigt. Und was müssen wir am 15. Juli 2019 in der Antwort des Familienministeriums lesen? Die angekündigte Reform befindet sich in der Konzeptionsphase. – Im Ernst? Das ist schließlich so, als ob Sie sagen würden: Wir fangen gerade erst an. – Die Familien brauchen hier Besseres. Deswegen fordern wir Sie auf: Sorgen Sie endlich für eine Flexibilisierung der Arbeitszeitkorridore! Verbessern Sie vor allem auch die Situation von Eltern und Familien, wenn der Arbeitgeber in die Insolvenz gerät und der Familie finanzielle Schwierigkeiten drohen. Und berücksichtigen Sie angemessen die Situation von Eltern, wenn es sich um Frühgeborene handelt, bei den Kindern natürlich – falls sich da jemand nicht ganz so sicher ist. Ich will einen letzten Satz sagen, Herr Präsident, zum Thema „Chancenumfeld für Kinder“. Sie haben auch groß über das Thema „Kinderrechte ins Grundgesetz“ geschrieben. Wie wäre es denn, wenn Sie einmal in kleinen Schritten anfangen würden, konkret etwas zu verbessern, zum Beispiel bei Careleavern – jungen Menschen, die in Heimen groß werden oder bei Pflegefamilien –; bei diesen jungen Menschen greift der Staat 75 Prozent des selbstverdienten Einkommens ab. Wie wäre es, wenn Sie da einmal für Gerechtigkeit sorgen und diese Regelung abschaffen? Das fordern wir unter anderem. Genau das Gleiche können Sie fortsetzen bei Familien, die auf den Kinderzuschlag oder andere Sozialleistungen angewiesen sind, oder bei Kindern aus Hartz-IV-Familien. Geben Sie diesen Kindern doch die Chance, sich zu entwickeln, und bestrafen Sie sie als Regierung in einem Sozialstaat am Ende des Tages nicht dafür, dass ihre Eltern nicht genug verdienen! Auch das wäre fair, gut und im Zweifel für die betroffenen Kinder viel wichtiger, als hier über das Grundgesetz zu fabulieren, meine Damen und Herren. Sie müssen jetzt Ihren Schlusssatz formulieren. Das mache ich. – Deswegen: Sorgen Sie dafür, dass Bildung, Teilhabe und Chancen der Kinder eben nicht Notnagel im Haushalt sind, sondern eine der tragende Säulen; dafür stehen wir. Setzen Sie die richtigen Prioritäten; dann geht es Familien, Kindern und auch dem Ehrenamt besser. Vielen Dank. Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke die Kollegin Doris Achelwilm.
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Maria Klein-Schmeink BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Maria
Klein-Schmeink
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister! Im Grunde zeigt der Verlauf der jetzigen Debatte schon, dass wir es mit einem Interessenkonflikt zu tun haben und dass dieser Interessenkonflikt derzeit nicht besonders gut aufgelöst wird, und zwar weil der Minister so wenig sorgfältig mit dem Datenschutz umgegangen ist. Wir reden und müssen reden über Datenschutz und die Wahrung der Selbstbestimmungsrechte der Patientinnen und Patienten und der Versicherten, weil eben in der jüngsten Zeit gleich zweimal Gesetzesinitiativen ergriffen worden sind, wo genau dieser Aspekt nicht gewahrt war. Gerade deshalb sind wir alle und die Öffentlichkeit so sensibel in dieser Frage, weil wir alle wissen: Es handelt sich um sensible Daten, mit denen wir sensibel umgehen müssen, verantwortlich umgehen müssen und umsichtig umgehen müssen. Das, Herr Minister, haben Sie leider nicht getan, und das führt auch dazu, dass