date
stringclasses 417
values | headline
stringlengths 8
70
| short_headline
stringlengths 3
51
| short_text
stringlengths 60
381
| article
stringlengths 92
180k
| link
stringlengths 4
149
|
---|---|---|---|---|---|
2023-03-20 | Eine Million Anträge bewilligt | Energiepauschale für Studierende | Nach mehreren Verzögerungen können Studierende und Fachschüler seit dem 15. März die Energiepauschale beantragen. Die Bundesregierung hat nach eigenen Angaben inzwischen mehr als eine Million Anträge bewilligt.
mehr | Nach mehreren Verzögerungen können Studierende und Fachschüler seit dem 15. März Energiepauschale beantragen. Die Bundesregierung hat nach eigenen Angaben inzwischen mehr als eine Million Anträge bewilligt. Mehr als eine Million Anträge auf die 200-Euro-Energiepreispauschale für Studierende und Fachschüler sind bislang bewilligt worden. Das teilte das Bundesministerium für Bildung mit. Bisher hätten knapp 650.000 Antragsteller Geld erhalten, in Summe entspricht das rund 130 Millionen Euro. Das Ministerium zeigt sich zufrieden mit der Abwicklung: "Jede Stunde kommen gerade etwa 10.000 hinzu. Zwischen Antrag und Bewilligung vergingen durchschnittlich fünf Stunden", schrieb der parlamentarische Staatssekretär Jens Brandenburg. In den meisten Fällen sei das Geld innerhalb von zwei Werktagen auf dem Konto. "Das zeigt, wie gut die Plattform einmalzahlung200.de funktioniert, die wir gemeinsam mit Sachsen-Anhalt aufgebaut haben." Seit dem 15. März ist der Antrag auf #Einmalzahlung bundesweit möglich. Die Zahlen sprechen für sich. #Einmalzahlung200 #Entlastung #studierende #fachschueler #energiepreispauschale https://t.co/wqwQhej6dS Warten auf Entlastungen Die Sonderzahlung hatte die Ampel-Koalition Anfang September im vergangenen Jahr vereinbart. Zwar war damals von einer schnellen und unbürokratischen Auszahlung die Rede. Die Umsetzung hatte sich aber immer wieder verzögert. Außerdem gab es Kritik am sogenannten BundID-Konto, das für das Antragsverfahren zwingend vorausgesetzt wird. Netzaktivisten mahnten an, dass es laut Datenschutzgrundverordnung eigentlich auch einen analogen Weg der Antragstellung geben müsse. Auf Twitter berichten Nutzer außerdem von Problemen bei der Einrichtung des Kontos. 200 Euro für Studierende und Fachschüler Anspruch auf das Geld haben etwa 3,5 Millionen Studentinnen, Studenten und Fachschüler, die zum Stichtag 1. Dezember 2022 an einer Hochschule in Deutschland eingeschrieben oder in einer Fachschulausbildung waren. Voraussetzung ist zudem ein Wohnsitz oder "gewöhnlicher Aufenthalt" in Deutschland. Einen entsprechenden Antrag stellt man auf der von Bund und Ländern dafür eingerichteten Antragsplattform einmalzahlung200.de. Das Geld ist zur Entlastung für die stark gestiegenen Energiepreise gedacht. Anm. der Red.: In einer früheren Version dieser Meldung hieß es, Voraussetzung für den Anspruch auf die Energiepauschale sei, dass Studierende und Fachschüler zum Stichtag 1. Dezember 2022 an einer Hochschule eingeschrieben oder in einer Fachschulausbildung waren. Ergänzt haben wir nachträglich, dass es sich um eine Hochschule oder Ausbildungsstätte in Deutschland handeln muss. | /wirtschaft/verbraucher/energiepauschale-studierende-antraege-101.html |
2023-03-20 | Amazon streicht weitere 9000 Jobs | Online-Handel | Zweite Entlassungswelle bei Amazon: 9000 weitere Mitarbeiter verlieren ihre Jobs. Anfang des Jahres hatte der weltgrößte Online-Händler bereits 18.000 seiner damals mehr als 1,5 Millionen Stellen gestrichen.
mehr | Zweite Entlassungswelle bei Amazon: 9000 weitere Mitarbeiter verlieren ihre Jobs. Anfang des Jahres hatte der weltgrößte Online-Händler bereits 18.000 seiner damals mehr als 1,5 Millionen Stellen gestrichen. Amazon streicht weitere 9000 Stellen. Firmenchef Andy Jassy kündigte die zweite Welle des Jobabbaus in einer E-Mail an die Belegschaft an, wie unter anderem der Sender CNBC und der Finanzdienst Bloomberg berichteten. Betroffen seien vor allem die Cloud-Sparte AWS, die Werbeabteilung und der Livestreaming-Dienst Twitch. Anfang des Jahres hatte der weltgrößte Online-Händler bereits 18.000 seiner damals mehr als 1,5 Millionen Jobs gestrichen. Die Streichungen betrafen die defizitäre Sparte Geräte und Dienstleistungen. Zu dieser gehören unter anderem die Echo-Smartlautsprecher und das Sprachassistenzprogramm Alexa; in dieser Sparte gab es nach Konzernangaben "unter 2000 Stellenkürzungen". Im November 2022 war noch von lediglich 10.000 Jobs die Rede gewesen. Jassy hatte allerdings signalisiert, dass es 2023 zu weiteren Stellenstreichungen kommen könne. Boom während der Pandemie Tech-Giganten hatten mit dem geschäftlichen Aufschwung in der Corona-Pandemie auch kräftig ihre Belegschaften ausgebaut. Bei Amazon verdoppelte sich die Beschäftigtenzahl in Voll- und Teilzeit von 800.000 Ende 2019 auf mehr als 1,6 Millionen Ende 2021. Die steigende Inflation und die drohende Rezession machen der Technologiebranche aber verstärkt zu schaffen. Vergangene Woche leitete der Facebook-Konzern Meta als erster der Online-Riesen eine zweite Runde der Stellenstreichungen ein. Nach 11.000 Stellen im November sollen nun rund 10.000 weitere Jobs gestrichen und 5000 freie Arbeitsplätze nicht besetzt werden. Der Abbau in der Branche werde noch weitergehen, sagt Analyst Dan Ives. "Wir rechnen mit einem branchenweiten Jobabbau von weiteren fünf bis zehn Prozent. Denn viele Unternehmen haben Geld ausgegeben wie Rockstars der 1980er-Jahre." | /wirtschaft/amazon-jobabbau-101.html |
2023-03-20 | Gewalt und Vernachlässigung im Heim | Studie zu DDR-Kinderheimen | Eine halbe Million Kinder und Jugendliche waren in DDR-Heimen untergebracht. Laut einer Studie unter Federführung der Universität Leipzig wurden knapp 70 Prozent von ihnen körperlich misshandelt. 54 Prozent der Befragten sprachen von sexuellem Missbrauch.
mehr | Eine halbe Million Kinder und Jugendliche waren in DDR-Heimen untergebracht. Laut einer Studie unter Federführung der Universität Leipzig wurden knapp 70 Prozent von ihnen körperlich misshandelt. 54 Prozent der Befragten sprachen von sexuellem Missbrauch. Viele ehemalige Bewohner von DDR-Kinderheimen leiden bis heute unter den Folgen von Gewalt und Vernachlässigung. Das ist das Ergebnis einer Studie des Forschungsverbundes "Testimony", der unter Federführung der Universität Leipzig die Erfahrungen Betroffener in vier Teilprojekten untersucht hat. Demnach geht aus einer Fragebogenstudie mit 273 Teilnehmern hervor, dass 93 Prozent der Befragten körperliche und 95 Prozent emotionale Vernachlässigung erfahren haben. 68 Prozent sprachen demnach von körperlicher Misshandlung, 54 Prozent von sexuellem Missbrauch. "Das sind wahnsinnig hohe Zahlen", sagte Studienleiterin Heide Glaesmer von der Universitätsmedizin Leipzig. Laut Studie berichteten 43 Prozent der Teilnehmer von komplexen posttraumatischen Belastungsstörungen. Jeder Fünfte war in seinem Leben mindestens einmal in Haft. Betroffene litten oft noch heute unter Angst vor staatlichen Institutionen, Behörden und Ärzten, sagte Glaesmer. Andere seien verzweifelt, wenn sich ihre Aufenthalte im Heim angesichts lückenhafter Biografien nicht mehr belegen lassen. Furcht vor neuem Heimaufenthalt im Alter Trauer und Wut herrsche bei den Betroffenen, weil sie sich wegen fehlender Bildungs- und Orientierungsmöglichkeiten nicht ausreichend auf ihr Leben vorbereitet fühlten. Nicht zuletzt fürchteten sich viele Befragte vor einem erneuten, fremdbestimmten Heimaufenthalt im Alter. "Wichtig ist aber auch, dass es auch Zeitzeugen gibt, die keine negativen Erfahrungen berichtet haben", sagte Glaesmer. Nach Angaben des Forschungsverbundes "Testimony" waren zwischen 1949 und 1990 etwa eine halbe Million Kinder und Jugendliche in Kinderheimen und Jugendwerkhöfen der DDR untergebracht. Ihre Erfahrungen in diesen Einrichtungen, deren Folgen und Bewältigung seien bislang nicht umfassend erforscht gewesen, hieß es. Forscher fordern Aufarbeitung Die Forscher der Universität Leipzig, der Medical School Berlin, der Alice Salomon Hochschule Berlin und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf forderten aufgrund der Ergebnisse in einer "Leipziger Erklärung" weitere Bemühungen um Aufarbeitung. Der Zugang zu Hilfsangeboten müsse niedrigschwelliger gestaltet und ein sensibler Umgang der Behörden mit Trauma-Erfahrungen gewährleistet werden. Eine Wiedergutmachung der in DDR-Heimen gemachten Erfahrungen sei nicht möglich, erklärten die Forscher. | /inland/ddr-kinderheime-gewalt-101.html |
2023-03-20 | Deutschland verdoppelt Erdbebenhilfe | 240 Millionen Euro zugesichert | Mehr als einen Monat nach der Erdbebenkatastrophe fehlt es in der Türkei und Syrien noch immer am Nötigsten. Auf einer Geberkonferenz wirbt die EU für weitere Unterstützung. Deutschland will seine Hilfen nun verdoppeln - auf 240 Millionen Euro.
mehr | Mehr als einen Monat nach der Erdbebenkatastrophe fehlt es in der Türkei und Syrien noch immer am Nötigsten. Auf einer Geberkonferenz wirbt die EU für weitere Unterstützung. Deutschland will seine Hilfen nun verdoppeln - auf 240 Millionen Euro. Deutschland verdoppelt seine Hilfe für die Opfer der Erdbeben in der Türkei und in Syrien. Insgesamt sollen nun 240 Millionen Euro mobilisiert werden. Das kündigte Außenministerin Annalena Baerbock vor einer internationalen Geberkonferenz in Brüssel an. Diejenigen, die noch immer in Zelten leben müssten und medizinische Versorgung bräuchten, sollten weiter intensiv aus Europa unterstützt werden, sagte die Grünen-Politikerin. EU-Kommission sagt Türkei Milliarden-Hilfe zu Die Europäische Kommission sagte der Türkei bei der Geberkonferenz eine Milliarde Euro für den Wiederaufbau des Landes zu. Für humanitäre und erste Wiederaufbauhilfe in Syrien kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein weiteres Paket in Höhe von 108 Millionen Euro an. "Wir müssen unsere Unterstützung aufrechterhalten, und den Überlebenden nicht nur beim Überleben helfen, sondern auch beim Wiederaufbau ihres Lebens", sagte von der Leyen. Sie betonte, dass Häuser, Schulen und Krankenhäuser mit höchsten Standards für Erdbebensicherheit wiederaufgebaut werden müssten. Millionen Menschen leben in Zelten Am 6. Februar hatten zwei Erdbeben der Stärke 7,7 und wenig später der Stärke 7,6 die Südosttürkei und den Norden Syriens erschüttert. Allein in der Türkei ist die offizielle Zahl der Toten auf mehr als 50.000 gestiegen, wie Präsident Recep Tayyip Erdogan bei der Konferenz sagte. Der materielle Schaden betrage rund 104 Milliarden Dollar, knapp 300.000 Gebäude seien stark beschädigt worden. In der Türkei sind seit der Katastrophe 3,7 Millionen Menschen nach Angaben der Regierung aus der Region evakuiert worden, knapp zwei Millionen Menschen leben derzeit demnach in Zelten. In der vergangenen Woche wurden zudem mindestens 18 Menschen durch Überflutungen in der auch von den Beben betroffenen Region getötet. Mancherorts hält der Starkregen weiter an. Immer wieder melden sich Menschen aus der Region und rufen wegen knapp werdender Versorgung nach Hilfe. Aus Syrien nur wenige Informationen zur Lage Für Syrien gehen die Vereinten Nationen von etwa 8,8 Millionen Betroffenen aus. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte kamen bei den Beben in ganz Syrien rund 6800 Menschen ums Leben. Insgesamt liegt die Zahl der Toten durch das Beben demnach bei fast 57.000. Aus dem Bürgerkriegsland gibt es nur spärliche Informationen über die Lage. Angesichts jahrelanger Bombardements und Kämpfe lebten viele Menschen dort schon vor den Beben unter prekären Umständen. Die EU leistet sowohl Unterstützung in von der Regierung kontrollierten als auch in nicht von ihr kontrollierten Gebieten. Von der Leyen und der schwedische Regierungschef Ulf Kristersson hatten zur internationalen Geberkonferenz nach Brüssel eingeladen, um Spenden für Hilfs- und Wiederaufbaumaßnahmen nach der Katastrophe zu sammeln. Schweden hat derzeit den Vorsitz der EU-Staaten inne. | /ausland/deutschland-verdoppelt-erdbeben-hilfe-101.html |
2023-03-20 | Das Selbstbild einer stabilen Schweiz wankt | Credit-Suisse-Debakel | Dass die Traditionsbank Credit Suisse so schnell zum hoffnungslosen Fall wurde, erinnert in der Schweiz viele an den Swissair-Kollaps im Jahr 2001. Harsche Kritik müssen sich nicht nur Topmanager anhören. Von Kathrin Hondl.
mehr | Dass die Traditionsbank Credit Suisse so schnell zum hoffnungslosen Fall wurde, erinnert in der Schweiz viele an den Swissair-Kollaps im Jahr 2001. Harsche Kritik müssen sich nicht nur Topmanager anhören. Die Elefantenhochzeit der beiden größten Banken des Landes ist in der Schweiz alles andere als ein Freudenfest. Für den "Tagesanzeiger" aus Zürich ist die Übernahme der Krisenbank Credit Suisse durch die UBS sogar ein "historischer Skandal": Der Schweizer Staat, die Finanzmarktaufsicht und die Nationalbank SNB hätten sich von der UBS über den Tisch ziehen lassen, kommentiert die Zeitung. Ganz ähnlich das Fazit von Balthasar Glättli, Parteichef der Grünen, in einer Pressekonferenz am Vormittag: "Wenn es gut kommt, hat UBS ein Schnäppchen gemacht - wenn es schlecht kommt, zahlen die Steuerzahlenden die Zeche." Skandale, Fehltritte und Milliardenboni Scharfe Kritik gibt es nicht nur an der gestern vom Schweizer Bundespräsidenten als "starke Lösung" präsentierten Bankenfusion mit staatlicher Unterstützung. Im Visier sind auch die Topmanager der Credit Suisse, die über die Jahre milliardenschwere Bonus-Zahlungen einsteckten und sich jede Menge Skandale, Fehltritte und Gerichtsverfahren leisten konnten; auch weil die staatlichen Aufsichtsbehörden und die Politik - so die Kritik - nicht rechtzeitig reagiert hätten. "Das war organisierte Verantwortungslosigkeit", sagte im Sender SRF die Co-Präsidentin der Sozialdemokraten Mattea Mayer: "Da waren Herren, die Verantwortung gehabt hätten - aber sie nicht wahrgenommen haben." Jahrelang, so Mayer, hätten wirtschaftsliberale Politiker die Banker als Leistungsträger bezeichnet und ihre Millionengehälter gerechtfertigt. "Gesamter Finanzsektor diskreditiert" Die Schweiz streitet über eine Bankenfusion - aber in Wahrheit geht es um mehr: Der Niedergang der geschichtsträchtigen und einst stolzen Traditionsbank Credit Suisse erinnert in der Schweiz viele an vergleichbare Schockmomente der Vergangenheit: 2001 - das Grounding der Swissair. 2008 - staatliche Rettung der UBS, die nun die taumelnde Credit Suisse schluckt. Das Selbstverständnis - und das Selbstbewusstsein - des Bankenlandes Schweiz ist schwer angeknackst. Es gebe ein kulturelles Problem, sagt der Grünen-Parlamentarier Gerhard Andrey: "Der gesamte Finanzsektor ist diskreditiert. Ganz offensichtlich haben die Gesetze und die von der Politik gefeierten Beteuerungen der Branche keinerlei Verbesserungen gebracht seit der Finanzkrise von 2008." Jetzt erst recht "too big to fail" Die nach der Finanzkrise 2008/2009 verschärften Regeln für systemrelevante Banken hätten im Fall der Credit Suisse nicht geholfen. Die Grünen fordern nun eine parlamentarische Untersuchungskommission. Und noch eine Sorge bewegt nicht nur grundsätzliche Kritiker und Kritikerinnen des "gierigen Finanzsystems": nämlich was nach der Abwicklung der zweitgrößten Schweizer Bank Credit Suisse geschieht - wenn es nur noch eine Riesenbank UBS geben wird. "Ein Zombie ist weg, doch ein Monster entsteht", kommentiert die "Neue Zürcher Zeitung". Denn die UBS wird durch die Übernahme der Credit Suisse erst recht "too big to fail". | /wirtschaft/finanzen/credit-suisse-ubs-schweiz-bankenfusion-kritik-101.html |
2023-03-20 | DUP lehnt Brexit-Einigung mit EU ab | Nordirland-Protokoll | Vor etwa einem Monat hatten Großbritannien und die EU beim Nordirland-Protokoll eine Einigung erzielt. Am Mittwoch wird im britischen Unterhaus über die Vereinbarung abgestimmt. Die nordirische Partei DUP will dagegen stimmen.
mehr | Vor etwa einem Monat hatten Großbritannien und die EU beim Nordirland-Protokoll eine Einigung erzielt. Am Mittwoch wird im britischen Unterhaus über die Vereinbarung abgestimmt. Die nordirische Partei DUP will jedoch dagegen stimmen. Die zwischen Großbritannien und der EU erreichte Einigung auf neue Brexit-Regeln für Nordirland stößt dort in pro-britischen Kreisen auf Ablehnung. Die Unionisten-Partei DUP (Democratic Unionist Party) kündigte an, gegen das sogenannte Windsor-Abkommen zu stimmen. Im britischen Unterhaus verfügt die Partei über acht Mandate. Whilst representing real progress the “brake” does not deal with the fundamental issue which is the imposition of EU law by the Protocol.
@J_Donaldson_MP
https://t.co/6x01HqdQmX Premierminister Rishi Sunak will am Mittwoch über die Vereinbarung abstimmen lassen. Sunak hatte gemeinsam mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Abkommen ausgehandelt. Es soll einen jahrelangen Streit beenden und den Handel zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs vereinfachen. Auch ohne die DUP ist eine Mehrheit im Parlament wahrscheinlich, weil die oppositionelle Labour-Partei eine Zustimmung angekündigt hat. Die DUP-Position könnte allerdings Skeptiker in Sunaks konservativer Partei animieren, gegen die Einigung zu stimmen. Wo verläuft die Zollgrenze künftig? An dem ursprünglich mit dem Brexit-Austrittsabkommen ausgehandelte Nordirland-Protokoll hatte sich zuvor auf Seite der Unionisten viel Protest entzündet. Das Protokoll sieht eine Zollgrenze zwischen Großbritannien und der EU in der Irischen See vor. Damit sollen Grenzkontrollen zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert werden - auch um ein Aufflammen alter Konflikte zu verhindern. Doch die Regelung brachte Schwierigkeiten mit sich, beispielsweise beim Versenden von Päckchen, Medikamenten und dem Mitführen von Haustieren. Aus Protest gegen die bisherigen Regelungen blockieren die Unionisten die Regierungsbildung in Nordirland. Bei den Wahlen im Mai 2022 war erstmals die irisch-nationalistische Partei Sinn Fein zur stärksten Kraft geworden. | /ausland/nordirland-deal-eu-brexit-101.html |
2023-03-20 | "Noch haben wir es selbst in der Hand" | IPCC legt Bericht vor | Der Weltklimarat hat seinen Abschlussbericht vorgelegt und verschärft darin seine Warnungen. Die Staatengemeinschaft müsse jetzt handeln, um die Schäden durch den Klimawandel zu begrenzen. Warum das so ist, erklärt Mitautor Garschagen im Interview.
mehr | Der Weltklimarat hat seinen Abschlussbericht vorgelegt und verschärft darin seine Warnungen. Die Staatengemeinschaft müsse jetzt handeln, um die Schäden durch den Klimawandel zu begrenzen. Warum das so ist, erklärt Mitautor Garschagen. tagesschau.de: Sie haben jetzt mehrere Tage mit Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt am Synthesebericht des IPCC gefeilt - wie ist Ihre Stimmung? Matthias Garschagen: Ich bin froh, dass wir den Bericht erfolgreich zu Ende gebracht haben. Ich bin sehr müde, aber ansonsten ist die Stimmung gut, weil ich hoffe, dass die Welt uns zuhört, was wir zu sagen haben aus der Wissenschaft heraus. tagesschau.de: Was sind die wichtigsten Erkenntnisse des Berichts? Garschagen: Man kann die Kernbefunde in drei Punkten zusammenfassen. Zum einen haben wir uns damit beschäftigt, wie es um den Klimawandel und wie es um Risiken und Auswirkungen steht: Wir haben 1,1 Grad Erwärmung im globalen Durchschnitt ungefähr erreicht. Und wir sehen deutliche Auswirkungen, deutliche Schäden, die leider stärker ausfallen, als wir das vielleicht noch vor achteinhalb Jahren beim Abschluss des letzten Syntheseberichts gedacht haben. Diese Schäden und Auswirkungen können immer stärker dem Klimawandel zugeordnet werden. Gleichzeitig sehen wir, dass zukünftige Risiken stark ansteigen werden mit jedem bisschen Erwärmung. Dass Ökosysteme, dass Gesellschaften noch sensibler auf den Klimawandel reagieren, als wir das vormals dachten. Das heißt, die Risiken, selbst bei zwei Grad, bei 1,5 Grad, sind höher, als wir dachten. Zweitens: Wie reagiert die Welt darauf? Was passiert im Klimaschutz? Da sehen wir, es hat sich einiges getan. In vielen Ländern haben wir Klimaziele formuliert, wir haben Anpassungsstrategien und -pläne formuliert. Aber wir sehen, dass die Maßnahmen nicht ausreichen, um diese Ziele auch zu erreichen. Da klafft eine deutliche Lücke - und die Lücke wird größer. Wir wissen aber drittens - und das ist vielleicht eine positive Nachricht - wie wir Maßnahmen so aufgleisen können, dass wir die Kehrtwende noch schaffen können. Vor allem, wie wir Maßnahmen so gestalten können, dass sie uns erlauben, gleichzeitig Klimaschutz und Klimawandelanpassung voranzutreiben. Denken Sie zum Beispiel an Moore, an Feuchtgebiete, die gleichzeitig Kohlenstoffsenken und auch Hochwasserflächen bieten - vielleicht auch Naherholungsgebiete aufzeigen. "Die Dringlichkeit ist deutlich stärker" tagesschau.de: Wie dringend muss jetzt was passieren? Garschagen: Es ist sehr dringend. Wir sind momentan mit dem, was auf dem Tisch liegt - an Klimazielen, auch an Politik - auf dem Weg, dass wir diese 1,5 Grad reißen werden, dass wir es nicht schaffen werden. Gleichzeitig wissen wir aus der Risikoanalyse, dass wir viele Schäden haben werden, wenn wir darüber hinausgehen. Im Übrigen auch, wenn wir nur temporär darüber hinausschießen. Denken Sie zum Beispiel an das Abschmelzen von Gletschern, an das Absterben von Korallenriffen oder daran, wie Extreme in gerade auch Entwicklungsländern zu vermehrten Schäden, zu Hungersnöten führen werden. Von daher ist es dringend, die Kehrtwende zu schaffen. Es ist im Übrigen auch dringend, in der Klimawandelanpassung schneller zu werden. Wir denken häufig, dass die Klimawandelanpassung etwas ist, wo wir noch viel Zeit haben. Wie gestalten wir zum Beispiel Hochwasserschutz anders, wie kriegen wir Hitze aus den Städten raus. Aber auch das hat Vorlaufzeiten, das sagt der Bericht sehr deutlich. Wir brauchen teilweise zehn bis 20 Jahre, bis wir Planungsverfahren aufgestellt haben, Aushandlungsprozesse, politische Prozesse, auch rechtliche Änderungen aufgegleist haben. Also auch da läuft uns die Zeit davon. Und leider haben wir die Jahre seit dem letzten Bericht nicht so konsequent genutzt, wie es gut gewesen wäre. Die Dringlichkeit ist deutlich stärker als vor achteinhalb Jahren, das muss man leider sagen. "Es bedarf tiefgreifender Veränderungen" tagesschau.de: Dennoch sind Sie positiv gestimmt. Warum? Garschagen: Noch haben wir es selbst in der Hand. Es bedarf allerdings tiefgreifender unmittelbarer Veränderungen. Es geht aber vor allem darum: Wie stark werden wir dieses Ziel überschreiten? Und da gilt es, dieses Überschreiten so gering wie möglich zu halten - von der zeitlichen Ausdehnung her, aber auch von den Gradzahlen, die wir überschreiten. So gesehen: Ja, man ist positiv gestimmt. Ich glaube, dass auf die Wissenschaft gehört wird. Ich glaube, dass wir eine andere Situation hätten, auch in der Klimapolitik, wenn es diese Berichte nicht gäbe. Aber es wird eben nicht schnell genug und tief genug gehandelt, um auf einem Zielerreichungspfad unterwegs zu sein. "Das wird immer schwieriger, je mehr Zeit vergeht" tagesschau.de: Gleichzeitig gibt es aber auch neue Projekte, um zum Beispiel fossile Energien zu fördern. Hört die Politik denn wirklich auf Sie? Garschagen: Ja, ich denke, die Politik hört zu. Es hat sich einiges getan. Wir haben Klimaziele formuliert, die sind deutlich straffer als vor achteinhalb Jahren, wir haben das Pariser Klimaabkommen und so weiter. Aber die Politik ist langsam darin, mutige, zügig tiefgreifende Maßnahmen umzusetzen, die uns auch wirklich erlauben, die Ziele zu erreichen. Da ist zu viel Hoffnung noch darauf, dass wir es irgendwann auf der letzten Meile noch schaffen werden. Das wird immer schwieriger, je mehr Zeit vergeht. tagesschau.de: Was muss denn in der Gesellschaft passieren? Garschagen: Das ist ein ganz wichtiges Feld. Der Bericht zeigt sehr deutlich, dass natürlich die Klimakrise ganz fundamental mit unserem momentanen Konsumverhalten zusammenhängt. Die Art und Weise, wie wir diesen Planeten nutzen, teilweise auch missbräuchlich nutzen, wenn ich das so sagen darf, ist grundsätzlicher Treiber der Krise. Ich glaube, eine Dimension, die häufig zu wenig Beachtung findet in der Debatte, ist die Frage: Was passiert eigentlich zwischen der großen Politik auf globaler und nationaler Ebene und dem eigenen Konsumverhalten? Auch da kann man vieles tun. Man kann sich in seinem Umfeld, im Kindergarten, in der Schule, in seinem Unternehmen, in seiner Organisation dafür einsetzen, auf andere Energieformen zu setzen, in Kantinen und Mensen entsprechend umzustellen. Die Klimawandelanpassung ist auch ein wichtiger Punkt. Kommunen in Deutschland beispielsweise werden Probleme bekommen, den Hochwasserschutz weiterhin so aufrechtzuerhalten, wie wir das in der Vergangenheit gekannt haben. Die eigene Vorsorge, frühzeitig zum Beispiel ein Haus hochwassersicher zu machen, über eine Elementarversicherung nachzudenken: Das haben wir selbst in der Hand. Globale Ausgleichszahlungen tagesschau.de: Am stärksten betroffen sind ärmere Länder. Wie können reiche Länder helfen? Garschagen: Der Bericht spricht über Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten auf zwei Ebenen. Zum einen zeigen auch neuere Daten, dass jetzt wieder die Länder, die am verwundbarsten sind gegenüber dem Klimawandel, die schlechteste Gesundheitsversorgung haben. Es sind diejenigen, die historisch betrachtet auch am wenigsten dazu beigetragen haben. Da müssen globale Ausgleichsleistungen her, die auf dem Papier verabschiedet sind. Man hat zum Beispiel das Ziel, 100 Milliarden pro Jahr einzusetzen. Auch da sind wir nicht schnell genug, diese Gelder wirklich zur Verfügung zu stellen. Der Bericht zeigt aber auch die Ungleichheiten innerhalb von Gesellschaften. Wie stark tragen die reichsten zehn Prozent in vielen Gesellschaften zu diesem Problem überproportional bei? Und die dritte Frage ist: Wie gehen wir mit zukünftigen Generationen um? Wenn man sich anschaut, welche Risiken auf uns zukommen, zum Beispiel in einer Welt von zweieinhalb oder drei Grad, dann ist das brachial, was wir zukünftigen Generationen aufbürden. Das Gespräch führte Inga Wonnemann, tagesschau-Redaktion. Es wurde für die schriftliche Fassung redigiert und gekürzt. | /wissen/klima/ipcc-synthesebericht-weltklimarat-erderwaermung-101.html |
2023-03-20 | Eine Million Geschosse für die Ukraine | Einigung auf EU-Munitionspaket | Die EU-Staaten haben sich darauf geeinigt, der Ukraine eine Million Schuss Artilleriemunition bereitzustellen. Die Geschosse sollen binnen zwölf Monaten geliefert werden, viele Staaten werden dafür Armeedepots strapazieren.
mehr | Die EU-Staaten haben sich darauf geeinigt, der Ukraine eine Million Schuss Artilleriemunition bereitzustellen. Die Geschosse sollen binnen zwölf Monaten geliefert werden, viele Staaten werden dafür Armeedepots strapazieren. Die Außenminister der EU-Staaten haben sich auf eine gemeinsame Lieferung von Munition an die Ukraine geeinigt. Sie wollen in den kommenden zwölf Monaten eine Million Artilleriegeschosse für die Verteidigung gegen Russland bereitstellen. "Wir haben einen politischen Konsens erzielt, eine Million Schuss Munition des Kalibers 155 in die Ukraine zu schicken", sagte der estnische Verteidigungsminister Hanno Pevkur am Rande der Beratungen der EU-Außen- und Verteidigungsminister in Brüssel. "Es gibt noch viele, viele Details zu klären, aber für mich ist es am wichtigsten, dass wir diese Verhandlungen abschließen, und das zeigt mir eines: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg." Nach Angaben von Verteidigungsminister Boris Pistorius soll die zusätzliche Munition über bestehende nationale Rahmenverträge, aber auch über ein neues europäisches Beschaffungsprojekt gekauft werden. "Wir bündeln damit Europas Marktmacht", sagte der SPD-Politiker. "Das hat es in der Form noch nicht gegeben." Wie viel Munition über bereits bestehende deutsche Rahmenverträge mit der Industrie beschafft werden könnte, wollte Pistorius nicht beziffern. Zwei Milliarden Euro für zusätzliche Munition Um die Kosten gerecht zu verteilen, will man den Planungen zufolge rund zwei Milliarden Euro an EU-Mitteln mobilisieren. Dies bestätigten mehrere Diplomaten der Nachrichtenagentur dpa. Das Geld soll aus der sogenannten Friedensfazilität kommen. Dabei handelt es sich um ein Finanzierungsinstrument, über das die EU Waffen und Ausrüstung an die Ukraine liefert und die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte fördert. Von den zwei Milliarden Euro soll eine Milliarde für Rückerstattungen an jene Mitgliedstaaten genutzt werden, die Munition aus ihren Armeebeständen an die Ukraine liefern. Mit der zweiten Milliarde soll in einem zweiten Schritt eine gemeinsame Beschaffung neuer Munition für das von Russland angegriffene Land finanziert werden. Durch solche Sammelbestellungen könnten Preise gedrückt und Lieferungen beschleunigt werden, heißt es vonseiten der EU-Kommission und ihrem Außenbeauftragten Josep Borrell. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte vergangene Woche bei seiner Regierungserklärung im Bundestag anklingen lassen, dass er ein nationales Vorgehen bevorzugt. | /ausland/europa/eu-munition-ukraine-101.html |
2023-03-20 | KI darf Menschen nicht ersetzen | Stellungnahme des Ethikrats | Der Deutsche Ethikrat fordert in einer Stellungnahme klare Regeln für den Einsatz Künstlicher Intelligenz. Softwaresysteme verfügten nicht über Vernunft, handelten nicht selbst und könnten daher keine Verantwortung übernehmen, heißt es darin.
mehr | Der Deutsche Ethikrat fordert in einer Stellungnahme klare Regeln für den Einsatz Künstlicher Intelligenz. Softwaresysteme verfügten nicht über Vernunft, handelten nicht selbst und könnten daher keine Verantwortung übernehmen, heißt es darin. Der Deutsche Ethikrat hat sich für strikte Begrenzungen bei der Verwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) ausgesprochen. "Der Einsatz von KI muss menschliche Entfaltung erweitern und darf sie nicht vermindern", sagte Alena Buyx, die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, in Berlin zur Vorstellung der Stellungnahme "Mensch und Maschine - Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz". "KI darf den Menschen nicht ersetzen", betonte Buyx. Softwaresysteme verfügten nicht über Vernunft, würden nicht selbst handeln und könnten daher keine Verantwortung übernehmen, heißt es in der Stellungnahme. Stellungnahme zu vier Anwendungsbereichen Eine Arbeitsgruppe des Ethikrats hatte die Stellungnahme in den vergangenen beiden Jahren ausgearbeitet. Beispielhaft wird in der fast 300 Seiten langen Stellungnahme auf vier Anwendungsbereiche eingegangen: Medizin, schulische Bildung, öffentliche Kommunikation und Meinungsbildung sowie öffentliche Verwaltung. Die Beurteilung von KI müsse "immer kontext-, anwendungs- und personenspezifisch erfolgen", erklärte das Gremium. Das Delegieren von Tätigkeiten an Maschinen könne "für verschiedene Personengruppen, Akteure und Betroffene ganz unterschiedliche Auswirkungen haben", erläuterte die Sprecherin der Arbeitsgruppe, Judith Simon. Ärztliche Kompetenzverluste vermeiden Für den Medizinbereich richten sich Empfehlungen des Ethikrates unter anderem auf die Qualitätssicherung bei der Entwicklung und Nutzung von KI-Produkten. Zudem müssten ärztliche Kompetenzverluste vermieden und die Privatsphäre von Patientinnen und Patienten mit intensiver Datennutzung in der medizinischen Forschung in Einklang gebracht werden. Der Einsatz von KI in der schulischen Bildung sollte nach den Empfehlungen nicht durch technologische Visionen gesteuert werden, sondern sich an grundlegenden Bildungsvorstellungen orientieren. Im Bereich der öffentlichen Kommunikation und Meinungsbildung empfiehlt der Ethikrat unter anderem Weiterentwicklungen der Regeln für Online-Plattformen hinsichtlich der Auswahl und Moderation von Inhalten sowie zu personalisierter Werbung und zum Datenhandel. Für den Einsatz von KI in der öffentlichen Verwaltung rät der Ethikrat zu Ansätzen, die vor Diskriminierungen schützen und dem blinden Befolgen maschineller Empfehlungen vorbeugen. Weiterhin fordert er, dass Einzelfallbetrachtungen sowie die Einsichts- und Einspruchsrechte von Betroffenen gewährleistet werden. Heute veröffentlichen wir unsere neue Stellungnahme „Mensch und Maschine – Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz“!
#menschundmaschine #KI https://t.co/giroS1wkvm Unabhängiges Gremium zu ethischen Fragen Der Deutsche Ethikrat ist ein unabhängiges Gremium in Deutschland. Er beschäftigt sich mit ethischen Fragen und Herausforderungen im Bereich der Naturwissenschaften, Medizin und Gesundheitsversorgung. Die 26 Mitglieder werden von der Präsidentin des Deutschen Bundestages ernannt. Der Bundestag oder die Bundesregierung können den Ethikrat beauftragen, zu bestimmten Themen zu beraten. | /inland/ethikrat-kuenstliche-intelligenz-101.html |
2023-03-20 | "Die Klima-Zeitbombe tickt" | Bericht des Weltklimarats | Deutlich wie nie zuvor hat der Weltklimarat vor dem Klimawandel gewarnt und drastische Maßnahmen gefordert, um den CO2-Ausstoß zu verringern. Denn die 1,5-Grad-Grenze werde schon im nächsten Jahrzehnt überschritten.
mehr | Deutlich wie nie zuvor hat der Weltklimarat vor dem Klimawandel gewarnt und drastische Maßnahmen gefordert, um den CO2-Ausstoß zu verringern. Denn die 1,5-Grad-Grenze werde schon im nächsten Jahrzehnt überschritten. Der Klimawandel schreitet schneller voran und seine Folgen sind verheerender als zunächst gedacht. Zu dieser Einschätzung kommt der Weltklimarat (IPCC) in seinem im schweizerischen Interlaken vorgestellten Abschlussbericht. Fast alle Szenarien für den kurzfristigen Treibhausgasausstoß der Menschheit sagten eine Erderwärmung um 1,5 Grad im Zeitraum 2030 bis 2035 voraus, heißt es im sogenannten Synthesebericht. "Das Tempo und der Umfang der bisherigen Maßnahmen sowie die derzeitigen Pläne sind unzureichend, um den Klimawandel zu bekämpfen", so die Wissenschaftler. Durch eine "tiefgreifende, schnelle und anhaltende Verringerung der Emissionen" könne die internationale Gemeinschaft aber "eine sichtbare Verlangsamung der Erderwärmung" erreichen. Drastische Maßnahmen notwendig Um die Zunahme der Temperatur auf 1,5 oder maximal zwei Grad Celsius zu beschränken, müssten noch in diesem Jahrzehnt die Treibhausgasemissionen in allen Sektoren drastisch reduziert werden, andernfalls werde die Marke überschritten. Die in diesem Jahrzehnt getroffenen Entscheidungen hätten Auswirkungen auf die nächsten Jahrtausende, heißt es in dem Report weiter. Der Weltklimarat geht aber selbst in den beiden optimistischsten Szenarien mit sehr deutlicher Emissionsminderung davon aus, dass die Erwärmung 1,5 Grad vorübergehend überschreiten dürfte - und dies für mehrere Jahrzehnte. Warum, sei klar: "Öffentliche und private Finanzströme für fossile Brennstoffe sind immer noch größer als die für Klimaanpassung und Klimaschutz", schreiben die Wissenschaftler. Dabei hätte auch ein solches nur temporäres Überschreiten unumkehrbare Folgen, etwa das Schmelzen von Gletschern oder der Anstieg des Meeresspiegels. Der Vorsitzende des Rates, Hoesung Lee, betonte zugleich: "Wenn wir jetzt handeln, können wir noch eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle sichern." 65 Prozent weniger Emissionen bis 2035 Die Erwärmung liegt bereits bei rund 1,1 Grad. Nach Angaben der UN steuert die Welt selbst mit den bisher gemachten Zusagen zur Einsparung von Treibhausgasen auf einen Temperaturanstieg von bis zu 2,6 Grad zu. Die Staatengemeinschaft hatte sich 2015 im Pariser Klimaabkommen darauf geeinigt, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Allerdings steigen die Emissionen derzeit statt zu sinken - nach einem kleinen Rückgang wegen der Corona-Pandemie geht es wieder steil nach oben. Doch die weltweiten CO2-Emissionen müssten bis 2030 um 48 Prozent gegenüber 2019 sinken, um die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu begrenzen. Bis 2035 müssten die Emissionen sogar um 65 Prozent gegenüber 2019 sinken, so der Weltklimarat. "Bedrohung für das menschliche Wohlbefinden" "Der Klimawandel ist eine Bedrohung für das menschliche Wohlbefinden und die Gesundheit des Planeten", heißt es in dem Bericht. Fast die Hälfte der Weltbevölkerung, bis zu 3,6 Milliarden Menschen, leben demnach in Regionen, die besonders starke Folgen des Klimawandels erleben dürften. Schon jetzt sind Folgen wie häufigere und stärkere Hitzewellen, Überschwemmungen und Dürren sichtbar, etwa die Hitze und Überschwemmungen in Indien und Pakistan im Jahr 2022 und die anhaltende Dürre südlich der Sahara. In Somalia könnte es laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wegen der Dürre im vergangenen Jahr bis zu 43.000 zusätzliche Todesfälle gegeben haben. Guterres: "Überlebensleitfaden für die Menschheit" UN-Generalsekretär António Guterres warnte vor den verheerenden Folgen des Klimawandels. "Die Klima-Zeitbombe tickt. Aber der heutige IPCC-Bericht ist ein Leitfaden zur Entschärfung der Klima-Zeitbombe. Er ist ein Überlebensleitfaden für die Menschheit", sagte er in einer Video-Schalte bei der Vorstellung des Berichts. Er forderte einen Quantensprung bei den Klimaschutzmaßnahmen wie dem Ausbau grüner Energie. Die Klimabemühungen müssten in jedem Land und in jedem Sektor massiv beschleunigt werden. Die Welt brauche Klimamaßnahmen an allen Fronten. Er forderte die reichen Staaten auf, Klimaneutralität möglichst schon bis 2040 zu erreichen. Deutschland strebt das bislang bis 2045 an und gehört damit zu den ehrgeizigsten Ländern der Welt. Baerbock: Sägen an unserem Ast Außenministerin Annalena Baerbock zufolge macht der Bericht "mit brutaler Klarheit deutlich, dass wir an dem Ast sägen, auf dem wir als Weltgemeinschaft sitzen. 1,5 Grad sind die Schmerzgrenze des Planeten", erklärte die Grünen-Politikerin. Der Bericht gebe aber auch Hoffnung, ergänzte die Ministerin: "Es ist weiterhin möglich, die 1,5 Grad in Reichweite zu halten, wenn wir in den nächsten sieben Jahren die globalen Emissionen halbieren." Die Menschheit habe das nötige Wissen, die passenden Technologien und auch die finanziellen Mittel, erklärte Baerbock. Deshalb setze sie sich mit der Bundesregierung für eine ambitionierte globale Klimapolitik ein. "Denn unsere Entscheidungen von heute werden die Welt für Jahrtausende prägen." Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) forderte ebenfalls größere Anstrengungen zur Bewältigung der Klimakrise. "Jedes zusätzliche Zehntelgrad macht es uns schwerer, die Klima-Auswirkungen in einem Ausmaß zu halten, mit dem wir als Gesellschaft und Volkswirtschaft noch umgehen können", sagte Lemke. Die Anpassung an die Klimakrise habe Grenzen. Deshalb sei es nötig, den Ausstoß von Treibhausgasen weltweit drastisch zu begrenzen. NGOs nehmen Bundesregierung in die Pflicht Die Umweltorganisation Germanwatch forderte angesichts des Berichts die Bundesregierung auf, "keine weitere Zeit" zu verlieren. Die Ampel-Koalition müsse "jetzt die notwendigen Beschlüsse für den Umbau des Verkehrs- und Gebäudesystems, für die Beschleunigung des Ausbaus Erneuerbarer und der Energieeffizienz fassen", erklärte der politische Geschäftsführer der Organisation, Christoph Bals. Außerdem müssten Investitionen in fossile Energieträger wie Erdöl und Erdgas eingestellt werden. Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid mahnte, die Ampel-Koalition müsse ihr "lähmendes Hickhack um E-Fuels, Tempolimit und LNG-Überkapazitäten endlich beenden". "Wer sich jetzt noch einer kompletten Umstellung auf erneuerbare Energien und einem Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas entgegenstellt, ignoriert die eindringlichen Warnungen der Klimawissenschaft", hob er hervor. Angesichts der sich beschleunigenden Klimakrise zähle "jeder Tag". Es komme jetzt darauf an, "politisch Verantwortung für künftige Generationen zu übernehmen", sagte Viviane Raddatz vom WWF. Schließlich verdeutliche der Bericht "unmissverständlich die bereits verheerenden Auswirkungen der Klimakrise auf die Menschheit und Ökosysteme weltweit". Andererseits zeige er "sehr klar, dass wir dieser kolossalen Herausforderung gewachsen sind, wenn wir jetzt entschieden handeln." UN-Gremium zur Erderwärmung Der Weltklimarat mit Sitz in Genf ist das führende internationale Gremium zu wissenschaftlichen Fragen und Antworten rund um die Erderwärmung. Das neue Dokument beruht auf sechs Berichten, die Tausende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit gut acht Jahren erarbeitet haben. Es fasst ihre Erkenntnisse zusammen und soll als Handlungsgrundlage für die Politik dienen. Das Dokument gilt als wichtige diplomatische Grundlage für kommende Klimaverhandlungen. Dem Weltklimarat gehören 195 Staaten an. | /wissen/klima/ipcc-bericht-103.html |
2023-03-20 | Die Post-Saddam-Generation | 20 Jahre nach US-Invasion | Die Hälfte aller Iraker war zu Beginn der US-Invasion vor 20 Jahren noch nicht einmal sechs Jahre alt. Vor allem die jungen Menschen sind die Leidtragenden der Dauerkrise, in der sich das Land befindet. Von A. Osius. | Die Hälfte aller Iraker war zu Beginn der US-Invasion vor 20 Jahren noch nicht einmal sechs Jahre alt. Vor allem die jungen Menschen sind die Leidtragenden der Dauerkrise, in der sich das Land befindet. Zeit totschlagen. Das kann Ibrahim besonders gut. Der 28-Jährige ist diplomierter Ingenieur, spezialisiert auf die Erdöl- und Raffineriebranche. Aber obwohl sein Heimatland Irak eines der wichtigsten Ölförderländer der Erde ist, findet Ibrahim keinen Job. "Ich schlafe tagsüber, hänge rum, treffe mich mit Freunden im Café. Im staatlichen Bereich gibt es keine Jobs, und die ausländischen Ölkonzerne vergeben ihre Stellen fast nur an ausländische Mitarbeiter, wir kriegen keine Chance. Das ist sehr traurig." Enttäuschte Hoffnung Als die US-Amerikaner 2003 in den Irak einmarschierten, war Ibrahim ein kleiner Junge. Er erinnert sich noch gut an die Flugzeuge, berichtet er, an den Klang der Kämpfe. Wie viel Hoffnung die Leute hatten, als Diktator Saddam Hussein gestürzt wurde. Und dann, später: Wie jede Hoffnung enttäuscht wurde. Wie Ibrahim geht es vielen jungen Menschen im Irak: Die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch: Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation ILO hat fast jeder dritte junge Iraker keinen Job. Der Frust ist groß. Von einer Krise in die nächste Geprägt von Kriegen und Terror, gefangen zwischen politischen und religiösen Interessengruppen, hochbewaffneten Milizen und dem Einfluss des Iran taumelt der Irak seit Jahrzehnten von einer Krise in die nächste. Erst vor wenigen Monaten wurde der neue irakische Premier al-Sudani vereidigt. Vorangegangen war ein monatelanges, teilweise gewaltsames Tauziehen um die Macht im Staat. Und auch die wirtschaftliche Lage sei äußerst schwierig, so der irakische Analyst Raad Karim. "Die Wirtschaft hängt weit zurück. Unter Saddam Hussein hatte der Irak eine sozialistische Marktwirtschaft, und nach dem Golfkrieg 2003 gab es nie eine gesteuerte Öffnung zu einer freien Marktwirtschaft, das passierte unkontrolliert", erklärt Karim. "Man verlässt sich zu viel auf die Erdöl-Branche, das Wachstum ist zu langsam. Und die Korruption ist das größte Problem im Land, große Summen verschwinden einfach. Seit 20 Jahren hat es wenig Verbesserungen gegeben." Die ökonomischen Strukturen im Irak sind veraltet, der Staatssektor ist aufgebläht, die Privatwirtschaft unterentwickelt. Die Elite bereichert sich selbst, die Korruption blüht. Viele sehen die USA als mitschuldig an der Misere. Und die Corona-Pandemie wirkte sich zusätzlich negativ auf die Wirtschaft aus. Viele Menschen leben in Armut. Heute träumen viele Jugendliche von einem Leben im Ausland, wollen auswandern, Hauptsache weg, legal oder illegal. Junge Iraker sind die Leidtragenden Die jungen Iraker sind seit Jahren die Leidtragenden der politischen Stagnation. Rund die Hälfte der Bevölkerung des Iraks ist unter 25 Jahren alt. Doch zermürbt zwischen allen Konflikten droht der Irak offenbar sein größtes Potential zu vergessen: Seine Jugend. 2019 gingen viele aus Frust auf die Straße, demonstrierten gegen die politische Elite. Aber die Demonstrationen wurden blutig niedergeschlagen. In einer unscheinbaren Seitenstraße mitten in Iraks Hauptstadt Bagdad ragt ein modernes schwarz-verglastes Gebäude empor, das nicht so recht in seine etwas heruntergekommene Nachbarschaft passen will. "The station" steht in großen gelben Lettern auf Arabisch über dem Eingang. Drinnen herrscht reger Betrieb: Junge Leute sitzen an Cafétischen und diskutieren, sind über ihre Laptops gebeugt. "The station" ist so etwas wie eine Haltestelle für die Jugend Bagdads, einer der wenigen Orte, wo sie frei ihre Ideen entwickeln können. In dem Co-Working-Space werden junge Absolventen auf den Arbeitsmarkt vorbereitet, Existenzgründer erhalten Unterstützung. "Jetzt tut sich hier gerade sehr viel" Eine Nichtregierungsorganisation gründete "The station" vor fünf Jahren, Zuschüsse kamen unter anderem auch aus Deutschland. Auch die 28-jährige Mena hat hier einen Schreibtisch. Die studierte Ingenieurin fand keinen Job - und sattelte um: Mena hat ihre eigene kleine Umweltfirma gegründet. Als junge Frau im Irak Existenzgründerin zu sein, sei alles andere als einfach, räumt Mena ein. "Vor ein paar Jahren hätte niemand im Irak gedacht, dass man aus einem Hobby einen Beruf machen kann, schon gar nicht als Frau", sagt Mena. Mein Traum ist es, die erste Recyclinganlage des Iraks zu gründen. Wir sind ein bisschen später dran als der Rest der Welt. Aber jetzt tut sich hier gerade sehr viel. Das gibt uns jungen Leuten etwas Hoffnung." Auch Homam will im Irak bleiben. Wir müssen unser Land aufbauen. Wer, wenn nicht wir, sagt der 26-Jährige. Man müsse die Jugend nur lassen: "Nach der Revolution 2019 hat sich die Jugend im Irak verändert. Wir denken neu. Es gibt eigentlich so viele Chancen. Wir brauchen Veränderung im Land." Der diplomierte Ingenieur Ibrahim dagegen hat nur ein Ziel: Er will so schnell wie möglich weg aus dem Irak - am liebsten nach Deutschland. Dass es auch dort Probleme gibt, mag er eigentlich nicht hören. Das sei immer noch, als würde man den Himmel mit der Hölle vergleichen, sagt er mit einem traurigen Lächeln. Und schlendert über den Tahrir-Platz von Bagdad davon, um woanders die Zeit totzuschlagen. | /ausland/asien/zwanzig-jahre-us-invasion-irak-101.html |
2023-03-20 | Hilfe für die Menschen in der Türkei und in Syrien | Spenden | Wenn Sie für die Menschen in der Türkei und Syrien spenden wollen, finden Sie hier Hilfsorganisationen und Bankverbindungen.
mehr | "Bündnis Entwicklung Hilft" und "Aktion Deutschland Hilft" rufen mit folgendem Konto gemeinsam zu Spenden auf:BEH und ADHIBAN: DE53 200 400 600 200 400 600BIC: COBADEFFXXXCommerzbankStichwort: ARD/ Erdbeben Türkei und Syrienwww.spendenkonto-nothilfe.de "Bündnis Entwicklung Hilft" ist ein Zusammenschluss von Brot für die Welt, Christoffel-Blindenmission, DAHW, Kindernothilfe, medico international, Misereor, Plan International, terre des hommes und Welthungerhilfe. German Doctors und Oxfam sind assoziierte Mitglieder.www.entwicklung-hilft.de "Aktion Deutschland Hilft" ist ein Zusammenschluss von 23 deutschen Hilfsorganisationen, darunter action medeor, ADRA, Arbeiter-Samariter-Bund, AWO International, CARE Deutschland, Habitat for Humanity, HELP - Hilfe zur Selbsthilfe, Johanniter-Unfall-Hilfe, Malteser Hilfsdienst, World Vision Deutschland, Der Paritätische (darüber aktiv: arche Nova, Bundesverband Rettungshunde, Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners, Hammer Forum, Handicap International, Help Age Deutschland, Kinderverband Global-Care, LandsAid, SODI und Terra Tech)www.aktion-deutschland-hilft.de Außerdem rufen zu Spenden auf: Ärzte der Welt e.V.IBAN: DE06 1203 0000 1004 3336 60BIC: BYLADEM1001Deutsche KreditbankStichwort: Nothilfe Türkei / Syrienwww.aerztederwelt.org DRK e.V.IBAN: DE63 3702 0500 0005 0233 07BIC: BFSWDE33XXXBank für SozialwirtschaftStichwort: Nothilfe Erdbeben Türkei und Syrienwww.drk.de Franziskaner Helfen IBAN: DE63 3702 0500 3802 0230 26 BIC: BFSWDE33XXX Bank für SozialwirtschaftStichwort: Erdbeben Syrien Notfallhilfewww.franziskaner-helfen.de HumedicaIBAN: DE35 7345 0000 0000 0047 47 BIC: BYLADEM1KFB Sparkasse Kaufbeuren Stichwort: Erdbeben Türkeiwww.humedica.org Save the Children e.V.IBAN: DE92 1002 0500 0003 292912BIC: BFSWDE33BERBank für SozialwirtschaftStichwort: Nothilfe weltweitwww.savethechildren.de Shelter Now Germany e.V.IBAN: DE65 2505 0000 0002 5230 58BIC: NOLADE2HXXXNorddeutsche LandesbankStichwort: Erdbebenwww.shelter.de UNICEFIBAN: DE57 3702 0500 0000 3000 00BIC: BFSWDE33XXXBank für SozialwirtschaftStichwort: Erdbeben Türkei/Syrienwww.unicef.de UNO-Flüchtlingshilfe e.V.IBAN: DE78 3705 0198 0020 0088 50BIC: COLSDE33Sparkasse KölnBonnStichwort: Erdbebenwww.uno-fluechtlingshilfe.de/ | /spendenkonten/spendenkonten-137.html |
2023-03-20 | Wie deutsche Firmen Desinformation finanzieren | Serbische Medien | In vielen serbischen Medien wird massiv Stimmung gegen die EU und pro Russland gemacht. Die Auswertung der serbischen NGO CRTA zeigt: Ausgerechnet westliche Unternehmen finanzieren diese Medien durch Anzeigen - auch viele deutsche. Von P. Siggelkow. | In vielen serbischen Medien wird massiv Stimmung gegen die EU und pro Russland gemacht. Die Auswertung der serbischen NGO CRTA zeigt: Ausgerechnet westliche Unternehmen finanzieren diese Medien durch Anzeigen - auch viele deutsche. "Russland wurde zum Krieg gezwungen", in der Ukraine seien "ethnische Säuberungen" durchgeführt worden, ohnehin habe der Westen den Krieg in der Ukraine begonnen: Das sind Äußerungen in reichweitenstarken serbischen Medien, die dort unwidersprochen getätigt werden konnten. Dahinter steht nicht zuletzt der serbische Präsident Alexander Vucic, der die Medienlandschaft im Land zu großen Teilen unter seine Kontrolle gebracht hat. Was brisant daran ist: Nach Angaben der serbischen Nichtregierungsorganisation CRTA finanzieren sich viele der serbischen Medien zu großen Teil durch Anzeigenerlöse westlicher Unternehmen. Eine Auswertung der Werbung in den überregionalen Fernsehsendern und Tageszeitungen des vergangenen Jahres kommt zu dem Ergebnis, dass etwa 63 Prozent davon von Unternehmen aus der EU, den USA oder der Schweiz stammte. "Ohne das Geld der westlichen Unternehmen wäre die serbische Propagandamaschinerie nicht machbar", sagt Rasa Nedeljkov, Programmdirektor bei CRTA. Fast zehn Prozent der Anzeigen von deutschen Firmen Auch deutsche Unternehmen sind im erheblichen Umfang daran beteiligt und gehören laut Nedeljkov zu den "wichtigsten Akteuren auf dem serbischen Werbemarkt": Sie machen knapp zehn Prozent der ausgewerteten Anzeigen aus. Zum Vergleich: Private und staatliche serbische Unternehmen kommen nach Angaben von CRTA zusammen auf 36 Prozent, russische sogar nur auf 0,1 Prozent. Mehr als zehn deutsche Unternehmen schalteten demnach im vergangenen Jahr in serbischen Medien jeweils Anzeigen im Wert von mehr als einer Million Euro. An der Spitze steht LIDL: Nach Angaben von CRTA schaltete der Konzern Anzeigen im Wert von gut 54 Millionen Euro. Dahinter folgen Beiersdorf mit 10,3 Millionen Euro, Glovo - das zu Delivery Hero gehört - mit fünf Millionen Euro und die Berlin Chemie AG mit 3,7 Millionen Euro. Auch dm, Dr. Theiss, Bayer und METRO schalteten jeweils Werbung im Wert von mehr als einer Million Euro. Die Anzeigen wurden jeweils in verschiedenen Medien platziert. "Mehr als die Hälfte der Ausgaben von LIDL gingen unserer Analyse nach an die Fernsehsender TV Pink und TV Happy, die beide für ihre prorussische Kriegspropaganda und ihre unprofessionelle und unethische Berichterstattung berüchtigt sind", sagt Nedeljkov. TV Pink ist nach Angaben von Nielsen Television Audience Measurement der meistgesehene kommerzielle Fernsehsender in Serbien. Auch alle anderen deutschen Unternehmen schalteten der Auswertung von CRTA zufolge bei TV Pink Werbung. Schlechtes Bild von der EU TV Pink gilt zusammen mit TV Happy zu den extremsten Medien des Landes. Hier werden zum Beispiel mit Blick auf den Krieg in der Ukraine vor allem die russischen Narrative verbreitet. So wird die russische Desinformation über die angebliche "Entnazifizierung" übernommen, oder die mutmaßlich von russischen Soldaten verübten Kriegsverbrechen in Butscha als Manipulation dargestellt. Zudem wird die NATO für den Krieg verantwortlich gemacht. Auch die Desinformation über die Biolabore spielt immer wieder eine Rolle. Hinzu kommt, dass in den Medien ein schlechtes Bild von der EU gezeichnet wird. So wird unter anderem behauptet, es gebe keine Meinungsfreiheit in der EU. In einem anderen Beitrag heißt es, die einzige "Stimme der Vernunft" in der EU sei der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban. Auch die USA werden regelmäßig verunglimpft. Nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien wurden die USA sogar beschuldigt, die Katastrophe verursacht zu haben. Auch andere reichweitenstarke Medien in Serbien verbreiten ähnliche Ansichten - wie beispielsweise die Fernsehsender TV Prva und B92 TV oder die Zeitungen Informer und Vecernje novosti. Auch hier schalteten mehrere deutsche Unternehmen Anzeigen im Wert von mehr als einer Million Euro. "Alle reichweitenstarken Medien, ob TV, online oder Print, liegen auf einer Linie", sagt Thomas Brey, langjähriger Regionalbüroleiter der Büros der Nachrichtenagentur dpa in Südosteuropa. "Es gibt nur graduelle Abstufungen." FDP-Abgeordneter appelliert an "europäische Werte" Thomas Hacker, Bundestagsabgeordneter der FDP, fordert von deutschen Unternehmen, besser zu analysieren, wo sie Werbung schalten. "Auch als Unternehmen sollte ich schauen, in welcher Weltlage wir uns befinden. Und da sollten sie sich fragen: Welche Art von Propaganda finanziere ich mit meinen Ausgaben?" Denn da Serbien deutlich kleiner ist als zum Beispiel Deutschland, sei die Größenordnung der Summen so hoch, dass sie etwas ausmachten. "Deshalb sollten deutsche Unternehmen darauf achten, dass sie in Medien Anzeigen schalten, die auch europäische Werte verkörpern." Er gehe zwar davon aus, dass es sich nicht um eine bewusste Entscheidung der Unternehmen gehandelt habe, Medien mit solchen Inhalten zu unterstützen, sondern dass es ihnen viel mehr um deren Reichweite gehe. "Nichtsdestotrotz haben die Unternehmen eine Verantwortung bei der Wahl, wo sie ihre Anzeigen schalten." Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Boris Mijatovic findet das Verhalten der beteiligten deutschen Unternehmen "zweifelhaft" - besonders mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. "Das ist nicht im Interesse der westeuropäischen Politik, wenn man mit mehr als 20 Millionen Euro russische Narrative unterstützt." Er würde sich wünschen, dass die Öffentlichkeit diese Geschäftsgebaren stärker in den Fokus nimmt. Wirtschaftliche Interessen im Vordergrund? An Unwissenheit der Unternehmen hat Nedeljkov seine Zweifel: "Diese Unternehmen haben ihre lokalen Büros und Angestellten, lokale Werbe- und Medieneinkaufsagenturen - seit langem ist der 'professionelle Ruf' dieser Medien unübersehbar, wenn man in Serbien lebt und geschäftlich tätig ist oder auch nur einige Zeit hier verbringt." Er vermutet daher, dass es an der Reichweite dieser Medien liegt, die sie für Werbeanzeigen aus Sicht der Unternehmen attraktiv macht. Auch Aleksandra Tomanic, Geschäftsführerin des European Fund for the Balkans, sieht die deutschen Unternehmen in der Verantwortung. "Gerade im Kontext des letzten Jahres und mit Blick darauf, wie viele Opfer die deutsche Wirtschaft, die deutsche Politik und die Bevölkerung in Deutschland gebracht haben, um sich deutlich moralisch zu positionieren, geht das gar nicht." Würden die Unternehmen zum Beispiel bei den russischen Sendern RT oder Sputnik Werbung schalten, wäre die Empörung groß. Die serbischen Medien seien jedoch mindestens genauso schlimm und würden durch die Anzeigen westlicher Unternehmen legitimiert und finanziert. "Unternehmensgewinne können keine Entschuldigung für alles sein", sagt Tomanic. "Es gibt auch eine moralische und gesellschaftliche Verantwortung. Und von freier Marktwirtschaft kann man in Serbien nicht reden, wenn man sich die Rahmenbedingungen und politische Einflussnahme anguckt. Serbien ist im Moment einfach leider keine Demokratie mehr." Unternehmen weisen Verantwortung von sich Wie viel Geld die Unternehmen im vergangenen Jahr für Anzeigen in serbischen Medien ausgegeben haben, wollten sie auf Anfrage des ARD-faktenfinders nicht preisgeben. Ein Sprecher von LIDL Serbia teilte jedoch mit, dass die gesamten Medienausgaben aus dem vergangenen Geschäftsjahr weniger als 15 Prozent der genannten Summe ausgemacht haben. Die Entscheidung, wo Anzeigen geschaltet werden, würden "auf der Grundlage von Marketingkennzahlen wie zum Beispiel der Reichweite" getroffen, "um unsere Kunden und potenziellen Kunden bestmöglich zu erreichen". Weiter heißt es: "Die Entscheidungen über spezifische Marketingmaßnahmen werden in den LIDL-Ländern auf nationaler Ebene getroffen und nutzen die vorhandenen Medienstrukturen unter länderspezifischen Gegebenheiten. Sie spiegeln nicht die politische Einstellung des Unternehmens wider." Ein Sprecher von METRO Serbia teilte mit, dass das Unternehmen im Rahmen seiner Werbeaktivitäten mit einer Vielzahl von Medien zusammenarbeite, um seine Zielgruppen möglichst effektiv zu erreichen. Man verfolge hierbei "aber ausschließlich kommerziellen Ziele und mischt sich niemals in politische Angelegenheiten ein". Glovo antwortete auf Anfrage des ARD-faktenfinders, das Unternehmen würde sicherstellen, "dass unsere Werbung nicht neben unangemessenen oder illegalen Inhalten erscheint". Zudem sei das Medienbudget für das Fernsehen in Serbien im vergangenen Jahr "weitaus geringer" gewesen als die genannte Schätzung. Dm Serbien schrieb auf Anfrage des ARD-faktenfinders, dass das Unternehmen mit TV Pink zusammenarbeite, da der Sender "der reichweitenstärkste Sender in Serbien" ist. Hauptkriterien für die Auswahl der Medien von dm seien "Zielgruppen, Reichweite, sowie Programmplan". Dm Serbien sehe lediglich bei einem serbischen TV-Sender eine klar ausgeprägte prorussische und antiwestliche Haltung, "mit dem wir auch nicht zusammenarbeiten". Ein Sprecher von Beiersdorf teilte mit, dass das Unternehmen grundsätzlich auf den Kanälen Werbung schalte, "auf denen wir die größte Reichweite erzielen und unsere Konsument*Innen effizient erreichen". Dazu gehöre in Serbien auch der Sender TV Pink. Bayer teilte mit, den Sachverhalt prüfen zu wollen. Die Unternehmen Dr. Theiss und die Berlin Chemie AG gaben keine Stellungnahme dazu ab. "Ein Skandal, über den zu wenig gesprochen wird" Experten sehen neben den Unternehmen jedoch vor allem die EU in der Pflicht. Denn diese verschließe die Augen davor, dass Präsident Vucic die Medien nahezu vollständig unter seine Kontrolle gebracht habe. "Viele der serbischen Medien sind wie ein verlängertes Sprachrohr von Vucic", sagt Brey. "Die Opposition kommt nicht zur Sprache." Das deckt sich mit einer weiteren Auswertung von CRTA, demzufolge es bei TV Pink allein im Jahr 2022 258 Livestreams von Vucics Ansprachen gab, drei Viertel der Nachrichtenzeit waren für Vucic reserviert. Auch Tomanic sieht das größte Problem in der Untätigkeit der EU. "Es ist bekannt, dass die Demokratie und Medienfreiheit in Serbien ausgehöhlt wurden. Das ist ein Skandal, über den in der EU zu wenig gesprochen und noch weniger gehandelt wird." Denn auch durch die mediale, staatlich gelenkte Propaganda sei das Ansehen der EU in der Bevölkerung immer weiter gesunken - laut dem serbischen Ministerium für Europäische Integration befürworteten im Dezember 2022 43 Prozent der Serben einem möglichen EU-Betritt - so wenig wie seit Juni 2016 nicht mehr. Und das, obwohl die EU sowohl ein wichtiger Handelspartner als auch ein großer Geldgeber für Serbien ist. Im November 2009 hatten noch 73 Prozent der Befragten einen EU-Beitritt befürwortet. Mit Blick auf die Verhandlungen um eine Einigung im Kosovokonflikt scheue sich die EU, deutliche Kritik an Vucic zu üben, kritisieren die Experten. Dabei sind die Mängel offensichtlich, sagt Brey. "Die Justiz ist gleichgeschaltet, es gibt keine einzige unabhängige staatliche Institution. Die Medien sind zentralisiert und zensiert, die Wirtschaft wird dominiert vom Staat und von privaten Oligarchen, die dem Staat nahestehen." | /faktenfinder/serbien-medien-finanzierung-101.html |
2023-03-20 | Gewinne privatisiert, Verluste übertragen | Desaster der Credit Suisse | Die Schweizer Aufsichtsbehörden haben dem Absturz der Credit Suisse lange tatenlos zugesehen, meint Kathrin Hondl. Fragen nach der Verantwortung für das Desaster bleiben unbeantwortet, die breite Kritik ist gerechtfertigt.
