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Transport im Viehwaggon, Fleischgeruch in der Luft, Selektion mit Doktor Mengele: Holocaust-Überlebende Lisa Miková erinnert sich an das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Lisa Miková kam 1922 in Prag zur Welt. In ihrer weitgehend säkularen jüdischen Familie wurde Deutsch und Tschechisch gesprochen. 1942 wurde sie ins KZ Theresienstadt deportiert. Von dort wurden zunächst ihre Eltern, dann, im Herbst 1944, ihr Ehemann František ins Vernichtungslager Auschwitz geschafft. Lisa Miková meldete sich kurz später freiwillig für einen Frauentransport. Detailansicht öffnen Lisa Miková im Jahre 1939. Damals erlebte sie, wie die Wehrmacht in Prag einmarschierte. Die Deutschen enteigneten sofort das Geschäft ihres Vaters. (Foto: oh) Welche Qualen Lisa Miková durchlebte und wie sie überlebte, schildert sie immer wieder tschechischen und deutschen Schülern. Die agile Seniorin engagiert sich unter anderem in der Stiftung Brücke/Most, die sich für die deutsch-tschechische Verständigung einsetzt. Frau Miková lebt bis heute in ihrer Wohnung in der Prager Altstadt. Dort wurde der folgende Bericht aufgezeichnet. Ihre Schilderungen beginnen mit dem Transport vom Konzentrationslager Theresienstadt nach Auschwitz. "Am 28. September 1944 verließ der Transport, in dem sich mein Mann befand, das Lager Theresienstadt. 5000 Männer wurden damals weggebracht. Zwei Tage später ließ die SS verlauten, dass sich zu diesen 5000 Männern 1000 Frauen melden könnten - Mütter und Gattinnen samt Kindern. Damals ließ ich natürlich sämtliche Versprechen außer Acht, die ich meinen Eltern gegeben hatte, wonach ich unbedingt in Theresienstadt hätte bleiben sollen. Aber ich wollte zu meinem Mann. Also habe ich mich freiwillig gemeldet. Am 2. Oktober fuhren wir los - nicht in Güterwaggons, sondern in einem normalen Personenzug. Wir waren in Hochstimmung. Wohin wir gebracht werden, wussten wir nicht. Nach etwa einem Tag Fahrzeit kamen wir an, es war etwa neun oder zehn Uhr abends. Da war kein Bahnhof, sondern nur viele Gleise auf einem großen Platz, der von Scheinwerfern erhellt war. Eine Menge SS-Leute stand herum. Und Männer, deren Kleidung und Kappen seltsam gestreift waren. Mütter, Kinder, Ältere - sofort ins Gas Diese Männer - es waren Polen - sind in den Zug hereingekommen. Sie schrien: 'Alles raus, alles aussteigen, Gepäck bleibt im Zug!' Und danach: 'Ihr könnt arbeiten, Kinder könnt ihr sowieso nicht retten'. Wir wunderten uns. Diese Männer sprachen Polnisch - wir konnten sie verstehen. Aber wir wussten nicht, was sie meinten - und dachten, wir hätten uns verhört. Wir stiegen aus und stellten uns in einer Fünferreihe auf. Da kamen die SS-Leute an. Einer hatte eine Reitpeitsche dabei, er ging auf und ab. Das war Doktor Mengele, aber das erfuhr ich erst später. Dann wurde sortiert: Die eine nach links, die andere rechts. Ich stand ziemlich weit hinten und konnte sehen, wer zur einen und wer zur anderen Seite ging. Nach links gingen die jungen Frauen, die gutaussehenden. Rechts gingen ältere Frauen und Mütter mit Kindern. Frau mit Brille? Rechts. Ins Gas! "Wo sind wir eigentlich?" Ein Hin- und Herlaufen war unmöglich, es wurde gleich geschossen. Es wurde erklärt, diejenigen, die nach rechts gingen, kommen in ein besonderes Lager, wo sie nicht arbeiten müssten. Dort bekämen die Kinder auch Milch. Mindestens ein Viertel der Frauen ging nach rechts. Sie mussten in Lastwagen steigen und wurden weggefahren. Sie kamen sofort ins Gas. Die Selektion an der Rampe ging recht schnell, 1000 Frauen wurden schnell verteilt. Ich musste nach links gehen. Wir wurden stark bewacht abgeführt auf einem Weg, der von Draht gesäumt war - ein Zaun, der unter Hochspannung stand. 'Wo sind wir eigentlich?', haben wir die Polen gefragt. Dann hörte ich zum ersten Mal den Namen des Ortes: Auschwitz.
Transport im Viehwaggon, Fleischgeruch in der Luft, Selektion mit Doktor Mengele: Holocaust-Überlebende Lisa Miková erinnert sich an das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kz-auschwitz-zeitzeugin-mikova-frauen-mit-brille-ins-gas-1.948570
So war Auschwitz: Erinnerungen einer Holocaust-Überlebenden
00/01/2010
Marmorner Zebrastreifen, pompöse Gebäude: Sindelfingen galt - auch dank Daimler - einst als reichste Kommune Europas. Gerade deswegen ist die Stadt jetzt klamm. Die Kassen deutscher Städte sind leer - mit zum Teil skurrilen Ideen wollen sie sich aus der Krise kämpfen. sueddeutsche.de stellt in einer Serie besondere Kommunen und kreative Sparpläne vor. Detailansicht öffnen Protest in Sindelfingen: Viele Bürger wollen die geplante Schließung der Klostergartenschule nicht hinnehmen. (Foto: Foto: buergerentscheid-klostergarten.de) 25 statt 26 Grad! Auch die Wassertemperatur in Sindelfingens opulentem Bäderzentrum senkte die Kommune ab, um Geld zu sparen - und die Finanzen der Daimler-Stadt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Der verzweifelte Versuch der Haushaltskonsolidierung vor drei Jahren scheiterte allerdings jämmerlich: "Das ging in die Hosen - da machten unsere Frühschwimmer nicht mit", sagt Betriebsleiter Thomas Renz. Die Wassertemperaturen sind inzwischen wieder da, wo sie waren. Die Finanzprobleme der württembergischen 60.000-Einwohner-Stadt bei Stuttgart allerdings auch: An allen Ecken und Enden fehlt das Geld. Ende November des vergangenen Jahres paukte der Gemeinderat daher eine neue Sparmaßnahme durch: Die Klostergartenschule, eine der vier Hauptschulen in Sindelfingen, soll zum Schuljahr 2012/13 geschlossen werden. Geballter Volkszorn Inzwischen formiert sich in Sindelfingen aber so etwas wie geballter Volkszorn - die Bürger haben aus den Erfahrungen der Frühschwimmer gelernt: Sparen, schön und gut - aber nicht mit uns. Und so erlebt die Heimatstadt des erfolgreichen Hollywood-Regisseurs Roland Emmerich derzeit ungewohnte Meutereien: Am Tag bevor der Gemeinderat das Aus für die Klostergartenschule beschloss, zogen 300 Schüler, Eltern, Lehrer und Unterstützer von der Schule durch die Innenstadt zum Rathaus, wo sie eine Kundgebung veranstalteten und 2500 Unterschriften gegen die Schließung an Sindelfingens Oberbürgermeister Bernd Vöhringer übergaben. Nach mehreren Straßenaktionen, einer Lichterkette und einem kämpferischen Weihnachtsgottesdienst hatte die Bürgerbewegung Anfang Januar knapp 5400 Unterschriften gegen die Abwicklung der Schule zusammengetragen, was Bernd Laurer frohlocken ließ: "Wir haben das Ziel erreicht", triumphierte der Sprecher der Bürgerbewegung. Denn um einen Bürgerentscheid zu erzwingen, der den Gemeinderatsbeschluss aufheben könnte, wären nach geltendem Recht sogar nur etwa 4200 Stimmen notwendig gewesen. Die Gemeinde gibt sich aber nicht geschlagen. Sie prüft erst noch, wie viele Unterschriften durchs Raster fallen - außerdem hegt sie rechtliche Zweifel, ob die Schließung einer Schule überhaupt durch einen Bürgerentscheid verhindert werden kann. Die finanzielle Not ist schließlich groß in Sindelfingen. Im vergangenen Jahr brachte die Stadt keinen genehmigungsfähigen Haushalt zusammen, weil sich zunächst ein Budgetloch von 38 Millionen Euro auftat. Der Grund: An einen einzelnen Gewerbesteuerzahler der Stadt waren seit 2008 in jedem Jahr enorme Rückzahlungen zu leisten - insgesamt 80 Millionen Euro. "Ich glaube sie müssen in Deutschland weit gehen, bevor sie einen negativen Gewerbesteueransatz finden", sagt dazu Albrecht Reusch, Leiter des Amtes für Finanzen. Ausgehöhltes Ergebnis Offiziell dringt aus der Sindelfinger Verwaltung kein Sterbenswörtchen darüber, bei welchem Gewerbesteuerzahler die Kommune so tief in der Kreide steht - das Steuergeheimnis gilt auch in schwierigen Zeiten. Aber jedem ist klar, dass es sich bei dem Gläubiger nur um die Daimler AG handeln kann, die am Ort ihr weltweit größtes Werk mit 27.000 Beschäftigten unterhält. Das Kuriose daran: Wieso ist eine Kommune bei einem bei ihr angesiedelten Weltkonzern verschuldet? Müsste es nicht umgekehrt sein? Die Antwort auf die Frage könnte mit dem Kern der Finanzprobleme zu tun haben, mit denen heute so viele Gemeinden kämpfen: Steuerschlupflöcher in einer globalisierten Welt: "Deutschlands Unternehmen verstehen es mittlerweile sehr gut, ihr Ergebnis im Inland auszuhöhlen und die Steuerlast in Länder zu verschieben, in denen der Fiskus nicht so hart zuschlägt", sagt dazu Frank Hechtner, Steuerexperte an der Freien Universität Berlin. Ob Daimler in Sindelfingen diese Möglichkeiten ebenfalls regelmäßig ausreizt, ist offiziell nicht bekannt. Der Konzern selbst macht kein Geheimnis daraus, dass er hinter dem Rückzahlungsanspruch in Sindelfingen steht und verweist auf die Finanzkrise: "Unser Ergebnis brach 2008 massiv ein. Auf Grund der sprudelnden Gewinne des Geschäftsjahres 2007 hatten wir einen hohen Millionenbetrag als Steuervorauszahlung geleistet, den wir nach dem Ergebniseinbruch des Folgejahres zurückverlangt haben", sagt eine Sprecherin. Über weitere mögliche Gründe für die enormen Rückzahlungsansprüche wird in Sindelfingen dennoch spekuliert. Unternehmerische Abenteuer der früheren Welt AG oder mögliche Bilanztricks hätten in diesem Fall jedoch keine Rolle gespielt, versichert Daimler - aber bei manchem Sindelfinger bleiben dennoch Zweifel bestehen. Wenn Millionen wenig werden Dabei hat Sindelfingen Daimler auch enorm viel zu verdanken - wegen des Konzerns genoss die Stadt in den achtziger Jahren das Privileg, die reichste Stadt Europas zu sein. Damals sprudelten die Gewerbesteuereinnahmen noch in dreistelliger Millionenhöhe - die Kommune wusste gar nicht, wohin mit dem Geld: Marmorne Zebrastreifen wurden verlegt, Hallenbäder und Sportstätten mit Großstadtniveau aus dem Boden gestampft. Der fiskalische Niedergang Sindelfingens begann in dem Moment, als es den Unternehmen offenbar immer besser gelang, Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen und die Gewerbesteuern in der Konsequenz auszutrocknen: Kam Sindelfingen 1986 noch auf Einnahmen aus diesem Bereich von 136 Millionen Euro, so überstiegen die Einnahmen seit den neunziger Jahren kaum noch die 40-Millionen-Euro-Marke. Für eine Stadt mit einem der größten Badezentren Süddeutschlands, einer Veranstaltungshalle mit 5000 Sitzplätzen und topausgestatteten Schulen ist das wenig Geld.
Marmorner Zebrastreifen, pompöse Gebäude: Sindelfingen galt - auch dank Daimler - einst als reichste Kommune Europas. Gerade deswegen ist die Stadt jetzt klamm.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kommunen-in-not-3-sindelfingen-jenseits-goldener-zeiten-1.60894
Kommunen in Not (3): Sindelfingen - Jenseits goldener Zeiten
00/01/2010
Wenn an diesem Montag die Landesvorsitzenden der Linken über die Nachfolger der derzeitigen Chefs Lothar Bisky und Oskar Lafontaine sowie des Bundesgeschäftsführers Dietmar Bartsch beraten, geht es nicht nur darum, wer die Partei führen soll. Es geht auch um die künftige Ausrichtung und Stärke einer Partei, die vor allem von Lafontaine zusammengehalten worden war. Ihm war es schließlich vor fünf Jahren gelungen, aus der ostdeutschen PDS und der westedeutschen WASG eine Partei zu formen. Eine Partei allerdings, die zerrissen ist in Ost und West, in Regierungswillige und ewige Oppositionelle, in Realos und Ideologen, in gemäßigte und radikale Linke. Wir stellen mögliche Kandidaten vor. Stimmen Sie ab: Wen halten Sie für geeignet und wen für unfähig? Kampf um Lafontaines Erbe: Gregor Gysi Sollte überhaupt jemand die Partei alleine führen, wie es sich viele Ostdeutsche wünschen, käme dafür wohl nur der 62-jährige Gregor Gysi in Betracht. Er ist nach Lafontaine einer der bekanntesten Politiker der Linken und derzeit Fraktionsvorsitzender der Partei im Bundestag. Allerdings ist der ehemalige PDS-Vorsitzende und Rechtsanwalt nach drei Herzinfarkten gesundheitlich angeschlagen. Wahrscheinlich wäre deshalb, dass er die zerstrittene Partei nur übergangsweise führt. Doch noch ist nicht klar, ob eine Person allein die Partei führen soll oder eine Doppelspitze. Viele Linke wünschen sich ein Duo aus einem westdeutschen und einem ostdeutschen Politiker, Mann und Frau. Foto: Getty Images
Oskar Lafontaine gibt den Parteivorsitz der Linken ab - und seine Kollegen streiten, wer ihn beerben soll. sueddeutsche.de stellt die derzeit aussichtsreichsten Anwärter für Führungsaufgaben vor. Mit Vote.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/personaldebatte-bei-der-linken-wer-kommt-nach-lafontaine-1.70041
Personaldebatte bei der Linken - Wer kommt nach Lafontaine?
00/01/2010
Das Portrait von 1791 zeigt Haitis Nationalhelden François-Dominique Toussaint L'Ouverture. Er war einer der Anführer der Revolution in Haiti und Autor der ersten Verfassung. Die Wurzeln des Elends liegen in der Vergangenheit. Haiti bezahlt immer noch für seine Befreiung vor 200 Jahren. Auch damals nahmen die Wichtigen der Welt den Insel-Staat nicht ernst. Am vergangenen Wochenende schickte der britische Architekt und Gründer der Organisation Architecture for Humanity eine atemlose, verzweifelte E-Mail an seine Freunde und Unterstützer. "Nicht Erdbeben, sondern Gebäude töten Menschen" schrieb er in die Betreffzeile. Damit brachte er auf den Punkt, was auch der Geologe und Autor Simon Winchester oder der Urbanist Mike Davis immer wieder geschrieben haben - es gibt keine Naturkatastrophen. Es gibt nur gewaltige Naturereignisse, die tödliche Folgen haben. Die Konsequenz aus dieser Schlussfolgerung ist die Schuldfrage. Einfach lässt sie sich beantworten: Gier und Korruption sind fast immer die Auslöser einer Katastrophe. In Haiti aber liegen die Wurzeln der Tragödie tief in der Geschichte des Landes. Diese begann nach europäischer Rechnung im Jahre 1492, als Christopher Kolumbus auf der Insel landete, die ihre Ureinwohner Aytí nannten. Kolumbus benannte die Insel in Hispaniola um und gründete mit den Trümmern der gestrandeten Santa Maria die erste spanische Kolonie in der Neuen Welt. Ende des 17. Jahrhunderts besetzten französische Siedler den Westen der Insel, den Frankreich 1691 zur französischen Kolonie Sainte Domingue erklärte. Ideale der Französischen Revolution Gut hundert Jahre währte die Herrschaft der beiden Kolonialherren über die geteilte Insel. "Saint Domingue war die reichste europäische Kolonie in den Amerikas", schrieb der Historiker Hans Schmidt. 1789 kam fast die Hälfte des weltweit produzierten Zuckers aus der französischen Kolonie, die auch in der Produktion von Kaffee, Baumwolle und Indigo Weltmarktführer war. 450000 Sklaven arbeiteten auf den Plantagen, und sie erfuhren bald vom neuen Geist ihrer Herren. Die Französische Revolution brachte die Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in die Karibik. Im August 1791 war es so weit. Der Voodoo-Priester Dutty Boukman rief während einer Messe zum Aufstand. Einer der erfolgreichsten Kommandeure der Rebellion war der ehemalige Sklave François-Dominique Toussaint L'Ouverture, nach dem heute der Flughafen von Port-au-Prince benannt ist. 1801 gab Toussaint dem Land seine erste Verfassung, die gleichzeitig eine Unabhängigkeitserklärung war. Für Napoleon sollte Haiti eine Schmach bleiben. Daraufhin sandte Napoleon Bonaparte Kriegsschiffe und Soldaten. Toussaint wurde verhaftet und nach Frankreich gebracht, wo er im Kerker starb. Doch als Napoleon im Jahr darauf die Sklaverei wieder einführen wollte, kam es erneut zum Aufstand. Verzweifelt baten die französischen Truppen im Sommer 1803 um Verstärkung. Da aber hatte Napoleon schon das Interesse an der Neuen Welt verloren. Im April hatte er seine Kolonie Louisiana an die Nordamerikaner verkauft, ein Gebiet, das rund ein Viertel des Staatsgebietes der heutigen USA umfasste. Für Napoleon sollte Haiti eine Schmach bleiben. Am 1. Januar 1804 erklärte der Rebellenführer Jean-Jacques Dessalines, die ehemalige Kolonie heiße nun Haiti und sei eine freie Republik. Der erste und bis zur Abschaffung der Sklaverei einzige erfolgreiche Sklavenaufstand der Neuen Welt war ein Schock für die Großmächte der Kolonialära, die ihren Reichtum auf der Sklaverei gegründet hatten. Ein Handel, der die Geschichte Haitis bis heute bestimmt Die Freiheit hatte ihren Preis. Ein Großteil der Plantagen war zerstört, ein Drittel der Bevölkerung Haitis den Kämpfen zum Opfer gefallen. Vor allem aber wollte keine Kolonialmacht die junge Republik anerkennen. Im Gegenteil -die meisten Länder unterstützten das Embargo der Insel und die Forderungen französischer Sklavenherren nach Reparationszahlungen. In der Hoffnung, als freie Nation Zugang zu den Weltmärkten zu erhalten, ließ sich die neue Machtelite Haitis auf einen Handel ein, der die Geschichte der Insel bis heute bestimmt. Mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Sieg der Rebellen entsandte König Karl X. seine Kriegsschiffe nach Haiti. Ein Emissär stellte die Regierung vor die Wahl: Haiti sollte für die Anerkennung als Staat 150 Millionen Francs bezahlen. Sonst würde man einmarschieren und die Bevölkerung erneut versklaven. Haiti nahm Schulden auf und bezahlte. Bis zum Jahre 1947 lähmte die Schuldenlast die haitianische Wirtschaft und legte den Grundstein für Armut und Korruption. 2004 ließ der damalige haitianische Präsident Jean-Bertrand Aristide errechnen, was diese "Reparationszahlungen" für Haiti bedeuteten. Rund 22 Milliarden amerikanische Dollar Rückzahlung forderten seine Anwälte damals von der französischen Regierung. Vergebens. Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Haiti von den Akteuren der Weltbühne geschnitten wurde.
Die Wurzeln des Elends liegen in der Vergangenheit. Haiti bezahlt immer noch für seine Befreiung vor 200 Jahren. Auch damals nahmen die Wichtigen der Welt den Insel-Staat nicht ernst.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/geschichte-von-haiti-napoleons-schmach-1.67062
Geschichte von Haiti - Napoleons Schmach
00/01/2010
Neue Köpfe und alte Bekannte: Die neue Regierungsmannschaft von Angela Merkel hielt einige Überraschungen parat. Mittlerweile haben sich die Minister in ihrem neuen Job eingefunden - die einen mit mehr, die anderen mit weniger Erfolg. KANZLERIN: Angela Merkel (55, CDU) Angela Merkel ist jetzt da, wo sie schon 2005 hin wollte: Sie ist Kanzlerin einer schwarz-gelben Koalition. Allerdings gehört sie auch zu denen in der Union, die die große Koalition mit der SPD in den vergangenen vier Jahren schätzen gelernt haben. Am Ende wurde spekuliert, sie hätte lieber mit der SPD weiterregiert, als mit der FDP einen unwägbaren Neuanfang zu starten. Wie unwägbar dieser Neuanfang werden sollte, hätte aber wohl auch die weitsichtigste Kanzlerin nicht erahnen können. An Streit und Meinungsverschiedenheiten zwischen CDU, CSU und FDP mangelt es nicht. Vermisst wird: eine Kanzlerin mit Mut zum Machtwort. Foto: ddp
Schwarz-Gelb ist noch nicht jene Traumkoalition, die sich die Beteiligten erhofft hatten. Welche Minister aus Merkels Regierungsmannschaft leisten trotzdem gute Arbeit? Und welche sind Fehlbesetzungen? Stimmen Sie ab!
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/schwarz-gelbes-kabinett-merkels-mannschaft-im-test-1.63927
Schwarz-gelbes Kabinett - Merkels Mannschaft im Test
00/01/2010
Es knirscht in der schwarz-gelben Koalition. Obwohl dem Koalitionsvertrag intensive Verhandlungen vorausgegangen sind, obwohl die Parteien inzwischen drei Monate Zeit hatten, sich zusammenzuraufen. Es knirscht so sehr, dass sich die Parteichefs von CDU, CSU und FDP noch Mitte Januar treffen wollen, um den Motor wieder zum Laufen zu kriegen. Die fünf größten Konflikte im Überblick: Steuersenkung Der Konflikt: Um 24 Milliarden Euro pro Jahr sollen die Bürger entlastet werden. So steht es im Koalitionsvertrag. Spätestens zum Ende der Legislaturperiode soll das Ziel erreicht sein. Das umstrittene "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" - seit Jahresanfang in Kraft - ist der erste Schritt. Weitere sollen folgen. Die CSU aber will davon plötzlich nichts mehr wissen. 24 Milliarden seien zu viel. Sie sieht noch maximal Spielraum für 15 Milliarden, wovon gut die Hälfte mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz schon abgedeckt sei. Die Lösung: Entlastungen wird es geben, auch wenn sich der Staat das eigentlich nicht leisten kann. Aber womöglich werden die Entlastungsschritte gestreckt werden. Die angestrebte Gesamtjahresentlastung von 24 Milliarden könnte dann erst 2012 oder 2013 erreicht werden und vielleicht auch um die ein oder andere Milliarde geringer ausfallen. Wenn die Konjunktur nicht spürbar anzieht, das weiß auch die FDP, steht ohnehin alles in Frage. Foto: dpa
Die Koalitionäre zoffen im neuen Jahr munter weiter. Bald treffen sich die Parteichefs zum Krisengipfel. sueddeutsche.de zeigt die größten Konflikte - und mögliche Lösungen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/schwarz-gelber-koalitionskrach-die-fuenf-dicksten-brocken-1.69234
Schwarz-gelber Koalitionskrach - Die fünf dicksten Brocken
00/01/2010
Sind deutsche Politiker käuflich? Die Debatte um Parteispenden ist im vollen Gange - ausgelöst durch die Spende des Hotel-Unternehmers August Baron von Finck (hier mit seiner Frau Francine), der der FDP zwischen 2008 und 2009 ingesamt 1,1 Millionen Euro überwiesen hatte. Und der sich nach der Wahl freuen durfte, dass die schwarz-gelbe Regierung den Mehrwertsteuersatz auf Hotelübernachtungen senkte. Die Grünen fordern nun, Parteispenden zu begrenzen. Die Linkspartei will sie gleich ganz verbieten. Beide Parteien sehen allerdings auch kaum etwas von dem Geldregen - CDU und FDP hingegen käme ein Verbot teuer zu stehen. Sie profitieren ganz wesentlich von der finanziellen Zuwendungen von Industriellen, Verbänden und Einzelpersonen. Wer sind die Menschen, die der Politik Hunderttausende Euro schenken? Ein Überblick in Bildern. Foto: dpa
Sind deutsche Politiker käuflich? Der Streit um Parteispenden ist entfacht, die Finck-Affäre belastet die FDP. Doch der Hotelunternehmer ist nicht der Einzige, der kräftig Geld in die Politik steckt. Ein Überblick in Bildern.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/umstrittene-parteispenden-deutschland-deine-spender-1.71490
Umstrittene Parteispenden - Deutschland, deine Spender
00/01/2010
Das Projekt A400M steht auf der Kippe - wieder einmal. Der Hersteller Airbus möchte von den Käufern Geld sehen, sonst - so die Drohung - wird der Militärflieger aufgegeben. Nun treffen sich die Staatssekretäre der Abnehmerstaaten, um ihr weiteres Vorgehen zu beraten. Hinter allen Beteiligten liegt ein jahrelanger Kampf um Geld, Macht und Technik. Die Geschichte eines Pannenfliegers. 1991 Am Anfang steht ein Problem - und das heißt Transall C-160 (Foto). Der von Franzosen und Deutschen gemeinsam entwickelte Militärtransporter entstand bereits Ende der fünfziger Jahre und war entsprechend veraltet. Im Rahmen des aktuellen Afghanistan-Einsatzes fliegen 40 Jahre alte Maschinen an den Hindukusch, lästert die Zeit - weil die Reichweite der Transporter zu gering ist, geht das nur mit Zwischenstopp. Ein neuer Flieger muss her - und um den zu entwickeln, wird im Jahr 1991 der europäische Herstellerverbund Euroflag gegründet. Jahre später setzt London eine Ausschreibung durch, zu der die Hersteller Airbus, Boeing, Lockheed und später Iljuschin zugelassen werden. Transall-Maschinen auf dem Fliegerhorst Wunstorf bei Hannover; Foto: AP
Der A400M steht auf der Kippe - wieder mal. In London beraten die Käuferstaaten, ob sie Hersteller Airbus entgegenkommen. Endet das Projekt in einem Fiasko? In Bildern.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/airbus-pannenflieger-a400m-pleiten-pech-und-peinlichkeiten-1.65920
Airbus: Pannenflieger A400M - Pleiten, Pech und Peinlichkeiten
00/01/2010
Die Weltspitze spielt ohne Deutschland: Nur vier deutsche Firmen haben es in die Top 100 der wertvollsten Unternehmen geschafft. Asiatische Firmen sind die Gewinner. Die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young haben die teuersten Unternehmen der Welt ermittelt: In den Top 100 finden sich nur noch vier deutsche Konzerne. Im vergangenen Jahr waren es acht Unternehmen. In anderen Ländern sei die Erhohlung der Aktienmärkte stärker gewesen, heißt es in der Studie. Das schwache Abschneiden der deutschen Konzerne wundert selbst die Herausgeber. Anführer der Hitparade und damit das wertvollste Unternehmen der Welt ist der chinesische Ölkonzern Petrochina, dessen Marktkapitalisierung mit etwa 353 Milliarden Dollar angegeben wird. Diese Zahl spiegelt wider, was ein Konzern an der Börse wert ist. Foto: AFP
Die Weltspitze spielt ohne Deutschland: Nur vier deutsche Firmen haben es in die Top 100 der wertvollsten Unternehmen geschafft. Asiatische Firmen sind die Gewinner. Ein Überblick in Bildern.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/die-wertvollsten-unternehmen-der-welt-deutschland-stuerzt-ab-1.72504
Die wertvollsten Unternehmen der Welt - Deutschland stürzt ab
00/01/2010
Bei der Hilfe für die Erdbebenopfer in Haiti sind die Anfangsprobleme nach Worten von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon überwunden. "Ich weiß, dass es in den ersten Tagen gewisse Verzögerungen gab. Aber mittlerweile haben wir ein sehr effektives System aufgebaut, um Engpässe zu umgehen", sagte Ban in New York nach einem Gottesdienst für die Zehntausenden Toten in Haiti. Haitianer warten in der zerstörten Stadt Leogane vor den Toren der Hilfsorganisationen auf Hilfe. "Die Haitianer sind nicht gewaltsam ­- sie sind nur hungrig. Wir sind hierhergekommen, um ihnen Essen zu bringen", sagte ein Rettungsarbeiter aus den USA. Quelle: dpa, Foto: getty
Die Hoffnung, Überlebende zu finden, schwindet mit jedem Tag - doch die Suche hört nicht auf. Und manchmal geschehen kleine Wunder im zerstörten Haiti.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/haiti-nach-dem-beben-wunder-inmitten-der-katastrophe-1.51782
Haiti nach dem Beben - Wunder inmitten der Katastrophe
00/01/2010
Hamburger SV - VfL Wolfsburg (Freitag, 20.30 Uhr) Bruno Labbadia hat vor der Partie gegen Wolfsburg keine leichte Aufgabe. Der Trainer des HSV muss seine Mannschaft auf ein Spiel vorbereiten, das - überspitzt gesagt - in Hamburg diese Woche niemanden interessierte. Die Hansestadt schwankte hin und her zwischen Euphorie und Ratlosigkeit, zwischen der Begrüßung des Heilsbringers Ruud van Nistelrooy und der Anteilnahme am Schicksal von Paolo Guerrero, der noch immer in Peru sitzt und wegen seiner Flugangst Flieger um Flieger Richtung Deutschland ziehen lässt. Mit der Partie gegen Wolfsburg hat beides nichts zu tun: Guerrero wird nicht pünktlich kommen, und van Nistelrooy befindet sich noch im Aufbautraining. Vielleicht beruhigt es Bruno Labbadia, dass Lorenz-Günther Köstner in Wolfsburg keine weniger turbulente Woche hinter sich hat. Der Trainer der zweiten Mannschaft wurde nach der Entlassung von Armin Veh vom Gardasee in die VW-Chefetage gerufen und steht nun vor seinem ersten Spiel als Interimstrainer bei den Wölfen, die seit sieben Partien nicht mehr gewonnen haben und weiterhin auf Torhüter Diego Benaglio (Knieprobleme) verzichten müssen. Auch der brasilianische Defensivmann Rever kommt noch nicht zum Einsatz: Der Fünf-Millionen-Euro-Einkauf brach sich am Sonntag im letzten Spiel für seinen bisherigen Verein Gremio Porto Alegre die Hand und fällt drei Wochen aus. Foto: Getty Texte: Christian Aichner, Johannes Aumüller, Fabian Heckenberger, Jürgen Schmieder
Warum van Gaal nicht mehr über Ribéry sprechen will, sich Freiburg über ein 1:4 sogar freuen dürfte und Gladbach nach allen Regeln der Logik verlieren muss. Die Vorschau auf den 20. Spieltag.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-vorschau-20-spieltag-das-leid-des-generals-1.70386
Bundesliga-Vorschau, 20. Spieltag - Das Leid des Generals
00/01/2010
SC Freiburg - VfB Stuttgart (Freitag, 20.30 Uhr) Das Derby im Abstiegskampf verspricht Spannung pur. Aber Robin Dutt will lieber keinen Druck auf seine Mannschaft ausüben: "Wir halten uns nun seit Monaten konstant über dem Strich", freut er sich lieber über den 15. Tabellenplatz, auf dem Freiburg steht. Stuttgart sei Favorit, auch wenn beide Mannschaften nur ein Punkt voneinander trennt: "Wir werden elf gute Einzelleistungen brauchen, um Stuttgart zu schlagen." Auch die Statistik spricht gegen die Breisgauer: Freiburg hat seit vier Spielen keinen Sieg mehr eingefahren, ist außerdem die schlechteste Heimmannschaft der Liga, während in Stuttgart die Ergebnisse seit dem Trainerwechsel kurz vor der Winterpause wieder stimmen. In den vergangenen vier Spielen mussten die Schwaben (im Bild Roberto Hilbert) keine Niederlage hinnehmen. Dennoch warnt Manager Horst Heldt vor einer übermäßigen Euphorie - und dem Gegner: "Wir sind noch nicht über den Berg. Mit einer Niederlage in Freiburg sind wir schnell wieder unten drin." Foto: dpa
Der FC Bayern freut sich auf die Rückkehr von Rib & Rob, auf Schalke löst sich ein Problem fast wie von selbst, und Mats Hummels greift Maik Franz an. Die Vorschau auf den 19. Spieltag.
sport
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Bundesliga-Vorschau, 19. Spieltag - Robbens Rat für Ribéry
00/01/2010
Von den Nutella-Boys zu den "Nulltella-Boys" - meist folgt auf die Schokoladentage im DFB-Team der große Knick. Haben Özil, Neuer, Höwedes und Hummels jetzt mehr Glück? Der Flügelflitzer. Pünktlich zum Start des WM-Jahres wird bei der Nationalmannschaft wieder ordentlich aufgestrichen - und zwar die braune Schokocreme von Nutella. Und weil die Frühstücksveredler für ihre Werbekampagnen nicht irgendwelche mürrischen Morgenmuffel ins Boot holen, gibt's ab 24. Januar wieder einmal unverbrauchte, junge Gesichter in TV-Spots zu sehen: Manuel Neuer, Benedikt Höwedes, Mats Hummels und Mesut Özil sind die neuen Nutella-Boys. Mit der U-21-Version der Schoko-Bande setzt Nutella sein Pennäler-Plattitüden-Projekt fort und das, obwohl weder der Schalker Höwedes noch der Dortmunder Hummels bisher im A-Team des DFB gespielt haben. Ob das eine gute Idee ist, wird sich zeigen. Bisher lag auf den Nutella-Boys nämlich eine Art Fluch: Die meisten von ihnen hatten nach ihren ersten Schokoladentagen ziemlich schnell abgefrühstückt in der Nationalmannschaft. Foto: obs/Ferrero MSC GmbH & Co. KG
Von Nutella-Boys zu "Nulltella-Boys" - auf die Schoko-Tage beim DFB folgt oft der große Knick. Wie wird's bei Neuer, Özil, Höwedes und Hummels?
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/fluegelflitzer-der-nutella-fluch-die-abgefruehstueckten-fussballer-1.56152
Flügelflitzer: Der Nutella-Fluch - Die abgefrühstückten Fußballer
00/01/2010
Van Bommel läuft weniger als die Mannschaftsärzte, Klose klaut Gomez ein Tor, und Butt sollte das Zeitunglesen aufhören. Die Bayern, die gegen Hoffenheim 2:0 siegten, in der Einzelkritik. Jörg Butt: Muss fast täglich in den Zeitungen lesen, an welchem Torwart der FC Bayern für die kommende Saison dran sei, am Freitag war es mal wieder der Name von Samir Handanovic von Udinese Calcio. Spielt aber so, dass man sich fragen muss, warum der FC Bayern für die kommende Saison einen Torwart sucht. War zwar nur selten gefordert, dann aber stets reaktionsschnell und auf dem Posten. Leistete sich lediglich kurz vor Schluss bei einem Rückpass eine kleine Unsicherheit. Foto: dpa
Van Bommel läuft weniger als die Mannschaftsärzte, Klose klaut Gomez ein Tor, und Butt sollte das Zeitunglesen aufhören. Die Bayern in der Einzelkritik.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/bayern-muenchen-einzelkritik-das-quartett-der-harten-1.69939
Bayern München: Einzelkritik - Das Quartett der Harten
00/01/2010
Udo Lattek wundert sich selbst über seinen Werdegang. Er "kam aus dem Nichts" und wurde zum erfolgreichsten deutschen Trainer. An diesem Samstag wird er 75. Seine Karriere in Bildern Unter Bundestrainer Helmut Schön (Mitte) war Udo Lattek (links) Kotrainer. Mit 30 machte er den DFB-Trainerlehrgang, Helmut Schön suchte gerade einen Assistenten. Lattek wurde von Gladbachs Trainer Hennes Weisweiler empfohlen: "Ich habe da noch einen Jungen, der ist zwar Student und kein Fußballer, aber der kann das." Vom "Bauernsohn", wie er sich selbst nennt, auf die DFB-Trainerbank: Lattek wundert sich im Rückblick selbst über seinen Werdegang. "Ich bin aus dem Nichts gekommen, außer dem, was ich kann, habe ich nichts mitgebracht. Ich habe dem Fußball alles zu verdanken." Aber auch der deutsche Fußball ... Foto: Imago Texte: Christian Aichner
Udo Lattek wundert sich selbst über seinen Werdegang. Er "kam aus dem Nichts" und wurde zum erfolgreichsten deutschen Trainer. Seine Karriere in Bildern
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/udo-lattek-wird-75-vom-bauernsohn-zum-fussball-philosophen-1.71966
Udo Lattek wird 75 - Vom Bauernsohn zum Fußball-Philosophen
00/01/2010
Am Freitag startet die Bundesliga mit der Partie des FC Bayern gegen die TSG Hoffenheim (im Bild eine Szene aus dem Hinspiel) in die Rückrunde. Schon vor dem ersten Anpfiff lässt sich erahnen, dass dies eine Rückrunde wird, die sich liebgewonnenen Klischees verweigert. Bislang durfte Deutschland davon ausgehen, dass entweder die beste Abwehr, der beste Sturm, die besten Führungsspieler oder im Zweifel die besten deutschen Tugenden die Meisterschaft entscheiden. Ein Blick auf die Kader der Titelkandidaten zeigt, dass die Bundesliga in ihrer 47. Saison etwas völlig Neues erleben könnte: Diesmal könnte die Jugend den Ausschlag geben. Die Einführung der Jugendinternate in den Klubs und ein Mentalitätwandel in der Liga haben dazu geführt, dass die Generation Internat flächendeckend in der Ligaspitze angekommen ist. Die SZ prüft das Jugendpotential der Spitzenklubs und untersucht, welche Jugendlichen schon titelreif sind. Foto: Getty Teaserfoto: Manuel Neuer, Benedikt Höwedes, Mats Hummels und Mesut Özil, die neuen "Nutella-Boys"
Jugend als Tugend: Noch nie zuvor spielten Talente im Meisterschaftskampf eine so maßgebliche Rolle wie in diesem Jahr. Ein Überblick zum neuen Jugendstil.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-bundesliga-trau-keinem-ueber-23-1.53091
Fußball-Bundesliga - Trau keinem über 23
00/01/2010
FC Bayern München - TSG 1899 Hoffenheim (Fr. 20:30 Uhr) Den einzigen Test in der Winterpause konnte der FC Bayern in Basel gewinnen, auch wenn Mario Gomez das nicht so sieht. In der tz sagte der Stürmer: "Wir können nicht zufrieden sein. Wir haben das Spiel verloren, die andere Mannschaft hat dann das Spiel gewonnen." Gemeint war die zweite Garnitur mit dem Doppeltorschützen Miroslav Klose, die das 0:1 in ein 3:1 verwandelt hatte. Louis van Gaal war zufrieden mit der Vorbereitung. Mit einem Sieg im Freitagsspiel können die Münchner nach über einjähriger Absenz wieder auf den ersten Tabellenplatz gelangen und Leverkusen sowie Schalke unter Druck setzen: "Das wäre auch psychologisch wichtig. Wir können ein bisschen Angst verbreiten", sagt der Trainer (Bild). Die Hoffenheimer zittern aber (noch) nicht vor den Münchnern: "Auch die 15 Tore der Bayern in den letzten vier Spielen machen mir keine Angst", sagte Torwart Timo Hildebrand tollkühn - und sieht die Chance auf einen Sieg. Die sieht auch Trainer Ralf Rangnick, zu gut lief die eigene Vorbereitung: "Meine Jungs sind mit besseren Laktatwerten zurückgekommen, als sie sich vor Weihnachten verabschiedet haben." Das trifft auch auf Carlos Eduardo zu, dessen Einsatz aber fraglich ist. Er plagt sich mit einer Patellasehnenentzündung herum, weil er "in der Winterpause zu viel auf hartem Boden gelaufen ist", wie Teamarzt Pieter Beks auf Bild.de mutmaßt. Angst ist nicht der Grund für sein Fehlen. Foto: Getty/cai
Bayern-Trainer warnt, sein Boss fordert einen Blumenstrauß von Leverkusen. Hertha wird das Pech nicht los und Dortmund will kein Streichelzoo sein. Die Vorschau
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https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-vorschau-van-gaal-ein-bisschen-angst-verbreiten-1.57794
"Bundesliga: Vorschau - Van Gaal: ""Ein bisschen Angst verbreiten"""
00/01/2010
Für alle Greenkeeper und Stadion-Reinigungsgesellschaften unfasslich: Am Freitag beginnt die Rückrunde in der Fußball-Bundesliga. In Hannover blasen sie den Schnee mit mobilen Geräten aus dem Stadion, die Rasenheizungen werden angeworfen, Franck Ribéry überlegt, welche Farbe auf weißem Untergrund besondern leuchtet. Nein, halt! Franck Ribéry ist ja wieder mal nicht dabei gegen Hoffenheim. Der Franzose fehlt wegen einer Zehenverletzung. Es ist ein betrüblicher Beginn dieser 47. Bundesliga-Rückrunde, so ohne Ribéry, dafür mit Schnee. Die Zukunft wird dafür umso erfreulicher: Ein Ausblick in eine turbulente zweite Saisonhälfte: Januar Louis Podolski bringt weiterhin ganz Köln durcheinander. Nachdem sein Vater Anfang Januar beim Abflug ins Trainingslager keine Reisedokumente hatte (Zitat Podolski: "Der Pass nicht war im Portemonnaie, mein Sohn muss damit gespielt haben"), schnappt sich der Einjährige vor dem ersten Spiel gegen Dortmund die roten Schuhe von Vater Lukas. Als "Poldi" das im Stadion bemerkt, weigert er sich zu spielen: "Mit schwarzen Schuhen treffe ich nicht." Felix Magath nominiert Joel Matip zum Kapitän. Grund: Beim Spiel gegen Nürnberg ist der 18-Jährige der Schalker Spieler mit den drittmeisten Bundesliga-Partien in der Startelf, nämlich sechs. Die Mannschaft gewinnt trotzdem souverän 2:0 durch Tore von Tore Reginiussen und Lubos Hanzel. Ein Klatsch-Magazin macht Auflage mit einem Foto, das Mesut Özil zusammen mit Sarah Connor in einem Auto zeigt. Nachdem die Hertha die ersten drei Rückrunden-Spiele verloren hat, sagt Trainer Friedhelm Funkel: "Das ist mein härtester Job." Kurz vor dem dritten Spieltag wirbelt Franck Ribéry im Training um die Bayern-Pfeiler van Buyten, Demichelis und Badstuber herum, dass sich diese hinterher bei Ko-Trainer Gerland stützen müssen. Gegen Mainz spielt der Franzose trotzdem nicht, Kommentar van Gaal: "Wenn ein Spieler so lange gefehlt hat, kann er noch nicht hundertprozentig fit sein." Auch Robben kommt nach einer Muskelverletzung erst zur zweiten Halbzeit. Bayern gewinnt durch ein Tor von van Buyten 1:0. Foto: dpa
Wie Ribéry kaum spielt und die Bayern doch zum Titel führt, Lehmann einem Spanier eine Locke abschneidet und Podolskis Sohn für Verwirrung sorgt. Die Rückrundenvorschau.
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https://www.sueddeutsche.de/sport/fluegelflitzer-so-wird-die-rueckrunde-was-erlaube-franck-1.79833
"Flügelflitzer: So wird die Rückrunde - ""Was erlaube Franck?"""
00/01/2010
Hauptsache exotisch: Ins Ausland geht irgendwann fast jeder. Um wirklich von der Studienzeit fernab der Heimat profitieren zu können, gilt es ein paar Dinge zu beachten. Ob Medizin in Kalkutta oder Geschichte in Oxford - ein Studium im Ausland macht sich nicht nur gut im Lebenslauf. Es ist auch eine spannende Erfahrung, mit der sich Weichen für die Zukunft stellen lassen. Etwa jeder vierte Student in Deutschland geht nach Angaben des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) für ein oder zwei Semester ins Ausland. Manche entscheiden sich sogar, das gesamte Studium jenseits der deutschen Grenzen zu absolvieren. Unabhängig von der Dauer des Aufenthalts muss vorher alles genau geplant werden. "Am besten fängt man schon anderthalb, spätestens aber ein Jahr vor dem geplanten Aufenthalt an", rät DAAD-Sprecherin Francis Hugenroth in Bonn. Ansonsten verpassen Studenten schnell die Fristen, wenn sie sich um ein Stipendium bewerben wollen. "Will man das komplette Studium im Ausland absolvieren, wird die Planung noch komplizierter." Dann sind rechtliche Punkte wie die Aufenthaltsgenehmigung zu klären. Und die Suche nach einer passenden Hochschule läuft anders als bei Austauschprogrammen in Eigenregie. Es gibt zwar private Organisation, die dabei helfen - das kostet aber. Nützliche Grenznähe Gründe für ein Auslandsstudium gibt es ganz verschiedene: Einige nutzen die Gelegenheit, weil sie ohnehin in Grenznähe zu Nachbarstaaten wie Österreich oder den Niederlanden leben. Bei anderen hängt es mit ihrem Fach zusammen - wer Anglistik studiert, sollte vielleicht einmal in Großbritannien gewesen sein. Und manche haben sogar schon länger den Wunsch, später in einem anderen Land zu leben. "Häufig spielen aber auch die Zulassungsbeschränkungen an deutschen Universitäten eine große Rolle bei der Entscheidung, etwa bei Medizinstudenten", erläutert DAAD-Sprecherin Hugenroth. Rechtzeitig Kurse belegen Wichtig sind zunächst die Sprachkenntnisse - auch wenn an der Wunsch-Uni Seminare auf Englisch angeboten werden. "Je besser ich die Landessprache spreche, desto besser", sagt Stefan Grob vom Deutschen Studentenwerk in Berlin. Wer die Sprache noch nicht kann, sollte rechtzeitig Kurse belegen. Oft ist ein Auslandsstudium auch eine Frage des Geldes. "Nach wie vor hängt die Mobilität der Studierenden vom sozioökonomischen Hintergrund ab", erklärt Grob. "Damit entscheidet die soziale Herkunft nicht nur über einen Auslandsaufenthalt, sondern über eine Chance fürs Leben." Keine Finanzierung für das komplette Studium Die Finanzierung ist bei einem kompletten Auslandsstudium noch schwieriger - vor allem, wenn Eltern oder Verwandte nicht für die Mehrkosten aufkommen können. "Für ein komplettes Auslandsstudium vergibt der DAAD keine Stipendien", erklärt Hugenroth. Auch die Austauschprogramme Sokrates und Erasmus, die für Stipendiaten die Studiengebühren übernehmen und einen Zuschuss zahlen, sehen kein ganzes Auslandsstudium vor. Mit den Kosten zu tun hat auch die Frage nach dem geeigneten Studienort und der passenden Uni. "Es muss nicht immer Yale oder Harvard sein", meint Grob. "Stattdessen sollte man nach seinem Bauchgefühl gehen und einen Ort auswählen, wo man schon immer mal hin wollte." Im Hinblick auf die spätere Karriere könne ein exotischer Studienort bei Vorstellungsgesprächen durchaus hilfreich sein und einen interessant machen. "Unbedingt geklärt werden muss aber, welche Studienleistungen später in Deutschland anerkannt werden." Eingeschränkte Auswahl bei Erasmus Beim Erasmus-Programm ist die Auswahl des Studienortes eingeschränkt, weil die Heimat- mit der Gastuniversität eine Austauschvereinbarung abgeschlossen haben muss. "Große Universitäten haben meist Austauschkontakte in allen Fächern", erläutert Eva Lack, Erasmus-Hochschulkoordinatorin der Freien Universität Berlin. In den einzelnen Fächern gebe es aber nicht mit allen möglichen Ländern einen Austausch. Welche Länder ihnen in ihrem Fach offenstehen, prüfen Studenten daher besser rechtzeitig. Seit der der Bachelor-Einführung ist das Studieren im Ausland nicht einfacher geworden. "Die Mobilitätsphase muss schließlich irgendwo in die wenigen Studiensemester eingepasst werden", erklärt Lack. Wann dafür der günstigste Zeitpunkt ist, hängt vom jeweiligen Studienplan ab - am besten lassen Studenten sich hierzu beraten.
Hauptsache exotisch: Ins Ausland geht irgendwann fast jeder. Um wirklich von der Studienzeit fernab der Heimat profitieren zu können, gilt es ein paar Dinge zu beachten.
