Wahlperiode
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Helge Lindh SPD
Helge
Lindh
SPD
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin; ein Märchen aus fernen Zeiten, das geht mir nicht aus dem Sinn. AfD, oh weh, oh weh. Euer Deutsch ist tot und dunkelt, und finster trübt der Hass; das Deutsch der Rapper indes funkelt und macht Euch alle nass. AfD, oh weh, oh weh. Die Lasker-Schüler, ja, sie sitzet mit ihren Versen tief im Herz; west-östlich Goethes Divan blitzet, das Völkische schreit auf vor Schmerz. AfD, oh weh, oh weh. Deutsche, kauft deutsche Zitronen, so schrillt sie, eure Melodei; das Hirn vorm Denken zu verschonen, da seid ihr stets ganz vorn dabei. AfD, oh weh, oh weh. Der ach so vielgestalt’gen Wahrheit tut täglich ihr gar weh; ihr scheut der grauen Töne Arbeit, kennt Asche nur und Schnee. AfD, oh weh, oh weh. Ich glaube, die Wogen des Hasses verschlingen am Ende nur den eig’nen Wahn; das hat mit ihrer Sirenen Singen die AfD, ihr selbst, getan. Vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist erlaubt, hier auch in Versform vorzutragen. – Ich beende die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt.
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Nadine Schön CDU/CSU
Nadine
Schön
CDU/CSU
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hätte mich ja gewundert, wenn wir heute eine Debatte über Gleichberechtigung und Gleichstellung geführt hätten, statt diese Polemik und diese Hetze zu hören, die wir von der AfD schon kennen. Ich habe meinen Augen nicht getraut, als ich gesehen habe, dass diese Partei eine Debatte beantragt mit der Formulierung „Freiheit und Gleichheit von Frauen stärken“ in der Überschrift. Eine Partei mit einem Männeranteil von 90 Prozent. Eine Partei, für die die Frau in unserer Gesellschaft in erster Linie eine Funktion hat, nämlich für den Erhalt des Staatsvolkes zu sorgen, deren zentrale frauenpolitische Forderung im Wahlprogramm es ist, den angeblichen Genderwahn zu beenden sowie das Wort „Frauen“ aus der Ministeriumsbezeichnung „Ministerium für Frauen, Familie, Senioren und Jugend“ herauszustreichen, weil man es umbenennen will in „Ministerium für Familie und Bevölkerungsentwicklung“. Sonst haben Sie in Ihrem Wahlprogramm zum Thema Frauen nichts zu sagen. Wo sind denn die Fragen zum Thema „Gewalt gegen Frauen“? Wo sind Ihre Ansichten zum Thema „Förderung von Frauen in Beruf und Gesellschaft“? Diese Kollegen der AfD sind mit Sicherheit die Letzten, mit denen ich gerne für Frauen in unserer Gesellschaft kämpfen will. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen ist ein wichtiges Thema. Wir haben in unserem Land viel erreicht. Frauen entscheiden heute selbst über ihre Berufstätigkeit, über ihr Geld, über ihren Körper. Paare entscheiden heute gemeinsam, wer wie viel Erwerbs- und wer wie viel Familienarbeit übernimmt, und zwar nach dem Grundsatz der Wahlfreiheit und nicht nach einer Ideologie, die das eine oder das andere Modell besser findet. Diese Wahlfreiheit und diese Gleichberechtigung sind ein hohes Gut. Viele Frauen, die Sie als Feministinnen beschimpfen, haben Jahre dafür gekämpft, dass auch Ihre Töchter diese Gleichberechtigung haben. Deshalb müssen wir alle gemeinsam diese auch verteidigen. Wir müssen sie natürlich gegenüber Menschen verteidigen, die aus religiösen oder kulturellen Gründen andere Frauen- und Familienbilder haben und diese anderen aufzwingen wollen. Ja, es leben in einer globalisierten Welt, in diesem Land Menschen, die dieses, die unser Frauen- und Familienbild nicht teilen. Es gibt Menschen aus anderen Kulturkreisen, die der Meinung sind, dass Männer und Frauen nicht gleichberechtigt sind und dass der Mann der Frau etwas vorschreiben darf. An dieser Stelle sage ich ganz deutlich: Das dürfen wir nicht akzeptieren. Es ist falsche Toleranz, wenn wir an diesem Punkt auch nur einen Millimeter nachgeben. In unserem Land sind Männer und Frauen gleichberechtigt. In unserem Land gibt man einer Frau die Hand. In unserem Land respektiert man Frauen auch als Vorgesetzte und Chefinnen. Und in unserem Land schreibt der Mann der Frau nicht vor, wie sie sich zu kleiden hat. Das ist sicher für viele ein Lernprozess. Und wer nicht bereit ist, sich auf diesen Lernprozess einzulassen, der muss sich fragen und von uns fragen lassen, ob er im richtigen Land ist, in dem er Zuflucht sucht. Wir müssen in dieser Sache hart sein und Haltung bewahren. Aber Pauschalierungen, Hetze und Diffamierung, wie wir es aus der rechten Ecke unseres Hauses immer hören, helfen nicht, sondern dienen nur einem Zweck: übler politischer Polemik, übler politischer Stimmungsmache. Damit helfen Sie keiner Frau. Die erreichte Gleichstellung müssen wir in Wahrheit auch gegen Leute wie Sie verteidigen. – Ja. Wer Frauen einzig und allein als Produzentinnen des eigenen Volkes betrachtet, wer die Unterstützung von Alleinerziehenden kippen will, wer eine beliebte familienpolitische Leistung wie das Elterngeld gestern in der Debatte geißelt als „Befriedigung von Kleinstinteressengruppen“ in einem sich „nicht reproduzierenden“ Volk, wer das traditionelle Familienbild als das einzig wahre und richtige Lebensmodell glorifiziert, der hat mit Wahl­freiheit und Gleichberechtigung wirklich nichts am Hut. Das gilt umso mehr bei Fragen der sexuellen Selbstbestimmung. Frauen in unserem Land haben das Recht, Nein zu sagen. Dass dieses Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und die Würde der Frau nicht angetastet werden, dafür müssen unsere Gesellschaft und unser Rechtsstaat sorgen. Es macht für eine Frau keinen Unterschied, ob diese Rechte von Deutschen oder Nichtdeutschen, von Vorgesetzten oder Partnern, von Priestern oder sonst irgendwem verletzt werden. Deshalb ist es eine Verharmlosung und ein Schlag ins Gesicht einer jeden Frau, die von ihrem Partner, ihrem deutschen Nachbarn oder sonst irgendwem vergewaltigt worden ist, dass Sie hier einseitig nur die Gewalt von Flüchtlingen zum Thema machen und geißeln. Deshalb sagen wir als Union ganz klar Nein zu jeder Form von Gewalt und sexueller Belästigung von Frauen. Und deshalb, liebe Kollegen der AfD: Wenn Sie wirklich für Gleichberechtigung, für Wahlfreiheit und für Frauenrechte kämpfen wollen, dann machen Sie Schluss mit dieser üblen Polemik. Setzen Sie sich einmal wirklich für Frauenrechte ein, und überdenken Sie Ihr eigenes Frauen- und Familienbild. Mit solchen Debatten wie heute machen Sie nur eins: Sie machen sich lächerlich. Es gab eben den Wunsch nach Zwischenbemerkungen oder Zwischenfragen. Es ist den Kolleginnen und Kollegen von der AfD vielleicht noch nicht geläufig, aber in Aktuellen Stunden sind Zwischenfragen nicht zulässig. Wir wollen den schnellen Wechsel der Redner und die lebendige Debatte – das ist der Grund dafür. Insofern habe ich diese Zwischenfragen nicht zugelassen. Als nächste Rednerin hat Josephine Ortleb das Wort, die für die SPD-Fraktion ihre erste Rede im Deutschen Bundestag hält.
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Timon Gremmels SPD
Timon
Gremmels
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich fand es sehr beeindruckend: Allein an den vier Rednerinnen und Rednern der CDU/CSU-Fraktion ist die ganze Kakofonie der Union in energie- und klimaschutzpolitischen Fragen deutlich geworden. Das war ja die ganze Bandbreite, die Sie hier aufgezählt haben. Herr Kollege Müller hat davon gesprochen, dass die Ergebnisse der Kohlekommission für ihn hochinte­ressant wären und wichtige Leitfragen aufwerfen würden. Nein, für uns Sozialdemokraten ist das, was dort erarbeitet worden ist, eins zu eins umzusetzen. Das ist ein klimapolitischer Konsens, den wir mit möglichst vielen Beteiligten auf den Weg gebracht haben; den wollen wir umsetzen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und zwar ganz konkret und ganz zeitnah. Wir wollen da nicht auf Zeit spielen. Ich fand es in den letzten Wochen spannend, dass es bei der Union nach der Europawahl auch Stimmen gab, die forderten, dass man mal hinterfragt, ob der Kohlekompromiss sinnvoll ist, ob er so umgesetzt oder nicht noch mal aufgeschnürt werden soll. Das würde uns wirklich richtig zurückwerfen. Wir wollen ihn jetzt umsetzen wie das Klimaschutzgesetz, und wir wollen, dass beides noch dieses Jahr kommt. Dafür steht die SPD, dafür machen wir Politik, und dafür haben wir, glaube ich, auch eine gute Unterstützung, meine sehr verehrten Damen und Herren. Herr Müller, Sie haben gesagt, Sie hätten 1987 mit Herrn Töpfer den ersten Umweltminister gehabt. Wir können noch früher anfangen: Willy Brandt hat schon 1961 gesagt: „Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden.“ Aber ich glaube, dass wir an dieser Stelle keinen Wettstreit machen sollten. Hören Sie doch mal ein bisschen mehr auf Herrn Töpfer! Es wäre, glaube ich, auch heute noch sehr hilfreich, wenn Sie ihm und nicht anderen Heilsbringern zuhören würden. Ja, und auch zur CO 2 -Bepreisung muss ich sagen: Ehrlich gesagt, bin ich nach diesen vier Unionsreden auch nicht wirklich schlauer. Was gilt denn nun bei der Union? Wo wollen Sie denn in dieser Frage hin? Was ist Ihr Modell? Ich sage Ihnen: Auch darauf kann man Antworten geben, und darauf erwarten die Menschen auch Antworten. CO 2 -Bepreisung kann ein Baustein sein hin zu mehr Klimaschutz, aber sie muss sozialverträglich ausgestaltet werden. Die Menschen, die einen kleinen Geldbeutel haben, müssen wissen, dass sie am Ende nicht die Zeche zahlen. Der Pendler bei mir im Wahlkreis, der ein unsaniertes Haus hat und jeden Tag nach Kassel einpendelt, der muss wissen, dass er am Ende des Tages nicht derjenige ist, der die Suppe auslöffelt. Es ist die Aufgabe der Sozialdemokratie, genau darauf zu achten; das ist unser Maßstab, meine sehr verehrten Damen und Herren. Übrigens, liebe Kollegen von der Union: Ihre Kacheln im Europawahlkampf fand ich echt bezeichnend. Sie haben sich ja wirklich als die Klimaschutzpartei dargestellt. Am schönsten fand ich ja die Kachel – das fand ich schon dreist –, auf der Sie geschrieben haben: Wer hat denn den Atomausstieg umgesetzt? – Dafür haben Sie sich noch loben lassen wollen. Dank Ihrer Politik, die Sie damals mit der FDP gemacht haben, zahlen wir heute Milliarden an Entschädigung für die Atomindustrie. Sich dafür noch feiern zu lassen, das fand ich schon mutig; das sage ich in aller koalitionären Freundschaft. Dann war da auch noch Herr Bareiß – der wurde schon zitiert; ein sehr hilfreiches Zitat –, der die jungen Menschen von Fridays for Future beschimpft hat. Was ich auch spannend fand – das muss man mal sagen, in aller koalitionären Freundschaft –, ist, was dann die WerteUnion unkommentiert von sich gibt. Die haben Anfang der Woche gefordert, man solle doch mal schön über die Frage der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke nachdenken. Ich habe niemanden von der Spitze der Union gehört, der dem widersprochen hat. Das sind Testballons, die hier steigen gelassen werden. Ich sage Ihnen ziemlich deutlich für die SPD-Fraktion: Wir dürfen an dieser Stelle nicht Kohleausstieg und Atomausstieg gegeneinander ausspielen. Wir brauchen beides. Ich sage Ihnen: Wir kriegen in Deutschland beides hin – Atomausstieg bis 2022 und keinen Tag länger. Es dauert mit dem Kohleausstieg bei uns etwas länger als in anderen Ländern. Und wenn man mit den Jugendlichen von Fridays for Future spricht, kann man auch vermitteln, warum wir etwas mehr Zeit – bis 2038 – brauchen, weil wir nämlich parallel noch aus der Atomkraft aussteigen. Das ist ein Problem, das weder die Franzosen noch die Engländer noch die Schweden haben. Man kann mit den jungen Leuten ins Gespräch kommen, den Diskurs suchen und dies verdeutlichen. Ich bin froh und dankbar, dass junge Leute sich engagieren und uns auf die Füße treten, auch wenn es manchmal schmerzhaft ist, auch wenn sie nicht in allen Punkten recht haben. Aber es ist ihre Aufgabe. Es freut mich, dass die Jugend so politisch geworden ist. Hier müssen wir ansetzen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss eines deutlich sagen: Wir müssen jetzt handeln. Wir dürfen nicht länger auf Zeit spielen. Das wird der Sommer der Entscheidung. Es wird sich in diesem Sommer zeigen, ob die Große Koalition in Sachen Klimaschutz und Energiewende bereit und willig ist, den Ausbaupfad – 65 Prozent erneuerbare Energien bis 2030 – zu beschreiten. Die SPD ist bereit. Wir verhandeln zur Not Tag und Nacht, um diejenigen zu überzeugen, die noch überzeugt werden müssen. In diesem Sinne: Alles Gute! Wir stehen bereit. Danke schön. Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aktuelle Stunde. Wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 6. Juni 2019, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 17.00 Uhr)
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Gabriele Hiller-Ohm SPD
Gabriele
Hiller-Ohm
SPD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Klinge, ich muss sagen, ich finde es geradezu unverschämt, dass Sie behaupten, die Gastwirtschaft werde eben mal, einfach so zugemacht, ohne jeden Grund. Ich finde das unverschämt. Offensichtlich ist Ihnen entgangen, dass wir uns in einer weltweiten wirklich schlimmen Pandemie befinden, dass die Gesundheit der Menschen bedroht ist – auch mittlerweile sehr stark in Deutschland – und dass gehandelt werden muss. Dass dieser Lockdown sehr wohl seine Berechtigung hat, das ist wohl ganz klar. Wir sind dem Schutz der Bevölkerung verpflichtet, und deshalb wurden diese Maßnahmen getroffen, und das sollte auch für Sie gelten. Sie sollten nicht versuchen, die Pandemie zu verharmlosen. Denn damit fügen Sie der Branche den größten Schaden zu; das will ich mal sagen. Ich komme zu Ihrem Antrag. Mich hat schon sehr gewundert, dass Sie einen Pandemieplan für das Gastgewerbe fordern; denn diesen Pandemieplan gibt es ja schon längst. Für das Gastgewerbe gelten seit Monaten – das ist Ihnen offensichtlich entgangen – länderübergreifend strenge Hygiene- und Abstandsregelungen. Wenn diese nicht eingehalten werden, dann dürfen die Betriebe überhaupt nicht öffnen. Weiterhin fordern Sie in Ihrem Antrag, dass die Bundesregierung den Gastronomen in dieser schweren Zeit, in dieser schweren Krise unter die Arme greifen soll. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie verkennen oder verleugnen hier ganz offensichtlich die Realität. Die Bundesregierung, allen voran unser Finanzminister Olaf Scholz, hat richtig, richtig viel Geld auch für die notleidenden gastronomischen Betriebe lockergemacht, und das ist auch gut so. Zur wirtschaftlichen Stabilisierung konnten und können die Betriebe seit März bisher nie dagewesene Soforthilfen, Direkthilfen in Anspruch nehmen. Liebe Beschäftigte in der Gastwirtschaft, liebe Gastronomen, seien Sie sicher: Wir verstehen Ihre schwierige Situation und stehen auch zukünftig fest an Ihrer Seite. Die Bundesregierung arbeitet mit Hochdruck an den Überbrückungshilfen III, die möglichst schon im Dezember vorliegen sollen und den Unternehmen dann die nötige Planungssicherheit für das kommende Jahr geben werden. Die Dauer des Bezugs des bewährten Kurzarbeitergeldes wird bis Ende 2021 verlängert. Für die Zwangsschließungen jetzt im November werden die gastronomischen Betriebe entschädigt, um Insolvenzen zu vermeiden. Finanzminister Scholz hat die Schatulle sehr weit geöffnet. Nun liegt es an Wirtschaftsminister Altmaier, dafür zu sorgen, dass das Geld schnell und unbürokratisch bei den Unternehmen ankommt. Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, Ihre Partei ist in drei Bundesländern vertreten. In Schleswig-Holstein stellen Sie sogar den Tourismusminister, aber von Unterstützung für die Branche habe ich noch nichts gehört. Machen Sie dort doch erst mal etwas, ehe Sie hier groß Forderungen stellen. Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. – Ich hoffe, dass wir die Pandemie rasch überstehen werden. Das können wir auch. Denn eines steht fest: Wenn wir uns alle an die Coronaregeln halten, dann hat das Virus keine Chance. Frau Kollegin. Mit Abstand und Hygiene wäre der Gastwirtschaft am allerbesten geholfen. Danke schön, Herr Präsident. Nächste Rednerin ist die Kollegin Kerstin Kassner, Fraktion Die Linke.
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11,004,757
Dr.
Dr. Christoph Hoffmann FDP
Christoph
Hoffmann
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Das will ich gerne. – Sie haben gesagt, Sie müssten hier einhaken. – Sie müssen nicht. Sie haben gesagt, die Präsidentin müsste Sie jetzt weiterreden lassen. – Das muss sie nicht. Sie verkennen Ihre Rolle. Das Zweite, das ich Ihnen sagen will: Wenn Sie hier zugehört hätten, hätten Sie mitbekommen, dass ich genau skizziert habe, was wir in der Ampel in der Entwicklungspolitik gemeinsam bewerkstelligen werden. Aber Sie halten sich auf mit kleinteiligen Geschichten wie Tagesordnungen oder Sitzungsterminen. Vielen Dank. – Nächster Redner für die SPD-Fraktion ist Manuel Gava, den ich auch zu seiner ersten Rede hier im Hohen Hause begrüße.
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Sylvia Kotting-Uhl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sylvia
Kotting-Uhl
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Schulze, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Amt und zu Ihrer Rede! Aber Sie übernehmen ein schweres Erbe: ein Haus, in dem Ihre Vorgängerin im Laufe ihrer Amtszeit erkannt hat, dass es beim Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen – um nichts anderes geht es bei der Umweltpolitik – radikale Ansagen braucht. Ihre Vorgängerin hat diese Ansagen auch zunehmend getätigt; sie war aber leider noch nicht einmal im Ansatz in der Lage, die entsprechenden Maßnahmen auch durchzusetzen. Als ihren größten Erfolg hat Ihre Vorgängerin den Neustart in der Endlagersuche bezeichnet. Das Standortauswahlgesetz war aber nun gerade kein Gesetz, das aus der Regierung kam, sondern vom Parlament erarbeitet wurde, das in ganz anderer Weise als die Regierung in ihrer gesamten Regierungszeit in der Lage war, ein gravierendes umweltpolitisches Problem gemeinsam im Konsens anzupacken. Die Regierungskoalition bleibt; die Umweltministerin wechselt. „Die Umweltministerin, die keiner kennt“, titelt die Deutsche Welle. Das muss nun nicht unbedingt ein Nachteil sein – wenn ich da zum Beispiel an den neuen Verkehrsminister oder den neuen Innenminister denke. An die Umweltministerin richten sich noch Erwartungen. Einiges kennt man doch, Ihre Mitgliedschaften zum Beispiel. Für die Umweltpolitik relevant: IG BCE und NABU. Der Naturschutzhintergrund ist ein Muss für eine Umweltministerin. Zur IG BCE fällt mir als Erstes deren Kampf für lange Laufzeiten der Kohlekraftwerke ein. Der Bogen schlägt sich zur NRW-Kohle-SPD und zur Frage, ob Sie sich hier von der Rolle der Interessenvertreterin freischwimmen können. Überzeugen Sie uns. Sie wollen die Kohlekommission auf den Weg bringen. Ich halte es für eine richtige Idee, für die politische Aufgabe Kohleausstieg die Stakeholder an einen Tisch zu bringen. Ich will Ihnen aber eines dafür mitgeben: Es geht auch um die Verhinderung eines Strukturbruchs. Vorrangig geht es um die Verhinderung des Klimakollapses. Ihre großen Aufgaben – Sie haben sie selbst genannt – sind der Klimaschutz, das Insektensterben, die Luftreinhaltung in den Städten. Auch der Koalitionsvertrag benennt diese Themen, immerhin. Aber wer, frage ich, sind eigentlich Ihre Bündnispartner in der Regierung für diese Aufgaben? Der Klimaschutz firmiert in Ihrem Haus; real verankert ist er aber in anderen Häusern: im Wirtschaftsministerium, im Verkehrsministerium, im Landwirtschaftsministerium und, nachdem nun auch noch der Bau aus dem Umweltministerium abgezogen ist, auch im Innenministerium. Die Regierungserklärung der Kanzlerin und die Vorstellungen dieser einzelnen Häuser haben nicht gerade den Eindruck hinterlassen, dass Klimaschutz eine hoch angesiedelte Aufgabe ist. Der Wirtschaftsminister hat Klimaschutz und Energiewende gerade einmal zwei aussagelose Sätze gewidmet. Der Verkehrsminister hat gar nichts dazu gesagt, die Landwirtschaftsministerin auch nicht. Der Innenminister weiß vermutlich gar nicht, dass sein Ministerium etwas mit Klimaschutz zu tun hat. Die frühere Klimakanzlerin hat die Klimaschutzziele 2030 bekräftigt. Fein! Die geräuschlose Entsorgung der 2020-Ziele befreit erst einmal von dem Zwang, sich mit notwendigen Maßnahmen auseinanderzusetzen. Wenn selbst der Energiewendestaatssekretär Rainer Baake, der viel Geduld mit Verschleppungen bewiesen hat, nun unter Protest das Wirtschaftsministerium verlässt, dann ist die Frage berechtigt, wer sich denn jetzt noch für Klimaschutz zuständig fühlt. Okay, Sie. Aber wie? Mit welcher Prioritätensetzung? Sie haben nach Amtsantritt sehr schnell von Industriepolitik geredet, die in Ihrem Ministerium irgendwie mit Umweltpolitik versöhnt werden müsse. Ich dachte: Auweia, jetzt ist der SPD-interne Konflikt der letzten Legislatur zwischen Industriepolitik im Wirtschaftsministerium und Umweltpolitik im Umweltministerium in einer Person zusammengeführt. Nun haben Sie heute von sozialökologischer Industriepolitik geredet. Allerdings meinen Sie, sie gebe es schon. Das kann ich für die zwölf Jahre, die ich Mitglied im Deutschen Bundestag bin, nicht bestätigen. Eine ökologische Industriepolitik hat gerade Ihre Gewerkschaft, die IG BCE, an vielen Stellen verhindert. Die grüne Frage ist in der Tat auch eine rote Frage, aber gerade als grüne Frage ist sie noch lange nicht beantwortet. Der Koalitionsvertrag spricht von der umfassenden Bekämpfung des Insektensterbens, und Sie haben das Aktionsprogramm Insektenschutz genannt. Das heißt genau was? Weiß das irgendjemand in der Regierung? Ich vermute, nein. Aber jeder wird wissen, dass Insektenschutz nicht ohne eine Veränderung der Praxis in der Landwirtschaft zu haben sein wird. An den Widerstand des Landwirtschaftsministeriums, wenn es um die Begrenzung von Stickstoffeinträgen, von Neonicotinoiden, von Glyphosat oder darum geht, dass nicht länger zu viele Tiere auf zu wenig Fläche sein dürfen, erinnern sich viele von uns. Leider hat sich der Blick von vorgestern auf die Probleme von heute und morgen immer wieder durchgesetzt. Deswegen sind wir bei diesen Themen keinen Schritt weiter. Ähnlich ist es beim Thema Luftreinhaltung. Im Konflikt zwischen menschlicher Gesundheit und Wirtschaftsinteressen hat sich die alte Bundesregierung auf die Seite der Industrie gestellt. Der neue Verkehrsminister setzt diese Linie fort; das wundert nicht wirklich. Ich will Ihnen ganz klar sagen: Das Kapitel „Umwelt und Gesundheit“ im Koalitionsvertrag und die darin vorgesehene Weiterentwicklung eines Aktionsprogramms Umwelt und Gesundheit können Sie schreddern – das ist für die Füße –, wenn Sie es nicht fertigbringen, im Dieselkonflikt ganz klar die Priorität „menschliche Gesundheit“ zu setzen. Lassen Sie mich der Ministerin noch ein Versprechen mitgeben. Frau Ministerin Schulze, wenn Sie sich entsprechend Ihrer Vorstellungsrede in Ihrem neuen Amt klar für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen positionieren, wenn es Ihnen gelingt, die dafür notwendigen Maßnahmen in die parlamentarische Beratung zu bringen, dann haben Sie unsere volle Unterstützung. Wenn Sie stattdessen Teil der Ignoranz gegenüber umweltpolitischen Belangen werden, wie wir sie gestern und heute beim Wirtschafts-, Verkehrs- und Landwirtschaftsministerium wieder realisieren mussten, dann stoßen Sie auf unseren erbitterten Widerstand. Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort dem Kollegen Carsten Träger.
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11,004,257
Dr.
Dr. Lars Castellucci SPD
Lars
Castellucci
SPD
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wir eben gehört haben, war nicht nur fraktions-, sondern auch würdelos. Sprach und ging; das ist ja kein parlamentarisches Verhalten. Aber kommen wir zu unserem Tagesordnungspunkt. Vor vier Jahren stand an diesem Pult bei der Debatte über den Haushalt des Bundesministeriums des Innern der damalige Bundesminister Horst Seehofer. Er hat in seiner Rede einen Masterplan Migration angekündigt, der zuerst zu einem Riesenstreit in seiner eigenen Fraktion, in seiner eigenen Partei und danach in der gesamten Regierung geführt hat. Der Unterschied ist, dass wir heute eine Regierung haben, die vom ersten Tag an handelt, und zwar mit Geschlossenheit und Entschlossenheit. In dieser Rede hat der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer ebenso angekündigt, dass er nun reisen werde; er hat sich als Ziel ausgerechnet Österreich ausgesucht, ist zum damaligen Bundeskanzler Kurz gefahren – der uns glücklicherweise mittlerweile auch abhandengekommen ist – und von dort dann weiter nach Ungarn, hat also ausgerechnet denjenigen den Rücken gestärkt, die jahrelang für die Blockade einer europäischen, gemeinsamen Politik im Bereich von Migration und Asyl verantwortlich waren. Der Unterschied ist, dass wir heute eine Innenministerin haben, die aus dem Stand zu diesem gemeinsamen europäischen Vorgehen beigetragen hat und einen einstimmigen Beschluss herbeigeführt hat, sodass wir heute unkompliziert und gemeinsam die Geflüchteten aufnehmen können; das ist der Unterschied. Das ist eine Glanzleistung von Ihnen, Frau Innenministerin. Als letztem Redner in dieser Debatte steht es mir zu, ein paar Dinge noch einmal geradezurücken, die in der Debatte so nicht stehen bleiben können. Das Erste ist der Schutz der Menschen, die zu uns kommen. Werte Kollegen von der Union, Sie schildern das so, als ob die Menschen – die Frauen, die Kinder – an den Bahnhöfen in diesem Land von Menschenhändlern in Empfang genommen würden und von Triebtätern abgeholt würden, die sie in ihre privaten Wohnungen locken wollen. Sie wissen ganz genau: Das ist ein Zerrbild, das Sie hier entwerfen. Die Wahrheit ist, dass wir eine Fülle von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen haben, die nach Kräften alles tun, dass die Menschen hier gut in Empfang genommen werden können. Sie sollten aufhören, solche Zerrbilder zu entwerfen, zu versuchen, in diesem Land einen Generalverdacht zu erzeugen. Ich kann Ihnen versichern: Diese Regierung tut alles – mit der Bundespolizei, mit Informationskampagnen, mit Hilfetelefonen –, dass die Menschen hier den Schutz erhalten, den sie suchen, und dass sie die Sicherheit haben, die sie brauchen. Ein zweiter Punkt ist die Registrierung, die Sie hier immer wieder ansprechen. Die Gefahr, die Sie hinter dem Busch wittern, kennen Sie selber ganz gut – ich weiß, was da bei Ihnen los ist –; denn es war Ihr eigener Innenminister – damals noch de Maizière –, der vor den Bundestag getreten ist und gesagt hat: Alle sind registriert. – Hinterher hat sich herausgestellt: Das war gar nicht so. Heute haben wir eine völlig veränderte Situation: Die Menschen reisen visumfrei ein. Sie haben 90 Tage Aufenthaltsrecht. Sie werden am Ende, dort, wo sie ankommen, registriert. Es gibt kein Defizit in der Umsetzung, Kollege Mayer, sondern das ist Recht und Gesetz. Es ist der Rechtsstaat, den wir hier zur Anwendung bringen, und es hat seine gute Ordnung. Mehr noch: Die Bundespolizei kontrolliert jeden Zug und jeden Bus und kommt so zu der Zahl, die uns mittlerweile allen vorliegt, von etwa 230 000 Menschen, die mittlerweile im Land sind. Zu diesen werden noch diejenigen hinzukommen, die privat eingereist sind oder an den Grenzen direkt abgeholt werden. Der Rechtsstaat funktioniert also. Das können wir auch dank unserer Sicherheitsbehörden leisten. Diese werden wir mit diesem Haushalt noch einmal mit einem Aufwuchs bei der Bundespolizei von fast 1 000 Stellen stärken. Ich glaube, dass wir mit diesem Haushalt unserer Verantwortung sehr deutlich gerecht werden. Ich bitte Sie: Tun Sie alles, damit wir dieser Bewährungsprobe gemeinsam gerecht werden können. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Herr Kollege Castellucci. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.
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11,004,686
Katrin Budde SPD
Katrin
Budde
SPD
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin weit davon entfernt, den Prozess der deutschen Wiedervereinigung als komplett fehlerfrei zu bezeichnen, und ich bin auch weit davon entfernt, die heutige schwierige strukturelle Situation von ostdeutschen Regionen zu verkennen. Ich ignoriere auch nicht die schwierige Situation von Teilen der ostdeutschen Bevölkerung infolge der wirtschaftlichen und sozialen Umbrüche nach der Wiedervereinigung. Aber das, was Sie von der Linken in Ihrem Antrag vorgelegt haben, hat mich zutiefst enttäuscht, zumal ich mit vielen Ihrer Kolleginnen und Kollegen in guten Diskussionen bin. Das ist wirklich ein Stück Volksverdummung, was Sie da aufgeschrieben haben, der Versuch der Volksverdummung: Halbwahrheiten, Ignorieren von Ursachen, Ausblenden von Gründen, gut klingende, wohlfeile Forderungen. Das funktioniert nicht. Sie behaupten, die ökonomische Übermacht des Westens habe den Osten auf Zweitklassigkeit gestellt. Nein, das hat die DDR vorher schon selber erledigt, in den 40 Jahren ihres Bestehens. Mit dem Aufbau des RGW verloren alle Wirtschaften des damaligen Ostblocks ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit. Sie haben ausschließlich für diesen Markt produziert. Die Ausrüstungen der Unternehmen waren zum großen Teil extrem veraltet. Es gab einen riesigen Investitionsstau. Dass wir im Osten so viele tolle Orte der Industriekultur und auch noch die Anlagentechnik beisteuern können, liegt daran, dass wir 1989 zu großen Teilen noch auf diesen Maschinen gearbeitet haben. Ich habe selber an den Maschinen gestanden; ich habe selber an diesen Maschinen gearbeitet. Die Zweitklassigkeit der DDR-Wirtschaft, die wir 1990 hatten, haben Sie, Ihre Vorgängerparteien und die Blockparteien zu verantworten. Sie haben sich selbst und Ihr Volk belogen, was diesen Stand der wirtschaftlichen Entwicklung angeht. Was übrigens nicht zweitklassig ist, das waren die Menschen, die in dieser Wirtschaft gearbeitet haben. Sie waren hervorragend ausgebildet. Sie haben fleißig gearbeitet, hatten ein hohes Improvisationsvermögen und waren unheimlich gut. Das wurde von westdeutschen Unternehmen auch schnell anerkannt; die wurden nämlich mit Kusshand genommen – im Westen. Ich komme zur Forderung, was die gesetzliche Regelung außerhalb des Mindestlohns angeht. Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland ein gutes System, nämlich das Tarifparteiensystem, und wir haben ein gutes Betriebsverfassungsgesetz. Immer da, wo das im Osten funktioniert hat, wo die Gewerkschaften mitgliederstark waren, wo die Leute nicht ausgetreten sind, da hat das im Transformationsprozess auch besser funktioniert: in der Chemie in Sachsen-Anhalt, in der montanmitbestimmten Metallindustrie und im Bergbau. Überall dort, wo es Austrittswellen gab, haben wir bis heute das Problem, dass es kaum Tarifzugehörigkeiten gibt. Die neuen Eigentümer haben das schnell gesehen und gesagt: Geh nicht in den Arbeitgeberverband. – Das ist ein Fehler, den wir als Politik im Transformationsprozess zugelassen haben. Deshalb sage ich immer: Sanieren wäre besser gewesen als Privatisieren; denn dann hätte man darauf Einfluss nehmen können. Sie beklagen die kulturelle Ignoranz Ostdeutschen gegenüber. Das kenne ich. Das ist mir damals passiert, und es passiert mir noch heute. Ich gebe zu: Mir passiert das immer bloß bei der ersten Begegnung. Aber es gibt natürlich auch eine kulturelle Ignoranz der „Norddeutschen“ gegenüber bayerischer Kultur. Auch das verstehen nicht alle. Es ist ein Mentalitätsunterschied. Insofern geht das querbeet durch das Land. Dass aber die Kulturvielfalt, die es in Ostdeutschland gab, heute nicht so bekannt ist, liegt daran, dass darum Mauer und Stacheldraht gezogen waren. Auch das gehört zur Wahrheit. Kommen Sie bitte zum Schluss. Ja. – Ich glaube, dass die deutsche Wiedervereinigung eine gute Wiedervereinigung war und dass ein solch umfassender Prozess natürlich auch nicht ohne Furchen und Narben abgeht, dass die Enttäuschung und die unerfüllten Hoffnungen von uns nicht ignoriert werden dürfen, dass wir einen Weg finden müssen, das zu machen, was Willy Brandt gesagt hatte, nämlich dass wirklich zusammenwächst, was zusammengehört. Danke. Vielen Dank, Katrin Budde. – Damit schließe ich die Aussprache.
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Kai Whittaker CDU/CSU
Kai
Whittaker
CDU/CSU
Herr Präsident! Werte Kollegen! Frau Krellmann, ich finde es immer wieder interessant und faszinierend, wie Sie sich an diesem Pult als einzig wahre Vorkämpferin der Betriebsrätinnen und Betriebsräte in diesem Land gerieren und uns quasi in eine Ecke stellen und den Eindruck erwecken, als hätten wir von Mitbestimmung in diesem Land keine Ahnung. Ich will noch einmal daran erinnern: Es war meine Fraktion, die 1952 – das ist schon ein bisschen her – dieses Betriebsverfassungsgesetz überhaupt eingeführt hat und zu einem großen Erfolg in Deutschland gemacht hat. Darauf sind wir sehr stolz. Denn wir haben auch in unseren Reihen engagierte Betriebsrätinnen und Betriebsräte, die hervorragende Arbeit leisten. Ich habe das selbst in meinem Berufsleben erlebt. Als wir in der Wirtschaftskrise 2008/2009 vor erheblichen, schwierigen Entscheidungen standen, haben die Betriebsräte gemeinsam mit den Unternehmen versucht, möglichst viele Arbeitsplätze zu retten. Ich bin daher jedem Betriebsrat dankbar, der sich da engagiert. Dass es so funktioniert, liegt in dem Geist des Gesetzes begründet. Ich halte es für hilfreich, das hier noch einmal zu zitieren. § 2 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz lautet: Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammen. Daran wird deutlich, worum es eigentlich geht. Es geht darum, dass Arbeitgeber nicht einseitig ihre betrieblichen Interessen egoistisch verfolgen dürfen und Arbeitnehmer genauso wenig egoistisch handeln dürfen. Vielmehr sind beide verpflichtet, zum Wohle des Gesamten zu agieren. De facto haben wir ihnen zwei Seelen in dieselbe Brust gelegt. Dieses System hat sich bewährt. Sie versuchen stattdessen, mit dem Betriebsverfassungsgesetz eine Arena für Gladiatorenkämpfe aufzubauen. Sie wollen Misstrauen säen und versuchen, zu spalten. Ich möchte einen Punkt aufgreifen, den Kollege Gerdes schon genannt hat. Wir haben im Grundgesetz die Koalitionsfreiheit verankert. Das heißt nichts anderes, als dass die Menschen entscheiden können, ob und, wenn ja, wie sie sich betrieblich organisieren wollen. Es gibt keine Pflicht, sich zu organisieren. Sie wollen in Ihrem Antrag ganz klar verankern, dass jedes Jahr darüber abgestimmt wird, ob es einen Betriebsrat geben soll oder nicht, nach dem Motto „So lange wählen, bis das Ergebnis passt“. Das hat mit demokratischen Entscheidungen unserer Meinung nach nichts zu tun. Deshalb müssen wir noch einmal genau hinschauen: Ja, wir haben unterschiedliche Arten der Vertretung. In großen Konzernen, solchen ab 500 Mitarbeitern, haben wir eine Vertretung durch Betriebsräte von 85 Prozent. Bei kleinen Unternehmen – mit 5 bis 50 Mitarbeitern – sind es gerade einmal 6 Prozent. Das könnte auch einfach damit zusammenhängen, dass man sich kennt, wenn man sich in einem Zehnmannbetrieb auf dem Flur über den Weg läuft, und deshalb die vertrauensvolle Zusammenarbeit sich anders organisiert als über einen Betriebsrat. Deshalb sagen wir: Ja, wir wollen auch in kleineren Betrieben den Betriebsrat fördern. Das tun wir, indem wir zum Beispiel das Wahlrecht erleichtern. Und wir stärken sogar in dieser Legislaturperiode die Betriebsräte, indem wir ihnen das Initiativrecht geben, was Weiterbildung angeht, ein wichtiges Thema, wie die Diskussion um die Digitalisierung zeigt. Darauf hat Kollege Gerdes gerade zu Recht hingewiesen. Man könnte es auch ausweiten. Man könnte auch darüber diskutieren, ob wir bei den Betriebsratswahlen nicht auch Onlinewahlen bräuchten. Wir könnten darüber diskutieren, ob wir nicht eigentlich auch Betriebsräten das Recht geben müssten, sich per Telefonkonferenzen oder Videoschaltkonferenzen auszutauschen. Wenn es stimmt, dass die Unternehmen aufgrund der Digitalisierung über ganz Deutschland und Europa verstreut sind, dann können wir ihnen doch nicht mehr zumuten, die Betriebsratsarbeit vor Ort zu organisieren. Herr Kollege. Wir müssen ihnen stattdessen die Möglichkeit geben, dass sie sich per Konferenz zusammenschalten. Ich freue mich auf die Debatte des Ausschusses darüber. Herzlichen Dank. Vielen Dank. Das können Sie im Ausschuss dann auch alles gerne erörtern. – Mit den Worten des Kollegen Whittaker schließe ich die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 19/860 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist erkennbar der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
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Marja-Liisa Völlers SPD
Marja-Liisa
Völlers
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Schülerinnen und Schüler vom Schulhof abholen und in den Klassenraum bringen, überprüfen, dass alle Abstände eingehalten und die Hygiene beachtet wird, den Timer für die nächste Lüftungspause stellen: Der Schulalltag unserer Lehrkräfte ist ein anderer geworden – belastender. Für die Umsetzung der Hygienekonzepte ist keine zusätzliche Zeit eingeplant. Das kommt einfach so dazu, neben dem klassischen Fachunterricht, der Digitalisierung und der Inklusion. Nur: Das übersehen leider viele immer noch gerne. Stattdessen sehen sich unsere Lehrkräfte immer häufiger mit dem Vorwurf konfrontiert, man würde sich in der Pandemie nicht gerade ein Bein rausreißen. Dieser Vorwurf trifft in den allerallermeisten Fällen nicht zu. An dieser Stelle mein großer Dank an die vielen Kolleginnen und Kollegen im Schuldienst! Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die GEW, warnt zu Recht vor einer zu hohen Arbeitsbelastung. Wenn wir also über die Behebung des Fachkräftemangels reden, dann müssen wir eben auch über attraktivere Arbeitsbedingungen und natürlich auch über die Wertschätzung des Lehrpersonals sprechen. Gute Arbeitsbedingungen fangen übrigens bei einer zeitgemäßen Ausstattung an, über die auch heute schon ein bisschen gesprochen worden ist. Es kann eben nicht sein, dass ein Lernvideo beim Abspielen 80 Prozent der Zeit puffert, weil die Internetverbindung immer noch zu schlecht ist. Unsere Schulen müssen endlich alle einen vernünftigen Breitbandanschluss erhalten; das haben wir miteinander übrigens im Koalitionsvertrag klar verankert. Wir haben in der Pandemie die Digitalisierung unserer Schulen gemeinsam weiter angeschoben: vom Endgerät bis zur IT-Beratung. Ich erwarte nun auch, dass in dem Bereich der Anschlüsse in den Schulen das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur noch ein bisschen mehr Butter aufs Brot packt. Wir brauchen außerdem eine bessere Weiterbildungskultur. Die größte Anzahl der Lehrkräfte will sich ja weiterbilden. Deshalb wollen wir als SPD-Bundestagsfraktion der Lehrerfortbildung einen zusätzlichen Schub geben: 300 Euro Weiterbildungsbudget für jede Lehrerin und jeden Lehrer. Deshalb haben wir auch gesagt: Wir unterstützen die Länder beim Aufbau von IT-Beratungsstrukturen an den Schulen, wenn diese ihrerseits ihre Bemühungen in Sachen Weiterbildung hochfahren. Und es ist gut und es ist schön, dass ebendiese Zusatzvereinbarung zum DigitalPakt Schule in den nächsten Tagen endlich in Kraft treten soll. Natürlich wird Corona den Fachkräftemangel an unseren Schulen noch weiter verschärfen. Wir brauchen also auch kurzfristig pragmatische Lösungen. Deshalb geben wir – warum nicht? – den Lehramtsstudierenden flächendeckend die Möglichkeit, das bestehende Schulpersonal zu unterstützen. So könnten sie Lehrkräfte, die zum Beispiel den Risikogruppen angehören, vor Ort vertreten und gleichzeitig schon sinnvolle und gute und wertvolle Praxiserfahrungen sammeln. Zu den Anträgen der Opposition hat meine Kollegin Kemmer eben schon wunderbar Stellung genommen; da kann ich mich ihr in fast allen Punkten anschließen. Ich würde sie gerne mit den beiden Hinweisen ergänzen: Entweder ist das durch Regierungshandeln eh schon gelöst oder im Weg der Lösung befindlich, oder es liegt eben gar nicht in der Zuständigkeit des Deutschen Bundestages. Von daher lehnt die SPD-Fraktion die Anträge natürlich ab. Und abschließend, sehr geehrte Damen und Herren: Wir müssen alles gemeinsam daransetzen, dass eben alle Kinder und alle Jugendlichen eine gute Bildung erhalten, gerade auch in einer Pandemie. Deshalb möchte ich mit einer Bitte schließen: Helfen Sie alle mit! Es kommt jetzt auf jeden Einzelnen von uns in jeder unserer diversen Funktionen an. Herzlichen Dank. Danke, Frau Kollegin. – Der nächste Redner macht sich bereit: der Kollege Dr. Thomas Sattelberger, FDP-Fraktion.
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Dr.
Dr. Gottfried Curio AfD
Gottfried
Curio
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorhaben des Innenministers, setzen sie die richtigen Akzente zur Lösung der Migrationsprobleme, zur Bewahrung der inneren Sicherheit? Nehmen sie überhaupt die Quellen dieser Probleme in den Blick? Oder bleibt es bei Symptomdoktorei, weil man an die Ursachen nicht ranwill? Wir haben nach wie vor massenhaft illegale Migration aus Afrika und islamischen Ländern: Personen, archaisch sozialisiert, statistisch überproportional kriminell, meist ohne Ausbildung. Und dennoch werden sie bedenkenlos jährlich in Hunderttausenderstärke ins Land gelassen, eine erhebliche Belastung unserer Sozialsysteme, unserer Haushalte und eine permanente Gefährdung unserer Bürger. Syrer, Afghanen, Iraker, sie haben beim illegalen Grenzübertritt aus der Türkei keine Schutzgründe. Ebenso sind die Mittelmeermigranten keine Flüchtlinge, sondern illegale Wirtschaftsmigranten, die aus Innerafrika über sichere Länder gezielt nach Libyen reisen und sich vor der Küste abholen lassen, keine Notleidenden – sie zahlen hohe Schlepperkosten. Die wirklich Hilfsbedürftigen tauchen dort nie auf. Hundertmal effektiver wäre Hilfe vor Ort. Erst der europäische Aufnahmeanreiz erzeugt da Migration und erheblichste Kosten hierzulande. Diese Anstiftung zur Migration ist humanitär wie finanziell der falsche Weg, zeigt aber, worum es geht: Sie alle haben bei der Afrika-Entschließung der EU vom 26. März 2019 legalen Zugang nach Europa für jeden migrationswilligen Afrikaner gefordert. Dabei wird dort alle zehn Tage 1 Million Menschen geboren, und Hunderte Millionen sitzen auf gepackten Koffern. Was wir brauchen, ist Rückführung. Hunderttausende Syrer sind aus der Türkei schon zurückgekehrt. Der Krieg ist aus. Aber Schlepperpäpstin Rackete will ja jetzt auch Klimaflüchtlinge abholen. „Klimaflüchtlinge“, was ist denn das? Ich dachte, wir haben hierzulande so schlechtes Klima, dass reihenweise Städte den Klimanotstand ausrufen möchten. Was wollen die dann hier? Solche Massenimmigration löst hiesige Probleme nicht, sondern verschärft sie: steigende Kriminalität, Gewalt gegen Frauen, schleichende Islamisierung, Besetzung des öffentlichen Raumes durch Männergruppen von erheblicher Aggressivität. Wir brauchen nicht Städte, die sich zu sicheren Häfen ausrufen, sondern sichere Bahnhöfe, sichere Schulen, sichere Freibäder und Parks. Die absehbare demografische Entwicklung wird eine Integration verunmöglichen – nur eine deutliche Mehrheitsbevölkerung kann eine entsprechend niedrige Zahl von Migranten integrieren –, und ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz ohne Vorrangprüfung nimmt unseren eigenen Leuten Arbeitschancen. Und dann sollen auch noch Abgelehnte bleiben dürfen – Ausbildungsduldung –, als Lohn der Lüge. Dabei ist ein Großteil der Migranten hierzulande gar nicht einsetzbar. Sie müssen hier bis an ihr Lebensende von uns alimentiert werden. Jeder Zweite landet schon in Hartz IV. Diese Migranten werden Deutschland nicht retten, sondern ruinieren. Spezifische Zuwanderungskriminalität wird medial gerne verdunkelt: nur Einzelfall, nur Beziehungstat. Gerade Beziehungstaten sind in der islamischen Welt oft religiös motiviert. Verachtung von Frauen ist Lehrstoff des Islam. Und Einzelfälle gab es 2018: 300 000 Zuwandererstraftaten, täglich 800. Einzelfälle! Man denke: Bei geschützten Grenzen wären 2014 bis 2018 800 000 zusätzliche Straftaten verhindert worden, mit Dunkelziffer etliche Millionen. Ein zu hoher Preis, damit Frau Merkel ihr freundliches Gesicht zeigen kann. Mit dem Bruch von Dublin III und dem andauernden Selbsteintritt ist diese Regierung schuld an den ausufernden Kosten, mitschuldig an importierten Verbrechen. Maaßen musste gehen, weil die Regierung die Legende vom rechten Mob brauchte, um vom eigenen Versagen abzulenken – in Chemnitz und am Breitscheidplatz. Die Maßnahmen dieses Ressorts lösen Probleme nicht, sondern schaffen welche. Deshalb: Schluss mit schwarzer Anbiederung an grüne Ideologie, stattdessen blaue Vernunft und Politik für die Leute im Lande. Zeit zur Rückkehr zu Verantwortung und Rationalität. Jeder EU-Staat haftet wieder selbst für seine Schulden. Die Syrer gehen nach Hause und bauen ihr Land wieder auf. Und Greta geht mal wieder zur Schule. Ich danke Ihnen. Jetzt hat das Wort der Kollege Burkhard Lischka, SPD.