mehr | Die Schweizer Aufsichtsbehörden haben dem Absturz der Credit Suisse lange tatenlos zugesehen. Fragen nach der Verantwortung für das Desaster bleiben unbeantwortet, die breite Kritik ist gerechtfertigt. Ein Mann und eine Frau wandern in den Bergen und wollen Rast machen. Aber die schiefe Sitzbank am Wegrand wirkt wenig einladend. "Die sieht aber wackelig aus", sagt die Frau. "Scheint eine Schweizer Bank zu sein", meint der Mann. Und beide sehen ziemlich unglücklich aus auf dieser Karikatur, die die Schweizer Zeitung "Blick" als Netzfund präsentiert - Überschrift: "So lacht das Internet über das CS-Beben". Immer mehr Anleger suchten das Weite CS steht für Credit Suisse - die geschichtsträchtige Schweizer Bank, die nun selbst bald Geschichte sein wird, weil sie zu wackelig geworden ist. Weil zu viel schiefgelaufen ist, und das schon seit Langem. Schlechtes Risikomanagement, Skandale, Gerichtsverfahren: Immer mehr Anleger und Kunden schauten wie die unglücklichen Wanderer im Cartoon auf die immer schiefere Schweizer Bank - und suchten das Weite. Als dann in den vergangenen Tagen der Kollaps drohte und eine katastrophale Eskalation mit womöglich weltweiten Folgen, drängten Schweizer Regierung und Behörden zur Übernahme der CS durch die UBS - und unterstützen die Zwangsheirat der Großbanken mit einem umfangreichen Paket staatlicher Hilfen und Garantien. Steuerzahler sind zu Recht sauer Das Risiko tragen also zu einem großen Teil die Schweizer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Und die sind nun zu recht sauer. Denn was ist mit den verantwortlichen Top-Managern der Credit Suisse? Die, so hat es der "Tagesanzeiger" aus Zürich ausgerechnet, seit 2013 32 Milliarden Franken an Boni kassierten, während die Bank im gleichen Zeitraum 3,2 Milliarden Verlust machte. Selten ist so offensichtlich geworden, wie unter dem Deckmantel einer wirtschaftsfreundlichen und liberalen Politik Gewinne privatisiert und Verluste dem Staat übertragen werden. Die Schweizer Finanzministerin bedauerte am Sonntagabend öffentlich, dass die Credit Suisse nicht in der Lage gewesen sei, die Schwierigkeiten aus eigener Kraft zu meistern. Bislang keine schlüssigen Antworten Das ist insofern bemerkenswert, als sie bislang nicht bedauerte, dass die Schweizer Aufsichtsbehörden dem Absturz der Credit Suisse so lange tatenlos zugeschaut hatten. Denn wie konnte es passieren, dass eine Bank, die laut Finanzmarktaufsicht angeblich die strengen Schweizer Regeln für Eigenkapital und Liquidität erfüllte, nun auf diese enorme Rettungsaktion angewiesen ist? Antworten auf solche Fragen gibt es bislang nicht in der Schweiz. Aber die Fragen werden immer lauter gestellt. Das Credit-Suisse-Desaster ist nicht allein die Geschichte einer wackeligen Schweizer Bank. Ihr Niedergang erschüttert auch das traditionelle Selbstbild der Schweiz als wirtschaftsliberaler Garant für Stabilität und Sicherheit. | /wirtschaft/weltwirtschaft/credit-suisse-ubs-kommentar-101.html |
2023-03-20 | Was hinter der Tagundnachtgleiche steckt | Frühlingsanfang | Zwölf Stunden hell, zwölf Stunden dunkel: Dem Namen nach sollten bei der Tagundnachtgleiche beide Zeiträume identisch lang sein. Aber ist das auch wirklich so?
mehr | Zwölf Stunden hell, zwölf Stunden dunkel: Dem Namen nach sollten bei der Tagundnachtgleiche beide Zeiträume identisch lang sein. Aber ist das auch wirklich so? In Deutschland und auf der gesamten Nordhalbkugel beginnt heute am späten Abend der Frühling - zumindest wenn es nach den Astronomen geht. Der Kalendertag, an dem die Sonne über den Äquator wandert, wird auch Tagundnachtgleiche genannt - Tag und Nacht sollen exakt gleich lang sein. Aber ist das auch wirklich so? Um kurz vor 22:30 Uhr steht die Sonne für einen Moment genau senkrecht über dem Äquator. "Das Gleiche passiert auch zu Herbstbeginn", erklärt Astronom Uwe Wolter von der Sternwarte Hamburg. "An diesen beiden Zeitpunkten im Jahr, den Äquinoktien, überquert die Sonne genau auf dem Äquator den Zenit." Tag und Nacht sind dann überall auf der Welt etwa gleich lang - mit Ausnahme der beiden Pole. Das kann man sich auch von dem Fachbegriff Äquinoktium aus dem Lateinischen ableiten: aequus bedeutet "gleich", nox heißt "Nacht". In der Theorie sollten Tag und Nacht zum Frühlingsbeginn also exakt zwölf Stunden lang sein. "Der Tag ist zu den Äquinoktien aber in Wirklichkeit überall auf der Welt ein bisschen länger als die Nacht", sagt Astronom Wolter. Sonne wird "ein Stück nach oben gehoben" Weil die Äquinoktien ohne Einbezug der Erdatmosphäre berechnet würden, fehle mit der Luft eine wichtige Komponente. "Das Sonnenlicht wird in der Atmosphäre gebrochen und die Sonne in der Nähe des Horizonts ein Stück nach oben gehoben", erklärt der Astronom. Praktisch bedeutet das: Auf der Erde sehen die Menschen die Sonne am Morgen bereits am Himmel, obwohl sie noch unterhalb des Horizonts liegt. Am Abend scheint sie noch, obwohl sie eigentlich bereits hinter dem Horizont verschwunden ist. "Die Tageslänge würde zu den Äquinoktien ohne Atmosphäre fast sekundengenau zwölf Stunden betragen", sagt Wolter. "Aber wir wollen unsere Tageslänge natürlich unter Einbeziehung der Luft betrachten." Helle Teil des Tages ein paar Minuten länger Daneben gibt es noch einen weiteren Effekt: Bei den Berechnungen zur Tagundnachtgleiche bezieht man sich auf den Mittelpunkt der Sonne. "Aber der Mittelpunkt der Sonne erreicht den Horizont natürlich nicht genau zum Sonnenaufgang oder zum Sonnenuntergang", erklärt Wolter. Sieht man sich einen Sonnenaufgang an, erscheint zunächst der obere Rand der Sonne. Und auch beim Sonnenuntergang ist der oberste Rand der Sonne noch für einige Minuten länger sichtbar. Blickt man auf die Zeiten für Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge, lässt sich das Ganze nachvollziehen. In Hamburg etwa ging die Sonne heute um 6:23 Uhr auf, um 18:32 Uhr geht sie wieder unter. In München begann der Tag um 6:17 Uhr, dunkel wird es um 18:25 Uhr. Und in Köln, wo es um 6:35 Uhr hell wurde, beginnt die Nacht um 18:44 Uhr. Der helle Teil des Tages ist also jeweils ein paar Minuten länger. | /wissen/tagundnachtgleiche-101.html |
2023-03-20 | "Deutsches Finanzsystem stabil und robust" | Reaktionen auf Bankenrettung | Nach der Rettung der Credit Suisse betonen Bundesregierung und Aufsichtsbehörden die Widerstandsfähigkeit des deutschen und europäischen Finanzsystems. DIW-Chef Fratzscher gab zu bedenken, Finanzkrisen seien "kaum vorhersehbar".
mehr | Nach der Rettung der Credit Suisse betonen Bundesregierung und Aufsichtsbehörden die Widerstandsfähigkeit des deutschen und europäischen Finanzsystems. DIW-Chef Fratzscher gab zu bedenken, Finanzkrisen seien "kaum vorhersehbar". Die Bundesregierung hat die Rettungsaktion für die Schweizer Großbank Credit Suisse begrüßt. Diese diene dazu, "geordnete Marktkonditionen wiederherzustellen und Finanzstabilität zu gewährleisten", sagte eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums. Das deutsche Finanzsystem sei stabil. Die deutschen und europäischen Aufsichtsbehörden beobachteten die Lage "aufmerksam und sorgfältig". Bundeskanzler Olaf Scholz sagte nach Angaben eines Regierungssprechers, Gesetzgeber und Bankenaufsicht in Europa hätten aus der Finanzkrise 2008 gelernt und die Bankenregulierung erheblich verschärft. "Das deutsche Bankensystem ist daher gut aufgestellt." Auch die Finanzaufsicht BaFin hält das deutsche Finanzsystem weiter für widerstandsfähig. "Das deutsche Finanzsystem erweist sich weiterhin als stabil und robust," teilte ein Sprecher der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf Anfrage mit. Die BaFin habe die aktuellen Marktentwicklungen im Blick und berücksichtige sie im Rahmen ihrer laufenden Aufsicht. "Robuste" Kapitalausstattung europäischer Banken Die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) versicherte, das europäische Bankensystem sei "widerstandsfähig". Kapitalausstattung und Liquidität der Institute seien "robust", teilte die EZB mit. Sie begrüße die "umfassenden" Maßnahmen der Schweizer Behörden vom Sonntag, um die Finanzstabilität zu gewährleisten. Die Bankenaufsicht der Zentralbank ist zuständig für 113 bedeutende Banken im Euroraum. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, gab zu bedenken, die Krise um die Credit Suisse und die Pleite der kalifornischen Silicon Valley Bank könnten auf die deutsche Konjunktur durchschlagen. "Niemand kann zu diesem Zeitpunkt ausschließen, dass es auch in Deutschland und Europa zu einer Bankenkrise mit signifikanten Kosten für Wachstum und Wohlstand kommen wird", sagte Fratzscher der Nachrichtenagentur Reuters. Fratzscher warnt vor Panikreaktionen "Finanzkrisen sind per Definition kaum vorhersehbar", so Fratzscher weiter. Allerdings seien die systemischen Risiken im Finanzsystem heute deutlich geringer als nach der Lehman-Pleite im September 2008. Viele Finanzinstitutionen hätten mehr Eigenkapital und Absicherungen. "Meine größte Sorge heute ist, dass es zu einer Panik in den Kapitalmärkten und bei Anlegern und Sparern kommt, da niemand weiß, welche Banken noch in Schieflage geraten könnten", warnte Fratzscher. "Eine solche Panik könnte zu sogenannten selbsterfüllenden Erwartungen führen. Dies bedeutet, dass die Sorge um die Liquidität von Banken die Existenz von solchen Banken gefährdet, die ansonsten solvent wären." Die Vertrauenskrise bei der Credit Suisse hatte zunächst weltweit Schockwellen durch die Finanzmärkte gesandt. Die Rivalin UBS hatte die Credit Suisse dann am Sonntag für drei Milliarden Franken übernommen; die Schweizer Zentralbank sicherte zudem Hilfe von bis zu 100 Milliarden Franken zu. Die EZB, die US-Notenbank Fed und andere große Zentralbanken kündigten zudem eine "koordinierte Maßnahme" an, um Bankgeschäfte in Dollar zu erleichtern und so die Finanzmärkte zu beruhigen. | /wirtschaft/reaktionen-credit-suisse-101.html |
2023-03-20 | Renten steigen um mindestens 4,39 Prozent | Anpassung zum 1. Juli | Rentnerinnen und Rentner bekommen in Westdeutschland ab dem Sommer 4,39 Prozent mehr Geld, im Osten 5,86 Prozent. Wegen der hohen Inflation könnte die Erhöhung unter dem Strich aber einen Kaufkraftverlust bedeuten.
mehr | Rentnerinnen und Rentner bekommen in Westdeutschland ab dem Sommer 4,39 Prozent mehr Geld, im Osten 5,86 Prozent. Wegen der hohen Inflation könnte die Erhöhung unter dem Strich aber einen Kaufkraftverlust bedeuten. Die Renten in Deutschland steigen zum 1. Juli in Westdeutschland um 4,39 Prozent und in den neuen Bundesländern um 5,86 Prozent. Das gab Bundesarbeitsminister Hubertus Heil am Rande einer Kanada-Reise bekannt. Wegen der höheren Lohnsteigerung im Osten werde die Rentenangleichung Ost ein Jahr früher erreicht als gesetzlich vorgesehen. Im Dezember war noch eine geringere Erhöhung erwartet worden. "Diese Erhöhungen sind möglich, weil der Arbeitsmarkt in guter Verfassung ist und die Löhne steigen", sagte Heil. Hohe Inflation auch für 2023 erwartet Für einen großen Teil der über 21 Millionen Rentner und Rentnerinnen könnte die Erhöhung unter dem Strich aber einen Kaufkraftverlust bedeuten. Wirtschaftsforschungsinstitute sagten zuletzt für dieses Jahr eine Inflation zwischen 5,4 und 6,2 Prozent voraus. "Die Rentenanpassung bleibt aktuell hinter der Inflation zurück, aber das ist nur eine Momentaufnahme", hieß es in einer Mitteilung des Bundesarbeitsministeriums. Das Prinzip, dass die Renten den Löhnen folgen, habe sich mit Blick auf die Einkommensentwicklung von Rentnerinnen und Rentnern bewährt. "Aktuell abgeschlossene Tarifverträge sehen durchaus beachtliche Lohnerhöhungen vor", hieß es in der Mitteilung weiter. Diese würden sich dann in der Rentenanpassung zum 1. Juli 2024 abbilden. Die für die aktuelle Rentenanpassung relevante Lohnsteigerung beträgt 4,50 Prozent in den alten Ländern und 6,78 Prozent in den neuen Ländern. Die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, Gundula Roßbach, hatte bereits am Wochenende in einem Interview der "Bild am Sonntag" eine sehr gute Kassenlage betont. Sie sprach von einem Überschuss von 3,4 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. "Die Zahlen beweisen: Die Rente ist stabil und bleibt stabil", sagte Roßbach. | /inland/rentenanstieg-westen-osten-101.html |
2023-03-20 | Vertrauen ist jetzt alles an der Börse | DAX dreht ins Plus | Das Bankenbeben geht weiter. Ein wichtiger Krisenindikator gibt allerdings Entwarnung. Das Vertrauen der Banken untereinander ist noch da - und das ist ein großer Unterschied zur Finanzkrise 2008. Von Angela Göpfert. | Das Bankenbeben geht weiter. Ein wichtiger Krisenindikator gibt allerdings Entwarnung. Das Vertrauen der Banken untereinander ist noch da - und das ist ein großer Unterschied zur Finanzkrise 2008. Nach einem neuerlichen Ausverkauf zu Handelsbeginn haben sich die Aktienmärkte beruhigt. Der DAX, der zeitweise bis auf 14.458 Punkte in die Tiefe gerauscht war, hat seine Kursverluste ausgeglichen und ist ins Plus gedreht. Das vorläufige Tageshoch liegt bei 14.891 Punkten. DAX-Anleger hochgradig nervös Eine Handelsspanne von über 400 Punkten zeigt, wie sehr die Nerven der Anleger mittlerweile blank liegen. Sowohl die Notrettung der Credit Suisse am Wochenende als auch die konzertierte Aktion der Notenbanken haben Erinnerungen an die Zeiten der Finanzkrise geweckt. Auch Aktien vermeintlich gut aufgestellter Banken leiden. Anleger fragen sich: Wer ist der nächste Wackelkandidat? Banken vertrauen sich noch untereinander Doch ein wichtiger Krisenindikator gibt weiterhin Entwarnung. Die Rede ist vom Interbankensatz Euribor. Dabei handelt es sich um einen wichtigen Zinssatz, zu dem sich die Banken gegenseitig Geld leihen. Der an den Märkten viel beachtete Drei-Monats-Euribor war in der vergangenen Woche sogar gesunken, aktuell notiert er weiterhin klar unter der Marke von 3,0 Prozent. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 hatte der Euribor über der Marke von 5,0 Prozent gelegen. Der Euribor-Satz lässt keinen anderen Schluss zu, als dass das Vertrauen der Banken untereinander immer noch intakt ist. Die Banken sind weiterhin bereit, sich gegenseitig Geld zu leihen. Das ist ein wichtiger Signalgeber, dass die Furcht vor einer neuen Finanzkrise womöglich überzogen sein könnte. Angstbarometer VDAX von Lehman-Hochs weit entfernt Auch ein anderer wichtiger Börsenindikator gibt Entwarnung: Der Volatilitätsindikator VDAX, ein Maß für die erwarteten Kursschwankungen im deutschen Leitindex, ist zwar in den vergangenen Tagen massiv nach oben geschnellt auf Werte von zeitweise über 30 Prozent. Doch das ist kein Vergleich zu den Anfangszeiten der Corona-Krise oder zu der Zeit nach der Lehman-Pleite, als der VDAX bei über 80 Prozent notierte. Positiv herauszustreichen ist überdies - und das ist ein großer Pluspunkt im Vergleich zu 2008 -, dass Notenbanken wie Politiker sofort parat stehen und zum Handeln bereit sind. Sie wissen mittlerweile, dass auch die Marktpsychologie entscheidend ist, damit sich eine Bankenkrise nicht ungebremst ausbreitet. "Die Bankenkrise ist momentan mehr in den Köpfen der Anleger, denn eine reale Gefahr", unterstrich jüngst der Schweizer Vermögensverwalter Mojmir Hlinka im Gespräch mit tagesschau.de. "Doch panische Verkäufe der Anleger haben wiederum durchaus das Zeug dazu, den Markt und damit letztlich die Unternehmen und die Wirtschaft in eine echte Krise zu stürzen." Die Angst vor dem Domino-Effekt Nun gilt es, eine Kettenreaktion an den Märkten zu vermeiden. Denn fangen die Anleger erst einmal an, mit den Finger auf einzelne Banken zu zeigen, werden diese automatisch zu den nächsten Wackelkandidaten. Dann steigen die Preise für die Kreditausfallversicherungen, die Credit Default Swaps (CDS), und die Bank gerät in finanzielle Bedrängnis. Die nächsten Dominosteine würden fallen, prognostizierte jüngst Larry Fink, Chef des Vermögensverwalters Blackrock. Zinspause voraus? Die Notenbanken sind einer solchen Situation mehr gefordert denn je. Die jüngsten Marktturbulenzen lassen die schon in der Vorwoche aufgekommenen Forderungen nach einer Zinspause der US-Notenbank abermals lauter werden. Ursprünglich wollte die Fed übermorgen den Leitzins um 25 Basispunkte anheben. Wie sehr der Wind an den Märkten jedoch gedreht hat, zeigt ein Blick auf das Fed Watch Tool der CME Group. Demnach rechnen derzeit nur noch 58 Prozent der Marktteilnehmer mit einem kleinen Zinsschritt. 42 Prozent erwarten, dass die Fed gar nicht an der Zinsschraube drehen wird. Zum Vergleich: Noch vor einem Monat lag die Wahrscheinlichkeit für einen kleinen Zinsschritt bei 82 Prozent, 18 Prozent rechneten gar mit einem großen Zinsschritt und null Prozent mit einer Zinspause. Anleger an der Wall Street atmen durch Es ist nicht zuletzt diese Perspektive, die an der Wall Street derzeit für etwas Beruhigung sorgt. Nach einer rabenschwarzen Börsenwoche dürften sich die großen US-Indizes heute zu Handelsauftakt etwas stabilisieren. Der Future auf den Leitindex Dow Jones Industrial Average gewinnt zur Stunde 0,1 Prozent. Gold zeitweise über 2000 Dollar Dass die Risikoaversion der Anleger allmählich nachlässt, lässt sich derweil auch am Goldpreis ablesen. Konnte das gelbe Edelmetall im frühen Handel noch deutliche Gewinne einfahren und bei 2009 Dollar ein frisches Elf-Monats-Hoch markieren, so pendelt es zur Mittagszeit seitwärts. Auch der sichere Hafen Dollar ist nicht mehr ganz so stark gefragt. Der Euro zieht parallel dazu auf ein Tageshoch von 1,0716 Dollar an. Banken-Aktien zunächst massiv unter Druck Wie sehr das Vertrauen der Anleger in die Bankenbranche erschüttert ist, zeigen allerdings die frühen Kursverluste bei den beiden großen börsennotierten deutschen Banken. Für die Aktien der Deutschen Bank geht es in der Spitze um 11,0 Prozent nach unten, Titel der Commerzbank fallen um bis zu 9,6 Prozent, können ihr Kursminus jedoch im weiteren Handelsverlauf deutlich reduzieren. Beide Bank-Aktien sind im Tief nur noch 8,31 Euro wert. Seit Ausbruch der Bankenkrise sind Papiere der Commerzbank und der Deutschen Bank um jeweils rund 30 Prozent eingebrochen. Rheinmetall erobert direkt die DAX-Spitze Derweil ist der Rüstungskonzern und Autozulieferer Rheinmetall dank einer deutlich gestiegen Bewertung am Aktienmarkt in der ersten Börsenliga angekommen. An ihrem ersten Handelstag im DAX ist die Rheinmetall-Aktie mit einem Plus von bis zu fünf Prozent der mit Abstand größte Gewinner. Seit dem Beginn des Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist die Rheinmetall-Aktienkurs in der Spitze um über 180 Prozent gestiegen. | /wirtschaft/finanzen/marktberichte/dax-dow-credit-suisse-ubs-bankenkrise-finanzkrise-gold-oel-101.html |
2023-03-20 | Biden ruft Netanyahu zu Kompromiss auf | Justizreform in Israel | Seit elf Wochen protestieren Zehntausende in Israel gegen die umstrittene Justizreform. Nun bezieht auch US-Präsident Biden Stellung. In einem Telefonat forderte er Premierminister Netanyahu zu einem Kompromiss auf.
mehr | Seit elf Wochen protestieren Zehntausende in Israel gegen die umstrittene Justizreform. Nun bezieht auch US-Präsident Biden Stellung. In einem Telefonat forderte er Premierminister Netanyahu zu einem Kompromiss auf. Der von Israels ultrarechter Regierung angestrebte Umbau der Justiz sorgt seit Wochen für internationale Kritik. Nun hat sich US-Präsident Joe Biden zum ersten Mal geäußert. In einem Telefonat rief der US-Präsident den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu zu einem Kompromiss bei der umstrittenen Justizreform auf - und bot seine Hilfe an. Demokratische Prinzipien als Markenzeichen Demokratische Prinzipien seien immer das Markenzeichen der US-israelischen Beziehungen gewesen und müssten dies bleiben, sagte Biden laut Weißem Haus. Biden verwies demnach auch darauf, dass "demokratische Gesellschaften durch echte gegenseitige Kontrolle gestärkt werden" und dass "wichtige Änderungen mit der größtmöglichen öffentlichen Unterstützung" vorgenommen werden sollten. Netanyahus Büro teilte mit, der Regierungschef habe Biden versichert, dass Israel eine starke und lebendige Demokratie sei und dies auch bleiben werde. Regierung legt abgeschwächten Entwurf vor Die Spitzen der Koalitionsparteien kündigten inzwischen an, das Tempo bei ihrer umstrittenen Justizreform etwas zu verlangsamen. Sie legten einen etwas abgeschwächten Gesetzentwurf vor. Medienberichten zufolge soll demnach die Regierung zwei Richter des Obersten Gerichts selbst auswählen können. Anders als in einem vorherigen Entwurf müssen jedoch andere Ernennungen des dann elfköpfigen Gremiums von mindestens einem Oppositionsmitglied und mindestens einem Richter gebilligt werden. Die Regierung hätte jedoch auch in dem neuen Vorschlag eine knappe Mehrheit in dem Ausschuss. Der Entwurf soll bis Anfang April in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden. Weitere Teile der geplanten Justizreform sollen demnach auf den Zeitraum nach der einmonatigen Sitzungspause verschoben werden. Kritik an neuem Gesetzesentwurf Organisatoren der Protestbewegung in Israel erklärten laut der Zeitung "Haaretz", die Änderung sei "eine Kriegserklärung der israelischen Regierung gegen das Volk und die israelische Demokratie". Oppositionsführer Jair Lapid teilte mit, der Vorschlag der Regierung sei eine "feindliche politische Übernahme des Justizsystems". Der Richterwahlausschuss werde so zum "Ausschuss zur Ernennung von Kumpanen". Seit Wochen protestieren Menschen in Israel gegen die geplante Reform. Allein am Samstag waren Hunderttausende auf die Straßen gegangen. Scholz sieht Reform mit "großer Sorge" Bereits am vergangenen Donnerstag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Besuch Netanyahus in Berlin gesagt, er sehe die Justizreform in Israel mit "großer Sorge". Auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) ist angesichts der Reformpläne gespalten. Zur Demokratie gehöre die Beschränkung politischer Macht durch das Recht. Die Gesetzentwürfe der Koalition stellten das infrage. Die von der israelischen Regierung geplante Reform sieht mehr Macht für das Parlament und weniger rechtsstaatliche Kontrolle durch die unabhängige Justiz vor. Netanyahu und seine ultra-religiösen und rechtsextremen Koalitionspartner argumentieren, die Judikative in Israel habe derzeit zu viel Macht. Kritiker fürchten eine Aufhebung der Gewaltenteilung und damit eine Aushöhlung der Demokratie in Israel. Sie werfen Netanyahu zudem vor, die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen zielten unter anderem auch darauf ab, ihn vor einer Amtsenthebung zu schützen. Gegen Netanyahu läuft derzeit ein Prozess wegen Korruption. | /ausland/asien/israel-biden-raet-netanyahu-zu-kompromiss-bei-justizreform-101.html |
2023-03-20 | Zu Besuch bei einem "alten Freund" | Putin empfängt Xi in Moskau | Chinas Parteichef Xi ist in Moskau angekommen. Für drei Tage will er sich mit seinem "alten Freund" Präsident Putin vor allem informell austauschen. Dabei soll es auch um gemeinsame Positionen auf dem internationalen Parkett gehen. Von C. Nagel. | Chinas Parteichef Xi ist in Moskau angekommen. Für drei Tage will er sich mit seinem "alten Freund" Präsident Putin vor allem informell austauschen. Dabei soll es auch um gemeinsame Positionen auf dem internationalen Parkett gehen. Für den Kreml kommt der Staatsbesuch von Xi Jinping zur rechten Zeit. Man darf sich sicher sein, dass nichts dem Zufall überlassen wird, denn die Bilder des Gipfeltreffens sollen um die Welt gehen. Präsident Wladimir Putin Seite an Seite mit Chinas mächtigem Staatschef vor prächtiger Kremlkulisse - oder aber im vertrauten Gespräch beim informellen Abendessen. Zwei Männer, die dem westlichen Einfluss trotzen. Die sich weder von Sanktionen und Drohungen oder - wie im Fall des russischen Präsidenten - von einem Haftbefehl beeindrucken lassen. Beziehungen so "fest wie Felsen" Demonstrativ nennt Putin Xi einen "lieben Freund". Und betont immer wieder, dass die Beziehungen zwischen beiden Ländern nie besser waren: Diese Beziehungen seien "ein Musterbeispiel für die Zusammenarbeit von Großmächten im 21. Jahrhundert". Unter der strategischen Führung der beiden Staatschefs seien die Beziehungen gereift, sagte auch Chinas Chefdiplomat Wang Yi bei einem Besuch in Moskau. Sie seien inzwischen so "fest wie Felsen". "Das Wichtigste ist: verhandeln, verhandeln, verhandeln" Handfest sind in der Tat vor allem die jeweiligen machtpolitischen Interessen. Bei dem Staatsbesuch werde deshalb auf überflüssige Zeremonien verzichtet, erklärt Jurij Uschakow, der politische Berater des russischen Präsidenten. "Das Wichtigste ist: verhandeln, verhandeln, verhandeln", so Uschakow. Der Besuch werde als Staatsbesuch bezeichnet, um seine Bedeutung zu unterstreichen. Er werde aber ausschließlich geschäftlicher Natur sein. Wichtiger Energieexporteur für China Für den Kreml ist China aufgrund der westlichen Sanktionspolitik von enormer Bedeutung, sowohl als Handelspartner als auch als Abnehmer von Öl und Gas. Der Warenumsatz entwickele sich rasant, so Präsident Putin. Russland gehöre inzwischen zu den führenden Energieexporteuren für China. Offen bleibt allerdings, ob die Einnahmen aus diesen Geschäften das Wegbrechen des europäischen Marktes kompensieren können. Russische Wirtschaftsexperten gehen davon aus, dass China deutlich geringere Preise zahlt. Militärische Zusammenarbeit wird vermutlich Thema Offen lassen beide Seiten auch, wie die immer wieder ins Gespräch gebrachte intensivere Zusammenarbeit im militär-technischen Bereich aussehen könnte. China und Russland hatten zuletzt verstärkt gemeinsame Manöver durchgeführt. Westliche Politiker hatten vor möglichen Waffenlieferungen Chinas an Russland gewarnt. Gut möglich, dass sich Putin und Xi bei ihrem vertraulichen Tête-à-Tête gerade auch über dieses Thema austauschen werden. "Wir messen diesem informellen vertraulichen Gespräch große Bedeutung bei", erklärt der politische Berater des russischen Präsidenten. "Hier werden die wichtigsten und sensibelsten Schlüsselthemen in Bezug auf die Beziehungen zwischen beiden Ländern behandelt." Politisches Gegengewicht zu den USA Es werde dabei auch um das gemeinsame Vorgehen auf der internationalen politischen Bühne gehen, so Präsidentenberater Uschakow. China und Russland verstehen sich hier als strategische Partner, als politisches Gegengewicht zu den USA und ihren Verbündeten. Auch der Krieg in der Ukraine und die mögliche Friedensinitiative Chinas dürften bereits heute im nicht-offiziellen Teil zur Sprache kommen. Morgen wird es dann offizielle Gespräche in unterschiedlichen Besetzungen geben. Es soll eine ganze Reihe von Abkommen unterzeichnet werden. Alles soll dabei auf Augenhöhe stattfinden, wie der Kreml betont. | /ausland/asien/putin-empfaengt-xi-jinping-101.html |
2023-03-20 | Wie die Notenbanken gegensteuern | Finanzbranche in Turbulenzen | Wegen der akuten Bankenkrise verbessern die großen Notenbanken die Versorgung der Finanzmärkte mit Dollar. Ziel ist es, die Märkte zu beruhigen und die Stabilität des Finanzsystems zu sichern.
mehr | Wegen der akuten Bankenkrise verbessern die großen Notenbanken die Versorgung der Finanzmärkte mit Dollar. Ziel ist es, die Märkte zu beruhigen und die Stabilität des Finanzsystems zu sichern. Mehrere große Zentralbanken bemühen sich in einer gemeinsamen Aktion um eine Stabilisierung der Finanzbranche. Mit einer "koordinierten Maßnahme" wollen die Europäische Zentralbank (EZB), die US-Notenbank Federal Reserve, die Bank of England sowie die Notenbanken Japans, Großbritanniens, der Schweiz und Kanadas Bankgeschäfte in Dollar sichern. Die beteiligten Zentralbanken teilten gestern mit, dass ab heute sogenannte Swap-Geschäfte ausgebaut werden, mit denen die Zentralbanken Devisen untereinander austauschen. So sollen die Zentralbanken außerhalb der USA besser mit Dollar versorgt und die Finanzmärkte beruhigt werden. Konkret einigten sich die Notenbanken darauf, die Häufigkeit von Devisentausch-Geschäften in Dollar mit siebentägiger Laufzeit von wöchentlich auf täglich zu erhöhen. Zunächst sollen diese täglichen Operationen bis Ende April andauern. Der Schritt erlaubt es den teilnehmenden Zentralbanken jetzt, den Finanzinstituten in ihrer Währungszone jeden Tag siebentägige Dollarkredite anzubieten. Großer Teil des Finanzsystems hängt am Dollar Bei den genannten Swap-Geschäften zwischen den Zentralbanken handelt es sich um Maßnahmen, die dafür sorgen sollen, dass den Finanzmärkten immer eine ausreichende Menge an Fremdwährungen zur Verfügung steht, falls sie von Geschäftsbanken nachgefragt werden. Da ein großer Teil des globalen Finanzsystems in Dollar abgewickelt wird und beispielsweise viele Anleihen auch aus anderen Währungsräumen in Dollar notiert sind, besteht zwischen Banken ein ständiger Bedarf nach der US-Währung. Die Swap-Vereinbarung mit dem US-Notenbanksystem ermögliche es der EZB und allen nationalen Zentralbanken des Eurosystems, Dollar von der Fed im Austausch für einen entsprechenden Euro-Betrag zu erhalten, der der Federal Reserve zur Verfügung gestellt wird, so erklärt die Europäische Zentralbank die sogenannten Swap-Lines. Diese Swap-Geschäfte dienen letztlich der Liquiditätsversorgung der Banken untereinander und sind eine Art aktive Vertrauenshilfe: Swap-Geschäfte seien eine wichtige "Liquiditäts-Absicherung, um Spannungen auf den globalen Finanzierungsmärkten zu mindern und so dazu beizutragen, die Auswirkungen solcher Spannungen auf die Kreditversorgung von Haushalten und Unternehmen abzumildern", so die EZB. Aus Erfahrung klug geworden? Hintergrund sind auch Erfahrungen, die Notenbanken, Geschäftsbanken, Ökonomen und Anleger während der Finanzkrise 2008 machten. Als die US-Investmentbank Lehman Brothers kollabierte, brachten die Folgen das Finanzsystem an den Rand des Zusammenbruchs. Auf dem Höhepunkt der Krise kam der Interbankenhandel fast zum Erliegen. Die Finanzinstitute konnten nicht mehr sicher sein, wie es um die Liquidität ihrer Konkurrenten steht. Der permanente Handel der Banken untereinander mit Geld, Anleihen, Aktien und Devisen verteuerte sich drastisch und kam beinahe zum Erliegen, weil Marktteilnehmer die Pleite anderer Institute fürchteten. Für die Banken des Euroraums sei es damals schwierig gewesen, die US-Währung zur Finanzierung ihrer auf Dollar lautenden Vermögenswerte zu erhalten, so die EZB. Um Störungen und extreme Preisbewegungen zu verhindern, hätten die Euro-Zentralbank und die Federal Reserve eine Währungsswap-Linie eingerichtet, die es der EZB und dem Eurosystem ermöglicht, Banken im Euroraum Dollar zur Verfügung zu stellen. Dieses längst bestehende System ist jetzt temporär zum Schutz der Märkte erweitert worden. Märkte angespannt, aber stabil Kann dieser überraschende Schritt die Finanzmärkte zu beruhigen? Aktuell hält sich der DAX in der Nähe seines Freitagsniveaus, ein weiterer Absturz ist zumindest derzeit nicht zu beobachten. Derek Tang, Ökonom bei LH Meyer, ist gleichwohl der Ansicht, dass Entschiedenheit der angekündigten Notenbank-Aktion eine größere Besorgnis über das Ansteckungsrisiko an den Finanzmärkten verrate. "Wenn Notenbanken sich mit Aktionen beeilen, um sicherzustellen, dass alles in Ordnung ist, dann sind die Dinge eigentlich nicht in Ordnung", zitiert das "Handelsblatt" Jeroen Blokland vom Analysehaus True Insights, der eine ähnliche Ansicht vertritt. Die Marktteilnehmer hätten Angst vor dem nächsten Nachbeben und fragten sich, welche Bank nun in Schieflage geraten könnte, kommentiert Christian Henke, Marktbeobachter bei IG Markets. Notenbanken im "Whatever-it-takes-Modus"? Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, ist dagegen optimistischer. Notenbanken wie die Fed oder die EZB seien imstande, jede Finanzkrise einzudämmen, so der Ökonom. "Ihr Finanzinstrumentarium geht über gezielte Liquiditätsspritzen, die Akzeptanz von abgewerteten Vermögenswerten zum Nennwert und eine vorübergehende Lockerung der regulatorischen Anforderungen hinaus", unterstreicht Schmieding. In Anspielung auf ein Zitat des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi sagte Schmieding, die Notenbanken seien jetzt wieder im "Whatever-it-takes"-Modus, um die Ansteckung zu stoppen. Während der zur Schuldenkrise mutierten Finanzkrise hatte Draghi im Jahr 2012 mit diesen Worten klargestellt, dass die Zentralbank alles Erforderliche tun werde, um die Gemeinschaftswährung Euro zu sichern. | /wirtschaft/weltwirtschaft/ezb-notenbanken-fed-liqiuiditaet-swap-dollar-euro-konzertierte-aktion-bankenkrise-ubs-credit-suisse-101.html |
2023-03-20 | Das Ende der China-Euphorie | Cosco-Beteiligung in Hamburg | Der geplante Einstieg Chinas beim Hamburger Hafen zeigt, wie tief der Graben in der Regierung im Umgang mit Peking ist. Noch immer fehlt ein klarer Kurs. Nach Recherchen von NDR und WDR werden chinesische Investments jetzt aber strenger geprüft.
mehr | Der geplante Einstieg Chinas beim Hamburger Hafen zeigt, wie tief der Graben in der Regierung im Umgang mit Peking ist. Noch immer fehlt ein klarer Kurs. Nach Recherchen von NDR und WDR werden chinesische Investments jetzt aber strenger geprüft. So hatte sich der Hamburger Hafenbetreiber seine Jahresbilanz sicherlich nicht vorgestellt. In wenigen Tagen präsentiert der Betreiber des wichtigsten deutschen Hafens, die HHLA, seine Zahlen für das Jahr 2022. Es wird voraussichtlich um hohe Energiekosten, den Konjunkturabschwung und ein Ergebnis gehen, das man sich wohl höher gewünscht hätte. Klar ist vor allem aber: Eines der wichtigsten Geschäfte des vergangenen Jahres hängt noch immer in der Luft. Der Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco beim Hamburger Containerterminal ist auch fast zwei Jahre nach Start der Verhandlungen nicht vollzogen. Anfang des Jahres erklärte die HHLA zwar optimistisch, man habe sich auf "konkrete Voraussetzungen" geeinigt, es würden nur noch letzte Details geklärt. Cosco jedoch klang vorsichtiger: Noch seien nicht alle Bedingungen für einen Einstieg erfüllt. Eine Garantie gebe es nicht. Es werde noch mit dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) diskutiert. Regierung prüft chinesische Investitionen intensiver In der Bundesregierung scheint man entschlossen, den Einfluss Chinas in Deutschland zu reduzieren. Weniger Abhängigkeit lautet das Motto. Nach Informationen von WDR und NDR prüft die Bundesregierung geplante chinesische Investitionen in Deutschland offensichtlich schon jetzt viel intensiver. Demnach hat das Wirtschaftsministerium aktuell bei elf beantragten ausländischen Direktinvestitionen ein sogenanntes vertieftes Prüfverfahren gestartet. Zehn Erwerber stammen aus China, einer aus Russland. Bei ihnen sieht die Regierung die Gefahr, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik beeinträchtigt werden könnte. Am Ende kann eine Genehmigung des Geschäfts stehen - oder eine Untersagung. Im Fall Cosco teilt das Bundeswirtschaftsministerium auf mehrfache Nachfragen lediglich mit, es gebe keinen neuen Sachstand. Die Prüfung, an der mehrere Ministerien und Behörden beteiligt sind, ist also noch nicht abgeschlossen. Die HHLA wollte sich zu den vertraulichen Gesprächen nicht äußern, Cosco reagierte zunächst nicht auf eine Anfrage. Die Kommunikation ist weiterhin also sehr zurückhaltend. Vermutlich liegt das auch daran, dass sich innerhalb der Bundesregierung noch kein gemeinsamer China-Kurs abzeichnet. Chinesischer Einstieg als Sicherheitsrisiko Der Konflikt in der Ampelkoalition war im Herbst eskaliert, als das Kanzleramt den Einstieg Coscos gegen große Widerstände innerhalb der Regierung durchdrücken wollte. SPD-geführte Ministerien, FDP, aber vor allem die Grünen im Wirtschaftsministerium und im Auswärtigen Amt hatten versucht, das Kanzleramt zu stoppen. Die interne Einschätzung: "Eine Untersagung des Erwerbs ist erforderlich, um einer Vertiefung der wirtschaftlichen Abhängigkeit Deutschlands von China namentlich eines größeren Einflusses von Cosco auf Hafenbetrieb und Handelsschifffahrt in Deutschland vorzubeugen." Die Einwände waren vergeblich. Das Ergebnis war schließlich eine sogenannte Teiluntersagung: Der Einstieg der Chinesen müsste kleiner ausfallen - im Gespräch ist seitdem eine mögliche Minderheitenbeteiligung von 24,9 Prozent an dem Hamburger Terminal. In der Regierung stehen vor allem Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock für einen strengeren Kurs gegen China, das nicht mehr nur als einer der wichtigsten Wirtschafts- und Handelspartner der Bundesrepublik gesehen wird, sondern zunehmend als Kontrahent und etwaiges Sicherheitsrisiko. Das Auswärtige Amt hat beispielsweise einen Entwurf für eine China-Strategie erarbeitet, der deutliche Worte für den Umgang mit dem Regime von Xi Jingping enthält: Mehr Werte, weniger Wirtschaft. In industriellen Schlüsselbereichen dürften Deutschland und die gesamte EU zum Beispiel "nicht abhängig werden von technologischen Fortschritten in Drittstaaten, die unsere Werte nicht teilen". Peking sprach daraufhin von "Lügen und Gerüchten". Das Kanzleramt wiederum möchte dem Vernehmen nach eher allgemeine Leitlinien für den China-Kurs festhalten - ohne das Trennende und besonders kontroverse Aspekte herauszuheben. Strengerer Umgang mit China Abseits der Diskussion über Formulierungen in der China- oder Sicherheitsstrategie, schlägt die Regierung jedoch neuerdings Pflöcke ein: Aufgeschreckt von der Debatte um den Hamburger Hafen änderte die Koalition ihre Haltung zum Verkauf des Dortmunder Chiphersteller Elmos an einen chinesischen Investor - und geht bei der Chip-Souveränität auf Konfrontationskurs. Einen ähnlichen Rückzieher hatte es bis dahin nicht gegeben. Insgesamt hat das federführende Wirtschaftsministerium im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben in acht Fällen beschränkende Maßnahmen wie etwa eine Untersagung verfügt. Was lange also noch als amerikanische "Gespenster-Jagd" abgetan wurde, wird zunehmend auch von der Bundesregierung befolgt. Jahrelang scheute sich die Bundesregierung unter Angela Merkel, China vom Ausbau des schnellen 5G-Mobilfunknetzes auszuschließen. Jetzt aber hat sich das Bundesinnenministerium dazu entschlossen, dass Komponenten der Hersteller Huawei und ZTE aus dem deutschen Netz entfernt werden müssen. Auch die Social-Media-App TikTok wird zunehmend als Risiko gesehen. Es geht um mögliche Desinformation und Softwarelücken, die vom chinesischen Mutterkonzern genutzt werden könnten. Nach und nach verbieten bereits zahlreiche Länder den Einsatz der Apps zumindest auf den Diensthandys von Ministerien und Behörden. Europäische China-Strategie gefordert Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Konstantin von Notz, befürwortet die Schritte der Regierung: "Wer die Zeitenwende ernst nimmt, muss schnellstmöglich dafür sorgen, dass der effektive Schutz der Lebensadern unserer Demokratie gestärkt, politische Verantwortlichkeiten geklärt und Abhängigkeiten reduziert werden", sagt Notz, der auch Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist. China stelle eine besondere Herausforderung dar: "Unsere Sicherheitsbehörden warnen sehr eindringlich vor Spionage und strategischen Übernahmen chinesischer Firmen in Deutschland und Europa." Es habe zu lange an der "notwendigen politischen Sensibilität gemangelt". Aus der Opposition kommt jedoch Kritik, dass der Regierung noch immer ein gemeinsamer Kurs fehle: "China fordert uns in vielen Politikbereichen immer stärker heraus", sagt Stefan Rouenhoff, Wirtschaftsexperte aus der Unionsfraktion. Die Ampel müsse laut dem CDU-Politiker "endlich einen Plan für den Umgang mit China auf den Tisch legen". Man treffe "naive" Entscheidungen - und unterschätze Chinas strategisches Vorgehen "erheblich". Rouenhoff fordert eine viel engere Abstimmung auf europäischer Ebene. Gesetz zum Schutz kritischer Infrastruktur Bald will die Regierung einen Gesetzentwurf für ein Dachgesetz zum Schutz der kritischen Infrastruktur (Kritis) vorlegen. Darin soll genau definiert werden, welche Bereiche wie geschützt werden müssen - und wer dafür verantwortlich ist. Klar ist: Die Zahl der Einrichtungen wird deutlich zunehmen. Ein Beispiel dafür ist das Hamburger Containerterminal Tollerort. Bislang gilt es nicht als Kritis. Das hatte im vergangenen Jahr selbst in Regierungskreisen für Entsetzen gesorgt - und wird wohl bald neu bewertet. | /investigativ/ndr-wdr/china-cosco-hhla-hamburg-101.html |
2023-03-20 | Strommangel würgt Südafrikas Wirtschaft ab | Probleme bei Energieversorgung | Seit Monaten fällt in Südafrika jeden Tag der Strom aus. Mittlerweile gehen ganze Wirtschaftszweige zugrunde, die Arbeitslosigkeit wächst. Der eigentlich stabilen Volkswirtschaft droht eine Rezession. Von Richard Klug. | Seit Monaten fällt in Südafrika jeden Tag der Strom aus. Mittlerweile gehen ganze Wirtschaftszweige zugrunde, die Arbeitslosigkeit wächst. Der eigentlich stabilen Volkswirtschaft droht eine Rezession. Südafrika hatte gerade begonnen, sich von den Folgen der Covid-Pandemie zu erholen. Und eigentlich ist die zweitgrößte Volkswirtschaft Subsahara-Afrikas ein ökonomisch stabiles Land - mit großem wirtschaftlichem Potenzial. Eigentlich. Es gibt viele Bodenschätze, die eine Menge Geld einbringen. Eigentlich. Mit den landwirtschaftlichen Erzeugnissen könnte das ganze Volk versorgt werden. Eigentlich. Die Versorgung mit Strom soll immer mehr aus Erneuerbaren Energien erfolgen. Eigentlich. Massive Probleme bei der Energieversorgung Doch bei der Energieversorgung gibt es große Probleme. Der staatliche Energieversorger Eskom könnte die gesamte Volkswirtschaft in den Abgrund reißen. Bis zu zwölf Stunden Stromausfall überall im Land, jeden Tag - und das seit Monaten. Veraltete Infrastruktur, Korruption und Sabotage sorgen für große Probleme. Qualitativ hochwertige Kohle wird exportiert; die südafrikanischen Kraftwerke erhalten minderwertige Kohle, die dort immense Schäden verursacht. Eskom macht jeden Monat 50 Millionen Euro Verlust. Dieselbe Summe verliert die Volkswirtschaft durch die Stromausfälle - und zwar jeden Tag. Abgesagte Operationen, Probleme in den Wasserwerken Ganze Wirtschaftszweige gehen zugrunde. Immer mehr Firmen gehen pleite, weil ihnen der Strom für ihre Produktion fehlt, etwa in der Bergbau-Industrie. In der Provinz North West musste ein Hühnerfarmer über Nacht 40.000 Hühner töten, weil die Versorgung mit Sauerstoff nicht mehr funktionierte. In Krankenhäusern müssen Operationen abgesagt werden. Beerdigungsinstitute drängen Familien, ihre Verstorbenen sofort zu beerdigen, weil die Kühlräume in den Instituten kaputtgegangen sind. Durch die ständigen An- und Abschaltungen versagen immer mehr Pumpen in den Wasserwerken. Ein einziges Unternehmen ruiniert eine ganze Volkswirtschaft. "Miserable Zahlen" Analysten und die südafrikanische Zentralbank hatten für 2023 eigentlich ein Wachstum von 2,3 Prozent prognostiziert. Das wurde jetzt auf 0,3 Prozent korrigiert. Manche Experten sagen, Südafrika befinde sich bereits in einer Rezession. Optimistischer ist der Internationale Währungsfonds, er erwartet für Südafrika 2023 ein Wachstum von 1,3 Prozent. "Das sind aber beides miserable Zahlen", sagt Jens Papperitz, der Präsident der Deutsch-Südafrikanischen Handelskammer. Das Land brauche mindestens vier bis fünf Prozent Wirtschaftswachstum. Das könne man mit einer Kombination von steigenden Touristenzahlen, stabiler landwirtschaftlicher Produktion und boomendem Bergbau auch erreichen - allerdings erst, wenn das Stromproblem gelöst ist. Warnung an ausländische Investoren Die Financial Action Task Force, ein internationales Gremium zur Bekämpfung von Geldwäsche, dem über 200 Staaten angehören, hat Südafrika unter besondere Beobachtung gestellt und auf eine sogenannte Graue Liste gesetzt. Südafrika tue nicht genug gegen Geldwäsche. Das gilt als Warnung an ausländische Investoren. Dann stufte die Ratingagentur S&P Global Ratings Südafrika herunter, von "positives Investitionsklima" zu nur noch "stabil" - eine weitere Warnung, nicht in Südafrika zu investieren. Als Grund wurden die ständigen Stromabschaltungen und eine anfällige Infrastruktur genannt. Papperitz hält dagegen, ausländische Investoren machten ihre Entscheidungen nicht von Einzelfaktoren wie etwa Stromausfällen abhängig. Wichtiger sei vielmehr eine langfristige politische Stabilität. Inflation und soziale Instabilität Die Südafrikaner leiden unter der Krise. So liegt die aktuelle Teuerungsrate für Nahrungsmittel bei über 13 Prozent. Viele Menschen sind durch Bankrott gegangene Betriebe arbeitslos geworden. Ein vor einigen Tagen erst beendeter Streik der Beschäftigten im Gesundheitswesen endete mit Gewalt. Ins Ausland reisen wird für viele Südafrikaner immer schwieriger, die Landeswährung Rand schwächelt. All dies führt dazu, dass die soziale Unsicherheit zunimmt. Für heute hat eine linkspopulistische Oppositionspartei mit einem "Tag des nationalen Stillstands" gedroht. Die Armee wurde in Alarmbereitschaft gesetzt. | /wirtschaft/weltwirtschaft/suedafrika-krise-strom-101.html |
2023-03-20 | Wasserkrise gefährdet 190 Millionen Kinder | UNICEF-Bericht | In einigen Ländern der Welt fehlt es laut UNICEF massiv an sauberem Trinkwasser. Am meisten betroffen seien zehn afrikanische Staaten und dort vor allem rund 190 Millionen Kinder. Der Kontinent stehe vor einer Katastrophe, so UNICEF.
mehr | In einigen Ländern der Welt fehlt es laut UNICEF massiv an sauberem Trinkwasser. Am meisten betroffen seien zehn afrikanische Staaten und damit rund 190 Millionen Kinder. Der Kontinent stehe vor einer Katastrophe, so UNICEF. Verschmutztes Trinkwasser und fehlende sanitäre Infrastruktur gefährden nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks UNICEF das Leben vieler Heranwachsender weltweit. "Täglich sterben weltweit mehr als 1000 Kinder unter fünf Jahren an Krankheiten, die durch verschmutztes Wasser, fehlende Sanitäreinrichtungen und mangelnde Hygiene verursacht werden", so UNICEF in einer Mitteilung. Instabilität, Konflikte und Klimawandel Insgesamt sind laut einer neuen Analyse der Organisation 190 Millionen Kinder in zehn afrikanischen Ländern gefährdet. Am schwerwiegendsten sei die Lage in den west- und zentralafrikanischen Ländern Benin, Burkina Faso, Kamerun, Tschad, der Elfenbeinküste, Guinea, Mali, Niger, Nigeria und Somalia. Viele dieser Länder litten unter Instabilität und bewaffneten Konflikten. So haben laut UNICEF in Burkina Faso etwa Angriffe auf Wasseranlagen als Taktik zur Vertreibung von Menschen zugenommen. Auch der Klimawandel erschwere die Wasserkrise. UNICEF: "Afrika steht vor einer Wasserkatastrophe" In einer Analyse, die vor dem Weltwassertag und der UN-Wasserkonferenz in New York am Mittwoch veröffentlicht wurde, spricht UNICEF von einer "dreifachen Wasserkrise" in diesen Ländern - bedingt durch einen Mangel an Trinkwasser- und Sanitärversorgung, hoher Kindersterblichkeit durch Krankheiten aufgrund schmutzigen Wassers sowie hohe Klima- und Umweltrisiken. "Afrika steht vor einer Wasserkatastrophe", sagte UNICEF-Programmdirektor Sanjay Wijesekera der Mitteilung zufolge. "Verheerende Stürme, Überschwemmungen und historische Dürren zerstören bereits jetzt Einrichtungen und Häuser, kontaminieren Wasserquellen, verursachen Hungerkrisen und verbreiten Krankheiten." Weltweit jede vierte Person betroffen In den zehn afrikanischen Hotspot-Ländern habe fast ein Drittel der Kinder zu Hause keinen Zugang zu wenigstens einer Basisversorgung mit sauberem Wasser, und zwei Drittel "haben nicht einmal einfache sanitäre Einrichtungen". Ein Viertel der Kinder habe keine andere Wahl, als die freie Natur als Toilette zu benutzen. Bei der UN-Wasserkonferenz soll daher überprüft werden, inwieweit international beschlossene Ziele, unter anderem das UN-Nachhaltigkeitsziel zum Zugang für alle Menschen zu sauberem Wasser bis 2030, erreicht werden können. Zudem fordert UNICEF konkret unter anderem die Investitionen in die Wasser-, Sanitär- und Hygieneversorgung schneller zu erhöhen sowie die Klima-Resilienz in den Gebieten zu stärken. Weltweit haben zwei Milliarden Menschen - jede vierte Person - kein sauberes Wasser. | /ausland/unicef-wasserkrise-kinder-101.html |
2023-03-20 | "Kimsuky" greift an | Nordkoreanische Hacker | Nordkoreanische Hacker nehmen vermehrt Ziele in Deutschland ins Visier. Sie nutzen dabei offenbar den Google-Webbrowser aus. Jetzt warnen der deutsche Verfassungsschutz und Südkoreas Inlandsgeheimdienst vor neuen Cyberattacken. Von Florian Flade. | Nordkoreanische Hacker nehmen vermehrt Ziele in Deutschland ins Visier. Sie nutzen dabei offenbar den Google-Webbrowser aus. Jetzt warnen der deutsche Verfassungsschutz und Südkoreas Inlandsgeheimdienst vor neuen Cyberattacken. Es sind vor allem die Drohungen mit Nuklearwaffen und die ständigen Raketentests, mit denen Nordkorea regelmäßig für Schlagzeilen sorgt. Die Diktatur von Kim Jong-Un gilt weiterhin als eines der wohl verschlossensten Länder der Welt. Gerade in der Covid-Pandemie schottete sich Nordkorea noch stärker ab. Die meisten Menschen bekommen weiterhin keine freien Informationen aus der Außenwelt. Auch der Zugang zum freien Internet ist dem Großteil der Bevölkerung nicht gestattet. Dennoch entwickelte sich Nordkorea in den vergangenen Jahren zu einer ernstzunehmenden Bedrohung auch im Cyberraum. Die Hacker des Regimes gehen nach Erkenntnissen westlicher Sicherheitsbehörden weltweit auf Raubzüge, beschaffen durch Cyberangriffe Informationen aus Politik, Industrie und Wissenschaft und stehlen Millionenwerte in Kryptogeld - möglicherweise zur Finanzierung der nordkoreanischen Atom- und Raketenprogramme. Zu einer der aktivsten nordkoreanischen Hackereinheiten gehört die Gruppe "Kimsuky", auch "Velvet Chollima" oder "Thallium" genannt. Sie soll bereits seit 2012 aktiv sein. IT-Sicherheitsexperten ordnen sie staatlichen Stellen in Nordkorea zu. Die Hacker von "Kimsuky" - benannt nach dem Namen eines E-Mail-Kontos, das früher von den Hackern genutzt worden war - haben sich auf Cyberspionage spezialisiert. Sie attackieren vor allem Personen aus den Bereichen Politik, Wissenschaft und Forschung, und hatten es in der Vergangenheit beispielsweise auf interne Regierungsunterlagen aus Südkorea abgesehen. Cyberattacken in Deutschland erwartet Nun warnt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nach WDR-Informationen explizit auch in Deutschland vor einer Cyberkampagne von "Kimsuky". Erstmals erstellten die deutschen Verfassungsschützer gemeinsam mit dem südkoreanischen Inlandsnachrichtendienst National Intelligence Service (NIS) einen Warnhinweis, um auch hierzulande potenzielle Angriffsopfer vor den Hackern aus Nordkorea zu warnen. "Die Aktivitäten zeichnen sich durch den Missbrauch von Googles Browser und App-Store-Diensten gegen Forschende zum innerkoreanischen Konflikt aus", heißt es in einem Warnschreiben des BfV. "Nach Einschätzungen von NIS und BfV hat der Akteur in den letzten Jahren bereits gezielt koreanische und deutsche Einrichtungen mit Spear-Phishing-E-Mails angegriffen." Es sei davon auszugehen, dass die Hacker künftig auch Denkfabriken und Organisationen angreifen könnten, die sich mit Diplomatie und Sicherheitspolitik beschäftigen. Angriffe über Googles Chrome-Webbrowser Die bevorzugte Vorgehensweise der "Kimsuky"-Hacker sei es, so der Verfassungsschutz, durch Spear-Phishing, also vermeintlich legitim wirkende E-Mails, die speziell auf die Zielperson zugeschnitten werden, das Opfer dazu zu bringen, einen bestimmten Link einer echt wirkenden Webseite anzuklicken und sich dort anzumelden. Etwa goog1e.com statt google.com, webb.de statt web.de oder gnx.net statt gmx.net. Auch vor Anhängen in den E-Mails mit Bezeichnungen wie "Neue Forschungsarbeit", "Résumé" oder "Rechnung Nr. 28629" wird gewarnt. Als neue Methode benennt der Verfassungsschutz in seinem Warnhinweis die Ausnutzung des Webbrowsers Google Chrome für entsprechende Angriffe. Per E-Mail werde dabei das Opfer aufgefordert, eine Erweiterung des Browsers zu installieren, bei der es sich tatsächlich um ein schädliches Programm handelt, mit dem die Kontodaten bei Google Mail, also Nutzername und Passwort, gestohlen werden. Zwei-Faktor-Authentifizierung umgangen "Ziel des Vorgehens ist das unbemerkte Erbeuten der Inhalte des E-Mail-Postfachs des Opfers. Dabei werden gängige Sicherheitsvorkehrungen der E-Mail-Provider, wie beispielsweise Zwei-Faktor-Authentifizierung, umgangen", warnen der deutsche und südkoreanische Inlandsnachrichtendienst. Eine zweite Angriffsmethode der nordkoreanischen Hacker sei die unbemerkte Installation einer Schadsoftware auf Android-Smartphones über den App-Store Google Play, und zwar durch den Missbrauch der Synchronisierungsfunktion. Dabei sollen die Hacker in etwa so vorgehen: Sie nutzen die erbeuteten Kontodaten ihrer Opfer und loggen sich in deren Google Account ein. In den Einstellungen des Accounts wird dann die Synchronisierungsfunktion von Google Play aktiviert. Dann laden die Hacker im App Store von Google ein vermeintlich harmloses Programm hoch, bei dem es sich um ein Schadprogramm handelt. Der Google-Account des Opfers wird anschließend als Testteilnehmer einer angeblichen Testphase der App hinzugefügt. So wird das schädliche Programm automatisch auf dem Gerät installiert, ohne zusätzliches Zutun und Kenntnis des Opfers. Drei Hacker in den USA 2021 angeklagt Die beschriebene Vorgehensweise sei bislang jedoch wohl nur selten erfolgt, so die Einschätzung der Nachrichtendienste. Die Hacker seien offenbar sehr darauf bedacht, nicht entdeckt zu werden. Falls Personen in Deutschland befürchten, zu den Opfern einer solchen Attacke aus Nordkorea zu gehören, sollten diese sich umgehend beim Bundesamt für Verfassungsschutz melden. Bereits in der Vergangenheit waren nordkoreanische Cyberangriffe auf deutsche Ziele festgestellt worden. So soll die bekannteste nordkoreanische Hackergruppe, APT38 oder "Lazarus Group" genannt, versucht haben, Rüstungsunternehmen auszuspionieren. Auch die Pharmaindustrie, insbesondere die Entwickler von Impfstoffen zum Corona-Virus, sollen im Fokus der Hacker des Regimes in Pjöngjang gestanden haben. Die US-Justiz hat im Februar 2021 drei mutmaßliche Hacker der nordkoreanischen "Lazarus"-Gruppe in Abwesenheit angeklagt und für zahlreiche Angriffe weltweit verantwortlich gemacht. Sie sollen unter anderem virtuelle Banküberfälle durchgeführt haben, bei denen sie bis zu einer Milliarde Euro in Kryptowährungen erbeutet haben sollen. | /investigativ/ndr-wdr/nordkorea-cyberspionage-suedkorea-verfassungsschutz-101.html |
2023-03-20 | Gericht friert russisches VW-Vermögen ein | Russischer Autobauer klagt | Ein russisches Gericht hat alle Vermögenswerte von Volkswagen in Russland beschlagnahmt. Grund ist ein Rechtsstreit mit dem russischen Autobauer GAZ, der nach dem Ende der Kooperation mit VW Klage eingereicht hatte.