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https://www.sueddeutsche.de/karriere/studieren-im-ausland-ich-bin-dann-mal-weg-1.38720
Studieren im Ausland - Ich bin dann mal weg
00/01/2010
Erotik-SMS schreiben und nebenher noch Heißluftballone verfolgen: Es gibt viele Möglichkeiten, sich als Student seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Immer nur kellnern ist ja auch langweilig. Eine Auswahl außergewöhnlicher Studentenjobs in Bildern. Berufsbezeichnung: Hundebestandsaufnehmer Voraussetzungen: Gutes Gehör, Spürnase und ein gewisser Fahnderinstinkt Tätigkeit: Durch die Straßen und Hausflure der Stadt laufen, auf der Suche nach "Schwarzhunden", also Hunden, die nicht bei der Stadt angemeldet sind. Deren Halter werden zur Kasse gebeten. Wo gebellt wird, muss auch Hundesteuer gezahlt werden. Wo: Derzeit schickt die Stadt Aachen Studenten los. Das Geschäftsmodell könnte jedoch auch anderen Kommunen liegen, die ihre Kassen auffüllen müssen. Foto: dpa
Erotik-SMS schreiben und nebenher noch Heißluftballone verfolgen: Es gibt viele Möglichkeiten, sich als Student seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Skurrile Jobs in Bildern.
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Außergewöhnliche Studentenjobs - Besser als kellnern
00/01/2010
Die Zahl der Fluggesellschaften mit einer langen unfallfreien Tradition nimmt weltweit zu. Das geht aus der jährlichen Sicherheitsstatistik des deutschen Unfalluntersuchungsbüros JACDEC (Jet Airliner Crash Data Evaluation Centre) hervor, die vom deutschen Magazin für Zivilluftfahrt Aero International veröffentlicht wurde. In den vergangenen 30 Jahren - seit dem 1. Januar 1979 - blieben 17 der 60 größten Fluggesellschaften der Welt von schweren Unfällen, Totalverlusten oder Unglücken mit Todesfällen verschont. In der JACDEC-Rangliste sind immerhin sieben Airlines mit der Sicherheitsrate 0,000 vertreten, die schon älter als 30 Jahre alt sind. Dazu gehören die bereits 1922 gegründeten australischen Qantas, die in punkto Sicherheit seit Jahrzehnten als das Non plus ultra der Branche gilt. Zwar musste die australische Airline gerade in den vergangenen Jahren mehrere Zwischenfälle melden, darunter die spektakuläre Notlandung einer Boeing 747 mit einem Loch im Rumpf. Da dabei aber weder die Maschine abgeschrieben werden musste, noch Tote zu beklagen waren, gehen diese Vorfälle nicht in die JACDEC-Statistik ein. Foto: dpa
In der aktuellen Statistik des Unfalluntersuchungsbüros JACDEC gehört Qantas noch immer zu den Spitzenreitern, doch auch Billigflieger sind ganz vorne mit dabei.
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https://www.sueddeutsche.de/reise/luftfahrt-statistik-2009-die-sichersten-airlines-1.68507
Luftfahrt-Statistik 2009 - Die sichersten Airlines
00/01/2010
In Kanada ist es kalt - vor allem im Norden des zweitgrößten Landes der Erde. Der allerdings ist dünn bevölkert. Etwa 90 Prozent der Kanadier leben nicht weiter als ein paar hundert Kilometer von der amerikanischen Grenze entfernt - je weiter nach Norden man kommt, um so wilder wird die Landschaft. Etwa ein Drittel des Gebietes Kanadas liegt nördlich des Polarkreises. Im Winter sind die Bedingungen vergleichsweise unwirtlich. Und doch haben hier zahlreiche Stämme der First Nations, der kanadischen Ureinwohner, Jahrhunderte überlebt. Und es siedeln sich immer wieder Weiße an - im Yukon und in den Northwest Territories. Im Winter wird es monatelang nicht hell im Norden der Northwest Territories, der nördlichsten Provinz Nordamerikas und der größten Kanadas - und auch im Norden des Yukon und Nunavuts kann man die Sonnenstunden an einer Hand abzählen. Das Thermometer zeigt in dieser Zeit minus 40, minus 50 Grad an - manchmal sogar noch weniger. Dazu kommt ein eisiger Wind. Gefühlt fallen die Temperaturen damit um weitere zehn Grad - das reicht, um mit der Nase an einem Fotoapparat festzukleben oder innerhalb weniger Minuten Erfrierungen an nackter Haut zu bekommen. Spezielle Ausrüstung für alle Tage Normale Anoraks helfen dabei nicht mehr, auch eine noch so gute Gesichtscreme hat in dieser Umgebung ausgedient. Skihosen sind immer eine Notwendigkeit, ebenso Mütze und Handschuhe. Und Daunen. Denn nur die halten in dieser rauen Umgebung warm. Wie man das mit der Haut macht, die trotzdem noch aus all der Bekleidung hervorschaut? "Am besten mit Öl eincremen", sagt Carlos Gonzales, den es schon vor vielen Jahren nach Yellowknife verschlagen hat. Gefährlich hingegen: "Alles, worin Wasser ist - denn das friert sofort fest." Das gilt für Gesichtscreme ebenso wie für Haargel oder Make-up. Die Kanadier sind auf ihre Winter vorbereitet, die im Oktober beginnen und mindestens bis April dauern. "Gute Kleidung ist das Wichtigste - viele Lagen", sagt Carlos. Warme Wäsche, polartaugliche Hosen, schwere Filzstiefel mit Kautschukfuß und lange Daunenmäntel mit fellbesetzten Ärmeln und Kapuzen - das ist die Kleidung, die man auf den Straßen am häufigsten sieht. Doch die Kälte ist trocken. "Dadurch wird man sofort wieder warm, wenn man in ein geheiztes Haus kommt." Oder in ein Auto mit Standheizung - oder eines, das auch läuft, wenn sich kein Fahrer darin befindet. "Bei bestimmten Temperaturen muss man das machen, sonst springen die Autos nicht mehr an", sagt er. Und: es gibt im Norden kaum ein Auto, dessen Windschutzscheibe ohne gewaltigen Riss durch den Winter kommt. "Das liegt an den Temperaturen und den Steinschlägen." Die schönen Seiten der Kälte Aber der Winter hat auch seine schönen Seiten - sogar sehr viele. Ayaka aus Osaka etwa ist vor allem wegen eines Phänomens in den Norden Kanadas gereist: Aurora Borealis, die Nordlichter. Es hat unter minus 40 Grad in dieser Winternacht, und es ist schon seit vielen Stunden dunkel. Doch die zierliche Japanerin lässt sich von der Kälte nicht schrecken. Denn was sie am Himmel sieht, ist Entschädigung für alles Frieren: Langsam gehen über den Northwest Territories die Nordlichter auf - geladene Teilchen des Sonnenwindes, die auf die Erdatmosphäre treffen und so grüne Schleier erzeugen. Bei guten Bedingungen gesellen sich rote Streifen dazu. "Dann tanzen sie", sagt Buffalo Mike, einer der wenigen Einheimischen unter den asiatischen Himmelsguckern im Aurora Village, einer kleinen Tipi-Stadt jenseits der Grenzen der Hauptstadt Yellowknife. Die Lichter sind während des gesamten Winterhalbjahres am Himmel zu sehen, am besten in tiefster Nacht. "Man kann aber nie sagen, wann sie kommen und wie stark sie leuchten". Besonders für Japaner halten diese Lichter, die durch das Auftreffen geladener Teilchen des Sonnenwindes auf die Erdatmosphäre an den Polen entstehen, eine besondere Faszination, denn sie wachsen mit Geschichten über die Nordlichter auf, wie Ayaka erzählt. Daher hege fast jeder Japaner den Traum, diese Lichter ein Mal in seinem Leben unter dem Sternenhimmel zu erleben. Im Norden Kanadas, der am Rande der Arktis liegt, sind die natürlichen Bedingungen besonders gut und die Reise vergleichsweise mühelos. Einzigartige Nächte, traumhafte Tage Doch nicht nur die Nächte sind einzigartig, im Winter in der Nähe des Polarkreises. Carlos Gonzales' liebste Beschäftigung ist es, an einem klaren, klirrend kalten Tag mit dem Schneemobil auszurücken und dabei noch ein paar Touristen mitzunehmen. Am liebsten fährt er auf den Großen Sklavensee (Great Slave Lake). Dieser gut 27.000 Quadratkilometer große See gilt als achtgrößter der Erde und ist mit einer maximalen Tiefe von 614 Metern der tiefste Nordamerikas - und doch friert er im Winter zu großen Teilen zu. "Die Eisschicht kann bis zu zwei Meter dick werden", sagt Carlos. Damit trägt der See nicht nur die Fahrer, die mit den 125 PS starken Maschinen über die unberührte Schnee- und Eisfläche fliegen. Carlos hat eine kleine Hütte am Ufer des Sees - fließendes Wasser gibt es hier nicht und nur ein outhouse, ein Plumpsklo, gut 100 Meter entfernt. Und doch ist es äußerst gemütlich, wenn er am Gasherd steht, einen schmackhaften Lunch zubereitet und vom Leben in Eis und Schnee erzählt. Von den "ice roads" etwa, die eine wichtige Lebensader für all jene sind, die in den Diamantenminen im Norden des Territoriums arbeiten. Im Winter werden auf dem See Eisstraßen planiert, die breit sind wie Autobahnen. Der Verkehr ist rege - vor allem Lastwagenkonvois sind nicht zu knapp. "Sie bringen Vorräte für das ganze Jahr in die Minen." Damit das Wasser unter der meterdicken Eisschicht nicht zu viele Wellen schlägt und Risse an der eisigen Oberfläche verursacht, dürfen die Laster allerdings nur noch mit zehn Stundenkilometern über das Eis schleichen - damit brauchen sie für ihre Touren eine halbe Ewigkeit. Gold- und Diamantenrausch Oder Carlos plaudert über die Gründung der Stadt Yellowknife in diesem wahrhaft unwirtlichen Gebiet: "Yellowknife kam vor rund einem halben Jahrhundert zu Ruhm und Reichtum, als abenteuerlustige Goldgräber in den Minen nach Gold suchten, denn hier gab es wesentlich mehr Gold als am Klondike." Die Vorräte waren bald erschöpft, doch da gab es noch einen Geologen, der aufgrund seiner Studien davon überzeugt war, dass es in der Region Diamanten geben muss. Er suchte viele Jahre, wurde schließlich fündig und erzählte drei Jahre lang niemandem von seinem milliardenschweren Fund. Inzwischen sind drei Diamantenminen am Werk und fördern die Edelsteine, die gleich an Ort und Stelle verarbeitet werden. Die strahlendsten und reinsten die Diamanten der Welt seien das, sagen die Einheimischen. Und dann gibt es da noch die natürlichen Wettervorhersagen, von denen Carlos mit einem breiten Grinsen erzählt: die wilden Tiere. "Wenn du über den Highway fährst und siehst kein einziges Tier, dann weißt du, dass es noch kälter wird." Denn die Tiere seien von Natur aus neugierig - und wenn sie sich allzu weit in die flachen Kiefernwälder verziehen, dann ist es sogar Wildbüffeln, Elchen, Karibus, Luchsen, Schneefüchsen und Wölfen zu kalt. Elch-Burger, Karibu-Hackbraten, Bison-Suppe Für die Einheimischen sind die wilden Tiere Teil des täglichen Lebens. Elch-Burger, Karibu-Hackbraten, Bison-Suppe und Trockenfleisch (Jerky) der arktischen Fische gehören zum Speiseplan, denn viele jagen und verarbeiten Fleisch und Felle. Buffalo Mike, der Kanadier aus dem Camp, hat sich in Sachen Lebensart einiges von den Indianern abgeschaut, die seit Jahrhunderten in der Eiswüste überleben. Er trägt eine Lederkappe mit Fell und Handschuhe, die so groß sind wie Einkaufstüten - genäht aus einem Wolf, den er selbst geschossen hat. Und auch Carlos hat scharf gewürztes Jerky dabei von einem Elch, den er im Herbst erlegt hat. Carlos drängt zum Aufbrauch, draußen beginnt die Sonne schon langsam zu sinken. Es geht wieder auf das Schneemobil, vorbei an bizarr geformtem Eis und an allerlei Schneewehen, zurück Richtung Yellowknife. "Es kann gut sein", sagt er, "dass dir auf der langen Fahrt über den See kein einziger Mensch entgegen kommt." Das sei übrigens förderlich, wenn er sich mal abends aufmacht in seine Hütte. "Denn auch hier ist es so einsam; dass man einen hervorragenden Blick auf die Nordlichter hat."
In Kanadas Norden ist es einen Großteil des Jahres kalt, sehr kalt. Und viele Monate ziemlich dunkel. Doch die kurzen Sommer reißen alles wieder raus.
reise
https://www.sueddeutsche.de/reise/kanada-der-norden-daunen-gold-und-warme-gedanken-1.33523
Kanada - Der Norden - Daunen, Gold und warme Gedanken
00/01/2010
Mit Kanada verbindet man lauter schöne Dinge: viel Landschaft, freundliche Menschen und atemberaubende Natur. Das alles stimmt - und doch hat Kanada noch so viel mehr zu bieten. Der nördliche Nachbar der USA ist nach Russland der zweitgrößte Flächenstaat der Erde. Kanada erstreckt sich zwischen Atlantik im Osten und Pazifik im Westen über fünfeinhalb Zeitzonen - manchmal ist man nämlich auch speziell: Kanada hat nicht sechs Zeitzonen, sondern fünfeinhalb. In Neufundland ticken die Uhren eher ungewöhnlich: vier Stunden und dreißig Minuten ist man dort hinter der mitteleuropäischen Zeit zurück. Neben zahlreichen Bodenschätzen wie Öl, Gas, Erzen, Uran, Gold und Diamanten verfügt Kanada über die größten Wasserreserven der Welt: Das Land besitzt ein Zehntel des gesamten Oberflächensüßwassers, damit muss allerdings nur weniger als ein Prozent der Weltbevölkerung versorgt werden. Die größten Seen sind der Obere See (Lake Superior) mit 82.103 und der Huronsee (Lake Huron) mit 59.580 Quadratkilometern. Allein 3000 Kubikmeter Wasser fallen in der Sekunde an den Niagara-Fällen in die Tiefe - das entspricht etwa 250.000 vollen Badewannen. Die längsten Flüsse Kanadas sind der Mackenzie River im Nordwesten des Landes mit 4241 und der Sankt-Lorenz-Strom im Osten mit 3350 Kilometern. Dazu ist Kanada von drei Ozeanen umgeben. Viel Land, wenig Menschen Für die Größe ist die Besiedlung sehr dünn: nur rund 33 Millionen Menschen leben in dem Land - und das auf 9.984.670 Quadratkilometern. Die meisten von ihnen haben sich in einem Streifen bis etwa 300 Kilometer jenseits der Grenze zu den USA angesiedelt. Fast vier Fünftel der Kanadier leben in Städten, die meisten in den Metropolen Toronto, Montreal, Vancouver und Ottawa. Der dünn besiedelte Norden liegt zum Teil in der Selbstverwaltung der First Nations, der kanadischen Ureinwohner. Die Hauptstädte der zehn Provinzen und drei Territorien sind gut besiedelt - doch wer auf dem Land wohnt, hat viel Platz und wenig Nachbarn. Beispiel Yukon: Etwa 30.000 Menschen leben dort auf etwa 500.000 Quadratkilometern - das ist nur ein Bruchteil dessen, was das Territorium nördlich von British Columbia und an der Grenze zu Alaska an Elchen, Bären und Rentieren aufzuweisen hat. Etwa 23.000 Einwohner hat die Hauptstadt Whitehorse im Süden des Territoriums, das so groß ist wie Deutschland und die Benelux-Länder zusammen - der Rest verteilt sich auf die Wildnis nördlich der Hauptstadt, in der es nur noch wenige Straßen gibt, keine einzige Ampel und viel Natur. Die große Leere Wie im Yukon ist mehr als ein Drittel der Landesfläche von dichten Wäldern bedeckt. Das Land erstreckt sich von der Insel Neufundland im Osten über 5500 Kilometer bis zu den Kordilleren im Westen. Vom Kanadisch-Arktischen Archipel im Norden zieht es sich über 4600 Kilometer über den Kanadischen Schild bis in die fruchtbaren Großen Ebenen im Süden. Noch ein Vorurteil hält sich hartnäckig - dass Kanada nämlich ein eisiges Land sei. Das stimmt wohl, wenn man im tiefsten Winter in den hohen Norden reist. Wieder ein Beispiel aus dem Yukon: Dort wurde die tiefste, jemals gemessene Temperatur in Kanada mit minus 63 Grad aufgezeichnet. In dieser trockenen Witterung ist es sogar zu kalt für Schnee. Das ist nichts für Frostfürchter. Extremes Klima Doch sogar dort, wo im Winter die Temperaturen arktisch sind, kann das Quecksilber im Sommer bis zu 30 Grad plus ansteigen. Experten erklären die Klimazonen wie folgt: Der Norden und Nordosten Kanadas liegen in der arktischen, das Zentrum und der Nordwesten in der subarktischen Klimazone. Während der gemäßigte Südosten unter maritimem Einfluss steht, herrscht im größten Teil des Landes ein kontinentales Klima mit kalten, langen Wintern und kurzen, relativ warmen Sommern. Denn: Die arktischen Luftmassen stoßen bis weit in den Süden vor, ohne dass sich ihnen ein Gebirge in den Weg stellt. In mehr als der Hälfte des Landes liegen die Temperaturen im Jahresdurchschnitt unterhalb des Gefrierpunktes, im Sommer steigen sie allerdings stark an. Die pazifische Südwestküste hat unter dem Einfluss einer warmen Meeresströmung relativ milde Witterungsverhältnisse. Beispiel Vancouver: Hier liegen die Temperaturen fast immer über dem Gefrierpunkt - zwar ist es im Winter oft nebelig und feucht, aber es schneit nur selten in der Metropole am Pazifik. Ganz anders 100 Kilometer entfernt in Whistler: In den Rocky Mountains sorgen meterhohe Schneemengen für beste Wintersportverhältnisse. Multikulti-Society Wenn die Bevölkerung Kanadas eines gut beschreibt ist es das Wort Multikulti. Die Wurzeln der meisten Kanadier liegen in Großbritannien und Irland sowie in Frankreich. Die rund sieben Millionen Frankokanadier, die vor allem in der Provinz Quebec leben, gehen auf die französischen Immigranten des 17. und 18. Jahrhunderts zurück. Heute kommen die meisten Einwanderer aus Asien. In Kanada lebt knapp eine Million Ureinwohner, die - politisch korrekt - mit der Bezeichnung First Nations betitelt sind. Die meisten von ihnen leben im gesamten Süden und in den bewaldeten Gebieten im Norden. Hinzu kommen etwa 50.000 Inuit an den nördlichen Küsten und auf den arktischen Inseln. 1999 wurde ihnen mit Nunavut das erste weitgehend autonom verwaltete Gebiet übertragen. Ein junges Land Es lebt sich sehr friedlich zwischen Atlantik und Pazifik. Und: Alle Strukturen sind noch recht jung, auch wenn die Entdeckung durch die Europäer schon recht lang zurückliegt. John Cabot war es, der 1497 den Seeweg nach Indien suchte - und an der kanadischen Küste landete. Knapp 40 Jahre später nahm Jacques Cartier das Gebiet beiderseits des St.-Lorenz-Stroms für Frankreich in Besitz, 1663 wurde Kanada zur königlichen französischen Kolonie Neufrankreich. Zahlreiche Kriege folgten, hundert Jahre später trat Frankreich im Frieden von Paris 1763 alle nordamerikanischen Festlandsbesitzungen an Großbritannien ab. Mit dem Quebec Act von 1774 sicherten die Briten den Frankokanadiern Religionsfreiheit und Eigentum zu. 1791 wurde das Gebiet in Oberkanada (englisch) und Unterkanada (französisch) geteilt, 1840 wurden die beiden Regionen durch den Canadian Union Act wiedervereinigt. Erst 1867 verabschiedete das Londoner Parlament den British North America Act, der die Dominion of Canada schuf. Das war der Zusammenschluss von Nova Scotia, New Brunswick, Quebec und Ontario. Bald darauf wurden neue Territorien und Provinzen gebildet: Saskatchewan und Alberta (1870), Manitoba und British Columbia (1870/71). 1931 erlangte das Land mit dem Statut von Westminster die vollständige Unabhängigkeit. Nach der Verfassung von 1982 ist Kanada eine bundesstaatliche parlamentarische Monarchie im Commonwealth, Staatsoberhaupt ist die britische Königin, die durch den Generalgouverneur vertreten wird. Die Exekutive liegt bei der dem Parlament verantwortlichen Bundesregierung unter Führung des Premierministers. Das Zweikammerparlament besteht aus dem Unterhaus, mit 308 Abgeordneten, die für fünf Jahre nach Mehrheitswahlrecht gewählt werden und dem Senat. Zwar geht es weitgehend ruhig zu in der der Politik Kanadas - innenpolitischen Konfliktstoff gibt es allerdings immer wieder, vor allem durch die immer wieder aufkeimenden Autonomiebestrebungen der Frankokanadier in Quebec.
Mit Kanada verbindet man lauter schöne Dinge: viel Landschaft, freundliche Menschen und atemberaubende Natur. Das alles stimmt - und doch hat Kanada noch so viel mehr zu bieten.
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https://www.sueddeutsche.de/reise/kanada-ein-ueberblick-land-der-superlative-1.34254
Kanada - Ein Überblick - Land der Superlative
00/01/2010
Von der Siegessäule durch das Brandenburger Tor bis zur Humboldt-Uni in Berlin sind es rund 2,9 Kilometer. Ungefähr so lang wäre auch die Reihe der Kreuzfahrtschiffe, die 2010 getauft werden sollen, wenn sie hintereinander in einem Hafenbecken lägen. Die elf Neubauten bieten zusammen exakt 24.836 Passagieren Platz - das entspricht etwa der Einwohnerzahl von Bad Honnef am Rhein oder Lindau am Bodensee. Zwar geben die Reedereien dafür immer wieder ältere Schiffe ab. Unterm Strich aber wächst das Bettenangebot auf hoher See auch 2010 deutlich - und damit der Druck, mehr Urlauber für Kreuzfahrten zu begeistern. Foto: dpa
Diese Schiffe laufen 2010 aus. Sie bieten Skaterbahn, Formel-1-Simulator, Zirkuszelt und Brauerei - was man auf See eben so braucht. Ein Überblick in Bildern.
reise
https://www.sueddeutsche.de/reise/neue-kreuzfahrtschiffe-2010-auf-rollschuhen-uebers-meer-1.763678
Neue Kreuzfahrtschiffe 2010 - Auf Rollschuhen übers Meer
00/01/2010
Es gibt Gegenden in der Welt, die sollte man gesehen haben - damit Sie aber nicht erst nach dem eigenen Urlaub erfahren, wo es vielleicht schöner gewesen wäre, hat der Lonely Planet zehn Regionen ausgewählt, die 2010 eine Reise wert sind - dabei ist die Nummer eins der Top 10 nah genug für einen Kurztrip: Platz 1: Elsass, Frankreich Die Mischung macht`s: Im Elsass mit der größten Stadt Straßburg findet man deutsch anmutende rustikale Häuser, über und über bewachsen mit Geranien, aber auch französischen Einfluss, der unter anderem bei Modeboutiquen oder Kunstmuseen sichtbar wird - und das alles kombiniert mit der hügeligen Landschaft im milden Klima des Rheintales, das für kulinarischen Wein- und Essensgenuss steht. Am besten erkundet man das Elsass, indem man einen Tag auf der Weinstraße entlang radelt, und dann wieder ins kulturelle Leben der Städte eintaucht. Foto: Barbara Van Zanten/Lonely Planet Images
Es gibt Gegenden auf der Welt, die muss man einfach bereist haben - und eine der schönsten ist nah genug für einen Kurztrip.
reise
https://www.sueddeutsche.de/reise/reisetipps-die-schoensten-ziele-fuer-2010-1.69161
Reisetipps - Die schönsten Ziele für 2010
00/01/2010
Ein Mal im Jahr ist alles anders in Calgary. Zehn Tage lang lässt die größte Stadt der kanadischen Provinz Alberta im Juli den Wilden Westen wieder aufleben - es herrscht Ausnahmezustand in der Prärie. Seit 1912 die erste Stampede veranstaltet wurde, macht die ganze Stadt mit: Krawatten und Anzüge bleiben im Schrank; Cowboystiefel, blitzende Gürtelschnallen und schneeweiße Cowboyhüte sind dann angesagt. Tausende von Freiwilligen verteilen morgens umsonst frisch gebackene Pfannkuchen mit Speck und Ahornsirup. Und eine bunte Parade mit Pferdewagen und Schwarzfuß-Indianern im vollen Federschmuck verwandelt die Innenstadt mit den gläsernen Wolkenkratzer-Fassaden in eine schräge Kulisse. Wettbewerbe für harte Männer Jeden Tag sind 15.000 bis 20.000 Zuschauer beim Bull Riding dabei. Zu den anderen Wettbewerbskategorien gehört zum Beispiel das Reiten ungesattelter Wildpferde. Auch das Einfangen und Niederringen von jungen Stieren mit dem Lasso, waghalsige Planwagenrennen und Hindernisreiten um ein Bierfass haben zahlreiche Fans. Für die Cowboys ist es kein Zeitvertreib, sondern ein Profisport, mit dem sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen. 1,6 Millionen kanadische Dollar werden jeden Tag als Preisgelder vergeben. Zeb Lanham ist so einer. In ein paar Sekunden kann er ein Jahresgehalt verdienen - oder sich alle Knochen brechen. Sein Glück hängt von Wranglers Rock Star ab. Der Stier besteht aus gut 500 Kilogramm stampfender und schnaubender Muskelmasse. Auf ihm muss sich Zeb Lanham halten, acht Sekunden lang. Zeb hält sich nur mit einer Hand an einem Seil fest, das um den Bauch des Tieres geschlungen ist, als es aus dem Gatter bricht. Nur 4,7 Sekunden dauert der Machtkampf, dann landet der Cowboy im Staub. Enttäuscht springt Lanham auf. Für Wranglers Rock Star ist die Show allerdings noch nicht zu Ende: Mit einem heftigen Stoß nimmt er den Cowboy auf die Hörner und schleudert ihn mehrere Meter in die Höhe. Lanham stürzt zum zweiten Mal in den Staub. 20.000 Zuschauer schreien vor Schreck auf, selbst der routinierte Stadionsprecher ringt einen Moment um Fassung. "Oh mein Gott, das war ein Stoß", sagt er, als Lanham sich mit schmerzverzerrtem Gesicht aufrappelt. Es sind Episoden wie diese, die aus der Calgary Stampede in der kanadischen Provinz Alberta Nordamerikas aufregendstes Rodeo machen. Eine wilde Meute Dabei ist die Stampede eigentlich eine Landwirtschaftsausstellung für die Farmer der Prärieprovinzen - doch landwirtschaftliche Maschinen sind lange nicht so aufregend wie Bullenreiten oder eine andere waghalsige Veranstaltung, das Planwagenrennen. Vier Pferde sind vor jeden Wagen gespannt, vier weitere Pferde mit Reiter, die "Outrider" genannt werden, jagen nebenher. In jedem Rennen gibt es vier Konkurrenten. 32 Pferde sind also immer gleichzeitig auf der Bahn. Den Überblick über die wilde Meute zu behalten, ist schwer. Auch hier gibt es um die 100.000 Dollar Preisgeld. Aber der Planwagenlenker ist nur so gut wie seine Pferde. Deshalb behandelt Darcy Flad seine Vierbeiner wie Top-Athleten: "Sie bekommen Sportgetränke verabreicht, damit die Elektrolyte stimmen, wir haben Pferdemasseure hier und Chiropraktiker", erzählt der 37-jährige Stampede-Teilnehmer.
Flaches Farmland dominiert die drei Prärie-Provinzen Manitoba, Sasketchewan und Alberta - ein Outdoor-Spielplatz für echte Kerle.
reise
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Kanada - Die Prärie - Cowboys, Öl und viel Landschaft
00/01/2010
Das Highlight am Mercedes-Stand sind weder SLS noch das neue E-Klasse Cabriolet. Beide sind bereits bekannt - im Gegensatz zum neuen CLS. Den gab es zumindest als Skulptur. Dieses Jahr gibt es bei den Stuttgartern an sich nur eine echte Neuheit - den Mercedes CLS. Der Vorgänger hat zwar schon ein paar Jahre auf dem Buckel, sieht jedoch selbst neben der aktuellen E-Klasse immer noch attraktiv aus und erfreut sich daher auch bei den Kunden auf der internationalen Märkten einer ordentlicher Nachfrage.
Das Highlight am Mercedes-Stand ist eigentlich der neue CLS. Zu sehen gibt es das Modell aber nur verdeckt.
auto
https://www.sueddeutsche.de/auto/detroit-2010-mercedes-cls-skulptur-statt-auto-1.69384
Detroit 2010: Mercedes CLS - Skulptur statt Auto
00/01/2010
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00/01/2010
"Jung, gnadenlos, verfassungsfeindlich, das ist die FDP": Mit markigen Sprüchen gibt SPD-Chef Sigmar Gabriel den Weg im Wahlkampf vor. Zehn Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hat SPD-Chef Sigmar Gabriel seine Partei auf eine harte Auseinandersetzung mit Schwarz-Gelb eingeschworen. Von der Wahl am 9. Mai müsse auch ein kräftiges Signal gegen die Politik von CDU und FDP im Bund ausgehen, sagte er beim Landesparteitag der nordrhein-westfälischen SPD in Dortmund. Mit der Ablösung von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, CDU, könne "ein Politikwechsel in Berlin eingeleitet werden". Die SPD müsse die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat brechen, um die Pläne der Bundesregierung für die Einführung einer Kopfpauschale in der Krankenversicherung zu verhindern. Mit diesem Vorhaben machten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und FDP-Chef Guido Westerwelle zu "Dienstboten derjenigen, die sich den Sozialstaat zur Beute machen wollen". Die nordrhein-westfälische SPD hat ihre Landesvorsitzende Hannelore Kraft zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl am 9. Mai gekürt. Ein Landesparteitag setzte Kraft am Samstag in Dortmund einstimmig auf den ersten Platz der Landesliste. Auf Kraft entfielen alle 404 abgegebenen gültigen Stimmen. Die Sozialdemokraten verabschiedeten in Dortmund ihr Programm für die Landtagswahl. Bei einem Regierungswechsel wollen sie eine Gemeinschaftsschule für alle Kinder bis zur zehnten Klasse einführen. In den Schulzeugnissen soll es keine Kopfnoten mehr geben, und auch die von der schwarz-gelben Koalition eingeführten Studiengebühren will die SPD wieder abschaffen. Die Sozialdemokraten versprechen Jugendlichen eine Ausbildungsgarantie und kleinen Betrieben Prämien für zusätzliche Lehrstellen. Den beschlossenen Ausstieg aus der Steinkohleförderung wollen sie rückgängig machen. Gabriel warf Merkel mangelnden Führungswillen vor. Sie sei nur noch "Geschäftsführerin einer Nicht-Regierungsorganisation". Die Kanzlerin könne die schwarz-gelbe Koalition in keiner einzigen wichtigen Frage auf eine gemeinsame Linie bringen. Merkel sei nur solange eine gute Kanzlerin gewesen, "wie sie von Sozialdemokraten bewacht wurde". Den FDP-Chef nannte Gabriel einen Radikalen im öffentlichen Dienst. "Jung, gnadenlos und verfassungsfeindlich in ihren Forderungen, das ist die FDP von heute." Heiße Wahlkampfphase auch für die Linke Anders als SPD-Landeschefin Hannelore Kraft in ihrer Parteitagsrede am Freitagabend legte Gabriel ein klares Bekenntnis zu einer rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen ab. Die Grünen seien die einzige Partei, mit denen die SPD eine Politik für Arbeit und Umwelt durchsetzen könne. Auf die Linkspartei ging Gabriel nur kurz ein. Die Linke in NRW sage von sich selbst, sie könne gar nicht regieren. "Warum sollen wir denen widersprechen", sagte der SPD-Chef. Auch die NRW-Linken sind in die heiße Wahlkampfphase gestartet - und streiten über den Umgang mit der SPD. Eine mögliche Regierungszusammenarbeit blieb bei einem Sonderparteitag am Samstag in Duisburg umstritten. Bundestagsfraktions-Vize Klaus Ernst warb dafür. "Es gibt mit dem Wahlprogramm der SPD durchaus Überschneidungen", sagte er. Dagegen regte sich aber auch heftigen Widerspruch, weil die SPD bundespolitische Verantwortung für Hartz IV trage. "Bloß nicht", rief ein Parteimitglied zum Thema Rot-Rot. "Die CDU kann uns ruhig weiter diffamieren. Wir ziehen mit einer starken Fraktion in den Landtag ein", rief Parteisprecher Wolfgang Zimmermann. Die NRW-Linke hat nach der jüngsten Umfrage mit rund sechs Prozent Chancen auf einen Einzug in den Landtag. Mit großer Mehrheit verabschiedete der Sonderparteitag ein Zehn-Punkte-"Dringlichkeitsprogramm". Das Programm enthält in komprimierter Form bekannte Linken-Forderungen wie kostenlose Bildung vom Kindergarten bis zur Universität, eine Gemeinschaftsschule bis zur 10. Klasse, 10 Euro Mindestlohn, die Entschuldung der Kommunen, 400 000 neue Jobs unter anderem im öffentlichen Sektor und eine deutliche Anhebung des Hartz-IV-Regelsatzes. Die besonders umstrittene Forderung nach einem "Recht auf Rausch" hatte die Landespartei nach heftiger öffentlicher Kritik bereits beim vergangenen Parteitag fallengelassen. Zur Finanzierung ihrer Forderungen will die Partei unter anderem die Steuern auf Vermögen und Spitzeneinkünfte deutlich erhöhen und mehr Steuerfahnder einstellen. Insgesamt seien so landesweit 21 Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen möglich.
"Jung, gnadenlos, verfassungsfeindlich, das ist die FDP": Mit markigen Sprüchen gibt SPD-Chef Sigmar Gabriel den Weg im Wahlkampf vor.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/gabriel-im-nrw-wahlkampf-aetzen-gegen-schwarz-gelb-1.24893
Gabriel im NRW-Wahlkampf - Ätzen gegen Schwarz-Gelb
00/02/2010
"Es gibt keine Straße ohne Trümmer": Die chilenische Großstadt Concepción ist am stärksten von dem Erdbeben betroffen. Alle wichtigen Gebäude der Millionenstadt seien eingestürzt. Die chilenische Großstadt Concepción ist von dem verheerenden Erdbeben mit am schlimmsten getroffen worden. Brücken seien eingestürzt, Straßen regelrecht zusammenschoben worden, berichtete der Fernsehsender TVN am Samstag. Alle wichtigen Gebäude der etwa 500 Kilometer südlich von Santiago de Chile gelegenen Stadt stürzten unter der Wucht des Bebens ein. "Es gibt keine Straße ohne Trümmer. Es ist uns noch nicht gelungen, bis zur Stadtmitte vorzudringen", berichtete ein Reporter. Öffentliche Gebäude, darunter der Sitz der Regionalregierung, seien ebenso wie erst jüngst fertiggestellte Bauten in sich zusammengefallen. Auf den Straßen der 200.000-Einwohner-Stadt türmten sich Trümmerberge, überall seien Risse im Boden zu sehen. Noch in der Nacht wurden Hunderte von Patienten aus dem regionalen Krankenhaus geholt. In Decken gehüllte Frauen, schreiende Kinder und Männer mit Taschenlampen, die im Schlaf von dem Unglück überrascht wurden, seien die ersten gewesen, die versucht hätten, sich einen Weg aus den Trümmern zu bahnen. Innenminister Edmundo Pérez Yoma bestätigte, es gebe gravierende Kommunikationsprobleme mit der Stadt. Präsidentin Michelle Bachelet entsandte Helfer in das Katastrophengebiet und rief ihre Minister zu einem Krisentreffen zusammen. Kupferbau stark beeinträchtigt Das schwere Erdbeben hat auch den Bergbau der weltgrößten Kupferproduzenten beeinträchtigt. Der Konzern Anglo American stoppte die Arbeit in seinen Kupferminen Los Bronces und El Soldado. Die Stromversorgung sei zusammengebrochen, teilte ein Sprecher mit. Das dortige Sicherheitspersonal erklärte, die Zugangsstraßen zu den Gruben seien verschüttet. Beim Kupferproduzent Codelco war die Lage zunächst noch unklar. Es habe kein Kontakt zu den Bergwerken El Teniente und Andina hergestellt werden können, sagte ein Sprecher des Staatskonzerns. Chile stellt 34 Prozent der weltweiten Kupferproduktion. Anglo American produziert in den beiden betroffenen Bergwerken jährlich rund 280.000 Tonnen Kupfer. Aus den Codelco-Gruben werden jedes Jahr zusammen 600.000 Tonnen des Rohstoffs geholt, der vor allem in Elektrogeräten, Autos und Kühlschränken zum Einsatz kommt. Experten befürchten starke Nachbeben "Ein Beben der Stärke 8,3 bis 8,8 hat mehr als 100 Mal so viel Kraft wie das Erdbeben von Haiti mit einem Wert von 7,1 Anfang des Jahres", sagte Jochen Zschau vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ. In den kommenden Tagen, Monaten, wenn nicht sogar Jahren müsse mit zum Teil schweren Nachbeben gerechnet werden. "Einige davon könnten noch stärker als das Beben von Haiti sein", sagte er. An den Rändern der tektonischen Platten hatten sich über einen langen Zeitraum starke Spannungen aufgebaut, die sich nun schlagartig entladen hätten, sagte der Wissenschaftler. Dabei seien enorme Bewegungen in Gang gesetzt worden. Nun müsse genau festgestellt werden, wie die Bewegeungen abliefen und wie sie verursacht wurden. Die Nasca-Platte - sie ist die Ursache vieler schwerer Erdbeben und Tsunamis in Chile - schiebe sich beispielsweise mit etwa sechs bis sieben Zentimetern im Jahr unter Südamerika. Darüber hinaus rutsche der Kontinent etwa zwei bis drei Zentimeter pro Jahr in Richtung Westen. "Beide Bewegungen kollidieren miteinander und führen so zu großen Spannungen", sagte der Experte. Beim Haiti-Beben habe es enorme Bewegungen an der Grenze zwischen karibischer und nordamerikanischer Platte gegeben, erinnerte Zschau. Die kleinere karibische rutsche dort rund sieben Millimeter im Jahr Richtung Osten an der nordamerikanischen Platte vorbei. "Innerhalb von 24 Stunden wird sich nun ein Tsunami von der einen Seite des Pazifiks zur anderen bewegen", sagte Zschau. Mit einer an der chilenischen Küste gemessenen Höhe von anderthalb Metern habe die Wasserwelle aber bei weitem nicht die Macht wie beim Tsunami von Sumatra 2004, als sich eine Wasserwand von teilweise 30 Metern Höhe bildete. "Nach derzeitigem Stand muss diesmal nicht mit einer Katastrophe wie damals gerechnet werden", sagte Zschau. Weltweit gibt es nur einmal im Jahr ein Erdbeben mit der Magnitude 8 und zehnmal mit der Stärke 7.
"Es gibt keine Straße ohne Trümmer": Die chilenische Großstadt Concepción ist am stärksten von dem Erdbeben betroffen. Alle wichtigen Gebäude der Millionenstadt seien eingestürzt.
politik
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Concepción - eine Stadt wird zerstört
00/02/2010
"Irre Aussagen" von "Schreihals" Westerwelle: Die Hartz-IV-Debatte geht weiter - unvermindert greift die Opposition den FDP-Chef an. Auch Westerwelle äußert sich wieder - und nimmt einen ungewohnten Gegner ins Visier. Auch am Wochenende hält die Debatte um Hartz IV weiter an. Der frühere SPD-Bundesarbeitsminister Olaf Scholz hat FDP-Chef und Außenminister Guido Westerwelle vorgeworfen, mit seinen Hartz-IV-Aussagen Ressentiments zu schüren. "Was er gesagt hat, ist irre", sagte der Hamburger SPD-Chef am Samstag auf einem Programmparteitag in der Hansestadt. Das ähnele dem Vorgehen der Lega Nord in Italien. "Die lebt auch vom Ressentiment, in ihrem Fall von Ressentiments des Nordens gegen den Süden." Westerwelle wiederum wolle das Ressentiment beleben, schlecht verdienende, aber hart arbeitende Arbeitnehmer gegen Arbeitslose aufzubringen. Gleichzeitig warf Scholz der Bundesregierung Tatenlosigkeit vor. "Wir werden gar nicht regiert." Man müsse schon die Frage stellen, ob im Kanzleramt nicht eine "Ansammlung von Nichtregierungsorganisationen" sitze. Auch die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Manuela Schwesig griff den Außenminister an bezeichnete den FDP-Chef als "Schreihals". Wer fordere, dass Arbeit sich lohnen müsse, müsse auch etwas dafür tun - erst recht, wenn er in Regierungsverantwortung sei, sagte die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern in einem Interview mit der Schweriner Volkszeitung vom Samstag. "Westerwelle ist ein Schreihals, der auch als Vize-Kanzler immer noch den Oppositionspolitiker macht." Der Bundesaußenminister habe "keine Debatte um Hartz IV angeschoben, sondern eine Neidkampagne gestartet". Die SPD-Politikerin forderte erneut, gesetzliche Mindestlöhne einzuführen. Auch Westerwelle äußerte sich noch einmal zum Thema - und nahm dabei die Wirtschaft ins Visier. Es werde viel zu wenig darüber gesprochen, dass es auch einen Missbrauch des Sozialstaates in der Wirtschaft gebe, etwa durch Schwarzarbeit, sagte Westerwelle dem Tagesspiegel vom Samstag. Es gebe "Unternehmen, die mit ihren Beschäftigten Kleinstverträge machen, um einem ordentlichen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zu entgehen und sich darauf verlassen, dass sich der Sozialstaat um ihre Mitarbeiter kümmert". Westerwelle zeigte sich überzeugt, dass es auch in der Wirtschaft "schwarze Schafe gibt, die die Mittel des Sozialstaats preisgünstig mitnehmen, obwohl sie eigentlich in der Lage wären, Arbeitsplätze zu schaffen". "Das sollte hier niemand vergessen." Westerwelle hatte mit umstrittenen Äußerungen zu Hartz IV eine Debatte über Sozialleistungen entfacht. Der Parteichef hatte unter anderem fehlende Leistungsanreize bemängelt und von "spätrömischer Dekadenz" gesprochen. Opposition fordert Machtwort Köhlers Die Forderung der Opposition nach einem Machtwort von Bundespräsident Horst Köhler wies unterdessen CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich scharf zurück. Friedrich sprach am Samstag in Berlin von einem "Zeugnis der Unfähigkeit" der Opposition. "Es ist unsäglich und unverschämt, jetzt nach dem Bundespräsidenten zu rufen, nur weil Rot-Grün selbst nicht in der Lage ist, die Sozialstaatsdebatte konstruktiv zu führen", sagte Friedrich. Zuvor hatten Oppositionspolitiker eine Einmischung Köhlers verlangt. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sprach in der Leipziger Volkszeitung von der "Stunde des Bundespräsidenten". Der designierte Linke-Parteichef Klaus Ernst nannte es "wünschenswert, dass sich der Bundespräsident mit der Autorität seines Amtes in die aktuellen Debatten einschaltet". Auch die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth bemängelte: Angesichts der Debatte um Sozialstaat, Gerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit "vermisse ich die starke Stimme eines Präsidenten, der in der Vergangenheit gerade in Gerechtigkeitsfragen viel zu sagen hatte." Papier schaltet sich ein Auch der scheidende Gerichtspräsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, schaltete sich erneut in die Diskussion ein. Das Urteil aus Karlsruhe zu Hartz IV begründet nach Erläuterungen Papiers keinen Anspruch auf eine Erhöhung der Regelsätze. Die vom Gericht geforderten zusätzlichen Leistungen für Kinder wie Schulbücher oder Taschenrechner könne der Staat auch in Form von Sachleistungen erbringen, sagte Papier der Welt am Sonntag. Bedenken gegen eine Arbeitspflicht für Hartz-IV-Empfänger hielt Papier für unbegründet. Das heiß diskutierte Urteil war am 9. Februar vom Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichtes unter seinem Vorsitz gefällt worden. Nach Ansicht des Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, können Hartz-IV-Leistungen für besondere Ereignisse wie Klassenfahrten aus dem Regelsatz herausgerechnet werden. Dafür könne es Gutscheine geben, sagte Kauder dem Hamburger Abendblatt. Der Staat könnte auch den Nachhilfe- oder Musikunterricht über Gutscheine fördern. Für mehr Sachleistungen plädierte auch der stellvertretende FDP-Vorsitzende Andreas Pinkwart. "Das könnten kostenlose Schulessen sein, Übermittagsbetreuung oder auch Nachhilfe", sagte Pinkwart der Wirtschaftswoche. Papier sagte, die Festlegung der Regelsätze für Hartz IV - derzeit 359 Euro - sei nicht Sache des Verfassungsgerichts, sondern liege in der Gestaltungskompetenz des Gesetzgebers. "Ein bezifferbarer Anspruch ist dem Grundgesetz nicht zu entnehmen." Es sei Aufgabe der Politik, auf der einen Seite für Solidarität mit denjenigen zu sorgen, die sich nicht selbst helfen können, vor allem auch den betroffenen Kindern. "Auf der anderen Seite muss bedacht werden, dass die Mittel dafür vom Steuerzahler aufgebracht werden." Papier unterstrich, er habe keine verfassungsmäßigen Bedenken gegen die in der Politik diskutierte Arbeitspflicht für Hartz-IV-Empfänger. "Juristisch handelt es sich genau genommen nicht um Pflichten, sondern um Obliegenheiten zur Erlangung einer Leistung", sagte Papier. "Und die sind im geltenden Recht durchaus schon vorgesehen. Wer eine zumutbare Arbeit ohne triftige Gründe ablehnt, muss mit einer Leistungskürzung rechnen." Kauder forderte, dass alle Bundesländer die vorgesehenen Sanktionen anwenden, wenn Hartz-IV-Empfänger Jobangebote ablehnen. "Die Arbeitsagenturen und Kommunen in allen Bundesländern sind aufgerufen, nicht nur zu fördern, sondern auch zu fordern." Eine Änderung der Vorschriften lehnte der CDU-Politiker jedoch ab: "Schärfere Sanktionen als die bestehenden sind in einem Sozialstaat nicht möglich." Nach dem Gesetz müssen Arbeitslose, die mehrfach Vermittlungsangebote ohne stichhaltige Begründung ablehnen, mit einer Kürzung oder im Extremfall sogar mit einer Streichung ihrer Unterstützung rechnen. Die SPD warnte die schwarz-gelbe Koalition davor, die Zahl der Arbeitsvermittler abzubauen und die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik zu kürzen. Entsprechende FDP-Pläne hätten eine "verheerende Wirkung", sagte SPD-Partei- und Fraktionsvize Olaf Scholz der Deutschen Presse-Agentur dpa. Ohne diese Förderung könne man Arbeitslosen nicht zu einer Beschäftigung verhelfen. "Es wäre dann auch nicht mehr möglich, diejenigen, die gar nicht arbeiten wollen, herauszufinden und mit Leistungskürzungen zu sanktionieren", sagte der frühere Bundesarbeitsminister.
"Irre Aussagen" von "Schreihals" Westerwelle: Die Hartz-IV-Debatte geht weiter - unvermindert greift die Opposition den FDP-Chef an. Auch Westerwelle äußert sich wieder - und nimmt einen ungewohnten Gegner ins Visier.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/hartz-iv-debatte-alle-gegen-westerwelle-1.12698
Hartz-IV-Debatte - Alle gegen Westerwelle
00/02/2010
Die Koalition kommt nicht zur Ruhe: Die CSU verstärkt ihren Widerstand gegen die von der FDP geplante Gesundheitsprämie. Kurzmeldungen im Überblick Im Streit über die Gesundheitspolitik verschärft die CSU den Ton gegenüber dem Koalitionspartner FDP. CSU-Chef Horst Seehofer kündigte sein Veto gegen eine Gesundheitsprämie an. "Eine Umstellung der bestehenden, am Lohn orientierten und sozial gerechten Arbeitnehmerbeiträge auf eine Pauschale wird es mit mir nicht geben", sagte der bayerische Ministerpräsident der Rheinischen Post. Die von der Koalition eingesetzte Regierungskommission zur Gesundheitsreform dürfe sich nur mit den Zusatzausgaben in der Krankenversicherung beschäftigen, die aufgrund der Alterung der Bevölkerung und des medizinischen Fortschritts zu erwarten seien, sagte Seehofer. Die Arzneimittelkosten könnten mit einer Ausweitung der Festpreise für Medikamente gedrückt werden. Warum die Internetseite von der Frau des Ministerpräsidenten Christian Wulff für Wirbel sorgt und was ein deutsches Unternehmen mit afghanischem Drogenschmuggel offenbar zu tun hat: Auf den folgenden Seiten finden Sie weitere Kurzmeldungen.