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Philipp Amthor CDU/CSU
Philipp
Amthor
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen und vor allem meine Damen und Herren aus der AfD-Fraktion! Ihre Fake-News-Kampagne gegen den Global Compact for Migration ist noch gar nicht ganz verhallt, da treiben Sie hier schon die nächste Sau durchs Dorf mit der politischen Panikmache gegen den UN-Flüchtlingspakt. Wissen Sie, was das Problem an diesem Schauspiel ist? Das Problem an diesem Schauspiel sind zwei Dinge: Sie rühmen sich als Patrioten, und Sie rühmen sich als Wahrer der Parlamentsrechte. Aber durch Ihr Handeln zeigen Sie sehr deutlich: Sie sind nichts von beidem. Klar ist, meine Damen und Herren: Unser Land braucht Patrioten. Aber Patrioten handeln aus Liebe zu ihrem Land, im Interesse ihres Landes. Ich sage Ihnen ganz klar: Das, was Sie hier vollführen, ist nicht im Interesse unseres Landes, sondern zuallererst in Ihrem eigenen Interesse, im Interesse Ihrer Partei. Die Globalen Pakte für Flüchtlinge und für Migration sind im Interesse Deutschlands. Warum ist das so? Das Kernziel beider Pakte ist es, eine politische Grundlage zu schaffen für eine bessere, gerechtere und internationale Lastenteilung bei den Problemen Flucht und Migration. Genau das liegt im deutschen Interesse. Wenn andere Staaten sich bereit erklären, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, dann ist das im deutschen Interesse. Wenn andere Staaten bessere Bedingungen schaffen für Flüchtlinge, dann ist es in unserem Interesse, weil es den Migrationsdruck senkt. Und wenn sich die internationale Gemeinschaft gemeinsam dafür einsetzt, Rückführungen zu verbessern, dann ist auch das in unserem deutschen Interesse. Ich sage Ihnen, was nicht in unserem deutschen Interesse ist: Es ist nicht in unserem deutschen Interesse, nur vom nationalen Kirchturm zuzuschauen und durch unsachlichen Protest darauf zu verzichten, andere Länder mit politischem Druck dazu zu bringen, ihre Anstrengungen im Umgang mit Flüchtlingen zu verbessern. Sie haben sich für parteipolitische Stimmungsmache entschieden und nicht für das deutsche Interesse. Aber es ist sogar noch schlimmer; denn Sie verdrehen – entweder bewusst oder in Unkenntnis – ganz einfach die Fakten. Bei beiden UN-Pakten handelt es sich nicht, wie Sie schreiben, um einen Pakt mit dem Teufel, sondern um einen koordinierten internationalen Kooperationsrahmen. Es ist anders, als Sie behaupten: Durch den neuen UN-Rahmen entstehen keine neuen Aufnahmeverpflichtungen. Herr Gauland, wenn Sie davon sprechen, der Pakt würde eine Umsiedlung von 70 Millionen Flüchtlingen begründen, dann ist das schlicht eines: frei erfunden. – Schauen Sie sich Ihre eigene Pressemitteilung an. Da schreiben Sie genau das. Die herbeigeredete Einwanderungswelle, von der Sie reden, kann man beim besten Gewissen nicht herbeifantasieren. Der Pakt weitet den Schutz von Flüchtlingen nicht aus. Die Genfer Flüchtlingskonvention bleibt unverändert. Um auch damit aufzuräumen: Klimaveränderungen werden auch in Zukunft kein Fluchtgrund sein. Und um auch das nochmals zu sagen, auch wenn es schon oft genug gesagt wurde: Beide Pakte schränken unsere nationale Souveränität nicht ein. Das, was Sie hier machen, das, was Sie hier behauptet haben, ist nicht nur unehrlich, sondern auch unanständig, meine Damen und Herren. Unanständig und nicht patriotisch ist es auch, wenn Sie sich hier als Wahrer der Parlamentsrechte aufspielen wollen. Parlamentarische Kontrolle übt man nicht aus durch Schaufensterdebatten, sondern durch gute Sacharbeit. Wir haben in dieser Woche einen Antrag vorgelegt, um dem UN-Migrationspakt eine klare Note beizugeben. – Frau Storch, Zwischenfragen sind in einer Aktuellen Stunde nicht zulässig. Da können Sie noch etwas dazulernen. – Wir haben hier einen klaren Antrag zu diesem Pakt vorgelegt, dem Sie nicht zugestimmt haben. Ganz ehrlich: Sie beschränken sich lieber darauf, Fake News zu verbreiten und das Ganze in Ihren Echokammern in den sozialen Netzwerken zu diskutieren. Das ist nicht unser Niveau. Ich habe mir einmal Ihre Internetseite angeschaut. Sie werben auf Ihrer Internetseite ja damit, dass man für Sie spenden soll, damit Sie den Migrationspakt verhindern. 1 Million Euro wollen Sie sammeln. Aber ich gebe Ihnen einen guten Tipp: Ein gutes Lehrbuch im Völkerrecht kostet 59,95 Euro oder ist in unserer Bibliothek kostenlos. Würde Ihnen guttun! Herzlichen Dank. Die Kollegin Dr. Daniela De Ridder ist die nächste Rednerin für die SPD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Alexander Gauland AfD
Alexander
Gauland
AfD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kauder, Beleidigungen meiner Kollegin und der ganzen AfD würde ich lassen, denn es bringt Ihnen keine Stimmen. Dafür bringt es uns Stimmen. Insofern mag das eine sinnvolle Taktik sein. Aber bei Ihrer Politik müssen Sie das nicht machen – wir bekommen auch so Stimmen. Meine Damen und Herren, wir haben über den Haushalt geredet. Ich fange einmal ganz anders an: Die deutsche Gesellschaft ist ein Wunderwerk. Deutschland hat 83 Millionen Einwohner. 44 Millionen davon, die reichliche Hälfte, sind berufstätig im weitesten Sinne. 27 Millionen zahlen mehr Steuern an den Staat, alle anderen leben von diesen Steuern. Zieht man jetzt noch diejenigen ab, die zwar Steuern zahlen, aber auch aus Steuermitteln bezahlt werden – Beamte, Soldaten, Politiker, Lehrer –, bleiben 15 Millionen wirkliche Steuerzahler übrig. Diese kleine Gruppe trägt den gesamten Gesellschaftsaufbau und diesen Haushalt. Leider wird sie immer kleiner, weil jährlich etwa 140 000 Hochkompetente, wie sie der Migrationsforscher Gunnar Heinsohn nennt, dieses Land verlassen und im Gegenzug nach derzeitigem Stand um die 200 000 sogenannte Flüchtlinge hereinkommen, von denen nicht nur kaum einer hochkompetent ist, sondern viele Analpha­beten sind. In Deutschland, meine Damen und Herren, lebt bereits eine große soziale Unterschicht, in der fast 8 Millionen entweder keine Arbeit haben oder nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, wie die Bundesagentur für Arbeit 2016 festgestellt hat. Diese Zahl wächst seit 2015 durch die Zuwanderung von Gering- und Unqualifizierten rasant. Meine Damen und Herren, Deutschland ist kein reiches Land, sondern ein leistungsfähiges. Das gesamte Vermögen der Bundesrepublik beträgt – darauf hat der Historiker Rolf Peter Sieferle hingewiesen – gerade einmal das Dreifache des Bruttoinlandsproduktes. Diese Leistungsfähigkeit unseres Landes beruht auf einer Vielzahl von institutionellen, mentalen und kulturellen Bedingungen. Dazu gehören Rechtssicherheit, Infrastruktur, Investitionsbereitschaft, sozialer Friede und alles, was man unter Humankapital zusammenfasst, Ausbildung, überhaupt Bildungswille, Leistungsbereitschaft, Vertrauen, ein Mindestmaß an Ehrlichkeit und, meine lieben Kollegen, der zivilisierte Umgang miteinander. Werden diese Bedingungen zerstört, schwindet die Prosperität. Und sie werden zerstört, aber nicht durch uns. Wenn beispielsweise die Alimentierung von Einwanderern im Jahr doppelt so viel Geld kostet, wie das Bundesforschungsministerium an Mitteln erhält, kann man sich ausrechnen, dass die Leistungsfähigkeit des Landes rapide sinken wird. „Deutschland schafft sich ab“, hat das Thilo Sarrazin genannt. Wir haben aber keine anderen Rohstoffe als den Fleiß und die Intelligenz unserer Bürger. Es wird zwar offiziell geleugnet, dass es eine Masseneinwanderung gibt, und neuerdings auch, dass sie illegal ist, doch täglich kommen 500 illegale Einwanderer in unser Land, was im Jahr um die 200 000 ergibt – eine Stadt von der Größe Braunschweigs. Anscheinend ist das für dieses Haus keine Masse. Dazu gesellt sich der einwandernde Familiennachzug zu denjenigen, die hier kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht haben. Ja, sogar Gefährder können ihre Familien nachholen, wenn sie geläutert erscheinen. Meine Damen und Herren, welch ein Irrsinn! Dabei ist der Kontrollverlust von 2015 noch nicht überwunden. Praktisch jeden Tag werden Asylbewerber mit zahlreichen Identitäten bekannt. Sie konnten erst heute wieder in der „Welt“ nachlesen, wie es im BAMF zugeht. Der Fall des Weihnachtsmarktmörders Amri ist allen bekannt. Es gibt 230 000 abgelehnte, aber bis heute nicht abgeschobene Migranten, und trotzdem sollen pro Jahr eine Viertelmillion Menschen einwandern. Nach wie vor kommen drei Viertel ohne Papiere; sobald sie das Wort „Asyl“ sagen, werden sie eingelassen. Das ist vollkommen verantwortungslos gegenüber dieser Gesellschaft. Unser Land hat sich durch Masseneinwanderung massiv verändert. Kein Volksfest, kein Weihnachtsmarkt, keine Großveranstaltung mehr ohne Merkel-Poller und aufwendige Sicherungsmaßnahmen. Blutrache und Messerattacken gehören inzwischen zu Deutschland. Die Polizei rät Frauen, nicht mehr allein zu joggen oder bei Dunkelheit nicht mehr ohne männliche Begleitung auf die Straße zu gehen. Der CDU-Innenminister von Nordrhein-Westfalen empfiehlt den Bürgern als Schutz vor Messerangriffen, sie sollten nicht unbedingt Menschen nah an sich heranlassen. Das ist CDU-Politik im größten Bundesland. Das ist leider kein Witz. Da wird uns allen Ernstes eine Statistik präsentiert, die sinkende Kriminalitätsraten beweisen soll. Glauben Sie wirklich, dass Sie damit dem Gefühl wachsender Unsicherheit begegnen können? Am 13. November 2015, auf dem Höhepunkt der illegalen Masseneinwanderung, erklärte Angela Merkel in der Sendung „Was nun, …?“ des ZDF: … ich … kämpfe für den Weg, den ich mir vorstelle, für meinen Plan, den ich habe … aus Illegalität Legalität zu machen … Im Regierungsprogramm der CDU zur letzten Bundestagswahl findet sich der Passus, dass Deutschland seinen humanitären Verpflichtungen aus Resettlement und Relocation nachkommen werde. Was, bitte schön, Frau Merkel, sind denn das für Verpflichtungen? Vor kurzem konnte man lesen, dass mehr als 10 000 Menschen aus Nordafrika und dem Nahen Osten in Deutschland eine neue Heimat finden sollen. Nach den Worten des EU-Flüchtlingskommissars nimmt die Bundesrepublik die Flüchtlinge im Rahmen eines EU-Umsiedlungsprogramms auf. Wer in diesem Hause hat diesem Programm zugestimmt, und warum wird es klammheimlich, an der Öffentlichkeit vorbei, inauguriert? Das Ergebnis der Politik der Regierung Merkel ist eine tiefe politische Spaltung Europas. Die Migrationskrise hat deutlich gemacht, dass sich die Interessen der europäischen Partnerländer von denen der Berliner Republik unterscheiden. Die moralische Bevormundung aus Berlin wird von den anderen Europäern als anmaßend empfunden. Die Politik der grenzenlosen Aufnahmebereitschaft hat den Zerfall Europas als politische und wirtschaftliche Union eingeleitet. Denn mit ihrer Asylpolitik hat die Bundeskanzlerin den EU-kritischen Briten das Hauptargument für den Brexit geliefert und den Osteuropäern – die Frau Bundeskanzlerin ist nicht mehr da – gute Gründe gegen den weiteren Weg nach Westen. Ich kann der Bundesregierung und der Frau Bundeskanzlerin nur viel Glück mit der neuen italienischen Regierung wünschen; denn sie wird diese Politik genau so heftig kritisieren, wie wir sie hier kritisieren. Als „Macht in der Mitte“, als vermittelnde Macht, wie uns Herfried Münkler sieht, müsste Deutschland eine gemeinsame Linie für die Politik der Europäer finden. Tatsächlich hat die Bundesregierung das Gegenteil getan. Was in Ihrer Amtszeit, Frau Bundeskanzlerin, gestiegen ist, sind nicht nur die Steuereinnahmen und die Zahl der Messerattacken, sondern auch die Geringschätzung, die Deutschland international entgegengebracht wird. Sogar viele Einwanderer verachten dieses Land. Wer sich selbst verachtet, wird verachtet. Es ist heute viel vom transatlantischen Verhältnis geredet worden. Unser Verhältnis zu Amerika ist so schlecht wie nie. Donald Trump hat sich beim letzten Besuch von Frau Merkel auf seine Weise dafür revanchiert, von deutschen Politikern und Journalisten ständig als Trottel vorgeführt zu werden. Ihm sind die deutschen Moralpredigten inzwischen völlig gleichgültig geworden. Unser Verhältnis zu Russland ist so schlecht wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Viel zu voreilig und ohne Beweise hat sich die Bundesregierung im Fall Skripal und bei den angeblichen Giftgasangriffen Assads gegen Russland gestellt. Doch auch das amerikanisch-russische Verhältnis hat sich inzwischen verändert. Donald Trump hat die Ära des sogenannten Demokratieexports für beendet erklärt und gibt der Realpolitik den Vorzug. Der Kollege Kauder hat an dieser Stelle kürzlich das Werk Münklers über den Dreißigjährigen Krieg empfohlen. Recht hat er; denn dort findet sich gleich zu Beginn die erstaunliche Feststellung – Zitat –: Über die verhängnisvollen Folgen unbedingter Wertbindung lässt sich anhand des Dreißigjährigen Krieges sehr viel lernen – unter anderem auch, dass es ohne eine Abkehr davon zu keinem Friedensschluss gekommen wäre. Das kann man getrost über unsere Konflikte mit Russland sagen, Herr Kollege Kauder. Wenn das schlechte Verhältnis zu Russland wenigstens als Kehrseite ein gutes zu den Osteuropäern bedeuten würde – aber das ist mitnichten der Fall. Die Osteuropäer – ich habe es schon gesagt – haben andere historische Erfahrungen als der Westen. Sie haben nie Kolonien besessen, sondern sind selbst kolonialisiert worden: von den Osmanen, von der Sowjetunion, von den Nazis. Deshalb haben sie kein jederzeit aktivierbares schlechtes Gewissen. Herr Kollege Gauland, denken Sie an Ihre Zeit? Sie kennen nicht den kulturellen Selbsthass des Westens. Deshalb lassen sie sich auch nicht einreden, dass ihre Gesellschaften nicht bunt genug sind. Ja, ich muss zum Schluss kommen. Deutschland geht es gut – noch. Deutschland ist ein starkes Land, doch es knirscht hörbar im gesellschaftlichen Gebälk, und dass Sie uns hier anhören müssen und uns weiterhin anhören werden müssen, ist Teil dieses Knirschens. Das zeigt deutlich, dass diese Gesellschaft mit 15 Millionen Leistungsträgern Ihre Politik des Weiter-so nicht mehr mitmachen will. Danke. Der nächste Redner ist für die SPD-Fraktion der Kollege Achim Post.
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Julian Pahlke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Julian
Pahlke
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Demokratinnen und Demokraten! Während wir heute hier im Parlament debattieren, warten auf dem Mittelmeer 247 aus Seenot gerettete Menschen auf einen sicheren Hafen. Nach monatelanger Flucht vor Bürgerkrieg und Verfolgung, Folter in den libyschen Gefängnissen und einer lebensgefährlichen Irrfahrt über das Mittelmeer hoffen sie in diesem Moment auf einen sicheren Hafen, ein sicheres Zuhause und ein Leben in Würde. Ich war selbst als Seenotretter auf dem Mittelmeer, und ich habe mit eigenen Augen gesehen, was es bedeutet, wenn Menschen auf der Flucht nicht wissen, wo sie einen sicheren Ort finden. Für diese Menschen ist Europa das Versprechen auf Sicherheit und einen funktionierenden Rechtsstaat. Aber diese Sicherheit gerät täglich in Gefahr. Wenn Geflüchtete an Land gehen, werden sie oft in prekären Lagern untergebracht; Familien verbringen den Winter in Zelten. Nach den schrecklichen Erlebnissen auf der Flucht gibt es oft keinen Rückzugsraum, keine sanitären Anlagen, keinen Strom. Die Lager werden immer mehr zu Gefängnissen mit meterhohen Mauern und Stacheldraht. Dem gegenüber steht die riesige Solidarität in unserer Gesellschaft und in vielen anderen EU-Staaten. Alleine in Deutschland haben sich Hunderte Kommunen zu sicheren Häfen erklärt und wollen Geflüchtete bei sich aufnehmen. Drei Bundesländer setzen sich schon heute mit eigenen Landesaufnahmeprogrammen dafür ein und wollen ein sicherer Ort für Geflüchtete werden. Genau deshalb ist diese Koalition der Solidarität so zentral; denn der Grundstein unserer liberalen Demokratie, unser Grundgesetz, und unsere europäischen Grundrechte geben uns genau diesen Auftrag, das Leben, die Würde und die universellen Rechte zu schützen. Und damit sind wir nicht alleine. In Deutschland und in ganz Europa stehen Städte bereit; von Marseille über Palermo oder Straßburg wollen die Städte endlich etwas tun. Wenn wir jetzt den ersten Schritt machen, ist die größte Hürde genommen. Andere EU-Staaten können sich schon heute vorstellen, diesem Beispiel zu folgen. Aber Sie von der CDU versuchen mit aller Kraft, den Zerfall der Europäischen Union herbeizufantasieren. Aber das Gegenteil ist der Fall: Wenn Deutschland und andere dazu bereit sind, werden Staaten wie Griechenland oder Italien merken, dass sie eben nicht alleingelassen werden. Anstelle von Rechtspopulismus und Panikmache gibt es eine Bewegung der europäischen Solidarität, die alle EU-Staaten näher zusammenbringen kann, und die Geflüchteten, die in diesem Moment bei 2 Meter hohen Wellen an Bord der „Ocean Viking“ auf einen sicheren Hafen warten, bekommen eine Perspektive anstelle eines Feldbettes in einem unwürdigen Lager. So wird die Würde des Menschen vom Konjunktiv zur Realität. Nach 16 Jahren Verhinderungspolitik der Union, dem Feixen von Horst Seehofer über 69 Abgeschobene und den Forderungen der sogenannten Christdemokratinnen, die Retter/-innen auf den Schiffen doch einfach zu verhaften, muss ich sagen: Endlich, endlich ist der Aufbruch da. Endlich geht dieses Land voran. Endlich übernehmen wir Verantwortung und verschließen nicht mehr die Augen vor dem Leid, das an unseren Außengrenzen entsteht. Wenn die Kolleginnen und Kollegen aus der Unionsfraktion in ihrem Antrag jetzt von „gekaufter Solidarität“ sprechen, dann muss ich Ihnen sagen, dass Sie etwas ganz Grundsätzliches überhaupt nicht verstanden haben. Denn Solidarität kann man nicht kaufen; Solidarität ist eine Haltung. Solidarisch ist man, sowohl mit den Ländern an den EU-Außengrenzen als auch mit den Menschen auf der Flucht. Aber was anderes habe ich von Ihnen auch gar nicht erwartet. Es war doch immer die Haltung der CDU, mit dem Finger auf andere Staaten zu zeigen und zu sagen: „Aber die anderen, die machen ja auch nicht mit.“ Was ist das denn für ein Anspruch an Politik? Was ist das für ein Verständnis von universellen Grundrechten? Weil es andere nicht tun, müssten wir es auch nicht? Das, liebe Union, ist brandgefährlich. Es ist doch unsere Pflicht, die Würde und die Rechte eines jeden Menschen zu verteidigen, egal ob jemand in Papenburg oder in Aleppo geboren wurde. Denn hinter jeder Zahl stecken Menschen mit individuellen Geschichten, mit Erfahrungen, mit Wünschen und Träumen, die selbstverständlich einen sicheren Ort in diesem Land und in dieser Gesellschaft haben. Es sind Menschen wie mein lieber Freund Tareq Alaows, der monatelang zu Fuß aus Syrien geflohen ist, der in Deutschland eine neue, eine sichere Heimat gefunden hat und dem ich es von Herzen gewünscht hätte, heute und hier diese Rede zu halten. Was wir brauchen, sind würdevolle Fluchtwege, die das Leid endlich verhindern. Und genau dieser Weg beginnt mit der Aufnahmebereitschaft; denn mit der Koalition der aufnahmebereiten Staaten handeln wir nicht aus Mut. Wir handeln aus Verantwortung, aus Selbstverständlichkeit und aus Solidarität. Vielen Dank. Auch zu ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag erteile ich das Wort Clara Bünger, Fraktion Die Linke.
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Alexander Throm CDU/CSU
Alexander
Throm
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin Faeser, ich wünsche Ihnen bei Ihrer schwierigen, verantwortungsvollen Aufgabe zunächst alles Gute, Erfolg und auch das notwendige Glück im Interesse unseres Landes. Frau Ministerin, Sie haben am Anfang, bei Ihrer Ernennung gesagt: „Sicherheit ist eine Frage sozialer Gerechtigkeit.“ Diesen Satz kann ich voll und ganz unterstreichen. Nur leider findet sich von diesem Satz in Ihrem Koalitionsvertrag relativ wenig. Deutschland braucht Fachkräftezuwanderung, ja, es lässt aber aufhorchen, dass Sie im Koalitionsvertrag allgemein von „Arbeitskräfteeinwanderung“ sprechen. Dazu passt, dass Sie die Hürden für die Anerkennung von Berufsabschlüssen senken wollen. Das ist nichts anderes als ein Senken der Qualifikation. Sie wollen die Gleichwertigkeit der Berufsabschlüsse, wie sie im Fachkräfteeinwanderungsgesetz steht, schleifen. Das ist nicht sozial, weil es unfairen Wettbewerb um die Arbeitsplätze bedeutet und weil geringere Qualifikation ein höheres Risiko für die Einwanderung in die Sozialsysteme bedeutet. Bei Fachkräften geht es um die Menschen, die wir brauchen, die unsere Wirtschaft braucht. Bei Flucht und Asyl geht es um Menschen, die uns, die unseren Schutz brauchen. Diese Unterscheidung ist keine Banalität – es ist die entscheidende, vielleicht sogar die einzige Weichenstellung, die wir tatsächlich für die Steuerung und die Begrenzung illegaler Migration haben. Genau dieses Steuerungsinstrument wollen Sie von der Ampel aufgeben, indem Sie einen allgemeinen Spurwechsel einführen. Zusammen mit anderen Vorhaben – Ausweitung des Familiennachzugs, Ausweitung der Asylbewerber- und Gesundheitsleistungen, vieles andere – schaffen Sie weitere Anreize, nach Deutschland zu kommen, insbesondere im Rahmen der Sekundärmigration. Wir sind schon heute das Land in der gesamten westlichen Welt, das bezogen auf seine Bevölkerung die meisten Flüchtlinge aufnimmt. Sie verstärken dies noch, und das bedeutet mehr soziale Spannungen und weniger soziale Gerechtigkeit. Sie schreiben im Koalitionsvertrag, Ihr Ziel sei ein „Paradigmenwechsel“ hin zu einem „modernen Einwanderungsland“. Mich stört dabei keineswegs der Begriff „Einwanderungsland“. Ja, das sind wir faktisch, und bei den Fachkräften wollen wir das auch. – Nein, das ist kein Wandel. – Aber was nicht passt, ist das Attribut „modern“, Herr Kollege Kuhle; denn Sie haben den Anschluss verpasst. Alle anderen europäischen Länder rennen nämlich in eine andere Richtung, als Sie von der Ampel es vorhaben. Der dänische Innenminister, ein Sozialdemokrat, sagt: Offene Grenzen und sozialer Wohlfahrtsstaat passen nicht zusammen. Die Länder Europas, egal welcher Couleur – Schweden, Österreich, Frankreich, Dänemark –, alle haben seit 2015 ihre Migrationsgesetzgebung restriktiver ausgestaltet. Sie wollen einen Paradigmenwechsel zurück in die Vergangenheit. Das bedeutet einen Rückschritt, nicht das, was unsere Vorstellungen waren, was die die Politik der letzten Jahre war, Herr Kollege Kuhle. Sie führen das auch in ganz anderen Bereichen fort, beispielsweise im Bereich der Personen mit ungeklärter Identität. Da sind Sie bereit, Ihrer Ideologie sogar Sicherheitsinteressen unterzuordnen, indem Sie beispielsweise den Personen, die auch ihren Pass weggeworfen haben oder deren Identität sonst wie nicht geklärt ist, die Möglichkeit geben, eine eidesstattliche Erklärung abzugeben. Ich glaube, hier sind viele Anwälte. Frau Ministerin, wir beide sind Rechtsanwälte, und ich denke, wir wissen um die begrenzte Beweiskraft einer eidesstattlichen Erklärung. Deswegen ist dieses Vorhaben in Ihrem Koalitionsvertrag bestenfalls naiv, aber eher eine Realitätsverweigerung. Das ist nicht nur unsozial, das ist gefährlich. Sie schreiben dann zur inneren Sicherheit: „Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt.“ Danke! Ja, so ist es. Wir nehmen dies als Kompliment an. Wir haben die letzten Jahre die Verantwortung für die Sicherheit in Deutschland maßgeblich getragen. Und wir haben alles dafür getan, um die Sicherheitsbehörden ausreichend mit Personal auszustatten und ansonsten gut zu versorgen, eben auch mit rechtlichen Befugnissen. Wir haben bei unseren Koalitionspartnern gebohrt, zuletzt der SPD einige Maßnahmen abgerungen. In dieser Koalition bohrt niemand mehr, in dieser Koalition wird nicht gerungen; alle sind sich einig. Der ganze Koalitionsvertrag trieft geradezu vor Misstrauen gegenüber den Sicherheitsbehörden, den Polizistinnen und Polizisten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es gibt mehr Kontrolle – ja! –, nur nicht bei den Kriminellen und bei den Tätern, sondern bei unserer Polizei: Polizeibeauftragte, Kennzeichnung, mehr Datenschutz, mehr Restriktionen, weniger Vertrauen. Das ist ein Koalitionsvertrag, der nicht das Vertrauen gegenüber den Polizistinnen und Polizisten ausspricht. Im Gegenteil: Sie legen der Polizei Fesseln an, und das ist nicht sicher. Frau Ministerin, Sicherheit ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, aber es ist auch ein Grundbedürfnis aller Menschen. Sie sind dafür verantwortlich. Deswegen meine Bitte: Hören Sie auf Ihr Haus, hören Sie auf Ihre Fachleute in den einzelnen Behörden! Forderungen nach mehr Befugnissen bei der inneren Sicherheit kommen dort von den Menschen, die sich darum Sorgen machen. Ihnen wünsche ich, dass Sie den Mut haben, die Fesseln, die Ihnen der Koalitionsvertrag anlegt, abzulösen. Herzlichen Dank. Zu seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag hat nun der Kollege Marcel Emmerich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
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Dagmar Schmidt SPD
Dagmar
Schmidt
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Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wohnen ist in Deutschland ein Grundrecht. Das Wohnen gehört zu den existenziellen Gütern, es ist Teil der Daseinsvorsorge, und deswegen tragen wir eine besondere Verantwortung, Menschen gutes Wohnen zu ermöglichen. Aber Wohnen hat neben der materiellen auch eine emotionale Seite. Die eigene Wohnung, die eigenen vier Wände, seien sie gekauft oder gemietet, geben Schutz und Sicherheit, Heimat und im wahrsten Sinne des Wortes ein Zuhause. Nicht ohne Grund hängen viele Menschen an ihrem Elternhaus oder der Elternwohnung, obwohl sie dort schon lange nicht mehr leben. Für junge Familien ist eine neue Wohnung oft auch der Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Und gerade in einer Welt, in der die Anforderungen an die Einzelnen immer größer werden, in der Weltläufigkeit, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an eine sich immer schneller drehende Welt erwartet werden, ist es umso wichtiger, Sicherheit für die existenziellen Güter, für die Dinge der Daseinsvorsorge zu gewährleisten. Eine Wohnung zu haben, zu behalten oder eine passende Wohnung finden zu können, gibt die notwendige Sicherheit und Freiheit, sich um andere Dinge, um die wirklich wichtigen Dinge im Leben kümmern zu können. Bezahlbares Wohnen ist die vielleicht drängendste politische Frage unserer Zeit. Sie ist eine soziale Frage für fast alle: für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen und selbst höherer Einkommen, wenn Kinder da sind oder vielleicht nur ein Partner arbeitet, wenn Mutter oder Vater alleinerziehend sind. Wohnungssorgen begleiten einen Großteil der Menschen in Deutschland, und das nicht nur in den Ballungsräumen. 30 Prozent des Einkommens für die Wohnung auszugeben, das wird gerade noch als akzeptabel betrachtet, um vom Rest gut leben zu können. Wenn der deutschlandweite Durchschnitt bereits bei 27,2 Prozent liegt, Haushalte mit einem Einkommen schon 30 Prozent bezahlen, Alleinerziehende 32 Prozent und arme Haushalte 39 Prozent, dann sieht man: Die Not ist groß. Und das erleben die Menschen täglich. Es fehlen Wohnungen für Studierende, für Singles, für Alleinstehende. Es fehlen Wohnungen für große Familien, barrierefreie Wohnungen für alte Menschen und Menschen mit Behinderungen. Es fehlen Wohnungen für Menschen, die auf dem Wohnungsmarkt oft auch noch Vorurteilen und Diskriminierungen ausgesetzt sind: Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit vielen Kindern oder im Sozialleistungsbezug. Es fehlen bezahlbare Wohnungen. Das Angebot passt nicht zum Bedarf. Wir machen uns auf den Weg, das zu ändern, und haben deswegen viele gute Maßnahmen beschlossen. Wir stärken den sozialen Wohnungsbau mit 5 Milliarden Euro des Bundes bis 2021. Wir unterstützen Familien mit dem Baukindergeld. Wir fördern den Mietwohnungsneubau. Der Bund geht mit gutem Beispiel voran und schafft Wohnungen für seine Bedienstete. Ich hoffe, dass sich Länder und Unternehmen ein Beispiel daran nehmen. Wir stärken die Mieterinnen und Mieter, wir erhöhen das Wohngeld, und wir erleichtern das Bauen. Aus Sicht der SPD gibt es aber weiteren Handlungsbedarf über den Koalitionsvertrag hinaus. Dort, wo die Lage es erforderlich macht, benötigen wir einen Mietenstopp. Das bedeutet, dass Mieten dort, wo der Wohnungsmarkt besonders angespannt ist, fünf Jahre lang nur in der Höhe der Inflationsrate steigen dürfen. Es ist auch erforderlich, die Rechte der Mieterinnen und Mieter weiter zu stärken. Der Eigentümer oder die Eigentümerin hat selbstverständlich das Recht, in seiner oder ihrer Wohnung zu wohnen. Zu häufig wird der Eigenbedarf aber nur vorgetäuscht, damit die Wohnungen im Anschluss teurer vermietet oder verkauft werden können. Dem müssen wir ein Ende bereiten. Wohnen ist eine soziale Frage, die viele Menschen betrifft. Das Thema „bezahlbares Wohnen“ wird für Menschen im Hartz‑IV-Bezug oder in der Sozialhilfe dann ein Problem, wenn eine Lücke zwischen den realen Kosten ihrer Wohnung und den als angemessen betrachteten Leistungen, die Jobcenter und Sozialämter zahlen, entsteht. Das ist dann die sogenannte Wohnkostenlücke. Sie von den Linken schreiben selber in Ihrem Antrag, dass die Wohnkostenlücke seit 2011 kleiner wird. Ich glaube, dass sie von daher nicht das drängendste Problem in wohnungspolitischen Fragen ist und vieles sich bei ordentlichem sozialem Wohnungsbau und einer Entspannung auf dem Wohnungsmarkt erledigen würde. Aber trotzdem ist auch das ein wichtiges Thema. Herr Aumer hat es angesprochen: Die Bundesregierung hat sich des Themas angenommen. Sie haben vielfältige Vorschläge gemacht, die Lücke zu schließen. Ich habe allerdings meine Zweifel, ob alle Vorschläge wirklich zum Ziel führen. Etliche Vorschläge sind bereits geltendes Recht, vom Bundessozialgericht ausgelegt und in der Praxis angewandt. Die Heizkosten werden in tatsächlicher Höhe übernommen, und auch Beiträge für Mietervereinigungen werden schon heute von den Jobcentern bezahlt. Auch andere Vorschläge sind bereits in der Diskussion, zum Beispiel die Abschaffung der Sanktionen bei den Kosten der Unterkunft. Wir erwarten hier ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Ich komme später noch auf dieses Thema zu sprechen. Wiederum andere Vorschläge erscheinen so nicht sinnvoll, weil sie die Einzelfallorientierung erschweren und weil sie schon ausprobiert wurden. So ist zum Beispiel aktuell eine Pauschale, wie die FDP sie vorschlägt, möglich; sie wird jedoch in der Praxis nicht umgesetzt, insbesondere da das Bundessozialgericht entschieden hat, dass für eine Satzung für eine solche Pauschale die gleichen Anforderungen gelten. Das macht es nicht einfacher. Wenn ich in meinem Jobcenter vor Ort in Wetzlar frage, woher die Wohnkostenlücke kommt, dann ist die Antwort, dass es viele verschiedene Gründe gibt. Meistens ist der Grund, dass die Menschen eine zu große Wohnung bewohnen und deswegen eine unangemessen hohe Miete zahlen, die Wohnung aber nicht verlassen wollen. Das ist oft der Fall, wenn die Kinder ausgezogen sind. Andere zahlen lieber einen eigenen Beitrag dazu und bleiben dafür im Zentrum wohnen; denn sie wollen nicht so gerne aufs Land ziehen, was ich nicht verstehen kann. Aber was für einen Menschen mit geringem Einkommen Realität ist, muss auch für Menschen, die von Sozialleistungen leben, zumutbar sein. Wir brauchen ein besseres Wohnungsangebot für alle. Ich möchte zwei Punkte hervorheben, dir mir in diesem Zusammenhang besonders wichtig sind. Das eine – ich habe es schon angesprochen – ist das Thema Sanktionen. Ich bin nicht dafür, sämtliche Mitwirkungspflichten für Menschen, die von Sozialleistungen leben, abzuschaffen. Es kann aber nicht sein, dass in das elementare Grundrecht Wohnen eingegriffen wird. Sanktionen in die Kosten der Unterkunft müssen abgeschafft werden. Das andere ist zutiefst eine Gerechtigkeitsfrage. Wer vorübergehend auf den Bezug von Grundsicherung angewiesen ist, weil er oder sie den Arbeitsplatz verloren hat, muss sich trotzdem seiner Wohnung sicher sein können. Aktuell ist es möglich, dass Menschen nach sechs Monaten Leistungsbezug ihre Wohnung aufgeben müssen. Das führt zu Verunsicherung und zu Ängsten. Diesen Zeitraum müssen wir deshalb deutlich verlängern, damit den Menschen die Sorge um die Wohnung genommen wird und sie statt auf Wohnungssuche auf Arbeitsplatzsuche gehen können. Genauso wie gilt, dass niemand wegen seiner Kinder arm werden darf, so gilt das auch für die Wohnkosten. Deswegen haben wir im Koalitionsvertrag die Reform des Wohngeldes beschlossen. Zusammen mit den verbesserten Leistungen für Kinder und Familien, dem sozialen Arbeitsmarkt, der Stabilisierung des Rentenniveaus, der Abschaffung des Soli für alle außer den Reichen und der Entlastung der Geringverdienenden bei den Sozialbeiträgen macht das soziale Deutschland mit uns einen großen Schritt nach vorn. In diesem Sinne: Glück auf! Für die FDP-Fraktion hat nun Pascal Kober das Wort.
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Susanne Menge BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Susanne
Menge
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Zeitenwende ist auch verknüpft mit dem Blick auf alle Frauen, die in Kriegen und Gewaltherrschaften die sozialen Gefüge innerhalb einer Gesellschaft aufrechterhalten – auch im Bunker mit Kindern, ohne Wasser, stets improvisierend und das Überleben sichernd. Es geht beim erweiterten Sicherheitsbegriff in der Tat um sehr viel mehr als die Abwesenheit von Krieg. Im Zentrum unseres Handelns und unserer Entscheidungen darf dabei nicht nur die Sicherheit von Staaten stehen. Priorität hat menschliche Sicherheit: Gesundheit, Bildung, Sicherung von Ernährung usw. Feministische Entwicklungspolitik ist feministische Außenpolitik, ist feministische Infrastrukturpolitik, ist feministische Gesellschaftspolitik und bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als unsere zumeist von Männern dominierte Welt und ihre Verhältnisse kritisch zu reflektieren und auch zu verändern. Der große Entwurf ist immer noch eine gerechte Welt, in der wir in Frieden miteinander leben können. Frauen wollen diese Welt mitgestalten, wollen und sollen an Entscheidungsfindungen teilhaben und den Dialog zum Frieden mit führen. Aber: Mädchen, Frauen, queere Menschen, Kinder, People of Color und Menschen mit Behinderungen sind überall auf unserer Welt strukturell benachteiligt. Sie werden mehrfach auf unterschiedliche Art und Weise diskriminiert. Gleichzeitig erleben wir aber weltweit starke Veränderungsprozesse, die zumeist von jungen Frauen angeführt werden und die gewinnbringend in gesellschaftliche Prozesse eingreifen. Menschen machen Politik, und Menschen gestalten Systeme. Es liegt folglich an uns Menschen, global die Menschenrechte durchzusetzen und allen Menschen ihr Recht auf Selbstbestimmung zu gewähren. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht nur gemeinsam mit uns Frauen. Dieser Haushalt stellt einen ersten Schritt in die richtige Richtung dar. Wir unterstützen in diesem Jahr UN Women mit insgesamt 18 Millionen Euro. Das ist eine Verdopplung des Ansatzes des ehemaligen Entwicklungsministers Müller. 25 Millionen Euro fließen in die Global Financing Facility für Frauen, Kinder und Jugendliche. Auch die Finanzierung für das kommende Jahr ist gesichert. Die letzte Bundesregierung hatte im Vergleich dazu übrigens die Streichung des Anteils vorgesehen. Laut den aktuellen Zahlen liegen wir bei lächerlichen 2,2 Prozent aller öffentlich geförderten entwicklungspolitischen sowie außenpolitischen Projekte und Programme, die die Geschlechtergerechtigkeit zum Hauptziel haben. Unser Ziel ist ein stetiger Anstieg dieser Mittel, den wir über einen Maßgabenbeschluss für das BMZ gesichert haben. Der Vorgänger von Ministerin Schulze hatte dafür volle acht Jahre Zeit, um genau das zu tun – hat er aber nicht. Das BMZ braucht Ressourcen zur Aufstellung der Genderkompetenzen. Bis zur Übernahme unserer Entwicklungsministerin hatte das BMZ noch nicht einmal ein eigenes Genderreferat; auch das wird nun endlich aufgebaut. Mittelfristig brauchen wir Genderkompetenzen in jeder Abteilung des BMZ und – das sage ich selbst – übrigens auch in jedem Ministerium. Gesellschaftliche Veränderungen in politische Prozesse einzubinden und entsprechend zu handeln, sind nach 16 Jahren Stillstandspolitik wahrlich nach nur einem halben Jahr schwerlich möglich. Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Der entwicklungspolitische Haushalt 2022 macht aber deutlich, dass wir diese Aufgabe jetzt endlich mit progressivem Schwung anpacken. Ich danke fürs Zuhören und wünsche Ihnen einen schönen Abend.
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Dr.
Dr. Kirsten Tackmann DIE LINKE
Kirsten
Tackmann
DIE LINKE
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Herzlich willkommen, Frau Ministerin. Mit einem Satz, Frau Klöckner, haben Sie absolut recht: Ja, die Landwirtschaft ist systemrelevant. Sie haben das gelassen ausgesprochen; aber der Satz hat es eigentlich in sich, wenn man ihn wirklich zu Ende denkt. Denn er bedeutet, dass die Beantwortung existenzieller Fragen in der Landwirtschaft uns alle etwas angeht, zum Beispiel: Wem gehört das Land? Wer bewirtschaftet es und wie? Kann man von dieser Arbeit leben? Was dürfen, was müssen Lebensmittel vielleicht kosten? Und wer kann sich eine gesunde Ernährung eigentlich noch leisten? Oder anders ausgedrückt: So, wie heute landwirtschaftlich produziert wird, werden wir nicht nur heute, sondern auch morgen leben und möglicherweise auch leben müssen, wenn wir nicht wirklich etwas ändern. Aber die Systemrelevanz kann man auch umgekehrt betrachten; denn die Landwirtschaft ist selbst Gefangene eines Systems, nicht nur des Ökosystems, sondern auch eines Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Deshalb stehen wir gemeinsam vor einer Weggabelung, an der agrarpolitisch entschieden werden muss: Soll die Landwirtschaft weiter möglichst billig Waren produzieren für immer größere und mächtigere Schlachthof-, Molkerei- oder auch Lebensmittelkonzerne? Soll sie weiter deren Reichtum erarbeiten, auch zum Preis der Selbstausbeutung, auf Kosten der Natur und von uns allen, auch dann, wenn es mit Vollgas in die Sackgasse geht? Oder steigen wir aus diesem System aus und wählen einen anderen Weg, einen Weg, auf dem die Landwirtschaft möglichst wieder regionale Versorgerin ist, die das produziert, was wirklich gebraucht wird, die klima- und naturschonend produzieren kann zu Erzeugerpreisen und Standards, die nicht von Konzernen erpresst, sondern demokratisch verhandelt und entschieden werden? Aber dazu braucht es eine mutige Agrarpolitik, die sich nicht zum Beispiel von Schlachthofkonzernen erpressen lässt, sondern im Sinne des Staatsziels Tierschutz die chirurgische Ferkelkastration endlich beendet, die sich bei der Tierwohlkennzeichnung nicht von Supermarktketten vor sich hertreiben lässt und dann auch noch merkwürdige Videos mit Nestlé dreht, die Probleme nicht so lange aussitzt, bis sie zur existenziellen Bedrohung für Agrarbetriebe, Waldbesitzende und die Küstenfischerei werden, die mit Weitblick Ursachen beseitigt und nicht nur weiße Salbe auf Wunden schmiert. Eigentlich müssen wir darüber diskutieren, wie wir zu einem kooperativen Wirtschaftssystem kommen, in dem nicht nur Geld und Macht entscheiden. Auch Die Linke hat nichts gegen Wettbewerb, aber die Regeln müssen fair sein, und sie müssen diejenigen schützen, die für die gesamte Gesellschaft wichtige Leistungen erbringen, also zum Beispiel für eine faire Bezahlung der Arbeit sorgen oder unsere natürlichen Lebensgrundlagen und das Klima schützen. Genau diese Schutzfunktion muss der Staat endlich wieder übernehmen. Gemessen an diesem Anspruch ist der vorliegende Antrag der FDP, sagen wir mal, unterkomplex. Er folgt einer simplen Logik: die gleichen Standards für alle, nämlich die, die die FDP gut findet, möglichst viele Pflanzenschutzmittel, und man muss auf die Wissenschaft hören, der auch die FDP glaubt. Aber im Antrag ist auch nicht alles schlecht. Ja, natürlich macht zum Beispiel eine weitere EU-Harmonisierung der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln Sinn; denn wenn solche bei uns wegen ökologischer oder gesundheitlicher Gefahren verboten sind, können sie nicht in den anderen Mitgliedstaaten weiterhin erlaubt bleiben. Das ist absurd. Aber wer den Agrarbetrieben wirklich helfen will, muss anfangen, Landwirtschaft neu zu denken, und er muss sie vom Joch der Konzerne und Bodenspekulanten befreien. Dann kann man sagen: Landwirtschaft ist systemrelevant. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort der Kollege Friedrich Ostendorff.
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Detlev Pilger SPD
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Ich kann das bestätigen. Aber im Bereich des Hallenbadausbaus reichen die Summen bei Weitem nicht aus. Um eine Zahl zu nennen: 60 Prozent der Zehnjährigen können nicht mehr schwimmen. Das ist in einem so reichen Land alarmierend. Ich bitte da nochmals, Frau Bundeskanzlerin, ein Programm aufzulegen – wir haben den Goldenen Plan –, das insbesondere den Ausbau von Hallenbädern fördert.
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Markus Koob CDU/CSU
Markus
Koob
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage in Darfur ist für die Zivilbevölkerung nach wie vor dramatisch. Die Versorgung mit den lebenswichtigsten Gütern ist unverändert – unverändert schlecht. Auch die Fluchtbewegungen innerhalb des Landes sind nach wie vor dramatisch – wir haben die Zahlen schon gehört –: 2,7 Millionen Flüchtlinge sind im Sudan auf der Flucht, und 2,3 Millionen Menschen sind zwingend auf humanitäre Hilfe angewiesen. Wir entscheiden heute – wie zuletzt im Dezember letzten Jahres – über die Fortsetzung unserer Anstrengungen, um die Lage dort zu verbessern. Selbstverständlich müssen und wollen wir unseren Beitrag zur Stabilisierung Darfurs und zur Hilfe der dort lebenden Menschen leisten. Das ist angesichts der nach wie vor besorgniserregenden Lage vor Ort eine Selbstverständlichkeit. Zwar stellen wir eines der kleinsten Kontingente; aber als die einzigen an der Mission beteiligten Europäer tragen wir auch symbolisch die Verantwortung Europas in diesem Einsatz. Uns ist Afrika wichtig. Nur ein starkes Afrika kann die vielzähligen Probleme auf dem Kontinent lösen. Einige Bürgerinnen und Bürger haben mich in der Vergangenheit gefragt, wo der vielbeschworene Kampf gegen die Fluchtursachen eigentlich stattfindet. Ich kann sagen: Er findet hier statt. In dieser gemeinsamen Mission der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union, an der sich Deutschland beteiligt, wird tagtäglich gegen Fluchtursachen gekämpft; denn größte Fluchtursachen sind bewaffnete Konflikte, Hunger und Perspektivlosigkeit. Mit der Beteiligung an UNAMID tragen wir aktiv zum Kampf gegen Fluchtursachen bei. Als Transitland für Flüchtlinge aus Ostafrika ist der Sudan Dreh- und Angelpunkt für die Bekämpfung von Fluchtursachen in Afrika, der Verfolgung von Schleppern und Geschäftemachern. UNAMID eröffnet die Chance auf eine Zukunft, die es vor lauter Waffen und Hunger ansonsten in dieser Region nicht geben würde. Ein Scheitern Darfurs und des Sudans mit seinen schon heute 2,7 Millionen Binnenflüchtlingen wäre zudem ein Rückschlag im europäischen Engagement gegen Flucht und Vertreibung. Wir müssen uns daher auch weiterhin für den Erhalt staatlicher Strukturen und die Ermöglichung von Zukunft vor Ort einsetzen und dürfen nicht das Scheitern eines Staates im Nachhinein betrauern. UNAMID ist ein wichtiger Baustein für den Kampf gegen das Scheitern des Sudans, gegen den Hunger, gegen bewaffnete Konflikte, gegen Flucht. Und ja, es ist richtig: Die erzielten Fortschritte sind bisher geringer als erhofft. Denn zwar wurde der einseitige Friedensvertrag vonseiten der Regierung verlängert – auch konnte Darfur auf einem Mindestmaß stabilisiert werden –; aber die ungelösten regionalen Konflikte, die stattfindenden Verteilungskämpfe und der große Umlauf von Waffen sorgen nach wie vor für eine ungewisse Entwicklung. Eine nachhaltige Stabilisierung der Region durch Kräfte von außen und die damit erst mögliche Gewährung humanitärer Hilfe vor Ort ist daher weiterhin unbedingt notwendig. In der nun erneut anstehenden Verlängerung geht es vor allem darum, den Prozess der Rekonfiguration nach der Phase der Reduzierung der Truppenstärken und der Neuausrichtung der Mission aktiv zu begleiten und zu beobachten. Es handelt sich um eine kritische Phase dieser Hybridmission. Wir wollen uns für ein erfolgreiches UNAMID einsetzen. Wir wollen Frieden und Wohlstand für die Region. Das geht nicht ohne UNAMID. Als Parlament hat der Deutsche Bundestag die Entscheidungsgewalt über die Entsendung der Bundeswehr, einer Parlamentsarmee. Damit entscheiden wir nicht nur über die Teilnahme an internationalen Bündnissen, sondern auch über die konkrete Lebenssituation vieler Familien in Deutschland, deren Mitglieder sich in den Dienst für Deutschland gestellt haben und zur Friedenssicherung und Friedensherstellung in ferne Länder entsandt werden. Ich danke daher allen Soldatinnen und Soldaten, aber auch den Polizistinnen und Polizisten, die für uns an der Mission UNAMID teilnehmen. Sie, aber auch deren Familien, für die UNAMID einen Verzicht auf den Ehemann, den Sohn, die Enkelin oder die Schwägerin bedeutet, leisten einen wichtigen Einsatz für unser Land. Haben Sie vielen Dank für diesen Einsatz! Nun werden wir gleich wieder von den Linken hören, warum dieser Einsatz so verantwortungslos ist und warum sie ihn nicht mittragen können. Ich möchte an dieser Stelle empfehlen, sich die Erfahrungsberichte der Polizistinnen und Polizisten anzuhören, die dort stationiert sind. Da sind zum Beispiel zwei Polizisten, die über das Mandat ihres eigentlichen Auftrages hinaus in einer privaten Aktion Spenden sammeln, um eine Schule wiederaufzubauen, die im Krieg zerstört wurde. Da schreibt uns eine Polizistin ins Stammbuch: Wir dürfen nicht nur darüber reden, dass wir etwas verändern müssen, sondern wir müssen es auch mit Taten belegen. – Ich glaube, wenn diejenigen, die wir in diesen schwierigen Einsatz schicken, uns sagen, dass dieser Einsatz wichtig ist, dass er notwendig ist und dass er vor Ort wirkt, gibt es keinen Grund, diesem Einsatz nicht zuzustimmen. Deshalb werden wir als CDU/CSU-Fraktion diesem Einsatz zustimmen. Wir wünschen unseren Soldatinnen und Soldaten und den Polizistinnen und Polizisten viel Erfolg für diese schwierige Mission. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Koob. – Als Nächster spricht zu uns der Kollege Alexander Kulitz für die Freien Demokraten.