mehr | Ein russisches Gericht hat alle Vermögenswerte von Volkswagen in Russland beschlagnahmt. Grund ist ein Rechtsstreits mit dem russischen Autobauer GAZ, der nach dem Ende der Kooperation mit VW Klage eingereicht hatte. In einem Rechtsstreit zwischen dem russischen Autobauer GAZ und Volkswagen hat ein russisches Gericht alle Vermögenswerte des deutschen Autobauers in Russland beschlagnahmt. Das geht aus Gerichtsunterlagen hervor, in die die Nachrichtenagentur Reuters Einblick erhalten hat. VW hatte die Zusammenarbeit im August letzten Jahres beendet, woraufhin GAZ Klage einreichte. Bis dahin hatte GAZ Fahrzeuge für VW produziert. Den Schaden bezifferte GAZ auf 15,6 Milliarden Rubel (umgerechnet 190 Millionen Euro). Verkauf von Werk in Kaluga geplant GAZ, ein russischer Autobauer, einst für die Produktion von Wolga-Limousinen bekannt, war bis zum vergangenen Jahr Fertigungspartner von VW in Russland. In der Fabrik in Nischni Nowgorod wurden mehrere Modelle von VW und Skoda produziert. Im Mai letzten Jahres traten die US-Sanktionen gegen GAZ in Kraft, woraufhin sich VW offiziell aus der Kooperation zurückzog und den Angestellten des Werks Abfindungen anbot. Die Produktion wurde dort kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine eingestellt, ebenso im eigenen VW-Werk in Kaluga, 150 Kilometer südlich von Moskau. Zuletzt war bekannt geworden, dass der deutsche Automobilhersteller über den Verkauf seines Werks und anderer Vermögenswerte in Russland verhandelt. Die Autohandelsgruppe Avilon galt als möglicher Käufer, jedoch müssen solche Geschäfte von der russischen Regierung genehmigt werden. | /wirtschaft/unternehmen/volkswagen-russland-geschaeft-gaz-101.html |
2023-03-20 | Von Kanada lernen? | Fachkräftemangel | Deutschland braucht Fachkräfte aus dem Ausland, die Ampel arbeitet derzeit an einem Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Andere Länder sind da weiter. Kanada zum Beispiel. Zwei Minister wollen sich dort Anregungen holen. Von Kai Clement. | Deutschland braucht Fachkräfte aus dem Ausland, die Ampel arbeitet derzeit an einem Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Andere Länder sind da weiter. Kanada zum Beispiel. Zwei Minister wollen sich dort Anregungen holen. Seine jüngste Reise führte Arbeitsminister Hubertus Heil ins brandenburgische Dahlewitz, gerade einmal 25 Kilometer Fahrstrecke von Berlin. Dort schaute er sich vor zwei Wochen bei einem Turbinenhersteller an, wie man um Fachkräfte werben kann. Das Unternehmen beschäftigt rund 2400 Menschen. Davon hat nach Firmenangaben jeder fünfte einen ausländischen Pass. Schwere Sprache, schwerfällige Bürokratie Der SPD-Politiker fasste seine Eindrücke kurz vor dem Aufbruch nach Kanada im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio zusammen. Menschen aus 50 Nationen arbeiteten in Dahlewitz, "und wenn man mit denen spricht, dann weiß man, was unsere Stärken sind". Es gehe darum, dass Deutschland ein sicheres Land sei mit einer starken Volkswirtschaft. Doch ist es aber eben auch ein Land mit schwieriger Sprache und schwerfälliger Bürokratie. Deutschland hat es nicht leicht im Werben um Fachkräfte. Die aber braucht man hierzulande dringend. Das Institut der deutschen Wirtschaft schätzte die Lücke zuletzt auf rund eine halbe Million Menschen. "Lernen, wie die das machen" Nun reist Hubertus Heil 6000 Kilometer, um sich in Ottawa und Toronto Anregungen zu holen. Kanada sei ein klassisches Einwanderungsland. "Und wir wollen lernen, wie die das machen." Wie Deutschland das künftig selbst machen will, hat das Bundeskabinett Ende November zumindest im Grundsatz beschlossen, in einem sogenannten Eckpunktepapier. Zentrales Thema: mehr Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen. Eine von der Regierung geplante Neuerung ist die sogenannte Potenzialsäule mit einem Punktesystem. Gilt also auch hier das Vorbild Kanada, das bereits 1967 ein Punktesystem einführte? Nein, sagt Wido Geis-Thöne vom Institut der deutschen Wirtschaft. Denn Kanada vergebe über sein Punktesystem auf Dauer angelegt Aufenthaltstitel. Deutschlands Pläne seien nicht so weitreichend. Wenn man die notwendige Punktezahl zusammenbekommt, erhält man lediglich ein Visum, das für ein Jahr zur Jobsuche berechtigt. "Da sind wir in völlig unterschiedlichen Welten." Union spricht von "verpasster Chance" Stephan Stracke von der CSU ist Arbeitsmarktexperte der Union. Er hält das Punktesystem vor allem für "ein Zugeständnis an die FDP", die habe auf ein solches Modell gedrungen. Ein Punktesystem aber, das lediglich zur Jobsuche berechtigt, überzeugt Stracke nicht. "Das wird auch wenig Wirkung zeigen, insofern ist es eher eine verpasste Chance." Ob im Krankenhaus, im Handwerk oder bei Ingenieuren: Überall fehlen Fachkräfte. Arbeitsminister Heil will deshalb nicht eine, sondern viele Lösungen. Er will im Inland besser aus- und weiterbilden, will mehr Frauen gewinnen. Zugleich aber soll es eben für Menschen aus dem Nicht-EU-Ausland einfacher werden, auch jenseits des geplanten Punktesystems. Wer einen deutschen Arbeitsvertrag hat sowie einen ausländischen Abschluss und Erfahrung nachweisen kann, kann kommen. Der Abschluss muss nicht mehr vorab in Deutschland anerkannt werden. Das ist dann die sogenannte Erfahrungssäule im künftigen Modell. Union für "Bundesagentur für Einwanderung" CSU-Politiker Stracke hält das für den echten Paradigmenwechsel und ist deshalb skeptisch. Zugleich räumt er ein, dass der bisherige Weg ein schwieriger ist. Die in der Regierungszeit von Angela Merkel etablierten Verfahren seien reichlich langsam. "Wir haben über 1000 Stellen, die dafür zuständig sind." Die Union schlägt daher eine "Bundesagentur für Einwanderung" vor. Die soll bündeln und Tempo machen. Heil ist zurückhaltend, wenn es um eine neue Behörde geht, signalisiert ansonsten aber Zustimmung. Auch er betont: "Das modernste Einwanderungsrecht läuft ins Leere, wenn wir damit nicht endlich auch bürokratische Hürden einreißen." Es sei doch absurd, wenn man erst um gute Leute aus dem Ausland werbe, die aber dann abgeschreckt würden, weil andere schneller sind. "Dann haben wir im Wettbewerb verloren." Lange und intransparente Verfahren Aus Sicht von Geis-Thöne vom Institut der deutschen Wirtschaft fehlt es aber noch an Ideen, um wirklich schneller zu werden. Angefangen bei teils monatelangen Wartezeiten, um bei Konsulaten und Botschaften überhaupt nur einen Termin zu bekommen. Geis-Thöne hält die langen und intransparenten Verfahren für das zentrale Problem. Da nützten auch die schönsten Zugangswege nichts. Er sieht zwar den politischen Willen zur Veränderung, aber zu wenig greifbare Ideen, um das System auch wirklich umzubauen. Viel Stoff also für zwei Tage in Kanada, bei denen auch Innenministerin Nancy Faeser dabei sein wird. Kanada jedenfalls hat, so sagt es CSU-Politiker Stracke, "eine Willkommenskultur, die sehr ausgeprägt ist". Da kann Deutschland sich sicher noch etwas abschauen. Minister Heil sagt es nach seinen Gesprächen mit internationalen Fachkräften im brandenburgischen Dahlewitz so: "Die haben besser über unser Land geredet, als wir das manchmal selbst tun." Das müsse man sich auch in Deutschland angewöhnen. | /inland/innenpolitik/einwanderung-fachkraefte-kanada-101.html |
2023-03-20 | Zweifel an Erdogans Bauversprechen | Nach Erdbeben in der Türkei | Binnen eines Jahres sollen weit mehr als 400.000 Wohnungen für vom Erdbeben Betroffene gebaut werden. Das verspricht zumindest der türkische Präsident Erdogan. Doch Experten halten das für Wahlkampfgeplänkel. Von Uwe Lueb. | Binnen eines Jahres sollen weit mehr als 400.000 Wohnungen für vom Erdbeben Betroffene gebaut werden. Das verspricht zumindest der türkische Präsident Erdogan. Doch Experten halten das für Wahlkampfgeplänkel. In der südlichen Erdbebenprovinz Hatay stehen Zelte nach starken Regenfällen unter Wasser. In Sanliurfa und Adiyaman überfluten Regenmassen Straßen sogar meterhoch, reißen alles mit sich. Wieder sterben Menschen durch Naturgewalt. Eine Bewohnerin der überschwemmten Zelte in Hatay ist verzweifelt: "Das Erdbeben haben wir überlebt, jetzt werden wir im Wasser sterben. Beim Erdbeben hat Gott uns gerettet - nun lässt uns der Staat zurück zum Sterben." Niemand wird zurückgelassen, verspricht Präsident Recep Tayyip Erdogan. Mit dem Bau der ersten mehr als 20.000 Wohnungen sei schon begonnen worden. In den kommenden zwei Monaten sollen es zehn Mal so viele sein - alles erdbebensicher diesmal. Erdogans Ziel ist ehrgeizig: "Binnen eines Jahres sollen alle, die ein Recht darauf haben, in ihre neuen Wohnungen einziehen." "Eine Stadt besteht nicht nur aus Wohngebäuden" Taner Yüzgec glaubt das nicht. Er ist Vorsitzender der Kammer der Bauingenieure in Ankara. Im Interview mit dem ARD-Hörfunkstudio Istanbul warnt er vor eilig aufgestellten Retortenstädten. Allein die Planung dauere normalerweise ein Jahr lang. "Binnen eines Jahres weit mehr als 400.000 Wohnungen zu bauen, bedeutet, komplett neue Städte zu bauen", sagt er. Aber eine Stadt bestehe nicht nur aus Wohngebäuden, "sondern muss zusammen mit all ihren sozialen Komponenten durchdacht werden". Das wird alles gemacht, sagt Erdogan. Es entstünden neue Lebensräume mitsamt Infrastruktur: Schulen, Krankenhäuser, Geschäften, Gotteshäuser und Parkanlagen. Bauingenieur Yüzgec bleibt skeptisch. Er hält es ohnehin für falsch, jetzt schon zu bauen, weil die Katastrophenregion noch immer von teils starken Nachbeben erschüttert wird. Und wankender Grund sei nicht der Bauplatz für neue Häuser. Noch entscheidender aber, warum der Wiederaufbau so schnell nicht gelingen könne, seien logistische Gründe. "Das würde bedeuten, dass alle Baufirmen der Türkei im Erdbebengebiet arbeiten. Das ist weder praktisch noch technisch möglich. Man muss solche Ankündigungen eher für Wahlversprechen halten", meint Yüzgec. Geht es um Wählerstimmen? Die machen sich vor den Wahlen im Mai gut. Geht es nach Erdogan, soll sich zumindest bis dahin alles nur um den Wiederaufbau drehen. Womöglich erhofft er sich davon Wählerstimmen. Seine Anhänger glauben aber ohnehin an ihn. Ein Mann etwa sagt einem Onlinemagazin auf die Frage, ob der Wiederaufbau binnen eines Jahres gelingen könne: "Ich denke schon. Hat sich von der Opposition jemand dazu geäußert, hat jemand gesagt 'Dieser Mann kann das unmöglich in einem Jahr schaffen?' Warum nicht? Weil dieser Mann alles eingehalten hat, was er gesagt hat. Und er wird es wieder tun." Dabei ist die Aufgabe nicht nur organisatorisch kaum überschaubar. Hunderte Kilometer misst das Erdbebengebiet in alle Richtungen. Auch finanziell wird es für die Türkei ein beispielloser Kraftakt. Die Türkei hat einen Wiederaufbaufonds eingerichtet, in den alle Mittel fließen sollen, auch aus dem Ausland. Kontrolliert werden soll der Fonds von Regierungsmitgliedern. Rund 100 Milliarden Euro wirtschaftlicher Schaden Von rund 100 Milliarden Euro wirtschaftlichem Schaden ist die Rede. Ein Großteil davon entfällt auf Wohngebäude. Genau hier könnte man sparen, findet Yüzgec von der Bauingenieurkammer: Häuser verstärken - und somit erdbebensicher machen, statt sie abzureißen. 30 bis 40 Prozent billiger könnte der Wiederaufbau so ausfallen: "Man würde Zeit und Geld sparen und auch der Umwelt einen Gefallen tun. Natürlich kann man nicht jedes beschädigte Gebäude reparieren - das muss man im Einzelfall prüfen. Aber die Option 'Verstärkung' wird - um es mal so zu sagen - von der Bau-Lobby ignoriert." | /ausland/tuerkei-wiederaufbau-101.html |
2023-03-20 | Notfallrettung mit Risiken | Schweizer Großbankenfusion | Die in Schieflage geratene Credit Suisse ist gerettet - ausgerechnet durch den Erzrivalen UBS. Damit ist ein unkontrollierter Absturz vorerst abgewendet. Doch die Fusion birgt Risiken, denn die neue Riesenbank ist größer als "too big to fail". Von K. Hondl. | Die in Schieflage geratene Credit Suisse Bank ist vorerst gerettet - ausgerechnet durch den Erzrivalen UBS. Damit ist ein unkontrollierter Absturz vorerst abgewendet. Doch die Fusion birgt Risiken, denn die neue Riesenbank ist größer als "too big to fail". Der Schweizer Bundespräsident Alain Berset sprach von einer "sehr starken Lösung". Für drei Milliarden Franken übernimmt die UBS die Krisenbank Credit Suisse (CS). Das sei eine Ankündigung von sehr großer Tragweite, so Berset. Für die beiden betroffenen Banken - aber auch für die Stabilität des Schweizer Finanzplatzes, für Privatleute sowie Unternehmen, die Zugang zu Finanzmitteln des Bankensystems brauchen. Und für die Stabilität des internationalen Finanzsystems. "Ein unkontrollierter Absturz der Credit Suisse hätte unkalkulierbare Folgen für das Land und die internationale Finanzwelt", betonte der Bundespräsident. "Wir müssen alles tun, um eine weitreichende Finanzkrise zu vermeiden." Darlehen von 100 Milliarden Franken Die Schweizerische Nationalbank (SNB) unterstützt den Deal der beiden größten Schweizer Banken mit Liquiditätshilfen und gewährt den Banken ein Darlehen von insgesamt bis zu 100 Milliarden Franken. Zusätzlich sicherte der Bundesrat - also die Schweizer Regierung - der UBS eine Garantie von neun Milliarden Franken zu. Die Regierung bedaure es, dass die Credit Suisse nicht in der Lage gewesen sei, die Schwierigkeiten aus eigener Kraft zu meistern, sagte Finanzministerin Karin Keller-Suter. Übernahme soll für Stabilität der Märkte sorgen Die Übernahme der CS durch die UBS sei aber "keine Staatslösung", betonte sie. Jede andere Lösung hätte jedoch eine Finanzkrise zur Folge gehabt. "Der Ausfall einer global systemrelevanten Bank hätte gravierende volkswirtschaftliche Verwerfungen in der Schweiz, aber auch weltweit gehabt", so die Finanzministerin. Die Schweiz habe ihre Verantwortung über die eigenen Landesgrenzen hinaus wahrnehmen müssen. "Der Bundesrat ist überzeugt, dass die Übernahme der CS durch die UBS die Grundlage für mehr Stabilität schafft - sowohl in der Schweiz als auch international", erklärte Keller-Suter. Lob von der FDP - Kritik von der SP Es ist eine historische Entscheidung. Mit der Übernahme durch die UBS geht die 167-jährige Geschichte der Traditionsbank Credit Suisse zu Ende. Die "Neue Zürcher Zeitung" nennt es das "größte wirtschaftspolitische Erdbeben in der Schweiz seit der UBS-Rettung 2008 und dem Grounding der Swissair 2001". Entsprechend durchwachsen waren die ersten Reaktionen in der Schweizer Politik auf den Deal. Lob kam von der FDP. Die Übernahme sei notwendig gewesen, um großen Schaden vom Schweizer Finanz- und Wirtschaftsstandort abzuwenden. Der Co-Präsident der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz, Cédric Wermuth, schrieb dagegen empört auf Twitter, es habe sich seit der Finanzkrise von 2008 nichts geändert. Das ganze Finanzsystem sei "krank und absurd" und nun müsse wieder der Staat rettend einspringen. Nichts hat sich geändert seit 2008, gar nichts! Das ganze Finanzsystem ist krank und absurd. Und jetzt darf der Staat wieder mal alle retten, die uns immer erzählt haben, was für grossartige Wirtschaftsführer sie sind. Einfach nur verdammt frustiert und hässig. "Beste Lösung im Schlamassel" Natürlich könne man jetzt jammern und sagen, man hätte vor so und so viel Jahren das anders machen sollen, sagt der Ökonom Thorsten Hens, Vizedirektor des Instituts für Banking und Finance an der Uni Zürich. Aber angesichts des Schlamassels, in dem man jetzt stecke, sei es die beste Lösung. Klar ist aber auch, mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS entsteht in der Schweiz eine neue Riesenbank - größer als "too big to fail". Und das, so Hens, bedeute ganz neue Risiken für die Schweiz. "Man ist jetzt so etwas wie Südkorea geworden", erklärt der Ökonom. Da gebe es ein großes Unternehmen, genannt Samsung, das im Wesentlichen am Ende auch die Politik bestimme. Man müsse aufpassen, denn "wenn man so ein großes Unternehmen hat, wer will am Ende noch die UBS retten." Da könne es dann nur noch eine Verstaatlichung geben, weil es keine andere Bank gebe, die einen so großen Koloss am Ende noch aufnehmen könnte. | /wirtschaft/finanzen/ubs-uebernimmt-credit-suisse-103.html |
2023-03-20 | "Das war der Ungerechtigkeit zu viel!" | Französische Rentenreform | Die Proteste gegen die Rentenreform in Frankreich gingen auch am Wochenende weiter. Heute soll sich entscheiden, ob die Reform am Parlament vorbei angenommen wird. Aber würde das den Widerstand brechen? Von Stefanie Markert. | Die Proteste gegen die Rentenreform in Frankreich gingen auch am Wochenende weiter. Heute soll sich entscheiden, ob die Reform am Parlament vorbei angenommen wird. Aber würde das den Widerstand brechen? Auch an diesem Wochenende wurde die Müllverbrennungsanlage in Issy-les-Moulineaux, am südwestlichen Pariser Stadtrand, blockiert und bestreikt. Ein junger Mann, Vollbart, Holzfällerhemd, Docker-Mütze begründet ruhig, aber entschlossen: "Was mir Sorgen macht, ist die Ungerechtigkeit dieser Reform. Auch beim Timing: Wir haben gerade eine Kaufkraftkrise. Und die Leute haben Hunger. Man stiehlt ihre Zeit, ihre Ferien mit den Kids, letztlich ihr Leben. Dabei gibt es überall was zu sparen. Die Steuerflucht in Frankreich - das sind 100 Milliarden Euro im Jahr! Holt erst die 100 Milliarden und macht euch dann an die Renten!" Proteste im ganzen Land Die Reform von Präsident Emmanuel Macron wird nach teuren Zugeständnissen nur noch zwölf statt ursprünglich geplanten 18 Milliarden Euro im Jahr einbringen. Aber sie bringt Menschen auf die Barrikaden. In Paris gilt ein Demoverbot für den Concorde-Platz, die Protestierenden stürmten deshalb Einkaufszentren etwa im Hallenviertel. Dazu der Müllstreik und über 10.000 Tonnen Abfälle auf den Bürgersteigen. Ein Drittel weniger Flüge am Flughafen Paris-Orly. Auf den Bahnhöfen des Landes fahren weniger Regionalzüge, weniger TGVs. In Lyon wurde in einem Bezirksrathaus Feuer gelegt. In der größten französischen Raffinerie in der Normandie steht die Produktion still. An den Tankstellen im Rhônetal bilden sich Schlangen. Die Wut über Artikel 49.3 Stein des Anstoßes ist nicht nur die Reform selbst, sondern der Artikel 49.3 der Verfassung. Den hat die Regierung angewandt, sodass der Text ohne Abstimmung durch das Parlament gehen kann, sofern die Regierung Misstrauensvoten übersteht. Parlamentschefin Yael Braun-Pivet findet nicht, dass das Vorgehen der Regierung einer Niederlage gleiche. Man habe bei der Rentenreform keinen Konsens gefunden - für solche Fälle sei der Artikel da, den es seit der Zeit von General de Gaulle gebe. "Er wurde ausgedacht gegen politische Blockadehaltungen und für den Fall einer relativen Mehrheit. Genau das haben wir gerade. Er wurde 100 Mal angewandt von allen politischen Kräften rechts und links. Und obwohl unsere Verfassung seitdem 24 Mal verändert worden ist, hat niemand an diesem Artikel gerüttelt." Abweichler bei den Républicains Vielleicht weil noch keine Regierung darüber zu Fall kam. Doch die Gemüter erhitzt er. In Nizza wurden Fensterscheiben eines Abgeordnetenbüros eingeschlagen und an die Fassade ein Galgen geschmiert sowie die Worte: "Misstrauensvotum oder Pflasterstein!" Betroffen war davon nicht irgendwer, sondern der Parteichef der konservativen Les Républicains, Eric Ciotti. Er hatte erklärt, seine Partei werde der Regierung nicht das Misstrauen aussprechen. Doch es gibt Abweichler wie Pierre Cordier, der am Wochenende nochmal in seinen Wahlkreis in die Ardennen fuhr. Er will sich nicht an die Parteilinie halten. "Ich bin sehr wohl für eine Rentenreform, aber nicht für diese. Es hat viele Änderungen am Text gegeben, auch positive. Aber bei anderen Punkten, wie der Berücksichtigung von Arbeitserschwernissen, gibt es Luft nach oben. Und deshalb sagen die Leute hier zu mir: Herr Abgeordneter, halten Sie stand!" Die Gegner brauchen 287 Stimmen Nur wenn es ihm 26 weitere Konservative, also knapp die Hälfte der Républicains, gleichtun und die gesamte Opposition unisono mit Ja stimmt, könnte eines der Misstrauensvoten durchgehen. Von denen gibt es zwei, eins vom rechten Rassemblement National und ein weiteres von einem Zentrum-Linksblock. Um 16 Uhr soll im Parlament über sie abgestimmt werden. Bei 287 Ja-Stimmen würde die Regierung stürzen und ihre Rentenreform wäre hinfällig. Präsident Macron hatte sich bis auf Krisensitzungen öffentlich zurückgehalten. Am Sonntagabend ließ er im Stimmungstief wissen: Er wünsche, dass das Rentengesetz seinen demokratischen Weg durch die Instanzen zu Ende gehe und alle Abgeordneten geschützt würden. Scheitern die Misstrauensanträge, gilt die Rentenreform als angenommen. Aber würde das den Widerstand brechen? Im Gegenteil, sagt der junge Streikende mit dem Vollbart in Issy: "Ich weiß nicht, ob die Menschen resignieren werden. Ich hoffe nicht. Denn dass sie den Artikel 49.3 angewandt haben, war die beste Dummheit, die sie machen konnten. Das gibt den Demos, dem Volksaufstand, neuen Elan. Das war der Ungerechtigkeit zu viel!" | /ausland/frankreich-rentenreform-misstrauensvoten-101.html |
2023-03-20 | Wo sich Russland und China ganz nah sind | Blagoweschtschensk am Amur | So nah wie in Blagoweschtschensk am Amur kommen sich Russen und Chinesen kaum irgendwo. Früher kamen die chinesischen Verkäufer auf die russischen Märkte. Heute sind sie hier die Arbeitgeber. Von Ina Ruck. | So nah wie in Blagoweschtschensk am Amur kommen sich Russen und Chinesen kaum irgendwo. Früher kamen die chinesischen Verkäufer auf die russischen Märkte. Heute sind sie hier die Arbeitgeber. Eine dicke Eisschicht bedeckt den Amur: Man könnte hinüberlaufen bis nach China, wären da nicht die Grenzschützer auf beiden Seiten des Flusses. Näher als hier, zwischen den Städten Blagoweschtschensk und Heihe, kommen sich Russen und Chinesen nirgendwo. Blagoweschtschensk ist eine hübsche, sehr aufgeräumte Stadt. Russlands Fenster nach Osten: Am Ufer weht eine riesige russische Trikolore, so groß, dass man sie wohl von Heihe aus nicht übersehen kann. "Vor 20 Jahren waren da drüben nur ein paar Holzhäuser und Bäume", sagt Olga Kuschnarjowa, die Besitzerin eines Reisebüros in Blagoweschtschensk. Heute säumen Hochhäuser, Shoppingzentren und ein Vergnügungspark das chinesische Ufer des Amur. Kuschnarjowa fuhr damals als Studentin regelmäßig rüber nach China - kleiner Grenzverkehr war erlaubt. Mit leeren Taschen hin, voll bepackt zurück "Weberschiffchen" habe man Leute wie sie genannt, sagt sie, weil es immer hin und her gegangen sei. Hin mit zwei leeren Taschen, zurück bepackt mit Waren: Adidas, Dior, Levi's - alles gefälscht, aber gefragt. "Ich hatte auf dem Rückweg manchmal zehn Jeans übereinander an: Um die erste wickelst du Klebeband, dann ziehst du die nächste, größere drüber und so weiter. Erlaubt waren zwei Taschen und das, was man am Leib trug." Nach ganz Russland wurden die Sachen weiterverkauft: "Blagoweschtschensk war die Adidas-Hauptstadt der Sowjetunion". Auch von der chinesischen Seite kamen sie herüber. Auf dem Markt verkauften Kleinhändlerinnen aus Heihe für ein paar Rubel alles an chinesischen Waren, was sich irgendwie herüberbringen ließ - Werkzeug, Toaster, imitierte Markenkleidung. Bis heute gibt es solche Märkte in Blagoweschtschensk, aber die chinesischen Händler haben längst russische Verkäufer eingestellt. Chinesinnen und Chinesen sind hier jetzt Arbeitgeber. Chinesin macht in Russland Karriere Li Li-Hua sitzt in ihrem riesigen, goldverzierten Büro und tippt Zahlen in den Taschenrechner. Ein Wandteller zeigt den chinesischen Präsidenten Xi. Li Li-Hua ist vor 20 Jahren das erste Mal über den Fluss gekommen, hat später hier eine der ersten chinesischen Teestuben eröffnet. Heute ist sie Bauunternehmerin, eine der größten in Blagoweschtschensk. Mehr als 3000 Wohnungen habe sie schon gebaut, sagt sie. "Der Markt ist riesig, die Leute kaufen und kaufen, weil es diese staatliche Förderung gibt". Mit günstigen "Fernost-Hypotheken" will Moskau die Region ganz im Osten attraktiver machen - und den Bevölkerungsschwund aufhalten. Zu wenige russische Fachkräfte Auf Li Li-Huas Baustellen arbeiten Russen, Tadschiken und Chinesen. Es gebe viel zu wenig russische Fachkräfte, sagt sie. Sie ist täglich auf den Baustellen unterwegs, kennt jeden Grundriss und jeden Arbeiter. Ihre neunstöckigen Wohnblocks lässt sie aus Ziegeln bauen, in dieser Gegend sei das besser als Beton. Zumal sie die Backsteine selbst produziert, sie hat hier gleich mehrere Ziegeleien gekauft. Stolz zeigt sie ein Haus mit fast fertiggestellten Ein- und Zweizimmerwohnungen. Die baut sie grundsätzlich mit Balkon, sie sind durchdacht und praktisch konzipiert. Dass viele in Blagoweschtschensk jetzt chinesische Chefs und Chefinnen haben, scheint in der Stadt kaum jemanden zu stören. "Wir nennen Li Li-Hua hier Larissa, das ist einfacher. Sie ist eine von uns", sagt ein Stadtrat der Regierungspartei, der früher selbst als Jurist für Li Li-Huas Unternehmen gearbeitet hat. "Sie tut sehr viel für unsere Stadt". Reisen nach China beliebt Die Reisekauffrau Olga Kuschnarjowa glaubt, dass China all das ersetzen könne, was Russland durch die westlichen Sanktionen verliere. Sie selbst spricht fließend Chinesisch, verkauft Urlaubsreisen vor allem nach Asien: All Inclusive ans chinesische Meer sei sehr beliebt und natürlich Thailand oder Vietnam. Nach Europa wolle nur selten jemand - das sei viel zu weit. Kuschnarjowa ist Patriotin, unterstützt den Krieg gegen die Ukraine: Russland müsse sich wehren, seine Grenzen schützen. Präsident Wladimir Putin mache alles richtig. Fragt man sie, wer denn Schuld trage am Krieg, ist sie schon über die Frage ehrlich erstaunt: "Sicher nicht Russland." In der Ukraine war sie noch nie. Krieg weit entfernt und doch präsent Der Krieg ist neun Flugstunden von hier entfernt und doch präsent. Auch aus Russlands fernem Osten ziehen Männer in den Krieg. Rekrutierungsplakate hängen in der Stadt, auf manchen Autos prangt ein selbstgemaltes großes "Z", das Symbol des Kriegs. Eine von Kuschnarjowas Mitarbeiterinnen hat einen Bruder verloren. Li-Li-Hua spricht nicht gern über das Thema Krieg. Fragt man sie vorsichtig nach dem, was hier alle "Spezialoperation" nennen, sagt sie nur, dass Kriege grundsätzlich schlecht seien und wechselt das Thema. Heihe hat den Nachbarn gegenüber zu Neujahr ein Geschenk gemacht: Wegen des Kriegs in der Ukraine hatte die Stadtverwaltung von Blagoweschtschensk auf ein Feuerwerk verzichtet. "Aber die Chinesen haben eins für uns gemacht. Mit Lasershow, Lichteffekten, wunderschön", sagt Olga Kuschnarjowa. "Wir waren alle am Ufer und haben uns gefreut, dass sie das für uns tun." | /ausland/asien/russland-china-grenze-101.html |
2023-03-20 | Deutschland gegen gemeinsame Bestellungen | EU-Treffen zum Munitionsmangel | Dass die Ukraine viel mehr Munition braucht, ist den EU-Staaten klar - doch wie sie beschafft werden soll, darüber ist man uneins. Im "Jumbo-Rat" suchen die Außen- und Verteidigungsminister heute nach Lösungen. Von Helga Schmidt. | Dass die Ukraine viel mehr Munition braucht, ist der EU klar - doch wie sie beschafft werden soll, darüber ist man uneins. Im "Jumbo-Rat" suchen die Außen- und Verteidigungsminister der EU heute nach Lösungen. Dass Europas Außenminister sich bei einem ihrer monatlichen Treffen mit Munition beschäftigen würden, mit Granatgrößen und Kalibertypen, hätten sich die Ministerinnen und Minister vor dem Krieg gegen die Ukraine wahrscheinlich nicht vorstellen können. Heute steht die Artillerie-Munition vom Kaliber 155 Millimeter ganz oben auf ihrer Tagesordnung. Es gibt zu wenig davon, die Ukraine braucht Nachschub und zwar so dringend, dass die Munition sogar vergangene Woche Thema in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers war. Gemeinsam mit den europäischen Partnern werde die Bundesregierung dafür sorgen, dass die Ukraine genügend Waffen und Ausrüstung erhält, sagte Olaf Scholz. "Ganz besonders wichtig ist, die Ukraine rasch mit der nötigen Munition zu versorgen." Lager waren schon vor dem Krieg nicht voll Doch die Lagerbestände leeren sich, nicht nur bei der Bundeswehr. Fast alle EU-Länder haben das Problem, weil schon viel Munition in die Ukraine geliefert wurde, aber auch, weil es schon vor dem Krieg nicht viel gab. Ein Landkrieg mit Artillerie, so wie Russland ihn jetzt gegen die Ukraine führt, schien der Vergangenheit anzugehören. Deshalb wurde überall die Produktion für Munition zurückgefahren - auch für die 155 Millimeter NATO-Standard-Munition, die jetzt beispielsweise in den gelieferten Haubitzen gebraucht wird. Allein in der zerstörerischen Schlacht um die ukrainische Stadt Bachmut werden so viele Granaten verfeuert, dass der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Reznikov gebetsmühlenartig auf Nachschub pocht. "Priorität Nummer eins", sagte Reznikov vor zwei Wochen den EU-Verteidigungsministern in Stockholm, "ist die Luftabwehr und Munition, Munition und noch mal Munition". EU-Länder sollen ihre Lager prüfen Europas Außenbeauftragter Josep Borrell schlägt vor, eine Milliarde Euro an die Länder zu geben, die noch mehr aus eigenen Munitionsbeständen an die Ukraine abgeben. Das Geld könnten sie dann für die Neubeschaffung nutzen. Das Durchforsten der Lagerbestände soll mit einer Erstattung von 50 bis 60 Prozent belohnt werden. Ein Vorschlag, den die EU-Regierungen für sinnvoll halten, auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius macht sich dafür stark. "Aktuell muss es vor allem darum gehen, Bestände zusammenzusuchen und zu liefern, was immer wir können", sagte er in Stockholm nach den Gesprächen mit dem ukrainischen Kollegen. Allerdings gibt es für Pistorius auch Grenzen für die Abgabe. Man werde liefern, was "wir im Angesicht unserer eigenen Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit liefern können". Die Botschaft: Deutschland unterstützt die Ukraine, wird dabei aber immer auch die Verteidigungspflichten im NATO-Bündnisgebiet im Auge behalten müssen. Zentral bestellen oder jeder für sich? Zumal es bei der Neubeschaffung nicht mit schnell erteilten Bestellungen getan ist. Die Rüstungsindustrie in Europa produziert im Moment nämlich weniger Munition als die Ukraine verfeuert. "Allein dadurch, dass wir alle mehr bestellen, gibt es noch nicht mehr", so Pistorius. "Es muss erst produziert werden, bevor es geliefert werden kann." Über das Wie gehen die Meinungen aber auseinander. Die Brüsseler EU-Kommission will, dass die EU-Länder ihre Bestellungen bündeln, sie sollen dann zentral in Brüssel an die Rüstungsunternehmen weitergegeben werden. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schwebt ein ähnliches Verfahren wie bei der Bestellung von Impfstoffen in der Corona-Pandemie vor. Mehrere Länder aber, darunter auch Deutschland, wollen lieber wie bisher national bestellen. Berlin verweist auf vorhandene Rahmenverträge mit den Rüstungskonzernen. Die könnten genutzt und ausgebaut werden - insgesamt gehe das nach deutscher Einschätzung schneller als unerprobte neue Bestellverfahren über Brüssel. Industrie soll Abnahmegarantie bekommen Relativ unumstritten ist, dass die Rüstungsindustrie Anreize bekommen soll, um die Produktion hochzufahren. Die Unternehmen sollen sich auf die Abnahme verlassen können. Dafür soll eine weitere Milliarde bereit gestellt werden. Die insgesamt zwei Milliarden Euro für die Munition kommen aus einem EU-Sondertopf, der sogenannten Friedensfazilität. Auch Iran und Tunesien auf der Agenda Über die Munition wird heute im sogenannten Jumbo-Rat gesprochen: Zu den 27 EU-Außenministern kommen die 27 Verteidigungsminister der Mitgliedsländer. Eine riesige Runde, die zeigt, wie groß der Zeitdruck ist. Man will schneller handeln als bisher. Für die Außenminister kommen noch zwei weitere schwierige Themen dazu: die Frage, wie Europa mit dem Mullah-Regime im Iran verfährt, das nach wie vor brutal mit den Protestierenden umgeht und die Frage, wie man auf die Krise in Tunesien einwirken kann. | /ausland/europa/eu-munitionsgipfel-deutschland-ukraine-101.html |
2023-03-20 | Ein Besuch für den Frieden? | Xi in Moskau | Zum ersten Mal seit Beginn des russischen Angriffskrieges reist Chinas Staatschef Xi Jinping zu einem Staatsbesuch nach Moskau. China will vermitteln. Beobachter kritisieren: Dazu ist Xis Nähe zu Putin zu groß. Von Ruth Kirchner. | Zum ersten Mal seit Beginn des russischen Angriffskrieges reist Chinas Staatschef Xi Jinping zu einem Staatsbesuch nach Moskau. China will vermitteln. Beobachter kritisieren: Dazu ist Xis Nähe zu Putin zu groß. Als der chinesische Außenamtssprecher die Reise Xi Jinpings nach Moskau ankündigte, war viel von "strategischer Zusammenarbeit" und "umfassender Partnerschaft" die Rede. Außerdem kündigte Wang Wenbin an, Xis Reise sei ein "Besuch für den Frieden". In China wird das von vielen nicht infrage gestellt. Viele Menschen haben Sympathien für Russland. Nirgendwo ist das deutlicher als in der Millionenstadt Harbin in Chinas nördlichstem Landesteil, der direkt an Russland grenzt. Eine 25-jährige Frau dort bezeichnet Russland als "guten Freund von China - sowohl kulturell als auch politisch". Ein 63-Jähriger findet: "Natürlich sollten wir mit Russland zusammenarbeiten". China und Russland seien Freunde. Russlands Führung sei stark und selbstbewusst. Das sei gut, fügt der Mann hinzu. China als idealer Vermittler? Gerade wegen der engen Beziehungen zu Russland sehen viele China als idealen Vermittler im Krieg gegen die Ukraine. China habe Einfluss in Moskau - und China habe nichts getan, was der Ukraine geschadet habe, sagt etwa Wang Jiangyu von der City University in Hongkong der Nachrichtenagentur Reuters. Daher sei China in einer besseren Lage als jedes andere große Land der Welt eine Vermittlerrolle zu spielen. Aber Xi Jinpings Nähe zu Putin ist auch ein Problem. China behauptet zwar, neutral zu sein, hat aber den russischen Angriff bis heute nicht verurteilt. China spricht von Krise, nicht von Krieg. Und: Selbst chinesische Experten räumen ein, dass China wenig tun könne, um den Konflikt zu beenden. Experte: China will sich als Weltmacht darstellen Der chinesische 12-Punkte-Plan für die Ukraine von Ende Februar enthält nur vage allgemeine Grundsätze - aber keine konkreten Lösungsansätze. Das kritisiert auch Alexander Gabuev, Russland- und China-Experte beim Carnegie Endowment for International Peace in Washington. Er glaubt: "Chinas Hauptziel ist es, sich als die Weltmacht darzustellen, die eine Friedenslösung vorantreibt." Selbst wenn dieser Plan keine Grundlage für diplomatische Fortschritte schaffe, sei er ein PR-Erfolg für China - vor allem im globalen Süden. Chinesische Offizielle lassen denn auch keine Gelegenheit aus, die Volksrepublik als Friedensstifter darzustellen und die Unterstützer der Ukraine als Kriegstreiber. "Dialog ist immer der einzige Weg, um Konflikte zu lösen", sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin. Und in einem deutlichen Seitenhieb auf die USA und die EU: "Die Flammen anzufachen, einseitig Sanktionen zu verhängen oder maximalen Druck auszuüben, all das erhöht nur die Spannungen." China will westliche Handelspartner nicht verprellen Auch bei Xis Besuch in Moskau dürfte dieses Narrativ eine große Rolle spielen. Denn Chinas Führung nutzt den Krieg gegen die Ukraine auch, um im Systemkonflikt mit den USA zu punkten. Dafür braucht China Russland als strategischen Partner. Gleichzeitig will China seine westlichen Handelspartner nicht verprellen oder wegen der Unterstützung für Russland selbst mit Sanktionen bestraft werden. Bislang profitiert China davon, dass die Beziehungen mit Russland immer enger werden. Der bilaterale Handel ist im letzten Jahr um mehr als 30 Prozent gestiegen - auf 190 Milliarden US-Dollar - auch wegen der westlichen Sanktionen gegen Moskau. China kauft billig mehr russisches Öl und Gas, Russland mehr Smartphones, Halbleiter und andere Waren aus China. Waffen für den Krieg gegen die Ukraine liefert China nach offiziellen Angaben nicht. Aber in Medienberichten heißt es immer wieder, dass Russland aus China Ausrüstung und Komponenten erhalte, die auch militärisch genutzt werden können. Erst letzte Woche berichtete das Nachrichtenportal "Politico" unter Berufung auf Zolldaten, dass chinesische Firmen letztes Jahr mehrfach Waffen nach Russland geliefert hätten, darunter tausend Sturmgewehre, die als "zivile" Jagdgewehre deklariert worden seien. Zudem sollen chinesische Bauteile für Drohnen und mehr als zwölf Tonnen Schutzausrüstung - teils über die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate - nach Russland gelangt sein. | /ausland/europa/xi-reist-nach-russland-101.html |
2023-03-20 | Israel und Palästinenser wollen weiter reden | Angespannte Sicherheitslage | Israel und die Palästinenser wollen weiter regelmäßig miteinander sprechen, um die Sicherheitslage zu beruhigen. Das vereinbarten sie bei einem Treffen in Ägypten. Dennoch gab es im Westjordanland neue Gewalt, zwei Israelis wurden durch Schüsse verletzt.
mehr | Israel und die Palästinenser wollen weiter regelmäßig miteinander sprechen, um die Sicherheitslage zu beruhigen. Das vereinbarten sie bei einem Treffen in Ägypten. Dennoch gab es im Westjordanland neue Gewalt, zwei Israelis wurden durch Schüsse verletzt. Vertreter Israels und der Palästinenser wollen sich weiter regelmäßig treffen und so Grundlagen für direkte Verhandlungen schaffen. Ziel sei ein "umfassender, gerechter und dauerhafter Frieden", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung nach einem Treffen im ägyptischen Sharm El-Sheikh, die vom Außenministerium in Kairo veröffentlicht wurde. Das Treffen, das unter der Schirmherrschaft Ägyptens, Jordaniens und der USA stattfand, sollte helfen, die seit Monaten angespannte Sicherheitslage in Israel und den Palästinensischen Gebieten zu entspannen. Israelis und Palästinenser verpflichteten sich der Erklärung zufolge erneut, "einseitige Maßnahmen" für drei bis sechs Monate auszusetzen, nannten aber kaum Details. Israel verpflichtete sich erneut, vier Monate lang keine Diskussionen über den Bau neuer Siedlungen im Westjordanland zu führen und sechs Monate lang keine Siedlungsaußenposten zu legalisieren. Dies hatte Israel bereits beim ersten Treffen in diesem Format vor einigen Wochen in Jordanien zugesagt. Beim nächsten Gipfel im April sollen die Fortschritte überprüft werden. Zwei Israelis bei Schüssen im Westjordanland verletzt Seit Jahresbeginn sind 13 Israelis und eine Ukrainerin bei Angriffen und Anschlägen ums Leben gekommen. Im selben Zeitraum starben 85 Palästinenser, entweder bei eigenen Anschlägen oder durch Einsätze israelischer Sicherheitskräfte. Auch am Wochenende kam es zu neuer Gewalt: Nahe des Ortes Huwara im Westjordanland wurden nach Angaben des Rettungsdienstes und der israelischen Armee zwei Israelis beschossen und einer dabei schwer verletzt. Laut Armee feuerte ein "Terrorist" an einer Kreuzung auf das Fahrzeug der beiden. Der Angreifer wurde ebenfalls verletzt und anschließend festgenommen. Erst Ende Februar waren in Huwara zwei Israelis getötet worden. Danach griffen israelische Siedler Palästinenser in dem Ort an. Die Terrororganisation Hamas begrüßte den jüngsten Angriff, übernahm aber nicht die Verantwortung dafür. Sie lehnt die Gespräche in Sharm El-Sheikh ab und hatte vor dem Treffen erklärt, sie habe sich "für die Eskalation des Widerstands gegen die Besatzung entschieden". In den vergangenen Jahren kam es während des muslimischen Fastenmonats Ramadan immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischen Polizisten in Jerusalem. | /ausland/asien/nahost-gespraeche-ramadan-103.html |
2023-03-20 | Finnen erneut am glücklichsten | World Happiness Report | Die Finnen bleiben die glücklichsten Menschen der Welt - trotz der verschlechterten Sicherheitslage durch den Krieg gegen die Ukraine. Das geht aus dem World Happiness Report hervor. Die Deutschen landen auf Platz 16. Von Sofie Donges. | Die Finnen bleiben die glücklichsten Menschen der Welt - trotz der verschlechterten Sicherheitslage durch den Krieg gegen die Ukraine. Das geht aus dem World Happiness Report hervor. Die Deutschen landen auf Platz 16. Wie glücklich die Finnen sind, das spürt man schnell in der Hauptstadt Helsinki: Wenn die Luft knackig kalt ist und die Menschen sich nach einem Saunagang in der Ostsee abkühlen. Die Lebensqualität springt einem förmlich entgegen. "Die Menschen in Finnland sind so glücklich, weil hier alles funktioniert. Und das soziale Netz sorgt dafür, dass alle ein Auskommen haben. Manchmal ist sogar das Wetter schön", erzählt eine Frau. "Es ist ein sicheres Land mit wenig Kriminalität. Ich habe einen Sohn, und er kann alleine mit seinen Freunden draußen in der Natur spielen", ergänzt ein Mann. Die Finnen sollen das glücklichste Volk der Welt sein - so der neue Weltglücksbericht, der anlässlich des von den Vereinten Nationen ausgerufenen Internationalen Tags des Glücks veröffentlicht wurde. Analysiert wurden Faktoren wie Lebensstandard, Gesundheit, die persönliche Freiheit oder auch die Abwesenheit von Korruption. In diesen Bereichen punktet nicht nur Finnland, sondern alle nordischen Länder sind unter den ersten zehn Plätzen des Rankings vertreten. Recht auf vier Wochen Sommerurlaub am Stück Peter Stadius ist Kulturwissenschaftler an der Uni Helsinki. Er erklärt: "Die nordischen Länder werden oft als wenig wettbewerbsorientiert beschrieben, und da ist irgendwie was dran. Schaut man, wieviel Freizeit und Urlaub die Menschen haben, unterscheidet sich das deutlich von den angloamerikanischen Ländern, von Japan ganz zu schweigen." Im Sommer vier Wochen Urlaub am Stück zu nehmen - darauf haben zum Beispiel schwedische Arbeitnehmer ein Recht. So steht es im Gesetz. Überhaupt sind Staat, Unternehmen und Zivilgesellschaft maßgeblich verantwortlich dafür, wie zufrieden die Menschen sind, so der Bericht. Ein Beispiel aus Finnland: Werdende Eltern bekommen vom Staat ein großes Paket geschickt: Die Erstausstattung für das Baby. Tiia Rantanen ist hochschwanger und hat die Babybox gerade erhalten. Sie zählt auf, was im Paket ist: "Bettwäsche, Kleidung für unterschiedliches Wetter, ein Handtuch, eine Nagelschere ..." Früher waren noch mehr Teile in der Box erhalten, trotzdem freut sich Tiia Rantanen sehr über die bunte Box, die viele auch als Babybett benutzen: "Es fühlt sich so an, dass sich jemand um mich kümmert. Viele Sachen hätte ich selbst kaufen müssen. Und wenn man die Box nicht will, bekommt man Geld vom Staat." Widerstandsfähigkeit in vielen Ländern hoch Der neue Glücksbericht hat auch untersucht, wie die verschiedenen Krisen der vergangenen Jahre Gesellschaften beeinflusst haben: die Pandemie, die sicherheitspolitische Lage und die Inflation. Es zeigt sich, dass die Widerstandsfähigkeit in vielen Ländern hoch ist, insbesondere auch in den nordischen. Kulturwissenschaftler Stadius kann sogar einen positiven Effekt feststellen: "Diese Krisen haben die Idee bestätigt, dass wir weiter an einer Gesellschaft auf der Basis von Wohlfahrtsprinzipien und Vertrauen arbeiten sollten." Die Bedeutung von staatlichen Institutionen und Autoritäten sei gestärkt worden. "Hier herrschen die Gesetze und das bedeutet tatsächlich etwas", fügt er hinzu. Finnland steht zum sechsten Mal an der Spitze des Weltglücksberichts. Dänemark, Island, Norwegen und Schweden sind alle in den Top Ten vertreten. Ein hoher Grad der Zufriedenheit in den Gesellschaften habe auch was mit der Prägung zu tun - so Stadius: Im Norden erwarte man nicht viel und sei zufrieden mit dem, was man hat. Auch wenn das Wetter öfter mal schlecht ist und die Landschaft karg. | /ausland/weltgluecksbericht-101.html |
2023-03-20 | Präsident muss in Stichwahl ermittelt werden | Wahl in Montenegro | Über den nächsten Präsidenten von Montenegro wird ersten Prognosen zufolge in einer Stichwahl entschieden: Im ersten Wahlgang erhielt Amtsinhaber Djukanović etwa 35 Prozent der Stimmen - Konkurrent Milatović bekam rund 29 Prozent.
mehr | Über den nächsten Präsidenten von Montenegro wird ersten Prognosen zufolge in einer Stichwahl entschieden: Im ersten Wahlgang erhielt Amtsinhaber Djukanović etwa 35 Prozent der Stimmen - Konkurrent Milatović bekam rund 29 Prozent. Bei der Präsidentenwahl in Montenegro hat der pro-westliche Amtsinhaber Milo Djukanović zwar die meisten Stimmen geholt, muss aber in eine Stichwahl. Djukanović kam Prognosen zufolge auf 35,5 Prozent und verfehlte damit die Marke von 50 Prozent, die für eine Wahl bereits in der ersten Runde erforderlich gewesen wäre. Offizielle Ergebnisse standen noch aus. Stichwahl voraussichtlich am 2. April Sollte sich das Ergebnis bestätigen, wird sein Gegenkandidat bei einer Stichwahl am 2. April der Wirtschaftswissenschaftler Jakov Milatović sein. Er kam auf 28,8 Prozent der Stimmen. Seine Partei "Europa jetzt!" gibt sich modern und reformorientiert und steht der serbisch-orthodoxen Kirche nahe, die aus Belgrad gelenkt wird. Auf dem dritten Platz lag den Prognosen zufolge der offen pro-serbische Politiker Andrija Mandić, der eine engere Verbindung Montenegros zum benachbarten Serbien sowie zu Russland favorisiert. Er erhielt 19,2 Prozent. Rund 540.000 Wahlberechtigte waren im NATO-Staat Montenegro zur Wahl des nächsten Präsidenten aufgerufen. Die Abstimmung fand unter dem Eindruck von Richtungskämpfen über die politische Zukunft des Landes statt. Gegner werfen Djukanović Korruption vor Djukanović bekleidet in Montenegro seit Jahrzehnten höchste politische Ämter. Seine Gegner werfen ihm und seiner Mitte-Links-Partei DPS Korruption sowie Verbindungen zur organisierten Kriminalität vor. Der Präsident und die DPS weisen dies zurück. In Montenegro gibt es prowestliche Strömungen, zu deren prominentesten Vertretern Djukanović gehört. Andere Kräfte wollen die Verbundenheit mit Serbien und Russland fördern und stärken. Djukanović hat die Präsidentenwahl zu einer Entscheidung für ein unabhängiges Montenegro oder ein von Serbien und Russland kontrolliertes Land erklärt. "Noch vor wenigen Jahren konnte sich niemand vorstellen, dass wir wieder einen Entscheidungskampf für das Überleben Montenegros austragen würden", sagte er auf einer Wahlkundgebung. Djukanović und die DPS führten Montenegro 2006 in die Unabhängigkeit von Serbien und 2017 in die NATO. Montenegro steckt seit Längerem in einer politischen Krise. Wiederholt kam es zu Misstrauensvoten und Auseinandersetzungen zwischen dem Präsidenten und Abgeordneten. Erst am Donnerstag löste Djukanović das Parlament auf und setzte vorgezogene Parlamentswahlen für den 11. Juni an. Montenegro stark von Tourismus abhängig Montenegro ist weitgehend von Tourismus-Einnahmen abhängig. Das Land gehört zu den sechs Westbalkanstaaten, die in die EU möchten. Als Währung hat Montenegro den Euro, obwohl es offiziell nicht zum Euroraum gehört. Die Bevölkerung ist gespalten: Während sich die Mitglieder einer Bevölkerungsgruppe als Montenegriner betrachten, sehen sich andere als Serben und lehnen die 2006 erklärte Unabhängigkeit ab. Nach Russlands Einmarsch in die Ukraine schloss sich Montenegro den EU-Sanktionen gegen Moskau an. Der Kreml hat das Land deshalb auf seine Liste unfreundlicher Staaten gesetzt. | /ausland/europa/djukanovic-stichwahl-montenegro-101.html |
2023-03-19 | Frauenfeindlich, homophob, antisemitisch | Hetze gegen Elly Schlein | Seit einer Woche ist Schlein Vorsitzende der größten italienischen Oppositionspartei - mit einem klaren Gegenentwurf zur ultrarechten Politik der Regierung Melonis. Hass und Hetze, die ihr entgegenschlagen, sind gewaltig. Von A. Miller. | Seit einer Woche ist Schlein Vorsitzende der größten italienischen Oppositionspartei - mit einem klaren Gegenentwurf zur ultrarechten Politik der Regierung Melonis. Hass und Hetze, die ihr entgegenschlagen, sind gewaltig. Eine Schmiererei auf einer Mauer in der Stadt Viterbo nördlich von Rom: "Elly Schlein, dein Gesicht ist schon ein makabres Schicksal." Darunter ein Hakenkreuz. Das Bild sorgte für Empörung und Solidaritätsbekundungen von allen politischen Seiten. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni verurteilte die Beleidigungen scharf als "beschämenden und unwürdigen Akt". Die Schmiererei von Viterbo reiht sich ein in eine Folge von Verunglimpfungen der linken Spitzenpolitikerin, bis hin zu antisemitischen Schmähungen. Jüdische Gemeinde besorgt In den sozialen Medien kursieren Fotomontagen, auf denen die gebürtige Schweizerin mit jüdischem Vater als Raffzahn verunstaltet wird. Es ist Hetze enormen Ausmaßes gegen die linke Spitzenpolitikerin. Die jüdische Gemeinde in Rom ist tief besorgt über die Häufung antisemitischer Angriffe auf Elly Schlein. "Ich drücke meine Solidarität mit der Parteivorsitzenden der Partito Democratico wegen der antisemitischen Schrift aus. Das sind inakzeptable Drohungen, auf die wir entschieden reagieren müssen", schreibt die Präsidentin der jüdischen Gemeinde, Ruth Dureghello, auf Twitter. Sehr linke Politik provoziert Die 37-jährige Schlein lässt die Angriffe bisher an sich abprallen. Doch womöglich war das erst der Anfang. Denn die neue Vorsitzende der italienischen Sozialdemokraten fordert mit einer sehr linken, betont feministischen und LGBTQ-freundlichen Politik das patriarchale System heraus. Sie stellt sich als Gegenentwurf zur ultrakonservativen Regierung Melonis dar. Das provoziert, sagt Daniela Preziosi, die sich als Journalistin der Zeitung "Domani" mit dem neuen Feminismus in Italien beschäftigt. "Offensichtlich hatte sie die Kraft, sich von gewissen frauenfeindlichen, ja sogar paternalistischen Fesseln zu befreien, die auch in der Struktur der Partei selbst liegen", so Preziosi. Es sei eine symbolische Revolution. Zum ersten Mal in der Geschichte der Partito Democratico hat es eine Frau an die Spitze geschafft. Kampf gegen Melonis ultrarechte Regierung Vor allem aber sagt Schlein der ultrarechten Regierung Melonis den Kampf an, die sich die Bewahrung konservativer und nationalistischer Werte auf die Fahne geschrieben hat. Elly Schlein und Giorgia Meloni - zwei Frauen belegen nun Spitzenpositionen in der italienischen Politik, aber an entgegengesetzten Rändern. "Ich bin Giorgia, ich bin eine Frau, ich bin eine Mutter, ich bin Italienerin, ich bin Christin." Mit diesem Satz warb Meloni in Italien um Stimmen. "Ich bin eine Frau. Ich liebe eine andere Frau und bin keine Mutter, aber deshalb bin ich nicht weniger weiblich", erwiderte vor kurzem Schlein auf der römischen Piazza del Popolo. Italien hat Problem mit faschistischer Vergangenheit Und genau dafür wird sie massiv angegriffen - frauenfeindlich, faschistisch und antisemitisch. Auf der Website "Osservatorio antisemitismo" werden die schlimmsten Beispiele gesammelt: ein Bild einer sich die Hände reibenden und verschlagen schauenden Schlein mit einem Davidstern auf dem Ärmel, Drohungen, Verschwörungstheorien. Italien hat ein Problem mit seiner nicht aufgearbeiteten faschistischen Vergangenheit. Mitten in Rom liegt das von Mussolini in Auftrag gegebene Stadtviertel EUR. Die Originalzitate aus dem Faschismus stehen noch an den Wänden der Gebäude. Das Viertel wird rege genutzt, ausgerechnet hier, in einem neu gebauten Kongresszentrum, findet auch die Vollversammlung der Sozialdemokraten statt. Die Angriffe auf die neue Parteichefin sind Thema. Eine junge Politikerin aus Südtirol meint: "Logischerweise fühlen sich die Leute so, als ob sie das dürfen - wenn die Regierung auch nicht sagt, dass es falsch ist." Keine klaren Maßnahmen gegen Online-Attacken Zwar gab es von allen politischen Seiten Solidaritätsbekundungen für Schlein, auch von Meloni, aber keine deutlichen Maßnahmen gegen die Angriffe aus dem Netz. In ihrer Antrittsrede forderte Schlein schon ein Gesetz gegen Hass und Diskriminierung. Davon würde sie derzeit auch selbst profitieren. Elly Schlein hat in Bologna studiert. Hier herrscht ein liberaler Geist, die Stadt wird traditionell links regiert. Professor Filippo Tronconi sieht die Wahl der früheren Studentin zur Parteivorsitzenden als Ergebnis einer mühsamen Identitätssuche der sozialdemokratischen Partito Democratico. Feindbild links, feministisch, jüdisch Die Partei sei fast bis zur Unkenntlichkeit Kompromisse eingegangen. "Sie war zuletzt eine sehr gemäßigte Partei, die mit fast jedem regieren konnte. Und vielleicht haben sich die Wähler nach so vielen Jahren deswegen für eine Führung mit einer eindeutig linken Identität entschieden", so Tronconi. Diese Identität wird nun zum Ziel übelster persönlicher Angriffe ihrer Gegner. "Wenn diese Menschen sich nun einer politischen Figur wie Elly Schlein gegenübersehen, einer Frau mit jüdischem Hintergrund, löst das bei radikalen Minderheiten eine Menge Aggression aus. Das Internet und die sozialen Medien sind ein phantastischer Resonanzkörper für all diesen Hass", sagt Tronconi. "Öffnet Türen für junge Themen" In Bologna gibt es viel Unterstützung bei den Studierenden für Schlein und ihre Themen. "Ich bin froh und hoffe, dass es immer mehr Frauen in der Politik geben wird, die es schaffen, Machtpositionen zu bekommen", sagt eine Studentin namens Gulia. Auch ihr Studienkollege Andrea freut sich über eine weibliche Parteivorsitzende: "Sie bringt eine Menge neuer Energie, sie ist sehr jung und öffnet die Türen für junge Themen wie Umweltschutz, Intersektionalismus, Feminismus. Das sind die Auseinandersetzungen, die uns interessieren." Elly Schlein ist seit einer Woche offiziell Oppositionsführerin. Viele Hoffnungen ruhen auf ihr, und viel Hass und Aggression schlägt ihr entgegen. Es ist in jeder Hinsicht eine harte Opposition. Die Reportage zum Thema sehen Sie im Weltspiegel - am Sonntag um 18:30 Uhr im Ersten. | /ausland/europa/elly-schlein-hetze-101.html |
2023-03-19 | Willkommen, Elin! | "Sesamstraße" | Erni, Bert und Co. bekommen eine neue Nachbarin: Die 7-jährige Elin zieht in die "Sesamstraße". Die Puppe ist laut NDR frech, technikaffin und sitzt im Rollstuhl. Die Kult-Sendung werde damit noch inklusiver.
mehr | Erni, Bert und Co. bekommen eine neue Nachbarin: Die 7-jährige Elin zieht in die "Sesamstraße". Die Puppe ist laut NDR frech, technikaffin und sitzt im Rollstuhl. Die Kult-Sendung werde damit noch inklusiver. Sie hat zwei baune Zöpfe, trägt eine gelbe Jacke, ist selbstbewusst und sitzt im Rollstuhl - die "Sesamstraße" hat eine neue Bewohnerin: Die Puppe heißt Elin, ist sieben Jahre alt, schlau und technisch interessiert, wie der Norddeutsche Rundfunk (NDR) mitteilte. Damit verstärkt künftig erstmals ein Charakter mit Behinderung das Puppen-Ensemble. Die deutsche "Sesamstraße" sei seit 50 Jahren bunt und vielfältig, sagte NDR-Programmdirektor Frank Beckmann. Monster und Menschen aller Haut- und Fellfarben sind hier zu Hause. Schon früher haben wir in der ‚Sesamstraße' Kinder mit Behinderungen vorgestellt. Jetzt wird auch die Puppenwelt etwas inklusiver. Rollstuhl spielt nur Nebenrolle Elin sei mutig und selbstbewusst, beschreibt der NDR ihren Charakter. "Sie interessiert sich für Technik und mag Zahlen. Vor allem bastelt sie gern und findet oft eine überraschende Lösung für Probleme." Sie gebe nicht auf, auch wenn es mal knifflig werde. Sie werde aber ungeduldig und dann klappten die Dinge nicht so, wie sie wolle. Sie spreche schnell und verhaspele sich dabei manchmal. Der Rollstuhl sei für sie "ein Hilfsmittel, das zu ihrem Alltag einfach dazugehört", so der NDR. "Elin nutzt den Rollstuhl, weil sie nicht so gut laufen kann. Doch dieser Aspekt soll nicht zu sehr dominieren. Denn behindert zu sein, ist nur ein Merkmal von ganz vielen, die Elin ausmachen", sagte der Gleichstellungsbeauftragte im NDR, René Schaar. Alle Kinder sollen sich repräsentiert fühlen Der neue Charakter wurde den Angaben zufolge von der NDR-Redaktion "Sesamstraße" in Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen US-amerikanischen Bildungsorganisation Sesame Workshop entwickelt. Der NDR produziert die deutsche "Sesamstraße" und kooperiert dabei seit 50 Jahren mit Sesame Workshop. Das Entwicklungsteam sei von der Idee geleitet worden, dass es für alle Kinder gleichermaßen wichtig sei, sich in der "Sesamstraße" repräsentiert zu sehen. Menschen mit Behinderung seien am Entwicklungsprozess beteiligt gewesen, "um sicherzustellen, dass die Figur realistisch und glaubwürdig ist". Gebaut wurde Elin von der Jim Henson Company, der Rollstuhl stammt aus den NDR-Werkstätten. Gespielt wird die Puppe laut NDR von Iris Schleuss und der Handspielerin Charlie Kaiser. Ab Herbst 2023 zu sehen Noch bis zum 30. März dreht der NDR neue Spots für die 50. Staffel der Kult-Kindersendung. Dabei hat Elin ihren ersten Auftritt als Herausforderin des Krümelmonsters in einer Folge der Quiz-Show-Parodie "Prima Klima". Die Reihe thematisiert auf kindgerechte Weise Umwelt- und Klimaschutzfragen. Zu sehen sind die neuen Folgen der "Sesamstraße" ab Herbst 2023 in der ARD-Mediathek, auf KiKA, im NDR-Fernsehen und auf sesamstrasse.de. | /inland/sesamstrasse-elin-105.html |
2023-03-19 | Zwei "Wertepartner" rücken näher zusammen | Deutschland und Japan | Die Ampelregierung bemüht sich verstärkt um Partner mit ähnlichen Wertvorstellungen - Teil dessen ist auch der Kabinettsbesuch in Japan. Beide Länder eint der Wille, weniger abhängig von China zu sein. Eine Analyse von Martin Ganslmeier.