Die Koalition kommt nicht zur Ruhe: Die CSU verstärkt ihren Widerstand gegen die von der FDP geplante Gesundheitsprämie. Kurzmeldungen im Überblick
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-seehofer-kuendigt-veto-gegen-kopfpauschale-an-1.12821
Politik kompakt - Seehofer kündigt Veto gegen Kopfpauschale an
00/02/2010
Der Zwang zur Ehelosigkeit der Priester ist für die Krise der katholischen Kirche verantwortlich. Jetzt ist es an der Zeit, das Zölibatsgesetz zu diskutieren. Massenhafter sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch katholische Kleriker von den USA über Irland bis Deutschland: ein enormer Imageverlust der katholischen Kirche, aber auch eine Offenbarung ihrer tiefen Krise. Für die Deutsche Bischofskonferenz hatte zuerst ihr Vorsitzender, Erzbischof Robert Zollitsch aus Freiburg, öffentlich Stellung bezogen. Dass er die Missbrauchsfälle als "abscheuliche Verbrechen" bezeichnete und später die Bischofskonferenz in ihrer Erklärung vom vergangenen Donnerstag alle Opfer um Vergebung bat, sind erste Schritte der Aufarbeitung, aber weitere müssen folgen. Zollitschs Stellungnahme weist freilich schwerwiegende Fehleinschätzungen auf, denen widersprochen werden muss. Erste Behauptung: Sexueller Missbrauch durch Kleriker hat nichts mit dem Zölibat zu tun. Einspruch! Nicht zu bestreiten ist zwar, dass solcher Missbrauch auch in Familien, Schulen, Vereinen und auch in Kirchen ohne Zölibatsgesetz vorkommt. Aber warum massenhaft gerade in der von Zölibatären geleiteten katholischen Kirche? Selbstverständlich ist nicht allein der Zölibat schuld an diesen Verfehlungen. Aber er ist der strukturell wichtigste Ausdruck einer verkrampften Einstellung der katholischen Kirchenleitung zur Sexualität, wie dies auch in der Frage der Empfängnisverhütung und anderem zum Ausdruck kommt. Ein Blick ins Neue Testament zeigt jedoch: Jesus und Paulus haben Ehelosigkeit für den Dienst an den Menschen zwar exemplarisch vorgelebt, aber dem Einzelnen diesbezüglich die volle Freiheit gewährt. Nicht nur mit dem Dienst verheiratet Ehelosigkeit kann vom Evangelium her nur als frei ergriffene Berufung (Charisma) und nicht als allgemein verbindliches Gesetz vertreten werden. Paulus hat sich entschieden gegen diejenigen gewendet, die schon damals die Ansicht vertraten, "dass es für einen Mann gut sei, keine Frau zu berühren": "Wegen der Versuchungen zur Unzucht soll jeder Mann seine Frau und jede Frau ihren Mann haben" (1 Kor. 7,1f). Nach dem neutestamentlichen Ersten Brief an Timotheus soll "der Bischof Mann nur einer (nicht: keiner!) Frau sein" (3,2). Petrus und die übrigen Apostel waren in ihrem Dienst verheiratet. Dies blieb durch viele Jahrhunderte für Bischöfe und Presbyter selbstverständlich und hat sich im Osten auch bei den mit Rom unierten Kirchen, wie in der ganzen Orthodoxie, zumindest für die Priester bis heute durchgehalten. Das römische Zölibatsgesetz aber widerspricht dem Evangelium und der alten katholischen Tradition. Es gehört abgeschafft. Zweite Behauptung: Es ist "völlig falsch", die Missbrauchsfälle auf Fehler im System der Kirche zurückzuführen. Einspruch! Das Zölibatsgesetz gab es im 1. Jahrtausend noch nicht. Im Westen wurde es im 11. Jahrhundert unter dem Einfluss von Mönchen (die ja freiwillig ehelos leben), vor allem vom Canossa-Papst Gregor VII., gegen den entschiedenen Widerstand des Klerus in Italien und noch mehr in Deutschland durchgesetzt, wo nur drei Bischöfe das römische Dekret zu verkünden wagten. Zu Tausenden protestierten Priester gegen das neue Gesetz. In einer Eingabe brachte der deutsche Klerus vor: "Ob der Papst das Wort des Herrn nicht kenne: Wer es fassen kann, der fasse es (Mt 19,12)?" In dieser einzigen Aussage Jesu zur Ehelosigkeit plädiert er für die Freiwilligkeit dieser Lebensform. Vom Volk abgehoben Das Zölibatsgesetz wird so - zusammen mit päpstlichem Absolutismus und forciertem Klerikalismus - zu einem wesentlichen Pfeiler des "römischen Systems". Anders als in den östlichen Kirchen erscheint der zölibatäre Klerus des Westens vor allem durch seine Ehelosigkeit als vom christlichen Volk ganz und gar abgehoben: ein eigener dominierender sozialer Stand, der dem Laienstand grundsätzlich übergeordnet, aber dem römischen Papst völlig untergeordnet ist. Der Pflichtzölibat ist Hauptgrund für den katastrophalen Priestermangel, die folgenschwere Vernachlässigung der Eucharistiefeier und vielerorts den Zusammenbruch der persönlichen Seelsorge. Dies wird durch die Fusion von Pfarreien zu "Seelsorgeeinheiten" mit völlig überlasteten Pfarrern verschleiert. Was aber wäre die beste Förderung des Priesternachwuchses? Die Abschaffung des Zölibatsgesetzes, Wurzel allen Übels, und die Zulassung von Frauen zur Ordination. Die Bischöfe wissen das, sollten aber auch den Mut haben, es auszusprechen. Sie hätten die große Mehrheit der Bevölkerung und auch der Katholiken hinter sich, die allen neueren Umfragen zufolge wünscht, dass die Priester heiraten dürfen. Dritte Behauptung: Die Bischöfe haben genügend Verantwortung übernommen. Dass jetzt ernsthafte Maßnahmen zur Aufklärung und zur Prävention ergriffen werden, ist selbstverständlich zu begrüßen. Aber tragen nicht die Bischöfe selbst die Verantwortung für die jahrzehntelange Praxis der Vertuschung der Missbrauchsfälle, die oft nur zur Versetzung der Missetäter im Zeichen strenger Verschwiegenheit führte? Sind also die früheren Vertuscher allein glaubwürdige Aufklärer oder müssten nicht unabhängige Kommissionen eingesetzt werden? Päpstliche Geheimhaltung Zu seiner Mitschuld hat sich bisher noch kaum ein Bischof bekannt. Aber er könnte darauf verweisen, er sei nur den Weisungen Roms gefolgt. Aus Gründen absoluter Geheimhaltung zog in der Tat die verschwiegene vatikanische Glaubenskongregation alle wichtigen Fälle von Sexualvergehen von Klerikern an sich und so kamen die Fälle in den Jahren 1981 bis 2005 auf den Tisch ihres Präfekten Kardinal Ratzinger. Dieser sandte noch am 18. Mai 2001 ein feierliches Schreiben über die schweren Vergehen ("Epistula de delictis gravioribus") an alle Bischöfe der Welt, in welchem die Missbrauchsfälle unter die "päpstliche Geheimhaltung" ("secretum Pontificium") gestellt wurden, deren Verletzung unter Kirchenstrafe steht. Dürfte also die Kirche nicht auch vom Papst, in Kollegialität mit den Bischöfen, ein "mea culpa" erwarten? Und dies verbunden mit der Wiedergutmachung, dass das Zölibatsgesetz, das auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil nicht diskutiert werden durfte, jetzt endlich frei und offen in der Kirche überprüft werden kann. Mit der gleichen Offenheit, mit der nun endlich die Missbrauchsfälle selbst aufgearbeitet werden, müsste auch eine ihrer wesentlichen strukturellen Ursachen, das Zölibatsgesetz, diskutiert werden. Dies sollten die Bischöfe unerschrocken und mit Nachdruck Papst Benedikt XVI. vorschlagen.
Der Zwang zur Ehelosigkeit der Priester ist für die Krise der katholischen Kirche verantwortlich. Jetzt ist es an der Zeit, das Zölibatsgesetz zu diskutieren.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauch-an-klosterschulen-zoelibat-und-missbrauch-1.9568
Missbrauch an Klosterschulen - Zölibat und Missbrauch
00/02/2010
Wie ihre NRW-Kollegen vermarkten offenbar auch die sächsischen Christdemokraten in Sponsoring-Verträgen ihren Landeschef. Ab 3900 Euro gibt es "kurze Gespräche" mit Ministerpräsident Tillich. Die Sponsoring-Affäre der CDU weitet sich aus. Der Spiegel berichtet über ein Schreiben an potenzielle Unterstützer der CDU-Veranstaltung "Denkfabrik Sachsen", die am Montag in Dresden stattfindet. Danach können interessierte Firmen vier "Präsentationsstufen" zum Preis von 500 bis 8.000 Euro wählen. Die Stufen drei und vier beinhalten dem Bericht zufolge ein "kurzes Gespräch mit dem Landesvorsitzenden Stanislaw Tillich". Zusätzlich wird Sponsoren ab Präsentationsstufe drei, die 3.900 Euro kostet, die Erwähnung ihres Firmennamens in der Begrüßungsrede des sächsischen CDU-Generalsekretärs Michael Kretschmer in Aussicht gestellt. Für Sponsoren der Stufe vier (8.000 Euro) organisiert die CDU zudem noch "ein separates Fachgespräch im Rahmen der Veranstaltung". CDU-Generalsekretär Kretschmer bestätigte dem Hamburger Magazin die Sponsoring-Praxis, bezeichnete die versprochenen Kurzgespräche mit Tillich jedoch als "Nebensache". Der Politiker sagte: "Wir verkaufen Standplätze, nicht den Ministerpräsidenten." Wegen ähnlich formulierter Sponsoring-Angebote trat am vergangenen Montag der Generalsekretär der nordrhein-westfälischen CDU, Hendrik Wüst, zurück. Die CDU hatte Parteitags-Sponsoren Einzelgespräche mit Ministerpräsident Jürgen Rüttgers versprochen. Durch die Schreiben wurde Rüttgers mit dem Vorwurf der Käuflichkeit konfrontiert und geriet politisch unter Druck. Die Sponsorenaffäre um Rüttgers beschäftigt inzwischen auch die Bundestagsverwaltung. Die SPD bat Parlamentspräsident Norbert Lammert um eine genaue Prüfung des umstrittenen Vorgangs. Im Raum stehe der "Verdacht der verdeckten Parteienfinanzierung". Geklärt werden muss laut SPD, ob die Landes-CDU gegen das Parteiengesetz verstieß, weil sie in Briefen an Sponsoren gegen Geld exklusive Gesprächstermine mit Rüttgers oder den Ministern auf dem Landesparteitag im März anbot. Die Sozialdemokraten hoffen auf eine Klärung noch vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai und verlangen den Rücktritt von Rüttgers als CDU-Landeschef. Die "kommerzielle Vermarktung" von Ministerkontakten sei nicht statthaft. Rüttgers hatte die Vorwürfe, er sei käuflich, als "völligen Quatsch" zurückgewiesen und der Opposition bescheinigt, sie wolle "billigen Wahlkampf" machen.
Wie ihre NRW-Kollegen vermarkten offenbar auch die sächsischen Christdemokraten in Sponsoring-Verträgen ihren Landeschef. Ab 3900 Euro gibt es "kurze Gespräche" mit Ministerpräsident Tillich.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/sponsoring-affaere-in-der-cdu-auch-tillich-im-angebot-1.13185
Sponsoring-Affäre in der CDU - Auch Tillich im Angebot
00/02/2010
Liebe ist ein großes Wort. Manche scheuen sich ein Leben lang davor, es in den Mund zu nehmen. Nicht so Guido Westerwelle. "Mit Dank für Ihr Interesse", schreibt er nach seinem Auftritt vor der Bundespressekonferenz an diesem Freitag auf eine Pressemitteilung, die er einer Journalistin übergeben lässt. Und "In Liebe, Ihr Guido Westerwelle". "In Liebe", setzte er in Anführungszeichen, immerhin. Vorangegangen war der Wunsch einer Kollegin von der Berliner Zeitung, er möge doch bitte noch einmal vorlesen, was er Mitte Februar in der Welt über Hartz IV, "anstrengungslosen Wohlstand" und "spätrömische Dekadenz" geschrieben habe. Zum besseren Verständnis halt. Westerwelle hatte nämlich zuvor mehrfach darauf hingewiesen, dass wer richtig gelesen habe, gar nicht auf die Idee kommen könne, er habe Böses im Schilde geführt. Der Bitte zur Rezitation aber wollte er nicht nachkommen. Er könne ihr nicht abnehmen, selber zu lesen. "Wenn Sie lesen und hören, was ich gesagt habe, dann kommen Sie zum Schluss, dass die Debatte angestoßen werden musste", erklärt er. Aber er gebe ihr "den Zettel gern und schreibe 'In Liebe, Guido' darauf". Alles also nur ein Missverständnis? Alles aus dem Zusammenhang gerissen? Hier dazu mal das vollständige Zitat, damit nicht wieder etwas untergeht: "Wer kellnert, verheiratet ist und zwei Kinder hat, bekommt im Schnitt 109 Euro weniger im Monat, als wenn er oder sie Hartz IV bezöge. Diese Leichtfertigkeit im Umgang mit dem Leistungsgedanken besorgt mich zutiefst. Die Missachtung der Mitte hat System, und sie ist brandgefährlich. Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein. An einem solchen Denken kann Deutschland scheitern. In vielen aufstrebenden Gesellschaften andernorts auf der Welt wird hart gearbeitet, damit die Kinder es einmal besser haben." Vielleicht sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die angesprochene Kellnerin zwar tatsächlich ein Arbeitseinkommen unterhalb von Hartz IV haben kann. Da aber Hartz IV eine Mindestsicherung darstellt, würde ihr Einkommen auf Hartz-IV-Niveau angehoben werden. Höhere Hartz-IV-Sätze kämen also auch ihr zugute. Aber das meint Westerwelle ja nicht. Westerwelle wird gefragt, ob er nachvollziehen könne, wenn ihm Rechtspopulismus oder Demagogie vorgeworfen werde. Seine Antwort: Es sei immer so, wenn der politische Gegner feststelle, dass eine Mehrheit der Menschen hinter einem stünde, dass man dann in die rechte Ecke gestellt werde. Er werde das "nicht akzeptieren". Wie seine "Man wird ja noch sagen dürfen"-Sätze, oder der Verweis auf die angeblich "schweigende Mehrheit" ist auch dieses rhetorische Instrument dem Baukasten der Demagogie entnommen. Westerwelle beherrscht das Instrumentarium eben perfekt. Kritische Fragen von Journalisten nach dem Krisentreffen von Kanzlerin Angela Merkel, Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer in dieser Woche im Kanzleramt wischt Westerwelle beiseite mit dem wenig glaubwürdigen Hinweis, sein Verhältnis zur Bundeskanzlerin sei "sehr gut". Bei dem Satz müssen einige Journalisten hörbar hüsteln. Außerdem müssten die Journalisten ja "Krisentreffen" schreiben, weil sie sonst keinen Platz in ihren Zeitungen für die Geschichte bekämen. Westerwelle kennt sich eben aus. Um noch etwas Heiterkeit in den Saal zu bringen, erzählt er freimütig, es habe neben alkoholfreiem Bier auch Saft, Wasser und Käse gegeben. Er habe Wasser getrunken. Die Heiterkeit bleibt diesmal aus. Lesen Sie auf der nächsten Seite, wann Guido Westerwelle zur Schmallippigkeit neigt.
Vor der Bundespressekonferenz begegnet Guido Westerwelle seinen schärfsten Kritikern. Über einen missglückten Versuch der Sympathiewerbung.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/westerwelle-auf-schmusekurs-in-liebe-ihr-guido-1.11085
"Westerwelle auf Schmusekurs - ""In Liebe, Ihr Guido"""
00/02/2010
Es ist ein bemerkenswertes Zeichen, wenn der pakistanische Sicherheitsapparat die Deckung für die Taliban fallenlässt und die Verhaftung von Kommandeuren ermöglicht. Während in Deutschland das Parlament bei der Mandats-Abstimmung einen für den Hausgebrauch inszenierten Tanz aufführt, bewegen sich in Afghanistan die Ereignisse in hohem Tempo. Im Süden meldet die Isaf erste Erfolge - die zusätzlich eingesetzten Soldaten können in Gebiete vordringen, die bisher nicht zu sichern waren. Damit werden die Taliban nach Pakistan zurückgedrängt. In Pakistan selbst häufen sich die Festnahmen hochrangiger Taliban-Funktionäre. Auch wenn die Strukturen der Gruppierung flexibel sind und Führungsfiguren schnell rekrutiert werden: Es ist ein bemerkenswertes Zeichen, wenn der pakistanische Sicherheitsapparat die Deckung für die Gotteskrieger fallenlässt und die Verhaftung von mindestens 15 Kommandeuren, darunter sieben aus dem innersten Führungszirkel um Mullah Omar, ermöglicht. Doch Vorsicht: Die Taliban sind eine heterogene Gruppierung. Nicht alle verhafteten Kommandeure müssen automatisch Feinde der afghanischen Regierung sein. Auch unter den Taliban wächst die Versöhnungsbereitschaft. Nun geht es um den Preis. Die pakistanische Regierung will ihren Einfluss in Kabul sichern und vor allem verhindern, dass Indien eine stärkere Rolle spielt. Der Anschlag in Kabul war auch gegen Inder gerichtet und ist wohl nicht nur Zeichen blinder Taliban-Wut. Bei den Verhaftungen wie bei dem Anschlag gilt: Die Zusammenhänge sind nicht so simpel, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Nur in Deutschland wird man die Chancen, die sich nun eröffnen, nicht sehen. Hier ist alles wie immer: Die Öffentlichkeit will raus aus Afghanistan, die Linke will punkten, und die Mehrheit im Bundestag hofft, dass alles irgendwie gutgehen möge.
Es ist ein bemerkenswertes Zeichen, wenn der pakistanische Sicherheitsapparat die Deckung für die Taliban fallenlässt und die Verhaftung von Kommandeuren ermöglicht.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/afghanistan-pakistans-preis-1.1198
Afghanistan - Pakistans Preis
00/02/2010
Hannelore Kraft überzeugt auf dem Parteitag mit klassischer SPD-Rhetorik. Ihre Rede war aber auch eine Bewerbung für das Amt der Ministerpräsidentin - doch da ist die Aussicht wenig rosig. Der Ort für den Landesparteitag war mit Bedacht gewählt. Nirgendwo sonst fühlt sich die nordrhein-westfälische SPD so heimisch wie in Dortmund, der vermeintlichen "Herzkammer der Sozialdemokratie". Von hier aus, sagte NRW-SPD-Generalsekretär Michael Groschek zum Auftakt des zweitägigen Parteitages, solle "das Signal ausgehen, dass dies der letzte Parteitag als Oppositionspartei auf lange, lange Zeit ist." Der CDU dagegen, sagt Groschek, verspreche er "Regeneration in der Opposition". Dabei sind die Aussichten der SPD für die Landtagswahl am 9. Mai nicht besonders rosig. Die Sozialdemokraten unter ihrer Partei- und Fraktionschefin Hannelore Kraft liegt in allen Umfragen hinter der CDU von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers zurück, derzeit würde einzig eine rot-rot-grüne Koalition eine Mehrheit erreichen können. Zu diesem Bündnis aber sagte Hannelore Kraft in ihrer knapp 60-minütigen Rede am Freitag nicht ein einziges Wort. "Wir in NRW. Mutig - Herzlich - Gerecht", hieß das Motto des Parteitages. Und vor allem das Herz betonte die 48-Jährige, die am frühen Freitagabend im Amt der Landesvorsitzenden bestätigt wurde. Sie erhielt 413 Ja- und nur drei Nein-Stimmen - 99 Prozent der Stimmen. In einem thematischen Rundumschlag betonte Kraft den Anspruch der SPD , "die Kümmererpartei" zu sein, während die schwarz-gelbe Koalition "die Entsolidarisierung der Gesellschaft" anstrebte. Knapp eine Stunde sprach Kraft zu den 450 Delegierten in der Dortmunder Westfalenhalle, schrie am Ende ihre Forderungen in den Saal zu den Delegierten, der anschließend knapp vier Minuten stehend applaudierte. "Wir haben den Mut, Strukturen zu verändern und es wird Zeit, dass sie verändert werden", hatte Kraft betont. Und daraus vor allem einen umfangreichen Forderungskatalog entwickelt: Kostenfreie Bildung vom Kindergarten bis zur Hochschule, mehr Sozialarbeiter und bessere Vorsorge, "damit kein Kind mehr verloren geht", mehr Mitbestimmung, Wiedereinführung des Tariftreuegesetzes, Mindestlöhne, Begrenzung der Leih- und Zeitarbeit, und nicht zuletzt eine Übernahme der kommunalen Schulden durch das Land in einer Art "Bad Bank". "Es soll wieder Spaß machen, die SPD zu wählen" Es war in der Rede viel traditionelle SPD zu spüren, es war von Aufstieg die Rede, von den Schwächsten der Gesellschaft, von Kinden, Alleinerziehenden und Armen. Sie wolle "nah bei den Menschen sein", hatte Kraft zuvor betont: "Da, wo wir Sozialdemokraten hingehören." Und so erzählte sie in ihrer mäandernden Rede ausgiebig von ihren Besuchen in Handwerksbetrieben und im Altenheim, wo sie jeweils einen Tag mitgearbeitet habe. "Initiative Tatkraft" haben die Sozialdemokraten die Tour genannt, bei der Hannelore Kraft, wie der SPD-Werbetrailer feststellte, "Menschen getroffen hat". Es war eine Bewerbungsrede für das Amt der Ministerpräsidentin, die sich an das richtete, was Berichterstatter dann gerne "Seele der Partei" nennen. Dazu gehört auch, dass der Forderungskatalog zwar opulent ausfällt, die Vorschläge zur Finanzierung dagegen naturgemäß etwas dünner. "Wir werden mehr Geld brauchen", sagte Kraft, und nannte Vermögensteuer, Erhöhung des Spitzensteuersatzes und die Börsenumsatzsteuer als einzige Instrumente. Die Delegierten goutierten den Weg zurück zu vermeintlich klassischer SPD-Politik. Der SPD-Generalsekretär Groschek hatte das passende Motto dazu geprägt: "Es soll wieder Spaß machen, die SPD zu wählen."
Hannelore Kraft überzeugt auf dem Parteitag mit klassischer SPD-Rhetorik. Ihre Rede war aber auch eine Bewerbung für das Amt der Ministerpräsidentin - doch da ist die Aussicht wenig rosig.
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SPD-Parteitag in Nordrhein-Westfalen - Die 99-Prozent-Kraft
00/02/2010
Die Gespräche dauerten fast drei Wochen und sie liefen sehr diskret ab. Ein Team der Wuppertaler Steuerfahndung, das von dem Vorsteher des Amtes, dem 60 Jahre alten Peter B., angeführt wurde, verhandelte im Ausland mit einem Informanten über den Ankauf einer CD mit den Daten von 1500 deutschen Kunden der Schweizer Bank Credit Suisse. Der Informant hatte diese CD den Wuppertalern bereits vor einem Jahr zum Kauf angeboten und 2,5 Millionen Euro verlangt. Die Fahnder hatten ihn dann zunächst um eine Namensliste von Personen aus Nordrhein-Westfalen gebeten, weil sie auf deren Steuerakten Zugriff haben. Sie erhielten ein halbes Dutzend Arbeitsproben und verglichen die Kontodaten mit den Akten. Es waren allesamt Treffer. Dann lieferte der Unbekannte noch einmal weitere hundert Namen und es waren wieder viele Treffer darunter. Außerdem übergab er Interna der Credit Suisse aus den Jahren 2004 bis 2008. Die Steuerfahnder werteten diese Unter-lagen bis September 2009 aus und informierten dann das Bundeszentralamt für Steuern darüber, dass nach internen Schätzungen der Großbank 88 Prozent der deutschen Kunden, die Konten bei dem Geldinstitut in der Schweiz haben, dieses Geld dem deutschen Fiskus verschwiegen haben. Bereits im vergangenen Herbst gingen dann die Wuppertaler Steuerfahnder davon aus, dass es ein Hauptverfahren gegen die deutschen Steuerhinterzieher und Beihilfeverfahren gegen Bankangestellte geben müsse. Im Februar war das Angebot aus der Schweiz öffentlich bekannt geworden und das Bundesfinanzministerium sowie das Kanzleramt hatten sich dafür ausgesprochen, die CD zu kaufen. Auch die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung, die in dem Fall federführend ist, hatte zugestimmt. Das Honorar zahlte zunächst NRW. Der Bund will 1,25 Millionen Euro beisteuern, auch andere Bundesländer sollen sich beteiligen. Ein Geschäft ist der Kauf auf jeden Fall. Nach internen Schätzungen rechnen die Steuerbehörden mit Mehreinnahmen von bis zu 400 Millionen Euro. Bei den Verhandlungen mit dem Datenbeschaffer soll die Frage, ob seine Identität geschützt wird, eine große Rolle gespielt haben. Im Fall des Ex-Mitarbeiters der Liechtensteiner LGT Treuhand, Heinrich Kieber, der 2007 Daten der Vaduzer Bank übergeben hatte, war dessen Name bekannt geworden. Kieber hatte jedoch zuvor versucht, die Bank erpressen. Wer der Unbekannte ist, der jetzt die Schweizer CD übergeben hat, ist derzeit nicht bekannt. Die Steuerfahndung will seinen Namen geheim halten. Daran soll auch ein Rechtshilfeersuchen der Schweizer Regierung nichts ändern. Die Eidgenossen bitten darin die deutschen Behörden um Informationen über die Identität des Informanten, gegen den in der Schweiz ein Verfahren läuft. Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums sagte, die Ressortabstimmungen, ob der Bund gegen die Rechtshilfe Bedenken habe, liefen noch. Der Spielraum, das Ersuchen abzulehnen, sei allerdings relativ klein. Experten rechnen damit, dass das Bundesjustizministerium und vermutlich auch das Auswärtige Amt dem Ersuchen stattgeben wollen und dass das Bundesfinanzministerium und das Kanzleramt dies ablehnen werden. "Wir geben dem Informanten keine Zusage, seine Identität zu schützen und beteiligen uns dann an Ermittlungen gegen ihn", sagt ein Düsseldorfer Ministerialer. Die Landesregierung in Stuttgart, deren Finanzbehörden auch eine Steuer-CD angeboten worden war, will die ihr angebotenen Daten nach Angaben vom Freitag dagegen nicht kaufen.
Wuppertaler Fahnder haben die CD mit Daten von etwa 1500 mutmaßlichen Steuerhinterziehern erworben. Der Informant soll 2,5 Millionen Euro erhalten haben.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/nordrhein-westfalen-die-steuer-cd-ist-gekauft-1.9026
Nordrhein-Westfalen - Die Steuer-CD ist gekauft
00/02/2010
Weil sich Schwarz-Gelb in Baden-Württemberg nicht einigen kann, soll nun der Bund über den Erwerb einer CD mit Daten mutmaßlicher Steuerhinterzieher entscheiden. Die Schwaben stehen in dem Ruf, ein auf Sparsamkeit bedachter Menschenschlag zu sein. Auch die Landesregierung übt sich nun in dieser Tugend: Baden-Württemberg hat die Entscheidung über den Ankauf einer CD mit Daten mutmaßlicher Steuerhinterzieher an das Bundeszentralamt für Steuern abgeschoben. Wenn zwei sich streiten, soll der Bund entscheiden Die Landessregierung werde die angebotenen Steuerhinterzieherdateien zur Prüfung und abschließenden Bewertung dem Bonner Amt übergeben, teilte Staatsminister Helmut Rau (CDU) mit. Die Stuttgarter Koalition aus CDU und FDP delegierte die Kaufentscheidung an den Bund, weil man sich nicht einig werden konnte, ob ein Kauf der CD rechtlich zulässig sei. Während Justizminister Ulrich Goll (FDP) den Kauf vehement ablehnte, war Finanzminister Willi Stächele (CDU) dafür. Sollte die Behörde im Rahmen ihrer Bewertung zu dem Schluss kommen, dass die auf der CD gespeicherten Daten rechtssicher nutzbar seien, solle die Daten-CD durch das Bundeszentralamt verwertet werden, so Rau. Ein Sprecher des Finanzministeriums stellte unterdessen klar, dass der Bund die Daten nicht selbst kaufen werde. Dies sei einzig Sache der Länder. Der Bund unterstütze lediglich die Länder, indem er einen Kauf rechtlich bewerte. Auch könne er koordinierend tätig werden, wenn sich einzelne Bundesländer zum Daten-Kauf entscheiden sollten. Ein Informant hatte sich bei der Steuerfahndung in Freiburg gemeldet und forderte 500.000 Euro für eine CD mit 1700 Namen mutmaßlicher Steuerhinterzieher. 52 Namen von Anlegern hatte er schon geliefert. Das Finanzministerium rechnet mit Steuermehreinnahmen zwischen sechs und sieben Millionen Euro. Rau sagte, man wolle eine rechtssichere Entscheidung. Die Landesregierung von Baden-Württemberg vertrete weiterhin die Meinung, dass unabhängig von der Frage, wie populär eine Entscheidung sei, grundsätzlich immer das Legalitätsprinzip gelte. Es müsse grundsätzlich immer überprüft werden, ob staatliches Handeln auf geltendem Recht basiere. Es müsse auch zukünftig immer sicher sein, dass der Staat nichts machen dürfe, was er seinen Bürgern über die Gesetzgebung verbiete.
Weil sich Schwarz-Gelb in Baden-Württemberg nicht einigen kann, soll nun der Bund über den Erwerb einer CD mit Daten mutmaßlicher Steuerhinterzieher entscheiden.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/baden-wuerttemberg-steuer-cd-daten-auf-der-durchreise-1.20890
Baden-Württemberg: Steuer-CD - Daten auf der Durchreise
00/02/2010
Die CDU in NRW bot Unternehmern gegen Honorar Gespräche mit Ministerpräsident Rüttgers an - Generalsekretär Wüst ist deshalb zurückgetreten. Ausgestanden ist die Affäre dennoch nicht. Anfang Februar bekamen die Kandidaten der nordrhein-westfälischen CDU für die Landtagswahl am 9.Mai Post aus der Landesgeschäftsstelle in Düsseldorf. In den Unterlagen befand sich eine "Musterrede zur Landespolitik", sozusagen als Handreichung, damit die Parteifreunde bei ihren Auftritten im Land auch ja die richtige Botschaft verbreiten. Und die lautet: In der Ruhe liegt die Stärke. Einen Dauerwahlkampf, wie ihn die SPD plane, werde die CDU nicht mitmachen. Erst nach Ostern beginne der Wahlkampf der eigenen Partei, sollten die Redner an der Basis verkünden. Nur ja nicht der SPD ein Mobilisierungsthema liefern. Das war das Ziel der Wahlkampfplaner. Mit Jürgen Rüttgers habe man schließlich einen sehr erfolgreichen Ministerpräsidenten, der über die Parteigrenzen hinweg hohes Ansehen bei den Menschen genieße. Mit dieser Schlafwagen-Strategie hatte Kanzlerin Angela Merkel im vergangenen Herbst bei der Bundestagswahl die SPD auf Abstand gehalten. Eine besondere Finanzierungsform Doch an Rhein und Ruhr wird die CDU auf diese Weise ihre vor fünf Jahren eindrucksvoll gewonnene Macht nicht verteidigen können. Die Affäre um Werbebriefe, in denen Sponsoren gegen Zahlung einer bestimmten Summe exklusive Gesprächstermine mit Rüttgers und Landesministern offeriert wurden, ist auch nach dem Rücktritt von Generalsekretär Hendrik Wüst am Montag nicht ausgestanden. Wie sich jetzt zeigt, ist diese besondere Finanzierungsform schon seit 2004 angewandt worden, also zu einem Zeitpunkt, als Wüst noch nicht im Amt war, Rüttgers hingegen schon. Dieser hatte seit seiner Wahl zum Landeschef 1999 den lange Zeit zerstrittenen Landesverband geeint und ganz auf seine Person ausgerichtet, mit dem Ziel, Ministerpräsident zu werden. Dass er vor diesem Hintergrund von den umstrittenen Briefen nichts gewusst haben will, wie er behauptet, daran gibt es Zweifel. Im November 2004 veranstaltete die NRW-CDU erstmals einen Zukunftskongress, an dem im ehemaligen Bonner Bundestag über 900 Menschen teilnahmen. Im Vorfeld wurde Sponsoren ein bis zu 14.000 Euro teures Paket angeboten. Als Gegenleistung versprachen die Organisatoren Gespräche mit dem damaligen CDU-Spitzenkandidaten und exklusive Plätze bei der abendlichen Business-Veranstaltung. Der besondere Clou sei eine halbstündige "Road-Show", bei der sich Rüttgers dann zu den Ständen der Sponsorenfirmen begebe, berichtete der Spiegel. Im Frühjahr 2006 bedankte sich Rüttgers dann bei der Veranstaltungsagentur für die während des zweiten Zukunftskongresses geführten "Gespräche mit Sponsoren, Referenten und Teilnehmern". Wie Flyer und Einladungen belegen, wurde die Aktion "Rent-a-Rüttgers" auch in den folgenden Jahren fortgesetzt, um die nach der Landtagswahl 2005 in finanzielle Nöte geratene Partei wieder zu konsolidieren. Etwa eine Million Euro mehr als geplant hatte der professionell geführte Wahlkampf gekostet. Zudem war die Parteizentrale aufwendig saniert worden. Über diese Dinge sei im Landesvorstand im Beisein des Parteichefs gesprochen worden, bestätigen Mitglieder des Gremiums. Und so wurde die Praxis des Verkaufens von Nähe zu Politikern weiter verfeinert. Bis zu 22.000 Euro muss inzwischen ein so genannter "Platinsponsor" zahlen, um ganz nah an den Ministerpräsidenten heranzukommen. Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum das Vorgehen der CDU in NRW gängige Praxis und dennoch ungewöhnlich ist.
Die CDU in NRW bot Unternehmern gegen Honorar Gespräche mit Ministerpräsident Rüttgers an - Generalsekretär Wüst ist deshalb zurückgetreten. Ausgestanden ist die Affäre dennoch nicht.
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NRW: Rüttgers und die Sponsoren-Affäre - Die Ware Nähe
00/02/2010
No Dr.: Der CDU-Abgeordnete Dieter Jasper hat mit einem falschen Doktortitel Wahlkampf gemacht - und muss jetzt "harte Konsequenzen" fürchten. Er selbst sieht sich als Opfer. Der CDU-Abgeordnete Dieter Jasper hat schon jetzt Historisches geleistet. Sein Fall ist einzigartig in 60 Jahren bundesrepublikanischer Parlamentsgeschichte. Spätestens Mitte kommender Woche entscheidet Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), ob sich der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages mit ihm befassen muss. Die Frage: Hat Jasper mit einem falschen Doktortitel den Wahlausgang bei der Bundestagswahl in seinem Wahlkreis zu seinen Gunsten verfälscht? Seinen Wahlkreis Steinfurt III im nordrhein-westfälischen Münsterland hat er am 27. September nur knapp mit etwas mehr als 2.000 Stimmen Vorsprung gewonnen. Jasper, 47, trat im Wahlkampf noch als "Dr. Dieter Jasper" auf. Ein Ökonom, ein Wirtschaftsversteher, einer, der es bis in die Kienbaum-Unternehmensberatung geschafft hat. In einem seiner Wahlprospekte heißt es: "Mit seiner wirtschaftlichen Kompetenz setzt er sich dynamisch und zielführend für unsere Region ein." Heute sitzt er im Wirtschaftsausschuss des Bundestages. "Dynamisch und zielführend" hat er wenige Jahre zuvor vor allem nach einem Weg gesucht, auf möglichst einfache Weise einen Doktortitel zu erwerben. Nach einem Weg, der frei ist von größeren Lernverpflichtungen und zeitraubenden Prüfungsvorbereitungen. Ein Doktor so nebenbei, neben seiner Arbeit im väterlichen Betrieb "Behälter- und Apparatebau Josef Jasper GmbH". Er wählte den einfachsten Weg. Geld statt Grips Jasper hat studiert, hat es an der Uni Münster zum diplomierten Wirtschaftswissenschaftler gebracht. Es fehlte ihm offenbar noch das Sahnehäubchen: 14 Jahre nach seinem Diplom kaufte er sich einen Doktortitel an der als Titelmühle verschrienen "Freien Universität Teufen" in der Schweiz. Diese angebliche Universität ist in etwa so vertrauenswürdig wie die "Sofort-Kredit-ohne-Schufa"-Inserate im lokalen Anzeigenblatt. Eine Briefkastenfirma, wie sie in der Schweiz auch mit diesem Namen legal zu betreiben ist, weil dort kein Hochschulgesetz das Wort "Universität" schützt. Jasper hat sich seine "Promotions-Urkunde" dort 2004 ausstellen lassen. Dafür brauchte es keinen Grips, nur Geld. "Die Urkunde gibt es ausschließlich auf Rechnung", weiß Manuel Theisen. Der Wirtschaftswissenschaftler an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität beschäftigt sich seit etlichen Jahren mit Titelmissbrauch. Die "Freie Universität Teufen" ist ihm wohlbekannt: "Teufen ist die allermieseste und allerälteste Titelmühle, die es gibt", sagt er zu sueddeutsche.de. Sie sei der "Marktführer" in dieser verrufenen Branche. Wer hier seinen Titel erwerbe, der wisse, was er tut. Jasper bestreitet das bisher. In lokalen Medien erklärte er, er sei - "naiv" wie er war - Betrügern aufgesessen. Der CDU-Politiker beteuert, dass er erst 2009 durch Medienberichte über dubiose Titelkäufe aufgeschreckt worden sei. Er habe dann eine Anwaltskanzlei beauftragt zu prüfen, ob sein Titel in Deutschland anerkannt sei. Das wenig überraschende Ergebnis: Jasper schmückt sich hierzulande zu Unrecht mit dem Titel. Strategisch gut gesetzt ist der Zeitpunkt der plötzlichen Eingebung: Im Oktober 2009 ließ er den Titel überprüfen, also nach der Bundestagswahl und kurz vor Ablauf der Zweimonatsfrist, in der jeder Bürger die Wahl noch hätte anfechten können. Danach geht das nur dann, wenn der Bundestagspräsident sich persönlich der Sache annimmt. "Schlicht Kokolores" Still und heimlich strich er von nun an den Doktortitel aus seiner Biographie. Die Internetseite "www.dr-dieter-jasper.de" stellte er ab, bei den biographischen Angaben auf den Bundestagswebseiten taucht der Doktortitel nicht mehr auf. Erst als ihn ein Lokaljournalist darauf anspricht, warum er seinen Titel nicht mehr führe, kommt die Geschichte zu Beginn des Jahres ins Rollen. Anfang Februar erreichten die ersten Beschwerden Bundestagspräsident Lammert, der nun entscheiden muss, ob er die Angelegenheit dem Wahlprüfungsausschuss des Bundestages übergeben will. Manuel Theisen hält die Darstellung Jaspers schlicht für "Kokolores". Wer Geld für einen Doktortitel bezahle, müsse wissen, dass das nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Er könne sich "kein Szenario vorstellen, in dem jemand glaubhaft erklären kann, dass er da unwissentlich in etwas hineingelaufen ist". Jasper verweist dagegen auf die Doktorarbeit, die er geschrieben habe. Das Thema dieser Arbeit: "Elemente und Strukturen von Managementsystemen in KMU (Klein- und Mittelständische Unternehmen) - Betriebswirtschaftliche Analyse für einen Betrieb der Metall verarbeitenden Industrie." Er hat die Arbeit auch seinem CDU-Kreisvorstand als Beweis vorgelegt. Teilnehmer berichten, das Werk sei merkwürdig dünn gewesen. Experte Theisen hält das für wenig glaubwürdig: "In Teufen gibt niemanden, der eine Doktorarbeit entgegennehmen könnte". Keine Mitarbeiter, kein Büro. Nur einen Briefkasten. Jaspers Argumentation könnte eine klassische Schutzbehauptung sein. Titelmissbrauch wird nach Paragraph 132a Strafgesetzbuch "mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft". Allerdings muss dem Täter Vorsätzlichkeit nachgewiesen werden. Jasper aber stellt sich als Opfer dar und hofft damit durchzukommen. Die Staatsanwaltschaft Münster prüft noch, ob gegen Jasper ermittelt werden soll, erklärte sie auf Nachfrage von sueddeutsche.de. In einem schreiben vom 23. Februar, das sueddeutsche.de vorliegt, vergab sie dem Fall das Aktenzeichen 72Js1347/10. (Nachtrag vom 02. März 2010: Das bisherige Aktenzeichen weist mit der kennung "Js" fälschlicherweise auf ein Ermittlungsverfahren hin, das die Staatsanwaltschaft ohne Zustimmung des Immunitätsauschusses des Bundestages jedoch nicht einleiten darf. Da bisher der Immunitätsauschuss noch gar nicht mit dem Fall befasst ist, hat die Staatsanwaltschaft das Aktenzeichen in 500ar11/2010 geändert.) Für Theisen ist die Sache klar: "In diesem Fall kann es gar keine Nichtvorsätzlichkeit geben." Sollte Bundestagspräsident Lammert den Fall dem Wahlprüfungsausschuss vorlegen, womit allgemein gerechnet wird, könnte es auch politisch eng werden für Jasper. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Peter Altmeier wollte sich zwar nicht festlegen, wies aber Anfang der Woche darauf hin, das es in vergleichbaren Fällen im außerparlamentarischen Bereich "harte Konsequenzen" gegeben habe. Lesen Sie auf Seite 2, was man bei SPD und Linken über die Causa denkt - und wie sich Jasper verhält.
No Dr.: Der CDU-Abgeordnete Dieter Jasper hat mit einem falschen Doktortitel Wahlkampf gemacht - und muss jetzt "harte Konsequenzen" fürchten. Er selbst sieht sich als Opfer.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/cdu-falscher-doktor-jasper-der-tiefe-fall-des-titeltraegers-1.12913
CDU: Falscher Doktor Jasper - Der tiefe Fall des Titelträgers
00/02/2010
Eklat im Reichtagsgebäude: Während der Debatte zum Afghanistan-Einsatz verweist Bundestagspräsident Lammert die Abgeordneten der Links-Fraktion wegen einer Protestaktion des Saales. In der Bundestagsdebatte über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ist es zu einem Eklat gekommen: Bundestagspräsident Norbert Lammert schloss Abgeordnete der Linksfraktion am Freitag von der Sitzung aus, weil sie mit Protestplakaten gegen den Einsatz demonstriert hatten. Daraufhin verließ die Fraktion geschlossen den Plenarsaal. Nach der Rede ihrer Parteikollegin Christine Buchholz erhoben sich alle Abgeordneten der Linksfraktion von den Plätzen und hielten Plakate gegen den Luftangriff von Kundus hoch. Lammert verlangte von den Abgeordneten zunächst, die Plakate unverzüglich herunterzunehmen. Als sie dieser Aufforderung nicht folgten, forderte er sie unter dem Applaus der Abgeordneten anderer Fraktionen mehrfach zum Verlassen des Plenarsaals auf. Die Linken-Parlamentarier folgten schließlich der Aufforderung und zogen sich zu Beratungen zurück. Die Debatte wurde ohne sie fortgesetzt. "Herr Präsident, so weiter zu verhandeln halte ich für unwürdig" Der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele intervenierte kurz nach der Entscheidung von Lammert. Es seien von Abgeordneten der Linken lediglich Schilder hochgehalten worden mit den Namen der "auf deutschen Befehl" getöteten Afghanen. "Sie haben nicht randaliert, sie waren nicht laut." Es sei ein "völlig falsches Zeichen", wenn sich in Afghanistan die Nachricht verbreite, es seien diejenigen aus dem "Saal geworfen worden", die der Opfer gedenken wollten. Er bitte den Bundestagspräsidenten, seine Entscheidung zu überprüfen. "Herr Präsident, so weiterzuverhandeln halte ich für unwürdig." Lammert erwidert umgehend. Er hätte die Wortmeldung Ströbeles nicht zulassen müssen, sagte er. Auch er empfinde die Situation als "nicht routinemäßig". Dennoch: "Demonstrationen im Plenarsaal sind mit der Ordnung des Hauses nicht vereinbar." Es habe schon mehrfach Vorfälle ähnlicher Art mit Teilen der Linken gegeben. Er habe sich immer wieder versichern lassen, dass die Fraktionsspitze weder von den Aktionen gewusst noch sie gebilligt habe. Er habe bei einem der letzten Vorgänge ausdrücklich gewarnt, dass er "im Wiederholungsfall die Fraktion ausschließen werde." Lammert schloss: "Das Vorgehen ist alternativlos unter Berücksichtigung unserer Geschäftsordnung." "Stiller Akt des Gedenkens" Die Geschäftsordnung des Bundestags sieht eigentlich vor, dass ausgeschlossene Parlamentarier am kompletten Sitzungstag nicht mehr teilnehmen dürfen. Das hätte bedeutet, dass die Links-Fraktion sich nicht an der Abstimmung zum Afghanistan-Einsatz hätte beteiligen dürfen. Doch am Ende der Debatte ließ Lammert den Bundestag darüber abstimmen, die Links-Fraktion wieder zuzulassen. Mit großer Mehrheit stimmten die anderen Fraktionen dafür. Der Sprecher der Links-Fraktion, Hendrik Thalheim, sagte sueddeutsche.de, die Aktion sei ein "bewusster und stiller Akt des Gedenkens" gewesen. Es habe dazu keinen Fraktionsbeschluss gegeben, sondern sie sei von Abgeordneten mit Unterstützung aller anderen Abgeordneten der Fraktion vorbereitet und umgesetzt worden. Die Linke habe mit der Aktion deutlich machen wollen, dass der "Krieg ganz konkrete Opfer hat". Es habe überdies bislang keinen "Akt der Trauer und des Gedenkens" von Seitens des Bundestages oder der Regierung gegeben. Wenn der Bundestagspräsident nun meine, dafür die Fraktion der Linken von der Afghanistan-Debatte ausschließen zu müssen, "dann muss er das tun". Die Fraktionen sei jedoch über das Vorgehen Lammerts "ausgesprochen bestürzt". "Wir bleiben dabei, dass man der Opfer gedenken muss", sagte Thalheim. In der nächsten Sitzung des Ältestenrates werde es "sicher eine entsprechende Auseinandersetzung geben". Florian Hahn sagte für die CDU/CSU-Fraktion, der Vorfall sei "ein unerträglicher parteipolitischer Missbrauch der Opfer vom 4. September". Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßte den Ausschluss der Linken. "Das Parlament ist der Ort der Diskussion und nicht der Demonstration", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen. "Deutschland ist an einem Krieg beteiligt" Auf den Spruchbändern der Linken waren die Namen der Toten des Luftangriffs von Kundus zu lesen, der von der Bundeswehr angeordnet worden war. Bei dem Bombardement zweier Tanklaster waren im September 2009 bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden. "Deutschland ist an einem Krieg gegen die einfache Bevölkerung in Afghanistan beteiligt", hatte die Linkspolitikerin Buchholz in ihrer Rede vor dem Bundestag unmittelbar zuvor kritisiert. Nach einer kurzen Pause stimmte der Bundestag der Verlängerung des Mandats um ein weiteres Jahr zu. Die klare Mehrheit wurde durch die Stimmen der schwarz-gelben Koalition sowie aus der SPD geschaffen. 429 Parlamentarier votierten für den Antrag der Bundesregierung, 111 lehnten ihn ab. Es gab 46 Enthaltungen. Im Rahmen des veränderten Mandats will die Bundesregierung das deutsche Truppenkontingent von bislang 4.500 Bundeswehr-Angehörigen um insgesamt bis zu 850 Soldaten aufstocken. Künftig sollen sich deutlich mehr Soldaten für die Ausbildung der afghanischen Streitkräfte einsetzen; auch die Zahl der deutschen Polizeiausbilder soll auf insgesamt 260 steigen. Ab 2011 sollen die Bundeswehr-Einheiten am Hindukusch reduziert werden. Bei der Frage des endgültigen Abzugs legt sich die Bundesregierung aber nicht fest. Im Video: Der Bundestag hat am Freitag mit großer Mehrheit die Aufstockung der deutschen Truppen in Afghanistan beschlossen. Weitere Videos finden Sie hier
Eklat im Reichtagsgebäude: Während der Debatte zum Afghanistan-Einsatz verweist Bundestagspräsident Lammert die Abgeordneten der Links-Fraktion wegen einer Protestaktion des Saales.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/afghanistan-debatte-im-bundestag-linke-provozieren-rausschmiss-1.12184
Afghanistan-Debatte im Bundestag - Linke provozieren Rausschmiss
00/02/2010
Bundestagspräsident Norbert Lammert berief sich bei seinem Rauswurf der Linken-Abgeordneten auf die Geschäftsordnung des Bundestags. Der entsprechende Paragraph im Wortlaut. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat sich beim Ausschluss von Linke-Abgeordneten aus dem Plenum auf die Geschäftsordnung des Bundestages berufen. Der entsprechende Parapgraph im Wortlaut: §38 Ausschluss von Mitgliedern des Bundestages (1) Wegen gröblicher Verletzung der Ordnung kann der Präsident ein Mitglied des Bundestages, auch ohne dass ein Ordnungsruf ergangen ist, für die Dauer der Sitzung aus dem Saal verweisen. Bis zum Schluss der Sitzung muss der Präsident bekanntgeben, für wieviel Sitzungstage der Betroffene ausgeschlossen wird. Ein Mitglied des Bundestages kann bis zu dreißig Sitzungstage ausgeschlossen werden. (2) Ein Sitzungsausschluss kann auch nachträglich, spätestens in der auf die gröbliche Verletzung der Ordnung folgenden Sitzung ausgesprochen werden, wenn der Präsident während der Sitzung eine Verletzung der Ordnung ausdrücklich feststellt und sich einen nachträglichen Sitzungsausschluss vorbehält. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Ein bereits erteilter Ordnungsruf schließt einen nachträglichen Sitzungsausschluss nicht aus. (3) Der Betroffene hat den Sitzungssaal unverzüglich zu verlassen. Kommt er der Aufforderung nicht nach, wird er vom Präsidenten darauf hingewiesen, dass er sich durch sein Verhalten eine Verlängerung des Ausschlusses zuzieht. (4) Der Betroffene darf während der Dauer seines Ausschlusses auch nicht an Ausschusssitzungen teilnehmen. (5) Versucht der Betroffene, widerrechtlich an den Sitzungen des Bundestages oder seiner Ausschüsse teilzunehmen, findet Absatz 3 Satz 2 entsprechend Anwendung.