wir diese Debatte in dieser Weise führen müssen. Und es zeigt sich ja auch: Es ist immens wichtig, dass die Versicherten darauf vertrauen können, dass sorgsam mit ihren Daten umgegangen wird. Es ist eben gerade so, dass die Wahrung der Selbstbestimmungsrechte nicht Hindernis, sondern Voraussetzung für Akzeptanz und Vertrauen ist, und so müssen wir vorgehen. Wir lehnen dieses Gesetz ab, und zwar nicht, weil wir Bedenkenträger wären. Im Gegenteil: Wir haben gesehen, dass Bedenkenträger aus früheren Wahlperioden – Frau Aschenberg-Dugnus, Herr Jens Spahn – jetzt unter Druck sind und das Kind mit dem Bade ausschütten müssen, weil so lange nicht gehandelt worden ist, weil wir einen Innovationsstau haben und es eben deshalb nicht schaffen, die Potenziale und Chancen der Digitalisierung wirklich nutzbar zu machen. Wir lehnen dieses Gesetz auch deshalb ab, weil wie in der letzten Wahlperiode eine klare Strategie fehlt. Gemeinsam mit den Patientinnen und Nutzerinnen, mit deren Verbänden müssen wir die gesundheitspolitischen Ziele festlegen, müssen wir alle Akteure an den Tisch bringen und schauen, wie wir daraus vernünftige Strategien herleiten. Genau das ist nicht passiert. Ihr Health Innovation Hub kann genau das nicht leisten. Er bringt eben nicht die wesentlichen Gruppen an den Tisch und sorgt nicht dafür, dass wir in allen Nutzungsbereichen tatsächlich eine Strategie haben. Meine Damen und Herren, Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Sie braucht eine Richtung. Sie muss eine gesellschaftliche Normierung haben. Auch da fehlt es. Der Nutzen für die Patienten muss im Vordergrund stehen. Sie haben uns jetzt ein Gesetz vorgelegt, wo man in wesentlichen Teilen von Wirtschaftsförderung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung sprechen muss. Ich habe nichts gegen Wirtschaftsförderung für Start-ups, aber das, bitte schön, ist Aufgabe des Steuerzahlers. Nun, digitale Gesundheits-Apps können den Menschen nutzen. Aber sie müssen sich wie alle anderen Anwendungen im Gesundheitsbereich auch daran messen lassen, ob sie diesen Nutzen auch wirklich erbringen. Es kann nicht sein, dass wir Verfahren schon vorab zulassen und in die Versorgung bringen, für die dieser Nutzen noch nicht erwiesen wurde. Das kritisieren wir an diesem Fast-and-quick-Verfahren, was Sie da vorgelegt haben, was im Übrigen ja nur für solche Apps gilt, die keine wirkliche Behandlungsrelevanz haben; denn genau für diese, die wirklich wichtig wären, haben Sie gar kein besonderes Zulassungsverfahren. Auch das ist eine Kritik, etwas, was wir Ihnen ankreiden. So wird es dazu kommen, dass die Kassen 400 Millionen Euro – 2 Prozent – aus der Finanzreserve ausgeben für Wirtschaftsförderung statt gezielt für die Verbesserung der Versorgung mithilfe von digitalen Ansätzen. Das wäre der Weg gewesen, den wir hätten gehen müssen. Wir haben mit unserem Antrag gezeigt, dass das geht. Ich hoffe, Sie nehmen unsere Anregungen an und werden sie aufnehmen im DVG II, das ja schon angekündigt worden ist. In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Debatten und finde schade, dass wir mit diesem Gesetz nicht wirklich weitergekommen sind. Vielen Dank. – Alle in der Debatte aufgelaufenen Fragen kann jetzt der nächste Redner beantworten. Das Wort hat der Bundesminister Jens Spahn.