mehr | Die Ampelregierung bemüht sich verstärkt um Partner mit ähnlichen Wertvorstellungen - Teil dessen ist auch der Kabinettsbesuch in Japan. Beide Länder eint der Wille, weniger abhängig von China zu sein. Die ersten deutsch-japanischen Regierungskonsultationen hatten etwas von Speeddating. Nach einem Flug um die halbe Welt trafen sich Bundeskanzler Olaf Scholz und sechs Ministerinnen und Minister aus seinem Kabinett für einige Stunden mit ihren japanischen Amtskollegen - zunächst für bilaterale Gespräche, anschließend tauschten sich beide Regierungen im Plenum über gemeinsame Interessen und deutsch-japanische Projekte aus. Auf der Pressekonferenz lobte Japans Ministerpräsident Fumio Kishida: "Die deutsch-japanischen Beziehungen sind stärker und enger denn je." Und Bundeskanzler Olaf Scholz ergänzte, man habe die gemeinsamen Beziehungen auf eine neue Stufe gehoben: "Japan ist ein zentraler Wertepartner Deutschlands." Nationen mit ähnlichen Wertvorstellungen Das Wort "Wertepartner" war immer wieder zu hören bei den Gesprächen in Tokio. Nach dem Schock des russischen Angriffskrieges und der "Zeitenwende" sucht die Ampelregierung engere Kontakte zu befreundeten Nationen mit ähnlichen Wertvorstellungen: Kanada zum Beispiel und nun auch Japan. Frühere Bundeskanzler besuchten Kanada oft nur im Anschluss an eine Reise nach Washington oder New York. Ähnlich erging es Japan, das sich in der Amtszeit von Angela Merkel allzu sehr im Schatten von China fühlte. Umso mehr freute sich die japanische Regierung, dass Scholz an diesem Wochenende gleich sein halbes Kabinett mit nach Tokio brachte - wenngleich spürbar war, dass das Format bilateraler Regierungskonsultationen Neuland für Japan ist. Im Politikbetrieb Japans ist der freie Meinungsaustausch unter befreundeten Regierungen noch etwas gewöhnungsbedürftig. Auch wenn es keine konkreten Handelsabschlüsse oder Vorzeigeprojekte zu verkünden gab, zog Scholz dennoch ein positives Fazit der Kabinettsreise in den Fernen Osten. Es sei symbolträchtig, dass nun zwei der weltweit stärksten Volkswirtschaften, die nach der "Zeitenwende" vor ähnlichen Herausforderungen stehen, enger zusammenrücken. Gegenseitiger Austausch bei Zukunftstechnologien Die Suche nach neuen Partnern in einer unsicheren Welt erklärt auch die vielen Auslandsreisen der Ampelregierung in den vergangenen Monaten. Die jahrzehntelangen Garanten für Deutschlands Erfolg funktionieren nicht mehr: billige Energie aus Russland, der riesige Exportmarkt China und der für unsere Sicherheit sorgende NATO-Alliierte USA. Deutschland muss sich um neue Partnerschaften kümmern und alte intensivieren, ob im globalen Süden oder bei lange Zeit vernachlässigten Ländern wie Kanada und Japan. Scholz ist überzeugt, dass Deutschland von Japan lernen kann - zum Beispiel mit Blick auf die Sicherheit der Wirtschaft, dem Schwerpunktthema dieser Regierungskonsultationen. Japan hat dafür sogar eine eigene Ministerin für Wirtschaftssicherheit. Künftig wollen Deutschland und Japan gemeinsam dafür sorgen, dass ihre Wirtschaftsunternehmen sicher an Rohstoffe kommen und ihre globalen Lieferketten sicherer und unabhängiger von China werden. Schließlich wollen beide Länder bei Zukunftstechnologien vom gegenseitigen Austausch profitieren. Japan ist interessiert an deutschem Windkraft-Know-how, das Land selbst ist wiederum führend bei der Wasserstofftechnologie. Gemeinsam wollen beide Länder einen globalen Markt für Wasserstoff aufbauen. Ähnliche Herausforderungen in der Verteidigungspolitik Auch in der Verteidigungspolitik stehen Deutschland und Japan vor ähnlichen Herausforderungen. Obwohl die Ukraine weit weg liegt, hat der russische Angriffskrieg auch in der japanischen Verteidigungspolitik für eine Zeitenwende gesorgt. Mit Unbehagen verfolgt Japan die Annäherung zwischen Russland und China. Trotz seiner pazifistischen Verfassung will Japan deshalb in den nächsten fünf Jahren seinen Verteidigungsetat von einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf zwei Prozent verdoppeln. Verteidigungsminister Boris Pistorius sieht hier die Chance auf mehr Zusammenarbeit und Synergien im Rüstungsbereich. Schon in Tokio wurde für das kommende Jahr ein gemeinsames Marinemanöver im Pazifik vereinbart. Der Bundeskanzler sieht darin ein "Bekenntnis zur Freiheit der Meere". Bei aller Freude über den neuen Schwung in den deutsch-japanischen Beziehungen: Japan kann China nicht ersetzen als wichtigster Absatzmarkt für deutsche Produkte in Asien. Dazu ist die Produktpalette der deutschen und der japanischen Wirtschaft zu ähnlich. In der Automobilindustrie, im Maschinenbau und in der Chemieindustrie konkurrieren deutsche und japanische Unternehmen um Marktanteile. Deutschland und Japan eint jedoch der gemeinsame Wille, die Wirtschaftsbeziehungen zu diversifizieren, um weniger abhängig von China zu sein. Um dieses Ziel zu erreichen, hält die Bundesregierung eine strategische Zusammenarbeit mit Japan für wichtig. | /inland/innenpolitik/deutschland-japan-analyse-101.html |
2023-03-19 | Gleicher Doppelname für Ehepaare | Geplanter Gesetzesentwurf | Eheleute könnten in Zukunft einen gemeinsamen Doppelnamen führen und diesen auch an ihre Kinder weitergeben dürfen. So plant es Justizminister Buschmann, der neben dem Namensrecht weitere Bereiche des Familienlebens reformieren will.
mehr | Eheleute könnten in Zukunft einen gemeinsamen Doppelnamen führen und diesen auch an ihre Kinder weitergeben dürfen. So plant es Justizminister Buschmann, der neben dem Namensrecht weitere Bereiche des Familienlebens reformieren will. Bundesjustizminister Marco Buschmann will das Namensrecht neu gestalten und deutschen Bürgerinnen und Bürgern bei der Wahl des Nachnamens mehr Entscheidungsspielraum geben. "Gerade bei der Frage der Doppelnamen ist das geltende Recht viel zu restriktiv", sagte der FDP-Politiker der Nachrichtenagentur dpa. Es sei höchste Zeit, es Eheleuten zu ermöglichen, ihre Verbundenheit durch einen gemeinsamen Doppelnamen zum Ausdruck zu bringen. Doppelnamen für beide Ehepartner und Kinder Bisher ist das nicht erlaubt. Ein Ehepartner kann zwar den Nachnamen des anderen mit einem Bindestrich vor oder hinter den eigenen Nachnamen hängen. Dass aber zum Beispiel Herr Schmitz und Frau Müller nach der Eheschließung beide Müller-Schmitz heißen und diesen Namen an gemeinsame Kinder weitergeben, ist bislang aber nicht möglich. Das will Buschmann ändern und dafür bald einen Gesetzentwurf für eine Reform des Namensrechts vorlegen. Die Vorarbeiten dafür seien weit vorangeschritten, "die wichtigsten Fragen sind geklärt". Erleichterungen bei Scheidung Auch Scheidungskinder sollen mehr Spielraum bekommen, meint Buschmann. "Es ist heute eine völlig alltägliche Situation, dass ein Elternteil nach einer Scheidung wieder seinen vorehelichen Namen annimmt", so der Justizminister. Auch das Kind könnte dann ein Interesse haben, seinen Familiennamen zu ändern. Das geltende Recht sei auf diese Lebenssituation nicht gut eingestellt, findet Buschmann und verspricht: "Auch hier wird das neue Namensrecht Erleichterungen bringen." Details werden noch ausgearbeitet Genauere Angaben zu seinen Plänen machte Buschmann nicht. So bleibt etwa noch offen, ob man Doppelnamen künftig ohne den aktuell noch obligatorischen Bindestrich bilden darf. Allerdings will Buschmann besonderen namensrechtlichen Traditionen Rechnung tragen: So sollen Angehörige der sorbischen Minderheit künftig geschlechtsangepasste Familiennamen in die Personenstandsregister eintragen lassen dürfen. Durch ein Suffix könnten Sorbinnen dann eine weibliche Version des Familiennamens führen. "Die Vielfalt des familiären Zusammenlebens ist in den letzten Jahrzehnten größer geworden", sagte Buschmann. Das deutsche Familienrecht hinke dem teilweise hinterher. Deshalb habe die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag noch weitere Änderungen vereinbart, die das familiäre Zusammenleben betreffen: im Namensrecht, im Abstammungsrecht, im Kindschaftsrecht und im Unterhaltsrecht. Diese sollen aber laut Buschmann später kommen. "Zügig, aber sorgsam setzen wir diese Projekte Schritt für Schritt um", kündigte der Bundesjustizminister an. "Das Namensrecht ist das Vorhaben, das wir als erstes ins Gesetzblatt bringen wollen." Zustimmung aus den anderen Ressorts benötigt Geht die geplante Reform ohne größere Streitigkeiten durch, soll es weitergehen. Buschmann zumindest ist optimistisch. "Die Reform des Namensrechts wird der stimmige Auftakt sein für die umfassende Modernisierung des Familienrechts." Die FDP-Fraktion, damals in der Opposition, hatte schon in der zurückliegenden Legislaturperiode einen Entwurf für eine Liberalisierung des Namensrechts vorgelegt. Der Plan stieß bei Sachverständigen auf breite Unterstützung, wurde aber damals nicht umgesetzt. Das aktuelle Vorhaben aus dem Justizministerium muss innerhalb der Bundesregierung noch abgestimmt werden, vor allem mit dem Innenministerium. Bei mehreren aktuellen Gesetzesvorhaben bekam Buschmann zuletzt Gegenwind - etwa von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), mit der er eine Einigung zum Verbandsklagerecht anstrebt, und von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die seinen Vorschlag für eine Alternative zur Vorratsdatenspeicherung nicht überzeugend findet und Risiken bei der Verbrechensbekämpfung sieht. | /inland/gesellschaft/namensrecht-101.html |
2023-03-19 | Leere Regale, geschlossene Kneipen | Engpässe in der Krise | Monatelang auf den Handwerker warten, vor leeren Regalen oder geschlossenen Restaurants stehen: Diese Erfahrung machen viele Deutsche in der Krise zum ersten Mal - zumindest im Westen. Von Steffen Clement. | Monatelang auf den Handwerker warten, vor leeren Regalen oder geschlossenen Restaurants stehen: Diese Erfahrung machen viele Deutsche in der Krise zum ersten Mal - zumindest im Westen. Es fehlt an Material, es fehlt an Personal. Ein Szenario, das Gregor Gysi noch aus Zeiten der DDR kennt. Heute auf ein Ersatzteil neun Monate warten zu müssen, das erinnert den Bundestagsabgeordneten der Linken an alte Zeiten: "Lange Wartezeiten bei der Autoreparatur, das kann doch nicht wahr sein. Das kenne ich ja wirklich von früher." Im November 1976 berichtete das DDR-Fernsehen darüber, dass nur 76 Prozent aller Kraftfahrzeug-Reparaturen in vertretbaren Wartezeiten ausgeführt werden konnten. In einer Marktwirtschaft war das bislang undenkbar. In der Autobranche gab es viele Jahre lang keinerlei Materialmangel. Inzwischen klagen 74 Prozent der Unternehmen in der Automobilbranche über Engpässe. Anders als Gregor Gysi erleben viele Menschen die Folgen von Mangel im Alltag zum ersten Mal. "Wirklich etwas Neues" Schließlich habe es das nicht einmal in der Finanzkrise von 2008/2009 gegeben, so der Wirtschaftswissenschaftler Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). "Einen Mangel zu haben, nicht zu wissen, wie man Produkte produziert oder wo man etwas Gewohntes herbekommt: Das ist wirklich etwas Neues, weil wir das in den letzten Jahrzehnte eigentlich nicht kannten. Die globale Finanzkrise 2008/2009 hatte sich eher auf Banken konzentriert." Die neue - und für Ex-DDR-Bürger erneute - Erfahrung des Mangels mache etwas mit den Menschen, so Gysi. Schließlich treffe sie die gesamte Gesellschaft: "Da ja auch der Reiche davon betroffen ist, wenn es etwas nicht mehr gibt, entsteht wieder so ein komisches Gleichberechtigungsdenken." Diversifizierung gegen Abhängigkeiten Zufrieden vereint im Mangel? Das dürfe niemals das Ziel von Unternehmen in der Marktwirtschaft sein, so die einhellige Meinung. Also müssen die Firmen nach Jahrzehnten der Kostenoptimierung mühsam umdenken: "Sie dürfen nicht alles auf ein Pferd setzen. Sie müssen also mehrere Zulieferer haben, nicht mehr nur einen. Und vielleicht auch nicht nur in China, sondern in Brasilien, den USA und eben auch in China", sagt Fratzscher. Höhere Kosten von Lieferanten müsse man eben hinnehmen, solange neue Lieferanten die eigene Lieferfähigkeit verbessern. Zu wenig Personal in vielen Branchen Neben den Materialengpässen macht auch der Personalmangel vielen Unternehmen zu schaffen: Das bekommt auch das Traditionshaus Rössle in Weinstadt bei Stuttgart zu spüren. Chefin Beate Linsenmaier fehlen Mitarbeiter, 50.000 Stellen sind unbesetzt. Die Folge: Hotel und Restaurant bleiben im Sommer zum ersten Mal zwei Wochen dicht. Zudem ist das Gasthaus nun an jedem Sonntagabend geschlossen. Linsenmaier bedauert die Entwicklung sehr: "Wir waren Sonntagabend immer gut besucht, jetzt können wir das einfach nicht stemmen. Es ist keiner da, und ich kann es alleine nicht machen. Es ist bitter, auch für die Gäste. Aber ich kann es nicht ändern." Die Herausforderung für Unternehmen dürfte in der nächsten Zeit noch größer werden, erklärt Fratzscher: "Wenn weniger Arbeitskräfte da sind, stehen die Unternehmen im stärkeren Wettbewerb um die Beschäftigten. Das wird dazu führen, dass die Löhne der Beschäftigten stärker steigen und damit auch die Preise der Produkte." Elf Wochen Wartezeit beim Handwerker Personal- und Materialmangel: Gleich beides gehört zum Handwerker-Alltag in Wiesbaden bei Baumstark Haustechnik, einem Betrieb mit 80 Beschäftigten. Ein halbes Dutzend Fachleute will Firmenchef Theo Baumstark gerne einstellen - doch bislang bleibt seine Suche erfolglos. "Ich würde jemanden einstellen, der bis zu 60.000 Euro im Jahr bekommt für Kundendiensttätigkeiten. Aber den bekommen Sie auch für dieses Geld schlecht. Wir haben eine Vier-Tage-Woche eingeführt. Auch das führt nicht dazu, dass jetzt ein großer Ansturm entsteht", so Baumstark. "Nach wie vor das richtige Modell" Überall werden so die Wartezeiten länger und länger. Bis der Handwerker klingelt, haben die Kunden nach der Bestellung im vergangenen Jahr rund elf Wochen warten müssen. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren waren es nur sieben Wochen. Noch dramatischer ist die Lage für diejenigen, die ihr Dach decken oder neu bauen wollen: 16 Wochen Wartezeit auf die Leute vom Bau. Vor zehn Jahren waren es nur rund neun Wochen. Es ist der Beginn neuer Zeiten. Doch trotz der ungewohnten Schwäche der Marktwirtschaft, trotz aller Fehler sind sich Wirtschaft und Politik einig: In der Planwirtschaft wäre alles noch viel schlimmer. "Die Marktwirtschaft und die soziale Marktwirtschaft sind nach wie vor das richtige Modell. Wir müssen sie nur reformieren und zukunftsfähig machen, damit wir in der Zukunft weniger Mangel, weniger Probleme, weniger Wohlstandsverlust durch diese Krisen haben", so Fratzscher. | /wirtschaft/konjunktur/mangelwirtschaft-101.html |
2023-03-19 | Umwelthilfe sieht Hinweise auf Vorarbeiten | LNG-Terminal vor Rügen | Obwohl Ministerpräsidentin Schwesig gegen den Bau weiterer LNG-Terminals in Mecklenburg-Vorpommern ist, sieht die Umwelthilfe Anzeichen auf erste Vorarbeiten dafür. Ein Widerspruch vor dem Bergamt blieb bislang unbeantwortet.
mehr | Obwohl Ministerpräsidentin Schwesig gegen den Bau weiterer LNG-Terminals in Mecklenburg-Vorpommern ist, sieht die Umwelthilfe Anzeichen auf erste Vorarbeiten dafür. Ein Widerspruch vor dem Bergamt blieb bislang unbeantwortet. Östlich von Rügen haben nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe erste Vorarbeiten für weitere LNG-Terminals begonnen. Schiffsbewegungen in dem Seegebiet ließen darauf schließen, dass ein Spülbagger die Arbeit aufgenommen habe. Es könnte auch Probebohrungen geben. "Das Muster wiederholt sich. So wurde auch beim Bau des Nordsee-Terminals vor Wilhelmshaven vorgegangen", sagte Constantin Zerger, Bereichsleiter für Energie und Klimaschutz bei der Umwelthilfe. Die Organisation habe im Laufe des gestrigen Tages Bewegungen des Schwimmbaggers "Swarog" der Bauplattform "JB119" registriert und bildlich festgehalten. RWE: "Lediglich Erkundungsarbeiten" Es handele sich "lediglich um Erkundungsarbeiten", teilte ein Sprecher des Energiekonzerns RWE mit. Diese seien vom Wasserstraßen- und Schiffahrtsamt Ostsee genehmigt worden. Die Arbeiten fänden im Rahmen des Projektes "Ostsee LNG" statt, das von RWE im Auftrag der Bundesregierung umgesetzt werde. Für die Erkundungsarbeiten seien zwei Spezialschiffe im Einsatz. "Es ist üblich, dass bei Offshore-Projekten vorlaufend eine sorgfältige Prüfung der Bodenbeschaffenheit und des Untergrunds erfolgt. Dies umfasst auch die Prüfung auf möglicherweise noch im Boden liegende alte Weltkriegsmunition", hieß es in der Mitteilung. Auch Politiker fordern Klärung Die Umwelthilfe hat beim Bergamt Stralsund bereits gestern Widerspruch gegen die Arbeiten eingelegt - aber bis zum Abend keine Antwort erhalten. Bereichsleiter Zerger verwies darauf, dass "etwaige Baggerarbeiten zum jetzigen Zeitpunkt in die Laichzeit des Herings sowie in die Zeit des Vogelzugs" fielen. Dass auch nur vorbereitende Arbeiten zugelassen werden, sei aus naturschutzfachlicher und rechtlicher Sicht auszuschließen. Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus stimmte dieser Einschätzung zu. Das Genehmigungsverfahren laufe, sagte der SPD-Politiker. Erst am Freitag sei die Frist für Einwendungen gegen das Projekt abgelaufen. Vorzeitige Maßnahmen seien ihm nicht bekannt und auch nicht angezeigt. Backhaus äußerte Bedenken gegen den geplanten Standort für zwei weitere Flüssiggas-Terminals, die der Energiekonzern RWE im Auftrag des Bundes nur wenige Kilometer vor den Badeorten Binz und Sellin errichten will. Auch Kommunalpolitiker und Tourismusverbände sind strikt dagegen. Umweltverbände sehen keinen Bedarf Zuvor hatte sich auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig gegen die bisherigen Pläne des Bundes für LNG-Terminals vor Rügen ausgesprochen - und Alternativen gefordert. "Zum Beispiel, dass man sehr, sehr weit rausgeht, wo es überhaupt niemanden stört - und dann vielleicht eine längere Leitung baut", sagte Schwesig dem NDR. Der Bund müsse außerdem zuerst die Frage beantworten, ob zusätzliche Terminals vor Rügen überhaupt noch erforderlich seien. Keinen Bedarf für weitere LNG-Terminals vor Mecklenburg-Vorpommerns Küste sehen die Umweltverbände BUND, NABU und WWF. Sie warnten vor dem Bau der Terminals vor Rügen, einer damit verbundenen weiteren Gas-Pipeline durch den Greifswalder Bodden und Seetrassen durch die Ostsee. Sowohl der Bau als auch der langjährige Betrieb bedrohten empfindliche und geschützte Lebensräume. Bislang ist geplant, dass zwei schwimmende Plattformen vor Sellin in der Ostsee eingerichtet werden. Dort soll das mit Tankschiffen angelieferte Flüssiggas wieder in Gas umgewandelt werden. Anschließend soll es per Pipeline nach Lubmin ans Festland geliefert werden. Lubmin war früher der Anlandepunkt für russisches Erdgas aus der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1. Der Ort ist an das europäische Verteilnetz angeschlossen. Seit Mitte Januar betreibt die Deutsche Regas dort bereits ein LNG-Terminal. | /wirtschaft/lng-terminal-mecklenburg-vorpommern-101.html |
2023-03-19 | Warum der IPCC noch immer wichtig ist | Abschlussbericht des Weltklimarats | Wie geht es unserer Erde? Jahrelang haben Wissenschaftler des Weltklimarats Daten zusammengetragen und bewertet - heute erscheint der letzte Teil ihrer Arbeit. Der Meteorologe Marotzke erklärt im Interview, warum das Gremium wichtig ist.
mehr | Wie geht es unserer Erde? Jahrelang haben Wissenschaftler des Weltklimarats Daten zusammengetragen und bewertet - heute erscheint der letzte Teil ihrer Arbeit. Der Meteorologe Marotzke erklärt im Interview, warum das Gremium wichtig ist. tagesschau.de: Herr Marotzke, am Montag erscheint der Synthesebericht zum Sechsten Sachstandsbericht des IPCC. Gegründet wurde der Weltklimarat im November 1988. Warum braucht es den IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change)? Jochem Marotzke: Damit die Regierungen wissen, worauf sie sich einstellen müssen. Im Bezug auf den menschengemachten Klimawandel brauchen sie die Wissensgrundlage. 1988 wurde festgestellt, dass wir diese Wissensgrundlage systematisch bereitstellen müssen. Seitdem arbeitet der IPCC daran, das Wissen über den Klimawandel zusammenzutragen und zu bewerten. tagesschau.de: Am Montag wird nun der Synthesebericht veröffentlicht. Kann man diesen Bericht, salopp gesagt, als Zusammenfassung der bereits veröffentlichten Berichte aus den drei Arbeitsgruppen bezeichnen? Marotzke: Das kann man so sagen. Diesmal bin ich nicht beteiligt, aber beim letzten Sachstandsbericht war ich auch am Synthesebericht beteiligt. Wir haben damals versucht, die Erkenntnisse und die Bewertung aller drei Arbeitsgruppen zu den wichtigsten Themen zusammenzutragen. Auf diese Weise wirft man nochmals einen ganz anderen Blick auf die Themen. Ich habe nicht nur aus der Perspektive eines Klimaphysikers darauf geschaut, sondern zusammen mit Kolleginnen und Kollegen auch auf die Folgen der Klimawandels, auf die Vermeidung des Klimawandels oder die bereits vorhandenen Maßnahmen gesehen. Durch diesen gemeinsamen Blick, so meine Einschätzung, haben die Texte noch einmal gewonnen, sie sind besser und vor allem verständlicher geworden. Insofern bringt der Synthesebericht noch einmal eine ganz neue Qualität hinein. Das Wissen um den Klimawandel ist da tagesschau.de: Am Ende eines jeden Berichts aus den Arbeitsgruppen gibt es die Zusammenfassung für die Entscheidungsträger. Wie wichtig sind diese Zusammenfassungen? Marotzke: Diese Zusammenfassungen sind ganz klar der wichtigste Teil der IPCC-Berichte. Sie kondensieren unsere wichtigsten Erkenntnisse, die wichtigsten Bewertungen. Insofern sind sie der Kern dessen, was wir zusammengetragen haben. Sie sind aber auch politisch enorm wichtig. Es gibt jährlich die Klimakonferenzen - Ende letzten Jahres in Ägypten, Ende dieses Jahres in Dubai. Bei diesen Klimakonferenzen wird das, was in den Zusammenfassungen für Entscheidungsträger der IPCC-Berichte steht, unwidersprochen als wissenschaftliches Wissen übernommen, das wird nicht mehr infrage gestellt. Salopp gesagt: Was in den Zusammenfassungen für Entscheidungsträger steht, ist wissenschaftliches Gesetz. Das wird in der Politik als Wahrheit angesehen. tagesschau.de: Glauben Sie, dass die Entscheidungsträger diesen Berichten genügend Beachtung schenken? Marotzke: Es ist in fast allen Staaten der Welt so, dass die Zusammenfassung für Entscheidungsträger die wissenschaftliche Grundlage für Klimapolitik ist, das gilt auch für Deutschland. Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Bundesregierung die IPCC-Berichte als wissenschaftliche Grundlage ihres Handelns nimmt. Wenn man dann aber die Frage stellt: Führt dieses Wissen auch in dem Maße zum Handeln? Dann ist die Antwort: Nein, bei Weitem nicht ausreichend. Wir sehen heute zum Beispiel ganz klar, dass die Welt nicht auf dem Weg dorthin ist, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das ist das, was das Pariser Klimaabkommen festgelegt hat. Das heißt, wir sehen ganz klar, dass das, was wir über Klimaschutz und über Klimawandel wissen, nicht direkt und teilweise nicht einmal annähernd umgesetzt wird in ein Regierungshandeln oder in ein gesellschaftliches Handeln. Da klafft also eine große Lücke zwischen dem, was wir wissen, was eigentlich getan werden sollte, und dem, was tatsächlich geschieht. Klimaschutz muss realistisch bleiben tagesschau.de: Das Verfassen eines IPCC-Berichts dauert etwa drei bis vier Jahre. Frustriert es Sie als Autor, wenn Sie sehen, dass eigentlich nicht genug passiert? Marotzke: Das mag jetzt überraschen, aber es frustriert mich nicht, denn wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass wissenschaftliche Erkenntnisse nur einen kleinen Teil dazu beitragen, dass politische Entscheidungen gefällt werden. Politische Entscheidungen müssen jeden Tag ausgehandelt werden, und es kommen, man kann sagen leider, aber so ist es nun mal, immer wieder kurzfristige Interessen, kurzfristige Krisen ins Spiel. Und es ist so, dass langfristige Entscheidungen immer wieder leiden unter dem, was sich kurzfristig an Sachzwängen, an Notwendigkeiten aufdrängt. Insofern bin ich, was das angeht, auch Realist. Ich erwarte nicht, dass das, was wissenschaftlich erkannt wird, jetzt wirklich unmittelbar umgesetzt wird. Ich glaube, das geht auch nicht, denn es gibt nun mal andere Interessen, die dem entgegenstehen. Wir sehen zum Beispiel in Deutschland die Debatte um den Kohleausstieg. Natürlich wäre es für den Klimaschutz besser, wenn der Kohleausstieg so schnell wie möglich kommt. Aber es hängen auch Schicksale ganzer Regionen, es hängen Arbeitsplätze daran. Und dann wäre es sehr schwer zu sagen, dass der Klimaschutz jetzt alles dominieren und absoluten Vorrang haben muss. Das wäre unrealistisch zu erwarten. Und ich glaube auch nicht einmal legitim. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss von 2021 sehr klar festgehalten, dass auch Klimaschutz im Wettstreit mit anderen legitimen Verfassungsgütern steht. Insofern kann man nicht erwarten, dass jetzt alles dem Klimaschutz untergeordnet wird. tagesschau.de: Aber braucht es denn dann den Weltklimarat überhaupt? Marotzke: Ich bin davon überzeugt, dass ohne den Weltklimarat das Pariser Klimaabkommen von 2015 niemals passiert wäre. Und ich bin auch überzeugt, dass ohne den Weltklimarat Klima nicht das politische Thema wäre, das es heute ist. Insofern stimmt es auch nicht, dass nichts passiert. Es ist politisch, es ist politisch und gesellschaftlich enorm viel passiert. Klimawandel ist heute ein Mainstream Politikthema. Das wäre vor 20 Jahren noch undenkbar gewesen und ich kann mir nicht vorstellen, dass das passiert wäre, ohne dass es den Weltklimarat gegeben hätte. Das Gespräch führte Anja Martini, Wissenschaftsredakteurin tagesschau. Es wurde für die schriftliche Fassung redigiert und gekürzt. | /wissen/klima/weltklimarat-ipcc-sechster-sachstandsbericht-101.html |
2023-03-19 | Verhandlungen unter großem Druck | Credit Suisse | Um die Schweizer Großbank Credit Suisse zu retten, hat sich die Regierung in Bern zu Krisensitzungen getroffen. Die Bank UBS fordert für eine Übernahme staatliche Garantien - und bietet laut einem Bericht bis zu eine Milliarde Dollar.
mehr | Um die Schweizer Großbank Credit Suisse zu retten, hat sich die Regierung in Bern zu Krisensitzungen getroffen. Die Bank UBS fordert für eine Übernahme staatliche Garantien - und bietet laut einem Bericht bis zu eine Milliarde Dollar. Wie es mit der angeschlagenen Schweizer Großbank Credit Suisse weitergeht, bleibt ungewiss. Die Schweizer Regierung hatte sich am vergangen Abend zu einer Krisensitzung getroffen, äußerte sich danach aber nicht dazu, ob sie zu einer Entscheidung gekommen ist. Auch heute kam es laut Medienberichten erneut zu einem Treffen. Der "Financial Times" zufolge steht eine komplette oder teilweise Übernahme der Bank durch die größte Schweizer Bank UBS im Raum. Demnach soll die UBS angeboten haben, ihren kleineren Rivalen für bis zu eine Milliarde Dollar zu kaufen. Am Freitag war die Schweizer Großbank an der Börse noch rund acht Milliarden Franken wert. Die UBS habe auf einer Klausel bestanden, dass der Deal hinfällig werde, wenn die Kreditausfall-Versicherungen (CDS) für die eigenen Anleihen um 100 Basispunkte oder mehr stiegen. Bei der Credit Suisse stieß die Offerte einem weiteren Medienbericht zufolge aber auf wenig Gegenliebe. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, dass die Bank die Bedingungen der UBS mit Rückendeckung ihrer größten Aktionäre zurückgewiesen haben soll. Die Schweizer Behörden planten die Gesetze so zu ändern, dass eine Abstimmung der Aktionäre für die Transaktion umgangen werden könne, so die "Financial Times". Insider: Behörden drängen UBS zur Übernahme Wie die Zeitung unter Berufung auf Insider berichtete, wollten sich die Aufsichtsräte der beiden größten Schweizer Kreditinstitute am Wochenende getrennt treffen, um Beratungen über eine Übernahme zu führen. Der Boulevardzeitung "Blick" zufolge ist zudem ein außerordentliches Treffen im Laufe des heutigen Tages in Bern geplant, bei dem Regierung und Führungskräfte der Banken zusammenkämen. Die Nachrichtenagentur Reuters vermeldete unter Berufung auf "zwei mit der Situation vertraute Personen", die schweizerischen Aufsichtsbehörden drängten die UBS, ihren kleineren Lokalrivalen zu schlucken. Die UBS hatte sich zuvor wiederholt gegen eine Übernahme der Credit Suisse ausgesprochen - zuletzt am Dienstag. Die Verhandlungen seien zäh, erklärte eine Quelle gegenüber Reuters. Staatliche Sicherheiten als Voraussetzung Voraussetzung für einen Deal sind laut der "Financial Times" staatliche Sicherheiten. Die Regierung solle eine Garantie für die Risiken abgeben, die mit der Übernahme verbunden sind. Bei den Staatsgarantien gehe es um eine Größenordnung von rund sechs Milliarden Dollar, sagte ein Insider gegenüber Reuters. Abhängig von den Bedingungen der Transaktion könne es aber auch mehr oder auch weniger sein. Die Garantien würden die Kosten für die Abwicklung von Teilen der Credit Suisse und mögliche weitere Risiken abdecken, sagten zwei Personen. Komme es zu der Übernahme, müssten aber wohl 10.000 Jobs gestrichen werden. Der Deal zwischen den beiden Banken könnte bereits am Sonntagabend unterzeichnet werden. Die Behörden bemühten sich, vor dem Börsenstart am Montag eine Lösung vorlegen zu können. Doch es gebe keine Garantie, dass die Bedingungen unverändert blieben oder dass eine Einigung erzielt werde, so die "Financial Times". Sprecher der Credit Suisse, der UBS und des Schweizer Finanzministeriums lehnten eine Stellungnahme ab oder konnten nicht erreicht werden. Die Bank of England deutete nach einem Bericht des Senders Sky News Zustimmung zu einer Übernahme durch die UBS an. Die britische Notenbank habe ihren internationalen Kollegen und der UBS signalisiert, dass sie die Notfalltransaktion unterstützen werde, berichtete der Sender weiter. Großbritannien ist für die Credit Suisse ein wichtiger Markt. Bankenkrise soll verhindert werden Nach Skandalen und Misswirtschaft war die Credit Suisse bereits angeschlagen. Durch den Zusammenbruch des US-Geldinstituts Silicon Valley Bank (SVB) geriet sie in einen weiteren Abwärtsstrudel. Die schweizerische Nationalbank stellte dann dem Institut Kredite bis zu 50 Milliarden Franken - umgerechnet knapp 51 Milliarden Euro - zur Verfügung. Die Maßnahme konnte den Abwärtstrend des Aktienkurses aber nur vorübergehend stoppen. Es ist das erste Mal seit der Finanzkrise ab 2007, dass eine Notenbank sich zu einer Stützungsaktion für eine so große Bank gezwungen sah. Für die Notenbank, Finanzaufsicht und Regierung geht es nun auch darum, eine allgemeine Bankenkrise zu verhindern. Die Regierung in Bern steht unter enormem Druck, die Lage zu stabilisieren. Credit Suisse gehört zu den 30 global systemrelevanten Banken. Ihr Ausfall würde das internationale Finanzsystem erschüttern. | /wirtschaft/finanzen/ubs-credit-suisse-moegliche-uebernahme-103.html |
2023-03-19 | Stadtrundgang im "Paradies" | Putin in Mariupol | Nach seiner Reise auf die Krim hat Russlands Präsident laut Kreml auch das besetzte Mariupol besucht. Das Staatsfernsehen veröffentlicht dazu einen Propagandafilm - in dem die Zerstörung der Hafenstadt kein Thema ist. Von Christina Nagel. | Nach seiner Reise auf die Krim hat Russlands Präsident laut Kreml auch das besetzte Mariupol besucht. Das Staatsfernsehen veröffentlicht dazu einen Propagandafilm - in dem die Zerstörung der Hafenstadt kein Thema ist. Es ist ein Besuch, den der Kreml auf besondere Weise in Szene setzt: nicht als klassische Reportage, sondern im Stil eines Dokumentarfilms. "Befinden uns auf dem Territorium des Flughafens", ist von Vize-Regierungschef Marat Chusnullin zu hören: Ankunft in Mariupol. Eine Kamera ist dabei, als der russische Präsident und der stellvertretende Premierminister durch die nächtliche Stadt fahren. Putin am Steuer. Chusnullin mit Projektbeschreibungen auf dem Schoß: "Wir arbeiten hier rund um die Uhr", sagt er. Neue Straßen, neue soziale Einrichtungen, neue Infrastruktur, neue Wohnviertel. Wer dranbleibt, bekommt 40 Minuten lang zu hören, wie viel der Kreml tut, um das vom Krieg gezeichnete Mariupol wieder aufzubauen. Besser, schöner als je zuvor. "Es ist ein kleines Stück vom Paradies, das wir jetzt haben", sagt eine junge Frau, die Putin in Mariupol trifft. Er verspricht ihr, es zu erweitern. Lagebesprechung auf dem Spielplatz Sich überrascht gebende, zutiefst dankbare Anwohner treffen auf einen bescheidenen Präsidenten - der sich entschuldigt, so unerwartet aufgetaucht zu sein, während er sich von einem älteren Herrn eine der Neubauwohnungen zeigen lässt. "Danke, dass Sie gekommen sind - wir freuen uns", sagt der Mann. Es ist eine Inszenierung, bei der aufgrund der Dunkelheit zwar wenig zu sehen ist - die dafür aber alles bietet, um die entscheidende Botschaft ans Volk zu bringen. Selbst einen alten Schultisch auf einem neuen Kinderspielplatz, damit Chusnullin und Putin Pläne für die weitere Entwicklung studieren können. Man "baue gerade die Wärmeversorgung komplett um", sagt Chusnullin etwa. Weiterer Besuch eines Kommandopostens Zum neunten Jahrestag der völkerrechtswidrigen Krim-Annexion ist es dem Kreml wichtig, noch einmal zu unterstreichen, was der russische Staat alles für die nach seiner Lesart "befreiten Gebiete" tut. Sei es auf der Krim oder aber in der Hafenstadt Mariupol, die wieder aufgebaut werden muss, weil sie bei russischen Angriffen in Schutt und Asche gelegt wurde. Letzteres allerdings ist kein Thema. Die "militärische Spezialoperation", wie der Krieg in der Ukraine in Russland genannt wird, läuft vielmehr in aller Brutalität weiter. Wie und an welchen Frontabschnitten, darüber ließ sich Putin in der Nacht ebenfalls noch unterrichten - bei einem Besuch eines Kommandopostens in Rostow am Don. | /ausland/europa/putin-besuch-mariupol-101.html |
2023-03-19 | "Die Rente ist stabil und bleibt stabil" | Milliardenüberschuss | Seniorinnen und Senioren können sich über höhere Renten freuen. Grund ist ein Milliardenüberschuss in der Rentenkasse. Arbeitsminister Heil ist zufrieden und lobt den deutschen Arbeitsmarkt.
mehr | Seniorinnen und Senioren können sich über höhere Renten freuen. Grund ist ein Milliardenüberschuss in der Rentenkasse. Arbeitsminister Heil ist zufrieden und lobt den deutschen Arbeitsmarkt. Die deutsche Rentenkasse hat im vergangenen Jahr einen Milliardenüberschuss verzeichnet. Das sagte die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund, Gundula Roßbach in der "Bild am Sonntag". "Die Einnahmen steigen, letztes Jahr gab es sogar einen Überschuss von 3,4 Milliarden Euro - damit hatten wir nicht gerechnet." Damit waren die Rücklagen der Rentenkasse zum Jahresende 2022 so hoch wie noch nie. "Die Kassenlage sieht sehr gut aus", so Roßbach. Mehr Geld für Rentnerinnen und Rentner Die 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner im Land dürfen sich also in diesem Jahr über höhere Renten freuen. Die jährliche Rentenanpassung wird nach Roßbachs Angaben auch in diesem Sommer "wohl ordentlich ausfallen". Laut Prognosen aus dem Herbst könnte es im Westen rund 3,5 und im Osten gut 4,2 Prozent mehr geben. Die offizielle Rentenanpassung greift zum 1. Juli und wird demnächst beschlossen. Die Rentensteigerungen richten sich nach der Lohnentwicklung im Land, und die zeigt laut Roßbach nach oben. "Die bisherigen Tarifabschlüsse lassen zudem erahnen, dass die Senioren auch in den kommenden Jahren auf einen Rentenaufschlag hoffen können". "Die Zahlen beweisen: Die Rente ist stabil und bleibt stabil", sagte Roßbach. Rentenbeiträge stabil bis 2026 Grund für die vollen Kassen sei, "dass es trotz Krisenstimmung auf dem Arbeitsmarkt gut läuft, Arbeitnehmer sogar dringend von den Unternehmen gesucht werden". Hinzu käme die steigende Zahl an Zuwanderern und die höhere Lebenserwartung. Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zeigte sich angesichts des Überschusses zufrieden. Ein starker Arbeitsmarkt führe zu einer stabilen Rente, sagte der SPD-Politiker der Nachrichtenagentur Reuters. "Das zeigt sich auch an der guten Entwicklung der Nachhaltigkeitsrücklage der gesetzlichen Rentenversicherung, die sich nach den vorläufigen Ergebnissen auf 42,7 Milliarden Euro erhöht hat." Nach Aussage Roßbachs werden die Rentenbeiträge von 18,6 Prozent des Bruttolohns bis 2026 stabil bleiben. "Danach könnten die Beiträge steigen - das ist auch abhängig davon, wie das Rentenpaket aussehen wird, das die Politik in diesem Jahr noch auf den Weg bringen will." Heil hatte versichert, dass der Beitragssatz auch nach dem Auslaufen der bis 2025 geltenden Obergrenze nicht rapide in die Höhe schnellen wird und von einem leichten Anstieg gesprochen. Rentenpaket soll zügig kommen Heil plant, das Rentenniveau bei mindestens 48 Prozent des Durchschnittslohns dauerhaft zu sichern. Obwohl die Koalition das Vorhaben schon im vergangenen Jahr auf den Weg bringen wollte, liegt dazu noch immer kein Gesetzesentwurf vor. Grund sind offene Fragen. So will etwa Finanzminister Christian Lindner (FDP) in dem Rentenpaket auch die Details zu der von ihm geplanten Aktienrente festlegen. Diese soll ab Mitte der 2030er-Jahre die Rentenversicherung durch Erlöse an den Kapitalmärkten entlasten. | /inland/innenpolitik/heil-rentenversicherung-101.html |
2023-03-19 | Warum die Credit Suisse taumelte | Schweizer Großbank | Die Credit Suisse gehört bis vor Kurzem zu den wichtigsten Geldhäusern in Europa. Wie konnte es zu der Krise kommen?
mehr | Die Credit Suisse gehört bis vor Kurzem zu den wichtigsten Geldhäusern in Europa. Wie konnte es zu der Krise kommen? Wie kam es zur Krise bei der Credit Suisse (CS)? Die altehrwürdige Bank, Jahrgang 1856, hat sich mit jahrelangem Missmanagement und Risikogeschäften selbst ins Abseits manövriert. Da war die bulgarische Mafia, die 2004 bis 2007 laut Staatsanwaltschaft ungestört Geldwäsche über CS-Konten abwickelte. Da waren 2013 die windigen Geschäfte einer britischen CS-Tochter in Mosambik, wo bei Krediten an Staatsfirmen Millionen verschwanden. Dann gab es zwischen 2016 und 2019 die Bespitzelung eigener Kaderleute, von denen einer sogar auf den Straßen Zürichs verfolgt wurde. Und die Bank war jüngst bei den Risikogeschäften des Hedgefonds Archegos und der Greensill-Fonds dabei und verlor bei deren Zusammenbruch Millionen. Das Vertrauen in die CS war also schon gesunken, der Zusammenbruch jüngst der Silicon Valley Bank und die Angst vor einer möglichen weltweiten Bankenkrise hat sie tiefer in den Abwärtsstrudel gerissen. Warum hat das Management versagt? Abzockermentalität in der Führungsetage der Bank macht der "Tages-Anzeiger" als einen Grund aus. Die Zeitung hat aus den Geschäftsberichten errechnet, dass die Bank seit 2013 zwar kumuliert 3,2 Milliarden Franken Verlust machte, die Top-Manager aber im selben Zeitraum 32 Milliarden Franken (32,2 Milliarden Euro) an Boni einsteckten. Hätten Behörden früher intervenieren müssen? Für den Bankenbranchendienst "Inside Paradeplatz" haben die Schweizer Nationalbank, die Finanzaufsicht und die Regierung versagt. Sie hätten der Bank spätestens seit Herbst, als Zweifel an einer Zukunft der Credit Suisse lauter wurden, kritische Fragen stellen müssen, schrieb der Herausgeber Lukas Hässig. Dann hätte das Ruder noch herumgerissen werden können. Das passierte nicht. "Auf der Brücke der Helvetia hat in den letzten Jahren ein Panik-Orchester das Kommando übernommen", schrieb Hässig. "Dieses schaute monatelang tatenlos zu, wie die CS-Titanic mit voller Fahrt auf den Eisberg zuraste." Helvetia ist die lateinische Bezeichnung der Schweiz. Wie relevant ist die Credit Suisse? Sie gehörte bis zuletzt - wie die Deutsche Bank - zu den 30 systemrelevanten Banken der Welt. Diese Einordnung stammt vom internationalen Finanzstabilitätsrat (Financial Stability Board - FSB), der das internationale Finanzsystem überwacht. Diese Banken sind international vernetzt, weshalb ihr Scheitern andere mitreißen könnte - sie sind "too big to fail" (engl. "zu groß zum Scheitern"). Sie unterliegen besonderen Sicherheitsauflagen. Die CS ist kleiner als ihr Schweizer Rivale, die UBS. Die Bilanzsumme der UBS ist mit umgerechnet rund einer Billion Euro etwas kleiner als die der Deutschen Bank, aber fast doppelt so groß wie die der CS. Der CS-Börsenwert sackte innerhalb eines Jahres um zwei Drittel auf gut 7,4 Milliarden Euro ab, der der UBS ist fast achtmal größer. Wann gab es zuletzt eine weltweite Finanzkrise? Die bisher letzte große Krise nahm im Sommer 2007 ihren Lauf. Im spekulativ aufgeblähten US-Immobilienmarkt stiegen die Zinsen für Interbankfinanzkredite sprunghaft, als klar wurde, dass Hypotheken für wenig solvente Kunden massenweise platzen würden. Die Banken vertrauten sich gegenseitig nicht mehr. In der Folge brach am 15. September 2008 die amerikanische Großbank Lehman Brothers zusammen. Die nachfolgende Krise breitete sich weltweit aus, zahlreiche Bankhäuser mussten mit Milliardenkrediten gestützt werden. Ist die Welt nun besser gewappnet? Um die Branche krisenfester zu machen, wurden die Regularien verschärft. So müssen Banken inzwischen deutlich mehr Eigenkapital vorweisen, mit dem sie in Krisen Verluste abpuffern können. Zudem werden seit 2016 in Europa im Fall der Schieflage eines Instituts zunächst Eigentümer und Gläubiger zur Kasse gebeten. Erst als letztes Mittel geht es an Einlagen von Sparern sowie Gelder aus einem von den Banken finanzierten Krisenfonds (Single Resolution Fund). Darin waren zuletzt rund 66 Milliarden Euro. Wie sind Ersparnisse bei Banken und Sparkassen abgesichert? Die Spareinlagen von Kunden sind in Deutschland im Fall einer Bankenpleite bis zu 100.000 Euro pro Person gesetzlich geschützt. Darüber hinaus sichern fast alle Kreditinstitute weit über das gesetzliche Maß hinaus Kundengelder freiwillig ab. Bei privaten Banken sind nach Angaben des Bundesverbands deutscher Banken in der Regel je Kunde mindestens 750.000 Euro Einlage pro Bank geschützt. Bei vielen Instituten liegen die Sicherungsgrenzen noch höher. Ähnlich ist es bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken. | /wirtschaft/unternehmen/credit-suisse-faq-101.html |
2023-03-19 | Scharfe Kritik an Wagenknecht-Äußerungen | Diskussion über neue Partei | Wieder denkt die Linken-Abgeordnete Wagenknecht öffentlich darüber nach, eine neue Partei zu gründen. Bei den Parteivorsitzenden stößt das auf Unmut. Auch Partei-Urgestein Gysi hat eine klare Haltung zu der Ankündigung.
mehr | Wieder denkt die Linken-Abgeordnete Wagenknecht öffentlich darüber nach, eine neue Partei zu gründen. Bei den Parteivorsitzenden stößt das auf Unmut. Auch Partei-Urgestein Gysi hat eine klare Haltung zu der Ankündigung. Nachdem die Linken-Abgeordnete Sahra Wagenknecht in einem Interview erneut darüber nachgedacht hatte, eine neue Partei zu gründen, zeigten sich die Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan empört. "Anzukündigen, dass man im Verlauf der nächsten Monate über die Bildung einer konkurrierenden Partei entscheiden will, ist verantwortungslos", erklärte die Linken-Spitze. "Es stößt die Tausenden Mitglieder vor den Kopf, die sich vor Ort für die Linke und ihre Ziele einsetzen." Wagenknecht kritisiert die Parteispitze scharf Im Interview mit "ZDFheute" hatte Wagenknecht zuvor gesagt, dass sie davon ausgehe, bis Ende des Jahres die Entscheidung zu treffen, ob sie eine neue Partei gründen will. "Eine Parteigründung hängt an Voraussetzungen, auch juristischer Art. Man muss Strukturen aufbauen", so Wagenknecht. "Die Erwartung, man könnte - selbst wenn man sich entschieden hätte - mal eben so eine Partei aus der Taufe heben, von einer Woche zur nächsten, das wäre zum Scheitern verurteilt." Neue Parteien hätten immer das Risiko, dass auch schwierige Leute mitmachen wollten, so Wagenknecht. Bei "Aufstehen" habe sie erlebt, dass das ein Projekt zum Scheitern bringen könne. Zugleich kritisierte Wagenknecht die Linken-Spitze scharf: "Die Parteispitze verfolgt einen Kurs, der mit meiner Vorstellung vernünftiger linker Politik kaum noch etwas zu tun hat." Gysi bemüht sich um Schlichtung Wissler und Schirdewan verlangten, dass Wagenknecht die Überlegungen beendet. "Wir fordern alle auf, Spaltungsbestrebungen eine Absage zu erteilen", erklärten die Parteivorsitzenden. Sie wollten die Linke als "plurale sozialistische Partei" verteidigen und weiterentwickeln. Partei-Urgestein Gregor Gysi bemüht sich nach eigenen Angaben darum, zwischen der Parteispitze und Wagenknecht zu vermitteln. Er sei dagegen, dass Wagenknecht eine neue Partei gründe, denn "das wäre ja eine Konkurrenz zu meiner eigenen Partei". "Dann würden diese beiden Parteien natürlich auch ordentlich aufeinander losgehen, und ich weiß nicht, ob das unsere Gesellschaft braucht", sagte Gysi "ZDFheute". "Partei nicht ewig quälen" Gysi betonte, er wisse, wie die Stimmung aussehe, wenn man eine Partei gründen wolle: "Ich war im Dezember 1989 wild entschlossen, und dass Sahra jetzt so wild entschlossen ist, eine neue Partei aufzubauen - da bin ich nicht sicher." Letztlich entscheide sie aber mit anderen zusammen darüber. Nur eines gehe nicht, so Gysi, nämlich "dass wir uns monatelang mit dieser Frage beschäftigen und uns nicht inhaltlich konzentrieren auf die Fragen, die notwendig sind". Wer eine neue Partei gründen wolle, solle das tun - "und nicht die Partei ewig quälen". | /inland/innenpolitik/wagenknecht-partei-neugruendung-101.html |
2023-03-19 | Ägypten will vor Ramadan vermitteln | Nahostkonflikt | In Ägypten sind Israelis und Palästinenser mit Abgesandten der USA und Jordaniens zusammengekommen. Es ist ein weiterer Versuch, die zuletzt wieder größeren Spannungen einzudämmen - kurz vor Beginn des muslimischen Fastenmonats.
mehr | In Ägypten sind Israelis und Palästinenser mit Abgesandten der USA und Jordaniens zusammengekommen. Es ist ein weiterer Versuch, die zuletzt wieder größeren Spannungen einzudämmen - kurz vor Beginn des muslimischen Fastenmonats. Nach der jüngsten Welle von Gewalt im Westjordanland und angesichts des muslimischen Fastenmonats Ramadan hat Ägypten ein Gespräch zum Nahostkonflikt initiiert. Das heutige Treffen im Badeort Sharm El-Sheikh solle unter Beteiligung der USA und Jordaniens den Dialog zwischen Israelis und Palästinensern fördern, hieß es vom Außenministerium in Kairo. Auch Vertreter Israels und der Palästinenser nehmen demnach teil. Wie es hieß, solle die Gewaltspirale gebrochen und die Eskalation gestoppt werden. Dies könnte dabei helfen, die Bedingungen für eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses zu schaffen. Ahmed Abu Zaid, ein Sprecher des ägyptischen Außenministeriums, sagte, bei dem Treffen würden "hochrangige Politiker und Sicherheitsbeamte" der fünf Seiten vertreten sein. Hamas entsendete keine Vertreter Von palästinensischer Seite waren laut der Nachrichtenagentur AFP zufolge Vertreter der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO dabei. Dieser gehören mehrere Gruppierungen an, nicht jedoch Vertreter der in Gaza regierenden Hamas. Die radikalislamistische Organisation habe sich "für die Eskalation des Widerstands gegen die Besatzung entschieden" und sei "gegen den Gipfel von Sharm El-Sheikh und alle Gipfel, die auf eine Beruhigung der Lage abzielen", zitierte die Nachrichtenagentur einen Hamas-Vertreter. Auch andere Palästinensergruppierungen sprachen sich den Angaben zufolge gegen eine Teilnahme palästinensischer Vertreter an dem Treffen aus, darunter die militante Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad und die in den USA und der EU als terroristische Vereinigung eingestufte Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP). Vertreter der Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) forderten die palästinensische Führung laut den Angaben auf, "die Verhandlungen in Akaba und Sharm El-Sheikh zu verlassen". Die Führung in Ramallah müsse "Verantwortung übernehmen", sagte ein DFLP-Vertreter der Nachrichtenagentur AFP. Verhärtete Fronten Der palästinensische Beamte Hussein al-Sheikh twitterte, dass das Treffen dazu gedacht war, "ein Ende dieser anhaltenden israelischen Aggression gegen uns zu fordern". Es gab laut der Nachrichtenagentur AP keinen unmittelbaren Kommentar Israels zu dem Termin. Auch israelische Medien berichteten von der Teilnahme hochrangiger Sicherheitsbeamter. Ende Februar hatten sich Palästinenser und Israelis im jordanischen Akaba bei Gesprächen, wie es sie seit Jahren nicht mehr gab, angenähert. Sie verabredeten, jede weitere Eskalation zu vermeiden. Doch gestoppt werden konnte die Gewalt nicht. Ramadan als sensible Phase Auch nach der Übereinkunft kam es weiter zu Zusammenstößen in dem von Israel besetzten Westjordanland. Das Gebiet, das die Palästinenser für die Bildung eines eigenen Staates beanspruchen, war schon monatelang zuvor Schauplatz von gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern, jüdischen Siedlern und israelischen Sicherheitskräften gewesen. In den vergangenen Jahren kam es während des muslimischen Fastenmonats Ramadan immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischen Polizisten in Jerusalem. Israels Nachbarn Jordanien und Ägypten gelten als Vermittler im Nahostkonflikt. | /ausland/afrika/nahost-gespraeche-ramadan-101.html |
2023-03-19 | Erneut Massenproteste gegen Justizreform | Tausende auf den Straßen Israels | Tausende Menschen haben in Israel erneut gegen die umstrittene Justizreform der rechts-religiösen Regierung protestiert. Im Zentrum Tel Avivs zogen sie den elften Samstag in Folge durch die Straßen - auch in anderen Städten gab es Proteste.
mehr | Tausende Menschen haben in Israel erneut gegen die umstrittene Justizreform der rechts-religiösen Regierung protestiert. Im Zentrum Tel Avivs zogen sie den elften Samstag in Folge durch die Straßen - auch in anderen Städten gab es Proteste. In Israel haben am elften Wochenende in Folge Tausende Menschen gegen die geplante Justizreform demonstriert. Sie zogen mit israelischen Flaggen und Protestschildern etwa durch die Straßen von Tel Aviv. Dabei schwenkten sie die israelische Flagge und Regenbogenfahnen und blockierten den Verkehr und riefen Slogans wie "Rettet die Demokratie!". Nach Angaben von israelischen Medien gingen Menschen in mehr als 100 Städten auf die Straße - auch in Haifa und Jerusalem. Sie alle werfen der Regierung aus Konservativen, religiösen Fundamentalisten und rechten Nationalisten vor, mit einer umstrittenen Justizreform die demokratische Kontrolle von Ministern durch die Gerichte zu gefährden. Daher stehe die Zukunft der israelischen Demokratie auf dem Spiel. Politik soll mehr Einfluss in Justiz bekommen Durch die geplante Reform soll es dem Parlament künftig unter anderem möglich sein, mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufzuheben. Außerdem soll die Politik mehr Einfluss bei der Ernennung von Richtern erhalten. Die Koalition will noch bis Ende des Monats Kernelemente der kontroversen Reform im Schnellverfahren durchsetzen. Kritiker sehen die Gewaltenteilung als Pfeiler der Demokratie in Gefahr und warnen vor einer gefährlichen Staatskrise. Auf der anderen Seite wirft die Likud-Partei von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu dem Obersten Gerichtshof vor, von linksgerichteten Richtern dominiert zu werden, die sich aus politischen Gründen in Bereiche einmischen, die nicht in ihre Zuständigkeit fallen. Und auch persönliche Motive könnten eine Rolle spielen: Gegen Netanyahu selbst läuft aktuell ein Prozess wegen Korruptionsvorwürfen. Alternative bereits abgelehnt Staatspräsident Isaac Herzog hat für eine Verschiebung der Reform plädiert und zuletzt einen eigenen Plan vorgelegt. Dieser war von Netanyahu aber abgelehnt worden. Am Donnerstag hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz auf einer Pressekonferenz mit Netanyahu in Berlin besorgt über das Vorhaben geäußert. Die Protestbewegung ist eine der größten in der Geschichte Israels und umfasst breite Gesellschaftsteile. Auch aus der Armee kommt vermehrt Widerstand. Hunderte Eliteoffiziere aus der Militärreserve kündigten etwa an, sich ab Sonntag nicht mehr zum Dienst zu melden. Netanyahu forderte die Militärführung auf, den Protest der Reservisten zu unterbinden. "Ich erwarte vom Generalstabschef und den Leitern der Abteilungen der Sicherheitsabteilungen, aggressiv die Dienstverweigerung zu bekämpfen", erklärte er. "Es gibt im öffentlichen Diskurs keinen Raum für die Verweigerung des Dienstes. Ein Staat, der zu existieren wünscht, kann solche Phänomene nicht tolerieren und wir werden das auch nicht." In Israel gilt es als ein Tabu, den Militärdienst zu verweigern. Dass sich dem Protest nun Reserveoffiziere anschlossen, zeigt auch, wie tief die geplante Justizreform das Land spaltet. "Wir fürchten, dass es einen Verstoß gegen unseren Eid, unser Gewissen und unseren Auftrag wäre, Militärbefehlen nachzukommen", schrieben Offiziere in einem offenen Brief zur Begründung ihres Protests. | /ausland/asien/israel-proteste-justizreform-107.html |
2023-03-19 | Notverkauf oder Verstaatlichung? | Zukunft der Credit Suisse | Im Ringen um die Zukunft der Credit Suisse liegen offenbar mehrere Optionen auf dem Tisch: ein Notkauf durch den Rivalen UBS oder eine Verstaatlichung. Wie es für die Großbank weitergeht, könnte am Abend bekannt werden.
mehr | Im Ringen um die Zukunft der Credit Suisse liegen offenbar mehrere Optionen auf dem Tisch: ein Notkauf durch den Rivalen UBS oder eine Verstaatlichung. Wie es für die Großbank weitergeht, könnte am Abend bekannt werden. Das Schicksal der taumelnden Schweizer Großbank Credit Suisse ist weiter unklar. Mehrere Optionen liegen wohl auf dem Tisch - von einem Notkauf durch den größeren Lokalrivalen UBS bis hin zur Übernahme durch den Staat. Die Ankündigung der Schweizer Regierung, am Abend eine "wichtige Medienkonferenz" zur Krise abhalten zu wollen, könnte auf eine baldige Entscheidung hindeuten. Der genaue Zeitpunkt dafür steht laut Schweizer Fernsehen aber noch nicht fest. Wie mehrere Medien weiter berichten, drängen die Schweizer Aufsichtsbehörden die UBS dazu, ihre kleinere Rivalin ganz oder teilweise zu übernehmen. Beim Preis seien sich die beiden Institute allerdings nicht einig. Nach einem Bericht der "Financial Times" soll UBS heute angeboten haben, den Lokalrivalen für bis zu eine Milliarde US-Dollar zu übernehmen. Zum Vergleich: Am Freitag zu Börsenschluss war die Credit Suisse noch acht Milliarden wert. Bei der Credit Suisse stieß die Offerte einem weiteren Medienbericht zufolge auf wenig Gegenliebe: Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, dass die Bank die Bedingungen der UBS mit Rückendeckung ihrer größten Aktionäre zurückgewiesen haben soll. Bank of England deutete wohl Zustimmung an Vom Tisch ist die Option deswegen aber offenbar nicht: Die Bank of England hat nach einem Bericht des Senders "Sky News" Zustimmung zu einer möglichen Übernahme der Credit Suisse durch die UBS angedeutet. Die britische Notenbank habe ihren internationalen Kollegen und der UBS signalisiert, dass sie die Notfalltransaktion unterstützen werde, berichtete der Sender. Voraussetzung für einen solchen Megadeal sind Medienberichten zufolge staatliche Sicherheiten. Die Schweizer Regierung in Bern solle eine Garantie zur Absicherung der mit der Übernahme verbundenen Risiken abgeben, hieß es. Eine Übernahme der Credit Suisse durch die UBS wäre die bedeutendste Bankenfusion in Europa seit der Finanzkrise vor 15 Jahren. Dabei würde eines der größten systemrelevanten Finanzinstitute in Europa entstehen. Verstaatlichung weitere Möglichkeit Als Alternative zur UBS-Übernahme prüfe die Schweiz eine vollständige oder teilweise Verstaatlichung der Bank, wie Bloomberg weiter berichtete. Weder die beteiligten Institute noch bei den Aufsichtsbehörden äußerten sich zuletzt zum Stand der Verhandlungen. Nach Einschätzung von Markus Grüne, dem Leiter des ARD-Börsenstudios in Frankfurt, favorisieren jedoch sowohl die Schweizer Behörden als auch die Bankenaufsicht und die UBS eine Fusion mit der Rivalin. Die Schweizer Regierung war heute in Bern erneut zu einer Krisen-Sitzung zusammengekommen. Hintergrund ist unter anderem, dass Gesetze für eine schnelle Übernahme der Bank geändert werden müssten. Die Schweizer Regierung könne Notfallmaßnahmen ergreifen, um den Prozess eines Zusammengehens zu beschleunigen, schrieb die "Financial Times". Sie könne etwa die eigentlich nötige Frist von sechs Wochen für die Konsultation der Aktionäre bei einer Übernahme verkürzen. Einigung bis Montagmorgen angestrebt Ziel ist laut Medienberichten eine Einigung bis Montagmorgen - noch vor Öffnung der weltweiten Börsen. Für Notenbank, Finanzaufsicht und Regierung in der Schweiz geht es auch darum, eine größere globale Bankenkrise zu verhindern. Die Regierung steht unter erheblichem Druck, die Lage zu stabilisieren. Denn Credit Suisse gehört zu den 30 weltweit systemrelevanten Banken, deren Ausfall das internationale Finanzsystem erschüttern würde. Bankenkrise soll verhindert werden Nach Skandalen und Misswirtschaft war die Credit Suisse ohnehin angeschlagen - durch den Zusammenbruch des US-Geldinstituts Silicon Valley Bank (SVB) geriet sie in einen weiteren Abwärtsstrudel. Die schweizerische Nationalbank stellte dann dem Institut Kredite bis zu 50 Milliarden Franken - umgerechnet knapp 51 Milliarden Euro - zur Verfügung. Die Maßnahme konnte den Abwärtstrend des Aktienkurses aber nur vorübergehend stoppen. Es ist das erste Mal seit der Finanzkrise ab 2007, dass eine Notenbank sich zu einer Stützungsaktion für eine so große Bank gezwungen sah. Für die Notenbank, Finanzaufsicht und Regierung geht es nun auch darum, eine allgemeine Bankenkrise zu verhindern. Die Regierung in Bern steht unter enormem Druck, die Lage zu stabilisieren. | /wirtschaft/finanzen/ubs-credit-suisse-moegliche-uebernahme-105.html |
2023-03-19 | Als Amerika das Vertrauen verlor | US-Angriff auf den Irak 2003 | Vor 20 Jahren begann die US-Invasion im Irak. Hunderttausende Iraker und fast 4500 US-Soldaten starben. Der Irak-Krieg hat auch in den USA bis heute Folgen: für die Amerikaner selbst - und für ihr Ansehen in der Welt. Von Julia Kastein. | Vor 20 Jahren begann die US-Invasion im Irak. Hunderttausende Iraker und fast 4500 US-Soldaten starben. Der Irak-Krieg hat auch in den USA bis heute Folgen: für die Amerikaner selbst - und für ihr Ansehen in der Welt. Von Julia Kastein, ARD-Studio Washington Es ist kurz nach 22 Uhr Ortszeit in Washington am 19. März 2003: US-Präsident George W. Bush verkündet seinen Landsleuten, dass der Einmarsch der USA im Irak begonnen hat. Es ist die Rede, die das Leben von Aiden Delgado, der heute in San Diego lebt, komplett verändert: Nur einen Monat später findet er sich mit seiner Einheit in Bagdad wieder. Weil der 19-jährige Diplomatensohn ein bisschen arabisch kann, arbeitet er als Verwaltungskraft im berüchtigten Gefängnis Abu Ghraib. Bush bekommt grünes Licht für seinen Krieg Ausgerechnet am 11. September 2001, also gleichzeitig mit den Terroranschlägen in New York und Washington, hatte sich Aiden zur Ausbildung als Armee-Reserveoffizier angemeldet - und nicht im Traum daran gedacht, mal tatsächlich in den Krieg ziehen zu müssen, wie er im Interview mit dem ARD-Studio Washington erzählt. Er habe den Krieg für einen schrecklichen Fehler gehalten und nicht geglaubt, dass Saddam Hussein eine Gefahr für die USA war: "Ich dachte, die Gründe wurden fabriziert, um George W. Bush gut aussehen zu lassen. Und ich habe ihn dafür gehasst, dass er mich zum Teil seiner amoralischen Tat gemacht hat." Mit dieser Meinung ist Delgado damals noch in der Minderheit. Zwar gibt es auch in den USA lautstarke Demonstrationen gegen den Krieg. Aber die Mehrheit der Amerikaner glaubt damals der Mär von den Bergen von Massenvernichtungswaffen und den angeblichen Verbindungen des Diktators zum Terrornetzwerk Al Kaida. Im Kongress bekommt Bush von Republikanern und Demokraten grünes Licht für seinen Krieg. Einsatz war länger, als viele Amerikaner erwartet hatten In den zwei Jahrzehnten seither hat sich das Meinungsbild gedreht: Nach einer aktuellen Umfrage des Forschungsinstituts Ipsos glauben nur noch 36 Prozent, dass die Irak-Invasion richtig war. Nur 31 Prozent meinen, dass die USA dadurch sicherer geworden sind. Michael O'Hanlon von der Denkfabrik Brookings in Washington wundert das nicht: "Der Irakkrieg war unglaublich teuer. Was die Dollar-Beträge angeht, aber auch für Amerikas Prestige, die Energie, die er dem Land geraubt hat, die Polarisierung, die er vertieft hat. Nicht ganz Vietnam. Aber gleich dahinter." O'Hanlon gehört zu den sogenannten "Falken", die den Krieg damals unterstützten. Als kompletten Misserfolg will er ihn bis heute nicht sehen: Schließlich sei ein brutaler Diktator abgesetzt worden. Eine Demokratie sei natürlich besser - auch wenn sie immer noch nicht stabil ist. Aber O'Hanlon räumt ein: Der Einsatz war viel schwieriger, blutiger und länger als viele - inklusive ihm selbst - damals erwarteten. Misstrauen gegenüber der Regierung gewachsen Wie viele Analysten in den USA zieht auch O'Hanlon eine Linie vom Irakkrieg zur Präsidentschaft von Donald Trump. Der Krieg vertiefte das Misstrauen vieler Amerikaner gegenüber ihrer Regierung und die Zweifel der US-Außenpolitik mit Militäreinsätzen in weit entfernten Ländern. Genau in diese Wunde habe Trump erfolgreich immer wieder geschlagen, mit seiner Polemik gegen Bush und die endlosen Kriege. Auch Amerikas Ansehen in der Welt schadete dieser Krieg. Nicht nur, weil die Geheimdienstinformationen über Waffenprogramme falsch waren, sondern auch, weil es so schien, als ob das der Bush-Regierung eigentlich egal sei, sagt O'Hanlon. Aber der Krieg in der Ukraine zeige auch, dass dieser Image-Schaden nicht dauerhaft sein müsse. Schließlich hätten die meisten Europäer den US-Geheimdienst-Informationen zu Putins Plänen geglaubt. Viele ehemalige Soldaten sind vom Einsatz traumatisiert Fast eine Million US-Soldaten insgesamt dienten in den acht Jahren Krieg. Viele sind traumatisiert. Tausende haben sich das Leben genommen. Aber ein Fehler, gar eine Schande? Craig Auriemma aus Hoboken in New Jersey will davon nichts hören. Zweimal war der Hauptfeldwebel im Irak im Einsatz: "Ich bin stolz auf meinen Part in diesem Krieg." Amerika sei dadurch sicherer geworden. Er verstehe nicht, warum der Einsatz von ihm und seinen Kameraden nicht gewürdigt werde - etwa mit einem Memorial, einer Gedenkstätte an der Mall in Washington. Das sei schon sehr enttäuschend. | /ausland/asien/20-jahre-irak-krieg-101.html |
2023-03-19 | UBS übernimmt Rivalin Credit Suisse | Schweizer Großbankenfusion | Die Schweizer Großbank UBS wird ihre Konkurrentin Credit Suisse übernehmen. Die Schweizer Nationalbank sichert die Übernahme mit bis zu 100 Milliarden Franken ab. Es ist die bedeutendste Bankenfusion in Europa seit der Finanzkrise.