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Kordula Schulz-Asche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kordula
Schulz-Asche
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf mit dem etwas sperrigen Namen „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes und weiterer Gesetze“ wird endlich – wie auch europaweit – die Patientensicherheit verbessert. Es ist eine überfällige Reaktion auf die sogenannten Brustimplantatskandale und andere Skandale. Unter den Folgen dieser Brustimplantatskandale leiden immer noch sehr viele Frauen, auch hier in Deutschland. Dieser Gesetzentwurf ist ein gutes Beispiel dafür, wie notwendig die Europäische Union gerade für die Patientensicherheit ist. Auch wenn wir noch Verbesserungsbedarf sehen, insbesondere eine verpflichtende Haftpflicht für Anwender, Betreiber und Hersteller von Medizinprodukten, und auch bei den zertifizierten Benannten Stellen noch viel Luft nach oben ist, werden wir Grüne diesem Gesetzentwurf heute zustimmen. In der aktuellen Coronapandemie mit den eskalierenden Infektionszahlen, mit den vollen Intensivbetten, mit den ewigen Lockdown-Schleifen ist es dringend notwendig, Antigenschnelltests natürlich nicht als einziges, aber als wichtiges strategisches Werkzeug in die Pandemiebekämpfung zu integrieren. Es geht derzeit – derzeit! – nicht um das Motto „Teste dich frei!“, sondern um mehr Sicherheit für alle. Antigenschnelltests sind kein Allheilmittel, aber regelmäßig – mehrfach wöchentlich – und flächendeckend eingesetzt ermöglichen sie, Infektionsherde frühzeitig aufzuspüren und Infektionsketten rechtzeitig zu unterbrechen. Für eine erfolgreiche Teststrategie braucht es unter anderem eine Testpflicht für Arbeitnehmer/-innen und Unternehmer bei Präsenzarbeit, eine Testpflicht in Schulen und Kitas, eine Senkung der Preise für die frei verkäuflichen Tests und fortlaufende Informations- und Mobilisierungskampagnen; denn wir müssen die Menschen beim Testen mitnehmen. Meine Damen und Herren, wir sind in einer sehr ernsten Situation; dessen müssen wir uns wirklich bewusst sein. Wir werden alle Mittel nutzen müssen: vom Testen über das Impfen, über verbesserte Aufklärungskampagnen bis hin zur Unterstützung der vielen Menschen, die seit einem Jahr unter dieser Pandemie leiden, wie wir übrigens auch. Wir wissen, worüber wir reden; aber wir wissen auch, dass es Menschen in diesem Land gibt, denen es noch bei Weitem schlechter geht als uns. Wir als Bundestag haben die Aufgabe und die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass wir alle wieder zu einem guten, gemeinsamen Leben zurückkommen können. Dazu trägt die Testpflicht bei. Dazu tragen aber auch wir alle hier durch die weitere Einhaltung der AHA-Regeln und vor allem auch durch gute Gesetze bei, die den Rahmen dafür schaffen, wieder mehr Freiheiten und eine bessere Pandemiebekämpfung zu ermöglichen. Wir müssen jetzt handeln – das ist das Entscheidende –, und wir müssen alle zusammen handeln. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Danke sehr. – Das Wort geht an Stephan Pilsinger von der CDU/CSU-Fraktion.
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Katja Kipping DIE LINKE
Katja
Kipping
DIE LINKE
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Armuts- und Reichtumsbericht ist ein Weckruf. Jahrzehntelang beschworen FDP-nahe Wirtschaftswissenschaftler den sogenannten Fahrstuhleffekt, der besagt, dass die Wirtschaft nur florieren müsse, und dann würden Arme und Reiche gleichermaßen wie in einem Fahrstuhl nach oben befördert. Dieser Effekt ist eine Illusion. Vielmehr schrumpft die Mitte, und unten erleben wir eine Verfestigung von Armut. Ein großer Teil der Gesellschaft befindet sich eben nicht in einem Fahrstuhl auf dem Weg nach oben, sondern auf einer abwärtsfahrenden Rolltreppe, und viele müssen immer schneller laufen, um nicht abzurutschen. Insofern ist dieser Bericht vor allem eins: ein Auftrag, zu handeln und umzusteuern. Nur wenige Arme besuchen ein Gymnasium. Die Geburtslotterie entscheidet also auch – besser gesagt: vor allem – über den Bildungsweg. Ich meine jedoch: Der Bildungsweg eines Kindes sollte nicht vom sozialen Status der Eltern, sondern vielmehr von seinen Fähigkeiten und Wünschen abhängen. Wer arm ist und in prekären Arbeitsverhältnissen tätig ist, der ist häufiger Lärm und Luftverschmutzung ausgesetzt. Der Bericht bestätigt also auch, dass Soziales und Ökologisches eng zusammenhängen, und das unteilbar. Armut macht das Leben nicht nur härter, sondern auch kürzer: Im Schnitt sterben ärmere Männer, also Männer der unteren Einkommensgruppe, 8,4 Jahre eher als reiche – 8,4 Jahre weniger Leben! Soziale Ungleichheit ist ein Sprengsatz an den Pfeilern unserer Demokratie. Der Bericht zeigt nämlich auch: Das Gefühl, das eigene Schicksal sowieso nicht bestimmen zu können, führt dazu, dass sich arme Menschen aus der politischen Beteiligung zurückziehen, auch weniger an Wahlen teilnehmen. Wem also die demokratische Zukunft am Herzen liegt, der muss jetzt handeln! Ein erster Schritt wäre, den Mindestlohn endlich armutsfest zu machen. Zweitens müssen wir das Sanktionssystem Hartz IV überwinden, es durch gute Arbeit und soziale Garantien ersetzen. Der Bericht liefert auch eine erfreuliche Zahl – somit kann ich hier mit einem optimistischen Ausblick enden –: 68 Prozent, also zwei Drittel aller Befragten, meinen, Steuern auf massiven Reichtum müssten deutlich höher ausfallen. Übrigens, liebe FDP: Sogar jeder Zweite der reichsten Gruppe ist dieser Meinung. Damit haben wir einen Ansatzpunkt für das so notwendige Umsteuern: Millionengewinne, Millionenerbschaften und Millionenvermögen müssen stärker besteuert werden – dann haben wir auch genügend Geld, damit jedes Kind einen guten Start ins Leben hat und damit wir alle, vom Kleinkind bis zum betagten Senior, vor Armut schützen können. Gegen die Armut der vielen hilft Geld. Gegen soziale Ungleichheit hilft Umverteilung. Vielen Dank. Vielen Dank, Katja Kipping. – Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn.
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Sabine Poschmann SPD
Sabine
Poschmann
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kommen wir zurück zur Realität. Deutschland ist die Wirtschaftskraft Europas: Das Bruttoinlandsprodukt wächst, die Binnennachfrage ist unverändert hoch, und die Wirtschaft ist mehr als ausgelastet. Die Wirtschaftsleistung 2018 soll noch einmal um 2,2 Prozent zulegen. Mit dem Haushaltsentwurf, den wir heute beraten, schaffen wir die Grundlage, dass dieser Aufschwung auch anhalten kann. Aber wir ziehen nicht mit der Gießkanne durchs Land. Wir folgen auch nicht den Rufen der Wirtschaft nach Steuerentlastungen in einer Zeit, in der sich Unternehmen vor Aufträgen kaum retten können. Es geht nicht darum, Konzerne in einer Phase der Hochkonjunktur zu entlasten; vielmehr geht es darum, die Mittel zielgerichtet einzusetzen, die Investitionskraft kleiner und mittlerer Unternehmen zu beflügeln und die Zukunftsbranchen unseres Landes zu stärken. Wir wollen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis 2025 auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigern. Das ist ambitioniert. Die 26 Millionen Euro, die wir dafür zusätzlich in den Haushalt eingestellt haben, sind ein Einstieg. Das Signal lautet also: Wir lösen die Investitionsbremse. Deutschland muss zukünftig zu den führenden Innovationsstandorten gehören. Wir dürfen nicht zusehen, wie uns Südkorea oder China den Rang ablaufen. Voraussetzung dafür ist, dass die Mittel auch sinnvoll eingesetzt werden. Ein guter Ansatz ist, den Anteil kleiner und mittlerer Betriebe an Forschung und Entwicklung deutlich zu steigern. Das muss sich dann aber auch in Förderprogrammen wie ZIM und IGF widerspiegeln. Beide beinhalten Kooperationsmöglichkeiten, und diese erzielen bekanntlich den größten Output. ZIM gilt zudem als das Best-Practice-Beispiel und erfreut sich einer ungebrochenen Nachfrage. Auch Herr Minister Altmaier hat heute in seiner Pressemitteilung ZIM sehr gelobt. Doch dann dürfen wir natürlich nicht anfangen, an dieser Stelle zu sparen und die Mittel herunterzufahren. Ich denke, da ist Luft nach oben. Im Koalitionsvertrag – das freut mich besonders – sind zum ersten Mal soziale Innovationen erwähnt und finden dort ihren Platz. Deshalb wäre es folgerichtig, mit Förderprogrammen Anreize für soziale Innovationen zu schaffen. Leider wird das Thema meiner Meinung nach immer noch stiefmütterlich behandelt. Ich würde mir wünschen, dass das BMWi die Chancen der sozialen Innovationen erkennt und hier stärker fördert. Auch mit der steuerlichen Forschungsförderung, die wir vereinbart haben, schaffen wir zusätzliche Anreize. Wir haben auch hier im Koalitionsvertrag zielgerichtet die kleinen und mittleren Betriebe einbezogen. Wir wollen, dass diese Betriebe die Personalkosten im Bereich der Forschung absetzen können. Das ist ein gezielter und ganz neuer Ansatz, eine Investition des Staates, damit KMUs für die Zukunft gewappnet sind. Meine Damen und Herren, darüber hinaus sendet der Haushaltsentwurf klare Signale an die Gründerszene. Wir stocken gerade das EXIST-Programm auf und fördern junge Gründer aus dem Hochschulbereich. Wir ermöglichen mithilfe der KfW, dass für die Wachstumsphase innovativer Start-ups mehr Wagniskapital zur Verfügung gestellt wird. Hier ist eine Lücke entstanden, die oft von ausländischen Kapitalgebern gefüllt worden ist. Ich wünsche mir, dass innovatives Know-how im Land bleibt und nicht von der Silicon Valley Bank gesichert wird, die aktuell ihren Markteintritt in Deutschland vorbereitet. Eine unserer wichtigsten Aufgaben liegt unmittelbar vor uns – meine Vorredner haben darauf hingewiesen –: die Weiterentwicklung eines gesamtdeutschen Fördersystems für strukturschwache Regionen. Wir haben in diesem Haus mehrfach betont, dass Fördermittel nicht länger nach Himmelsrichtungen vergeben werden, sondern gezielt in die strukturschwachen Gebiete fließen sollen. Die Zeit drängt. Ab 2020 muss das neue Programm im Einsatz sein. Mit Blick auf den kommenden Haushalt gehört für mich eine solche Strukturförderung natürlich ins Wirtschaftsministerium. Meine Damen und Herren, der Haushaltsentwurf hat die richtigen Ansätze und bietet eine gute Grundlage für unsere weiteren Beratungen. Bei allem, was wir noch tun, bleibt eines klar: Wir setzen den Rahmen. Innovation und Fortschritt aber müssen letztendlich aus der Wirtschaft selber kommen. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Kollegin Poschmann. – Nächster Redner: Karl Holmeier für die CDU/CSU-Fraktion.
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Lorenz Gösta Beutin DIE LINKE
Lorenz Gösta
Beutin
DIE LINKE
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unter dem Label der Technologieoffenheit will uns die FDP heute synthetische Kraftstoffe als die Lösung für den Pkw-Verkehr verkaufen. Aber wie so häufig kann man auch hier davon ausgehen, dass das Gegenteil von dem, was die FDP sagt, tatsächlich richtig ist. Ich will das an zwei Punkten deutlich machen: Erstens. Es wurde hier schon erwähnt: Synthetische Kraftstoffe werden am besten hergestellt, indem Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Dabei fällt eine sehr große Menge an Energie an. Es gibt aber noch einen zweiten Schritt. In diesem wird der synthetische Kraftstoff mithilfe von CO2 hergestellt. Das bedeutet, wir haben hier einen unglaublich hohen Einsatz von Energie. Fast 90 Prozent der eingesetzten Energie werden dabei verschwendet. Das heißt, sie landet gar nicht in unserem Tank. Deswegen sagen wir ganz klar: Am besten wäre natürlich der direkte Einsatz von Strom – etwa bei der Bahn, bei Bussen, bei Straßenbahnen oder anderen Verkehrsmitteln – oder der Einsatz von E-Autos. Bei E-Autos haben wir immerhin einen Energieeinsatz von 73 Prozent, das heißt: 73 Prozent der Energie, die man ins E-Auto steckt, kommen da schließlich auch an. Erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Schulze von der CDU/CSU-Fraktion? Ja. Schönen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gesagt: Wenn man Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufteilt, wird viel Energie frei. – Das ist falsch. Das ist eine endotherme Reaktion; ich benötige Energie, um Wasserstoff und Sauerstoff zu trennen. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis und korrigieren es. – Danke. Ich hab es doch eben gesagt: Man braucht einen Energieeinsatz, um Wasser aufzuspalten, so ist es. Erlauben Sie eine Wortmeldung des Kollegen von der FDP-Fraktion? Ja, bitte. Lieber Kollege, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Würden Sie mir zustimmen, dass wir im Moment weltweit circa 1,2 Milliarden Fahrzeuge haben, von denen der größte Teil einen Verbrennungsmotor hat? Wenn Sie wirklich für Klimaschutz eintreten – das haben Sie ja gerade gesagt; das glaube ich Ihnen auch – und wirkliche Klimaneutralität weltweit hinbekommen wollen, wie wollen Sie diese roundabout 1,2 Milliarden Fahrzeuge in Zukunft betreiben, wenn nicht mit E-Fuels? Beim Ausbau der erneuerbaren Energien in der Bundesrepublik ist zu beachten, dass Energie eine begrenzte Ressource ist. Das bedeutet, wir haben keine Chance, wenn wir erneuerbare Energien verschwenden. Aber weil ein so hoher Energieeinsatz notwendig ist, um synthetische Kraftstoffe herzustellen, würden bei ihrer Herstellung erneuerbare Energien tatsächlich verschwendet. Das wäre ein Problem; denn wir brauchen sie viel dringender in anderen Bereichen, beispielsweise zur Dekarbonisierung der Industrie, zur Ablösung der Kohlekraft, zur Ablösung der Atomkraft. Wir dürfen erneuerbare Energien nicht verschwenden, indem wir mit ihnen fahrlässig umgehen. Das ist der zentrale Punkt, den ich hier ausgeführt habe. Das bedeutet: Wenn wir erneuerbare Energien für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe einsetzen, wobei 90 Prozent der eingesetzten Energie verloren geht, wird tatsächlich Energie verschwendet. Angesichts der Notwendigkeit, den Klimawandel zu stoppen und sparsam mit unseren Ressourcen, mit unseren Lebensgrundlagen umzugehen, ist das für den Pkw-Bereich eben der falsche Weg. Ein zweiter Punkt. Die reinen Herstellungskosten von synthetischen Kraftstoffen liegen aktuell bei 4,50 Euro. Laut Prognosen werden sie bis 2030 vielleicht auf etwa 2 Euro sinken. Mit Steuern und Abgaben sind wir dann bei einem Preis von etwa 6 Euro an der Tankstelle. 6 Euro pro Liter an der Tankstelle kann sich tatsächlich niemand mit kleinem und mittlerem Einkommen leisten. Für jemanden, der mit dem Auto pendelt, der eine teure Miete zahlt oder der gerade dabei ist, sein Eigenheim abzubezahlen, sind 6 Euro pro Liter einfach unbezahlbar. Hier wird deutlich: Die FDP bedient nur die Klientel, die tatsächlich so reich ist, dass ihr die Treibstoffkosten schlicht egal sein können. Wir als Linke sagen: Klimaschutz geht nur sozial gerecht. Die FDP und andere argumentieren hier, der Verbrennungsmotor sei eine großartige deutsche Ingenieursleistung. Man kann Ihnen selbstverständlich nur zustimmen. Aber eine großartige Ingenieursleistung war beispielsweise auch die Rechenmaschine von Konrad Zuse. Trotzdem wäre das heutzutage kein Argument, zu sagen: Wir müssen unbedingt die Rechenmaschine von Konrad Zuse nachbauen. Wir müssen mit unserer Energie effizient umgehen, das heißt, wir dürfen synthetische Kraftstoffe nur da einsetzen, wo sie tatsächlich gebraucht werden, beispielsweise bei der Dekarbonisierung des Flugverkehrs. Deshalb sagen wir: Klimaschutz geht nur sozial gerecht, nicht mit Verschwendung erneuerbarer Energien. Vielen Dank.
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Dr.
Dr. Klaus-Peter Schulze CDU/CSU
Klaus-Peter
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf das eigentliche Thema zu sprechen komme, möchte ich noch eine Bemerkung zu dem machen, Herr Münzenmaier, was Sie zum Schluss gefordert haben: sofortige Beendigung aller Maßnahmen. Ich weiß nicht, ob Sie mal das, was uns Wissenschaftler sagen, lesen. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir in der Bundesrepublik in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten viel Geld investiert haben, um auf diesem Gebiet forschen zu können und jetzt entsprechend gut aufgestellt sind. Und wenn unsere Bundesregierung wissenschaftsbasierte Entscheidungen trifft, ist das meiner Meinung nach richtig, und deshalb kann ich diese Äußerung von Ihnen an dieser Stelle nicht verstehen. Ja, meine Damen und Herren, darauf, wie ernst die Situation in der Branche ist, haben viele Kolleginnen und Kollegen vor mir hingewiesen. Das verhält sich in der Tat so. Die Gespräche, die ich zum Beispiel im schönen Spreewald, in Burg, geführt habe, haben gezeigt, dass es für viele Unternehmer in diesem Bereich eigentlich schon fünf vor zwölf ist, wenn nicht gar schon zu spät. Kollege Schulze, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung aus der AfD-Fraktion? Nein, wir wollten doch hintereinander durchziehen, und ich möchte, dass Sie pünktlich Feierabend machen. Also, ich wiederhole noch mal die Regel für den Rest des heutigen Beratungstages – die Uhr ist im Moment angehalten –: Wenn Fragen und Bemerkungen angemeldet werden, frage ich den Redner bzw. die Rednerin natürlich, ob sie das zulassen. Aber ich werde heute keinerlei Kurzinterventionen mehr zulassen. Also, dass die Situation sehr schwierig ist, darüber sind wir uns ja wohl alle im Klaren. Noch eine kleine Nebenbemerkung: In der Diskussion zum Strukturwandel in den letzten Jahren wurde gefordert, wir sollten auf Tourismus setzen. Jetzt kann ich in meiner Region sehen, was da zurzeit an Arbeitsplätzen brachliegt. Die Aussage einiger Kollegen aus der Opposition, dass die Bundesregierung nichts getan hat, ist ja nicht richtig. Es ist einiges getan worden; ob das nun schon völlig ausreichend ist, ist eine ganz andere Frage. Aber es gehört einfach dazu, zu sagen, dass alleine das Gastgewerbe über 1,2 Milliarden Euro Soforthilfe bis Ende letzten Monats erhalten hat und Reiseveranstalter und Reisebüros laut KfW 134 Millionen Euro Liquiditätshilfe aufgenommen haben. Dass das nicht ausreicht, ist klar. Von daher nehme ich auch sehr ernst, was der Bundeswirtschaftsminister, Herrn Altmaier, am vergangenen Montag in einer Diskussionsrunde gesagt hat: Es wird einen weiteren Rettungsschirm geben, und es wird noch mal Direkthilfen geben. – Ich denke, da steht er jetzt in der Pflicht, das in den nächsten Wochen und Monaten umzusetzen. Das ist für die Branche aus meiner Sicht dringend notwendig. Ein Schritt – da schaue ich auf die Gastronomie; das ist ja gerade im vorangegangenen Tagesordnungspunkt diskutiert worden – ist die Mehrwertsteuerreduzierung ab 1. Juli für ein Jahr. Mir wäre es allerdings lieber, wenn sie dauerhaft umgesetzt werden könnte. Dafür sollten wir kämpfen. Zum Tourismusgipfel will ich nur so viel sagen: Am kommenden Montag wird eine Videokonferenz stattfinden, in der DEHOGA und BTW mit der Kanzlerin ins Gespräch kommen. Es werden auch andere Wirtschaftsverbände dabei sein. Ich denke, damit ist der Forderung der FDP Genüge getan. Sehr schwierig ist alles, was mit dem Thema Pauschalreisen zu tun hat. Die Reisebranche – das ist ja gestern auf der Demo noch einmal deutlich geworden – steht in der Tat mit dem Rücken zur Wand. Die Fondslösung, die auch mein Kollege Lehrieder angesprochen hat, ist sicherlich ein Weg. Bevor man ihn konsequent geht, muss man aber schauen, ob sie umsetzbar ist. Zugleich sage ich, meine sehr verehrten Damen und Herren: Uns erwarten in diesem Jahr Steuerausfälle in Höhe von 60 Milliarden Euro. Wir müssen also abwarten, wie sich die Gesamtsituation des Bundeshaushalts und der Haushalte der Länder und der Kommunen entwickelt. Geld steht hier also nicht unendlich zur Verfügung. Bei den Diskussionen, die über Reisebüros geführt werden, kommt manches zur Sprache, zu dem ich sage: Das kann doch nicht sein. – Man hört hier und da: Lasst doch! Wir brauchen die Reisebüros nicht. Wir können unsere Reisen alle digital buchen. – Ja, meine Damen und Herren, das ist natürlich nicht der Fall. Ich möchte dazu nur zwei Zahlen nennen: Die Reisebüros haben im vorvergangenen Jahr einen Umsatz von 26 Milliarden Euro und im letzten Jahr einen Umsatz von 27 Milliarden Euro gemacht. Wenn man jetzt sagt: „Die brauchen wir nicht mehr; das Geld können wir uns sparen“, ist das aus meiner Sicht falsch. Die Reisebüros müssen unterstützt werden. Damit komme ich zum Schluss und will nur noch eines sagen: Wir können alle selbst einen kleinen Beitrag leisten. Planen Sie Ihren nächsten Urlaub nicht selbst, sondern suchen Sie sich einen Dienstleister, zum Beispiel ein Reisebüro, das das gerne für Sie macht. Ein schönes Wochenende! Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Yüksel das Wort.
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Wolfgang Wiehle AfD
Wolfgang
Wiehle
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Rund um das Brandenburger Tor, direkt hier vor dem Haus, demonstrieren heute Tausende Landwirte. Sie fühlen sich als Prügelknaben einer Politik, die mit dem moralischen Zeigefinger und mit immer neuen Vorschriften die Welt verbessern will und dabei die Wirklichkeit aus dem Blick verliert. Machen wir uns nichts vor: Die Autofahrer werden die Nächsten sein, die auf die Straße gehen; denn mit ihnen wird ganz genauso umgegangen. Sie werden nur dann auf die Bahn umsteigen, wenn diese eine wirklich gute Alternative ist. Bei der Bahn wurde aber in den letzten Jahrzehnten viel versäumt, kaputtgespart und auch für den gewollten Börsengang kaputtsaniert. Da haben wir jetzt gewaltigen Nachholbedarf. Die Wirklichkeit ist aber auch – und das werden wir von der AfD immer im Auge behalten –: Die Bahn ist kein Allheilmittel. Sie ist stark beim Nahverkehr in großen Städten, bei schnellen Fernverbindungen und bei großen Gütermengen. Aber sie wird niemals zu jeder Ortschaft auf dem Land fahren und jedes Haus beliefern. Deshalb dürfen wir den Straßenverkehr mit Auto und Lkw nicht verteufeln. Es ist richtig, dass jetzt mehr Geld für die Schiene eingesetzt wird. Engpässe müssen beseitigt werden, Mängel ausgebessert. Die Bahn muss ins elektronische Zeitalter gebracht werden. So wird sie wieder zuverlässig und attraktiv. Die Deutsche Bahn soll jetzt jedes Jahr 1 Milliarde Euro Zuschuss als Kapitalerhöhung bekommen. Auch für die Instandhaltung des Netzes gibt es in den nächsten zehn Jahren viele zusätzliche Milliarden. Wenn so viel Geld ausgegeben wird, dann sind Klarheit und Transparenz das oberste Gebot. Das beginnt damit, dass die Kapitalerhöhung wirklich komplett in die Infrastruktur fließen muss. An der neuen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für die Instandhaltung der Bahnstrecken hat der Rechnungshof scharfe Kritik geäußert. Es ist unklar, ob die Regulierung wirklich funktioniert, aber das Ganze wird jetzt für zehn Jahre festgeschrieben. Die kleine Nachbesserung, die im letzten Moment im Haushaltsausschuss beschlossen wurde, löst das Problem in unseren Augen nicht. Für die AfD-Fraktion ist es deshalb Zeit, an einer mutigen Gesamtlösung zu arbeiten, an einem Bahninfrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild. Geld aus allen Quellen wird dort gesammelt, Geld für alle Projekte dort entnommen, egal ob für die Staatsbahnen oder für andere. Es liegt aber nicht nur an der Finanzierung, wenn der Ausbau der Infrastruktur stockt. Unendlich lange Planungsverfahren sind ein anderes Problem, und oft sind es die Grünen und ihre Freunde, die hier im Bundestag am lautesten den Bahnausbau fordern und vor Ort am lautesten dagegen protestieren. Jetzt soll ein Gesetz für beschleunigte Planungen kommen. Und Sie von der Regierungsbank haben das gleich wieder gebremst und Riesenenttäuschungen vor Ort produziert. Ich fordere die Bundesregierung an dieser Stelle auf, insbesondere die Marschbahn nach Sylt wieder in die Liste der Pilotprojekte aufzunehmen. Riesenenttäuschungen erleben auch viele Bürger, denen die Telekom ihre ISDN-Leitung auf neue Technik umstellt. Manche haben nämlich danach kein Internet mehr. Das kann in einem hoch technisierten Land wie Deutschland einfach nicht sein. Die schlechte Mobilfunkversorgung auf dem Land macht das dann noch viel schlimmer. Viele können nicht auf LTE ausweichen, weil es dort auf allen Kanälen nur Funklöcher gibt. Bevor die Regierung also großspurig den 5G-Ausbau verkündet – und das vielleicht auch noch mit Technik eines chinesischen Staatskonzerns in den Netzknoten –, sollte sie erst einmal dafür sorgen, dass alle LTE haben. Jetzt soll auch der Staat Funkmasten aufstellen, dort, wo es sonst mangels Umsatz nicht passiert. Das ist richtig, aber um Jahre zu spät. Offensichtlich hat die Regierung es einfach verschlafen. Ein leistungsfähiger Internetzugang gehört heute zur Grundversorgung. Meine Damen und Herren, werfen Sie also den ideologischen Ballast der sogenannten Verkehrswende ab, und kümmern Sie sich um die Dinge, die für die Bürger wirklich gut und wichtig sind. Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist für die Fraktion der SPD der Kollege Thomas Jurk.
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Martin Reichardt AfD
Martin
Reichardt
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestern in der Debatte zur Einbringung von Kinderrechten in das Grundgesetz ist hier ja die Formulierung „Kinder sind unsere Zukunft“ geradezu inflationär benutzt worden. Sie wurde nicht nur inflationär benutzt, sie wurde leider auch heuchlerisch benutzt. Grüne, SPD und Linke heucheln hier ständig ihre Familienfreundlichkeit, um auf der anderen Seite die traditionelle Familie in den Grundfesten zu erschüttern. Ich sage es Ihnen ganz eindeutig: Wer Vater, Mutter und Kinder als Familie negiert, der setzt die Axt an die Grundlagen unserer Gesellschaft und der wird stets und ständig mit unserem Widerstand zu rechnen haben. Die ehemaligen Volksparteien haben es zugelassen, dass die familienfeindliche Ideologie der Links-Grünen überall in der Gesellschaft eingedrungen ist. Frau Ministerin Giffey hat sie übernommen. Auf dem Regenbogenportal des Ministeriums werden jetzt Lehrer aufgefordert, die Begriffe „Vater“ und „Mutter“ durch „Elternteil 1“ und „Elternteil 2“ zu ersetzen. Meine Damen und Herren, alle Menschen in Deutschland wissen doch, dass „Vater“ und „Mutter“ nicht durch grünen und linken intellektuellen Mumpitz zu ersetzen sind. „Vater“ und „Mutter“, das sind die Begriffe, die in Form von „Mama“ und „Papa“ jedes Kind als Erstes spricht, und wir werden nicht zulassen, dass diese Begriffe von Ihnen auf dem Genderaltar geopfert werden. Ich will Ihnen noch etwas sagen: Eindrucksvoller als mit solchen Dingen können Sie Ihre ideologische Verblendung überhaupt nicht ins Volk tragen, meine Damen und Herren. Der Grünenantrag „Vielfalt leben“ maßt sich nun den Vertretungsanspruch hinsichtlich einer Menschengruppe an, den ich persönlich in diesem Umfang überhaupt nicht sehe. Ich kann Ihnen eins sagen: Die Homosexuellen in unserer Partei sind genau das, was sie sind – sie sind Teil der Gesellschaft, sie sind ein integraler Teil der Partei, und sie brauchen nicht Ihren ideologischen Unsinn, der das alles mit dem Bade ausschüttet. Tatsächlich, meine Damen und Herren von den Grünen, ist es doch gerade Ihre Politik, die durch den Import extrem homophober religiöser Minderheiten nach Deutschland die Bedrohung für die Menschen herbeiführt, die Sie hier überall schützen wollen. Das sollten Sie einfach endlich einmal anerkennen. Nun möchte ich Ihnen sagen: Im Unterschied zum Antrag des Linksblocks, der ja wieder mal versucht, unsere Gesellschaft in ein Sammelsurium von Kleinstgruppen aufzulösen, ist unser Antrag „Babys willkommen heißen, Familie leben“ staatstragend und gesellschaftsverbindend. Es ist ein Antrag für die Freiheit, besonders für die Freiheit junger Familien, Kinder zu bekommen und großzuziehen. Es ist ein Antrag für Wärme und Aufmerksamkeit für Familien in unserem Land, für Eltern und Kinder. Eltern und Kinder müssen doch in Deutschland wieder spüren: Ihr seid wichtig. Ihr seid willkommen. Wir hier sind da, um euch zu helfen. – Das muss die Botschaft sein. Familien werden doch nicht nur auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert, in Anzeigen wie „Es wird nur an kinderlose Paare vermietet“ und Ähnlichem, sondern auch von der Regierung. Bereits 2001 hat das Bundesverfassungsgericht im Pflegeversicherungsurteil angemahnt, dass die Benachteiligung von Familien in den Sozialversicherungssystemen zu beenden ist. Was ist bisher passiert? Nichts. Auch hier sagen wir der Regierung: Machen Sie endlich Ihre Hausaufgaben! Sorgen Sie für Gerechtigkeit für unsere Familien! Und verschlafen Sie nicht die Entwicklungen! Außerdem fordern wir, dass Gesetze auf Familienfreundlichkeit und Kinderfreundlichkeit überprüft werden. Hier ist als ganz besonders wichtig der Bereich der Kinderpornografie zu nennen. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Nein. 50 Prozent der Täter können nicht richtig verfolgt werden, weil der Datenschutz dem im Wege steht. Das muss im Vorfeld geklärt werden. Datenschutz darf nicht durch falsche Gesetze in Deutschland vor Kinderschutz gestellt werden. Auch das ist eine klare Forderung. Des Weiteren fordern wir, Familienbeauftragte auf allen Ebenen einzusetzen, die die Interessen von Familien in Deutschland vertreten. Wir fordern eine positive Werbung für das traditionelle Familienbild. Wir fordern, dass junge Familien auch im Rahmen ehrenamtlicher Arbeit unterstützt werden. Wir fordern, dass Familien über eine Familienkarte bundesweit signifikante Vergünstigungen und Vergütungen erhalten. Väter- und Mütterrechte sind auch in den Unternehmen eindeutig zu stärken. Meine Damen und Herren, unser Antrag ist ein erster Schritt dahin, dass Kinder, Eltern und Familie in dieser Gesellschaft wieder die zentrale Rolle einnehmen, die ihnen zukommt. Meine Damen und Herren von den bürgerlichen Parteien – von den anderen rede ich gar nicht –, Sie werden sich in Zukunft immer wieder die Frage stellen lassen müssen, ob Sie endlich bürgerfreundliche Politik im Sinne einer seriösen Familienpolitik machen wollen – Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende. – oder ob Sie dem links-grünen Mummenschanz hinterherkriechen wollen. Vielen Dank. Für die Fraktion der SPD hat das Wort der Kollege Dr. Karl-Heinz Brunner.
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Jörg Cezanne DIE LINKE
Jörg
Cezanne
DIE LINKE
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Schöne bei so einem Sammelgesetz ist ja: Es kann sich jeder was raussuchen. Ich fange mal mit dem großen Einstieg an: Dieses Gesetz steht in der unrühmlichen Tradition des Standortwettbewerbs und der Finanzstandortideologie: Deutschland müsse immer noch attraktiver für internationales Kapital werden. Weitgehend ausgeblendet bleiben dabei die zunehmenden Risiken, die von immer weiter wachsenden Finanzmärkten und deren immer weiter wachsender Komplexität ausgehen. Finanzstandort zu sein, ist und darf kein Selbstzweck sein. Mit dem Gesetz soll die Palette der laut Kapitalanlagegesetzbuch zulässigen Immobilienfonds erweitert werden. Die klassische Unterscheidung zwischen geschlossenen und offenen Fonds wird durchbrochen und neue Fondstypen wie geschlossene Sondervermögen oder offene Infrastruktursondervermögen zugelassen. – Ja, da kommen wir jetzt zu. – Die Einführung der geschlossenen Sondervermögen geht auf den Zentralen Immobilien Ausschuss, ZIA, der Immobilienwirtschaft zurück. Jochen Schenk, Vizepräsident des ZIA, begründet das so: Der Kunde will Convenience. Das ist das englische Wort für Bequemlichkeit. Das ist das Stichwort unserer Zeit. Gut, das lassen wir jetzt mal so stehen. Daher wollen wir ein Vehikel anbieten, das in die Beratungslandschaft der Banken passt und digitalfähig ist. Das Problem ist nur: Die Bequemlichkeit der einen kann leicht zum Risiko für das Gesamtsystem werden. Unter Risikogesichtspunkten ist zum Beispiel die Anhebung der zulässigen Kreditaufnahme bei Immobilienspezialfonds von 50 auf 60 Prozent kritisch. Zusammen mit dem bereits bestehenden Überangebot an Finanzinstrumenten, dem stets sich erweiternden Angebot an Fonds und dem Bestreben, diese auch noch immer größer zu machen, schafft diese erweiterte Kreditaufnahme makroökonomische Risiken und gefährliche Spekulationsblasen. Das wollen wir nicht. Hinzu kommt: Offene Immobilienfonds, die andere Seite sozusagen, betreiben keinen Neubau, sondern legen ihre Gelder nur im Bestand an. Das treibt eher die Immobilienpreise nach oben und verstärkt den Druck auf Mieten; denn die Anleger wollen für ihr eingesetztes Geld ja eine Rendite erhalten. Das führt jedenfalls nicht zu mehr Wohnungsbau. Positiv ist immerhin, dass nach dem Gesetzentwurf Fondsmanager verpflichtet werden, über die Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken ihrer Anlagen zu informieren. Das hat in den Prospekten zu erfolgen, die zur Information der Anleger und der Öffentlichkeit erstellt werden. Auch die Jahresberichte müssen Angaben zu sozialen und ökologischen Aspekten sowie zu guter Unternehmensführung enthalten. Schön. Lassen Sie uns doch lieber, so mein Vorschlag, einen Wettbewerb darüber entfalten, wer den stabilsten Finanzplatz organisiert und wer die gerechteste Vermögensverteilung auf den Platz kriegt, anstatt Finanzstandort um jeden Preis zu werden. Vielen Dank.
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Frank Steffel CDU/CSU
Frank
Steffel
CDU/CSU
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde die Debatte heute wichtig und richtig. Ich finde sie übrigens auch gut und hoffe, dass viele Menschen zuschauen. Ich finde es auch richtig, dass sich der Deutsche Bundestag vor der Beschlussfassung in Marrakesch Ende November dieses Jahres noch einmal sehr ausführlich mit einem Antrag der Koalitionsfraktionen zu diesem Thema beschäftigen wird. Denn die Menschen haben zu Recht die Erwartung, dass wir uns mit einem so bedeutenden Thema auch hier im Bundestag beschäftigen, obwohl wir formal nicht zustimmungspflichtig sind. Meine Damen und Herren, nicht jede Abkürzung stimmt, und das stört mich auch bei dem, was wir hier heute diskutieren. Dort steht: „GCM – Global Compact for Migration“. Die eigentliche Formulierung lautet: „Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration“. Vielleicht sollten wir bei den Begriffen anfangen. Denn das heißt übersetzt: Globaler Pakt bzw. globale Vereinbarung für sichere, geregelte und regelgerechte, regelkonforme Migration. Das ist ein großer, großer Unterschied. Insofern hat Ihr Vorbild Lenin völlig recht: Sprache fördert Bewusstsein. Lassen Sie uns klar darüber reden, worüber wir reden; dann verstehen es die Menschen auch einfacher. Wir reden heute über sichere, geregelte und regelkonforme Migration und eben nicht über ungeregelte, unsichere und nicht regelkonforme Migration, die ja in den vergangenen Jahren eines der großen Probleme auf dieser Welt und auch in Deutschland war. Das Ziel dieses globalen Paktes für geregelte, für regelkonforme Migration ist es, dass die Menschen in allen Ländern dieser Welt in ihrer Heimat bleiben können, weil es Lebensperspektiven gibt, weil es wirtschaftliche Perspektiven gibt, weil Fluchtursachen bekämpft werden, weil Krieg und Terror bekämpft werden. Und wenn sie denn ihre Heimat verlassen müssen, dann sollen sie in möglichst vielen Ländern gleiche Rahmenbedingungen, bessere Rahmenbedingungen vorfinden; mein Kollege Harbarth hat in einer sehr gelungenen Rede darauf hingewiesen. Es geht um den Zugang zu Gesundheitssystemen, und zwar nicht nur in Europa. Wo sollen denn kranke Migranten hin, wenn in vielen Ländern der Welt der Zugang zum Gesundheitssystem für Migranten eben nicht sichergestellt ist? Wo sollen denn Familien mit Kindern hin, wenn Kinder von Migranten in vielen Ländern dieser Welt keinen Zugang zu Bildung haben, wenn es keine Grundsicherung gibt? Also muss doch unser Interesse sein, mit einer internationalen Vereinbarung in möglichst vielen Ländern dieser Welt sicherzustellen, dass die Rahmenbedingungen, wenn denn Migration unvermeidbar ist, besser werden und nicht alle Menschen, nicht viele Menschen nach Europa und insbesondere nach Deutschland kommen. Herr Steffel, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Renner? Ich gestatte von jedem eine Zwischenfrage; selbstverständlich. – Bitte. Danke schön, dass Sie mir das Wort erteilen. – Ich mache es ganz kurz: Ich will diesen Schwurbeleien und diesen Wortverdrehungen, die wir seit einer Stunde hier hören, gar nicht so wahnsinnig viel hinzufügen. Ich will einfach nur eine Frage, eine gespaltene Frage stellen: Erklären Sie doch bitte einmal, was die Grundlage Ihrer Politik in diesem Bereich ist. Ich gebe Ihnen zwei Alternativen: Ist es, weil Sie das Fremde so sehr lieben, oder ist es Grundlage Ihrer Politik, weil Sie das Eigene so sehr hassen? Bitte geben Sie darauf eine Antwort. Ich bedanke mich sehr für Ihre Frage, Herr Kollege. – Ich will Ihnen sagen, was die Grundlage unserer Politik ist. Die Grundlage unserer Politik ist es, die großen Herausforderungen dieses Planeten nicht alleine zu lösen, sondern gemeinsam mit 200 Ländern auf dieser Welt. Das ist die erste Grundlage. Die zweite Grundlage ist, dass wir neben diesem Compact für gesteuerte, geregelte Migration dringend einen Compact with Africa – mit Afrika – brauchen. Dafür arbeitet unser Entwicklungshilfeminister. Die Bundeskanzlerin war gerade mit elf afrikanischen Ländern dabei, dafür zu sorgen, dass Krieg, Terror und Fluchtursachen bekämpft und Perspektiven geschaffen werden. Private Investitionen in Afrika sollen dazu führen, dass Millionen und Hunderte Millionen von Menschen eine Perspektive in ihrer Heimat haben. Übrigens: Auch dagegen ist die AfD. Die AfD ist auch dagegen, dass wir den Entwicklungshilfeetat ein weiteres Mal erhöhen, um Perspektiven zu verbessern und Investitionen in diesen Ländern zu stärken. Die AfD ist auch gegen humanitäre Hilfe. Wenn Menschen richtig im Dreck sind, dann gehen Sie zu Herrn Assad und kriechen ihm in den Hintern, statt sich für humanitäre Hilfe für diese Menschen einzusetzen. Ich nenne Ihnen den nächsten Punkt. Wir sind – nach einer ganz schwierigen Abwägung; das gilt für jeden einzelnen Abgeordneten – eben auch für Auslandseinsätze der Bundeswehr, die Sie ablehnen; denn wir wollen Krieg und Terror in diesen Regionen bekämpfen und dafür sorgen, dass die Menschen in ihrer Heimat sicher wohnen können. Meine Damen und Herren, ja, wir sind für bilaterale Abkommen. Wir glauben, dass Staaten versuchen sollten, möglichst viel miteinander zu vereinbaren. Und wir sind für multilaterale Abkommen auch im Rahmen der UN, weil natürlich Staaten miteinander versuchen sollten, weltweite Standards bei Klima, bei Handel, aber auch bei Menschenrechten und Migration zu schaffen. Und gegen all das sind Sie. Und wissen Sie, was mein Verdacht ist? Sie sind dagegen, weil es Ihnen parteipolitisch nutzt. Denn am Ende, wenn Sie das alles ablehnen, machen sich mehr Menschen auf den Weg nach Europa, auf den Weg nach Deutschland. Das führt dann dazu, dass Sie Ihre dumpfen Vorurteile weiter bedienen können und parteipolitisch davon profitieren. Das ist die eigentlich niederträchtige Schweinerei Ihrer Politik. Ich glaube, dass die Mehrheit der Menschen – insofern ist es gut, dass wir heute darüber reden – diese Politik nicht will. Wir müssen daher alle offensiver darüber reden und hier im Deutschen Bundestag mit Ihnen darüber streiten. Sie sollen Ihre Zwischenfragen ruhig stellen; denn auch Ihre Frage war entlarvend. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin davon überzeugt – und auch das Thema überlasse ich nicht Ihnen –, dass diese Vereinbarung mit 180 Nationen dieser Welt im deutschen Interesse liegt und Deutschland nutzt. Wer zustimmt, dient Deutschland, und wer es plump ablehnt, schadet Deutschland und widerspricht deutschen Interessen, und das ist in diesem Hause zuallererst die AfD. Herzlichen Dank. Nächster Redner ist Martin Hebner für die Fraktion der AfD.
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Dr.
