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Editorial | Sozialisation | bpb.de
In den vergangenen Jahren wurde heftig über die Herausforderungen für "unseren westlichen Lebensstil" in der und durch die Migrationsgesellschaft diskutiert. Im Fokus standen unter anderem fehlende Anerkennung des Individuums, mangelnde Selbstbestimmungsrechte von Frauen, Homophobie unter Migrantinnen und Migranten oder auch delinquentes Verhalten Jugendlicher mit Zuwanderungshintergrund. Als Ursachen dieser Probleme wurden oftmals anhaltende Einflüsse der "Herkunftskultur" identifiziert. Doch für das Verständnis sozialen Handelns ist "die Kultur" lediglich ein Puzzleteil. Tatsächlich wird soziales Handeln durch ein ganzes Bündel von Faktoren beeinflusst: Beschaffenheit und Ordnung des sozialen Umfelds, Existenz bestimmende Institutionen und deren Funktionen, aber auch deren Interpretationen und Wahrnehmungen durch die Handelnden. "Menschen handeln, indem sie die soziale Wirklichkeit deuten (…). Sozialisiert als Frauen und Männer, als Menschen mit und ohne Migrationsbiografien, durch eine bestimmte soziale Herkunft und durch religiöse, politische und berufliche Erfahrungen greifen die Akteure auf Selbstverständlichkeiten, Wissensvorräte und Deutungsangebote zurück, die ihnen zur Identitätsfindung (…) nützlich erscheinen", schreibt etwa die Sozialwissenschaftlerin Brigitte Hasenjürgen. Rahmenbedingungen wie gesellschaftliche Normen und Werte, Kommunikationsformen oder Rollenidentitäten – denen Menschen sich anpassen, die sie aber auch verändern können – sind stets in Bewegung. Dieser soziale Wandel findet nur langsam statt und ist vielerorts erst auf den zweiten Blick erkennbar. Was heute für viele "normal" ist, wurde noch vor wenigen Jahrzehnten gesellschaftlich und rechtlich sanktioniert, wie am Umgang mit nicht ehelichen Kindern oder mit Homosexualität deutlich wird. Das bedeutet keineswegs, Individuen von der Verantwortung für ihr Handeln freizusprechen oder aber jegliches Verhalten als Ergebnis "freier Entscheidung" zu werten. Stattdessen gilt es, soziales Handeln stets im Zusammenhang mit wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und sozialpsychologischen Einflüssen zu interpretieren.
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Asiye Öztürk
2021-12-07T00:00:00
2012-11-29T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/150613/editorial/
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Welche Rechte haben wir? | bpb.de
(© Anne Paffenholz) Auch Kinder und Jugendliche haben Rechte: Die UN-Kinderrechtskonvention – die „Konvention über die Rechte des Kindes“ der Vereinten Nationen – gilt seit 1990. Aber was steht da eigentlich geschrieben und was bedeutet das für Kinder und Jugendliche? Und warum ist die Konvention Teil der Hessischen Landesverfassung, hat aber noch nicht den Weg ins Grundgesetz gefunden? Ein Gesprächsraum für Kinder und Jugendliche zu ihren Rechten hinsichtlich Teilhabe und Mitbestimmung. Leitung: Jamila Adamou (Hessische Landeszentrale für politische Bildung) & Miriam Zeleke (Hessische Landesbeauftragte für Kinder- und Jugendrechte) Anmeldung: E-Mail Link: lbkr@hsm.hessen.de In Kooperation mit: Hessische Landesbeauftragte für Kinder- und Jugendrechte und Hessische Landeszentrale für politische Bildung (© Anne Paffenholz)
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2022-07-27T00:00:00
2022-07-20T00:00:00
2022-07-27T00:00:00
https://www.bpb.de/pift2022/rahmenprogramm/510845/welche-rechte-haben-wir/
Ein Gesprächsraum für Kinder und Jugendliche zu ihren Rechten hinsichtlich Teilhabe und Mitbestimmung.
[ "Junges Festival", "Macht der Beteiligung", "macht mit" ]
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Wo soll´s denn hingehen? - Das USA-Heft | Presse | bpb.de
"Change" ist nicht nur das Motto im US-Wahlkampf. Auch beim fluter hat sich einiges geändert. Ein neues Team, neue Rubriken und ein neues Layout geben dem Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb ein neues Gesicht. Seit Oktober wird es im Auftrag der bpb von Dummy Media aus Berlin gestaltet. Unter dem Titel "Wo soll's denn hingehen?" informiert das aktuelle Heft über die USA. Die Vereinigten Staaten begeistern Millionen Menschen. Die Vielfalt der Kulturen ist beeindruckend, die Natur und Größe des Landes überwältigend. Doch sie stehen auch vor Problemen: der Krieg gegen den Terror und der Kollaps am Finanzmarkt zeigen die Schattenseiten dieser Nation. fluter unternimmt in seiner Herbst-Ausgabe einen Streifzug durch dieses ebenso faszinierende wie widersprüchliche Land: Er berichtet über dessen Eroberung, lässt Einwanderer erzählen, warum sie ihre amerikanische Heimat so lieben und informiert über das vielfältige politische Engagement der Bürger. Kaum zu glauben ist die Geschichte eines jugendlichen Kleinkriminellen, der von der Regierung einen 300-Millionen-Dollar-Auftrag erhält und dadurch zu einem der größten Waffenhändler des Landes wird. Im Interview spricht der Politikwissenschaftler Georg Vanberg über die Verfassung der USA und ihre Vorbildfunktion für andere Länder. "Geh zurück in den Dschungel!" So wurde Elisabeth Eckford beschimpft, als sie im Jahr 1957 als erste Schwarze die Central High School in Little Rock, Arkansas, betreten wollte. 50 Jahre danach redet sie im fluter über die damaligen Ereignisse und Rassismus in den USA. Fabian Dietrich reiste für fluter mit dem Greyhound-Bus in sieben Tagen von New York nach Los Angeles. In seinem Reisetagebuch schreibt er über seine skurillen Begegnungen auf der 4.500 Kilometer langen Strecke. Außerdem verrät Mauritus Much, warum es für deutsche Austauschschüler immer schwieriger wird, in die USA zu gehen. Das Jugendmagazin fluter erscheint vier mal im Jahr und wird von der bpb herausgegeben. Unter Externer Link: www.fluter.de/abo kann das Heft kostenlos abonniert werden. Unser Online-Magazin fluter.de ergänzt das Angebot und präsentiert täglich neue Beiträge und Diskussionen, wöchentliche Film- und Buchbesprechungen, Aktuelles und monatliche Themenschwerpunkte. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter Externer Link: www.fluter.de. Pressemitteilung als Interner Link: PDF-Version (132 KB) Pressekontakt Bundeszentrale für politische Bildung Raul Gersson Adenauerallee 86 53113 Bonn Tel +49 (0)228 99515-200 Fax +49 (0)228 99515-293 E-Mail Link: presse@bpb.de Externer Link: www.bpb.de/presse
Article
Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2011-12-23T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/die-bpb/presse/pressemitteilungen/50341/wo-soll-s-denn-hingehen-das-usa-heft/
Die aktuelle Ausgabe des Jugendmagazins fluter der bpb informiert unter dem Titel "Wo soll's denn hingehen?" über die USA.
[ "Unbekannt (5273)" ]
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Editorial | Bildungsreformen | bpb.de
Das Unwort des Jahres 2004 lautet "Humankapital". Zu Recht, scheint der Mensch damit doch auf seinen ökonomischen Wert reduziert zu werden. Auch das allgemeine Verständnis von Bildung ist heute mehr und mehr durch ökonomische Imperative geprägt. Das gesellschaftliche Ziel der Chancengleichheit im Bildungswesen könnte einer solchen Ökonomik zum Opfer fallen. Die Defizite sind, wie die Ergebnisse der jüngsten PISA-Studie zeigen, ohnehin nicht zu übersehen: In keinem anderen Land der Welt ist der Schulerfolg der Kinder so stark von Einkommen und Bildung der Eltern abhängig wie in Deutschland. Das dreigliedrige Schulsystem ist offenbar nicht in der Lage, das Zusammenspiel von sozialer Herkunft und guten Lernergebnissen zu durchbrechen. Dessen ungeachtet gilt Schulerfolg hierzulande immer noch allein als Resultat individueller Leistung und Begabung. In Deutschland werden leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler frühzeitig von leistungsstärkeren getrennt. Das Ziel dieser Differenzierung - die Förderung in verschiedenen Schulformen - wird im Falle der leistungsschwächeren Kinder verfehlt. Anders als in den Gymnasien sind die Förderbedingungen in den am unteren Ende der Skala liegenden Hauptschulen unzureichend - trotz schlechterer Ausgangsbedingungen der Schülerinnen und Schüler. Die Chancen, innerhalb des deutschen Schulsystems nach erfolgter Einsortierung aufzusteigen, sind ausgesprochen gering. Es ist fast nur in eine Richtung durchlässig: nach unten. Jene sozial benachteiligten Kinder, die ungeachtet aller Hürden bis zum Abitur gelangen, stehen an der Schwelle zum Studium möglicherweise vor einer neu geschaffenen Barriere: Das Bundesverfassungsgericht hat den Weg für die Einführung von Studiengebühren freigemacht.
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Katharina Belwe
2021-12-07T00:00:00
2011-10-05T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/29154/editorial/
In keinem anderen Land der Welt ist der Schulerfolg der Kinder so stark von Einkommen und Bildung der Eltern abhängig wie in Deutschland. Das deutsche Schulsystem ist fast nur in eine Richtung durchlässig : nach unten.
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Veranstaltungskalender | Infodienst Radikalisierungsprävention | bpb.de
Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & Hintergrund-InfosNewsletter zu Radikalisierung & Prävention abonnieren Bleiben Sie auf dem Laufenden im Arbeitsfeld Radikalisierungsprävention! Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & neue Hintergrund-Beiträge des Infodienst Radikalisierungsprävention – alle sechs Wochen per E-Mail. Interner Link: → Zum Newsletter-Abonnement Übersicht Zu den Termindetails gelangen Sie, indem Sie auf den Titel der Veranstaltung klicken. August Interner Link: Online-Fortbildung: Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Netz begegnen31. Juli 2023 bis 18. Dezember 2023, online Center for Education on Online Prevention in Social Networks (CEOPS) Interner Link: Politik- und Pressegespräch: Strukturelle Faktoren von Radikalisierung14. August 2023, Berlin & online Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus (BAG RelEx) Interner Link: Online-Seminar: Plan P.-Digital – Wie kann Jugendhilfe und Radikalisierungsprävention im Online-Bereich aussehen?24. August 2023, online Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Nordrhein-Westfalen e. V. (AJS) September Interner Link: Netzwerktreffen: Extremistische Einstellungen staatlich Handelnder – Analyse und Präventionsmöglichkeiten4. September 2023, Düsseldorf CoRE NRW Interner Link: BarCamp Islamismusprävention 4. bis 6. September 2023, Leipzig Bundeszentrale für politische Bildung Interner Link: Online-Workshop: Wie argumentieren extremistische Online-"Prediger"? Themen, Thesen und Formate auf Social Media12. September 2023, online Kompetenznetzwerk "Islamistischer Extremismus" (KN:IX) & Violence Prevention Network (VPN) Interner Link: Fortbildung: Umgang mit antimuslimischem Rassismus in der pädagogischen Arbeit13. September 2023, Berlin ufuq.de Interner Link: Radikalisierung als Bewältigungsstrategie. Prävention zwischen struktureller und individueller Ebene20. bis 21. September 2023, Frankfurt am Main Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus (BAG RelEx) Interner Link: Fortbildung: Gaming als Chance für die Prävention28. bis 29. September 2023, Berlin cultures interactive e. V. Oktober Interner Link: Fortbildung: Mädchen*spezifische Prävention im islamisch begründeten Extremismus04. und 18. Oktober 2023, Berlin cultures interactive e. V. Interner Link: Fachtag: Jugendlich, digital, radikal? Islamismus im Netz zwischen Subkultur und Popkultur19. Oktober 2023, Berlin Violence Prevention Network (VPN) November Interner Link: Workshop: Extremistinnen und Terroristinnen. Rollen, Funktion und Bedeutung von Frauen in Extremismus und Terrorismus9. bis 10. November 2023, Berlin Hochschule Fresenius Interner Link: Weiterbildung: MasterClass "Präventionsfeld Islamismus" für Masterstudierende, Absolventinnen und AbsolventenNovember 2023 bis November 2024, Berlin/Köln/Erfurt und online Bundeszentrale für politische Bildung Dezember Interner Link: Hochschulzertifikat: Extremismus und Radikalisierung. Handlungskompetenz für die Bildungsarbeit mit jungen Menschen1. Dezember 2023 bis 24. Februar 2024, online Pädagogische Hochschule Heidelberg Februar 2024 Interner Link: Save the Date: MOTRA-K Jahreskonferenz 202428. und 29. Februar 2024, Wiesbaden Verbundprojekt MOTRA (Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung) Infodienst RadikalisierungspräventionMehr Infos zu Radikalisierung, Prävention & Islamismus Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten. Interner Link: → Zur Infodienst-Startseite August Online-Fortbildung: Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Netz begegnen 31. Juli 2023 bis 18. Dezember 2023, online In der Online-Fortbildung des Center for Education on Online Prevention in Social Networks (CEOPS) geht es darum, Jugendliche und junge Erwachsene im Umgang mit extremistischer Ansprache in den sozialen Medien zu schulen. In den Lehrgängen wird zudem die Funktionslogik von sozialen Medien thematisiert und die allgemeine Medienkompetenz der Teilnehmenden verbessert. Mögliche Abläufe von Radikalisierungsprozessen sowie Grundlagen des Online Streetwork bekommen ebenfalls einen Raum in den Seminaren. Ziel ist es, eigene digitale Angebote der Demokratieförderung zu entwickeln und menschenfeindlichen Inhalten im Netz selbstbewusst entgegenzutreten. Die Online-Fortbildung gibt es in drei Durchgängen: 31. Juli 2023 bis 16. Oktober 2023, immer montags & mittwochs von 16:00-17:30 Uhr 12. September 2023 bis 21. November 2023, immer dienstags & donnerstags von 11:00-12:30 Uhr 9. Oktober 2023 bis 18. Dezember 2023, immer montags & mittwochs von 16:00-17:30 Uhr Termin: 31. Juli 2023 bis 18. Dezember 2023 Ort: online Veranstalter: Center for Education on Online Prevention in Social Networks (CEOPS) Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von CEOPS Politik- und Pressegespräch: Strukturelle Faktoren von Radikalisierung 14. August 2023, Berlin & online Was brauchen wir als Gesellschaft, um zunehmenden Polarisierungstendenzen zu begegnen? Was braucht es auf individueller und struktureller Ebene, um Menschen zu stärken, die anfällig sind für extremistische Ansprachen? Das diesjährige Politik- und Pressegespräch der BAG RelEx widmet sich den strukturellen Faktoren von Radikalisierung. Der Fokus liegt dabei auf möglichen Lösungsstrategien im politischen Handeln wie auch auf Ebene der zivilgesellschaftlichen Träger. Diese werden im Rahmen eines Impulsvortrags und einer Podiumsdiskussion erörtert. Im Anschluss bietet die Veranstaltung Raum für Rückfragen. Das hybride Politik- und Pressegespräch richtet sich an Vertreter:innen aus Medien und Politik, an Fachkräfte sowie die breite Öffentlichkeit. Journalist:innen können sowohl vor Ort als auch online teilnehmen. Weitere Interessierte können der Veranstaltung online beiwohnen. Termin: 14. August 2023, 18:00-19:30 Uhr Ort: Berlin-Wedding & online Veranstalter: BAG RelEx Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der BAG RelEx Online-Seminar: Plan P.-Digital – Wie kann Jugendhilfe und Radikalisierungsprävention im Online-Bereich aussehen? 24. August 2023, online Das Online-Seminar beschäftigt sich mit islamistischer Ansprache in den sozialen Medien. Dabei geht es vor allem darum, wie Staat und Zivilgesellschaft auf die damit einhergehenden Herausforderungen in der Radikalisierungsprävention reagieren können. Das Seminar liefert eine Einordnung zu Ansätzen der Präventionsarbeit und vermittelt Überblick über Projekte der digitalen Jugendarbeit. Im Anschluss werden mögliche Bedarfe in der Jugend- und Präventionsarbeit skizziert. Das Online-Seminar richtet sich an Teilnehmende des Plan P.-Netzwerks sowie Fachkräfte der Jugendhilfe, insbesondere aus den Bereichen des Erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes, der Jugendarbeit und der Sozialarbeit. Termin: 24. August 2023, 10:00-13:00 Uhr Ort: online Veranstalter: Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Nordrhein-Westfalen e. V. (AJS) Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online bis zum 15. August möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der AJS September Netzwerktreffen: Extremistische Einstellungen staatlich Handelnder – Analyse und Präventionsmöglichkeiten 4. September 2023, Düsseldorf In einer wehrhaften Demokratie stehen staatliche Institutionen vor der Aufgabe, immer wieder zu überprüfen, inwieweit sie selbst gegen antidemokratische und extremistische Einstellungen gefeit sind. Staatsbedienstete sind gegen die Verbreitung von extremistischen Einstellungs- und Vorurteilsmustern nicht immun. Aufmerksamkeit verdienen hier nicht nur Justiz, Polizei und Nachrichtendienste, sondern auch der Schul- und Erziehungssektor. Die Frage für Forschung und Praxis ist, woher solche Einstellungen kommen, wie Gruppendynamiken entstehen, wie wir sie in Polizeien in mehreren Bundesländern gesehen haben, und wie diesen Entwicklungen präventiv begegnet werden kann. Darüber soll auf dem Netzwerktreffen intensiv diskutiert werden. Neben Vorträgen und Diskussionen gibt es ausreichend Zeit für Gespräche zur Vernetzung. Termin: 4. September 2023, 9:30-17:00 Uhr Ort: Townhouse Düsseldorf, Bilker Straße 36, 40213 Düsseldorf Veranstalter: CoRE NRW Kosten: kostenfrei Anmeldung: E-Mail Link: per E-Mail bis zum 25. August unter Angabe des vollen Namens sowie der institutionellen Anbindung Weitere Informationen in Kürze auf den Externer Link: Seiten von CoRE NRW BarCamp Islamismusprävention 4. bis 6. September, Leipzig Im September 2023 findet in Leipzig ein interaktives BarCamp der Bundeszentrale für politische Bildung zum Themenfeld Islamismus statt. Die Fachtagung bietet einen Raum für Akteurinnen und Akteure, die in der Radikalisierungsprävention und der politischen Bildung tätig sind, einmal innezuhalten, gemeinsam über die Entwicklungen zu reflektieren, sich über aktuelle Themen, Debatten aber auch die Belastung in der täglichen Arbeit auszutauschen und gleichzeitig Ideen, multiprofessionelle Perspektiven und neue Energie aufzutanken. Die Veranstaltung richtet sich an Fachkräfte aus dem Bereich der Präventionsarbeit und der politischen Bildung, Wissenschaftler/-innen und Multiplikator/-innen, die sich bereits intensiver mit dem Phänomen Islamismus und dem Feld der Islamismusprävention auseinandergesetzt haben oder in diesem arbeiten. Auch das Team des Infodienst Radikalisierungsprävention wird auf der Tagung vertreten sein und freut sich, Sie dort zu begrüßen. Termin: 4. bis 6. September 2023 Ort: Hyperion Hotel, Sachsenseite 7, 04109 Leipzig Veranstalter: Bundeszentrale für politische Bildung Kosten: Teilnahmegebühr ohne Übernachtung 50 Euro Anmeldung: Externer Link: online bis zum 21. August 2023 möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung Online-Workshop: Wie argumentieren extremistische Online-"Prediger"? Themen, Thesen und Formate auf Social Media 12. September 2023, online Mit welchen Argumenten verbreiten extremistische "Prediger" online ihre Botschaften? Welche Themen und vermeintliche Belege führen sie an? Welche Plattformen und Formate nutzen sie? Und wie gewinnen sie das Vertrauen von Jugendlichen? Der Workshop beginnt mit einer Auswahl gängiger Phrasen, Aussagen und Argumente extremistischer Online-"Prediger". Im Anschluss diskutieren die Teilnehmenden gemeinsam über folgende Fragen: Welche Formate und Argumente sind bei Jugendlichen besonders wirksam? Welche Themen stehen in der praktischen Arbeit mit Jugendlichen im Vordergrund? Welche Fragestellungen scheinen für Jugendliche zentral zu sein, werden von extremistischen Online-Akteuren jedoch bewusst ausgeklammert? Fachkräfte können vorab Beispiele und konkrete (anonymisierte) Fälle aus der eigenen Arbeit einreichen. Diese werden dann im Rahmen der Veranstaltung aufgegriffen. Termin: 12. September 2023, 10:00-13:00 Uhr Ort: online Veranstalter: Kompetenznetzwerk "Islamistischer Extremismus" (KN:IX) & Violence Prevention Network (VPN) Kosten: kostenfrei Anmeldung: E-Mail Link: per E-Mail möglich bis zum 1. September 2023 Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der IU Internationalen Hochschule Fortbildung: Umgang mit antimuslimischem Rassismus in der pädagogischen Arbeit 13. September 2023, Berlin Wie können Fachkräfte in der pädagogischen Arbeit auf antimuslimischem Rassismus reagieren und diesem entgegenwirken? Welche Rolle spielt die persönliche Haltung zu Religion? Wie können Betroffene von diskriminierenden oder rassistischen Äußerungen unterstützt und gestärkt werden? Diese und weitere Fragen stehen im Mittelpunkt der Fortbildung. Pädagogische Mitarbeitende aus Schule, Sozialarbeit und außerschulischer Bildungsarbeit sind eingeladen, daran teilzunehmen und Anregungen zum Umgang mit Religion, Resilienz und Rassismus für ihre Arbeit mitzunehmen. Termin: 13. September 2023, 9:00-16:00 Uhr Ort: Räume der Landeszentrale für politische Bildung, Hardenbergstraße 22-24, 10623 Berlin Veranstalter: ufuq.de Kosten: kostenfrei Anmeldung: E-Mail Link: per E-Mail möglich bis zum 11. September Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten von ufuq Radikalisierung als Bewältigungsstrategie. Prävention zwischen struktureller und individueller Ebene 20. bis 21. September 2023, Frankfurt am Main Inwiefern kann Radikalisierung beziehungsweise die Hinwendung zu extremistischen Ideologien und Gruppierungen auch als mögliche Bewältigungsstrategie angesichts struktureller gesamtgesellschaftlicher Problemlagen verstanden werden? Welche Implikationen ergeben sich hieraus für die Ausrichtung von Präventionsstrategien und -ansätzen? Welche stigmatisierenden Effekte birgt die Arbeit der Islamismusprävention? Diesen und weiteren Fragen widmet sich der Fachtag. Die Veranstaltung richtet sich an Fachkräfte und Interessierte. Termin: 20. bis 21. September 2023 Ort: Frankfurt am Main Veranstalter: Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus (BAG RelEx) Anmeldung: Externer Link: online bis 1. September möglich Weitere Informationen zum Projekt auf den Externer Link: Seiten von BAG RelEx Fortbildung: Gaming als Chance für die Prävention 28. bis 29. September 2023, Berlin Wie lässt sich Gaming für die Präventionsarbeit nutzen und wie können Jugendliche darüber erreicht werden? Die Fortbildung beschäftigt sich mit diesen Fragen und zeigt auf, wie Menschenrechte, demokratische Haltungen und Medienkompetenz in diesem Bereich vermittelt werden können. Mit Hilfe des Spiels „Adamara“, das cultures interactive e. V. entwickelt hat, sollen die Teilnehmenden lernen, wie Jugendliche eigene Handlungsoptionen, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Lebenserfahrungen im Spiel verarbeiten können. Ziel ist es, ein Verständnis für die Gaming-spezifischen Anforderungen in der Präventionspraxis zu gewinnen. Die Fortbildung richtet sich an Fachkräfte aus der Jugend- und Sozialarbeit sowie der politischen Bildung. Termin: 28. bis 29. September 2023 Ort: Tagen am Ufer, Ratiborstraße 14, 10999 Berlin-Kreuzberg Veranstalter: cultures interactive e. V. Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen zum Projekt auf den Externer Link: Seiten von cultures interactive e. V. Oktober Fortbildung: Mädchen*spezifische Prävention im islamisch begründeten Extremismus 4. und 18. Oktober 2023, Berlin Wie prägen Gendervorstellungen den islamisch begründeten Extremismus? Welche Chancen bieten mädchen*spezifische Präventionsansätze? Und wie sehen erfolgreiche Strategien aus für den Umgang mit radikalisierungsgefährdeten Mädchen*? Diese Fragen stehen im Fokus der zweitägigen Fortbildung für Fachkräfte der Jugendarbeit in Berlin. Neben interaktiven Elementen werden auf der Veranstlatung aktuelle Forschungsergebnisse zu Mädchen* im Salafismus vorgestellt. Darüber hinaus lernen die Teilnehmenden, welche erfolgreichen Strategien es im Umgang mit radikalisierungsgefährdeten Mädchen gibt. Termin: 4. und 18. Oktober 2023, jeweils von 17:00 – 20:00 Uhr Ort: Berlin Veranstalter: cultures interactive e. V. Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen zu Programm und Anmeldung auf den Externer Link: Seiten von cultures interactive e. V. Fachtag: Jugendlich, digital, radikal? Islamismus im Netz zwischen Subkultur und Popkultur 19. Oktober 2023, Berlin Bei diesem Fachtag im Rahmen des Projekts „Islam-ist“ geht es um die Frage, wie islamistische Akteur:innen digitale Räume nutzen, um junge Menschen zu beeinflussen und zu mobilisieren. Thematisch wird das Spannungsfeld zwischen Abgrenzung und Anpassung sowie radikaler Narrative und Verharmlosung ideologisierter Weltbilder bearbeitet. Ziel ist es, konkrete Konsequenzen für die Arbeit von Fachkräften herauszuarbeiten, um unterschiedlichen Ansprachestrategien zu begegnen, ohne dass junge Muslim:innen stigmatisiert werden. Der Fachtag teilt sich in Impulsvorträge, Workshops und Panels auf und lädt zum gemeinsamen Austausch ein. Termin: 19. Oktober 2023, 9:30 – 17:30 Uhr Ort: Berlin, Alt-Reinickendorf Veranstalter: Violence Prevention Network (VPN) Kosten: kostenfrei Anmeldung: Externer Link: online möglich Weitere Informationen zu Programm und Anmeldung auf den Externer Link: Seiten von VPN November Workshop: Extremistinnen und Terroristinnen. Rollen, Funktion und Bedeutung von Frauen in Extremismus und Terrorismus 9. bis 10. November 2023, Berlin Welche Faktoren motivieren Frauen, sich einer terroristischen Organisation anzuschließen? Welche Funktionen und Rollen nehmen Frauen in den verschiedenen Phänomenbereichen ein? Diesen und weiteren Fragen widmet sich der zweitägige Workshop der Hochschule Fresenius. Die Veranstaltung richtet sich an Nachwuchswissenschaftler:innen des Themenfelds Extremismus und soll einen Rahmen schaffen, um eigene Forschungsprojekte mit Expert:innen zu besprechen. Hierfür sind die Teilnehmenden dazu eingeladen, eigene Abstracts einzureichen und bei Interesse einen Vortrag zu halten. Termin: 9. bis 10. November 2023 Ort: Berlin Veranstalter: Hochschule Fresenius Kosten: kostenfrei Anmeldung: E-Mail Link: per Mail möglich Weitere Informationen zu Programm und Anmeldung auf den Externer Link: Seiten der Hochschule Fresenius Weiterbildung: MasterClass "Präventionsfeld Islamismus" für Masterstudierende, Absolventinnen und Absolventen November 2023 bis November 2024, Berlin/Köln/Erfurt und online Wie bedingen gesellschaftliche Konflikte Veränderungen innerhalb der islamistischen Szene? Welche Strategien, Inhalte und islamistischen Gruppierungen sind für die Präventionsarbeit in Deutschland relevant? Und wie gelingt der Berufseinstieg in dieses Arbeitsfeld? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich die MasterClass der Bundeszentrale für politische Bildung. Die Veranstaltung richtet sich an Masterstudierende sowie Absolventinnen und Absolventen mit Interesse an einer beruflichen Tätigkeit in der Islamismusprävention. In fünf Modulen erhalten sie einen Einblick in Theorien, Methoden und Praxis der Präventionsarbeit. Die Umsetzung der Module findet in Präsenz an verschiedenen Orten in Deutschland und online statt. Termin: 17. November 2023 bis 8. November 2024, insgesamt fünf Module Ort: Berlin/Köln/Erfurt und online Veranstalter: Bundeszentrale für politische Bildung Kosten: 150 Euro Teilnahmegebühr. Reisekosten, Hotelkosten und Verpflegung werden übernommen. Bewerbung: Externer Link: online möglich bis zum 7. August. Nach Ablauf der Bewerbungsfrist findet eine Auswahl der Teilnehmenden durch die bpb statt. Die Teilnehmendenzahl ist auf 25 Personen begrenzt. Weitere Informationen zur MasterClass auf den Interner Link: Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung Dezember Hochschulzertifikat: Extremismus und Radikalisierung. Handlungskompetenz für die Bildungsarbeit mit jungen Menschen 1. Dezember 2023 bis 24. Februar 2024, online Wie können pädagogische Fachkräfte souverän reagieren, wenn sich junge Menschen demokratiefeindlich äußern? Wie kann man erkennen, ob jemand nur provozieren möchte oder tatsächlich eine extremistische Haltung entwickelt hat? Die sechstägige Online-Weiterbildung soll Pädagog:innen dazu befähigen, eine Radikalisierung zu erkennen und präventive Maßnahmen einzuleiten. Das Kontaktstudium besteht aus einer Verknüpfung von Theorie und Praxisbeispielen und bietet die Möglichkeit, sich mit Expert:innen aus verschiedenen Fachbereichen auszutauschen. Die Weiterbildung richtet sich an Pädagog:innen, die mit jungen Menschen arbeiten. Sie findet an folgenden Terminen statt: Freitag, 1. Dezember 2023, 16:30 – 20:00 Uhr Samstag, 2. Dezember 2023, 10:00 – 17:00 Uhr Freitag, 19. Januar 2024, 16:30 – 20:00 Uhr Samstag, 20. Januar 2024, 10:00 – 17:00 Uhr Freitag, 23. Februar 2024, 16:30 – 20:00 Uhr Samstag, 24. Februar 2024, 10:00 – 17:00 Uhr Termin: 1. Dezember 2023 bis 24. Februar 2024 Ort: online Veranstalter: Pädagogische Hochschule Heidelberg Kosten: 490 Euro Anmeldung: Externer Link: online bis zum 15. Oktober möglich Weitere Informationen auf den Externer Link: Seiten der pädagogischen Hochschule Heidelberg Februar 2024 Save the Date: MOTRA-K Jahreskonferenz 2024 28. und 29. Februar 2024, Wiesbaden Auch im nächsten Jahr veranstaltet MOTRA wieder eine Jahreskonferenz. MOTRA (Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung) ist ein Forschungsverbund im Kontext der zivilen Sicherheitsforschung. Im Mittelpunkt der Konferenz steht der disziplinübergreifende Austausch von Wissenschaft, Politik und Praxis zum aktuellen Radikalisierungsgeschehen in Deutschland. Dazu bietet die Veranstaltung ein vielfältiges Programm aus Beiträgen der Radikalisierungsforschung und Präventionspraxis zu einem jährlich wechselnden Schwerpunktthema. Fachkräfte sind dazu eingeladen, Forschungs- und Praxisprojekte zu diesem Thema einzureichen und auf der Konferenz zu präsentieren. Der entsprechende Call for Papers sowie Informationen zum Schwerpunktthema und den Bewerbungs-, Teilnahme- und Anmeldemöglichkeiten werden in Kürze veröffentlicht. Termin: 28. und 29. Februar 2024 Ort: Wiesbaden Veranstalter: Verbundprojekt MOTRA (Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung) Weitere Informationen zu Programm und Anmeldung werden auf den Externer Link: Seiten von MOTRA bekannt gegeben. Infodienst RadikalisierungspräventionMehr Infos zu Radikalisierung, Prävention & Islamismus Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten. Interner Link: → Zur Infodienst-Startseite Bleiben Sie auf dem Laufenden im Arbeitsfeld Radikalisierungsprävention! Termine, Stellen, News, Materialien, Videos & neue Hintergrund-Beiträge des Infodienst Radikalisierungsprävention – alle sechs Wochen per E-Mail. Interner Link: → Zum Newsletter-Abonnement Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten. Interner Link: → Zur Infodienst-Startseite Das Online-Portal Infodienst Radikalisierungsprävention der bpb bietet Hintergrundwissen, pädagogische Materialien, einen Newsletter und eine Übersicht mit Beratungsangeboten. Interner Link: → Zur Infodienst-Startseite
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Bundeszentrale für politische Bildung
2023-08-04T00:00:00
2016-01-18T00:00:00
2023-08-04T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/infodienst/218885/veranstaltungskalender/
Veranstaltungshinweise und Fortbildungen aus dem Themenfeld Radikalisierung, Islamismus & Prävention
[ "Infodienst Salafismus", "Termine" ]
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Maxim Gorki Theater | Europe 14|14 | bpb.de
Gegründet 1952 als Theater für die Gegenwart, wurde es für die Ostberliner Bürger zum Stadttheater im besten Sinne, kritisch und auch dissident. 1988 antizipierte das Theater mit Thomas Langhoffs Inszenierung der Übergangsgesellschaft von Volker Braun prophetisch die friedliche Revolution vom 9. November 1989. Auch an einem 9. November, im Jahr 1848, wurde die erste frei gewählte Preußische Nationalversammlung aus der Stadt vertrieben, die in der Singakademie an einer demokratischen Verfassung für Preußen gearbeitet hatte. Zwischen diesen beiden Ereignissen spannt sich der Bogen des Kampfes um eine demokratisch verfasste gerechte und offene Gesellschaft, von der Ausrufung der deutschen Republik 1918, über die Novemberpogrome 1938 und die Verfolgung und Ermordung der Juden, bis zur Wiedervereinigung der Stadt und des Landes und mündet heute in die gegenwärtigen Auseinandersetzungen um die Zukunft Berlins als einer vielfältigen europäischen Metropole. Leben wir wieder in einer Gesellschaft im Übergang? Diese Frage drängt sich auf in der andauernden Krise von Ökonomie und Politik, die verschärfte soziale und kulturelle Konflikte in unseren Gesellschaften zur Folge hat. In der Eröffnungsspielzeit 2013/2014 wird sich das Ensemble des GORKI mit Situationen des Übergangs auseinandersetzen und einladen zur Beschäftigung mit Klassikern, wie Anton Tschechows Kirschgarten, Maxim Gorkis Kinder der Sonne und Volker Brauns Übergangsgesellschaft. Unser Spielplan umfasst die ganze ästhetische Breite des gegenwärtigen Theaters, von literarischen Uraufführungen wie Olga Grjasnowas Der Russe ist einer der Birken liebt über Gegenwartstücke wie Es sagt mir nichts das sogenannte Draussen von Sibylle Berg und Schwimmen Lernen von Marianna Salzmann, bis hin zu den Rechercheprojekten von Yael Ronen, die neben Nurkan Erpulat, Sebastian Nübling, Lukas Langhoff, Falk Richter, Hakan Savaş Mican und Christian Weise zum Kreis der Regisseure gehört, die unsere Eröffnung gestalten.
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Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2013-11-25T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/veranstaltungen/reihen/histocon/173771/maxim-gorki-theater/
Das Maxim Gorki Theater, in der Singakademie am Boulevard Unter den Linden angesiedelt, ist unter den Berliner Ensembletheatern das Kleinste und Schönste, es ist auch ein historisch bedeutsamer Ort.
[ "Theater", "Europ 14|14" ]
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AFROLUTION 2018 - Berliner Literaturfestival für afrikanisch/diasporisches Denken (Berlin, 28. Juni 2018) | Presse | bpb.de
Ms Nadja Ofuatey-Alazard, Ms Luisa Schweizer, Mr Thomas Heppener, ladies and gentlemen, “Wealth is not the fruit of labor but the result of organized protected robbery”. Allow me to sum up these, the words of Frantz Fanon in “The Wretched of the Earth”, as follows: nobody is free of guilt. Allow me further to describe colonialism as a brutal materialization of power. As exploitation and systematic oppression brought about by racialisation. Our endeavors to analyze the repercussions of colonialism are not about righting past wrongs. Even today, the political, legal and psychological efforts to “reprocess” colonial crimes are still in their infancy. Instead, the objective is to create awareness of the fact that the power structures of the past have an impact on the present. They have an impact on today’s global power relations which are deeply entrenched in society. Decades of ignorance and active forgetting lie behind us. In the current climate of new and revived nationalism and blatant racism, it is more urgent than ever that we take a stand against the rightwing attempts to shift the debate. Moreover, we as white parts of German society need to critically scrutinise our own racist structures and socialisation – by broadening our own perspectives, our way of thinking and outlook. Or, in Toni Morrison’s words, to shift the critical gaze “from the observed to observers” and unlearn White privilege and racism as harmful structures for all sides. Needless to mention in this context of this event that the nation building of the 19th century went hand in hand with the expansion and institutionalization of racism that had already served European societies in prior centuries as means of colonizing, oppressing, exploiting, enslaving and killing people. What is the situation today in those colonial centers that, for centuries, pursued the aim of bringing the world “within reach”? How do societies, including Germany, see the undeniable reality of their own interrelations across the globe? And their inner inequalities caused by colonial legacies? What is missing in current debates around migration is an insistence on the century-long unequal entanglements between European societies, actors, capital and knowledge - and the spaces they conquered, colonized and exploited. That’s why interventions such as yours are so important. Contemporary migratory flows reflect the persistent inequalities caused by centuries of European colonial dominance. Sivanandan’s famous claim from the 1980s: “We are here because you were there” has not lost its relevance. The multifaceted nature of the continuous imbalance of power expressed in that quote makes it essential to take a clear stance. Empathy and the establishment of a sense of solidarity among the “mutually unacquainted” are required – what Paul Mecheril termed the “educational goal of the 21st century”. It is important not only that we call out injustice, inequality and racism in our society but also that we make an active contribution towards stopping them. That goes for all parts of society, including governmental institutions. We – the ones privileged by these structures – have to learn to think in an anti-racist way. The aim is not only to condemn open racism and hatred, but to ask who benefits from which privileges in society and on what grounds. A key element of that is to make knowledge problematic and seek to unlearn the “epistemic violence” implemented by colonialism, to quote Gayatri Spivak, Professor of Literary Studies at Columbia University. And this level is crucial for us as Civic Educators. Because racism affects how we see ourselves, others and the world. To overcome racist structures, we must question and break down the knowledge categories we take for granted. Against this backdrop, a multiplicity of perspectives gains new significance. It provides the foundations for a decolonisation process across all segments of society. Decolonisation must be about weaving new threads into the social narrative. About breaking down Eurocentric “single stories” – as Chimamanda Adichie has postulated – and devising new forms of the social and the political. Utopia is a society free of any manifestation of racism. Those oppressed by racist and colonial power structures, resisted from the outset their exploitation. They have been providing us with methods, knowledge and tools for many years. They have insisted on research into racism, gender issues and postcolonialism. We – the ones who are seemingly “benefiting” from these structures – obviously just haven’t been that interested. There has long been considerable hype about coming to terms with postcolonial issues – an aspiration to be welcomed. But things become difficult when a lack of the required knowledge leads to those issues receiving merely superficial consideration. When the differentiation based on ingrained power structures we still see today goes unchallenged. Our goal must therefore be to ensure a firmly rooted awareness in the public conscience of the multiplicity of stories, perspectives and narratives. What is needed is transcultural education – a style of education that does more than merely engage people at the cognitive level. With their ability to engage at the emotional level, art, music, film and literature can serve as tools to this end. Transcultural education is most needed where there are sustained inequalities and where social exclusion determines the future of many. Transcultural education can challenge established self-images and force institutions to take a critical approach to their own role within education processes that are still too heavily influenced by “them and us” thinking. Our aim must be to move away from the trite talk and see the pluralistic voices as a resource. This festival and the day-to-day work of EOTO are excellent examples of how this can be done. They do not simply adopt existing structures and reproduce canonized knowledge to promote social integration within the prevailing cultural framework. Instead, they create their own forms of participation – be it by artists or in work with refugees making a new home in Berlin. I am grateful to this festival for opening its doors and minds to perspectives that have for decades been criticizing the “postcolonial illiteracy” that is dominant in German society. We must stop thinking that we are taking a risk when we give a political voice to those who have been deprived of it. We’re content in the comfortable knowledge that we do, after all, run numerous anti-racism programs and contribute to the much-vaunted efforts to educate the public. But we need to simultaneously expose institutional and structural discrimination and develop an awareness of the contradictory nature of our own actions. We need to avoid a selective view of our historical responsibility and stop ignoring the continuous global inequalities that we currently see on a daily basis in the news. If we are aware of the narratives, the power structures and their continued existence and evolution: Then we must tackle them and bring attention to them – loudly and unequivocally. In doing so, we leave behind us the sense of certainty, stability, security and direction we once knew in order to work together on building something new. Where there is no agitation, there can be no education. Where there is no uncertainty, there can be no certainty. Where there is no empathy, there can be no solidarity. I wish you a productive festival and engaged discussions on the most pressing issues of our time. Thank you for your attention. - Es gilt das gesprochene Wort -
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Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2018-07-12T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/die-bpb/presse/272517/afrolution-2018-berliner-literaturfestival-fuer-afrikanisch-diasporisches-denken-berlin-28-juni-2018/
Beim Berliner Literaturfestival für afrikanisch/diasporisches Denken AFROLUTION 2018 sprach Thomas Krüger zu Beginn ein Grußwort und zeigte eine Utopie einer postkolonialen Gesellschaft auf, für die sich die Institutionen selbst jedoch ändern müssen.
[ "Rede Thomas Krüger", "Berliner Literaturfestival für afrikanisch/diasporisches Denken", "Afrolution 2018" ]
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Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Nigeria | Hintergrund aktuell | bpb.de
Bei der Präsidentschaftswahl in Nigeria ist Amtsinhaber Muhammadu Buhari nach offiziellen Angaben der Externer Link: nationalen unabhängigen Wahlkommission (INEC) als Sieger hervorgegangen. Der 76-Jährige erhielt demnach 56 Prozent der Stimmen und hat rund vier Millionen Wähler und Wählerinnen mehr als sein wichtigster Herausforderer Atiku Abubakar, der auf 41 Prozent der Stimmen kam. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 40 Prozent. Am 23. Februar fanden in Nigeria die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt, die zunächst auf den 16. Februar angesetzt gewesen waren und aufgrund "logistischer Probleme" kurzfristig um eine Woche verschoben wurden. 73 Kandidatinnen und Kandidaten traten für das Amt des Staatsoberhaupts und 91 Parteien für die Parlamentswahl an. Die geplante Wahl der Gouverneure und Landesparlamente soll am 09. März, statt wie geplant am 02. März stattfinden. Nigeria ist mit je nach Schätzung gut 190 Millionen bis rund 200 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste afrikanische Land. Nach Angaben der nationalen unabhängigen Wahlkommission (INEC) haben sich rund 84 Millionen Menschen für die Wahlen registriert – so viele wie noch nie. Sie konnten in 11.973 Wahllokalen ihre Stimme abgeben. Bei der Registrierung kam es vereinzelt zu Problemen, wie Nichtregierungsorganisationen kritisieren. Zudem dürfen Menschen, die durch anhaltende Konflikte aus ihren Heimatregionen in andere Teile Nigerias geflohen sind, zwar bei der Präsidentschaftswahl ihre Stimme abgeben, nicht aber bei der Wahl zum Parlament. Die Vereinten Nationen gehen von über zwei Millionen Binnenflüchtlingen aus. Infobox Nigeria ist seit 1960 von Großbritannien unabhängig. Das Land ist eine Bundesrepublik mit Präsidialdemokratie, besteht aus 36 Bundesstaaten und dem Bundesterritorium Abuja. Die Bundesstaaten haben jeweils Gouverneure und eigene Parlamente. Viele Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen wurden jedoch in den vergangenen Jahrzehnten zu Lasten der Bundesstaaten zentralisiert - der Föderalismus systematisch geschwächt. Der Präsident verfügt über eine starke Exekutivgewalt. Er ist zugleich Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Regierungschef. Der Präsident darf ebenso wie die Abgeordneten der Nationalversammlung nur für zwei Legislaturperioden antreten. Eine Wahlperiode dauert regulär vier Jahre. Der Präsident ernennt die Mitglieder des Obersten Gerichtshofs, der Senat hat hierbei jedoch ein Vetorecht. Das Mindestalter für Präsidentschaftskandidaten wurde im vergangenen Jahr von 40 auf 35 abgesenkt. Das Parlament, die Nationalversammlung, besteht aus zwei Kammern. Der Senat hat 109 Mitglieder – jeden der 36 Staaten repräsentieren drei Senatoren, ein weiterer vertritt die Hauptstadt von Abuja. Das Repräsentantenhaus zählt 360 Abgeordnete, sie werden wie in den USA gemäß der Bevölkerungszahl der jeweiligen Bundesstaaten gewählt. Kandidaten in der Diskussion Der 76-jährige amtierende Präsident Muhammadu Buhari von der sozialdemokratischen Partei Externer Link: All Progressives Congress (APC) kandidierte erneut. Der ehemalige Vizepräsident Atiku Abubakar setzte sich als Kandidat für die oppositionelle Mitte-Rechts Partei Externer Link: Peoples Democratic Party (PDP) durch, die mit der APC zu den größten Parteien des Landes gehört. Von allen Herausforderern Buharis wurden ihm die größten Chancen zugemessen. Die PDP hatte das Land mit Jonathan Goodluck als Präsidenten von 1999 bis 2015 regiert. Buhari, ehemaliger General, der bereits von 1983 bis 1985 Staatsoberhaupt des westafrikanischen Staats war, wurde bei der Wahl 2015 erneut zum Präsidenten gewählt. Kritik an Amtsinhaber Buhari Der amtierende und zukünftige Präsident Buhari von der APC steht aus verschiedenen Gründen in der Kritik. Ihm wird vorgeworfen zu wenig gegen Korruption, die zunehmenden separatistischen Bestrebungen in manchen Regionen, die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und die islamistisch-terroristische Gruppe Interner Link: Boko Haram zu unternehmen. Buhari musste sich zudem dafür rechtfertigen, dass Nigeria, das der größte Ölproduzent und eine der größten Volkswirtschaften des Kontinents ist, sich unter seiner Amtsführung nicht nachhaltig aus der ökonomischen Krise befreien konnte - auch wenn sich derzeit abzeichnet, dass sich die Wirtschaftslage nach leichten Einbrüchen in den Jahren 2017/2018 nun erholt. Der 76-Jährige gilt zudem als gesundheitlich angeschlagen und konnte sein Amt im Jahr 2017 mehrere Monate lang nicht ausüben. Eine Entscheidung Buharis sorgte zuletzt für Aufruhr: Wenige Wochen vor der Wahl hatte der Staatschef den vorsitzenden Richter des Obersten Gerichts wegen Korruptionsverdacht suspendiert. Kontrovers diskutiert wurde dies vor allem, weil das Oberste Gericht bei einem strittigen Wahlergebnis entscheidet. Manche Beobachter und Beobachterinnen sahen darin einen Versuch Buharis, Schlüsselstellen mit muslimischen wohlgesonnenen Kräften zu besetzen. Denn neben den oben beschriebenen Konfliktlinien manifestiert sich in Nigeria eine zunehmende Entfremdung zwischen Muslimen und Christen und Religionszugehörigkeit spielt auch bei den Wahlen eine immer stärkere Rolle. Bewaffnete Konflikte und ökonomische Krise als politische Herausforderungen Die Wahlen im Jahr 2015 waren sowohl in Nigeria als auch von internationalen Wahlbeobachtern trotz organisatorischer Mängel als im Großen und Ganzen frei und fair bezeichnet worden. Das galt angesichts der Gewalteskalationen bei vorherigen Wahlen als Erfolg. Der frühere Amtsinhaber Goodluck hatte seine Niederlage anerkannt, und es kam zu einer demokratischen Machtübergabe an Buhari. In diesem Jahr hingegen hielten Beobachter und Beobachterinnen Konflikte vor und nach der Wahl für möglich. Viele Kandidaten und Kandidatinnen, darunter Buhari, hatten sich vor mehreren Wochen in einem "Friedenspakt" den Verzicht auf Gewalt im Wahlkampf erklärt. Abubakar, der als Buharis stärkster Konkurrent galt, unterzeichnete die Absichtserklärung nicht. Medienberichten zufolge ist es im Zuge der Präsidentschaftswahl in manchen Regionen zu Ausschreitungen gekommen, bei der bisher über 50 Menschen starben. Der Land steht vor immensen Herausforderungen. "Nigeria ist mit mehreren Gewaltkonflikten einer tiefen politischen, soziökonomischen und soziokulturellen Spaltung, den Folgen der schwersten Wirtschaftskrise seit 30 Jahren und weit verbreiteter organisierter Kriminalität konfrontiert", analysierte der freie Journalist und Autor Heinrich Bergstresser Anfang 2018. Zuletzt habe sich die Wirtschaft zwar etwas erholt, der Kampf gegen Korruption sei jedoch wenig vorangekommen. Im Nordosten des Landes ist Boko Haram für unzählige Entführungen und zahlreiche schwere Anschläge verantwortlich. Rund zwei Millionen Binnenflüchtlinge haben die von den Angriffen und Attentaten betroffenen Städte und Dörfer verlassen und in fast zehn Jahren wurden mehr als 27.000 Menschen getötet. Die Zentralregierung hat bislang keine wirksame Strategie gegen Boko Haram. Das teils äußerst brutale Vorgehen der nigerianischen Streitkräfte hat Experten zufolge den Islamisten sogar neuen Zulauf beschert. Mehr zum Thema: Interner Link: Nigeria (Fischer Weltalmanach) Interner Link: Heinrich Bergstresser: Nigeria (Dossier Innerstaatliche Konflikte) Interner Link: Machtwechsel in Nigeria(Hintergrund aktuell, 1.4.2015) Nigeria ist seit 1960 von Großbritannien unabhängig. Das Land ist eine Bundesrepublik mit Präsidialdemokratie, besteht aus 36 Bundesstaaten und dem Bundesterritorium Abuja. Die Bundesstaaten haben jeweils Gouverneure und eigene Parlamente. Viele Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen wurden jedoch in den vergangenen Jahrzehnten zu Lasten der Bundesstaaten zentralisiert - der Föderalismus systematisch geschwächt. Der Präsident verfügt über eine starke Exekutivgewalt. Er ist zugleich Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Regierungschef. Der Präsident darf ebenso wie die Abgeordneten der Nationalversammlung nur für zwei Legislaturperioden antreten. Eine Wahlperiode dauert regulär vier Jahre. Der Präsident ernennt die Mitglieder des Obersten Gerichtshofs, der Senat hat hierbei jedoch ein Vetorecht. Das Mindestalter für Präsidentschaftskandidaten wurde im vergangenen Jahr von 40 auf 35 abgesenkt. Das Parlament, die Nationalversammlung, besteht aus zwei Kammern. Der Senat hat 109 Mitglieder – jeden der 36 Staaten repräsentieren drei Senatoren, ein weiterer vertritt die Hauptstadt von Abuja. Das Repräsentantenhaus zählt 360 Abgeordnete, sie werden wie in den USA gemäß der Bevölkerungszahl der jeweiligen Bundesstaaten gewählt.