mehr | Die Schweizer Großbank UBS wird ihre Konkurrentin Credit Suisse übernehmen. Die Schweizer Nationalbank sichert die Übernahme mit bis zu 100 Milliarden Franken ab. Es ist die bedeutendste Bankenfusion in Europa seit der Finanzkrise. Die Schweizer Großbank UBS wird die tief in die Krise geschlitterte Rivalin Credit Suisse übernehmen. Das gaben der Schweizer Bundesrat sowie Vertreter der beiden Institute und der Aufsichtsbehörden bekannt. Auch die schweizerische Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma stimmte der Übernahme zu. UBS-Verwaltungsratschef Colm Kelleher wird Präsident der fusionierten Bank, UBS-Chef Ralph Hamers wird deren CEO. Die UBS werde die Credit Suisse dabei für insgesamt drei Milliarden Franken übernehmen, teilten die Unternehmen mit. Der Kaufpreis werde in eigenen Aktien bezahlt, hieß es von der UBS. Aktionäre von Credit Suisse bekommen demnach für 22,48 Aktien bei Credit Suisse eine Aktie der UBS. Die Credit Suisse habe das Vertrauen der Finanzmärkte verloren, sagte der Schweizer Bundespräsident Alain Berset auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. Die Übernahme durch die UBS sei die beste Lösung, um das Vertrauen wiederherzustellen. Sie sei nicht nur für die Schweiz "entscheidend", sondern für die Stabilität des gesamten globalen Finanzsystems, fügte Berset hinzu. Nationalbank sagt Liquiditätshilfe zu Die Schweizerische Nationalbank (SNB) sichert die Übernahme mit einer Liquiditätshilfe von 100 Milliarden Franken - umgerechnet rund 101 Milliarden Euro - für beide Banken ab. Um Risiken für die UBS zu reduzieren, spreche der Bund der UBS zudem eine Garantie im Umfang von neun Milliarden Franken zur Übernahme von potenziellen Verlusten aus, hieß es weiter. Mit den getroffenen Maßnahmen werde sichergestellt, dass die SNB der Credit Suisse im Bedarfsfall umfassend Liquidität zur Verfügung stellen kann. Die Bank of England begrüßte die Schritte der Schweizer Behörden zur Unterstützung der Finanzstabilität. Die Credit Suisse versuchte nachfolgend, Befürchtungen zu bevorstehenden Stellenkürzungen zu besänftigen. Die Bank teilte mit: "UBS hat sich zuversichtlich geäußert, dass die Mitarbeitenden der Credit Suisse weiterbeschäftigt werden". UBS-Präsident Kelleher äußerte sich mit den Worten, es sei noch zu früh, um zu sagen, ob es Stellenkürzungen geben werde - und wenn ja, in welcher Höhe. Einem Insider zufolge könnten mindestens 10.000 Stellen abgebaut werden. Bedeutendste Bankenfusion seit Finanzkrise Der Fusionsentscheidung war ein tagelanger Verhandlungsmarathon vorausgegangen, an dem die Beteiligten der beiden Banken sowie Spitzenvertreter von Politik und Aufsichtsbehörden teilgenommen hatten. Dabei waren die UBS und die Credit Suisse von der Politik und den Aufsichtsbehörden zum Zusammenschluss gedrängt worden. Auch der Schweizerische Bundesrat hatte am Wochenende mehrere Sitzungen zur Situation der Credit Suisse abgehalten. Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS ist die bedeutendste Bankenfusion in Europa seit der Finanzkrise vor 15 Jahren. Dabei entsteht eines der größten systemrelevanten Finanzinstitute in Europa - größer als die Deutsche Bank. Die Credit Suisse ist einer der weltweit größten Vermögensverwalter und gehört zu den 30 global systemrelevanten Banken, deren Ausfall das internationale Finanzsystem erschüttern würde "Mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS konnte in dieser außerordentlichen Situation eine Lösung zur Sicherung der Finanzstabilität und zum Schutz der Schweizer Volkswirtschaft gefunden werden", hieß es in der Mitteilung der SNB. Das trage zur Stabilität des gesamten Finanzsektors bei. EZB lobt schnelle Reaktion in der Schweiz Die schnellen Schritte zur Rettung der Credit Suisse sind nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) zentral, um die Finanzmärkte wieder zu beruhigen. Das rasche Handeln und die Entscheidungen der Schweizer Behörden seien entscheidend für die Wiederherstellung geordneter Marktbedingungen und die Sicherung der Finanzstabilität, erklärt EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Der Bankensektor des Euro-Raums ist widerstandsfähig und besitzt eine starke Kapital- und Liquiditätsposition. In jedem Fall sei das geldpolitische Instrumentarium der EZB voll ausgestattet, um das Finanzsystem des Euro-Raums nötigenfalls mit Liquidität zu versorgen und ein reibungsloses Funktionieren der Geldpolitik zu gewährleisten. US-Notenbankchef Jerome Powell und US-Finanzministerin Janet Yellen begrüßten die Fusion ebenfalls. Man stehe zudem in engem Kontakt mit den internationalen Partnern, um deren Umsetzung zu unterstützen. Credit Suisse zuletzt immer mehr unter Druck Die Credit Suisse war nach einer Reihe früherer Skandale zuletzt weiter unter Druck geraten - unter anderem durch die Schließung der beiden US-Banken Silicon Valley Bank und Signature Bank, die im Finanzsektor für Unruhe gesorgt hatten. Äußerungen des größten Anteilseigners der Credit Suisse, der Saudi National Bank aus Saudi-Arabien, die Investitionen in die zweitgrößte Schweizer Bank nicht erhöhen zu wollen, schickten den Kurs dann auf Talfahrt. | /wirtschaft/finanzen/ubs-uebernimmt-credit-suisse-101.html |
2023-03-19 | ++ Putin will Handel mit China ausbauen ++ | Russlands Krieg gegen die Ukraine | Der russische Präsident Putin hat einen Ausbau der Handelsbeziehungen zu China angekündigt. Laut Bundesjustizminister Buschmann muss Deutschland Putin inhaftieren, sollte er das Land betreten. Die Entwicklungen vom Sonntag zum Nachlesen.
mehr | Der russische Präsident Putin hat einen Ausbau der Handelsbeziehungen zu China angekündigt. Laut Bundesjustizminister Buschmann muss Deutschland Putin inhaftieren, sollte er das Land betreten. Die Entwicklungen vom Sonntag zum Nachlesen. Putin will Handel mit China weiter ausbauenBuschmann: Deutschland zur Verhaftung verpflichtetFinnlands Präsident verteidigt NATO-Beitritt ohne SchwedenLondon: Russlands Handeln in Saporischschja ist EingeständnisPutin soll laut Kreml besetztes Mariupol besucht haben Ende des Liveblogs Für heute beenden wir den Liveblog zum Krieg gegen die Ukraine. Herzlichen Dank für Ihr Interesse! Putin bekräftigt: "Zu diplomatischer Lösung bereit" Russlands Präsident Putin bekräftigt, er sei bereit zu einer diplomatischen Lösung der Ukraine-Krise. Russland weise aber Ultimaten zurück, heißt es in einer Erklärung Putins auf der Webseite des Kreml. Russland begrüße zudem den Willen Chinas, bei der Lösung der Krise eine konstruktive Rolle zu spielen. Darüber hinaus sei Russland besorgt über "gefährliche Aktionen", die die weltweite Atomsicherheit untergraben könne. Russland und China würden ihre Außenpolitik aufeinander abstimmen und gemeinsame Bedrohungen bekämpfen. Putin vor Xi-Besuch: "Werden Handel weiter ausbauen" Russlands Präsident Wladimir Putin nennt den chinesischen Präsidenten Xi Jinping vor dessen Besuch in Moskau einen "guten alten Freund". Die Beziehungen zwischen beiden Ländern seien am bestmöglichen Punkt und würden weiter gestärkt, heißt es in einer Erklärung Putins auf der Webseite des Kreml. In den beiderseitigen Beziehungen gebe es keine verbotenen Themen und keine Grenzen. Der russische Handel mit Chine werde in diesem Jahr das Volumen von 200 Milliarden Dollar übersteigen und es sei wichtig, ihn weiter auszubauen. Selenskyj: Russland wird sich für alles verantworten müssen Russland wird sich nach Worten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj für alle Verbrechen im Krieg gegen die Ukraine verantworten müssen. "Der böse Staat wird für jeden Terrorakt gegen Ukrainer zur Rechenschaft gezogen werden", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Es gehe um "Verantwortung für jeden Angriff auf die Ukraine, für jedes zerstörte Leben, für jedes deportierte ukrainische Kind". Erneut sprach Selenskyj über den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag gegen den russischen Staatschef Wladimir Putin wegen der Verschleppung ukrainischer Kinder. Putin empfängt morgen Xi Jingping Russlands Präsident Wladimir Putin empfängt morgen Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping im Kreml. Vor dem Hintergrund des russischen Krieges in der Ukraine geht es bei dem dreitägigen Staatsbesuch laut Kreml um die Entwicklung der Beziehungen zu einer allumfassenden Partnerschaft und strategischen Kooperation zwischen Russland und China. Für Putin kommt der Besuch aus Peking kurz nach dem Haftbefehl gegen ihn gelegen: Er kann zeigen, dass er international in dem Krieg nicht isoliert ist. China hat Russlands Krieg gegen die Ukraine nicht verurteilt und setzt sich für Friedensverhandlungen ein. Laut Kremlsprecher Dmitri Peskow ist am Montag zunächst ein informelles Treffen und ein Essen der beiden Staatschefs vorgesehen. Am Dienstag seien dann die offiziellen Verhandlungen der Delegationen geplant, sagte Peskow. Behörde: Drei Tote Zivilisten nach russischem Angriff Durch einen russischen Artillerieangriff sind nach Angaben ukrainischer Behörden drei Zivilisten in einem frontnahen Dorf im Gebiet Saporischschja getötet worden. Zwei Menschen seien verletzt worden, teilte die Gebietsverwaltung über Telegram mit. Den Angaben nach wurde das Wohnhaus im Dorf Kamjanske von Geschossen eines Mehrfachraketenwerfers BM-21 "Grad" getroffen. Das Dorf liegt nahe des Flusses Dnipro nur wenige Kilometer von russischen Stellungen entfernt. Die ukrainische Verwaltung rief die Menschen auf, solche gefährlichen Gebiete zu räumen. Wagner-Chef will 30.000 Freiwillige rekrutieren Der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, will bis Mai weitere 30.000 Freiwillige für seine private Truppe rekrutieren. Bei einer Werbekampagne in russischen Sportclubs unterzeichneten täglich 500 bis 800 Männer einen Vertrag, teilte Prigoschin im Telegram-Kanal seines Pressestabs mit. "Die Rekruten werden in Trainingslager geschickt." Prigoschin erinnerte daran, dass Wagner-Kämpfer vor genau einem Jahr am 19. März in die Kämpfe in der Ukraine eingegriffen hätten. Derzeit kämpfen die Söldner vor allem in der Stadt Bachmut in der Ostukraine, wo sie unter hohen Verlusten vorrücken. Zur Perspektive des russischen Angriffskrieges sagte er: "Einstweilen sind die Aussichten nebulös." Die russischen Kräfte sollten sich auf eine Offensive der Ukraine vorbereiten. Für einen Sieg sei Einigkeit notwendig. Deshalb müsse man "Meinungsverschiedenheiten, Kränkungen und alles andere" hinter sich lassen, forderte er. Prigoschin selbst kritisiert immer wieder die Strategie der regulären Streitkräfte und beklagt, dass die Armee seinen Kämpfern zu wenig Munition liefere. Buschmann: Deutschland zu Putins Verhaftung verpflichtet Bundesjustizminister Marco Buschmann hat die Bedeutung des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Wladimir Putin für Deutschland erläutert. "Ich rechne damit, dass der IStGH zügig auf Interpol sowie die Vertragsstaaten zugehen und sie um Vollstreckung ersuchen wird", sagte der FDP-Politiker der "Bild am Sonntag". Wenn Putin deutsches Territorium betrete, sei Deutschland verpflichtet, ihn zu inhaftieren und an den IStGH zu übergeben. Anders als nationale Strafverfolgungsbehörden könne das Gericht in Den Haag nach seiner Rechtsprechung auch gegen Staatsoberhäupter vorgehen, sagte Buschmann. Der Kreml betonte erneut, dass Russland die Gerichtsbarkeit des IStGH nicht anerkenne. "Russland tut und wird das tun, was seinen Interessen entspricht", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow mit Blick auf Buschmanns Äußerungen. Der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, warf Deutschland einen Eskalationskurs vor. "Die unverantwortlichen Äußerungen einiger deutscher Vertreter, sie würden den rechtswidrigen und völlig absurden IStGH-Beschluss unterstützen und seien bereit, diesen umzusetzen, sind äußerst besorgniserregend und deuten darauf hin, wie fernab der Realität sie sind in ihrer Bestrebung, den Konflikt mit Russland weiter eskalieren zu lassen", so der Diplomat. Das nationale Ermittlungskomitee in Moskau kündigte eine Prüfung der Äußerungen Buschmanns an. Südafrika lässt Vollstreckung des Haftbefehls gegen Putin offen Südafrika lässt einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters vorerst offen, ob es im Falle eines Besuchs des russischen Präsidenten Wladimir Putin den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vollstrecken würde. "Wir als Regierung sind uns unserer rechtlichen Verpflichtung bewusst", sagte ein Sprecher von Präsident Cyril Ramaphosa. "Bis zum Gipfeltreffen werden wir jedoch mit den verschiedenen relevanten Akteuren in Kontakt bleiben", so Sprecher Vincent Magwenya. Zwar gibt es noch keine offizielle Bestätigung für Putins Teilnahme am Gipfel der BRICS-Staaten (ein Zusammenschluss von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) kommenden August in Südafrika. Es wird aber erwartet, dass das russische Staatsoberhaupt anreisen wird. "Wir nehmen den Bericht über den Haftbefehl, den der IStGH ausgestellt hat, zur Kenntnis", sagte Sprecher Magwenya den Angaben zufolge. "Südafrika ist nach wie vor entschlossen und wünscht sich nachdrücklich, dass der Konflikt in der Ukraine auf friedlichem Wege durch Verhandlungen gelöst wird." Der Internationale Strafgerichtshof hatte am Freitag wegen Kriegsverbrechen den Haftbefehl gegen Putin ausgestellt. Südafrika gehört zu den Staaten, die den Strafgerichtshof anerkennen. Ukraine wirft Putin nach Besuch in Mariupol Zynismus vor Die ukrainische Regierung hat den Besuch von Kreml-Chef Wladimir Putin in der von Russland besetzten ukrainischen Hafenstadt Mariupol scharf verurteilt. "Verbrecher kehren immer an den Tatort zurück", schrieb der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Mychajlo Podoljak, auf Twitter. "Der Mörder von Tausenden von Familien in Mariupol kam, um die Ruinen der Stadt und ihre Gräber zu bewundern. Zynismus und mangelnde Reue", so Podoljak weiter. The criminal always returns to the crime scene. As the civilized world announces the arrest of the "war director" (VV Putin) in case of crossing its borders, the murderer of thousands of Mariupol families came to admire the ruins of the city & graves. Cynicism & lack of remorse. Das ukrainische Verteidigungsministerium gab an, Putin habe die durch russische Bombardements weitgehend zerstörte Stadt im Schutze der Nacht besucht, "so wie es sich für einen Dieb gehört". Die Dunkelheit habe es ihm ermöglicht, die Stadt "und ihre wenigen überlebenden Einwohner vor neugierigen Blicken" zu schützen. Vucic kritisiert Haftbefehl gegen Putin Serbiens Präsident Alexander Vucic hat laut der Nachrichtenagentur AP den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den russischen Staatschef Wladimir Putin kritisiert. Der Schritt werde "schlechte politische Konsequenzen" haben, sagte er den Angaben zufolge, weil er auch eine große Abneigung zu Gesprächen über Frieden und einen Waffenstillstand zum Ausdruck bringe. "Meine Frage ist, jetzt, da Ihr ihn des größten Kriegsverbrechens beschuldigt habt: Mit wem wollt Ihr reden?", sagte Vucic, dessen Land traditionell mit Russland verbunden ist. "Es gibt keinen Zweifel", so Vucic weiter, dass das Ziel sei, es Putin schwer zu machen, zu kommunizieren. "Denn jeder, der mit ihm spricht, ist sich bewusst, dass er der Kriegsverbrechen beschuldigt ist." Die Frage, ob Putin in Serbien verhaftet würde, sollte er in das Land kommen, bezeichnete Vucic den Angaben zufolge als sinnlos. "Weil es klar ist, dass - so lange der Konflikt (in der Ukraine) andauert - Putin nirgendwo hingehen kann." Putin: Russland war 2014 noch nicht gerüstet Russland ist laut Kremlchef Wladimir Putin nach der Annexion der Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014 nicht für einen Krieg gegen die Ukraine gerüstet gewesen. "Wir hatten damals keine Hyperschallwaffen, aber jetzt haben wir sie", sagte Putin in einem Interview des russischen Staatsfernsehens. Russland setzt die Hyperschallwaffen bisher gelegentlich ein. "Es gibt auch noch andere moderne Systeme, 2014 gab es noch nichts Vergleichbares", sagte Putin und wiederholte, Russland habe den Konflikt um die Ukraine damals friedlich lösen wollen. "Wir müssen sehr viel tun - etwa für die Entwicklung der Bodentruppen", sagte Putin auf eine Frage zu den Lehren aus dem Krieg, den er am 24. Februar 2022 gegen die Ukraine begann. Finnlands Präsident verteidigt NATO-Beitritt ohne Schweden Der finnische Präsident Sauli Niinistö hat den sich abzeichnenden NATO-Beitritt Finnlands ohne Schweden verteidigt. "Hätten wir der Türkei die Ratifizierung verweigern sollen? Das klingt etwas verrückt", sagte Niinistö nach der Ankündigung der Türkei am Freitag, zunächst nur den Beitritt Finnlands, nicht aber den Schwedens ratifizieren zu wollen. "Es wäre eine sehr schwierige Situation gewesen, wenn wir Nein zu Ankara gesagt hätten", sagte Niinistö. Er habe immer betont, man gehe "Hand in Hand" mit Schweden, soweit es in den Händen der nordischen Länder liege, sagte der finnische Präsident weiter. "Aber die Ratifizierung der finnischen NATO-Mitgliedschaft liegt in den Händen der Türkei und Ungarns." Royal Air Force: Russisches Flugzeug nahe Estland abgefangen Einer Erklärung der britischen Royal Air Force zufolge haben britische und deutsche Kampfflugzeuge am Freitag ein russisches Flugzeug abgefangen, das in der Nähe des estnischen Luftraums flog. Es war das zweite derartige Ereignis in dieser Woche. Die beiden Typhoon-Jets fingen "einen russischen Tu-134-Passagierjet, bekannt unter dem NATO-Namen Crusty, ab, der von zwei Sukhoi Su-27 Flanker-Kampfflugzeugen und einem AN-12 Cub-Militärtransportflugzeug eskortiert wurde", so die Royal Air Force. RAF & German Air Force Typhoon fighters scrambled from Ämari Air Base in Estonia for 2nd time this week to intercept Russian military aircraft close to Estonian airspace. Full story: https://t.co/TPDfBgMPLY@NATO @Team_Luftwaffe #AirPolicing #StrongerTogether https://t.co/w7med5QANk London: Russlands Handeln in Saporischschja ist Eingeständnis Russland ist sich nach Einschätzung britischer Geheimdienste wahrscheinlich bewusst, dass es einige seiner großen Ziele in nächster Zukunft nicht erreichen wird. Das zeige sich etwa daran, dass die Behörden in dem von Russland kontrollierten Teil des Gebiets Saporischschja Anfang März Melitopol zur Hauptstadt des Gebiets erklärt hätten, hieß es in einem Tweet des britischen Verteidigungsministeriums. Laut Russland sei dies eine vorübergehende Maßnahme, bis die Stadt Saporischschja komplett unter Kontrolle gebracht sei. Latest Defence Intelligence update on the situation in Ukraine - 19 March 2023.Find out more about Defence Intelligence's use of language: https://t.co/6px8VoJGNP🇺🇦 #StandWithUkraine 🇺🇦 https://t.co/QlZt6nxLdx Bilder von Putins Besuch in Mariupol Von der Reise des russischen Präsidenten Wladimir Putin zeigte das russische Staatsfernsehen den 70-Jährigen am Steuer eines Autos beim Fahren durch die nächtliche Stadt. Zu sehen waren am Rande auch Zerstörungen an Gebäuden. Russlands stellvertretender Regierungschef Marat Chusnullin informierte Putin über den Stand der Wiederaufbauarbeiten informiert. "Die Menschen beginnen, in die Stadt zurückzukehren", sagte Chusnullin auf dem Beifahrersitz. In Mariupol gebe es wieder Straßenbeleuchtung und Busverkehr. Das Staatsfernsehen zeigte offenbar auch den Besuch Putins in der Philharmonie der Stadt, wo er auf einem Stuhl in einem Saal Platz nahm. Nach Darstellung Chusnullins ist zudem ein Universitätsgebäude samt Studentenwohnheim intakt. Gezeigt wurden auch Bürger, die Putin für den unangekündigten Besuch dankten. Putin soll Mariupol besucht haben Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine soll Kremlchef Wladimir Putin in die seither besetzten Gebiete des Nachbarlandes gereist sein. Der Kreml teilte mit, Putin habe der in schweren Kämpfen zerstörten Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer einen "Arbeitsbesuch" abgestattet. Nach seiner Ankunft in einem Hubschrauber habe Putin sich bei einer Rundfahrt über die Lage informiert und sich auch mit Bewohnern der Stadt unterhalten, berichtete die Staatsagentur Tass. Dabei sei der Kremlchef über den Stand der Wiederaufbauarbeiten informiert worden. Putin hatte am Samstagnachmittag die 2014 annektierte ukrainische Halbinsel Krim besucht. Das Staatsfernsehen verbreitete Bilder, auf denen der Kremlchef bei der Eröffnung einer Kunstschule für Kinder in Sewastopol zu sehen war. Juncker sieht schnellen EU-Beitritt der Ukraine skeptisch Der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat davor gewarnt, bei der Ukraine unrealistische Erwartungen auf einen raschen Beitritt zur Europäischen Union zu wecken. "Ich glaube, aus gegebenen Gründen braucht die Ukraine eine Beitrittsperspektive, aber ich bin sehr verstimmt über die Unvorsichtigkeit vieler auch im Westen handelnden Politiker, die der Ukraine einen schnellen Beitritt in Aussicht stellen, das sehe ich nicht", sagte Juncker im Podcast "Wortwechsel" der Zeitung "Luxemburger Wort". Es sei kein "gangbarer Weg", ein Land, das sich im Kriegszustand befinde und sich deshalb "im Reformwillen nicht voll entfalten kann", einfach so und aus übergeordneten politischen Gründen in die EU aufzunehmen, sagte Juncker. "Aber dass auf lange Sicht die Ukraine zu der Europäischen Union stoßen wird, halte ich nach den jüngeren Ereignissen für höchstwahrscheinlich." Der Liveblog vom Samstag zum Nachlesen Der ukrainische Präsident Selenskyj hat weitere Sanktionen seines Landes gegen Russland, Iran und Syrien angekündigt. Die Ukraine meldet zwei Tote in Kramatorsk. | /newsticker/liveblog-ukraine-sonntag-279.html |
2023-03-19 | Übernahme durch UBS rückt offenbar näher | Zukunft der Credit Suisse | Im Ringen um die Zukunft der Credit Suisse stehen die Zeichen offenbar auf Übernahme: Für einen Notkauf soll der Rivale UBS inzwischen einen höheren Preis akzeptiert haben. Wie es für die Großbank weitergeht, könnte am Abend bekannt werden.
mehr | Im Ringen um die Zukunft der Credit Suisse stehen die Zeichen offenbar auf Übernahme: Für einen Notkauf soll der Rivale UBS inzwischen einen höheren Preis akzeptiert haben. Wie es für die Großbank weitergeht, könnte am Abend bekannt werden. Das Schicksal der taumelnden Schweizer Großbank Credit Suisse ist weiter unklar. Am Mittag lagen offenbar mehrere Optionen auf dem Tisch - von einem Notkauf durch den größeren Lokalrivalen UBS bis hin zur Übernahme durch den Staat. Inzwischen berichten mehrere Medien, dass die Schweizer Großbank UBS dem Kauf der Credit Suisse zugestimmt hat. Zuvor habe die UBS ihr Angebot auf mehr als zwei Milliarden Dollar erhöht, meldete die "Financial Times". Nationalbank bietet "Liquiditätslinie von 100 Mrd." Nach einem Bericht des "Wall Street Journal" soll die Schweizerische Nationalbank (SNB) der UBS als Teil des Deals eine Liquiditätslinie von rund 100 Milliarden US-Dollar angeboten haben. Die Schweizer Behörden wollten die Gesetze des Landes ändern, um eine Abstimmung der Aktionäre über die Transaktion zu umgehen, berichtete die "Financial Times" weiter. Denn das Geschäft solle noch bis Montag abgeschlossen werden. Für den Abend hat die Regierung eine "wichtige Medienkonferenz" zur Krise anberaumt, dann wird mit einer Entscheidung gerechnet. Aufsicht bevorzugt Übernahmen Wie mehrere Medien weiter berichteten, drängen die Schweizer Aufsichtsbehörden die UBS dazu, ihre kleinere Rivalin ganz oder teilweise zu übernehmen. Nach einem Bericht der "Financial Times" soll UBS zunächst bis zu eine Milliarde US-Dollar für die Übernahme geboten haben. Zum Vergleich: Am Freitag zu Börsenschluss war die Credit Suisse noch acht Milliarden wert. Bei der Credit Suisse stieß diese erste Offerte einem weiteren Medienbericht zufolge auf wenig Gegenliebe: Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, dass die Bank die Bedingungen der UBS mit Rückendeckung ihrer größten Aktionäre zurückgewiesen haben soll. Eine Übernahme der Credit Suisse durch die UBS wäre die bedeutendste Bankenfusion in Europa seit der Finanzkrise vor 15 Jahren. Dabei würde eines der größten systemrelevanten Finanzinstitute in Europa entstehen. Verstaatlichung weitere Möglichkeit Als Alternative zur UBS-Übernahme hatten Medien am Nachmittag über mögliche Verstaatlichungspläne berichtet. Weder die beteiligten Institute noch die Aufsichtsbehörden äußerten sich zuletzt zum Stand der Verhandlungen. Nach Einschätzung von Markus Grüne, dem Leiter des ARD-Börsenstudios in Frankfurt, favorisieren jedoch sowohl die Schweizer Behörden als auch die Bankenaufsicht und die UBS eine Fusion mit der Rivalin. Die Schweizer Regierung war heute in Bern erneut zu einer Krisensitzung zusammengekommen. Hintergrund waren die möglicherweise nötigen Gesetzesänderungen für eine schnelle Übernahme der Bank. Die Schweizer Regierung könnte laut "Financial Times" Notfallmaßnahmen ergreifen, um den Prozess eines Zusammengehens zu beschleunigen. Sie könnte etwa die eigentlich nötige Frist von sechs Wochen für die Konsultation der Aktionäre bei einer Übernahme verkürzen. Einigung bis Montagmorgen angestrebt Ziel ist laut Medienberichten eine Einigung bis Montagmorgen - noch vor Öffnung der weltweiten Börsen. Für Notenbank, Finanzaufsicht und Regierung in der Schweiz geht es auch darum, eine größere globale Bankenkrise zu verhindern. Die Regierung steht unter erheblichem Druck, die Lage zu stabilisieren. Denn Credit Suisse gehört zu den 30 weltweit systemrelevanten Banken, deren Ausfall das internationale Finanzsystem erschüttern würde. Bankenkrise soll verhindert werden Nach Skandalen und Misswirtschaft war die Credit Suisse ohnehin angeschlagen - durch den Zusammenbruch des US-Geldinstituts Silicon Valley Bank (SVB) geriet sie in einen weiteren Abwärtsstrudel. Die schweizerische Nationalbank stellte dann dem Institut Kredite bis zu 50 Milliarden Franken - umgerechnet knapp 51 Milliarden Euro - zur Verfügung. Die Maßnahme konnte den Abwärtstrend des Aktienkurses aber nur vorübergehend stoppen. Es ist das erste Mal seit der Finanzkrise ab 2007, dass eine Notenbank sich zu einer Stützungsaktion für eine so große Bank gezwungen sah. Für die Notenbank, Finanzaufsicht und Regierung geht es nun auch darum, eine allgemeine Bankenkrise zu verhindern. Die Regierung in Bern steht unter enormem Druck, die Lage zu stabilisieren. | /wirtschaft/finanzen/ubs-credit-suisse-moegliche-uebernahme-107.html |
2023-03-19 | Festnahmen bei Protesten in Paris | Demonstrationen gegen Rentenreform | In Paris sind bei neuen Protesten gegen die Rentenreform von Präsident Macron zahlreiche Menschen festgenommen worden. Auch in anderen Städten gingen die Demonstrationen weiter. Die Gewerkschaft CGT kündigte das Herunterfahren mehrerer Raffinerien an.
mehr | In Paris sind bei neuen Protesten gegen die Rentenreform von Präsident Macron zahlreiche Menschen festgenommen worden. Auch in anderen Städten gingen die Demonstrationen weiter. Die Gewerkschaft CGT kündigte das Herunterfahren mehrerer Raffinerien an. In Paris sind bei Protesten und Ausschreitungen gegen das Vorgehen der französischen Regierung bei der Rentenreform erneut Dutzende Menschen festgenommen worden. Der Nachrichtensender "BFMTV" berichtete von 81 Festnahmen und bezog sich auf Informationen aus Polizeikreisen. Die Präfektur von Paris hatte Proteste um die Place de la Concorde sowie auf dem Boulevard Champs Elysées nahe dem Parlament und dem Präsidentenpalast verboten und dies mit "ernsthaften Risiken einer Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit" begründet. Etwa 4000 Demonstranten wichen daher auf die Place d'Italie aus. Auch in anderen Städten gingen die Demonstrationen weiter. Im Fernsehen wurden Kundgebungen in Städten wie Compiegne im Norden, Nantes im Westen und Saint-Etienne in Zentralfrankreich gezeigt. Weitere Proteste gab es unter anderem in der Hafenstadt Marseille, in Brest und Toulon. Mehrere Gewerkschaften hatten für das Wochenende zu Demonstrationen aufgerufen - auch aus Wut über das Vorgehen von Präsident Emmanuel Macrons Regierung, die die Reform ohne Abstimmung in der Nationalversammlung durchsetzen will. Die Gewerkschaft CGT kündigte die Stilllegung von mindestens zwei Raffinerien an. Für Donnerstag ist ein neuer Streik- und Protesttag geplant. Zwei Drittel der Franzosen lehnen die Reform ab Die Demonstranten lehnen die Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre ab. Ein breites Bündnis der wichtigsten französischen Gewerkschaften will mobilisieren, um eine Kehrtwende bei den Renten-Änderungen zu erzwingen. Die Regierung hatte am Donnerstag auf einen Verfassungsartikel zurückgegriffen, der es ermöglicht, die Rentenreform ohne Abstimmung im Parlament zu verabschieden, wenn die Regierung einen Misstrauensantrag übersteht. Die Opposition hat bereits zwei Misstrauensanträge eingreicht, über die voraussichtlich Montag abgestimmt werden soll. Falls eine absolute Mehrheit der Abgeordneten dafür stimmt, ist die Rentenreform abgelehnt und die Regierung muss zurücktreten. Dann könnte Macron einen neuen Premierminister oder eine neue Premierministerin ernennen oder Neuwahlen ausrufen. Eine Mehrheit für die Misstrauensanträge gilt als eher unwahrscheinlich, da die konservativen Republikaner voraussichtlich die Regierung unterstützen werden. Sollte keine absolute Mehrheit für einen Misstrauensantrag zustande kommen, ist die Rentenreform endgültig verabschiedet. Umfragen zufolge lehnen rund zwei Drittel der Französinnen und Franzosen die Reform ab. | /ausland/europa/frankreich-proteste-169.html |
2023-03-19 | Kosovo und Serbien wollen Abkommen umsetzen | Plan zur Normalisierung | Der Kosovo und Serbien wollen die Beziehungen zwischen ihren Ländern verbessern. Mithilfe der EU einigten sich die Regierungschefs beider Länder darauf, ein schon verhandeltes Abkommen auch umzusetzen. Unterschrieben ist es aber noch nicht.
mehr | Der Kosovo und Serbien wollen die Beziehungen zwischen ihren Ländern verbessern. Mithilfe der EU einigten sich die Regierungschefs beider Länder darauf, ein schon verhandeltes Abkommen auch umzusetzen. Unterschrieben ist es aber noch nicht. Serbien und der Kosovo sind laut dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell einer Normalisierung ihrer Beziehungen näher gekommen. "Wir haben einen Deal", sagte Borrell nach langen Verhandlungen beider Staaten und der EU im nordmazedonischen Ohrid. Demnach haben sich Serbiens Präsident Aleksandar Vucic und der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti geeinigt, ein Abkommen umzusetzen, das die schwierigen Beziehungen der beiden Länder verbessern soll. Serbien soll Eigenstaatlichkeit anerkennen Es sieht vor, dass Serbien den Kosovo zwar nicht völkerrechtlich anerkennt, aber die Eigenstaatlichkeit der ehemaligen serbischen Provinz zur Kenntnis nimmt. In diesem Zuge soll Serbien kosovarische Reisepässe, Autokennzeichen und Zollpapiere anerkennen, was es bisher nicht tut. Im Gegenzug soll der Kosovo die Rechte der serbischen Minderheit im Land institutionell absichern. Borrell zufolge hat der Kosovo zugestimmt, unverzüglich Verhandlungen über eine stärkere Selbstverwaltung der serbischen Gemeinden im Kosovo aufzunehmen. Noch nicht unterschrieben Die EU hatte sich offenbar noch mehr erhofft: Borrell sagte, "das Abkommen und sein Anhang gelten als angenommen" - doch beide Länder seien den "ambitiöseren Vorstellungen" der EU-Vermittler nicht gefolgt. Details nannte er aber nicht. Vucic und Kurti sprachen nach dem Treffen getrennt zu Journalisten. "Ich habe heute nichts unterschrieben", erklärte Vucic. Die Gespräche seien konstruktiv verlaufen. Kurti erklärte, es gebe "de facto" eine Anerkennung zwischen Serbien und dem Kosovo, aber Serbien habe das Abkommen noch nicht unterschrieben. Punkte des Abkommens standen schon fest Der Entwurf für das Abkommen war bereits im Februar abgestimmt worden. Bei den Verhandlungen in Ohrid war es nun um die in einem Anhang formulierten Fristen und Termine gegangen, zu denen die einzelnen Punkte des Abkommens umgesetzt werden sollen. Darin sind auch Verpflichtungen für die EU enthalten: Sie soll in den kommenden Monaten eine Geberkonferenz für Finanzhilfen für Serbien und den Kosovo organisieren. Druck von außen und innen Vucic und Kurti stehen beide unter zunehmenden Druck der EU und anderer westlicher Staaten, die Beziehungen ihrer Länder zu verbessern. In den vergangenen Monaten hatte es wieder stärkere Spannungen an der Grenze gegeben. Beide Länder streben einen EU-Beitritt an. Zusätzlich sehen sich Vucic und Kurti jeweils innenpolitischem Druck ausgesetzt. Serbische Nationalisten erkennen die Unabhängigkeit des Kosovo nicht an und drohen Vucic mit Protesten, sollte er von dieser Linie abrücken. Im Kosovo hingegen lehnen viele Zugeständnisse an die serbische Volksgruppe ab. Sie befürchten, dass Vetorechte der serbischen Gemeinden den gesamten Staat lähmen könnten. | /ausland/europa/kosovo-serbien-eu-abkommen-101.html |
2023-03-19 | Bewerber im Vorteil | Azubi-Speed-Dating | Bei der Suche nach Ausbildungsplätzen haben Bewerber gerade gute Karten, weil Arbeitgeber dringend Personal suchen. Die neuen Kräfteverhältnisse werden zum Beispiel bei Speed-Dating-Veranstaltungen sichtbar. Von David Zajonz. | Bei der Suche nach Ausbildungsplätzen haben Bewerber gerade gute Karten, weil Arbeitgeber dringend Personal suchen. Die neuen Kräfteverhältnisse werden zum Beispiel bei Speed-Dating-Veranstaltungen sichtbar. Als sich Stefanie Beys und Laith Alkassar zum ersten Mal gegenübersitzen, ist gar nicht so klar, wer sich eigentlich bei wem bewirbt. Dabei ist die Ausgangslage im Grunde eindeutig: Sie ist die Personalerin eines Unternehmens für Haustechnik, er sucht einen Ausbildungsplatz als Fachkraft für Lagerlogistik. Tatsächlich aber weiß Stefanie Beys, dass auch sie einen guten Eindruck machen muss. "Bewerber nicht an anderes Unternehmen verlieren" 20 Ausbildungsplätze hat ihr Unternehmen AMG-Haustechnik ab August zu besetzen, knapp die Hälfte davon ist noch frei. Während des Gesprächs mit Alkassar unterstreicht sie die Entwicklungschancen in ihrem Unternehmen, betont unter anderem, dass der Arbeitgeber seinen Azubis den Gabelstapler-Führerschein bezahlt. "Ich möchte den jungen Menschen nicht an ein anderes Unternehmen verlieren, weil ich als Unternehmen nicht überzeugt habe", sagt Beys mit Blick auf die aktuelle Personallage. Das Gespräch findet im Rahmen eines Azubi-Speed-Datings statt, das die Industrie- und Handelskammer im nordrhein-westfälischen Düren organisiert. Rund 50 Unternehmen stellen sich hier vor. Die Bewerberinnen und Bewerber entscheiden selbst, mit welchen Arbeitgebern sie sprechen wollen. Ehrliche Kommunikation beim Kennenlernen Laith Alkassar hat sich nur Unternehmen ausgesucht, die eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik anbieten. "Es ist eine Mischung aus dem handwerklichen und dem kaufmännischen Bereich", begründet er seine Berufswahl im Gespräch mit Ausbildungsleiterin Beys. Sehr offen schildert der 19-Jährige dabei seinen bisherigen Werdegang. Nach dem Hauptschulabschluss begann er zunächst eine Ausbildung als Fahrzeuglackierer. Das handwerkliche Arbeiten sei aber "ein bisschen zu schwierig" gewesen, die Ausbildung brach er ab. Danach holte er seinen Realabschluss nach und startete in eine neue Ausbildung als Kaufmann für Büromanagement. Doch auch diese brachte er nicht zu Ende. "Es lag daran, dass der Chef nicht mit mir zufrieden war", gibt er im Bewerbungsgespräch offen zu. Personalerin: Motivation wichtiger als Noten Diese ehrliche Kommunikation kommt bei der Ausbildungsleiterin gut an: "Mir ist nicht so wichtig, ob Sie den geraden Weg gegangen sind. Mir ist wichtig, dass Sie Lust darauf haben und engagiert sind", sagt sie dem Bewerber. Auch auf die Schulnoten legt Personalerin Beys keinen so großen Wert: "Es ist meiner Meinung nach schwieriger, persönliche Eigenschaften auszubilden und Charaktereigenschaften zu formen als in Englisch, Mathe oder Deutsch Nachhilfe zu geben." Bewerber begehrt, Arbeitgeber enttäuscht Für Bewerber Alkassar läuft das Speed-Dating richtig gut. Die Gespräche hier seien keine Verhörsituationen, sondern einfach ein kurzes Kennenlernen mit den Arbeitgebern, sagt er. Alle fünf Unternehmen, mit denen er spricht, wollen in Kontakt mit ihm bleiben. "Es ist einfach ein schönes Gefühl und motivierend", freut er sich über das große Interesse an seiner Person. Bei den Arbeitgebern ist die Stimmung weniger euphorisch. Die Veranstaltung ist eigentlich auf drei Stunden angesetzt, doch schon nach zwei Stunden sind kaum noch Bewerber im Raum. Die Haustechnik-Firma hatte insgesamt nur vier Gespräche, zwölf wären in der Zeit möglich gewesen. Direkter Kontakt an Schulen? Ausbildungsleiterin Beys packt deshalb noch vor Ende der Veranstaltung enttäuscht ihre Sachen und denkt schon über neue Wege nach, um mit jungen Menschen in Kontakt zu kommen: "Ich glaube, wir setzen künftig mehr drauf, an die Schulen zu gehen und da ein bisschen Werbung zu machen, das Berufsbild zu erläutern." Immerhin: Die Bewerber, die da waren, seien klasse gewesen, sagt sie. Andere Arbeitgeber blicken etwas optimistischer auf die Zahl ihrer Speed-Dates. "Es hätte ja auch passieren können, dass gar keiner gekommen wäre", sagt Manuel Ramon, der den Konservenhersteller Stollenwerk beim Azubi-Speed-Dating vertreten hat. Fünf Gespräche konnte er führen. Angesichts des großen Bewerbermangels ist das aus seiner Sicht durchaus ein Erfolg. | /wirtschaft/unternehmen/azubis-auszubildende-bewerber-im-vorteil-101.html |
2023-03-19 | "Dieses Misstrauen ist ausräumbar" | Streit um Verbrenner-Aus | Im Streit um das Verbrenner-Aus pocht Umweltministerin Lemke auf eine baldige Einigung. Die "Hängepartie" müsse so schnell wie möglich beendet werden, sagte sie im Bericht aus Berlin. Schon in der nächsten Woche könnte es soweit sein.
mehr | Im Streit um das Verbrenner-Aus pocht Umweltministerin Lemke auf eine baldige Einigung. Die "Hängepartie" müsse so schnell wie möglich beendet werden, sagte sie im Bericht aus Berlin. Schon in der nächsten Woche könnte es soweit sein. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat eine zügige Einigung im Streit um das Verbrenner-Aus angemahnt. "Die Missverständnisse zwischen dem Kommissar und zwischen dem Verkehrsminister oder der FDP, die müssen jetzt endlich ausgeräumt werden", sagte Lemke im Bericht aus Berlin. Sie glaube, dass mit jedem Tag, den "diese Hängepartie" länger dauere, Vertrauen beschädigt werden könnte in die europäischen Prozesse und in die Aussagen der Bundesregierung. "Deshalb muss und soll diese Hängepartie so schnell wie irgend möglich beendet werden", betonte die Ministerin. Lemke sprach davon, dass dies "im Laufe der nächsten Woche passieren sollte". Die EU hatte ihren endgültigen Beschluss für das Verbrenner-Aus Anfang März aufschieben müssen, weil Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) mit Rückendeckung seines Parteichefs Christian Lindner kurzfristig ein Veto eingelegt hatte. Die FDP will rechtlich verbindlich festschreiben, dass Autos mit Otto- oder Dieselmotor auch nach 2035 noch neu zugelassen werden können, wenn sie synthetische Kraftstoffe tanken, sogenannte E-Fuels. Bedingung für E-Fuel-only-Fahrzeuge Im Interview erklärte Lemke nun, dass die Bundesregierung bereits im November die Position eingenommen habe, dass man dem Dossier zustimmen wolle - inklusive einem sogenannten Erwägungsgrund. Demnach solle eine Möglichkeit geschaffen werden, "wie auch nach 2035 Fahrzeuge, die ausschließlich und nachweislich mit E-Fuels betankt werden können, außerhalb der Pkw-Flottengrenzwerte zugelassen werden können". Die sogenannten Flottengrenzwerte sind Vorgaben für Hersteller, wie viele Treibhausgase neu gebaute Autos im Betrieb ausstoßen dürfen. Eigentlich ist vorgesehen, dass dieser Wert in rund zwölf Jahren auf Null sinken soll, was de facto das Aus für neue Verbrenner bedeutet. Es gibt aber Ausnahmen etwa für besondere Fahrzeuge wie Einsatzwagen oder rollstuhlgerechte Autos. Eine Bedingung stellte die Umweltministerin, sollte es ab 2035 tatsächlich eine eigene Fahrzeugkategorie für E-Fuel-only-Fahrzeuge in der EU geben: "Wenn es eine solche Kategorie gäbe - nachweislich nur mit E-Fuels - dann muss natürlich auch die Nachweistechnik dafür da sein", sagte sie, das müsse bis dahin geklärt sein. Deutschland irritiert auf EU-Ebene Lemke erklärte weiter, die ganze Verfahrensverzögerung basiere darauf, dass ganz offensichtlich in der FDP Misstrauen darüber herrsche, ob die Kommission diesen Vorschlag auch wirklich zeitnah und korrekt umsetzen werde. "Ich bin der Meinung, dieses Misstrauen ist ausräumbar - und es muss ausräumbar sein", so die Grünen-Politikerin. Deutschlands Auftreten sorgt dabei auf EU-Ebene für Verwunderung, wie Lemke selbst bestätigte. Sie habe vergangene Woche den Umweltministerrat besucht: "Wenn sie dort mit den Kolleginnen und Kollegen den ganzen Tag im Raum sitzen, dann sehen sie natürlich die Fragezeichen und die Irritationen in den Gesichtern." Das habe auch außerhalb der offiziellen Tagesordnung eine große Rolle gespielt. "Ich glaube, wenn in der nächsten Woche klare Entscheidungen getroffen werden, dann ist der Schaden zumindest behebbar", sagte Lemke. Deshalb plädiere sie dafür, dass dies in der kommenden Woche auch geschieht. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der im Aufsichtsrat von Volkswagen sitzt, ergänzte im Bericht aus Berlin: "Das Verfahren sollte nicht Schule machen. Ich glaube, da sind sich auch alle einig." Weil sieht E-Pkw im Vorteil Weil betonte den Nachteil von E-Fuels im Vergleich zu E-Pkw. "Sie sind in der Produktion sehr aufwendig und deswegen am Ende des Tages auch wesentlich teurer als die Alternative, nämlich die elektrobetriebene Mobilität", sagte er. "Das führt dazu, dass - soweit ich weiß - alle großen Automobilkonzerne in ihrer Investitionsplanung voll und ganz darauf setzen." Der Ministerpräsident betonte aber, dass E-Fuels vor allem bei großen Verkehrsträgern benötigt würden - insbesondere bei Lkws, bei Schiffen und auch Flugzeugen. | /inland/innenpolitik/verbrenner-aus-lemke-weil-101.html |
2023-03-19 | Lemke bekräftigt Atomausstieg Mitte April | Umweltministerin | Am 15. April sollen die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz gehen. Bundesumweltministerin Lemke bestätigte das Datum nochmals. Die Sicherheit der deutschen Energieversorgung sei dadurch nicht gefährdet.
mehr | Am 15. April sollen die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz gehen. Bundesumweltministerin Lemke bestätigte das Datum nochmals. Die Sicherheit der deutschen Energieversorgung sei dadurch nicht gefährdet. In gut vier Wochen soll die Nutzung der Atomkraft in Deutschland enden. Das hat Bundesumweltministerin Steffi Lemke bekräftigt. "Es bleibt beim Atomausstieg Mitte April", sagte die Grünen-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Die Risiken der Atomkraft sind letztlich unbeherrschbar." Die Umweltministerin widersprach Befürchtungen, dass die Energieversorgung durch den Atomausstieg nicht mehr gesichert sei. "Wir haben im internationalen Vergleich eine sehr hohe Versorgungssicherheit", sagte Lemke. Diese sei "deutlich besser" als die der deutschen Nachbarländer "mit dem höchsten Atom-Anteil", betonte sie. "Auf Dauer sind daher Wettbewerb und mehr Erneuerbare Energien das beste Mittel für stabile Preise", sagte Lemke. Streit zwischen Grünen und FDP Der endgültige Ausstieg aus der Atomkraft hätte eigentlich schon zum Jahreswechsel erfolgen sollen. Wegen der schwierigen Energielage infolge des Kriegs in der Ukraine wurde die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke auf den 15. April verschoben - per Machtwort des Bundeskanzlers. Olaf Scholz beendete damit einen koalitionsinternen Streit zwischen Grünen und FDP, der nun aber wieder aufflammen könnte. Während die FDP für eine weitere Nutzung der Atomkraft eintritt, sind Grüne und SPD strikt dagegen. Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag, Lukas Köhler, hatte zuletzt vor einem raschen Rückbau der drei AKW gewarnt. Die Union will die Atomkraftwerke zumindest einsatzfähig halten. Bundesumweltministerin Steffi Lemke ist ebenso wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil heute um 18 Uhr im Interview im Bericht aus Berlin der ARD. | /inland/innenpolitik/atomausstieg-lemke-101.html |
2023-03-19 | Politische Wirren an der Adria | Präsidentenwahl in Montenegro | Montenegro wählt einen neuen Präsidenten. Kurz zuvor hat Amtsinhaber Milo Djukanovic noch das Parlament aufgelöst. Demnächst gibt es also auch vorgezogene Parlamentswahlen. Wie ist es dazu gekommen? Von S. Hahne. | Montenegro wählt einen neuen Präsidenten. Kurz zuvor hat Amtsinhaber Milo Djukanovic noch das Parlament aufgelöst. Demnächst gibt es also auch vorgezogene Parlamentswahlen. Wie ist es dazu gekommen? Seit August 2020 herrschen in Montenegro politisch instabile Verhältnisse - seit der letzten Parlamentswahl, bei der die Demokratische Partei der Sozialisten, DPS, unter Langzeit-Parteichef Djukanovic abgewählt wurde. Nach 30 Jahren an der Macht. Djukanovic war in dieser Zeit die prägende politische Figur des Landes mit nur rund 620.000 Einwohnern. Viermal war er Premierminister, seit 2018 ist er zum zweiten Mal Präsident. Djukanovic hat Montenegro in die Unabhängigkeit geführt. Zuvor hatte das Land zusammen mit Serbien einen Staat gebildet. Nach der Unabhängigkeit wurde Montenegro unter Djukanovic Mitglied der NATO und EU-Kandidat. Lange galt die Republik an der Adria als pro-westliches Vorzeigeland des Westbalkans. Die weißen Kiesstrände und charmanten Altstädte führten zu einem Tourismus-Boom. Seit der Unabhängigkeit 2006 hat sich die Wirtschaftsleistung laut Weltbank mehr als verdoppelt. EU-Beitrittsgespräche gerieten schnell ins Stocken Doch schon unter Djukanovic gerieten die EU-Beitrittsgespräche ins Stocken. Der Grund ist vor allem der schleppende Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität. Djukanovics politische Gegner werfen ihm vor, in beides verwickelt zu sein. Fakt ist: Djukanovics Familie ist sehr wohlhabend. Die Namen von Milo Djukanovic und von seinem Sohn tauchten laut montenegrinischen Medien auch in den "Pandora Papers" auf. Als Djukanovics Partei DPS bei der Parlamentswahl 2020 nur 40 von 81 Sitzen im Parlament erhielt, schmiedeten die restlichen Parteien eine Koalition. Sie wollten die DPS von der Macht verbannen. Die Koalition bestand hauptsächlich aus pro-serbischen Kräften. Die wichtigste davon ist die Demokratische Front. Premierminister wurde der Universitätsprofessor Zdravko Krivokapic, der der serbisch-orthodoxen Kirche nahestand. Um jedoch pro-westliche Kleinparteien mit in das Bündnis zu holen, wurden die meisten Ministerposten mit Experten besetzt. Mehrere Misstrauensvoten Das Bündnis hielt nicht lang, die Parteien zerstritten sich, unter anderem wegen des Stillstands in den EU-Beitrittsverhandlungen. Eine Kleinpartei mit vier Sitzen, die URA unter dem damaligen Vize-Premier Dritan Abazovic, sowie Djukanovics DPS sprachen der Regierung im Februar 2022 das Misstrauen aus. Abazovic wurde Premier und ließ sich fortan von Djukanovics Partei tolerieren. Auch diese Regierung hielt nicht. Ausgelöst durch einen Streit über die Stellung der serbisch-orthodoxen Kirche in Montenegro, wurde Abazovic im vergangenen August durch ein weiteres Misstrauensvotum gestürzt. Seitdem ist er nur übergangsweise im Amt. Vorwurf des Verstoßes gegen die Verfassung Nach dem Scheitern der Regierung hätte der Präsident, also Djukanovic, einen Kandidaten mit der Regierungsbildung beauftragen müssen. Djukanovic weigerte sich allerdings. Eine solche Situation hatte es noch nie gegeben und wird weder von der montenegrinischen Verfassung noch von anderen Gesetzen geregelt. Djukanovics Gegner warfen ihm vor, mit seiner Blockade gegen die Verfassung zu verstoßen. Daraufhin änderte das Parlament das Gesetz über die Befugnisse des Präsidenten und zog die Kompetenz für die Vergabe des Regierungsauftrags an sich. Djukanovic unterzeichnete das Gesetz entsprechend der politischen Gepflogenheiten, kündigte aber an, sich nicht daran gebunden zu fühlen. Er hält es für verfassungswidrig. Juristischer Graubereich Da aufgrund der politischen Blockade im Parlament über Monate nur drei von sieben Richterposten am Verfassungsgericht besetzt waren, konnte bis heute nicht geklärt werden, ob das neue Gesetz mit der Verfassung konform ist. Mittlerweile gibt es zwar wieder sechs Richter, aber noch sind keine Urteile gefallen. In der Zwischenzeit ging das politische Hin und Her also im juristischen Graubereich weiter: Das Parlament beauftragte auf Basis der neuen umstrittenen Gesetzeslage den Ex-Diplomaten Miodrag Lekic mit der Regierungsbildung. Das war vor drei Monaten. Komplizierte Lage Lekic hat in dieser Zeit keine Parlamentsmehrheit für seinen Regierungsvorschlag hinter sich gebracht. Daher hat Präsident Milo Djukanovic am Donnerstagabend das Parlament aufgelöst. Die Lage ist also kompliziert. Die Parlamentsneuwahlen könnten helfen, die politische Krise zu lösen. Auch Diplomaten der USA und der EU hatten zuletzt dazu geraten. Die Mehrheitsverhältnisse im Parlament könnten sich verschieben und zu klareren Machtverhältnissen führen. Unter anderem durch eine neue Bewegung, Europa Jetzt, die ethnische Konfliktlinien und den alten Machtkampf zwischen Djukanovic und pro-serbischen Kräften hinter sich lassen will. | /ausland/montenegro-wahl-105.html |
2023-03-19 | Auf den Spuren des Kolonialismus | Wuppertal | Die Initiative "Decolonize Wuppertal" schaut kritisch auf die Kolonialgeschichte der Stadt - damit das Zusammenleben heute besser wird. Dafür nehmen sie die Bürger mit auf einen besonderen Spaziergang. Von Caroline Hoffmann. | Die Initiative "Decolonize Wuppertal" setzt sich kritisch mit der Kolonialgeschichte der Stadt auseinander - damit das Zusammenleben heute besser wird. Dafür nehmen sie die Bürger mit auf einen besonderen Spaziergang. "Fällt Ihnen zum Thema Völkerschau, Menschenzoo etwas ein?", fragt Phyllis Quartey in die Runde. Im ersten Augenblick vielleicht eine ungewöhnliche Frage für einen Spaziergang an einem sonnigen kalten Sonntagmorgen im Zentrum Wuppertals. Doch ihre etwa 30 Zuhörerinnen und Zuhörer sind nicht überrascht. Denn deshalb sind sie hier: Sie wollen erfahren, was zur Zeit des Kolonialismus, im 18. und 19. Jahrhundert, in ihrer Stadt passiert ist - und wie es noch heute nachwirkt. "Das waren Veranstaltungen und Shows, wo Menschen aus anderen Ländern ausgestellt worden sind", antwortet eine junge Frau. "Zur Attraktion von Weißen." Phyllis Quartey von der Initiative "Decolonize Wuppertal" nickt und ergänzt: "Die Shows haben viel mit Stereotypen und Klischees gearbeitet. Es sollte sehr wild aussehen, so dass der westliche Mensch sieht, dass er zivilisierter und besser ist." Viele der Betroffenen seien verschleppt oder unter falschen Versprechungen angeheuert worden, erklärt sie weiter. Und an diesem Ort, heute das Rex Kino in Wuppertal Elberfeld, früher das Theater Eden, hätten solche Völkerschauen stattgefunden. "Wir sind mit den heutigen Besitzern in Kontakt getreten", ergänzt Meieli Borowsky-Islam. "Wir haben gefragt, ob es denn möglich wäre, so etwas wie eine Gedenktafel anzubringen." Damit jeder Passant erkennen kann, was hier einst geschah. Die Besitzer hätten sich offen gezeigt, jetzt sei man im Austausch. "Mal schauen, was sich daraus entwickelt." Rassistische Denkmuster durchbrechen Erinnern und erklären, welches Menschenbild in der Zeit des deutschen Kolonialismus entstanden ist, das ist "Decolonize Wuppertal" wichtig. Vor zwei Jahren gründete Borowsky-Islam mit zwei Freunden die Initiative. Sie bewarben sich mit ihrer Idee um ein Bürgerbudget - und gewannen, bekamen 20.000 Euro als Unterstützung. So konnten sie ihre Stadtspaziergänge realisieren. "Wir möchten durch die Geschichte dahin kommen, dass die Leute verstehen, dass Kolonialismus dazu beigetragen hat, dass immer noch rassistische Stereotype und Denkmuster existieren", erklärt sie. "Und dass immer noch Leute davon ausgehen, dass manche Menschen weniger Wert sind als andere." Es geht auch um die Frage, wie man heutzutage mit dem damaligen Unrecht umgehen sollte. Deshalb erzählt "Decolonize" von Sussy Dakaro, und rollt ein Plakat mit Bildern von ihr aus. Ihr richtiger Name ist nicht bekannt. Sie wurde im Jahr 1883 mit wohl 14 Jahren aus Australien verschleppt, und auch in Deutschland als "Wilde" vorgeführt. Mit 17 kam sie nach Wuppertal und starb hier kurz nach ihrer Ankunft an Tuberkulose. Ihr Schicksal spielt jetzt wieder eine Rolle: Wie ihre sterblichen Überreste nach Australien gebracht werden sollen, bestimmen nun nicht deutsche Behörden allein, sondern ihre Nachfahren. Wirtschaftliche Blüte durch Kolonialismus Die Gruppe spaziert weiter. Neben der Unterstützung von Kolonialisten durch Wuppertaler geht es auch um die Profite der alten Industriestadt durch die damaligen Warenströme. "Ich denke, dass es in jeder Stadt solche Geschichte gibt", erklärt "Decolonize"-Mitgründer Dirk Jädke die Auswahl dieses Themas für den Spaziergang. "Wir hatten sehr viel Textilhandel. Dabei hat Wuppertal durch den Kolonialismus profitiert, sonst hätte es diese Blütezeit für Elberfeld und Barmen gar nicht gegeben." "Decolonize" organisiert nicht nur den Spaziergang. Sie planen auch Materialien für den Schulunterricht, wollen Lesungen und Konzerte veranstalten - das alles in ihrer Freizeit. Außerdem setzen sie sich für die Umbenennung von Straßen und Geschäften mit kolonialen Bezügen ein. Gerade ist in der Stadt eine Diskussion um den Namen der Mohrenapotheke entbrannt. Unbekannte hatten sie beschmiert, den Namen durchgestrichen. "Decolonize Wuppertal" lehnt solchen Vandalismus ab, die Diskussion um den Namen aber finden sie richtig. "Es geht darum, was für Symbole in der Öffentlichkeit präsent sind und was die mit den Menschen, die in dieser Stadt leben, machen. Darüber muss man diskutieren" , sagt Urs Lindner von der Initiative. "Wenn man zu dem Schluss kommt, dass es eben rassistische Symbole sind, dann ist die Frage, ob man die heute noch braucht. Unserer Meinung nach braucht man sie nicht." Auch positiv erinnern Nach knapp zwei Stunden endet der Spaziergang am Denkmal der Wuppertalerin Helene Stöcker. Sie kämpfte nicht nur für die Rechte der Frauen, sondern auch gegen den Kolonialismus - doch das ist weniger bekannt. "Decolonize Wuppertal" möchte auch positiv erinnern. Den Teilnehmern hat der Spaziergang gefallen. "Ich fand es toll, weil ich viele neue Dinge gehört und entdeckt habe", sagt Barbara Lucas. Und Lara Christiansen ergänzt: "In meiner Schullaufbahn hat Kolonialisierung überhaupt keine Rolle gespielt, und deshalb fand ich es spannend, etwas dazu zu lernen. Gerade auch mit dem Bezug auf Wuppertal." Einmal im Monat bietet "Decolonize" den Wuppertalern ein anderes Bild ihrer Stadt - und hofft, sie damit auch nachhaltig zu verändern. | /inland/gesellschaft/decolonize-wuppertal-101.html |
2023-03-19 | Erneut Kurzstreckenrakete getestet | Nordkorea | Während der gemeinsamen Militärübungen der USA und Südkoreas hat Nordkorea erneut einen Raketentest durchgeführt. Machthaber Kim begründet das mit der "offenen Feindseligkeit", die Pjöngjang entgegengebracht werde.