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Detlef Seif CDU/CSU
Detlef
Seif
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Bei den Brexit-Verhandlungen stellen sich aktuell die Fragen: Ist ausreichender Fortschritt in den Verhandlungen erzielt worden? Soll der Europäische Rat am Freitag den Weg für weitere Verhandlungen über das zukünftige Verhältnis zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union eröffnen? An dieser Stelle ist zunächst festzustellen, dass sich die Einteilung in zwei Phasen als richtig erwiesen hat. Großbritannien hat sich in der Vergangenheit immer als knallharter Verhandlungspartner erwiesen, hat ständig Rosinenpickerei betrieben und hat auch Sonderrechte erhalten. Ich denke an den Briten-Rabatt, die Nichtzugehörigkeit zur Währungsunion und zum Schengen-Raum und an die vielen Opt-ins und Opt-outs im Bereich Justiz und Inneres. Wir haben also unsere Erfahrungen gemacht und mussten damit rechnen, dass Großbritannien wichtige Fragen bis ans Ende der Verhandlungen zurückstellen wird oder am liebsten gar nicht behandeln will. Man wollte sofort über einen Handelsvertrag reden. Dieser Eindruck ist durch die Verhandlungen selbst auch bestätigt worden: Boris Johnson und David Davis haben stets gezeigt, dass bei ihnen überhaupt kein Interesse besteht, über Zahlen und Positionen im Bereich der finanziellen Verpflichtungen zu sprechen. In ihrer Florenz-Rede am 22. September 2017 hat die Premierministerin Theresa May zwar gesagt, Großbritannien werde seine Verpflichtungen erfüllen, als es dann in die Verhandlungen ging, hieß es bei David Davis aber stets: Es ist nicht die Zeit, das müssen wir bis später verschieben, wenn wir auch über die zukünftige Beziehung zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU reden. Nach der monatelangen Blockade ist an dieser Stelle nun endlich der Gordische Knoten durchgeschlagen worden. Deshalb kann man in diesem Bereich auch tatsächlich von einem Durchbruch sprechen. Das wäre für mich ohne die Arbeit von Michel Barnier und seiner Mitarbeiter, seines Teams, nicht denkbar gewesen. Deshalb, meine ich, kann man ihm auch einmal ausdrücklich für seine geleistete Arbeit danken. Ein Weiteres steht fest: Die anderen 27 Mitgliedstaaten sind völlig geschlossen aufgetreten. Das ist nicht immer der Fall. Man hat mit einer Stimme gesprochen, und das macht uns stark. Ich denke, wenn wir jetzt in die zweite Phase kommen, dann wird das das Pfund sein, mit dem wir wuchern können. Wir sollten diese Strategie beibehalten. Natürlich sind die Regelungen erst verbindlich, wenn alles vereinbart ist; das Gesamtpaket muss vereinbart werden. Meine Damen und Herren, die Briten sind für eine ausgebuffte Verhandlungsführung bekannt. Aber an dieser Stelle habe ich keine Zweifel: Wenn in der jetzigen ersten Phase das Papier unterzeichnet sein wird, dann wird man sich auch an die Punkte halten, die vereinbart sind. Im Einzelnen: Bei den Bürgerrechten wurde sehr viel und sehr Gutes erreicht. Man hat sich auf ein einfaches, kostengünstiges und effizientes Verfahren verständigt, sodass die Bürger schnell an ihr Daueraufenthaltsrecht gelangen können. Das oberste britische Gericht soll für acht Jahre die Möglichkeit haben, den Europäischen Gerichtshof anzurufen; damit soll Einheitlichkeit in der Rechtsprechung sichergestellt werden. Bei den finanziellen Verpflichtungen besteht weitgehend Einigkeit – nicht über die Summen, die überall herumgeistern, sondern über die Berechnungsmethode und darüber, um welche Positionen es letztlich geht. Eine Einigung wurde bislang aber nicht darüber erzielt, ob bei der Europäischen Investitionsbank – das ist noch ein Knackpunkt – ein Rückzahlungsanspruch besteht, der sich lediglich auf die Kapitaleinlagen bezieht, oder ob er sich auch auf die entstandene Kapitalbildung im Bereich der Rücklagen bezieht. Über diesen Knackpunkt wird man noch diskutieren müssen. Auch bezüglich der Kosten für den Umzug der beiden Agenturen wurde noch keine Einigkeit erzielt. Zur Situation Irlands hat ein Kommentator das Ganze wie folgt zusammengefasst: Wenn die Republik Irland vollwertiges Mitglied im EU-Binnenmarkt bleibt, es keine Zollgrenze zu Nordirland geben darf und ebenfalls keine zwischen Nordirland und dem Vereinigten Königreich, dann bleibt nur die Möglichkeit, dass das Vereinigte Königreich Mitglied im Binnenmarkt bleibt. – Das ist in der Tat die Frage nach der Quadratur des Kreises, die es zu beantworten gilt. In der jetzigen Phase stellt sich aber doch die Frage: Ist das, was jetzt auf dem Tisch liegt – das muss nicht das endgültige Ergebnis sein –, ausreichend, um in die nächste Verhandlungsphase gehen zu können? Ich meine, man kann hier ohne Wenn und Aber feststellen: In den Verhandlungen wurde ausreichender Fortschritt erzielt. Wir können also dem Europäischen Rat empfehlen, die nächste Verhandlungsphase zu eröffnen. Vielen Dank. Zu seiner ersten Rede erteile ich das Wort dem Kollegen Markus Töns von der SPD-Fraktion.