Bundestagspräsident Norbert Lammert berief sich bei seinem Rauswurf der Linken-Abgeordneten auf die Geschäftsordnung des Bundestags. Der entsprechende Paragraph im Wortlaut.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/ausschluss-von-abgeordneten-was-die-geschaeftsordnung-sagt-1.6850
Ausschluss von Abgeordneten - Was die Geschäftsordnung sagt
00/02/2010
Kurz vor der Bundestags-Abstimmung über das Afghanistan-Mandat attackieren Selbstmordattentäter Kabul. Unter den Toten sind auch Ausländer. Bei einem Anschlag auf ein Einkaufszentrum und ein benachbartes Hotel in Kabul sind am Freitag mindestens 15 Menschen ums Leben gekommen. Augenzeugen berichteten von heftigen Schießereien. Wie ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in der afghanischen Hauptstadt mitteilte, wurden 18 weitere Menschen verletzt. Andere Quellen sprechen von 17 Toten und 32 Verletzten. Unter den Opfern sind mehrere Ausländer. Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner bestätigte in Paris den Tod eines Franzosen, der sich zu einem Besuch in Afghanistan aufgehalten habe. Der Sprecher des afghanischen Innenministeriums, Semarai Baschari, sagte, bei dem Anschlag sei auch ein Italiener getötet worden. Ein Vertreter der indischen Botschaft in Kabul, der namentlich nicht genannt werden wollte, bestätigte zudem den Tod mehrerer Inder. Wie der Sender Tolo TV meldete, sollen in dem Hotel im Stadtzentrum mehrheitlich indische Staatsbürger untergebracht gewesen sein sollen. Eine offizielle Bestätigung gibt es dafür bislang nicht. Starke Polizeikräfte riegelten das Gebiet ab. Auf Fernsehbildern waren beschädigte Geschäfte zu sehen, ebenso wie eine leicht beschädigte Fassade des Hotels. Über dem Gebiet standen Rauchwolken. Nach Berichten von Augenzeugen sprengten sich zwei Selbstmordattentäter in die Luft. Danach kam es zu einem Schusswechsel. Zu dem Terrorakt bekannte sich die Taliban-Miliz. Ein Sprecher der Organisation, Sabiullah Mudschahid, sagte, dass fünf Selbstmordattentäter zwei von Ausländern benutzte Gebäude angegriffen hätten. Westerwelle kündigt Pressekonferenz an In Kabul waren erst Mitte Januar bei koordinierten Angriffen und Selbstmordanschlägen der radikal-islamischen Taliban mindestens zwölf Menschen ums Leben gekommen. Im vergangenen Oktober waren bei einem Selbstmordanschlag auf die indische Botschaft mindestens zwölf Menschen getötet worden. Bereits im Juli 2008 starben ebenfalls bei einem Selbstmordanschlag auf die indische Botschaft mehr als 40 Menschen, darunter zwei indische Diplomaten. Indien hat keine Truppen in Afghanistan, engagiert sich aber massiv beim zivilen Wiederaufbau. Die aktuellen Anschläge in Kabul trugen sich vor einer wichtigen Entscheidung im fernen Berlin zu. Der Bundestag entscheidet darüber, ob mehr deutsche Soldaten nach Afghanistan geschickt werden. Die Zahl der Bundeswehrsoldaten in der Isaf-Schutztruppe soll von derzeit 4.500 auf 5.350 aufgestockt werden. Davon sind 350 Männer und Frauen als "flexible Reserve" vorgesehen. Das Mandat ist auf ein Jahr befristet. Die Regierung hat dazu einen Antrag vorgelegt, über den namentlich abgestimmt wird. Der Auswärtige Ausschuss hat bereits zugestimmt. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) will sich in einer Pressekonferenz zur deutschen Afghanistan-Politik und anderen aktuellen Fragen äußern. Im Video: In unmittelbarer Nähe zum größten Einkaufszentrum der afghanischen Hauptstadt Kabul hat sich am frühen Freitagmorgen ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt und dabei mehrere Menschen getötet. Weitere Videos finden Sie hier
Kurz vor der Bundestags-Abstimmung über das Afghanistan-Mandat attackieren Selbstmordattentäter Kabul. Unter den Toten sind auch Ausländer.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/terror-in-kabul-taliban-schicken-attentaeter-in-einkaufszentrum-1.5633
Terror in Kabul - Taliban schicken Attentäter in Einkaufszentrum
00/02/2010
Obama: Gesundheitsreform notfalls im Alleingang Neue Runde im Kampf um die US-Gesundheitsreform: Nach dem gescheiterten Spitzentreffen will Präsident Barack Obama sein wichtigstes Reformwerk notfalls ohne die oppositionellen Republikaner durchs Parlament boxen. Angesichts der Blockadepolitik der Republikaner erwägen die Demokraten, das Gesetz im Zuge der Etatberatungen zu verabschieden. Dabei brauchen sie im Senat keine "Supermehrheit" von 60 Stimmen und sind damit nicht auf die Republikaner angewiesen. US-Medien kommentierten, der siebenstündige "Gesundheitsgipfel" vor laufenden Kameras habe die Kluft zwischen den Lagern eher noch vertieft. Die Washington Post warnte vor "komplizierten parlamentarischen Manövern, die keinen Erfolg garantieren". Dagegen verwies die New York Times darauf, dass in der Vergangenheit sowohl Republikaner als auch Demokraten wichtige Gesetze im Zuge der Haushaltsdebatte durchgebracht hätten. "Der Präsident hat es klugerweise vermieden, sich die Hände zu binden." Obama machte bei dem Treffen unmissverständlich klar, dass er jetzt aufs Tempo drücken wolle. "Wir können uns nicht noch ein weiteres Jahr der Debatte darüber erlauben." Dagegen warnten Republikaner davor, bei einem derart zentralem Gesetzeswerk zu parlamentarischen Tricks zu greifen. Bisher haben zwar Senat und Repräsentantenhaus die Reform in einer ersten Lesung verabschiedet. Doch seitdem verloren die Demokraten ihre 60-zu-40-Mehrheit im Senat, so dass sie bei einer zweiten Lesung die Blockadepolitik des Dauerredens (Filibuster) der Republikaner nicht mehr verhindern könnten. Warum sich die Union in der Atompolitik nicht einig wird und wie eine IRA-Splittergruppe in Nordirland Schrecken verbreitet: Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Kurzmeldungen.
US-Präsident Barack Obama will die Gesundheitsreform notfalls ohne die Opposition durchs Parlament boxen. Kurzmeldungen im Überblick
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Obama in der Sackgasse
00/02/2010
Der Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestags hat am Donnerstag seine Ermittlungen zum Bombenangriff auf zwei von Taliban entführte Tanklaster am 4.September 2009 in Afghanistan fortgesetzt. Im Mittelpunkt stand die Befragung von zwei Soldaten, die neben dem damaligen Kommandeur Oberst Georg Klein an der Führung der Operation beteiligt waren. Der Nachrichtenoffizier der Sondereinheit Task Force47, Hauptmann N., und der sogenannte Fliegerleitoffizier, Oberfeldwebel W., sollten Auskunft darüber geben, aufgrund welcher Nachrichtenlage Klein den Befehl zur Bombardierung erteilte. Klein hatte den Einsatz gegen die Tanker aus dem Gefechtsstand der Task Force heraus geleitet. Das wurde zum einen mit der besseren technischen Ausstattung der Task Force zur Übertragung von Bild- und Videoaufnahmen aus den eingesetzten Flugzeugen begründet. Den unmittelbaren Kontakt zu den Piloten hielt Oberfeldwebel W. unter dem Code-Namen Red Baron (Roter Baron). Der zweite Grund für die Nutzung des Task-Force-Gefechtsstandes war, dass Hauptmann N. der Führungsoffizier eines afghanischen Informanten war, der per Handy über das Geschehen auf der Sandbank im Kundus-Fluss berichtete, wo die Tanklaster festgefahren waren. Hauptaufgabe der nach wie vor existierenden Task Force ist die Suche nach führenden Taliban. Die beiden am Donnerstag gehörten Zeugen waren schon im Zuge der Nato-internen Untersuchung zu dem Angriff ausführlich befragt worden. Dabei hatte Hauptmann N. den ziemlich komplizierten Informationsfluss zwischen seiner "Quelle" an der Sandbank und dem Oberst im Gefechtsstand beschrieben. Demzufolge telefonierte der Späher mit dem Dolmetscher des deutschen Provinz-Aufbauteams (PRT), in dessen Lager sich auch der Gefechtsstand der Task Force befindet. Der Dolmetscher ist gebürtiger Afghane mit einem deutschen Pass und einem deutschen Offiziersrang. Er hielt sich außerhalb des Gefechtsstandes auf. Seine Informationen lieferte er an zwei sogenannten Kollektoren - Bundeswehrsoldaten, die ebenfalls außerhalb der Einsatzzentrale warteten. Diese wiederum informierten Hauptmann N., der dann seinen Kenntnisstand, gefiltert um seine eigenen Geheimhaltungsinteressen, an Oberst Klein weitergab. Der Informant an der Sandbank stand offenbar in Kontakt mit anderen Mittelsleuten, denn er selbst hatte keinen freien Blick auf die Tanklaster. Er meldete wiederholt, dass sich im Umfeld der Laster nur Taliban und keine "Zivilisten" aufhielten. Dies war von entscheidender Bedeutung, denn Luftschläge gegen Aufständische sind nach den Nato-Einsatzregeln nur erlaubt, wenn zivile Opfer weitgehend vermieden werden. Hauptmann N. wurde von den Nato-Ermittlern intensiv nach der Zuverlässigkeit seiner Quelle befragt. N. sagte, er habe Oberst Klein in jener Nacht gesagt, dass seine Quelle normalerweise verlässlich sei, er aber nicht ausschließen könne, dass Fehler passierten oder dass die Quelle ihr eigenes Spiel treibe. Wie Klein diese Bewertung aufnahm, ließ N. offen. Er sei nicht "im Kopf des Kommandeurs", sagte N. den Nato-Ermittlern. Er habe es auch für wahrscheinlich gehalten, dass Klein zusätzliche Informationen gehabt habe, die ihm, N., nicht bekannt gewesen seien. Ähnlich wie im Fall des Informanten an der Sandbank konnte sich Klein auch über die Kommunikation zwischen Red Baron und den Piloten kein unmittelbares Bild machen. Den Funkverkehr hörte Klein nicht mit. Er verließ sich vielmehr ganz auf den Oberfeldwebel, den er nach eigener Aussage für uneingeschränkt vertrauenswürdig hielt. Immerhin hatte Oberfeldwebel W. schon etwa 50 Lufteinsätze geleitet. Gegenüber den Nato-Ermittlern schilderte W., wie Oberst Klein die Anforderung der beiden F-15-Jets, die letztlich die Bomben abwarfen, mit einer unmittelbaren Bedrohung und mit Feindberührung eigener Kräfte begründet hatte. W. bestätigte, dass die US-Einsatzkontrolle nur mit dieser Begründung bereit war, die Flugzeuge zu entsenden. W. sagte aber auch, dass er selbst keine akute Bedrohung gesehen habe. Auch die von Klein herangezogene Einsatzregel der Nato habe er nicht einleuchtend gefunden. Ob er dem Oberst allerdings dezidiert widersprach, wird aus dem Vernehmungsprotokoll der Nato nicht klar. Letztlich führte W. die Befehle seines Vorgesetzten auch aus. "Der Kommandeur ist und bleibt der Kommandeur, und ich bin Soldat", sagte W. Klein hat die volle Verantwortung für den Bombardierungsbefehl übernommen. Zur Rolle von N. und W. sagte Klein vor 14 Tagen im Ausschuss. "Ich bin Oberst, und das waren ein Hauptmann und ein Oberfeldwebel. Die können mich beraten, aber nicht drängen."
Was wusste Oberst Klein, als er den Befehl für den Angriff auf die Tanklaster gab? Der Kundus-Untersuchungsausschuss befragt dazu Zeugen.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/kundus-affaere-ich-war-nicht-im-kopf-des-kommandeurs-1.7092
"Kundus-Affäre - ""Ich war nicht im Kopf des Kommandeurs"""
00/02/2010
Rundungen statt klarer Kante: Auf Hannelore Kraft ruhen die Hoffnungen der SPD in Nordrhein-Westfalen, doch der Landeschefin fällt es schwer, diese zu erfüllen. Diese Dame ist gerade die Hoffnungsträgerin der deutschen Sozialdemokratie. Diese Frau soll der Partei neuen Mut einflößen, am 9. Mai, wenn in Nordrhein-Westfalen gewählt wird und die SPD nicht nur den Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) kippen, sondern zugleich auch die schwarz-gelbe Bundesratsmehrheit schleifen soll. Es ist vielleicht etwas viel verlangt von Hannelore Kraft. SPD-Hoffnungsträger stellt man sich gemeinhin eher vor wie, naja, Sigmar Gabriel. Menschen, die aus dem Bauch heraus Politik machen, gern holzschnittartig vereinfachen, aber eben auch Spuren hinterlassen, selbst wenn die Fußabdrücke mal in unterschiedliche Richtungen weisen. Hannelore Kraft ist eigentlich nicht so, sie wägt im Zweifel lieber so lange ab, bis nichts mehr hängenbleibt. Wenn man etwa mit Hannelore Kraft über die offene SPD-Wunde der Agenda 2010 spricht, sagt sie: Ja, man habe den Anspruch, "die Kümmerer-Partei zu sein, in den Augen der Menschen ein Stück weit verloren, aber das heißt ja nicht, dass wir alles falsch gemacht haben." Ein typisches "Ja, aber". Sie ist damit weit gekommen. Am Freitag wird die 48-Jährige auf dem Landesparteitag als Vorsitzende der NRW-SPD wiedergewählt, tags darauf wird die Fraktionschefin zur Spitzenkandidatin gekürt. Auch für die Landtagswahl verspürt Kraft Aufwind, selbst eine rot-grüne Koalition - vor Monaten noch ein Fall für Utopia - scheint angesichts knapper Umfragen inzwischen wieder denkbar zu sein. Scheu für dem radikalen Bruch "Wir liegen gerade einmal vier Punkte hinter der CDU", sagt Kraft, "das ist zu schaffen." Aber weniger, weil die SPD zu alter Stärke zurückgefunden hat als vielmehr, weil die Rüttgers-CDU derzeit von einer Affäre in die nächste stolpert und die schwarz-gelbe Bundesregierung ihren Gegnern das Feld bereitet. Gern arbeitet sich Kraft am NRW-Ministerpräsidenten ab, der bei seinen Vorstößen wie jüngst zur "Grundrevision" von Hartz IV nur "Begriffe und Überschriften benutzt, die durch nichts unterlegt sind." Ihre Angriffe legen zugleich ihr größtes Dilemma offen: Rüttgers ist zumindest präsent, Kraft dagegen - immerhin wie der CDU-Politiker stellvertretende Bundesvorsitzende ihrer Partei - wirkt merkwürdig defensiv. Sie dringe "mit den Themen nicht durch", klagte Kraft im kleinen Kreis. Sie hat aufwendig programmatische Positionen erarbeitet, etwa zu Bildungspolitik und Kommunalfinanzen, aber es fehlt das eine große, tragende Projekt, das mit ihr in Verbindung gebracht wird. Auch bei den Hartz-IV-Gesetzen hatte die Mülheimerin frühzeitig Korrekturbedarf angemahnt, doch als große Gegnerin ist sie nicht in Erinnerung geblieben, weil sie im Zweifel den radikalen Bruch scheut. "Ich war immer dagegen zu sagen: ,Wir hauen das jetzt alles in die Tonne und damit gewinnen wir Glaubwürdigkeit zurück", sagt Kraft. Es gebe "keine banalen Lösungen". Sie will keine Tabula rasa, nach der sich mancher Parteifreund insgeheim sehnt. "Verantwortlich neue Positionen entwickeln", heißt das bei ihr. Es klingt seltsam kraftlos. Dabei erzählt sie gern, dass sie für "klare Kante" stehe. Doch die Kanten haben bei ihr immer Rundungen. So hält sie es auch bei der Machtfrage, der Frage nach den Koalitionsoptionen. Ja, die Linke in NRW sei "derzeit nicht regierungsfähig", sagt Kraft, gleichwohl will sie eine Koalition nicht formell ausschließen. Sie will das Bündnis nicht, aber sie scheut das letzte Risiko, alles auf eine Karte zu setzen. Kraft lässt bewusst die schmale Hintertür offen, damit es ihr nicht so ergeht wie der Bundes-SPD, die vor der Wahl ohne echte Machtoption dastand. Wer wählt schon eine SPD, die sich nur als Juniorpartner in eine große Koalition flüchten kann? Sie sei "eine Getriebene", sagen Düsseldorfer Sozialdemokraten über ihre Frontfrau. Eine, die alles macht und dabei schon mal die große Linie vermissen lässt. Die Genossen meinen das gar nicht böse und der Eindruck ist so falsch nicht. Aber es ist weniger die Schuld von Hannelore Kraft, es gibt in der einst so stolzen NRW-SPD eben auch keine prägenden Gesichter. So speist sich der Optimismus der SPD, bei der Wahl zu reüssieren, vor allem aus der Schwäche der anderen. "Natürlich hilft uns der Zustand von Schwarz-Gelb in Berlin", gesteht Kraft. Sollte die SPD in zehn Wochen doch gewinnen, hätte weniger Hannelore Kraft gesiegt, vielmehr hätten Rüttgers, Merkel und Westerwelle verloren.
Rundungen statt klarer Kante: Auf Hannelore Kraft ruhen die Hoffnungen der SPD in Nordrhein-Westfalen, doch der Landeschefin fällt es schwer, diese zu erfüllen.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/spd-in-nrw-hannelore-kraft-die-frau-die-sich-nicht-traut-1.21815
SPD in NRW: Hannelore Kraft - Die Frau, die sich nicht traut
00/02/2010
Libyens Machthaber poltert wieder einmal gegen die Schweiz - und ruft diesmal zum Heiligen Krieg gegen das Land auf. Kurzmeldungen im Überblick. Noch Ende vergangenen Jahres hatte der selbst ernannte "König von Afrika" gefordert, die Schweiz abzuschaffen. Nun wettert der libysche Revolutionsführer Muammar Gaddafi wieder gegen das Alpenland - und ruft zum Heiligen Krieg auf. Die Schweiz sei ein ungläubiger Staat, in dem Moscheen zerstört würden, erklärte Gaddafi in Benghasi. "Jeder Muslim in der Welt, der mit der Schweiz zusammenarbeitet, ist ein Abtrünniger und gegen (den Propheten) Mohammed, Gott und den Koran." Gaddafi forderte außerdem die Muslime auf, Schweizer Produkte zu boykottieren und ihre See- und Flughäfen für die Schiffe und Flugzeuge der Eidgenossen zu sperren. "Diejenigen, die Gottes Moscheen zerstören, verdienen es, mit einem Dschihad angegriffen zu werden. Würde die Schweiz an unserer Grenze liegen, würden wir gegen sie kämpfen", wurde Gaddafi von der amtlichen Nachrichtenagentur Jana aus einer Rede vor Anhängern zitiert. Die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten waren 2008 nach der Festnahme eines Sohns Gaddafis in Genf abgebrochen worden. Der junge Gaddafi war beschuldigt worden, eine Hausangestellte misshandelt zu haben. Ende November hatten die Schweizer in einem Referendum mit breiter Mehrheit für ein Bau-Verbot von Minaretten gestimmt. Lesen Sie auf den nächsten Seiten: Merkel, Westerwelle und Seehofer planen, künftig mehr miteinander zu reden, Berlusconis Anwalt kommt straffrei davon und in der Taliban-Hochburg Mardscha weht wieder die afghanische Flagge. Im Video: Der libysche Revolutionsführer Gaddafi hat Muslime in aller Welt zum Heiligen Krieg gegen die Schweiz aufgerufen. Weitere Videos finden Sie hier
Libyens Machthaber poltert wieder einmal gegen die Schweiz - und ruft diesmal zum Heiligen Krieg gegen das Land auf. Kurzmeldungen im Überblick.
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Gaddafi will Heiligen Krieg gegen die Schweiz
00/02/2010
Der US-Kongress ist wie gelähmt, die USA durchleben eine politische Depression. Auch Präsident Obama verzweifelt am System. Er zählt zu den einhundert mächtigsten Politikern Amerikas. Vor 20 Monaten erst hätte Barack Obama diesen Mann beinahe zu seinem Vizepräsidenten gekürt - doch nun ist Evan Bayh, demokratischer Senator aus dem Bundesstaat Indiana, zum Ankläger gegen Washington geworden, zum Kronzeugen gegen das herrschende System. Als "hirntot" beschreibt der Senator den US-Kongress, die ganze Hauptstadt sei gefangen in der Agonie eines Parteienkampfes, der nur noch lähmende Konfrontation statt lösender Kompromisse produziere. Gesundheitsgipfel als Polittheater Bayh bündelt seine vernichtende Kritik in einem Beispiel: Wenn er demnächst als Privatmann wenigstens einen einzigen neuen Arbeitsplatz schaffe, dann werde er "mehr vollbracht haben als der gesamte Kongress in den letzten sechs Monaten". Schlimmer noch als der Frust in den marmornen Hallen der Macht ist freilich die Wut, mit der das Volk vor den Toren Washingtons auf das System starrt. Gerade mal acht von 100 Wählern bekunden, ihr Abgeordneter verdiene seine Wiederwahl in den Kongress. Zwei von drei Amerikanern sehen ihre Nation in die falsche Richtung driften. Die Vereinigten Staaten, erschüttert von der schwersten Rezession seit drei Generationen, durchleben eine politische Depression. Auch Barack Obama, das Staatsoberhaupt, verzweifelt am System. Seine Reformvorhaben - Gesundheit, Klimaschutz, Finanzmarktkontrolle - verrotten seit Monaten in den Katakomben des Kongresses. Ein Präsident ohne Erfolge ist schnell verschrien als gescheiterter Präsident. Also sucht Obama nach Auswegen, vertagt das Thema Klimaschutz und bemüht sich um scheinbar Abwegiges wie jenen "Gesundheitsgipfel", der am Donnerstag Demokraten wie Republikaner für irgendeine Version von "Obama-Care" erwärmen sollte. Das stundenlange Palaver im Weißen Haus muss als reines Polittheater verbucht werden, niemand erwartete ein plötzliches Happy End. Der vorrangige Zweck dieser Inszenierung bestand darin, einmal all jene republikanischen Nein-Sager auf offener Bühne vorzuführen, die ansonsten meist unerkannt im Kongress das komplexe Räderwerk der Gesetzgebung lahmlegen. Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die Blockadepolitik der Republikaner allein Obama und den Demokraten schadet.
Der US-Kongress ist wie gelähmt, die USA durchleben eine politische Depression. Auch Präsident Obama verzweifelt am System.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-gesundheitsreform-obama-geisel-in-washington-1.17602
USA: Gesundheitsreform - Obama - Geisel in Washington
00/02/2010
CDU, CSU und FDP zanken sich lieber um Hartz IV statt in der Wirtschaftskrise zu handeln. Verantwortungsbewusstes Regieren geht anders. Eine Regierung kann viele Gefühle auslösen. Man kann sich über sie ärgern, wenn man ihre Ziele für falsch hält. Man kann sich über sie freuen, wenn sie tut, was man sich auch wünscht. Man kann sich sorgen, wenn sie nichts unternimmt, wo zu handeln nötig wäre. Und man kann hie und da stolz auf sie sein, wenn sie - wie einst bei der Entschädigung für Zwangsarbeiter - ihrer Verantwortung wirklich gerecht wird. Die schwarz-gelbe Koalition allerdings, die derzeit vorgibt, das Land zu regieren, hat es geschafft, ein neues Gefühl auszulösen. Nach bald vier Monaten fängt man an, vor ihr den Respekt zu verlieren. Der Grund ist so einfach wie ärgerlich: Sie benimmt sich nicht wie eine Regierung, sondern zankt sich, wie Kinder es tun, die im Sand um die schönsten Förmchen streiten. Sie nimmt die Verantwortung, die sie in der schweren Wirtschaftskrise hat, nicht ernst, sonst würde sie nicht wochenlang eine Debatte über den in dieser Krise nicht entscheidenden Schauplatz Hartz IV führen. Und sie hat es, das ist das Schlimmste, bis jetzt nicht geschafft, sich durch Reden und Handeln eine gemeinsame Identität zu geben. Derzeit herrscht nicht das Gefühl vor: Die gehören zusammen. Es dominiert der Eindruck: Die müssten getrennt werden. Schuld daran trägt eine CSU, die nicht aufhört, den vermeintlichen Partner FDP zu piesacken. Schuld daran trägt eine Kanzlerin, die zum Krisentreffen einlädt, aber vorher per Interview schon erklärt, was die Leute hinterher denken sollen. Und Schuld trägt ein Vizekanzler, der noch immer nicht verstanden hat, was Vizekanzler eigentlich bedeutet. Das nämlich hieße, Verantwortung für das Ganze zu übernehmen und auf spaltende Neiddebatten zu verzichten.
CDU, CSU und FDP zanken sich lieber um Hartz IV statt in der Wirtschaftskrise zu handeln. Verantwortungsbewusstes Regieren geht anders.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/schwarz-gelb-eine-regierung-die-man-nicht-respektiert-1.1551
Schwarz-Gelb - Eine Regierung, die man nicht respektiert
00/02/2010
Zehn Mal Zustimmung, aber immer weniger Zuversicht: Noch einmal wird der Bundestag das Afghanistan-Mandat verlängern - das letzte Mal? Als die Abgeordneten des Deutschen Bundestages am 22. Dezember 2001 die Entsendung von 1200 deutschen Soldaten nach Afghanistan beschlossen, taten sie es in der Hoffnung auf eine friedliche Zukunft am Hindukusch. In trauriger Kontinuität haben sie das seitdem Jahr um Jahr wiederholt. Die Truppenstärke ist in dieser Zeit größer, die Hoffnung auf Frieden kleiner geworden. Zum zehnten Mal stimmen die Abgeordneten an diesem Freitag über den Bundeswehr-Einsatz ab. Doch diesmal ist es anders. Diese Mandatsverlängerung markiert das, was in den vergangenen Jahren immer nur vorgetäuscht wurde - einen Wendepunkt. Das hat drei Gründe, die sich mit drei Städtenamen verbinden: Kundus, London und Den Haag. Der Luftangriff auf zwei von Taliban gekaperte Tanklaster bei Kundus hat den Krieg in Afghanistan ins Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit gebombt. Abschied vom Selbstbetrug Auch zuvor schon haben die Deutschen den Einsatz der Bundeswehr mehrheitlich abgelehnt. Erst der verhängnisvolle Befehl des Oberst Klein und dessen Verantwortung für den Tod von Zivilisten hat das Geschehen in Afghanistan auch gefühlt zur Sache der Deutschen gemacht. Das zwang die Politik zum Abschied vom Selbstbetrug, dass ein militärischer Auslandseinsatz auf Dauer gegen die eigene öffentliche Meinung durchzuhalten ist. Von dieser Erkenntnis führte der Weg zur Konferenz nach London. Es ist viel von einem Strategiewechsel die Rede gewesen und davon, dass die Afghanen künftig in die Pflicht genommen werden. Und tatsächlich hat die Weltgemeinschaft in London mehr zivile Hilfe versprochen und hat sich Präsident Hamid Karsai zu größeren eigenen Anstrengungen verpflichtet. In Wahrheit aber ging es nicht um neue Hoffnung für die Menschen in Afghanistan. Adressat war die Öffentlichkeit in den Staaten, die Soldaten nach Afghanistan geschickt haben. Ihnen wurde in London ein Versprechen gemacht: Es geht nicht immer so weiter in Afghanistan, von jetzt an ändert sich was. Ohne dieses Versprechen wäre die Verlängerung des Einsatzes in Deutschland gar nicht mehr durchzusetzen. Es ist dies eine Erkenntnis, die Kanzlerin Angela Merkel, Außenminister Guido Westerwelle und seinen Vorgänger Frank-Walter Steinmeier vereint. Mehr ziviler Aufbau, mehr Ausbildung und die oft beschworene Abzugsperspektive sind der Kitt der christ-liberal-sozialen Afghanistan-Koalition. Diese garantiert noch einmal eine ordentliche Mehrheit für die Mandatsverlängerung. Säule der deutschen Afghanistan-Politik wankt Auf den Weckruf aus Kundus und das Versprechen aus London folgte eine Warnung aus Den Haag. Die niederländischen Soldaten werden Afghanistan demnächst verlassen. An der Bitte der Nato, den schon länger beschlossenen Abzug noch einmal aufzuschieben, ist in Den Haag die Regierung zerbrochen. Die innenpolitischen Umstände, die dazu geführt haben, mögen speziell holländische sein - das Ende des niederländischen Einsatzes wirkt als Präzedenzfall. Er besagt: Europäische Soldaten können auch dann aus Afghanistan heimgeholt werden, wenn die Arbeit dort nicht getan ist. Damit wankt eine Säule auch des deutschen Beitrags. Jene nämlich, dass der Einsatz nicht kopflos abgebrochen werden darf. Mit einer dreifachen Botschaft hat sich die deutsche Afghanistan-Politik Zeit erkauft. Sie lautet: Der Einsatz wird nicht gefährlicher. Die Hoffnung auf Fortschritte ist begründet. Und 2011 beginnt der internationale Truppenabzug. Allein: Die Bundesregierung hat Versprechen abgegeben, deren Einlösung sie gar nicht in der Hand hat. Das wissen auch die Abgeordneten, wenn sie an diesem Freitag der erneuten Verlängerung zustimmen. Sie werden das nicht mehr oft tun. Die Heimkehr der deutschen Soldaten rückt näher. Zu befürchten ist, dass sie die Hoffnung auf Frieden in Afghanistan dann mit nach Hause bringen.
Zehn Mal Zustimmung, aber immer weniger Zuversicht: Noch einmal wird der Bundestag das Afghanistan-Mandat verlängern - das letzte Mal?
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https://www.sueddeutsche.de/politik/bundeswehr-in-afghanistan-erkenntnis-ins-bewusstsein-gebombt-1.24753
Bundeswehr in Afghanistan - Erkenntnis - ins Bewusstsein gebombt
00/02/2010
US-Präsident Obama hat eifrig für sein wichtigstes Projekt gekämpft. Doch am Ende war der Gesundheitsgipfel nicht mehr als ein Polittheater. Eine Einigung gab es nicht. US-Präsident Barack Obama hat die Parteien aufgerufen, sich doch noch auf eine Gesundheitsreform zu verständigen. "Wir müssen Punkte der Gemeinsamkeit finden", sagte er in der mehr als siebenstündigen Debatte mit führenden Republikanern und Demokraten, die live im Fernsehen übertragen wurde. Die Gesundheitsreform ist Obamas wichtigstes innenpolitisches Vorhaben, ein Scheitern wäre ein schwerer Schlag für ihn. Bereits vor dem Treffen hatten führende Republikaner eine Einigung aber als "fast unmöglich" bezeichnet. Und das sollte sich am Ende auch bewahrheiten: In seiner Schlussansprache sagte Obama, beide Seiten würden darüber übereinstimmen, "dass wir Reformen auf dem Krankenversicherungsmarkt brauchen". Doch über die Einzelheiten gebe es "viele Differenzen". Galoppierende Staatsverschuldung In der Debatte hatte Obama zuvor gesagt, dass bisher "parteipolitische Erwägungen den gemeinsamen Nenner in den Hintergrund gedrängt" hätten. Es gehe nicht nur darum, 30 Millionen Amerikanern ohne Krankenversicherung endlich Versicherungsschutz zu verschaffen. Auch alle Versicherten bräuchten dringend die Reform. Die Versicherungsprämien würden sich im Laufe des kommenden Jahrzehnts verdoppeln, wenn nichts geschehe. Die Kosten für sie staatliche Krankenversicherungen für Alte und Arme seien die größten Einzelposten bei der galoppierenden Staatsverschuldung Amerikas. Die Republikaner verlangten dagegen, die Reform völlig neu anzupacken. "Den Amerikanern passt dieser Gesetzentwurf nicht", sagte Eric Cantor, die Nummer Zwei der Republikaner im Repräsentantenhaus, "er sollte ganz neu geschrieben werden". Die Republikaner schlugen stattdessen einen Reformprozess in Einzelschritten vor, um die Kosten des Gesundheitswesens zu drücken. "Unser Land ist zu groß und zu kompliziert, um 17 Prozent der amerikanischen Wirtschaft auf einen Schlag neu zu regeln", sagte Senator Lamar Alexander. Die Demokraten lehnten den Vorstoß der Republikaner erwartungsgemäß ab. "Am Ende der Fahnenstange angelangt" "Die Amerikaner haben nicht die Zeit, dass wir noch einmal von vorn anfangen", sagte die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. "Viele sind am Ende der Fahnenstange angelangt." Obama warf den Republikaner sogar vor, Fakten bewusst zu verdrehen. Der Präsident hegte offenkundig von vornherein weniger die Absicht, mit dem Treffen die Ablehnungsfront der Republikaner aufzubrechen. Vielmehr betrachtete das Weiße Haus die von der Opposition nicht ganz zu Unrecht als "politisches Theater" und "Fototermin" kritisierte Diskussionsrunde als Gelegenheit, die überaus skeptische US-Bevölkerung für die Reform zu erwärmen. "Mehr und mehr und mehr wird das amerikanische Volk erkennen, dass wir die Gesundheitsreform wirklich brauchen", sagte Senator Max Baucus. Eine klare Mehrheit der Amerikaner lehnt das Vorhaben laut Umfragen bisher ab. Ungeachtet der Bemühungen am Donnerstag zeichnete sich indes ab, dass die Demokraten versuchen wollen, die Reform ohne Zustimmung der Republikaner durch den Kongress zu bringen. Zuletzt war das Gesetzgebungsverfahren in eine Sackgasse geraten, weil die Republikaner die Nachwahl für den Sitz des verstorbenen demokratischen Senators Edward Kennedy gewonnen hatten und seither über eine Sperrminorität im Senat verfügen. Die kann indes in einem "reconciliation" genannten komplizierten Verfahren umgangen werden. Der Vorteil des Verfahrens wäre es indes, dass dafür nur jeweils einfache Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus nötig wären. Im Senat zeichnete sich unter den Demokraten Zustimmung dafür ab. Nicht so klar ist es im Repräsentantenhaus. Dort hieß es, dass Obama endlich selbst die Verhandlungen in die Hand nehmen müsse, um eine Einigung bis spätestens Ostern zu erzwingen.
US-Präsident Obama hat eifrig für sein wichtigstes Projekt gekämpft. Doch am Ende war der Gesundheitsgipfel nicht mehr als ein Polittheater. Eine Einigung gab es nicht.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-gesundheitsreform-obamas-theaterstueck-1.15364
USA: Gesundheitsreform - Obamas Theaterstück
00/02/2010
Die Bischöfe gehen in die Offensive und setzen einen Beauftragten für Missbrauchsfälle ein. Doch viele von ihnen fühlen sich auch an den Pranger gestellt. Einmal verliert der Erzbischof dann doch die Fassung. Als der Journalist aus der dritten Reihe gefragt hat, ob sexueller Missbrauch denn Jesusgemäß sei, hat er noch brav gesagt, dass Missbrauch ein Verbrechen sei. Als der Kollege, von der Glaubensgemeinschaft "Universelles Leben" entsandt, jetzt aber einen Einzelfall besprechen will, fährt er richtig hoch: "Ich muss Sie doch bitten..." Die Bischöfe tun doch was, sagt Zollitschs Empörung. Wir sind doch tief getroffen, wenn jeden Tag Missbrauchsfälle bekannt werden. Und dann werden wir an den Pranger gestellt, in die Enge getrieben, von Leuten, die am liebsten die katholische Kirche aufgelöst sähen. Dabei haben die in Freiburg versammelten Bischöfe und Weihbischöfe tatsächlich einen Schritt nach vorne gemacht. Noch einmal bittet Zollitsch zum Abschluss der Tagung die Opfer sexuellen Missbrauchs um Vergebung, spricht von der Erschütterung der Bischöfe, von Scham und Schock, davon, dass man das Ausmaß der Gewalt gegen Kinder und Jugendliche unterschätzt habe. Sie wollen bis zum Sommer prüfen, ob und wie mehr externe Ombudsleute für die Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs hinzugezogen werden können. Sie betonen, dass "die frühzeitige Einschaltung der Staatsanwaltschaften" bei Missbrauchsfällen "besondere Bedeutung" habe - künftig soll bei begründetem Verdacht dem Opfer zur Anzeige, dem Täter zur Selbstanzeige geraten werden, wenn nicht, wird das Bistum aktiv. Die Bischöfe wollen mit Opfern reden, die Ausbildung der Weihekandidaten verbessern. Sie richten eine bundesweite Hotline ein. Und es gibt nun einen Beauftragten der Bischofskonferenz für Fälle von sexuellem Missbrauch. Es ist der Trierer Bischof Stephan Ackermann. Er hat lange in der Priesterausbildung gearbeitet und war einer der ersten, der klar sagte, dass die katholische Kirche hier ein Problem unterschätzt hat. Das mag nicht revolutionär sein. Es hätte aber auch weniger geschehen können. Denn so sehr sich die Bischöfe einig waren in ihrer Betroffenheit über die immer neuen Missbrauchs-Fälle, so kontrovers diskutierten sie, wie die katholische Kirche in Deutschland sich in dieser Lage positionieren sollte. Die Diskussion soll, so ein Teilnehmer, "emotional und kontrovers" gewesen sein. Viele der älteren Bischöfe sahen sich einer Medienkampagne ausgesetzt, die den Zölibat und die gesamte Sexualmoral der katholischen Kirche an den Pranger stellte; man müsse sich schärfer verteidigen, forderte manche. Es setzten sich aber die durch, die nun maßvolle Selbstkritik für angebracht hielten. Statt Medienschelte steht nur der Satz in der Abschlusserklärung, dass man die Journalisten um eine "faire Berichterstattung" bitte. Die Experten, die die Bischöfe zu den Beratungen gebeten hatten, stärkten ihnen den Rücken für diesen Kurs. Unter anderem kam Norbert Leygraf nach Freiburg, der Essener Professor für forensische Psychiatrie, der auch Priester begutachtet, die übergriffig geworden sind. Er berichtete aus seiner Praxis: 17 Priester und Kirchenmitarbeiter habe er seit 2002 begutachtet, zwölf Fälle seien strafrechtlich relevant gewesen, davon wiederum sei es in sechs Fällen um Kinderpornographie im Internet ohne direkte Opfer gegangen. Leygraf möchte auch nicht ausschließen, dass straffällig gewordene Kirchenmitarbeiter wieder in der Seelsorge eingesetzt werden. Ist das ein Versuch, das Thema flach zu halten? Oder sind das die Erfahrungen eines Fachmanns, der jeden Tag fürchterliche Gewalttäter begutachtet, unter denen die Priester zu den weniger gewalttätigen und einsichtsfähigen gehören? Solche Differenzierungen gehen in diesen Tagen manchmal verloren, das zeigte auch der Streit zwischen Erzbischof Zollitsch und der Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die hatte am Montagabend in einem Interview gesagt, sie erwarte, "dass die Verantwortlichen der katholischen Kirche endlich konstruktiv mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten." Bisher zeigten sie zu wenig Interesse an"lückenloser Aufklärung". Zollitsch hatte ihr daraufhin ein Ultimatum gesetzt und sich bei Kanzlerin Angela Merkel beschwert. Es war eine merkwürdige Einlassung der Ministerin: Ihre Vorgängerin Brigitte Zypries (SPD) hatte noch einen Gesetzentwurf gekippt, der vorsah, bei jedem Verdacht auf sexuellen Missbrauch zwingend die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Die Vertreter der Opfer befürchteten, dass dann die Hemmschwelle für missbrauchte Kinder steige, sich jemandem anzuvertrauen. Und es war ein merkwürdiges Ultimatum, das die hilflose Empörung Zollitschs zeigte. Am Donnerstag nun kam ein Brief der Ministerin beim Erzbischof an, in dem sie anerkannte, dass die Kirche sich sehr wohl um Aufklärung bemühe, dass aber die Leitlinien der Bischofskonferenz verbessert werden müssten. Das fand Zollitsch akzeptabel - denn die Leitlinien wollen die Bischöfe selber verbessern.
Die Bischöfe gehen in die Offensive und setzen einen Beauftragten für Missbrauchsfälle ein. Doch viele von ihnen fühlen sich auch an den Pranger gestellt.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/bischofskonferenz-scham-und-schock-1.6370
Bischofskonferenz - Scham und Schock
00/02/2010
Westerwelle bläst sich auf - Merkel lässt die Luft raus: Eine Rüge der Kanzlerin an die Adresse des Möchtegern-Tabubrechers dürfte beim FDP-Chef unschöne Erinnerungen wecken. Die Sätze der Kanzlerin kommen so harmlos daher. Aber sie sind wie ein Sprengsatz für das Verhältnis Angela Merkels zu Guido Westerwelle. Der Vizekanzler hatte in der Hartz-IV-Diskussion für sich in Anspruch genommen, Anwalt einer "schweigenden Mehrheit" zu sein und eine Debatte zu führen, die bisher gemieden worden sei. Merkel antwortete nun in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, sie wolle nicht, "dass durch bestimmte Formulierungen wie etwa 'Man muss noch sagen dürfen' der Eindruck entstehen kann, es werde etwas ausgesprochen, was nicht selbstverständlich ist, als gebe es also ein Tabu." Der FDP-Chef bläst sich auf - und die Kanzlerin lässt die Luft raus. Allein das reicht für eine mittlere Zerrüttung. Merkel hatte sich schon zuvor wiederholt vom "Duktus" Westerwelles distanziert. Daraufhin war ihr vorgeworfen worden, sie kritisiere lediglich die Form, nicht aber den Inhalt der Aussagen des FDP-Chefs. In diesem Fall allerdings trifft die Stilkritik den Adressaten womöglich viel härter: Indem sie gezielt Westerwelles Attitüde eines Tabubrechers thematisiert, nimmt Merkel die Reminiszenz an schwierige Monate der Liberalen vor acht Jahren mindestens in Kauf. Es ist die Erinnerung an eine Debatte, die fast das politische Ende des FDP-Chefs Westerwelle bedeutet hätte. Die Ähnlichkeiten in der Form sind frappierend: "Es ist eigentlich ein merkwürdiger Zustand, dass die Politiker sich nicht trauen, das zu sagen, was die Mehrheit der Bevölkerung denkt." So ließ sich am 9. Mai 2002 der damalige stellvertretende FDP-Vorsitzende Jürgen Möllemann im Rheinischen Merkur zitieren. Möllemann verteidigte damit seine Kritik an der israelischen Regierung wegen ihres Umgangs mit den Palästinensern. "Ich spreche nur aus, was in Wahrheit alle Politiker wissen, aber sie trauen es sich nicht auszusprechen." So formulierte es Guido Westerwelle am 17. Februar 2010 in seiner Aschermittwochs-Rede, als er in Straubing die von ihm losgetretene Sozialstaatsdebatte verteidigte. Mehrere Wochen tobte 2002 die Debatte um antisemitische Tendenzen in der FDP. Möllemann verwies am 22. Mai 2002 in einer Erklärung auf "mittlerweile über 11000" Zuschriften, im Spiegel vom 4. November 2002 wurde er aus einer internen Besprechung mit dem Satz zitiert, er habe sogar "Zehntausende begeisterte E-Mails" erhalten. Auch in der aktuellen Hartz-Debatte freut sich die FDP-Spitze nun über das angebliche Echo der Bevölkerung: "Ich habe dazu in den vergangenen Tagen Zigtausende Zuschriften von Bürgern erhalten - die weitaus größte Zahl zustimmend", sagte Westerwelle am 21. Februar in der Bild am Sonntag. Und auch die Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger prahlte am Donnerstag im ZDF: "Sie glauben nicht, wie viele Zuschriften wir erhalten haben."
Westerwelle bläst sich auf - Merkel lässt die Luft raus: Eine Rüge der Kanzlerin an die Adresse des Möchtegern-Tabubrechers dürfte beim FDP-Chef unschöne Erinnerungen wecken.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/merkel-gegen-westerwelle-so-wie-einst-herr-moellemann-1.22720
Merkel gegen Westerwelle - So wie einst Herr Möllemann
00/02/2010
Hannelore Kraft soll die SPD in NRW an die Macht bringen. Ein Gespräch über die Ziele ihrer Partei und Rüttgers Sponsoring-Affäre. Hannelore Kraft ist gerade die Hoffnungsträgerin der deutschen Sozialdemokratie. Die SPD-Landeschefin soll der Partei neuen Mut einflößen, am 9. Mai, wenn in Nordrhein-Westfalen gewählt wird und die SPD nicht nur den Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) kippen, sondern zugleich auch die schwarz-gelbe Bundesratsmehrheit schleifen soll. SZ: Der NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) steht seit Tagen wegen der Sponsoring-Affäre unter Druck. Die NRW-SPD hat Rüttgers zum Rücktritt aufgefordert. Ist das nicht ein bisschen überzogen? Hannelore Kraft: Es muss solchen Entwicklungen Einhalt geboten werden. Wir haben die Mövenpick-Affäre, wo die Käuflichkeit der FDP im Raum steht und jetzt macht die NRW-CDU seit Jahren Angebote einen Ministerpräsidenten gegen Geld exklusiv zu mieten, um mit ihm vertrauliche Gespräche zu führen. Diese Dimension habe ich mir nicht vorstellen können. SZ: Und die SPD schlägt daraus im NRW-Wahlkampf freudig Kapital. Kraft: Der politische Schaden schlägt doch erfahrungsgemäß bei allen ein, weil die Bürger solche Vorgänge insgesamt nicht mehr verstehen. Darunter leiden alle, auch wir. Wir sind, das gehört zur Wahrheit dazu, alle nur Menschen, doch Politiker haben Vorbildfunktion. SZ: Haben Sie mit ihrem Fraktionskollegen Edgar Moron, der für zwei Sitzungen im Beirat der Ruhrkohle AG insgesamt 22.500 Euro kassiert hat, in letzter Zeit auch über Vorbildfunktion gesprochen? Kraft: Edgar Moron hat in der Fraktion erklärt, dass er das Geld gespendet hat. Er hat auch gesagt, dass es ein Fehler war, in den Beirat zu gehen. SZ: Aber in 39 Jahren der SPD-Herrschaft hat es in NRW doch zweifelsohne Filz und Vetternwirtschaft gegeben. Kraft: Dass es auch Verstrickungen gegeben hat, kann ich nicht widerlegen. Aber eines steht fest: Käuflich waren die SPD-Landesregierungen nicht. Mein Ziel ist es, Politik nah bei den Menschen zu machen. Deshalb gehe ich mit unseren Landtagskandidaten zum Beispiel jeweils einen ganzen Tag in Einrichtungen und Betriebe rein, um zu spüren, wo die wirklichen Probleme der Menschen liegen. SZ: Ist diese so genannte "Initiative Tatkraft" aber nicht vor allem ein Eingeständnis, dass genau diese Erdung der SPD in den letzten Jahren gefehlt hat? Kraft: Unsere Stärke war früher, die Kümmerer-Partei zu sein. In den Augen der Menschen hatten wir das ein Stück weit verloren, das stimmt. Aber das heißt ja nicht, dass wir alles falsch gemacht haben. SZ: Aber die Agenda 2010 und die Hartz-Reformen sind weiter die offene Wunde der Partei. Ihr Konkurrent Jürgen Rüttgers fordert die Generalrevision, aber was will eigentlich die stellvertretende SPD-Chefin? Kraft: Herr Rüttgers spricht von Generalrevision, sagt aber nicht, was er damit meint. Das macht er immer so. Er benutzt gerne Begriffe und Überschriften, die durch nichts unterlegt sind. Unser Ziel wird es sein, das Gerechtigkeitsproblem zu lösen, dass darin besteht, das derjenige, der lange gearbeitet hat, nach relativ kurzer Zeit mit demjenigen auf die gleiche Stufe fällt, der noch nie ein Schüppe in der Hand gehalten hat. Das ist der Kern des Problems. SZ: Und die Lösung? Kraft: Die Lösung ist nicht banal, denn man muss aufpassen, nicht neue Ungerechtigkeiten zu schaffen. Mir begegnen oft Leute, die sagen: Macht das einfach nach dem Prinzip 'Wer länger eingezahlt hat, kriegt auch länger Geld.' Aber so einfach ist das nicht, denn was ist zum Beispiel mit denjenigen, die unverschuldet immer wieder arbeitslos werden und damit keine lückenlose Beschäftigung vorweisen können. Ich zumindest möchte nicht, dass aus dem Ganzen ein Prinzip Sparkasse wird - wer viel einzahlt, bekommt auch viel zurück. Das entspricht nicht dem Solidarprinzip und birgt in den Händen der Marktliberalen hohe Risiken.