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Bundeszentrale für politische Bildung
2021-07-30T00:00:00
2019-02-14T00:00:00
2021-07-30T00:00:00
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/285969/praesidentschafts-und-parlamentswahlen-in-nigeria/
Nachdem die Wahlen zunächst um eine Woche verschoben wurden, hat Nigeria am 23. Februar ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten gewählt. Der amtierende Präsident Muhammadu Buhari wurde mit 56 Prozent der Stimmen wiedergewählt.
[ "INEC", "Muhammadu Buhari", "APC", "PDP", "Boko Haram", "Öl", "Nigeria" ]
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Notizen aus Moskau: Russische Zivilgesellschaft – vom Kopf auf die Füße
 | Russland-Analysen | bpb.de
Wenn ich Texte aus den vergangenen Jahren zur Entwicklung der russischen Zivilgesellschaft durchschaue, wird mir angst und bange. Seit dem Amtsantritt von Präsident Wladimir Putin im Jahr 2000 geht es bergab. Stück für Stück, so regelmäßig, dass es im Rückblick fast schon systematisch aussieht, wurden die Möglichkeiten unabhängigen zivilgesellschaftlichen Engagements immer weiter eingeschränkt. Den bisherigen Schlusspunkt setzte 2012 das sogenannte NGO-Agentengesetz, das das staatliche Narrativ von aus dem Westen gesteuerten NGOs als einer angeblichen Vorhut von und Mittel zu Regime Change in Strafrecht bannt.
 Dieses Gesetz wirkt nicht schnell. Eher ist damit eine staatliche Maschine in Gang gesetzt worden, die Stück für Stück unabhängige NGOs zermürbt und zu einer Auflösung oder Aufgabe ihrer (meist kritischen) Positionen zwingt. Dort, wo das nicht freiwillig (soll heißen, dem staatlichen Druck nachgebend) geschieht, wird die Unterwerfung zivil- und strafrechtlich durchgesetzt. Anfangs dienten dazu immer höhere Geldstrafen, sowohl für die Organisationen als auch ihre Führungspersonen persönlich.
 Mit dem Strafverfahren gegen Walentina Tscherewatenko, der Gründerin und Vorsitzenden der "Frauen des Don" aus Nowotscherkassk ist eine neue Stufe der Repression eingeleitet worden (s. Externer Link: http://russland.boellblog.org/2016/12/08/artikel-im-journal-osteuropa-der-prozess-gegen-walentina-tscherewatenko-frauen-des-don/). Walentina Tscherewatenko wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen mutwillig nicht die Registrierung ihre Organisation als ausländischer Agent beantragt zu haben. Das Verfahren könnte mit einer Gefängnisstrafe enden und damit auch zum Vorbild für weitere Verfahren werden.
 So wird der Druck auf die verbleibenden unabhängigen NGOs immer weiter erhöht. Sie werden, so wage ich vorauszusagen, letztlich nur die Wahl haben, sich dem staatlichen Druck zu beugen und auf ihre Unabhängigkeit (oft nur möglich auch und gerade aufgrund ausländischer Finanzierung) zu verzichten, oder sie werden sich als juristische Personen auflösen müssen und können dann versuchen, ohne rechtlichen Status weiterzuarbeiten. Allerdings ist Letzteres für viele NGOs angesichts des Charakters ihrer Arbeit kaum möglich, ohne diese Arbeit fast bis zur Unkenntlichkeit einzuschränken (als herausragendes, aber bei weitem nicht einziges Beispiel kann hier "Memorial International" mit seiner Infrastruktur, seinen Veranstaltungsräumen, dem Museum, der Bibliothek und vor allem dem einzigartigen Archiv dienen). Außerdem ist es fraglich, ob dieser Verzicht ohne Verzicht auf weiter unabhängiges Handeln ausreichen wird. Es gibt bereits Initiativen, die "Agentenvorschriften" auch auf Privatpersonen auszuweiten.
 Sollte diese Prognose richtig sein, wird in wenigen Jahren kaum noch etwas von der organisierten zivilgesellschaftlichen Landschaft übrig sein, die sich in Russland in den vergangenen rund 20 Jahren entwickelt hat. Was bleiben wird, sind natürlich viele Menschen, die zivilgesellschaftliches Handeln eingeübt und fortentwickelt haben. Es bleiben ihre Erfahrung der Praxis und ihre Erinnerung an viele Erfolge (wenn auch nicht den Erfolg, sich in dieser existenziellen Krise verteidigen zu können). Ist das, wäre das das (zumindest vorläufige) Ende zivilgesellschaftlichen Handelns in Russland?
 Ich denke nicht. Dafür habe ich drei Gründe. Zum ersten ist bei weitem nicht alles zivilgesellschaftliche Handeln in Russland (wie anderswo auch) rechtlich organisiert. Es gibt sehr viel freiwilliges und ehrenamtliches Engagement (wenn auch, so meine Einschätzung, immer noch weit weniger als in westlichen Gesellschaften). Zwar mischt sich auch hier der Staat seit einigen Jahren regelnd und maßregelnd ein, aber doch mit weit weniger Verve und eher erratisch.
 Zum zweiten gibt es auch unter des Staates Fittichen (weiterhin) Freiräume. Wie bereits angedeutet, hängt das immer von den jeweiligen Themen ab, vor allem aber von der Haltung. Grob gesagt, lässt der Staat Initiativen zu, die sich als ihn unterstützend verstehen (und vom Staat auch so verstanden werden). Das drückt sich auch in den Versuchen aus, zivilgesellschaftliches Handeln in gutes soziales und schlechtes politisches zu teilen. Sozial ist dabei alles, was den Staat in der Daseinsvorsorge unterstützt und entlastet. In diesem Zusammenhang darf staatliches Handeln durchaus auch kritisiert werden. Diese Kritik darf aber nie politisch werden, also politische Konzeptionen angreifen. Sie ist nur erlaubt, wenn sie sich auf konkretes Verwaltungshandeln bezieht. Entsprechend hat auch Putin in der jüngsten Auflage seiner "Direkter Draht" genannten Fernsehshow Mitte Juni jede Zuschauerfrage in Bezug auf Missstände auf diese Ebene heruntergeführt.
 Nun komme ich zum dritten und meiner Ansicht nach wichtigsten Grund: Mir scheint, in Russland findet, allen Widrigkeiten zum Trotz, gerade eine Art nachholender zivilgesellschaftlicher Entwicklung statt. Es passiert etwas, das in den schnellen und fundamentalen Änderungen nach der großen Wende Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre gefehlt hat. Überall im Land entstehen kleinere und größere Bürgerinitiativen. Der Begriff ist bewusst gewählt. Historisch gingen Bürgerinitiativen (im Westen) dem voraus, was heute NGOs genannt wird. In Russland war es (bisher und weitgehend) umgekehrt.
 Es sieht so aus, als ob sich die russische Zivilgesellschaft (ich meine natürlich die Gemeinschaft der zivilgesellschaftlich Handelnden oder noch genauer, das, was man heute NGOs nennt) gerade vom Kopf auf die Füße stellt. Grob gesagt, hat sie eine eher untypische Entwicklung durchgemacht. Mangels Breitenbasis und dank westlicher (finanzieller) Förderung waren Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre aus der leergefegten und nur dissidentisch jenseits des Staates organisierten Sowjetgesellschaft sogleich hoch entwickelte und spezialisierte NGOs entstanden. Die Phase der Inkubation in losen, meist informellen Gruppen haben diese Organisationen oft entweder sehr schnell hinter sich gebracht oder gleich übersprungen.
 Das hatte drei Gründe: Zum einen waren die politischen Ereignisse seinerzeit so beschleunigt, dass zu einer (gewissermaßen) natürlichen Entwicklung kaum Zeit blieb. Zum zweiten mussten die gerade neu entstandenen Organisationen und Zusammenschlüsse den zerfallenden und sich zurückziehenden (post)sowjetischen Staat in vielem ersetzen oder ergänzen. Die dazu notwendige Professionalität musste sehr schnell in einem beschleunigten Learning-By-Doing-Prozess erworben werden. Auch hier fehlte wieder (Entwicklungs-)Zeit.
 Drittens dann – Fluch der guten Tat – hat die schnell einsetzende, massive westliche Förderung die zarten russischen Zivilgesellschaftspflänzchen zwar gepäppelt und beim Wachstum gefördert. Der monetäre und ideologische Turbodünger hat aber nicht nur gut getan. Nicht wenige der so entstandenen NGOs glichen den sprichwörtlichen holländischen Tomaten: wunderschön glatte Haut, kaum verderblich, aber ohne Charakter und mit wenig Geschmack. Zudem hatten es nicht wenige dieser Pflanzen lediglich gelernt, nur unter kuscheligen Treibhausbedingungen zu gedeihen.
 Das alles hat vor allem zu zwei Problemen geführt (einem inneren und einem äußeren): Erstens wurde in der NGO-Szene zivilgesellschaftliches Engagement in vielem als Beruf wahrgenommen, als Tätigkeit, für die man bezahlt wird, und die auch bezahlt gehört. Freiwilligenarbeit, Spenden, ja auch Mitgliedsbeiträge waren lange Zeit weitgehend unbekannt. Auch die katastrophale wirtschaftliche Situation in den 1990er Jahren spielte hier sicher keine geringe Rolle. Entsprechend wurde (und wird) von vielen der Staat (oder wurden früher an dessen Stelle westliche, eben oft auch staatliche Geldgeber) als für die Finanzierung von NGO-Arbeit zuständig gehalten.
 Zweitens (das ist das äußere Problem) fiel es eben deshalb später – in den 2000er Jahren wie heute – dem nun von Putin regierten Staat umso leichter, unabhängige zivilgesellschaftliche Tätigkeit als fremd- und außengesteuert zu denunzieren. Dieses staatlicherseits systematisch verbreitete Narrativ ist der vielleicht wichtigste Grund, warum das "Agenten"-Argument so gut verfängt. Hinzu kommt allerdings, dass freiwilliges, uneigennütziges Engagement in der russischen Gesellschaft insgesamt immer noch eher mit Misstrauen betrachtet wird. Meist wird sofort die Cui-Bono-Frage gestellt.
 Zwar wird bezahlte (und damit meist professionelle) zivilgesellschaftliche Arbeit durch den staatlichen Druck nicht völlig verdrängt werden, dürfte aber in Zukunft weit weniger Platz einnehmen oder in vor allem sozialen Nischen überleben. Gleichzeitig, fast wie Ersatz, sprießen überall im Land neue Formen von Selbstorganisation. Einige davon habe ich in diesen Notizen in den vergangenen Monaten immer wieder beschrieben (Hier nur drei Beispiele: Externer Link: http://russland.boellblog.org/2017/05/25/renowazija/; Externer Link: http://russland.boellblog.org/2017/04/25/proteste-in-russland-eintagsfliegen-oder-tendenz/; Externer Link: http://russland.boellblog.org/2017/03/01/der-streit-um-die-isaaks-kathedrale-in-st-petersburg/).
 Das könnte natürlich alles zufälliges zeitliches Zusammenfallen sein (untersucht hat das meines Wissens noch niemand). Wahrscheinlicher aber scheint mir, dass der russische Staat durch seine repressiven und Beteiligung einschränkenden Handlungen wieder eine ganz normal-paradoxe Reaktion hervorruft und so die zivilgesellschaftliche Entwicklung erneut unfreiwillig vorantreibt, wie er das in den 2000er Jahren bereits getan hat. Die zunehmende Regulierung und Einschränkung von NGOs seit Putins Amtsantritt hat unter anderem dazu geführt, dass sich die NGOs ständig professionalisiert haben. Um überleben zu können, mussten sie schneller, geschickter, genauer und erfindungsreicher sein als der Staat. Erst Verbot und strafrechtlicher Druck bereiten nun diesem, wenn man so will, Wettbewerb ein Ende.
 Oder besser: Kein Ende. Denn zivilgesellschaftliches Engagement lässt sich nicht unterbinden. Es findet immer, jedenfalls unter nichttotalitären Bedingungen, andere, neue Ausdrucksformen. In Russland sind das gegenwärtig an vielen Orten und in ganz unterschiedlichen Formen das, was man im Deutschen (heute fast schon ein wenig altmodisch klingend) wohl Graswurzelinitiativen nennen kann. Es sieht also ganz danach aus, als ob der Staat durch seinen Druck eine Entwicklung, wenn schon nicht angestoßen, so doch zumindest verstärkt hat, in deren Folge zivilgesellschaftliches Engagement vom Kopf auf die Füße gestellt wird. Die russische Zivilgesellschaft, da bin ich sicher, schlägt gerade erst so richtig Wurzeln.
 Diesen und andere Texte finden Sie auf Jens Siegerts Russlandblog Externer Link: http://russland.boellblog.org/. Die Zeitschrift Osteuropa hat eine Liste von NGOs (Externer Link: https://www.zeitschrift-osteuropa.de/site/assets/files/10494/oe160608.pdf) zusammengestellt, die Russland als "ausländische Agenten" bezeichnet (Stand Ende 2016). Von den dort aufgelisteten 147 "Agenten" werden heute noch 93 NGOs im offiziellen Register des russischen Justizministeriums geführt (Stand 5. Juli 2017). Der Grund: die Liste der Zeitschrift Osteuropa enthält alle "Agenten" und alle Organisationen, die einmal als "Agenten" galten. Ehemalige "Agenten" sind jene NGOs, die entweder nach Aufnahme in das "Agentenregister" auf ausländisches Geld verzichtet haben und nach einem Jahr ihre Streichung beantragen konnten – die meist auch gewährt wurde – oder die sich, nachdem sie zu "Agenten" erklärt worden waren, aufgelöst haben.
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Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2017-07-10T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/europa/russland-analysen/nr-338/252219/notizen-aus-moskau-russische-zivilgesellschaft-vom-kopf-auf-die-fuesse/
Das zivilgesellschaftliche Engagement erfährt seit Beginn der Amtszeit von Präsident Wladimir Putin immer größere Einschränkungen. Spätestens mit dem Erlass des NGO-Agentengesetzes im Jahr 2012 erhöht sich der Druck auf unabhängige NGOs zunehmend und
[ "Zivilgesellschaft", "Wladimir Putin", "NGO-Agentengesetz", "Russland" ]
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Jens Berger | 13. Bundeskongress Politische Bildung – Ungleichheiten in der Demokratie | bpb.de
Jens Berger (© Privat) Jens Berger ist freier Journalist und politischer Blogger der ersten Stunde. Er ist Herausgeber des politischen Blogs „Spiegelfechter“ und als Redakteur bei den „NachDenkSeiten“ tätig, die als als größtes und bekanntestes politisches Blog Deutschlands gelten. Ferner schreibt er regelmäßige Kolumnen und Gastartikel für zahlreiche Zeitungen und Online-Medien. Seine beiden Bücher „Stresstest Deutschland“ und „Wem gehört Deutschland?“ sind im Westend Verlag erschienen. Berger hat in Göttingen VWL studiert. Jens Berger (© Privat)
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Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2015-03-17T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/veranstaltungen/reihen/bundeskongress-politische-bildung/13-bundeskongress-politische-bildung-ungleichheiten-in-der-demokratie/202904/jens-berger/
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Rede von Thomas Krüger zum Empfang der Bundeszentrale für politische Bildung anlässlich "60 Jahre Israel" am 4. Mai 2008 in Tel Aviv | Presse | bpb.de
Sehr geehrter Herr Botschafter Kindermann, sehr geehrte Damen und Herren, es ist mir eine besondere Freude, in diesen Tagen persönlich mit einer Delegation der Bundeszentrale für politische Bildung in Israel zu sein, um mit Ihnen, unseren Partnern, Referenten und Freunden den 60. Jahrestag der Staatsgründung Israels zu feiern. Zu diesem besonderen Geburtstag möchte ich ihnen ein herzliches "Mazal Tov - Yom Holedet Sameach" entgegen bringen. Seit 45 Jahren führt die Bundeszentrale für politische Bildung Multiplikatoren und Multiplikatorinnen der politischen Bildung und Meinungsführer aus ganz Deutschland nach Israel, um ihnen in zehn bis zwölf Tagen die Vielfältigkeit, Lebendigkeit, aber auch Widersprüchlichkeit dieses faszinierenden Landes und seiner Menschen nahe zu bringen. Ich darf daher sicher zu Recht sagen, dass die Bundeszentrale für politische Bildung Israels wechselvolle Geschichte und die dynamische Entwicklung seiner Gesellschaft über Jahrzehnte kontinuierlich, aufmerksam und nie gleichgültig begleitet hat. Zwei Beispiele aus diesen Jahrzehnten verdeutlichen, dass dies manchmal auch ein hautnahes Miterleben war: So berichtete mir ein ehemaliger Mitarbeiter, einer der vielen passionierten Israelreisenden in unserem Hause, dass er sich mit einer zwar kleinen, aber ausgewählten Gruppe von Journalisten während des Yom-Kippur-Krieges und noch vor Ende der Kampfhandlungen auf eine Reise durch Ihr Land begeben habe. Dabei sei der Busfahrer der Gruppe mehrfach ausgewechselt worden, weil er jeweils als Reservesoldat eingezogen wurde. Eine andere Studienreisegruppe begann Ihren Aufenthalt genau am Abend des 4. November 1995, als Itzhak Rabin ermordet wurde und das ganze Land in Schmerz und Trauer erstarrte. An eine normale Programmdurchführung war in diesen Tagen natürlich nicht mehr zu denken. Das persönliche Erleben dieses Ausnahmezustandes hat den Teilnehmenden jedoch mehr über Israels Gesellschaft und die Sehnsucht seiner Menschen nach Frieden gezeigt, als akademische Vorträge es in diesem Moment vermocht hätten. Diese Beispiele ließen sich noch um viele weitere Ereignisse und Erlebnisse erweitern, durch die unsere Teilnehmenden quasi zu Zeitzeugen israelischer Geschichte geworden sind. Israel kann auf herausragende Erfolge in seiner 60jährigen Geschichte verweisen, von denen ich exemplarisch nur drei erwähnen möchte: Die Errichtung einer vitalen, pluralistischen und streitbaren Demokratie, die in der Region noch immer ihresgleichen sucht, die Integration von Millionen von Einwanderern aus über 120 Ländern mit ihren so unterschiedlichen kulturellen Hintergründen und den Aufstieg zu einer der führenden Hightech-Nationen in der Welt, gewissermaßen eine Reise von Jaffa nach Java. Trotz der unbestrittenen Erfolgsgeschichte des jüdischen Staates ist der Wunsch der Gründerväter und -mütter, nämlich den nachfolgenden Generationen ein Leben in Frieden und Sicherheit zu garantieren, leider bis heute nicht in Erfüllung gegangen. Noch immer sieht sich Israel mit der Bedrohung von außen und terroristischen Angriffen konfrontiert, noch immer wird seine Existenz von vielen seiner Nachbarn in Frage gestellt. Und noch immer müssen israelische Familien mit der Sorge um ihre Söhne und Töchter leben, die einen gefahrvollen zwei- bzw. dreijährigen Armeedienst für die Sicherung der Existenz Israels ableisten müssen. Als zentrale Institution der politischen Bildung in Deutschland sehe ich es als unsere Pflicht und als Herausforderung zugleich an, über die anhaltende Bedrohung Israels und seiner Bürger, aber auch über die vielfältigen Facetten der israelischen Realität aufzuklären. Denn Israel ist sehr viel mehr, als die häufig in Deutschland und Europa medial vermittelten Bilder suggerieren. Die Teilnehmenden unserer Studienreisen sind in den vergangenen Jahrzehnten stets von dem großen Spektrum an Meinungen und Positionen sowie der Fähigkeit ihrer Gesprächspartner zu einer selbstkritischen Innenansicht überrascht, beeindruckt, ja geradezu verwirrt worden. Und bei aller positiven Verwirrung stand und steht am Ende einer Reise immer die Frage im Raum, was denn nun der geheimnisvolle Kitt ist, der Israel zusammenhält und israelische Identität ausmacht. Auch ich habe darauf keine abschließende Antwort. Vielleicht lässt sich dieses Phänomen am ehesten mit dem Wort "Israeliness" beschreiben. Oder wie Amos Oz es einmal formuliert hat: "Israel gefällt mir nicht, aber ich liebe es". Ich bin mir sicher, dass das Israel-Bild derjenigen, die mit uns das Land bereist haben, nicht mehr einem einfachen Schwarz-Weiß-Schema folgt. Und wichtig ist: Diese Erkenntnis behalten sie meist nicht für sich, sondern multiplizieren sie um ein vielfaches in ihrem beruflichen und privaten Umfeld. Unsere Aktivitäten werden sich zukünftig noch stärker den jungen Generationen unserer beiden Länder widmen, denn sie werden die deutsch-israelischen Brückenbauer der Zukunft sein. Gleichgelagerte Interessen in einer globalisierten Welt bieten insbesondere den jungen Generationen unserer beiden Länder die Chance, sich trotz unterschiedlicher religiöser, ethnischer und kultureller Hintergründe und historischer Belastungen einander anzunähern, Vorurteile und Stereotype zu durchbrechen. In den vergangenen Jahren haben wir bereits mit Erfolg spezielle Gruppen junger Erwachsener aus der Jugend- und Bildungsarbeit sowie junge Nachwuchsjournalisten ins Land geführt. Für einige der jungen Leute war dies sogar der Auftakt einer Art Liebesbeziehung zu Israel, die sich in mehrmonatigen Aufenthalten in einer israelischen Zeitungsredaktion oder als Volontär in einem Kibbutz fortsetzte und in ihrem Leben neue, nachhaltige Akzente setzte. In umgekehrter Richtung lädt die Bundeszentrale für politische Bildung im Juni diesen Jahres zwanzig junge Israelis zum deutschlandweit größten Festival junger Politik mit dem Namen "Berlin 08" ein, auf dem sich über 10.000 junger Leute in politischen und kulturellen Foren informieren und aktiv einbringen können. Die israelischen Gäste werden deutschen Jugendlichen in Workshops aus erster Hand über ihren Alltag in Israel und Themen, die sie persönlich bewegen, berichten. Neben zahlreichen aktuellen Publikationen und Online-Angeboten rückt die Bundeszentrale für politische Bildung das Thema "60 Jahre Israel" insbesondere durch kulturelle Veranstaltungen in Deutschland in den Fokus der Aufmerksamkeit. Kultur ist als globale Sprache über die klassischen Methoden der politischen Bildung hinaus besonders geeignet, das Lebensgefühl und die Lebensentwürfe der Menschen in Israel erfahrbar, ja spürbar zu machen. Zwei Projekte möchte ich besonders hervorheben: Gemeinsam mit dem Zeughauskino des Deutschen Historischen Museums in Berlin und der Jerusalem Cinematheque – Israel Film Archive widmen wir uns in einer großen Retrospektive dem israelischen Kino der 50er bis 70er Jahre, die uns eine weitgehend unbekannte Innenansicht Israels erlaubt. Diese einmalige filmische Retrospektive wird sich nicht auf Berlin beschränken, sondern im Laufe des Jahres noch in anderen deutschen Großstädten zu sehen sein. Das unbekannte, zeitgenössische Israel steht im Mittelpunkt eines bisher einzigartigen Musikprojekts mit dem Namen Iland, bei dem israelische und deutsche Bands unterschiedlicher populärer Musikrichtungen gemeinsam in Workshops arbeiten und Neues entwickeln. Dieses Projekt bietet die großartige Chance, durch die gemeinsame Sprache, nämlich die Musik, das kreative Potential junger Künstler aus beiden Ländern zusammen zu führen und Neues, Innovatives zu kreieren. Die Ergebnisse dieser ungewöhnlichen deutsch-israelischen Kooperation werden in Konzerten quer durch Deutschland vorgestellt werden. Mit den Studienreisen hier vor Ort und einer Fülle von Angeboten in Deutschland wird Israel auch zukünftig ein Schwerpunkt in der Arbeit der Bundeszentrale für politische Bildung bleiben. Ich bin überzeugt, dass wir durch unsere Arbeit weiterhin viele Menschen in Deutschland für die Komplexität in Ihrem Land sensibilisieren, zu einem differenzierten Meinungsbild beitragen und neue Projekte zwischen Deutschen und Israelis anstoßen können. Ich freue mich, mit Ihnen heute Abend ein Stück israelischer Kultur erleben zu dürfen. Im Anschluss an diesen Empfang laden wir Sie ab 21:00 Uhr gemeinsam mit dem Goethe Institut Tel Aviv sehr herzlich zur Performance "Auch So! - Gam Kach!" der Theatergruppe Public Movement ein. An dieser Stelle möchte ich meinen persönlichen Dank den Kollegen des Goethe-Instituts, allen voran Dr. Georg Blochmann und Amos Dolav aussprechen, deren exzellente und unkomplizierte Kooperation dieses ungewöhnliche Kulturevent erst ermöglicht hat. ORCHIM MECHUBADIM, KAWOD LI LIFTOACH ET IRUA ZE SHEL HABUNDESZENTRALE FUER POLITISCHE BILDUNG LECHVOD SHISHIN SHANA LEISRAEL. ANI MEACHEL LACHEM EREW NAAIM WE MEHANE WE MEKAWE SHE MIFGASH ZE JITROM ET CHELKO LE CHIZUK KISHREI ISRAEL-GERMANIA. Toda Raba (Werte Gäste, es ist mir eine Ehre diese Veranstaltung der bpb zu Ehren 60 Jahre Israel zu eröffnen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und hoffe, dass diese Begegnung einen Beitrag zur Stärkung deutsch-israelischer Beziehungen leisten wird.) − Es gilt das gesprochene Wort −
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Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2011-12-23T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
https://www.bpb.de/die-bpb/presse/51140/rede-von-thomas-krueger-zum-empfang-der-bundeszentrale-fuer-politische-bildung-anlaesslich-60-jahre-israel-am-4-mai-2008-in-tel-aviv/
Seit 45 Jahren führt die bpb Multiplikatoren der politischen Bildung aus ganz Deutschland nach Israel, um ihnen in 10 bis 12 Tagen die Vielfältigkeit und Lebendigkeit dieses faszinierenden Landes nahe zu bringen. Thomas Krüger zum 60. Jahrestag der S
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Ökonomische Resilienz durch mehr Protektionismus? | Festung Europa? | bpb.de