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Christine Aschenberg-Dugnus FDP
Christine
Aschenberg-Dugnus
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Solms hat es gerade schon gesagt, und ich finde, man kann es auch wiederholen: Was uns alle hier heute im Plenum eint, ist doch der Wunsch, dass die Zahl der Organspenden in Deutschland massiv steigt. Denn hinter jedem benötigten Organ steckt ein individuelles Schicksal. Wir alle haben uns in den letzten Monaten damit beschäftigt. Jeder kennt Fälle, auch ich persönlich aus meiner eigenen Familie. Als Mitinitiatorin der Entscheidungslösung trage ich selbstverständlich seit über 20 Jahren einen Organspendeausweis bei mir, weil ich mich freiwillig, selbstbestimmt und nach eingehender Befassung mit dem Thema ganz bewusst dafür entschieden habe. Unsere Gruppe, die Gruppe der Entscheidungslösung, hat sich genau damit befasst und sich die Frage gestellt: Was hindert Menschen daran, sich zu entscheiden? Wenn wir dann hören, dass fast die Hälfte der Deutschen sich bei dem Thema Organspende und bei dem Thema Hirntod nicht ausreichend informiert fühlt, dann müssen wir auch selbstkritisch feststellen, dass wir in der Vergangenheit die falschen Informationen geliefert haben. Genau das wollen wir jetzt mit unserer Gesetzesvorlage ändern. Den Hausärzten kommt dabei eine ganz wichtige Rolle bei der Aufklärung zu. Herr Solms, nicht die Mitarbeiter der Bürgerämter sollen informieren – das steht in unserer Vorlage überhaupt nicht –, sondern wir fragen: Wer hat das Vertrauen in Deutschland? Das sind unsere Hausärzte. Diese werden für diese Information auch vergütet. In einer Situation, wo viele Bürger Unsicherheit verspüren, wo sie Ängste haben – das hat, Frau Schmidtke, nichts mit Bequemlichkeit zu tun; sie haben Angst; sie wissen nicht, wie sie sich entscheiden sollen –, kann man doch Schweigen nicht als Zustimmung werten, meine Damen und Herren. Das missachtet – ich rede gar nicht einmal von Paragrafen und Recht – unseren gesellschaftlichen Konsens, den wir alle haben, nämlich dass Schweigen niemals als Zustimmung gewertet werden kann. Wir setzen lieber auf die freiwillige und informierte Entscheidung; denn diese ist wesentlich nachhaltiger. Und – das wurde schon gesagt – wir ermöglichen den Bürgerinnen und Bürgern ein niederschwelliges Angebot, ihre dann getroffene Entscheidung auch in ein Onlineregister eintragen zu können, entweder auf den Ämtern oder online zu Hause. Das wird dazu führen, dass das in einer großen Anzahl passieren wird. Die Bürgerinnen und Bürger werden auch wesentlich mehr und regelmäßiger auf dieses Thema angesprochen. Lassen Sie mich bitte noch