Hannelore Kraft soll die SPD in NRW an die Macht bringen. Ein Gespräch über die Ziele ihrer Partei und Rüttgers Sponsoring-Affäre.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/interview-mit-hannelore-kraft-diese-dimension-habe-ich-mir-nicht-vorstellen-koennen-1.8898
"Interview mit Hannelore Kraft - ""Diese Dimension habe ich mir nicht vorstellen können"""
00/02/2010
US-Präsident Obama lädt ins Weiße Haus, um sein Prestige-Projekt, die Gesundheitsreform, doch noch zu retten. Noch gibt er sich zuversichtlich. Es gebe durchaus Gemeinsamkeiten. Sechs Stunden sind für das Spitzengespräch veranschlagt, die Bevölkerung kann die Debatte live im Fernsehen verfolgen: Bei einem Treffen mit Vertretern von Demokraten und Republikanern will US-Präsident Barack Obama die erheblich ins Stocken geratenen Bemühungen um sein wichtigstes innenpolitisches Projekt wiederbeleben: die Reform des Gesundheitswesens. Noch gibt sich Obama zuversichtlich. Zu Beginn der Debatte forderte Obama die Vertreter beider Parteien auf, einen Kompromiss zu finden. Es gebe trotz Meinungsverschiedenheiten in einer ganzen Reihe von Fragen große Übereinstimmungen, sagte der US-Präsident im Weißen Haus. "Wir wissen alle, dass diese Reform dringend notwendig ist." Die Ansichten von Demokraten und Republikanern überlappten sich, sagte Obama. Allerdings räumte auch er ein, er wisse nicht, "ob die Differenzen überbrückt werden können". Beide Lager hatten bereits vor dem Treffen erhebliche Zweifel geäußert, dass in der verhärteten Debatte doch noch Einigung erzielt werden könnte. Einige Vertreter beider Parteien sprachen von "politischem Theater". Um die Pläne im Kongress durchzubringen, ist der Präsident den Republikanern entgegengekommen und hat seine Reformvorschläge abgespeckt. So sollen nach Angaben einer mit dem Vorgang vertrauten Person nur noch 15 Millionen Amerikaner, die derzeit ohne Versicherung sind, in den Genuss einer Krankenversicherung kommen. Das ist gegenüber den ursprünglichen Absichten eine Halbierung des betroffenen Personenkreises. Die Gesundheitsreform ist Obamas wichtigstes innenpolitisches Vorhaben. Nach dem Verlust der strategischen Mehrheit der Demokraten im Senat ist der Präsident auf die Zustimmung der Republikaner angewiesen. Aber auch in seiner eigenen Partei ist die Reform vor der Zwischenwahl im November zunehmend umstritten.
US-Präsident Obama lädt ins Weiße Haus, um sein Prestige-Projekt, die Gesundheitsreform, doch noch zu retten. Noch gibt er sich zuversichtlich. Es gebe durchaus Gemeinsamkeiten.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-debatte-um-gesundheitsreform-der-letzte-anlauf-1.2876
USA: Debatte um Gesundheitsreform - Der letzte Anlauf
00/02/2010
"Nichts ist so überzeugend wie die Realität": Während Kanzlerin Merkel mühsam versucht, die Koalition zu beruhigen und Gesundheitsminister Rösler den Rücken zu stärken, setzt CSU-Chef Seehofer das Dauerfeuer gegen die FDP und ihre Kopfpauschale fort. Der Name ist kompliziert, die Mission gewaltig: Die "Regierungskommission zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung des Gesundheitswesens" soll das deutsche Gesundheitssystem komplett umbauen oder - so hieß es offiziell - die im Koalitionsvertrag getroffenen Festlegungen umsetzen. Am Mittwoch ist das Gremium eingesetzt worden, an diesem Donnerstag erklärte die Kanzlerin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass sie es ernst meint mit dem Umbau. "Unser Ziel ist, dass wir eine bessere Entkopplung der Arbeitskosten von den Gesundheitskosten und ein weiterhin solidarisches System wollen, verbunden mit einem neu zu definierenden Solidarausgleich", sagte Merkel. Um dies umzusetzen, sei keine Kostensteigerung notwendig. "Unterm Strich kostet das nicht unbedingt mehr Geld als heute schon im System vorhanden ist", sagte Merkel. Diese Bemerkung der Kanzlerin galt sicher den besorgten Beitragszahlern in Deutschland, vor allem aber dem sehr besorgten Beitragszahler und CSU-Chef Horst Seehofer. Der hat unterstützt von seinem Gesundheitsminister Markus Söder in der Vergangenheit keine Gelegenheit ausgelassen, Philipp Rösler, den zuständigen Bundesminister von der FDP, in seinen Ambitionen zu bremsen. Merkel wusste, dass die nächste Volte aus München nicht lange auf sich warten lassen würde. Just am Tag nach der Einsetzung der Kommission präsentierte Seehofer neue Berechnungen der CSU zu den Kosten der von Rösler angestrebten Kopfpauschale. Eine solche Prämie würde pro Kassenmitglied 145 Euro betragen und mache einen Sozialausgleich aus Steuermitteln im Umfang von 21 Milliarden Euro nötig, erklärte der CSU-Chef. Entsprechende Berechnungen habe er bereits beim Spitzentreffen mit Merkel und FDP-Chef Guido Westerwelle am Vorabend im Kanzleramt vorgelegt. Die Zahlen seien "verifiziert und belastbar", sagte Seehofer. Sie belegten, dass die Pauschale nicht nur ungerecht, sondern auch sehr teuer sei. Ihre Einführung könne er sich deshalb "beim besten Willen nicht vorstellen". Der CSU-Chef verwies darauf, dass die Koalition auch die Steuern senken, mehr für Bildung ausgeben und in Wachstum und Arbeitsplätze investieren wolle. "Nichts ist so überzeugend wie die Realität", sagte Seehofer. Ein Sprecher von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler wies Seehofers Berechnungen zurück: "Diese Zahlenzauberei dient nur dazu, die Menschen zu verunsichern." Die Kommission werde zeigen, dass der schrittweise Einstieg in ein faireres System möglich sei. Seehofer forderte, das am Mittwoch vom Kabinett beschlossene Gremium müsse jetzt zügig Vorschläge vorlegen. An Rösler appellierte er, rasch gegen den rasanten Ausgabenanstieg bei den gesetzlichen Krankenkassen vorzugehen. "Da muss aufs Tempo gedrückt werden." Ansonsten drohe im Herbst oder Winter ein Beitragsschub, der nicht allein durch Zusatzbeiträge aufgefangen werden könne. In der Spitzenrunde habe Konsens geherrscht, dass die Ausgaben ein Problem darstellten. Seehofer kritisierte vor allem auch die wachsenden Aufwendungen für Arzneimittel. Die Zuwächse in diesem Bereich seien medizinisch nicht mehr zu begründen.
"Nichts ist so überzeugend wie die Realität": Während Kanzlerin Merkel mühsam versucht, die Koalition zu beruhigen und Gesundheitsminister Rösler den Rücken zu stärken, setzt CSU-Chef Seehofer das Dauerfeuer gegen die FDP und ihre Kopfpauschale fort.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/streit-um-die-gesundheitsreform-horst-seehofer-zahlenzauber-gegen-die-fdp-1.16411
Streit um die Gesundheitsreform - Horst Seehofer - Zahlenzauber gegen die FDP
00/02/2010
Das Westjordanland und auch die dort gelegenen jüdischen Siedlungen sind zollrechtlich nicht Israel zuzurechnen. Dort wie auch im Gazastreifen gilt ausschließlich das Zollabkommen zwischen der Europäischen Union und den Palästinensern, urteilte an diesem Donnerstag der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. In dem schon im Vorfeld des Urteils aufmerksam verfolgten Streit um Soda-Club-Produkte stärkte der EuGH damit die palästinensische Selbstverwaltung und zurrte die ohnehin klare politische Haltung der Europäischen Union auch rechtsverbindlich in aller Öffentlichkeit fest (Az: C-386/08). Das deutsche Unternehmen Brita importiert Sprudelwasserbereiter und Zubehör von Soda-Club, einem im Industriegebiet Mishor Adumin im Westjordanland ansässigen Unternehmen. Brita beantragte für die Einfuhr der Soda-Club-Produkte einen ermäßigten Zolltarif gemäß dem Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und Israel. Das Hauptzollamt Hamburg-Hafen lehnte dies ab. Der EuGH bestätigte diese Entscheidung jetzt. Waren aus dem Westjordanland oder dem Gazastreifen können zwar nach dem Abkommen zwischen der EWG und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) ebenfalls mit einem ermäßigten Zolltarif in die EU importiert werden - aber nicht, wenn sie als israelische Waren deklariert werden. Weil Israel die Siedlung aber unter eigene Zollhoheit stellte, hatte Brita für die Soda-Club-Produkte Zollfreiheit nach dem Abkommen mit Israel beantragt. Israelische Behörden bestätigten die israelische Zollzuständigkeit, machten aber auch auf Nachfrage keine Angaben über die genaue Herkunft. Der deutsche Zoll habe dies zu Recht nicht anerkannt, urteilte nun der EuGH. Israel sei verpflichtet, anzugeben, ob die Produkte aus Israel selbst stammen. Der EuGH wies auch das Argument ab, Brita könne die Soda-Club-Produkte zollfrei einführen, weil sie ja ohnehin - auch nach dem Abkommen mit den Palästinensern - begünstigt seien. Das Völkerrecht lasse es nicht zu, die erforderliche Herkunftsbestätigung durch die palästinensischen Behörden durch eine Bescheinigung Israels zu ersetzen.
Ein Urteil von politischer Brisanz: Im Zollstreit um die Firma Soda-Club hat der Europäische Gerichtshof jüdische Siedlungen im Westjordanland Palästina zugeordnet.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/urteil-des-eugh-juedische-siedlungen-gehoeren-nicht-zu-israel-1.20445
Urteil des EuGH - Jüdische Siedlungen gehören nicht zu Israel
00/02/2010
Getrieben von Westerwelle diskutiert die Republik seit Wochen über Hartz IV. Heute beschäftigte sich der Bundestag mit dem Thema - auch der FDP-Chef redete. Der Schlagabtausch in der Liveticker-Nachlese. Zankapfel Hartz IV - die Debatte tobt nun auch im Bundestag. Nachdem das Bundesverfassungsgericht Anfang Februar die geltenden Sätze als verfassungswidrig erklärt hat, haben die Fraktionen von Linkspartei und Grünen im Bundestag Anträge zur sofortigen Reform gestellt. Die Grünen plädieren dafür, den Regelsatz für Erwachsene auf 420 Euro zu erhöhen. Außerdem soll künftig eine unabhängige Kommission die Beträge berechnen. Die Linksfraktion fordert die Abschaffung von Hartz IV und will stattdessen eine Mindestsicherung von 500 Euro für alle, die nicht über ein ausreichendes Einkommen verfügen. Bis heute Mittag debattierten die Abgeordneten im Bundestag über die Vorschläge. Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) warf seinen Kritikern einen einseitigen Blick auf die Interessen der Langzeitarbeitslosen vor. Es sei ein Fehler, nur noch über Verteilungsgerechtigkeit und nicht mehr über Leistungsgerechtigkeit zu reden, sagte der Außenminister - und provozierte damit erneut seine Gegner. Der Schlagabtausch in der sueddeutsche.de -Liveticker-Nachlese. 10:15 Uhr: Die Debatte beginnt Zum Beginn der Debatte um Hartz IV filmen alle Kameras den Vizekanzler. Guido Westerwelle hatte in den vergangenen Wochen die Sozialstaatsdebatte vom Zaun gebrochen und in verschiedenen Medien von "spätrömischer Dekadenz" bei Arbeitslosen gesprochen und Hartz-IV-Empfänger zum Schneeschippen aufgefordert. Doch im Bundestag schaut er bemüht auf seine Unterlagen und schreibt sich mit edlem Füller etwas auf. Botschaft: Ich bin der Außenminister, ich habe viele andere wichtige Dinge zu tun. Der erste Redner, Markus Kurth vom Bündnis 90/Grüne, greift trotzdem zunächst die Steilvorlagen des FDP-Chefs auf und wiederholt die Aussagen Westerwelles. Erst dann kommt der sozialpolitische Sprecher seiner Fraktion zu seinen Forderungen: Der Regelsatz müsse sofort auf 420 Euro für Erwachsene erhöht werden, zudem müsse es mehr Ausnahmeregelungen geben. 10:20 Uhr: Bekannte Banalitäten Zur Diskussion Sachleistungen versus Geldleistung: Kurth will das eine nicht gegen das andere ausgespielt wissen. Außerdem wettert er gegen den Generalverdacht, dass Hartz-IV-Empfänger ihre Kinder via Kindergeld als Schnapslieferanten missbrauchen. Zum Lohnsabstandsgebot: "Der, der arbeitet, muss mehr haben, als der, der nicht arbeitet. Was für eine Banalität", ereifert sich der Grünen-Politiker. Kein Mensch sei anderer Meinung. Um den Lohnabstand zu gewährleisten, müsse ein Mindestlohn her. Mit der Forderung, die Menschenwürde als Kern und Handlungsgebot für die Politik anzuerkennen, schließt Kurth seine Rede. Auf den Grünen-Politiker antwortet Karl Schiewerling von der CDU. FDP-Chef Westerwelle wird das Wort voraussichtlich nicht ergreifen. Für die Regierung will die zuständige Ministerin Ursula von der Leyen sprechen. 10:30 Uhr: CDU-Politiker Schiewerling setzt zum Gegenangriff an CDU-Mann Schiewerling greift die Linkspartei an: Diese habe keine einzige Antwort auf die Frage, wie Menschen wieder in Lohn und Brot kommen sollen. Daraufhin stellt Katja Kipping, Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, von der Linkspartei eine Zwischenfrage, in der sie so einige Anträge aufzählt, die ihre Partei zum Thema gestellt habe. Außerdem zitiert sie aus dem vorliegenden Antrag, der ebenfalls Vorschläge dazu enthalte. Der CDU-Politiker antwortet, dass ihm bei der Schaffung von Arbeitsplätzen die deutsche Wirtschaft und der erste Arbeitsmarkt vorschwebe - nicht, wie in den Vorschlägen der Linkspartei, der Ausbau des öffentlichen Dienstes und des zweiten Arbeitsmarktes. Schiewerling geht nun auf die Kinder ein, die in der zweiten oder dritten Generation von Sozialhilfe leben. Diese Kinder dürfe man nicht verloren geben, regt er an. Weiter beschreibt er die Maßnahmen, die die Regierungskoalition bereits getroffen habe, um das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes umzusetzen - ohne dabei wirklich zu konkret zu werden. Und der Kreis schließt sich, indem er wie zu Beginn fordert, dass mehr Arbeitsplätze geschaffen werden müssen. Die aktuellen Arbeitsmarktzahlen, die saisonbereinigt gesunken seien, interpretiert er als Erfolg für die Regierung. Beim Stichpunkt Verantwortung verzettelt sich Schiewerling aber dann. Nächste Rednerin ist Anette Kramme, die SPD-Sprecherin für Arbeit und Soziales. Im Video: FDP-Chef Westerwelle verteidigt sich während Hartz-IV-Debatte im Bundestag. Weitere Videos finden Sie hier 10:35 Uhr: Krammes Wuttränen Anette Kramme wirft Westerwelle spätmittelalterliche Hexenjagd vor und ein unmögliches Aufeinanderhetzen von denen, die etwas haben gegen die, die nichts haben. Sie ruft den FDP-Chef auf, mal zu den Tafeln oder in Jobcenter zu gehen und mit den Menschen zu reden. "Die ganz große Menge der Hartz-IV-Empfänger will nichts sehnlicher als wieder zu arbeiten", ruft Kramme - und der Zuhörer bekommt das Gefühl: Die SPD-Politikerin spricht aus dem Herzen. Ihre Stimme bricht immer wieder und man erwartet beinahe schon, dass Wuttränen hinter der Brille hervortropfen. 10:40 Uhr: Die Kellnerin mit wenig Geld Als Nächstes erzählt Kramme von Beschäftigten im Dienstleistungssektor, die so wenig verdienen, dass sie kaum mehr als Hartz-IV-Niveau erreichen. Sie fordert Mindestlöhne für Kellnerinnen - und kann sich einen Seitenhieb auf die FDP nicht verkneifen: Diese sei dagegen, da sie dann keine Spenden mehr von Mövenpick bekommen würde. 10:45 Uhr: Hickhack um die Verantwortung Nun antwortet die FDP, die bislang am meisten Hiebe abbekommen hat. Der sozialpolitische Sprecher Heinrich Kolb verteidigt sofort seinen Chef: Er fände es unsäglich, dass Grüne und SPD auf Westerwelle herumhackten anstatt anzuerkennen, dass Rot-Grün die Verantwortung für Hartz IV trage. Kolb betont, die FDP sei nicht für eine Kürzung des Arbeitslosengeldes, aber sie wolle, dass sich Empfänger von Hilfeleistungen möglichst bald wieder aus ihrer Lage befreien. Außerdem wehrt er sich gegen den Zusammenhang zwischen Hartz IV und Mindestlöhnen, der von der Opposition immer wieder ins Feld geführt werde. Den Niedriglohnsektor habe Rot-Grün eingeführt, schimpft der FDP-Mann, und das sei richtig gewesen. Mindestlöhne würden nicht helfen, um Menschen aus dem Transfersektor zu lösen. 10:50 Uhr: Wer ist der Depp der Nation? Klaus Ernst, designierter Vorsitzender der Linken, ist der Nächste. Die Grundannahme des Außenminister sei: Die Menschen wollen nicht arbeiten - die Praxis zeige aber das Gegenteil. Arbeitslose pauschal zu verunglimpfen, sei ein Skandal, wettert Ernst. Er wirft dem FDP-Chef vor, Niedriglöhner und Arbeitslose gegeneinander auszuspielen. Westerwelle bemüht sich, unbeeindruckt zu wirken. Als Nächstes eine kleine Geschichtsstunde zum Thema spätrömische Dekadenz: Es seien nicht die Sklaven gewesen, die dekadent gelebt hätten, es sei die politische Klasse gewesen. "Und ich", sagt Ernst, "habe den Eindruck, das ist heute wieder so." Und er setzt noch einen drauf: "Solange Sie den Arbeitnehmern einen Mindestlohn verweigern, machen Sie sie zu Deppen der Nation", schimpft der Linksfraktions-Vize in Richtung Westerwelle.
Getrieben von Westerwelle diskutiert die Republik seit Wochen über Hartz IV. Heute beschäftigte sich der Bundestag mit dem Thema - auch der FDP-Chef redete. Der Schlagabtausch in der Liveticker-Nachlese.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/hartz-iv-debatte-im-parlament-buhrufe-im-bundestag-1.9404
Hartz-IV-Debatte im Parlament - Buhrufe im Bundestag
00/02/2010
Gita Sahgal, verantwortlich für die gender unit in der Londoner Zentrale, beklagte am 7. Februar in der Sunday Times, dass Amnesty sich in zu große Nähe eines Befürworters der Taliban begeben habe, ja ihm die eigene Plattform zur Verfügung stelle. Die Folge war nicht, dass man die kritisierten Kontakte überprüfte - man entfernte die Kritikerin auf der Stelle aus ihrem Amt. Gegenüber der SZ möchte die deutsche Sektion das Kaltstellen der Kritikerin zwar nicht kommentieren, weil es sich um eine "personalrechtliche Sache" handle, die nichts mit der inhaltlichen Kritik Gita Sahgals zu tun habe, sondern allein mit ihrem öffentlichen Angriff auf die eigene Organisation. Doch die Fragwürdigkeit der Allianzen, die Amnesty eingeht, ist damit nicht zu kaschieren. Was ist der Auslöser? Amnesty vertritt in seinem Kampf gegen menschenrechtswidriges Traktieren von Gefangenen selbstverständlich auch Häftlinge von Guantanamo wie den britischen Moslem Moazzem Begg. Der wurde 2001 in Pakistan verhaftet, nach Guantanamo verbracht und dort nach drei Jahren entlassen. Seither wird er von Amnesty nicht nur betreut. Vielmehr bestreitet man mit ihm auch öffentliche Kampagnen zur Aufklärung über Guantanamo. Und hier beginnen die schlammigeren Untiefen. Begg hat aus seiner islamistischen Vergangenheit nie einen Hehl gemacht, auch wenn er sich jetzt von Rechtfertigungen der Gewalt distanziert. Nicht distanziert hat er sich aber von seiner früheren Äußerung, dass für das Land Afghanistan die Taliban bisher die besten Herrscher waren. Vor allem hat er eine eigene Initiative gegründet, Cageprisoners, die ebenfalls für die Rechte von Häftlingen des Anti-Terror-Krieges eintritt. Diese Gruppe aber arbeitet mit sehr dubiosen Leuten zusammen, die sich durchaus für den "Heiligen Krieg" aussprechen, wenn sie ihn nicht sogar unterstützen. Wie weit Beggs Sympathie für die Taliban reicht, die Gita Sahgal ihm unterstellt, ist unklar; er selbst hat gegen den Bericht der Sunday Times Klage erhoben. Doch Amnesty kann sich auf diese Ungeklärtheit nicht berufen. Der Hinweis des Amnesty-Direktors Claudio Cordone auf die Unschuldsvermutung zugunsten Beggs zeugt von einem schweren Missverstehen seiner Organisation. Amnestys Programm ist zwar nicht so eng gefasst, wie es Christopher Hitchens in seiner harschen Kritik der Sahgal-Affäre in Slate definiert. Denn neben unschuldigen Opfern von Gewaltregimes, die ihren Widerstand mit Folter, Haft oder gar Leben bezahlen, vertritt Amnesty zu Recht auch solche Opfer brutaler Justizpraktiken, die sich womöglich selbst schuldig gemacht haben - die aber natürlich nicht weniger Anspruch auf faire Behandlung und Prozesse haben. Doch genau darum muss Amnesty hier eine glasklare Linie ziehen. Eine Linie nämlich, die eindeutig das Opferschicksal des jeweiligen Häftlings trennt von dessen politisch-ideologischer Haltung. Ob das Talibanregime unter allen bisherigen Regierungsübeln noch das kleinste war, mag Afghanistans Bevölkerung entscheiden, nicht aber Amnesty mit seiner absoluten Verpflichtung auf die Menschenrechte. Dass die Taliban dort, wo sie heute das Sagen haben, die Rechte von Frauen und Dissidenten mit Füßen treten, ist unbestreitbar. Wer auch nur in den geringsten Verdacht gerät, ihre menschenrechtsverachtende Ideologie zu dulden, kann nie das Forum von Amnesty International nutzen, ohne dessen Glaubwürdigkeit zu zerstören. Wenn Amnesty hier nicht päpstlicher ist als der Papst, kann es abdanken. Als humanitäre Stimme wird es nur dann von allen gehört, wenn es der Realpolitik abschwört. So wie bei Richtern schon der leise Verdacht auf Parteilichkeit die nötige Unbefangenheit vereitelt, so wird Amnesty jedwede Nähe zu heiligen Kriegern zum Verhängnis. Der Ruf der Organisation ist beschädigt.
Amnesty International untergräbt seine eigene Reputation. Mit der Affäre um Gita Sahgal hat sich die Organisation in eine moralische Krise gesteuert.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/amnesty-international-ein-forum-fuer-die-taliban-1.16756
Amnesty International - Ein Forum für die Taliban
00/02/2010
Der Göttinger Professor für Völkerrecht, Andreas Paulus, wird nach Informationen der Süddeutschen Zeitung neuer Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Vizepräsident und Vorsitzender des Ersten Senates, das auf Unionsvorschlag besetzt wird, wird der Tübinger Professor Ferdinand Kirchhof. Paulus wird auf Vorschlag der FDP zum Nachfolger des Richter Hans-Jürgen Papier ernannt - allerdings nur auf dessen Richterstelle und nicht als Senatsvorsitzender. Zuvor hatte die Union das Vorschlagsrecht an ihren Koalitionspartner FDP abgetreten, die sich nun nach mehrwöchiger Suche auf den jungen Juristen aus Göttingen festgelegt hat. Paulus ist Jahrgang 1968 und liegt damit nur knapp über dem gesetzlichen Mindestalter von 40 Jahren. Er hat seit dem Wintersemester 2006/07 den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Völkerrecht, an der Georg-August-Universität Göttingen inne. Erst im Juni 2006 hatte er sich an der LMU München habilitiert und die Lehrbefugnis für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht, Verfassungsgeschichte und Rechtsphilosophie erhalten. Im Juni 2000 wurde Paulus an der LMU München promoviert. Er ist Schüler des Münchner Völkerrechtlers Bruno Simma, der seit sieben Jahren Mitglied des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag ist. Paulus ist Mitglied der FDP Bayern. Zuvor lehrte er an der University of Michigan Law School. Sein Studium der Rechtswissenschaften hat ihn laut Informationen der Georg-August-Universität Göttingen auch an Universitäten in Genf, München und Harvard geführt.
Der Göttinger Professor für Völkerrecht, Andreas Paulus, wird nach Informationen der Süddeutschen Zeitung neuer Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Vizepräsident und Vorsitzender des Ersten Senates, das auf Unionsvorschlag besetzt wird, wird der Tübinger Professor Ferdinand Kirchhof.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/karlsruhe-paulus-wird-neuer-richter-am-verfassungsgericht-1.8443
Karlsruhe - Paulus wird neuer Richter am Verfassungsgericht
00/02/2010
Nebenbei Großverdiener: Bis zu 500.000 Euro hat Hartz-IV-Kritiker Westerwelle in den vergangenen vier Jahren mit Vorträgen verdient. Die Frage ist im Prinzip nicht schwer zu beantworten: "Frau Homburger, was verdienen Sie im Monat?" Frau Homburger hat darauf an diesem Mittwochmorgen bei ihrem regelmäßigen Pressefrühstück keine Antwort. Sie könne die Information gerne nachreichen, sagt sie, das sei ja alles kein Geheimnis. Bis zum späten Nachmittag ist sie dazu allerdings nicht in der Lage. Seit September ist Birgit Homburger Fraktionsvorsitzende der FDP. Am Abend teilt ihr Sprecher mit, das Einkommen "orientiert sich an den Bezügen des Bundestagspräsidenten". Genauer erfährt man es nicht. Der Bundestagspräsident kommt mit doppelter Abgeordneten-Diät, einem Sonderzuschlag und der steuerfreien Kostenpauschale auf gut 18.000 Euro im Monat. Auch Guido Westerwelle, Homburgers Vorgänger im Amt, dürfte kein geringeres Einkommen gehabt haben. Das scheint dem heutigen Außenminister, Vizekanzler und FDP-Parteichef aber nicht ganz gereicht zu haben, wie sich jetzt herausstellt. Vielmehr hat Westerwelle seine Aufwandsentschädigung als Fraktionschef durch bezahlte Vorträge aufgebessert. Für den Zeitraum November 2005 bis Juni 2009, also bis kurz vor der Bundestagswahl, weisen die Seiten des Bundestages insgesamt 36 Positionen auf, bei denen er gegen Geld seine wertvollen Gedanken einem geneigten Publikum mitgeteilt hat. Pro Rede 7000 Euro - mindestens Jeden Vortrag bis auf einen hat er nach den Veröffentlichungsregeln des Deutschen Bundestages als "Stufe III" klassifiziert. Das bedeutet ein Honorar von mindestens 7000 Euro pro Auftritt. Macht zusammen mindestens 245.000 Euro. Die tatsächlichen Einnahmen können jedoch um einiges höher liegen. Kenner der Szene gehen davon aus, dass Westerwelle bis zu 18.000 Euro pro Auftritt verlangen kann. Das wären dann bei 36 Auftritten rund 648.000 Euro für den Mann, der den Bezug von Hartz IV in die Nähe "spätrömischer Dekadenz" gerückt hat. Hinzu kommen ein Sitz im Aufsichtsrat der Arag-Rechtsschutzversicherung, ein Sitz im Beirat der Deutschen Vermögensberatung AG und im Jahr 2006 ein Beiratssitz bei der TellSell Consulting aus Frankfurt. Alles für jeweils mindestens 7000 Euro pro Jahr. Kritik entzündet sich aber vor allem daran, in wessen Auftrag Westerwelle gesprochen hat. Es sind beispielsweise Finanzdienstleister - unter anderem aus der Schweiz und aus Liechtenstein - sowie Hotels, die seine Rechnungen beglichen. Im September 2007 hat seine Rechnung ausweislich der Bundestags-Website das Congress Hotel Seepark im schweizerischen Thun beglichen. Tatsächlich aber war Westerwelle am 25. September 2007 nicht auf Einladung des Hotels in Thun, sondern für die UBS Bank im Einsatz - als gutbezahlter Gast auf dem "UBS Podium". Die schweizerische UBS Bank steht unter Verdacht, Steuerflüchtlingen gezielt Unterschlupf zu gewähren. Wenig Berührungsängste mit Steuerhinterziehern Einen anderen Vortrag, wiederum in der Schweiz, hielt Westerwelle am 14. April 2007 in Zürich. Gastgeber war die private LGT Bank, die ihren Hauptsitz in Liechtenstein hat - und ebenfalls unter Dauerverdacht steht, das Geld deutscher Steuerhinterzieher zu verwalten. Laut einem Bericht der Frankfurter Rundschau soll er dort ein Honorar von 10.000 Euro inklusive Reisespesen kassiert haben. Hinzu seien 1490 Schweizer Franken, umgerechnet 1018 Euro, für die "Übernachtung der Delegation" von Westerwelle gekommen. Klaus Ernst, der designierte Chef der Linken, sagt, an dem Geld der LGT Bank "klebt der Geruch der Steuerhinterziehung". Das störe "Westerwelle offenbar nicht". Das Referat zum Thema "Globalisierung - Chancen aus liberaler Sicht" beim LGT-Teff hat er frei gehalten, es dürfte ihm keine großen Kopfschmerzen bereitet haben. Westerwelle hatte dort verkündet, das Phänomen der Entsolidarisierung in der Gesellschaft sei aufgekommen, weil "der Steuern- und Abgabenstaat" den Menschen das Geld aus der Tasche ziehe. Damit stieß er im Olymp der Steuerflüchtlinge offenbar auf offene Ohren. Überhaupt scheint Westerwelle wenig Berührungsängste mit Steuerhinterziehern zu haben. Das Magazin Stern berichtet in seiner aktuellen Ausgabe, Westerwelle habe sich kurz vor der Bundestagswahl in Kassel mit einem vorbestraften Steuerhinterzieher getroffen, der der Partei eine erhebliche Spende in Aussicht gestellt habe. Fraktionschefin Homburger bestätigt, dass es so ein Treffen gab. Allerdings sei nie Geld geflossen. Auch das scheint richtig. Die Firma des Mannes soll zuvor in Konkurs gegangen sein.
Nebenbei Großverdiener: Bis zu 500.000 Euro hat Hartz-IV-Kritiker Westerwelle in den vergangenen vier Jahren mit Vorträgen verdient.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/fdp-westerwelle-oder-die-hand-die-nimmt-1.7560
FDP - Westerwelle oder: Die Hand, die nimmt
00/02/2010
Unbeirrt halten die USA an der Todesstrafe fest - auch Präsident Barack Obama unterstützt das Prinzip Auge-um-Auge, Zahn-um-Zahn. Ein Erklärungsversuch. Wenn Amnesty International die USA in einem Atemzug mit Iran, Pakistan, Saudi-Arabien und China nennt - dann geht es um die Todesstrafe. Diese fünf Länder waren 2008 für mehr als 90 Prozent aller Hinrichtungen weltweit verantwortlich. Die einzige westliche Demokratie darunter tötete 37 Menschen. Damit stemmen sich die USA unbeirrt gegen die weltweite Entwicklung, staatlich verordnete Hinrichtungen abzuschaffen. Allein seit 1990 haben sich mehr als 50 Staaten zu diesem Schritt entschlossen, mehr als zwei Drittel aller Länder wenden sie inzwischen nicht mehr an. Zum Vergleich: Ende des 19. Jahrhunderts gab es gerade mal drei Staaten ohne Todesstrafe. Im 20. Jahrhundert setzte sich jedoch mehr und mehr die Ansicht durch, dass das Exekutieren von Straftätern nicht mit der Würde des Menschen vereinbar sind. Die Vereinten Nationen verurteilen die Todesstrafe bereits seit 1948 und fordern ihre weltweite Abschaffung. Vom 24. bis zum 26. Februar 2010 findet daher in Genf eine UN-Konferenz statt, die sich für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe einsetzt. Die USA sind dort Schwerpunktthema - denn dass das aufgeklärte Amerika noch immer Menschen exekutiert, stößt in Europa zumeist auf völliges Unverständnis. Wie ein Paar Schuhe Für den alten Kontinent sind Menschenrechte und Demokratie wie ein linker und ein rechter Schuh, die er sich gleichzeitig angezogen hat. Und die Todesstrafe ist im europäischen Verständnis ein eklatanter Widerspruch zu Humanität und Menschenrechten. Amerikaner sehen das nicht so - nicht einmal Barack Obama, der Friedensnobelpreisträger und von Europa verehrte US-Präsident. Anders als hierzulande vielfach angenommen, war Obama nie ein Gegner der Todesstrafe. Schon 2004, bei seiner Kandidatur für den Senatssitz von Illinois, sprach er sich für eine Beibehaltung aus. Obama kritisierte lediglich wiederholt die Umstände, unter denen die Todesstrafe verhängt werde und setzte sich als Senator für einen Aufschub von Hinrichtungen ein. In seiner Autobiographie "Hoffnung wagen" begründet der Verfassungsjurist seine Einstellung damit, dass die Gesellschaft das Recht habe, ihre Entrüstung über abscheuliche Verbrechen auszudrücken. Als "abscheuliches Verbrechen" gilt in den USA seit 1977 ausschließlich Mord. Ein Gesetz aus dem Bundesstaat Louisiana, das auch die Giftspritze für Kinderschänder erlaubte, kippte das Oberste Gericht 2008 als verfassungswidrig, da die US-Verfassung "unmenschliche und unverhältnismäßig grausame Strafen" untersagt. Bei sexuellem Missbrauch sah das Gericht die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben. Generell wird die Todesstrafe von der amerikanischen Justiz allerdings nicht als "unmenschlich oder grausam" bewertet. Nicht nur Konservative schrien vor zwei Jahren aufgrund des Kinderschänder-Urteils auf. Auch Obama, damals Präsidentschaftskandidat für die Demokratische Partei, kritisierte den Obersten Gerichtshof scharf. Die Vergewaltigung eines Kindes sei ein grausames Verbrechen, sagte der Politiker damals. Seiner Meinung nach verletze es nicht die Verfassung, wenn ein Bundesstaat dafür die Todesstrafe verhänge. Lesen Sie auf der nächsten Seite, was die Amerikaner über die Todesstrafe denken.
Unbeirrt halten die USA an der Todesstrafe fest - auch Präsident Barack Obama unterstützt das Prinzip Auge-um-Auge, Zahn-um-Zahn. Ein Erklärungsversuch.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/todesstrafe-in-den-usa-der-staat-als-raecher-1.5029
Todesstrafe in den USA - Der Staat als Rächer
00/02/2010
Führende Politiker verschiedener Parteien und Kirchenvertreter haben mit Bedauern und großem Respekt auf den Rücktritt Margot Käßmanns, der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, reagiert. Gewürdigt wurden der Mut, die Glaubwürdigkeit und die klare Haltung der Kirchenfrau. Ihr Rückzug sei ein Verlust, hieß es in allen Stimmen zu ihrem Abgang. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahm Käßmanns Entscheidung "mit Respekt und Bedauern" auf. Nach Angaben von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte Merkel an diesem Mittwoch in Berlin: "Ich habe die Zusammenarbeit mit Bischöfin Käßmann sehr geschätzt." Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat mit tiefem Bedauern auf den Rücktritt ihrer Ratsvorsitzenden reagiert. "Die Gradlinigkeit und Klarheit in ihren theologischen, soziopolitischen und gesellschaftlichen Positionen werden der Evangelischen Kirche in Deutschland fehlen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der EKD- Synodenpräsidentin, Katrin Göring-Eckardt, sowie des stellvertretenden EKD-Vorsitzenden, Nikolaus Schneider. "Ihr Rücktritt ist ein schwerer Verlust für den deutschen Protestantismus." Käßmanns Spitzenamt bei der EKD werde bis zu einer Neuwahl im November ihr Stellvertreter Schneider, der Präses der evangelischen Kirche im Rheinland, übernehmen, erklärte die Kirche. Eine Neuwahl werde voraussichtlich bei der nächsten Synodentagung vom 5. bis 10. November in Hannover erfolgen. Der 62-Jährige Schneider ist bekannt für sein soziales und politisches Engagement. "Menschlich und intellektuell überragende Führungspersönlichkeit" Der Rat der EKD hatte seiner Vorsitzenden nach einer nächtlichen Krisenberatung zwar das Vertrauen ausgesprochen. Die EKD überließ Käßmann aber selbst die Entscheidung über ihre Zukunft. Nach den Worten von SPD- Chef Sigmar Gabriel zeige Käßmanns Rücktritt, dass die bisherige EKD-Vorsitzende "Verantwortung ohne Wenn und Aber" übernommen habe. Sie habe immer wieder Mut gezeigt, wichtige Debatten innerhalb der evangelischen Kirche und für unser Land anzustoßen. Er hoffe, dass sich Käßmann auch weiter zu Wort melden werde. Die Protestanten in der Union haben den Rücktritt der Bischöfin mit Bedauern aufgenommen. "Mit der Entscheidung von Frau Käßmann verliert die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) eine menschlich und intellektuell überragende Führungspersönlichkeit", sagte der Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU, Thomas Rachel, der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin. "Ich bedaure die Entscheidung von Frau Käßmann zutiefst, verstehe sie aber." Der Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der Union würdigte die Entscheidung der früheren hannoverschen Landesbischöfin aus moralischer Sicht. "Mit ihrem Schritt hat Frau Käßmann die Klarheit des moralischen Votums der Evangelischen Kirche geschützt", sagte Rachel. Käßmann werde der Evangelischen Kirche "mit ihrer lebensnahen und stets klugen Art" der Verkündung des Evangeliums fehlen. "Herber Verlust für Deutschlands Christen" Auch der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hat den Rücktritt bedauert. "Ich kenne Frau Käßmann seit langem als einen Menschen, der bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, respektiere gerade deshalb ihre Entscheidung und kann diesen Schritt verstehen", schrieb der Freiburger Erzbischof am Mittwoch in seiner kurzen Erklärung, die mit den Worten schließt: "Ich wünsche ihr in dieser schwierigen Stunde Gottes Segen." Als "herben Verlust für die Christen in Deutschland" wertete der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer den Amtsverzicht. "Für sie persönlich ist der Schritt richtig. Für uns alle, für den Protestantismus ist die Entscheidung schlecht", sagte er der Leipziger Volkszeitung. Gleichwohl könne er die persönlichen Gründe Käßmanns für ihren Rücktritt verstehen. "Sie gewinnt damit ihre Freiheit zurück, die sie sonst nicht wieder bekommen hätte. Dieses Vergehen würde sie täglich verfolgen, egal wo sie auftritt und wozu sie sich auch äußert." Im Video: Nach dem Rücktritt der EKD-Ratsvorsitzenden Käßmann gibt es gemischte Reaktionen auf die Entscheidung der Bischöfin. Weitere Videos finden Sie hier Die hannoversche Landeskirche, die Heimatkirche der Bischöfin, will an diesem Donnerstag über das weitere Fortgehen an ihrer Spitze beraten. "Wir empfinden es als großen Verlust, dass die Landesbischöfin nicht mehr für die Arbeit der Landeskirche zur Verfügung steht", hieß es in einer Erklärung. Käßmann war seit 1999 Bischöfin in der niedersächsischen Landeshauptstadt gewesen. "Sie hat viele Menschen angesprochen, mit der Botschaft des Evangeliums erreicht und neues Vertrauen zur evangelischen Kirche geweckt." "Falsch für uns Frauen" In einem Kommentar für Spiegel online bewertet die Frauenrechtlerin und Autorin Alice Schwarzer den Rücktritt Margot Käßmanns wegen ihrer Alkoholfahrt als nicht richtig. Ihre "dramatische Konsequenz" auf die Alkoholfahrt sei "falsch für uns Frauen, falsch für die fortschrittlichen ProtestantInnen in Deutschland - und falsch für sie selbst". Schwarzer "bedauere den Rücktritt von Margot Käßmann sehr." Es gebe zwar "reichlich Grund zu Scham und Reue und das Ringen um zukünftige Glaubwürdigkeit", aber Käßmann hätte sich "nicht wegen eines einmaligen Strauchelns gleich selbst zu Fall bringen müssen", so Schwarzer weiter. Die Theologin hätte vielleicht gerade eine besondere Kraft daraus ziehen können, "zu einer solchen Fehlbarkeit aufrecht zu stehen". Zu Käßmanns Rücktritt habe sicher auch "Scheinheiligkeit in ihren eigenen Reihen" beigetragen, meint Schwarzer. "Zu vielen konservativen Kräften war dieser dritte Makel deutlich einer zu viel: 1. Frau, 2. geschieden, 3. ein Glas zu viel getrunken." Käßmann sagte an diesem Mittwoch, sie habe einen schweren Fehler gemacht, den sie zutiefst bereue. Sie war am Samstagabend am Steuer ihres Dienstwagens in Hannover von der Polizei gestoppt worden, nachdem sie über eine rote Ampel gefahren war. Wegen des hohen Wertes von 1,54 Promille Alkohol im Blut hat die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen sie eingeleitet. Unterdessen rechnet die Staatsanwaltschaft in Hannover mit einem zügigen Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen Käßmann, sagte Staatsanwalt Jürgen Lendeckel. Die Bischöfin hatte auch einen Beifahrer im Auto. Dessen Personalien seien aber nicht aufgenommen worden, sagte der Sprecher des Innenministeriums in Hannover, Klaus Engemann. Käßmann war Ende Oktober vergangenen Jahres als erste Frau in das höchste Amt der evangelischen Kirche in Deutschland gewählt worden. Die streitbare Theologin hatte erst zu Weihnachten mit ihren Äußerungen zum Krieg in Afghanistan für eine breite innenpolitische Debatte gesorgt.