mehr | Während der gemeinsamen Militärübungen der USA und Südkoreas hat Nordkorea erneut einen Raketentest durchgeführt. Machthaber Kim begründet das mit der "offenen Feindseligkeit", die Pjöngjang entgegengebracht werde. Nordkorea hat einen weiteren Raketentest unternommen. Nach südkoreanischen und japanischen Angaben wurde in der nordwestlichen Region Tongchangri eine ballistische Kurzstreckenrakete gestartet. Sie flog demnach rund 800 Kilometer, bis sie ins Meer vor der Ostküste einschlug. Die Manöver, die Südkorea aktuell mit den USA durchführt, würden fortgesetzt, teilte das südkoreanische Militär mit. Als Teil der Übungen flogen die USA nach Angaben des südkoreanischen Verteidigungsministeriums heute mindestens einen B-1B-Langstreckenbomber für ein gemeinsames Lufttraining mit südkoreanischen Kampfflugzeugen. Die Militärübungen laufen seit vergangenem Montag. Es ist das größte Manöver seit Jahren. Interkontinentalrakete am Donnerstag getestet Nordkorea begleitet die jährlichen gemeinsamen Militärübungen regelmäßig mit Drohungen und Raketentests, weil das Land darin die Vorbereitung einer Invasion sieht. Bereits am Donnerstag hatte Nordkorea eine Interkontinentalrakete getestet. Die staatliche Nachrichtenagentur KCNA meldete, Machthaber Kim Jong Un habe den Start der Rakete des Typs "Hwasong-17" persönlich überwacht. Er habe die Notwendigkeit unterstrichen, "Angst in den Feinden" auszulösen wegen der "offenen Feindseligkeit", die Pjöngjang durch die Militärübungen entgegengebracht werde. | /ausland/asien/nordkorea-raketentest-313.html |
2023-03-19 | Kasachstan wählt Parlament neu | Vorgezogene Abstimmung | Erstmals seit 20 Jahren treten bei den Parlamentswahlen in Kasachstan auch unabhängige Kandidaten an. Doch echte Konkurrenz zu Präsident Tokajew sei nicht zugelassen, kritisieren Experten.
mehr | Erstmals seit 20 Jahren treten bei den Parlamentswahlen in Kasachstan auch unabhängige Kandidaten an. Doch echte Konkurrenz zu Präsident Tokajew sei nicht zugelassen, kritisieren Experten. Im zentralasiatischen Kasachstan sind die Bügerinnen und Bürger aufgerufen, das Nationalparlament sowie Regional- und Kommunalvertretungen zu wählen. Das an China und Russland grenzende Land steht weiterhin unter dem Eindruck der Proteste aus dem vergangenen Jahr. Präsident Kassym-Schomart Tokajew ließ diese vielerorts - auch mithilfe russischer Truppen - niederschlagen. Als Folge der Ausschreitungen wurden mehr als 200 Menschen getötet. Kritiker werfen dem als autoritär geltenden Tokajew vor, er wolle durch die vorzeitigen Wahlen in erster Linie seine eigene Macht festigen. Der 69-Jährige ließ sich im vergangenen November mit mehr als 80 Prozent bei einer - ebenfalls vorgezogenen - Präsidentenwahl im Amt bestätigen und setzte dann die Neuwahl für die Parlamente an. Im Vorfeld der Abstimmungen brachte er mehrere Reformen auf den Weg und stellte einen Demokratisierungsprozess in Aussicht. Doch Wahlbeobachter kritisieren Defizite bei Presse- und Meinungsfreiheit. Zudem wurde zahlreichen Oppositionsparteien eine Teilnahme an der Wahl untersagt. Fünf-Prozent-Hürde und Quote Der unabhängige kasachische Politologe Dimasch Alschanow wirft dem Machtapparat zudem vor, kaum Konkurrenz zugelassen zu haben: Neben der Regierungspartei Amanat seien auch die übrigen sechs antretenden Parteien weitgehend regierungstreu, sagte Alschanow im Interview der Nachrichtenagentur dpa. "Deshalb denke ich, dass das Parlament weiterhin zu um die 90 Prozent aus Abgeordneten bestehen wird, die Tokajew gegenüber loyal sind", prognostizierte er. Internationale Wahlbeobachter loben aber auch einige Neuerungen - darunter etwa das Herabsenken der Hürde für einen Einzug ins Parlament von sieben auf fünf Prozent und die Zulassung von parteilosen Kandidaten. Erstmals seit fast 20 Jahren treten unabhängige Kandidaten zur Wahl an. Zuvor saßen im Unterhaus nur Mitglieder dreier regierungsfreundlicher Parteien. Zudem wurde eine Quote von 30 Prozent für Frauen, junge Menschen und Menschen mit Behinderungen eingeführt. Auch werden nun etwa alle 98 Abgeordneten des kasachischen Unterhauses (Maschilis) direkt vom Volk gewählt. Hohe Polizeipräsenz In Almaty, der größten Stadt Kasachstans, die normalerweise die größte Unterstützung für die Opposition zeigt, verlief die Abstimmung am Morgen laut einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters langsam. Die Polizeipräsenz auf den Straßen ist den Angaben zufolge hoch. Tokajew, der am frühen Morgen seine Stimme in Astana abgab, ohne mit der Presse zu sprechen, sagte, die Abstimmung würde es ihm ermöglichen, mit der Umsetzung seines Plans zu beginnen, das Land zu reformieren und eine gerechtere Verteilung seines Ölreichtums sicherzustellen. Die Wahllokale in der Ex-Sowjetrepublik, in der zwei Zeitzonen gelten, öffneten am Morgen und schließen um 20 Uhr Ortszeit (15 beziehungsweise 16 Uhr MEZ). Der Nachrichtenagentur AFP zufolge sind zwölf Millionen Menschen wahlberechtigt. Verbindung zu Russland Der Abschluss des politischen Übergangs dürfte auch Tokajews Position in der Außenpolitik stärken. Obwohl er während der Unruhen von 2022 die Unterstützung Moskaus erhielt, weigerte er sich, Russlands Invasion in der Ukraine zu unterstützen oder die Annexion einiger ukrainischer Gebiete anzuerkennen. Gleichzeitig versucht Astana, gute Beziehungen sowohl zu Moskau, seinem Nachbarn und wichtigsten Handelspartner, als auch zum Westen aufrechtzuerhalten. Ungleichheit und Korruption im größten Land Zentralasiens dauern zudem an und die Inflation schränkt die Kaufkraft der fast 20 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner ein. Im Januar 2022 hatten sich in dem ölreichen Land, das unter anderem an Russland und China grenzt, Proteste gegen hohe Preise und soziale Ungerechtigkeit in einen beispiellosen Machtkampf zwischen kasachischen Eliten umgewandelt. Tokajew ging als Sieger hervor und entmachtete den bis dahin immer noch sehr einflussreichen Ex-Langzeitpräsidenten Nursultan Nasarbajew. | /ausland/asien/kasachstan-vorgezogene-parlamentswahlen-101.html |
2023-03-19 | Mehrere Tote in Ecuador und Peru | Erdbeben der Stärke 6,8 | In Ecuador sind bei einem starken Erdbeben mindestens 15 Menschen ums Leben gekommen. Mehrere Menschen seien noch in den Trümmern eingestürzter Häuser eingeschlossen, sagte Präsident Lasso. In Peru starb mindestens ein Mensch.
mehr | In Ecuador sind bei einem starken Erdbeben mindestens 15 Menschen ums Leben gekommen. Mehrere Menschen seien noch in den Trümmern eingestürzter Häuser eingeschlossen, sagte Präsident Lasso. In Peru starb mindestens ein Mensch. Bei einem Erdbeben im Süden Ecuadors sind nach Angaben von Präsident Guillermo Lasso mindestens 15 Menschen ums Leben gekommen. Mindestens 381 Menschen wurden verletzt, wie die ecuadorianische Regierung mitteilte. Andere seien noch unter Trümmern eingeschlossen. Offiziellen Angaben zufolge starben elf Menschen in der Provinz El Oro. Zwei weitere Todesopfer wurden demnach in der Provinz Azuay gemeldet. Lasso rief die Bevölkerung auf Twitter dazu auf, Ruhe zu bewahren und sich über die offiziellen Kanäle zu informieren. Das Erdbeben war im Süden Ecuadors und im Norden Perus zu spüren, wo mindestens ein Mensch starb. Dem peruanischen Premierminister Alberto Otárola zufolge handelt es sich um ein kleines Mädchen, das beim Einsturz eines Hauses getötet wurde. USGS: Beben der Stärke 6,8 Die US-Erdbebenwarte USGS gab die Stärke des Bebens mit 6,8 an. Das Zentrum lag demnach rund 80 Kilometer südlich der Millionenstadt Guayaquil am Pazifik. Notable quake, preliminary info: M 6.7 - 6 km NNE of Baláo, Ecuador https://t.co/w577YHB2DP Die Notfallagentur gab bekannt, Feuerwehrleute arbeiteten daran, Menschen zu retten, während die Nationalpolizei den Schaden begutachtete. Die Arbeit der Rettungskräfte würde allerdings durch heruntergekommene Stromleitungen erschwert. Die Stromversorgung sei zudem unterbrochen, ebenso das Mobilfunknetz. Ecuador und Peru liegen auf dem sogenannten Pazifischen Feuerring, der sich entlang der Westküste des amerikanischen Kontinents erstreckt. Dort stoßen mehrere tektonische Platten aufeinander und lösen häufig Erdbeben aus. | /ausland/amerika/ecuador-erdbeben-tote-103.html |
2023-03-18 | Hoffen, dass die Lager sich leeren | Deutscher Betrieb in der Ukraine | Das deutsche Unternehmen UIFK Agro baut in der Ukraine unter anderem Weizen und Roggen an. Die Lager laufen zunehmend voll - der Agrarbetrieb hofft auf eine Verlängerung des Getreideabkommens. Von Andrea Beer. | Das deutsche Unternehmen UIFK Agro baut in der Ukraine unter anderem Weizen und Roggen an. Die Lager laufen zunehmend voll - der Agrarbetrieb hofft auf eine Verlängerung des Getreideabkommens. Dietrich Treis geht über den großen Hof von UIFK Agro in Koschy, rund eine Autostunde östlich von Kiew. Es wird geschweißt, denn die großen Traktoren, Erntemaschinen und Mähdrescher müssen in Schuss bleiben, so der Geschäftsführer. Auf rund 4500 Hektar baut das deutsche Unternehmen auf den Feldern der Umgebung an. Die Sonnenblumen werden in der Ukraine verkauft, aber Mais, Raps, Roggen und Weizen gehen über Händler an Kunden im Ausland, bis nach China. Das Land ist ein wichtiger Abnehmer von ukrainischem Getreide. Russlands Invasion sorgt für überfüllte Lager In den Silos und Hallen des Agrarbetriebs können bis zu 22.000 Tonnen lagern, sagt Lagermeisterin Natalyja Ivanovna und seufzt. Der Krieg begann 2014, doch die russische Großinvasion habe viel geändert. Man könne nicht mehr die gesamte Fläche der Felder nutzen, wegen der Minen: "Und wegen der Sperrstunde arbeiten wir nur zwischen fünf und elf Uhr abends. In der Landwirtschaft genügt das einfach nicht. Normalerweise sind unsere Lager um diese Jahreszeit leer, aber wir haben noch 4000 Tonnen Mais, 1000 Tonnen Sonnenblumen und 2800 Tonnen Weizen, und das ist zu viel." Rund 4000 Tonnen Getreide warten auf den Abtransport Gemeinsam mit Treis steht sie in der Lagerhalle mit dem Mais. Das Getreide-Export-Abkommen ist wichtig, betont der Geschäftsführer. Er schätzt, dass sehr viele Betriebe in der Ukraine noch sehr viel Getreide im Lager haben. Auch bei UIFK Agro sind Silos, Hallen oder Spezial-Plastikschläuche nicht leer. Das Getreide im Lager sei eigentlich schon verkauft, werde aber im Moment nicht an den Schwarzmeerhäfen angenommen, weil keine Schiffe kämen um die Lager dort freizumachen, so Ties. Die Lieferfrist für das verkaufte Getreide sei eigentlich schon abgelaufen. "Wir haben zum Glück den größten Teil unseres Getreides schon vermarktet, aber immerhin noch rund 4000 Tonnen, die eigentlich nur auf den Abtransport zum Hafen warten", sagt der Geschäftsführer. Dafür mietet das deutsche Unternehmen Lastwagen oder Zugwaggons. Vorteil hier: Bahnladungen werden am Hafen in Odessa oder Tschornomorsk sicher angenommen. Anders Lkw, die zudem oft warten müssen. Auch Schiffe stauen sich zurzeit. Allein im Februar dieses Jahres seien nur rund die Hälfte der knapp 300 geplanten Kontrollen gemacht worden, heißt es beim zuständigen Infrastrukturminister Oleksandr Kubrakow. Russland führe verabredete Schiffskontrollen im Bosporus systematisch langsam durch, so der Vorwurf aus Kiew. Ukrainische Agrarexporte laufen überraschend gut Auch Treis hält das für möglich. Zu Beginn des Getreideabkommens hätte die russische Seite offenbar nicht erwartet, dass die Ukraine den Getreidekorridor durch das Schwarze Meer Richtung Bosporus so schnell und gut nutzen würde, vermutet der 58-Jährige. "Nachdem Russland gemerkt hat, dass die Ukraine doch erhebliche Mengen rausbringt, plus das, was jetzt über Land rausgeht, haben sie angefangen zu verzögern." In der Tat laufen ukrainische Agrarexporte über die drei Häfen am Schwarzen Meer durch den Getreidekorridor bisher überraschend gut. Die schwierige Logistik und hohe Transportkosten drücken die Getreidepreise in der Ukraine weit unter den Weltmarktpreis. Moskau will die Getreidevereinbarung nur um 60 Tage verlängern und fordert zudem weniger Sanktionen - etwa beim Export von Ammoniak-Dünger durch eine Pipeline in der Ukraine, die zurzeit stillgelegt ist. Die Ukraine möchte mindestens 120 Tage und keine Erleichterung der Sanktionen. Die Mitarbeiterin von Präsidentenberater Andrij Jermak, Daria Sariwna, sagte, Russland tue alles, dass das Getreideabkommen nicht funktioniere und nicht verlängert werde: "Warum ist doch klar: Russland will die Ukraine als Konkurrenten vom Weltmarkt verdrängen und der ukrainischen Wirtschaft schaden. Zudem ist es Teil des Informationskriegs. Russland will vermitteln, dass die bedürftigsten Länder wegen des Kriegs in der Ukraine leiden würden." Der Betrieb möchte den Mitarbeitern Stabilität vermitteln In der Ukraine herrscht Kriegsrecht und die Armee hat das Recht, Lastwagen oder Maschinen zu beschlagnahmen. Einige Lastwagen habe Tries zu Beginn der russischen Großinvasion abgegeben und Getreide an Armee und die Menschen der Umgebung gespendet. Der Betrieb will im Land bleiben, auch investieren und damit in der schwierigen Zeit des russischen Angriffs für die rund 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zumindest eine gewisse Stabilität vermitteln, so Treis. Ein Teil der Männer könnte jedoch eingezogen werden. Das könnte mehr als 20 Wehrpflichtige treffen, sagt Treis - vor allem Traktorfahrer, die bei der heutigen Technik des Berufs nicht zu ersetzen seien. "Wenn ein größerer Teil, gerade auch die Guten, eingezogen würden, hätten wir erhebliche Probleme. Das sind Fachkräfte, die man nicht einfach austauschen kann." | /ausland/ukraine-deutscher-agrarbetrieb-101.html |
2023-03-18 | Mehr als nur Bauchschmerzen | Diagnose Endometriose | Endometriose ist eine bislang unheilbare und noch wenig erforschte Krankheit. Allein in Deutschland gibt es jährlich etwa 40.000 Neuerkrankungen - der Bedarf an besseren Diagnose- und Therapiemöglichkeiten ist hoch. Von Lena Schmidt. | Endometriose ist eine bislang unheilbare und noch wenig erforschte Krankheit. Allein in Deutschland gibt es jährlich etwa 40.000 Neuerkrankungen - der Bedarf an besseren Diagnose- und Therapiemöglichkeiten ist hoch. Endometriose zählt zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen und ist dennoch weitestgehend unerforscht. Noch immer dauert die Diagnose lang, eine Ursache ist unbekannt. Im gebärfähigen Alter sind schätzungsweise zehn Prozent von Endometriose betroffen. Gebärfähig - das sind alle Menschen mit Gebärmutter, die ihre Periode bekommen: Mädchen und Frauen, aber beispielsweise auch genderqueere und trans Personen. Angaben der Weltgesundheitsorganisation zufolge betrifft Endometriose etwa 190 Millionen Menschen weltweit. Betroffene leiden meistens unter starken Menstruationsschmerzen. Doch das ist nicht das einzige Symptom. Auch chronische Bauchschmerzen, starke Erschöpfung, Übelkeit und Erbrechen sowie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr treten bei der Erkrankung auf. Teilweise ist ein normales Berufs- und Sozialleben kaum möglich. Weil die Liste an möglichen Symptomen lang ist, das Krankheitsbild individuell und die Auswirkungen oft versteckt, gilt die Krankheit als "Chamäleon der Gynäkologie". Möglicher Grund für Unfruchtbarkeit Grundsätzlich passiert im Körper Folgendes: Bei einer Endometriose siedeln sich spezielle Schleimhautzellen außerhalb der Gebärmutter an, zum Beispiel in Bauch- oder Beckenraum oder an der Scheidenwand. Doch auch angrenzende Organe wie Darm und Blase können betroffen sein, seltener sogar Zwerchfell oder Lunge. Dort entstehen durch das gebärmutterähnliche Gewebe gutartige Wucherungen. Diese sogenannten Endometriose-Herde verändern sich wie die Gebärmutterschleimhaut zyklusbedingt. Während des Zyklus baut sich die Gebärmutterschleimhaut auf, damit sich eine befruchtete Eizelle einnisten kann. Nistet sich keine Eizelle ein, wird die Schleimhaut mit der Periode ausgeschieden. An beispielsweise Darm oder Blase ist dies nicht möglich - daher entstehen Verklebungen, Entzündungen und mit Flüssigkeit gefüllte, abgekapselte Hohlräume im Gewebe: Zysten. Solche Zysten bilden sich mitunter auch an Eierstöcken oder Eileitern - und können die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Schätzungen zufolge könnte bei 40 bis 60 Prozent der Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch Endometriose der Grund sein. Noch keine Heilung möglich Es gibt noch keine abschließende Heilung für Endometriose. Nach der Menopause klingen die Beschwerden zwar meist ab, aber dann war der Leidensweg schon sehr lang: Frauen bekommen ihre letzte Regelblutung durchschnittlich im Alter von 51 Jahren. Die Behandlungsmöglichkeiten bieten unterschiedliche Erfolgsaussichten. Eine hormonelle Behandlung der Krankheit - zum Beispiel mit der Antibabypille oder Gestagenen - kann die Beschwerden lindern. Doch gerade für Menschen mit Kinderwunsch eignet sich eine Behandlung mit Verhütungsmitteln eben nicht als Therapie. Neben einer hormonellen Behandlung kommen auch operative Eingriffe in Frage. Bei einer Bauchspiegelung etwa können die Endometriose-Herde erkannt und minimalinvasiv entfernt werden. Auch die Gebärmutter oder die Eierstöcke und Eileiter können, falls sie betroffen sind, entnommen werden. Selbst wenn die Beschwerden dadurch gelindert werden oder ganz verschwinden: Es ist nicht ausgeschlossen, dass Endometriose-Herde trotz der Eingriffe nachwachsen. Viele greifen wegen der Schmerzen zu hochdosierten Schmerzmitteln - doch das ist angesichts der Nebenwirkungen keine Lösung von Dauer. Schmerztagebuch erleichtert Diagnose Periodenschmerzen, die nur mit schmerz- oder krampflösenden Mitteln auszuhalten sind, sind jedenfalls ein Alarmsignal für Endometriose. Bei dauerhaften Schmerzen sollte man "stutzig werden", wie Juliane Grimm, Sprecherin des Endometriosezentrums an der Uniklinik Freiburg, im Interview mit dem SWR, erklärt. Da die Forschung zu Endometriose jedoch noch am Anfang steht und es nur wenige Spezialistinnen und Spezialisten auf dem Gebiet gibt, vergehen meist viele Jahre bis zur Diagnose. Grimm erwartet innerhalb der nächsten Jahre eine Verbesserung, das Bewusstsein für die Krankheit sei schon viel größer geworden. Eine Diagnose per Ultraschall oder Kernspintomografie sei nicht bei allen Endometriose-Arten möglich, erläutert sie. "Deswegen ist da der Goldstandard leider weiterhin die Bauchspiegelung, das heißt: eine Operation", so die Medizinerin. In vielen Fällen werden gefundene Endometriose-Herde dann direkt entfernt. Ärztinnen und Ärzten kann die Diagnose erleichtert werden, indem Betroffene ein Schmerztagebuch führen. Dafür gibt es beispielsweise eine Vorlage der Deutschen Endometriose-Vereinigung oder Apps, die sogar auf Rezept verordnet werden können. Mehr Geld für Forschung Auch ein neuer Speicheltest macht Hoffnung. Vorteil: Er ist risikofrei und nicht-invasiv - aber die Datenlage zur Wirksamkeit ist noch dünn. Außerdem sind die Kosten sehr hoch. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen diese derzeit nicht. Abgesehen davon wird unter anderem auch an Bluttests und alternativen Therapien geforscht. Und: Die Endometriose-Forschung bekommt mehr Geld. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat im vergangenen Herbst Forschungsmittel in Höhe von fünf Millionen Euro beschlossen - ein wichtiges Zeichen im Kampf gegen diese Krankheit, die viele betrifft und mehr ist, als ein bisschen Bauchschmerzen. | /wissen/gesundheit/endometriose-103.html |
2023-03-18 | Wie Kokain Kurs auf deutsche Häfen nimmt | Rauschgiftschmuggel | Kokainschmuggler entdecken deutsche Häfen als Umschlagplätze. Drohen in Bremerhaven und Hamburg Verhältnisse wie in Belgien, wo Drogenhändler vor Erpressung und Mord nicht zurückschrecken? Von Sebastian Manz. | Kokainschmuggler entdecken deutsche Häfen als Umschlagplätze, die Mengen beschlagnahmten Rauschgifts steigen. Drohen in Bremen und Hamburg Verhältnisse wie in Belgien, wo Drogenhändler vor Erpressung und Mord nicht zurückschrecken? In Bremerhaven haben sich kriminelle Strukturen verfestigt - so sieht es Bremens Häfensenatorin Claudia Schilling, wenn sie die Aktivitäten der Drogenmafia in Deutschlands zweitgrößtem Seehafen beschreibt. "Hafenmitarbeiter werden angesprochen und etwa aufgefordert, eine Tasche mit Drogen nach draußen zu nehmen oder einen Container woanders hinzustellen", berichtet die SPD-Politikerin. Es seien auch Fälle bekannt, in denen Menschen mittels Waffengewalt bedroht oder erpresst worden seien. Nordseehäfen sind dem jüngsten Bericht des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) zufolge mittlerweile die wichtigsten Import-Drehscheiben für Kokain nach Westeuropa. "Europa ist für lateinamerikanische Kokain-Produzenten in den vergangenen Jahren ein deutlich interessanterer Markt geworden", sagt Soziologin Zora Hauser, die an der Oxford University Entwicklungen des Kokainhandels erforscht. Das liege einerseits daran, dass in Europa mehr Kokain konsumiert werde als früher. Hinzu komme allerdings auch, dass es viele lateinamerikanische Produzenten und Händler als risikoarm einstuften, die Droge nach Europa zu schmuggeln. Strafverfolgung, wie sie etwa die USA in produzierenden Ländern betreibe, drohe den Kokainschmugglern durch europäische Behörden kaum. Sie müssten ihre Heimat meist gar nicht verlassen. Es reiche, europäische Partner zu haben - und an denen mangele es nicht. "Das sind häufig lokale Gruppierungen, die das nötige Netzwerk und die Mittel haben, um etwa Hafenpersonal zu korrumpieren", sagt die Wissenschaftlerin. Nach Deutschland verlagert? Unter diesen Voraussetzungen wachsen die transatlantischen Drogenexporte Richtung Europa seit Jahren. Hamburgs Zöllner etwa vermeldeten 2021 die Rekordmenge von 19 Tonnen an beschlagnahmtem Kokain. Vergleichsweise wenig angesichts der 110 Tonnen, die der belgische Zoll im vergangenen Jahr in Antwerpen entdeckt hat. Am Beispiel des größten Hafen Belgiens zeigt sich, welchen Preis ein Gemeinwesen unter Umständen zahlen muss, wenn es zum Hotspot des Organisierten Verbrechens wird. "Die Kriminellen bedrohen Richter, Staatsanwälte und Reederei-Manager", berichtete der belgische Justizminister Vincent van Quickenborne in einem Gespräch mit dem "Stern". "Die Drogenmafia will Entscheidungsträger angreifen", so der Minister. Er und seine Familie leben nach einem vereitelten Entführungsversuch unter Polizeischutz. Van Quickenborne geht davon aus, dass sich der Kokainschmuggel künftig stärker Richtung Deutschland verlagert. Die belgischen und niederländischen Behörden hätten technisch und personell aufgerüstet, um den Aktivitäten der Kartelle etwas entgegenzusetzen. "Wie Wasser nimmt Kokain den Weg des geringsten Widerstands. Da wir den Hafen von Antwerpen besser sichern, ist sehr gut möglich, dass sich diese Hauptversorgungslinien nach Hamburg oder Bremerhaven verlagern", glaubt der Minister. Bremische Behörden alarmiert Die Hamburger Wirtschaftsbehörde will "Ausweichbewegungen krimineller Aktivitäten" nicht ausschließen, die Behörden in Bremen sind regelrecht alarmiert. In einem gemeinsamen Brief an das zuständige Bundesfinanzministerium fordern Häfensenatorin und Innensenator unter anderem Verstärkung für den Zoll in Bremerhaven. "Wir müssen unsere Bemühungen um eine Stärkung der Sicherheit jetzt intensivieren, bevor es schlimmstenfalls zu ersten Todesopfern kommt", heißt es in dem Brief. In seinem Antwortschreiben lässt das Ministerium wissen, dass es den Zoll bereits für gut aufgestellt hält. Zusagen für eine etwaige Verstärkung gibt es nicht. Die Haltung des Bundesfinanzministeriums stößt bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf Unverständnis. "Der Zoll ist in Deutschland die Schmuggel-Bekämpfungsbehörde schlechthin, für diese Aufgabe allerdings denkbar schlecht aufgestellt", sagt Frank Buckenhofer, Vorsitzender von GdP-Zoll. Angesichts der Herausforderungen, vor die der Kokain-Schmuggel die deutschen Seehäfen schon heute stelle, habe der Zoll weder genug Personal noch die angemessene technische Ausstattung. Auch hätten sich die Führungsstrukturen der Behörde in der Vergangenheit als äußerst träge erwiesen. "Der Zoll muss dringend schlagkräftiger aufgestellt werden, wenn wir den Aktivitäten der Drogenkartelle wirkungsvoll begegnen wollen", so Buckenhofer. "Es ist vor allem Korruption, die den Kokainimport in europäischen Häfen überhaupt erst möglich macht", betont Soziologin Zora Hauser. In Bremen setzt der Senat deshalb seit knapp einem Jahr auf ein Meldeportal, über das die Hafenbelegschaft den Behörden anonyme Hinweise auf Schmuggelaktivitäten geben kann. Bisher sind allerdings keine eingegangen. | /inland/gesellschaft/kokain-schmuggel-105.html |
2023-03-18 | Scholz und Minister in Japan | Regierungskonsultationen | Zum ersten Mal ist ein Bundeskanzler mit einer Regierungsdelegation nach Japan geflogen. Japans Premierminister Kishida nannte die Beziehungen mit Deutschland stärker denn je. Ein Schwerpunkt der Gespräche ist die Wirtschaftssicherheit.
mehr | Zum ersten Mal ist ein Bundeskanzler mit einer Regierungsdelegation nach Japan geflogen. Japans Premierminister Kishida nannte die Beziehungen mit Deutschland stärker denn je. Ein Schwerpunkt der Gespräche ist die Wirtschaftssicherheit. Japans Premierminister Fumio Kishida hat die Beziehungen zu Deutschland als so intensiv wie nie zuvor gewürdigt. "Die japanisch-deutschen Beziehungen sind stärker und enger denn je", sagte Kishida nach einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Tokio. Unmittelbar danach fanden die ersten bilateralen Regierungskonsultationen beider Länder statt. Bei finanziellen Ungewissheiten, die durch Probleme zwischen westlichen Banken entstehen, wollen sich Japan und Deutschland künftig eng abstimmen. Das vereinbarten Bundesfinanzminister Christian Lindner und sein japanischer Amtskollege Shunichi Suzuki bei einem 45-minütigen Treffen. Gleichzeitig wolle man die globalen Märkte und die Wirtschaft sorgfältig überwachen, sagte ein Beamter des japanischen Finanzministeriums gegenüber Reuters. Bundeskanzler Olaf Scholz und sechs seiner Ministerinnen und Minister sind für die ersten japanisch-deutschen Regierungskonsultationen in Tokio. Nach mehr als zwölf Stunden Flug über Nacht mit der Regierungsmaschine "Konrad Adenauer" landeten sie in der japanischen Hauptstadt. Die Beratungen der beiden Regierungen sollen die Beziehungen der ohnehin schon eng befreundeten Länder noch einmal deutlich aufwerten. Geleitet werden sie von Scholz und dem japanischen Ministerpräsidenten Fumio Kishida. Die Rückreise ist für Sonntagmorgen geplant. Im Mittelpunkt soll das Thema Wirtschaftssicherheit stehen. Es geht dabei vor allem um den Ausbau internationaler Kooperationen, um Abhängigkeiten von einzelnen Wirtschaftsmächten - etwa beim Import von Rohstoffen - zu reduzieren. Deutschland will Lehren aus der früheren Gas-Abhängigkeit von Russland ziehen, die nach der russischen Invasion in der Ukraine nur durch einen Kraftakt wieder aufgelöst werden konnte. Es geht auch um Verteidigungsfragen Japan, das ebenfalls in großer Menge Rohstoffe importiert, hat eigens ein Gesetz zur Wirtschaftssicherheit erlassen, das von der Bundesregierung als vorbildlich angesehen wird. Für das Schwerpunktthema wurde zudem ein eigener Ministerposten geschaffen. Es geht bei dem Treffen aber auch um Verteidigungsfragen. Die Bundeswehr hat bereits ein Kriegsschiff und Kampfjets in die Pazifikregion geschickt, um die Zusammenarbeit mit den befreundeten Streitkräften dort zu stärken. Sie will auch in diesem Jahr wieder an Übungen teilnehmen. "Wir werden auch weiterhin im Indopazifik Flagge zeigen", heißt es aus der deutschen Delegation. Im Südchinesischen Meer gibt es mehrere Territorialkonflikte zwischen China und Ländern wie Vietnam, den Philippinen und Malaysia. Hinzu kommt der Konflikt zwischen China und Taiwan, das sich als unabhängig ansieht, was von der Regierung in Peking nicht akzeptiert wird. Erstes asiatisches Land, das Scholz 2022 besuchte Für die Bundesregierung sind Regierungskonsultationen - also Treffen mehrerer Kabinettsmitglieder beider Seiten - nichts Neues. Es gab sie in der Vergangenheit zum Beispiel schon mit China, Indien, Brasilien, Israel und bis 2012 auch mit Russland. Damit werden die Beziehungen zu ohnehin schon engen oder strategisch wichtigen Partnern weiter vertieft. Dass Japan nun in diesen "exklusiven Club" aufgenommen werde, sei "eine logische Komplettierung", heißt es aus der deutschen Delegation. Scholz hat sich nach seinem Amtsantritt sehr um eine Vertiefung der Beziehungen zu Japan bemüht. Im April 2022 war es das erste asiatische Land, das er besuchte. Er folgte damit ganz bewusst nicht dem Beispiel seiner Vorgänger Angela Merkel und Gerhard Schröder, die zuerst nach China gereist waren. Deutschland will sich breiter aufstellen Damit setzte Scholz schon damals das Signal, dass sich Deutschland in Asien breiter aufstellen will, um die wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu vermindern. Der Kanzler wird in Tokio von sechs Ministerinnen und Ministern begleitet: Wirtschaftsminister Robert Habeck, Außenministerin Annalena Baerbock, Finanzminister Christian Lindner, Innenministerin Nancy Faeser, Verteidigungsminister Boris Pistorius und Verkehrsminister Volker Wissing. Vor Ort sollte eine elfköpfige Wirtschaftsdelegation hinzustoßen. Japan hat derzeit den Vorsitz in der G7, einer Gruppe wirtschaftsstarker Demokratien. Das jährliche Gipfeltreffen findet im Mai in Hiroshima statt. Scholz wird dann erneut nach Japan reisen. | /ausland/asien/scholz-kabinett-japan-101.html |
2023-03-18 | "The Wire"-Star Lance Reddick gestorben | US-Schauspieler | Der durch seine Rolle als Polizist in "The Wire" bekannte Schauspieler Lance Reddick ist im Alter von 60 Jahren gestorben. Er spielte auch in den "John Wick"-Filmen mit Keanu Reeves mit.
mehr | Der durch seine Rolle als Polizist in "The Wire" bekannte Schauspieler Lance Reddick ist im Alter von 60 Jahren gestorben. Er spielte auch in den "John Wick"-Filmen mit Keanu Reeves mit. US-Schauspieler und "The Wire"-Polizist Lance Reddick ist tot. Er starb nach Angaben seines Managements im Alter von 60 Jahren, wie mehrere US-Medien übereinstimmend meldeten. Eine genaue Ursache für den plötzlichen Tod wurde zunächst nicht genannt. Nach Angaben der Promi-Website "TMZ" wurde Reddick tot in seinem Haus in Studio City im Großraum Los Angeles aufgefunden. Reddick begann seine Schauspielkarriere in den 90er Jahren mit Auftritten unter anderem in der Show "The West Wing". Weltweite Aufmerksamkeit aber bekam er mit einer Rolle als Polizist in seiner Geburtsstadt Baltimore (Maryland): Als Lieutenant Cedric Daniels in der bahnbrechenden Drama-Serie "The Wire" leitete Reddick ab 2002 eine Untersuchungseinheit im Bereich der organisierten Kriminalität. In dieser Rolle zeigte Reddick seine starke schauspielerische Präsenz mit einem Charakter, der an sich eher zurückhaltend, streng professionell und ein wenig spröde war. Reddick drehte bis kurz vor seinem Tod Reddick trat in vielen bekannten TV-Serien und auch Filmen auf - darunter zuletzt "Godzilla vs. Kong" oder die Shows "Bosch", "Lost" und "Fringe". Er drehte bis kurz vor seinem Tod: In den kommenden Tagen soll in Deutschland der Actionfilm "John Wick: Kapitel 4" anlaufen, in dem Reddick die Rolle des «Charon» spielt, einem Concierge in einem New Yorker Hotel. | /kultur/lance-reddick-schauspieler-tot-101.html |
2023-03-18 | ++ Weitere ukrainische Sanktionen gegen Russland ++ | Russlands Krieg gegen die Ukraine | Der ukrainische Präsident Selenskyj hat weitere Sanktionen seines Landes gegen Russland, Iran und Syrien angekündigt. Die Ukraine meldet zwei Tote in Kramatorsk. Der Liveblog von Samstag.
mehr | Der ukrainische Präsident Selenskyj hat weitere Sanktionen seines Landes gegen Russland, Iran und Syrien angekündigt. Die Ukraine meldet zwei Tote in Kramatorsk. Der Liveblog von Samstag. Selenskyj kündigt weitere Sanktionen gegen Russland anUkrainische Regierung tauscht Minister ausErdogan: Getreideabkommen wird verlängertPutin besucht Krim am Jahrestag der Annexion Ende des Liveblogs Für heute schließen wir den Liveblog, vielen Dank für Ihr Interesse! Selenskyj kündigt weitere Sanktionen gegen Russland an Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat neue Sanktionen seines Landes gegen Russland und dessen Verbündete Iran und Syrien angekündigt. "Die ukrainischen Sanktionen sind Teil des globalen Drucks auf Russland", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Insgesamt betroffen seien 400 Personen und Firmen, darunter auch die Verantwortlichen für die Lieferungen der iranischen Shahed-Drohnen. Diese werden vom russischen Militär im Angriffskrieg gegen die Ukraine eingesetzt. Die Sanktionen haben wohl vor allem eine symbolische Bedeutung, da die meisten Betroffenen keine Geschäfte mit Kiew unterhalten. Ukraine meldet Tote bei Angriffen auf Kramatorsk Bei russischen Angriffen auf die Stadt Kramatorsk im Osten der Ukraine sind nach Angaben der örtlichen Behörden zwei Menschen getötet worden. Acht Menschen seien verletzt worden, drei von ihnen schwer, teilte Bürgermeister Oleksandr Gontscharenko auf Facebook mit. Bei dem Angriff sei Streumunition eingesetzt worden. Mehrere Gebäude seien beschädigt worden. Reporter der Nachrichtenagentur AFP hörten im Kramatorsk gegen 16 Uhr ein Dutzend Explosionen und sahen Rauch in einem Park im Süden der Stadt aufsteigen. Kurz darauf waren in einem Wohngebiet mehrere weitere Explosionen zu hören. In dem Park erlag eine Frau, die von Munitionssplittern getroffen wurde, noch vor Ort ihren Verletzungen. Ukrainische Regierung tauscht Minister aus In der kommenden Woche werden in der ukrainischen Regierung nach offiziellen Angaben zwei Minister ausgetauscht. "Heute haben wir bei der Fraktionssitzung der politischen Partei 'Diener des Volkes' Kaderveränderungen in der Regierung besprochen, die für die kommende Woche geplant sind", teilte Regierungschef Denys Schmyhal über seinen Telegramkanal mit. Dies betreffe das Bildungs- und das Industrieministerium. So soll der aktuelle Minister für Bildung und Wissenschaft, Serhij Schkarlet, durch Oksen Lisowyj ersetzt werden, der bislang Direktor der Kleinen Akademie der Wissenschaften war und als Freiwilliger in einer Luftlandebrigade gedient hat. Das Ministerium für strategische Industriesektoren soll der ehemalige Chef der ukrainischen Eisenbahn übernehmen, Olexander Kamyschin. Er wird Pawlo Rjabykin ersetzen. Darüber hinaus soll Vizeregierungschef Mychajlo Fedorow künftig zusätzlich für Innovation, Bildung, Wissenschaft und Technologie verantwortlich sein. Nach Medienberichten tritt zumindest Bildungsminister Schkarlet aus eigenem Antrieb zurück. Zu den Gründen ist nichts bekannt. Zuletzt war die ukrainische Regierung von mehreren Korruptionsskandalen erschüttert worden, die zu einigen Absetzungen geführt hatten. Proteste vor westlichen Botschaften in Moskau In Moskau haben anlässlich des neunten Jahrestages der russischen Annexion der Krim kremltreue Aktivisten vor den Botschaften von 20 als "unfreundlich" eingestuften Ländern protestiert, darunter auch vor der diplomatischen Vertretung Deutschlands. Diese Länder, neben Deutschland unter anderem die USA, Großbritannien, Frankreich und Polen, "unterstützen die Ukraine und liefern aktiv tödliche Waffen an das ukrainische Regime", erklärte die Jugendbewegung "Molodaja gwardia" ("Junge Garde"). Der "Plan" des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und von US-Präsident Joe Biden sehe vor, "die Krim mithilfe dieser tödlichen Waffen zurückzuerobern", sagte der Anführer der Bewegung, Anton Demidow, der Nachrichtenagentur AFP vor der US-Botschaft, wo rund 400 Menschen demonstrierten. Auf Plakaten war zu lesen: "USA, du säst den Tod" und "Die Krim für immer bei Russland". Die kremltreue Bewegung gab die Zahl der Demonstrierenden mit insgesamt 5000 an. Erdogan: Getreideabkommen wird verlängert Russland und die Ukraine haben sich auf eine Verlängerung des Getreideabkommens geeinigt. Das teilte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit. "Nach unseren Gesprächen mit beiden Seiten haben wir die Verlängerung des Abkommens erreicht, das am 19. März auslaufen sollte", sagte Erdogan bei einer Veranstaltung im Westen der Türkei. Unklar war zunächst, bis wann das Abkommen verlängert wird. Zuvor hatte Ankara erklärt, dass es auf eine Verlängerung um 120 Tage hoffe. Russland hingegen bestand auf einer Verlängerung um lediglich 60 Tage. Das Getreideabkommen war im vergangenen Juli unter Vermittlung der UN und der Türkei unterzeichnet worden, um die sichere Ausfuhr von ukrainischem Getreide durch einen Schutzkorridor im Schwarzen Meer zu ermöglichen. Putin besucht Krim am Jahrestag der Annexion Am neunten Jahrestag der Annexion der Krim durch Russland ist Präsident Wladimir Putin auf die ukrainische Halbinsel im Schwarzen Meer gereist. Der russische Staatschef stattete der Hafenstadt Sebastopol, dem Heimathafen der russischen Schwarzmeerflotte, einen unangekündigten Besuch ab, wie das russische Fernsehen meldete. Dort besuchte er in Begleitung des örtlichen Gouverneurs Michail Raswoschajew eine Kunstschule, wie Bilder des Fernsehsenders Rossia-1 zeigten. "Unser Präsident Wladimir Wladimirowitsch weiß, wie man überrascht. Im wahrsten Sinne des Wortes", erklärte Raswoschajew im Kurznachrichtendienst Telegram. Eigentlich habe Putin per Videokonferenz an der Einweihung der Kunstschule für Kinder teilnehmen wollen. Die ukrainische Halbinsel war 2014 nach einem umstrittenen Referendum, das die Regierung in Kiew und der Westen als illegal werten, von Russland ins eigene Staatsgebiet eingegliedert worden. Wagner-Chef will 30.000 neue Kämpfer anwerben Der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, will bis Mitte Mai rund 30.000 neue Kämpfer unter Vertrag nehmen. In einer Audiobotschaft im Kurznachrichtendienst Telegram erklärte er, pro Tag würden in den Anwerbestellen in 42 russischen Städten 500 bis 800 Männer rekrutiert. London: Russland will Wehrpflicht ausweiten Russlands Behörden bereiten sich nach Einschätzung britischer Geheimdienste wahrscheinlich auf eine Ausweitung des Wehrdienstes vor, um die Streitkräfte zu verstärken. Am 13. März sei im russischen Unterhaus ein Gesetzentwurf eingebracht worden, wonach künftig Männer im Alter zwischen 21 und 30 Jahren einberufen werden sollen statt wie bisher Männer zwischen 18 und 27 Jahre, teilte das britische Verteidigungsministerium mit. "Das Gesetz wird voraussichtlich verabschiedet und würde dann im Januar 2024 in Kraft treten", hieß es. Seit der Zeit der Sowjetunion beruft Russland zweimal jährlich Wehrpflichtige ein. "Offiziell schließt Russland Wehrpflichtige weiterhin von Operationen in der Ukraine aus, obwohl mindestens Hunderte wahrscheinlich zum Einsatz gekommen sind - durch Verwechslungen der Behörden oder nachdem sie zum Unterzeichnen von Verträgen gezwungen worden sind", schrieb das britische Ministerium. Nach Angaben der Geheimdienste beantragen viele 18- bis 27-Jährige derzeit die Befreiung von der Wehrpflicht, indem sie darauf verweisen, dass sie sich in der Hochschulausbildung befinden. Die Behörden änderten die Altersspanne nun wahrscheinlich, um die Truppenstärke zu erhöhen, hieß es. "Selbst wenn Russland weiterhin auf den Einsatz von Wehrpflichtigen im Krieg verzichtet, werden zusätzliche Wehrpflichtige eine größere Zahl von professionellen Soldaten für Kampfhandlungen verfügbar machen." Latest Defence Intelligence update on the situation in Ukraine - 18 March 2023.Find out more about Defence Intelligence's use of language: https://t.co/b1caNLrk5z🇺🇦 #StandWithUkraine 🇺🇦 https://t.co/UEtuzv53WD Scholz begrüßt Haftbefehl gegen Putin Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin begrüßt. "Der Internationale Strafgerichtshof ist die richtige Institution, um Kriegsverbrechen zu untersuchen", sagte Scholz bei seinem Besuch in Tokio. Niemand stehe über dem Gesetz. Die Bundesregierung habe immer dafür gesorgt, dass der IStGH die gebührende Bedeutung bekomme. Er wisse nicht, ob Putin an dem G20-Gipfel in Indien teilnehmen werde, sagte Scholz. Japans Ministerpräsident Fumio Kishida äußerte sich zurückhaltend. Moskau fordert Aufhebung von Exportbarrieren Russland knüpft seine Zustimmung zu einer Verlängerung des Getreideabkommens mit der Ukraine an Forderungen, westliche Beschränkungen beim Export von eigenen Landwirtschaftsgütern abzubauen. "Sind Washington, Brüssel und London wirklich daran interessiert, den Lebensmittelexport aus der Ukraine über den Seeweg fortzuführen, so haben sie zwei Monate, um mithilfe der UN die ganze Kette von Operationen, die mit dem russischen Agrarexport zusammenhängt, aus dem Wirkungsbereich der Sanktionen zu nehmen", sagte Moskaus UN-Vertreter Wassili Nebensja in New York. Andernfalls zog er eine neue Verlängerung des Abkommens in Zweifel. Ukrainische Flugabwehr schießt elf russische Drohnen ab Russland hat in der Nacht mehrere ukrainische Regionen mit Drohnen angegriffen. Die ukrainische Luftwaffe teilte auf Telegram mit, 11 von 16 Drohnen seien "in den zentralen, westlichen und östlichen Regionen" abgeschossen worden. Der Leiter der Kiewer Stadtverwaltung, Serhij Popko, teilte mit, alle die Hauptstadt angreifenden Drohnen seien abgeschossen worden. Der Gouverneur der Region Lwiw, Maksim Kosyzkyj, sagte, drei von sechs Drohnen seien abgeschossen worden, die anderen hätten einen Bezirk an der Grenze zu Polen getroffen. Nach Angaben des ukrainischen Militärs konzentrieren die russischen Streitkräfte ihre Angriffe nach wie vor auf umkämpfte Orte im Osten, insbesondere Lyman, Bachmut, Awdijiwka, Marinka und Schachtarsk. Der Gouverneur von Donezk, Pawlo Kyrylenko, sagte, beim Beschuss von elf Städten und Dörfern sei eine Person getötet worden. Die Regionalhauptstadt Saporischschja weiter westlich wurde ebenfalls beschossen. Nach Angaben der Stadtverwaltung wurde niemand verletzt, mehrere Gebäude seien beschädigt worden. ARD-Reporter: Breite Zustimmung für Haftbefehl-Entscheidung Die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs, Haftbefehl gegen Russlands Präsident Wladimir Putin zu erlassen, wird in der Ukraine politisch auf breiter Linie begrüßt, berichtet ARD-Reporter Tobias Dammers: "Es ist nicht nur Präsident Selenskyj, der diese Entscheidung historisch nennt, sondern beispielsweise auch der ukrainische Generalstaatsanwalt." Dieser spreche von einem "Signal an die Welt". Putin ratifiziert umstrittenes "Fakenews"-Gesetz Kremlchef Wladimir Putin hat die Verschärfungen des umstrittenen Gesetzes zur Bestrafung von "Verleumdung" oder "Diskreditierung" Kriegsfreiwilliger unterzeichnet. Schwer bestraft wird damit nicht nur Kritik an der regulären Armee, sondern auch an "Freiwilligen", die im Nachbarland kämpfen. Das Gesetz "Über die Eintragung von Änderungen in das Strafgesetzbuch" wurde auf dem offiziellen Gesetzesportal der russischen Regierung veröffentlicht. Bei einer Verurteilung nach dem neuen Gesetz drohen bis zu 15 Jahre Haft. Die Gesetzesverschärfung geht vor allem auf eine Forderung des Chefs der berüchtigten Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, zurück. Dieser hatte für den Krieg gegen die Ukraine reihenweise Schwerverbrecher rekrutiert. Von der Politik forderte der 61-Jährige, die Söldner - die offiziell als Freiwillige gelten - vor übler Nachrede zu schützen. Bundestagspräsidentin für weitere Entlastungspakete Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hat sich für weitere Entlastungspakete ausgesprochen, um die Menschen in Deutschland vor den wirtschaftlichen Folgen des Krieges gegen die Ukraine zu schützen. "Wir dürfen über die Unterstützung der Ukraine nicht die soziale Gerechtigkeit vergessen", sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Nach den drei auf den Weg gebrachten Entlastungspaketen brauche es möglicherweise auch noch ein viertes oder fünftes. Bei der Mehrheit der Deutschen gebe es nach wie vor eine große Solidarität mit der Ukraine, erklärte Bas. "Wir müssen uns aber fragen, ob die Bürgerinnen und Bürger auf Dauer den langen Atem haben." Die Solidarität lasse sich nur erhalten, wenn die Menschen weiter unterstützt würden. "Der Krieg in der Ukraine hat auch Auswirkungen bei uns." Generalstab: 30 Angriffe mit Drohnen und Raketen In der Nacht gab es immer wieder Luftalarm in der Ukraine - nach Angaben des Generalstabs waren es mehr als 30 Angriffe mit Drohnen und Raketen, berichtet ARD-Reporterin Andrea Beer. Nach Armeeangaben schoss die ukrainische Flugabwehr zehn von 16 Drohnen iranischer Bauart ab. Allerdings sei einmal mehr zivile Infrastruktur getroffen worden. UN setzen sich für Verlängerung des Getreideabkommens ein Der Leiter der UN-Hilfsorganisation, Martin Griffiths, hat vor dem Weltsicherheitsrat erklärt, die Vereinten Nationen würden alles tun, um sicherzustellen, dass das zwischen Russland und der Ukraine geschlossene Getreideabkommen verlängert wird. Dies sei für die weltweite Ernährungssicherheit von entscheidender Bedeutung. Das am 22. Juli 2022 unterzeichnete Abkommen, das den Export ukrainischen Getreides aus den Häfen am Schwarzen Meer erlaubt, läuft am heutigen Samstag aus. Die beiden Kriegsparteien hatten sich zwar am Dienstag grundsätzlich auf eine Ausweitung der Vereinbarung verständigt. Allerdings sprach Russland von 60 Tagen, die Ukraine von 120 Tagen. Biden: IStGH-Haftbefehl gegen Putin gerechtfertigt US-Präsident Joe Biden sieht die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) als gerechtfertigt, einen Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin auszustellen. "Nun, ich denke, die Entscheidung ist gerechtfertigt", sagte Biden vor Journalisten. Der IStGH habe sehr starke Argumente. Die USA erkennen den Den Haager Strafgerichtshof selbst nicht an, weil sie etwa internationale Ermittlungen gegen US-Soldaten in Auslandseinsätzen grundsätzlich ablehnen. Das US-Außenministerium teilte mit, die USA seien ebenfalls zu dem Schluss gekommen, dass die russischen Streitkräfte in der Ukraine Kriegsverbrechen begangen hätten und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden müssten. Der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs habe seine Entscheidung unabhängig auf der Grundlage der ihm vorliegenden Fakten getroffen. IWF ändert Regeln zugunsten eines Kreditprogramms für die Ukraine Der Internationale Währungsfonds hat seine Regeln geändert, um es dem IWF zu ermöglichen, Kreditprogramme für Länder zu genehmigen, die mit "außergewöhnlich hoher Unsicherheit" konfrontiert sind. Die Änderungen der Regeln der Finanzierungspolitik des IWF würden für Länder gelten, die "exogenen Schocks ausgesetzt sind, die außerhalb der Kontrolle der Behörden des Landes und der Reichweite ihrer Wirtschaftspolitik liegen", erklärt der IWF in einer Mitteilung. Der Schritt ebnet den Weg für ein neues Kreditprogramm für die Ukraine. Das Land bemüht sich um ein IWF-Finanzierungspaket in Höhe von rund 15 Milliarden Dollar. Die Regeln des Internationalen Währungsfonds, die für die Bewältigung von Wirtschaftskrisen in einzelnen Ländern gedacht sind, erlaubten bisher keine solchen Kredite für Länder, die massiven Unsicherheiten durch größere Kriege oder wiederholten Naturkatastrophen infolge des Klimawandels ausgesetzt sind. Der Liveblog vom Freitag zum Nachlesen | /newsticker/liveblog-ukraine-samstag-255.html |
2023-03-18 | Fordernde Zeiten für Heizungsbauer | Ersatz für Öl- und Gasheizungen | Die Heizungsbranche setzt vor allem auf die Wärmepumpe im Zuge von Umbauten. Branchenkenner sind allerdings skeptisch, dass bis 2030 sechs Millionen Wärmepumpen in Deutschland installiert werden können. Von Axel John. | Die Heizungsbranche setzt vor allem auf die Wärmepumpe im Zuge von Umbauten. Branchenkenner sind allerdings skeptisch, dass bis 2030 sechs Millionen Wärmepumpen in Deutschland installiert werden können. Mario Schunk hat es eilig. Er ist am frühen Morgen auf dem Weg zu einem Kunden. Schunk leitet eine Heizungs- und Klimatechnikfirma im rheinland-pfälzischen Neuwied. "Die Debatte um die Zukunft von Öl- und Gasheizungen hat das Geschäft nochmal deutlich angefacht. Die Leute sind völlig verunsichert", erzählt der 46-jährige Heizungsbaumeister, als er sich auf den Weg in die Ortschaft Nauroth macht. "Individuelle Lösungen vor Ort" "Dort geht es um ein Mehrfamilienhaus, das künftig wohl mittels Klimaanlage beheizt wird. Weder Gasheizung noch Wärmepumpe eignen sich bei diesem Objekt wirklich. Man braucht individuelle Lösungen vor Ort. Jedes Gebäude und jeder Kunde ist anders", erzählt Schunk, während er in sein Auto steigt. Sein Auto fährt übrigens mit Strom, weil es sich für ihn und seine Firma auch finanziell rechnet. "Zuletzt haben wir etwa 150 Gasheizungen pro Jahr verbaut. In diesem Jahr werden es wohl deutlich über 400, vielleicht sogar 500 werden", erzählt Schunk, während er über die Landstraßen im Norden von Rheinland-Pfalz fährt. "Viele wollen jetzt noch schnell den Einbau von Gasheizungen, bevor es im nächsten Jahr vielleicht verboten wird." Auftragsverdoppelung für Wärmepumpen Der Einbau von Wärmepumpen werde sich bei seiner Firma wohl verdoppeln - auf etwa 80 -, obwohl teilweise gegenüber Wärmepumpen Skepsis herrsche: "Einige Kunden fragen sich, wie teuer der Strom künftig ist und wie es mit der Versorgungssicherheit aussieht", erzählt der Heizungsmeister aus seinem Alltag. Auch Klimaanlagen würden von immer mehr Eigentümern als Wärmequelle entdeckt. Neue Ölheizungen wurden bei ihm eher wenig nachgefragt. Entscheidend sei die individuelle Lage der Auftraggeber - wie viele Parteien leben in dem Haus? Um was für ein Gebäude handelt es sich? Wie hoch ist das finanzielle Budget? "Wenn man sich einen neuen Pkw kauft, muss der auch auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sein", schildert Schunk. Schnell 70.000 Euro Kosten für Sanierung Für den Handwerker spielt auch das Alter des Kunden eine Rolle: "Ab 50 Jahren empfehle ich eine besonders genaue Kalkulation. Gibt es eine Alternative zur Wärmepumpe, die mindestens 20.000 Euro mehr kostet?", erzählt Schunk. Oft biete sich dann eine Kombination aus Gas- und Klimaanlage an. "Jüngeren Leuten rate ich dagegen oft zu einer Wärmepumpe. Aber auch das Gebäude muss dafür passen." Denn: Gebe es eine schlechte Dämmung und ein älteres Rohrsystem, kämen schnell 70.000 Euro für die Sanierung zusammen. "Viele können sich das nicht leisten. Man darf die Leute nicht überfordern. Am Ende ist alles abhängig von der Bauphysik eines Hauses." Jakob Köllisch war in den vergangenen Tagen in Frankfurt am Main unterwegs. Der Obermeister der Heizungsinnung Deutsche Weinstraße hat sich in den Messehallen bei der Weltleitmesse ISH umgeschaut. "Es gibt viel Verunsicherung und noch mehr Fragen zu dem bisherigen Referentenentwurf im Bundeswirtschaftsministerium. Man hätte sich vorab auch beraten lassen können", fasst Köllisch die Stimmung zusammen. Skepsis auf Heizungsmesse Noch deutlicher wurden Handwerksvertreter. Die Politik müsse sich an den Realitäten des Marktes orientieren und vom Endkunden ausgehen, mahnte etwa der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Sanitär Heizung Klima, Helmut Bramann. Er kritisierte Habeck auch ganz direkt: "Eine Klimawende gelingt eher nicht mit einem Fingerschnipsen am Kabinettstisch." Auch Köllisch sieht viele Schwierigkeiten: Wärmepumpen ließen sich in Altgebäuden nicht immer einbauen. Viele Häuser seien zudem nicht ausreichend gedämmt. Kleine Heizkörper wären ungeeignet. Insgesamt würden Sanierungen für viele Eigentümer und auch Mieter viel zu teuer. "Wie sieht eigentlich der Strommix der Zukunft aus? Kommt der auch zu einem Großteil aus Kohle, ist dem Klima mit den Wärmepumpen nicht geholfen", gibt Köllisch zu bedenken. Und was schlägt der Heizungsbauer vor? "Die Technik wird gerade unter Hochdruck weiterentwickelt und verfeinert. In wenigen Jahren sind wir viel weiter. Dann können wir nach und nach umsteigen. Das bringt auch der Umwelt wirklich etwas." Auch fehlende Fachkräfte stehen dem Ziel entgegen Auf der Messe wurde aber auch klar: Trotz der noch unklaren Vorgaben setzt die Branche auf die Wärmepumpe. Dafür baut etwa die Heiztechnikfirma Viessmann ein neues Werk im polnischen Legnica. Insgesamt will der Konzern eine Milliarde Euro in neue Produktionsanlagen für die Wärmewende investieren. Branchenkenner sind dennoch skeptisch, dass bis 2030 sechs Millionen Wärmepumpen in Deutschland installiert werden können, wie es die Bundesregierung plant. Neben den hohen Kosten für die Eigentümer ist auch der Fachkräftemangel ein großes Problem. Schnell noch handeln, bevor es zu spät ist Heizungsbauer Schunk ist inzwischen in Kettig bei Koblenz angekommen. Olaf Hensen und seine Frau haben sich für eine Gastherme entschieden. Ihr Haus haben sie gerade weitgehend saniert. "Eigentlich wollte wir erst noch ein paar andere Sachen im Gebäude machen. Wir ziehen aber jetzt die Heizung vor und lassen noch in diesem Jahr eine neue, energieeffiziente Gastherme einbauen", erzählt der 43 Jahre alte Hauseigentümer. "Wer weiß, was da noch aus Berlin kommt? So sind wir auf der sicheren Seite." Nach dem Umbaukosten für das Haus könne er sich zusätzliche 25.000 Euro für eine Wärmepumpe derzeit nicht leisten. Außerdem gibt es für Hensen noch zu viele offene Fragen: "Ist dieses neue System technisch wirklich schon ausgereift? Das ist mir alles zu überstürzt. Eine moderne Gastherme arbeitet sehr effizient und schont auch die Umwelt. Da weiß ich wenigstens, was ich bekomme." | /wirtschaft/heizungsbauer-umbau-habeck-101.html |
2023-03-18 | Eine "Wand aus toten Fischen" | Fischsterben in Australien | Im südostaustralischen Bundesstaat New South Wales sind nach Überflutungen und hohen Temperaturen Millionen Fische verendet. Der Geruch sei unerträglich, berichten Anwohner.
mehr | Im südostaustralischen Bundesstaat New South Wales sind nach Überflutungen und hohen Temperaturen Millionen Fische verendet. Der Geruch sei unerträglich, berichten Anwohner. Millionen tote Fische treiben den Darling River nahe der Stadt Menindee im australischen Bundesstaat New South Wales (NSW) hinunter. Medienberichten zufolge haben die Behörden bestätigt, dass das Fischsterben ähnliche Ereignisse in den Jahren 2018 und 2019 in den Schatten stellt. Verursacht wird das Massensterben Experten zufolge durch einen niedrigen Sauerstoffgehalt im Wasser in Verbindung mit hohen Temperaturen. Am Wochenende sollen es in der Region über 40 Grad Celsius werden. Das Department for Primary Industries (DPI) in New South Wales sagte, es werde die Risiken für die Fischgesundheit in der Region weiter überwachen. "Dieses Ereignis dauert an, da eine Hitzewelle im Westen von NSW das System weiter belastet, das durch großflächige Überschwemmungen bereits extremen Bedingungen ausgesetzt war", heißt es in einer Erklärung. "Die Menge an gelöstem Sauerstoff, die Wasser aufnehmen kann, nimmt mit steigender Wassertemperatur ab." Kein Risiko für die Wasserqualität "Stellen Sie sich den Geruch vor, wenn Sie einen toten Fisch in Ihr Waschbecken legen und ihn ein paar Tage verrotten lassen - aber wir haben Millionen davon", sagte Anwohner Graeme McCrabb gegenüber dem "Guardian". Der Geruch sei unerträglich. McCrabb sprach von einer "Wand aus toten Fischen". Versuche, die verrottenden Tiere zu entfernen, seien allein wegen der Anzahl der Fische zum Scheitern verurteilt. Die Anwohner hätten nach den Überschwemmungen gerade angefangen, aufzuräumen, erzählte die Anwohnerin Jan Dening dem Sender "ABC News". Und dann sei das passiert. "Du läufst in einem ausgetrockneten Durcheinander herum und riechst diesen fauligen Geruch." Der Rat des Verwaltunsgebiets Central Darling Shire teilte mit, er überwache die Wasserversorgung. Zu diesem Zeitpunkt bestehe kein Risiko für die Wasserqualität, heißt es in einer Erklärung. Langfristige Herausforderung New South Wales' Premierminister Dominic Perrottet sagte, es sei eine sehr schwierige Situation. Seine Regierung arbeite eng mit der Gemeinschaft in Menindee zusammen. "Wir haben gesehen, dass die Überschwemmungen nicht nur Auswirkungen auf unsere Straßen, sondern auch auf unsere Flusssysteme hatten", sagte Perrottet. "Ich denke, es gibt noch viel zu tun." Es sei eine langfristige Herausforderung. Australiens Umweltministerin Tanya Plibersek sagte, sie sei am Boden zerstört, die Bilder von toten Fischen zu sehen. "Wir müssen die Ursachen dieses Sterbens besser verstehen, um sie besser verhindern zu können", sagte sie. Überprüfung nach früherem Fischsterben Es gebe ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit in der Gemeinde, sagte die Direktorin des Menindee Local Aboriginal Land Council, Michelle Kelly, dem Sender "ABC News". "Der Fluss ist unser Lebenselixir." Die Gemeinde tappe nach den vorherigen Fischsterben immer noch im Dunkeln. Niemand wisse, was passiert sei. Es ist bereits das dritte Mal, dass die Region um Menindee von einem massiven Fischsterben betroffen ist. Beim vorherigen Mal im Jahr 2019 galten der Wassermangel im Fluss aufgrund anhaltender Dürre sowie eine giftige Algenblüte als Ursache. Bereits damals warnte die Regierung von New South Wales, dass es nicht das letzte Fischsterben sein werde. | /ausland/ozeanien/australien-fischsterben-101.html |
2023-03-18 | Tausende demonstrieren in Belgrad | Gegen Kosovo-Friedensplan | Heute treffen sich Serbiens Präsident Vucic und Kosovos Regierungschef Kurti mit dem EU-Außenbeauftragten Borrell in Nordmazedonien, um über einen Friedensplan zu diskutieren. Am Abend gab es Proteste dagegen.