auf einen Punkt zu sprechen kommen. Es wurde in letzter Zeit gerade in den Medien und auch hier wieder ein Zusammenhang zwischen den Ländern, die die Widerspruchslösung haben, und einer hohen Organspenderzahl bzw. Organtransplantationszahl hergestellt. Wir alle hier wissen doch, dass das überhaupt nicht stimmt. Die Kollegin Baerbock hat das schon gesagt: In vielen Ländern geht es nach dem Herztod. Natürlich hat man dann viel mehr Organspender. Außerdem: Spanien wendet die Widerspruchslösung doch überhaupt nicht an. Das haben wir doch gehört, und das wissen wir alle doch. Um noch etwas anzuführen: Bulgarien zum Beispiel hat die Widerspruchslösung und dennoch viel schlechtere Zahlen als wir. Diesen vermeintlichen Zusammenhang hier als Grund anzuführen, ist doch nun wirklich daneben. Wichtig sind die Organisationsstrukturen; das wurde schon gesagt. Auch die Zahl wurde schon genannt. Leider wurden in der Vergangenheit nur unter 10 Prozent der Hirntoten gemeldet. Da müssen wir ansetzen. Wir hoffen, dass unser Gesetz nach der Verabschiedung dort wirkt. Wenn es nicht wirkt, müssen wir eben da nachbessern. Nun komme ich noch zu einem Argument, das mir sehr wichtig ist. Herr Spahn, Sie haben immer wieder betont, Ihre Widerspruchslösung zur Spende sei keine Pflicht, aber eine Verpflichtung, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ja, das ist richtig. Aber was ist denn in der Zeit, in der man noch überlegt? Man braucht doch Zeit dafür. Ich selber konnte meine Entscheidung auch nicht innerhalb eines Tages treffen. Dazu braucht man Zeit. In dieser Zeit, wo man sich mit dem Thema beschäftigt und sich noch nicht endgültig entschieden hat, ist man nach Ihrer Widerspruchslösung automatisch Organspender, und das kann nicht sein. Warum ist mir das so wichtig? In dieser Woche hat ein Transplantationschirurg oft versucht, mich anzurufen. Ich habe ihn dann zurückgerufen und mit ihm gesprochen. Es war ihm sehr wichtig, mir Folgendes zu sagen – ich darf zitieren –: Wenn die Widerspruchslösung kommt, müsste ich bei der Organentnahme einen mir unbekannten Willen umsetzen; denn ich weiß nicht, ob eine Zustimmung vorliegt. Dabei habe ich ein schlechtes Gefühl. Meine Damen und Herren, genau das ist der Punkt. Wir finden, es gebietet der Respekt vor der individuellen Entscheidung eines jeden Einzelnen, dass gerade bei dem wichtigen Thema Organspende eine ausdrückliche Zustimmung Voraussetzung ist. Sonst nehmen wir den Menschen das Selbstbestimmungsrecht über ihren eigenen Körper und verstoßen gegen die Menschenwürde. Aber die Menschenwürde ist unantastbar. Vielen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Dr. Georg Nüßlein.