Respekt und Bedauern prägen die Reaktionen in Politik und Kirche nach dem Rücktritt der EKD-Vorsitzenden Käßmann. Frauenrechtlerin Alice Schwarzer hält den Rücktritt für falsch.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/ruecktritt-kaessmanns-verantwortung-ohne-wenn-und-aber-1.3818
"Rücktritt Käßmanns - ""Verantwortung ohne Wenn und Aber"""
00/02/2010
Alkohol in der Fastenzeit: Auch nach kirchlichen Maßstäben war das Verhalten von Margot Käßmann nicht in Ordnung. Dabei hat die Figur des "versoffenen Pastors" durchaus Tradition. Die Häme ist schwer zu unterdrücken: Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, die in der Afghanistan-Debatte als strenge Moralapostelin wahrgenommen wurde, setzt sich am Samstag nach Aschermittwoch sturzbetrunken ans Steuer ihres Dienstwagens und fährt über Rot. Allerdings muss erst einmal im Sinne der protestantischen Laienpriesterschaft betont werden, dass nach christlichem Verständnis wir alle Sünder sind und daher auch geistlichen Amtsträgern die Vergebung ihrer Sünden gewährt werden kann. "Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein" - das schadenfrohe Zeigen auf die Verfehlungen des anderen, das eigene Vollkommenheit unterstellt, ist pharisäisch. Entsprechend hat gerade die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann, die geschieden ist und krebskrank war, ihre menschlichen Schwächen und Anfechtungen immer wieder offen ausgestellt. Der automatische Impuls, nach dem Fehltritt den Rücktritt zu fordern, gehört insofern zunächst nicht der kirchlichen, sondern der politischen Sphäre an, wo man von öffentlichen Führungspersönlichkeiten "Konsequenzen" verlangt - ein Reflex, der sich in diesem Fall gewiss dadurch noch verstärkt hat, dass Käßmann häufig selbst mehr im Stil einer politischen als einer religiösen Führungsfigur aufgetreten ist. Nicht zuletzt diesem eher politisch-medialen Selbstverständnis ist es wohl geschuldet, dass sie nun so prompt von ihrem Amt zurückgetreten ist, anstatt erst einmal ein paar Tage abseits der Bild-Zeitung zu beten, die Bibel zu lesen und sich selbst zu prüfen. Verkneifen wir uns also die naheliegenden Witze - aus tiefem Glas schrei' ich zu Dir oder so etwas. Gleichwohl ist die folgenreiche Alkoholfahrt von Hannover auch nach kirchlichen Maßstäben eine krasse Erschütterung eines hohen moralischen Anspruchs. Käßmanns Vollrausch fällt in die Fastenzeit. Das Fasten vor Ostern ist - das scheint vielen Kommentatoren entgangen zu sein - den Protestanten zwar gar nicht als Pflicht auferlegt; so heißt es in Luthers und Melanchthons Apologie zum Artikel 15 der Augsburgischen Konfession: "Gott will, dass wir allzeit nüchtern und mäßig leben, und wie die Erfahrung gibt, so helfen dazu nicht viele Fasttage." Fasten als antikapitalistische Askese Aber die Kirche, der Käßmann bis Mittwoch vorstand, hat sich das Fasten, also eine typische Praxis altgläubiger Werkgerechtigkeit, in den letzten Jahren immer mehr zu eigen gemacht - vom Wunsch getragen, die Ent-Ritualisierung im Protestantismus auszugleichen und ein Bedürfnis nach lebensreformerischer Sinnsuche und antikapitalistischer Askese zu befriedigen. Daran nun musste sich eine EKD-Ratsvorsitzende in der Passionszeit messen lassen. Käßmann wurde am Samstag spätabends von der Polizei angehalten: da war schon seit Mittwoch Fastenzeit. Und am verkaterten Morgen nach dem Vergehen, also am Sonntag, der im Kirchenjahr Invokavit heißt und die Versuchung zum Bösen zum Thema hat, wurde offiziell die diesjährige Fastenaktion der evangelischen Kirche eröffnet: "7 Wochen ohne". Die mitteilsame Bischöfin hat zudem in der Fastenzeit des vergangenen Jahres dem Online-Sportmagazin achim-achilles.de, das mit Spiegel Online kooperiert, ein Interview gegeben, in dem sie sagte: "Fasten bringt eine Chance für einen neuen Blick auf das Leben und unsere Welt mit sich. Es geht um eine Konzentration auf das, was wirklich wichtig ist im Leben." Auf die Nachfrage des Magazins "Worauf verzichten Sie gerade?" antwortete sie: "Ich verzichte auf Alkohol." Nun ja. Geist statt Alkohol Alkohol und Religion haben seit jeher ein ambivalentes Verhältnis. Einerseits hängen Kult und Rausch, Gottesdienst und Fest, Spiritualität und Spiritus religionsgeschichtlich in vielen Kulturen zusammen. Andererseits gibt es auch eine traditionelle Assoziation von Heiligkeit und Abstinenz, ob im alten China, bei Zarathustra oder im Islam. Im Christentum jedoch ist dieser Widerspruch nie bis zum Letzten ausgetragen. So warnt im Neuen Testament der Apostel Paulus in seinen Briefen an die verlotterten Städte der Mittelmeerwelt zornig vor den "Werken des Fleisches", zu denen die Trunkenheit gehört, die von der wahren Inspiration des Glaubens zu unterscheiden sei: "Und saufet euch nicht voll Wein, daraus ein unordentlich Wesen folgt, sondern werdet voll Geistes", heißt es im Epheserbrief. In gleicher Weise verwahrt sich der Apostel beim Pfingstwunder gegen den Vorwurf der Zaungäste, die lallenden Christen seien "voll des süßen Weins": Nein, nicht betrunken seien sie, sondern der Heilige Geist sei in sie gefahren. Lesen Sie auf Seite 2, wie Martin Luther es mit dem "Saufteufel" hielt und was Margot Käßmann in Zukunft im Weinberg des Herren tun wird. Im Video: Nach dem Rücktritt der EKD-Ratsvorsitzenden Käßmann gibt es gemischte Reaktionen auf die Entscheidung der Bischöfin. Weitere Videos finden Sie hier
Alkohol in der Fastenzeit: Auch nach kirchlichen Maßstäben war das Verhalten von Margot Käßmann nicht in Ordnung. Dabei hat die Figur des "versoffenen Pastors" durchaus Tradition.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/alkohol-und-kirche-der-saufteufel-1.1317
Alkohol und Kirche - Der Saufteufel
00/02/2010
Sie nannten ihn den "grünen Prinzen". Grün ist die Farbe des Islam, und ein Prinz war er wegen der hohen Position seines Vaters. Scheich Hassan Jussef ist einer der Gründer und Führungsfiguren der islamistischen Palästinensergruppe Hamas im Westjordanland - doch sein ältester Sohn Mussab hat sich nun als Agent der Israelis geoutet. Unter dem Decknamen "grüner Prinz" soll er den Inlandsgeheimdienst Schin Bet zehn Jahre lang mit Informationen aus den innersten Zirkeln der Hamas versorgt, Anführer ans Messer geliefert und Dutzende Selbstmordanschläge verhindert haben. Für die Palästinenser ist das eine schmutzige Geschichte von Verrat an Volk und Familie. Für die Israelis ist es ein hochwillkommenes Heldenepos. Das "wahre Gesicht der Hamas" Mussab Hassan Jussef erzählt seine Geschichte in einem Buch mit dem Titel "Sohn der Hamas". Nächste Woche erscheint es in den USA, wo er seit 2007 im Exil lebt. Nun hat er vorab der israelischen Zeitung Haaretz Rede und Antwort gestanden. Es ist die Lebensbeichte eines 32-jährigen Mannes, der alle Werte und Traditionen seiner Herkunft auf den Kopf gestellt hat. Denn schon vor knapp zwei Jahren hatte Jussef Wirbel verursacht - mit dem Bekenntnis, dass er zum Christentum übergetreten sei und nun Joseph genannt werden wolle. Die Geschichte seiner Agententätigkeit beginnt den Berichten zufolge 1996. Bis dahin war der junge Mann brav und fromm den traditionellen Spuren gefolgt, er wirkte in den Jugendorganisationen der Hamas und wurde im Alter von 18 Jahren das erste Mal von den Israelis verhaftet. Der Vater hat wohl damals seinen Beinamen Abu Mussab, Vater des Mussab, mit Stolz getragen. Während der 16 Monate Haft in Megiddo aber begann eine Veränderung, die Mussab Hassan Jussef den "Prozess des Erwachens" nennt. Hinter Gittern habe er "das wahre Gesicht der Hamas" kennengelernt, die im Gefängnis mit aller Gewalt ein Schreckensregime über die Mitgefangenen ausgeübt habe, um sie vor jeder Kooperation mit den Israelis abzuschrecken. Bei ihm aber bewirkte dies offenbar das Gegenteil: Von der Entlassung an stand er in Diensten des Schin Bet. Unerkannt reihte er sich ein in ein Heer von Spitzeln, die für Israel Informationen aus dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen liefern. Das ist nie ohne Risiko, denn Kollaborateure wurden schon reihenweise ermordet. Dennoch dürfte keine andere Konfliktregion der Welt für den gegnerischen Geheimdienst so transparent sein wie die seit mehr als 40 Jahren besetzten Palästinensergebiete. Sogar jüngst bei der Ermordung des Hamas-Mannes Mahmud al-Mabhuh in Dubai sollen Palästinenser dem Killer-Kommando geholfen haben. "Nichts davon hat er für Geld getan" Es gibt viele solche Geschichten, und nicht selten sollen neue Zuträger - zumal inhaftierte Palästinenser - mit Druck und Drohungen dienstverpflichtet worden sein. Andere werden mit Geld gelockt. Mussab Hassan Jussef aber war offenbar ein Spitzel der besonderen Art - einer aus Überzeugung, einer mit Mission. Nach der Haftentlassung arbeitete er im Büro des Vaters, der immer mal wieder ins Gefängnis wanderte und auch heute hinter Gittern sitzt. Und er hielt die Augen und Ohren offen, wo er konnte. Für den Schin Bet soll er während der zweiten Intifada, die im Jahr 2000 begann, die wertvollste Quelle in der Hamas gewesen sein - mittendrin im Geschehen und geschützt vom Namen des Vaters. Unabhängig überprüfen lässt sich das nicht, weil sich Israels Geheimdienst nicht dazu äußert, und auch die Hamas sich niemals die Blöße geben würde, eine solche Panne im Sicherheitsnetz zuzugeben. Aber Haaretz hat den ehemaligen Führungsoffizier von Jussef im Schin Bet ausfindig gemacht, der im Buch als Captain Loai firmiert. Er bestätigt die Berichte und erhebt den Agenten, der eine Vielzahl von Selbstmordanschlägen verhindert habe, in den Heldenstatus: "So viele Leute verdanken ihm ihr Leben und wissen es nicht einmal", sagt er. "Nichts davon hat er für Geld getan, sondern weil er daran glaubte, was er tat." Mussad Hassan Jussef also ist ein Spion ganz nach israelischem Geschmack. "Ich wünschte, ich wäre jetzt in Gaza", sagte er Haaretz von Kalifornien aus am Telefon, "dann würde ich mir eine Uniform anziehen und zusammen mit israelischen Spezialeinheiten Gilad Schalit befreien". Doch er weiß wohl selbst, dass er so bald weder nach Gaza fahren kann zur Befreiung des entführten Soldaten Schalit, noch nach Ramallah, um seine Familie wiederzusehen. Der Bruch ist vollzogen. Der Hamas-Führer Scheich Hassan Jussef, genannt Abu Mussab, hat seinen Sohn an den Feind verloren.
Im Auftrag des Feindes: Mussab Hassan Jussef, Sohn eines Hamas-Gründers, spionierte jahrelang für Israel - nicht für Geld, sondern aus Überzeugung.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/israel-und-die-hamas-das-gestaendnis-des-gruenen-prinzen-1.9186
Israel und die Hamas - Das Geständnis des grünen Prinzen
00/02/2010
"Am vergangenen Samstagabend habe ich einen schweren Fehler gemacht, den ich zutiefst bereue. Aber auch wenn ich ihn bereue, und mir alle Vorwürfe, die in dieser Situation berechtigterweise zu machen sind, immer wieder selbst gemacht habe, kann und will ich nicht darüber hinweg sehen, dass das Amt und meine Autorität als Landesbischöfin sowie als Ratsvorsitzende beschädigt sind. Die Freiheit, ethische und politische Herausforderungen zu benennen und zu beurteilen, hätte ich in Zukunft nicht mehr so wie ich sie hatte. Die harsche Kritik etwa an einem Predigtzitat wie 'Nichts ist gut in Afghanistan' ist nur durchzuhalten, wenn persönliche Überzeugungskraft uneingeschränkt anerkannt wird. Einer meiner Ratgeber hat mir gestern ein Wort von Jesus Sirach mit auf den Weg gegeben: 'Bleibe bei dem, was dir dein Herz rät' (37,17). Und mein Herz sagt mir ganz klar: Ich kann nicht mit der notwendigen Autorität im Amt bleiben. So manches, was ich lese, ist mit der Würde dieses Amtes nicht vereinbar. Aber mir geht es neben dem Amt auch um Respekt und Achtung vor mir selbst und um meine Gradlinigkeit, die mir viel bedeutet. Hiermit erkläre ich, dass ich mit sofortiger Wirkung von allen meinen kirchlichen Ämtern zurücktrete. Ich war mehr als 10 Jahre mit Leib und Seele Bischöfin und habe all meine Kraft in diese Aufgabe gegeben. Ich bleibe Pastorin der hannoverschen Landeskirche. Ich habe 25 Jahre nach meiner Ordination vielfältige Erfahrungen gesammelt, die ich gern an anderer Stelle einbringen werde. Es tut mir Leid, dass ich viele enttäusche, die mich gebeten haben, im Amt zu bleiben, ja die mich vertrauensvoll in diese Ämter gewählt haben. Ich danke allen Menschen, die mich so wunderbar getragen und gestützt haben, für alle Grüße und Blumen, die meiner Seele sehr gut getan haben in diesen Tagen. Dem Rat der EKD danke ich sehr, dass er mir gestern Abend deutlich sein Vertrauen ausgesprochen hat. Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der hannoverschen Landeskirche und in der EKD, die mich haupt- und ehrenamtlich unterstützt haben. Insbesondere danke ich meinem engsten Team, das mir in manchem Sturm die Treue gehalten hat. Ich danke allen Freundinnen und Freunden, allen guten Ratgebern. Und ich danke meinen vier Töchtern, dass sie meine Entscheidung so klar und deutlich mittragen und heute hier sind. Zuletzt: Ich weiß aus vorangegangenen Krisen: Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand. Für diese Glaubensüberzeugung bin ich auch heute dankbar." Hannover, 24. Februar 2010 Dr. Margot Käßmann
In ihrer Rücktrittserklärung bezieht sich die EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann auf Worte der Bibel und ihre Selbstachtung. sueddeutsche.de dokumentiert die Erklärung der Bischöfin im Wortlaut
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https://www.sueddeutsche.de/politik/kaessmanns-erklaerung-du-kannst-nie-tiefer-fallen-als-in-gottes-hand-1.24886
"Käßmanns Erklärung - ""Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand"""
00/02/2010
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat FDP-Chef Guido Westerwelle in der Hartz-IV-Debatte öffentlich zurechtgewiesen. Kurz vor einem Spitzentreffen der drei Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP im Kanzleramt trug Merkel damit offenkundig nicht zur Verbesserung der ohnehin schlechten Stimmung in der Koalition bei. Merkel sagte, der Vizekanzler habe seine Ausführungen zu dem Thema so formuliert, als bräche er ein Tabu. Dabei habe er inhaltlich nur Selbstverständliches ausgesprochen. Sie wolle vermeiden, dass durch bestimmte Formulierungen wie "Man muss noch sagen dürfen" der Eindruck entstehe, dass es ein Tabu gebe, sagte die Kanzlerin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. "Das trifft ja gerade bei der Umsetzung des Hartz-IV-Urteils und beim sogenannten Lohnabstandsgebot nicht zu." Merkel machte auch deutlich, dass sie für die von Westerwelle seit Jahresbeginn wiederholt geforderte geistig-politische Wende keinen Anlass sehe. "Absolut schlechte Stimmung" In der FDP war zuvor bereits angekündigt worden, dass Westerwelle in "absolut schlechter Stimmung" zum Treffen mit Merkel und Horst Seehofer (CSU) gehen werde. Nach Aussage eines engen Vertrauten ist Westerwelle zutiefst verärgert über ständige Querschüsse vor allem aus der CSU, aber auch über Merkel, die Unruhestifter in den eigenen Reihen nicht zügele. Unmut freilich gibt es inzwischen auch auf Seiten der Union. So sind derzeit viele in den Parteiführungen von CDU und CSU "irritiert" und "fassungslos" über das Agieren des FDP-Chefs vor allem in der Sozialstaatsdebatte. Offiziell wurde die Dreier-Begegnung im Kanzleramt als Routinetreffen deklariert. Beim ersten Treffen dieser Art im Januar war unter anderem eine bessere öffentliche Darstellung der Koalition vereinbart worden. "Totalabsage" von Söder Schon im Koalitionsausschuss vom Dienstag hatte es zwar keinen offenen Streit, wohl aber eine sehr unterschiedliche Interpretation der Lage durch Kanzlerin und Vizekanzler gegeben. So beschwerte sich Westerwelle mit Verweis auf den Koalitionsvertrag, dass ihm aus der Union in der Hartz-IV-Debatte niemand gefolgt sei, obwohl man sich in den Koalitionsverhandlungen auf Änderungen bei Hartz IV verständigt habe. Die Kanzlerin beklagte ebenfalls mit Verweis auf den gemeinsamen Vertrag, warum Westerwelle überhaupt eine aggressive Hartz-IV-Debatte angestoßen habe, obwohl man schon Änderungen beschlossen oder in Auftrag gegeben habe. Diese unterschiedliche Sichtweise auf denselben Sachverhalt zeigt, wie schwer es der Koalition fällt, zueinander zu finden. Verärgert zeigten sich Liberale am Mittwoch erneut auch über die CSU und die "Totalabsage" durch den bayerischen Gesundheitsminister Markus Söder an die Gesundheitsprämie. Dies sei ein Kernstück liberaler Politik, das man nicht einfach vom Tisch wischen könne, hieß es. Während sich die FDP sichtlich um die Wahrung des Koalitionsfriedens bemühe, kämen nahezu jeden Tag neue Angriffe von der CSU. Bei den Christsozialen dagegen hat sich inzwischen ein anderer Eindruck festgesetzt. Dort heißt es, unentwegt hänge das Klima in der Koalition allein von der Frage ab, wie sich Guido Westerwelle gerade fühle. Das Treffen am Mittwoch war nach drei Stunden beendet, Westerwelle nannte das Gespräch "sachlich und ruhig".
Es gibt kein Tabu: Die CDU-Vorsitzende kritisiert die Aussagen des FDP-Chefs über Arbeitslose.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/hartz-iv-merkel-distanziert-sich-von-westerwelle-1.9189
Hartz IV - Merkel distanziert sich von Westerwelle
00/02/2010
Von Briefpapier mit Werbung bis zu "Leihbeamten" aus Konzernen: Ministerien und Parteien lassen sich immer häufiger von Unternehmen unterstützen - das ist diskret und steuerlich absetzbar. Der Anrufer hatte ein geschäftliches Anliegen, klang aber sympathisch: "Ministerpräsident Roland Koch hat mich beauftragt, Sie persönlich anzusprechen." Dann erzählte er von der Wiesbadener CDU-Zeitschrift Hessen Kurier und einem exklusiven Angebot. "Wir planen für Ihre Region eine Extraseite." Das sei doch "eine gute Gelegenheit", sich als ortsansässiges Unternehmen zu präsentieren. Manche Geschäftsleute fühlten sich geschmeichelt und buchten eine kleine Anzeige. Vermutlich auch wegen Koch. Ist solche Akquise erlaubt, oder ist sie anstößig? Heutzutage wird "alles Mögliche skandalisiert", schimpft ein hessischer Politiker. Wenn es um Geld und Politik geht, riecht es in Hessen und auch sonst wo in der Republik immer ein bisschen streng. Die Sponsoren-Affäre des Düsseldorfer CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers, in deren Verlauf sein Generalsekretär Hendrik Wüst zurücktreten musste, wirft denn auch nur ein Schlaglicht auf eine spezielle und weitgehend unerforschte Form der Parteienfinanzierung. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit haben Parteien, Politiker und Regierungsapparate das Sponsoring als Mittel der Geldbeschaffung entdeckt. Dem fröhlichen Geber bieten solche Konstruktionen den Vorteil, dass seine Leistungen in der Regel steuerlich absetzbar sind. Alles läuft diskret ab. Leistungen von Sponsoren sind, anders als Spenden, nicht an die Publikationspflicht des Parteiengesetzes gebunden: "Sponsoring - ein neuer Königsweg in der Parteienfinanzierung?" lautet der Titel eines bereits 2006 erschienenen Sammelbandes, der die Ergebnisse eines Symposiums an der Universität Düsseldorf wiedergibt. Den Königsweg mit der sehr speziellen Zusammenarbeit zwischen Politikern und Wirtschaftsunternehmen gehen die Parteien schon lange. Fast alle Parteien finanzieren seit etlichen Jahren einen Teil ihrer Parteitage durch den Verkauf von Ausstellungsflächen für Sponsoren. Immer wieder wird darüber berichtet, und dann gerät die Praxis in Vergessenheit. Ungewöhnlich waren im Fall Rüttgers/Wüst eigentlich nur die unverblümte Wortwahl der Werbebriefe und die Preisliste für Politiker. Die Offerte - Gespräche gegen Geld - war plump. Sponsern hingegen ist elegant. Wer hat gespendet und warum? Doch wenn es um Fragen wie Einfluss auf Politik und Käuflichkeit von Politik geht, stellt ein Teil der Öffentlichkeit immer noch die alten Fragen: Wer hat gespendet und warum? Die "Mövenpick-Affäre" um die Millionengabe des August Finck junior für die FDP war eigentlich nur ein Reflex auf weitverbreitete Vorstellungen von politischer Landschaftspflege. Konzerne schicken "Leihbeamte" Anders das Sponsern. Wörterbücher erklären das Wort Sponsor mit "Schirmherr", "Wohltäter" oder "Gönner" - doch das sollte man nicht allzu wörtlich nehmen. Die von Konzernen geübte Praxis beispielsweise, Spezialisten als "Leihbeamte" in die Ministerien zu schicken, die weiterhin vom Unternehmen bezahlt werden, aber angeblich die Interessen der Öffentlichkeit vertreten, ist besonders raffiniertes Sponsoring. Alle zwei Jahre veröffentlicht das Bundesinnenministerium (BMI) einen Bericht über die "Sponsoringleistungen an die Bundesverwaltung". Für die Jahre 2007 und 2008 kamen insgesamt 78,2 Millionen Euro zusammen. An der Spitze stand wieder einmal das Bundesministerium für Gesundheit, das 42,31 Millionen Euro erhielt. "Verwendungsschwerpunkt waren Maßnahmen zur Gesundheitsprävention", steht im Bericht. Tagungen von Ministerien oder das Sommerfest des Bundespräsidenten werden gesponsert. Befürworter des Regierungs-Sponsorings argumentieren, dass solche Gaben den Staatshaushalt entlasten. Andererseits verweist das BMI in seinem jüngsten Bericht darauf, dass solche Zahlungen "mit einem Anteil von 0,00014 Prozent an den Einnahmen des Bundes nur von marginaler Bedeutung" seien. Aber warum lässt sich dann eine Regierung von der Industrie überhaupt sponsern? "Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb", wusste schon der Apostel Paulus. Lesen Sie weiter, zu welchen Kuriositäten politisches Sponsoring führen kann.
Von Briefpapier mit Werbung bis zu "Leihbeamten" aus Konzernen: Ministerien und Parteien lassen sich immer häufiger von Unternehmen unterstützen - das ist diskret und steuerlich absetzbar.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/parteien-sponsoring-die-froehlichen-geber-1.3326
Parteien-Sponsoring - Die fröhlichen Geber
00/02/2010
Es ist ein starker Rücktritt: Margot Käßmann beherrscht eine Kunst, die viele Politiker und Prominente nicht beherrschen - sie hat das Amt zur rechten Zeit aufgegeben, statt sich daran zu klammern. Warum ihr Verlust für Deutschlands Protestanten auch ein Gewinn sein kann. Margot Käßmann hat die Kontrolle über sich zurückgewonnen. Ihr Rücktritt ist kein Akt der Schwäche, sondern der Stärke. Der Rat der Evangelischen Kirche hat sie im Amt halten wollen, er hat ihr das Vertrauen ausgesprochen - und ihr so die Möglichkeit gegeben, ganz allein über ihre Zukunft zu entscheiden. Und Käßmann hat sich gut entschieden: Der Häme setzt sie Reue entgegen, der Demütigung Demut: "Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand." Ämter sind nicht alles im Leben; sie zur rechten Zeit aufzugeben, ist eine Kunst, die viele Politiker und Prominente nicht beherrschen. Diesen Fehler wollte sich Käßmann nicht auch noch nachsagen lassen. Der Weg der Besinnung Wie hart Käßmann mit sich selbst ins Gericht geht, zeigt sich daran, dass sie nicht nur ihr Amt als Ratsvorsitzende abgibt, sondern auch das der Landesbischöfin. Sie ist nun nur noch eine einfache Pastorin. Aber was heißt "nur". Die Kirche ruht ja nicht allein auf den Schultern ihrer hohen Würdenträger. Sie lebt von ihren Pastoren, vom Gemeindeleben und der Arbeit ihrer vielen ehrenamtlichen Helfer. Für Margot Käßmann muss der Rückzug an die Basis keine Strafe sein. Es kann ein Weg der Besinnung werden; der Verlust, den viele Protestanten nun beklagen, ist auch ein Gewinn. Das beginnt bei der Glaubwürdigkeit. Wäre Käßmann im Amt geblieben, hätte die Alkoholfahrt ihre Arbeit noch lange Zeit überlagert. Die Gefahr war zu groß, dass sich die Evangelische Kirche in eine One-Woman-Show verwandelt hätte, und noch dazu in keine erfreuliche und unterhaltsame. Natürlich kann man darüber lamentieren, wie unbarmherzig die Medienwelt ist und wie wenig Gnade Prominente finden, wenn sie straucheln. Es stimmt aber nicht, dass gefallene Stars und Politiker auf alle Zeit einem Bann unterliegen. Viele mischen schon nach erstaunlich kurzer Zeit wieder in der Öffentlichkeit mit. Ein Anlass, über Moral nachzudenken In ihrer Kirche, aber nicht nur dort, hat Käßmann viele Freunde und Bewunderer. Ihr Rat und ihre Meinung werden auch in Zukunft gefragt sein; fast möchte man sie aber davor warnen, allzu schnell auf die vielen, mit Sicherheit bevorstehenden Angebote einzugehen, sich wieder einer großen Öffentlichkeit zu präsentieren und zu erklären. Käßmanns Rücktritt ist auch für andere ein guter Anlass, in sich zu gehen, und über Moral und Verantwortung nachzudenken. Alkohol am Steuer ist ein Massenphänomen, ein gefährliches Spiel mit dem Leben. Dahinter steckt nicht nur Gedankenlosigkeit, es zeigen sich darin auch Übermut und Größenwahn: Ja, ich habe noch alles unter Kontrolle. Die Trunkenheitsfahrt ist, zumal bei Menschen in wichtigen Jobs und Ämtern, Ausdruck einer Selbstüberschätzung. Der Mensch ist aber, welche Gewänder er auch trägt, welche Medaillen ihm auch um den Hals gehängt, eben doch nur ein schwaches Wesen, das sich immer wieder aufraffen muss, um wirkliche Stärke zu zeigen. Margot Käßmann hat sich gerade wieder aufgerafft. Im Video: Als Konsequenz aus ihrer Alkohol-Fahrt ist Margot Käßmann von allen kirchlichen Führungsämtern zurückgetreten. Weitere Videos finden Sie hier
Es ist ein starker Rücktritt: Margot Käßmann beherrscht eine Kunst, die viele Politiker und Prominente nicht beherrschen - sie hat das Amt zur rechten Zeit aufgegeben, statt sich daran zu klammern. Warum ihr Verlust für Deutschlands Protestanten auch ein Gewinn sein kann.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/kaessmann-ruecktritt-die-one-woman-show-faellt-aus-1.7280
Käßmann: Rücktritt - Die One-Woman-Show fällt aus
00/02/2010
Die Kirche ist kein Verein von Sexualverbrechern. Bischof Zollitsch sollte nicht der Justizministerin ein Ultimatum stellen, sondern der Kirche selbst. Ein Ultimatum ist die schärfste Forderung, die es in der politischen Strategie gibt; es ist das letzte Mittel der Diplomatie; früher ging es einer Kriegserklärung voraus. Wenn ein Bischof - nicht irgendeiner, sondern der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz - der Bundesjustizministerin ein Ultimatum stellt, so ist das ein spektakulärer Vorgang. Er ist spektakulärer als die Alkoholfahrt der evangelischen Bischöfin Käßmann; die Trunkenheit ist das Problem einer einzelnen charismatischen Person und ihrer Glaubwürdigkeit. Beim Streit zwischen Erzbischof Zollitsch und der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger geht es um die Probleme einer gewaltigen Institution, der größten und geschichtsträchtigsten in Deutschland - und um die Art und Weise, wie die Ministerin darauf reagiert hat. Sie hat der katholischen Kirche vorgeworfen, die Fälle des sexuellen Missbrauchs in ihren Reihen zu vertuschen und mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden nicht konstruktiv zusammenzuarbeiten. In diesem Vorwurf steckt Gift, nämlich der Vorwurf der Strafvereitelung. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz hat darauf noch giftiger reagiert: Er hat die Ministerin ultimativ aufgefordert, sich zu entschuldigen, und zwar binnen 24 Stunden. Es blitzt und donnert zwischen Staat und Kirche Urplötzlich also blitzt und donnert es im Verhältnis von Staat und Kirche, in einem Verhältnis, das in Deutschland sonst dem bequemen Trott der Tradition folgt; die ist geprägt von der im Grundgesetz vorgeschriebenen freundlichen Trennung von Kirche und Staat, welche in der Praxis aber eher einem gordischen Miteinander gleicht, über das (vom staatlichen Einzug der Kirchensteuer bis zur Staatsalimentation der Bischöfe) im politischen Betrieb ungern geredet wird. Die Kirchen in Deutschland haben viele Privilegien; das Privilegium, außerhalb des weltlichen Rechts zu stehen und ihre Funktionäre stattdessen nach eigenem kirchlichen Recht beurteilen zu dürfen, haben sie aber nicht (mehr). Richtig ist, dass der Staat sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Kirchen einmischen darf. Ebenso richtig ist aber auch, dass es sich bei Sexualdelikten nicht um innere Angelegenheiten handelt. Die Kirchen und ihre Angehörigen sind den staatlichen Strafgesetzen unterworfen. In dieser Hinsicht sind die Menschen nicht katholisch, nicht evangelisch, nicht muslimisch - sondern gleich. Bis in die jüngere Zeit konnte man aber den Eindruck haben, dass die katholische Kirche der Zeit ihrer eigenen exklusiven Rechtsgewalt inbrünstig nachhängt: Immer wieder hat sie geistliche Sexualstraftäter in Klöstern oder, noch schlimmer, in uninformierten Pfarreien versteckt. Das ist vorbei, freilich noch nicht lange. Aber weil die Kirche sich neuerdings bemüht, sich den Problemen zu stellen, mag sie sich ihre alten Fehler von der Ministerin nicht mehr als neue Fehler vorhalten lassen. Das ist der Kern des Streits, der im Ultimatum gipfelte. Ein Ausdruck hilfloser Empörung Dieses katholische Ultimatum hat bei aller Empörung etwas Hilfloses, es ist ein Ausdruck hilfloser Empörung. Die Zeiten, in denen die Kirche mit Fluch und Bann beeindrucken und Politik machen konnte, sind eigentlich lang vorbei. Dass sich die Kirche ausgerechnet in einer Zeit, in der sie von Missbrauchsskandalen erschüttert wird, daran erinnert, erregt schon fast Mitleid. Das Ultimatum befremdet viele, auch kirchennahe Menschen. Für Unruhe sorgt es allenfalls in der schwarz-gelben Koalition; denn die FDP, traditionsgemäß kirchenkritisch, schart sich um ihre liberale Ministerin; die CDU/CSU, traditionsgemäß kirchenfreundlich, muss sich nolens volens hinter den Bischof stellen. Die Kirche trägt neuen Konfliktstoff in eine mit Konflikten schon reich gesegnete Koalition. Ob sich auch die Kanzlerin in die katholische Liga einreiht, ist fraglich. Sie hat vor einem Jahr den Konflikt selbst mit dem Papst nicht gescheut, als sie ihn aufforderte, das Verhältnis seiner Kirche zum Judentum zu klären. Die Traditionalisten in der CDU haben schwer gemurrt, ihr Murren hat sich mittlerweile in einem christlichen Arbeitskreis organisiert. Dort herrscht Schmerz darüber, dass nicht mehr Kirche und Kolping das Leben im Lande bestimmen, sondern, angeblich, Libertinage und Permissivität. Aber diese waren, ausweislich der aufgedeckten Verbrechen, auch in kirchlichen Internaten und Pfarrhäusern zu Hause. Kein Verein von Sexualverbrechern Wenn jemand einen Bußgang antreten muss, dann ist es nicht die FDP-Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger, sondern die Kirche. Erzbischof Zollitsch hat sich im Namen der Kirche bei den sexuellen Opfern entschuldigt, viel zu spät freilich und zu lapidar. Seine Erklärung, erst wenige Tage alt, hat gezeigt: Die Kirche nimmt ihre Schuld zwar endlich zur Kenntnis - ist aber von einem umfassenden Bekenntnis noch weit entfernt, von einem Bekenntnis, das auch die Bitte um Verzeihung für ein jahrelanges Wegschauen umfasst. Die Kirche ist kein Verein von Sexualverbrechern. Wenn in der öffentlichen Diskussion bisweilen ein solcher Eindruck erweckt wird, ist das perfide und zieht viel Gutes in den Dreck. Dagegen hilft kein Ultimatum an die Ministerin. Da hilft nur die befreiende Kraft der Wahrheit. Die katholische Kirche muss sich dafür selbst das Ultimatum setzen.
Die Kirche ist kein Verein von Sexualverbrechern. Bischof Zollitsch sollte nicht der Justizministerin ein Ultimatum stellen, sondern der Kirche selbst.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kirche-und-missbrauch-ultimatum-fuer-aufrichtigkeit-1.10399
Kirche und Missbrauch - Ultimatum für Aufrichtigkeit
00/02/2010
"Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand": Als geschiedene Frau hat Käßmann die evangelische Kirche in die Gegenwart geführt. Doch nach nur 121 Tagen zerstörte Trunkenheit am Steuer ihre eindrucksvolle Karriere - und zwang sie zum Rücktritt von allen ihren Ämtern. Margot Käßmann hat sich entschieden. Die evangelische Bischöfin tritt von ihren Ämtern als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und als hannoversche Landesbischöfin zurück. Nur 121 Tage lang war Käßmann die oberste Repräsentantin der Evangelischen Kirche in Deutschland - dann zerstörte eine Autofahrt ihre eindrucksvolle Karriere. "Am vergangenen Samstag habe ich einen schweren Fehler gemacht, den ich zutiefst bereue", sagte die sichtlich bewegte Käßmann am Mittwochnachmittag vor Journalisten. Sie könne und wolle nicht darüber hinwegsehen, dass durch ihr Verhalten "das Amt und meine Autorität beschädigt sind". Dann der entscheidende Satz: "Hiermit erkläre ich, dass ich mit sofortiger Wirkung von allen meinen kirchlichen Ämtern zurücktrete". Käßmann bestätigt somit, was die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf Kirchenkreise zuvor schon berichtet hatte. Käßmann entschuldigte sich bei ihren Unterstützern. "Es tut mir leid, dass ich viele enttäusche, die mich weiter im Amt sehen wollten". Die Theologin kündigte aber an, weiter als Pastorin der hannoverschen Landeskirche zu arbeiten. Trost spende ihr natürlich Gott - "Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand". Der tiefe Fall der Margot Käßmann begann vergangenen Samstagabend. Die Polizei stoppte die 51-Jährige mit ihrem Dienstwagen, nachdem sie im Zentrum von Hannover eine rote Ampel missachtet hatte. Der Alkoholtest ergab: Käßmann saß mit 1,54 Promille im Blut am Steuer. Zwei Tage später erklärte die Pastorin, sie habe einen schlimmen Fehler begangen. "Mir ist bewusst, wie gefährlich und unverantwortlich Alkohol am Steuer ist", sagte Käßmann der Bild, die zuerst von dem Vorfall berichtete. Käßmann ergänzte: "Den rechtlichen Konsequenzen werde ich mich selbstverständlich stellen." Dass ihr Fehler nicht nur rechtliche Konsequenzen haben wird, ahnte Käßmann wohl schon am Montag, noch bevor der Fall publik wurde. "Egal was ich sage, vielleicht auch heute Abend, ich finde jeden Satz wieder", beklagte sich die Landesbischöfin in einer Podiumsdiskussion. Am nächsten Morgen berichtete Bild dann auf Seite eins von Käßmanns Alkoholfahrt. Im Video: Die Alkoholfahrt der EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann beschäftigt die Öffentlichkeit weiter. Weitere Videos finden Sie hier
"Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand": Als geschiedene Frau hat Käßmann die evangelische Kirche in die Gegenwart geführt. Doch nach nur 121 Tagen zerstörte Trunkenheit am Steuer ihre eindrucksvolle Karriere - und zwang sie zum Rücktritt von allen ihren Ämtern.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/evangelische-kirche-margot-kaessmann-flucht-nach-vorn-1.23091
Evangelische Kirche - Margot Käßmann - Flucht nach vorn
00/02/2010
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat den Leitfaden der Kirche im Umgang mit sexuellem Missbrauch scharf kritisiert. sueddeutsche.de hat sich das Dokument angeschaut. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bleibt auf Konfrontationskurs zu den Bischöfen. Sie hat nicht vor, wegen des Umgangs mit sexuellem Missbrauch von Kindern in der katholischen Kirche andere Worte zu wählen - und sich für ihre Vorwürfe gegen die katholische Kirche zu entschuldigen. Genau das hatte die Bischofskonferenz - Frist: 24 Stunden - gefordert. Der Vorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch, sagte, nach seinem Empfinden habe es in der Politik noch nie eine "ähnlich schwerwiegende Attacke auf die katholische Kirche gegeben". Dennoch bemüht sich die Bischofskonferenz inzwischen, den Konflikt mit der Ministerin zu entschärfen. Ihr Sprecher Matthias Kopp sagte der Süddeutschen Zeitung mit Blick auf das Angebot der Ministerin für ein Treffen mit Zollitsch: "Wir sehen dem Brief und dem Gespräch positiv entgegen." Kopp machte klar, dass Zollitsch nicht mehr auf seiner ultimativen Forderung besteht, Leutheusser-Schnarrenberger müsse ihre Kritik über zögerlicher Kooperation der Kirche mit der Justiz in solchen Fällen unverzüglich zurücknehmen. "Das Ultimatum ist damit aus der Welt", sagte Kopp. Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) kritisierte die Aussagen der Ministerin als "ungerechtfertigt, maßlos und irreführend". Der entscheidende Wille zur rückhaltlosen Aufklärung werde dadurch belegt, dass die Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen durch eigene Initiativen der kirchlichen Stellen bekanntgeworden seien, erklärte ZdK-Präsident Alois Glück. Und tatsächlich: In den "Leitlinien mit Erläuterungen zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz", wie der sperrige Titel des 2002 erstellten Leitfadens lautet, steht: "In erwiesenen Fällen sexuellem Missbrauchs Minderjähriger wird dem Verdächtigen zur Selbstanzeige geraten und gegebenenfalls das Gespräch mit der Staatsanwaltschaft gesucht." "Gegebenenfalls" - dem Schritt zum Staatsanwalt gehen umfangreiche interne Prüfungen und eine kirchenrechtliche Untersuchung voran. Erst bei "erwiesenen Fällen" wird Kontakt zu den Behörden aufgenommen. Damit handeln katholische Einrichtungen wesentlich später als vergleichbare Institutionen. Wie sueddeutsche.de beim bayerischen Kultusministerium erfragte, gehen zwar auch Schulen Hinweisen auf strafbaren Handlungen an Schülern zunächst intern nach. Doch hier schreiben die internen Richtlinien vor, bereits bei einem Verdacht auf Missbrauch die Polizei einzuschalten. Doch nicht genug, dass die kirchlichen Vorschriften hinter denen weltlicher Institutionen zurückbleiben: Auch an der Umsetzung der Minimalforderungen scheitern die Geistlichen. Die einzelnen Bischöfe, die für ihre Bereiche jeweils allein verantwortlich sind, setzen die Richtlinien völlig unterschiedlich um. Die Kommission der Generalvikare der 27 deutschen Diözesen überprüfte die aktuelle Praxis angesichts der jüngsten Vorwürfe und machte einige Verbesserungsvorschläge. Unter anderem forderte sie, dass die Missbrauchsbeauftragten in den Diözesen und Gemeinden von außen kommen sollten. Dass es diese Beauftragten geben muss, schreiben ebenfalls die Leitlinien vor - in den meisten Gemeinden üben jedoch Mitglieder der Bistumsleitung diesen Posten aus. Viel größer als die unzureichenden Richtlinien ist aber das Problem, dass Informationen über sexuellen Missbrauch in katholischen Gemeinden vielfach völlig verschwiegen wurden. Inzwischen ist bekannt, dass in Deutschland auffällig gewordene Priester mehrfach in andere Gemeinden oder Diözesen versetzt wurden und weiterhin Kontakt mit Kindern und Jugendlichen haben konnten. Hier ist keine Verschärfung des Kirchenrechts notwendig - das verbietet der Leitfaden schon jetzt. Zurzeit wird in Deutschland die Forderung laut, sich an dem Vorgehen der katholischen Kirche in den USA zu orientieren: Dort wird ein Geistlicher seines Amtes enthoben, wenn ihm unsittlicher Kontakt zu Minderjährigen nachgewiesen werden kann. Die Deutsche Bischofskonferenz sieht das derzeit nur als mögliche, nicht als zwingende Strafmaßnahme vor. Angesichts solcher Tatsachen lag Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nicht völlig falsch. Die FDP-Politikerin hatte im Deutschlandradio Kultur gesagt, die internen Richtlinien der Katholiken allein reichten nicht aus, um den sexuell missbrauchten Opfern zu ihrem Recht zu verhelfen oder sie wirksam zu schützen. Und sie forderte, dass bereits bei Verdachtsfällen eine objektive Stelle wie die Staatsanwaltschaft informiert werden. Zuvor hatte die Politikerin in den ARD-Tagesthemen gesagt, sie erwarte, "dass die Verantwortlichen der katholischen Kirche endlich konstruktiv mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten, Hinweise geben und mit aufklären". Bisher habe sie nicht den Eindruck, dass die Bischöfe "ein aktives Interesse an wirklich rückhaltloser Aufklärung gezeigt haben". Daran ändert auch ein Ultimatum nichts.
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat den Leitfaden der Kirche im Umgang mit sexuellem Missbrauch scharf kritisiert. sueddeutsche.de hat sich das Dokument angeschaut.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauch-in-der-katholischen-kirche-nach-goettlichem-recht-1.15351
Missbrauch in der katholischen Kirche - Nach göttlichem Recht
00/02/2010
"Vorsätzlicher Mord": Aus Protest gegen die kubanische Regierung war Orlando Zapata in den Hungerstreik getreten - nun starb er. Kurzmeldungen im Überblick. Kubanischer Oppositioneller stirbt nach Hungerstreik Nach einem mehr als zweimonatigen Hungerstreik ist in Kuba der prominente politische Häftling Orlando Zapata mit nur 42 Jahren gestorben. Nach Krankenhausangaben starb er am Dienstag in einem Hospital in Havanna, in das er wegen seines schlechten Gesundheitszustands gebracht worden war. Mit dem Hungerstreik habe Zapata gegen seine Haftbedingungen protestieren wollen, erklärte die Kubanische Kommission für Menschenrechte und Nationale Versöhnung. Zapatas Tod sei "eine große Tragödie für seine Familie und eine sehr schlechte Nachricht für alle Menschenrechtsbewegungen, aber auch für die Regierung, die den politischen Preis für diesen Tod zahlen muss", sagte der Vorsitzende der Kommission, Elizardo Sánchez. Es handele sich um "vorsätzlichen Mord", weil die Behörden dem Dissidenten zu lange ärztliche Hilfe vorenthalten hätten. Zapata war erst in der vergangenen Woche aus einem Gefängnis in Camaguey im Landesinneren nach Havanna gebracht worden. Der Kommission zufolge war der Bürgerrechtler Zapata 2003 wegen "Störung der öffentlichen Ordnung" zu 18 Jahren Haft verurteilt worden. In Kuba sitzen derzeit rund 200 politische Häftlinge im Gefängnis. Warum Jutta Lieske in Brandenburg vom Amt der Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft zurückgetreten ist und wer nach dem Militärputsch in Niger zum neuen Ministerpräsidenten ernannt wurde: Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Kurzmeldungen.
"Vorsätzlicher Mord": Aus Protest gegen die kubanische Regierung war Orlando Zapata in den Hungerstreik getreten - nun starb er. Kurzmeldungen im Überblick.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-kubanischer-dissident-stirbt-nach-hungerstreik-1.7074
Kubanischer Dissident stirbt nach Hungerstreik
00/02/2010
Im Prozess gegen den Lobbyisten Schreiber haben die Strauß-Söhne ausgesagt - für Aufsehen sorgten Unterlagen aus Liechtenstein. Für Max Strauß, den älteren Sohn des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, ist es ein Déjà-vu-Erlebnis: Wieder einmal im Augsburger Landgericht, in eben dem Saal, in dem er 2004 wegen Steuerhinterziehung zu drei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und drei Jahre später, nachdem der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben hatte, freigesprochen wurde. Diesmal kommt Max Strauß nicht als Angeklagter, sondern als Zeuge, und auf der Anklagebank sitzt Karlheinz Schreiber, mit dem ihn früher einmal eine recht enge Freundschaft verband. Davon ist nichts übriggeblieben. Auch von den Depressionen, unter denen Max Strauß während seines eigenen Prozesses sichtbar zu leiden hatte, ist nichts mehr zu spüren. Ohne Scheu unterhält er sich mit den Journalisten, mit einem etwas schiefen Lächeln im Gesicht, das verblüffend an den Schauspieler Otfried Fischer erinnert, dem der 50-jährige Max auch von der Statur her recht ähnlich ist. Er wendet der Anklagebank den Rücken zu, und als ein unvermittelt anschwellendes Kameraklicken signalisiert, dass der Angeklagte den Saal betreten hat, schaut sich Max Strauß nur ganz kurz um, um sich dann sofort wieder abzuwenden. Schwere Vorwürfe Karlheinz Schreiber ist angeklagt, etwa 64 Millionen Mark an Schmiergeldern und Provisionen am deutschen Fiskus vorbei auf Schweizer Konten gebunkert und damit rund 22 Millionen Mark an Einkommensteuer hinterzogen zu haben. Eines dieser Konten trug die Tarnbezeichnung "Maxwell", und die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass Nutznießer dieses Kontos zunächst Franz Josef Strauß und nach dessen Tod sein Sohn Max war. Es ließ sich aber nirgends ein Beleg dafür finden, dass Max Strauß auch nur eine müde Mark von diesem Geld tatsächlich erhalten hat, deshalb musste er freigesprochen werden. Viel mehr als das kann er auch jetzt als Zeuge nicht berichten. Dass Karlheinz Schreiber der Inhaber jenes Kontos war, weiß er wohl aus den Prozessakten, aber nicht aus eigener Kenntnis. Er selbst habe nur in einem Fall "am Rande" mit Schreibers Geschäften zu tun gehabt, es ging dabei um den Verkauf von Airbus-Flugzeugen an thailändische Fluggesellschaften. Da gab es einen gewissen Herrn Pitak, der sich bei diesen Geschäften querlegte und mit viel Geld für die richtige Seite gewonnen werden musste. Den Herrn Pitak habe er bei einem Essen im Münchner Hotel Vier Jahreszeiten kennengelernt, erzählt Max Strauß, ihm ist in lebhafter Erinnerung, wie der Thailänder die Visitenkarten sämtlicher Münchner Rotlichetablissments herumgezeigt habe, aber das, signalisiert der Vorsitzende Richter Rudolf Weigell, interessiere das Gericht eher nicht. Was das Gericht aber sehr gerne wüsste ist, wie Max Strauß' damaliger Verteidiger Wolfgang Dingfelder an die Unterlagen eines Kontos bei der VP-Bank in Liechtenstein kam, das den Decknamen "MaxCo" trug und auf dem die Überreste des ehemaligen Maxwell-Kontos lagen - etwa 3,2 Millionen US-Dollar. Dieses Konto lief auf den Namen von Schreibers Ehefrau Barbara, Karlheinz Schreiber hatte Kontovollmacht, und aus den Unterlagen ist ersichtlich, dass das MaxCo-Geld nach und nach entweder an Schreiber selbst oder an seine Kauferinger Firma BBC abfloss. Das Problem für das Gericht besteht darin, dass die Kontounterlagen inzwischen von Liechtenstein auf dem Rechtshilfeweg zur Verfügung gestellt wurden, aber ausschließlich für den Anklagevorwurf der Bestechung, nicht hingegen für den der Steuerhinterziehung verwendet werden dürfen. "Denen ist die Kinnlade runtergefallen" Max Strauß kann diesbezüglich keine Auskunft geben. Er gibt an, nur zu wissen, dass die Unterlagen seinem Verteidiger von ungekannter Seite zugespielt worden seien. Mehr darüber könne der jüngere Bruder Franz Georg Strauß erzählen, der nach ihm als Zeuge aufgerufen wird. Franz Georg Strauß hat damals persönlich in Liechtenstein recherchiert, stieß aber auf eine Mauer des Schweigens. "Denen ist die Kinnlade runtergefallen, als ich das Selbstauskunftsformular auf den Tisch gelegt habe", sagt er. Es war das Formular, aus dem hervorging, dass die Kontoinhaberin Barbara Schreiber war. "Und woher hatten Sie das Formular", will der Vorsitzende Richter wissen. Das möchte Franz Georg aber nicht veraten. Er war damals Inhaber eines Fernsehsenders, und meint, er könne sich deshalb auf das Recht auf Informantenschutz berufen. Das Gericht legt eine Denkpause ein, danach löst sich alles in Wohlgefallen auf. Franz Georg Strauß hat ein paar Telefongespräche geführt und kann jetzt die gewünschte Auskunft geben: Die Unterlagen stammten von einem ehemaligen Wirtschaftsprüfer. Das Gericht ist zufrieden. Der Nutzen für die Wahrheitsfindung in Sachen Schreiber ist nicht unmittelbar ersichtlich. Im Video: Strauß-Söhne schildern Streitereien mit Rüstungslobbyist Schreiber. Weitere Videos finden Sie hier
Im Prozess gegen den Lobbyisten Schreiber haben die Strauß-Söhne ausgesagt - für Aufsehen sorgten Unterlagen aus Liechtenstein.