Dr. Sahra Wagenknecht DIE LINKE
Sahra
Wagenknecht
DIE LINKE
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zumindest in einem Punkt hat diese Koalition geschafft, was vor ihr noch keiner Bundesregierung gelungen ist: Obwohl sie weniger als ein Jahr im Amt ist, gibt es mit Ausnahme der beteiligten Personen wahrscheinlich niemanden in diesem Land, der nicht auf ihr baldiges Ende hofft. Die Bevölkerung hat die Koalition satt, weil sie mit ihren schlechten Kompromissen und gegenseitigen Blockaden erkennbar nicht in der Lage ist, die wirklichen Probleme der Menschen zu lösen. Ja, und die Konzernlenker und Finanzmafiosi hoffen natürlich längst, dass mit Friedrich Merz bald einer der ihren ins Kanzleramt einzieht, der ihre Wünsche weit bedingungsloser und rücksichtsloser erfüllt als das aktuelle Kabinett. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, genau diese Art von Politik können wir uns immer weniger leisten. Schauen wir uns doch die Herausforderungen an, vor denen wir stehen: Der Einbruch der deutschen Wirtschaft im dritten Quartal zeigt an, dass es mit der Konjunktur bald nicht mehr so laufen könnte wie in den letzten Jahren, auch, weil die ständigen deutschen Exportüberschüsse Gegenreaktionen geradezu provozieren. Um den Binnenmarkt zu stärken, brauchen wir aber dringend höhere Löhne, bessere Renten, und wir brauchen eine Regierung, die in Sachen öffentlicher Investitionen endlich ihre Aufgaben erfüllt. Und das tun Sie nicht, auch wenn Sie hier immer so tun, als wäre das so. Auch auf den Finanzmärkten ziehen längst wieder dunkle Wolken auf. Die Diskrepanz zwischen Verschuldung und Wirtschaftsleistung ist global weit größer als vor der letzten großen Krise. Trotzdem haben Sie es bis heute versäumt, die Spekulation einzudämmen und die Banken zu zwingen, die Ersparnisse der Bürgerinnen und Bürger abzusichern. Wir brauchen dringend eine Regierung, die das nachholt, und nicht einen Finanzminister, der jetzt auch noch die Finanztransaktionsteuer kalt beerdigt, weil er alle Derivategeschäfte komplett ausklammern will. Was ist das für ein Kotau vor der Finanzmafia? Die Digitalisierung ist inzwischen ein Modethema; wir haben es ja heute wieder hier gehört. Aber am eigentlichen Problem wird zuverlässig vorbeigeredet. Das Problem ist, dass der Mensch eben nicht im Mittelpunkt stehen kann, solange diese Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts fünf Monopolisten aus dem Silicon Valley überlassen wird, die längst einen globalen Überwachungskapitalismus aufgebaut haben, bei dem sogar Orwells schlimmste Befürchtungen in den Schatten gestellt werden. Deswegen brauchen wir eine Regierung, die diese Enteignung der Privatsphäre endlich gesetzlich stoppt, und wir brauchen digitale Plattformen in gemeinnützigem Eigentum, weil Wettbewerb in diesem Bereich wegen der Netzwerk­effekte eben nicht funktioniert. Auch Klimawandel, Raubbau an unseren Ressourcen bedrohen unsere Zukunft. Aber wer dem Einhalt gebieten will, der muss schleunigst aus einer Wegwerfwirtschaft aussteigen, in der marktbeherrschende Konzerne es sich leisten können, Produkte extra so zu konstruieren, dass sie schnell kaputtgehen und dass sie sich möglichst nicht reparieren lassen. Deswegen brauchen wir eine Politik, die innovative Technologien, die kreative Firmen fördert, statt Subventionen an die bestvernetzten Großunternehmen zu verteilen. Eine Bundesregierung, die in Brüssel strengere Abgasnormen verhindert und deren Regierungspartei CDU sich das von den BMW-Eigentümern Quandt mit einer Großspende von 700 000 Euro bezahlen lässt, ist nicht nur ein klimapolitischer Blindgänger, sondern steht auch für genau die Art geschmierter Politik, die viele Menschen an der Demokratie verzweifeln lässt. Auch die geopolitischen Gefahren wachsen. Dass Donald Trump nach dem Iran-Abkommen jetzt auch noch den INF-Vertrag kündigen will und damit eine neue Welle atomarer Aufrüstung auslösen könnte, ist eine ernste Gefahr für den Weltfrieden und vor allem eine Gefahr für die Sicherheit hier in Europa. Diese Zumutungen müssen doch endlich durch eine selbstbewusste europäische Friedenspolitik beantwortet werden. Aber dafür brauchen wir eine Bundesregierung, die den Mut hat, die Entspannungspolitik Willy Brandts wiederzubeleben, und nicht eine, die sich in Macrons Planspiele für eine europäische Interventionsarmee einklinkt, bei denen es nicht zuletzt darum geht, den Parlamentsvorbehalt für neue Kriegseinsätze auszuhebeln. Frau Merkel, Sie haben vorhin sehr engagiert über Migration gesprochen, und Sie haben über die vielen Kriege auf dieser Welt gesprochen. Ja wo kommen denn diese Kriege her? Wer munitioniert denn diese Kriege? Das ist doch nicht zuletzt Deutschland mit seinen Waffen­exporten. Auslöser waren oft genug auch Rohstoffkriege westlicher Staaten. Die Ausplünderungen dieser Länder sind doch die Ursachen. Tun wir doch nicht so, als sei Flucht und Migration etwas, wofür es keine politische Verantwortlichkeit gebe. Dafür gibt es politische Verantwortlichkeiten. Es gibt Ursachen, und die muss man endlich beseitigen. Da würde ich mir von Ihnen einmal wünschen, dass Sie Konsequenzen ziehen. Ich finde, wir haben uns viel zu sehr an die Unfähigkeit von Regierungen gewöhnt. Wie kann es sein, dass es in einem reichen Land angeblich nicht zu schaffen ist, Brücken und Straßen in einem ordentlichen Zustand zu erhalten und dafür Sorge zu tragen, dass auch ländliche Regionen Zugang zu schnellem Internet und gutem Funknetz haben? Das, was hier gerade wieder gesagt worden ist, haben wir doch schon vor drei, vier, fünf Jahren gehört, und trotzdem ist es nicht besser geworden. Wie kann es sein, dass Sie nicht in der Lage sind, alte Menschen vor Armut zu schützen oder allen Kindern eine gute Bildung zu ermöglichen? Aber ausgerechnet für die Beschaffung von Waffen und Kriegsgerät schon wieder 4,7 Milliarden Euro obendrauf zu legen, drauf auf einen Rüstungsetat, der schon in den letzten Jahren unverantwortlich schnell gewachsen ist, ist doch eine irre Politik. Meint diese Koalition wirklich, dass zufriedene Rüstungslobbyisten wichtiger sind als zufriedene Wähler? Wenn Sie das meinen, dann muss ich sagen: Es ist wirklich kein Wunder, dass es mit solchen Parteien bergab geht. Ich gebe ja zu: Es schmerzt uns nicht allzu sehr, wenn die Union Wähler verliert. Aber was uns wirklich ein Rätsel ist, ist die Strategie der SPD. Es ist keine zwei Wochen her, da haben Sie auf Ihrem Debattencamp absolut vernünftige Forderungen formuliert – gegen Hartz IV, für eine Erneuerung des Sozialstaats, für eine Rentenversicherung, in die alle einzahlen. Das finden wir gut; wir wären heilfroh, wenn wir in Zukunft für solche Dinge nicht mehr alleine kämpfen müssen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wenn Sie das alles auch nur etwas ernst meinen, wie können Sie dann diesem Rüstungshaushalt, diesem Aufrüstungshaushalt, zustimmen, der dieses Land kein bisschen gerechter machen wird? Wer soll Ihnen denn noch irgendetwas glauben, wenn Sie gleichzeitig an der Koalition mit der Union festhalten, mit der Sie garantiert keine einzige dieser Forderungen umsetzen können? Sie machen doch Ihre Glaubwürdigkeit immer mehr kaputt. Sie können die besten Dinge formulieren, das nimmt Ihnen keiner mehr ab. Ich finde das traurig; das möchte ich schon deutlich sagen. Unsere Nationalhymne, die Sie ja alle gern singen, beschwört Einigkeit und Recht und Freiheit. Aber wir leben nicht in einem einigen Land, sondern in einem, das sozial und zunehmend auch kulturell tief gespalten ist. Es gibt diejenigen, die vom aktuellen Wirtschaftsboom profitieren, es gibt andere, an denen das Wachstum seit Jahren komplett vorbeigeht, und es gibt offensichtlich auch zweierlei Rechte in diesem Land: eines für den normalen Bürger und eines für die oberen Zehntausend und die Konzernlenker, bei denen gemeingefährliche Betrügereien wie die mit den Dieselabgasen komplett ohne Konsequenzen bleiben. Die werden lieber auf die Dieselfahrer abgewälzt, denen inzwischen sogar auf einer Autobahn Fahrverbote drohen, und diese Regierung schaut zu und erklärt sich für nicht zuständig. Wie blamabel ist das denn! Wenn kriminelle Gangster mit windigen Finanzgeschäften die Steuerzahler ausplündern, dann stehen die Finanzminister jahrelang Schmiere. Stellen Sie sich einmal vor, ein Kleinunternehmer hätte das gemacht, was mit Cum/Ex generalstabsmäßig abgelaufen ist: Rechnungen für Dinge bei der Steuer einreichen, die er gar nicht besitzt, sondern sich nur kurzfristig ausgeliehen hat, und diese Rechnungen dann auch noch fleißig kopieren und alle seine Kumpel animieren, dass sie die auch noch einreichen und sich Steuern erstatten lassen, die sie nicht gezahlt haben. – Ich wette mit Ihnen: Der Mann säße binnen Wochen, spätestens binnen weniger Monate im Gefängnis. Die Cum/Ex-Betrüger dagegen haben den Steuerzahler über viele, viele Jahre um Milliarden geprellt, allein in Deutschland um 32 Milliarden Euro. Aber keiner von ihnen wurde bisher in Handschellen abgeführt, noch nicht mal hat man ihnen das Geld wieder abgenommen. Was ist denn das für eine Politik? Und dann wundern Sie sich, dass die Menschen nicht nur an der Demokratie, sondern auch am Rechtsstaat zweifeln? Ja, und die Freiheit? Wie frei ist denn eine Gesellschaft, in der die meisten, die in arme Verhältnisse hineingeboren wurden, dieser Armut lebenslang nicht mehr entkommen. Die Hans-Böckler-Stiftung hat es kürzlich noch einmal belegt: Wer in Deutschland einmal unten ist, der bleibt mit großer Wahrscheinlichkeit unten. Wer dagegen reich geboren ist, der hat beste Chancen sein Leben im Luxus zu genießen, ohne dass er irgendetwas Relevantes dafür leisten muss. Ich finde, das sind feudale Verhältnisse, und das hat mit den Ansprüchen einer sozialen Marktwirtschaft nichts zu tun. Frau Bundeskanzlerin, Sie haben in der ersten Regierungserklärung in dieser Legislatur viel vom sozialen Zusammenhalt gesprochen. Aber genau diesen Zusammenhalt hat doch die Politik der letzten Jahre zerstört. Deutschland hat sich verändert, und zwar in eine Richtung, die vielen Menschen Angst macht. Das Klima ist rauer, kälter und aggressiver geworden, und das ist letztlich das Spiegelbild der Kälte und Rücksichtslosigkeit, die sich in unserer Gesellschaft und vor allem in der Arbeitswelt ausgebreitet haben. Es ist doch bekannt, wie heute bei Ryanair, bei Amazon, bei der Deutschen Post und in vielen anderen Unternehmen mit Mitarbeitern umgesprungen wird. Und es sind Ihre Gesetze, die das möglich machen, die möglich machen, dass Menschen in schlecht bezahlten Jobs gedemütigt werden oder dass sie als Leiharbeiter und Dauerbefristete der Willkür ihrer Arbeitgeber in besonderem Maße ausgeliefert sind. Es sind Ihre Gesetze, die möglich machen, dass Arbeitslose im Jobcenter schikaniert werden, als würden sie um Almosen betteln, dabei handelt sich oft um Menschen, die jahrelang geschuftet und in die Sozialversicherung eingezahlt haben. Wenn Sie wissen wollen, wie das Leben für viele Menschen jenseits der kernsanierten Wohlfühlzonen aussieht, dann lesen Sie die vielen Tausend Einträge unter dem kürzlich gestarteten Hashtag #unten. Da geht es um Abstieg, um Ausgrenzung, um Demütigungen und um Zukunftsangst. Auch der FDP würde es guttun, da reinzugucken. Auch das ist Deutschland, und diesem Deutschland geht es nicht gut. Dieses Deutschland muss sich schlicht verhöhnt fühlen, wenn es Ihre Schönwetterreden hört. Ich finde, wir brauchen eine Regierung, die sich den Menschen wieder zuwendet, die den Sozialstaat erneuert und damit Sicherheit und Planbarkeit in ihr Leben zurückbringt. Ich fand es schon bedauerlich, Frau Merkel, dass heute in Ihrer gesamten Erklärung die soziale Frage und die Situation und die Lebensängste der Menschen in diesem Land überhaupt keine Rolle gespielt haben. So können wir doch nicht weitermachen. Wir brauchen keine weitere Senkung des Arbeitslosenbeitrags. Wir brauchen eine Wiederherstellung einer soliden Arbeitslosenversicherung. Wer Bezieher mittlerer und unterer Einkommen entlasten will, der kann den Weg Österreichs gehen. Dort zahlt der Arbeitgeber zur Rentenversicherung mehr als 2 Prozentpunkte mehr als der Arbeitnehmer. Wenn dann noch alle in die Rentenkasse einzahlen, auch Selbstständige und Beamte, dann müsste niemand mehr Angst vor Altersarmut haben. Oder schauen Sie sich den Wohnungsmarkt an. Es gab eine Zeit, da wurde die Bereitstellung von Wohnraum in unserem Land als öffentliche Aufgabe begriffen. Dann wurde ein Großteil der Wohnungen an private Immobilienfonds verscherbelt. Das Ergebnis ist offensichtlich: Anstelle eines Grundrechts sind Wohnungen heute ein beliebtes Spekulationsobjekt geworden. Und der Mietwucher führt nicht nur zu wachsender Armut; er führt auch dazu, dass ärmere und wohlhabende Menschen immer seltener im gleichen Wohnviertel wohnen. Auch das zerstört den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Zu Beginn dieser Koalition haben Sie pompös ein Heimatministerium geschaffen. Aber ich frage Sie: Was ist denn die wichtigste Basis dafür, dass Menschen eine Heimat haben, wo sie sich wohlfühlen können? Das ist doch ein sicheres Zuhause, wo sie wohnen können, ohne Angst zu haben, durch die nächste Mieterhöhung verdrängt zu werden. Herr Seehofer und Frau Merkel, darum könnten Sie sich kümmern, wenn Sie ernsthaft etwas mit Heimat im Sinn haben. Eine vernünftige Wohnungspolitik würde die öffentliche Hand nicht einmal so viel mehr Geld kosten. 17 Milliarden Euro werden heute bundesweit dafür ausgegeben, mit Wohngeld und Wohnkostenzuschüssen, den Menschen die explodierenden Mieten etwas erträglicher zu machen. Statt so mit öffentlichem Geld am Ende die Taschen der Miethaie zu füllen, wäre es doch weit sinnvoller, einen sofortigen Mietpreisstopp durchzusetzen und die eingesparten Milliarden für ein neues Wohnungsbauprogramm unter öffentlicher Regie und für den Rückkauf kommunaler Wohnungen einzusetzen. Aber dass Sie solide wirtschaften können und sparsam mit dem Geld der Steuerzahler umgehen, das gehört ja sowieso zu den großen Fake News Ihrer Politik. Die Wahrheit ist: Sie spalten nicht nur unser Land, Sie sind auch noch besonders teuer mit Ihrer Politik. Da fördern Sie überall, bei Bauvorhaben, Autobahnen oder Schulsanierungen, sogenannte öffentlich-private Partnerschaften, wobei die Partnerschaft regelmäßig darin besteht, dass die öffentliche Hand gemolken wird und die privaten Investoren risikofrei dicke Renditen absahnen. Deshalb sind solche Projekte immer teurer, als wenn der Staat selbst investiert. Trotzdem fördern Sie das mit ungebrochener Begeisterung. In vielen Verwaltungen fehlt qualifiziertes Personal. Es fehlen Polizisten auf den Straßen, es fehlen Erzieher, Lehrer, Sozialarbeiter, Pflegekräfte. Dabei wäre schon einiges gewonnen, wenn etwa das Geld, das für die Pflege bereitsteht, vollständig dafür eingesetzt werden könnte, qualifiziertes Personal und anständige Gehälter zu bezahlen, statt, wie das heute der Fall ist, auch noch die lukrativen Gewinne der Finanzinvestoren mitzufinanzieren, die immer mehr Pflegeheime übernehmen. Krankenhäuser sind keine Profitcenter. Wir sind überzeugt: Hilflose alte Menschen und deren Pfleger renditehungrigen Hedgefonds zu überlassen, das ist einfach nur schäbig. In Ihren Ministerien das gleiche Elend: Statt auf eigene Beamte zu vertrauen und die entsprechend zu qualifizieren, holen Sie sich die Leute von Goldman Sachs und McKinsey ins Haus, die teures Geld kosten und wohl kaum das Gemeinwohl im Sinn haben. Wohin die Krise der Demokratie und die Zerstörung des sozialen Zusammenhalts führen, das können Sie hier auf der rechten Seite des Parlaments besichtigen. Da sitzt das Ergebnis Ihrer Politik. Und es ist schlicht unehrlich, wenn Sie sich hier immer mit großer emotionaler Geste über die AfD aufregen und gleichzeitig genau die Politik fortsetzen, die diese Partei erst stark gemacht hat. Schon in den 90er-Jahren haben zwei sehr unterschiedliche Männer vor den Konsequenzen gewarnt, wenn große Teile der Bevölkerung sich nicht mehr politisch repräsentiert fühlen: Der Liberale Dahrendorf hat 1997 darauf hingewiesen, dass die Globalisierung – Zitat – die Institutionen der Demokratie durch konsequenzlose Kommunikation zwischen den Individuen ersetzt, und deshalb ein Jahrhundert des Autoritarismus befürchtet. Und der Schriftsteller Stefan Heym, der als jüdischer Emigrant in der US-Armee gegen die Nazis gekämpft hat, hat schon 1992 gewarnt – ich zitiere; ich bin gleich am Ende –: Wenn die Leute sich nicht artikulieren können, dann werden sie Häuser anzünden. Und wenn man ihnen nicht eine demokratische Lösung anbieten kann, eine linke Lösung, dann werden sie nach rechts gehen, werden sie wieder dem Faschismus folgen … Und deshalb ist Ihr Weiter-so nicht zu verantworten. Unser Land braucht dringend einen sozialen und demokratischen Neubeginn. Noch ist es nicht zu spät. Nächster Redner ist der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Anton Hofreiter.
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Steffen Kotré AfD
Steffen
Kotré
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Altmaier, Sie und die Bundesregierung vertreiben die Zukunft aus Deutschland. Das muss man leider so sagen. Den vorliegenden Bericht können wir getrost zur Seite legen. Ich sehe nichts, was wirklich zukunftsweisend sein könnte. Sie behandelten heute in Ihrer Rede Probleme, die wir ohne das falsche Handeln der Bundesregierung nicht hätten; denn nicht die Coronapandemie ist schuld daran, dass die Wirtschaft jetzt Schwierigkeiten hat, sondern schuld sind die falschen Maßnahmen, die die Wirtschaft behindern. Das ist das Problem, und das ist redlicherweise der Bundesregierung zuzurechnen. Herr Minister Altmaier, Sie handeln wie ein Alchimist. Sie verkaufen uns die Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze, obwohl diese hochsubventioniert sind. Sie verkaufen uns Marktwirtschaft, obwohl wir immer weiter in die Planwirtschaft abgleiten. Sie verkaufen uns Wachstum, obwohl wir schon längst vor Corona in die Rezession geschlittert sind. Sie verkaufen uns die sogenannten Klimarettungsmaßnahmen und die sogenannte Energiewende als Chance, obwohl diese Werte vernichten, obwohl diese keine Werte schaffen und obwohl die Unternehmen dadurch aufgrund der Versorgungsunsicherheit und der hohen Energiepreise aus Deutschland vertrieben werden. Noch ein Detail: Sie wollen uns einen mit Wasserstoff produzierten Stahl als wettbewerbsfähig verkaufen, obwohl genau das Gegenteil der Fall ist. Sie verkaufen uns Nachhaltigkeit, obwohl die mittlerweile aufgelaufenen Verpflichtungen Deutschlands Substanzverzehr und Raubbau bedeuten. Die Stiftung Marktwirtschaft beziffert die Nachhaltigkeitslücke, also die Verpflichtung des deutschen Staates gegenüber den deutschen Bürgern und dem Ausland, auf 345 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – das war im Sommer 2020; die Zahl hat sich erhöht –, also auf das Dreieinhalbfache der jährlichen gesamtwirtschaftlichen Leistungen. Wie wir wissen, kann davon immer nur ein ganz kleiner Teil für die Tilgung von Schulden und die Erfüllung von Verpflichtungen herangezogen werden. Wir werden also die Verpflichtungen vermutlich nie erfüllen können. Die Konsequenz wird sein: Inflation und Enteignung der Bürger und der Unternehmen in diesem Staat, am Ende ein Schreckensszenario. Geben Sie uns einen anderen Ausweg. Das wäre sehr schön. Ich sehe ihn aber nicht. Auf 11,9 Billionen Euro belaufen sich die Verpflichtungen. Wie wollen wir die denn schultern? Das ist die ganz große Frage. Und die Realität sieht eben traurig aus. Die Bundesregierung, Sie, Herr Minister Altmaier, vertreiben die Zukunft aus Deutschland. Die Autoindustrie beispielsweise – jahrzehntelang Rückgrat der deutschen Wirtschaft – hat Millionen Arbeitnehmer in Lohn und Brot gebracht, und ohne Not wird dieser Industriezweig jetzt abgebaut, der Verbrennungsmotor verteufelt. Das kostet uns, laut Ihren eigenen Beratern, bis zu 410 000 Arbeitsplätze. Anstatt Lieferketten und die Rohstoffbasis der deutschen Industrie zu sichern, beschäftigt sich die Bundesregierung lieber mit Quoten, mit Genderquatsch und mit Haftbarmachung deutscher Unternehmen für Fehler ausländischer Unternehmen. Daran kann man sehen, wo die Prioritäten dieser Bundesregierung liegen, und die sind grundfalsch. Wir vermissen hier ein Zukunftskonzept, das umfassend ist. Dahin sollte sich die Bundesregierung bewegen, damit wir Deutschland strukturell fit machen. Wir haben es an Ihrer Rede gesehen, Herr Altmaier: Sie haben sich mehr mit den selbstgemachten Schäden beschäftigt als mit zukunftsweisenden Technologien. Daran müssen wir arbeiten. Als Beispiel: Es fehlen jetzt in unserem Land Mikrochips für unsere Autobauer. Sie mussten einen Brief nach Taiwan schreiben. Sie mussten also in Taiwan betteln, dass unsere Volkswirtschaft beliefert wird. Das ist unserer Volkswirtschaft nicht würdig. Es ist unwürdig für unsere Industrienation, dass wir das nicht selber hinbekommen. Kollege! Meine Damen und Herren, die Bundesregierung vertreibt die Zukunft aus Deutschland. Wir sollten diesen vorliegenden Bericht einfach beiseitelegen, die Ärmel hochkrempeln und die Probleme strukturell angehen. Vielen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer, CDU/CSU-Fraktion.
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Oliver Krischer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Oliver
Krischer
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drei Jahre sind seit dem Bekanntwerden des Abgasskandals nun vorüber, und das Thema beherrscht hier – anders als in den USA, dem Land, in dem der Skandal aufgedeckt wurde – immer noch permanent die öffentliche Debatte. Das hat eine ganz einfache Ursache: Weder die Autoindustrie noch die Bundesregierung haben in diesen drei Jahren auf diesen Skandal auf angemessene Weise reagiert, weil sie sich für das Aussitzen entschieden haben. Das ist ein Skandal, um das ganz deutlich zu sagen. Sowohl die Autoindustrie als auch die Bundesregierung haben geglaubt, dass man das Thema nur so wie eine Grippe behandeln muss: Nach zwei Wochen ist alles vorüber. Aber genau das Gegenteil ist geschehen. Der Abgasskandal hat unsere wichtigste Industrie in die größte Vertrauenskrise ihrer Geschichte geführt. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass das auch zur größten wirtschaftlichen Krise dieser Industrie führt. Dafür trägt diese Bundesregierung eine zentrale Verantwortung, weil sie nicht auf angemessene Weise handelt. Es ist ja nicht so, als ob nicht genug darüber geredet worden wäre. Nach unzähligen Dieselgipfeln – man kann schon fast von einem Dieselgebirge sprechen; am Wochenende findet wahrscheinlich wieder ein Dieselgipfel statt – haben Sie das Problem immer noch nicht an der Wurzel gepackt. Es fahren doch Millionen Diesel-Pkws auf den Straßen und emittieren ein Vielfaches des Grenzwertes. Es reicht eben nicht, Herr Scheuer, ein paar Elektrobusse zu fördern oder in der einen oder anderen Stadt die Ampelschaltung zu verbessern. Sie müssen ran an die Hardware der Fahrzeuge. Sie müssen das Problem an der Quelle bekämpfen und dafür sorgen, dass die Fahrzeuge sauber werden. Es kann doch nicht sein, dass wir nach drei Jahren noch immer keine Entscheidung zu diesem Thema haben. – Ich höre gerade: „Reiner Populismus!“ – Am Anfang haben nur ein paar Umweltverbände und die Grünen eine Hardwarenachrüstung gefordert. Dann auf einmal war auch die SPD dafür. Inzwischen ist auch die CDU bei dem Thema Hardwarenachrüstung angekommen. Da mögen Frankfurt und die hessische Landtagswahl eine Rolle spielen. Aber immerhin bewegen Sie sich in die richtige Richtung. Der Einzige, von dem man nicht weiß, wo er steht, und von dem man jeden Tag eine andere Meinung und Position – genauso wie in den letzten Minuten ja auch wieder – hört, ist der zuständige Verkehrsminister Andi Scheuer. Ich sage: Das Problem ist personifiziert. Scheuer und sein Vorgänger sind die Ursache dafür. Um es klar zu sagen: Ich halte es für zynisch, dass ein Verkehrsminister wochen- und monatelang durchs Land läuft und sagt: Die Flottenerneuerung ist die Lösung. – Das müssen Sie sich mal vorstellen: Da haben Millionen Menschen Geld für einen Diesel ausgegeben, von dem die Automobilindustrie ihnen erzählt hat: Der ist sauber. – Diese Menschen sind betrogen worden. Jetzt kommt der Verkehrsminister und sagt: Kauft ein neues Auto! Dann wird die Luft sauberer. – Ich sage: Das ist kein Verkehrsminister. Das ist ein Verkaufsagent der Automobilindustrie. Das macht unsere Luft nicht sauberer. Das Ganze ist am Ende nicht nur eine soziale Frage. Tatsächlich löst man mit einer Flottenerneuerung kein Problem. Der eigentliche Skandal neben den nicht mit Hardware nachgerüsteten Fahrzeugen ist, dass nach wie vor jeden Tag Tausende neue Fahrzeuge auf unsere Straßen kommen – und zwar mit Billigung dieses Verkehrsministers –, die die Grenzwerte nicht einhalten. Deshalb kann die verrückte Situation eintreten, dass ein altes Fahrzeug mit Flottenerneuerung aus dem Verkehr gezogen wird und das neue Fahrzeug sogar noch mehr emittiert. Das kann doch, ehrlich gesagt, nicht die Antwort auf die Dieselkrise sein. Deshalb: Herr Scheuer, ich erwarte jetzt und hier von Ihnen eine klare Ansage, was Sie machen wollen. Dieses ewige Hin-und-her-Gewankele! Ich weiß ja nicht, ob der Discobesuch in dieser Woche auch ein bisschen zur Verwirrung beigetragen hat. Es kann nicht weitergehen, dass ein Verkehrsminister Deutschland so lange im Unklaren lässt, wie Herr Scheuer das tut, wo wir inzwischen schon die verrückte Situation haben, dass sogar ein Automobilhersteller selbst bereit ist; nur der liebe Andi Scheuer steht noch auf der Bremse – oder: Man weiß nicht genau, wo er steht. Da erwarte ich eine klare Ansage. Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte. Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Drei Jahre nach Dieselgate ist nicht nur die Hardwarenachrüstung, das Dieselthema an sich ein Problem; das Hauptproblem ist, dass wir eine Verkehrspolitik haben, die nicht Klimaschutz und Nachhaltigkeit berücksichtigt, die nicht die notwendigen Veränderungen anpackt, die die Branche insgesamt braucht, die für eine neue Mobilität stehen. Es reicht nicht, ein paar Städten ein 1‑Euro-Ticket irgendwie zuzubilligen. Herr Kollege, bitte! Wir brauchen den Abbau von Diesel- und Dienstwagenprivilegien. Wir brauchen eine Investitionsoffensive für den öffentlichen Verkehr und eine nachhaltige Mobilität. Das ist die Herausforderung. Aber die wird da überhaupt nicht angepackt. Danke schön. Als Nächstes der Bundesminister Andreas Scheuer.
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Dr.
Dr. Karl-Heinz Brunner SPD
Karl-Heinz
Brunner
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Sehr verehrter Herr Präsident! Verehrtes Präsidium! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Selten ist eine Aktuelle Stunde so aktuell wie diese: Etwa vor einer Stunde hat Mike Pompeo in Washington die Erklärung abgegeben, dass die USA aus dem INF-Vertrag – ich sage bewusst – aussteigen wollen. Er hat die Kündigung ausgesprochen, einen Tag vor Ablauf der Frist und eine halbe Stunde, nachdem die Kanzlerin die Begründung in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ bereits geliefert hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir könnten an dieser Stelle von historischen Augenblicken sprechen. Wir könnten darüber sprechen, wie wichtig allein der INF-Vertrag ist. Wir könnten auch darüber sprechen – wie es die Linke und die AfD gern möchten –, dass das Ende des INF-Vertrags womöglich der Anfang einer neuen Aufrüstungsspirale ist, der Beginn von weniger Stabilität, der Beginn von mehr Unsicherheit. Ich möchte aber auch darüber sprechen, dass die Möglichkeit besteht, dass dieser Vertrag nach der 60-Tage-Frist in kein neues Regelwerk einfließt, dass dies auch eine Nichtverlängerung des New-START-Abkommens im Jahr 2021 zur Folge haben könnte oder dass dies als das von dem einen oder anderen in der Diskussion noch nicht gehörte, aber bereits leise klingelnde Totenglöckchen für den NVV, den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen, anzusehen ist. Warum sage ich das, meine sehr verehrten Damen und Herren? Weil ich die Bemühungen unseres Außenministers und des Auswärtigen Amts in den vergangenen Wochen gesehen und gemerkt habe. Ich habe aber auch ganz deutlich gesehen, dass wir mit einer deutschen Lösung, einer solitären Lösung der Bundesrepublik Deutschland, keinen Erfolg haben werden. Deshalb sage ich an dieser Stelle ganz deutlich: Unsere Antwort muss Europa sein! Warum haben die Vereinigten Staaten von Amerika und die Russische Föderation als Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion, zumindest in diesem Falle, kein Interesse mehr an diesem Vertragswerk? Das wurde bereits vom Kollegen Kiesewetter ausgeführt: weil China, Nordkorea, Pakistan, Indien und auch andere Länder des Nahen und Mittleren Ostens an Atomwaffen arbeiten. Es hat aber auch damit zu tun, dass die beiden Protagonisten kein Interesse an den multilateralen Verträgen dieser Welt haben, sondern nur bilateral Entscheidungen und Vereinbarungen treffen sowie Verträge schließen wollen. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist für uns in Europa nicht weiter zu ertragen. Wir in Europa waren in den vergangenen Wochen und Monaten dieses Vorspiels bis zum heutigen Tage viel zu stumm, wir haben diese Eskalation zugelassen und nur zugeschaut, weil in Europa der Spaltpilz und die Zentrifugalkräfte dieses Kontinents stärker sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, dass wir einige wichtige Punkte berücksichtigen müssen. Wir müssen erstens die sechs Monate, die uns Zeit bleiben – also diesen Zeitgewinn –, dazu nutzen, Europa wieder ins Spiel zu bringen, ein gemeinsames Europa, ein starkes Europa, ein Europa, das mit einer Stimme spricht und als Player auf dem Spielfeld zurückbleibt. Was müssen wir dazu tun? Wir müssen zweitens die Zweifel unserer östlichen Partner und Nachbarn ausräumen, dass die Bundesrepublik Deutschland als die wirtschaftlich stärkste und militärisch zweitstärkste Kraft in Europa das Schutzbedürfnis nicht sichert, und klarmachen, dass sie den Artikel 5 des NATO-Vertrags nicht nur unterzeichnet hat, sondern auch als Versprechen der Sicherheit unserer Nachbarn ernst nimmt, nicht nur aus Gründen historischen Zweifels, sondern auch aus der Notwendigkeit unserer eigenen Sicherheit. Wir müssen drittens die Wiederbelebung der sogenannten Verification Commission auf den Weg bringen, um auch dort den nuklearen Bereich miteinzubeziehen und die Möglichkeit zu bieten, über die Verifikation einen Schritt weiterzukommen. Denn unser Ziel, meine sehr verehrten Damen und Herren, muss sein, wieder eine verlässliche europäische Sicherheitsstruktur zu erhalten, eine Sicherheitsstruktur, bei der wir wissen müssen, dass, wenn es tatsächlich zu einer Nachrüstung käme, Europa im Zentrum stehen würde. Die Chance für Europa liegt aber nur darin, den Frieden dieses Kontinents zu sichern und unsere eigene Sicherheit zu gewährleisten. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brunner. – Als Nächster spricht zu uns der Kollege Alexander Graf Lambsdorff, FDP-Fraktion.
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Dr. Lothar Maier AfD
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Maier
AfD
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Musterfeststellungsklage erscheint uns, wie an dieser Stelle schon mehrfach ausgeführt, ein im Prinzip geeignetes Instrument, um Verbraucherinteressen bei ähnlich gelagerten Fällen durchsetzen zu können, gerade im Bereich der Bagatellschäden. Ein diesbezügliches Gesetz muss aber entsprechend sorgfältig ausgearbeitet werden und darf nicht etwa – auch nicht im Ansatz – auf aktuelle Spezialfälle bezogen sein. In einem Wort: Es muss zukunftsfähig sein. Daran muss es aber bei der vorgelegten Fassung Zweifel geben, die durch die am Montag in dieser Woche erfolgten Anhörungen zu diesem Thema noch verstärkt wurden. Dort haben sich immerhin acht von neun Sachverständigen über diesen Entwurf kritisch bis sehr kritisch geäußert. Hinzu kommt, dass wichtige Stellungnahmen anderer befasster Organe erst Stunden vor der Beschlussfassung vorgelegt wurden und dass das Protokoll der Anhörung bis heute nicht verfügbar ist. Solche extrem kurzen Fristen der Beschlussfassung sind nicht hinnehmbar. Dem Parlament muss ausreichend Zeit gegeben werden, die Ergebnisse der Anhörungen und der Stellungnahmen zu berücksichtigen. Es entsteht der Eindruck, dass das Gesetz in Kenntnis seiner Mängel sofort durchgepeitscht werden soll; als Begründung wird das Auslaufen einer Verjährungsfrist betreffend ein einzelnes großes Unternehmen genannt. Aus Kreisen der Linken in meinem Bundesland habe ich gehört, man wolle nun dem VW-Konzern den Garaus machen, so wörtlich. Nach meiner Kenntnis hat die CDU in einem der ostdeutschen Landtage kürzlich erfolgreich geklagt, weil auch dort in einer wichtigen Frage eine Beschlussfassung herbeigeführt wurde, obwohl das Protokoll einer vorausgegangenen Anhörung nicht vorlag. Wir behalten uns vor, in der Frage der durchgepeitschten Beschlussfassung über die Musterfeststellungsklage in gleicher Weise zu verfahren. Eine Beschlussfassung kann frühestens in einigen Wochen erfolgen, vorzugsweise nach der Sommerpause. Die Position der AfD zur Musterfeststellungsklage im Prinzip ist, wie gesagt, grundsätzlich positiv. Wir bestehen aber auf einer Reihe von Korrekturen, die ich hier kurz zitieren darf, auch in Anlehnung an die Ergebnisse der Anhörung von Montag dieser Woche. Erstens. Die Anmeldeverfahren müssen vereinfacht werden. Eine juristisch unzulängliche Formulierung der Streitsache durch den klagenden Bürger darf nicht zum Ausschluss aus dem Verfahren führen. Es erscheint uns auch nicht erforderlich, dass die Sachstandsbeschreibungen jedes einzelnen Teilnehmers in das Verfahren eingebracht werden. Die Identitätsfeststellung des klagenden Bürgers sollte, wie von den Verbraucherverbänden vorgeschlagen, ausreichen; die individuellen Sachstandsbeschreibungen aber sollten beim klagenden Verband verbleiben. Zweitens. Die Mindestzahl der in einem Verfahren zusammengefassten Klagen sollte nicht 50, sondern höchstens 20 betragen. Je größer die geforderte Mindestanzahl von Teilnehmern, desto stärker dürfte die Sachlage in den einzelnen Fällen differieren und desto eher wird den Beklagten die Möglichkeit gegeben – wegen dieser Unterschiedlichkeit –, die Anwendbarkeit des Feststellungsbeschlusses zu bestreiten. Drittens. Auch kleine und mittlere Unternehmen sollten klagebefugt sein. Der Verbraucherbegriff im Gesetz sollte daher an den der ZPO angeglichen werden. Viertens. Die Zahl der Feststellungsbefunde sollte im Verfahren begrenzt werden, um die Folgeverfahren zu erleichtern. Ein Zwang etwa zur Abarbeitung aller Prospektaussagen sollte nicht bestehen, um einen Abschluss der Verfahren in angemessener Zeit zu ermöglichen. Fünftens. Das Hauptproblem – das ist der Kern der Sache – ist das Fehlen eines konkreten Anspruchs am Ende des Verfahrens. Dafür muss eine Lösung gefunden werden, zum Beispiel die Abtretung von Ansprüchen an klagende Vereine. Sechstens. Es muss sichergestellt sein, dass bei der Durchführung der Kollektivklage die Gesamtdauer des Verfahrens einschließlich des Folgeverfahrens nicht wesentlich länger ist als bei Individualklagen. Wir gehen nun davon aus, dass der Gesetzentwurf aufgrund der besagten Mängel noch nicht ausgereift ist und daher vom Hohen Haus heute abgelehnt werden wird. In diesem Falle werden wir unmittelbar danach einen sorgfältig ausgearbeiteten eigenen Entwurf zur Musterfeststellungsklage vorlegen, der zwar auf dem Entwurf des Bundesministeriums beruht, aber die erwähnten Mängel abstellt. Danke sehr. Jetzt hat das Wort die Kollegin Elisabeth ­Winkelmeier-Becker, CDU/CSU.
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Max Lucks BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Max
Lucks
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus den demokratischen Fraktionen! Beim Blick auf die Situation in Libyen werden wir mit einer Lage der Instabilität konfrontiert, eine Instabilität, die sich an zwei miteinander konkurrierenden Präsidenten zeigt, eine Instabilität, die sich in Wahlen äußert, die endlich Einheit schaffen sollen, aber immer wieder verschoben werden, aber vor allem eine Instabilität, die jederzeit wieder in einen Bürgerkrieg münden kann. Wenn vor dem Hintergrund dieser fragilen Lage ein politischer Prozess zu mehr Frieden bei den Vereinten Nationen stattfindet und es für mehr Stabilität und Frieden im Land und in der Region eines Waffenembargos bedarf, dann ist es richtig, dann ist es unabdingbar, dann ist es klug, dass wir uns als Bundesrepublik Deutschland unserer Verantwortung stellen. Das tun wir mit diesem Bundeswehrmandat, weil das beste Waffenembargo nicht wirkt, wenn es nicht der internationalen Kontrolle unterliegt. Wir wissen, dass die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Russland, die Türkei und Jordanien trotz der Berliner Libyen-Konferenz dazu bereit waren, am Waffenembargo der Vereinten Nationen vorbei völlig ungeniert Waffen an die jeweiligen Kriegsparteien in Libyen zu liefern. Transportflüge, der Transit über Land, mit dem Schiff über die Weltmeere – das sind die Wege, auf denen Luftabwehrsysteme dennoch in die Hände von Haftars Truppen und 120‑Millimeter-Mörsergranaten in die Lager der Zentralregierung gelangt sind. Wir, meine Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und ich – vor allen Dingen meine Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Vergangenheit –, haben genau aus diesem Grund immer verdeutlicht, dass wir die Beteiligung unserer Bundeswehr an der durch die Europäische Union geführten Operation im Mittelmeer für richtig und geboten halten. Mit dieser Marinemission leistet die Bundeswehr einen wichtigen Beitrag zur Überwachung des Waffenembargos und gegen den Ölschmuggel, um so die Finanzströme trockenzulegen. Doch meine Fraktion hat in der Vergangenheit auch immer etwas Weiteres verdeutlicht: Wenn wir eine starke, eine effektive menschenrechtsgeleitete Mission Irini haben wollen, dann müssen wir die eklatanten Schwächen an diesem Mandat ausräumen, und das hat die Bundesregierung getan, liebe Kolleginnen und Kollegen. – Ja, Frau Widmann-Mauz, Sie haben ja gerade Ihre Utopie von der menschenrechtsgeleiteten libyschen Küstenwache geschildert. Ich verweise auf die Berichte von Amnesty International: systematische Folter, sexualisierte Gewalt und Zwangsarbeit. All diese Menschenrechtsverletzungen hat Amnesty International in diesem Zusammenhang dokumentiert. Realität war, dass die Mandate der letzten Jahre genau diese Ausbildung der libyschen Küstenwache nicht ausgeschlossen haben. Das war von Anfang an falsch und ein Armutszeugnis für europäische Menschenrechtspolitik. Mit dem vorliegenden Bundeswehrmandat wird dem endlich ein Ende gesetzt. Liebe Frau Außenministerin Baerbock, liebe Frau Verteidigungsministerin Lambrecht, dafür bedanke ich mich bei Ihnen. Frau Widmann-Mauz, ich habe es Ihnen gerade noch mal rausgesucht. Die Bundesregierung bekennt sich in diesem Mandat endlich eindeutig zur Seenotrettung; denn da heißt es: Für alle im Rahmen von EUNAVFOR MED IRINI eingesetzten seegehenden Einheiten gilt die völkerrechtliche Verpflichtung zur Hilfeleistung für in Seenot geratene Personen. Punkt! Es gab auch Zeiten in diesem Land, als dies nicht selbstverständlich war, liebe Kolleginnen und Kollegen. Alle Irini-Mandate zuvor verschlossen vor dieser Frage die Augen und duckten sich vor rechten Stimmen in Europa. Das haben wir nun geändert. Wo dieses neue, überarbeitete Mandat einen Unterschied macht, liebe Kolleginnen und Kollegen, das sehen wir, wenn wir das Mandat aus dem letzten Jahr hinzuziehen; denn da heißt es noch – das ist ja ganz spannend –: Darüber hinaus kann ein Mitgliedstaat veranlassen, dass der Operationskommandeur die Schiffe aus einem Teilbereich für maximal acht Tage zurückzieht und das PSK über einen sogenannten migrationsbezogenen „Pull Faktor“ entscheiden muss. Das ist vorbei. Die Mandate der letzten Jahre, liebe Kolleginnen und Kollegen, krallten sich an dem Mythos „Pull-Faktor“ fest, dieses nicht. Die Zeiten haben sich geändert. Dieses Mandat vereinbart Außenpolitik für Frieden und Stabilität in der Region nun endlich mit einer Außenpolitik im Sinne der Menschenrechte. Deshalb ist es jetzt ein richtiges Mandat, und ich werbe um breite Unterstützung dafür aus diesem Haus. Danke. Joachim Wundrak hat das Wort für die AfD-Fraktion.
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Martin Patzelt CDU/CSU
Martin
Patzelt
CDU/CSU
Danke schön, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zwei Dinge vorab sagen, weil ich weiß, dass meine Redezeit sehr knapp wird. Sie sind mir so wichtig, weil sie in der Debatte deutlich geworden sind. Erstens. Ich fühle mich heute so wohl und zu Hause hier und in Deutschland. Das, was die meisten von Ihnen gesagt haben, spricht mir aus dem Herzen. Das zeigt die große Verantwortung, die wir hier gemeinsam zu einem historischen Zeitpunkt übernehmen und die uns ein Stückchen adelt. Auf dem Weg müssen wir weitergehen. Zweitens. Herr Braun, Sie haben in einer Bemerkung gesagt: Scheinregierung der Kanzlerin. Diese Bemerkung macht deutlich, was schlimmer ist als das Coronavirus: dass man mit Halbwahrheiten, Unterstellungen und Diffamierung in keiner Weise für den Fortschritt, für die Zukunft unseres Landes wirbt. Wenn es eine Scheindemokratie wäre, säßen Sie nicht hier. Herr Kollege Patzelt, gestatten Sie dem Kollegen Braun eine Zwischenfrage? Ja, es geht nicht von meiner Redezeit ab. – Bitte, Herr Braun. Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Patzelt, ich schätze Sie menschlich sehr. Ich bitte Sie, doch zur Kenntnis zu nehmen, dass ich vielerlei Kritik an der Bundeskanzlerin Angela Merkel und auch vielerlei Kritik an der Bundesregierung habe, dass ich aber nicht von einer „Scheinregierung“ gesprochen habe. Das müssen Sie falsch gehört haben. Wir beide werden das mit dem Protokoll vergleichen, und ich werde das gegebenenfalls gerne zurücknehmen. Ich habe aber öfter den Eindruck, dass durch solche Unterstellungen genau das in unserem Volk untergraben wird, was wir am dringendsten brauchen: Vertrauen. Verschiedene Redner haben gesagt, dass insbesondere in dieser Krisensituation das Vertrauen der Menschen das Allerwichtigste ist. Wer die Ängste und die Wut der Menschen befördert, der schafft nicht Zukunft für unser Land, der schafft nicht Zukunft für unsere Welt. Ich fahre mit dem fort, was ich vorbereitet habe. Das sind die Zahlen von heute Morgen: Wir haben 303 000 Tote auf dieser Welt zu beklagen. Wir haben 4,5 Millionen Infizierte. Von denen sind 1,6 Millionen wieder genesen. Das ist der aktuelle Stand von heute Morgen. Am 12. März dieses Jahres hat die WHO den Covid-19-Ausbruch zur Pandemie erklärt. Die globale Ausbreitung dieses Virus auf der Welt provoziert den Vergleich, wie denn mit der Pandemie in den unterschiedlichen Ländern und in unterschiedlichsten Herrschaftssystemen umgegangen wird. Ein solcher Vergleich ist wichtig und hilfreich. Nicht, damit man zum Resultat kommt: Wir sind die Besseren; wir haben alles gut gemacht. – Wir haben es bisher in Deutschland verantwortungsvoll und gut gemacht. Aber das hängt mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen, unterschiedlichen historischen Situationen und unterschiedlichen Abhängigkeiten zusammen. Aber wir wollen die besten Erkenntnisse aus den unterschiedlichen Ländern zu den Maßgaben für unser Handeln machen. Eine permanente kritische Betrachtung dessen, was in unserem Land und auf der Welt vorgeht, ist das Beste, was wir tun können; denn wir sind ein lernendes System, und wir müssen gerade in Krisensituationen ein lernendes System bleiben. Die Einschätzungen der Ausbreitung von Covid-19 lagen in vielen Ländern weit auseinander. Es gab ein schnelles und konsequentes Handeln mit den entsprechenden Maßnahmen. Es gab aber auch Repressionen, Vertuschung der Infizierungsfälle. Es gab Gewalt gegen Menschen. Es gab das Wegsperren von Menschen und die Unterdrückung der Pressefreiheit; das alles haben wir heute gehört. Die Gefahr der Ansteckung und der rasanten Verbreitung dieser neuen Krankheit wurde auch massiv unterschätzt. Der Staatsführung war die Kontrolle der öffentlichen Meinung in bestimmten Ländern prioritär. Zwangsmaßnahmen wie die Sperrung ganzer Städte mit rigider Isolation der Menschen gehören zu eindämmenden Maßnahmen genauso wie die sogenannte Health-Code-App, in der die Bürger in China ihre Gesundheitsdaten eingeben müssen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Funktionalisierung des Menschen, wenn er eine Ampel bei sich trägt, die auf Grün, Gelb oder Rot schaltet aufgrund der Daten, die er eingeben muss, und wenn anhand dieser Daten dann seine Rechte als Mensch in einer Weise beschnitten werden, dass er nur noch ein funktionierendes Wesen ist, ohne die gleiche Würde und die gleichen Rechte zu haben. China hat von Anfang an eine Informationssperre verhängt. Es hat ein Labor geschlossen. Es hat die Laboruntersuchungsergebnisse unter Verschluss genommen oder vernichten lassen. China hat einen Arzt, der frühzeitig auf die Ansteckungsgefahr hingewiesen hat, mundtot gemacht; er ist dann leider noch verstorben. Das zeigt, welche Gewalt ein Staatsapparat hat, wenn er sie sich nimmt und wenn er nicht demokratisch kontrolliert wird. Das ist bei uns – Gott sei Dank – anders. Vergleichen wir das mit der Situation im Iran. Im Iran gab es 112 725 Infizierte und 6 783 Todesfälle. Schon im März 2020 gehörte der Iran neben China, Südkorea und Italien zu den am stärksten betroffenen Staaten. Wie ist er mit dieser Situation umgegangen? Engpässe vor allen Dingen bei Medikamenten, Hunger und Nahrungsmangel lassen wütende Menschen auf die Straßen gehen. Gefangene brechen aus den Gefängnissen aus, weil sie sich vor einer Ansteckung fürchten, weil die Verhältnisse dort unzumutbar sind. Sie werden eingefangen und erschossen, ohne Gerichtsurteil, ohne irgendeine Verhandlung oder eine Diskussion. Das einzelne Menschenleben zählt auch in dieser Krise nicht. Der Machterhalt einer Regierung – hier der Mullah-Regierung – hat Priorität. Dagegen Taiwan, auch in Südostasien, mein Beobachtungsgebiet: Das Land hat bis heute nur knapp zwei Erkrankte pro 1 000 Einwohner. Es hat insgesamt sieben Todesfälle zu verzeichnen. Von 440 Infizierten sind 375 Menschen bereits genesen. Wie kann das sein? Durch die geografische Nähe zu China und durch die hohe Zahl von Pendlern – 1,5 Millionen arbeiten in China – hatte man eigentlich erwartet, dass sich die Pandemie auch in Taiwan sehr schnell ausbreitet. Dafür hat es jedenfalls die besten Voraussetzungen gegeben. Es gab in Taiwan keine Ausgangsbeschränkung. Universitäten, Schulen, Restaurants, Geschäfte und selbst Fitnessstudios blieben offen. Aber seit Beginn der Krise im Januar wurde intensiv getestet. Aus der SARS-Epidemie 2003/04 gelernt, hat sich das Land auf zukünftige Epidemien eingestellt. Systematische Katastrophenpläne lagen vor. Eine institutionelle Struktur von Gesundheitsämtern wurde errichtet. Bereits Mitte Januar machten zwei Virologen, die in Wuhan waren und nach Taiwan zurückkamen, die WHO aufmerksam, dass das Virus von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Die taiwanische Regierung hat zusammen mit den Menschen alles getan, um die kleinen Brandherde – so wie wir es jetzt in Deutschland versuchen wollen – zu entdecken, zu definieren und die Beschränkungen zielgenau vorzunehmen. Am 25. Januar schloss Taiwan dann seine Grenzen für Besucher aus der Volksrepublik China, Hongkong und Macau. Gleichzeitig erarbeiteten die Behörden eine Datenbank, die die Informationen der Gesundheitsbehörde mit denen der Einwanderungs- und Zollbehörden zusammenfasste. So konnte man die Reiserouten, Kontaktwege und Krankheitssymptome jedes einzelnen Einreisenden verfolgen und zu einem sehr frühen Zeitpunkt durch strafbewehrte Quarantänemaßnahmen für Personen mit Ansteckungsverdacht die Infektionsketten frühzeitig unterbrechen. Eine umfassende und transparente Berichterstattung sorgte dafür, dass die Bevölkerung den Aufforderungen der Regierung nachkam, sie ernst genommen hat, auch ohne offiziellen Lockdown ihre Alltagsaktivitäten beschränkte. Der wirtschaftliche Schaden ist in diesem Land bisher bedeutend geringer als in den anderen südostasiatischen Staaten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, immer wieder muss betont werden: Nur der Schutz der Freiheit kann uns retten, auch in einer solchen Epidemie. Das klingt erst mal widersinnig, und manche waren der Verlockung ausgesetzt, den Diktaturen mit ihren rigiden Maßnahmen zu folgen, und sagten: Das hat die größere Wirkung. – Wir beobachten das weiter sehr interessiert. Ich glaube, die Freiheit des Denkens, der Wissenschaft, der Bewegung, der wirtschaftlichen Betätigung, die Freiheit der Medien, die Freiheit zum politischen Diskus und auch zu Demonstrationen ebenso die Freiheit der Diskussion über Tod und Leben in einer Form und Weise, die nicht diffamiert, die nicht unterstellt, die nicht populistisch ist, die nicht ihre eigenen Ziele und Absichten sucht, ein offener Diskurs, das hilft uns allen weiter. Die Bewältigung der Bedrohung durch Covid-19 zeigt auf, wie gefährlich das Zurückhalten von relevanten Informationen oder deren Manipulation ist. Herr Kollege. Ja. Jetzt bin ich so weit. Sie haben es geahnt, nicht? Ja. Ich sage noch meinen Schlusssatz; der ist mir wichtig. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir schauen immer viel auf unsere Regierung. Wir schauen viel auf die Medien. Wir alle sitzen hier zusammen. Wir alle haben Einfluss. Wir alle geben durch unser persönliches Zeugnis Anlass zum Nachdenken, und das sollten wir überall, wo wir auftreten, tun. Gegen alle Mythen, gegen alle Halbwahrheiten – Halbwahrheiten sind die schlimmsten Lügen –, gegen alle Verdächtigungen sollten wir offen, sachlich und transparent eintreten. Ich glaube, dann werden wir die Krise auch in Deutschland bewältigen. Ich wollte noch sagen: Wir sitzen alle in einem Boot, und die Krise macht deutlich: Ökologisch und wirtschaftlich – denken wir das mal nur alles weiter – kommen wir nicht mehr umhin, global zu denken und zu fühlen. Wer das nicht tut, dem ist nicht zu helfen. Nächster Redner ist der Kollege Peter Heidt, FDP.