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Marie-Luise Dött CDU/CSU
Marie-Luise
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CDU/CSU
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man eine nachhaltige Entwicklung voranbringen will, dann geht es auch um die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft. Die Vermeidung von Abfällen und das Schließen von Stoffkreisläufen ist eine Voraussetzung für Ressourcenschutz, für Klimaschutz, für eine prosperierende Wirtschaft und natürlich auch für Arbeitsplätze in unserem Land. Gerade Deutschland als rohstoffarmes Land muss Vorreiter bei der Kreislaufwirtschaft sein. Meine Damen und Herren, wir sind es auch. Wir haben die Kreislaufwirtschaft in den letzten Jahren mit einer Vielzahl von Gesetzesinitiativen weiterentwickelt, und wir lassen nicht nach. Wir arbeiten aktuell an einer Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, des Batteriegesetzes, novellieren die Altfahrzeug-Verordnung, setzen die Vorgaben der Europäischen Union zum Verbot von Einwegkunststoffartikeln um. Wir haben im Bereich der Kreislaufwirtschaft viele Mittelständler, die mit ihren innovativen Unternehmen Tausende Arbeitsplätze sichern. Wir wollen diese Entwicklung weiter voranbringen. Ein erster wichtiger Ansatz dafür ist die Produktpolitik. Mit der Gestaltung der Reparaturfreundlichkeit und gegebenenfalls auch mit einem Verbot von Produkten entscheiden wir auch über das Abfallaufkommen. Aber wir können Produkte nur verbieten, wenn wir einen nachweislich ökologisch besseren Ersatz haben. Eine Kreislaufwirtschaft auf der Grundlage gefühlter ökologischer Vorteile führt umweltpolitisch in die Irre und ist wirtschaftlich schädlich. Wir brauchen zur wissenschaftlichen Beurteilung der Vor- und Nachteile Ökobilanzen. Ein zweiter Ansatz ist die Stärkung des stofflichen Recyclings. Es macht keinen Sinn, Abfälle zu hohen Kosten zu trennen, zu sammeln und zu sortieren, wenn man sie am Ende nicht nutzt. Wir sollten uns deshalb bestimmte Branchen ansehen und prüfen, welche Möglichkeiten der Wiedernutzung für Rezyklate möglich sind. Bei Materialien für den Tiefbau wie Rohren sind die Chancen für einen Rezyklateinsatz sicherlich größer als bei Lebensmittelverpackungen. Zudem muss auch der Rechtsrahmen auf den Prüfstand. Beim Bodenschutz, Gesundheitsschutz, bei der Chemikaliensicherheit oder dem Lebensmittelrecht müssen wir dafür sorgen, dass Zielkonflikte für Rezyklatnutzung abgebaut werden. Eine Null-Schadstoff-Strategie, wie im Green Deal angekündigt, hilft hier jedenfalls nicht weiter. Drittens müssen wir prüfen, wie wir den preislichen Nachteil der Rezyklate gegenüber Primärmaterial reduzieren. Auch hier gibt es unterschiedliche Ansätze, die geprüft werden müssen. Ein vierter wichtiger Ansatz ist, die öffentliche Beschaffung stärker auf die Rezyklatnutzung auszurichten. Mit der aktuellen Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sorgen wir in den Ausschreibungen für eine Gleichbehandlung von Rezyklaten. Wir werden in Europa und Deutschland die Kreislaufwirtschaft weiterentwickeln. Aber wir müssen auch international stärker zusammenarbeiten. Wir unterstützen andere Länder beim Aufbau von Abfallmanagement und Entsorgungsinfrastruktur; aber wir können hier noch deutlich besser werden. Das hilft gegen den Meeresmüll, hilft den Partnerländern, unterstützt unsere Unternehmen und schafft Arbeitsplätze in Deutschland. Kreislaufwirtschaft muss endlich als ein wesentliches Element nachhaltiger Entwicklung verstanden werden und gehört deshalb stärker in den Mittelpunkt der Politik. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Lukas Köhler, FDP.
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Filiz Polat BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
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Polat