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Prozess in Augsburg - Schreiber und die Strauß-Söhne
00/02/2010
Eine Autofahrt mit 1,54 Promille brachte das Ende. Margot Käßmann, die Repräsentatin der evangelischen Kirche, tritt zurück - auch als Landesbischöfin. Tagelang hatte sie die Titelseiten der Presse geziert. Das Thema des Abends: "Alles nur Theater". Margot Käßmann, die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) diskutiert mit Lars-Ole Walburg, dem Intendanten des Schauspiels Hannover. Es geht um Mephisto, die Inszenierung einer Liturgie und darüber, was die Kirche vom Schauspiel lernen kann. Käßmann wirkt angespannt und nervös. "Egal, was ich sage, vielleicht auch heute Abend, ich finde jeden Satz wieder", sagt sie am Rande über ihre ersten 120 Tage im Amt der Landesbischöfin. "Die Kontrolle ist stärker, das empfinde ich nicht nur als einen Zugewinn an Schönheit im Leben." Käßmann sagt diese Sätze am Montagabend. Da liegt ihre Alkoholfahrt mit 1,54 Promille bereits zwei Tage zurück, ist aber noch nicht öffentlich bekannt. Doch Käßmann weiß, dass Bild ihren Fehler publik machen wird. Ihre Aussagen lassen vermuten, dass sie ahnt, welche Wellen diese Meldung schlagen wird. "Bischöfin Käßmann betrunken am Steuer": Die Schlagzeile konnte am nächsten Morgen ganz Deutschland auf Seite eins der Boulevardzeitung lesen. An diesem Mittwoch wird klar: Trunkenheit am Steuer war zu viel für ein Verbleiben im Amt. Für 16 Uhr setzte Margot Käßmann eine Pressekonferenz an, um zu erklären, was unerklärbar bleibt. Sie tritt von ihren Ämtern zurück, sowohl als EKD-Vorsitzende, als auch als Landesbischöfin. Damit ist die Frage beantwortet, über die die Republik seit Kurzem diskutiert: Ob die Theologin in ihrem Amt noch zu halten sei. Die Sache lud geradezu ein zum Spekulieren. Wer war die Person auf dem Beifahrersitz? Mit wem saß sie am Samstagabend zusammen? Der Rat der EKD hatte am Mittwochmorgen Käßmann noch einmütig sein Vertrauen ausgesprochen - und gab die Entscheidung über ihre Zukunft zurück an die Verantwortliche, die (Verkehrs-)Sünderin. "In ungeteiltem Vertrauen überlässt der Rat seiner Vorsitzenden die Entscheidung über den Weg, der dann gemeinsam eingeschlagen werden soll", heißt es in der Mitteilung. Im Nachhinein wirkt das wie eine elegante Abwicklung. Die Argumente - weiter mit Käßmann oder nicht - lagen auf dem Tisch. Jeder konnte sie nachlesen. Zeitungen und Internetportale waren voll mit Kommentaren zu der Frage, in Internet-Foren diskutierten Bürger und Christen. Der Ratsvorsitzenden wurde entweder leidenschaftlich der Rücken gestärkt - oder aber nachdrücklich der Rücktritt empfohlen. Einig war sich die Mehrheit nur in einem Punkt: Mit 1,54 Promille Auto zu fahren ist ein großer Fehler - aber Fehler sind menschlich. Zehntausende Bundesbürger müssen jedes Jahr ihren Führerschein abgeben, weil sie wie die Landesbischöfin zu viel Alkohol getrunken und sich dann ans Steuer gesetzt haben. "Ein strafrechtliches Vergehen, keine Frage, ein Fehlverhalten, auch das. Und doch ein buchstäblich alltägliches", wusste Spiegel online. Die Staatsanwaltschaft erklärte bereits, dass Käßmann mit einem zügigen Abschluss des Verfahrens rechnen darf. Doch die Frage, die sich Käßmann nun stellen musste, war, ob sie mit diesem Fehler weiter Ratsvorsitzende der EKD sein könne. "Wer an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland steht, hat sich darauf eingelassen, Vorbild zu sein. Und Vorbilder werden zu Recht nicht nur an ihren Worten, sondern vor allem auch an ihren Taten gemessen", schrieb das gutbürgerliche Westfalen-Blatt. Die Frankfurter Rundschau forderte Konsequenzen - "auch wenn die EKD keinen auch nur annähernd gleichwertigen Ersatz aufzubieten hat". Träte sie zurück, sei das der letzte Ausweis ihrer Qualifikation als gesellschaftliches Gewissen. Das wird ja jetzt auch passieren. Die taz wiederum fände es schade, wenn "Käßmanns Stimme wegen dieser einen Dummheit in den großen gesellschaftlichen Debatten fehlen würde". Auch in der Süddeutschen Zeitung wurde Käßmann bereits der Rücken gestärkt. "Margot Käßmann muss bekennen, was sie getan hat, zu der Strafe stehen, die sie erwartet, Reue zeigen, umkehren - das alles sind zutiefst christliche Themen. Im Amt soll sie bleiben: als fehlbares Vorbild." Unfehlbarkeit beanspruchte die evangelische Kirche noch nie. Das ist die Sache des anderen Lagers. Doch schwere Fehler können eben auch schwere Konsequenzen haben. Den Mut haben, Fehler zu erklären Die Online-Ausgabe des Sterns meinte, dass auch Vorbilder Fehler machen dürfen. "Sie müssen nur den Mut haben, sie zu erklären." Käßmann solle den Weg in die Öffentlichkeit suchen, "ohne zu vertuschen, ohne zu beschönigen, ohne zu rechtfertigen". Die Hannoversche Allgemeine, Käßmanns Heimatzeitung, präsentierte der Landesbischöfin eine Kompromisslösung: "Politiker, die in Krisen geraten, lassen, wenn sie gut beraten sind, während der Dauer staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen ihre Ämter ruhen." Dazu kommt es jetzt nicht. Margot Käßmann übrigens stellte während der Theaterdiskussion etwas Wichtiges selbst fest: Die zentrale Botschaft des Christentums sei, dass Gott den Menschen nicht fallenlässt - "in all seinem Scheitern, in all seinem Versagen". Im Video: Die Alkoholfahrt der EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann beschäftigt die Öffentlichkeit weiter. Weitere Videos finden Sie hier
Eine Autofahrt mit 1,54 Promille brachte das Ende. Margot Käßmann, die Repräsentatin der evangelischen Kirche, tritt zurück - auch als Landesbischöfin. Tagelang hatte sie die Titelseiten der Presse geziert.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/kirche-folge-einer-alkoholfahrt-margot-kaessmann-geht-1.10305
Kirche: Folge einer Alkoholfahrt - Margot Käßmann geht
00/02/2010
Die FDP stärkt Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger den Rücken - und so beharrt diese auf ihrer Kritik am Umgang der Katholiken mit Missbrauch. Nach dem Entschuldigungsultimatum des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Robert Zollitsch, hält Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) an ihrer Kritik am Umgang der katholischen Kirche mit Missbrauchsfällen fest. Die Justizministerin sagte im Deutschlandradio Kultur, die internen Richtlinien der Katholiken allein reichten nicht aus, um den sexuell missbrauchten Opfern zu ihrem Recht zu verhelfen oder sie wirksam zu schützen. Sie regte erneut einen "runden Tisch" zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle an, wie das in anderen europäischen Ländern üblich sei. Damit bleibt Leutheusser-Schnarrenberger weiter auf Konfrontationskurs mit den Katholiken: Zuvor hatte die Ministerin gesagt, die katholische Kirche erwecke bislang nicht den Eindruck, dass sie auch nur bei Verdachtsfällen von sexuellem Missbrauch an Kindern mit den Strafverfolgungsbehörden konstruktiv zusammenarbeiten wollte. "Ultimaten sind da fehl am Platze" Rückendeckung bekommt die Justizministerin von Parteikollegin und FDP-Bundestagsfraktionschefin Birgit Homburger: Sie sei "entsetzt" über den Umgang der katholischen Kirche mit den Fällen von sexuellem Missbrauch in eigenen Einrichtungen, sagte Homburger. "Zum Thema Aufklärung stelle ich mir etwas anderes vor." Die Frist von 24 Stunden, die Zollitsch der Justizministerin für eine Entschuldigung gestellt hatte, wies Homburger als "unangemessene Reaktion" zurück. "Ultimaten sind da fehl am Platze", so Homburger. "Die Diskussion gereicht der Justizministerin zur Ehre", stellte sie sich hinter Leutheusser-Schnarrenberger. "Es ist die Pflicht einer Justizministerin, an dieser Stelle etwas zu sagen." Zollitsch hatte der FDP-Politikerin "falsche Tatsachenbehauptungen" und "maßlose Polemik" gegen die Kirche vorgeworfen. Der Vorsitzende der DBK hatte gesagt, seinem Empfinden nach habe es in der Politik noch nie eine "ähnlich schwerwiegende Attacke auf die katholische Kirche gegeben". Der höchste Repräsentant der Katholiken nannte die Äußerungen von Leutheusser-Schnarrenberger "undifferenziert und emotional" und setzte ihr eine 24-Stunden-Frist für eine Entschuldigung. Der Erzbischof von Freiburg beschwerte sich zudem bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über die FDP-Ministerin. Über das Telefonat zwischen ihm und Merkel sei Stillschweigen vereinbart worden, sagte DBK-Sprecher Matthias Kopp in Freiburg. Zollitsch wolle sich zunächst nicht mehr öffentlich zu den Vorwürfen der Justizministerin äußern. Nach Angaben von Homburger hat Merkel (inzwischen mit der Justizministerin über den Fall gesprochen. Nach Homburgers Eindruck hat in der Unionsfraktion niemand den Freiburger Erzbischof unterstützt. "Ich glaube, dass auch bei dem Koalitionspartner das Empfinden, dass da gerade etwas schief läuft, genauso da ist, wie bei uns." Leutheusser-Schnarrenberger sagte dem Hamburger Abendblatt, sie wolle Zollitsch einen Brief schreiben. "Ich werde in angemessener Form schriftlich dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz antworten." Sie halte wenig von einem wechselseitigen öffentlichen Schlagabtausch. Die Ministerin betonte: "Ich denke, bei all dieser Auseinandersetzung darf doch eines nicht aus dem Blickfeld geraten: Nämlich, dass es um Opfer sexuellen Missbrauchs geht, der vor vielen Jahren - vor Jahrzehnten - stattgefunden hat." Es müsse etwas getan werden, um dies künftig in dieser Form zu verhindern.
Die FDP stärkt Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger den Rücken - und so beharrt diese auf ihrer Kritik am Umgang der Katholiken mit Missbrauch.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/justizministerin-auf-konfrontationskurs-mit-den-katholiken-1.23058
Justizministerin - Auf Konfrontationskurs mit den Katholiken
00/02/2010
Kein Mensch sagt "Urkundensünder" über den, der Urkunden fälscht. Kein Mensch würde sich trauen, einen Kindsmissbraucher "Sexualsünder" zu nennen. Und kein Mensch spricht von demjenigen, der klaut oder unterschlägt, als einem "Eigentumssünder". Wer falsche eidesstattliche Versicherungen abgibt, ist kein "Wahrheitssünder", sondern Straftäter. Und wer besoffen einen Menschen totfährt, ist kein Verkehrssünder, sondern der fahrlässigen Tötung schuldig. Nur derjenige, der Steuern hinterzieht, wird gern "Steuersünder" genannt - so, als handele es sich um einen, der falsch geparkt hat oder zu schnell gefahren ist. Ein Steuerhinterzieher muss nicht reuig sein, er muss nur zahlen Margot Käßmann wird man vielleicht als "Verkehrssünderin" bezeichnen, aber nicht deswegen, weil man eine Alkoholfahrt mit 1,54 Promille für eine Lappalie hält, sondern weil das Wort "Sünde" im Zusammenhang mit einer Bischöfin so schön ist. Es gibt keine Straftat, die allgemein als "Sünde" tituliert wird - nur die Steuerhinterziehung. Das hat auch damit zu tun, dass der deutsche Staat bei Steuerhinterziehung seit Urzeiten eine Art Beichte anbietet, mit der man seine Schuld abschütteln und der Strafe entgehen kann. Diese Beichte heißt "Selbstanzeige" und funktioniert so: Solange die Tat zwar längst geschehen, aber noch nicht entdeckt ist, kann man sich bei der Finanzbehörde melden, die Steuer nachzahlen plus sechs Prozent Hinterziehungszinsen - und entgeht so jeglicher Strafe. So eine Spezialbehandlung, so eine Möglichkeit der Selbst-Amnestierung gibt es ansonsten im ganzen Strafrecht nicht (nur, angelehnt an die Steuerhinterziehung, beim Vorenthalten von Beiträgen zur Sozialversicherung). Diese Wohltat für den Steuerkriminellen hat nichts mit Reue zu tun; der Steuerhinterzieher muss gar nicht reuig sein, er muss nur nachträglich zahlen. Für eine solche Strafbefreiung gibt es keinen anderen vernünftigen Grund als den: Es geht um die "Erschließung bisher verheimlichter Steuerquellen". Einen anderen Grund können auch die dicksten juristischen Bücher nicht angeben. Böse formuliert: Der Staat ist ein wenig korrupt; er lässt sich seinen Strafanspruch abkaufen. Das sollte man nun endgültig, und sei es mit einer angemessenen Übergangszeit, beenden. Es gibt seit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz 1994 den Paragraphen 46 a Strafgesetzbuch, in dem der Täter-Opfer-Ausgleich geregelt ist; er gilt für alle Straftaten: Wenn der Täter den Schaden wiedergutmacht, kann das Gericht die Strafe mildern oder gar (wenn keine höhere Strafe als Gefängnis bis zu einem Jahr oder Geldstrafe drohen) von Strafe absehen. Diese Regel kann man, soll man auch auf die Steuerhinterziehung anwenden. Für die schweren Fälle kommt das freilich nicht in Frage: Da droht ja schon jetzt Haft bis zu zehn Jahren. Die Forderung des SPD-Vorsitzenden Gabriel nach noch härterer Strafe ist Unsinn. Sinnvoll ist es, die Steuerfahndung so auszustatten, dass sie die schweren Fälle erwischt.
Ruf nach neuen Regeln: Die Möglichkeit der Reinwaschung per Selbstanzeige bei Steuerstraftätern muss abgeschafft werden.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/straftat-steuerhinterziehung-steuersuender-sind-keine-suender-1.5738
Straftat Steuerhinterziehung - Steuersünder sind keine Sünder
00/02/2010
Plakat für die Kundgebung im Hofbräuhaus, auf der Adolf Hitler am 24. Februar 1920 sprach - und das 25-Punkte-Programm der er Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter Partei (NSDAP) präsentierte. Am 24. Februar 1920 verkündet Adolf Hitler im Münchner Hofbräuhaus das NSDAP-Programm, in dem sich das Grauen abzeichnet. Später glorifiziert er den Abend - ein Polizeibericht entlarvt Hitler. "Das Herz wollte mir fast vor Freude zerspringen", behauptet Adolf Hitler in seinem Pamphlet Mein Kampf. "Eine zweitausend Menschen zählende Masse" habe sich im Festsaal des Münchner Hofbräuhauses eingefunden. Der Taugenichts aus dem oberösterreichischen Braunau hat an jenem 24. Februar vor 90 Jahren Großes vor. Seine nur ein paar hundert Mitglieder zählende "Deutsche Arbeiterpartei" ergänzt ihren Namen um "Nationalsozialistisch". Hitler selbst darf das Programm der NSDAP verkünden. Der spätere Diktator gehört zwar nicht zur Parteispitze. Noch nicht. Aber er besitzt etwas, das den anderen Partei-Honoratioren abgeht: Redegabe. Welche Teile des 25-Punkte-Programms Hitler selbst formuliert hat, ist unklar, sagt der Bochumer Historiker Armin Nolzen, wozu es gedient hat, liege allerdings auf der Hand: "Es ist ein Catch-all-Programm", für fast jeden ist etwas dabei: "Die Brechung der Zinsknechtschaft", zielt auf das Arbeitermilieu, die Forderung nach Zurücknahme des Versailler Friedensvertrages auf Konservative. Von "zersetzender" Kunst und Literatur ist die Rede, um den Hassern des Bürgertums zu gefallen. Antisemiten finden sich unter anderem in Punkt 4 wieder: "Kein Jude kann (...) Volksgenosse sein", verkündet Hitler im Hofbräuhaus. Worauf der Schreihals hinaus will, ahnen wohl damals die wenigsten Zuhörer. Die monströsen Verbrechen zeichnen sich an jenem bierseligen Winterabend deutlich ab. Hitlers Rezept: Antisemitismus und Gewalt Die Partei, bislang eine der unzähligen rechtsradikalen Polit-Sekten, probt damals den großen Wurf: Mit dem Programm und der Umbenennung probt sie laut Nolzen die "Fusion zweier sehr starker Zeitströmungen" - dem Nationalen und dem Sozialistischen. Adolf Hitler beginnt an jenem Tag ein neues Konzept: "Aus einer Honoratioren-Partei der Hinterzimmer will er eine Massenbewegung formen", sagt Historiker Nolzen. Hitlers Erfolgrezept: "Antisemitische Propaganda und Gewalt". Nach seinem missglückten Putsch vom 9. November 1923 wird Hitler umdenken. Der Plan lautet: Demokratisch an die Macht kommen, um die Demokratie zu zerstören. Den Judenhass sollte er steht beibehalten. Bald nach dem Abend im Hofbräuhaus wird sich die NSDAP das Hakenkreuz zu eigen machen. Hitler, den die sozialdemokratische Zeitung Münchner Post damals als "gerissensten Hetzer" beschreibt, verdrängt die Gründungsriege der Partei. "Er war als Redner unentbehrlich geworden", erklärt Hermann Graml vom Institut für Zeitgeschichte, "und wer unentbehrlich wird, bestimmt." Nach der Machtergreifung 1933 mystifiziert Hitler das Datum, ähnlich wie den versuchten Putsch von 1923: Jedes Jahr zelebriert der Diktator am 24. Februar vor "alten Kämpfern" die Geburtsstunde der Partei, die Verkündung des "unabänderlichen" Programms. Für die Geschichtsfälschung hat Hitler bereits vorher höchstpersönlich gesorgt: In Mein Kampf glorifiziert er seinen Auftritt im Hofbräuhaus als nationales Erweckungserlebnis, dem sich selbst Linke nicht entziehen konnten. Hitler beschreibt anwesende Kommunisten und Sozialdemokraten, die anfangs randalierten, später aber - welch Wunder - sich nach und nach von Hitler überzeugen ließen. Schmähungen gegen Rechte, Hochrufe auf die Republik These für These sei "einstimmig" und unter Jubel angenommen worden. Am Ende "stand ein Saal von Menschen vor mir, zusammengeschlossen von (...) einem neuen Glauben, von einem neuen Wille", heißt es in Mein Kampf. Der Bericht der Politischen Polizei entlarvt Hitler als Lügner. Zwar notiert der Beamte "reichlich Beifall" für Hitler. Und er schreibt von "großem Tumult", "Zwischenrufen", "großer Unruhe" - allerdings von keiner heroischen Saalschlacht, wie von Hitler kolportiert. Auch das Finale der Veranstaltung schildert die Polizei anders als der rechtsextreme Agitator. Während Hitler behauptet, der Saal habe sich "langsam" geleert, berichtet der Polizist von einem krawalligen, lautstarken Ende: Die Schlussworte seien im Lärm untergegangen, 100 Kommunisten und Sozialdemokraten seien "gegen das Tal-Rathaustor" gegangen, sie hätten dabei die Internationale gesungen, die Rätereublik hochleben lassen und die Deutschnationalen geschmäht. Dass Adolf Hitler ihnen den späteren NS-Wahn umrissen, den Holocaust und einen Weltkrieg angekündigt hatte, wussten sie nicht. Das Grauen nahm am 24. Februar 1920 seinen Lauf.
Am 24. Februar 1920 verkündet Adolf Hitler im Münchner Hofbräuhaus das NSDAP-Programm, in dem sich das Grauen abzeichnet. Später glorifiziert er den Abend - ein Polizeibericht entlarvt Hitler.
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Hitlers Wurf im Münchner Hofbräuhaus
00/02/2010
Altkanzler Schröder und die Wirtschaft: Einmal bekam er viel Geld von der Deutschen Bank des Josef Ackermann, obwohl sein geplanter Auftritt ausfiel. Gerhard Schröder ist ein Vorbild für jeden Karriereberater. In der Wirtschaft macht er derzeit mindestens genauso Furore wie einst in der Politik. Der Altkanzler sammelt Beratungs- und Aufsichtsratsmandate geradezu. Egal, ob im Ostseepipeline-Konsortium Nord Stream, beim russisch-britischen Konsortium TNK-BP oder im Einsatz für den Schweizer Großverleger Michael Ringier und das Bankhaus Rothschild - gut eine Legislaturperiode nach der Abwahl des Sozialdemokraten im Herbst 2005 ist er eine feste Größe des internationalen Business. "Mir war klar, dass ich meine in der Politik zusätzlich erworbenen Kenntnisse nicht am Amtsgericht Hannover umsetzen kann, sondern besser in Form von Beratung an der Nahtstelle zwischen Wirtschaft und Politik", wird der 65-jährige Jurist im Manager Magazin zitiert. Dessen jüngste Ausgabe ziert er als imposanter Titelheld ("Der Kanzler-Bonus"). Entfernt von den Anfängen Ex-Regierungschef Schröder steht für einen neuen Politikertypus, der nach dem öffentlichen Amt großes Geld bei Konzernen macht. Einer, der die vielen schönen Kontakte kapitalisiert. Und so hat sich der SPD-Politiker weit entfernt von seinen Anfängen in ärmlichen Verhältnissen. Groß auch der Kontrast zur Einkommenswelt der Empfänger von Hartz IV - jener Forder-und-Förder-Konstruktion, die Schröder und seine rot-grüne Regierung einst geschaffen hat. In der Consulting-Sphäre des Altkanzlers geht es um ziemlich viel Geld - und das fließt auch schon mal, wenn ein Auftritt überhaupt nicht zustande kommt. "Viel Charisma und Geschicklichkeit" Im Herbst 2009 war Gerhard Schröder groß als Auftaktredner auf einer Veranstaltung (Outlook 2010) der Deutschen Bank im Berliner Hotel Grand Hyatt angekündigt. Am Abend des 19. November, einem Donnerstag, sollte er 30 Minuten über "Chancen und Herausforderungen in Zeiten der Globalisierung - welche Perspektiven hat Deutschland im Jahr 2010?" reden. Das ist vermutlich eine seiner leichtesten Übungen. Anschließend war ein Dinner geplant. In der Deutschen-Bank-Broschüre zur Veranstaltung heißt es über Schröder, ihm werde "viel Charisma und Geschicklichkeit zugesprochen". Nach seiner politische Karriere sei er in die Wirtschaft gewechselt, "wo er verschiedene Positionen bekleidet". Für Freitag, den 20. November, waren Vorträge zweier Deutschbanker sowie anderer Experten geplant, unter anderem dem einstigen Notenbanker Otmar Issing, dem Klimaforscher Mojib Latif, dem Harvard-Historiker Niall Ferguson und dem Insead-Mann Soumitra Dutta. Dresscode sollte smart casual sein. "Smart casual" aber war just jene November-Woche nicht. Vielmehr brandete die Debatte um die Macht und die Renditen der internationalen Großbanken mit Getöse auf, um ihre Rolle in der größten Wirtschaftskrise seit 80 Jahren. Mittendrin: die Deutsche Bank und ihr Chef Josef Ackermann. Der hatte mit seiner 25-Prozent-Rendite-Erwartung auf sich aufmerksam gemacht. "Düstere Zukunft" Die Wirtschaftswoche schrieb am Montag jener Woche über eine "düstere Zukunft", da die Wall-Street-Banken sich trickreich gegen eine schärfere Regulierung stemmen würden. Am gleichen Tag demonstrierten New Yorker in den Straßen Manhattans gegen die "Gier der Banken". In Deutschland forderte selbst Commerzbank-Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller ein Ende der Boni-Exzesse. Und am Dienstag warnte Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) die Geldhäuser: Es drohe "eine Ruinierung des Rufs der Finanzindustrie, die eine zweite Rettung unmöglich machen würde". Am Mittwoch wurde bekannt, dass der staatlich gestützte Finanzkonzern Citigroup weiter Millionenboni an seine Spitzenmanager zahlt. Und die Queen kündigte in London ein Gesetz an, das es der Finanzaufsicht erlaubt, notfalls Bonus-Regelungen aufzulösen. Und die Deutsche Bank? Vorstandschef Ackermann warnte davor, dass große Geldinstitute zerschlagen würden - obwohl die in der Globalisierung gebraucht würden. Er regte an, die Steuerzahler sollten für einen neuen Banken-Rettungsfonds zahlen, was sofort den Widerspruch der Berliner Koalitionsparteien auslöste. Hätte da die groß angekündigte Veranstaltung Outlook 2010 mit Starredner Schröder Aufklärung bringen können? Vielleicht. Die Deutsche Bank aber sagte das Berliner Stelldichein kurzfristig ab - offenbar rund 48 Stunden vorher. Es seien "inner-organisatorische Gründe" gewesen, heißt es im Umfeld des Finanzhauses. Offiziell gibt die Deutsche Bank auf Anfrage von sueddeutsche.de keine Stellungnahme ab. "Das kommentieren wir nicht", sagt ein Sprecher. Jedenfalls sind bei einer so kurzen Stornierung einer bedeutenden Veranstaltung erhebliche Gelder fällig, zum Beispiel für die angemieteten Räume und die georderten Redner, also auch für Gerhard Schröder. "Führender Weltstaatsmann" 50.000 Euro soll der Altkanzler für seine Nicht-Rede bekommen haben, heißt es in Bankkreisen. Diese Summe wird im Manager Magazin als Mindestsumme für den gewitzt vortragenden Schröder genannt, der seine rhetorischen Fähigkeiten von der Harry Walker Agency in New York vermarkten lässt. Dort wird er, ausweislich der Homepage, als "führender Weltstaatsmann" sowie als "international anerkannte Autorität für globale Beziehungen, wirtschaftliche Entwicklung und sozialen Wandel" gepriesen sowie als "charismatische Führungspersönlichkeit". Mag ja alles richtig sein. Auf der anderen Seite sind 50.000 Euro eine ordentliche Summe Geld, die von einer Bank stammen, die im Zentrum der öffentlichen Debatte steht. Schon die Einladung von Kanzlerin Angela Merkel an Vorstandschef Ackermann, den 60. Geburtstag doch bitte im gehobenen Kreis im Bundeskanzleramt nachzufeiern, sorgte für viel Aufsehen. Hat da die Überweisung an einen langjährigen SPD-Politiker, der im Wahlkampf 2009 stets auf seine Anstrengungen zur Regulierung der Banken hingewiesen hat, ein gewisses Geschmäckle? Nein, findet man offenbar bei der Deutschen Bank. Schröder habe sich ja vorbereiten müssen, heißt es im Umfeld des Geldhauses. Er habe nun einmal einen dichten Zeitplan und hätte ja auch andere Aufträge annehmen können. Es sei Aufwand entstanden. Und es habe klar gültige Verträge gegeben. Bei einer so kurzfristigen Absage stünde das volle Honorar zu. Und doch dürfte das Prozedere beispielsweise für den normalen SPD-Ortsvereinsvorsitzenden befremdlich wirken. Schließlich verdiente ein Deutscher im Jahr 2007 brutto durchschnittlich gerade mal 40.368 Euro, so das Statistische Bundesamt. Und ein Erwerbsloser, Empfänger von Hartz IV, hat im Schnitt rund ein Drittel weniger. Lesen Sie auf Seite 2, wie sich das Büro Schröder zu der Causa positioniert.
Altkanzler Schröder und die Wirtschaft: Einmal bekam er viel Geld von der Deutschen Bank des Josef Ackermann, obwohl sein geplanter Auftritt ausfiel.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/outlook-2010-schroeder-kassiert-bei-der-deutschen-bank-1.12763
"""Outlook 2010"" - Schröder kassiert bei der Deutschen Bank"
00/02/2010
Christian Ude, Münchens Oberbürgermeister und Vizepräsident des Städtetags, über die Wut der Kommunen und Bellen im Hausflur. Christian Ude (SPD) ist Vizepräsident des Deutschen Städtetags und Oberbürgermeister der Stadt München. sueddeutsche.de schließt mit diesem Gespräch die Serie "Kommunen in Not - Spar oder stirb" ab, welche die Finanzsituation der Städte beleuchtet - und skurrile Sparideen vorstellt. sueddeutsche.de: Der Deutsche Städtetag sagt, die Kommunen befänden sich in der finanziell schwierigsten Situation der Nachkriegsgeschichte. Tatsächlich aber haben sie 2009 so viel Steuern eingenommen wie selten zuvor. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel hatten Städte und Gemeinden laut Bund der Steuerzahler die vierthöchsten Steuereinnahmen seit 1945. Wie passt das zusammen? Christian Ude: Moment mal, wir hatten 2009 überall zweistellige konjunkturbedingte Einbrüche, in manchen Städten bis zu 20 Prozent. Wenn man sieht, welche Herkulesarbeit es ist, nur ein Prozent einzusparen, kann man sich vorstellen, was zweistellige Einbußen bedeuten. Zum Beispiel NRW: Dort stehen einige Städte seit zehn Jahren unter Haushaltskontrolle. Sie haben alle Sparmöglichkeiten längst ausgeschöpft. sueddeutsche.de: Sie vergleichen die Einbrüche mit 2008, einem Spitzenjahr, was die Einnahmen angeht. Ude: Natürlich war 2008 ein gutes Jahr. 2006, 2007 und 2008 waren sogar drei gute Jahre. Aber die Ausgaben der Kommunen steigen ständig. Ein Beispiel: Der begrüßenswerte Ausbau der Kinderbetreuung ist eine Kostenexplosion, vor allem wegen der Personalkosten, die mit jeder neuen Kindergruppe steigen. Das sind keine einmaligen Ausgaben, die tauchen jedes Jahr wieder im Haushalt auf. Und an anderer Stelle sparen, das funktioniert auch nicht. Einerseits ist das Personal im Sozialwesen wegen der gestiegenen Fallzahlen an der Belastungsgrenze angelangt. Andererseits entstehen schon jetzt Situationen wie jene, in der die Wohnungsgeldzahlungen nach der Gesetzesnovelle wegen Personalmangel zu lange auf sich haben warten lassen. sueddeutsche.de: Hätten sich die Kommunen in den guten Jahren ein Polster für die Zeit danach anlegen müssen? Ude: Von Polster kann überhaupt keine Rede sein. Man war nur in der Lage, die atemberaubendenden Schulden zu reduzieren. Selbst in einer florierenden Stadt wie München, in der wir eine Milliarde Euro Schulden losgeworden sind. sueddeutsche.de: Haben sich die Städte zuvor übernommen? In Oberhausen zum Beispiel wurden vier von sieben Bädern geschlossen. Ude: Immer wieder diese Verdächtigungen. Die Frage unterstellt, es würde den Bürgern irgendwo zu viel geboten. sueddeutsche.de: Jammern die Kommunen auf hohem Niveau? Ude: Der Satz sagt sich so leicht. Aber ich kenne zum Beispiel Eltern, die wollen, dass die Schule ihrer Kinder saniert wird. Da sagt keiner, man würde auf hohem Niveau jammern. Natürlich stehen wir in München besser da als zum Beispiel Hof. Und in Bayern besser als in Ostdeutschland. Ich denke da an Halle, Chemnitz und Magdeburg, wo die Krise richtig zugeschlagen hat. sueddeutsche.de: Hätten sich die Kommunen darum kümmern müssen, ihre Finanzierung auf eine andere Basis zu stellen, weg von konjunkturabhängigen Quellen wie der Gewerbesteuer? Ude: Das sind die atemberaubendsten Kapriolen der Leute, die den Kommunen das Wasser abgraben und sich selbst als Retter darstellen wollen. Die Kommunen sind für die gesetzliche Regelung ihrer Finanzierung nicht verantwortlich. Das ist Sache des Bundes. Die Kommunen können nur mit ohnmächtiger Wut zur Kenntnis nehmen, dass Bundespolitiker über Steuergeschenke schwadronieren, während die Kommunen beschädigt werden. Wir fordern deshalb Mitwirkung bei der Gesetzgebung! sueddeutsche.de: An welche Bundespolitiker denken Sie, wenn Sie von Leuten sprechen, die den Kommunen schaden und sich als Retter aufführen? Ude: Ich meine insbesondere die FDP und Teile der Union. Was die Gegner der Gewerbesteuer fordern, ist eine kaum zu überbietende Dreistigkeit: Die wollen das Geld über die Mehrwertsteuer und die Einkommensteuer holen und die Wirtschaft entlasten, damit Berufstätige und Verbraucher bezahlen. Das ist das glatte Gegenteil des Mottos "Mehr Netto vom Brutto". Das ist eine Abwälzung von Lasten auf die normalen Steuerzahler! Dass Schwarz-Gelb es überhaupt wagt, diese Idee zu propagieren, obwohl unter Merkel zweifelsfrei bewiesen wurde, dass es keine Ersatzlösung für die derzeitige Finanzierung gibt, ist ein starkes Stück! sueddeutsche.de: Schuld an der Misere sind also nur Bund und Länder? Ude: Abgesehen von einigen Fehlvorhaben, die es bei 5000 Kommunen immer geben kann, kenne ich keine gravierende Fehlentscheidung auf ihrer Seite. sueddeutsche.de: Die Städte haben sich einiges einfallen lassen, um an Geld zu kommen. In Köln versucht man zum Beispiel, Leute zu finden, die die Hundesteuer nicht zahlen. Kontrolleure stellen sich vor Wohnungstüren, bellen und lauschen, ob ein Hund antwortet. Ude: (lacht herzlich, trotz seiner Rage) Man greift in der Not nach jedem Strohhalm. Nur: Dabei können die Städte Nachkommastellen im Haushalt verbessern, aber nicht Ausfälle aus der Gewerbesteuer kompensieren. Aber im Hausflur zu bellen, halte ich für grandios. sueddeutsche.de: Wie schätzen Sie die Reaktion der Bürger auf solche Methoden ein? Ude: Der Effekt ist doch klar. Die Kommunen setzen sich aus Not in die Nesseln und müssen die Wut der Bürger aushalten, während die Bundespolitiker, die dafür verantwortlich sind, in Spendierhosen durchs Land laufen. Das ist ein Komplott zu Lasten der Kommunen. sueddeutsche.de: Was ist die beste Sparidee, von der Sie gehört haben? Ude: Man hätte rechtzeitig den Schlamassel bei der Landesbank vermeiden sollen, statt sich in finanzielle Abenteuer zu stürzen.
Christian Ude, Münchens Oberbürgermeister und Vizepräsident des Städtetags, über die Wut der Kommunen und Bellen im Hausflur.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/ude-im-gespraech-komplott-zu-lasten-der-kommunen-1.5101
"Ude im Gespräch - ""Komplott zu Lasten der Kommunen"""
00/02/2010
In der CDU wächst die Sorge, dass die Affäre um die Sponsoring-Praxis der Partei in Nordrhein-Westfalen die Wahlaussichten für die Landtagswahl Anfang Mai massiv verschlechtern könnte. Sollte es Ministerpräsident Jürgen Rüttgers nicht gelingen, die Diskussion schnell zu beenden, "kann das noch sehr gefährlich für uns werden", sagte ein CDU-Präsidiumsmitglied der Süddeutschen Zeitung. Zugleich wurden weitere Belege dafür bekannt, dass die umstrittene Praxis von der Landes-CDU schon länger gepflegt wird. Furcht vor dem "Aufregerthema" In der Unionsführung geht vor allem die Befürchtung um, dass bei den derzeit ohnehin sehr knappen Mehrheitsverhältnissen in Nordrhein-Westfalen die Affäre den Ausschlag über Sieg oder Niederlage geben könnte. Noch seien die Vorwürfe vor allem ein Thema für Experten, sollte es aber zu einem "Aufregerthema der breiten Öffentlichkeit" werden, dann werde es "weh tun", hieß es in Fraktionskreisen. Der Rücktritt des bisherigen Landesgeneralsekretärs Hendrik Wüst wird in der Unionsführung als Chance für einen Neuanfang gewertet. Wüst galt in Berlin wegen seines forschen und wenig selbstkritischen Auftretens schon seit längerem als Belastung im Wahlkampf. Ob sein Rückzug aber ausreiche, die Krise zu überwinden, sei noch unklar, hieß es in Partei- und Fraktionskreisen weiter. Eng mit der Sorge um den Wahlsieg ist die Angst vor dem Verlust der schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat verbunden. Sollte die Düsseldorfer Koalition am 9. Mai nicht bestätigt werden, wie Umfragen derzeit vorhersagen, hätte die Bundesregierung in der Länderkammer keine Mehrheit mehr. "Es gibt Sponsoring in vielen, vielen Bereichen" Rüttgers räumte unterdessen ein, dass Fehler passiert seien. Zugleich verteidigte er aber die Sponsoring-Praxis. "Es gibt Sponsoring in vielen, vielen Bereichen, künstlerischen und sportlichen und bei allen Parteien", sagte der Ministerpräsident am Rande von Beratungen der CDU-Landtagsfraktion im Düsseldorfer Landtag. Abermals bestritt er, von Werbebriefen gewusst zu haben, in denen Sponsoren exklusive Gespräche mit ihm oder Landesministern gegen Zahlung einer bestimmten Summe versprochen wurden. "Ich bin für die Politik in der CDU zuständig, nicht für die Organisation von Veranstaltungen", sagte Rüttgers. Er bestritt auch, bereits zu einem früheren Zeitpunkt von solchen Sponsoren-Briefen gewusst zu haben. So war bereits im Vorfeld eines CDU-Kongresses in Bonn im November 2004 bekannt geworden, dass Firmen das Angebot erhalten hatten, gegen Zahlung von 14000 Euro ein "Sponsorenpaket" zu erwerben. Den Spendern wurde eine Begegnung mit dem damaligen CDU-Spitzenkandidaten Rüttgers in Aussicht gestellt. Ehemalige und amtierende Landesvorstandsmitglieder wiesen darauf hin, dass Rüttgers den Landesverband in den vergangenen zehn Jahren ganz auf seine Person ausgerichtet habe. Dass er nicht gewusst habe, in welcher Form sein Name vermarktet wurde, sei daher ziemlich unwahrscheinlich, hieß es. Auch wurde an die schwierige Finanzlage der Partei nach der gewonnenen Landtagswahl im Mai 2005 erinnert. Etwa eine Million Euro soll der Wahlkampf teurer gewesen sein als geplant. Zudem war die Landesgeschäftsstelle aufwendig saniert worden. Auch vor diesem Hintergrund habe die Partei nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten suchen müssen, erinnern sich frühere Mitarbeiter der Landesgeschäftsstelle. Rüttgers sei dabei zwar nicht selbst aktiv geworden, aber über alle wesentlichen Vorgänge informiert worden. "Die Ära Rüttgers geht zu Ende" Der Landesvorstand der NRW-CDU kam am Abend zusammen, um über die Lage zu beraten. Rüttgers schlug Landesmedienminister Andreas Krautscheid als neuen Generalsekretär vor. Der 49-Jährige gehört zu den engen Vertrauten von Rüttgers. "Die Ära Rüttgers geht zu Ende", hatte zuvor ein langjähriger Parteifunktionär der SZ gesagt. Durch Rüttgers' Hang zur Selbstherrlichkeit habe sich Unmut in der Partei aufgestaut. Dass sich dieser bisher nicht entladen habe, sei damit zu erklären, dass es zu Rüttgers vor der Wahl keine Alternative gebe. Nach Ansicht von SPD-Landeschefin Hannelore Kraft stellen die Werbebriefe eine "Grenzüberschreitung" dar, die einen schweren politischen Schaden für alle Parteien bedeute. Für ihre Partei schloss Kraft ein solches Vorgehen aus: "Bei der NRW-SPD gibt es das nicht, bei uns bekommt man keine Gesprächstermine gegen Geld."
Unruhe in der Union: Die Parteispitze befürchtet, dass die Sponsoring-Affäre um Rüttgers weitreichende Folgen haben könnte.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/ruettgers-bringt-union-in-not-das-kann-noch-gefaehrlich-werden-1.16493
"Rüttgers bringt Union in Not - ""Das kann noch gefährlich werden"""
00/02/2010
Vor dem Kundus-Ausschuss des Bundestags erklärte Oberst Klein, warum er zwei gestohlene Tanklaster in Afghanistan bombardieren ließ - Rechtfertigung für einen verheerenden Befehl. Bundeswehr-Oberst Georg Klein glaubte, ein klares Bild von der Lage zu haben, und er fühlte sich unter Zeitdruck. Deshalb gab er den Befehl, in der Nacht zum 4.September vorigen Jahres zwei von Taliban entführte Tanklaster zu bombardieren, die im Kundus-Fluss in Nordafghanistan auf einer Sandbank feststeckten. Bis zu 142 Menschen wurden bei dem Angriff getötet. Lange Zeit war dies eine entscheidende Frage: Was hatte Klein letztendlich veranlasst, den verheerenden Befehl zu geben, der nicht nur viele tote Zivilisten zur Folge hatte, sondern im Nachgang einen leibhaftigen Bundesminister, einen Staatssekretär und den höchsten Soldaten der Bundeswehr ihre Ämter kostete. Wie jetzt bekannt wurde, legte Klein bei seiner Vernehmung im Kundus-Untersuchungssausschuss des Bundestages am 10. Februar seine Beweggründe ausführlich dar. Ausschussmitglieder hatten seine Ausführungen seinerzeit als nachvollziehbar und überzeugend gewertet. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sagte Klein aus, für ihn sei das Lagebild "rund" gewesen. Es sei unzweifelhaft gewesen, dass die Tanklaster eine akute Bedrohung für seine Soldaten, für das von ihm geleitete Provinz-Wiederaufbauteam (PRT) und für afghanische Sicherheitskräfte dargestellt hätten. Diese Gefahr habe er abwenden müssen. Unter Zeitdruck Auf der anderen Seite habe er sich unter Zeitdruck gefühlt, weil er nicht habe absehen können, wie lange zwei F-15-Kampfbomber, welche die Amerikaner als Luftunterstützung entsandt hatten, zur Verfügung stehen würden. Es habe die Möglichkeit bestanden, dass sie jederzeit für einen anderen Einsatz mit höherer Priorität abgerufen werden könnten. Eine Alternative zur Bekämpfung der Tanker und ihrer Entführer aus der Luft, habe es für ihn mangels ausreichender Reserven an Bodentruppen nicht gegeben. Aufgrund der bisher bekannt gewordenen Darstellungen über die Ereignisse jener Nacht in Kundus war nicht ersichtlich, was letztlich der Auslöser für den Bombardierungsbefehl Kleins gewesen ist. Über Stunden hinweg hatten der Oberst und seine Untergebenen mit Hilfe der amerikanischen Luftaufklärung und dank eines afghanischen Informanten am Boden das Geschehen auf der Sandbank im Visier. Konkrete Anzeichen dafür, dass die Tanklaster bald wieder flottgemacht werden könnten, gab es auch nach Kleins Einlassungen im Ausschuss nicht. Er habe jedoch nicht abschätzen können, ob die Lastwagen sich bald wieder oder überhaupt irgendwann in Bewegung setzen würden. Im Licht dieser Lagebewertung könnte der von Klein empfundene Zeitdruck eine plausible Erklärung liefern, dass Klein um 01.50 Uhr Ortszeit den Befehl gab, zwei Bomben auf die Tanklaster abzuwerfen.. Klein betonte im Ausschuss noch einmal, dass er alleine die Verantwortung für den Bombenabwurf trage. In der Vergangenheit war immer wieder spekuliert worden, der Angriff auf die Tanklaster sei in Wahrheit das Werk einer geheim operierenden Sondereinheit mit der Bezeichnung Task Force 47 gewesen. Diese Vermutung hatte sich darauf gegründet, dass Klein in der Nacht den Gefechtsstand der Task Force und nicht seine eigene Operationszentrale im PRT genutzt hatte. Aufgabe der Spezialeinheit ist die Jagd auf Taliban-Führer, und in jener Nacht waren vier von der Task Force gesuchte Aufständische auf der Sandbank gesichtet worden. Klein räumte im Ausschuss ein, dass der Nachrichtenoffizier der Task Force, ein Hauptmann, und sein Fliegerleitoffizier, der den Funkkontakt zu den US-Flugzeugen hielt, ein Oberfeldwebel, ihn schon zu einem früheren Zeitpunkt gedrängt hätten, die Lastwagen zu bombardieren. Dies habe er jedoch zunächst abgelehnt. Er sei Oberst, und ein Hauptmann und ein Oberfeldwebel könnten ihn beraten, aber nicht drängen, erklärte Klein im Ausschuss. Lesen Sie auf der nächsten Seite, wohin sich Oberst Klein direkt nach dem Befehl zurückzog.
Vor dem Kundus-Ausschuss des Bundestags erklärte Oberst Klein, warum er zwei gestohlene Tanklaster in Afghanistan bombardieren ließ - Rechtfertigung für einen verheerenden Befehl.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/oberst-klein-und-die-kundus-affaere-so-war-es-wirklich-1.4952
Oberst Klein und die Kundus-Affäre - So war es wirklich
00/02/2010
Koalition will Zuverdienstregelen schnell ändern Die schwarz-gelbe Koalition will sich in der Hartz-IV-Debatte rasch mit Änderungen bei den Zuverdienstmöglichkeiten befassen. Die Spitzen von CDU, CSU und FDP hätten sich im Koalitionsausschuss darauf geeinigt, in diesem Bereich möglichst schnell zu Nachjustierungen zu kommen, sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich in Berlin. Zugleich distanzierte er sich von der Forderung des Vizekanzlers und FDP-Chefs Guido Westerwelle nach einer grundlegenden Erneuerung des Sozialstaats. "Der Meinung bin ich nicht", sagte Friedrich. Das Sozialwesen "muss aber an der ein oder anderen Stelle nachjustiert und treffsicherer gemacht werden". Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Neuberechnung der Regelsätze für die gut 6,5 Millionen Hartz-IV-Bezieher verlangt, insbesondere für die rund 1,7 Millionen Kinder. Friedrich sagte, das Arbeitsministerium sei nun gefordert, möglichst schnell die Datengrundlage für die Umsetzung zur Verfügung zu stellen. Zur FDP-Forderung nach Sachleistungen für Kinder äußerte er sich zurückhaltend. Notwendig sei es, für alle Kinder mehr zu tun als bisher, nicht nur für die Kinder von Hartz-IV-Beziehern. Wann die Niederlande ein neues Parlament wählen, warum die Republikaner den Kompromissvorschlag zur Gesundheitsreform von US-Präsident Obama ablehnen und wen Baden Württembergs Ministerpräsident Mappus bei seiner Kabinettsumbildung auswechselt: Auf den folgenden Seiten finden Sie weitere Kurzmeldungen.
Die schwarz-gelbe Regierung plant, die Zuverdienstmöglichkeiten bei Hartz IV bald nachzubessern. Kurzmeldungen im Überblick.
politik
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Koalition will Regeln für Zuverdienst ändern
00/02/2010
In einer Grundsatzrede zur künftigen Nato-Strategie hat US-Außenministerin Hillary Clinton die europäischen Mitglieder der Allianz gemahnt, sich stärker neuen Bedrohungen wie Cyber-Angriffen und Gefährdungen der Energieversorgung zu stellen. "Da werden mehr Investitionen der Mitgliedsnationen erforderlich sein", sagte sie auf einer Sicherheitskonferenz des Atlantic Council in Washington. Zugleich warnte sie davor, die nukleare Abschreckung in Frage zu stellen. "Wir leben in einer gefährlichen Welt", in der Abschreckung weiter nötig sei. "Uns ist klar, dass es in Europa gerade eine Debatte selbst bei einigen der führenden Mitgliedsländer darüber gibt, was das bedeutet", erklärte Clinton, ohne Länder beim Namen zu nennen. Es dürfte aber klar sein, dass Clinton auf die von ihrem deutschen Kollegen Guido Westerwelle (FDP) initiierte Debatte über den Abzug der noch in Deutschland verbliebenen US-Atomwaffen anspielte. "Wir hoffen, dass es keine voreiligen Schritte gibt, die unsere Abschreckungsfähigkeit unterminieren würde", sagte Clinton weiter. Erst vergangene Woche hatte der Nuklearexperte der Carnegie-Stiftung in Washington, George Perkovich, die Debatte über die US-Atomwaffen in Deutschland ungewöhnlich deutlich kritisiert. Zwar bezeichnete auch er die wenigen verbliebenen taktischen Bomben als "nutzlos". Keine Zusagen Zugleich bemängelte er, dass Westerwelles Vorstoß nicht mit Zusagen für die neuen Mitgliedsländer der Nato im Osten unterfüttert würden. "Wenn es Deutschland mit dem Vorstoß ernst ist, sollte es innerhalb der Nato und mit Russland zusammenarbeiten, um die Zukunft der atomaren Abschreckung in Europa und der Nachbarschaft des Kontinents zu regeln". Atomwaffen könnten in die Hände von Terroristen geraten, dazu komme die Bedrohung durch Nordkorea und Iran, sagte Clinton. Dagegen reiche nukleare Abschreckung nicht aus. "Die Nato muss eine eigene Raketenabwehrarchitektur entwickeln, die Europa verteidigen kann", sagte sie. Die US-Regierung sehe die Neuausrichtung der amerikanischen Raketenabwehr in Europa als Beitrag dazu. Clinton mahnte an, auch Russland einzubeziehen. "Wir laden Russland ein, bei der Entwicklung eines Raketenabwehrsystems der Nato mitzumachen, so dass es nicht nur die Menschen in Europa beschützen kann, sondern auch in Russland." Zugleich nannte sie die Energiesicherheit "eine besonders drängende Priorität". US-Verteidigungsminister Robert Gates kritisierte am Dienstag die in Europa verbreitete Ablehnung von Militäreinsätzen als Schwäche. Diese Einstellung behindere das Bemühen der Nato um "echte Sicherheit und dauerhaften Frieden im 21. Jahrhundert", so Gates. "Echte oder vermeintliche Schwäche" könnte die Gegner der westlichen Welt zu "Aggressionen" verleiten.
Grundsatzrede zur künftigen Nato-Strategie: US-Außenministerin Clinton warnt die Europäer davor, die atomare Abschreckung in Frage zu stellen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/us-aussenministerin-clinton-warnung-vor-abruestung-1.2958
US-Außenministerin Clinton - Warnung vor Abrüstung
00/02/2010
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hat Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wegen ihrer Äußerungen zu den bekanntgewordenen Missbrauchsfällen scharf angegriffen. Noch nie habe es in der Politik eine "ähnlich schwerwiegende Attacke auf die katholische Kirche gegeben", sagte der Erzbischof in Freiburg anlässlich der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe. Leutheusser-Schnarrenberger hatte in einem Fernsehinterview gesagt, die katholische Kirche erwecke bislang nicht den Eindruck, dass sie auch nur bei Verdachtsfällen mit den Strafverfolgungs- behörden konstruktiv zusammenarbeiten wollte. Zollitsch nannte die Äußerungen "undifferenziert und emotional". Er erwarte, dass Leutheusser-Schnarrenberger sie innerhalb von 24 Stunden zurücknehme. Die Ministerin hat Zollitsch zufolge zudem suggeriert, dass die inzwischen rund 120 Missbrauchsfälle auch aus der jüngeren Vergangenheit stammten. Fakt sei, dass diese Fälle 25 bis 30 Jahre zurücklägen. "Ich wehre mich nachdrücklich gegen falsche Tatsachenbehauptungen und maßlose Polemik", sagte Zollitsch. Er habe bereits am Montag keinen Zweifel daran gelassen, dass alle Fälle lückenlos aufgeklärt werden müssen. "Die staatlichen Behörden sind schnellstmöglich eingeschaltet", sagte der Bischof. Die Staatsanwaltschaft erhalte alle Einblicke. Er habe der FDP-Politikerin einen Brief geschrieben und wolle außerdem noch am Dienstag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) telefonieren, sagte Zollitsch weiter. Die Äußerungen der Ministerin seien nicht akzeptabel. "Irgendwo gibt es Grenzen", sagte er.