Die Europäische Kommission hat im Frühjahr des vergangenen Jahres eine neue Fassung ihrer handelspolitischen Leitlinien (trade policy review) veröffentlicht. Im Zentrum dieser Leitlinien steht dabei der Begriff der "offenen strategischen Autonomie" als Ziel der europäischen Handelspolitik. Doch auf den ersten Blick scheinen sich aus dieser Zielstellung nicht leicht zu lösende Zielkonflikte zu ergeben: Bedeutet die Offenheit gegenüber dem internationalen Handel nicht gerade einen teilweisen Verzicht auf wirtschaftliche Autonomie? Und lässt sich im Umkehrschluss eine strategische Autonomie gegenüber autokratischen Regimen wie Russland oder China nicht nur durch einen Rückbau von Handelsbeziehungen hin zu einer "Festung Europa" erreichen? Es ist zweifelsohne ein Balanceakt, den die Europäische Union mit ihrer neuen handelspolitischen Agenda unter schwierigen weltwirtschaftlichen und geopolitischen Vorzeichen versucht. Im Folgenden möchten wir daher eine Standortbestimmung der europäischen Handelspolitik vornehmen. Dafür blicken wir zum einen zurück auf den bisherigen handelspolitischen Kurs der EU und setzen diesen in den internationalen Kontext. Zum anderen blicken wir auf neue Herausforderungen für die europäische Handelspolitik, die sich im Hinblick auf die Widerstandsfähigkeit internationaler Lieferketten und die geopolitische Bedeutung wirtschaftlicher Interdependenzen ergeben. Bedeutung des multilateralen Handelssystems für die EU Wie offen ist die EU gegenüber dem internationalen Handel? Ein guter Ausgangspunkt, um diese Frage zu beantworten, ist die EU-Zollpolitik. Die EU-Mitgliedstaaten bilden seit 1968 eine Zollunion mit einem gemeinsamen Außenzoll gegenüber Einfuhren aus Nicht-EU-Ländern. Wie in der Abbildung ersichtlich wird, fiel im Jahr 2021 für knapp 70 Prozent der EU-Importe kein Zoll an. Dies liegt zum großen Teil daran, dass die EU für viele Produkte den sogenannten Meistbegünstigungszollsatz auf Null gesetzt hat. Der Meistbegünstigungszollsatz ist der Zollsatz, den die EU nach dem Meistbegünstigungsprinzip (Most Favoured Nation, MFN) gegenüber allen anderen Mitgliedsländern der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) anwendet. Insgesamt erfolgten fast 80 Prozent aller EU-Einfuhren unter solchen MFN-Bedingungen. Dies betrifft beispielsweise den Handel mit großen Volkswirtschaften wie China, den USA und Indien, was die nach wie vor zentrale Bedeutung des multilateralen Handelssystems für den EU-Außenhandel verdeutlicht. Stillstand der WTO: Ungleichgewicht zwischen Mitgliedstaaten Seit dem Abschluss der Uruguay-Runde und der Gründung der WTO im Jahr 1995 ist es jedoch zu keiner nennenswerten multilateralen Senkung von MFN-Zöllen mehr gekommen. Einer der Gründe für den Stillstand der Verhandlungen ist die Tatsache, dass die Zölle der Industrieländer bereits sehr niedrig sind, während die Zölle in vielen Entwicklungsländern immer noch relativ hoch sind. Während der durchschnittliche angewandte Meistbegünstigungszollsatz in Argentinien 13,4 Prozent, in Indien 18,3 Prozent und in Brasilien 13,3 Prozent beträgt, liegt er in den USA bei nur 3,4 Prozent, in Japan bei 4,2 Prozent und in der EU bei 5,2 Prozent. Das große Zollgefälle erschwert die Verhandlungen auf multilateraler Ebene, da die Industrieländer bei Verhandlungen über Zollsenkungen mit Schwellenländern weniger Spielraum für eigene Zollsenkungen haben. Ein genauerer Blick auf die angewandten Zölle zeigt allerdings auch für die EU eine durchaus große Heterogenität zwischen einzelnen Produktgruppen. Besonders auffällig sind die hohen angewandten Zölle im Agrarsektor. So fallen im Durchschnitt auf landwirtschaftliche Güter MFN-Zölle in Höhe von 11,7 Prozent an, während die durchschnittlichen Einfuhrzölle für Industriegüter bei etwa 4,1 Prozent liegen. Besonders hohe Zölle werden dabei insbesondere bei Einfuhren von Milchprodukten (39,5 Prozent), Zucker und Zuckerwaren (24,3 Prozent) sowie Getränke und Tabak (19,9 Prozent) erhoben. Für Maschinen, Metalle und Mineralien liegt der durchschnittlich angewandte MFN-Zollsatz dagegen bei rund zwei Prozent. Diese Zahlen weisen auf eine stark protektionistisch ausgerichtete Handelspolitik der EU im Agrarsektor hin und zeigen, dass die EU auch hinsichtlich ihrer Einfuhrzölle durchaus noch weitere Schritte in Richtung Handelsliberalisierung gehen kann. Die Ungleichgewichte zwischen den WTO-Mitgliedern gehen allerdings über Zölle hinaus. So machen beispielsweise Subventionen und exportbezogene Maßnahmen über 60 Prozent aller weltweit verhängten protektionistischen Maßnahmen aus. Die nationale Subventionspolitik ist ein zunehmender Grund für Handelsspannungen. Dies ist kein reines "China-Problem" und beschränkt sich auch nicht ausschließlich auf Industriesubventionen. Grundsätzlich können Subventionen beispielsweise in Krisenzeiten beschäftigungsstabilisierend wirken. Allerdings führen sie häufig auch zu "Market-share stealing"-Strategien, die den Marktzugang für andere Unternehmen erschweren. Um Wettbewerbsverzerrungen durch staatliche Subventionen zu vermeiden, ist die internationale Zusammenarbeit grundsätzlich von großer Bedeutung: Wenn solche Bemühungen nicht international koordiniert werden, könnten staatlich subventionierte Sektoren die Hauptprofiteure sein, da Unternehmen dies als Anlass zum "subsidy shopping" in verschiedenen Ländern nutzen können – Unternehmen suchen sich das höchste staatliche Förderangebot aus, mit hohen Kosten für den Staatshaushalt. Die EU-Kommission hat jüngst einen Vorschlag für ein neues Handelsschutzinstrument unterbreitet, um gegen Verzerrungen auf dem EU-Binnenmarkt durch ausländische Subventionen unilateral vorgehen zu können. Eine wichtige Frage ist in diesem Zusammenhang, welche Instrumente und Regeln notwendig sind, um faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, ohne dabei protektionistische Partikularinteressen zu befördern. Dies betrifft neben Schutzmechanismen im Bereich von staatlichen Subventionen grundsätzlich auch andere Handelsschutzinstrumente. Dieses Beispiel zeigt, dass die Notwendigkeit zur multilateralen Zusammenarbeit im Rahmen der WTO weit über Zölle hinausgeht und eine vielschichtige Agenda umfasst. Die EU als Vorreiter bei Handelsabkommen Eine wichtige Entwicklung in der Handelspolitik seit dem Fall des "Eisernen Vorhangs" ist die rasche Zunahme von Handelsabkommen. Allein in den ersten zehn Jahren nach der Gründung der WTO hat sich die Zahl der Handelsabkommen von 58 auf 188 mehr als verdreifacht. Diese Zahl ist in den vergangenen Jahren weiter gestiegen, wobei die derzeit größte Freihandelszone der Welt, die RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership), im November 2020 entstanden ist. Die EU ist weltweit einer der Vorreiter, was die Anzahl der unterzeichneten Handelsabkommen angeht: Nach Angaben der WTO hat die EU 45 Handelsabkommen mit 77 Ländern abgeschlossen, auf die (exklusive der EU) rund ein Fünftel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) entfallen. Darunter sind mehrere kleine Länder und Inselstaaten, die in den vergangenen zehn Jahren Handelsabkommen mit der EU unterzeichnet haben, wie beispielweise Botswana, El Salvador oder St. Lucia, aber auch größere Volkswirtschaften wie Kanada, Singapur, Südkorea, Vietnam oder zuletzt das Vereinigte Königreich nach dem erfolgten Brexit. Moderne Handelsabkommen sind mit der Zeit wesentlich umfassender geworden, da sie neben Zollvereinbarungen auch weitere Regelungen wie beispielweise die Harmonisierung von Produktsicherheits- und Hygienestandards, Zulassungsverfahren, die Anerkennung geografischer Ursprungsbezeichnungen sowie den Zugang zu lokalen Dienstleistungsmärkten umfassen. Besonders für den Handel mit Dienstleistungen spielen weitreichende Handelsabkommen durch die Reduzierung von nichttarifären Handelsbarrieren eine zentrale Rolle. Ökonomische Studien zeigen, dass sie einen größeren Einfluss auf den Handel mit Dienstleistungen haben als auf den Handel mit Waren. Allerdings geht der Abschluss von vertieften Handelsabkommen häufig auch mit einem verstärkten Einsatz von unilateralen Handelsschutzinstrumenten einher, was wiederum zu einer Erhöhung von Handelsbarrieren führt. So werden beispielweise technische Handelshemmnisse und Antidumpingmaßnahmen oft aus klassischen protektionistischen Motiven heraus eingesetzt. Trotz des Erfolgs der EU hinsichtlich der Anzahl an Freihandelsabkommen im internationalen Vergleich erwiesen sich ihre jüngsten Verhandlungs- und Ratifizierungsprozesse jedoch häufig als langwierig, wie beispielweise die Verhandlungen über das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur oder das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und Westafrika zeigen. Gleichzeitig entstehen in Asien in raschem Tempo neue Wirtschaftsverflechtungen, wie beispielweise durch das RCEP-Abkommen, das handelspolitisch nicht tiefgreifend ist, aber die wirtschaftliche Integration innerhalb des asiatisch-pazifischen Raums dennoch voranbringen wird. Dies sollte ein Warnsignal für die EU sein, bei Verhandlungen über Freihandelsabkommen pragmatisch vorzugehen und zügige Verhandlungsabschlüsse anzustreben. Handelsabkommen und Ursprungsregeln Gerade auch im Vergleich zur multilateralen Handelsliberalisierung sind Freihandelsabkommen trotz ihres Namens nicht uneingeschränkt handelsfördernd. Erstens profitieren von bilateralen Handelsabkommen in der Regel vor allem die unterzeichnenden Länder, während die übrigen WTO-Mitgliedstaaten vergleichsweise schlechter gestellt werden, da sich ihr relativer Marktzugang verschlechtert. Aufgrund der niedrigeren Handelskosten innerhalb des Abkommens verschiebt sich der Handel zugunsten der jeweiligen Vertragspartner. Zweitens kann auch die tatsächliche Nutzung von Handelsabkommen durch Firmen gering ausfallen, denn sie ist meist mit hohen bürokratischen Hürden verbunden, die vor allem für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ein Hindernis darstellen. Ein wichtiges Beispiel hierfür sind Ursprungsregeln: Wenn die präferenziellen Zollsätze eines Handelsabkommens genutzt werden sollen, für bestimmte Waren aus bestimmten Gebieten also Zollvergünstigungen gewährt werden sollen, müssen in der Regel Exporteure einen Ursprungsnachweis erbringen, der die Produktion im Inland belegt. Auf diese Weise soll ausgeschlossen werden, dass Waren, die zuvor aus Drittländern importiert wurden, ebenfalls von den Vorteilen eines Handelsabkommens profitieren. Jedes Handelsabkommen hat dabei eigene Ursprungsregeln, die befolgt werden müssen, um präferenziellen Marktzugang zu erhalten. Aufgrund der mit den Ursprungsnachweisen verbundenen Kosten erschweren sie die Nutzung von Handelsabkommen und reduzieren somit ihren handelsliberalisierenden Charakter. Das Trade and Cooperation Agreement (TCA), das zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich in Folge des Brexit unterzeichnet wurde und im Januar 2021 in Kraft getreten ist, illustriert die bürokratischen Hürden, die durch Ursprungsregeln entstehen können. Im Rahmen des TCA wurden grundsätzlich alle Zölle für den Warenhandel auf null Prozent festgesetzt. Dieser präferenzielle Marktzugang ist jedoch an die Bedingung geknüpft, dass die gehandelten Produkte die Ursprungsregeln erfüllen. Solche Regeln erschweren den Marktzugang insbesondere für KMU, da ein entsprechender Ursprungsnachweis in der Regel mit Fixkosten verbunden ist, die für diese Unternehmen prohibitiv sein können. Aber auch für große EU-Unternehmen, die in länderübergreifende Lieferketten mit dem Vereinigten Königreich integriert sind, erhöht sich der bürokratische Aufwand deutlich: Möchte ein Unternehmen im Vereinigten Königreich beispielsweise Waren in die EU exportieren, bei deren Produktion Vorleistungen aus Drittländern verwendet wurden, ist es möglich, dass dieses Produkt nicht mehr die entsprechenden Ursprungsregeln erfüllt. Statt der Nullzollsätze würden dann gegebenenfalls positive MFN-Zollsätze fällig werden. Trotz der weitreichenden Handelsliberalisierung im Rahmen des TCA in Form von Nullzollsätzen wurden in der Folge des Brexit also dennoch beachtliche Handelsbarrieren aufgebaut, die insbesondere internationale Wertschöpfungsketten zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich betreffen. Dass im Jahr 2021 für rund 16 Prozent der Importe aus dem Vereinigten Königreichs positive MFN-Zölle gezahlt wurden, verdeutlicht deren Bedeutung. Handelsintegration nach Innen und Außen Der Brexit bedeutet zwar eine Zäsur für den europäischen Integrationsprozess, doch er verdeutlicht auch, dass das Ausmaß der wirtschaftlichen Integration zwischen den EU-Mitgliedstaaten weder selbstverständlich noch irreversibel ist. Die Entstehung des europäischen Binnenmarktes, der den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen garantiert, hat nationale Handelsbarrieren drastisch gesenkt und zu enormen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten beigetragen. So zeigen beispielsweise die Ökonomen Keith Head und Thierry Mayer, dass das Niveau der EU-Wirtschaftsintegration in Teilbereichen wie dem Güterhandel durchaus vergleichbar ist mit der Integration zwischen den 50 US-Bundesstaaten. Dabei finden die Forscher empirische Evidenz dafür, dass die Senkung von Handelskosten innerhalb der EU von einem parallelen Abbau von Handelsbarrieren gegenüber Ländern außerhalb der EU begleitet wurde. Auch mehrere statistische Indikatoren belegen, dass die wirtschaftlichen Verflechtungen der EU mit der Weltwirtschaft in jüngster Zeit weiter gewachsen sind. Selbst wenn man die Handelsströme zwischen einzelnen EU-Mitgliedstaaten herausrechnet, ist die EU vor den USA und China sowohl der weltweit größte Exporteur als auch Importeur von Waren und Dienstleistungen. Die Bedeutung ausländischer Märkte ist dabei für die EU als Ganzes betrachtet fast kontinuierlich gewachsen: Während 1995 rund 10 Prozent der gesamten Wertschöpfung der heutigen EU-Mitgliedstaaten von der Nachfrage außerhalb der EU-27 abhing, stieg dieser Wert auf 17,3 Prozent im Jahr 2018 an. Für die USA und China ist dagegen die Bedeutung der Auslandsnachfrage mit einem Anteil von 9,4 beziehungsweise 14,4 Prozent deutlich geringer und war in den vergangenen Jahren sogar rückläufig. Ebenso spielen importierte Vorleistungen eine wichtige Rolle für die europäische Wirtschaft. So basieren alleine 13,7 Prozent der EU-Exporte auf Wertschöpfung aus Ländern außerhalb der EU. Resilientere Lieferketten durch eine "Festung Europa"? Doch die weitreichenden außenwirtschaftlichen Verflechtungen der EU und der mit ihr verbundene handelspolitische Kurs stehen derzeit stärker denn je auf dem Prüfstand. So haben zum einen die im Zuge der Corona-Pandemie aufgetretenen massiven Lieferkettenstörungen und Transportschwierigkeiten Zweifel an der Verlässlichkeit von länderübergreifenden Produktionsnetzwerken wachsen lassen. Zum anderen ist nicht zuletzt durch den Krieg in der Ukraine die geopolitische Bedeutung wirtschaftlicher Interdependenzen verstärkt in den öffentlichen Fokus geraten. Vor diesem Hintergrund sind Forderungen nach einer Nationalisierung beziehungsweise Europäisierung von Lieferketten und einer wirtschaftlichen Entflechtung von Autokratien ("Decoupling") immer deutlicher zu vernehmen. Sollte die EU also auch handelspolitisch eine "Festung Europa" anstreben, um die Widerstandsfähigkeit von Lieferketten zu erhöhen und geoökonomische Verwundbarkeiten zu reduzieren? Grundsätzlich müsste eine breit angelegte Europäisierung von Lieferketten mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen erkauft werden. Eine Simulationsstudie des ifo Instituts zeigt, dass eine Rückverlagerung von Wertschöpfungsketten in die EU, die Türkei und Nordafrika ("Nearshoring") zu einem langfristigen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts der EU von rund 4 Prozent führen würde. Die tatsächlichen Kosten einer solchen Abkopplungsstrategie wären aber wahrscheinlich sogar deutlich höher, denn in dem simulierten Szenario wird angenommen, dass kein Handelspartner der EU eine ähnliche Strategie verfolgt oder Vergeltungszölle als Gegenreaktion erhebt. Ein weltweiter Nearshoring-Trend wäre dagegen voraussichtlich mit noch weitaus größeren Wohlfahrtsverlusten verbunden. Gleichzeitig ist aber auch fraglich, inwieweit eine allgemeine Rückverlagerung von Produktionsstätten zurück in die EU tatsächlich zu widerstandsfähigeren Lieferketten führen würde. Aus ökonomischer Sicht ist es gerade der internationale Handel, der Unternehmen und Volkswirtschaften eine Art Versicherungsfunktion gegenüber länderspezifischen Schocks ermöglicht. Kommt es im In- oder Ausland zu Lieferunterbrechungen, ermöglichen es gut diversifizierte Handelsbeziehungen mit einer Vielzahl von Ländern und Regionen, diese zumindest teilweise aufzufangen. Eine breit angelegte Nearshoring-Strategie könnte dagegen zu einer stärkeren regionalen Konzentration von Lieferkettenrisiken führen. So zeigen mehrere ökonomische Studien unter Zuhilfenahme verschiedener Schockszenarien, dass die wirtschaftliche Stabilität durch Re- und Nearshoring im Allgemeinen nicht erhöht, sondern vielmehr reduziert wird, da sich die Risikostreuung auf diese Weise tendenziell verringert. Ähnliche Aspekte betreffen auch den Vorschlag, den Außenhandel mit Autokratien pauschal einzuschränken und stattdessen die Wirtschaftsbeziehungen mit demokratischen Staaten zu intensivieren ("Friendshoring"). Zwar wären die Wohlstandsverluste in einem solchen Szenario geringer als bei einer allgemeinen Europäisierung von Lieferketten, aber sie würden für die EU immer noch ein Vielfaches der Verluste bedeuten, die beispielsweise durch den Brexit verursacht wurden. Aufgrund der Vielschichtigkeit länderspezifischer Risiken, die nicht nur geopolitisch sein müssen, wäre zudem nicht garantiert, dass die ökonomische Resilienz der europäischen Wirtschaft auf diese Weise insgesamt gestärkt werden würde. Darüber hinaus ist es auch aus strategischen Gründen wichtig, die geopolitische Ambiguität wirtschaftlicher Interdependenzen zu berücksichtigen. Tiefergehende wirtschaftliche Verflechtungen können im Konfliktfall zu größeren negativen Auswirkungen für eine Volkswirtschaft führen. Sie bieten auch keine Garantie dafür, dass Konflikte nicht eskalieren oder Außenwirtschaftsbeziehungen nicht als Druckmittel eingesetzt werden. Doch gleichzeitig können intakte Außenwirtschaftsbeziehungen aufgrund ihrer Bedeutung für den Wohlstand eines Landes zumindest Anreize für kooperatives Verhalten schaffen und die Wahrscheinlichkeit dafür reduzieren, dass Wirtschaftsbeziehungen für geopolitische Zwecke überhaupt erst instrumentalisiert werden. Eine vollständige wirtschaftliche Entkopplung von Autokratien würde die Zusammenarbeit mit diesen Staaten bei der Bewältigung großer globaler Herausforderungen in anderen Politikbereichen, wie der Bekämpfung des Klimawandels, möglicherweise deutlich erschweren. Abhängigkeiten identifizieren und reduzieren Insgesamt erscheint es also fraglich, dass ein handelspolitischer Rückzug in die "Festung Europa" tatsächlich zu einem widerstandsfähigeren europäischen Wirtschaftsraum führen würde. Ein wichtiges Ziel der europäischen Handelspolitik sollte dagegen die Identifikation außenwirtschaftlicher Abhängigkeiten sowie ein systematisches Management der damit verbundenen wirtschaftlichen wie politischen Risiken sein. Dass Klumpenrisiken im Bereich der europäischen Außenwirtschaftsbeziehungen existieren, haben nicht zuletzt die Corona-Pandemie und die wirtschaftlichen Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine gezeigt. Auch kritische wirtschaftliche Abhängigkeiten gegenüber China sind zuletzt verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. So zeigt beispielsweise eine Studie der EU-Kommission, dass etwa 65 Prozent aller Rohstoffe, die für die Produktion von Elektromotoren benötigt werden, aus China geliefert werden. Um solche kritischen wirtschaftlichen Abhängigkeiten frühzeitig zu erkennen und die Lieferkettentransparenz zu erhöhen, bedarf es weiterer politischer Anstrengungen sowie eines verbesserten Informationsaustausches zwischen staatlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren. So könnten beispielsweise auf europäischer Ebene organisierte Lieferkettenstresstests für kritische Güter einen Beitrag zur Identifikation von möglichen Schwachstellen und strategischen Verwundbarkeiten im europäischen Außenhandel leisten. Für den Abbau kritischer Abhängigkeiten und die Gestaltung resilienter Lieferketten ist die Diversifizierung von Handelsbeziehungen essenziell. Besonders in diesem Bereich kommt der europäischen Handelspolitik eine entscheidende Rolle zu. Wie anfangs gezeigt wurde, wird nach wie vor ein Großteil des europäischen Handels im Rahmen des Meistbegünstigungsprinzips der WTO abgewickelt. Auch wenn die politischen Hürden groß sein mögen, sollte sich die EU weiterhin mit großem Engagement für eine ambitionierte WTO-Reform einsetzen, denn eine starke multilaterale Handelsordnung bietet die besten Voraussetzungen für gut diversifizierte Außenwirtschaftsbeziehungen. Daneben sollte es Ziel der EU-Handelspolitik sein, das bestehende Netz aus Freihandelsabkommen weiter auszubauen, um europäischen Unternehmen einen verbesserten Zugang zu wichtigen Absatz- und Beschaffungsmärkten zu ermöglichen und die bilaterale Zusammenarbeit mit Partnerländern zu stärken. Hier gilt es, sowohl die Verhandlungsprozesse als auch die Ratifizierung und Umsetzung von Handelsabkommen in Zukunft deutlich zu beschleunigen. Auch eine Vereinfachung und abkommensübergreifende Harmonisierung von Ursprungsregeln sollte für die Zukunft angestrebt werden. Vgl. Europäische Kommission, Überprüfung der Handelspolitik. Eine offene, nachhaltige und entschlossene Handelspolitik, 18.2.2021, Externer Link: https://trade.ec.europa.eu/doclib/html/159542.htm. Für knapp 17 Prozent der EU-Importe wurden im Vergleich zum MFN-Zollsatz zusätzliche Zollvergünstigungen (sogenannte Präferenzzölle) gewährt, die beispielsweise im Rahmen von Freihandelsabkommen vereinbart wurden. Vgl. WTO/ITC/UNCTAD, World Tariff Profiles 2022, Genf 2022. Die Zahlen beziehen sich auf einfache, nicht-handelsgewichtete Durchschnittswerte für das Jahr 2021. Vgl. ebd. Vgl. Simon J. Evenett, Protectionism, State Discrimination, and International Business Since the Onset of the Global Financial Crisis, in: Journal of International Business Policy 2/2019, S. 9–36. Vgl. Bernard Hoekman/Douglas Nelson, Rethinking International Subsidy Rules, in: The World Economy 43/2020, S. 3104–3132. Vgl. Giovanni Maggi, International Trade Agreements, in: Gita Gopinath/Elhanan Helpman/Kenneth Rogoff (Hrsg.), Handbook of International Economics, Bd. 4, Oxford-Amsterdam 2014, S. 317–390. Die RCEP, an der die zehn ASEAN-Staaten, China, Japan, Südkorea sowie Australien und Neuseeland teilnehmen, umfasst 28 Prozent der Weltwirtschaftsleistung, 28 Prozent des Welthandels und 29 Prozent der Weltbevölkerung. Vgl. Lisandra Flach/Hannah Hildenbrand/Feodora Teti, The Regional Comprehensive Economic Partnership Agreement and Its Expected Effects on World Trade, in: Intereconomics 2/2021, S. 92–98. Eigene Berechnungen, basierend auf Angaben der Europäischen Kommission und der WTO zu Handelsabkommen sowie Daten der Weltbank zum BIP. Vgl. Swati Dhingra/Rebecca Freeman/Hanwei Huang, The Impact of Non-Tariff Barriers on Trade and Welfare, LSE Centre for Economic Performance, CEP Discussion Paper 1741/2021. Vgl. Hylke Vandenbussche/Maurizio Zanardi, What Explains the Proliferation of Antidumping Laws?, in: Economic Policy 23/2008, S. 94–138; Kjersti Nes/K. Aleks Schaefer, Retaliatory Use of Public Standards in Trade, in: Economic Inquiry 1/2020, S. 142–161. Vgl. Lisandra Flach/Feodora Teti, RCEP-Abkommen. Versteckte Auswirkungen, in: Wirtschaftsdienst 12/2020, S. 904. Vgl. Eurostat, International Trade in Goods – Tariffs, Juni 2022, Externer Link: https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/images/7/7a/Chapter_2.6_june_2022_update.xlsx. Vgl. Keith Head/Thierry Mayer, The United States of Europe. A Gravity Model Evaluation of the Four Freedoms, in: Journal of Economic Perspectives 2/2021, S. 23–48. Vgl. OECD, Trade in Value Added (TiVA) 2021 database, Externer Link: http://oe.cd/tiva. Vgl. Florian Dorn et al., Langfristige Effekte von Deglobalisierung und Handelskriegen auf die deutsche Wirtschaft, ifo Institut, ifo Schnelldienst 9/2022. Dass die negativen Auswirkungen der Pandemie auf die globale Wirtschaftsleistung mit nationalisierten Lieferketten noch stärker ausgefallen wäre als in einer Welt mit globalen Lieferketten, zeigen Barthélémy Bonadio et al., Global Supply Chains in the Pandemic, in: Journal of International Economics 133/2021, Artikel 103534. Eine weitere relevante Simulationsstudie ist Lucio D’Aguanno et al., Global Value Chains, Volatility and Safe Openness. Is Trade a Double-Edged Sword?, Bank of England Financial Stability Paper 46/2021. Vgl. Dorn et al. (Anm. 16). Vgl. Europäische Kommission, Critical Raw Materials for Strategic Technologies and Sectors in the EU. A Foresight Study, 3.9.2020, Externer Link: https://ec.europa.eu/docsroom/documents/42881. Vgl. David Simchi-Levi/Edith Simchi-Levi, We Need a Stress Test for Critical Supply Chains, in: Harvard Business Review, 28.4.2020, Externer Link: https://hbr.org/2020/04/we-need-a-stress-test-for-critical-supply-chains.