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Putins Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit verbundene millionenfache Vertreibung führen uns vor Augen: Wenn wir heute über den Schwerpunkt des Haushalts des Ministeriums des Innern und für Heimat sprechen, dann sprechen wir vor allem über Menschen und – das wurde schon gesagt – über einen neuen Stil an der Spitze des Hauses, der es darum geht, in der Flüchtlingspolitik zu gestalten und nicht zu spalten, meine Damen und Herren. Ministerin Faesers Kompass ist auf die Menschen ausgerichtet, nicht auf Zahlen. Sie spricht von Verantwortung. Begriffe wie „Sturm“ oder „Lawine“ kommen ihr im Zusammenhang mit Geflüchteten nicht über die Lippen. Meine Damen und Herren, diese Haltung ist es, die unsere Koalition in der Flüchtlingsfrage auszeichnet, und sie unterscheidet sich diametral von Ihnen von der Union, meine Damen und Herren. Mit dieser Haltung hat Frau Faeser in Brüssel dazu beigetragen, dass wenige Tage nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine erstmals seit über 20 Jahren die EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz von Vertriebenen aktiviert wurde. Frau Ministerin Faeser hat es treffend formuliert: Wir retten Menschenleben unabhängig vom Pass. Nach jahrelangen Streitigkeiten und offener Abschottung zeigte sich die Europäische Union in der Flüchtlingspolitik so geeint wie noch nie. Die Geschlossenheit und Solidarität, mit der die EU-Staaten sich jetzt bei der Aufnahme Geflüchteter aus der Ukraine präsentieren, ist ein wichtiges Signal. Dies muss eine Blaupause für die künftige europäische Flüchtlingspolitik sein, einer Politik, die die Menschen in den Mittelpunkt stellt. Die Antwort auf die größte Fluchtbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg muss sich aber auch maßgeblich im Einzelplan 06 der neuen Ampelkoalition und vor allem in den Beratungen zum Ergänzungshaushalt abbilden; Frau Ministerin, Sie haben es angesprochen. Wir werden den aktuellen Herausforderungen mit einer Integrationsoffensive begegnen. Wir treten ein für gleiche Rechte von Anfang an, ohne Wenn und Aber und unabhängig vom Pass, meine Damen und Herren. Deshalb müssen jetzt auch die gesetzlichen Weichen gestellt werden – ich hatte das in meiner letzten Rede schon gesagt –, und, Frau Ministerin, die Mittel für die Integrations- und Sprachkurse müssen wir noch deutlich erhöhen. Teilhabe findet auf vielen Ebenen statt; auch das wurde heute schon gesagt. Ich möchte hier insbesondere den Kommunen danken, die in Vorleistung treten, und all den Freiwilligen, insbesondere auch den ukrainischen Migrantinnen- und Migrantenorganisationen, die die Aufnahme der Geflüchteten mit großem Einsatz ermöglichen. Die Anerkennung dieses Engagements darf sich nicht auf Worte beschränken, sondern muss sich noch stärker im Haushalt widerspiegeln. Frau Ministerin, ein Alleinstellungsmerkmal Deutschlands ist unser System der Migrationserstberatungsstellen. Auch hier reicht es nicht, die Arbeit der Wohlfahrtsverbände zu loben; man muss sie auch budgetär angemessen ausstatten. Schließlich gilt es, die vielen Menschen nicht zu vergessen, die ins Asylverfahren gehen. Deshalb muss jetzt die flächendeckende, behördenunabhängige Asylverfahrensberatung kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, was sich selbstverständlich auch im Haushalt abbilden muss. Meine Damen und Herren, Frau Ministerin, am 7. April wird es ein Gipfeltreffen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler geben. Dort wird sich entscheiden, ob die Menschen und ihre Bedarfe im Mittelpunkt stehen oder ob sich diejenigen durchsetzen, die Menschen in Geflüchtete erster und zweiter Klasse einteilen und die Integration ausbremsen wollen. Zur Teilhabe von Anfang an gehört es, Geflüchtete aus der Ukraine über die Leistungen des SGB zu versorgen. Sie müssen krankenversichert und in den Arbeitsmarkt integriert werden. Teilhabe gelingt nicht durch das Abstellen ins Sondersystem der Asylbewerberleistungen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das wird auf dem kommenden Flüchtlingsgipfel die zentrale Frage sein, auch in Bezug auf die Kostenteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen; denn bleiben die Menschen im diskriminierenden Sondersystem, tragen vor allem die Kommunen die finanziellen Lasten. Diese Frage erneut über Pauschalen regeln zu wollen, ist ein Griff in die Mottenkiste der CDU und CSU. – Sie hören aufmerksam zu, Herr Kollege. Sie wissen, was ich hier gerade sage. Unsere Aufgabe ist es nun, dass dieser Haushalt sowie der Ergänzungshaushalt vom Geist unseres Koalitionsvertrages getragen werden. Wir wollen in der Migrations- und Integrationspolitik einen Neuanfang gestalten, der einem modernen Einwanderungsland gerecht wird. Ich freue mich auf die Beratungen, Frau Ministerin. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Frau Kollegin Polat. – Nächster Redner ist der Kollege Jörn König, AfD-Fraktion.
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