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Albrecht Glaser AfD
Albrecht
Glaser
AfD
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz. Mit diesem Artikelgesetz sollen Änderungen an zahlreichen Gesetzen vorgenommen werden, alle mit dem Ziel, die Erstattung von Abzugsteuern zu regeln. Abzugsteuern sind Steuern, die an der Einkunftsquelle einbehalten werden. Das ist beispielsweise der Fall bei Dividenden, bei denen das auszahlende Unternehmen die Kapitalertragsteuer einbehält und direkt an den Fiskus abführt. Deutschland hat mit zahlreichen Ländern Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen, die regeln, dass beispielsweise der ausländische Wohnsitzstaat des Dividendenempfängers das Anrecht auf Besteuerung hat und insofern Deutschland kein Besteuerungsrecht mehr hat. In diesem Fall darf der Empfänger einer Dividende abgeführte Kapitalertragsteuer zurückfordern. In der Vergangenheit haben sich Banken und Großanleger durch Ausnutzung von Verfahrensmängeln und Gesetzeslücken die Kapitalertragsteuer zu Unrecht erstatten lassen. Diese Betrügereien sind als Cum/Ex-Geschäfte bekannt geworden und haben den deutschen Staat um zweistellige Milliardenbeträge geschädigt. Erste Warnungen gab es bereits 1992. Wirklich aufgedeckt aber wurde dieser Steuerbetrug erst nach und nach ab dem Jahr 2010. Die politische Befassung mit dem Problem erfolgte erst 2016/2017 im Rahmen eines Untersuchungsausschusses. Die rechtliche Aufarbeitung dauert bis heute an. Der Finanzminister ist vor einigen Tagen selbst als Zeuge in einem Verfahren der Hamburger Variante des Cum/Ex-Geschäftes vernommen worden. Aber nicht nur der gegenwärtige Finanzminister, nein, auch die anderen Finanzminister der Merkel-Regierung, Peer Steinbrück und Wolfgang Schäuble, haben diesen Steuerbetrug nicht wirksam bekämpft. Dieser Gesetzentwurf soll es nun richten. Trotz der nun sehr langen Arbeit von vielen Jahren ist der heute vorgelegte Entwurf leider nicht ausgereift; das zeigen schon die 26 Änderungsanträge der Koalition zum eigenen Gesetzentwurf. Die Sachverständigen, die sich im Rahmen der öffentlichen Anhörung äußerten, waren ebenfalls enttäuscht. Von einer „Reform aufs Geratewohl“ war die Rede. Besonders stechen Haftungsanforderungen ins Auge – es war gerade die Rede davon, wenn auch mit anderer Prononcierung –, bei denen Banken für Angaben von Dritten einstehen sollen, selbst wenn sie kein Verschulden trifft oder sie die Informationen auf legalem Wege gar nicht beschaffen können. Von einigen Sachverständigen wurde diese Regelung als verfassungswidrig angesehen. Es spricht vieles dafür, dass das auch so ist. Auch die neu eingeführte Verpflichtung von Aktiengesellschaften, vor jeder Hauptversammlung die Identität aller Aktionäre festzustellen – bei einem Unternehmen wie Siemens sind das etwa 850 000 –, ist für die Beteiligten unzumutbar, und – was viel entscheidender ist – es bringt überhaupt keinen Nutzen, um das Problem, um das es geht, zu lösen. Hier gilt leider also erneut, meine sehr verehrten Damen und Herren: schlechtes Handwerk und maximale Schikane für die Steuerpflichtigen. Bei so viel Schatten gibt es auch Licht: Die Übertragung der Zuständigkeit und damit Zentralisierung des Erstattungsverfahrens an das Bundeszentralamt für Steuern begrüßen wir ebenso wie die Digitalisierung der Antragsbearbeitung, die leider erst ab 2024 zu erwarten ist. Insgesamt werden wir uns enthalten, obwohl wir einer qualitätsvollen Legislation sehr gerne zugestimmt hätten. Die hastig eingereichten Änderungs- und Entschließungsanträge der Grünen fügen den Mängeln des Gesetzentwurfs noch weitere Mängel hinzu. Die FDP stellt ganz andere Themen ins Schaufenster, die mit dem Gesetzentwurf nichts zu tun haben. Aber auch das ist business as usual. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Kollege Glaser. – Der nächste Redner: für die CDU/CSU-Fraktion der Abgeordnete Fritz Güntzler.
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Michael Brand CDU/CSU
Michael
Brand
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tragt Chinas Stimme überall hin. Man muss dem Westen die globale Diskursmacht streitig machen. So zitiert Kai Strittmatter, einer der besten China-Kenner Deutschlands, der aus Peking berichtet, den Chef der Kommunistischen Partei Xi Jinping. Das tut er in dem gerade neu erschienenen Werk „Die Neuerfindung der Diktatur – Wie China den digitalen Überwachungsstaat aufbaut und uns damit herausfordert“. Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau darum geht es: Die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang haben etwas mit uns hier zu tun, und sie fordern uns hier. Sie fordern uns deswegen hier, weil wir kapieren müssen, dass es China nicht allein um wirtschaftliche Dominanz geht, sondern um eine Herausforderung des freiheitlichen westlichen Systems. Mit neuen Abhängigkeiten versucht China, Länder gefügig zu machen, um auch auf internationaler Ebene und bei internationalen Organisationen kritische Stimmen verstummen zu lassen. Die EU braucht auch eine Strategie beim Thema „Neue Seidenstraße“, vor allem wegen ihrer langfristigen wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen auf Europa. China macht mit neuen und verfeinerten Methoden im eigenen Land Repression im Jahr 2018 zu einer Negativ-Perfektion. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist unerschrockenen Menschenrechtsaktivisten zu verdanken oder NGOs, wie zum Beispiel der Gesellschaft für bedrohte Völker, der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder Human Rights Watch, dass die Welt überhaupt von der Existenz der Internierungslager in der Provinz Xinjiang in China erfahren hat. Mehr als 1 Million Uiguren – Frau Bause hat es angesprochen – werden dort interniert. Die Zahl wird noch einmal bedrückender, wenn man sie herunterbricht. In dieser Provinz Chinas leben 10 Millionen Uiguren. Über 1 Million – vielleicht sind es 1,3 Millionen – sind interniert, das heißt, ungefähr 10 Prozent der Uiguren. Auf Deutschland übertragen wären das 8,2 Millionen Menschen, die interniert wären. Das entspricht der Größe von Niedersachsen – damit man eine Dimension von dem hat, was dort passiert. Menschen werden dort ohne richterlichen Beschluss hinter Mauern und Stacheldraht festgehalten, in Lagerkleidung und von Bewaffneten beaufsichtigt. Wir haben gestern, Frau Kollegin Bause, gemeinsam mit Aktivisten, mit Uiguren gesprochen, die uns berichtet haben von Willkür, Isolation, Trennung von Familien. Künstliche Intelligenz wird eingesetzt. Diese Lager – das kann man auch sagen – sind zu Versuchslabors der chinesischen Hightechindustrie geworden. In den Lagern gibt es Überwachung 24 Stunden lang, bei Träumen wird geweckt und diejenigen werden zur Rede gestellt, um festzustellen, ob die Gehirnwäsche denn wirklich funktioniert hat. Häuser außerhalb werden mit QR-Codes ausgestattet, damit Sicherheitskräfte die Informationen, die gesammelt wurden, sofort auf einen Blick bekommen. Das ist die Perfektion des brutalen Überwachungs- und Kontrollstaates. Wenn man sich anschaut, dass die chinesische Führung erst vor kurzem die Existenz nicht mehr leugnen konnte, ist die heutige Antwort der Offiziellen umso perfider und zynisch. Man gesteht ein, es gibt solche Orte, aber die, die dort interniert sind, sind „Nutznießer“ eines angeblich „kostenlosen Berufsbildungsprogramms“. Dank des „Fortbildungsprogramms“ seien die „Auszubildenden nun in der Lage, ihre Fehler zu erkennen“. Wer anderes behauptet, betreibt angeblich Propaganda; es seien nur Missverständnisse, oder man würde eine antichinesische Agenda verfolgen. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung gibt es brutale Repression und Menschenrechtsverletzungen. Im Übrigen: Schon der Kontakt zu Freunden und Verwandten im Ausland oder regelmäßiges Beten reichen aus, um interniert zu werden. Der lokale Regierungschef ist so weit gegangen, die Lager als Maßnahme „zum Schutz der Menschenrechte“ zu bezeichnen. Ja, es ist so: Das Schweigen des Westens ist angesichts ernstzunehmender Berichte über Umerziehungs- und Zwangsarbeitslager sowie über Organhandel und den Tod auf Bestellung ziemlich laut. Das Schweigen ist ziemlich laut! Wahr ist auch: Deutschland gehört zu den wenigen Ländern in der Europäischen Union, die offen Kritik äußern. Aber ich will schon sagen: Das wird nicht reichen. Das wird im Übrigen auch nicht vor dem UN-Menschenrechtsrat reichen. Ich begrüße, was die Bundesregierung dort vor zwei Tagen vorgetragen hat; man hat ja für dieses Statement nur eine Minute Zeit. Aber, ich glaube, wir müssen neue Zeiten im Umgang mit China einläuten, nämlich deswegen, weil ein Menschenrechtsdialog, den wir ja nur mit China führen, seit über einem Jahr überhaupt nicht stattfindet. Dass er jetzt im Dezember stattfinden soll, finde ich prima. Aber ein Menschenrechtsdialog darf nun wirklich nicht zu einem Feigenblatt werden; denn bislang wird in den letzten Jahren Kritik zwar geäußert, aber es gibt keine Konsequenzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Dialog ohne echte Konsequenzen ist wirkungslos. Wenn die stille Diplomatie im Falle Chinas angeblich so zielführend ist, dann muss man schon die Frage stellen, warum eigentlich die Menschenrechtslage in China immer dramatischer wird. Deswegen will ich abschließend sagen: Wir und auch ich beurteilen diesen Antrag der Grünen, der mit vielen Fakten und viel Empathie verfasst worden ist, als einen guten Antrag. Ich will ausdrücklich anbieten – wir als CDU/CSU haben im Menschenrechtsausschuss unser Schwerpunktthema für das nächste Halbjahr festgelegt: „Religionsfreiheit: Die Menschenrechtslage religiöser Minderheiten in China“; der Religionsbeauftragte der Bundesregierung ist bei der Debatte heute auch dabei –, vielleicht einen fraktionsübergreifenden Antrag zu formulieren. Herr Kollege. Ich glaube, wir müssen neben der dramatischen Lage der Uiguren auch die Lage der Tibeter, der Kasachen, der Mongolen, weiterer Turkvölker und die religiösen Minderheiten, also die Buddhisten, die Muslime, die Christen, einbeziehen. Ich will schließen mit dem Zitat einer Wissenschaftlerin, die mir heute zu dieser Debatte gemailt hat. Sie ist deutsche Staatsbürgerin, keine Uigurin, die sich mit China beschäftigt und aus Angst ihren Namen nicht veröffentlicht wissen will. Das können Sie gerne tun, Sie sprechen aber inzwischen auf Kosten der Redezeit Ihrer Kollegen. Sie schrieb – das ist mein letzter Satz –: „Wer sein Gesicht nicht verlieren möchte, soll auch keinen Anlass zu Gesichtsverlust geben.“ Vielen Dank. Das Wort hat der Abgeordnete Jürgen Braun für die AfD-Fraktion.
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Sven Lehmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sven
Lehmann
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worüber wir heute diskutieren, darüber wird auf deutschen Bühnen gelacht. Der Kölner Comedian Markus Barth erzählt in seinen Shows gerne die folgende Geschichte: Ein schwuler Mann lebt mit seinem Partner in monogamer Ehe. Er geht zum Arzt, um Blut zu spenden. Der Arzt fragt ihn: Haben Sie auch ein Jahr auf Sex verzichtet? Denn sonst werden Sie hier leider nicht zugelassen. – Und das Publikum biegt sich vor Lachen über diese absurd-komische Geschichte. Das Ding ist nur: Es ist halt keine Geschichte. Es ist Realität in Deutschland im Jahr 2020, und es ist, ehrlich gesagt, auch nicht lustig. Es ist medizinisch unbegründet, es ist diskriminierend, und deswegen darf es auch so nicht bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ein Jahr lang kein Sex oder du bist raus. Damit wird einer Gruppe – doch, es geht um Gruppen – von Menschen deutlich signalisiert, dass ihre Blutspende eigentlich nicht erwünscht ist und dass diese Menschen, völlig egal, wie sie leben, pauschal eine potenzielle Gefahr darstellen. Bei heterosexuellen Menschen wird aber erst einmal angenommen, dass ihre Spende sicher ist. Da hofft man, dass die alten Bilder aus den 80er-Jahren endlich aus den Köpfen sind, und dann zeigt sich, sie finden sich sogar immer noch in den Richtlinien der Bundesärztekammer wieder. Die wird sich ganz sicher nicht von allein bewegen. Der Bundestag als Gesetzgeber muss hier aktiv werden. Obwohl händeringend Blutspenderinnen und Blutspender gesucht werden, konnte sich der Bundestag bisher nicht dazu durchringen, diese absurden Ausschlüsse zu kippen. Natürlich hat Sicherheit bei der Blutspende oberste Priorität. Aber dabei muss das individuelle Risikoverhalten – das haben alle Vorrednerinnen und Vorredner gesagt – entscheidend sein und nicht die Frage, ob jemand lesbisch, schwul, bisexuell, trans – oder intergeschlechtlich oder einfach heterosexuell ist. Wer Blut spendet, übernimmt Verantwortung für die Gesellschaft. Das müssen wir doch ermöglichen und fördern, anstatt es pauschal abzuweisen. Gestern aber hat Jens Spahn als Bundesgesundheitsminister noch einmal klargemacht, dass er an dieser Diskriminierung festhalten will. Das ist nicht nur enttäuschend, es ist auch überraschend; denn es ist der Gesundheitsminister, der noch vor Kurzem wollte, dass alle Menschen automatisch Organspender sind. Schwule Organe sind also offenbar erwünscht, schwules Blut aber nicht. Das zeigt die gesamte Willkür, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir Grüne fordern erstens: Die Bundesärztekammer soll einmal im Jahr überprüfen, ob der Ausschluss von bestimmten Personengruppen von der Blutspende wissenschaftlich noch begründet ist. Wir fordern zweitens ein Verbot direkter oder indirekter Diskriminierung im Transfusionsgesetz. Es kann doch nicht allen Ernstes sein, dass ausgerechnet Ungarn mit Viktor Orban in dieser Frage weiter ist als Deutschland. Lassen Sie uns bitte dieses leidige Thema in dieser Legislaturperiode endlich gemeinsam abräumen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Sven Lehmann. – Nächste Rednerin: Emmi Zeulner für die CDU/CSU-Fraktion.
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Martin Hess AfD
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Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kollegen! Drei Tage lang konnten Linksextremisten in Leipzig-Connewitz ihre Gewaltexzesse zelebrieren. Drei Tage lang beschädigten sie Gebäude mit Steinen und Brandsätzen, lockten Polizeibeamte in Hinterhalte und bewarfen sie mit Flaschen und Steinen. 20 Beamte wurden dabei verletzt. Für dieses Wochenende erwarten die Behörden weitere Ausschreitungen. Die Verantwortlichen sind nicht in der Lage, diesen mehrtägigen linken Gewaltexzessen Einhalt zu gebieten. Das ist eines Rechtsstaates unwürdig. Dabei ist schon lange bekannt, dass Leipzig ein enormes Linksextremismusproblem hat. In Connewitz greifen Linksextremisten regelmäßig Polizisten an und verwüsten den Polizeiposten. Sie verüben Brandanschläge und sind sogar in die Privatwohnung einer Immobilienmanagerin eingedrungen, um die Frau anzugreifen. Seit 2014 Woche für Woche linksextremistische Gewalttaten und keine wirksame Gegenreaktion des Staates! Das ist staatliches Totalversagen, und die AfD ist nicht bereit, das weiter hinzunehmen. Die Eskalationen finden ja nicht nur in Sachsen statt. In Stuttgart haben Linksextremisten einen Mordanschlag auf einen Coronademonstranten verübt. Erst nach Monaten ist der Mann mit bleibenden Schäden aus dem Koma erwacht. Der Verfassungsschutz Baden-Württemberg sieht in solchen gezielten Attacken eine neue Qualität linker Gewalt. Laut Bundesamt für Verfassungsschutz sind ähnliche „Radikalisierungstendenzen“ in der linken Szene „bundesweit erkennbar“. In Leipzig besteht durchaus – ich zitiere hier das BfV – „die Gefahr der Herausbildung terroristischer Strukturen“. Diese Entwicklung ist verheerend für unsere Demokratie, für unsere Polizisten, die das Hauptziel linksextremistischer Attacken darstellen, aber auch für jeden Bürger in unserem Land. Deshalb müssen wir jetzt endlich entschlossen handeln und den Linksextremismus in unserem Lande stoppen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Linksextremismus im ganzen Land zu Linksterrorismus wird. Aber die Fraktionen in diesem Hause tun genau das Gegenteil. SPD-Chefin Esken macht sich auf Twitter offen mit der gewalttätigen Antifa gemein. Renate Künast von den Grünen fordert im Bundestag für diese Gewalttäter sogar „eine verlässliche Finanzierung“. Die Linkspartei unterstützt linksextreme Strukturen in Leipzig. Ihre parteinahe Stiftung fördert einen Jugendkongress der Antifa, und ihre Parteijugend verteilt zu den Ausschreitungen in Leipzig Flyer, auf denen steht: „Advent, Advent … ein Bulle brennt!“. Diese menschenverachtende Hetze ist eine Schande. Sie sind Feinde unserer Polizei. Sie sind Feinde unserer Demokratie, und Sie gehören nicht in dieses Parlament. Sehr geehrte Damen und Herren von der Union, Sie haben in Mecklenburg-Vorpommern eine Linksextremistin zur Verfassungsrichterin gemacht, und in Thüringen haben Sie der Rechtsnachfolgerin der Mauermörderpartei sogar mit demokratisch fragwürdigen Mitteln an die Regierung verholfen. Das zeigt jedem Bürger ganz klar: Selbst die Union unterstützt Linksextremisten, wenn es ihr opportun erscheint und ihrem eigenen Vorteil dient. Konrad Adenauer dreht sich im Grabe um! Die Polizisten, die tagtäglich Ihr Politikversagen ausbaden müssen, sind gezwungen, sich aus diesem Hohen Haus ständig völlig halt- und substanzlose Rassismusvorwürfe anzuhören. Glauben Sie mir: Das wird kein Polizist vergessen. Schenken Sie sich Ihre heuchlerische Symbolpolitik wie am gestrigen Tage. Schöne Worte haben die Kollegen genug gehört. Was die Kollegen brauchen, ist ein klares Bekenntnis zu klaren Taten, die auch Wirkung zeigen, Taten, die Linksextremismus endlich wirksam bekämpfen. Genau dazu dient unser Antrag. Deeskalation ist bei gewalttätigen Extremisten völlig fehl am Platz. Wir brauchen endlich bundesweit eine klare Null-Toleranz-Vorgabe an alle Sicherheitskräfte. Gewaltexzesse wie in Leipzig sind mit robustem Zwangsmitteleinsatz schnell und konsequent zu beenden. Schluss mit dem Kuschelkurs gegenüber Linksextremisten. Wir müssen linke No-go-Areas auflösen. Alle besetzten Häuser sind unverzüglich zu räumen und Ausweichbewegungen zu unterbinden. Wir dürfen nicht länger zulassen, dass Linksextremisten mit staatlichen Geldern finanziert werden, sondern müssen diesen Sumpf trockenlegen. Es muss endlich Schluss sein mit der Schieflage bei der Extremismusbekämpfung. Dieser Staat, verehrte Kollegen, steht am Scheideweg: Wird er weiter zulassen, dass sich Linksextremisten nahezu ungehindert ausbreiten und unsere Demokratie zerstören, oder schafft er es, diese Staatsfeinde endlich ein für alle Mal in ihre Schranken zu weisen? Wählen Sie den zweiten, wählen Sie den demokratischen Weg! Stimmen Sie unserem Antrag zu. Das Wort hat der Kollege Christoph Bernstiel für die CDU/CSU-Fraktion.
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Marc Henrichmann CDU/CSU
Marc
Henrichmann
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es gibt die großen und die kleinen Räder bei der inneren Sicherheit, die man drehen kann, um die Lage im Land besser und sicherer zu machen. Wir haben in den letzten Tagen und Wochen hier über viele Themen debattiert. Mir ist wichtig: Wir drehen jeden Stein um, wenn es darum geht, das Land und die Sicherheitslage im Land weiter zu verbessern. Wir haben in den letzten Tagen viel über die großen Räder debattiert: über den Rechtsextremismus in Halle und Hanau, über islamistische Gefahren, gestern noch über die Grauen Wölfe, auch über linksterroristische Krawalle in Hamburg, Berlin oder Leipzig. Wir kämpfen auch weiterhin für eine gute und vor allem zeitgemäße Ausstattung unserer Sicherheitsbehörden. Dazu gehört es, alle Phänomene von Kriminalität und Unsicherheit in den Blick zu nehmen und auch nicht abzuwägen. Es gibt für uns keine gute und keine schlechte Gewalt, und ein starker Rechtsstaat unterscheidet auch nicht zwischen höheren und niederen Zwecken. Deswegen möchte ich ausdrücklich mit Blick auf den gestrigen Tag und die Geschehnisse hier in Berlin den vielen Polizistinnen und Polizisten Danke sagen, die uns alle rund um dieses Gebäude geschützt und beschützt haben und das sehr abgeklärt und sachlich draußen überstanden haben. Vielen Dank! Ich hoffe, dass alle gesund wieder nach Hause gekommen sind. Wenn wir uns bei den großen Rädern nicht verzetteln in irgendwelchen Misstrauensdebatten gegenüber unseren Sicherheitsbehörden, dann können wir auch die vermeintlich kleinen Räder drehen. Ein vermeintlich kleines Rad mit allerdings sehr großer Wirkung haben wir heute vor uns: den Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Vermarktung und Verwendung von Ausgangsstoffen für Explosivstoffe. Was sehr technisch klingt, hat einen sehr konkreten Hintergrund. Viele erinnern sich vielleicht noch an die Anschläge auf Kirchen in Sri Lanka Ostern 2019. Über 250 Tote waren zu beklagen. Das, was zum Bau dieser schrecklichen Bomben verwendet wurde, waren eigentlich Alltagsstoffe. Deswegen regeln wir jetzt gesetzlich die Abgabe und den Verkauf bestimmter Alltagsstoffe, wenn normale, handelsübliche Mengen überschritten werden. Es geht um Wasserstoffperoxid oder auch Salpetersäure, um allgemein bekannte und in hoher Dosierung gefährliche Stoffe. Wir haben die Transaktion bestimmter Stoffe mit einer Meldepflicht belegt. Hier sind Stoffe wie Schwefelsäure oder Ammoniumnitrat, eher als Kunstdünger bekannt, zu nennen. Auch sie können für Attentate verwendet werden. Das Gesetz enthält weiter begleitende Vorschriften zu Durchführung und Vollzug. Wir nehmen Wirtschaft, wir nehmen Verwender, aber auch Onlinemarktplätze in die Pflicht. Und wir geben den Sicherheitsbehörden und auch unserem Zoll hier ein sehr scharfes Schwert an die Hand – das machen wir nicht ohne Zweck, sondern mit Blick auf die innere Sicherheit, um die Menschen im Land zu schützen –: Testkäufe, Speicherung relevanter Vorgänge, aber auch bei dringender Gefahr das Betreten von Geschäftsräumen bis hin – bei konkreten Verdachtsmomenten – zur Durchsuchung von Wohnungen; Artikel 13 des Grundgesetzes ist berührt. Wir haben bezüglich einer entsprechenden Bandenkriminalität und entsprechender Gefahrenlagen sogar die Strafprozessordnung geändert und die Telekommunikationsüberwachung bei bandenmäßigen Taten auf die Agenda genommen. Das alles haben wir sehr geräuschlos und einvernehmlich gemacht. Mit Blick auf die Gesetzesvorhaben, die wir als Nächstes vor der Brust haben, wünsche ich mir, dass wir auch bei anderen Themen dieses Vertrauen in unsere Behörden haben. Es wird viel über innere Sicherheit geredet – viele fühlen sich dazu berufen –, wir haben aber immer noch Tausende Hinweise ausländischer Dienste, beispielsweise auf Kindesmissbrauch, die wir nicht nachverfolgen können, weil IP-Adressen schlichtweg nicht mehr vorliegen und nicht mehr so lange gespeichert werden können, wie das nötig wäre, um solche Taten zu verhindern und aufzuklären. Da müssen wir gemeinsam ran. Fazit hier: Wir haben mit einem vermeintlich kleinen Rad viel Sicherheit geschaffen und hoffentlich viel Leid von unserem Land abgewendet. Vielen Dank. Der Abgeordnete Martin Hess ist der nächste Redner für die AfD-Fraktion.
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Andreas Audretsch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Andreas
Audretsch
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit vielen Jahren setzen wir Grüne uns für eine andere, für eine bessere Handelspolitik ein, gemeinsam mit Umweltverbänden, gemeinsam mit Gewerkschaften, mit NGOs aus der Eine-Welt-Szene, mit Kämpferinnen und Kämpfern für mehr Demokratie und auch mit vielen Unternehmen, die erkannt haben, dass fairer Handel der Weg ist, um auch in Zukunft gute Geschäfte zu machen. Unser Ziel war eine andere Handelspolitik, die die großen Aufgaben unserer Zeit in den Mittelpunkt stellt, die Treiber für Klimaschutz wird, die Treiber auch für soziale Rechte wird. Genau das haben wir in der Ampel vereinbaren können und sind diesem Punkt einen großen Schritt nähergekommen. Kriterien wie das Pariser Klimaabkommen oder die ILO-Kernarbeitsnormen müssen künftig verpflichtend und vor allem auch sanktionierbar in allen Handelsabkommen verankert sein. Wer sie nicht einhält, der muss mit Konsequenzen rechnen, auch mit der Rücknahme von Handelsvorteilen. Handel darf es künftig nur noch geben, wenn es fairer Handel ist. Diesen Vorstoß, genau diese Idee von Handel, dass Öko- und Sozialstandards künftig sanktionierbar sein müssen, sieht mittlerweile auch die Europäische Kommission vor und hat dazu einen ganz konkreten Vorschlag gemacht. Mit der Einigung, die wir in der Ampel hier erzielen konnten, können wir jetzt mit aller Kraft auf die europäische Ebene gehen und dort sagen, dass wir das mit Verve vorantreiben. Das ist ein riesiger Schritt für den Handel, das ist ein riesiger Schritt für eine neue Handelspolitik auf europäischer Ebene, den wir hier gemeinsam vereinbaren konnten. Im genau gleichen Sinne haben wir auch bei CETA miteinander gesprochen, und deswegen werden wir CETA nachverhandeln. Ja, wir Grüne waren bei CETA immer kritisch; das war der Fall. Deswegen haben wir gesagt: Wenn wir jetzt losziehen und wenn wir sagen, wir würden uns bereit erklären, am Ende CETA zu ratifizieren, dann müssen wir davor die schwierigsten Punkte in Angriff nehmen. Deswegen arbeiten wir an einer rechtsverbindlichen Erklärung des Gemeinsamen Ausschusses, die die Schiedsgerichte entschärft und den Missbrauch von Investitionsschutzregeln begrenzt. Erst wenn das nachverhandelt ist, werden wir hier im Haus CETA abschließend ratifizieren. Das Engagement und den Druck der Zivilgesellschaft, mit denen wir so lange gemeinsam gearbeitet haben, werden wir weiterhin brauchen – dringend; denn es liegt noch ein großes Stück Weg vor uns. Einer der nächsten Schritte ist der Umgang mit der Reform der Energiecharta. Auch hier haben wir sehr klare Regeln und sehr klare Kriterien entwickelt und festgehalten. Investitionsschutz darf Klimaschutz künftig nicht mehr konterkarieren. Sollte das nicht gewährleistet sein, dann muss die Europäische Kommission Konsequenzen ziehen, und zwar Konsequenzen bis hin zum Austritt. Denn die Lage ist zu ernst, als dass wir Verträge aufrechterhalten könnten, die Einfallstore sind für Klagen von Konzernen gegen Klimaschutz. Das können wir uns in Zukunft schlicht und ergreifend nicht mehr leisten. Wir machen mit dieser Einigkeit in der Ampel unser Angebot an die Welt deutlich: Wir wollen mehr Handel, ja, aber basierend auf klaren Werten und Kriterien. Herr Kollege. Vielen Dank. Der Kollege Jens Spahn hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Dr.
Dr. Marco Buschmann FDP
Marco
Buschmann
FDP
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Grundanliegen der beiden Anträge, die wir hier verhandeln, teilen wir. Transparenz ist ein hohes Gut, und auch die Arbeit der Ausschüsse kann und sollte transparenter werden. Wir haben dazu eigene Vorschläge gemacht: Protokolle veröffentlichen, auch Anhörungen öffentlich durchführen. – All das halten wir für richtig. Nur hier, an dieser Stelle, gehen Sie, glauben wir, einen Schritt zu weit, wenn Sie sagen, dass grundsätzlich jede Ausschusssitzung öffentlich stattfinden soll. Denn das veränderte das Wesen der Ausschussarbeit erheblich, und unserer Auffassung nach zu ihrem Nachteil. Das möchte ich Ihnen kurz begründen. Es gibt ja unterschiedliche Formen der Transparenz. Die Öffentlichkeit, die wir hier durch Rede und Gegenrede herstellen, durch den lustvollen Streit, bei dem die großen Linien aufeinanderprallen, ist natürlich konstitutiv und unerlässlich für die Demokratie. Aber es gibt auch eine andere Form von Transparenz, eine Transparenz, die beispielsweise die Regierung gegenüber dem Parlament herstellen muss, weil wir Parlamentarier ja für den Unterschied, was Sach- und Detailkenntnisse der Exekutive, den Wissensvorsprung der Exekutive gegenüber dem Parlament, angeht, einen Ausgleich erhalten müssen. Das ist häufig eine Transparenz der Kleinteiligkeit, des Details, der detaillierten Sachkunde. Für die Schaffung dieser Transparenz, dieses Wissensausgleichs ist die Logik der Konfrontation, wie wir sie hier im Plenum haben, häufig überhaupt nicht günstig. Wenn ich die dürren, langweiligen Auskünfte, die wir hier im Plenum im Rahmen der Fragestunde oder der Regierungsbefragung bekommen, mit den Auskünften vergleiche, die wir in einer Ausschusssitzung bekommen, wenn wir da im Gespräch miteinander sind, dann muss ich sagen, dass wir dank des Klimas im Ausschuss häufig mehr Erkenntnis gewinnen und mehr Information erhalten als das, was wir hier geboten bekommen. Wenn Sie dieses Argument nicht überzeugt, dann möchte ich Ihnen ein zweites Argument nennen; das sollte insbesondere allen Oppositionsfraktionen zu denken geben. Wenn wir aus den Ausschüssen ein Aushilfsple­num machen, wenn also in den Ausschüssen demnächst all die Reden gehalten werden sollen, die hier nicht gehalten werden können, weil wir nicht genug Redezeit haben, weil die Kollegen möglicherweise nicht immer den Slot bekommen, den sie sich wünschen, was glauben Sie denn, was dann passieren wird? Wird der Ausschuss zum Aushilfsplenum, dann wird doch von den Mehrheitsfraktionen die Logik des Plenums auch auf die Ausschüsse übertragen werden. Was bedeutet das? Wir würden dann erleben – das würde gar nicht lange dauern –, dass die Mehrheitsfraktionen irgendwann auf den Gedanken kommen: Mensch, wenn wir im Plenum nach Stärkeverhältnissen der Fraktionen Redezeiten quotieren und wenn die Ausschüssen genau so funktionieren wie das Plenum, warum sollten wir dann nicht auch in den Ausschüssen die Redezeiten quotieren? Ich muss sagen: Es ist ein enormer Vorteil der Ausschussarbeit, dass Redezeiten dort nicht quotiert sind, dass dort das Frageinteresse, die Vorbereitung, die Sachkunde und auch die Qualität des Arguments dafür entscheidend sind, wer dort die Debatte prägt. Da sind nämlich die Oppositionsfraktionen meiner Meinung nach häufig im Vorteil. Deshalb würde ich uns allen empfehlen, diesen Schritt nicht zu gehen. Demgemäß stimmen wir den Anträgen in der Sache nicht zu und stimmen der Beschlussempfehlung des Ausschusses zu. Folglich empfehle ich Ihnen: Überlegen Sie sich es hier noch mal. Herzlichen Dank. Vielen Dank. – Der nächste Redner: der Kollege Friedrich Straetmanns, Fraktion Die Linke.
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Rita Hagl-Kehl SPD
Rita
Hagl-Kehl
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen für eine Ernährungswende, das heißt für eine Ernährungspolitik, die auf Gesundheit und Nachhaltigkeit setzt und die Verbraucherinnen und Verbraucher stärker unterstützt. Daher haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir bis 2023 insbesondere mit Blick auf die Kinder gemeinsam mit allen Akteuren eine Ernährungsstrategie erarbeiten, die eine gesunde klima- und umweltschonende Ernährung zum Ziel hat. Das ist uns als SPD ein Herzensanliegen; dafür haben wir schon sehr lange gekämpft. Wir haben kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Handlungsdefizit. Wissenschaftler und Ärztinnen und Ärzte, Fachverbände, Krankenkassen, Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützer fordern schon lange ein Umdenken in der Ernährungspolitik. Auch die aktuelle forsa-Umfrage zu den Folgen der Coronakrise bei Kindern hat nochmals deutlich gemacht, dass wir kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsdefizit haben und dass wir dringend eine Ernährungsstrategie brauchen. 16 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind in Zeiten von Corona dicker geworden, bei Kindern im Alter von 10 bis 12 Jahren sind es sogar 32 Prozent. Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien sind doppelt so oft von einer ungesunden Gewichtszunahme betroffen wie Kinder und Jugendliche aus eher einkommensstarken Familien. Hier ist das Verhältnis 23 zu 12 Prozent. 27 Prozent der Kinder und Jugendlichen haben angegeben, häufiger als zuvor zu Süßwaren zu greifen. Deswegen freut es mich besonders, dass im Einzelplan 10 unter „Maßnahmen zur Förderung ausgewogener Ernährung“ Mittel zur Verfügung gestellt werden, die ausschließlich für die Ernährungsstrategie auszugeben sind. Das ist ein wichtiger und richtiger Schritt, um die Umsetzung unseres Koalitionsvorhabens anzuschieben. Dies soll natürlich in den nächsten Jahren noch stark ausgebaut werden. Was ist für eine Ernährungsstrategie wichtig? Erstens das Essens- bzw. Lebensmittelangebot verbessern und mithilfe einer Reduktionsstrategie Zucker, Salz und ungesunde Fette in verarbeiteten Lebensmitteln wirksam reduzieren – hier hatte die Vorgängerministerin ja auf Freiwilligkeit als Basis gesetzt –, verbindliche Ernährungsprofile nach den WHO-Kriterien, verbindliche Einführung der Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in der Gemeinschaftsverpflegung. Zweitens den Zugang zu gesundem Essen durch positive Anreize und eine gesunde Ernährungsumgebung für alle erleichtern. An Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Produkte wollen wir verbieten. Gleichzeitig ist ein finanzieller Anreiz für gesunde Lebensmittel nötig. Das heißt auch, eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte käme in Betracht und als Ausgleich dafür ein höherer Mehrwertsteuersatz für ungesunde Produkte. Das Bewusstsein für gesunde und nachhaltige Ernährungsweise müssen wir durch mehr Transparenz und bessere Aufklärung stärken. Wir brauchen Ernährungsbildung an Schulen und Kitas, Aufklärungskampagnen, eine EU-weite Nutri-Score-Kennzeichnungspflicht und Kriterien für ein staatliches Nachhaltigkeitslabel. Die landwirtschaftliche Erzeugung muss stärker an den Erfordernissen einer nachhaltigen Ernährungsweise ausgerichtet werden, zum Beispiel durch Stärkung der Eiweißpflanzenstrategie. Die Maßgaben der Zukunftskommission Landwirtschaft wurden schon von meinem Kollegen Matthias Miersch erklärt. Wir müssen sie nur umsetzen; wir brauchen nichts Neues zu entwickeln. Nun ist es am BMEL, dass Sie diesen Entwurf einer Ernährungsstrategie vorlegen und die zur Verfügung gestellten Mittel für dieses Jahr ausschöpfen. Zwei wichtige Punkte fehlen mir allerdings in diesem Haushalt. Das ist zum einen der Bereich der Schul- und Gemeinschaftsverpflegung – hier brauchen wir eine Anschubfinanzierung für die Modellregionen –, zum anderen eine Aufklärungskampagne für Verbraucherinnen und Verbraucher zu den Vorteilen einer Ernährung mit pflanzlichen Eiweißalternativen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Uhr tickt: Die Kosten der Folgen ungesunder Ernährung müssen wir alle tragen, auch in Zukunft. Und: Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft. Drum ist es an uns, dies nun endlich umzusetzen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Ich erteile das Wort der Kollegin Christina-Johanne Schröder, Bündnis 90/Die Grünen.
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Dr.
Dr. Reinhard Brandl CDU/CSU
Reinhard
Brandl
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Souveränität Europas wird auch im Weltraum entschieden. Im Moment verlieren wir dort jeden Tag an Einfluss und an Souveränität. Alleine Elon Musk hat 2022 1 500 Satelliten ins All geschossen, aus Europa kamen ungefähr 10. Aber das ist nicht nur eine wirtschaftliche Frage oder eine Frage von wirtschaftlicher Abhängigkeit, sondern es ist auch eine Frage von Geopolitik geworden. Ohne die Unterstützung von Elon Musk und seiner Starlink-Satelliten hätte es die Ukraine sehr viel schwerer im Krieg gegen Russland. Die Frage, wie lange diese Unterstützung andauert, entscheidet im Ergebnis nur er. Deswegen ist es wichtig, dass Europa in diesem Bereich endlich die Initiative ergreift und aktiver wird. Deswegen begrüßen wir, meine Fraktion, diese europäische Satelliteninitiative ausdrücklich. Es geht jetzt nicht darum, Elon Musk und Jeff Bezos im Massenmarkt zu überholen – das wird nicht funktionieren –, und es wird auch nicht funktionieren, dass wir politisch ein neues Google bauen; dafür sind sie zu weit weg. Aber was gelingen muss, ist, dass wir ein hochsicheres System entwickeln, mit dem wir besonders kritische Kommunikation absichern können. Was auch gelingen muss, ist, dass wir eigene Startkapazitäten in Europa voranbringen, mit denen es auch mal möglich ist, kurzfristig einen kompromittierten Satelliten aus dem All zu ersetzen. Wir reden heute über Angriffe auf Tiefseekabel, über Angriffe auf Pipelines. Wir werden morgen über Angriffe auf Satelliten sprechen, und ich will diese Debatte darüber, wie wir unsere Infrastruktur im All schützen wollen, nicht erst morgen führen, wenn es zu spät ist, sondern jetzt. Meine Damen und Herren, es gibt einen ganz zentralen Punkt, bei dem wir uns von den USA viel abschauen können. Die großen Innovationen kommen dort nicht vom Staat und auch nicht immer nur von den großen Platzhirschen. Vielmehr sind es oft die kleinen und mittleren Unternehmen, die den großen Fortschritt bringen. Und wir haben in Deutschland das große Glück, dass wir eine breite Palette von Start-ups und kleineren Unternehmen im New-Space-Bereich haben, die allesamt vor dem Sprung ins All stehen. Von denen wird vielleicht nur einer von zehn durchkommen. Aber die, die durchkommen, werden in zehn oder zwanzig Jahren den Unterschied für Deutschland und Europa machen. Ob sie durchkommen, entscheidet sich erstens danach, ob ihnen diese Initiative faire Wettbewerbsbedingungen schafft. Es muss klar sein: Es dürfen nicht nur die größten Anbieter gefördert werden, sondern es müssen vor allem die besten Ideen gefördert werden. Meine Damen und Herren, gerade für die deutschen Unternehmen entscheidet es sich zweitens auch danach, ob sich Deutschland ambitioniert an dieser Initiative beteiligt. Die Entscheidung darüber wird in den nächsten Wochen auf der ESA-Ministerratskonferenz fallen. Wir haben das Thema heute auf die Tagesordnung gesetzt, weil wir die Aufmerksamkeit darauf lenken wollen, dass dort eine wichtige Weichenstellung ansteht. Wenn sich Deutschland hierbei hinten anstellt, kommt es später nicht mehr nach vorne. Die Bundesregierung handelt an dieser Stelle für uns bei Weitem zu unambitioniert. Wir wünschen uns, dass Deutschland gerade im Bereich der Satelliteninitiative eine Führungsrolle einnimmt, investiert und damit auch die Chance hat, die Leitlinien mitzubestimmen. Die anderen Länder Europas warten nicht auf uns, und unser Anspruch sollte doch zumindest sein, dass wir auf Augenhöhe mit Frankreich agieren. Aber diese Ambitionen sehe ich in der Bundesregierung nicht, und ich sehe sie schon gar nicht im Bundeshaushalt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer im Weltraum erfolgreich sein will, der braucht Mut, der braucht Energie, der braucht Begeisterung, und der braucht eine Vision. Ich habe jetzt schon oft New-Space-Unternehmen besucht, und ich erlebe es immer wieder, dass die Mitarbeiter förmlich dafür brennen, dass irgendwann einmal ein Produkt von ihnen ins All geschossen wird, um die Erde kreist und von dort aus das Leben auf unserem Planeten besser und sicherer macht. Dieses Bild vermisse ich in der Bundesregierung. Man kann sagen, da brennt die ganze Hütte. Aber es brennt kein Minister für die Raumfahrt. Da geht noch mehr. In diesem Sinne: Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich wünsche mir eine ambitionierte deutsche Bundesregierung bei der nächsten ESA-Ministerratskonferenz. Johannes Schätzl hat das Wort für die SPD-Fraktion.
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Fabio De Masi DIE LINKE
Fabio
De Masi
DIE LINKE
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Haushalt sichert weder den Zusammenhalt in Deutschland noch in Europa. Deutschland ist die viertgrößte Volkswirtschaft in der Welt. Bei den Investitionen sind wir aber Mittelmaß. Der Finanzminister hat ja Zahlen und Fakten angemahnt. Gerne: Die Investitionsquote, also die Investitionen gemessen an der Wirtschaftskraft, ist in Deutschland unterdurchschnittlich. Wir haben eine Investitionslücke von 100 Milliarden Euro. Deutschland sollte doch den Anspruch haben, bei den Investitionen in Europa spitze zu sein und nicht Schlusslicht. Die Zeichen stehen auf Abschwung, und die USA drohen mit Strafzöllen auf deutsche Autos. Die Wirtschaft muss daher unabhängiger von den USA werden. Deswegen sollte man jetzt damit anfangen, in die Binnenwirtschaft zu investieren, weil Investitionen Zeit brauchen, um die Wirtschaft im Abschwung zu stützen. Würden Sie den Investitionsstau in Deutschland bei Krankenhäusern, bei Brücken, bei digitaler Infrastruktur mit demselben Elan auflösen, wie Sie sich im Schatten der Fußballweltmeisterschaft die Parteifinanzen erhöht haben oder sich in Meseberg mit Macron beim Thema Aufrüstung geeinigt haben, dann, verehrte Damen und Herren, lebten wir in einem schöneren Land. An die Kolleginnen und Kollegen der FDP, Sie sorgen sich, dass wir keinen Sommerschlussverkauf bei den öffentlichen Unternehmen machen. Meine Fraktion und ich sorgen sich um den Sommerschlussverkauf in der Politik. Deswegen sagen wir: Parteispenden von Unternehmen verbieten. Dann können wir hier auch über eine Reform der Parteifinanzen reden. Auch der Euro-Haushalt ist ein Witz. Die Finanzierung ist völlig unklar. Wir befürchten eine Umbuchung ohnehin geplanter Investitionen aus dem EU-Haushalt. Dieser Haushalt ist auch noch an weitere nachfragehemmende Strukturreformen geknüpft, also Lohn- und Rentenkürzungen. Statt sich den Herausforderungen unserer Zeit zu stellen, führen Sie einen bayerischen Intrigantenstadel auf. Man möchte der Kanzlerin und Herrn Seehofer zurufen: Gehen Sie mit Gott, aber gehen Sie, Mann! Sie vereinbaren einen Deal zulasten Dritter. Nichts ist in der EU abgestimmt. Es gibt kein Abkommen mit Italien. Was wird eigentlich passieren, wenn Sie bereits registrierte Flüchtlinge zurückschicken? Italien wird sie gar nicht mehr registrieren, oder diese Menschen werden womöglich jahrelang in Lager gesteckt. Wie kaputt muss man eigentlich sein, in der Flüchtlingspolitik mit islamistischen Warlords in Libyen zu kooperieren? Selbst der Regierungschef Albaniens, eines Landes, fest im Griff der organisierten Kriminalität, sagte zu Ihrem ursprünglichen Vorschlag von Lagern, er wolle Flüchtlinge nicht abladen wie Giftmüll und lasse sich auch nicht durch eine EU-Mitgliedschaft schmieren. – Sie haben dazu gar nichts beizutragen; das ist mir bekannt. – Wenn Sie das Flüchtlingsdrama lösen wollen, dann stoppen Sie Waffenexporte in Spannungsgebiete. Leisten Sie mehr Hilfe vor Ort. Investieren Sie hier in Deutschland endlich in gute Integration, meine Damen und Herren. Die Linke hat einen Vorschlag, wie das zu finanzieren ist. Die Quandts und Klattens kassierten über 1 Milliarde Euro Dividende aus Aktien der Abgastrickser von den Bayerischen Motoren Werken, kurz BMW. Führen Sie die Vermögensteuer wieder ein. Das wäre ein echter Flucht-Soli der Quandts und Klattens. Sie könnten ja auch etwas gegen die Steuerflüchtlinge tun, verehrte Damen und Herren. Eine Partei mit dem C im Namen sollte ja den Bibelspruch kennen: Eher wird ein Kamel durch ein Nadelöhr gehen, als dass ein Reicher ins Paradies kommt. – Wir können es aber auch so versuchen. Oskar Maria Graf sagte einmal über Bayern: „Machen wir halt eine Revolution, damit a Rua is.“ Ich habe ja gar nichts gegen einen Aufstand gegen Frau Merkel. Aber wie wäre es mit einem Aufstand für die Interessen von Millionen statt von Millionären? Wo bleibt der Aufstand der SPD gegen Frau Merkel bei Leiharbeit, bei sachgrundlosen Befristungen, bei Mietwucher, bei der Altersarmut oder beim Pflegenotstand? Eines ist sicher: Deutschland hat es verdient, besser regiert zu werden. Nächste Rednerin ist die Kollegin Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen.