"Undifferenziert und emotional": Erzbischof Zollitsch greift Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger für Äußerungen zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche scharf an.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/leutheusser-schnarrenberger-bischof-attackiert-ministerin-1.4272
Leutheusser-Schnarrenberger - Bischof attackiert Ministerin
00/02/2010
Wer zur Blockade des Nazi-Aufmarsches in Dresden aufgerufen hatte, erhielt jetzt einen Drohbrief von den Rechten - unter den Empfängern ist auch ein Abgeordneter. Tausende Nazigegner haben vor zwei Wochen in Dresden ein Horde von Nazis in Schach gehalten. Mit Sitzblockaden konnten sie verhindern, dass aus dem gesamten Bundesgebiet angereiste Neonazis ihren geplanten Demonstrationszug durch die Stadt antreten. Doch wer sich gegen Nazis stellt, muss offenbar damit rechnen, später von ihnen verfolgt zu werden. Unterzeichner des Aufrufs "Dresden Nazifrei" jedenfalls hatten jetzt unerwünschte Post im Briefkasten. Oben links auf dem Brief steht auf drei Zeilen verteilt "Kommando 13. Feb". Das Wort Kommando bricht nach "Komm" in die nächste Zeile um. Es weist auf den 13. Februar vor zwei Wochen hin. An dem Tag hatten Nazigegner einen Aufmarsch von Rechtsradikalen in Dresden verhindert. Die eigentliche Drohung steht in fetten Lettern wenige Zentimeter darunter: "... dein leben, interessiert uns brennend..." Die Fehler in Orthographie und Interpunktion entsprechen dem Originaltext. Den Briefen war jeweils ein langes Kaminstreichholz beigefügt. Die Empfänger des Drohbriefes haben allesamt den Aufruf "Dresden Nazifrei" unterzeichnet, der helfen sollte, den Naziaufmarsch am 13. Februar in Dresden zu verhindern. Mit Sitzblockaden hatten es die Demonstranten geschafft, den angereisten Rechten in Dresden keinen Raum für ihren angekündigten Umzug zu geben. Der Umstand ist den Rechten offenbar sauer aufgestoßen. Bislang haben den Brief nur Unterzeichner aus dem Raum Berlin erhalten. Adressaten waren auch drei Geschäftsstellen der Partei Die Linke in Berlin. Ein Brief ging namentlich an den Linken-Bundestagsabgeordneten und einstigen Chef der Berliner Landespartei, Stefan Liebich. Die Partei erstattete Anzeige gegen unbekannt. Liebich sagte zu sueddeutsche.de, er werde den Vorgang "nicht auf die leichte Schulter nehmen". Da der Brief auch an Privatadressen von Unterzeichnern gegangen sei, müsse ein "gewisses Maß an Boshaftigkeit" bei den Absendern unterstellt werden. Er hoffe, es bleibe bei diesem einen Schreiben, das "uns Angst einjagen soll". Er habe jedoch nicht vor, sich davon beeindrucken zu lassen. Von Experten wird der Brief als Einschüchterungsversuch und als Hinweis auf die zunehmende Radikalisierung der rechten Szene gewertet.
Wer zur Blockade des Nazi-Aufmarsches in Dresden aufgerufen hatte, erhielt jetzt einen Drohbrief von den Rechten - unter den Empfängern ist auch ein Abgeordneter.
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Nach Protestaktion in Dresden - Nazis verschicken Drohbriefe
00/02/2010
Ein Sozialstaat gibt nicht dem, der schon hat - und nimmt nicht dem, der wenig hat. Er sagt nicht: Für dich die Schneeschaufel, für mich die Millionenspende. Er sorgt für inneren Frieden. In der Debatte über Hartz IV wird so getan, als könne man sich den Sozialstaat nicht mehr leisten. Das ist ein gefährliches Gerede. Das Gegenteil ist richtig. Diese Gesellschaft kann es sich nicht leisten, sich den Sozialstaat nicht zu leisten. Er garantiert den inneren Frieden. Die Geschichte von 60 Jahren Bundesrepublik lehrt: Nicht die Polizei und nicht die Justiz waren jahrzehntelang Garanten des inneren Friedens; nicht Strafrechtsparagraphen und Sicherheitspakete haben für innere Sicherheit gesorgt. Der Sozialstaat war das Fundament der Prosperität, die Geschäftsgrundlage für gute Geschäfte; er verband politische Moral und ökonomischen Erfolg. Ein Sozialstaat ist ein Staat, der gesellschaftliche Risiken, für die der Einzelne nicht verantwortlich ist, nicht bei diesem ablädt. Der Sozialstaat verteilt, weil es nicht immer Manna regnet, auch Belastungen - das heißt, auch er muss sparen, wenn die Mittel knapp werden. Aber dabei gilt, dass der, der schon belastet ist, nicht auch noch das Gros der Belastungen tragen muss. Ein Sozialstaat gibt also nicht dem, der schon hat, und er nimmt nicht dem, der ohnehin wenig hat. Der Sozialstaat sagt nicht: Für dich die Schneeschaufel, und für mich die Millionenspenden. Eine moderne Sozialpolitik sorgt dafür, dass der Mensch Bürger sein kann. Sie gibt ihm Grundsicherung und Grundsicherheit. Seine Freiheitsrechte, seine politischen Rechte brauchen ein Fundament, auf dem sie sich entfalten können. Eine Demokratie, die auf Sozialpolitik keinen Wert mehr legt, gibt sich auf. In der Präambel der schweizerischen Verfassung aus dem Jahr 1999 steht ein wunderbarer Satz: "Die Stärke eines Volkes misst sich am Wohl der Schwachen." Das ist nicht nur ein wunderbarer, sondern auch ein mutiger Satz, weil diese Stärke gern an ganz anderen Faktoren bemessen wird. Die einen messen die Stärke am Bruttosozialprodukt und am Exportüberschuss, die anderen reden dann vom starken Staat, wenn sie mehr Polizei, mehr Strafrecht und mehr Gefängnis fordern. Zu wenige reden von der Stärke des Staates, wenn es darum geht, menschenwürdige Mindestlöhne durchzusetzen. Zu wenige reden vom starken Staat, wenn es darum geht, soziale Ungleichheit zu beheben, etwas gegen die Langzeitarbeitslosigkeit zu tun und die Sozial- und die Bildungspolitik miteinander zu verknüpfen. Ein starker Staat ist der Staat, der Heimat ist auch für die, die nicht mit dem silbernen Löffel auf die Welt gekommen sind, der Heimat ist für die, denen es dreckig geht, weil sie arbeitslos sind. Ein solcher Staat heißt Sozialstaat. Er sorgt dafür, dass Deutschland Heimat bleibt für alle Altbürger und Heimat wird für alle Neubürger. Das nennt man Integration, und das ist das Gegenteil von Ausgrenzung. Integration ist all das, was Heimat schafft. Die Zusammenfassung all dessen nennt man Sozialstaat. Die Stärke eines Volkes misst sich am Wohl der Schwachen. Das große, das bedeutende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV war die Langfassung dieses kurzen wunderbaren Satzes. Das Gericht hat dem Sozialstaat eine packende Aufgabe zugeschrieben: Er muss Schicksalskorrektor sein für die Armen und die relativ Armen dieser Gesellschaft, für die Kinder zumal. Das Gericht hat zu diesem Zweck ein neues Grundrecht formuliert: Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Es begründet eine Grundpflicht des Staates, dieses Minimum zu garantieren und zu konkretisieren. Es ist ein Grundrecht für die Armen. Die Bedeutung dieses Urteils kann man gar nicht überschätzen. Die von Guido Westerwelle ausgelöste wilde Diskussion hat das nicht erfasst oder nicht erfassen wollen. Vielleicht war das Absicht. Vielleicht sollte diese Diskussion dieses Grundrecht für die Armen einfach verschütten. Selten ist ein Urteil des höchsten Gerichts so missachtet worden, so umgedreht und so missbraucht worden wie dieses Urteil in der durch Westerwelle ausgelösten Debatte. Den Armen fehlt das Sprachrohr Er hat Hartz-IV-Empfänger rundweg als Faulpelze beschimpft, die nach "anstrengungslosem Wohlstand" trachten. Wie bitte - Wohlstand? Den Beschimpften fehlen nicht nur Arbeit und gesellschaftliche Anerkennung, es fehlt ihnen die Kraft, sich zu wehren und sich zu organisieren, auch gegen solche politische und publizistische Verunglimpfung. Sicher: Es gibt Hartzer, die es sich in sozialer Verwahrlosung irgendwie eingerichtet haben und den Staat als Zapfanlage betrachten. Die schlechteste Reaktion darauf ist es, wenn der Unmut darüber sich auf alle Hartz-IV-Empfänger ergießt. Ein kleine Geschichte: In Bern lebte, es ist schon ein paar Jahrzehnte her, eine fromme Dame, Madame de Meuron. Sie wurde die "letzte Patrizierin" von Bern genannt. Als sie eines Morgens in die Kirche ging, hatte sich da auf ihren Stuhl ein Bauer verirrt. Sie wies ihn mit scharfen Worten zurecht: "Mein Herr, im Himmel sind wir dann alle gleich, aber hier unten muss Ordnung herrschen."
Ein Sozialstaat gibt nicht dem, der schon hat - und nimmt nicht dem, der wenig hat. Er sagt nicht: Für dich die Schneeschaufel, für mich die Millionenspende. Er sorgt für inneren Frieden.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/debatte-um-hartz-iv-heimat-sozialstaat-1.1802
Debatte um Hartz IV - Heimat Sozialstaat
00/02/2010
Eine Schau im Deutschen Historischen Museum in Berlin zeigt, wie sich Politiker mit Hilfe moderner Kunst in Szene setzen - und auch die Vorbilder aus der Wirtschaft. Dort ist dies schon lange üblich. Die Ausstellung "Macht zeigen" ist noch bis zum 13. Juni im DHM zu sehen. Gerhard Schröder präsentierte sich als "Kanzler der Künste" und lud Künstler und Galeristen ins Kanzleramt ein. Hinter seinem Schreibtisch hing ein Gemälde von Georg Baselitz, das einen eher gerupften Adler zeigt - und auch noch um 180 Grad gedreht. Jens Bisky interpretiert dies in der Süddeutschen Zeitung so: "Indem er ein Werk wählte, das den Regelbruch inszeniert, das als ironischer Kommentar verstanden werden kann, das Erwartungen durchkreuzt, beweist er seine Überlegenheit." Foto: Werner Bartsch, Hamburg
Eine Berliner Schau zeigt, wie sich Politiker mit Hilfe moderner Kunst in Szene setzen - und auch die Vorbilder aus der Wirtschaft. Dort ist dies schon lange üblich.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kunst-und-herrschaft-wie-sich-merkel-schroeder-und-westerwelle-inszenieren-1.63670
Kunst und Herrschaft - Wie sich Merkel, Schröder und Westerwelle inszenieren
00/02/2010
Seit dem Krisengipfel Anfang Februar wollen die Liberalen "mehr Tempo" machen und klopfen täglich starke Sprüche - gerne gegen "Sozialisten", aber auch gegen den Koalitionspartner Union. Und die Konservativen keilen zurück. sueddeutsche.de dokumentiert die besten Zitate der angeblichen Wunschpartner - Fortsetzung garantiert. "Es ist geradezu eine zynische Debatte, wenn diejenigen, die in Deutschland arbeiten, die aufstehen, die fleißig sind, sich mittlerweile dafür entschuldigen müssen, dass sie von ihrer Arbeit auch etwas behalten möchten." Seine scharfen Äußerungen zum Sozialstaat bekräftigt Guido Westerwelle in einem Radiointerview und fordert gleich auch einen "Neuanfang des Sozialstaats". Am 15. Februar forderte er per Bild-Zeitung zudem eine "Generaldebatte" über Hartz IV. Dafür erntet der FDP-Chef Kritik von allen Seiten - und die ätzendsten Kommentare kommen nicht von der Opposition. Foto: AP
Seit dem Krisengipfel wollen die Liberalen "mehr Tempo" machen und klopfen täglich starke Sprüche - am liebsten gegen die Union. Auch die Konservativen keilen zurück. Die Zitate der Wunschpartner - Fortsetzung garantiert.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/schwarz-gelb-im-dauerkrach-szenen-einer-liebesheirat-1.79445
Schwarz-Gelb im Dauerkrach - Szenen einer Liebesheirat
00/02/2010
100 Tage Schwarz-Gelb – Angela Merkel Die Regierungsmannschaft von Angela Merkel hatte jetzt 100 Tage Zeit zu zeigen, was sie kann. Doch bei weitem nicht alle konnten überzeugen. KANZLERIN: Angela Merkel (CDU) Die Bundestagswahl 2009 ergab die Konstellation, die sich Angela Merkel wünschte: Schwarz-Gelb. Doch statt "durchzuregieren", kam das neue Bündnis bislang aus dem Stolpern nicht heraus - das lag zum guten Teil an der Kanzlerin. Die CDU-Vorsitzende regierte weiter wie während der großen Koalition: Unverbindlich, unspektakulär, ohne Ecken und Kanten - und fand sich bald in schweren Wassern wieder. Steinbach und die Vertriebenen-Stiftung, die Debatte um weitere Steuersenkungen, das EU-Beitrittsverfahren der Türkei, zuletzt der Knatsch in der Gesundheitspolitik - stets initiierten der Christsoziale Seehofer und der Ober-Liberale Westerwelle neue Volten, stets wirkte Merkel wie eine Getriebene. Obendrein brach eine offene Debatte über ihren präsidialen Führungstil aus. Merkel versuchte ihren Kurs damit zu erklären, die CDU öffnen zu wollen, als Volkspartei für jedermann - ihre Kritiker verstummten zunächst, der Unmut blieb. Auch außenpolitisch gab es für die Kanzlerin wenig Grund zur Freude: Beim Scheitern des Weltklimagipfels von Kopenhagen wurde klar, dass Merkel im Kreise der Großen als Maklerin wenig bewirken kann. Zuletzt, als es darum ging, ob die Regierung die gestohlenen Daten mutmaßlicher Steuersünder kaufen soll, tat Merkel, was viele Konservative schmerzlich vermisst hatten: Sie fällte schnell eine Entscheidung. Ob Angela Merkel künftig häufiger klare Kante zeigt, bleibt offen, zu raten wäre ihr es: Ohne den Mut zum Machtwort werden Seehofer und Westerwelle weiterhin als freie Radikale ihre Süppchen kochen. Foto: AP
100 Tage Schwarz-Gelb sind rum. Doch Feierstimmung will nicht aufkommen. Welche Minister haben gute Arbeit geleistet? Und welche sind Fehlbesetzungen? Stimmen Sie ab!
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/100-tage-schwarz-gelb-wie-gut-war-merkels-mannschaft-1.65235
Bundeskabinett
00/02/2010
In der Krise entdecken viele Firmen das billigste Marketing-Medium von allen: die eigenen Kunden. Das Problem dabei ist: Es darf nicht nach Werbung aussehen. Tom Dickson hat dem iPhone ziemlich viel zu verdanken. Nicht, weil er damit seine E-Mails abrufen oder lustige Apps runterladen würde. Tom Dickson hat sein iPhone zerschreddert. In einem Küchenmixer, bis nur noch ein Haufen schwarzes Pulver übrig war. Tom Dickson ist der Gründer von Blendtec, dem Unternehmen, das den Mixer produziert hat, und das Video von der iPhone-Zerstörung ist die berühmteste Folge einer ganzen Serie von Aufnahmen, mit denen Dickson die Kraft seiner Geräte demonstrieren will. Knapp acht Millionen Mal wurde allein diese Episode auf der Internetplattform Youtube angeklickt. Dickson genießt Kultstatus im Netz - und sein Unternehmen profitiert von einem Werbewert, den es mit einem herkömmlichen Fernsehspot wohl nie erreicht hätte. "Virales Marketing ist die moderne Mundpropaganda" In der Krise experimentieren viele Firmen mit sogenannten viralen Kampagnen: Sie buchen keine Spots für Radio oder Fernsehen, sondern setzen auf den Werbeträger Mensch, der ihre Botschaft verbreiten soll. "Virales Marketing ist so etwas wie die moderne Version der Mundpropaganda", sagt Mark Renshaw, Experte für technologiebasiertes Marketing bei der Werbeagentur Leo Burnett in Chicago. Ein für wenig Geld produzierter Clip wird ins Netz gestellt und von den Internetnutzern immer weiter und weiter verbreitet - wie ein Virus. "Es geht um diese Art von Videos, die die Leute im Büro per E-Mail an alle ihre Kollegen weiterleiten", sagt Renshaw. "Wer das hinkriegt, bekommt zu einem lächerlich kleinen Preis unheimlich viel Aufmerksamkeit." Virale Kampagnen funktionieren aber nicht nur über lustige Internetvideos. Auch gezielt gestreute Gerüchte oder praktische Serviceangebote können Teil einer Marketingstrategie sein. "Es geht darum, ein Produkt bei einer bestimmten Zielgruppe ins Gespräch zu bekommen", sagt Renshaw. Facebook hilft nach Durch das Internet seien die Möglichkeiten, virale Kampagnen zu lancieren, viel breiter geworden - besonders soziale Online-Netzwerke wie Facebook oder StudiVZ kommen den Werbern entgegen: Die Mitglieder sind dort bereits nach Interessengruppen sortiert - potentielle Käufer in appetitlichen kleinen Häppchen, besser geht's nicht. Doch die Nutzer jetzt mit platten Werbebotschaften zu überschwemmen, wäre ein grober Fehler, sagt Torsten Heinson von der Werbeagentur Wunderknaben. "Die Internet-Community reagiert allergisch, sobald sie das Gefühl hat, etwas aufgedrängt zu bekommen." Wichtigste Prämisse bei viraler Werbung sei daher: Sie darf nicht nach Werbung aussehen. "Es muss Spaß machen oder Nutzen bringen", sagt Heinson, "es muss so unkommerziell wie möglich rüberkommen."
In der Krise entdecken viele Firmen das billigste Marketing-Medium von allen: die eigenen Kunden. Das Problem dabei ist: Es darf nicht nach Werbung aussehen.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/virales-marketing-kennste-den-schon-1.18854
Kennste den schon?
00/02/2010
Dramatischer Gewinneinbruch in VW, die Wolfsburger verdienen 80 Prozent weniger. Außerdem: Die USA erholen sich und die Bahn bekommt die Konkurrenz ins Haus. VW-Aktionäre leiden Europas größter Autohersteller Volkswagen hat sich im vergangenen Jahr dank der Abwrackprämie in der Gewinnzone gehalten. Der Jahresüberschuss brach zwar um 80,6 Prozent auf 911 Millionen Euro und damit stärker als von Analysten erwartet ein, wie der Konzern am Freitag anlässlich einer Aufsichtsratssitzung mitteilte. Im Gegensatz zu den meisten Konkurrenten rutschte der Wolfsburger Autokonzern im Krisenjahr aber nicht in die Verlustzone. Die Aktionäre, darunter als größte die Porsche-Eigner, das Land Niedersachsen und das Emirat Katar, müssen jedoch Abstriche bei der Dividende hinnehmen. Wegen des Gewinneinbruchs soll Ausschüttung an sie um je 33 Cent auf 1,60 Euro je Stamm- und auf 1,66 Euro je Vorzugsaktie gekürzt werden. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Analysten hatten im Schnitt mit einem Überschuss von einer Milliarde Euro gerechnet. Der Konzernumsatz sank um 7,6 Prozent auf 105,2 Milliarden Euro. Volkswagen verfügte Ende 2009 im Automobilgeschäft über Barmittel von 10,6 (Vorjahr 8,0) Milliarden Euro. Für das laufende Jahr stellte der Vorstand einen Anstieg von Umsatz und operativem Ergebnis in Aussicht. Zins- und Währungseffekte würden das Ergebnis aber weiter belasten. Dagegen steuert der Konzern mit weiteren Einsparungen. US-Wirtschaft wächst rasant Die US-Wirtschaft wächst so rasant wie seit sechs Jahren nicht mehr. Im vierten Quartal 2009 legte sie laut einer zweiten Schätzung aufs Jahr hochgerechnet um 5,9 Prozent zu, wie das US-Handelsministerium mitteilte. Bei einer ersten Schätzung Ende Januar waren die Statistiker noch von 5,7 Prozent ausgegangen. Die weltgrößte Volkswirtschaft berappelt sich damit nach Ansicht von Experten deutlich schneller als ursprünglich befürchtet vom Schock der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise. Noch im dritten Quartal lag das Wachstum lediglich bei 2,2 Prozent. Wichtigster Wachstumsmotor seien Investitionen und Export, hieß es. Der Investitionssektor werde vermutlich auch in der weiteren Erholung "eine führende Rolle spielen", sagten Analysten in ersten Reaktionen. Die Konsumausgaben der Amerikaner, die normalerweise 70 Prozent des BIP ausmachen, dürften dagegen wegen der nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit auch in den nächsten Monaten eine eher geringere Rolle haben, hieß es. Im gesamten Jahr 2009 schrumpfte die US-Wirtschaft allerdings, und zwar nach neuesten Zahlen um 2,4 Prozent. Das ist der schwerste Rückgang seit 1946. Im Jahr 2008, als die schwere Krise ausbrach, hatte es noch ein leichtes Wachstum von 0,4 Prozent gegeben. Bahn muss Betriebszentralen für Konkurrenz öffnen Die Deutsche Bahn muss ihren Wettbewerbern künftig Zugang zu den unternehmenseigenen Betriebszentralen gewähren. So sollen Wettbewerbsverzerrungen, die sich aus Sicht der Bundesnetzagentur und des Eisenbahn-Bundesamtes bisher ergeben, ausgeräumt werden. Beide Behörden verpflichteten die Bahn am Freitag, diesen Zugang vom 1. September dieses Jahres an zu gewährleisten. Mit der Anordnung soll erreicht werden, dass die Disponenten anderer Eisenbahnunternehmen genauso schnell und detailliert über den Zugverkehr auf den Strecken informiert werden wie die Disponenten der DB-eigenen Unternehmen.
Dramatischer Gewinneinbruch in VW, die Wolfsburger verdienen 80 Prozent weniger. Außerdem: Die USA erholen sich und die Bahn bekommt die Konkurrenz ins Haus.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wirtschaft-kompakt-abwrackpraemie-rettet-vw-1.5876
Wirtschaft kompakt - Abwrackprämie rettet VW
00/02/2010
Hellmut Trienekens war einer der größten Müllunternehmer des Landes - bis er unter Betrugsverdacht geriet. Nun steht er wieder vor Gericht: Millionenbeträge sollen verschwunden sein. Mehrere Dutzend Verfahren hat Hellmut Trienekens überstanden und das Schlimmste, was dem heute 71-Jährigen bei Gericht bislang widerfahren ist, war eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung - zwei Jahre Haft auf Bewährung. Auch fiel es ihm nicht wirklich schwer, die Geldbuße in Höhe von zehn Millionen Euro zu bezahlen. An diesem Freitag wird der Mann, den sie einst den "Müllpaten vom Niederrhein" nannten, wieder vor dem Kölner Landgericht als Angeklagter erscheinen müssen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Untreue vor. Trienekens soll in der Schweiz eine mit Millionen Euro gefüllte schwarze Kriegskasse angelegt haben. Vier seiner Firmen hatten Scheinrechnungen eines Schweizer Unternehmens beglichen. Die Verschiebung von Geldern in eine schwarze Kasse kann den Tatbestand der Untreue erfüllen, wenn durch die "pflichtwidrige Vorenthaltung der Geldmittel und ihre Verwaltung in einem verdeckten Kontensystem" dem Unternehmen ein Vermögensnachteil zugefügt wird. So urteilte 2008 der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall von zwei Siemens-Managern. Gilt das auch, wenn der Chef und Teilhaber des Unternehmens eine solche Kasse angelegt hat? Die Kölner Wirtschaftsstrafkammer hat zunächst 66 Verhandlungstage angesetzt, aber der Prozess wird vermutlich eine Fahrt ins Ungewisse: Trienekens ist schwer herzkrank, und auch sein Kreislauf macht Sorgen. Drei Stunden am Tag kann höchstens verhandelt werden. Sein Anwalt Norbert Gatzweiler peilt auch diesmal wieder - unter Verweis auf den Gesundheitszustand seines Mandanten - eine Einstellung des Verfahrens an. Der frühere Müllunternehmer galt einst als Pionier seiner Branche. Der gelernte Großhandelskaufmann mit dem seltenen Gespür für lukrative Nischen, große Chancen und treue Helfer war 1961 in dem Dorf Süchteln bei Viersen in den Heu- und Strohgroßhandel der Eltern eingestiegen. Nach dem Tod des Vaters sieben Jahre später übernahm er den Betrieb. Zum Inventar gehörte damals auch ein gebrauchter Müllwagen. Trienekens machte aus Müll Geld wie Heu Trienekens nutzte ihn und machte bald schon aus Müll Geld wie Heu. Zunächst stellte er Altpapiercontainer auf, dann legte er sich zwei Müllsortierungsanlagen zu und Mitte der neunziger Jahre, als das Kreislaufwirtschaftsgesetz in Kraft trat, war er bereits Mitbesitzer einer Müllverbrennungsanlage in Krefeld. Später beteiligte er sich an weiteren Anlagen und hatte Verbrennungskontingente in diversen Städten. Der Essener Energiekonzern RWE AG stieg bei Trienekens ein. Auf dem Höhepunkt seiner Macht herrschte der Müll-Mogul über ein Imperium von 32 Unternehmen mit 4754 Mitarbeitern und war darüber hinaus an 260 Firmen beteiligt. Trienekens war Präsident des Bundesverbandes der Entsorgungswirtschaft, und in den Verwaltungen der Kommunen wurde er wegen seines Fachwissens und auch aus anderen Gründen geschätzt.Denn Trienekens hielt auch die politische Landschaft am Rhein vorbildlich in Schuss. Das CDU-Mitglied spendete den Christ- ebenso wie den Sozialdemokraten. Er war ein Meister des Gebens und Nehmens. Seiner Heimatgemeinde Süchteln schenkte er eine Musikschule. Den Schulanfängern spendierte er reflektierende Schärpen, und berühmt war der von Trienekens und dem Fußball-Verband Mittelrhein veranstaltete "Fair-Play-Cup". Sportlich faires Verhalten wurde belohnt, denn die "ethischen Werte des Spiels", so stand es in der Ausschreibung, dürften "nicht dem kurzfristigen Erfolg geopfert werden".
Hellmut Trienekens war einer der größten Müllunternehmer des Landes - bis er unter Betrugsverdacht geriet. Nun steht er wieder vor Gericht: Millionenbeträge sollen verschwunden sein.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/korruptionsskandal-der-landschaftspfleger-1.2528
Korruptionsskandal - Der Landschaftspfleger
00/02/2010
Die Genfer Automesse könnte Balsam für die Fahrzeugbranche sein, die sich nach der guten alten Zeit sehnt. Doch das Gegenteil ist der Fall. Manager sind von Natur aus Meister des Euphemismus. Selbst wenn die Dinge noch so schlecht liegen - es findet sich in der Regel immer eine Wendung, um die Katastrophe elegant zu umschreiben. Das verbale Draufhauen überlassen Wirtschaftsbosse meist lieber den Politikern. Umso überraschender ist daher der Auftritt des sonst eher zurückhaltenden Porsche-Chefs Michael Macht vom Mittwochabend, als er die strengen Umweltauflagen für Autos in den USA als einen Angriff auf die deutschen Premiumhersteller deutete und von einem "Wirtschaftskrieg" sprach. Grund: Porsche fühlt sich in den USA benachteiligt; man überschreitet die neuen US-Grenzwerte beim Verbrauch, die im kommenden Jahr in Kraft treten, weil dort Kriterien wie Radstand und Spurbreite in die Berechnungen mit einbezogen werden. Ausgerechnet der kleine Radstand, das A und O der Sportwagen. In der Branche kommen die US-Auflagen daher wie maßgeschneidert an: Was für die kleinen Porsche-Flitzer zum Verhängnis wird, sei für die US-Konkurrenz von Vorteil, heißt es dort. Ihre Modelle sind breiter, haben in der Sprache der Autobranche einen größeren "Fußabdruck". Porsche drohen nun hohe Strafen in den USA - oder der Rückzug vom Markt. Machts Wortwahl zeigt, wie blank die Nerven liegen. Zwei Jahre Krise, zwei Jahre schlechte Nachrichten, seit zwei Jahren geht es bei den Automessen dieser Welt vor allem um Krisenbewältigung, nicht um Autos. Die Genfer Automesse, die am Montag beginnt, könnte nun der Aufbruch sein. Frühlingsgefühle am Genfer See, Balsam für eine Szene, die sich nach der guten alten Zeit sehnt, nach Normalität und Routine. Doch die gibt es nicht, im Gegenteil. Nach zwei Jahren Krise wird nun von Krieg geredet. Zu Recht: Der Kampf wird härter, und gewonnen hat der, der in diesen Zeiten noch Marktanteile erobert. Was es heißt, offene Flanken zu zeigen, hat der Weltmarktführer zu spüren bekommen. Toyota muss weltweit über acht Millionen Autos wegen klemmender Gaspedale und defekter Bremsen zurückrufen. Unfälle gab es, Tote auch. In den USA, jenem Land, in dem der größte Autobauer General Motors mit 50 Milliarden Dollar von der Regierung gerettet wurde und de facto staatlich ist, ließ man sich diese Chance nicht entgehen: Toyota-Manager wurden vor einen Kongressausschuss gezerrt, der Autobauer, der in den USA rund ein Fünftel des Marktes beherrscht, wurde öffentlich hingerichtet. Es herrscht Krieg in der Branche - und Angst. Denn gerne würde die Konkurrenz alles als japanisches Problem abtun, als logische Folge des maßlosen Wachstums der Rivalen. Dabei könnte die japanische Krankheit jeden erfassen. Alle Hersteller sparen, indem sie wie Toyota möglichst viele gleiche Teile in möglichst vielen Baureihen einsetzen. Eine intelligente Produktionsmethode, wenn es funktioniert. Ein Desaster, wenn das eine Bauteil defekt ist und innerhalb weniger Tage einen ganzen Konzern verseucht. Die Toyota-Epidemie - sie könnte sich bei General Motors ebenso ausbreiten wie bei VW. Was alle wissen, aber kaum einer sagt: Es werden zu viele Autos auf der Welt gebaut. Wer 2009 eine Abwrackprämie mitgenommen hat, kauft in diesem Jahr keinen Wagen mehr. Weltweit können die Autobauer zurzeit über 90 Millionen Autos auf den Markt werfen. Geschätzt wird, dass nur die Hälfte davon verkauft wird. Gleichzeitig drängen Billiganbieter aus China und Indien auf den Markt Zu viele Autos, zu viele Hersteller - zu wenige Kunden. Gleichzeitig muss sich die ganze Branche neu erfinden. Der klassische, PS-starke Verbrennungsmotor, jahrzehntelang Fetisch des Systems, wird irgendwann ausrangiert. Neue Technologien wie der Elektromotor werden der Branche zwar kräftigen Schwung geben. Allerdings erst in ein paar Jahren. Jeder Punkt würde die Branche schon vor große Probleme stellen. Dass jetzt alles zusammenkommt, erwischt sie kalt; die Umgangsformen werden brutaler. Der Porsche-Chef mag von einem "Wirtschaftskrieg" sprechen. Ein knallharter Verdrängungswettbewerb ist das, was sich abspielt, allemal.
Die Genfer Automesse könnte Balsam für die Fahrzeugbranche sein, die sich nach der guten alten Zeit sehnt. Doch das Gegenteil ist der Fall.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/autosalon-genf-zwei-jahre-krise-und-jetzt-krieg-1.11528
Autosalon Genf - Zwei Jahre Krise - und jetzt Krieg
00/02/2010
Die Aktionäre von Apple wollen Geld sehen - doch Unternehmenschef Steve Jobs interessiert das nicht. Er hat ganz andere Pläne. Die Aktionäre von Apple können sich nicht beklagen. Im vergangenen Jahr hat sich der Wert der Aktie mehr als verdreifacht. Doch es reicht ihnen nicht. Unternehmenschef Steve Jobs soll noch mehr dafür tun, dass der Aktienkurs steigt. Steve Jobs hält die Schatztruhe von Apple verschlossen. Auf der Hauptversammlung im kalifornischen Cupertino wies der Konzernchef Forderungen von Aktionären zurück, er möge doch das reichlich vorhandene Geld als Dividende ausschütten. Alternativ solle er einen Aktienrückkauf starten. Das treibt gewöhnlich den Kurs in die Höhe. Eigenes Geld statt Kredit Der Konzern saß Ende letzten Jahres auf 25 Milliarden Dollar an Barem oder kurzfristig verfügbaren Anlagen. Der Erfolg des Handys iPhone, des Musikspielers iPod und der Mac-Computer hat Apple zu einem der reichsten Unternehmen der Welt gemacht. Auch das Musikportal iTunes macht sich gut. Mittlerweile sind mehr als zehn Milliarden Lieder über die virtuelle Theke gegangen. Jobs sagte, er wolle das Finanzpolster bewahren, um auch mal ein "dickes, fettes" Risiko eingehen zu können. Oder um größere Zukäufe stemmen zu können, ohne gleich einen Kredit aufnehmen zu müssen. Damit würde Apple allerdings von seinem Kurs abweichen. Bislang hat der Elektronikkonzern nur kleinere Technologiefirmen übernommen. Am Freitag gewannen die Papiere von Apple in Europa im frühen Geschäft knapp zwei Prozent. Gerüchten zufolge plant Apple einen Aktiensplit im Verhältnis 1:4. Das macht die Aktie optisch billiger und verursacht darum oft einen kleinen Kursschub. Ein Sprecher des Unternehmens sagte indes, dass dieser Schritt nicht geplant sei. Die Aktionäre störte das offenbar nicht.
Die Aktionäre von Apple wollen Geld sehen - doch Unternehmenschef Steve Jobs interessiert das nicht. Er hat ganz andere Pläne.
wirtschaft
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"Apple-Chef Steve Jobs - Lust auf ein ""dickes, fettes"" Risiko"
00/02/2010
"Ich bin kein Hartz-IV-Typ, ich will arbeiten": Sechs Menschen berichten über Jobs, mit denen sie trotz langer Arbeitszeiten kaum ihr Leben finanzieren können. Aufgeregt wird dieser Tage über Hartz IV gesprochen. Politiker schimpfen, dass manche Arbeitslose wie Schmarotzer auf Kosten des Staates lebten. Die Sozialleistungen müssten gekürzt werden, die Leute zur Arbeit gebracht werden. Es gibt aber auch Menschen, die arbeiten und trotzdem nicht genug Geld haben, um vernünftig zu leben. Was sagt man denen? Arbeitet mehr? Die Realität ist oft eine 50-Stunden-Woche und kein Urlaub, weil kein Geld dafür übrig ist. Ist das gerecht? Es gibt Politiker in Deutschland, die sprechen zurzeit oft über das "Lohnabstandsgebot": Ein Arbeitender muss mehr verdienen als ein Arbeitsloser. Dann sei es gerecht. Die Frage ist: Was hilft es dem Arbeiter, wenn er mehr verdient als sein arbeitsloser Nachbar, aber immer noch zu wenig, um ordentlich zu leben? Es sind keine Einzelfälle, um die es geht. In Deutschland arbeitet jeder Fünfte zum sogenannten Niedriglohn: 6,5 Millionen Beschäftigte bekommen pro Stunde weniger als 9,62 Euro (im Westen) und 7,18 Euro (im Osten) brutto. Sie arbeiten nachts, sie schleppen so lange Obstkisten, bis der Rücken zieht. Es ist nicht einfach, mit ihnen darüber zu sprechen. Viele wollen ihre Namen nicht in der Zeitung lesen, nicht einmal die ihrer Firmen, weil sie Angst haben, gekündigt zu werden. Oder weil sie im Rechtsstreit mit ihrem Arbeitgeber stehen. Und manche schämen sich auch, weil sie Berufen nachgehen, die die Gesellschaft nicht achtet. Auch das sagt viel aus über die Situation der Niedriglöhner in Deutschland. Niemand von ihnen sagte aber, dass er mehr Geld wolle als ein Arbeitsloser. Es geht einfach nur um genug Geld zum Leben.
"Ich bin kein Hartz-IV-Typ, ich will arbeiten": Sechs Menschen berichten über Jobs, mit denen sie trotz langer Arbeitszeiten kaum ihr Leben finanzieren können.
wirtschaft
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Niedriglohnsektor - Für eine Handvoll Cents
00/02/2010
Die Krise zehrt an den EU-Staaten: Die Wirtschaft kommt nicht in Gang. Außerdem: EADS und Boeing zoffen sich, RWE und Telekom enttäuschen. Die Wirtschaft in der EU kommt nur langsam aus der längsten und schwersten Rezession der vergangenen 50 Jahre. Das Wachstum bleibt - vor allem im Vergleich zu den Schwellenländern - schwach und anfällig. Die EU-Kommission sagte am Donnerstag für 2010 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,7 Prozent voraus. Im Vergleich zum vergangenen November blieb die Prognose damit unverändert. "Der Aufschwung der EU-Wirtschaft wird erkennbar, steht aber noch auf wackeligen Beinen", sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn. "Ich bin besorgt über die Fragilität der wirtschaftlichen Erholung in Europa. Und ich bin auch besorgt über Investitionen in Wachstum und Arbeitsplätze einerseits und die Sanierung der Staatsfinanzen." Die EU brauche mehr Investitionen für Wachstum, brauche aber auch "mehr Konsolidierung der Finanzen": "Es gibt kein Wundermittel für die Quadratur des Kreises." Deutschland liegt der Kommissions-Schätzung zufolge mit einem erwarteten BIP-Wachstum von 1,2 Prozent nach wie vor über dem EU-Durchschnitt. Für Großbritannien wurde die Wachstumserwartung im Vergleich zur November-Prognose von 0,9 auf 0,6 Prozent reduziert. Für Spanien wird nach wie vor ein BIP-Rückgang erwartet - allerdings nur noch um 0,6 statt 0,8 Prozent. Die Inflationsrate wurde auf 1,4 Prozent geschätzt - 0,1 Prozentpunkte mehr als im November vorausgesagt. Für die 16 Staaten mit Euro-Währung wurden 1,1 Prozent vorhergesagt, für Deutschland nur 0,7 (0,8 Prozent). Telekom enttäuscht die Märkte Die Deutsche Telekom hat im vergangenen Jahr wegen milliardenschwerer Abschreibungen einen Gewinneinbruch verbucht. Der Überschuss sank 2009 um drei Viertel auf 353 Millionen Euro, wie der Bonner Konzern mitteilte. Neben der bereits bekannten Wertminderung für die britische Mobilfunktochter T-Mobile UK aus dem Frühjahr von 1,8 Milliarden Euro seien im vierten Quartal noch eine halbe Milliarde Euro auf das Süd- und Osteuropa-Geschäft, also hauptsächlich auf die Beteiligung an der griechischen OTE, abgeschrieben worden. Dank der seit Februar konsolidierten OTE zog der Jahresumsatz aber um fünf Prozent auf 64,6 Milliarden Euro an. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Analysten hatten für 2009 mit einer Milliarde Euro Überschuss und 64,8 Milliarden Euro Umsatz gerechnet. Trotz des herben Gewinnrückgangs will der Telefonriese die Dividende für das abgelaufene Jahr stabil halten, wie bereits Mittwochnacht mitgeteilt wurde. Die Aktionäre sollen wie in den beiden Vorjahren mit 0,78 Euro je Aktie bedacht werden. Für die nächsten Jahre wurde zudem erstmals eine Mindest-Dividende versprochen. Das US-Geschäft des Konzerns lief zuletzt indes wieder besser: Im vierten Quartal gelang es den Bonnern wieder Kunden in den USA zu gewinnen. Auf das Gesamtjahr gesehen ergab sich so ein leichter Zuwachs von einer Million auf 33,8 Millionen Mobilfunkkunden. In Deutschland verlor die Telekom erneut Festnetzanschlüsse, erreichte aber ihr Ziel bei der Neukundengewinnung im DSL-Geschäft mit einem Marktanteil von 45 Prozent. Im Mobilfunkgeschäft verlor die Telekom im vierten Quartal unter anderem wegen der Ausbuchung inaktiver Prepaid-Karten Mobilfunkkunden. Auf das Gesamtjahr gesehen hielt sie die Zahl der Mobilfunkkunden aber mit rund 39 Millionen stabil. Für 2010 erwartet der Vorstand des rund 260.000 Mitarbeiter starken Konzerns einen Free Cash Flow von 6,2 Milliarden Euro und ein bereinigtes Betriebsergebnis (Ebitda) von etwa 20 Milliarden Euro. 2009 lag das bereinigte Ebitda bei 20,7 (Vorjahr: 19,5) Milliarden Euro. USA lassen EADS und Boeing aufeinander los Das US-Verteidigungsministerium hat den "Jahrhundertdeal" über 179 Tankflugzeuge im Wert von 35 Milliarden Dollar erneut ausgeschrieben. Das gab das Pentagon in Washington offiziell bekannt. Der amerikanische Flugzeughersteller Boeing und der europäische Konkurrent EADS ringen seit Jahren erbittert um den Mega-Auftrag. "Wir glauben, dass beide Bieter in der Lage sind, diesen Wettbewerb zu gewinnen", sagte der Luftwaffen-Staatssekretär Michael Donley. "Wir hoffen, dass es ein guter Wettbewerb wird." EADS und der amerikanische Partner Northrop Grumman hatten die Ausschreibung 2008 bereits für sich entschieden. Doch nach Protesten des alten Lieferanten Boeings hatte Washington das Verfahren neu aufgerollt. Allerdings hatte Northrop Grumman sich bereits unlängst beschwert, das US-Verteidigungsministerium gehe bei der abermaligen Ausschreibung nicht fair vor. Vielmehr schneide es die Bedingungen einseitig auf Boeing zu. Northrop Grumman hatte sogar damit gedroht, das Angebot zurückziehen. Lufthansa nähert sich dem Normalbetrieb Der Flugplan der Lufthansa weist auch drei Tage nach dem abgebrochenen Streik noch einige Lücken auf. Die Fluggesellschaft arbeitet nach eigenen Angaben aber hart daran, am Freitag wieder den regulären Flugplan erfüllen zu können. Nach Angaben eines Sprechers galt am Donnerstag weiterhin ein Sonderflugplan, der rund 1600 von sonst 1800 Verbindungen enthielt. Am Montag hatten die Piloten mit ihrem eintägigen Streik rund die Hälfte der Jets am Boden gehalten und den komplexen Flugplan langfristig durcheinandergewirbelt.
Die Krise zehrt an den EU-Staaten: Die Wirtschaft kommt nicht in Gang. Außerdem: EADS und Boeing zoffen sich, RWE und Telekom enttäuschen.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wirtschaft-kompakt-aufschwung-welcher-aufschwung-1.8522
Wirtschaft kompakt - Aufschwung? Welcher Aufschwung?
00/02/2010
Die Schlichter haben gesprochen und für den Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst einen Deal vorgeschlagen. Jetzt kommt es auf die Streithähne an, ob sie paktieren. Eine Einigung ist zum Greifen nah - durch ist sie aber noch nicht: Die Schlichter Herbert Schmalstieg (SPD), ehemaliger Oberbürgermeister von Hannover und Sachsens früherer Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) haben für den Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst einen Schlichtungsvorschlag vorgelegt - nach einem 31-stündigen Verhandlungsmarathon in Velen im Münsterland. Für die zwei Millionen Angestellten beim Bund und den Kommunen soll es rückwirkend zum 1. Januar 1,2 Prozent mehr Geld geben. Ein weiterer kleiner Sprung von 0,6 Prozent ist ab Januar 2011 vorgesehen, eine dritte Erhöhung um weitere 0,5 Prozent zum 1. August 2011. Das jedenfalls sieht der einvernehmlich verabschiedete Schlichterspruch vor. Plus soziale Komponente Ab Januar 2011 soll zudem als soziale Komponente eine einmalige Sonderzahlung von 240 Euro erfolgen. Die Einigung der Schlichter sieht außerdem Vorschläge für flexible Arbeitszeitregelungen für ältere Beschäftigte vor. Außerdem soll Bewegung in die festgefahrenen Gespräche zwischen den Tarifpartnern über die seit 2005 strittige Entgeltordnung kommen, mit der die Beschäftigten eingruppiert werden. Die Gewerkschaften sprachen übereinstimmend von einem "starken Signal", das den Weg für einen Tarifabschluss frei mache. Die Verhandlungen sollen am Samstag auf Basis dieses Schlichterspruchs in Potsdam fortgesetzt werden. Die Verhandlungen der Tarifparteien waren Mitte des Monats gescheitert. Die Arbeitgeber hatten ein Angebot von 1,5 Prozent mehr Entgelt mit einer Laufzeit von zwei Jahren vorgelegt, die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi schraubte ihre ursprüngliche Fünf-Prozent-Forderung auf 3,5 Prozent für 2010 herunter.
Die Schlichter haben gesprochen und für den Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst einen Deal vorgeschlagen. Jetzt kommt es auf die Streithähne an, ob sie paktieren.
wirtschaft
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Öffentlicher Dienst: Schlichtung - Der Kampf ums Geld
00/02/2010
Ein massiver Abbau von Überstunden und die Kurzarbeit haben gut anderthalb Millionen Arbeitsplätze gerettet. Darum präsentiert sich der Arbeitsmarkt im Februar unerwartet robust. Seit Monaten prophezeien Experten dem Arbeitsmarkt ein Desaster - bislang zu unrecht: Trotz des strengen Winters und der Folgen der Wirtschaftskrise ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland nur moderat gestiegen: Im Februar waren 26.000 Menschen mehr auf Jobsuche als im Januar, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Donnerstag in Nürnberg mitteilte. Mit der Ausweitung der Kurzarbeit und einem massiven Abbau von Überstunden und Arbeitszeitguthaben sind 2009 rund 1,6 Millionen Vollzeitstellen gerettet worden. "Beschäftigung nimmt zu" Dabei entfielen nach BA-Angaben etwa 400.000 Stellen auf die Kurzarbeit und bis zu 1,2 Millionen auf den Abbau von Arbeitsstunden durch Arbeitszeitkonten. Insgesamt waren 3.643.000 Frauen und Männer ohne Arbeit. BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt zog denn auch ein recht zufriedenes Fazit: "Die Arbeitslosigkeit ist lediglich im jahreszeitlich üblichen Umfang gestiegen, die Beschäftigung hat sogar wieder zugenommen, und die Kräftenachfrage zeigt sich stabil." Die Arbeitslosenquote nahm um 0,1 Punkte auf 8,7 Prozent zu. Vor einem Jahr hatte sie bei 8,5 Prozent gelegen. Damals waren 91.000 Menschen weniger auf Jobsuche als in diesem Februar. "Der Anstieg erklärt sich mit dem Beschäftigungsabbau, vor allem dem Abbau sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung, infolge der Wirtschaftskrise", erläuterte die BA. Zahl der Kurzarbeiter fast halbiert Ohne Kurzarbeit und weitere arbeitsmarktpolitische Instrumente wäre der Vorjahresabstand deutlich höher ausgefallen. Nach den letzten verfügbaren Daten vom Dezember 2009 erhielten 810.000 Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen Gründen Kurzarbeitergeld; im Mai 2009 verzeichnete die BA den bisherigen Höchststand mit 1,516 Millionen. Die Betroffenen arbeiten durchschnittlich knapp ein Drittel weniger als sonst. Saisonbereinigt stieg die Arbeitslosenzahl in Deutschland im Februar um 7000 auf 3,433 Millionen. Im Westen nahm die um jahreszeitliche Einflüsse bereinigte Erwerbslosenzahl um 9000 zu, im Osten um 2000 ab. Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben sich nach den neuesten Daten im zweiten Halbjahr 2009 stabilisiert. Im Video: Der Arbeitsmarkt hat sich im Februar besser gegen den strengen Winter und die Auswirkungen der Rezession behauptet als von Experten befürchtet. Die Zahl der Erwerbslosen stieg leicht auf 3,643 Millionen. Weitere Videos finden Sie hier
Ein massiver Abbau von Überstunden und die Kurzarbeit haben gut anderthalb Millionen Arbeitsplätze gerettet. Darum präsentiert sich der Arbeitsmarkt im Februar unerwartet robust.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/arbeitsmarkt-das-kleine-februar-wunder-1.14949
Das kleine Februar-Wunder
00/02/2010