Article
Baur, Andreas | Flach, Lisandra
2023-07-07T00:00:00
2022-10-12T00:00:00
2023-07-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/festung-europa-2022/514218/oekonomische-resilienz-durch-mehr-protektionismus/
In ihren handelspolitischen Leitlinien hat die EU-Kommission eine "offene strategische Autonomie" als Ziel ausgegeben. Sollte die EU angesichts aktueller Vorzeichen ihre Offenheit einschränken?
[ "Europäische Union", "Handel", "Handelspolitik", "Außenhandel", "Handelsabkommen", "Autonomie", "Protektionismus", "WTO", "Multilateralismus", "Zölle", "Zollregime", "Integration", "Lieferketten" ]
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Chronik: Vom 6. bis zum 19. November 2012 | Polen-Analysen | bpb.de
06.11.2012 Der Kandidat von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) für das Amt des Ministerpräsidenten, Piotr Gliński, distanziert sich von der These, dass das Flugzeugunglück von Smolensk (April 2010) die Folge eines Anschlags gewesen sei. Diese These vertritt der Vorsitzende von PiS, Jarosław Kaczyński, nach einem Bericht in der Tageszeitung»Rzeczpospolita«, der sich jedoch als Falschinformation erwiesen hatte. Daraufhin wurden der Chefredakteur der Zeitung sowie weitere Redakteure entlassen. Als Hypothese sollte die Idee aber im Rahmen der Aufklärung des Absturzes Beachtung finden, so Gliński. Der Bericht des Untersuchungsausschusses zum Flugzeugabsturz (der sog. Miller-Kommission) könne nicht ernsthaft als Aufklärung betrachtet werden. 07.11.2012 Ministerpräsident Donald Tusk gratuliert US-Präsident Barack Obama zu seiner Wiederwahl. Die kommenden vier Jahre seien eine Gelegenheit, den Dialog zwischen beiden Ländern zu intensivieren. Tusk hebt außerdem die engen Beziehungen zwischen beiden Ländern hervor. 08.11.2012 Nach Angaben von Staatspräsident Bronisław Komorowski wurde auf der Sitzung des Rates für Nationale Sicherheit (Rada Bezpieczeństwa Narodowego – RBN) über die Möglichkeit diskutiert, dass Faktoren außerhalb Polens die öffentliche Debatte über die Flugzeugkatastrophe von Smolensk (April 2010) in Polen auf destruktive Weise beeinflussen. Eingebracht hatte diesen Aspekt Zbigniew Ziobro, Mitglied des RBN und Vorsitzender von Solidarisches Polen von Zbigniew Ziobro (Solidarna Polska Zbigniewa Ziobra – SP). Komorowski teilt mit, dass er Institutionen aus dem Umfeld des Innenministeriums um entsprechende Informationen ersucht hat. Außerdem soll Generalstaatsanwalt Andrzej Seremet bei der nächsten Sitzung des RBN Auskunft geben, ob es eventuell Verdächtigungen hinsichtlich eines Anschlags auf das abgestürzte Flugzeug gibt. Zwar halte er diese Meinung für unbegründet, doch müsse ihr nachgegangen werden. 09.11.2012 Ministerpräsident Donald Tusk kündigt im Sejm an, dass der europäische Fiskalpakt auf der nächsten Sitzung des Sejm akzeptiert und zur Ratifizierung frei gegeben werden solle. Eine schnelle Annahme des Fiskalpakts bedeute, dass Polen bei Gesprächen über die Zukunft der Eurozone dabei sein werde, und dies entspreche dem Wunsch Polens, in der Mitte Europas zu sein. Für die Verhandlungen des EU-Haushalts 2014–2020, bei denen Polen 400 Mrd. Euro für sich aushandeln will, ruft Tusk zu überparteilicher Geschlossenheit auf. 10.11.2012 Der Pressesprecher von Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS), Artur Hofman, teilt mit, dass der Parteivorsitzende Jarosław Kaczyński und das Führungsgremium von PiS am Nationalfeiertag der Unabhängigkeit (11.11.1918) Kränze am Grab von Staatsgründer Józef Piłsudski und von Lech Kaczyński (Staatspräsident 2005–2010) auf dem Wawel inKrakau niederlegen werden. Jarosław Kaczyński wird nichtan den geplanten Demonstrationszügen zum Tag der Unabhängigkeit in Warschau teilnehmen. 11.11.2012 Auf der Hauptkundgebung zum Nationalfeiertag der Unabhängigkeit (11.11.1918) ruft Staatspräsident Bronisław Komorowski in Warschau zu mehr Respekt gegenüber dem politischen Gegner auf. Das politische Leben in Polen sei übermäßig durch Streit vergiftet. Es gebe nur ein Polen, deshalb sollte man sich nicht gegenseitig verfluchen und ausschließen.An der sich anschließenden Demonstration unter dem Motto »Gemeinsam für das Unabhängige [Polen – Anm.d.Red.]« nehmen nach Angaben des Fernsehsenders TVP Info zirka 10.000 Personen teil. Während des von rechten Gruppierungen organisierten »Marsches der Unabhängigkeit« kam es zu Zusammenstößen zwischen Teilnehmern und der Polizei. 12.11.2012 Der Generalsekretär der Demokratischen Linksallianz (Sojusz Lewicy Demokratycznej – SLD), Krzysztof Gawkowski, fordert das Verbot der rechtsextremen Organisationen Nationalradikales Lager (Obóz Narodowo-Radykalny – ONR) und Allpolnische Jugend (Młodzież Wszechpolska) nach den Ausschreitungen am Nationalfeiertag der Unabhängigkeit (11.11.). 13.11.2012 Nach Einschätzung von Innenminister Jarosław Gowin ist ein Verbot der rechtsextremen Organisationen Nationalradikales Lager (Obóz Narodowo-Radykalny – ONR) und Allpolnische Jugend (Młodzież Wszechpolska) nicht notwendig. Es bestehe nicht die Gefahr einer faschistischen oder extrem nationalistischen Radikalisierung in Polen, da es einen starken konservativen Flügel in Polen gebe. 14.11.2012 In Berlin finden die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen unter dem Vorsitz von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Donald Tusk statt. Thematisiert werden u. a. der EU-Haushalt 2014–2020 und die militärische Zusammenarbeit. 15.11.2012 Ministerpräsident Donald Tusk spricht mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, dem Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, und dem Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, über den EU-Haushalt 2014–2020. Laut Tusk ist es wichtig, weniger Budgetkürzungen vorzunehmen und mehr Ausgaben für die Kohäsionspolitik einzuplanen. 16.11.2012 In Warschau findet ein Treffen der Landwirtschaftsminister der Visegrád-Gruppe (Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn) und der Ressortchefs aus Rumänien, Slowenien und Bulgarien statt. Die Minister sprechen sich gegen die Vorschläge der zypriotischen EU-Ratspräsidentschaft und des Präsidenten des EuropäischenRates aus, die Ausgaben für die EU-Landwirtschaft zu kürzen. In der kommenden Woche soll eine gemeinsame Stellungnahme der Länder vorgelegt werden. 17.11.2012 Auf dem Parteitag der Polnischen Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL) wird Janusz Piechociński mit 547 Stimmen zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. Der bisherige Vorsitzende, Wirtschaftsminister Waldemar Pawlak, unterliegt mit 530 Stimmen. Pawlak kündigt seinen Rücktritt als Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident an. 18.11.2012 In einem Interview mit der Tageszeitung»Gazeta Wyborcza« spricht sich Wirtschaftsminister Waldemar Pawlak gegen die Überlegung des neu gewählten Parteivorsitzenden der Polnischen Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL), Janusz Piechociński, aus, dass der Parteichef nicht gleichzeitig der Regierung angehören sollte. Pawlak war am Vortag als PSL-Vorsitzender abgelöst worden. 19.11.2012 Waldemar Pawlak, Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident, reicht Ministerpräsident Donald Tusk sein Rücktrittsgesuch ein. Hintergrund ist seine Niederlage bei der Wahl des Parteivorsitzenden der Polnischen Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL) vor zwei Tagen. Sie können die gesamte Chronik seit 2007 auch auf http://www.laender-analysen.de/polen/ unter dem Link »Chronik« lesen.
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Bundeszentrale für politische Bildung
2021-06-23T00:00:00
2012-11-22T00:00:00
2021-06-23T00:00:00
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Aktuelle Ereignisse aus Polen: Die Chronik vom 6. bis zum 19. November 2012.
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"Humanitäre Bemühungen", "zentrale Maßnahmen" | Deutschland Archiv | bpb.de
Sammelrezension zu: Ludwig A. Rehlinger: Freikauf. Die Geschäfte der DDR mit politisch Verfolgten 1963-1989, mit einem Nachwort von Justus Vesting, Halle/S.: Mitteldeutscher Verlag 2011, 279 S., € 19,90, ISBN: 9783898128292. Andreas H. Apelt (Hg.): Flucht, Ausreise, Freikauf. (Aus-)Wege aus der DDR, Halle/S.: Mitteldeutscher Verlag 2011, 120 S., € 9,95, ISBN: 9783898128599. Thomas von Lindheim: Bezahlte Freiheit. Der Häftlingsfreikauf zwischen beiden deutschen Staaten, Baden-Baden: Nomos 2011, 143 S., € 38,–, ISBN: 9783832964955. Michael Hollmann, Eberhard Kuhrt (Hg.): »Besondere Bemühungen« der Bundesregierung, Bd. 1: 1962 bis 1969, Häftlingsfreikauf, Familienzusammenführung, Agentenaustausch, Bearb.: Elke-Ursel Hammer (Dokumente zur Deutschlandpolitik/DZD; Sonderbd.), München: Oldenbourg 2012, 810 S., € 84,80, ISBN: 9783486707199. Kaum ein Aspekt der über 40 Jahre währenden Teilung Deutschlands findet auch heute noch ein so großes öffentliches Interesse wie der "Freikauf". Unter diesem Begriff verbirgt sich ein Phänomen, das man auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs – aus nachvollziehbaren Gründen – so lange wie irgend möglich geheim halten wollte; was auf westlicher Seite natürlich auf die Dauer nicht durchzuhalten war. Hier sprach man lieber von "humanitären Bemühungen". Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) sprach intern von "zentralen Maßnahmen". Erst allmählich sickerte durch, was gemeint war: die Freilassung inhaftierter Westdeutscher und Bürger der DDR und Ausreisegenehmigungen für sie gegen materielle Leistungen der Bundesregierung. Die DDR-Führung leugnete offiziell bis zu ihrem Ende, dass es so etwas überhaupt gab. Ihr Vertreter, der Rechtsanwalt Wolfgang Vogel, sprach allenfalls verschämt vom Ersatz von Ausbildungskosten bei Ausreisen. Auch die verschiedenen Bundesregierungen brauchten nach der Wiedervereinigung noch 20 Jahre, bis sie sich zu einer wenigstens teilweisen Freigabe ihrer einschlägigen Akten entschlossen. Heute ist allen Interessierten klar: Die DDR-Führung hat über Jahrzehnte hinweg aus politischen Gründen in ihren Gefängnissen inhaftierte Menschen gegen Geld oder geldwerte Leistungen in den Westen entlassen. Darüber hinaus hat sie auch in erheblichem Umfang nicht inhaftierte Personen im Rahmen der sogenannten Familienzusammenführung unter ähnlichen Bedingungen in den Westen ausreisen lassen. Freikauf Ludwig A. Rehlinger, Freikauf (© Mitteldeutscher Verlag) Dass die Öffentlichkeit nach der Wiedervereinigung überhaupt einigermassen sachgerecht informiert wurde, liegt vor allem an Ludwig A. Rehlinger, der als Beamter im Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (seit 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) in den 60er- und nochmals in den 80er-Jahren mit der Angelegenheit dienstlich befasst war. Seit er 1991 sein sehr präzises Erinnerungsbuch unter dem Titel "Freikauf" auf den Markt brachte, sind die oft abenteuerlichen Spekulationen der Vergangenheit durch sachliche Informationen ersetzt worden. Dieses Buch liegt nun in einer durchgesehenen Neuauflage des Mitteldeutschen Verlags vor. Auf Akten konnte sich Rehlinger auch dieses Mal nicht stützen. Es liegt zudem in der Natur der Sache, dass sein Erinnerungsvermögen für den Zeitraum von 1970 bis 1981, als er mit den "humanitären Bemühungen" dienstlich nicht befasst war, eingeschränkt ist. Aber das informative Nachwort des Historikers Justus Vesting bringt eine gute Übersicht über weitere Publikationen und Erkenntnisse der zeitgeschichtlichen Forschung zur Rolle des MfS und insbesondere zu der des Rechtsanwalts Wolfgang Vogel. Noch lange dürften jedoch die Erinnerungen von Ludwig Rehlinger eine unverzichtbare Quelle für die Erforschung dieses in jeder Beziehung heiklen Gegenstands der Zeitgeschichte sein. Bezahlte Freiheit Thomas von Lindheim, Bezahlte Freiheit (© Nomos) Inzwischen sind zum Thema auch einschlägige Akten des Ministeriums für Staatssicherheit aus den Beständen des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) erschlossen. Ein Fundstück aus der Frühzeit des Freikaufs wurde vor einigen Monaten im "Deutschland Archiv" publiziert. Es beweist nicht nur, dass das MfS – was wohl niemanden wirklich überrascht – von Anfang an seine Finger im Spiel hatte, sondern dass man sich auch auf diesem Gebiet vor leichtfertigen Interpretationen der Stasi-Akten hüten muß. Thomas von Lindheim, der den Vermerk des MfS-Majors Heinz Volpert vom 16. April 1963 im Archiv des BStU vorfand, zog daraus den Schluss, die damalige Bundesregierung habe die Personenauswahl der Freizukaufenden zunächst der DDR überlassen wollen. Das löste die (berechtigte) Empörung des mit der Sache befassten damaligen Regierungsrats Ludwig Rehlinger aus. Der Schluss kann auch nicht aus dem Vermerk Volperts gezogen werden. Dennoch wiederholt von Lindheim seine Fehlinterpretation in dem nun vorliegenden Band "Bezahlte Freiheit". Auch bei weiteren MfS-Akten, die von Lindheim zitiert, ist ein nicht immer sachgerechter Umgang mit der Hinterlassenschaft des MfS zu konstatieren. Ein Beispiel: Der Autor bringt "Beispiele für Abrechnungen" (61f), die schlicht unverständlich sind, ohne dass dies irgendwie problematisiert wird. Als Quelle dient eine im Original nicht abgedruckte MfS-Akte mit dem Aktenzeichen HA IX 13661. Aus ihr ergeben sich angeblich für die Jahre 1969–1972 "unsere Guthaben", "Leistungen der anderen Seite", sowie "Unsere Bewertung," die der "DDR-Bewertung" gegenübergestellt wird. Die Ausdrucksweise einer staatlichen DDR-Stelle kann das ja wohl nicht sein. Man wüsste aber schon gern, wie und bei wem "unsere Guthaben" in Höhe vieler Millionen D-Mark zustandegekommen sein sollen. Ludwig Rehlinger ist sich sicher, dass zu seiner Zeit erst gezahlt oder geliefert wurde, wenn die Freizukaufenden wirklich frei waren. War das unter Bundesminister Egon Franke und seinem Mitarbeiter Edgar Hirt in den Jahren 1970–1982 vielleicht anders? Gab es zeitweise eine Art "Swing", bei dem die DDR eine Vorauszahlung durch "Lieferung" von Personen auszugleichen hatte? Von Lindheim, der andererseits wohl zu Recht von "Sonderarrangements" spricht, die es abweichend vom "üblichen" Verfahren gegeben habe, hat das Problem offenbar nicht einmal gesehen. Erst durch den jetzt veröffentlichten, nachfolgend besprochenen Sonderband der Dokumente zur Deutschlandpolitik (DzD) wird im Einzelnen wenigstens für die 60er-Jahre nachvollziehbar, wie bei diesem "Geschäft" mit Leistung und Gegenleistung umgegangen wurde. Zu Unrecht behauptet von Lindheim, "für die Abwicklung der Freikaufaktion (sei) das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen und das diesem nachgeordnete Gesamtdeutsche Institut zuständig" gewesen. Bei letzterem war eine derartige Zuständigkeit nie gegeben; im Gegenteil – das Institut war gehalten, alle Eingänge, die "humanitäre Bemühungen" betrafen, sofort an das Ministerium weiterzuleiten. Aus der Tatsache, dass im Gesamtdeutschen Institut eine Kartei mit bekanntgewordenen Haftfällen in der DDR geführt wurde und Haftbescheinigungen ausgestellt wurden, die zu Leistungen nach dem Häftlingshilfegesetz berechtigten, kann jedenfalls nicht auf eine Mitwirkung beim Freikauf geschlossen werden. Auch wenn das Werk von Lindheims einige durchaus interessante Aktenstücke des MfS aus der Zeit nach 1969 enthält, die bislang nicht bekannt waren, muss leider festgestellt werden, dass die Qualität seiner Edition mit der des Sonderbandes der DzD nicht annähernd mithalten kann. Quellenangaben sind teilweise fehlerhaft, Zusammenhänge werden nicht erläutert oder sogar falsch dargestellt, manchmal wird einfach spekuliert – so wenn Thomas von Lindheim behauptet, Ludwig A. Rehlinger habe sich mit den beiden Rechtsanwälten Jürgen Stange (West) und Wolfgang Vogel (Ost) "menschlich gut verstanden" (22). In Bezug auf letzteren mag ein gewisses Vertrauensverhältnis im Laufe der Jahre tatsächlich entstanden sein, das aber nie so weit ging wie etwa bei seinem Bundesminister Herbert Wehner, der sich allein 1969 siebenmal zu Gesprächen mit Wolfgang Vogel traf, ohne dass die zuständigen Fachbeamten hinzugezogen wurden. Rehlingers Beziehungen zu Stange waren ein nüchternes Verhältnis der Zusammenarbeit, allerdings auf auf einem besonders heiklen und der Geheimhaltung bedürftigen Gebiet. Frühzeitig hat sich jedoch zwischen Stange und Vogel eine so enge persönliche Beziehung entwickelt, dass der Mitteilungsdrang des West-Berliners sogar das MfS verwunderte. Flucht, Ausreise, Freikauf Andreas H. Apelt (Hg.), Flucht, Ausreise, Freikauf (© Mitteldeutscher Verlag) So berechtigt das öffentliche Interesse an dem Thema Freikauf auch war und ist, dies "Geschäft" war nie die einzige Möglichkeit, der von vielen ihrer Einwohner als riesiges Gefängnis empfundenen DDR zu entkommen. Durch Flucht, aber auch durch genehmigte Ausreisen sind noch nach dem Bau der Mauer 1961 weitere Hunderttausende von Deutschen aus der DDR in den Westen gelangt. Mit diesen Fällen hat sich anlässlich des 50. Jahrestages der Errichtung der Mauer eine Tagung der Deutschen Gesellschaft e. V. beschäftigt, deren Ergebnisse nunmehr publiziert wurden. Die sorgfältig gestaltete Edition berücksichtigt alle wesentlichen Elemente von Flucht, Ausreisebewegung und Freikäufen. Massenfluchten, die anfangs noch möglich waren, und Einzelfälle, die nicht selten tödlich endeten, werden geschildert. In erheblichem Umfang wurde Fluchthilfe aus dem Westen geleistet, meist aus purem Idealismus und unter erheblichen Gefahren auch für die Helfer. Dabei wird die im Laufe der Zeit unvermeidlich eingetretene Kommerzialisierung und Professionalisierung der Fluchthilfe nicht verschwiegen. Der Ausbau der Grenzanlagen sowie die Unterwanderung und Zerschlagung vieler Fluchthilfeorganisationen durch das MfS führten zu einem Rückgang der erfolgreichen Fluchtfälle. Parallel dazu nahm die sogenannte Ausreisebewegung einen stetig wachsenden Umfang an, bei der versucht wurde, die DDR-Behörden auf die eine oder andere Weise zur Genehmigung einer Ausreise für Einzelne oder ganze Familien zu bewegen. Diese Bemühungen überschnitten sich oft mit denen der Bundesregierung bei sogenannten Familienzusammenführungen. Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass Fluchten, legale Ausreisen und Freikäufe aller Art auch nach 1961 noch zu Einwohnerverlusten der DDR in Höhe von weit über einer halben Million führten. Und häufig waren es agile und gut ausgebildete Menschen, die für Westdeutschland eine Bereicherung, aber für die DDR einen schwer zu ersetzenden Verlust bedeuteten. Im letzten Kapitel des von Andreas H. Apelt herausgegebenen Buches wird eine Diskussion dokumentiert, an der neben anderen Ludwig A. Rehlinger und Elke-Ursel Hammer, Archivarin im Bundesarchiv und Bearbeiterin der Kommentare zu den Dokumenten des nachfolgend rezensierten ersten Bandes einer Edition von Aktenstücken über die Besonderen Humanitären Bemühungen der Bundesregierung, teilnahmen. Die Schwierigkeiten, die aus der bislang mangelnden Bereitschaft der verschiedenen Bundesregierungen resultierten, alle Unterlagen zum Thema Freikauf zur Publikation freizugeben, werden freimütig diskutiert. Nun, ein Jahr später, kann man an Hand des Sonderbandes aus der Reihe der "Dokumente zur Deutschlandpolitik" (DzD) studieren, ob die neue Publikation diese Schwierugkeiten beseitigt hat. "Besondere Bemühungen" der Bundesregierung Besondere Bemühungen (© Oldenbourg) Um das Wichtigste vorwegzunehmen: Es handelt sich um eine mustergültige Edition, die durch eine 80-seitige Einführung, ausführliche und sachgerechte Kommentierung der insgesamt 442 ausgewählten Dokumente aus Ost und West, Literaturverzeichnis sowie Sach- und Personenregister besticht. Wenngleich immer noch nicht sämtliche einschlägigen Dokumente, die im Bundesarchiv vorhanden sind, zur Veröffentlichung freigegeben wurden, wie Elke-Ursel Hammer mitteilt, so bleiben doch nicht mehr allzu viele Fragen offen. Dem Datenschutz ist es geschuldet, dass in vielen Fällen die Namen der freizukaufenden oder auszutauschenden Häftlinge auf die Initialen beschränkt wurden. Dennoch werden die häufig erschütternden Umstände der jeweiligen Fälle geschildert, soweit sie ermittelt werden konnten. Durch beigegebene Literaturangaben und Hinweise auf Presseartikel können sicherlich auch manche Klarnamen ohne allzu große Mühe herausgefunden werden. Über die erheblichen Summen, die aus dem Bundeshaushalt aufgebracht wurden (bis Ende 1969 fast 200 Millionen DM), wird detailliert berichtet. Nur aus den ebenfalls nicht unbedeutenden Summen, die die Rechtsanwälte Jürgen Stange (West) und Wolfgang Vogel (Ost) von der Bundesregierung für ihre in der Tat umfangreichen Bemühungen als Honorar erhalten haben und die sich in den 60er-Jahren jährlich im sechsstelligen DM-Bereich bewegten, wird immer noch ein Geheimnis gemacht. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz, das mit einigen wenigen Aktenstücken vertreten ist, konnte sich nicht dazu entschließen, die Namen von deren Verfassern bekanntzugeben. Dennoch: Viele Unklarheiten, die bislang noch über die Anfänge der Freikaufaktionen der verschiedenen Bundesregierungen bestanden, können nun als beseitigt gelten. Als Beispiel sei der oben erwähnte Vermerk des MfS-Majors Heinz Volpert vom 16. April 1963 erwähnt, der hier als Dokument Nr. 10 veröffentlicht wird. Über die Vorgeschichte berichten vier weitere Vermerke Volperts (Dok. 5–8), von denen der älteste vom 12. Januar 1963 datiert und die alle aus der Akte des "Geheimen Mitarbeiters 'Georg'" stammen, hinter dem sich als "zuverlässige Quelle" der in Ost- und West-Berlin zugelassene Rechtsanwalt Wolfgang Vogel verbarg. Vogel übernahm häufig Mandate von in der DDR inhaftierten Westdeutschen und hatte auch schon mehrfach an privaten oder kirchlichen Freikaufaktionen mitgewirkt. Bei ihm erschien am 7. Januar 1963 der Hamburger Ölkaufmann Otto Dinse und behauptete, er sei autorisiert zu erklären, dass das Bundeswirtschaftsministerium in Bonn interessiert sei, mit der DDR zu ähnlichen Vereinbarungen zu kommen, wie sie die USA im vorausgegangenen Jahr mit Kuba getroffen habe, als es darum ging, die bei dem gescheiterten Schweinebucht-Abenteuer festgenommenen "Konterrevolutionäre" wieder in die Vereinigten Staaten zurückzuholen. Dabei sei mit Warenlieferungen gezahlt worden. Der Gedanke, etwas ähnliches mit der DDR zu versuchen, lag seither sozusagen in der Luft. Der Leiter einer US-Mission in Berlin, Francis J. Meehan, lud am 6. Februar 1963 die Rechtsanwälte Stange und Vogel zu einem Mittagessen in seine Wohnung ein und erkundigte sich, ob bei einem Projekt Gefangenenaustausch gegen "hohen Kredit" oder sonstige wirtschaftliche Leistungen etwas zu machen sei. Darauf bezieht sich also der Hinweis Volperts in seinem Vermerk vom 10. April 1963, wo er von einer Ergänzung zu dem "beabsichtigten Geschäft Kredit – Häftlinge" spricht (Dok. 10). Ende Februar hatte das MfS den Eindruck, im Westen wolle man die Bundesregierung völlig aus dem Geschäft heraushalten und stattdessen "Industriekreise", nämlich die Firmen Krupp, Thyssen und Axel Springer, vorschieben. Auch Hans Globke, Staatssekretär im Bundeskanzleramt, sei dieser Ansicht (Dok. 7). Vier Wochen später jedoch hatte sich der "Kanal" Bundesregierung (Rechtsanwalt Jürgen Stange) – DDR (MfS/Rechtsanwalt Wolfgang Vogel) bereits verfestigt (Dok. 8). Im Westen war man sich allerdings noch nicht über Auftraggeber und Aufgabe Vogels im Klaren. Der Bundesminister Rainer Barzel wunderte sich, dass der bislang so erfolgreiche Anwalt von der DDR noch keinen Dauer-Passierschein für Verhandlungen auch in West-Berlin erhalten habe. Der MfS-Major Heinz Volpert erkannte, dass man im Westen hoffe, Wolfgang Vogel sei im Auftrage des DDR-Generalstaatsanwalts Josef Streit und nicht des Ministeriums für Staatssicherheit tätig. Also beschloss man, Vogel entsprechend aufzuwerten. Der Anwalt erhielt die auch von ihm gewünschte Dauergenehmigung für Westreisen, sowie ein ausdrückliches Verhandlungsmandat von Streit. Das beruhigte seine Verhandlungspartner im Westen, änderte aber nichts daran, dass es auch weiterhin das MfS war, bei dem die Informationen zusammenliefen und wo die zu treffenden Entscheidungen bezüglich Austausch und Freikauf erarbeitet wurden. Durch die Publikation eines wichtigen Teils der Stasi-Akten, soweit sie erhalten geblieben sind, kann jetzt ein unmittelbarer Vergleich mit den entsprechenden Unterlagen auf der Westseite vorgenommen werden. Dies ermöglicht hochinteressante Einblicke in Entscheidungsabläufe auf beiden Seiten der Front im Kalten Krieg. War bei der Freilassung der ersten acht Gefangenen von der Bundesregierung noch bar bezahlt worden, worüber Rehlinger in seinem Buch ausführlich berichtet, so wollte die Bundesregierung in der Folge das Verfahren ändern. Man wusste, dass die Evangelische Kirche bei entsprechenden Geschäften mit der DDR die Zahlungsmodalitäten dem Diakonischen Werk überlassen hatte und dass dort insbesondere dessen Direktor Ludwig Geißel über erhebliche Erfahrungen verfügte. Diesem Modell wollte man sich anschließen. Auf dieser Grundlage wurde erstmalig im Spätsommer 1964 die Freilassung von mehreren Hundert, zum Teil seit langem einsitzenden politischen Gefangenen erreicht. Dieses Verfahren wurde im Prinzip auch in den folgenden Jahren angewandt. Dabei galt folgendes: Verhandelt wurde von Anwälten. Rechtsanwalt Vogel erklärte, im Besitz einer Vollmacht des Generalstaatsanwalt der DDR zu sein. Sein West-Berliner Kollege Stange erklärte dasselbe für die beiden großen Kirchen in der Bundesrepublik und fügte hinzu, die Bundesregierung sei über alles informiert und billige und unterstütze das Vorhaben. Die materielle Gegenleistung des Westens bestand – abgesehen von einigen Personen, die ausgetauscht wurden – grundsätzlich in Warenlieferungen. Die Auswahl der Waren oblag der DDR, wobei die Bundesregierung Wert darauf legte, dass die Güter auch zur Verbesserung der Versorgungslage der Bevölkerung in der DDR geeignet waren. 1965 handelte es sich um Lieferungen von Mais, Butter, Ölen, Kaffee und Stickstoff (Düngemittel) sowie Rutilsand, Kautschuk, Aktivruß und Kadmium (Dok. 110 A). Die Bundesregierung stellte dem Direktor des Diakonischen Werkes eine bestimmte Geldsumme zur Verfügung, der entsprechend Ludwig Geißel die von der DDR gewünschten Waren bei Westfirmen bestellte und nach Lieferung bezahlte. Soweit die Kirchen bis zu diesem Zeitpunkt bei ihren eigenen Unternehmungen auch Barzahlungen vorgenommen hatten, musste auf diese Möglichkeit fortan verzichtet werden (Dok. 118, Anm. 3). Anfangs konnte die Bundesregierung noch mit gutem Gewissen behaupten, die Waren dienten unmittelbar der besseren Versorgung der Menschen in der DDR. Bald bürgerte es sich allerdings ein, in großem Umfang Waren zu liefern, zum Beispiel Erdölprodukte, aber auch Silber oder Industrie-Diamanten, die die DDR-Führung für die industrielle Produktion benötigte oder notfalls auch schnell und ohne besondere Umstände wieder zu Geld machen konnte. Auf jeden Fall – und das war in den 60er-Jahren noch sehr wichtig – konnte damals nicht behauptet werden, die Bundesregierung habe das Regime in der "Zone" anerkannt. Das änderte sich erst mit dem Abschluss des Grundlagenvertrags 1972. Auch für die Einschätzung der Rolle und der Möglichkeiten des Rechtsanwalts Wolfgang Vogel bietet die vorliegende Veröffentlichung von Dokumenten wichtiges Material. Vogel genoss als DDR-Rechtsanwalt mit erheblichen Erfahrungen in Ost-West-Angelegenheiten bereits vor 1963 bei Anwälten und Mandanten in beiden Teilen Deutschlands einen überwiegend guten Ruf. Viele hielten ihn für einen unabhängigen Vermittler zwischen Ost und West. Vogel selbst hat sich stets – auch mit Hilfe der Gerichte – gegen die Unterstellung gewehrt, er sei Mitarbeiter des MfS gewesen. Dies kann jedoch nicht mehr ernsthaft bestritten werden. Vogel wurde zumindest in den 60er-Jahren vom MfS gesteuert und hat diesem über alle relevanten Vorgänge umfangreich und genau berichtet. Das Anwaltsgeheimnis stellte dabei nie ein Problem dar. Vogel war frühzeitig die Möglichkeit eingeräumt worden, unmittelbar persönlich auch mit Entscheidungsträgern im Westen zusammenzutreffen (Rainer Barzel, Erich Mende und besonders Herbert Wehner). Insofern wurde die Verhandlungsposition des Rechtsanwalts Jürgen Stange aufgeweicht. Vogel wurde zunehmend auch von der westlichen Seite als Mann ihres Vertrauens betrachtet und dementsprechend honoriert, was in dieser Absolutheit wohl nicht berechtigt war. Dennoch war der gute Ruf, den Vogel im Westen genoss, nicht ganz unberechtigt. Vogel war von seinem Charakter und von seiner Intelligenz her in der Lage, sich auch im geschlossenen System des MfS eine gewisse geistige Unabhängigkeit zu bewahren und im Einzelfall sowohl im Osten als auch im Westen sachdienliche Ratschläge zu geben und manchmal sogar durchzusetzen. Dabei war es ihm wichtig, nie etwas zu versprechen, was er nicht halten konnte, und möglichst nichts zu behaupten, was sich später als unwahr herausstellen könnte. Im Westen behauptete er nie, in der DDR entscheidenden Einfluss zu besitzen; er könne nur Ratschläge erteilen. Und so war es wohl auch. Aber Vogels Ratschläge hielten die heiklen Geschäfte, die er betrieb, bis zur Wiedervereinigung am Laufen, nicht zuletzt auch zu seinem eigenen materiellen Nutzen. Im politischen Bonn war man sich dessen bewusst, dass der Westen mit seinem grundsätzlich humanitären Anliegen durch die östlichen Stellen erpressbar war. Man akzeptierte, dass das kommunistische "Zonen"-Regime durch die vom Westen bezahlten Lieferungen in gewisser Weise stabilisiert wurde. Schnell erkannte man, dass die DDR-Führung die materiellen Leistungen des Westens schon bald in ihrem Etat fest einplante. Sie hatte das Bestreben, "Freikäufe" zu einer Dauereinrichtung werden zu lassen, was ursprünglich im Westen nicht so beabsichtigt war. Nachdem Mitte der 60er-Jahre die meisten "Langstrafer" – aktive Widerstandskämpfer gegen das kommunistische Regime – freigekommen waren, konzentrierte sich jetzt das Interesse auf gescheiterte Flüchtlinge und verhaftete Fluchthelfer (häufig Studenten) aus dem Westen. Besonders intensiv gefeilscht wurde um die zahlreichen Agenten etwa des Bundesnachrichtendienstes (BND) in DDR-Gefängnissen. In diesem Bereich ging es nicht nur um Geld, sondern immer auch um Austausch von Gefangenen, die der Westen allerdings nur beschränkt zur Verfügung hatte. Da die zuständigen westlichen Stellen keine vollständige Übersicht über politische Häftlinge im Osten hatten, war die Bundesregierung auch auf entsprechende Hinweise aus der DDR angewiesen. Deren Stellen versuchten auch, auf diese Weise rein kriminelle Personen gewinnbringend in den Westen abzuschieben. Zurückweisen konnte die Bundesregierung solche Personen, die meist die (gesamt-)deutsche Staatsangehörigkeit besaßen, natürlich nicht. Wenn die Hintergründe bekannt wurden, lehnte sie aber entsprechende Bezahlungen ab. Dennoch haben diese "Zugaben" der DDR, wenn die Personen im Westen erneut straffällig wurden, die Akzeptanz der Freikäufe durch die westdeutsche Bevölkerung belastet. Die Bundesregierung konnte – wegen der mit der DDR vereinbarten Geheimhaltung – die Öffentlichkeit ja nicht über alle Einzelheiten der Aktion informieren. Da echte politische Gefangene, die die DDR-Führung in den Westen "verkaufen" wollte, nach den großen Entlassungsaktionen in den Jahren 1964–1966 nicht mehr unbegrenzt zur Verfügung standen, ließ sie sich in der Folgezeit, um ihre devisenähnlichen Einnahmen nicht zu gefährden, zunehmend auch auf Geschäfte mit Familienzusammenführungen ein. Anfangs betraf das vor allem Familien, die durch die Sperrmaßnahmen vom 13. August 1961 auseinandergerissen worden waren. Kostete in dieser Zeit der einzelne Häftling etwa 40.000 DM, so waren arbeitsfähige Erwachsene in diesen "F"-Fällen schon für 11 500 DM zu haben. Rentner ließ man während der ganzen Existenz der DDR, abgesehen von Sicherheitsfällen, immer problemlos ausreisen. Sie entlasteten ja die Rentenkassen und den Wohnungsmarkt im Osten. Nur bei Ausreisegenehmigungen für Kinder hatte die DDR-Führung Skrupel, geldwerte Leistungen zu verlangen. Sie wollte sich nicht dem Verdacht aussetzen, die Zukunft ihres Volkes an "Kapitalisten" und "Imperialisten" zu verkaufen. Allerdings verstand sie es in anderen Fällen durchaus, auch Kinder als politisches Druckmittel einzusetzen. Insgesamt kann man sagen, dass bis zum Ende der DDR nicht nur die Haftfälle, sondern auch und gerade die Familienfälle immer wieder nachwuchsen. Das überraschte schon 1969 den damaligen Ministerialrat Rehlinger, der in einem Vermerk festhielt: "In bezug auf die Familienzusammenführung und die Kinderrückführung ist bemerkenswert abschließend festzuhalten, dass ständig neue Anliegen auftreten; obwohl die Beteiligten die Schwierigkeiten kennen bzw. kennen müssen, werden neue Verlöbnisse geschlossen und Kinder geboren, deren Eltern in der DDR und in der Bundesrepublik beheimatet sind. Es ist dies auch politisch gesehen ein erstaunliches Zeichen." (Dok. 395) – Daran änderte sich bis Ende 1989 nichts; im Gegenteil. Dies ist vor allem nach 1972 auf die durch die Vertragspolitik geschaffenen neuen Einreisemöglichkeiten in die DDR für West-Berliner und Bundesbürger zurückzuführen, die die verwandtschaftlichen Beziehungen stärkten und neue ermöglichten. Das Interesse vor allem der Ostseite an Geheimhaltung der Freikauf-Verhandlungen und ihrer Ergebnisse war groß. Sie musste allerdings bald zur Kenntnis nehmen, dass die Bundesregierung überfordert war, wenn man von ihr verlangte, sie solle Medienberichte generell unterbinden. Dies gelang allenfalls in Einzelfällen durch Überzeugungsarbeit, wenn etwa das ZDF bewogen wurde, auf die Ausstrahlung eines Films über einen Sorgerechtsstreit um ein Kind, das bei Verwandten im Westen lebte und eine erziehungsberechtigte Mutter im Osten hatte, im Interesse der Sache zu verzichten (Dok. 182 u. 306). Ansonsten musste auch das MfS erkennen, dass sich westliche staatliche Stellen zwar zum Schweigen verpflichten konnten, dass man aber die Medien weder an Recherchen noch an Veröffentlichungen zum Thema Freikauf hindern konnte. Es gab einfach zu viele Mitwisser. Dies hatte unmittelbare Auswirkungen auch auf das kommunistische Regime. Ab 1966 berichteten entlassene Strafgefangene, die Verfahren in der DDR seien justizförmiger geworden, Prügel und andere Foltermaßnahmen bei Vernehmungen und im Strafvollzug gebe es kaum noch, ausgesprochen schikanöse Behandlung sei selten geworden. DDR-Strafvollzugsbedienstete konnten nicht mehr sicher sein, dass etwaige Schandtaten im Westen nicht bekannt würden. Im ersten Jahrzehnt des Freikaufs von Menschen aus DDR-Haft und der Ermöglichung von Übersiedlungen in den Westen in relativ großem Umfang wurden Erleichterungen im humanitären Bereich erreicht, obwohl zu dieser Zeit noch keinerlei offizielle Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin auf der einen Seite und der DDR (einschließlich Ost-Berlin) auf der anderen Seite bestanden. Das Thema "Anerkennung der DDR" war in dieser Zeit im Westen hoch umstritten und teilweise tabuisiert. Daran änderte sich erst etwas, als nach 1969 die neue Ostpolitik der sozialliberalen Regierung unter Willy Brandt und Walter Scheel mit dem Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR zu einer wechselseitigen, allerdings nicht völkerrechtlichen Anerkennung führte. Nunmehr brauchte sich die Westseite bei der Erteilung eines Mandats an Rechtsanwälte für Verhandlungen mit dem Osten nicht mehr hinter dem Rücken der Kirchen zu verstecken. Dennoch blieb in der Folgezeit bis zur Wiedervereinigung gerade im humanitären Bereich manches erhalten, was schon in den 60er-Jahren erprobt worden war: die Verhandlungen über Anwälte, die Saldierung von Unterhaltsansprüchen von Kindern über die Grenze hinweg, um Auszahlungen im jeweils anderen Währungsgebiet zu ermöglichen (in den hier veröffentlichten Dokumenten nicht ganz korrekt als "Mündelgelder" bezeichnet), der Gefangenenaustausch in Spionagefällen und manches mehr. Auch das wechselseitige Misstrauen blieb – allen Entspannungsbemühungen zum Trotz – eine Konstante. Man war und blieb "Gegner", wenn nicht gar "Feind" im Kalten Krieg. Eine abschließende Beurteilung der Frage, ob die hier behandelten humanitären Bemühungen politisch mehr der Ost- oder der Westseite genützt haben, ist auch auf der Basis dieses höchst informativen Sonderbandes der DzD für die Jahre von 1962 bis 1969 noch nicht möglich. Dafür bedarf es noch der Vorlage des angekündigten Folgebandes für die Zeit bis Ende 1989. Es ist sehr zu hoffen, dass er zeitnah erscheinen kann, zumal im Zusammenhang mit der Affäre Hirt – der Ministerialdirektor hatte mehrere Millionen D-Mark, die für humanitäre Maßnahmen bestimmt waren, für andere Zwecke verwendet – oder vor dem Hintergrund, dass in den 80er-Jahren selbst in Westdeutschland die Angst vor einer Destabilisierung der DDR um sich griff, auch noch einige politische Überraschungen möglich wären. Schon jetzt kann man jedenfalls für die 60er-Jahre sagen, dass die DDR-Führung zwar erhebliche wirtschaftliche und finanzielle Vorteile aus dem Freikauf erzielte und durch das Abschieben von inneren Gegnern auch zeitweise für mehr "Ruhe im Karton" sorgen konnte, aber insgesamt politisch und ideologisch doch einen hohen Preis zahlen musste. Er hat wahrscheinlich nicht wenig zu ihrem unrühmlichen Ende beigetragen. Ludwig A. Rehlinger, Freikauf (© Mitteldeutscher Verlag) Thomas von Lindheim, Bezahlte Freiheit (© Nomos) Andreas H. Apelt (Hg.), Flucht, Ausreise, Freikauf (© Mitteldeutscher Verlag) Besondere Bemühungen (© Oldenbourg) Vgl. zur Entstehung zuletzt Reymar von Wedel, Die Entstehung der "Haftaktion", Interner Link: http://www.bpb.de/139629, sowie Jan Philipp Wölbern, Die Entstehung des "Häftlingsfreikaufs", 1962–1964, in: DA 41 (2008) 5, S. 856–867, u. die Anmerkungen dazu v. Norbert F. Pötzl, Ein abstruser Stasi-Vermerk und eine spekulative These, in: DA 41 (2008) 6, S. 1032–1035, u. v. Reymar von Wedel, Stellungnahme, ebd. S. 1035f, sowie die Replik Wölberns, in: DA 42 (2009) 1, S. 82–86. Operative Information der Hauptabteilung V/5, in: DA 44 (2011) 3, S. 383f, kommentiert v. Detlef Kühn, Häftlingsfreikauf, ebd., S. 381f. Ebd. "So war die Aktion zunächst keinesfalls auf politische Häftlinge beschränkt. Nach einer Mitteilung von Stange an Volpert war die Bundesregierung auch damit einverstanden, d. h. sie wollte zunächst die Personenauswahl der DDR überlassen, war also an einem bestimmten Personenkreis nicht interessiert, mit der Maßgabe, dass es sich um Westdeutshe oder Westberliner handeln müsse." (18) Thomas von Lindheim verkennt zudem, dass es sich bei der angeblichen Mitteilung des Rechtsanwalts Jürgen Stange nicht um eine solche an Heinz Volpert, sondern an den Rechtsanwalt Wolfgang Vogel handelt, der dann seinen Führungsoffizier Volpert informierte. Vgl. Dok. 11 u. 15 des nachfolgend angezeigten DzD-Sonderbandes. S. hierzu auch Dok. 131, 135 u. insb. 394, Anm.1. Dok. 6, Anm. 4, s. auch Dok. 11. Dok. Nr. 15 v. 21.6.1963. Dok. Nr. 50 v. 15.5.1964.
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Detlef Kühn
2022-09-02T00:00:00
2012-09-20T00:00:00
2022-09-02T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/144699/humanitaere-bemuehungen-zentrale-massnahmen/
In Bonn sprach man von "humanitären Bemühungen", in Ost-Berlin von "zentralen Maßnahmen". Gemeint war der "Freikauf" von politischen Häftlingen aus der DDR durch die Bundesregierung. Das Thema findet bis heute ein großes öffentliches Interesse.
[ "Freikauf", "politische Haft", "innerdeutsche Beziehungen", "Ministerium für Staatssicherheit", "Deutschland", "Bundesrepublik Deutschland", "DDR", "Bonn", "Berlin", "Hamburg" ]
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Bildungsleistungen und langfristiges Wirtschaftswachstum (1960-2000) | Bildung | bpb.de
Der Bildungsstand der Bevölkerung eines Landes ist mit seiner wirtschaftlichen Entwicklung aufs engste verknüpft. So können Ökonomen zeigen, dass Länder, die bei den seit Mitte der 1960er Jahre international durchgeführten Schulleistungsstudien gut abschnitten, ein deutlich höheres Wirtschaftswachstum erzielten, als Länder, die bei diesen Studien schlecht abschnitten. Während z. B. Singapur (SGP) als eines der Länder mit den höchsten Bildungsleistungen jährlich mit durchschnittlich über 6 Prozent gewachsen ist, lag die Wachstumsrate von Peru (PER) als einem der Länder mit den niedrigsten Bildungsleistungen bei unter 1 Prozent. Diese Grafik finden Sie im Text Interner Link: "Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Bildung" von Ludger Wößmann.
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Bundeszentrale für politische Bildung
2022-01-14T00:00:00
2015-01-26T00:00:00
2022-01-14T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/bildung/dossier-bildung/199758/bildungsleistungen-und-langfristiges-wirtschaftswachstum-1960-2000/
Verknüpfung des Bildungsstands der Bevölkerung eines Landes mit seiner wirtschaftlichen Entwicklung
[ "Bildungsleistung", "Wirtschaftswachstum" ]
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Authors | South Africa | bpb.de
Coordination: Dr. Malte Steinbrink is social geographer at the Institute for Geography (IfG) and member of the Institute for Migration Research and Intercultural Studies (IMIS) of the University of Osnabrück, Germany. He is Senior Research Fellow at the University of Johannesburg (UJ). His research interests comprise geographic development and mobility research (especially migration and tourism) with a special focus on social inequalities and processes of urbanization in the Global South. Email: E-Mail Link: malte.steinbrink@uni-osnabrueck.de About the Authors Frauke Peisker holds a bachelor's degree in political sciences and sociology of the University of Erlangen-Nuremberg and is currently enrolled in the master's program "International Migration and Intercultural Relations" at the University of Osnabrück, Germany. Email: E-Mail Link: frauke.peisker@googlemail.com Kim Katharina Runge is a student in the master's program "Economic and Social Geography" at the University of Osnabrück, Germany. Email: E-Mail Link: kim.katharina.runge@googlemail.com Berenike Schauwinhold is a student in the master's program "Economic and Social Geography" at the University of Osnabrück, Germany. Email: E-Mail Link: berenike.schauwinhold@gmail.com Katharina Schilling holds a bachelor's degree in social work of the Catholic University of Applied Sciences North Rhine-Westphalia (Cologne) and is currently enrolled in the master's program "International Migration and Intercultural Relations" at the University of Osnabrück, Germany .Email: E-Mail Link: schilling-k@gmx.de Jan-Berent Schmidt is member of staff of the Research Network Osnabrück and enrolled in the master's program "Economic and Social Geography" at the University of Osnabrück, Germany. Email: E-Mail Link: jaschmid@uni-osnabrueck.de Rita Schmidt is a student in the master's program "International Migration and Intercultural Relations" at the University of Osnabrück, Germany. Email: E-Mail Link: rita.schmidt88@gmx.de
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Bundeszentrale für politische Bildung
2015-02-13T00:00:00
2015-02-12T00:00:00
2015-02-13T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/migration-integration/laenderprofile/english-version-country-profiles/200995/authors/
This country profile is the result of a seminar at the Institute for Geography of the University of Osnabrück, Germany.