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Katja Keul BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Katja
Keul
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer Streitkräfte hat, muss sie auch vernünftig ausstatten. Das will hier sicher niemand in Abrede stellen, nicht einmal die Linken. Mehr Geld ist aber ganz offensichtlich nicht die Lösung. Wie oft haben wir erleben müssen, dass Milliarden für teure Neuentwicklungen in den Sand gesetzt worden sind, weil die Industrie nicht vertragsgemäß geliefert hat und dennoch nie dafür haftbar gemacht wurde! Ich denke an den A400M oder den Euro Hawk, den es bis heute nicht gibt. Wie viele Milliarden hat Airbus/EADS dafür am Ende jetzt eigentlich bekommen? Wir haben uns damals im Untersuchungsausschuss schon sehr über die Verträge gewundert. Da war nicht zu erkennen, dass irgendjemand ernsthaft versucht hätte, die Interessen des Staates gegenüber der Industrie bei den Vertragsverhandlungen durchzusetzen. Wenn das Beschaffungssystem aber nicht funktioniert, dann darf man auch nicht mehr Geld in das kaputte System geben. Aus Erfahrung lernen hieße, öfter einmal Geräte von der Stange zu kaufen, als immer auf eigene Neuentwicklungen zu setzen. Für die Industrie ist das vielleicht nicht immer so lukrativ. Aber das darf nicht unsere Sorge sein. Der Staat ist für die Ausrüstung der Streitkräfte zuständig und nicht für die Gewinne der Rüstungsindustrie. Das scheint nicht immer allen klar genug zu sein. Im Moment laufen gerade staatsanwaltschaftliche Ermittlungen im Zusammenhang mit der Privatisierung der Heeresinstandsetzungslogistik. In wessen Interesse ist diese Privatisierung eigentlich? Ich befürchte: nicht im Interesse des Steuerzahlers und auch nicht im Interesse der Bundeswehr. Es ist den deutschen Panzerherstellern verständlicherweise ein Dorn im Auge, dass sie kein Monopol auf die Reparatur und die Ersatzteilbeschaffung haben. 70 Prozent des Geschäfts haben sie sich ohnehin schon gesichert, indem sie die Großgeräte schon seit Jahren ohne Reparaturbefugnis, also quasi ohne Bedienungsanleitungen, verkaufen. Ein Drittel der Arbeiten werden bislang aber immer noch durch Bundeswehrangehörige selbst erledigt, die sich bei Werkstätten auf dem freien Markt nach dem günstigsten Angebot umsehen. Wie kann jemand ernsthaft glauben, dass es für die Bundeswehr wirtschaftlicher wird, wenn man sich zu 100 Prozent von Rheinmetall und Co abhängig macht und die dann die Preise so diktieren können, wie sie wollen? Stoppen Sie diesen Verkauf der Heeresinstandsetzungslogistik, solange es noch möglich ist! Neben den strukturellen Defiziten bei der Materialbeschaffung sehe ich aber auch noch ein strategisches Defizit. Wir hören von allen Seiten, dass inzwischen sämtliche Ressourcen für die Erfüllung der Auslandseinsätze benötigt werden und deswegen für Ausbildung, Übung und Training im Inland nichts mehr übrig bleibt. Ja ist es denn ein Wunder? Die Bundeswehr ist derzeit in elf Auslandseinsätzen weltweit im Einsatz. Gerade erst wurde hier im Bundestag ein neues Mandat für den Gesamtirak beschlossen – erst einmal nur bis zum Herbst, weil bisher niemand die Strategie kennt und man dann erst einmal weitersehen muss. Vielleicht müsste man auch einmal Schwerpunkte und Prioritäten bei der Frage der Auslandseinsätze setzen. Immer und überall Bündnisfähigkeit unter Beweis stellen zu wollen, könnte am Ende das Gegenteil bewirken. Bestes Beispiel für ein katastrophales Preis-Leistungs-Verhältnis ist der aktuelle Afghanistan-Einsatz. Für die Absicherung von sage und schreibe gerade einmal 33 Advisors, also Beratern, brauchen wir dort inzwischen über 1 000 Soldatinnen und Soldaten. So ein Einsatz bindet Kräfte, die nicht im Verhältnis zur erzielten Wirkung stehen. Beenden Sie vor allem die Beteiligung an dem völkerrechtswidrigen Luftkrieg über Syrien. Man kann die Bundeswehr nicht bis an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit in Auslandseinsätze schicken und sich dann wundern, dass zu Hause nichts mehr funktioniert. Auch für die Einsätze, die wirklich unsere volle Aufmerksamkeit benötigen, wie beispielsweise der UN-Einsatz in Mali, wäre es besser, wir würden uns darauf konzentrieren. Ebenso wäre es für die Akzeptanz der Streitkräfte in der Bevölkerung von Vorteil, wenn diese sehen könnte, dass ein Einsatz mal wirklich erfolgreich eine Befriedung fördern würde und es nicht überall gleich schlecht läuft. Damit das klar ist: Das ist keine Kritik an der Arbeit der Soldatinnen und Soldaten, die nach bestem Wissen und Gewissen versuchen, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln ihren Auftrag zu erfüllen. Die Kritik richtet sich an die politische Führung, die für einen erfüllbaren Auftrag und eine Gesamtstrategie verantwortlich ist. Beides ist nicht zu erkennen. Daran ändert auch mehr Geld nichts. Vielen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Ingo Gädechens von der CDU/CSU.
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Carsten Schneider SPD
Carsten
Schneider
SPD
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit das einmal klar ist: Wir haben ein ganz einwandfreies Verfahren gemacht. Wir haben als Bundestag beschlossen, das Grundgesetz zu ändern. Ich komme inhaltlich gleich noch darauf. Wir haben es zum Bundesrat übergeleitet. Dieser hat den Vermittlungsausschuss zur Klärung unterschiedlicher Auffassungen angerufen. Dann haben wir eine offizielle Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses eingesetzt. In dieser war auch die AfD Mitglied. Herr Kollege Müller hat schon gesagt, dass sich die AfD dort allerdings überhaupt nicht beteiligt hat, dass sie die Chance, mitzugestalten, nicht wahrgenommen hat. Das ist etwas, das Sie sich selbst aufs Butterbrot schmieren müssen. Aber heute herzugehen und dem Deutschen Bundestag als Verfassungsorgan vorzuwerfen, er würde die Verfassung brechen, weil er sich an die geregelten Verfahren hält, ist eine Sauerei. Warum diskutieren wir das heute am Donnerstag? Es wurde gestern um 19.20 Uhr beschlossen. Sie hatten genügend Zeit, das zu lesen. Wir hatten auf Wunsch anderer Fraktionen eine Fristverkürzung für heute vereinbart. Dieser Fristverkürzung, dem heutigen Aufsetzen dieses Punktes auf die Tagesordnung, hat die AfD zugestimmt. Sie haben dem zugestimmt! Bei Ihnen weiß die rechte Hand doch nicht, was die linke macht. Das ist doch hier kein Staatsschauspiel. – Setzen Sie sich! Es reicht. Sinn der Sache ist eines: Wir wollen Fortschritt. Fortschritt, meine Damen und Herren, bedeutet in diesem Fall nicht die Ordnung, die Herr Frömming gerade vorgestellt hat, wo der Bund keine Chance hat, den sozialen Wohnungsbau zu finanzieren. Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass der soziale Wohnungsbau in Deutschland finanziert wird. Wir wollen im Übrigen auch – dafür hat die SPD sehr lange gekämpft, und ich bin froh, dass wir jetzt den Konsens im Bundestag und im Bundesrat haben –, dass wir im Bildungsbereich Geld für Investitionen in den Schulen ausgeben können, damit die Schulen auf den neuesten Stand kommen. Wir tragen einen kleinen Teil bei, die Länder tragen den größten Teil dazu bei. Aber wir wollen und können jetzt auch einen Beitrag leisten. Deswegen bitte ich Sie, zuzustimmen. Vielen Dank. Für die FDP-Fraktion hat sich der Kollege Dr. Marco Buschmann zu Wort gemeldet.
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Carsten Schneider SPD
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Sozialdemokraten sind sehr froh, dass wir heute diesen Gesetzentwurf im Bundestag beraten und in den nächsten Wochen auch verabschieden können. Wir kämpfen, wie mein Kollege Bartke gesagt hat, schon seit vielen Jahren dafür, dass wir im Bundestag über die Einflussnahme auf Gesetzgebung und Handeln von Regierung und Parlament Transparenz herstellen. Viele Abgeordnete machen das schon selbst, indem sie die Termine veröffentlichen. Wir machen das jetzt per Gesetz, durch einen Kodex und ein klares Transparenzregister für Lobbyisten, und sind dafür, dass das nicht nur für den Bundestag gilt, sondern – nachdem wir uns als Koalition geeinigt haben; wir als SPD waren schon lange so weit – auch für die Bundesregierung. Dass das manchmal ein bisschen dauert, liebe Kollegin Haßelmann, das kennen Sie auch. Ich habe mir einmal angeguckt, wie das in den Ländern ist. In Hessen, schwarz-grün regiert, stand es 2013 und 2018 im Koalitionsvertrag. Bis heute gibt es kein Gesetz, unsere Anträge wurden abgelehnt. 2019 gab es einen Antrag dazu, der wurde abgelehnt von Schwarz-Grün. So ist das. Ich könnte das über Baden-Württemberg genauso sagen, möchte jetzt hier nicht mit Steinen werfen. Ich bin froh, dass es uns gelingt, im Bundestag diesen entscheidenden Schritt zu gehen. Ich wünschte mir, dass Herr Buschmann nicht nur sagt, was nicht geht und was alles schlimm ist, sondern dass er einfach konstruktiv einen eigenen Vorschlag vorlegt. Mir liegt jedenfalls bisher seitens der FDP zu mehr Transparenz im Lobbyismus keinerlei Vorschlag oder Gesetzentwurf vor. Vielleicht kommt das noch; dafür wäre ich sehr dankbar. – Ich lasse die Zwischenfrage des Kollegen Fricke gerne zu. Das ist alles wahr. Aber wenn es so funktioniert, dient es der Zeitersparnis. So sind wir Haushälter. – Kollege Schneider, es wurde gesagt, die FDP habe keine Vorschläge gemacht. Sie haben – das habe ich gemerkt; sicherlich weil Sie Ihrem Kollegen noch einiges erklären mussten im Gesetzentwurf – vielleicht an der Stelle meinem Kollegen Buschmann nicht richtig zugehört. Aber würden Sie nicht auch den Vorschlag unterstützen, die Löcher im Käse jedenfalls insoweit zu schließen, als dass natürlich auch Gewerkschaften Interessenvertreter sind und damit Lobbyisten, als dass auch Kirchen Interessenvertreter sind und damit Lobbyisten, als dass auch Arbeitgeber Interessenvertreter und Lobbyisten sind? Das war ja ein konkreter Vorschlag. Könnten Sie dem denn dann folgen? Oder würden Sie nicht zumindest sagen: „Das ist ein Vorschlag, den wir in der Debatte berücksichtigen müssen“? Sehr geehrter Herr Kollege Fricke, ich hatte in meiner Rede gerade darauf hingewiesen, dass seitens der FDP keinerlei Gesetzgebungsvorschlag vorliegt, die FDP also anscheinend keinerlei gesetzgeberischen Bedarf sieht, den Lobbyismus und damit die Einflussnahme auf die Gesetzgebung in Regierung und Parlament zu schärfen oder transparenter zu machen. Das habe ich hier festgestellt, und dabei bleibt es auch. Ansonsten halten wir an unserem Gesetzentwurf fest. Ich will zum Abschluss nur ganz kurz sagen: Natürlich ist es so, dass wir mit der Transparenz, die wir hier herstellen, auch – ich glaube und hoffe das – ein Stück die Demokratie in Deutschland stärken. Natürlich wird die Unwucht zwischen denen, die über hohe Finanzmittel verfügen, wie der Verband der Automobilindustrie, der hier in Berlin mittlerweile 80 Beschäftigte hat, gegenüber 2,6 Millionen Alleinerziehenden, deren Interessen nur durch ehrenamtliche Verbände – neben dem, was sie tagtäglich zu leisten haben – vertreten werden können, bestehen bleiben; man wird hier niemals gleichziehen können. Aber es wird transparent werden, es wird nachvollziehbar werden. Und es ist unsere Aufgabe als Abgeordnete, zum Beispiel die Interessen der Alleinerziehenden hier im Parlament selbst aufzubringen und ihre Interessen zu einer Durchsetzung zu führen. Vielen Dank. Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Michael Frieser, CDU/CSU-Fraktion.
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Axel Knoerig CDU/CSU
Axel
Knoerig
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute zwei Anträge zur Digitalisierung. Da haben wir einmal den Antrag der Grünen. Ihn haben wir bereits im Februar dieses Jahres debattiert. Sie stellen bis heute keinen inhaltlichen Bezug zum Koalitionsvertrag her; denn Sie fordern eine Digitalisierungsstrategie. Eine solche haben wir aber schon längst entwickelt. Jedes einzelne Ministerium arbeitet derzeit daran. Dann wollen wir – darauf haben Sie ja gerade selber hingewiesen, Herr Höferlin – diese ganzen Dinge in einer Digitalstrategie bündeln. Das Ganze wird dann von einem Gremium, dem Digitalkabinett, entsprechend weitergetragen. Dieses Kabinett hat auch schon das erste Mal getagt. Dort werden alle Digitalthemen mit allen Ressorts unter Einbindung aller Arbeitsebenen zusammengeführt. Meine Damen und Herren, der zweite Antrag kommt von der FDP und fordert eine Beschleunigung der Digitalisierung. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dem Titel nach hätten Sie Ihre Inhalte schon längst vorher vorlegen können. Wir jedenfalls machen Tempo mit der Digitalisierung. Wir haben auch einiges auf den Weg gebracht. Ich erinnere daran: Wir haben das Kooperationsverbot in der Bildung in der letzten Wahlperiode gelockert. In dieser Wahlperiode ist die Grundgesetzänderung zur Finanzierung vom Kabinett schon beschlossen worden. Deshalb können wir jetzt mit Hochdruck am Digitalpakt weiterarbeiten und insbesondere auch die Länder einbinden. Das ist ganz wichtig; denn auch deren Konzepte müssen hier zum Tragen kommen. Zur künstlichen Intelligenz planen wir ein gemeinsames Forschungszentrum mit Frankreich. Chancen und Risiken für Unternehmen sollen da untersucht werden. Ich darf daran erinnern, da das ja schon 30 Jahre zurückliegt: 1988 wurde das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz gegründet, um Grundlagenforschung voranzutreiben. Stichwort „Mobilfunkausbau und 5G“: Dazu haben wir im Beirat der Bundesnetzagentur einen wegweisenden Beschluss gefasst: Es sollen nicht nur alle Haushalte, sondern auch alle Straßen und Bahnstrecken mit schnellem Internet abgedeckt werden. Meine Damen und Herren, so schaffen wir gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land. Was müssen wir noch mehr vorantreiben? Den Breitbandausbau. Inzwischen sind alle Fördermittel fest vereinbart, und die Projekte laufen an. Aber die Ausschreibungen und Abstimmungsprozesse dauern zu lang. Das muss man kritisch reflektieren. Das Prozedere muss schlichtweg beschleunigt werden. Wir stehen an dieser Stelle vor dem Neustart der Förderrichtlinie. Hier soll eine Grenze bei 30 Millionen Euro gezogen werden. Dazu sage ich an das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gerichtet: Eine Deckelung versperrt den Blick auf das Ganze. Und gerade beim Breitbandausbau müssen wir flächendeckend denken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da müssen wir Parlamentarier uns melden und auch Verbesserungen einfordern. Das Gleiche gilt für den Gigabit-Investitionsfonds: Wenn hier 12 Milliarden Euro an Fördermittel vorgesehen sind, dann sollten die in Glasfaser investiert werden. Das Umschwenken von Vectoring auf Glasfaser und Gigabit sollten wir belohnen. Ich sage auch: Haushaltsdisziplin tut gut. Aber wir können zur Finanzierung des Breitbandausbaus nicht auf die Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen warten. Wir müssen den Fonds schon jetzt zwischenfinanzieren, damit er ins Rollen kommt und nicht erst im Jahr 2020. Entsprechende Signale gibt es auch von der Bundesregierung dazu. Die Vorfinanzierung wünsche ich mir nicht nur; sie wird auch in den nächsten Monaten kommen müssen. Das Ganze gilt doch auch für die sogenannten grauen Flecken: Das sind Gebiete, die bereits 30 Megabit pro Sekunde erhalten. Sie sind von der Förderung ausgeschlossen. Aber für eine Gigabit-Gesellschaft brauchen wir auch hier höhere Bandbreiten. Meine Damen und Herren, unser Förderprogramm hat dem Markt neue Impulse gegeben: Die Telekommunikationsunternehmen investieren in die Netze. Allerdings gibt es immer wieder Fälle, dass Netzanbieter ihre Kabel direkt neben die geförderten Netze legen wollen. Diese Doppelverlegung unterläuft die gesamten Fördervoraussetzungen. Kurze Erklärung: Ich denke, wir sollten hier ganz klar differenzieren. Investitionen in Netze sind immer gut, und der Wettbewerb zwischen den Unternehmen treibt den Ausbau voran. Aber: Geförderte Netze müssen wir stärker schützen. Denn hier werden weiße Flecken in Gegenden erschlossen, wo es bisher gar keinen Wettbewerb gegeben hat. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die Förderprojekte in den Landkreisen weiter rentabel bleiben. Die Bundesnetzagentur, denke ich, ist hier gefordert, als Mediator einzuschreiten und entsprechend zu vermitteln. Meine Damen und Herren, abschließend noch einige Worte zum Thema Cybersicherheit. Denn der Erfolg der Digitalisierung wird maßgeblich von unseren Maßnahmen in diesem Bereich abhängen. Eine aktuelle Zahl zur Veranschaulichung: 55 Milliarden Euro an Schäden entstehen jährlich durch Cybercrime. Und dabei sind wir in Deutschland noch nicht einmal voll digitalisiert. Deshalb müssen wir das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, kurz BSI, personell stärken. Ein Vergleich macht das, denke ich, deutlich: Das Eisenbahn-Bundesamt – zuständig für die Sicherheit auf der Schiene – hat 1 200 Mitarbeiter. Das BSI – zuständig für die Sicherheit im Netz – kommt gerade einmal auf 800 Mitarbeiter. Das BSI ist heute schon als Sicherheitsberater für den Mittelstand tätig. Auch hier gilt es: weiter ausbauen und die Zahl der Mitarbeiter erhöhen. Und wir müssen unsere Wirtschaft mit Digitalstrategien und Netzwerken fit machen. Nur so können wir uns auf dem Weltmarkt gegenüber China und auch den USA behaupten. Deshalb müssen wir gerade in diesen Fragen die Internationalisierung im Blick behalten. Denn unsere Unternehmen brauchen globale Märkte. Meine Damen und Herren, beim Thema Digitalisierung kommt es auf Geschwindigkeit an: Wir machen weiter Tempo bei Breitband, künstlicher Intelligenz und Cybersicherheit. So machen wir unsere Wirtschaft fit für die Herausforderungen von morgen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Herzlichen Dank, Herr Kollege. – Als Nächstes für die AfD-Fraktion der Kollege Uwe Schulz.
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Pascal Meiser DIE LINKE
Pascal
Meiser
DIE LINKE
Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es um die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht, nimmt Michael O’Leary, der Chef der Billigfluglinie Ryanair, kein Blatt vor den Mund. Ich darf zitieren: Heute müssen Unternehmen-Chefs sagen, unsere Beschäftigten sind unser wichtigstes Asset. Was für ein Schwachsinn. Die Beschäftigten sind unser größter Kostenblock und viele sind so faul, dass wir sie ständig in den Hintern treten müssen. Ich finde, dieses Zitat lässt tief blicken, und ich finde, eine solche arbeitnehmerfeindliche Haltung hat in einer sozialen Marktwirtschaft, die diesen Namen verdient, nichts, aber auch gar nichts verloren, liebe Kolleginnen und Kollegen. In den letzten Wochen habe ich viele persönliche Gespräche mit Flugbegleiterinnen und Piloten geführt, die hier in Deutschland leben und täglich von deutschem Boden aus ihren Dienst für Ryanair antreten. Das kann ich Ihnen allen nur sehr empfehlen, wenn Sie es noch nicht selbst getan haben; denn die Geschichten, die diese Menschen zu erzählen haben, sind erschreckend. Fast 70 Prozent der in Deutschland stationierten Flugbegleiterinnen sind bei einer dubiosen irischen Leiharbeitsfirma angestellt, nicht selten mit Armutslöhnen in Vollzeit von unter 1 000 Euro im Monat. Versetzungen quer durch Europa, von heute auf morgen und ohne jegliche Mitbestimmung, sind an der Tagesordnung. Was das für junge Familienväter und -mütter bedeutet, können Sie sich sicher leicht ausmalen. Auch beim Kündigungsschutz verstößt das Unternehmen systematisch gegen geltendes deutsches Recht. Wer sich mehr als dreimal krankmeldet, wird nicht selten zum Personalgespräch nach Irland zitiert und riskiert, seinen Job zu verlieren. Die Folge: Flugbegleiterinnen und Piloten steigen krank ins Flugzeug, anstatt sich auszukurieren – das alles auch zulasten der Sicherheit der Passagiere. 1,5 Milliarden Euro Gewinn hat Ryanair mit diesem Geschäftsmodell im letzten Jahr gemacht. 1,5 Milliarden Euro, liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich übt ein solches Geschäftsmodell Druck auf die gesamte Flugverkehrsbranche aus, geraten Löhne und Arbeitsbedingungen auch bei anderen Flugunternehmen unter Druck. Ich kann nur sagen: Ich finde, es ist eine Riesensauerei, was da bei Ryanair passiert, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich frage mich schon, warum Aufsichtsbehörden und Regierung diesem Treiben schon so lange tatenlos zusehen. Umso beeindruckender finde ich, dass die Flugbegleiterinnen und Piloten sich jetzt gemeinsam gegen diese Zustände wehren und, ja, dass sie quasi aus Notwehr jetzt auch für ihre Rechte streiken. Diese mutigen Frauen und Männer – einige von ihnen sind heute hier auf der Tribüne zu Gast – fordern nicht mehr und nicht weniger als Respekt für die eigene Arbeit, Löhne, von denen sie leben können, und Arbeitsbedingungen, die nicht krankmachen. Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt, liebe Kolleginnen und Kollegen! Und sie kämpfen für einen Betriebsrat. Denn das Betriebsverfassungsgesetz sieht für das fliegende Personal – und nur für dieses – vor, dass der Arbeitgeber der Gründung einer Personalvertretung ausdrücklich per Tarifvertrag zustimmen muss. Doch Ryanair verweigert seinen Beschäftigten nicht nur die Gründung eines Betriebsrats. Auch das grundgesetzlich garantierte Streikrecht wird ganz offen torpediert – mit Lügen, Einschüchterungen und Abmahnungen. Am Standort Bremen – dort, wo die Flugbegleiterinnen es als Erstes gewagt haben, sich gewerkschaftlich zu organisieren und zu wehren – will Ryanair jetzt ein Exempel statuieren und den Standort schließen. Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich will Ryanair auch weiterhin von und nach Bremen fliegen und am dortigen Flugverkehr verdienen – nur eben ohne die wehrhafte Bremer Belegschaft. Die soll von heute auf morgen in aller Herren Länder versetzt werden. Ich finde, diese Angriffe auf das Streikrecht, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind völlig inakzeptabel. Deshalb ist es gut und wichtig, dass fraktionsübergreifend zahlreiche Kolleginnen und Kollegen aus diesem Haus – ich will sie jetzt nicht nennen; einige sind im Saal – persönlich Patenschaften für die streikenden Beschäftigten übernommen haben. Aber dem müssen jetzt auch Taten folgen. Denn mit jedem Tag, den wir warten, verlieren weitere Ryanair-Beschäftigte ihren Job, und viele andere werden weiter Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik verlieren. Deshalb: Lassen Sie uns jetzt schnell gemeinsam handeln! Meine Fraktion hat dazu konkrete Vorschläge vorgelegt. Ich habe heute Morgen erfreut zur Kenntnis genommen, dass Arbeitsminister Heil bereits darauf reagiert und einen Teil unserer Vorschläge übernommen hat. Ich hoffe nur, das ist nicht wieder eine der bekannten Ankündigungen, denen dann nichts folgt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass künftig auch das fliegende Personal einen Betriebsrat wählen kann, ohne dabei auf die Zustimmung des Arbeitgebers angewiesen zu sein! Aber lassen Sie uns auch dafür sorgen, dass auch bei Billigfluglinien wie Ryanair – und das betrifft nicht nur Ryanair – das Streikrecht gilt. Wenn ein Unternehmen wie Ryanair glaubt, weiterhin grundlegende Arbeitnehmerrechte verletzen zu müssen, dann muss die Bundesregierung dafür sorgen, dass die Fluglinie ihre Start- und Landerechte in der Bundesrepublik verliert, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das wäre ein starkes und wichtiges Signal, nicht nur an Ryanair-Chef O’Leary, sondern auch an alle, die glauben, sich in Deutschland wie in einer Bananenrepublik gebärden zu können. Vielen Dank. Nächster Redner ist Wilfried Oellers für die Fraktion CDU/CSU.
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Max Straubinger CDU/CSU
Max
Straubinger
CDU/CSU
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Präsidentin! Wir führen jetzt eine Debatte über Ernährungssicherheit, für die die Anträge der AfD die Grundlage bilden. Aber ich glaube, es passt auch zu diesem Tag, an dem der ukrainische Präsident zu uns gesprochen hat, die Betroffenheit zum Ausdruck gebracht hat und letztendlich einen Hilferuf an uns gerichtet hat, Bereiche betreffend, wo wir eben nicht so helfen können. Dann ist es aber gleichzeitig wichtig, in dem Bereich, wo wir Unterstützung leisten können, dies dann auch tatkräftig tun. Dazu gehört auf alle Fälle, dass wir die Ukraine in der Verteidigung des Landes unterstützen, gleichzeitig aber auch bei der Ernährung der Menschen. Das hat sich ja bereits vor dem Krieg abgezeichnet; denn Nahrungsmittel, zumindest gefertigte Nahrungsmittel, waren auch schon aufgrund der kriegerischen Zustände im Osten des Landes, in Luhansk und in Donezk, knapp. Das ist ja auch mit etwas Entscheidendes, hier einen Beitrag zu leisten. Dazu sind wir bereit. Ich danke an dieser Stelle auch dafür, dass hierzu die Bundesregierung, namentlich der Bundeslandwirtschaftsminister, eine Koordinierungsstelle für Lebensmittelhilfen der Ernährungswirtschaft in die Ukraine mit einrichtet – wir unterstützen Sie dabei, Frau Staatssekretärin –; denn es ist wichtig, dass wir hier diese Unterstützung für die Ukraine geben. Dass sich die Landwirtschaftsminister der G 7 getroffen haben, bedeutet, dass wir nicht nur eine Verantwortung für die Ukraine haben, eine Verantwortung für unser Land, eine Verantwortung für Europa, sondern letztendlich auch für Afrika und für den Nahen Osten und für viele andere Teile der Welt, damit der Hunger bekämpft wird. Wenn das Welternährungsprogramm darlegt, dass zusätzlich 13 Millionen Menschen am Horn von Afrika unter Hunger leiden werden, so muss uns das aufrütteln, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Russland und die Ukraine, die an die 50 Prozent des benötigten Getreides an das Welthungerhilfeprogramm geliefert haben, aber womöglich im heurigen Jahr, im nächsten Jahr und unter Umständen auch im übernächsten Jahr als Exporteure ausfallen werden. Dem müssen wir entgegenwirken. Europa muss die entsprechende Unterstützung geben, damit die Menschen auf der Welt nicht hungern müssen. Und das muss uns letztendlich heute an diesem Tag aufrütteln. Dazu dienen auch die Anträge der AfD, wobei sie natürlich sehr national ausgerichtet sind, was hier in keinster Weise richtig ist. Vielmehr ist der europäische Zusammenhalt für die Völker auf der Welt mit das Entscheidende. 80 Prozent des in Kenia verwendeten Weizens werden aus der Ukraine und aus Russland bezogen, 80 Prozent sind es in Ägypten, genau die gleichen Lieferanten. 80 Prozent des von Tunesien importierten Getreides stammten ebenfalls von den beiden Lieferantenländern, und 65 Prozent der Weizenimporte in die Türkei kommen ebenfalls aus Russland. Werte Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, das muss uns aufrütteln, damit wir in Europa mehr produzieren. Deshalb müssen wir eine Neuausrichtung in der Agrarpolitik tätigen; denn eine Flächenstilllegung bedeutet null Produktion. Wenn wir einer Ausweitung der Stilllegungen um 7 bzw. 10 Prozent, wie sie die Grünen noch in der Vergangenheit gefordert haben, stattgeben würden, wäre das eine Katastrophe für das Welternährungsprogramm. Auch die SPD-Umweltministerin seinerzeit, Svenja Schulze, ist für 10 Prozent Flächenstilllegung eingetreten. Was das für die Hungernden in der Welt bedeutet, das ist nicht auszudenken. Deshalb müssen wir schnell handeln. Die Stilllegungsprogramme gehören ad acta gelegt. Aber wir können heuer auch etwas tun. Wir müssen auch bedenken, dass in Gebieten, wo wir Pflanzenproduktion gut installiert haben, die aber leider Gottes derzeit als rote Gebiete ausgewiesen sind, 20 Prozent unter Bedarf zu düngen ist. Das war jetzt die Rede von Herrn Straubinger. Das bedeutet, wir müssen hier auch dementsprechend handeln. Herr Kollege! Ich freue mich, wenn der Kollege Gero Hocker an unserer Seite kämpft, dies dann auch mit umzusetzen. Herr Kollege, die Zeit rennt Ihnen davon. Danke für die Aufmerksamkeit. Jetzt hat Karl Bär das Wort zu seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag für Bündnis 90/Die Grünen.
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Till Mansmann FDP
Till
Mansmann
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über die Konflikte in der Region, die wir Südkaukasus nennen. Da gibt es eine Menge aufzuarbeiten: von den historischen Dimensionen des ersten großen Völkermords im 20. Jahrhundert an den Armeniern bis hin zum immer noch ungelösten blutigen Konflikt um Bergkarabach. Sie fordern nun eine Einstellung der Entwicklungszusammenarbeit mit Aserbaidschan, weil das Land einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen hat. – Der Vorwurf ist leider richtig. Die Konsequenz ist falsch. Für richtig würden wir es jetzt halten, stattdessen die Entwicklungszusammenarbeit mit Armenien und Georgien zu intensivieren, uns also verstärkt den demokratischen Ländern in dieser Region zuzuwenden. Konsequenzen im Sinne von Sanktionen sollten sich auf die Personen in den Ländern beschränken, die diesen Krieg angezettelt haben, einen Angriffskrieg auf europäischem Boden, der leider in Deutschland in der Öffentlichkeit viel zu wenig Beachtung gefunden hat. Aber der Konflikt ist nicht beigelegt, es herrscht lediglich eine mittelfristig fragile Waffenruhe. Gerade den Menschen in Bergkarabach, die immer noch existenziell bedroht werden, müssen wir jetzt in vieler Hinsicht zur Seite stehen. Ich warne hier ausdrücklich davor, das zu einer Frage der Parteipolitik zu machen, wie Sie das hier versuchen. Leider gab es ganz persönliche gravierende Verfehlungen einzelner Abgeordneter, die wir auch als solche behandeln sollten. Jeder Einzelne von uns sollte übrigens ganz persönlich auch Lehren daraus ziehen, und wir sollten uns auf die Aufgabe und unsere Rolle hier besinnen, egal in welcher Fraktion wir tätig sind. Vielleicht müssen wir uns auch an dieser Stelle wieder klarmachen: Dieser Skandal an sich ist nicht das Problem. Ein Skandal, jeder Skandal ist ein Teil der Lösung des Problems. Ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat zeichnet sich nicht dadurch aus, dass alles überall und bei jedem perfekt läuft, sondern dadurch, dass das, was schlecht läuft, öffentlich thematisiert und aufgearbeitet wird. Das wird hier im Hause gemacht. Das ist gut so. Dieser Prozess läuft auch. Wir diskutieren jetzt über mehr Transparenz, unser Selbstverständnis als Abgeordnete und über die Sanktionierung von Verfehlungen. Richtig so; auch wir Freien Demokraten fordern schon seit vielen Jahren ein Lobbyregister, das diesen Namen auch verdient. Und wir unterstützen alle Kollegen, die ohne Ansehen ihrer jeweiligen Fraktionsmitgliedschaft ernsthaft daran arbeiten. Sie, die AfD-Fraktion, wollen das aber anders angehen. Sind Sie denn bereit, die gleichen Maßstäbe, die Sie bei anderen anlegen wollen, auch für Ihre Fraktion gelten zu lassen? Machen wir doch den Doppelmoraltest bei Ihnen. Sie kritisieren zu Recht die Kaviardiplomatie. Nehmen wir einmal ein anderes Land, das auch für hervorragenden Kaviar bekannt ist: Russland. Sie fordern Transparenz von anderen. Ich schlage Ihnen vor: Stellen Sie sie bei sich selbst her. Ich freue mich über eine Aufstellung Ihrer Fraktion, welches Ihrer über 80 Mitglieder im Laufe dieser Legislaturperiode zu welchem Zweck und zu welchen Gesprächspartnern nach Russland gereist ist. Machen Sie uns transparent, wer die Rechnungen bezahlt hat: für die Fahrten, für die Flüge, für den Aufenthalt, für die Versorgung vor Ort. Dann reden wir hier gern in einer weiteren Debatte über die Krimsektdiplomatie. Vielen Dank. Vielen Dank, Till Mansmann. – Nächster Redner für die SPD-Fraktion: Dietmar Nietan. Er gibt seine Rede zu Protokoll.1 Anlage 9 Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke, Helin Evrim Sommer.
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Lars Herrmann AfD
Lars
Herrmann
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als parlamentarischer Neuling, der ich nun einmal bin, lernt man nicht nur jeden Tag, sondern fast stündlich etwas Neues hinzu. Viele Abläufe unseres Parlamentsbetriebes erklären sich jedoch recht schnell von allein und sind auch nachvollziehbar, selbst wenn man nicht die hellste Kerze auf der Torte ist. Über das Vorgehen beim von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einstufung von Georgien, Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer war ich jedoch etwas länger erstaunt als sonst. Die Bundesregierung lehnte nämlich erst am 18. Oktober 2018 – das ist noch gar nicht so lange her – genau an dieser Stelle einen gleichlautenden Gesetzentwurf der FDP-Fraktion ab. Nun bringt die Bundesregierung diesen als eigene Vorlage in das Parlament ein, welche sie noch vor drei Wochen so vehement abgelehnt hatte. Wenn man den Gesetzentwurf der Bundesregierung mit dem der FDP-Fraktion vergleicht, kommt man zu dem Schluss, dass zwei Unterschiede feststellbar sind. Zum einen hat die Bundesregierung offenbar Schwierigkeiten mit dem Alphabet; denn Georgien kommt vor Ghana in der alphabetischen Aufzählung. Das andere betrifft ausschließlich die Aktualität der Berichte, in denen begründet wird, warum diese Staaten sicher sind. Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes im ursprünglichen Entwurf der FDP stammt von Ende Januar 2016. Die Bundesregierung bezieht sich in ihrem Gesetzentwurf auf Lageberichte des Auswärtigen Amtes von Februar 2018 für Algerien, von Januar 2018 für Marokko und von März 2018 für Tunesien. Jetzt müsste man meinen, dass die Bundesregierung bei einem solch elementaren und dringenden Thema ein paar sehr gute und gewichtige Gründe hat, einen inhaltsgleichen Gesetzentwurf zuerst abzulehnen und dafür einen eigenen einzubringen. Dass ein solch schwerwiegender Grund vorliegen könnte, darauf wies der Kollege Detlef Seif aus der CDU/CSU-Fraktion in seiner Rede vom 18. Oktober dieses Jahres sehr deutlich hin. Ich zitiere aus dem Plenarprotokoll von diesem Tag, Seite 6338: Wir hatten Sie – damit sind die Kollegen von der FDP gemeint – gebeten, den Antrag zu schieben, um eventuell auch weitere Länder berücksichtigen zu können, die im Moment in der Prüfung sind. Die FDP hat das abgelehnt. Da bleibt uns heute nichts anderes übrig, als dem Beschlussvorschlag des zuständigen Innenausschusses zu entsprechen. Wir laden Sie aber gerne ein, bei dem Gesetzentwurf der Bundesregierung positiv mitzuwirken. Nun, sehr geehrter Herr Kollege Seif, ich kann den Gesetzentwurf der Bundesregierung drehen und wenden, wie ich will, aber ich finde leider keine weiteren Länder außer Algerien, Marokko, Tunesien und Georgien. Es bleibt exakt bei den Ländern, die seinerzeit die FDP schon vor drei Wochen vorgeschlagen hatte. Ich möchte gerne auf die Begründung im Gesetzentwurf eingehen. Warum sieht die Bundesregierung ausgerechnet bei diesen Staaten die Einstufung als sichere Herkunftsländer als erforderlich? Zuerst führt die Bundesregierung das Argument an, dass in Deutschland noch immer viele Asylanträge gestellt werden, die von vornherein sehr geringe Erfolgsaussichten haben, und diese Anträge daher zügig bearbeitet und entschieden werden können, sodass im Fall einer Ablehnung auch die Rückkehr schneller erfolgen kann. Kommen wir also zu den konkreten Fallzahlen. Im Jahr 2017 nahm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 222 683 Asylanträge an. Davon waren 1,5 Prozent aus Georgien, 1,05 Prozent aus Algerien, 1,06 Prozent aus Marokko und 0,25 Prozent aus Tunesien. Sehr geehrte Damen und Herren, ich wiege satte 106 Kilo. Wenn ich 0,25 Prozent abnehme, bin ich immer noch kräftig gebaut. Wie die Bundesregierung hier „viel“ definiert, verwundert mich sehr. Es muss also noch andere Gründe geben. Jetzt zu dem Argument, dass der Aufenthalt in Deutschland schneller beendet wird und die Abschiebung zügig erfolgen kann. Derzeit befinden sich 234 603 ausreisepflichtige Ausländer in Deutschland. Ich meine „Ausländer“ hier nicht abwertend, sondern als Arbeitsbegriff im Sinne des Aufenthaltsgesetzes oder des Asylgesetzes. 234 603, diese Zahl steigt übrigens ständig. Seit 2016 ist sie um 13 Prozent gestiegen, und das ist viel. Mit Stand 30. April 2018 befinden sich rund 4 000 marokkanische, 1 500 tunesische und 3 900 algerische Staatsangehörige in Deutschland, die ausreisepflichtig sind. Die noch nicht erfolgte Abschiebung dieser ausreisepflichtigen Ausländer hängt nicht an der bisher fehlenden Einstufung als sichere Herkunftsländer, sondern ist ein Beleg für die Unfähigkeit der Bundesregierung und das Scheitern der von Frau Merkel ausgerufenen nationalen Kraftanstrengung zur Rückführung. Nun könnte man fast meinen, die AfD-Fraktion sei gegen die Einstufung dieser Staaten als sichere Herkunftsländer; aber dem ist nicht so – ganz im Gegenteil. Ich möchte hier noch weitere und nicht ganz unwichtige Gründe darstellen, warum dringend gehandelt werden muss. Beginnen wir heute ausnahmsweise mit Georgien. Es werden Gruppen der organisierten Kriminalität aus Georgien noch immer als eine der am häufigsten vertretenen Nicht-EU-Nationalitäten gemeldet, die an schwerer und organisierter Kriminalität in der EU beteiligt sind. Georgische Gruppen und organisierte Kriminalität sind äußerst mobil, vorrangig an organisierter Eigentumskriminalität beteiligt, insbesondere an organisierten Einbrüchen und Diebstählen, und sie sind besonders aktiv in Frankreich, Griechenland, Deutschland, Italien und Spanien. Sie stellen eine besondere Bedrohung für die EU dar, weil ihre Aktivitäten oftmals als niedrige Verbrechen abgetan werden, weil die Kontrolle, die sie auf kriminelle Märkte ausüben, stetig zunimmt und sie mit anderen Gruppen der organisierten Kriminalität außerhalb der EU zusammenarbeiten. – Diese Einschätzung stammt aus einem Bericht der Europäischen Kommission vom 20. Dezember 2017 an das EU-Parlament und den Rat. Nur leider kommt man eben auf europäischer Ebene nicht zu der richtigen Schlussfolgerung, georgische Staatsangehörige erst einmal visumspflichtig zu machen; nein, man versucht das lange und zähe Verfahren über die Regelung für sichere Herkunftsländer und spielt damit nur der georgischen Mafia in die Hände. So spricht auch die Kriminalitätsstatistik eine eindeutige Sprache. Dort heißt es: Der Anteil der Fälle mit Tatverdächtigen aus den Maghreb-Staaten Algerien, Tunesien und Marokko sowie aus Georgien war weiterhin deutlich höher als der Anteil dieser Nationalitäten an der Gruppe der Zuwanderer ... Bei den Maghreb-Ländern liegt der Anteil an Straftaten, die durch Zuwanderer begangen werden, bei 14 Prozent. Georgische Staatsangehörige begehen 5 Prozent der Straftaten und machen gerade einmal 0,8 Prozent der Zuwanderer aus, aber davor scheint die Bundesregierung die Augen verschließen zu wollen. Noch einmal: Es spricht nichts dagegen, Algerien, Marokko, Tunesien und Georgien als sichere Herkunftsländer einzustufen. Jedoch wird der von der Bundesregierung erhoffte Effekt, Deutschland als Zielland unattraktiv zu machen, mit dieser Maßnahme allein nicht funktionieren. Nur wenn gleichzeitig auch der Druck auf die Maghreb-Staaten dahin gehend erhöht wird – und zwar merklich –, dass diese ihre Staatsbürger zurücknehmen – bei Georgien funktioniert das – und Deutschland auch eine konsequente Abschiebungspolitik betreibt, wird eine Verbesserung spürbar sein. Gleichzeitig bringen alle mühevoll durchgeführten Abschiebungen nichts, wenn die Betroffenen problemlos wieder nach Deutschland einreisen können. Wir brauchen also auch noch einen effektiven Grenzschutz. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächster hat das Wort der Kollege Helge Lindh, SPD-Fraktion.
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Thomas Hitschler SPD
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Hitschler
SPD
Hochgeschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bilder aus den USA in der vergangenen Woche haben die große Mehrheit von uns geschockt. Historisch konnten wir uns immer auf die USA als Hort und Hüterin der Demokratie verlassen; dieses Verständnis war einer der Grundpfeiler der Nachkriegsordnung. Genau deswegen waren die Bilder vom Capitol Hill so grauenvoll: weil sie auch unser Selbstverständnis angegriffen haben. Auch unsere liberale Demokratie, die gerade so viel leistet, aber auch so viel aushalten muss bei der Bewältigung der Generationenaufgabe Corona, wird von den Angreifern infrage gestellt. Wir sind mit dem Gedanken konfrontiert, welche Konsequenzen der Putschversuch von Washington für unsere Demokratie hat, und ich frage bewusst nicht laut, ob diese Tat hierzulande Nachahmer finden wird. Wir alle haben mitbekommen, wie im August ein Mob versucht hat, das Reichstagsgebäude zu stürmen, oder wie im November Störer ins Haus geschleust wurden, die dann versucht haben, Abgeordnete von einer Abstimmung abzuhalten. Die beiden Gruppen, die hier bei uns und in den USA für die Angriffe verantwortlich sind, verbindet bei allen Unterschieden ein gespaltenes Verhältnis zur Wahrheit. Die Gegner der Demokratie werden immer versuchen, Zweifel zu schüren, um die Wahrheit ein klein wenig infrage zu stellen. Der US-amerikanische Historiker Timothy Snyder schreibt dazu in seinem Buch „Über Tyrannei“, dass, wenn nichts wahr sei, alles Spektakel werde. Inszenierung trete an die Stelle von Fakten – sei es ein halbnackter Typ mit Büffelhelm im US-Capitol, sei es das Schwenken der Reichskriegsflagge auf den Stufen des Reichstagsgebäudes –; denn wenn nichts mehr wahr ist, kann man den Leuten alles erzählen. Das funktioniert bei vermeintlichem Wahlbetrug ebenso gut wie bei einer herbeigeträumten Coronadiktatur. Menschen, die sich selbst als kritische Geister verstehen, werden gezielt durch rechtsextreme Agitatoren missbraucht. Und ja, es sind Rechtsextreme, die auf diese Weise versuchen, unsere Demokratie zu destabilisieren. Wer davor die Augen verschließt, hat auch die jüngsten, sehr öffentlichen Warnungen des Innenministers nicht gehört: Der Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für die Sicherheit in Deutschland. Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir daher, auf das Zitat von Timothy Snyder eines von einem Fastnamensvetter folgen zu lassen, nämlich von Dee Snider, dem Sänger von Twisted Sister: „We’re not gonna take it anymore“ – wir lassen uns das nicht mehr gefallen. Die Bundesrepublik war immer als wehrhafte Demokratie konzipiert. Wir müssen gewaltsamen Herausforderungen auch mit einem starken Staat begegnen: durch starke Polizeipräsenz bei Sonderlagen, durch bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsorgane, damit Netzwerkbildungen von Gefährdern frühzeitig erkannt werden, und auch durch mehr klassische Polizeiarbeit im digitalen Raum. Gerade in der jetzigen Krisensituation haben wir gesehen, wie wichtig ein funktionierender Staat auf allen Ebenen ist. Diese Fähigkeiten müssen wir erhalten und ausbauen. Ein starker Staat muss immer auch dafür sorgen, dass die Verteidiger des Staates gut aufgestellt sind. Wir werden aber auch gemeinsam die schärfsten Schwerter der Demokratie nutzen: Bildung und Transparenz. Wir müssen politische Bildung auf allen Ebenen ausbauen und stärken, damit alle Bürgerinnen und Bürger ihre Rechte und ihre Mitwirkungsmöglichkeiten kennen. Wir müssen die Medienkompetenz stärker in den Lehrplänen betonen, damit nicht alles geglaubt wird, was irgendwo im Netz steht oder was per Messenger verbreitet wird. Wir müssen zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen Rechtsextremismus den Rücken stärken, zum Beispiel durch ein Demokratiefördergesetz. Und: Wir müssen die Arbeit dieses Hauses weiterhin so offen und auch so transparent wie möglich halten. Wir wollen, dass die Menschen nachvollziehen können, worüber wir diskutieren und warum wir Entscheidungen treffen. Wir wollen weiterhin mit Schulklassen und den Bürgerinnen und Bürgern aus unseren Wahlkreisen hier in Berlin diskutieren können. Das werden uns die Radikalen nicht wegnehmen, Kolleginnen und Kollegen. So stärken wir das Vertrauen der Menschen in die Institutionen unseres Staates, und so entziehen wir Lügen und Spektakel den Nährboden. Wenn ich in meinem Wahlkreis unterwegs bin, sehe ich täglich das Hambacher Schloss. Das Schloss ist für mich ein Ort, der immer auch daran erinnert, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist. Sie ist in unserem Land mit erkämpft worden. Sie muss gelebt werden, und sie muss verteidigt werden. Vielen Dank. Vielen Dank, Thomas Hitschler. – Der nächste Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Philipp Amthor.
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Dr.