mehr | Heute treffen sich Serbiens Präsident Vucic und Kosovos Regierungschef Kurti mit dem EU-Außenbeauftragten Borrell in Nordmazedonien, um über einen Friedensplan zu diskutieren. Am Abend gab es Proteste dagegen. In Belgrad haben erneut mehrere Tausend Menschen gegen einen von der EU unterstützten Friedensplan für den Kosovo demonstriert. Heute soll es eine neue Gesprächsrunde zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo geben. Am Abend versammelten sich die Demonstrierenden vor dem Dom des Heiligen Sava im Zentrum der serbischen Hauptstadt. Sie zogen von dort zum Sitz des Präsidenten, riefen "Verrat!" und priesen den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Auf Bannern war unter anderem "Nein zur Kapitulation" zu lesen. Serbiens Präsident Alexander Vucic und Kosovos Regierungschef Albin Kurti treffen sich heute mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell in Nordmazedonien, um über den Friedensplan zu diskutieren. Das Abkommen sieht vor, dass Serbien den Kosovo zwar nicht völkerrechtlich anerkennt, aber die Eigenstaatlichkeit seiner ehemaligen Provinz zur Kenntnis nimmt. Der Kosovo wiederum soll die Rechte der serbischen Volksgruppe im Land institutionell absichern. Seit Monaten massive Spannungen Serbien und der Kosovo stehen unter dem zunehmenden Druck westlicher Staaten, ein Abkommen zu schließen, das eine Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Seiten ermöglicht. Seit Monaten gibt es massive Spannungen an der Grenze zwischen den Staaten. Serbien wie auch der Kosovo streben einen EU-Beitritt an. Ein Treffen in Brüssel Ende Februar brachte keinen Durchbruch, auch wenn EU-Vertreter eine baldige Einigung in Aussicht stellten. Kurti und Vucic gaben sich im Anschluss gegenseitig die Schuld am vorläufigen Scheitern der Verhandlungen. Vucic sagte in einem Interview, er werde "keine formelle oder informelle Anerkennung des Kosovo unterschreiben oder akzeptieren". Das 1,8-Millionen-Einwohner-Land Kosovo mit seiner mehrheitlich albanischen Bevölkerung hatte im Jahr 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt, wird aber von Belgrad bis heute als serbische Provinz betrachtet. | /ausland/europa/serbien-kosovo-123.html |
2023-03-18 | Unklarheit über Getreideabkommen | Russlands Krieg gegen die Ukraine | Das Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine läuft an diesem Wochenende aus. Beide Länder wollen es grundsätzlich aufrechterhalten. Uneinig sind sie sich allerdings über die Dauer der Verlängerung. Die UN vermitteln unter Hochdruck.
mehr | Das Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine läuft an diesem Wochenende aus. Beide Länder wollen es grundsätzlich aufrechterhalten. Uneinig sind sie sich allerdings über die Dauer der Verlängerung. Die UN vermitteln unter Hochdruck. Kurz vor einer Verlängerung des Abkommens zur Ausfuhr von ukrainischem Getreide arbeiten die Vereinten Nationen an einer Lösung. Man werde alles tun, um eine Fortführung sicherzustellen, und sei mit den beteiligten Parteien Russland, Ukraine und der Türkei in Kontakt, sagte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths am Freitag vor dem Weltsicherheitsrat in New York. Das Getreideabkommen sei für die weltweite Ernährungssicherheit von entscheidender Bedeutung, so Griffiths weiter. Das Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine, das den Export vom ukrainischen Weizen über das Schwarze Meer sichert, läuft an diesem Wochenende aus. Beide Länder haben sich zwar grundsätzlich auf eine Ausweitung der Vereinbarung verständigt, allerdings gibt es widersprüchliche Aussagen, um wie viel Tage die Ausfuhr genehmigt werden soll. Russland will die Ausfuhr für nur 60 weitere Tage genehmigen, der Text sieht allerdings eine automatische Verlängerung um 120 Tage vor, sofern keine Partei widerspricht. Eine Veränderung des Abkommens, worunter auch eine neue 60-Tage-Frist fallen würde, müsste von allen Beteiligten bestätigt werden und kann nicht einseitig verkündet werden. Moskau fühlt sich durch westliche Sanktionen behindert Ein Sprecher der ukrainischen Infrasturkturministeriums sagte dem ARD-Studio in Kiew gesagt, dass man bis zum Montag nichts kommentieren würde. Nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine vor gut einem Jahr hatte die russische Marine auch die Schwarzmeerhäfen des Nachbarlandes blockiert. Die Vereinbarung zur Schwarzmeer-Getreide-Initiative war unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei im Juli 2022 zustande gekommen und sieht eine Freigabe der ukrainischen Häfen unter anderem für den Getreideexport vor. Moskau fühlt sich durch die westlichen Sanktionen in seinen eigenen Exporten von Getreide und Dünger behindert. Zwar richten sich die Sanktionen nicht gegen die Ausfuhren von Nahrungsmitteln, ihre Existenz macht es russischen Akteuren aber schwer, europäische Häfen anzulaufen, Zahlungen abzuwickeln und Versicherungen für ihre Schiffe zu bekommen. Mit Informationen von Andrea Beer, ARD-Studio Kiew. | /ausland/europa/getreideabkommen-ukraine-russland-105.html |
2023-03-18 | "Uns verbinden demokratische Prinzipien" | Scholz und Minister in Japan | Nach den japanisch-deutschen Regierungskonsultationen betonen Kanzler Scholz und Ministerpräsident Kishida die enge Beziehung der beiden Länder. Gesprächsthemen waren Wirtschaft, Verteidigung und der Schutz kritischer Infrastruktur.
mehr | Nach den japanisch-deutschen Regierungskonsultationen betonen Kanzler Scholz und Ministerpräsident Kishida die enge Beziehung der beiden Länder. Gesprächsthemen waren Wirtschaft, Verteidigung und der Schutz kritischer Infrastruktur. Beim Besuch in der japanischen Hauptstadt Tokio hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Beziehungen zu Japan als eng bezeichnet. "Uns verbinden demokratische Prinzipien", sagte der SPD-Politiker nach den Regierungskonsultationen mit Japans Ministerpräsident Fumio Kishida, sechs Ministern der Ampelregierung und ihren japanischen Amtskollegen. Auch Kishida würdigte die Beziehungen zu Deutschland als so intensiv wie nie zuvor. "Die japanisch-deutschen Beziehungen sind stärker und enger denn je", sagte er bereits nach dem ersten Treffen mit Scholz vor den bilateralen Regierungskonsultationen. Sechs Ministerinnen und Minister dabei "Es ist schön, wieder in Tokio zu sein", sagte Scholz. Sein Antrittsbesuch liege gerade einmal elf Monate zurück. Seither habe die Bundesregierung am Rande einer Vielzahl von internationalen Treffen mit japanischen Vertretern gesprochen. Der Kanzler wird in Tokio von sechs Ministerinnen und Ministern begleitet: Wirtschaftsminister Robert Habeck, Außenministerin Annalena Baerbock, Finanzminister Christian Lindner, Innenministerin Nancy Faeser, Verteidigungsminister Boris Pistorius und Verkehrsminister Volker Wissing. Von hochrangiger Wirtschaftsdelegation begleitet Scholz betonte, die guten Beziehungen zwischen Japan und Deutschland seien mit der ersten deutsch-japanischen Regierungskonsultation auf eine neue Ebene gehoben worden. Dass die Kabinettsmitglieder aus Deutschland dabei von einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation begleitet wurden, zeige, dass auch die deutsche Wirtschaft großes Interesse an einer guten Zusammenarbeit habe, so Scholz. Die Gespräche seien eine Reaktion auf die Wirtschaftsabhängigkeit von Russland, sagte Scholz. Man wolle die Widerstandsfähigkeit der beiden Volkswirtschaften erhöhen. Japan, das ebenfalls in großer Menge Rohstoffe importiert, hat eigens ein Gesetz zur Wirtschaftssicherheit erlassen, das von der Bundesregierung als vorbildlich angesehen wird. Für das Schwerpunktthema wurde zudem ein eigener Ministerposten geschaffen. Schutz kritischer Infrastruktur Bei finanziellen Ungewissheiten, die durch Probleme zwischen westlichen Banken entstehen, wollen sich Japan und Deutschland künftig eng abstimmen. Das vereinbarten Bundesfinanzminister Lindner und sein japanischer Amtskollege Shunichi Suzuki bei einem 45-minütigen Treffen. Gleichzeitig wolle man die globalen Märkte und die Wirtschaft sorgfältig überwachen, sagte ein Beamter des japanischen Finanzministeriums gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Neben der Wirtschaftssicherheit sei es bei den Gesprächen auch um den Schutz kritischer Infrastruktur gegangen, sagte Scholz. Man wolle voneinander lernen, wie man sensible Bereiche besser schützen könne - etwa in der Cybersicherheit. Ziel sei ein freies, offenes und sicheres Netz. Auch die globalen Lieferketten und die Freiheit der Meere waren Thema. Neuer Japan-Besuch zum G7-Gipfel im Mai Bei den Gesprächen ging es außerdem um die Sicherheit im Indopazifik. Die Bundeswehr werde im kommenden Jahr wieder eine Präsenzfahrt dort unternehmen, sagte Scholz. Die Bundeswehr hat bereits ein Kriegsschiff und Kampfjets in die Pazifikregion geschickt, um die Zusammenarbeit mit den befreundeten Streitkräften dort zu stärken. Im Südchinesischen Meer gibt es mehrere Territorialkonflikte zwischen China und Ländern wie Vietnam, den Philippinen und Malaysia. Hinzu kommt der Konflikt zwischen China und Taiwan, das sich als unabhängig ansieht, was von der Regierung in Peking nicht akzeptiert wird. Scholz sagte zum Abschluss, er werde schon in zwei Monaten wieder in Japan sein. Das Land hat derzeit den Vorsitz in der G7. Das jährliche Gipfeltreffen findet im Mai in Hiroshima statt. | /ausland/asien/scholz-kabinett-japan-103.html |
2023-03-18 | Wie geht es nun weiter in Frankreich? | Macrons Rentenreform | Am Abend gab es in mehreren Städten erneut gewaltsame Demonstrationen gegen die Rentenreform in Frankreich. Auch in den kommenden Tagen sind Proteste angekündigt. Stefanie Markert beantwortet die wichtigsten Fragen, wie es nun weiter geht in dem Land.
mehr | Am Abend gab es in mehreren Städten erneut gewaltsame Demonstrationen gegen die Rentenreform in Frankreich. Auch in den kommenden Tagen sind Proteste angekündigt. Wie geht es nun weiter in dem Land? Wie ging der gestrige Tag aus? Landesweit wurde demonstriert, etwa in Strasbourg, Lille oder Evreux. Überall gab es "actions flash" - also Spontanaktionen wie in Bordeaux oder Toulon, wo Gewerkschafter Gleise besetzten und den Zugverkehr lahmlegten. Gerufen wurde: "Die Wut wächst!" In Paris wurde die Umgehungsschnellstraße, die Périphérique, besetzt, mitten in der Rush Hour. Und die Autofahrer reagierten gar nicht genervt, sondern hoben noch die Fäuste und zeigten ihre Zustimmung zu den Protesten. Denn acht von 10 Franzosen und Französinnen auf dem Arbeitsmarkt wollen die Reform nicht und auch nicht, dass sie mit dem Artikel 49.3 ohne Votum durch das Parlament gedrückt wird. In Lyon wird die Oper bestreikt, Raffinerien und Müllverbrennungsanlagen werden blockiert. In Paris versammelten sich wieder Tausende vor allem junger Leute auf dem größten Platz der Stadt - dem Place de la Concorde, was ja "Eintracht" heißt. Aber davon ist Frankreich weit entfernt. Es gab über 60 Festnahmen, nachdem Projektile und Flaschen flogen und Pappen angezündet wurden. Die hoch aufgerüsteten Sicherheitskräfte setzen Wasserwerfer ein. Die Demonstrierenden haben angekündigt, jetzt jeden Tag auf den Concorde-Platz kommen zu wollen, bis die Rentenreform Geschichte ist. Was bringt das Wochenende? Das Wochenende wird viele spontane lokale Protestaktionen bringen. Dazu haben die Gewerkschaften unisono aufgerufen. Mancherorts kann es radikaler zugehen. Viele Berufssparten haben ihre Streiks verlängert: die Müllmänner in Paris, Eisenbahner, Raffineriearbeiter. Wieder werden Züge ausfallen und auch Flüge. Der Innenminister hat bereits angeordnet, für die Abgeordneten der Nationalversammlung die Sicherheitsmaßnahmen zu verstärken. Denn manche Aktion richtet sich direkt gegen Befürworter der Reform, in deren Heimatorten teilweise der Strom abgeschaltet worden ist. Auf der offiziellen Seite von Emmanuel Macron steht: Die Agenda des Präsidenten für die nächsten Tage sei noch nicht verfügbar. Bei seiner Regierungschefin Elisabeth Borne liest man nur, sie treffe sich am Samstagnachmittag mit jungen Menschen, es soll um Chancengleichheit gehen. Wie geht es nächste Woche weiter? In Frankreich stellt man sich die Frage, ob die Regierung gestürzt wird - und zwar am Montag. Dann soll das Parlament ab 16 Uhr über zwei Misstrauensanträge abstimmen. Den einen hat der rechte Rassemblement National von Marine Le Pen eingebracht. Den anderen ein Zusammenschluss aus fünf Parteien von der liberalen Mitte bis nach weit links. Dieser parteienübergreifende Antrag hat größere Chancen. Käme er durch, müsste die Regierung von Elisabeth Borne zurücktreten. Das Gesetz über die Rentenreform wäre dann abgelehnt. Aber rein rechnerisch wird das schwierig. Denn ein Misstrauensvotum geht nur mit 287 Ja-Stimmen durch. Das heißt, jeder und jede einzelne Abgeordnete der Opposition müssten dafür stimmen, aber auch ungefähr die Hälfte der rund 60 konservativen Les Républicains. Und so viele Abweichler von der Parteilinie wird es wohl nicht geben. Offiziell soll kein Républicain der Regierung das Misstrauen auszusprechen. Die Frage ist natürlich, ob es im Präsidentenlager selbst Abweichler gibt, dann könnte es doch noch eng werden. Für Donnerstag haben die Gewerkschaften dann den neunten Nationalen Protesttag angekündigt. Macht der noch Sinn, wenn die Reform dann durch sein sollte? Ja, sagen viele. Sie haben im Kopf, dass die Regierung 2006 ein bereits in Kraft getretenes Arbeitsmarktgesetz nach zwei Monaten Dauerprotest zurücknehmen musste. | /ausland/europa/frankreich-rentenreform-misstrauensantrag-105.html |
2023-03-18 | "Nicht nur ein Dach über dem Kopf" | Unterbringung von Geflüchteten | Die Kommunen sehen sich angesichts der vielen Geflüchteten an der Belastungsgrenze. Sie drängen auf mehr Unterstützung vom Bund und fordern eine Strategie - am besten noch vor dem Flüchtlingsgipfel im Mai.
mehr | Die Kommunen sehen sich angesichts der vielen Geflüchteten an der Belastungsgrenze. Sie drängen auf mehr Unterstützung vom Bund und fordern eine Strategie - am besten noch vor dem Flüchtlingsgipfel im Mai. Die Zahl der Geflüchteten in Deutschland nimmt stark zu: Aus der Ukraine flohen seit Beginn des russischen Angriffskriegs mehr als eine Million Menschen nach Deutschland. Auch aus anderen Ländern kommen nach wie vor Schutzsuchende, die Zahl der Asylanträge in der Bundesrepublik steigt rapide. Doch wohin mit all den Menschen? Die Kommunen warnen vor einer Überlastung und fordern mehr Unterstützung vom Bund. Günther: Kapazitäten der Kommunen sind begrenzt Aus Sicht von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther muss die Verteilung der Geflüchteten auf die Kommunen begrenzt werden. "Menschen ohne Aussicht auf einen Aufenthaltsstatus oder eine Duldung sollten in den Landesunterkünften verbleiben, damit dort die Verfahren durchgeführt werden können", sagte der CDU-Politker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Bund und Länder müssten anerkennen, dass die Kapazitäten der Kommunen endlich seien. Günther betonte, man wolle Geflüchteten gute Bedingungen bieten. "nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch vernünftige Integrationsangebote". Um das zu gewährleisten, dürften die Kommunen nicht überfordert werden. Ausreisepflichtige Menschen abschieben Der Ministerpräsident sprach sich dagegen aus, die Sonderregeln für Geflüchtete aus der Ukraine auf Menschen aus anderen Herkunftsländern zu übertragen. So können etwa ukrainische Geflüchtete sofort in Deutschland arbeiten. Günther betonte jedoch zugleich, dass Geflüchtete, die noch keinen dauerhaften Aufenthaltstitel haben, sich aber einbringen wollen, die Chance bekommen müssten, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Günther lobte das im Vorjahr von der Ampelkoalition auf den Weg gebrachte Chancen-Aufenthaltsrecht, das geduldeten Menschen nach erfolgreicher Integration ein Aufenthaltsrecht zuspricht. Es sei ein wichtiges Instrument gegen den Fachkräftemangel. "Daneben brauchen wir aber endlich ein funktionierendes und solidarisches Asyl- und Migrationssystem auf EU-Ebene, in dem eben auch ausreisepflichtige Menschen abgeschoben werden", unterstrich Günther. Bas: Wie lang ist der Atem der Bürger? Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas fordert eine stärkere Unterstützung der Kommunen bei der Unterbringung von Geflüchteten und warnt vor gesellschaftlichen Spannungen. "Bei der Mehrheit der Deutschen gibt es nach wie vor eine große Solidarität. Wir müssen uns aber fragen, ob die Bürgerinnen und Bürger auf Dauer den langen Atem haben", sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wir müssen jetzt vor allem die besonders belasteten Kommunen bei der Unterbringung von Geflüchteten stärker unterstützen. Es geht um Wohnraum, Schulplätze und die Frage, wie Städte wie meine Heimatstadt Duisburg ihre Kosten erstattet bekommen." Es dürfe nicht sein, dass Kommunen Mittel für die Geflüchteten umschichteten und bei anderen Aufgaben sparten. "In den Kommunen merken die Bürgerinnen und Bürger zuerst, wenn etwas schief läuft. Da bricht es am ehesten auseinander." Behrens: Gesellschaftliche Debatte wird schwieriger Davor warnt auch Niedersachsens Sozialministerin Daniela Behrens. "Wir befürchten, dass wir mittelfristig an einen Punkt kommen könnten, wo die gesellschaftliche Akzeptanz gefährdet wird", sagte Behrens der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Niedersachsen habe im vergangenen Jahr rund 110.000 Kriegsvertriebene aus der Ukraine aufgenommen. Darüber hinaus habe das Land mehr als 20.000 Asylbewerberinnen und -bewerbern Schutz geboten. "Wir haben das bisher alles sehr gut organisiert und in enger Kooperation von Land und Kommunen hinbekommen", unterstrich Behrens. Das werde auch so bleiben, "aber wir merken an den Diskussionen vor Ort, dass die gesellschaftliche Debatte schwieriger wird". EU-Rücknahmeabkommen muss Rückführungen regeln Behrens forderte den Bund und die EU zum Handeln auf. Geflüchtete müssten fairer auf die einzelnen EU-Staaten verteilt werden. Zudem müsse im Rahmen von Rücknahmeabkommen dafür gesorgt werden, dass Menschen, die die Asylgründe nicht erfüllen, zurückführt werden können. Derzeit lebten in Niedersachsen viele Menschen mit abgelehnten Asylanträgen, die aufgrund fehlender Pässe oder mangelnder Bereitschaft zur Rücknahme durch die Herkunftsländer nicht abgeschoben werden könnten. "Das Asylrecht ist ein hohes Gut in Deutschland, insbesondere auch aus unserer historischen Verantwortung heraus. Wenn es aber ausgehöhlt wird, dann ist das ein Problem", unterstrich Behrens. Flüchtlingsgipfel am 10. Mai geplant Die Zahl der Asylanträge in Deutschland hat in den ersten Monaten dieses Jahres deutlich zugenommen. Im Januar und Februar 2023 stellten nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) insgesamt 58.802 Personen einen Asylantrag. Gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet dies einen Anstieg um 84,5 Prozent. Für den 10. Mai ist ein Flüchtlingsgipfel mit den Ministerpräsidenten geplant, in dem es vor allem um Finanzierungsfragen gehen soll. Am Donnerstag hatten die Bundesländer bei der Ministerpräsidentenkonferenz mehr Geld vom Bund zur Unterbringung und Versorgung gefordert. In einem gemeinsamen Beschluss hieß es, Länder und Kommunen stießen an ihre Grenzen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte zuvor in seiner Regierungserklärung betont, dass der Bund den "allergrößten Teil" der Kosten für Flüchtlinge trage: Der Bund habe Ländern und Kommunen im vergangenen Jahr mehr als 3,5 Milliarden Euro gezahlt, in diesem Jahr sollten noch einmal 2,75 Milliarden fließen, so der SPD-Politiker. | /inland/innenpolitik/kommunen-fluechtlinge-107.html |
2023-03-18 | "Die Forderungen sind angemessen" | DGB-Chefin Fahimi zu Löhnen und Streiks | Die aktuellen Tarifrunden sind gezeichnet von verhärteten Fronten und einer Welle von Warnstreiks. Woran das liegt und wieso eine Demokratie das aushalten muss, erklärt DGB-Chefin Fahimi im Interview.
mehr | Die aktuellen Tarifrunden sind gezeichnet von verhärteten Fronten und einer Welle von Warnstreiks. Woran das liegt und wieso eine Demokratie das aushalten muss, erklärt DGB-Chefin Fahimi im Interview. tagesschau.de: Frau Fahimi, das war eine ziemlich bittere Woche für die Angestellten des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof. Mal wieder, muss man sagen - Dutzende Filialen sollen geschlossen werden, Tausende Mitarbeitende ihre Jobs verlieren. Wer trägt am Ende die Schuld daran? Yasmin Fahimi: Die Wahrheit ist, dass der Mann, der dahintersteht, René Benko, nichts anderes als ein Immobilienspekulant ist, der an den eigentlichen Warenhausgeschäften gar kein Interesse hat. Und der auch nicht bereit war, sein Versprechen einzuhalten, die Häuser zu modernisieren. Das alles vor dem Hintergrund, dass der Staat im Jahr 2021 schon geholfen hat mit 460 Millionen Euro. Das macht deutlich, dass wir Staatshilfen noch viel enger an Konditionen knüpfen müssen, wenn sie denn dann fließen. tagesschau.de: Sehen Sie nicht auch bei der Politik oder den Kommunen eine gewisse Mitverantwortung für das Desaster, weil sie auch immer mitgespielt haben - aus Angst, dass die Innenstädte veröden? Fahimi: Es gibt eben immer wieder ein großes Bemühen der Politik, das Leben in den Innenstädten aufrechtzuerhalten, die Beschäftigung zu sichern. Das sind erstmal richtige und nachvollziehbare Ziele. Wenn man auf der anderen Seite des Tisches allerdings einen Partner hat, der das Spiel am Ende nicht mitspielt, der seine Versprechen und seine Zusagen nicht einhält, dann merkt man, dass es eben auch leider solche Fälle gibt, aus denen man lernt, dass man verbindlichere Verabredungen treffen muss. tagesschau.de: Hätte man das in diesem Fall deutlich früher tun müssen? Fahimi: Das ist im Nachhinein schwer zu sagen, denn in der damaligen Situation kam natürlich vieles zusammen. Die Kette war schon in der Krise, sie ist ja schon mit roten Zahlen in die Pandemiephase gegangen. Das ist ja nicht allein der Pandemie geschuldet gewesen. Und mitten in der Pandemie eine Entscheidung zu treffen, dass man einfach viele Filialen schließen lässt und Tausende von Beschäftigten auf die Straße setzt, das wäre, glaube ich, auch ein falsches Signal gewesen. tagesschau.de: Die Gewerkschaft ver.di hat auch angekündigt, um jede Filiale weiter zu kämpfen - ist aber nicht vielleicht auch langsam der Punkt gekommen, an dem man sagen muss, dass ein "Weiter so" in diesem Rahmen vielleicht gar nichts bringt? Fahimi: Ver.di ist schon hochalarmiert mit Blick darauf, was sie eigentlich überhaupt noch an verlässlichen Zusagen bekommen kann. Aber deswegen bleibt es natürlich richtig, um jede Filiale auch zu kämpfen, weil es um Arbeitsplätze geht. Forderung nach kürzeren Laufzeiten "nachvollziehbar" tagesschau.de: Ihre Gewerkschaften führen gerade eine Reihe von Tarifverhandlungen, die alle eher schwierig werden dürften - auch weil Sie sehr hohe Forderungen stellen, um die Inflation für die Beschäftigten auszugleichen: 10,5 Prozent im Öffentlichen Dienst, zwölf Prozent bei der Bahn - ist das noch realistisch? Fahimi: Sie sind notwendig. Und wie man beim Abschluss der Post gesehen hat, sind sie ganz und gar nicht unrealistisch. Wir müssen ja sehen, dass es sowohl einen Nachholbedarf aus dem Jahr 2022 mit einem Inflationsrekord gibt, als auch eine vorausschauende Perspektive, denn in diesem Jahr wird die Inflation ja auch nicht gerade wieder auf zwei, drei Prozent fallen. Und wenn man das zusammenrechnet, dann ist das ausgesprochen angemessen. tagesschau.de: Wie langfristig sind denn die aktuellen Verhandlungen angelegt? Alle nur für zwölf Monate? Dann würden uns in einem Jahr ja vielleicht die nächsten Streiks drohen? Fahimi: Das ist Sache der Tarifvertragsparteien, dazu kann ich wenig sagen. Ich glaube allerdings, dass die grundsätzliche Haltung, eher keine Tarifverträge mit sehr langen Laufzeiten machen zu wollen, nachvollziehbar ist. Denn keiner kann absehen, was in diesem oder eben vor allem auch im nächsten Jahr passiert. Insofern wären eigentlich alle gut beraten, wenn man jetzt einen vernünftigen und soliden Abschluss macht und dann sich die Lage im nächsten Jahr wieder anschaut. "Das geht an die Wurzeln der Demokratie" tagesschau.de: Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, die EVG, hat das erste Angebot der Bahn diese Woche ja schon zurückgewiesen. Und man hört auch, dass sie am 27. März zusammen mit ver.di möglicherweise den Verkehr in Deutschland weitgehend lahmlegen könnte. Wird es tatsächlich so weit kommen? Fahimi: Das werden wir sehen. Erst mal sind das voneinander getrennte Tarifverhandlungen, aber sie fallen zeitlich halt eben in ähnliche Fenster. Insofern ist das natürlich nicht ausgeschlossen. Das Angebot der Bahn ist wirklich nicht annehmbar. Über einen so langen Zeitraum, erst Ende des Jahres drei Prozent und im nächsten Jahr noch mal zwei Prozent anzubieten - das ist wirklich schon fast ein Hohn. tagesschau.de: Aber halten Sie es tatsächlich auch für verhältnismäßig, dass dann tatsächlich der Verkehrssektor komplett bestreikt werden könnte? Fahimi: Darauf müssen sich alle einstellen. In der Demokratie muss man damit leben, dass es eben auch zu Streik kommt. Das ist ein Grundprinzip, eine Grundlage unserer Demokratie. Wir haben in Deutschland ohnehin ein sehr eingeschränktes Streikrecht. Anders als beispielsweise gerade in Frankreich könnten wir keine politischen Streiks wegen einer Rentenreform der Bundesregierung durchführen. Und insofern muss man damit leben. Ich kann auch nur davon abraten, zu spekulieren, ob man das Streikrecht nicht in Deutschland einschränken müsste. tagesschau.de: Sie spielen auf entsprechende Forderungen der Arbeitgeberverbände an. Die kritisieren, die Gewerkschaften hätten Maß und Mitte verloren angesichts der gehäuften Warnstreiks der letzten Wochen. Fahimi: Wir müssen im Moment aktuell leider mehr Druck aufbauen, weil es einfach um sehr viel geht. Dass wir mit gefühlt relativ vielen Warnstreiktagen zu tun haben, liegt einfach daran, dass jetzt eben zufällig viele Tarifverhandlungen zusammenfallen aus ganz verschiedenen Branchen. Das ist so. In Summe ist Deutschland aber ein Niedrigstreikland. Es wird bei uns im europäischen, internationalen Vergleich extrem wenig gestreikt. Insofern ist es der Versuch, Stimmung zu machen gegen das Streikrecht, was ich wirklich hochproblematisch finde. Denn man bewegt sich damit auf ein sehr gefährliches Territorium, wo es um Staatsbürgerrechte geht und daran jetzt mal so bisschen herum zu philosophieren, ob man da nicht was einschränken müsste, geht an die Wurzeln unserer Demokratie. Und es wird auch eine entsprechende Antwort darauf geben. tagesschau.de: Wie könnte die ausfallen? Fahimi: Sollte jemand tatsächlich ernsthaft auf die Idee kommen, an das Streikrecht zu gehen, dann wird es uns sicherlich nicht schwerfallen, viele Tausend Menschen zu mobilisieren, die ganz deutlich ihr Staatsbürgerrecht einfordern. Gewinn-Preis-Spirale, keine Lohn-Preis-Spirale? tagesschau.de: Aus wirtschaftlicher Sicht wird ja auch immer wieder die Befürchtung geäußert, dass hohe Tarifabschlüsse eine Lohn-Preis-Spirale in Gang bringen könnten. Sie sehen das nicht so? Fahimi: Nein. Das ist uns übrigens auch schon im letzten Jahr bei der ersten Konzertierten Aktion bestätigt worden, von Bundesbank und Sachverständigenrat. Dass die Inflation - im vergangenen Jahr wie in diesem Jahr - begründet ist durch die hohen Energiepreise und die gestörten Lieferketten, nicht durch die Lohnentwicklung. Insofern wünsche ich mir, dass man diese Debatte jetzt einfach mal beendet. Was wir tatsächlich letztes Jahr beobachtet haben, ist eine Gewinn-Preis-Spirale. Das heißt, dass entsprechende Kosten - durch Energie beispielsweise - einfach an die Kunden weitergegeben worden sind und dadurch die Preise gestiegen sind, bei gleichbleibendem oder sogar gestiegenem Gewinn der Unternehmen. tagesschau.de: Begrüßen Sie, dass diese Gewinne jetzt auch abgeschöpft werden sollen? Fahimi: Das ist genau richtig. Wie effizient das gelingt, ist allerdings eine andere Frage. tagesschau.de: Sie sind da wenig zuversichtlich? Fahimi: Es zeichnet sich ja ab, dass der Energiemarkt der Vergangenheit nicht mehr funktioniert und dass wir ein neues Energiemarktdesign brauchen. Insofern bin ich verhalten optimistisch, dass es jetzt durchaus die Bereitschaft gibt, auch darüber nachzudenken, wie wir insbesondere mit Blick auf die Energiepreise die Inflation in den Griff bekommen. Aber dazu muss man viele Hebel bewegen in Deutschland und auch auf EU-Ebene. Das halte ich für eine wesentliche Aufgabe. tagesschau.de: Eine weitere Herausforderung wird zweifelsohne der Fachkräftemangel - und damit auch das Thema Bildung. Der Bildungsgipfel der Bundesregierung diese Woche brachte jedoch keine konkreten Ergebnisse. Waren Sie persönlich davon enttäuscht? Fahimi: Ich bin schon enttäuscht darüber, dass es der Kultusministerkonferenz einfach nicht gelingt, wirklich mal über sehr grundsätzliche Reformen zu diskutieren. Die Länder halten allesamt - unabhängig von der parteipolitischen Farbe - daran fest, dass sie zu hundert Prozent zuständig sein wollen. Sie versagen aber leider in der Kooperation untereinander und in dem Gelingen eines besseren Bildungssystems in Deutschland. Immer noch verlassen viel zu viele Schülerinnen und Schüler die Schule ohne einen Abschluss. Dass wir da über Fachkräftemangel in Deutschland klagen, ist geradezu skurril. Das Gespräch führte Jim-Bob Nickschas, ARD-Hauptstadtstudio, für das SWR-Interview der Woche. | /wirtschaft/unternehmen/interview-fahimi-dgb-101.html |
2023-03-18 | Polizei stürmt Haus von Ex-Premier Khan | Pakistan | Nach einer Woche des Widerstands mit heftigen Tumulten erschien Pakistans früherer Premierminister Khan heute vor Gericht. Zur gleichen Zeit stürmte die Polizei sein Haus in Lahore, weil er Waffen besessen haben soll.
mehr | Nach einer Woche des Widerstands mit heftigen Tumulten erschien Pakistans früherer Premierminister Khan heute vor Gericht. Zur gleichen Zeit stürmte die Polizei sein Haus in Lahore, weil er Waffen besessen haben soll. In der pakistanischen Millionenstadt Lahore hat die Polizei das Wohnhaus des ehemaligen Premierministers Imran Khan gestürmt, um nach Waffen zu suchen. Khan selbst war nicht vor Ort, weil er sich auf dem Weg zu einem Gerichtstermin in der Hauptstadt Islamabad befand. Anhänger des Politikers beschossen die Beamten vom Dach des Hauses aus, wie die Polizei mitteilte. Mindestens 65 Unterstützer seien festgenommen worden, sagte der Polizeichef der Provinz Punjab, Usman Anwar. Khan folgte der Vorladung vor Gericht, obwohl er seine Inhaftierung befürchtete. Das Gericht hatte ihm zuvor zugesichert, vor einer Verhaftung geschützt zu werden, wenn er zur Anhörung kommt. Vor dem Gerichtsgebäude in Islamabad gab es ebenfalls Zusammenstöße zwischen der Polizei und Khans Anhängern. Bei einer Kundgebung angeschossen "Die Regierungspartei Pakistan Democratic Movement will mich festnehmen lassen", sagte der frühere Cricket-Star Khan vor der Anhörung der Nachrichtenagentur Reuters. "Obwohl ich ihre böswilligen Absichten kenne, gehe ich nach Islamabad und vor das Gericht, weil ich an die Rechtsstaatlichkeit glaube", twitterte der 70-Jährige zudem. Khan war im April 2022 mit einem Misstrauensvotum nach fast vier Jahren im Amt als Premierminister abgesetzt worden. Die Opposition warf ihm Misswirtschaft vor. Seitdem kämpft er um Neuwahlen und ruft immer wieder zu Massenprotesten auf. Im November wurde er bei einer Kundgebung ins Bein geschossen. Khan wirft dem amtierenden Regierungschef Shehbaz Sharif und einem hochrangigen Militär vor, seine Ermordung in Auftrag gegeben zu haben. Beide weisen die Anschuldigung zurück. Vorwürfe der Korruption und Geldwäsche Seit seiner Absetzung bringt die pakistanische Justiz immer neue Vorwürfe gegen Khan vor. Er muss sich mittlerweile in mehr als 80 Fällen vor Gericht verantworten - unter anderem wegen Korruption, Geldwäsche und Beleidigung einer Richterin. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, Staatsgeschenke in seiner Zeit als Premierminister behalten, zum Teil verkauft und den Gewinn unterschlagen zu haben. Aufforderungen, vor Gericht zu erscheinen, ignorierte er mehrfach. Er begründete dies damit, dass es Drohungen gegen ihn gebe. Für die Hausdurchsuchung hatte die Polizei einen Durchsuchungsbefehl eines örtlichen Gerichts, sagte Amir Mir, der Informationsminister der Provinz Punjab. Zuvor habe es Berichte über Waffen in dem Haus gegeben. Vergangenen Dienstag wollte die Polizei Khan wegen der Vorwürfe in seiner Heimatstadt Lahore festnehmen, scheiterte aber am Widerstand seiner Anhänger. Es kam zu Tumulten und Straßenschlachten. Khan hatte sich etwa eine Woche lang in seinem Haus verschanzt. Gestern wurde der Haftbefehl ausgesetzt, damit er vor Gericht erscheint. | /ausland/asien/pakistan-khan-111.html |
2023-03-18 | USA und Ukraine begrüßen Haftbefehl gegen Putin | Internationaler Strafgerichtshof | US-Präsident Biden bezeichnete den Haftbefehl gegen Russlands Präsident Putin als gerechtfertigt. Der ukrainische Präsident Selenskyj nannte die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs "historisch".
mehr | US-Präsident Biden bezeichnete den Haftbefehl gegen Russlands Präsident Putin als gerechtfertigt. Der ukrainische Präsident Selenskyj nannte die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs "historisch". Die US-Regierung begrüßt den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichts (IStGH) gegen den russischen Staatschef Wladimir Putin. Präsident Joe Biden bezeichnete den Schritt als gerechtfertigt. Das Gericht bringe "ein sehr starkes Argument an", sagte Biden nach Angaben von Reportern. Putin habe eindeutig Kriegsverbrechen begangen. Allerdings sei der Internationale Strafgerichtshof nicht weltweit anerkannt, "auch nicht von uns", fügte Biden hinzu. Neben Russland erkennen die USA und China den Gerichtshof nicht an. Als Grund dafür führen Juristen oft an, dass diese Staaten ihre politischen Verantwortlichen und Soldaten vor dem Zugriff der Justiz schützen wollen. Insgesamt haben mehr als 120 Staaten das Römische Statut ratifiziert. Die US-Regierung betont zwar, sie unterstütze internationale Ermittlungen zu russischen Kriegsverbrechen. Nach einem Bericht der "New York Times" gibt es jedoch Unstimmigkeiten zwischen den Ressorts: Außen- und Justizministerium sind demnach für umfangreiche Kooperationen mit den Ermittlern des IStGH, das Verteidigungsministerium will dagegen aus prinzipiellen Gründen keine Geheimdienstinformationen über russische Vergehen weitergeben. Zusammenarbeit mit dem Strafgerichtshof Der Haftbefehl des Gerichts im niederländischen Den Haag war wegen Verschleppung von Kindern aus besetzten Gebieten in der Ukraine nach Russland ergangen. Russlands Staatschef sei mutmaßlich für die rechtswidrige Deportation von Kindern und Umsiedlungen aus besetzen Gebieten der Ukraine in die Russische Föderation persönlich verantwortlich, hatte der IStGH zu seiner Entscheidung mitgeteilt. Auch gegen die Kinderrechtskommissarin in Putins Präsidialverwaltung, Maria Lwowa-Belowa, wurde Haftbefehl erlassen. "Das bedeutet, dass sie jetzt auf dem Gebiet der Länder festgenommen werden können, die das Römische Statut unterzeichnet haben", erläuterte der Chef des Präsidentenbüros in Kiew, Andrij Jermak, am Abend im Nachrichtenkanal Telegram. Auch die Ukraine hat das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs nicht ratifiziert. Trotzdem erkennt das Land die Zuständigkeit der Richter für begangene Kriegsverbrechen auf ihrem Staatsgebiet seit 2014 an. Jermak betonte, dass Kiew systematisch mit dem Gerichtshof zusammenarbeite. Der Staatsanwalt am Strafgerichtshof, Karim Khan, hatte vor einem Jahr Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingeleitet. Khan war drei Mal persönlich in der Ukraine, unter anderem in der Region Kiew, wo es in Butscha ein Massaker gab. Scholz begrüßt internationalen Haftbefehl Auch Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßte den Haftbefehl. "Der Internationale Strafgerichtshof ist die richtige Institution, um Kriegsverbrechen zu untersuchen", sagte er bei einem Besuch in Tokio. Niemand stehe über dem Gesetz. Die Bundesregierung habe immer dafür gesorgt, dass der IStGH die gebührende Bedeutung bekomme. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lobte den Haftbefehl als eine "historische Entscheidung" des Internationalen Strafgerichtshofs. "Der Anführer eines Terrorstaates und eine weitere russische Amtsträgerin sind offiziell Verdächtige in einem Kriegsverbrechen", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. Mindestens 16.000 Fälle registriert Tausende ukrainische Kindern seien illegal deportiert worden, sagte Selenskyj. Die ukrainischen Behörden hätten mindestens 16.000 Fälle registriert. "Aber die wahre gesamte Zahl der Deportierten könnte viel höher sein." Rund 300 Kinder seien bisher zurückgebracht worden in die Ukraine. "Die Trennung der Kinder von ihren Familien, ihnen jede Möglichkeit des Kontakts mit ihren Angehörigen zu nehmen, sie auf russischem Gebiet zu verstecken, in entfernten Regionen zu verteilen - all das ist offensichtlich russische Staatspolitik, es sind staatliche Entscheidungen, es ist das staatliche Böse", so Selenskyj. Verantwortlich sei der erste Mann im Staat, sagte der ukrainsiche Präsident - ohne Putin beim Namen zu nennen. Der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin lobte die Entscheidung als Signal für die Welt, dass das "russische Regime" verbrecherisch sei. "Die Führer der Welt werden jetzt dreimal überlegen, bevor sie ihm die Hand geben oder sich mit ihm an den Verhandlungstisch setzen", teilte er mit. Kreml bezeichnet Haftbefehl als nichtig Der Kreml bezeichnete den Haftbefehl als rechtlich nichtig. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa sagte, Moskau werde "nicht mit dem Gericht kooperieren". "Allein die Formulierung der Frage halten wir für unverschämt und inakzeptabel", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass. "Russland erkennt die Rechtsprechung dieses Gerichts nicht an. Entsprechend sind Entscheidungen dieser Art für Russland vom rechtlichen Standpunkt unbedeutend." Putins Reisemöglichkeiten eingeschränkt? Peskow wollte sich nach Angaben der russischen Agenturen nicht dazu äußern, ob eine drohende Verhaftung des Kremlchefs in Ländern, die das Gericht anerkennen, sich auf die Reisepläne Putins auswirken könnte. Unabhängige russische Medien kommentierten hingegen, dass durch den Haftbefehl Putins Reisemöglichkeiten eingeschränkt werden könnten. Unter den Ländern, die das Statut ratifiziert haben, befinden sich auch Verbündete Russlands. UN wollen weiter mit Putin sprechen Die Vereinten Nationen vermieden eine direkte Reaktion bislang. Ein Sprecher sagte lediglich, dass Putin für UN-Chef António Guterres wegen der Entscheidung keine Persona non grata sei. "Der Generalsekretär wird immer mit jedem sprechen, mit dem es nötig ist zu sprechen." Allerdings ist fraglich, ob der russische Präsident zu möglichen Friedensgesprächen unter UN-Führung zum Beispiel nach Genf fliegen könnte, denn die Schweiz gehört dem Weltstrafgericht an. Mit Informationen von Ralf Borchard, ARD-Studio Washington | /ausland/europa/putin-haftbefehl-internationaler-strafgerichtshof-103.html |
2023-03-18 | Die Frau des Comandante | Nicaraguas Terror-Regime | Aus dem einstigen Freiheitskämpfer Ortega ist ein brutaler Diktator Nicaraguas geworden. Doch seine Frau Murillo sei die Macht hinter der Macht, sagen Beobachter. Was treibt dieses Paar an? Von A. Demmer. | Aus dem einstigen Freiheitskämpfer Ortega ist ein brutaler Diktator Nicaraguas geworden. Doch seine Frau Murillo sei die Macht hinter der Macht, sagen Beobachter. Was treibt dieses Paar an? Täglich richtet sich die Vizepräsidentin und Gattin von Daniel Ortega, dem Präsidenten von Nicaragua, im Staatsmedium "Canal 4" an die Bevölkerung. Über das Telefon wird sie zugeschaltet. Rosario Murillo monologisiert dann über Liebe, ihren Glauben, Religion und Sozialprogramme. Als junge Frau verlas sie in der Kirche noch eigene Gedichte gegen die Diktatur unter Anastasio Somoza Debayle. Doch sie habe sich von einer extrem linken zu einer konservativen, antifeministischen Frau entwickelt, sagt der aus Nicaragua stammende "El País"-Journalist Carlos Salinas Maldonado. Er hat ein Buch über sie geschrieben: "Yo soy la mujer del comandante" - zu deutsch "Ich bin die Frau des Comandante". Das Buch sei eine literarische Biographie, basierend auf der Auswertung von Dokumenten, Schriftstücken und Gedichten der Präsidentengattin. Eine Familiendiktatur Murillo sei voller Ambitionen, so Maldonado. 1998 sei für sie ein Wendepunkt gewesen. Als ihre Tochter aus erster Ehe ihren Stiefvater Ortega beschuldigte, sie als Teenager jahrelang vergewaltigt zu haben, stellte sich Murillo hinter ihren Mann. Ihr Aufstieg beginnt. Sie wird zur rechten Hand von Daniel Ortega. Er sei zwar immernoch der starke Mann, aber sie treffe die alltäglichen Entscheidungen, so der Journalist Maldonado. Sie teilten sich die Macht auf eine besondere Art und Weise. Es sei eine Familiendiktatur. Mit Ketten und Schmuck überladen, schrillen, bunten Kleidern und stets tiefrot geschminkten Lippen tritt Murillo in der Öffentlichkeit auf. Als spirituell, religiös, fanatisch wird sie oft beschrieben, als "bruja" - Hexe. Mit Bäumen gegen schlechte Energien "Sie glaubt, dass es negative Energien in der Erde gibt, die ihr schaden könnten. Deswegen hat sie Lebensbäume aus Metall in Managua aufstellen lassen", sagt Maldonado. Es seien insgesamt 150. Jeder Einzelne kostete um die 20.000 US-Dollar. In einem armen Land wie Nicaragua seien das obszöne Ausgaben. Aber ihrem Glauben nach würden die Bäume die Familie gegen diese negativen Energien schützen. Nachts erleuchten die Lebensbäume Managua, eine der ärmsten Hauptstädte der Region, wie Disneyland. Die Strippenzieherin Für viele Beobachter ist Murillo längst die eigentliche Strippenzieherin in Nicaragua. "Vamos con todo" - wir geben alles - mit diesen Worten ordnete sie die blutige Niederschlagung der Studentenproteste 2018 an. Dabei kamen mehr als 350 Menschen ums Leben. Seitdem geht das Regime gegen den immer weiter wachsenden Widerstand noch brutaler vor. Mord, willkürliche Inhaftierung, Folter, sexualisierte Gewalt, Verbrechen gegen die Menschlichkeit werfen Expertinnen und Experten des UN-Menschenrechtsrats dem Regime in einem Bericht vor, der gerade veröffentlicht wurde. Auch die kürzliche Freilassung der 222 politischen Gefangenen war eine Idee seiner Frau Murillo, wie Ortega selbst sagte. Die Oppositionellen und Regierungskritiker wurden in die USA ausgeflogen, ihnen wurde die Staatsbürgerschaft aberkannt, ihr gesamtes Vermögen konfisziert. Auch die ehemalige sandinistische Guerillakämpferin Dora María Téllez, die Seite an Seite mit Daniel Ortega gegen die Somoza-Diktatur gekämpft hatte, ist darunter. "Krieg im Kopf" "Ortega und Murillo haben den Krieg im Kopf. Sie führen einen Krieg, bei dem es um alles geht, jegliche Mittel recht sind", sagte Téllez gegenüber dem argentinischen Online-Medium "Infobae". Sie wolle mit zivilen Mitteln kämpfen, die in freie und gerechte Wahlen münden sollen. Die Nicaraguaner sollten selbst entscheiden können, welche Regierung sie wollen. Repressiv gehen Murillo und Ortega gegen alle vor, die Kritik üben. Oppositionelle, Kirchenvertreter, Journalisten, NGOs, Intellektuelle. Es herrscht ein Klima der Angst. Ausländische Journalisten werden nicht mehr ins Land gelassen. Kontakte in Nicaragua zu halten ist schwierig. Kaum jemand traut sich noch, sich am Telefon zu äußern. Auch der Journalist Carlos Salinas Maldonado lebt im Exil in Mexiko. Er sah sich gezwungen, Nicaragua zu verlassen - zu groß war der Druck geworden. Wegen seiner kritischen Berichterstattung habe er Drohungen bekommen, erzählt er. Auch Kirche in der Schusslinie Nachdem in den vergangenen Monaten bereits hunderten anderen Nichtregierungsorganisationen die Rechtsgrundlage entzogen wurde, ist nun auch die katholische Caritas gezwungen, ihre Arbeit einzustellen. Insbesondere die Kirche galt einst als wichtige kritische Stimme, bis sie ebenso in die Schusslinie geriet. Selbst Osterprozession sind nun verboten - wie generell jegliche Versammlung und alle Proteste. Jüngst wurde der Bischof Rolando Alvarez zu 26 Jahren verurteilt. Der Vorwurf: Ungehorsam und Untergrabung der nationalen Integrität. Er hatte sich geweigert, Nicaragua zu verlassen. Papst Franziskus, der sich lange Zeit zurückgehalten hatte, reagierte nun, auch wenn er vermied, den Namen Ortegas zu nennen. Er könne nichts anderes sagen, als dass die Person, die das Land führe, aus dem Gleichgewicht geraten sei. Er verglich Nicaragua mit "der kommunistischen Diktatur von 1917 oder der Hitler-Diktatur von 1935". Die Reaktion des Regimes ließ nicht lange auf sich warten. Nun hat Nicaragua offenbar die diplomatischen Beziehungen zum Heiligen Stuhl gekappt, wie das Außenministerium verlauten ließ. Ortega werde alles dafür tun, um die Macht zu sichern, so der "El País"-Journalist Maldonado. Zu dem Zweck setzt er auch seine acht Kinder ein. Sie arbeiten als Berater der Regierung, verfügen über wichtige Positionen und führen die Medienunternehmen des Landes. Und in einer Ansprache kündigte Ortega an, seine Frau Murillo als Co-Präsidentin installieren zu wollen. | /ausland/amerika/nicaragua-ortega-murillo-101.html |
2023-03-18 | Übernimmt die UBS die Credit Suisse? | Medienberichte | Trotz eines Milliarden-Hilfspakets steht die Schweizer Großbank Credit Suisse weiter unter Druck. Nach Medienberichten könnte die Schweizer Großbank UBS die Credit Suisse übernehmen. Dazu laufen offenbar Gespräche.
mehr | Trotz eines Milliarden-Hilfspakets steht die Schweizer Großbank Credit Suisse weiter unter Druck. Nach Medienberichten könnte die Schweizer Großbank UBS die Credit Suisse übernehmen. Dazu laufen offenbar Gespräche. Die Schweizer Großbank UBS soll nach Berichten der "Financial Times" und der Nachrichtenagentur Reuters an der teilweisen oder kompletten Übernahme der angeschlagenen Konkurrentin Credit Suisse interessiert sein. Wie die "Financial Times" unter Berufung auf Insider berichtet, wollten sich die Aufsichtsräte der beiden größten Schweizer Kreditinstitute am Wochenende getrennt treffen, um entsprechende Beratungen zu führen. Reuters berichtete mit Berufung auf "zwei mit der Situation vertraute Personen", die schweizerischen Aufsichtsbehörden drängten die UBS, ihren kleineren Lokalrivalen zu schlucken. Die UBS hatte sich zuvor wiederholt gegen eine Übernahme der Credit Suisse ausgesprochen - zuletzt am Dienstag. Staatliche Sicherheiten als Voraussetzung Die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die Schweizer Finanzaufsicht Finma hätten ihren internationalen Kollegen mitgeteilt, dass sie eine Fusion mit der UBS als einzige Möglichkeit ansehen, den Vertrauensverlust in die Credit Suisse aufzuhalten, berichtete die "Financial Times" außerdem. Die Parteien arbeiteten unter Hochdruck, um vielleicht schon am Samstagabend eine Einigung zu erzielen, so die Zeitung. Voraussetzung für einen Deal sind laut "Financial Times" staatliche Sicherheiten. Demnach soll die Regierung in Bern eine Garantie zur Absicherung der mit der Übernahme verbundenen Risiken abgeben. Ein Kauf der Credit Suisse durch die UBS wäre der bedeutendste Bankenzusammenschluss in Europa seit der Finanzkrise. Die Finma lehnte eine Stellungnahme ab - genauso wie die UBS und die Credit Suisse. Aktienkurs der Credit Suisse zuletzt auf Rekordtief Die schlingernde Großbank Credit Suisse hatte zuletzt unter erheblichem Vertrauensverlust der Anleger gelitten. Der Aktienkurs war auf ein Rekordtief gefallen, nachdem der größte Investor der Bank die Bereitstellung von weiterem Kapital ausgeschlossen hatte und das Institut weiter mit Geldabflüssen zu kämpfen hatte. Die SNB stellte dann dem Institut Kredite bis zu 50 Milliarden Franken - umgerechnet knapp 51 Milliarden Euro - zur Verfügung. Es ist das erste Mal seit der Finanzkrise ab 2007, dass eine Notenbank sich zu einer Stützungsaktion für eine so große Bank gezwungen sah. Für die Notenbank, Finanzaufsicht und Regierung geht es nun auch darum, eine allgemeine Bankenkrise zu verhindern. Eine vollständige Fusion würde eines der größten systemrelevanten Finanzinstitute in Europa schaffen. | /wirtschaft/finanzen/ubs-credit-suisse-moegliche-uebernahme-101.html |
2023-03-18 | Was Deutschland von Japan lernen will | Scholz und Minister in Tokio | Kanzler Scholz setzt auf Japan als wichtigen Verbündeten - das unterstrich er erneut bei den ersten gemeinsamen Regierungskonsultationen. Offenbar stimmt die Chemie zwischen den Regierungschefs. Von Kathrin Erdmann. | Kanzler Scholz setzt auf Japan als wichtigen Verbündeten - das unterstrich er erneut bei den ersten gemeinsamen Regierungskonsultationen. Offenbar stimmt die Chemie zwischen den Regierungschefs. Der deutsche und der japanische Regierungschef geben sich in Tokio vertraut, scheinen sich gut zu vertragen. Der Kanzler hatte auch viel Lob im Gepäck: Japan sei ein zentraler Wertepartner für Deutschland. "Uns mögen 9000 Kilometer Entfernung trennen, uns verbinden aber demokratische Prinzipien, der Einsatz für internationales Recht, das Interesse an freien und sicheren Handelswegen", sagte der Bundeskanzler. Und mit den Regierungskonsultationen stelle man diese Beziehungen jetzt auf eine neue Stufe. "Wir wollen Abhängigkeiten verringern" Der russische Angriffskrieg habe Deutschland schmerzlich vor Augen geführt, wozu starke Abhängigkeiten in kritischen Bereichen führen können, so Scholz weiter. Dabei gehe es nicht darum, sich abzuschotten. "Wir wollen Abhängigkeiten verringern und die Widerstandsfähigkeiten unserer Volkswirtschaften erhöhen", sagte er. Das japanische Wirtschaftssicherheitskonzept biete aus seiner Sicht einige gute Lösungsansätze für diese Fragen. Und ganz konkret: "Erstens, der Schutz kritischer Infrastruktur. Japan und Deutschland können voneinander lernen, wie wir sensible Bereiche besser schützen. Zweitens, Lieferketten sichern und Handelswege schützen. Drittens, die Sicherheit unserer künftigen Energieversorgung." Wasserstoff werde das Gas der Zukunft: Klimaneutral, sauber und nachhaltig. "Wir sind froh, mit Japan einen wichtigen Partner zu haben für den Aufbau einer globalen Wasserstoffwirtschaft", erklärte Scholz. Zurückhaltung bei Haftbefehl gegen Putin Mehr Zusammenarbeit ist auch bei der Verteidigung vorgesehen. Unter anderem wird im kommenden Jahr erneut ein Schiff einen japanischen Hafen anlaufen - sehr zur Freude von Regierungschef Fumio Kishida. Auf die Frage, wie beide über den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin denken, antworten beide zurückhaltend. "Man habe großes Interesse an diesen Fragen und werde diese auch weiter beobachten", so Kishida. Mit Blick auf die anstehende Reise des chinesischen Präsidenten nach Moskau sagte der Bundeskanzler, man erwarte schon, dass die chinesische Regierung auch dort deutlich von einem Angriffskrieg sprechen werde und sich auch mit dem ukrainischen Präsidenten unterhalte. | /ausland/asien/japan-deutschland-regierungskonsultationen-101.html |
2023-03-18 | Trump erwartet baldige Festnahme | Aufruf zu Protesten | Am kommenden Dienstag werde er verhaftet, hat Donald Trump nun selbst behauptet. Seine Anhänger rief der Ex-US-Präsident deshalb zu Protesten auf. Hintergrund sind Ermittlungen wegen einer Schweigegeldzahlung.
mehr | Am kommenden Dienstag werde er verhaftet, hat Donald Trump nun selbst behauptet. Seine Anhänger rief der Ex-US-Präsident deshalb zu Protesten auf. Hintergrund sind Ermittlungen wegen einer Schweigegeldzahlung. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump erwartet, dass er am kommenden Dienstag festgenommen wird. Auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social schrieb Trump: "Der haushoch führende republikanische Kandidat und ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird am Dienstag nächste Woche festgenommen werden." Außerdem rief der Republikaner seine Anhänger zu Protesten auf. In seinem Posting schrieb er dazu: "Protestiert, holt euch unsere Nation zurück!". Ob Trumps Unterstützer seinem Protestaufruf folgen werden, ist noch unklar. Seine Beiträge auf Truth Social finden in der Regel weit weniger Beachtung als früher auf Twitter. Dennoch verfügt Trump nach wie vor über eine sehr treue Anhängerschaft. Die Staatsanwaltschaft in New York ermittelt gegen Trump wegen Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels. Ein Geschworenengremium entscheidet in dem Fall nach Vorlage von Beweismitteln durch die Staatsanwälte, ob Anklage erhoben wird. US-Medien gehen davon aus, dass diese Entscheidung in den kommenden Tagen gefällt wird. Trump könnte damit der erste Ex-Präsident werden, der wegen eines mutmaßlichen Verbrechens angeklagt wird. Medienberichte als Quelle Als Quelle für seine Behauptung verwies Trump auf "illegale undichte Stellen" der Bezirksstaatsanwaltschaft von Manhattan. Beweise für eine offizielle Mitteilung der Staatsanwaltschaft an ihn oder seine Anwälte gab es nicht. Ein Sprecher und ein Anwalt von Trump sagten daraufhin, Trumps Äußerung bei Truth Social stütze sich auf Medienberichte und nicht auf eine Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft lehnte eine Stellungnahme ab. Schweigegeldzahlung eingeräumt Die Vorwürfe, wegen derer Trump in New York jetzt eine Anklage drohen könnte, begleiten den ehemaligen Präsidenten schon lange. Die Pornodarstellerin Daniels hatte nach eigener Aussage 2006 Sex mit Trump. Trumps damaliger und mittlerweile entfremdeter Anwalt Michael Cohen hatte nach eigenen Aussagen dann 2016 im Auftrag Trumps Schweigegeld an sie gezahlt, um im Wahlkampf Schaden von Trump abzuwenden. Trump und seine Anwälte räumten eine Zahlung ein. Eine Affäre mit Daniels habe Trump aber nicht gehabt. Die Anklage will ihm nun offenbar vorwerfen, die Zahlung an den Pornostar bewusst falsch als Kosten für rechtliche Beratung veranlagt zu haben. Die Staatsanwaltschaft in New York beschäftigt nun offensichtlich auch die Frage, ob Trump durch die Zahlung womöglich gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen hat. Zwar ist Schweigegeld in den USA nicht illegal, aber die Staatsanwaltschaft könnte die 130.000 Dollar an Daniels als im Bundesstaat New York unzulässige Wahlkampfspende darstellen. Die Ankläger könnten argumentieren, das Schweigegeld sei direkt seiner Kandidatur zugute gekommen. Gegen Trump laufen auch in einigen weiteren Fällen Ermittlungen. So untersucht ein vom Justizministerium eingesetzter Sonderermittler Trumps Rolle beim Sturm auf das US-Kapitol sowie die Mitnahme von geheimen Regierungsdokumenten aus dessen Amtszeit. Im Bundesstaat Georgia ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Trump wegen möglicher Wahlmanipulation. In einem Fall wurde Trump auch schon belangt - zumindest indirekt. Sein Immobilienkonzern wurde in New York unter anderem wegen Steuerbetrugs zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Ex-Präsident war dabei nicht persönlich angeklagt gewesen. Trump will 2024 wieder ins Weiße Haus Der 76-jährige Republikaner hatte im vergangenen November eine erneute Präsidentschaftsbewerbung verkündet und will bei den Wahlen 2024 das Weiße Haus zurückerobern. Am Freitag meldete sich der Ex-Präsident zum ersten Mal seit langem wieder auf Facebook. "Ich bin zurück!", schrieb er zu einem kurzen Video-Clip, der ihn beim Wahlsieg 2016 zeigt. Das weltgrößte Online-Netzwerk hatte ihn Ende Januar - gut zwei Jahre nach der gewaltsamen Erstürmung des US-Kapitols durch seine Anhänger - wieder auf der Plattform zugelassen. Trump zog es zunächst dennoch vor, seine Anhänger weiter über die eigene Twitter-Kopie Truth Social zu mobilisieren. | /ausland/amerika/trump-festnahme-protestaufruf-101.html |
2023-03-18 | Warum der Uni-Eignungstest Schule macht | Aufwertung der Abi-Note | Für einige Studiengänge müssen in Deutschland Eignungsprüfungen abgelegt werden. Den Medizinertest gibt es schon lange - nun folgt erstmals ein Test für Psychologie. Was verändert sich dadurch? Von Marleen Wiegmann. | Für einige Studiengänge müssen in Deutschland Eignungsprüfungen abgelegt werden. Den Medizinertest gibt es schon lange - nun folgt erstmals ein Test für Psychologie. Was verändert sich dadurch? Für ihren großen Traum hat Hannah Schatz im vergangenen Jahr den Medizinertest abgelegt. "Es war wahnsinnig viel Druck, weil das dann wirklich meine letzte Chance war", erzählt sie. Denn bislang dürfen Teilnehmer den Test höchstens zweimal absolvieren. Am Ende war das Ergebnis von ihrem Test zwar besser als beim ersten Mal - aber immer noch nicht gut genug. Ins Medizinstudium ist Schatz leider nicht gekommen. Auf den Eignungstest ist sie seitdem nicht mehr gut zu sprechen. Vergleichbare Erfahrungen könnten bald auch Interessierte für das Psychologiestudium machen. Bewerber können in diesem Jahr an einigen Universitäten in Deutschland einen Eignungstest absolvieren, um so ihre Abiturnote aufzuwerten. Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2017 reicht nur die Abiturnote für die Auswahl von Studierenden für bundesweit zulassungsbeschränkte Studiengänge nicht mehr aus. Stattdessen muss mindestens ein weiteres, aussagekräftiges Kriterien berücksichtigt werden, wie zum Beispiel berufliche Erfahrungen oder das Ergebnis eines Eignungstests. Insgesamt etwa 40 Prozent der Studiengänge an Hochschulen sind in Deutschland zulassungsbeschränkt. In diesen Fächern überschreitet die Zahl der Bewerber die Anzahl der Studienplätze. In allen übrigen Studiengängen werden Interessierte ohne Auswahlverfahren zugelassen. Das Urteil des Verfassungsgerichts gilt für Pharmazie, Human-, Tier- und Zahnmedizin. Psychologie gehört nicht dazu - die Hochschulen folgen dennoch der Entscheidung, da für diesen Studiengang, sollte eine vergleichbare Klage eingereicht werden, ein gleichlautendes Urteil zu erwarten wäre. Eignungstests in künstlerischen Studiengängen In künstlerischen Studiengängen kommen Eignungstests als eine Auswahlmöglichkeit häufig vor. Um beispielsweise in Münster Design zu studieren, müssen Bewerber eine Mappe abgeben, in der sie sich in verschiedenen Arbeiten mit einem festgelegten Thema auseinandersetzen. Anschließend müssen sie eine Klausur bestehen, in der sie vier Stunden Zeit haben, um eine gestalterische Aufgabe zu lösen. In den vergangenen Jahren haben sich Eignungstests aber auch in anderen Studiengängen etabliert - zum Beispiel, um Abbrecherquoten zu senken. Die Tests sollen dabei helfen vorherzusagen, welche der Bewerber das Studium voraussichtlich erfolgreich abschließen werden. Den Medizinertest (TMS) gibt es in seiner jetzigen Form seit 2007. Dementsprechend gut ist seine Prognosekraft erforscht: Studien zeigen, dass der Medizinertest den Studienerfolg zuverlässig voraussagen kann. Auch in anderen Studienfächern bestätigt sich diese Tendenz. Bewerber können Motivation zeigen Ein Vorteil von Eignungstests ist, dass Bewerber sich verbessern können. Cort-Denis Hachmeister beschäftigt sich am Centrum für Hochschulentwicklung unter anderem mit dem Hochschulzugang und nennt die Tests "eine Art Selbstermächtigung" für Bewerber: "Sie haben damit die Möglichkeit, etwas an ihrer Ausgangslage zu verbessern." Jemand, der außerdem den zusätzlichen Schritt geht und beispielsweise am Medizinertest teilnimmt, zeigt Eigeninitiative und Motivation. Für Medizin und Psychologie sind die Eignungstests nämlich explizit freiwillig und keine Voraussetzung fürs Studium. Dabei gibt es aber einen Knackpunkt: Eignungstests sind für Hochschulen ein enormer Aufwand, sagt Hachmeister. "Die Hochschulen müssen sich überlegen, welche Kompetenzen sie prüfen möchten. Sie müssen die Tests konzipieren, erproben und evaluieren." Eine Auswahl über die Abiturnoten ist dagegen einfach, kostengünstig und transparent - und deshalb für viele Studiengänge noch immer die erste Wahl. Chance für Bewerber Wie der Eignungstest in der Psychologie angenommen wird, wer ihn macht und aus welchen Gründen, werden die nächsten Jahre zeigen. Für einige könnte es eine Chance sein. Auch für Hannah Schatz gibt es noch eine Möglichkeit, Medizin zu studieren. Sie möchte sich für das nächste Semester an einer Uni bewerben, die ihre abgeschlossene Ausbildung als Physiotherapeutin bei der Auswahl berücksichtigt. Viele Hochschulen beziehen bei der Auswahl eine Ausbildung im medizinischen Bereich mit ein. Die Gewichtung unterscheidet sich jedoch stark. Vielleicht klappt es im nächsten Versuch und Schatz kann endlich mit ihrem Traumstudium beginnen. Ganz ohne einen Eignungstest. | /inland/hochschulzugang-eignungspruefung-101.html |
2023-03-18 | Weiteres Protestwochenende in Frankreich | Demonstration gegen Rentenreform | Die Protestwelle in Frankreich reißt nicht ab: An diesem Wochenende sind wieder überall im Land Demonstrationen gegen Macrons Rentenreform geplant. Die Regierung muss sich am Montag einem Misstrauensvotum stellen.