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Christlich-Soziale Union in Bayern e.V. | Landtagswahl Bayern 2018 | bpb.de
Gründungsjahr 1945* Mitgliederzahl 140.284 (Stand 31.08.2018)* Parteivorsitz Horst Seehofer* Wahlergebnis 2013 47,7 Prozent *nach Angaben der Partei Die "Christlich-Soziale Union in Bayern e.V." (CSU) ist eine christlich-konservative Partei, die bei allen Wahlen ausschließlich in Bayern antritt. 1945 entstand die CSU als interkonfessionelle Sammlungsbewegung mit einem breiten programmatischen Spektrum, das soziale und liberale Elemente mit einschließt. Seit 1949 ist sie in einer festen Fraktionsgemeinschaft mit der CDU im Deutschen Bundestag. Mit der Ausnahme von 1954 bis 1957 ist die CSU seit 1946 Regierungspartei des Freistaats und stellt als stärkste Fraktion im Bayerischen Landtag den Ministerpräsidenten. Bis auf eine kurze Unterbrechung von 2003 bis 2008 konnte sie seit 1966 die absolute Mehrheit im Landtag halten. An allen unions-geführten Regierungen im Bund war die CSU beteiligt. Daraus leitet sie für sich die Rolle als "Hüterin der bayerischen Interessen" ab. Sie gilt als erfolgreichste deutsche Regionalpartei. Die CSU strebt eine Verschmelzung von Tradition und Moderne an, was sich in dem selbstgewählten Motto von "Laptop und Lederhose" ausdrückt. Die CSU tritt in ganz Bayern zur Wahl an. Interner Link: Eine Übersicht über alle zugelassenen Landeslisten finden Sie hier. (bpb, TUBS) Lizenz: cc by-sa/3.0/de Im Vorfeld der Landtagswahl hat die CSU unter dem Titel "Ja zu Bayern!" ein Wahlprogramm veröffentlicht und seit dem Amtsantritt des Ministerpräsidenten Markus Söder im Frühjahr 2018 zahlreiche politische Vorhaben skizziert. Dabei setzt die CSU auf Digitalisierung in der Verwaltung und Wirtschaft. 50.000 Klassenzimmer sollen besser ausgestattet, das schnelle Internet und die Mobilfunkversorgung ausgebaut werden. Über stärkere Förderung und den staatlichen Bau von Wohnungen will die CSU den sozialen Wohnungsbau und die Schaffung von Wohneigentum vorantreiben. Über ein eigenes Landespflegegeld sollen noch vor der Landtagswahl die Angehörigen von Pflegebedürftigen finanziell unterstützt werden. Insgesamt dominiert allerdings das Thema Sicherheit den CSU-Wahlkampf. Seit den stark angestiegenen Zahlen Asylsuchender des Jahres 2015 tritt die CSU für ein verschärftes Asylrecht und harte Grenzkontrollen ein. Die CSU führte bereits eine "Bayerische Grenzpolizei" ein und möchte "mit eigenen Abschiebeflügen die Zahl der Rückführungen" steigern. Die CSU wird im Landtagswahlkampf 2018 von einer Doppelspitze geführt: dem Bayerischen Ministerpräsidenten und Spitzenkandidaten Markus Söder und dem Bundesinnenminister Horst Seehofer als Parteivorsitzenden. Gründungsjahr 1945* Mitgliederzahl 140.284 (Stand 31.08.2018)* Parteivorsitz Horst Seehofer* Wahlergebnis 2013 47,7 Prozent *nach Angaben der Partei Die CSU tritt in ganz Bayern zur Wahl an. Interner Link: Eine Übersicht über alle zugelassenen Landeslisten finden Sie hier. (bpb, TUBS) Lizenz: cc by-sa/3.0/de
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Bundeszentrale für politische Bildung
2018-09-20T00:00:00
2018-08-21T00:00:00
2018-09-20T00:00:00
https://www.bpb.de/themen/parteien/wer-steht-zur-wahl/bayern-2018/274554/christlich-soziale-union-in-bayern-e-v/
Die CSU ist eine christlich-konservative Partei, die ausschließlich in Bayern zu Wahlen antritt. Seit 1957 stellt sie ununterbrochen den Bayerischen Ministerpräsidenten. Im Wahlkampf tritt sie u.a. für Grenzkontrollen, die Förderung des Wohnungsbaus
[ "Landtagswahl Bayern 2018", "Wer steht zur Wahl", "CSU", "Bayern" ]
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Freiheit durch Sicherheit? | Verwundbarkeit hochindustrieller Gesellschaften - Innere Sicherheit - Demokratie | bpb.de
I. Rechtsstaat und Präventionsstaat Vor sieben Jahren habe ich Vielfalt, Sicherheit und Solidarität in ihrer doppelten Gestalt als Verfassungsideale einerseits und existenzielle Grundbefindlichkeiten andererseits beschrieben. Interner Link: PDF-Version: 71 KB Nunmehr hat die "neue Dimension des Terrorismus" dem Gesetzgeber ein "neues Sicherheitskonzept" abgefordert, das einen ersten paragraphenreichen Ausdruck in dem "Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz)" gefunden hat. Dieses ist am 1. Januar 2002 in Kraft getreten und in wesentlichen Teilen auf fünf Jahre befristet. So neu ist das Sicherheitskonzept freilich nicht, vielmehr ist es die konsequente Frucht eines Sicherheitsdenkens im Präventionsstaat, wie dies spätestens seit dem "Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität" vom 15. Juli 1992 mit zahlreichen Normierungen zum Ausdruck gekommen ist, vom Lauschangriff bis zur Raster- oder Schleierfahndung und zur Überwachung des nicht leitungsgebundenen internationalen Fernmeldeverkehrs. Die bei der Aufklärung des Massenmordes vom 11. September 2001 sichtbar gewordenen kriminellen Bedrohungsstrukturen stellen die Grundmuster des rechtsstaatlich scharf konturierten Polizei- und Sicherheitsrechts auf eine harte Probe. Da hat es die Polizei nicht mehr (nur) mit einer sichtbaren, situativ und personell individuierten, zeitlich abschätzbaren, eben konkreten Gefahr zu tun, sondern mit einer unabsehbar großen Zahl einzelner, unsichtbarer und unbekannter Risikoquellen, die nach jahre- oder jahrzehntelanger Latenz - also vollkommener polizeilicher "Unauffälligkeit" - plötzlich an unvermutetem Ort und in unvorhersehbarer Art und Weise, aber mit höchster, vor Selbstzerstörung nicht zurückschreckender Tatenergie aktiv werden. Der betrunkene Randalierer, der gewalttätige Demonstrant ist sichtbar und sein Verhalten einschätzbar, auch der geiselnehmende Bankräuber, der seine Beute in Sicherheit bringen will, ist kalkulierbar; ganze Krimi-Serien "leben" von dem Duell strategischer Züge zwischen Täter und Detektiv, deren Rationalität der Zuschauer nachvollziehen soll. Ganz anders der "Schläfer", der jahrelang friedlich-freundlich, seine Gefährlichkeit verbergend unter uns lebt, seinen Studien nachgeht, eine preiswürdige Diplomarbeit schreibt und dann eines Tages, synchron mit seinesgleichen, mit unerhörter Wucht und Brutalität zuschlägt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, des "schonendsten Mittels", greift nicht gegenüber dem, der weder sich noch andere schonen will, gegenüber dem Selbstmord-Attentäter. Die Auswahl des "geeigneten Mittels" wird unmöglich, wo die Mittel-Zweck-Relation in jeder Hinsicht unbestimmt ist, weil die Gefahr zwar existent, hinsichtlich ihrer Modalitäten aber völlig unbekannt ist. Nicht anders verhält es sich hinsichtlich des zweiten großen Aufgabenfeldes der Polizei, der Strafverfolgung. Ihre "repressiven" Befugnisse eröffnen sich erst, wenn ein konkreter Tatverdacht, wenigstens als "Anfangsverdacht" einer konkreten Straftat, vorliegt. Das "Vorfeld" strafrechtlich relevanten Verhaltens, etwa unterhalb der Schwelle des Tatbestandes der "Volksverhetzung" (§ 130 StGB), ist weit. Es ist nicht Aufgabe der Polizei, extremen Überzeugungen oder Gesinnungen nachzuforschen, solange sie nicht in konkreten Taten ihren (strafbaren) Niederschlag finden. "Gesinnung aber kann nur von der Gesinnung erkannt und beurteilt werden. Es herrscht somit der Verdacht; die Tugend aber, sobald sie verdächtig wird, ist schon verurteilt." Hegel meinte gerade nicht den auf bestimmte Tatsachen gestützten Tatverdacht im Sinne der Strafprozessordnung, sondern den bloßen Gesinnungsverdacht, welcher dem jakobinischen Tugendterror als Anknüpfung genügte, um die (proklamierte) Herrschaft der Gesetze durch die (praktizierte) Herrschaft der Guillotine zu ersetzen. Man darf an diesen Erfahrungshintergrund ebenso erinnern wie an seine spezifisch deutsche Reprise im nationalsozialistischen Tugendterror der "Geheimen Staatspolizei" (Gestapo), wenn man sich heute die rechtsstaatliche Funktion einer funktionalen und organisatorischen Trennung von Verfassungsschutz und Polizei klar vor Augen führen will. In Victor Klemperers Tagebüchern 1933-1945 kann man nachlesen, welch lebensrettende "Rechts-Wohltat" es für den Betroffenen bedeutet, durch ein (vielleicht hartes, aber immerhin) Urteil der ordentlichen Justiz zu einer "gewöhnlichen" Gefängnisstrafe verurteilt zu werden, anstatt ohne jegliches Verfahren (denn Folter-Verhöre sind keine "Verfahren" in diesem Sinne) sogleich der Gestapo-Einweisung in ein "Schutzhaftlager", d. h. KZ, oder dem Abtransport in ein Vernichtungslager anheimzufallen. Hier ist möglicherweise absichtsvollen Missverständnissen vorzubeugen: Die historische Erinnerung impliziert nicht die Behauptung, mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz befänden wir uns bereits wieder auf dem Weg zu einem mit dem NS-System vergleichbaren Sicherheits-Verbund. Eine solche Behauptung wäre aus mehreren Gründen falsch. Zum einen bleiben wesentliche Grundlagen des bisherigen Verfassungsschutzrechts unangetastet: das Gesetzmäßigkeitsprinzip, das Gebot der organisatorischen Trennung von Polizei und Nachrichtendienst sowie der Ausschluss polizeilicher Zwangsbefugnisse. Bei Auskunftsersuchen des Verfassungsschutzamtes darf dieses selbst nur die für die Ermöglichung der Auskunft unerlässlichen personenbezogenen Daten an die ersuchte Stelle übermitteln, eine Konsequenz des selbstverständlich zu beachtenden Übermaßverbots (§ 8 Abs. 1 [neu] BVerfSchG). Zum anderen wirkt die föderale Struktur des Aufbaus der Sicherheitsbehörden trotz des informationellen "Zusammenwachsens" immer noch gewaltenteilend und -begrenzend. Um den Unterschied zwischen dem damaligen einheitlichen und zentralisierten NS-Sicherheitsrecht und dem heutigen gegliederten Polizei- und Verfassungsschutzrecht klar zu erfassen, lese man einmal das Regelwerk der 22 Artikel des Terrorismusbekämpfungsgesetzes, und dann ziehe man den Vergleich zu der bekannten Definition des nationalsozialistischen Polizeirechts. Nach dieser "hat die Polizei als ,Hüterin der Gemeinschaft' . . . überall dort einzuschreiten, wo deren Belange es erfordern. Weder ist dafür ein gesetzlicher Auftrag notwendig, noch gibt es eine sie hindernde gesetzliche Schranke; ihr Ziel ist die innere Sicherheit der deutschen Volksordnung gegen jede Störung und Zerstörung. Ihre Tätigkeit darf durch Normen weder gebunden noch beschränkt werden, das nationalsozialistische Polizeirecht muss vielmehr mit den bisherigen Spezial- und Generallegitimationen brechen" . Die historische Erinnerung ist dennoch nützlich, ja unerlässlich; sie hilft, die feine, beinahe unsichtbare Grenze zu erkennen, an welcher der Rechtsstaat in den Präventionsstaat übergeht. Beide gehorchen den Regeln jeweils spezifischer Funktionslogiken, jener denen der Freiheit und der Autonomie, dieser denen der Sicherheitsmaximierung und der instrumentellen Effizienz. Es geht allerdings nicht um ein schroffes Entweder-oder, sondern angesichts der terroristischen Bedrohung besteht die Aufgabe darin, die ideale Kombination der beiden Zielsetzungen in der Weise zu finden, dass das maximale Maß an Freiheit durch eine optimale Gewährleistung von Sicherheit erhalten wird. Dass hier die Balance nicht einfach zu finden und zu halten ist, zeigt sich in den gegensätzlichen Einschätzungen desselben Gesetzestextes durch die maßgeblichen Politiker: Während die rot-grüne Koalition ihren Entwurf in der aus der internen Kritik und der öffentlichen Anhörung (am 30. November 2001) hervorgegangenen "gereinigten" Fassung als die gelungene Verbindung der "strenge(n) Beachtung rechtsstaatlicher Prinzipien mit der notwendigen Effektivität bei der Kriminalitätsbekämpfung und Terrorprävention" lobt, sehen die Oppositionsparteien teils die Rechtsstaatlichkeit gefährdet (FDP und PDS), teils im Gegenteil das Sicherheitsbedürfnis verfehlt (CDU/CSU). Wer hat Recht? Sicher ist nur eines: Die Probleme lassen sich nicht durch Pauschalforderungen oder -angebote lösen. Weder das verfassungsrechtlich nicht begründbare Postulat einer Informationseinheit sämtlicher Sicherheitsbehörden, das seinerzeit (1983/84) gegen die "Erfindung" des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch das Bundesverfassungsgericht und die damit erforderliche "informationelle Gewaltenteilung" ins Feld geführt wurde, noch andererseits das Menetekel vom "Überwachungsstaat" sind in ihrer Undifferenziertheit geeignet, die (scheinbare) Quadratur des Zirkels von Freiheit und Sicherheit zu lösen. Selbstverständlich erfordert die Terrorismusbekämpfung ein Stück "Überwachungsstaat" - die Frage ist nur, wieviel, unter welchen Voraussetzungen, mit welchen Mitteln, in welchen Verfahren und mit welchen Kontrollen? II. Hauptelemente der Sicherheitsstrategie Hält man sich die Geschehnisse vom 11. September, ihre Entstehungsgeschichte, die Biographien der Akteure, deren soziales und religiöses Umfeld sowie die realen Bedingungen ähnlich motivierter, organisierter und gesteuerter Terroraktionen vor Augen, so liegen die legislativen Themenfelder einer möglichen Präventionsstrategie auf der Hand. Das Terrorismusbekämpfungsgesetz greift sie auf: - Erkennung und Beobachtung gewaltbereiter und möglicherweise gewaltvorbereitender "Bestrebungen" mit grenzüberschreitenden Bezügen. Hier sind, im weiten Vorfeld eigentlicher Polizeiarbeit, auch die Nachrichtendienste mit allerdings veränderter Aufgabenstellung gefordert (Verfassungsschutzämter, MAD, BND); - Sicherung besonders sicherheitsempfindlicher lebens- oder verteidigungswichtiger Einrichtungen durch "vorbeugenden personellen Sabotageschutz", z. B. durch die Ergänzung des Sicherheitsüberprüfungs- und des Luftverkehrsgesetzes; - Sicherung der Identitätsfeststellungen (Passgesetz, Personalausweisgesetz); - Überwachung des Vereinslebens ausländischer Mitbürger; - Ausweitung der Kompetenzen des Bundeskriminalamtes; - Überwachung des Ein- und Ausreiseverkehrs, Verschärfung des Visumverfahrens und der Ausweisungsmöglichkeiten (Ausländergesetz, Asylverfahrensgesetz, Nebengesetze); - Sicherung der Energieversorgung gegen Störungen (Energiesicherungsgesetz); - Evaluation der wichtigsten Maßnahmen und Befristung der Regelungen. 1. Verfassungsschutz Die zentrale Rolle, die dem Bundesamt für Verfassungsschutz und - unter bestimmten Voraussetzungen - auch den Landesämtern künftig bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zugedacht ist, wird nur sichtbar, wenn man die Befugniserweiterungen (§ 8 Abs. 5 bis 11, § 9 Abs. 4 BVerfSchG) zusammen mit der Aufgabenerweiterung in den Blick nimmt. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 (neu) BVerfSchG gehört zu den Aufgaben des Amtes künftig auch das Sammeln und Auswerten von Informationen über "Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Art. 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind". Der Gedanke der Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker sind ebenso schutz- und förderungswürdig wie der "Tatbestand" einer "dagegen gerichteten Bestrebung" höchst unbestimmt und nahezu uferlos weit ist. Ein "Pfingsttreffen" der Sudetendeutschen, bei dem das Unrecht ihrer Vertreibung geltend gemacht wird, kann ebenso darunter fallen wie die Forderung auf Anerkennung der "Rückkehr" der Palästinenser oder die Unterstützung einer der zahllosen Autonomiebestrebungen auf der Welt. Gewaltanwendung oder Gewaltvorbereitung sind - im Unterschied zu dem mit der bisherigen Klausel des § 3 Abs. 1 Nr. 3 erfassten "Ausländerextremismus" - nicht Voraussetzung für die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Im Hinblick auf die weitreichenden neuen Befugnisse zur Überwachung der Geld-, Transport- und Reisebewegungen sowie des Postverkehrs und der Telekommunikationsverbindungs- und Teledienstenutzungsdaten erwartet man in der Gesetzesbegründung eine klare Auskunft zur grundgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für diese neue Gesetzgebung. Der Allgemeine Teil der Begründung des Gesetzentwurfs verweist lediglich auf Art. 73 Nr. 10 b) GG. Dies überrascht um so mehr, als man schon 1972 anlässlich der Einfügung der Ausländerextremismus-Klausel in das BVerfSchG klar die Notwendigkeit erkannt hatte, hierfür eine neue verfassungsrechtliche Deckungsnorm zu schaffen, weil weder Art. 73 Nr. 10 a) noch Nr. 10 b) GG hierfür ausreichten. Daher wurde damals der Kompetenzkatalog durch Nr. 10 c) ergänzt, deren Wortlaut dem der Ergänzung des BVerfSchG entspricht. Jetzt wird die Notwendigkeit der Einführung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG mit dem Ungenügen der 1972 normierten Ergänzung begründet: Diese erfasse nicht Bestrebungen, "die sich gegen politische Gegner im Ausland richten und denen Gewaltanwendung oder entsprechende Vorbereitungshandlungen in Deutschland, die zugleich Auswirkungen auf die innere Sicherheit der Bundesrepublik haben, nicht oder nur sehr schwer nachzuweisen sind". Wenn aber § 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG die jetzt anvisierten "Bestrebungen" der "Schläfer" und anderer Terroristen, die Deutschland als "Ruheraum" benutzen und dann irgendwo im Ausland Gewaltakte begehen, nicht erfasst, dann kann auch die wortlautgleiche Kompetenznorm des Art. 73 Nr. 10 c) GG die aktuelle Erweiterung der Verfassungsschutzaufgaben (Nr. 4) nicht tragen. Ebenso muss aber auch der Rekurs auf Art. 73 Nr. 10 b) GG als kompetenzrechtliche Deckungsnorm scheitern. Bestrebungen, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung und insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker richten, sich aber durch Gewaltaktionen nur im Ausland (nicht notwendig im Heimatstaat der Täter), jedoch nicht im Inland manifestieren, können weder als Angriffe auf die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik noch als Gefährdungen des Bestandes oder (!) der Sicherheit des Bundes oder eines Landes qualifiziert werden. Gegenstand des in Nr. 10 b) legal definierten Verfassungsschutzes sind nur diejenigen Schutzgüter der inländischen Verfassungsrechtsordnung, wie sie in Anlehnung an die Entscheidung des Bundesverfassunggerichts von 1952 in § 4 BVerfSchG aufgezählt wurden. So umfasst die "freiheitliche demokratische Grundordnung" in der Interpretation durch das SRP-Urteil, die dem Gesetzgeber sowohl des BVerfSchG als auch des StGB (§ 92 Abs. 2, "Verfassungsgrundsätze" ) als Richtschnur gedient hat, die wesentlichen Prinzipien und Institutionen des freiheitlichen demokratischen Willensbildungs- und -verwirklichungsprozesses einschließlich der justiziellen Kontrolle. Jedoch gehören die Gedanken der "Völkerverständigung" und des "friedlichen Zusammenlebens der Völker" dazu nicht. Diese haben in der Präambel des Grundgesetzes, ferner in den Artikeln 9 Abs. 2, 24 Abs. 2, 25 und 26 GG unmittelbar und mittelbar Ausdruck gefunden. Sie sind wichtige Verfassungsprinzipien zumindest im Sinne eines permanent zu verfolgenden Verfassungsauftrags; doch Bestandteile der "freiheitlichen demokratischen Grundordnung" als des spezifischen Schutzgutes des demokratischen politischen Prozesses sind sie ebenso wenig wie das Prinzip der Bundesstaatlichkeit oder das Sozialstaatsprinzip. Ergibt sich somit, dass keine der beiden in Betracht kommenden Kompetenzgrundlagen - weder Nr. 10 b) noch 10 c) des Art. 73 GG - die in § 4 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG neu normierte Aufgabenerweiterung des Verfassungsschutzes zu rechtfertigen vermag, dann steht jedenfalls das Bundesamt verfassungsrechtlich insoweit auf schwachen Füßen. (Ob die Landesgesetzgebung in diesem Bereich, die ja nach Art. 70 GG keiner enumerierten Kompetenzgrundlage bedarf, entsprechenden Bedenken unterliegt, soll hier nicht untersucht werden.) Im Fraktionsentwurf (Drs. 14/7386, S. 91) macht man sich erst gar nicht die Mühe einer (wohl auch nicht möglichen) einwandfreien Kompetenzbegründung. Hier wird nicht vom rechtsstaatlich ausgefeilten Verfassungsnormtext her argumentiert, sondern vom sicherheitspolitisch gewünschten Ziel: "Es muss zulässig sein", heißt es da, dass der Verfassungsschutz solche (völkerverständigungsfeindlichen, E. D.) Bestrebungen beobachtet, weil sie einen Nährboden für die Entstehung extremistischer Auffassungen bildeten und Hass schürten, der auch vor terroristischer Gewaltanwendung nicht zurückschrecke. Hier muss die Frage erlaubt sein, ob man sich angesichts solcher "Bestrebungen", die ja auch nicht auf das "geheime Kämmerlein" beschränkt bleiben, nicht längst in der "hässlichen", Hass predigenden Wirklichkeit der einschlägigen Straftatbestände der §§ 129, 129 a und b, 130 StGB bewegt, welche in erster Linie die Kriminalpolizei auf den Plan rufen müssten. Wenn man die Tätigkeit des Verfassungsschutzes so weit in das (inländische) "Vorfeld" krimineller, im Ausland auszuführender Aktionen ausdehnen will, dass weder die Straftatbestände des StGB, noch die "Vorbereitungshandlungen" der (konkreten) Gewaltanwendung im Sinne des Art. 73 Nr. 10 c) GG greifen, dann macht man ihn zu einem fast überall einsetzbaren präventiven Überwachungsinstrument. Die Gewichtsverschiebung zwischen Rechtsstaat und Präventivstaat wird deutlich, wenn man die in § 8 Abs. 5 bis 13 BVerfSchG (neu) geschaffenen Überwachungsbefugnisse auf die in § 3 Abs. 1 Nr. 4 erfassten "Bestrebungen" anwendet. Es ist nicht übertrieben, nunmehr von einem funktionalen präventiven Fahndungsverbund zwischen den Nachrichtendiensten und der Polizei auf dem Feld der Terrorismusbekämpfung zu sprechen, denn die bisher schon in den §§ 18 bis 20 BVerfSchG eröffneten Übermittlungsmöglichkeiten zwischen den Sicherheitsbehörden gewährleisten einen völlig ausreichenden Informationsfluss, der künftig auch noch durch Informationsverpflichtungen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und der Ausländerbehörden der Länder gegenüber den Verfassungsschutzämtern des Bundes und der Länder ergänzt wird (§ 18 Abs. 1 a [neu] BVerfSchG). Die Auskunftseinholungen über Konten und Geldbewegungen bei Kreditinstituten, über Postbewegungen bei allen Postdienstleistern, über Transport- und Reisebewegungen bei Lufttransporteuren und über Telekommunikationsdienstleistungen bei den entsprechenden Anbietern (§ 8 Abs. 5 bis 8) ermöglichen dem Bundesamt für Verfassungsschutz die Bildung umfassender Persönlichkeitsprofile der betroffenen Personen. Spätestens hier muss der - früher auch von mir vertretene - Versuch scheitern, polizeiliche und Verfassungsschutz-Aufgaben nach ihrer primären Individual- bzw. Organisationsbezogenheit zu unterscheiden. Der Kreis der Personen, die Gegenstand der intensiven Überwachung werden können, ist nicht näher umschrieben, nicht einmal in den Fällen der Postverkehrs- und der Telekommunikationsüberwachung, in denen es nahe gelegen hätte, eine Begrenzung (wie in § 3 Abs. 2 Satz 2 des Artikel 10-Gesetzes) vorzusehen. Entsprechende Anregungen aus der Sachverständigen-Anhörung wurden nicht aufgegriffen; die schließliche "Beschränkung" der Auskunftseinholung jeweils auf den "Einzelfall" ist juristische Augenwischerei, da das Amt ohnehin immer nur in Einzelfällen (und ohne Zwangsbefugnisse) und nicht durch den Erlass abstrakt-genereller Regeln tätig werden darf. Hingegen ist die "in letzter Minute" eingefügte Kontrolle durch die mit Entscheidungsbefugnis (§ 15 Abs. 5 G 10) ausgerüstete G 10-Kommission in allen vier Auskunftsfeldern und nicht nur in den das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) berührenden der Post- und der Telekommunikationsüberwachung als ein Pluspunkt für die Rechtsstaatlichkeit zu verbuchen. Entsprechendes gilt für die Pflicht des Parlamentarischen Kontrollgremiums, dem Deutschen Bundestag jährlich und nach drei Jahren nach dem Inkrafttreten des (auf fünf Jahre befristeten) Gesetzes zusammenfassend zum Zweck der Evaluierung detailliert Bericht zu erstatten. 