Dr. Matthias Zimmer CDU/CSU
Matthias
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CDU/CSU
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Kemmerich hat, wenn ich es eben richtig mitbekommen habe, gesagt: Einer der bürokratischen Aufwände sei die Achtung der Menschenrechte. Ich hoffe, dass das nicht stimmt, Herr Kollege Kemmerich. Die Achtung der Menschenrechte sollte für alle Unternehmen in Deutschland kein bürokratischer Aufwand, sondern eine Selbstverständlichkeit sein. Meine Damen und Herren, der Antrag der FDP formuliert fröhlich drauf los, die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes hätte zu erheblichen bürokratischen Belastungen für die Wirtschaft geführt. Besonders bürokratisch und aufwendig, so schreibt der Antrag, sei die Dokumentation der Arbeitszeit, und zwar deshalb, weil Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzuzeichnen seien. Nun war ich selbst einmal Arbeitnehmer und habe meine Arbeitszeiten ebenfalls erfassen müssen. Es hat mich etwa sieben Sekunden pro Tag gekostet. So sieht ein liberales Bürokratiemonster aus, meine Damen und Herren, das besonders aufwendig ist: nicht einmal zehn Sekunden Arbeitszeit pro Tag, wenn ich den Aufwand derjenigen berücksichtige, die besondere Probleme beim Addieren der Arbeitszeiten haben. Wenn sich der politische Liberalismus darin erschöpft, dieses Bürokratiemonster zu töten, dann hat er seine historische Berechtigung längst überlebt. Meine Damen und Herren, der Antrag der FDP erwähnt, dass 92 Prozent der Arbeitgeberprüfungen keine Beanstandung der Dokumentationspflicht ergeben hätten. Daraus ergibt sich zweierlei: Offenbar stellt für 92 Prozent der Überprüften die Dokumentation kein unüberwindbares Hindernis dar; denn es gab keine Beanstandungen, sie kommen damit irgendwie klar. Zweitens war es bei 8 Prozent nicht der Fall. Hier argumentiert die FDP: 8 Prozent ist so wenig, dass es unfair wäre, wenn wir die restlichen 92 Prozent mit in Haftung nehmen würden. Lasst uns also die Regeln lockern! – Das ist liberale wirtschaftspolitische Logik. Ich will es einmal deutlich machen: Bei 3 Prozent der Hartz‑IV-Bezieher gibt es Sanktionen, und wir finden das auch richtig. Hier reden wir über 8 Prozent von überprüften Arbeitgebern. Das soll dann nicht in Ordnung sein? So stellt sich der Verdacht ein, meine Damen und Herren, der FDP geht es nicht darum, die Ehrlichen zu verteidigen, sondern darum, zum Schutzpatron der Unehrlichen zu werden. Schauen wir uns einmal die neusten Zahlen aus der Jahresstatistik des Zolls 2018 an: Die Zahl der Prüfungen der Arbeitgeber ist in den Jahren von 2016 bis 2018 deutlich angestiegen, von 40 000 auf knapp 54 000. Offenbar wurde dort mehr gefunden; denn die Zahlen der Ermittlungsverfahren wegen Straftaten aus diesen Prüfungen sind ebenso angestiegen wie die Zahl der Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten. Darunter fallen auch Verstöße gegen das Mindestlohngesetz. Wir haben bei der Erarbeitung des Mindestlohngesetzes keinen zahnlosen Tiger schaffen wollen. – Es wäre schön, wenn die FDP einmal zuhören würde, dann könnten Sie vielleicht einmal etwas lernen. Sie waren damals bei der Erarbeitung des Mindestlohngesetzes nicht im Deutschen Bundestag vertreten. Ihr Antrag zeigt, dass Sie vieles nicht verstehen, was wir damals beschlossen haben. Wir haben damals gesagt: Das Mindestlohngesetz gilt, und wer betrügt, wird bestraft. Der Wettbewerb darf nicht damit geführt werden, dass man den Mindestlohn unterschreitet. Gerade die Ehrlichen haben ein Anrecht darauf, dass der Staat den fairen Wettbewerb schützt, auch mit Kontrollen aufgrund der Erfassung der täglichen Arbeitszeiten. Ein wenig kommt mir der Antrag der FDP hier vor, wie das Prinzip „Freie Fahrt für freie Bürger“ auf den Wettbewerb zu übertragen. Das kann nicht funktionieren. Nehmen wir ein weiteres Beispiel. Wir haben damals den Schwellenwert auf 2 958 Euro angesetzt. Die FDP will ihn auf 2 000 Euro herabsetzen. Der Schwellenwert ergab sich damals daraus, dass man angenommen hat, es werde mit Genehmigung der Arbeitsschutzbehörde und unter zulässiger Nutzung von Sonntagsarbeit ein Volumen von 348 Arbeitsstunden erreicht und diese würden mit 8,50 Euro vergolten. Das macht einen oberen Schwellenwert von 2 958 Euro. Die Idee dahinter war, damit missbräuchlicher Arbeitsgestaltung entgegenzuwirken. Herr Kollege Kemmerich, das ist kein Schwachsinn, wenn wir wollen, dass nicht missbräuchlich Arbeit gemacht wird. – Nein, das ist nicht so, lieber Herr Kemmerich. Nun will die FDP den Schwellenwert deutlich senken, obwohl der Mindestlohn seither gestiegen ist. Das kann nicht funktionieren, und ich frage mich, was da in Sie gefahren ist. Es kann im Übrigen auch nicht funktionieren, wenn jetzt versucht wird, den Mindestlohn politisch nach oben zu schrauben. Ich bin mir sicher: Der Mindestlohn wird irgendwann einmal 12 Euro betragen. Aber das wird nicht dadurch passieren, dass die Politik in die Lohnfindung eingreift, sondern dadurch, dass die Mindestlohnkommission klug und weitsichtig den Mindestlohn nach jenen Parametern festlegt, die wirtschaftlich sinnvoll sind. Es kann doch nicht sein, dass wir die Einführung des Mindestlohns als sozialpolitische Großtat gefeiert haben und nur wenig später ein zentrales Element dieses Mindestlohns wieder abgeräumt werden soll, nämlich die Festlegung des Mindestlohns durch eine Kommission. Ich finde im Allgemeinen unseren Koalitionspartner ja klug und weitsichtig; aber wieso die Politik klüger und weitsichtiger sein soll als die Tarifparteien, das hat sich mir noch nie erschlossen, lieber Kollege Rützel. Dass Die Linke einen politischen Mindestlohn fordert, ist doch klar: Die tragen keine Verantwortung, werden es wohl auch nie tun und können jeden Tag so tun, als ob im Himmel Weihnachten gefeiert würde. Damit ist sie der FDP ganz nahe: Die tragen auch keine Verantwortung und erklären sich zum Drachentöter der Mühseligen und Beladenen, die gerne betrügen möchten, sich aber wegen der guten Kontrolldichte eines guten Gesetzes nicht so recht trauen. Wir werden dieses Gesetz nicht verändern; dazu besteht keine Notwendigkeit. Aber wir werden den Antrag der FDP ablehnen; dazu besteht jede Notwendigkeit. Und im Geiste Ihres Vorsitzenden Christian Lindner möchte ich Ihnen zurufen: Lieber keinen Gesetzesvorschlag einbringen als einen schlechten! Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Pohl, AfD.
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Anja Liebert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Anja
Liebert
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat in den vergangenen Monaten bereits eine Vielzahl sozialpolitischer Maßnahmen und Entlastungen auf den Weg gebracht. Denn wir nehmen die Sorgen und die Nöte der Menschen angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten und natürlich auch der massiv steigenden Heiz- und Wohnkosten ernst. Eine bezahlbare, angemessene und sichere Wohnung zählt zu den Grundbedürfnissen aller Menschen. Mit der geplanten Erweiterung des Kreises der Wohngeldberechtigten adressieren wir sehr viele verschiedene Gruppen: Menschen mit kleinen Renten, Geringverdienende, Alleinerziehende und größere Familien. Aber die Wohngeldreform ist auch ein Instrument der Stadtentwicklungspolitik. Unser Ziel ist es nämlich, dass Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen nicht an den Rand gedrängt werden – an den Stadtrand oder an den Rand, wo es bestimmte Wohnsituationen gibt –, sondern auch der Krankenpfleger oder die Servicekraft in der Gastronomie müssen sich das Wohnen im Zentrum, wenn sie mögen, leisten können, wo sie keine langen Pendelwege zur Arbeit in Kauf nehmen müssen. Unser Leitbild der Stadtentwicklung sind die lebendigen Quartiere mit einer vielfältigen Nutzung. Da gehören Arbeiten, Wohnen, Freizeit und Erholung unmittelbar zusammen. Es muss aber auch eine Mischung unterschiedlicher Milieus sein, unterschiedlicher Lebensstile und unterschiedlicher Einkommensgruppen. Die Wohngeldreform ist natürlich auch dafür da, dass wir diese nutzungsgemischte Stadt erhalten können. Die Wohngeldreform hilft aber auch den Kommunen und insbesondere den finanzschwachen Kommunen; denn diese werden finanziell von den Ausgaben für die Sozialhilfe deutlich entlastet, und das schon im nächsten Jahr mit circa 200 Millionen Euro. 380 000 Haushalte werden aus dem SGB-II-Bezug, also dem Bezug vom Jobcenter und der Grundsicherung, in den Wohngeldbezug wechseln. Das entlastet die Kommunen deutlich. Wir müssen unsere Kommunen natürlich mittelfristig beim Bürokratieabbau, bei einem vereinfachten Antragsverfahren und auch mithilfe der Digitalisierung – das wurde vorhin schon angesprochen – deutlich unterstützen. Im Gesetzentwurf werden auch schon einige Maßnahmen vorgestellt, wie man den Verwaltungsaufwand in den Kommunen reduzieren kann: durch die Verlängerung des Bewilligungszeitraumes von 12 auf 18 Monate und mit sinnvollen Übergangszeiträumen von einem ins andere System. Damit können wir den Ämtern Luft verschaffen. Es wird trotzdem eine anspruchsvolle Aufgabe für die Kommunen, diese Reform umzusetzen. Wir müssen daher auch an einer besseren Finanzausstattung für die Kommunen arbeiten. Wir Grünen setzen uns gemeinsam in der Ampel natürlich auch für eine Lösung der Altschuldenproblematik finanzschwacher Kommunen ein; denn wir brauchen Ausstattung und Personal in den Kommunen. Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion ist der Kollege Martin Diedenhofen der nächste Redner.
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Dr.
Dr. Johannes Fechner SPD
Johannes
Fechner
SPD
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Eigentlich wollte ich Herrn Brandner loben, dass er als Vorsitzender des Rechtsausschusses ausnahmsweise mal wieder an einer rechtspolitischen Debatte teilnimmt. Sie schwänzen die ja regelmäßig. Aber ehrlich gesagt: Sie haben so viel Unsinn erzählt, dass ich auch in Zukunft auf Ihre Präsenz verzichten kann. Wer recht hat, der muss auch recht bekommen. Das war unser Leitmotiv, als wir vor wenigen Monaten die Musterfeststellungsklage eingeführt haben; denn es kann nicht sein, dass Hunderttausende beim Dieselskandal betrogen wurden und sich dann nicht getraut haben, gegen große Konzerne vor Gericht zu gehen, und auf die Geltendmachung ihrer Ansprüche verzichtet haben. Das konnte nicht so bleiben. Deswegen haben wir mit der Einführung der Musterfeststellungsklage einen Meilenstein für den Verbraucherschutz geschaffen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Bei den damaligen Beratungen haben wir überlegt: Machen da 10 000 mit, machen da 12 000 mit? Unsere Erwartungen wurden übertroffen: 412 000 Verbraucherinnen und Verbraucher haben sich der Klage gegen VW angeschlossen, die wegen unseres Gesetzes zur Einführung einer Musterfeststellungsklage erst möglich wurde. 412 000 Personen fühlen sich nicht mehr im Stich gelassen und machen jetzt ihre Rechte geltend. Ich finde, das ist ein wirkliches starkes Zeichen für unseren Rechtsstaat, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ein besonderer Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesamtes für Justiz, die bei der Eintragung in die Klageregister wirklich Schwerstarbeit geleistet haben. Ein ganz herzliches Dankeschön nach Bonn von dieser Stelle! Mit großer Spannung sehen wir der Terminierung entgegen, die das Oberlandesgericht Braunschweig für den Herbst angekündigt hat. Der entscheidende Vorteil der Musterfeststellungsklage besteht darin, dass der Verbraucher ohne Kostenrisiko seine Rechte geltend machen kann. Wenn die Musterfeststellungsklage zu seinen Gunsten ausgeht, dann gehen wir davon aus, dass es Vergleichsangebote gibt. Wo das nicht der Fall ist, wird eben noch einmal geklagt werden müssen. Man kann durchaus diskutieren – da bin ich bei Ihrem Thema, Frau Rottmann –, ob bei einfach zu berechnenden Kleinstbeträgen eine Leistungsklage im Rahmen des kollektiven Rechtsschutzes sinnvoll ist, ob wir im New Deal for Consumers auch Elemente der Leistungsklage unterbringen müssen; das ist überhaupt keine Frage. Aber wir sind der Meinung: Speziell für die Konstellation beim Dieselskandal ist die Feststellungsklage das bessere Mittel. Nun aber zu Ihrem Antrag. Ich finde es – hier muss ich deutlich werden – einfach kleinkariert und schlecht, wie Sie krampfhaft versuchen, dieses Erfolgsmodell, das vom vzbv, vom ADAC und von vielen Verbänden gelobt wird, kaputt- und kleinzureden. Sie besorgen damit das Geschäft der Gegner des Verbraucherschutzes und der Konzerne, die diesen Verbraucherschutz nicht haben wollen. Das kann doch nicht wahr sein! Wenn das Oberlandesgericht Stuttgart nun erstinstanzlich entschieden hat, dass die Klagebefugnis fehlte, dann ist doch nicht die Klageart daran schuld, sondern der klagende Verband hat den Fehler gemacht; das muss man so deutlich sagen. Das ist ein Standardvorgang in der Justiz: Wenn die Klagebefugnis fehlt, wird eine Klage abgelehnt. Dann fordern Sie auch noch, dass die Bundesregierung auf EU-Ebene nicht an den Prinzipien der Musterfeststellungsklage festhält. Ich darf daran erinnern, dass die zuständige EU-Kommissarin, Frau Jourova, bei uns im Rechtsausschuss war und ich sie gefragt habe: Was halten Sie von der Musterfeststellungsklage? Ist das vereinbar mit Ihren Ideen für den New Deal for Consumers? – Sie hat ausdrücklich – das können Sie nachlesen – gesagt, dieses Modell entspreche ihren Vorstellungen. – Das kann man nachlesen. – Es kann also überhaupt keine Rede davon sein, dass diese Musterfeststellungsklage nicht in das Konzept der EU-Kommission passt, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Schauen wir doch mal, was die Grünen, wenn es ernst wird, an kollektivem Rechtsschutz wollen. Sie reden und schreiben die Musterfeststellungsklage bei jeder Gelegenheit kaputt. Da kann man sich ja mal überlegen: Welches Instrument wollen Sie denn, wenn es ernst wird? Mit welcher Klage, mit welchem Rechtsschutz wollen Sie dem Verbraucher dienen? Schauen wir dazu ins Jamaika-Sondierungspapier. Was steht dort? Da heißt es – ich zitiere –: Im Sinne einer Verbesserung der Rechtsdurchsetzung führen wir eine Musterfeststellungsklage ein. Ja, was ist das denn? Die ganze Zeit reden Sie dagegen, aber wenn es ernst wird in den Verhandlungen, dann kommen Sie auf das Modell zurück, das wir umgesetzt haben. Das ist pure Heuchelei, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen. Richtig seltsam wird Ihr Antrag, wenn Sie der Bundesregierung den Vorschlag vorwerfen, dass die Klagebefugnis eines Verbandes Engagement für den Verbraucherschutz voraussetzt. Ja, was sonst soll denn ein solcher Verband machen? Er soll sich um den Verbraucherschutz kümmern. Das muss auch in der Klagebefugnis geregelt sein. Hätten Sie im Rahmen des Dieselskandals etwa die VW-Stiftung oder den Verband der Automobilindustrie klagen lassen wollen? Wohl kaum, liebe Kolleginnen und Kollegen. An der Stelle darf ich auch noch mit dem Gerücht aufräumen, dass die SPD die Deutsche Umwelthilfe raushalten wollte. Auf gar keinen Fall! Ich sehe nach wie vor keinen Grund, warum nicht auch die Deutsche Umwelthilfe ein Verfahren anstrengen sollte. Das ist durchaus möglich mit den Regelungen, die wir beschlossen haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Musterfeststellungsklage haben wir einen Meilenstein für den Verbraucherschutz geschaffen. Ich bin dem Bundesjustizministerium und insbesondere unserer äußerst engagierten Justizministerin sehr, sehr dankbar dafür, dass sie hier so gut gearbeitet und das Thema vorangetrieben hat. Bei den Verhandlungen über den Inhalt eines europäischen kollektiven Rechtsschutzes im Rahmen des New Deal for Consumers sollte unsere Musterfeststellungsklage deshalb als eine Möglichkeit des kollektiven Rechtsschutzes enthalten sein. Ich komme zum Schluss. Wir lehnen den Antrag ab. Ihr Antrag ist unnötig und in der Sache kleinkariert. Hören Sie endlich auf, die Musterfeststellungsklage kleinzureden! Sie verunsichern die Verbraucherinnen und Verbraucher. Vielen Dank. Das Wort hat der Kollege Dr. Jürgen Martens für die FDP-Fraktion.
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Konstantin Kuhle FDP
Konstantin
Kuhle
FDP
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Prinzip gibt es hier im Haus eine große Einigkeit dazu, welche Infrastrukturprojekte wir gemeinsam angehen wollen. Um den Klimawandel zu bekämpfen und die Energiewende voranzutreiben, wollen wir erneuerbare Energien ausbauen. Um dabei zu helfen, dass mehr Menschen bezahlbaren Wohnraum finden, brauchen wir mehr bezahlbare Wohnungen, und die müssen gebaut werden. Wir müssen die Netze bauen, sowohl im Bereich der Digitalisierung, Glasfaser, als auch im Bereich des Stroms. Aber wir müssen uns auch um die Frage kümmern: Was ist eigentlich die Voraussetzung dafür? Wenn es uns nicht gelingt, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, dann können wir uns all diese Projekte an den Hut stecken. Das wird nicht hinhauen, und deswegen ist es gut, dass wir heute Morgen über Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung sprechen. Man hätte sich wahrscheinlich keinen besseren Tag aussuchen können, um über dieses Thema zu sprechen, weil heute Abend diese Diskussion hier im Haus eine Fortsetzung findet mit der Beratung des LNG-Beschleunigungsgesetzes. Vielen Dank dafür! Denn mit diesem Projekt zeigt die Ampel, dass es möglich ist, in einem bestimmten Bereich zügig ein Beschleunigungsverfahren voranzubringen. Hier geht es darum, schneller unabhängig zu werden von russischem Erdgas und schneller eine eigene LNG-Infrastruktur vorzubereiten und auf die Schiene zu setzen. Und plötzlich ist es möglich! In Krisenzeiten geht es dann, dass man auf die Umweltverträglichkeitsprüfung in bestimmten Bereichen verzichtet, sie nachholt und das Ganze schneller macht. Und diese Kreativität, diesen Pragmatismus, den wünschen wir uns auch in anderen Bereichen. Was bei LNG-Terminals geht, das muss auch bei Straßen gehen, das muss auch bei Brücken gehen, das muss auch bei Windenergie gehen. Das muss auch bei Wohnungen gehen. Das muss in all diesen anderen Bereichen auch gehen, und deshalb sollten wir uns genau anschauen, was da heute Abend beraten wird, und gucken: Wo kann man es auf andere Bereiche übertragen? Da macht die Ampel sehr gute Vorschläge, die man sich dann als Beispiel für andere Bereiche nehmen kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, all das, was wir im Bereich der Planungsbeschleunigung machen, muss natürlich mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar sein. Und ja, wir haben auch im Bereich der Innen- und Rechtspolitik vieles vor, um die Planungs- und Genehmigungsverfahren in Deutschland zu beschleunigen. Ich nenne stellvertretend erstens die Entfristung des Planungssicherstellungsgesetzes im Geschäftsbereich des BMI und zweitens die Reform der Verwaltungsgerichtsordnung aus dem Geschäftsbereich des BMJ. Das ist alles gut, und das ist alles richtig, aber wir müssen auch hinterfragen, warum andere Staaten in Europa wie Dänemark oder die Niederlande, die das gleiche Europarecht haben wie wir, mit so viel weniger Einwendungen klarkommen. Das hat etwas damit zu tun, dass es in diesen Staaten eine andere Planungskultur gibt, und diese andere Planungskultur wollen wir auch in Deutschland etablieren. Da gibt es im Koalitionsvertrag auf den Seiten 10 bis 12 – wahrscheinlich die besten Seiten des ganzen Koalitionsvertrags – richtig gute Ideen, wie man das machen kann: durch mehr Digitalisierung – die Kartierungsdaten sind schon genannt worden –, durch mehr Schnittstellen zwischen Bund und Ländern – sogar zwei –, durch eine personelle Unterstützung verschiedener Ebenen und auch durch eine finanzielle Unterstützung durch den angesprochenen Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung. Das ist der richtige Weg, den müssen wir einschlagen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Ampelkoalition heute mit dem LNG-Beschleunigungsgesetz einen ersten Schritt in die richtige Richtung geht, und anschließend arbeiten wir dann unseren Koalitionsvertrag ab. Herzlichen Dank. Das Wort hat der Kollege Ulrich Lange für die CDU/CSU-Fraktion.
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Dr.
Dr. Konstantin von Notz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Konstantin
von Notz
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Henrichmann, Sie haben den Satz gesagt – als Zitat, aber allen Ernstes –: „Der Datenschutz macht uns kaputt.“ – Ja, als Zitat. – Aber Sie sagen das hier im Hohen Haus. Ich will Ihnen mal was sagen: Der Datenschutz schützt keine Daten, Herr Henrichmann. Der Datenschutz schützt die Menschenwürde, die Privatsphäre, die Errungenschaften dieses Landes und unseres Rechtsstaates. Wer so borniert daherredet, der muss verfassungswidrige Gesetze bauen. Wie kann man so was hier sagen? Es ist unmöglich. Das ist ignorant. Und ich sage Ihnen: Deswegen kacheln Ihre Gesetze in Karlsruhe an die Wand, und das ist völlig inakzeptabel, meine Damen und Herren. Warum scheitern Sie denn mit all den IT-Großprojekten aus dem BMI? Weil Sie genau diese Haltung an den Tag legen. Die Mehrheit der Expertinnen und Experten – es wurde mehrfach gesagt –, die geladenen Sachverständigen in der Anhörung, die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder – aller Bundesländer! - sagen, es geht nicht mit der Steuer-ID als Identifier. Wer das nicht zur Kenntnis nimmt, der baut ein verfassungswidriges Gesetz. So schlicht und einfach ist das, meine Damen und Herren. Gerade weil die Registermodernisierung so wichtig ist – sie ist wichtig, und der ganze OZG-Prozess hängt da dran –, ist es Wahnsinn, auf diese Karte zu setzen. Sie bauen dieses wichtige Gesetz aus Kosten- und Zeitgründen allen Ernstes auf diesen sandigen Boden. Ich sage Ihnen: Wenn das in drei Jahren scheitert, dann haben wir ein Kosten- und Zeitproblem biblischen Ausmaßes. Und deswegen ist das mit uns nicht zu machen, meine Damen und Herren. So geht es nicht. Das wurde Ihnen mehrfach gesagt. Im parlamentarischen Verfahren sind minimale Änderungen vorgenommen worden; das ist auch in Ordnung. Ja, wir sagen nicht, dass alle Änderungen Mist sind. Aber wir sagen nach Abwägung: Das Risiko ist zu hoch. Deswegen fordern wir Sie allen Ernstes noch mal auf: Denken Sie nach! Wenn wir in drei Jahren dieses Gesetz kaputtgemacht kriegen und dann vielleicht auch noch die Steuer-ID gefährdet ist, die nämlich auch gar nicht so unproblematisch ist, dann haben wir einen wirklich hohen Preis für Ihre Huschi-Aktion hier gezahlt. Das können wir uns nicht leisten, nicht digitalpolitisch und nicht verfassungsrechtlich. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Kollege von Notz. – Der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist der Kollege Philipp Amthor.
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Erhard Grundl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Erhard
Grundl
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe den Ausführungen von Frau Professor Grütters und auch von Herrn Lindh gelauscht. Dem steht die Zahl von 15 Anrufungen der Kommission in 15 Jahren gegenüber, eine Zahl, die der heute schon oft zitierte Chef des World Jewish Congress, Ron Lauder, genannt hat. Für mein Gefühl ist das ein Skandal, der die gesamte Herangehensweise betrifft, mit der man bisher an diese Kommission von politischer Seite herangetreten ist. Denn zwangsverkauft weit unter Wert, als Reaktion auf den Terror, so gelangte zum Beispiel die „Borussia“ von Adolph Menzel aus dem Besitz der Familie von Mendelssohn über den Kunsthändler Haberstock 1940 in die Reichskanzlei. Zum Schutz vor Bomben wird das Gemälde während des Krieges in das Salzbergwerk Altaussee gebracht und landet nach dem Krieg in der größten Kunstsammelstelle der Alliierten, im Central Collection Point in München. Schließlich wird es über ein Auktionshaus nach Berlin verkauft. Es dauert lange, bis zum Jahr 2000, bis das Gemälde an die Familie von Mendelssohn restituiert wird. Die Odyssee der „Borussia“ zeugt vom systematischen Kunstraub, den Deutsche und ihre Helfer im Nationalsozialismus betrieben. Das alles liest sich wie ein Krimi, und kriminelle Energie war in der Tat nur zu oft die entscheidende Triebfeder in der gesamten Odyssee. Ja, noch heute liegen allein in Nordrhein-Westfalen in den Museen circa 770 000 Kunstwerke unklarer Herkunft aus der NS-Zeit. Aber auch knapp 75 Jahre nach Kriegsende und über 20 Jahre nach der Washingtoner Erklärung ist die Bilanz bei der Restitution von Kunstgütern, wie ich ausgeführt habe, spindeldürr. Der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen zur Weiterentwicklung der Beratenden Kommission ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber auch nicht mehr. Richtig ist, dass die Möglichkeit der einseitigen Anrufung der Kommission in einem Konfliktfall durch die BKM gestärkt wurde. Doch in Bezug auf die Beratende Kommission bleibt der Anhang weit hinter dem zurück, was jetzt eigentlich ansteht. Die Kommission als Ansprechpartnerin der Opfer und ihrer Angehörigen muss ein klares eigenständiges Profil haben. Sie braucht eine eigene Geschäftsstelle. Die Kommission darf keine Zweigstelle des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste sein. Das widerspricht dem Gedanken der Unabhängigkeit. Für ihre Aufgaben braucht sie mehr und vor allem qualifiziertes Personal mit internationaler Erfahrung. Im Antrag fehlt der Ansatz, konkrete Stellen zur Provenienzforschung zu schaffen. Das ist aber die Voraussetzung dafür, dass die Geschäftsstelle in der Lage ist, administrative Aufgaben zu erfüllen und Nachforschungen überhaupt anzustellen. Stattdessen – wir haben es gehört – soll ein Helpdesk für Antrags- und Übersetzungsfragen eingerichtet werden. Sinnvoll wäre es, wenn der Helpdesk an die Geschäftsstelle angeschlossen und mit eigenem Personal ausgestattet würde. Sonst werden allerdings ineffektive Doppelstrukturen geschaffen. Vorgesehen ist, dass Opfer und Erben nun auch aus dem Ausland Anträge stellen können. Das begrüßen wir. Versäumt wird in dem Antrag aber, Betroffenen die Möglichkeit einzuräumen, selbst Gutachten externer Berater einzuholen und deren Expertise in die Provenienzklärung einzubeziehen. Nicht zuletzt werden in dem Antrag keine Zielmarken für die Digitalisierung staatlicher Kunstbestände gesetzt. Meine Damen und Herren, die „Borussia“ von Menzel wurde 55 Jahre nach Kriegsende an die Familie von Mendelssohn restituiert. Das ist spät, viel zu spät. Jetzt, knapp 75 Jahre nach Kriegsende, ist dieser Teil deutscher Erinnerungskultur vor allem eines: ein nicht erfülltes Versprechen. Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel sagte in seiner Eröffnungsrede auf der Washingtoner Konferenz 1998: Wir wollen hier nicht über Geld, wir wollen über Gewissen, Moral und Erinnerung sprechen. Aus der Frage nach Gewissen, Moral und Erinnerung ist inzwischen auch eine Zeitfrage geworden. Wir brauchen eine effektivere Form der Beratenden Kommission, und das sehr schnell. Ich danke Ihnen. Das Wort hat der Kollege Ansgar Heveling für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich begrüße die Festlegung des Bundessicherheitsrates von letzter Woche ausdrücklich, wonach die Lieferungen von genehmigten deutschen Rüstungsexportgütern nach Saudi-Arabien für weitere sechs Monate gestoppt sind. In meinen Augen ist diese Verlängerung des Moratoriums gerade vor dem Hintergrund der verheerenden Dynamik im Jemen-Krieg, der humanitären Katastrophe und vor allen Dingen auch der Rolle, die Saudi-Arabien dort ausübt, die absolut richtige und notwendige Entscheidung. Herr Pfeiffer, gerade vor dem Hintergrund der dort stattfindenden massiven Verletzung der Menschenrechte bin ich froh darüber, dass sich bei der Entscheidung im Bundessicherheitsrat die SPD-Minister der Bundesregierung durchgesetzt haben; denn für uns ist die Festlegung im Koalitionsvertrag, für eine restriktive Rüstungspolitik einzustehen, auch dann bindend, wenn damit verbundene Entscheidungen keine einfachen sind. An dieser Stelle möchte ich Ihnen, Frau Brugger, sagen: Rüstungspolitik wird von uns sehr ernst genommen. Ein eindeutiger Beleg dafür ist, dass das Volumen der Kleinwaffenexporte so niedrig ist wie noch nie. Die von uns eingeführten Post-Shipment-Kontrollen leisten an dieser Stelle ihren Dienst. Ich halte die Regelung des Bundessicherheitsrates, in den nächsten neun Monaten die auslaufenden europäischen Gemeinschaftsprogramme in Bezug auf Saudi-Arabien sozusagen zu nutzen, um die Vorgabe umzusetzen, nicht nach Saudi-Arabien bzw. in den Jemen-Krieg zu liefern, für gut und richtig. Vor dem Hintergrund, dass wir uns als SPD zu dem außenpolitischen Grundsatz bekennen, gemeinsam mit den europäischen Partnern für einen sicherheits- und verteidigungspolitischen Ansatz einzustehen, ist das aus meiner Sicht die richtige Herangehensweise. Natürlich streben wir in Europa nach gemeinsamen Richtlinien in der Rüstungsexportpolitik. Natürlich ist das das, was wir wollen. Allerdings sind wir noch nicht so weit. An dieser Stelle hat jedes Land bisher immer noch seine eigenen Grundsätze. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Da ist es völlig egal, wie wir auf nationaler Ebene internationale Krisenlagen einschätzen. Wir haben zu akzeptieren, dass andere europäische Partner ihre eigenen Einschätzungen haben. Vor dem Hintergrund halte ich den im Bundessicherheitsrat gefundenen Kompromiss für gut, weil er drei Punkte miteinander verbindet: Erstens. Wir setzen den Export deutscher Rüstungsexportgüter nach Saudi-Arabien nicht fort; wir setzen ihn aus. Zweitens. Wir binden die Ausfuhr gemeinsamer europäischer Rüstungsgüter an klare Bedingungen. Drittens. Wir gewinnen außerdem Zeit – auch das ist wichtig – für außenpolitische Bemühungen im Rahmen des Jemen-Krieges, um mit allen Beteiligten nach tragfähigen Lösungen für Friedensverhandlungen zu suchen und um die europäischen Partner voranzubringen, wenn es darum geht, engere Abstimmungen hinsichtlich gemeinsamer Rüstungsexportrichtlinien vorzunehmen. Zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch ein Punkt, über den ich persönlich besonders froh bin. Vor allen Dingen die Peene-Werft in Wolgast, in meinem Bundesland, hat unter dem Exportmoratorium sehr zu leiden. Die Beschäftigten dort und auch die Beschäftigten in den Zulieferbetrieben haben aufgrund des Moratoriums große Sorgen um ihre Zukunft. Vor diesem Hintergrund bin ich sehr froh darüber, dass sich die Bundesregierung mit der Beschlusslage des Bundessicherheitsrates gleichzeitig auch der Verantwortung stellt, eine Lösung zu suchen, damit die dort gebauten Patrouillenboote andere Abnehmer finden und damit die vertraglich vereinbarten Patrouillenboote weitergebaut werden können. Ich halte das für ein ganz wichtiges Signal für die Beschäftigten vor Ort. Ich halte das auch für einen Beweis dafür, dass beides geht, sowohl für eine restriktive Exportpolitik zu stehen als auch dafür, dass die Beschäftigten in der Bundesrepublik Deutschland nicht im Regen stehen bleiben. Das Wort hat der Kollege Djir-Sarai für die FDP-Fraktion.
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Albert H. Weiler CDU/CSU
Albert H.
Weiler
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Man muss schon sagen: Auch die Länder haben hierbei eine Verpflichtung – gerade die Ostländer; denn wenn wir über die DDR reden, reden wir über eine Vergangenheit im deutschen Osten. Ich finde, dass an dieser Stelle aus den Ostländern zu wenig kommt – außer Forderungen. Vorschläge, wie man vielleicht mitfinanzieren kann, wären auch mal eine schöne Sache. Das ist das eine. Zum anderen bin ich Tierfreund. Ich habe mit dem Pferd, das sich hier bewegt, Mitleid; denn auf den Rücken dieses Pferdes steigen jetzt immer mehr auf. Sein Rücken ist schon durchgebogen, weil mittlerweile auch die Grünen, die AfD und Die Linke aufspringen usw. usf. Dieses arme Pferd wird hier sehr traktiert. Das liegt wahrscheinlich an den Wahlen, die jetzt vor uns liegen. Aber gut, so ist nun einmal die Politik gerade dieser Parteien. Wir freuen uns aber über das Jubiläum „30 Jahre Fall der Berliner Mauer“. Nach 30 Jahren, die seit der Wiedervereinigung vergangen sind, muss ich feststellen, dass sich – das hat Eckhardt Rehberg sehr gut herausgearbeitet – vor allen Dingen für die Menschen in den neuen Bundesländern viel getan hat, dass viele Träume und Erwartungen erfüllt wurden. Man muss aber auch sagen: Es gibt leider auch die andere Seite, die ich jetzt ansprechen will. Seit 15 Jahren bin ich ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Milda. Das heißt, ich bin politisch sehr nah am Bürger dran. Viele Menschen in Ostdeutschland mussten hart dafür kämpfen, den Systemwechsel und den wirtschaftlichen Wandel erfolgreich zu meistern. Auch der Übergang in den verdienten Ruhestand gestaltet sich zum Teil schwierig und bedeutet nicht immer eine finanzielle Absicherung im Alter. Die Menschen in Ostdeutschland müssen im Alter vernünftig abgesichert sein – da sind wir uns hier alle einig –, gerade weil die Umstände auf dem Arbeitsmarkt nach der Wende äußerst schwierig und die Herausforderungen vielfältig waren. Im Renten-Überleitungsgesetz wurden 1991 die in der DDR erworbenen Anwartschaften auf das westdeutsche Altersversorgungsystem übertragen. Auch das hat Eckhardt Rehberg gut herausgearbeitet. Trotzdem müssen wir heute leider feststellen, dass manche Regelungen für einige betroffene Gruppen von Nachteil sind. Das ist aber keine Feststellung, die ich heute treffe, sondern diese Feststellung wurde schon vor vielen Jahren getroffen. Auch in den Zeiten der rot-grünen Regierung wurde da nichts getan. Zu diesen Gruppen gehört auch die Gruppe der in der DDR geschiedenen Frauen. Anders als im westlichen Teil Deutschlands, wo es seit 1977 einen Versorgungsausgleich gibt, wurden ihnen die Kindererziehungszeiten nicht ausgeglichen. Bei der Überleitung in das westdeutsche Rentensystem wurde ihre individuelle Situation nicht ausreichend berücksichtigt. Heute verfügen viele von ihnen im Alter über eine zu geringe Rente, und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben fällt ihnen schwer. Es fehlt Geld für einen kleinen Urlaub, für kleine Geschenke für die Enkelkinder und auch für Theaterbesuche; dafür reicht bei vielen die Rente nicht aus. Da müssen wir etwas tun. Seit meiner ersten Legislaturperiode als Mitglied des Deutschen Bundestages mache ich mich gerade auch für diese Gruppe stark. Wir stehen in einem engen Austausch. Ich bedanke mich an der Stelle sehr für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Für mich stehen die Sorgen und der berechtigte Wunsch der Betroffenen nach Anerkennung für die geleistete Arbeit im Vordergrund. Deshalb habe ich mich bereits in den Koalitionsverhandlungen für den Härtefallfonds starkgemacht. Es ist uns gelungen, die Einrichtung des Härtefallfonds im Koalitionsvertrag festzuhalten. Jetzt geht es darum, diesen Fonds so schnell wie möglich auf den Weg zu bringen. Aus diesem Grund habe ich wiederholt Gespräche mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, mit seinem zuständigen Staatssekretär und vielen anderen geführt. Aktuell – darüber möchte ich mal aufklären – laufen sehr gute Abstimmungen auf der Arbeitsebene zur konkreten Ausgestaltung des Härtefallfonds. Wir benötigen im nächsten Schritt einen Haushaltstitel, der mit Mitteln untersetzt ist. Ich erwarte vom Arbeitsministerium, dass hier aufs Tempo gedrückt wird – das wird auch sicher geschehen –, damit wir keine wertvolle Zeit mehr verlieren und den Betroffenen noch zu Lebzeiten geholfen wird. Für den Herbst dieses Jahres plane ich Informationsveranstaltungen in meinem Thüringer Wahlkreis, um gemeinsam mit meiner Kollegin Frau Daniela Kolbe von der SPD über den aktuellen Stand zu berichten. Wir wollen das in Sachsen tun, wir wollen das in Thüringen tun. Wir wollen Fragen vor Ort beantworten. 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer müssen wir dafür sorgen, dass die Wunden der Wiedervereinigung gerade in Ostdeutschland endlich heilen. Wir werden anderen Parteien den Raum für Populismus nehmen; denn die Schwierigkeiten bei der deutschen Einheit auszunutzen und immer noch den Osten gegen den Westen auszuspielen, meine Damen und Herren, und auf diese Weise Ängste und Neid zu schüren, kann nicht der Weg sein; das kann nicht gut sein. Wir haben im Koalitionsvertrag die Weichen gestellt. Nun werden wir die Umsetzung des Härtefallfonds so schnell wie möglich abschließen. Ich bitte jeden hier im Haus, sich dabei sachlich und fachlich einzubringen und den Populismus beiseitezulegen. Für die AfD-Fraktion hat als Nächstes das Wort der Kollege Jürgen Pohl.
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Yasmin Fahimi SPD
Yasmin
Fahimi
SPD
Ihre Antwort legt genau das nahe, was ich Ihnen gerade schon einmal mitgeteilt habe. Ein Drittel Kürzung des BAföG und Erhöhung der Hürden, das heißt nichts anderes als das Gegenteil von dem, was Sie gerade behauptet haben, nämlich dass Sie verhindern wollen, dass Kinder aus Arbeiterfamilien studieren gehen können; denn es ist eine Voraussetzung dafür, gleiche Chancen zu schaffen. Die fallen nämlich nicht vom Himmel, weil sie irgendwo auf dem Papier stehen, sondern dafür muss man Infrastruktur und auch finanzielle Förderung sicherstellen. Genau an dieser Stelle wollen Sie die Axt anlegen. Sie haben mit Ihrer Intervention gerade dokumentiert, was ich in meiner Rede bereits erzählt habe. Vielen Dank. – Jetzt Tankred Schipanski für die CDU/CSU-Fraktion.
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Maria Klein-Schmeink BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Maria
Klein-Schmeink
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wo wir bei Zeugnissen sind, muss man als Erstes sagen, dass wir sehr, sehr viele Missstände gerade in der Pandemiebekämpfung von der Großen Koalition geerbt haben, gerade was zum Beispiel den Datensatz angeht, die Möglichkeit, überhaupt nachzuverfolgen, was bei den Verläufen passiert ist. Da ist sehr, sehr wenig getan worden. – Das an der Stelle. Auch beim Register hätten wir, wenn von vornherein für eine gute Erfassung der Impfungen gesorgt worden wäre, tatsächlich eine andere Situation. Das jetzt nachzuholen, ist ein etwas größerer Angang. Im Übrigen haben Sie das ja auch in der Impfdebatte noch mal abgelehnt. Sonst hätten wir genau diesen Vorschlag auch umgesetzt; der war ja Teil des Ganzen. Insgesamt vermisse ich konkrete Hinweise zur Ausgestaltung des Infektionsschutzgesetzes. Darüber werden wir diskutieren. Sie müssen – so scheint es – auch noch darüber diskutieren; Sie haben jedenfalls keine konkreten Vorschläge gemacht. – Den habe ich gelesen. Da haben Sie nur von einem gestuften Pandemiemanagement gesprochen. Das ist aber nicht das, was jetzt tatsächlich gefragt ist. Dr. Andrew Ullmann hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion.
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Johannes Schraps SPD
Johannes
Schraps
SPD
Vielen Dank, Herr Präsident. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die wichtigen Beschlüsse des EU-Bankenpaketes, die Finanzminister Olaf Scholz auf europäischer Ebene verhandelt hat, setzen wir heute mit dem vorliegenden Risikoreduzierungsgesetz fristgerecht in nationales Recht um. Wie der Titel schon sagt, trägt das Gesetz zur Reduzierung von Risiken im Bankensektor bei, stärkt aber gleichzeitig die Ausgewogenheit bei der Bankenregulierung. Die Risikoregulierung erfolgt unter anderem durch die Stärkung der Kapital- und Liquiditätsanforderungen für Banken. Die Banken müssen künftig Verlustpuffer von mindestens 8 Prozent ihrer Bilanzsumme vorhalten und zudem eine verbindliche Verschuldungsobergrenze von 3 Prozent der Bilanzsumme einhalten. Damit, verehrte Kolleginnen und Kollegen, machen wir die Banken in Stresssituationen sicherer und widerstandsfähiger. Um die Abwicklungsfähigkeit von Banken zu verbessern, enthält das Gesetz nun Anforderungen, in welchem Umfang die Banken künftig Eigenmittel und andere Finanzierungsinstrumente halten müssen, die dann im Abwicklungsfall Verluste tragen; denn sollte es doch einmal notwendig sein, dann sollen die Kosten einer Bankenrettung von den Gläubigern und Eigentümern einer Bank sowie aus dem Bankensektor selbst heraus getragen werden und nicht vom Steuerzahler, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass für Kundinnen und Kunden von Banken keine Geschäfte organisiert werden, die mit hohen Risiken verbunden sind und von den Bürgerinnen und Bürgern eigentlich gar nicht richtig verstanden werden. Es soll nicht sein, dass der einfache Bankkunde denkt, er habe in etwas sehr Sicheres sein Geld angelegt hat, und im Krisenfall ist sein Geld doch als Erstes weg. Solche Anleihen, die sogenannten nachrangigen Verbindlichkeiten, sollen größtenteils institutionellen Anlegern vorbehalten bleiben, weil diese genau um die Ausfallrisiken wissen, die Anlagen einschätzen können und Verluste im Abwicklungsfall auch tragen müssen. Wir führen deshalb eine Mindeststückelung dieser verlusttragenden Finanzierungsinstrumente von 50 000 Euro ein. Beim ergänzenden Kernkapital kleiner Banken ist eine Mindeststückelung von 25 000 Euro vorgesehen. Das ist ein guter Schritt, um den Schutz der Verbraucher zu verbessern und zu stärken, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Es geht also bei der Reduzierung von Risiken nicht nur um eine bessere Absicherung für Banken, sondern in hohem Maße auch um einen deutlich verbesserten Anlegerschutz. Bei der Eigenmittelzielkennziffer, die als Stresspuffer dient, um Verluste im laufenden Betrieb abzufedern, setzen wir die EU-Richtlinie eins zu eins um. Das heißt jedoch nicht – das möchte ich hier ausdrücklich betonen –, dass die Aufsicht nicht die Hinterlegung mit hartem Kernkapital einfordern sollte. Denn es ist in völliger Übereinstimmung mit den EBA-Leitlinien, wenn Bundesbank und BaFin hier auch auf hartem Kernkapital bestehen. Das hat die Bundesbank ja in der Anhörung am Mittwoch noch einmal deutlich gemacht. An dieser Stelle kann man ganz grundsätzlich den Sachverständigen aus der Anhörung noch mal ganz herzlich für ihre wichtige Expertise danken, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Neben der Risikoreduzierung geht es aber auch – das habe ich eingangs erwähnt – um eine bessere Ausgewogenheit der Regulierung. Um der Proportionalität Rechnung zu tragen, führen wir mit der Umsetzung der europäischen CRR-II-Verordnung insbesondere für kleine und nicht komplexe Banken zahlreiche administrative Erleichterungen in der Finanzaufsicht ein. Diese Erleichterungen kommen – neben dem Wegfall der europäischen Bankenabgabe – auch bei den kleinen Förderbanken voll zum Tragen. Da die rechtlich selbstständigen Förderbanken aus dem Anwendungsbereich der EU-Bankenregulierung herausfallen, unterliegen sie nun ausschließlich einer nationalen Aufsicht. Diese soll nach dem Kreditwesengesetz durch die BaFin erfolgen. Wir bauen also, liebe Kolleginnen und Kollegen, viel Bürokratie ab. Wir tragen zu einer besseren Ausgewogenheit der Regulierung bei, und wir reduzieren Risiken im Bankensektor. Risiken, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es überall. Das sehen wir nicht nur im Bankensystem, sondern auch beim Fußball. Das ist zum Beispiel beim FC Bundestag der Fall. Im Sport kann man beim nächsten Mal vielleicht durch besseres und intensiveres Warmmachen Verletzungsrisiken reduzieren. Im Bankensystem machen wir das mit dem Risikoreduzierungsgesetz. Gute Gründe, um dem Gesetz gleich Ihre Zustimmung zu geben! Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Kollege Schraps, und gute Besserung. Vielen herzlichen Dank, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der nächste Redner wäre jetzt für die AfD-Fraktion der Kollege Dr. Bruno Hollnagel gewesen. Er musste allerdings seine Rede krankheitsbedingt zu Protokoll geben.1 Anlage 3 Wir machen jetzt mit der Opposition weiter, und zwar mit der Kollegin Katja Hessel von der FDP-Fraktion.
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Boris Mijatović BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Boris
Mijatović
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Es gibt viele Arten, einen Menschen zu töten. Einige sind sogar verboten.“ Ich erinnere mich gut an dieses Zitat in einem gerahmten Bild an der Wand im Büro meines ehemaligen Chefs am Internationalen Strafgerichtshof, einem Spanier, der mich immer wieder darauf hinwies, wie wichtig es ist, die Verbrechenselemente gut im Auge zu behalten. Wir beraten heute eine Vorlage der Bundesregierung, in der Verbrechenselemente aufgeführt sind, mit denen wir die bisherigen Straftatbestände ergänzen. Und das ist gut so, das ist wichtig. Es zeigt, dass das Gericht arbeitet, und es zeigt, dass die Welt immer wieder neue Wege entwickelt und findet. Wenn Sie sich anschauen, dass das vorsätzliche Aushungern von Menschen in einem innerstaatlichen Konflikt endlich zum Straftatbestand erklärt wird, dann erkennen Sie, dass es gut und richtig ist, dass wir uns heute hier darüber unterhalten. Meine Damen und Herren, es wird Sie nicht wundern, wenn ich Ihnen sage, dass 20 Jahre Internationaler Strafgerichtshof eine wirkliche Erfolgsgeschichte sind. Wir haben das Verfahren gegen Thomas Lubanga erlebt, der im Kongo Kindersoldaten rekrutiert hat. Wir haben eine Vielzahl von Fällen und Urteilen und eine Fortsetzung der Ad-hoc-Tribunale aus den 90er-Jahren erlebt. Wir haben mit dem Internationalen Strafgerichtshof eine bedeutsame internationale Einrichtung, die wir wertschätzen, pflegen, erweitern und schützen müssen. Gerade in diesen Tagen, wo die Russische Föderation das Gewaltverbot der Vereinten Nationen mit Füßen tritt, mit 180 000 Mann einen Nachbarstaat, die Ukraine, überfällt und in ihn einmarschiert, müssen wir darüber reden, welche Verbrechen wir im Römischen Statut hinterlegen und welche Verfahren zu einer Anklage führen können sollten. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir bei den weiteren Fragen immer auch gemeinsam mit unseren Partnern handeln. Ich bin froh, dass unsere Außenministerin hier ist und genau diese Dinge im internationalen Kontext immer wieder anspricht. Diesen Weg sollten wir weiter beschreiten, wir als Mitgliedstaat mit weiteren 122 Mitgliedstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs. Das alles ist nicht ohne Geld und ohne Einsatz von Personal zu erreichen. Ich bin sehr froh, dass wir im letzten Jahr beschlossen haben, Ermittlungsteams in die Ukraine zu entsenden, und den Etat leicht angehoben haben, den wir als Zuschuss zur Verfügung stellen. Ich bin aber genauso froh, dass der Oberstaatsanwalt in Den Haag, Karim Khan, die Ermittlungen in Myanmar, auf den Philippinen und in 14 weiteren Fällen nicht aus den Augen verloren hat und weiterhin daran arbeitet. Jeder Euro, den wir in dieses System hineingeben, schützt die Rechtsstaatlichkeit auf der Welt und sorgt dafür, dass Kriegsverbrecher nicht davonkommen. Das muss unser Vorsatz sein. Deswegen hoffe ich, dass wir hier weiter gemeinsam arbeiten und solche Anliegen interfraktionell vorantreiben können, und freue mich darüber, dass das bisher gelungen ist. Ich danke Ihnen sehr herzlich. Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Hardt, CDU/CSU-Fraktion.