mehr | Die Protestwelle in Frankreich reißt nicht ab: An diesem Wochenende sind wieder überall im Land Demonstrationen gegen Macrons Rentenreform geplant. Die Regierung muss sich am Montag einem Misstrauensvotum stellen. Die Proteste gegen die Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron sind fortgesetzt worden. Im Fernsehen wurden Kundgebungen in Städten wie Compiegne im Norden, Nantes im Westen und Saint-Etienne in Zentralfrankreich gezeigt. Demonstrationen waren unter anderem noch in Paris, der Hafenstadt Marseille, in Brest, Toulon und Montpellier geplant. Mehrere Gewerkschaften hatten für das Wochenende zu Demonstrationen aufgerufen - auch aus Wut über das Vorgehen von Macrons Regierung, die die Reform ohne Abstimmung in der Nationalversammlung durchsetzen will. Die Gewerkschaft CGT kündigte die Stilllegung von mindestens zwei Raffinerien an. Polizei setzte Tränengas ein Am Freitagabend hatten sich den zweiten Abend in Folge Tausende Menschen auf dem Place de la Concorde in Paris versammelt, nur wenige hundert Meter von der Nationalversammlung und dem Elysée-Palast des Präsidenten entfernt. Die Atmosphäre war zunehmend aufgeheizt, nachdem sie tagsüber überwiegend friedlich gewesen war. Mehrere hundert zumeist jüngere Demonstranten bewarfen Polizisten mit Flaschen und Feuerwerkskörpern. Die Polizei setzte Tränengas ein, um den Platz zu räumen. Laut Polizeipräsidium wurden 61 Menschen festgenommen. Daraufhin verbot die Präfektur jegliche Demonstrationen auf und um den Place de la Concorde sowie auf dem Boulevard Champs Elysées im Pariser Zentrum. Als Folge der Proteste häufen sich in der Hauptstadt auch die Müllberge. In Raffinerien wurde auch am Samstag gestreikt. Rund 37 Prozent der Beschäftigten in Raffinerien und Depots von TotalEnergies legten die Arbeit nieder. Auch bei der Bahn wurden die Ausstände fortgesetzt. Zwei Drittel der Franzosen lehnen die Reform ab Die Kundgebungsteilnehmer lehnen die Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre ab. Ein breites Bündnis der wichtigsten französischen Gewerkschaften will mobilisieren, um eine Kehrtwende bei den Renten-Änderungen zu erzwingen. Die Regierung hatte am Donnerstag einen Verfassungsartikel geltend gemacht, der die Verabschiedung der Rentenreform ohne Abstimmung in der Nationalversammlung ermöglicht, wenn die Regierung anschließend eingebrachte Misstrauensanträge übersteht. Die Opposition reichte seitdem zwei Misstrauensanträge ein, über welche die Nationalversammlung nach Angaben aus Parlamentskreisen am Montag beraten wird. Falls eine absolute Mehrheit der Abgeordneten dafür stimmt, ist die Rentenreform abgelehnt und die Regierung muss zurücktreten. Dann könnte Macron einen neuen Premierminister oder eine neue Premierministerin ernennen oder Neuwahlen ausrufen. Eine Mehrheit für die Misstrauensanträge gilt als eher unwahrscheinlich, da die konservativen Republikaner voraussichtlich die Regierung unterstützen werden. Sollte keine absolute Mehrheit für einen Misstrauensantrag zustande kommen, ist die Rentenreform endgültig verabschiedet. Umfragen zufolge lehnen rund zwei Drittel der Französinnen und Franzosen die Reform ab. | /ausland/europa/frankreich-proteste-163.html |
2023-03-18 | Der neue Nahe Osten? | Iran und Saudi-Arabien | Die Annäherung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran kam für viele überraschend. Für die Region könnte sie ein Umbruch bedeuten, Machtverhältnisse verschieben und - so die Hoffnung vieler - Konflikte entspannen. Von Anna Osius. | Die Annäherung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran kam für viele überraschend. Für die Region könnte sie ein Umbruch bedeuten, Machtverhältnisse verschieben und - so die Hoffnung vieler - Konflikte entspannen. Wenn es um die Zukunft geht, hat Politikwissenschaftler Mostafa Kamal von der Cairo University auf einmal ein wenig Euphorie in der Stimme. "Der Titel meines nächsten Artikels wird lauten: 'Der neue Nahe Osten'. Diese Einigung zwischen Saudi-Arabien und Iran ist der Beginn eines neuen Nahen Ostens - anders als alles, was wir bisher kannten", so Kamal. Neuer Realismus bei den Machthabern Die Meldung, dass die jahrelangen Erzfeinde der Region, Iran und Saudi-Arabien, wieder diplomatische Beziehungen aufnehmen wollen, war in Beobachterkreisen offenbar ein Donnerschlag. Kamal meint, eine neue Form des Realismus auf beiden Seiten habe den Deal ermöglicht. "Die Saudis sehen, dass sie ohne eine Einigung zum Beispiel im Jemen-Krieg nicht weiterkommen", sagt er. "Und der Iran ist innenpolitisch und wirtschaftlich geschwächt und braucht deshalb außenpolitische Erfolge. Das hat den Deal ermöglicht - Realismus bei den Machthabern." USA besorgt um Macht in der Region Zahlreiche Konflikte im Nahen und Mittleren Osten basieren seit Jahren auf den Rivalitäten der beiden Hegemonialmächte Saudi-Arabien und Iran. Dass sich die großen Kontrahenten der Region wirklich zu einem ersten Abkommen durchringen, damit hatte offenbar kaum jemand gerechnet - weder im Nahen Osten, noch in den USA. "In Washington ist man überrascht und besorgt, wie es um die Macht der USA in der Welt noch bestellt ist", so Ex-US-Diplomatin Hillary Mann Leverett im arabischen Nachrichtensender Al Dschasira. Denn: Die Vermittlerrolle übernahmen diesmal nicht, wie so oft in der Vergangenheit, die USA, sondern ausgerechnet China. "Die Chinesen sind jetzt eine unentbehrliche Macht im Nahen Osten, nicht mehr die USA", sagt Mann Leverett. "Das ist Fakt nach diesem Deal. China hat das Geld, die Diplomatie, den größten Erfolg - damit ist China der neue große Player." China als neuer Führer der Weltordnung Das chinesische Interesse dahinter: wirtschaftliche Beziehungen sowohl zu den Saudis als auch zum Iran, ohne die Geschäftspartner zu brüskieren. Vor allem aber das Signal an die Weltgemeinschaft, wer der neue Führer der Weltordnung sein will: nicht mehr der Westen, sondern China - und auch sein enger Partner Russland. Dass sich die Saudis, historisch eng verbündet mit den USA, China zuwandten, habe Gründe, so Politologe Ibrahim Fraihat vom Doha Institute: "Saudi-Arabien ist seit Jahren frustriert von der Biden-Regierung und sucht sich deshalb neue Allianzen Richtung Osten. Nach diesem Deal erwarten wir einen Rückgang der Spannungen in Syrien, im Libanon, Jemen und im Irak" - vier Länder, deren Schicksal eng mit den geopolitischen Machtspielen der beiden Regionalmächte verknüpft ist. Der Krieg im Jemen Im Jemen kämpfen die Truppen des ehemaligen Präsidenten Abdrabbo Mansour Hadi gegen die Huthi-Rebellen. Eine Militärkoalition unter Führung Saudi-Arabiens unterstützt die Regierungstruppen, fliegt seit 2015 Luftangriffe. Die Huthis wiederum erhalten Hilfe aus dem Iran. Daher galt der Jemen-Konflikt auch als Stellvertreterkrieg der beiden großen Gegenspieler der Region: Saudi-Arabien gegen Iran. Vor knapp einem Jahr trat eine mehrmonatige Waffenruhe in Kraft, die aber im Herbst nicht mehr verlängert wurde. Doch jetzt gebe etwas Hoffnung, sagt Politologe Kamal: "Was ich erwarte, ist, dass die Waffenruhe jetzt fortgesetzt wird. Bis zu einer wirklichen Einigung zwischen den Huthis und den anderen Kräften braucht es noch Zeit, aber eine Verlängerung der Waffenruhe wäre schonmal eine gute Sache." Auch der UN-Sondergesandte für den Jemen, Hans Grundberg, zeigt sich seit einigen Wochen vorsichtig optimistisch. "Wir sehen aktuell, dass die internationalen und regionalen diplomatischen Bemühungen zunehmen, den Konflikt zu lösen. Wir erleben möglicherweise gerade einen Richtungswechsel in diesem achtjährigen Konflikt", so Grundberg. Die Krise im Libanon Im Libanon herrscht eine schwere Wirtschaftskrise, die Währung hat mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren. Die Hisbollah, direkt unterstützt vom Iran, bildet eine Art Staat im Staate und hat große Macht im Land. Andere Bewegungen im Land stehen dagegen Saudi-Arabien nahe. Politisch ist die Lage festgefahren: Mehrere Versuche zur Wahl eines neuen Präsidenten scheiterten. Ob sich dieses Machtvakuum durch den saudi-iranischen Deal löst? Beobachter sind unterschiedlicher Ansicht. Professor Kamal ist optimistisch. "Die Hisbollah hat einen aussichtsreichen Kandidaten für das Präsidentenamt vorgeschlagen und der Deal könnte sein, dass dieser Kandidat durchkommt, wenn im Gegenzug der Premierminister von der sogenannten Opposition gestellt wird", sagt Kamal. Heiko Wimmen von der International Crisis Group in Beirut dämpft dagegen die Erwartungen auf Milliardenhilfen aus Saudi-Arabien für die Wirtschaft - der Libanon brauche vor allem Reformen. "Saudi-Arabien hat in letzter Zeit zunehmend Abstand genommen von seiner sogenannten Scheckbuch-Diplomatie. Man ist in Riad offensichtlich nicht mehr dazu bereit, große Mengen Geld in Länder zu überweisen, die sich als Fässer ohne Boden erwiesen haben." Ohne diese Reformen, die zwingend erforderlich seien, um die libanesische Wirtschaft wieder anzukurbeln, werde Libanon ein Fass ohne Boden bleiben. Niemand werde dann Geld in das Land investieren - weder der IWF, noch Saudi-Arabien, glaubt Wimmen. Der Krieg in Syrien Auch in Syrien haben seit Jahren Iran und Saudi-Arabien ihre Finger im blutigen Spiel: der Iran als direkter Partner des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, Saudi-Arabien lange als Unterstützer der Aufständischen. Beobachter sind wenig optimistisch, dass sich die Lage in Syrien grundlegend ändert - denn Machthaber Assad sitzt fest im Sattel. Viele gehen davon aus, dass Assad sein Comeback auf der politischen Weltbühne schrittweise fortsetzt, gedeckt von Russland und dem Iran - und möglicherweise irgendwann auch wieder akzeptiert von Saudi-Arabien. Die Instabilität im Irak Der Irak steht unter direktem Einfluss des großen Nachbarn Iran. Auf der anderen Seite bemüht sich der neue irakische Premier Mohammed Schia al-Sudani um ein gutes Verhältnis auch zu Saudi-Arabien und zu den USA. Der Irak will eine Beziehung zu beiden Seiten. "Der irakische Premier war sehr aktiv, die Annäherung zwischen den Saudis und dem Iran zu unterstützen. Aber natürlich: Der Weg, der jetzt kommt, wird nicht einfach", meint Kamal. Beobachter sind sich einig: Alle möglichen Konsequenzen aus dem Deal sind noch Zukunftsmusik - vielleicht war die Ankündigung in China auch nicht mehr als ein geschickter Coup zweier Regime, ohne Folgen für die Menschen der Region. Jetzt hänge alles davon ab, ob das saudi-iranische Abkommen auch umgesetzt würde, so der Politologe Fraihat: "Der wahre Erfolg liegt nicht im Unterschreiben eines Abkommens, sondern in der Umsetzung. Es sind noch längst nicht alle Probleme verschwunden." Der Iran werde seine bewaffneten Milizen in den verschiedenen Ländern nicht aufgeben, solange der Konflikt mit Israel besteht, meint Fraihat bei Al Dschasira. "Das bleibt eine Bedrohung für die Saudis." Verlierer USA und Israel Als große Verlierer des Abkommens gelten übrigens die USA - ausgebootet von China - und Israel. Israel hatte sehr auf eine Normalisierung der Beziehungen zu Saudi-Arabien gehofft, träumte sogar von einer Militärallianz gegen den Iran. Das scheint nun vorerst vom Tisch zu sein - und Berichten zufolge ist der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu empört über die Schwäche der Diplomatie Joe Bidens im Nahen Osten. Riad habe Tel Aviv das starke Signal gesendet, dass Saudi-Arabien eine mögliche militärische Offensive gegen den Iran nicht zwangsläufig unterstützen würde, heißt es von Analysten. Ein schwerer Schlag für Netanyahu, sagen Beobachter. Auch wenn derzeit noch alles offen ist: Viele hoffen nach der möglichen saudi-iranischen Annäherung in Zukunft auf ein bisschen Ruhe für die krisengeschüttelten Länder des Nahen und Mittleren Ostens. | /ausland/asien/iran-saudi-arabien-annaeherung-101.html |
2023-03-18 | Paus will Kinderfreibeträge senken | Streit über Kindergrundsicherung | Im Streit zwischen FDP und Grünen über die Finanzierung der geplanten Kindergrundsicherung hat Familienministerin Paus einen Alternativvorschlag vorgelegt. Mit einer Absenkung der Kinderfreibeträge soll das Projekt finanziert werden.
mehr | Im Streit zwischen FDP und Grünen über die Finanzierung der geplanten Kindergrundsicherung hat Familienministerin Paus einen Alternativvorschlag vorgelegt. Mit einer Absenkung der Kinderfreibeträge soll das Projekt finanziert werden. Bei der Haushaltsplanung gibt es in der Regierung seit Wochen Streit. Aus den Ressorts werden milliardenschwere Wünsche an Finanzminister Christian Lindner herangetragen, die er so nicht erfüllen will. Das gilt auch für die Kindergrundsicherung. Bundesfamilienministerin Lisa Paus hat jetzt vorgeschlagen, die Kinderfreibeträge abzusenken, um das Projekt zu finanzieren. "Es ist absurd, dass wohlhabende Familien über die Kinderfreibeträge deutlich stärker entlastet werden als ärmere Familien, die nur das Kindergeld erhalten", sagte Paus der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). Die Ministerin sprach sich dafür aus, die Freibeträge abzusenken und mit den dadurch entstehenden Steuermehreinnahmen einen Teil der Kindergrundsicherung zu finanzieren. "Es wäre ein Durchbruch, diese Ungerechtigkeit im System endlich zu beseitigen", sagte sie. Spitzenverdiener profitieren vom Kinderfreibetrag Hintergrund ist eine komplexe Regelung im deutschen Steuersystem: Eltern erhalten vom Staat pro Kind aktuell 250 Euro Kindergeld pro Monat. Parallel dazu gibt es die sogenannten Kinderfreibeträge. Bei der Steuerberechnung werden diese vom Einkommen abgezogen, so dass sich die Steuerlast verringert. Das Finanzamt ermittelt automatisch, ob sich Kindergeld oder Freibeträge für die Eltern mehr lohnen. Sind es die Freibeträge, wird das mit dem bereits ausgezahlten Kindergeld verrechnet. Davon profitieren Spitzenverdiener: Ihre Steuerersparnis ist größer als die Summe des ausgezahlten Kindergeldes. Paus will zwölf Milliarden - Lindner gibt maximal drei Die Kindergrundsicherung soll nach den Plänen der Ampelkoalition das bisherige Kindergeld ablösen und sieht unter anderem Vereinfachungen für Familien bei der Beantragung und der Art der Leistungen vor. Kindergeld, Kinderzuschlag und auch etwa die finanzielle Unterstützung für Klassenfahrten sollen in der Kindergrundsicherung gebündelt werden und künftig mehr Berechtigte erreichen. Ob das auch eine milliardenschwere finanzielle Aufstockung bedeuten soll, ist vor allem zwischen Grünen und FDP umstritten. Paus hatte dafür einen Bedarf von zwölf Milliarden Euro ab 2025 angemeldet. Dafür sehe sie auch keinen Spielraum, sagte sie der "NOZ". "Zwölf Milliarden Euro sind eher am unteren Ende dessen, was man benötigen würde, um Kinderarmut in Deutschland deutlich zu verringern", so Paus. Die Ministerin betonte, sie wolle eine Trendwende einleiten: "Die Kindergrundsicherung ist ein Paradigmenwechsel, nicht nur technisch, sondern möglichst auch mit einer deutlich spürbaren Erhöhung der Leistungen für Kinder in ärmeren Familien." Bundesfinanzminister Christian Lindner will aber nur zwei bis drei Milliarden Euro für das Projekt ausgeben. Paus verwies auf gestiegene Lebenshaltungskosten durch die Inflation: "Da sind die zwei Milliarden, die Herr Lindner anbietet, schnell weg, ohne dass wir eine strukturelle Verbesserung erzielt haben." Bas bringt Vermögenssteuer ins Spiel Aus Sicht von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas ist es im Bezug auf die Haushaltsplanungen richtig, "dass das Geld nicht mit vollen Händen ausgegeben wird". Gleichzeitig müsse aber auch "die Verteilung der Vermögen in Deutschland" in den Blick genommen werden, so die SPD-Politikerin in den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wenn wir keine neuen Schulden machen wollen, bleibt die Frage: Wie gehen wir mit Vermögenden um, kann man nicht auch eine andere Steuerpolitik machen?" Eine Vermögensabgabe für besonders reiche Menschen könne ein Weg sein, "ohne neue Schulden für zukünftige Generationen die Menschen heute entlasten zu können, um unser Bildungssystem zu stärken oder in unsere Infrastruktur zu investieren", sagte Bas. Dies gelte, auch wenn Lindner das "nicht hören möchte". Klingbeil: Reformstau der letzten Jahre auflösen SPD-Chef Lars Klingbeil forderte das Kabinett auf, sich zu einigen. "Als Parteivorsitzender bin ich an den Haushaltsverhandlungen der Regierung nicht beteiligt. Als Parteivorsitzender erwarte ich aber, dass die Ziele des Koalitionsvertrages mithilfe einer seriösen Haushaltspolitik umgesetzt werden", sagte er der "Welt am Sonntag". Wichtig sei ihm, "dass die Ziele des Koalitionsvertrages, Deutschland zu modernisieren, eingehalten werden, um den Reformstau der letzten Jahre aufzulösen". "Für mich geht es dabei vor allem um drei Bereiche: neue ökonomische Stärke, Sicherheit für unser Land und den gesellschaftlichen Zusammenhalt." Diese Ziele seien in schwieriger Haushaltslage "keineswegs obsolet, sondern sogar dringlicher" geworden. "Falls die Regierung keine gute Lösung hinbekommt, hätte ich durchaus noch ein paar Vorschläge zur Haushaltspolitik", fügte Klingbeil hinzu. "Die mache ich dann gerne auch öffentlich." | /inland/innenpolitik/kinderfreibetraege-kindergrundsicherung-101.html |
2023-03-18 | "Zeit der billigen Energie aus Russland vorbei" | Bundesnetzagentur-Chef Müller | Der Gaspreis sinkt zwar deutlich, bei den meisten Haushalten kommt das aber nicht an. Netzagenturchef Müller schätzt, dass es noch bis zu einem Jahr dauert, bis die Verbraucher von den Preissenkungen profitieren.
mehr | Der Gaspreis sinkt zwar deutlich, bei den meisten Haushalten kommt das aber nicht an. Netzagenturchef Müller schätzt, dass es noch bis zu einem Jahr dauert, bis die Verbraucher von den Preissenkungen profitieren. Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, rechnet damit, dass es noch Monate dauert, bis die sinkenden Großhandelspreise für Strom und Gas bei den Verbrauchern ankommen. Er gehe davon aus, dass die Haushalte erst in sechs bis zwölf Monaten von den Senkungen profitieren könnten, sagte Müller der "Rheinischen Post". Das läge an der Laufzeit der Verträge und an der Einkaufsstrategie der Unternehmen. So niedrig wie vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine werden die Energiepreise nach den Worten des Netzagenturchefs aber nicht mehr werden. "Wir müssen uns an höhere Preise gewöhnen, die Zeit der billigen Energie aus Russland ist endgültig vorbei", erklärte er. Die Großhandelspreise für Gas, die im Spätsommer bei über 300 Euro pro Megawattstunde gelegen hätten, seien auf ein Niveau um die 50 Euro gefallen. Das sei weit mehr als im Jahr 2021, doch die neue Normalität. Dauerhaft höhere Preise erforderten, dass Unternehmen effizienter würden. "Hier haben viele Fortschritte gemacht. Die Unternehmen werden sich weiter anstrengen müssen", sagte der Behördenchef. Sonderkündigungsrecht für Verbraucher "Wir bekommen viele Beschwerden von Verbrauchern, die die hohen Preise ihres Versorgers kritisieren", sagte Müller. Verbraucher hätten ein Sonderkündigungsrecht, wenn die Preise erhöht würden. Wenn Unternehmen die Rechte der Verbraucher verletzten, könne die Bundesnetzagentur dagegen vorgehen. Das Bundeskartellamt wache darüber, dass Lieferanten die Preisbremsen nicht missbrauchten. Einen Gasmangel in den nächsten Wochen schloss Müller aus: "Die Gasspeicher sind zu 64 Prozent gefüllt. Selbst wenn es in den nächsten Wochen noch einmal richtig kalt werden sollte, ist die Versorgung dank der Speicher gesichert." Aber darauf dürfe man sich nicht ausruhen, betonte Müller: "Im nächsten Winter kann das anders aussehen." Risikofaktoren seien, dass der Winter 2023/24 sehr kalt werde, Haushalte und Firmen zu wenig Energie sparten und die LNG-Terminals nicht wie geplant arbeiteten. Seit März greift die Preisbremse Seit Dezember ist der Preis für Erdgas in einer kontinuierlichen Abwärtsbewegung. Mit ausschlaggebend hierfür sind die vergleichsweise gut gefüllten Erdgasspeicher. In der ersten Märzwoche fiel der Preis für den richtungsweisenden Terminkontrakt TTF zur Auslieferung in einem Monat bis auf 42,50 Euro je Megawattstunde (MWh). Günstiger war europäisches Erdgas zuvor im August 2021. Zuletzt bewegte sich der Preis bei etwas über 43 Euro. Seit Anfang März greifen zudem die milliardenschweren staatlichen Preisbremsen zur Dämpfung der Energiekosten. Rückwirkend gibt es auch eine Entlastung für Januar und Februar. Wie hoch die Entlastung ausfällt, richtet sich nach dem jeweiligen Verbrauch und Tarif. | /inland/mueller-gas-strom-preissenkung-101.html |
2023-03-18 | Wyoming verbietet Abtreibungspillen | Erster US-Bundesstaat | Als erster US-Bundesstaat hat Wyoming den Gebrauch und die Verschreibung von Abtreibungspillen untersagt. Mit einem landesweiten Verbot des gängigsten Präparats Mifepriston befasst sich derzeit ein Bundesgericht.
mehr | Als erster US-Bundesstaat hat Wyoming den Gebrauch und die Verschreibung von Abtreibungspillen untersagt. Mit einem landesweiten Verbot des gängigsten Präparats Mifepriston befasst sich derzeit ein Bundesgericht. Inmitten des Kampfs um ein umfassendes Abtreibungsverbot in den USA hat Wyoming als erster Bundesstaat Abtreibungspillen untersagt. Der republikanische Gouverneur Mark Gordon unterzeichnete am Freitag ein entsprechendes Gesetz, das am 1. Juli in Kraft treten soll. Kernpunkt ist eine Bestimmung, die es verbietet, "Medikamente zu verschreiben, abzugeben, zu vertreiben, zu verkaufen oder zu verwenden, um eine Abtreibung zu veranlassen oder vorzunehmen". Gordon forderte die Abgeordneten auf, einen Schritt weiterzugehen, ein vollständiges Abtreibungsverbot in die Verfassung des Bundesstaates aufzunehmen und es anschließend den Wählern zur Abstimmung vorzulegen. Er werde im Kampf gegen Abtreibungen nicht nachgeben, betonte der Republikaner. Gericht befasst sich mit US-weiten Verbot Derzeit befasst sich ein Bundesgericht in Texas mit einem US-weiten Verbot der gängigsten Abtreibungspille Mifepriston. Befürworter des Rechts auf Abtreibungen blicken mit Sorge auf das Verfahren - denn die Entscheidung des erzkonservativen Richters Matthew Kacsmaryk könnte gewaltige Auswirkungen haben. Mifepriston wird in den USA bei mehr als jeder zweiten Abtreibung eingesetzt. Der von Ex-Präsident Donald Trump ernannte Bundesrichter Kacsmaryk könnte nun ihre Zulassung aufheben. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hatte bereits Anfang März vor einer solchen Entscheidung gewarnt. "Dieser Schritt wäre verheerend für Frauen", sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre. Die US-Regierung arbeite daran, "auf jeden möglichen Ausgang vorbereitet zu sein". Medikamentöser Abbruch oft bevorzugt Das Abtreibungsrecht ist eines der umstrittensten und umkämpftesten gesellschaftspolitischen Themen in den USA. Der Oberste Gerichtshof des Landes hatte im vergangenen Juni das landesweite Grundrecht auf Schwangerschaftsabbrüche abgeschafft - ein Urteil, das ein politisches Erdbeben auslöste. Mit der Entscheidung des Supreme Court bekamen Bundesstaaten das Recht, Abtreibungen massiv zu beschränken oder ganz zu verbieten. Zahlreiche konservative Bundesstaaten haben dies bereits getan. Mifepriston, in Deutschland unter dem Handelsnamen Mifegyne bekannt, wird in den USA in Kombination mit dem Medikament Misoprostol bei Abtreibungen genutzt. Viele Frauen ziehen einen medikamentösen Schwangerschaftsabbruch einem instrumentellen Eingriff vor. Nach Angaben des Guttmacher Institute, das sich für das Recht auf Abtreibungen einsetzt, beschränken bereits 15 Bundesstaaten den Zugang zu Mifepriston, indem es dort nur von einem Arzt verabreicht werden darf. | /ausland/amerika/wyoming-abtreibungspille-verbot-101.html |
2023-03-18 | Russland und Ukraine verlängern Getreideabkommen | Dauer der Vereinbarung unklar | Russland und die Ukraine haben sich auf eine Verlängerung des Getreideabkommens geeinigt. Das teilten der türkische Präsident Erdogan und die Vereinten Nationen mit. Unklar ist noch, für wie lange der Vertrag verlängert wurde.
mehr | Russland und die Ukraine haben sich auf eine Verlängerung des Getreideabkommens geeinigt. Das teilten der türkische Präsident Erdogan und die Vereinten Nationen mit. Unklar ist noch, für wie lange der Vertrag verlängert wurde. Wenige Stunden vor dem Auslaufen des Abkommens zur Ausfuhr von ukrainischem Getreide hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Verlängerung des Getreideabkommens verkündet: "Nach Gesprächen mit beiden Seiten haben wir die Verlängerung des Abkommens, das am 19. März auslaufen sollte, zugesichert", sagte er in einer Fernsehansprache. Auch die Vereinten Nationen und Vertreter der Ukraine bestätigten die Einigung. Unklar, für wie viele Tage verlängert wird Unterschiedliche Angaben gibt es zum zeitlichen Rahmen der Vertragsverlängerung: Der stellvertretende ukrainische Ministerpräsident und Infrastrukturminister Oleksandr Kubrakow twitterte, der Vertrag sei für weitere 120 Tage gültig. Der Türkei und den UN dankte er für ihre erneute Vermittlung. #BlackSeaGrainInitiative agreement is extended for 120 days. Grateful to @antonioguterres @UN, President Erdoğan, Minister Hulusi Akar & all our partners for sticking to the agreements. Due our joint efforts, 25M tons of🇺🇦 grain delivered to world markets https://t.co/4bye93iQ7d 120 Tage sind laut Vertragstext bei einer automatischen Verlängerung vorgesehen. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, gab dagegen laut dem russischen Medienunternehmen RBC bekannt, der Vertrag sei um 60 Tage verlängert worden. Russland hatte während der zähen Verhandlungen stets auf eine Verlängerung um lediglich 60 Tage bestanden. Sowohl die Vereinten Nationen als auch der türkische Präsident machten keine Angaben zum Verlängerungszeitraum. Es ist die zweite Erneuerung der beiden separaten Abkommen, die die Ukraine und Russland mit den Vereinten Nationen und der Türkei unterzeichneten, um die Ausfuhr von Lebensmitteln aus der Schwarzmeerregion zu ermöglichen. Die beiden kriegführenden Länder sind wichtige Lieferanten von Weizen, Gerste, Sonnenblumenöl und anderen Nahrungsmitteln, auf die Entwicklungsländer angewiesen sind. Ringen um Verlängerung UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths hatte am Freitag vor dem UN-Sicherheitsrat in New York gesagt, dass man alles tun werde, um eine Fortführung sicherzustellen. Man sei mit den beteiligten Parteien Russland, Ukraine und der Türkei in Kontakt, sagte Griffiths. Das Getreideabkommen sei für die weltweite Ernährungssicherheit von entscheidender Bedeutung, so der UN-Nothilfekoordinator. Moskau fühlt sich durch westliche Sanktionen behindert Nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine vor gut einem Jahr hatte die russische Marine auch die Schwarzmeerhäfen des Nachbarlandes blockiert. Die Vereinbarung zur Schwarzmeer-Getreide-Initiative war unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei im Juli 2022 zustande gekommen und sieht eine Freigabe der ukrainischen Häfen unter anderem für den Getreideexport vor. Moskau fühlt sich durch die westlichen Sanktionen in seinen eigenen Exporten von Getreide und Dünger behindert. Zwar richten sich die Sanktionen nicht gegen die Ausfuhren von Nahrungsmitteln, ihre Existenz macht es russischen Akteuren aber schwer, europäische Häfen anzulaufen, Zahlungen abzuwickeln und Versicherungen für ihre Schiffe zu bekommen. | /ausland/europa/getreideabkommen-ukraine-russland-107.html |
2023-03-17 | Streit um Rentenreform auch in Tschechien | Umstrittenes Gesetz unterzeichnet | Nicht nur in Frankreich, auch in Tschechien wird hitzig über eine Rentenreform diskutiert. Präsident Pavel hat das Gesetz unterschrieben, obwohl er selbst Bedenken hat. Die Stimmung im Land ist ohnehin aufgeheizt. Von Marianne Allweiss. | Nicht nur in Frankreich, auch in Tschechien wird hitzig über eine Rentenreform diskutiert. Präsident Pavel hat das Gesetz unterschrieben, obwohl er selbst Bedenken hat. Die Stimmung im Land ist ohnehin aufgeheizt. Petr Pavel ist erst seit einer Woche im Amt - und schon hat der tschechische Präsident das umstrittenste Vorhaben der aktuellen Regierung auf dem Tisch. "Ich habe beschlossen, das Gesetz zur Reduzierung der Rentenerhöhung zu unterzeichnen", sagt er. "Es war eine schwierige Entscheidung, weil keiner der möglichen Wege eindeutig gut ist - gut für alle." Er stimme den Argumenten der Regierung und von Wirtschaftsexperten zu, dass die Verlangsamung des Rentenwachstums notwendig sei. Rentenniveau gestiegen, Löhne nicht Die Inflation soll anders als bisher nicht mehr voll ausgeglichen werden. Sie liegt derzeit bei mehr als 17 Prozent. In den vergangenen anderthalb Jahren war das Rentenniveau in Tschechien schon rasant gestiegen - von weniger als 40 Prozent des Durchschnittslohns auf 48 Prozent. Die Löhne der Berufstätigen stiegen allerdings nicht. Die Regierung habe dies aber schlecht kommuniziert, so der Ex-General. Er verstehe die Einwände der Opposition, dass die Regierung das Gesetz in verfassungswidriger Weise durchgesetzt habe. "Und zwar aus zwei Gründen: wegen seiner möglichen Rückwirkung und wegen des fragwürdigen legislativen Notstandsverfahrens", so Pavel. Der Präsident als "Unterschriftenmaschine"? In wenigen Tagen muss das Gesetz veröffentlicht sein, damit es zur nächsten Rentenerhöhung im Juni in Kraft treten kann. Die Opposition hatte versucht, die beschleunigte Entscheidung im Parlament durch stundenlange Rede-Marathons zu verhindern. Die Chefin der ANO-Partei, Alena Schillerova, war mit dem Schlafsack zur Tage dauernden Sitzung angerückt - letztlich ohne Erfolg. "Ich bin enttäuscht - auch wenn das erste Gesetz für den Präsidenten eine schwere Entscheidung war", meint sie. "Er hätte zeigen können, dass er der Präsident aller ist und keine Unterschriftenmaschine." Linkspopulisten wollen klagen Die Linkspopulisten kündigten an, gegen die Rentenanpassung zu klagen. Auch der parteilose Präsident Pavel befürwortet eine Überprüfung durch das Verfassungsgericht. Dieser Schritt könnte helfen, die aufgeheizte Stimmung in der Bevölkerung abzukühlen. Vor ein paar Tagen hatten Tausende in Prag auf dem Wenzelsplatz gegen die konservativ-liberale Regierung demonstriert. Jindrich Rajchl von der außerparlamentarischen "Recht Respekt Kompetenz"-Partei (PRO) erklärte: "Wir sind hier heute zusammengekommen, um uns der Armut entgegenzustellen." Eine Demonstrantin klagte: "Es ist einfach alles unglaublich teuer, alles wird teurer, wie soll man das denn schaffen?" Ein Demonstrant ergänzte: "Die Energie ist so teuer. Ich wundere mich, dass die Energiepreise bei uns die höchsten in Europa sind." Dafür sei die EU verantwortlich - und eine teure Unterstützung der Ukraine, so die Meinung vieler. Auch Rechtsextreme bei Demonstration Auf der Demonstration versammelten sich nicht nur besorgte Bürger, sondern auch bekannte rechtsextreme Aktivisten. Einige versuchten, gewaltsam in das Nationalmuseum einzudringen. Ihr Ziel war die dort gehisste ukrainische Fahne. Innenminister Vit Rakusan erklärte, dass er zwar die Angst vor Armut verstehe, "aber plötzlich waren die Ängste dieser Menschen vergessen. Plötzlich war der Akzent pro-russisch, anti-ukrainisch. Und das können wir nicht tolerieren". Die PRO-Partei hat schon die nächste Demonstration angemeldet. Dabei sei die geplante Rentenanpassung nur ein erster kleiner Schritt, sagt Präsident Pavel. Er fordert die Regierung auf, weiter an einer umfassenden Reform zu arbeiten. Die Diskussion über eine höheres Renteneintrittsalter etwa hat in Tschechien noch nicht einmal richtig begonnen. | /ausland/tschechien-rentenreform-101.html |
2023-03-17 | Anklage nach tödlichem Polizeieinsatz erhoben | USA | Erneut ist ein Schwarzer bei einem Polizeieinsatz in den USA getötet worden. Ein Video zeigt, wie sieben Polizisten den gefesselten Mann minutenlang fixieren, bis er erstickt. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen die Beamten erhoben.
mehr | Erneut ist ein Schwarzer bei einem Polizeieinsatz in den USA getötet worden. Ein Video zeigt, wie sieben Polizisten den gefesselten Mann minutenlang fixieren, bis er erstickt. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen die Beamten erhoben. Bei einem weiteren Fall mutmaßlicher Polizeigewalt gegen einen Schwarzen in den USA ist gegen sieben Polizisten und drei Klinikmitarbeiter Anklage wegen Totschlags erhoben worden. Den Polizisten wirft die Staatsanwaltschaft vor, den 28-jährigen Schwarzen Irvo Otieno in einer psychiatrischen Klinik im Bundesstaat Virginia zu siebt elf Minuten lang so auf dem Boden fixiert zu haben, dass er erstickt sei. Das habe die Obduktion ergeben. Otieno trug dabei den Angaben zufolge Hand- und Fußfesseln und hat sich nicht gewehrt. Video wurde den Angehörigen gezeigt Von dem Vorfall gibt es ein Überwachungsvideo, das die Staatsanwaltschaft bislang aber nicht veröffentlicht. Otienos Angehörige konnten es aber einsehen. "Mein Sohn wurde wie ein Hund behandelt, schlimmer als ein Hund", sagte die Mutter anschließend gegenüber US-Medien. "Mein Sohn wurde gefoltert." Der US-Sender CNN zitierte die Staatsanwältin, derzufolge das Video "extrem klar" und "extrem alarmierend" sei. Prominenter Anwalt hilft der Familie Der Bürgerrechtsanwalt Ben Crump sagte laut CNN, das Video zeige, wie unmenschlich Strafverfolgungsbeamte Menschen, die eine psychische Krise hätten, behandelten: als Kriminelle anstatt als Menschen, die Hilfe brauchten. Otieno habe keine Bedrohung dargestellt. "Er ist ihnen gegenüber nicht gewalttätig oder aggressiv." Man könne sehen, wie er bewusstlos zu sein scheine, aber dennoch "brutal mit einem Knie an seinem Hals", fixiert werde. Crump hatte bereits die Familie des von US-Polizisten getöteten George Floyd unterstützt. Otieno war Anfang März wegen eines Einbruchs festgenommen worden. Seiner Mutter zufolge soll er zu diesem Zeitpunkt bereits psychische Probleme gehabt haben. Am 6. März wurde er vom Gefängnis in eine staatlichen Psychiatrie-Einrichtung verlegt, dort starb er während der Aufnahme. Laut Polizei sei er "kämpferisch" geworden und habe zurückgehalten werden müssen. | /ausland/amerika/polizeigewalt-usa-virginia-101.html |
2023-03-17 | Milliardenhilfe für US-Regionalbank | First Republic Bank | Das strauchelnde US-Regionalinstitut First Republic Bank erhält 30 Milliarden Dollar - allerdings nicht vom Staat, sondern von anderen Banken. Damit wolle man das Vertrauen ins Finanzsystem unterstreichen, so die Citigroup.
mehr | Das strauchelnde US-Regionalinstitut First Republic Bank erhält 30 Milliarden Dollar - allerdings nicht vom Staat, sondern von anderen Banken. Damit wolle man das Vertrauen ins Finanzsystem unterstreichen, so die Citigroup. Die kalifornische Regionalbank First Republic erhält angesichts von Liquiditätssorgen und heftigen Kursverlusten an der Börse eine milliardenschwere Finanzspritze von anderen US-Geldinstituten. Elf Großbanken stellen der First Republic Bank unversicherte Einlagen im Volumen von insgesamt 30 Milliarden Dollar (etwa 28 Milliarden Euro) zur Verfügung. Die Finanzspritze der US-Großbanken solle First Republic mit Liquidität versorgen und das Vertrauen in das US-Finanzsystem unterstreichen, teilte die Citigroup mit. Konkret beteiligen sich die größten US-Geldhäuser JPMorgan, Bank of America, Citigroup und Wells Fargo mit je fünf Milliarden Dollar. Die großen Investmentbanken Goldman Sachs und Morgan Stanley steuern je 2,5 Milliarden Dollar bei, kleinere Banken wie BNY Mellon, PNC und US Bancorp je eine Milliarde. Die Unterstützung reflektiere das Vertrauen in First Republic und in das US-Bankensystem insgesamt, hieß es in der Citi-Mitteilung. Lob vom Finanzministerium Anders als bei der Silicon Valley Bank in Kalifornien und der Signature Bank in New York, die in den vergangenen Tagen von Aufsehern geschlossen und unter staatliche Kontrolle gestellt wurden, griff die Bankenbranche hier zunächst selbst ein. Die Behörden dürften jedoch mächtig Druck gemacht haben. Die Maßnahme sei "höchst willkommen" und demonstriere die Widerstandskraft des Bankensystems, hieß es in einer Mitteilung von Finanzministerium und Notenbank Federal Reserve. "Entschiedene und energische Maßnahmen" Seit Tagen bemüht sich die US-Regierung, die Lage zu entspannen - bislang hielt sich der Erfolg in Grenzen. Nach dem Zusammenbruch des Start-up-Finanzierers Silicon Valley Bank hatte die US-Regierung am Wochenende mit einer weitreichenden Einlagengarantie versucht, die Nerven von Bankkunden im Land zu beruhigen. Am Donnerstag betonte Finanzministerin Janet Yellen bei einer Kongressanhörung in Washington erneut, dass das Bankensystem stabil und sicher bleibe und kein Grund zur Sorge um Einlagen bestehe. "Die Regierung hat entschiedene und energische Maßnahmen ergriffen", sagte Yellen. | /wirtschaft/finanzen/banken-firstrepublic-101.html |
2023-03-17 | CSU und Linkspartei auf den Barrikaden | Wahlrechtsreform | CSU und Linke sind selten einer Meinung - doch die Ampelpläne zur Wahlrechtsreform treiben sie beide auf die Barrikaden. Sie fürchten um den Einzug ins Parlament. Bei der Abstimmung im Bundestag heute dürfte es laut werden. Von Björn Dake. | CSU und Linke sind selten einer Meinung - doch die Ampelpläne zur Wahlrechtsreform treiben sie beide auf die Barrikaden. Sie fürchten um den Einzug ins Parlament. Bei der Abstimmung im Bundestag heute dürfte es laut werden. Rolf Mützenich steht auf der Fraktionsebene des Bundestags und schaut treuherzig. "Wir wollten überhaupt niemanden ärgern", sagt der SPD-Fraktionschef. Gelungen ist das nicht. Die Ampel hat mit ihrer Wahlrechtsreform für so viel Ärger gesorgt, dass sogar Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt mal einer Meinung sind. Streit um Grundmandatsklausel Dobrindt wirft SPD, Grünen und FDP vor, das Wahlrecht zu ihren Gunsten zu manipulieren. Bartsch spricht von einem "offenen Anschlag auf die Linke". Was CSU und Linke eint: Ihre Überlebensgarantie ist in Gefahr. Denn die Ampel will die sogenannte Grundmandatsklausel kippen. Juristen hatten empfohlen, diese Ausnahme im Wahlrecht zu streichen. Sie sei mit der restlichen Reform nicht zu vereinbaren. Die Grundmandatsklausel sichert Parteien unter der Fünf-Prozent-Hürde den Einzug ins Parlament, wenn sie drei Wahlkreise direkt gewinnen. Ohne diese Regel säße die Linkspartei jetzt nicht als Fraktion im Bundestag. Die CSU tritt zwar nur in Bayern an. Weil sie aber eine eigenständige Partei ist, muss sie bundesweit über fünf Prozent der Stimmen kommen. Bei der vergangenen Bundestagswahl waren es 5,2 Prozent. Sollte sie die Fünf-Prozent-Hürde reißen, nützen ihr künftig auch ihre aktuell 45 Direktmandate nichts. Sie wäre nicht mehr im Bundestag vertreten. Den SPD-Fraktionschef lässt das kalt. Dann müsse sich die CSU halt mit der CDU zusammentun, sagt Mützenich: "Mir, muss ich ehrlich sagen, ist das vollkommen egal." Streit um "Zweitstimmendeckung" Für die CSU ist die Abschaffung der Grundmandatsklausel noch ein theoretisches Problem. Ein praktisches Problem ist dagegen die sogenannte "Zweitstimmendeckung" in den Ampel-Plänen. Weil es künftig keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr geben soll, müssen Wahlkreisgewinner eine zusätzliche Bedingung erfüllen, um in den Bundestag zu kommen: Ihre Partei muss ausreichend Stimmen dafür mitbringen. Wenn eine Partei zum Beispiel 40 Wahlkreise in einem Bundesland direkt gewinnt, aber nur Zweitstimmen für 30 Wahlkreise hat, gehen die zehn Kandidaten mit den schwächsten Erststimmenergebnissen leer aus. Das wäre vermutlich vor allem im Osten Deutschlands der Fall, wo das Rennen zwischen den Parteien besonders eng ist. Und in den großen Städten in Bayern. Großstädte in Bayern ohne CSU-Abgeordnete? Die CSU-Kandidaten zum Beispiel in München, Nürnberg und Augsburg könnten reihenweise durchfallen. Mit den Erststimmenergebnissen der Bundestagswahl 2021 gerechnet würden Wahlkreisgewinner mit 25 bis 35 Prozent leer ausgehen. Aktuell hat die CSU elf Überhangmandate. Weil sie als eigenständige Partei antritt, werden ihre Überhangmandate bei allen anderen Parteien ausgeglichen - auch bei der CDU. Bis zu drei Überhangmandate werden nicht ausgeglichen. Das hatten CDU, CSU und SPD in ihrer Wahlrechtsreform 2020 so beschlossen. Die damaligen Oppositionsparteien Grüne, FDP und Linke klagen dagegen aktuell vor dem Bundesverfassungsgericht. Endgültig entschieden ist darüber noch nicht. 630 Abgeordnete Die Pläne der Ampel haben den Nachteil, dass einzelne Wahlkreise durch die mangelnde Zweitstimmendeckung verwaist bleiben könnten. Deshalb lassen SPD, Grüne und FDP ihre Schrumpfkur kleiner ausfallen als ursprünglich geplant. Statt 598 sind jetzt 630 Abgeordnete als feste Größe vorgesehen. Die AfD vermutet: Das soll die Zustimmung der SPD sichern. Während die Fraktionen von Grünen und FDP die Reformpläne in den Fraktionssitzungen am Dienstag einstimmig gebilligt haben, gab es bei der SPD einzelne Gegenstimmen und Enthaltungen. Von der Union kommt öffentlich ein klares Nein. CDU-Chef Friedrich Merz wirft der Ampel vor, mit ihren Plänen gegen die Prinzipien einer Wahl zu verstoßen. Er nennt die Reform "das Wahlrecht des betrogenen Wählers". Doch wenn man den Erzählungen aus der Ampel glaubt, dann gibt es in der Union durchaus auch Sympathien für die Reform. CDU und CSU beim Wahlrecht uneins? FDP-Fraktionschef Christian Dürr will beobachtet haben, dass der Reformunwille bei der CSU deutlich ausgeprägter ist als bei der CDU. Seit dem unionsinternen Kampf um die Kanzlerkandidatur zwischen CSU-Chef Markus Söder und Armin Laschet im Frühjahr 2021 scheint sich die Bereitschaft vieler CDU-Abgeordneter in Grenzen zu halten, für die bayerischen Schwesterpartei in die Schlacht zu ziehen. Es war vor allem die FDP, die in den vergangenen Wochen immer wieder versucht hat, die CDU-Abgeordneten bei der Wahlrechtsreform mit an Bord zu holen. Unter anderem mit dem Argument, dass eine Fünf-Prozent-Hürde ohne Ausnahme nicht ungewöhnlich sei. Fraktionschef Dürr verweist auf die entsprechenden Regeln für die Landtagswahl in Bayern und das Kommunalwahlrecht in vielen Bundesländern. Kein Kompromiss in Sicht Bis Anfang der Woche haben Ampel und Union noch einen Kompromiss gesucht. Doch beim Wahlrecht prallen zwei Welten aufeinander: Die Union gewinnt viele Wahlkreise. Sie will, dass die Erststimme ihr Gewicht behält. Grüne und FDP ziehen eher über Landeslisten ins Parlament. Für sie ist die Zweitstimme wichtiger. Eine parteiübergreifende Wahlrechtsreform ist so schwer zu machen. Britta Haßelmann hat es lange versucht - vergeblich. Die Grünen-Fraktionschefin gibt dafür der CSU die Schuld: "Wenn es eine politische Kraft gibt, die immer sagt: Nicht mit mir. Oder: Geht das zu meinem Vorteil aus? Dann kommt man selten zu einem Ergebnis." Die Ampel will das beenden. Sie betont, bei ihrer Reform büßten alle Parteien gleichmäßig Sitze ein. Das sei fair und verfassungskonform. Entscheiden werden das vermutlich die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts. Drnn die Linkspartei, die Union und der Freistaat Bayern stehen schon in den Startlöchern, um vor Gericht gegen die Wahlrechtsreform vorzugehen. | /inland/innenpolitik/wahlrechtsreform-csu-101.html |
2023-03-17 | Wie weniger rauchen? | "Ideenimport" | Ein Drittel der Menschen in Deutschland raucht - die Zahl rauchender Minderjähriger hat sich letztes Jahr sogar verdoppelt. Der Ideenimport-Podcast schaut sich an, wie Neuseeland und Mexiko rauchfrei werden wollen.
mehr | Ein Drittel der Menschen in Deutschland raucht - die Zahl rauchender Minderjähriger hat sich letztes Jahr sogar verdoppelt. Der Ideenimport-Podcast schaut sich an, wie Neuseeland und Mexiko rauchfrei werden wollen. Mehr als jeder dritte Deutsche über 14 Jahren greift regelmäßig zur Zigarette. Damit steht Deutschland im internationalen Vergleich ziemlich schlecht da, vor allem was den Tabakkonsum von Jugendlichen angeht. Denn fast 16 Prozent der 14- bis 17-Jährigen rauchen Zigaretten oder E-Zigaretten. Damit hat sich die Zahl rauchender Minderjähriger im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Das geht aus der Deutschen Befragung zum Rauchverhalten, der DEBRA-Studie, hervor, die Ende letzten Jahres veröffentlicht wurde. Experten sehen vor allem die Auswirkungen der Corona-Pandemie aber auch Verunsicherungen, etwa durch den Krieg in der Ukraine, als Gründe dafür, dass der Zigarettenkonsum unter Jugendlichen so sprunghaft angestiegen ist. Andere Länder haben dem Zigarettenkonsum jetzt den Kampf angesagt, um in den nächsten Jahren rauchfrei zu werden. So zum Beispiel Neuseeland und Mexiko. Neuseeland will die Generation rauchfrei Neuseeland hat kürzlich ein beispielloses Gesetz gegen das Rauchen verabschiedet. Vor allem junge Menschen haben dort jetzt ein lebenslanges Rauchverbot: Wer am oder nach dem 1. Januar 2009 geboren ist, wird nie Zigaretten kaufen dürfen. Das Mindestalter für den Kauf von Zigaretten soll jedes Jahr heraufgesetzt werden. Die neuseeländische Regierung will mit dem neuen Gesetz bis 2025 rauchfrei werden. Das heißt: Weniger als 5 Prozent der Menschen sollen dann noch rauchen. Das Gesetz ist eine Herzensangelegenheit von Wissenschaftsministerin Ayesha Verrall, die auch Ärztin ist. "Das ist ein großer Schritt. Tabak ist seit der Kolonialisierung von Neuseeland hier. Es hat so viel menschliches Leid angerichtet", sagt sie. Die Hälfte aller Raucher stürben daran. Zigaretten in Mexiko: Aus den Augen, aus dem Sinn In vielen lateinamerikanischen Ländern ist der Raucheranteil schon traditionell sehr niedrig - so auch in Mexiko. Hier rauchen nur sieben Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner. Trotzdem soll ein neues Gesetz den Anteil der Raucherinnen und Raucher noch weiter drücken. Seit Mitte Januar darf dort unter freiem Himmel nicht mehr geraucht werden. Tabakwerbung ist strikt verboten und auch Tabakprodukte dürfen in Läden nicht mehr sichtbar ausgestellt werden. Es ist eine Herausforderung für Kioskbetreiber und Restaurantbesitzer. Ideensuche im tagesschau-Podcast Für viele Fragen, die im Alltag immer wieder aufkommen, gibt es irgendwo auf der Welt garantiert schon gute Ideen, mögliche Vorbilder und Lösungsansätze: Wie besser mit stark steigenden Energiepreisen umgehen? Was tun, um sich gesünder zu ernähren? Warum leben Menschen in anderen Ländern teils länger? Der Auslandspodcast der tagesschau sucht und findet sie - zusammen mit den Korrespondentinnen und Korrespondenten in den 30 Auslandsstudios der ARD. Ideenimport will den Blick über den sprichwörtlichen Tellerrand weiten und mit frischen Ideen für neuen Input in politischen und gesellschaftlichen Debatten sorgen. Ideenimport erscheint jeden zweiten Freitag. Sie können den Podcast jederzeit zu Hause oder unterwegs auf Ihrem Smartphone hören - jeden zweiten Freitagmorgen finden Sie eine neue Folge auf unserer Webseite, in der ARD-Audiothek und auf zahlreichen weiteren Podcast-Plattformen. | /ausland/ideenimport-rauchen-mexiko-neuseeland-101.html |
2023-03-17 | Kabinettsausflug nach Tokio | Regierungskonsultationen | Bundeskanzler Scholz reist am Nachmittag zusammen mit sechs Kabinettsmitgliedern zu Regierungskonsultationen nach Tokio. Auch eine Wirtschaftsdelegation reist mit. Der Aufwand zeigt die gewachsene Bedeutung Japans als Partner in Asien. Von Martin Ganslmeier. | Bundeskanzler Scholz reist am Nachmittag zusammen mit sechs Kabinettsmitgliedern zu Regierungskonsultationen nach Tokio. Auch eine Wirtschaftsdelegation reist mit. Der Aufwand zeigt die gewachsene Bedeutung Japans als Partner in Asien. Lohnt sich das? Ein Bundeskanzler, der mit seinem halben Regierungskabinett ans andere Ende der Welt nach Japan reist? Auch wenn sich Scholz und sein Regierungsteam länger im Flugzeug als in Tokio aufhalten werden, ist Japan seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ein wichtiges Reiseziel geworden, ist Michael Müller überzeugt. Der SPD-Außenpolitiker und Vorsitzende der Deutsch-Japanischen Parlamentariergruppe war selbst vor kurzem mit mehreren Bundestagsabgeordneten in Japan: "Denn wir merken, dass wir mit China an Grenzen kommen. Im asiatischen, im indopazifischen Raum geht es jetzt darum zu sehen, mit welchen Wertepartnern man gemeinsam die Politik, vor allem die Außen- und Sicherheitspolitik, in den nächsten Jahren gestalten kann. Und da ist Japan ein unverzichtbarer Partner." Scholz sendet deutliche Signale Richtung Peking Schon mit seinem Antrittsbesuch in Tokio im vergangenen April hatte Olaf Scholz ein Zeichen gesetzt. Bewusst war er zuerst nach Japan gereist und nicht nach China. Anders als China verurteilte Japan den russischen Angriffskrieg und schloss sich den Sanktionen gegen Russland an. Japan sei ein wichtiger Wertepartner für Deutschland, betonte der Bundeskanzler in Tokio. Deutschland und Japan stehen Seite an Seite bei der Verteidigung der regelbasierten internationalen Ordnung, bei der Aufrechterhaltung der Grundprinzipien der UN-Charta und in unserem Einsatz für die universellen Menschenrechte. So vereinbarten Scholz und Japans Ministerpräsident Fumio Kishida für dieses Jahr die ersten deutsch-japanischen Regierungskonsultationen. Ein Format, das Deutschland nur engen Partnern anbietet und das Japan bislang nicht kannte. Neben Ukraine auch Rohstoff und Energiepolitik wichtige Themen Scholz bringt sechs Ministerinnen und Minister mit nach Tokio: Wirtschaftsminister Habeck, Außenministerin Baerbock, Finanzminister Lindner, Verkehrsminister Wissing, Innenministerin Faeser und Verteidigungsminister Pistorius. Zunächst gibt es bilaterale Gespräche mit den japanischen Amtskollegen, anschließend einen gemeinsamen Austausch im Plenum. Neben dem Krieg in der Ukraine geht es vor allem um wirtschaftliche Sicherheit, also eine vorausschauende Rohstoff- und Energiepolitik. Die Bundesregierung sieht hier Japan als Vorreiter - weshalb auch eine Delegation der deutschen Wirtschaft nach Tokio reist. Das gemeinsame Interesse: Diversifizierung von China und "Friendshoring", also mehr Wirtschaftskontakte mit verlässlichen Partnern, so SPD-Außenpolitiker Michael Müller. "Durch das Agieren Chinas sucht auch Japan neue Partner, auch neue Handelspartner. Und da spielt Deutschland natürlich eine große Rolle als verlässlicher Partner." Japan erhöht vorsorglich Verteidigungsausgaben Ähnliche Ziele verfolgen beide Länder auch in der Verteidigungspolitik. Trotz seiner pazifistischen Verfassung beschloss Japan, seine Verteidigungsausgaben in den nächsten fünf Jahren von einem auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Auch in Japan spüre man die Zeitenwende, meint der Vorsitzende der Deutsch-Japanischen Parlamentariergruppe: Natürlich beobachtet Japan diesen Angriff Russlands auf die Ukraine, dass es möglicherweise auch einen Angriff auf Taiwan geben könnte oder zumindest Spannungen rund um Taiwan. Und natürlich sieht Japan da Parallelen: dass ein Größerer einen Kleinen überfällt. Verteidigungsminister Pistorius bleibt deshalb noch länger in Tokio. Auch im Rüstungsbereich wollen beide Länder enger kooperieren und gemeinsame Militärmanöver durchführen. | /inland/scholz-kabinett-reise-japan-101.html |
2023-03-17 | Franzosen wütend über Vorgehen Macrons | Proteste nach Rentenbeschluss | Frustriert, wütend, verständnislos: Tausende Franzosen haben nach der Entscheidung von Präsident Macron, die Rentenreform ohne Abstimmung durchzusetzen, im ganzen Land protestiert. Die Polizei setzte in Paris Wasserwerfer und Tränengas ein.
mehr | Frustriert, wütend, verständnislos: Tausende Franzosen haben nach der Entscheidung von Präsident Macron, die Rentenreform ohne Abstimmung durchzusetzen, im ganzen Land protestiert. Die Polizei setzte in Paris Wasserwerfer und Tränengas ein. Nach der Entscheidung von Frankreichs Regierung zur Umsetzung der umstrittenen Rentenreform ohne Abstimmung haben Tausende Menschen in Paris protestiert. Sie strömten auf den Place de la Concorde, den größten Platz im Zentrum der französischen Hauptstadt. Die Polizei reagierte mit Wasserwerfern und setzte Tränengas ein, um die Demonstration aufzulösen. Mehr als hundert Teilnehmer wurden nach Behördenangaben festgenommen. Auch von Cherbourg im Norden bis Montpellier im Süden, von Nantes im Westen bis Nancy im Osten kamen Menschen spontan zusammen. In Marseille verwüsteten Demonstranten mehrere Geschäfte. Die Teilnehmer zeigten sich frustriert, wütend, verständnislos, wie ihre Regierung so vorgehen konnte. Premierministerin Elisabeth Borne sagte live in den Hauptnachrichten des TV-Senders TF1, sie habe bis zuletzt versucht, das Gesetzesprojekt zur Abstimmung zu bringen. Das es anders kam, kreidete sie ausschließlich den konservativen Les Républicains an, auf deren Stimmen das Präsidentenlager angewiesen ist. Man habe ihnen Zugeständnisse gemacht und sie hätten trotzdem nicht hinter dem Text gestanden, ärgerte sich Borne. Zugeständnisse, etwa für Mütter, Senioren oder Menschen mit langen Berufskarrieren, die letztlich einige Milliarden von den fast 18 abknapsen werden, die die Regierung jedes Jahr durch die Reform gewinnen wollte. Die Gewerkschaften kündigten die Fortsetzung der Proteste und Streiks für den kommenden Donnerstag an. Sturz der Regierung unwahrscheinlich Linke und Rechtsnationale kündigten bereits Misstrauensanträge an. Diese müssen bis Freitagnachmittag vorliegen. Dass die Regierung damit gestürzt wird, gilt aber als wenig wahrscheinlich. Der Präsident der Républicains, Éric Ciotti, erklärte bereits, seine Fraktion werde keinen Misstrauensantrag unterstützen. Ob sich aber alle Abgeordneten daran halten, blieb offen. Mit Informationen von Stefanie Markert, ARD-Studio Paris. | /ausland/europa/demo-frankreich-rente-101.html |
2023-03-17 | Zahl der Firmenpleiten steigt | Erstmals seit Finanzkrise 2008/2009 | Die Insolvenzzahlen in Deutschland sind im vergangenen Jahr gestiegen, aber eine große Pleitewelle blieb aus. Besonders betroffen: Baugewerbe und Handel. Experten warnen vor steigenden Risiken.
mehr | Die Insolvenzzahlen in Deutschland sind im vergangenen Jahr gestiegen, aber eine große Pleitewelle blieb aus. Besonders betroffen: Baugewerbe und Handel. Experten warnen vor steigenden Risiken. Im vergangenen Jahr verzeichnete Deutschland erstmals seit der globalen Finanzkrise 2008/2009 eine Zunahme der Unternehmensinsolvenzen. Die befürchtete Pleitewelle ist jedoch ausgeblieben - trotz der Herausforderungen durch die Energiekrise und steigender Zinskosten. Laut Statistischem Bundesamt wurden den Amtsgerichten 14.590 Fälle von Firmeninsolvenzen gemeldet und damit 4,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Allerdings war 2021 mit nur 13.933 Fällen der niedrigste Wert seit Einführung der Insolvenzordnung im Jahr 1999 registriert worden. Baugewerbe und Handel am stärksten betroffen Die voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger aus den gemeldeten Unternehmensinsolvenzen bezifferten die Amtsgerichte auf rund 14,8 Milliarden Euro. Im Vergleich dazu lagen die Forderungen im Jahr 2021 bei rund 48,3 Milliarden Euro. "Dieser Rückgang der Forderungen bei gleichzeitigem Anstieg der Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist darauf zurückzuführen, dass im Jahr 2021 mehr wirtschaftlich bedeutende Unternehmen Insolvenz betragt haben als im Jahr 2022", so die Statistiker. Die meisten Unternehmensinsolvenzen gab es im Baugewerbe mit 2698 Fällen, gefolgt vom Handel mit 2239 Verfahren. Hingegen wurden 16,6 Prozent weniger Verbraucherinsolvenzen registriert. Zahlungsmoral verschlechtert sich Aufgrund von höheren Produktionskosten, wachsenden Personalausgaben und einem deutlichen Zinsanstieg rechnen Experten mit mehr Firmenpleiten in Deutschland. Der Kreditversicherer Allianz Trade geht davon aus, dass die Insolvenzzahlen in diesem Jahr um 15 Prozent ansteigen werden, gefolgt von einem weiteren Anstieg von sechs Prozent im Jahr 2024. "Das ist zwar der stärkste Anstieg seit der europäischen Schuldenkrise, aber von sehr niedrigem Niveau", sagte der Chef von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Milo Bogaerts. "Insofern ist es momentan nur eine sukzessive Normalisierung des Insolvenzgeschehens." Laut einer Untersuchung des Versicherers haben Unternehmen im vergangenen Jahr länger auf die Bezahlung ihrer Rechnungen gewartet als im Jahr zuvor. In Deutschland wurden die Rechnungen 2022 erst nach 49 Tagen und damit vier Tage später als im Jahr zuvor bezahlt. Allianz Trade bewertet das als deutlichen Hinweis auf steigende Insolvenzrisiken. Hohe Energiepreise und Lohnabschlüsse belasten Ähnlich schätzt dies das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) ein. "Wir erwarten für die nächsten Monate höhere Insolvenzzahlen", sagte der Leiter der IWH-Abteilung Strukturwandel und Produktivität und der dort angesiedelten Insolvenzforschung, Steffen Müller, kürzlich. Neben hohen Energiepreisen belasten danach hohe Lohnabschlüsse und gestiegene Refinanzierungskosten zunehmend die Bilanzen der Unternehmen. | /wirtschaft/unternehmen/firmenpleiten-insolvenzen-101.html |
Subsets and Splits