2. Sicherheitsüberprüfungen: "Vorbeugender personeller Sabotageschutz" Seit langem gehört die Mitwirkung an Sicherheitsüberprüfungen von Personen (personeller Sabotageschutz) zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden. Jetzt soll der Kreis der zu überprüfenden Personen erheblich ausgeweitet werden und alle diejenigen umfassen, die an einer "sicherheitsempfindlichen Stelle" in einer "lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtung" beschäftigt sind oder werden sollen. Dabei geht aus dem Gesetz hervor, dass sowohl "öffentliche" wie "nichtöffentliche", das heißt private Einrichtungen und Stellen in Betracht kommen. Eine nähere Bestimmung dessen, was als "lebens- oder verteidigungswichtige Einrichtung" anzusehen sei, traf der Fraktionsentwurf (Drs. 14/7386) nicht. Lediglich in der Begründung (S. 104 f.) wurden die Definitionen wiedergegeben, auf die sich der Arbeitskreis IV "Verfassungsschutz" der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder 1994 verständigt hatte. Außerdem zählten die Entwurfsfassungen vom 12. Oktober und vom 8. November 2001 unterschiedliche Beispiele auf, was die Beliebigkeit der Ausfüllbarkeit der Definition verdeutlicht. Auf das in der Sachverständigenanhörung geäußerte Bedenken hin, der Gesetzgeber müsse - schon um dem "Wesentlichkeitsgrundsatz" zu genügen - wenigstens die wichtigsten Einrichtungen als "Regelbeispiele" katalogartig fixieren, erhebt der Gesetzgeber nunmehr die in der Begründung vorfindlichen, konturlosen Definitionen in den Rang von Legaldefinition (§ 1 Abs. 4 und 5 SÜG [neu]). In der Begründung wird die normative "Rangerhöhung" mit dem "Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz" begründet. Dies ist schon deshalb falsch, weil die "Umpflanzung" einer unbestimmten Definition dieser kein Quäntchen mehr an Bestimmtheit zuwachsen lässt; im Übrigen bleibt der Wesentlichkeitsgrundsatz nach wie vor unberücksichtigt. Die Prärogative der Exekutive für die Bestimmung des konkreten personellen Umfangs der Sicherheitsüberprüfungen besteht fort, nur ist die Kompetenz-Verteilung dieses an sich klaren Auftrags wiederum ein Lehrstück an rechtsverwirrender Verweisungstechnik. Wer dies nicht glaubt, der lese die auf einander verweisenden §§ 1 Abs. 4, 25 Abs. 2 und 34 SÜG (neu) und beantworte dann ganz schnell die Frage, welche Stelle oder Behörde wofür zuständig ist. 3. Sicherung der Identitätsfeststellung Ausweisdokumente haben die Funktion, eine zuverlässige Feststellung der Identität des Dokumentinhabers zu ermöglichen. Diese Funktion kann auf verschiedene Weisen konterkariert werden, etwa durch Herstellung eines falschen Passes oder Personalausweises mit Phantasiedaten oder mit den Daten einer anderen lebenden oder toten oder vermissten Person. Eine andere Möglichkeit ist die Benutzung eines echten, dem rechtmäßigen Inhaber aber entwendeten oder abhanden gekommenen Dokumentes, dessen sich ein Unberechtigter wegen seiner Ähnlichkeit mit der abgebildeten Person oder auch nach entsprechenden Veränderungen der Abbildung bedienen kann. Eine weitere Variante der Identitätsverunsicherung könnte man als "Identitätsvervielfachung" bezeichnen, wenn beispielsweise ein Terrorist zur Irreführung über seine häufigen Reisen (in bestimmte Länder) eine Mehrzahl verschiedener Pässe benutzt, die er sich vielleicht sogar legal oder halb legal in verschiedenen Ländern hat ausstellen lassen. Um solche Missbrauchsmöglichkeiten mindestens zu erschweren, sieht das Terrorismusbekämpfungsgesetz für Inländer Ergänzungen des Pass- und des Personalausweisgesetzes, für Ausländer entsprechende Änderungen der Vorschriften über Aufenthaltsgenehmigungen und Ausweisersatz (§§ 5 und 39 AuslG) vor. Während der Pass bisher außer den Angaben zur Person nur das Lichtbild und die Unterschrift des Inhabers enthalten durfte, lässt das Gesetz (§ 4 Abs. 3 und 4 PassG [neu] jetzt auch die Aufnahme "weiterer biometrischer Merkmale" zu, und zwar auch "in mit Sicherheitsverfahren verschlüsselter Form". Die Merkmale müssen sich auf Finger, Hände oder Gesicht des Inhabers beziehen. § 4 Abs. 4 kündigt (ungewöhnlicherweise) ein weiteres Bundesgesetz an, das die Arten und die Einzelheiten der biometrischen Merkmale sowie der Verschlüsselung, Speicherung und sonstigen Verarbeitung von Merkmalen und Angaben regeln soll. Die Kabinettsvorlage des Innenministeriums (Stand 12. 10./5. 11. 2001) sah für all dies ursprünglich nur eine "bundesratspflichtige" Rechtsverordnung des Innenministers vor; erst der spätere Fraktionsentwurf versuchte dann, dem Wesentlichkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen. Bei den Ausweisdokumenten für Ausländer (der Aufenthaltsgenehmigung nach § 5 und dem Ausweisersatz nach § 39 AuslG) überlässt man die Regelung aller Einzelheiten allerdings einer Rechtsverordnung. Und während der deutsche Pass- oder Ausweisinhaber von der Behörde Auskunft über die in seinem Dokument enthaltenen verschlüsselten Merkmale verlangen kann, ist dem Ausländer dies versagt. Redaktionsversehen? 4. Die Behandlung der Nicht-EU-Ausländer Die bisherige Betrachtung musste unvermeidlich auf Einzelheiten der Novellierungsarbeit eingehen, um deutlich zu machen, wie mühselig und oft zum Scheitern verurteilt das Geschäft rechtsstaatlicher Normsetzung in Zeiten dominanten Präventionsdenkens ist. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip läuft weitgehend leer, dem Grundsatz der Normbestimmtheit traut man wenig normative Kraft zu , und das Wesentlichkeitsprinzip tut man mit leichter ministerialer Hand ab. Bei einem "Sicherheitspaket", das ja nicht eine einheitliche Regelung "aus einem Guss" darstellt, sondern ohnehin in zahllose "Artikel" zerfällt, lässt sich auch schwer ausmachen, ob es mit dem Band der Freiheit oder dem der bürokratischen Notwendigkeit geschnürt wurde. Erst recht gilt deshalb hier der Satz: "Nicht allein der Teufel, auch die Rechtsstaatlichkeit steckt im Detail." Nun ist es jedoch an der Zeit, die "neue Bedrohungslage" durch den "internationalen Terrorismus" in ihrer konkreten historischen Situation anzusprechen. Denn der Gegner ist nicht eine fiktive, nach Weltherrschaft strebende Instanz "des Bösen" wie im Thriller-Schema der James-Bond-Filme, sondern die aktionistische Auskristallisierung der Gedankenwelt eines militanten, fundamentalistischen Islamismus. Dass sie, etwa als Al-Qaida-Organisation, ihr logistisches und ideologisches "Hinterland" unter dem Taliban-Regime gefunden hat, ist weder Zufall noch einzigartig. Sie kann sich also, unter anderen Führern und Namen, auch anderswo jederzeit wieder neu manifestieren. Günstige Voraussetzungen hierfür bietet ein religiös-kulturelles Umfeld, das durch niedrigen Bildungsstand, völlig Ignoranz der "westlichen" Welt, archaische familiale Strukturen mit einer entsprechend rechtlosen, untergeordneten Stellung der Frau und durch eine "frühmittelalterliche" (in okzidentaler Zeitrechnung) Verbindung von Religion und Staat, kurz: durch die Absenz von Aufklärung und Emanzipation gekennzeichnet ist. Eine krassere Gleichzeitigkeit des "Ungleichzeitigen" wie die des amerikanisch-globalisierten Kapitalismus und des talibanisch-rigorosen Islamismus ist kaum vorstellbar. Die schweren persönlichen Identitätskrisen, die hieraus resultieren können, mögen Psychologen gründlich erforschen. Aufgabe der Politiker ist es, diese kulturell-religiösen Bedingungen in ihrem Zusammenhang mit der globalen wirtschaftlichen Entwicklung und mit den dadurch mitbedingten Migrationsbewegungen zu begreifen und daraus vertretbare Konsequenzen zu ziehen. Eine allein auf Abwehr, Abschottung und Abschiebung setzende Ausländerpolitik mag punktuelle Erfolge erzielen, wirkt langfristig jedoch kontraproduktiv. Prüft man die ausländerrechtlichen Vorschriften des Terrorismusbekämpfungsgesetzes vor diesem Hintergrund, so sieht man, dass sie über die Einfallslosigkeit von Versagung und Verbot nicht hinaus kommen. Einige Beispiele mögen dies belegen. Der Verein des selbsternannten "Kalifen von Köln" könnte nach der längst fälligen Aufhebung des so genannten "Religionsprivilegs" des § 2 Abs. 2 Nr. 3 VereinsG ohne weiteres aufgrund des bisher geltenden Vereinsrechts verboten werden, das als Verbotsgründe für inländische Vereine ebenso wie für "Ausländervereine" u. a. Verstöße gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung kennt. Daran soll sich auch nichts ändern. Ein Verein, in dem Hass - etwa zwischen Arabern und Israelis - gepredigt wird, ein Verein, dessen Funktionäre Parlamentarismus, Demokratie und Menschenrechte nur so lange anerkennen wollen, wie sie und ihre Anhänger sich noch in einer Minderheitenposition befinden, ein Verein, der eine menschenrechtswidrige Strafrechtsordnung mit Auspeitschung, Handamputation und Steinigung sowie die Unterordnung der staatlichen Willensbildung unter eine theokratisch-hierarchische Offenbarungsreligion propagiert, konnte und kann also bereits nach dem bisher geltenden Recht ohne weiteres verboten werden. Darüber hinaus nannte der bisherige § 14 VereinsG "die innere oder äußere Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder" als Schutzgüter. Zwei Überlegungen, folgt man der Entwurfsbegründung, haben jetzt zu einer Neufassung der Verbotsmöglichkeiten geführt. Die erste, durchaus nachvollziehbare, zielt auf eine Angleichung der Beschränkungs- und Verbotsmöglichkeiten für kollektive Ausländertätigkeiten an die für individuelle Aktivitäten von Ausländern (im Inland) ab. Deshalb nimmt der Katalog der Verbotsgründe für Ausländervereine im neuen § 14 Abs. 2 VereinsG im Wesentlichen Elemente und Formulierungen des § 37 AuslG auf. Die zweite Erwägung ist von dem Bestreben geleitet, von hierzulande existierenden "Ausländervereinen" ausgehende Unterstützungs-Tätigkeiten für im Ausland operierende, gewaltsam oder auch nur menschenrechtswidrig handelnde "Bestrebungen" zu unterbinden. Man muss allerdings die Erwartung des Gesetzgebers bezweifeln, die neu aufgenommenen Verbotsgründe des § 14 Abs. 2 Nr. 3, 4 und 5 VereinsG würden für die innere Sicherheit der Bundesrepublik von besonderer Bedeutung sein. Denn erstens war die innere Sicherheit auch bisher schon gegen jede Gefährdung oder Verletzung rechtlich geschützt, und zweitens hätte man die "neuen" Tatbestände des § 14 Abs. 2 (neu), die größtenteils aus § 37 Abs. 1 Nr. 4 bzw. Abs. 2 Nr. 2 und 3 AuslG wörtlich übernommen wurden, auch bisher schon auf entsprechende individuelle Aktivitäten beziehen können. Widerspruch muss auch die Behauptung der Begründung (S. 122) erregen, die Neufassung der Verbotsgründe strebe einen "konkreten und weniger wertungsbedüftigen Katalog" an, um den unter Zeit- und Entscheidungsdruck handlungspflichtigen Sicherheitsbehörden nicht durch "vage, hochgradig auslegungsbedürftig" formulierte Eingriffsvoraussetzungen "Steine statt Brot" in die Hand zu geben. Eine vagere Formulierung als "die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland" - so § 14 Abs. 2 Nr. 1 VereinsG (neu) - und eine wertungsbedürftigere Formulierung als "Bestrebungen . . ., deren Ziele oder Mittel mit den Grundwerten einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung unvereinbar sind" - so der alte/neue Wortlaut in § 37 Abs. 1 Nr. 4 AuslG und § 14 Abs. 2 Nr. 3 VereinsG (neu) -, sind schwer vorstellbar. Die deutsche Rechtsordnung sollte sich damit begnügen, die hierzulande anzutreffenden Vorstellungen von Menschenwürde zu schützen. Den Ausländervereinen ist Friedfertigkeit, Achtung der inländischen Gesetze und Toleranz gegenüber Andersdenkenden abzuverlangen; das lässt sich in wenigen, klaren Worten ausdrücken. Die jetzige Fassung des § 14 VereinsG ist ein hochgradig redundanter, nebulös begrenzter juristischer Overkill, der "gutwillige" Ausländer verunsichert und das zarte Pflänzchen "Integration" erstickt. Das "individuelle" Ausländerrecht des Ausländergesetzes in der Funktion der Terrorismusbekämpfung zeigt ähnliche Züge. Die Ausweisung wird erleichtert, der Abschiebungsschutz für anerkannte politische Flüchtlinge abgeschwächt. Überall herrscht "Ausländer-Management" unter dem Aspekt der Prävention: detaillierte Tatbestände, aber relativiert und "gesichert" durch eine vage, umfassende Generalklausel; und an die Stelle der klaren Feststellung durch eine rechtskräftige Verurteilung tritt der - wenngleich durch qualifizierte Gründe gestützte - Verdacht. III. Also: Freiheit durch Sicherheit? Hat der Gesetzgeber das Fragezeichen unserer Themenstellung erkannt? Hat er überhaupt unsere Problematik - nämlich die Frage nach den Möglichkeiten einer schutzwirksamen Kompatibilität der Funktionslogiken von Rechtsstaat und Präventionsstaat, von Freiheitssicherung und Sicherheitsgewährleistung - erkannt und anerkannt? Oder folgt er blind der Hobbes'schen Dialektik von Schutz und Angst, welche das Bundesverfassungsgericht in der "bleiernen Zeit" der ersten Terrorismuswelle in Deutschland zu einem Kernsatz seiner "Staatstheorie" verdichtet hat: "Die Sicherheit des Staates als verfasster Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm zu gewährleistende Sicherheit seiner Bevölkerung sind Verfassungswerte, die mit anderen im gleichen Rang stehen und unverzichtbar sind, weil die Institution Staat von ihnen die eigentliche und letzte Rechtfertigung herleitet." Der Umstand, dass der nach dem 11. September sehr eilige Gesetzgeber wichtige Teile seiner Novellierungen (s. o. zu II. 1, 2.) auf fünf Jahre befristete und dann (in "letzter Minute") auch noch ausdrücklich deren Evaluierung anordnete (Art. 22 Abs. 3), ließ Hoffnung aufkeimen, er könne das Fragezeichen dieses Themas ernst nehmen. Allerdings kommt es auf die Kriterien an, nach denen evaluiert wird; sie können sich auf die Effizienz und Kosten unter dem Aspekt der Sicherheit beschränken, sie könnten aber auch bis zu der notwendigen Gesamtabwägung von Sicherheit und Freiheit vordringen. Meine diesbezügliche Hoffnung schwand dahin, als ich feststellen musste, dass der Entwurf des Terrorismusbekämpfungsgesetzes auf dem Vorblatt und im Text der ausführlichen Allgemeinen Begründung das Wort "Sicherheit" 37-mal, das Wort "Freiheit" jedoch nicht ein einziges Mal verwendet. Vielleicht ist dies dem Ernst der Lage angemessen; voreilige negative (Kurz-)Schlüsse sind nicht am Platze. "Wenn organisierter Terrorismus und technisches Risiko einander kumulativ begegnen", dann kann die "Risikogesellschaft" rasch zur "Katastrophengesellschaft" absinken, war meine Sorge vor zwölf Jahren. Die Benutzung vollgetankter und -besetzter Großflugzeuge als Raketen gegen Wolkenkratzer zeigt die fürchterliche Potenzierung der Zerstörungskraft, wenn organisierter, religiös und/oder politisch motivierter Terror die kriminelle mit der technisch-physikalischen Energie verbindet. Wenn dann, wie geschehen, der auf andere gerichtete Vernichtungswille sich noch mit dem Willen zur Selbstzerstörung multipliziert, dann scheitert sogar das ethisch bescheidene, aber realistische Modell Kants der Rechtsstaatsgründung oder des friedlichen Zusammenlebens der Menschen. Nach Kant ist dieses Problem "selbst für ein Volk von Teufeln" auflösbar, "wenn sie nur Verstand haben", was hier so viel heißt wie fähig sein zu "zweckmäßigem Handeln im Interesse der Selbsthaltung". Eben dieses Interesse fehlt aber bei den Selbstmord-Terroristen oder gleitet ins Irrationale ab. Eine Sicherheitsgesetzgebung wird also auf deren "verständige Kooperation" nicht einmal im negativen Sinne der Reaktion auf Abschreckung setzen können. Doch sollte der Gesetzgeber jene Ausnahmeerscheinungen nicht exemplarisch nehmen. Die meisten "Teufel" im Sinne Kants, denen wir begegnen, haben wenigstens "Verstand". Vgl. Erhard Denninger, Menschenrechte und Grundgesetz, Weinheim 1994, S. 23 ff., 61 f. Die nachfolgende Betrachtung stützt sich auf den Gesetzesentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 14/7386 vom 8. 11. 2001, sowie auf den nach der Anhörung im Innenausschuss vom 30. November 2001 von den Koalitionsfraktionen formulierten Änderungsantrag Drs. 14/7830. Diese Fassung wurde am 14. 12. 2001 als Gesetz beschlossen. Die Zitate: S. 82 der Drs. 14/7386. Vgl. Erhard Denninger, Der Präventions-Staat, in: ders. Der gebändigte Leviathan, Baden-Baden 1990, S. 33 ff.; ferner ders., in: Hans Lisken/Erhard Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, München 2001³, Kap. E, Rdn. 192-200. Zur Entwicklung der Fernmeldeüberwachung vgl. BVerfGE 100, 313 ff. (1999) und die daraufhin erfolgte Novellierung des Artikel 10-Gesetzes vom 26. 6. 2001. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, Theorie Werkausgabe, Band 12, Frankfurt/M. 1970, S. 532. Victor Klemperer, Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten, 2 Bände, Berlin 19966. Die Begründung des Fraktionsentwurfs, Drs. 14/7386, S. 93, betont dies ausdrücklich. Werner Best, in: Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht, (1937), S. 132, zit. in: Rudolf Kluge/Heinrich Krüger, Verfassung und Verwaltung im Großdeutschen Reich, Berlin 1941³, S. 368. Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen, in: Blickpunkt Bundestag, 11/2001, S. 15; ähnlich Dieter Wiefelspütz, SPD, ebd., S. 14. Vgl. Max Stadler, FDP; Petra Pau, PDS; Wolfgang Bosbach, CDU/CSU; alle in: ebd., 11/2001, S. 15 f. Vgl. Rupert Scholz/Rainer Pitschas, Informationelle Selbstbestimmung und staatliche Informationsverantwortung, Berlin 1984, S. 196 ff.; dagegen Erhard Denninger, Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Innere "Sicherheit, in: Kritische Justiz, 18 (1985) 3, S. 215 ff. So z. B. in der Presseerklärung der Humanistischen Union und anderer Bürgerrechtsorganisationen vom 6. 11. 2001, in: HU-Mitteilungen, Nr. 176, Dezember 2001, S. 108. Vgl. Drs. 14/7386, S. 88. Vgl. 31. Änderungsgesetz zum GG vom 28. 7. 1972. Zum Problem vgl. Erhard Denninger, "Streitbare Demokratie" und Schutz der Verfassung, in: Ernst Benda/Werner Maihofer/Hans-Jochen Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, Berlin 1994², §'16 Rdn. 34. Vgl. Drs. 14/7386, S. 91. Vgl. SRP-Urteil, BVerfGE 2, 1, 12 f. für die "freiheitliche demokratische Grundordnung". Man beachte, dass die "im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte" zwar im BVerfSchG, nicht aber im StGB zu den geschützten Verfassungsgrundsätzen zählen. Vgl. dazu mit weiteren Hinweisen Erhard Denninger, in: Handbuch des Verfassungsrechts (Anm. 13), Rdn. 35-37. Zur Ausrichtung des Verfassungsschutzes auf den Schutz der demokratischen Politischen Grundordnung s. ders., Verfassungsschutz, Polizei und die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, in: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (KritV), (1994) 3, S. 232 ff. Vgl. Anm. 17, S. 232, 236 f. Anders immer schon Hermann Borgs-Maciejewski/Frank Ebert, Das Recht der Geheimdienste, Stuttgart u. a. 1986, Komm. zu §'3 BVerfSchG, Rdn. 53, mit weiteren Nachweisen. Vgl. dagegen Erhard Denninger/Thomas B. Petri, Normenklarheit und Normbestimmtheit im Polizeirecht - sieben Thesen, in: Helmut Bäumler (Hrsg.), Polizei und Datenschutz, Neuwied 1999, S. 13 ff. Erhard Denninger, Strafverfahren und Polizeibefug"nisse, in: E. Denninger/Klaus Lüderssen, Polizei und Strafprozess im demokratischen Rechtsstaat, Frankfurt/M. 1978, S. 309. Die Bedeutung einer veränderten Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik als Sicherheits- und Antiterroris"muspolitik wird eindrücklich herausgearbeitet von Ernst-Otto Czempiel, Die Globalisierung schlägt zurück. Referat auf den Römerberg-Gesprächen im November 2001, in: Frankfurter Rundschau vom 5. 11. 2001. Vgl. den informativen Artikel "Der verlogene Dialog" in: Der Spiegel, Nr. 51/2001, S. 44 ff. Vgl. die Begründung des Fraktionsentwurfs, Drs. 14/7386, S. 123. Die schon seine vorzeitige Geburt infolge der Nachricht vom Heranrücken des Feindes, der spanischen Armada in britische Gewässer im April 1588, prägte: Seine Mutter "did bring forth Twins at once, both Me, and Fear", schreibt Hobbes später; zit. nach Iring Fetscher (Hrsg.), Thomas Hobbes, Leviathan, Neuwied 1966, S. XI. BVerfGE 49, 24, 56 f., 1. 8. 1978 (Kontaktsperregesetz). Hervorh. nicht im Original. Allerdings auch in Composita wie "Sicherheitsbehörde". Erhard Denninger, Der gebändigte Leviathan, Baden-Baden 1990, S. 25. Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, 2. Abschnitt, Definitivartikel, 1. Zusatz. Werke in sechs Bänden, hrsg. von Wilhelm Weischedel, Band VI, Darmstadt 1964, S. 224.
Article
Denninger, Erhard
2021-12-07T00:00:00
2011-10-04T00:00:00
2021-12-07T00:00:00
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/27046/freiheit-durch-sicherheit/
Am 1. Januar 2002 trat das "Terrorismusbekämpfungsgesetz" in Kraft. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten gibt es jedoch Anlass zur Kritik.
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