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Christian Haase CDU/CSU
Christian
Haase
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits im September haben wir hier über Target2-Salden diskutiert. Auch damals haben meine Kolleginnen und Kollegen erst einmal erklären müssen, worum es bei Target-Salden überhaupt geht. Auch heute ist das wieder passiert. Die technische Umsetzung des Zahlungsverkehrs in einer internationalen Währungsunion mit nationalen Zentralbanken verständlich zu erklären, ist nun einmal etwas schwierig. Das schafft natürlich Raum fü r Interpretationen. Für die eisernen Euro-Kritiker auf der rechten Seite des Hauses ist Target ein nahezu mystischer Begriff geworden. All ihre Schreckensfantasien lassen sich in das Target-System hineininterpretieren. Sie sehen es als goldene Kreditkarte für Südeuropa, als heimliches Entschuldungsprogramm auf Kosten der deutschen Steuerzahler oder als Pulverfass auch ohne Euro-Austritte. Dabei berufen sich die Antragsteller teilweise durchaus auf namhafte Ökonomen. Der ehemalige Chef des ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, vertritt seit langem die Ansicht, dass Deutschland durch das Target-System Risiken drohen. Die Mehrheitsmeinung der Wirtschaftswissenschaft ist das aber nicht. Die Mitglieder des Sachverständigenrates, die sogenannten Wirtschaftsweisen, halten die Target-Salden für unproblematisch. Und auch die Deutsche Bank sagt: Nur bei einem Euro-Austritt eines Landes könnte für Deutschland ein Risiko auftreten. Meine Damen und Herren, ich mö chte hier nicht lang und breit erklären, wie Target funktioniert; das hat mein Kollege bereits getan. Ich möchte mich dem AfD-Antrag vom Ende her nähern. Was fordert die AfD eigentlich, und welche Folgen hätte das für uns? Die AfD gibt vor, die Risiken der Deutschen Bundesbank reduzieren zu wollen. Dafür sollen Target-Forderungen, die die Bundesbank bei der Europäischen Zentralbank hat, besichert werden. Die Zentralbanken mit Target-Verbindlichkeiten, allen voran die Banca d’Italia und die Banco de España, sollen der EZB – ich zitiere – „werthaltige marktfähige Sicherheiten“ übertragen. Werthaltige marktfähige Sicherheiten, das sind fü r die AfD vor allem die nationalen Goldreserven. Diese Goldbesessenheit der AfD ist wirklich kurios. Erst sollte die Bundesbank ihr Gold aus dem Ausland heimholen, dann startete die AfD ihren kleinen Goldhandel, um bei der Parteienfinanzierung besser abzuschneiden. Das glänzende Edelmetall scheint auf Sie eine besondere Faszination auszuüben. An dieser Stelle möchte ich aber daran erinnern, dass der Goldstandard des Bretton-Woods-Systems seit fast 50 Jahren nicht mehr gilt. Der Euro ist stabil, weil es Vertrauen in die Währung gibt, und nicht, weil in den Tresoren der Zentralbanken Goldreserven im Gegenwert unserer Münzen und Banknoten schlummern. Sie können nicht zur Zentralbank marschieren und sich den Gegenwert Ihres Geldes in Gold auszahlen lassen. So schwer es Ihnen auch fällt, meine Kollegen von der AfD: Der Goldstandard existiert nicht mehr! Leider würden die nationalen Goldreserven wohl auch nicht ausreichen, um die nominellen Target-Verbindlichkeiten zu decken. Italien etwa hat zwar die drittgröß ten Goldreserven der Welt, aber auch diese Goldreserven umfassen maximal 100 Milliarden Euro. Das italienische Target-Defizit ist fast fünfmal so hoch. Und da sind die Sicherheitsabschläge, die Sie fordern, noch gar nicht berücksichtigt. Italienische Staatsanleihen wollen Sie wohl auch nicht; denn wenn das Land aus dem Euro ausscheidet, sind diese nichts mehr wert. Was bleibt dann noch? In der Debatte um griechische Staatsschulden ist der Verkauf von griechischen Inseln vorgeschlagen worden. Welche hätten Sie dann gerne? Capri? Elba? Reicht das? Vielleicht noch Sardinien? – Lampedusa ist wohl eher nichts für Sie. Nehmen wir einmal an, meine Damen und Herren, wir stimmen für Ihren Antrag – rein hypothetisch – und Italien, Spanien und die anderen Länder mit Target-Verbindlichkeiten sollen der EZB die im Antrag geforderten Sicherheiten übertragen. Das Ergebnis wäre nicht die Reduzierung der Bundesbankrisiken, sondern ein drastischer Anstieg. Sie schreiben es selbst in Ihrem Antrag: Grund f ür die hohen Target-Unterschiede sind das mangelnde Vertrauen in die Finanzmärkte in Südeuropa und die Kapitalflucht nach Deutschland. – Wenn man nun mehr Sicherheiten fordert und damit das Target-System als hochriskant darstellt, was es nach Meinung der Experten tatsächlich nicht ist, was ist dann die Reaktion der Finanzmärkte? Das zarte Pflänzchen des Vertrauens würde sofort zertreten werden. Das Risiko, dass dann ein Schuldnerland aus dem Euro ausscheiden muss, würde tatsächlich real werden. Das, was Sie machen, ist Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Allerdings kann man dem nur folgen, wenn man wirklich meint, Ihnen würde es um die Absicherung von Bundesbankrisiken gehen. Ich glaube Ihnen das gar nicht. Ich denke, Ihr Ziel ist ein ganz anderes. Ihr Ziel ist die Zerstörung einer unabh ängigen Geldpolitik, die Destabilisierung des Euro-Raums und schließlich das Ende des europäischen Projektes. Das werden wir hier mit aller Entschlossenheit bekämpfen. Sie betreiben kurz vor der Europawahl Panikmache mit astronomischen Zahlen, die die Bürger verunsichern sollen. Das werden wir nicht mitmachen! Klar ist: Auch wir wollen natürlich geringere Target-Salden; denn die hohen Differenzen sind ein Zeichen von Ungleichgewichten innerhalb der Euro-Zone. An dieser Stelle ist unser Auftrag, die Wirtschafts- und Währungsunion zu verbessern, statt die Unabh ängigkeit der Europäischen Zentralbank infrage zu stellen. Wir sollten lieber intensiv an der Umsetzung der europäischen Idee arbeiten. Wenn die südeuropäischen Staaten solide Finanz- und Wirtschaftspolitik betreiben, werden die Target-Salden auch wieder zurückgehen. Dass Italien das im Augenblick nicht macht, ist offensichtlich. Aber das ist Ihr Parteifreund Salvini. Vielleicht sollten Sie lieber da anrufen, wenn Sie zur Reduzierung der Target-Salden beitragen wollen. Meine Damen und Herren, anstatt weitere rhetorische Debatten über Target2 zu führen, sollten wir uns darauf konzentrieren, unser Europa stärker zu machen. Wer ein starkes Europa will, wer starke Mitgliedstaaten will, wer starke Kommunen will, der sollte am 26. Mai demokratisch wählen. Danke schön. Der Kollege Lothar Binding hat das Wort für die SPD-Fraktion.
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Artur Auernhammer CDU/CSU
Artur
Auernhammer
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Geschätzter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe zu: Ich war Dienstagfrüh etwas in Sorge. Ich war in Sorge darüber, wie diese Demonstration am Dienstag abläuft: ob sie friedlich ist, ob alles gut geht. Ich muss sagen: Ich war nach der Demonstration stolz auf unsere Bäuerinnen und Bauern, wie das abgelaufen ist. Wir haben Demonstrationen gesehen, die kultiviert abgelaufen sind, wo kein Müll hinterlassen wurde. Wer sich so manche Demonstration in Berlin anschaut, der weiß, dass es auch anders geht. Deshalb sage ich noch mal: Ich bin stolz auf unsere deutsche Landwirtschaft. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben zurzeit das Problem, dass sich die Landwirtschaft auf der einen Seite und die Gesellschaft auf der anderen Seite vielleicht nicht mehr ganz so verstehen, wie wir es uns wünschen. Aber diesen Keil in die Gesellschaft treiben auch die einen oder anderen hier in diesem Haus. Sie treiben diesen Keil zwischen Bauern und Gesellschaft durch Polarisierung in Bezug auf die Probleme in der Landwirtschaft. Das dürfen wir ihnen nicht durchgehen lassen, meine Damen und Herren. Wir haben im Sommer über das Agrarpaket diskutiert. Schauen wir uns an, wie zum Beispiel das Bundesumweltministerium mit den Problemen in der Landwirtschaft umgeht: Wenn Mitarbeiter des Bundesumweltministeriums Äußerungen machen, die jenseits von Gut und Böse sind, und sagen, ein grünes Kreuz stehe für „Landwirtschaft ist der Tod unserer Natur und unserer Kulturlandschaft“, wenn NGOs, die im BMU ein und aus gehen, behaupten, die Landwirte seien Brunnenvergifter, Käfertöter und Vogelschänder, dann ist das keine Diskussionsgrundlage, um Brücken zwischen Gesellschaft und Landwirtschaft zu bauen. Wir müssen aber mehr Brücken bauen. Deshalb: Wenn dann Gesprächsangebote von der Landwirtschaft an das Umweltministerium kommen und diese abgelehnt werden, dann habe ich dafür auch kein Verständnis. Wer wissen will, wie „erfolgreiche“ grüne Agrarpolitik ausschaut, der soll mal nach Schleswig-Holstein schauen. In Schleswig-Holstein ist die Zahl der nitratbelasteten Grundwasserbrunnen wesentlich höher als in Bayern, in Schleswig-Holstein ist der Anteil der Ökobetriebe wesentlich geringer als in Bayern. Also, irgendwo muss doch hier etwas verkehrt laufen. Ich weiß, dass die Grünen sich jetzt etwas darüber aufregen; aber das ist einfach die Realität. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wäre wirklich sehr dankbar, wenn sich das Bundesumweltministerium und auch das Umweltbundesamt auf wissenschaftliche Grundlagen berufen würden und sich nicht von Emotionen oder der Beratung durch NGOs leiten lassen würden. Es ist ja nicht so, dass die Landwirtschaft keinen Beitrag dazu leisten will, ganz im Gegenteil. Die Landwirtschaft ist im Dialog. Gerade die junge Generation bei uns in der Landwirtschaft, die Landjugend, will mit den Verbrauchern und mit der Gesellschaft reden und sucht nach den besten Lösungen. Wer in der letzten Woche vielleicht die Verleihung des CeresAward hier in Berlin verfolgt und sich die Betriebe angeschaut hat, wer gesehen hat, welche Begeisterung in der Landwirtschaft vorhanden ist, Landwirtschaft zu betreiben, Lebensmittel zu produzieren, Energie zu produzieren, im Dialog mit dem Verbraucher zu sein, der muss sagen: Die Landwirtschaft hat Zukunft. Das lassen wir uns nicht kaputtreden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihr Antrag von der FDP ist ja wirklich gut gemeint, aber er ist etwas zu kurz gesprungen. Wenn wir angemessene Regelungen finden wollen, dann brauchen wir auch differenzierte Lösungen für die Landwirtschaft. Deshalb: Ihr Antrag ist mir viel zu unklar. Bitte gehen Sie hier mehr in die Details, gerade bei der Düngeverordnung; ich sage nur: Abgrenzung der roten und grünen Gebiete. Das bereitet uns in der Praxis draußen unwahrscheinlich viel Kopfzerbrechen. Darüber müssen wir mehr nachdenken. Vor allem, liebe Freunde von der FDP: Sie hatten die Chance. Sie hatten die Chance, Mitverantwortung zu übernehmen, die Landwirtschaft in Deutschland zu gestalten, aber Sie haben sich für das Nichtregieren entschieden, und jetzt wollen Sie hier aus dem berechtigten Protest unserer Bäuerinnen und Bauern nur politisches, populistisches Kapital schlagen. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Danke schön. Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Carsten Träger.
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Mahmut Özdemir SPD
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Özdemir
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die zivile Luftfahrt des Landes und die dazugehörigen Flughäfen sind sensible Einrichtungen; das haben wir gerade schon gehört. Hier schützen wir die deutsche und die europäische Grenze. Um Angriffe auf sie zu verhüten, muss die Luftsicherheit ausschließlich in staatliche Hand. Der Gesetzentwurf ist daher ein Schritt in die richtige Richtung und zeigt dem Innenministerium auch, an welchen Stellen es in der Vergangenheit Hausaufgaben vernachlässigt hat. Wir können hier im Deutschen Bundestag über Zuverlässigkeitsüberprüfungen reden, um sogenannte Innentäter zu verhindern, aber können nicht gleichzeitig privaten Unternehmen mit höchst häufigem Personalwechsel die Gepäckkontrollen und Einblicke in die gesamte Sicherheitsarchitektur des Luftverkehrs anvertrauen. Sicherheit ist das Versprechen des Staates, wenn jede und jeder darauf verzichtet, Recht selber durchzusetzen. Es ist der Kompromisslosigkeit von Sozialdemokraten bei den Koalitionsverhandlungen zu verdanken gewesen, dass die folgenden Sätze Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden haben – ich zitiere –: Luftsicherheitskontrollen sind eine hoheitliche Aufgabe. Daher soll der Staat mehr strukturelle Verantwortung … übernehmen. Im Geiste dieser Sätze erwarten wir in der laufenden Wahlperiode auch mehr Bewegung von der Unionsfraktion. Die aktuelle Lage gibt uns recht: Private Dienstleister an Sicherheitskontrollen sind eben nicht so zuverlässig wie staatliche Kräfte. Private Dienstleister werfen uns gerade in Düsseldorf und Köln diese Aufgabe vor die Füße, weil sie eben keinen Gewinn mehr machen können, Gewinn, den sie bislang im Übrigen auf dem Rücken der Beschäftigten eingefahren haben. Statt diese Aufgabe wieder in Staatshand zu überführen, verhandelt das Bundesinnenministerium jedoch mit dem Dienstleister in Köln nach und lässt ihn in Düsseldorf sogar vorzeitig aus dem Vertrag. Formelle Vergabeverfahren werden so lächerlich gemacht. In Bayern ist die landeseigene Gesellschaft für alle Luftsicherheitsaufgaben zuständig und bündelt diese auch. Auf Bundesebene haben wir derzeit hingegen ein völlig zerfasertes Geflecht von Zuverlässigkeitsüberprüfungen bis hin zum Einsatz am Flughafen auf dem Rollfeld. Seit sechs Jahren liegt unser Vorschlag, von den Sozialdemokraten gemeinsam mit der Gewerkschaft der Polizei entwickelt, zur sofortigen Umsetzung bereit. Wir schlagen eine öffentlich-rechtliche Anstalt nach bayerischem Vorbild für das gesamte Bundesgebiet vor. Seit knapp einem Jahr warten wir auf Ergebnisse von drei Gutachten, von denen bis heute erst ein einziges vorliegt, wenn auch erst seit Kurzem, das unsere Kritik als Sozialdemokraten im Übrigen weiter stützt. Hier erwarten wir mehr Schnelligkeit, aber mit der notwendigen Gründlichkeit. Man muss einfach nur dem SPD-Vorschlag folgen, und man bekommt mehr Luftsicherheit. Zuverlässige Sicherheit gibt es im Übrigen nur mit Beschäftigten, die einen Arbeitsvertrag mit der öffentlichen Hand haben und wissen, wem sie dienen, nämlich der Sicherheit des Landes, in dem sie leben, und der Europäischen Union. Niemand käme auf die Idee, eine Polizeiwache im Stadtteil einem privaten Dienstleister anzuvertrauen. So sollte man auch in der Luftsicherheit verfahren, sie nämlich wieder zurück in staatliche Hand geben. Kurzum: Mit der Sicherheit am Flughafen macht man keinen Gewinn. Man gewinnt aber an Sicherheit und an Zuverlässigkeit, wenn der Staat diese Aufgabe mit eigenen Kräften vollbringt. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Das Wort hat der Abgeordnete Manuel Höferlin für die FDP-Fraktion.
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Volkmar Klein CDU/CSU
Volkmar
Klein
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor genau vier Wochen bin ich im Tschad gewesen, vier Tage gemeinsam mit dem Chef des World Food Programmes, David Beasley. Es waren vier sehr eindrucksvolle Tage; es gab drastische Eindrücke, Eindrücke von Armut, von Angst, auch ganz viele Eindrücke von Scheitern vor Ort. Es waren aber auch Tage, die motiviert haben – falls das bei mir oder anderen noch nötig sein sollte –, nicht zu akzeptieren, dass die Situation dort und anderswo in Afrika so bleibt. Es geht darum, einerseits Perspektiven für Menschen zu haben; das ist schon ein wichtiges ethisches Anliegen. Es geht aber auch darum, Stabilität zu erreichen und nicht zuzulassen, dass dieser Teil des nördlichen Afrikas, also die G 5 Sahel, die Länder zwischen Tschad und Mauretanien, am Ende zu einem neuen Ort des Terrors wird. Deswegen gilt es, einzugreifen und etwas zu tun. Andere greifen massiv ein. Fast alle Staatschefs aus Afrika waren gemeinsam in China. Die Chinesen haben Zusagen in Höhe von 60 Milliarden Dollar für Afrika gemacht. Ich halte es für fraglich, ob das am Ende wirklich der Entwicklung und der Stabilität dient. Auch jetzt schon sind einige afrikanische Länder an der Grenze der Überschuldung, aber gegenüber Peking. Ich befürchte, diese Überschuldung jenseits des Pariser Clubs wird uns in Zukunft noch große Probleme bereiten. Wir müssen dem etwas entgegensetzen. Wir müssen nicht China etwas entgegensetzen, sondern wir müssen den Problemen etwas entgegensetzen. Wir müssen aus unserem eigenen Interesse – Stichwort „Sicherheit“ –, aber auch aus Gründen der Ethik heraus etwas tun. Deswegen ist es richtig, dass wir im Budget des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erneut, wie eben schon geschildert, einen erheblichen Aufwuchs um 284 Millionen Euro auf 9,7 Milliarden Euro haben. Deswegen ist es auch richtig, dass wir im Koalitionsvertrag diese Problematik und unsere Verpflichtung, dort etwas zu tun, sehr prominent abgebildet haben, weil wir um unsere Verantwortung wissen, weil wir wissen, dass diese Menschen, wenn sie keine Chancen in ihrer Heimat finden, diese Chancen woanders suchen, und weil wir wissen, dass es am Ende auch für uns sehr viel preiswerter ist, zu helfen, dass die Chancen dort, wo die Menschen leben, entwickelt werden, sodass sie dann eben nicht bei uns diese Chancen vergeblich suchen. Vor diesem Hintergrund ist der eben geschilderte Aufwuchs nicht mehr ganz so groß. Und vor diesem Hintergrund ist der Hinweis von Volker Kauder heute Morgen an Bundesfinanzminister Scholz, den Koalitionsvertrag doch noch einmal genau durchzulesen, durchaus berechtigt. Ich freue mich auch sehr, dass die Kollegin Sonja Steffen aus dem Haushaltsausschuss eben noch einmal darauf hingewiesen hat. Liebe Sonja, ich würde dich bitten, deinen norddeutschen Parteifreund vielleicht noch einmal ganz persönlich ins Gebet zu nehmen, damit er aus unserem Kreis, hier aus dem Plenum heraus, noch einmal deutlich gesagt bekommt: Das liegen wirklich Prioritäten für eine vernünftige deutsche Politik. Natürlich ist auch richtig, dass es nicht nur um Geld geht, sondern dass letztlich Wirksamkeit entscheidet. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wird in vielen Ländern und von vielen Ländern, die beispielsweise wie Australien die GIZ von sich aus engagieren, sehr gelobt, weil sie sich – Stichwort „Value for Money“ – an Projekte unserer GIZ anhängen. Deswegen will ich mich an dieser Stelle erst einmal ganz herzlich bei den vielen NGOs, bei unseren Implementierungsorganisationen, aber auch bei den multilateralen Institutionen, die wir maßgeblich mitfinanzieren – beim World Food Programme und bei der Weltbank –, dafür bedanken, dass sie an vielen Stellen wirksam helfen. Zufrieden können wir damit aber noch nicht sein, weil es in Zukunft noch mehr Erfolge braucht. Ich finde, dass die neue Sonderinitiative „Ausbildung und Beschäftigung“ eine gute Antwort ist. Der eine oder andere hat vielleicht in dem Interview des UNDP-Chefs Achim Steiner in der „Zeit“ vom 6. September gelesen, dass auch er darauf drängt, dass wir mehr private inländische Investitionen, aber auch andere brauchen, um Jobs und Chancen für die Menschen zu schaffen. Darauf müssen wir uns sehr viel stärker ausrichten, als wir es in der Vergangenheit getan haben. Deswegen ist es auch wichtig, dass Minister Müller demnächst den Entwurf eines Investitionsfördergesetzes – oder welchen Namen auch immer es tragen wird – vorlegt. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir sehr viel mehr Druck in dem einen oder anderen Land ausüben. Denn wenn zum Beispiel im Tschad – ich komme abschließend noch einmal darauf zurück – ein bisschen bessere Regierungsführung praktiziert würde, dann könnte in diesem potenziell sehr reichen Land auch ein sehr viel besseres Leben gelebt werden. Das muss unser Anliegen in der Zukunft sein. Ich würde mich freuen, wenn wir einen noch verbesserten Budgetentwurf abschließend beschließen und damit unserem guten und engagierten Minister Gerd Müller für die Zukunft gute Arbeitsmöglichkeiten geben. Herzlichen Dank für euer Zuhören. Vielen Dank, Volkmar Klein. – Nächster Redner für die AfD-Fraktion: Ulrich Oehme.
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Friedrich Ostendorff BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Friedrich
Ostendorff
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Endlich, endlich sind die Zustände, die viele von uns schon lange kannten, für jeden sichtbar: menschenverachtende Arbeits- und Lebensbedingungen zum einen, zum anderen super organisierte Verantwortungslosigkeit. Besonders die Zerlegebereiche in den Großschlachtstätten haben sich zu Turbovirenschleudern entwickelt. Täglich – das müssen wir uns einmal vorstellen! – wurden in Rheda-Wiedenbrück bei Tönnies 25 000 Schweine geschlachtet; jeden Tag, Tag für Tag. Tönnies hat offiziell 10 bis 12 Euro Schlachtkosten pro Tier; das sind die geringsten Schlachtkosten Europas. Jeder, der die Branche kennt, weiß, dass die Schlachtkosten gegen null gehen, weil es ja noch die Vermarktung des fünften Viertels gibt. Aber wir nehmen einmal die offiziellen Zahlen. Belgien, Dänemark und Holland beklagen seit Langem die extreme sklavische Ausbeutung, die hier in Deutschland mit Werkvertragsarbeitnehmern vorgenommen wird. Unsere handwerklich orientierten mittelständischen Schlachter, die es ja auch noch gibt, haben zum Vergleich rund 25 Euro Kosten, um ein Tier zu schlachten. Wie sollen sie dem Druck dieser Konkurrenz standhalten, der im Wesentlichen auf dem Rücken der Werkvertragsarbeitnehmer aus Rumänien und Bulgarien ausgetragen wird, liebe Kolleginnen und Kollegen? Den Preis dieses Billigfleischsystems, den bezahlen die Menschen, den bezahlen die Tiere, und den bezahlt auch die Natur. In der Landwirtschaft, ihrem nachgelagerten Bereich, gilt nur eine Maxime: Wachstum, Effizienz, Billigfleisch, Ausrichtung am Weltmarkt. Das brachte extrem spezialisierte Betriebe hervor, oligopolartige Marktstrukturen folgten. Wir sehen es in der Fleischindustrie, bei den Molkereien, wir sehen es im Lebensmitteleinzelhandel. Zwei Drittel, meine Damen und Herren, des Schweinefleisches werden über Sonderangebote verramscht. Mitte jeder Woche kommen ja die Angebote ins Haus geflattert; jeder kennt es. Diese Preise lügen, Kolleginnen und Kollegen. Sie lügen, das System ist schwach, das System ist krank. Die Konsequenz daraus kann heute für uns doch nur die Wende sein, der Neubeginn: Raus aus diesem kaputten System! Das heißt, wir müssen Lebensmittelproduktion in der Breite endlich neu denken. Wir müssen aufhören, an freiwilligen Vereinbarungen leidenschaftlich herumzubasteln, wie unsere Landwirtschaftsministerin das gerne gut, die sowieso nie kommen. Doch der Ernst der Lage, das Ausmaß der Katastrophe werden für viele erst jetzt sichtbar: wie hoch die wirklichen gesellschaftlichen Kosten dieser Produktion sind und wer sie eigentlich bezahlt. Wir brauchen den grundlegenden Wandel. Wir brauchen die große Veränderung in der Fleischproduktion. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir dieser menschenunwürdigen, tierverachtenden, naturzerstörenden Ungerechtigkeit ein Ende bereiten wollen, dann müssen wir das „Schneller, höher, weiter“, an das sich so viele in der Branche klammern, endlich beenden. Es hat mich gefreut, dass einige CDU/CSU-Agrarpolitiker – ich hatte es nicht erwartet – offensichtlich eine Diskussion entfachen wollen – da kann man sie nur bestärken –, regionale Schlachthofstrukturen zu fördern und neu aufzubauen. Viele Bäuerinnen und Bauern – das will ich Ihnen sagen – wollen die Veränderung; sie sind lange auf dem Weg. Helfen wir Ihnen doch gemeinsam! Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Max Straubinger das Wort.
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Carina Konrad FDP
Carina
Konrad
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Antrag der AfD heißt es, der Deutsche Bundestag begrüßt, wenn sich Abgeordnete in ausreichender Zahl zusammenfinden, um beim Bundesverfassungsgericht gegen die Düngeverordnung zu klagen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße auch vieles. Ich hätte es auch begrüßt, wenn sich genug Abgeordnete zusammengefunden hätten, um die Düngeverordnung erst mal praxisgerecht zu formulieren. Ich hätte es auch begrüßt, wenn sich genug Abgeordnete zusammengefunden hätten, um die Düngeverordnung sachgerecht zu überarbeiten. Aber das ist unrealistisch, und das haben die letzten Monate hier gezeigt. Das haben CDU, CSU und SPD gemeinsam hier in diesem Haus bewiesen. Das haben sie letztendlich auch mit ihrer Entscheidung im Bundesrat bewiesen. Da waren es ausschließlich die Länder mit Regierungsbeteiligung der Freien Demokraten, die diesem Unsinn nicht zugestimmt haben. Mit Ihrem Antrag zum Normenkontrollverfahren halten Sie den Landwirten eine Möhre vor die Nase, die unerreichbar ist, und das wissen Sie. Statt sich jetzt sachlich einzubringen – das hat Ihr Beitrag hier eben deutlich gezeigt –, krakeelen Sie lauthals. Das führt garantiert nicht zum Ziel, sondern es kostet Zeit, und – das wurde hier auch schon gesagt – das ist Zeit, die die Landwirte nicht haben. Denn die Investitionen, die benötigt werden, um diese Verordnung, die jetzt verabschiedet wurde, umzusetzen, müssen jetzt getätigt werden. Mit der AVV zur Ausweisung der roten Gebiete wurde von der Bundesregierung eine Lücke geschaffen, um die Schwachstellen der Düngeverordnung zu schließen. Wir Freien Demokraten fordern die Bundesregierung jetzt auch direkt auf, die Düngeverordnung an den Stellen zu überarbeiten, die unpraktikabel sind. Es muss darum gehen, die Gewässerqualität, Rainer Spiering, dort zu verbessern, wo Probleme bestehen. Das geht auch, ohne Existenzen zu ruinieren; da sind wir uns ganz sicher. Unser Antrag, um darauf einzugehen, fordert im Wesentlichen zwei Dinge – wenn Sie ihn gelesen hätten, Johannes Röring, hätten Sie das gesehen –: Wir fordern einen verursachergerechten Ansatz. Wer nachweislich keine problematischen Nitratemissionen verursacht, für den muss es Ausnahmen von einer strengen Regulierung geben. Mit der AVV zur Ausweisung scheint die Bundesregierung diesen Weg jetzt endlich zu gehen, und das begrüßen wir ausdrücklich; das will ich hier auch sagen. Mittels des Modellansatzes AGRUM soll jetzt endlich eine echte Binnendifferenzierung stattfinden können, eine Binnendifferenzierung, die wir übrigens schon seit Beginn dieses Prozesses fordern. Aber wir begrüßen nicht alles; das möchte ich hier auch ausdrücklich sagen. Es besteht immer noch großer Nachbesserungsbedarf bei der Verordnung. Da sind wir beim Thema Phosphor. Es kann nicht sein, dass Landwirte für schlechte Gewässer verantwortlich gemacht werden, wenn 80 Prozent der Phosphateinträge nachweislich aus nichtlandwirtschaftlichen Ursachen stammen. Wer so reguliert, macht sich nicht nur fachlich lächerlich, der macht auch den Bock zum Gärtner und eine ganze Branche zum Sündenbock. Es ist doch klar, dass alle Verursacher in den Blick genommen werden müssen. Im letzten Jahr bei einem Starkregenereignis in Berlin sind 45 000 Kubikmeter Abwasser ungeklärt in die Spree eingeleitet worden. Da braucht man doch keine feine Nase, wenn man durch die Straßen geht, um zu riechen, dass hier etwas gewaltig stinkt. Wir fordern noch eine zweite Sache in unserem Antrag. Rainer Spiering, wir fordern Vorfahrt für organische Dünger. Denn Gülle und Mist sind wertvolle Wirtschaftsdünger. Wer organische statt mineralische Düngemittel einsetzt, der schont nicht nur die Klimabilanz, der tut auch etwas für die Bodenfruchtbarkeit. Deshalb ist es so wichtig, organische Dünger einzusetzen und dadurch auch mineralische Dünger einzusparen. Die letzten drei Jahre haben doch deutlich gezeigt, wo die Dürre zugenommen hat. Es zeigt doch, wie wichtig in Zukunft ein vernünftiges Wasser- und Nährstoffmanagement sein wird. Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende. Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Ohne Organe gibt es keinen Humus, und ohne Humus gibt es auch keine Steigerung von Wasser- und Nährstoffspeichervermögen. Das war der fachliche Teil, vielleicht auch für die Kollegen der AfD-Fraktion. Vielen Dank Herr Präsident. Der Kollege Ralph Lenkert hat das Wort für die Fraktion Die Linke.
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Rüdiger Kruse CDU/CSU
Rüdiger
Kruse
CDU/CSU
Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Hohmann, Sie haben am Ende Ihrer Rede Psalm 90 angeführt – das ist ein Klagepsalm – und Vers 12 vorgetragen. In diesem Vers beklagt derjenige, der ihn vorträgt, den Mangel an Klugheit bei ihm selbst und in seiner Gruppe. Das war ein sehr wohl gewählter Vers. Nun ist es Wesen dieses Klageverses, dass in ihm, so schlimm es auch sein mag, was der Petent vorträgt und beklagt, immer die Hoffnung auf Erlösung mitschwingt. Es ist ja das Versprechen, das uns in der Bibel gemacht wird, dass man, wenn man in Demut umkehrt, dann auch Hilfe erfährt. Wir alle haben die Hoffnung, dass dies auch Ihnen widerfährt. So individuell und richtig dieser Vortrag war, sollten wir natürlich alle beherzigen, dass es ein weiter Weg zu wahrer Klugheit ist und dass wir nur in Demut darum bitten können. Vor zehn Jahren hat die UN das Recht auf Zugang zu sauberem Wasser zum Menschenrecht erklärt. Vor fünf Jahren – es ist schon angeführt worden – ist in Paris das Klimaschutzabkommen beschlossen worden. Und im September hat der Deutsche Bundestag auf Initiative der Koalitionsfraktionen beschlossen, dass Nachhaltigkeit Leitlinie unserer Politik sein soll. Natürlich hat das Recht auf sauberes Wasser als einzelnes Ziel – es ist eines der 17 Nachhaltigkeitsziele, genauso wie Klimaschutz eines ist – schon immer Verbindungen zu anderen Zielen gehabt, zum Beispiel zum Ziel „Gesundheit und Wohlergehen“. Es ist nicht vorstellbar, dass man gesund lebt, wenn das Wasser nicht in Ordnung ist. Und beim Klimaschutz gibt es natürlich die Verbindung zum Bereich „Saubere Energien“, aber auch zum Bereich „Industrie, Innovation und Infrastruktur“. Die Vernetzung der Einzelziele zu bedenken, ist die Leistung, die wir im September vollbracht haben, indem wir gesagt haben: Nicht die Einzelziele sind es, die uns nach vorne bringen; vielmehr müssen wir die Gesamtheit der Ziele beachten. In den Haushaltsberatungen tritt natürlich gerade bei diesem Haushalt immer wieder das Missverständnis auf, dass alles, was Umwelt betrifft, im Haushalt des Umweltministeriums geklärt werden müsste. Nein! In der vorhergehenden Debatte zum Haushalt des Wirtschaftsministeriums ging es um unwahrscheinlich viele Dinge, die, wenn man sie richtig macht, einen sehr guten Einfluss auf die Umwelt haben, aber wehe, man macht sie falsch, einen sehr negativen Einfluss auf die Umwelt haben. Deswegen, Herr Kindler, ist es eben so wichtig, dass wir die Gesamtheit der Ziele sehen. Nun kann man natürlich sagen: Wo ist denn jetzt nach dem Reden und dem Beschluss im September der Ausfluss dessen, wo ist das Handeln? Ich will gar nicht auf einzelne Maßnahmen eingehen. Dieses Jahr war ja voll von Nachhaltigkeitsprogrammen. Erinnern Sie sich an den Sommer: Allein der Startschuss für die Wasserstoffstrategie ist mit einer solchen Kraft erfolgt. Wir haben ja mit unserem Partner Frankreich ein weiteres Land, das fast in derselben Höhe in die gleiche Richtung investiert. Das ist also eine gewaltige Entwicklung, die wir in diesem Krisenjahr auf den Weg gebracht haben. Es gibt eine ganz kleine Stellgröße, die wir mit unserem Beschluss ändern: Wir werden beim Normenkontrollrat vier Stellen einrichten. Sie wissen in etwa, über wie viele Hundert Stellen wir hier abschließend beschließen werden. Darunter sind vier Stellen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung – das sind vier Stellen, die unsere Arbeit definitiv verändern werden. Das haben wir gemacht, weil wir wollen, dass wir für unsere Beratungen eine Vorlage haben, ähnlich einem Berichterstattungssystem, wie man es von Firmen kennt, mit der wir Eckwerte dafür bekommen, inwiefern unsere Strategie umgesetzt wurde, ob wir den richtigen Kurs gewählt haben. Das haben wir bisher nicht. Wir haben beim Thema Haushalt – und Sie wissen, dass ich das in den letzten Debatten auch immer angeführt habe – gewisse Indikatoren wie Mittelabfluss, Verschuldungsrate, Verpflichtungsermächtigung, mittelfristige Finanzplanung; aber wir wissen nicht, wie sich unsere Maßnahmen auf die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele ausgewirkt haben. Mit dieser Entscheidung holen wir uns als Parlament die Möglichkeit ins Haus, in den Haushaltsberatungen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das bedeutet, dass wir zum Abschluss – das ist ja der letzte Haushalt, den wir in dieser Legislatur beschließen – eine Weichenstellung für die nächsten Jahre vorgenommen haben, für eine lange Phase der Transformation. Das ist es, was wir hier jetzt einleiten. Man kann natürlich zurückblicken und sagen: Vor zehn Jahren ist das Grundrecht auf sauberes Wasser beschlossen worden. Zehn Jahre sind in einem Menschenleben schon eine lange Zeit. – Auch da gilt ja der Appell, dass wir bedenken müssen, dass wir sterblich sind. Das heißt, unsere Zeit ist endlich. Wenn es also Herausforderungen gibt, die in der Endlichkeit dieser Zeit zu lösen sind, dann muss man sich diesen zügig stellen. Das, glaube ich, haben wir in dieser Legislatur zum Schluss geschafft. Die Tatsache, dass der Bundestag zwei Tage nur über Nachhaltigkeit diskutiert hat – es war übrigens das erste Mal, dass das Parlament entschieden hat, Debattentage zu einem einzigen Thema anzusetzen –, findet ihre Berechtigung darin, dass wir auch entsprechende Beschlüsse fassen, nicht nur im Einzelnen, indem wir konkret im Haushalt Maßnahmen angestoßen haben, die die Zukunftsfähigkeit dieses Landes steigern, sondern auch in der Form, dass wir uns ein Berichterstattungsprinzip geben, dass wir uns die Möglichkeit verschaffen, zu kontrollieren, ob unsere Vorhaben, unsere Zielsetzungen tatsächlich in jedem Jahr mit jedem Schritt in den Haushaltsberatungen erreicht werden. Das ist ein großer Erfolg von uns allen und ein Indiz dafür, dass wir auch in dieser Legislatur ein Stück weit klüger geworden sind. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Kruse. – Damit beende ich die Aussprache zu diesem Einzelplan.
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Dirk Brandes AfD
Dirk
Brandes
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kollegen! Gestatten auch Sie mir, mich zu Beginn ganz herzlich bei den Mitarbeitern des Ausschussdienstes zu bedanken. Ohne Sie, liebe Mitarbeiter, wäre – wie meine Vorredner schon gesagt haben – die ganze Arbeit definitiv nicht zu bewältigen. Nun zu Ihnen, meine lieben Kollegen. Unsere Demokratie funktioniert nicht ohne die Menschen da draußen. Frau Stamm-Fibich, Sie haben es eben gesagt: Der Petitionsausschuss ist ein Bindeglied zwischen den Bürgern dieses Landes und dem Parlament. – Wenn es nach mir geht, sollte das noch viel mehr werden. Das möchte ich kurz ausführen. Schade ist nämlich, dass die Altfraktionen in einer Art demokratischen Traumtänzerballetts die Bedürfnisse der Menschen oft ignorieren. Als AfD setzen wir das auf die Tagesordnung, was Sie in den letzten Jahren hier versäumt haben. Wir möchten mehr direkte Demokratie wagen. Deswegen lautet unsere zentrale Forderung: Zu den wichtigen Fragen in Deutschland und in Europa muss es endlich Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild geben, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dass das außer mit meiner eigenen Fraktion nicht zu machen ist, zeigen Sie stets eindrucksvoll und zur vollsten Zufriedenheit Ihrer Lobbyisten unter anderem aus den Bereichen Pharma, Nahrung und, neuerdings auch mit grüner Zustimmung, aus der Rüstungsindustrie. Wir hingegen wollen die Instrumente stärken, die es ermöglichen, dem Bürger mehr Einflussnahme auf die politische Willensbildung zu geben. Dazu wollen wir den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages zu einem Werkzeug direkter Demokratie machen. Dafür müssen wir aber endlich anfangen, die bestehenden Grundsätze zu überarbeiten. Seien wir doch ehrlich: Wie sieht die Realität denn aktuell aus? Politische Petitionen landen nach den Stellungnahmen des zuständigen Ministeriums bei den Abgeordneten zur Berichterstattung. Im Petitionsausschuss wird dann entschieden, ob Sie diese Anliegen für unterstützenswert halten. Das ist aber immer nur dann der Fall, wenn das Ziel der Petition ohnehin schon in Ihrem Koalitionsvertrag vereinbart wurde. So hatte unterm Strich keine der 6 326 parlamentarisch beratenen Petitionen im Ausschuss je eine Chance, zu bestehen, wenn sie regierungskritische Positionen zum Inhalt hatten. Der Rückgang an Petitionen betrifft im Übrigen jedes einzelne Ressort, bis auf eine sehr prägnante Ausnahme: Die Zahl der Petitionen an das Bundesministerium für Gesundheit stieg um 14,4 Prozent. – Ja, na klar ist das logisch, und ich sage Ihnen auch, warum das so ist. – Das sind mittlerweile ein Viertel aller Eingaben, und das ist genau der Bereich, in dem die individuellen Freiheitsrechte der Bürger von Ihnen im letzten Jahr oder in den letzten beiden Jahren mit Füßen getreten worden sind. Gegen diesen Verlust an Freiheit wendeten sich nicht nur die vielen Millionen an Demonstranten auf der Straße, sondern auch viele Petenten. Berücksichtigung fanden ihre Interessen leider nicht oder wenig. Anderes Beispiel aus dem Pflegewesen: Im Februar 2021 gab es für eine Petition immerhin 355 000 Unterzeichner. In dieser wurde die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte gefordert. Und was machen Sie vom politisch gleichgeschalteten Block der schon länger hier Sitzenden? Ich sage es Ihnen: Sie führten die Impfpflicht für das Pflegepersonal ein. Pflichtimpfungen sind für mich persönlich eine ganz merkwürdige Form von Dank für die Menschen, die Sie Monate zuvor als Helden der Coronakrise bezeichnet haben, meine Damen und Herren. Ein Drittel aller Deutschen haben inzwischen das Gefühl, sie leben in einer Scheindemokratie. Das ist nicht nur die Meinung der AfD-Fraktion; das ist aus einer veröffentlichten Umfrage des Allensbach-Instituts, und das halte ich persönlich für alarmierend. Wie möchte die Ampel jetzt darauf reagieren? Wird unsere Innenministerin jetzt die Haldenwang-Truppe ermutigen, 30 Prozent der Bevölkerung wegen Delegitimierung des Staates zu rechtsextremen Verdachtsfällen zu erklären? Oder machen wir lieber Folgendes und ermöglichen den Menschen endlich mehr Mitspracherechte? Das Petitionsrecht muss dahin gehend reformiert werden, dass wir es den Petenten ermöglichen, dass ab einem bestimmen Quorum das Anliegen als Tagesordnungspunkt hier unser Plenum erreicht. Was würde das für die Bürger bedeuten, und was würde das für Sie bedeuten? Schauen Sie mal, wir führen hier regelmäßig Debatten über die Menschenrechtslage in 194 Ländern der Welt durch, und kürzlich diskutierten wir zwei Stunden über die Sitzordnung dieses Hauses, meine Damen und Herren. Warum debattieren wir dann nicht mal über Bürgeranliegen, die in Massenpetitionen geäußert werden? Das wäre doch mal eine Maßnahme. Das wäre schon ein kleines erstes Mittel gegen die grassierende Politikverdrossenheit in diesem Land. Meine Damen und Herren, unser Volk ist mündig. Wagen wir endlich mehr direkte Demokratie! Ich danke Ihnen. Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Echeverria.
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Dr.
Dr. Götz Frömming AfD
Götz
Frömming
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen von der Linksfraktion, man muss, wenn jemand etwas Richtiges sagt, das auch mal loben, und wir tun das, egal von welcher Fraktion es kommt. Das ist, glaube ich, wichtiger Teil einer parlamentarischen Kultur, den einige von Ihnen vielleicht ein bisschen vergessen haben. Insofern: Vielen Dank dafür, dass Sie dieses wichtige Thema angestoßen haben. Aber, Frau Kollegin Bull-Bischoff, wenn Sie mit dem Finger auf die Bundesregierung zeigen, zeigen mindestens zwei Finger zurück. Kollege Rachel hat es schon zu Recht angedeutet: Sie sind ja in zwei Ländern in Regierungsverantwortung. Sie sind in Berlin beteiligt und in Thüringen vorneweg. Die Probleme, die Sie angesprochen haben, sind ja nicht erst seit gestern bekannt, sondern haben einen langen Vorlauf. Da frage ich mich schon: Was ist denn unter der Ägide Ihres KMK-Präsidenten Holter so Großartiges geschehen? Ich kann mich an keinen großen Aufbruch für unsere Bildungslandschaft erinnern. In der KMK wäre doch der richtige Ort, die Weichen zu stellen und die Schulen voranzubringen. Meine Damen und Herren, was uns jetzt auf die Füße fällt, ist doch genau das, was jahrelang versäumt worden ist. Die Klassen sind viel zu groß, sie sind überfüllt. Das ist keine neue Erkenntnis in der Pandemie, sondern das ist schon länger so. Lehrer klagen seit Jahrzehnten darüber. Aber was geschieht stattdessen? Hören wir etwas von einer Einstellungsoffensive, dass wir mehr Lehrer bräuchten oder dass mehr Lehrer eingestellt werden? Nichts dergleichen. Stattdessen treibt man auf dem Rücken der Schüler Projekte voran, die der Computer- und Softwareindustrie nutzen. Und selbst die helfen uns jetzt nicht in der Pandemie. Sie haben diesen DigitalPakt hier durchgedrückt, haben sich alle miteinander für diese Errungenschaft gefeiert. Aber jetzt in der Pandemie, wo man den DigitalPakt bräuchte, stellen wir fest: Er hilft gar nicht. Was geholfen hätte, wäre eine frühzeitige Investition in das Personal gewesen. Was auch geholfen hätte – wir haben die Vorschläge dazu vorgelegt –, wäre beispielsweise eine Renovierung der Schultoiletten gewesen – eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Fragen Sie mal Schüler – falls Sie keine eigenen Kinder haben, die an einer Schule sind –, wie es immer noch an manchen Schulen auf den Toiletten aussieht. Das ist ein unmenschlicher Zustand, der einer modernen Zivilisation nicht würdig ist. Ich möchte ein Wort noch zu den Maßnahmen sagen, von denen man jetzt hört. Das geht in die Richtung der Bundesregierung. Wir lasen vor Kurzem in der Zeitung von einem Vorschlag, um die Pandemie jetzt in den Griff zu bekommen und einzudämmen, dass die Kinder in den Schulen sich überlegen sollten, den Kreis ihrer Freunde zu reduzieren. Jedes Kind solle sich doch bitte schön entscheiden, mit welchem Freund es sich treffen möge. Ja, ich weiß, der Vorschlag wurde wohl auch auf Druck der Öffentlichkeit und der Kultusminister vorerst zurückgenommen. Aber, meine Damen und Herren, das zeigt schon, welche Gedankenspiele hier möglich geworden sind, gerade auch seit den Entscheidungen gestern. Das muss man sich mal vorstellen: Kleine Kinder werden genötigt, zu sagen: Ich treffe mich jetzt nur noch mit dem Hans oder dem Anton oder einem anderen. Das ist unmenschlich, meine Damen und Herren. Auch Kinder- und Jugendpsychologen haben darauf hingewiesen, dass Sie mit solchen Maßnahmen nicht die Pandemie eindämmen, sondern unseren Kindern, unseren Jugendlichen schweren Schaden zufügen werden. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend auf die Frage eingehen, ob Schulschließungen wirklich notwendig sind. Zum Glück sind wir mittlerweile so weit, dass wir – hoffentlich alle – solche viel zu langen Schulschließungen, wie wir sie hatten, vermeiden wollen. Aber wie sieht es denn tatsächlich an den Schulen aus? Dankenswerterweise haben wir eine Studie vorliegen, die inzwischen schon dreimal wiederholt worden ist, von der Medizinischen Fakultät der TU Dresden und des Dresdener Universitätsklinikums Carl Gustav Carus. Sie testeten im Mai 2020 im ersten Schritt immerhin 2 045 Schüler bzw. Lehrer an den Schulen. Dabei waren 507 Lehrer im Alter von 30 bis 66 Jahren beteiligt. Am Institut für Virologie konnten bei zwölf Proben zweifelsfrei Antikörper nachgewiesen werden. Unter dem Strich hat diese Studie ergeben, dass Schulen eben nicht das sind, was hier teilweise behauptet worden ist, nämlich Hotspots für die Ausbreitung dieser Pandemie. Diese Studie, meine Damen und Herren, macht doch Hoffnung. Zu Recht hat der Studienleiter gesagt, dass eine flächendeckende Schulschließung nicht notwendig ist. Vielmehr betont Wieland Kiess, Direktor der Leipziger Klinik für Kinder- und Jugendmedizin – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: „Wenn wir Kindern schaden wollen, dann sind Schulschließungen sehr effektiv.“ Wir sollten sie verhindern. Vielen Dank. Das Wort hat die Kollegin Saskia Esken für die SPD-Fraktion.
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Ingmar Jung CDU/CSU
Ingmar
Jung
CDU/CSU
Zunächst: Ich habe Ihre Meldung gesehen. Ich hätte Ihre Zwischenfrage auch zugelassen; ich wurde nur nicht gefragt. Es lag also nicht daran, dass ich sie nicht zugelassen habe. Zum Zweiten habe ich den Kollegen Fiedler nicht so verstanden, dass er vom Unternehmenssanktionsrecht gesprochen hat. Sie haben von Umweltstraftaten gesprochen. Wir können gerne im Protokoll nachschauen, ob ich das richtig verstanden habe. Für Umweltstraftaten gibt es ein Strafrecht. Auf der einen Seite ist er davon ausgegangen, dass härtere Strafen helfen. Auf der anderen Seite ist er davon ausgegangen, dass sie nichts bringen. Nur das habe ich zitiert. Da können Sie anderer Auffassung sein; aber das hat er genau so gesagt in der Debatte. Zum Dritten wird die Behauptung, dass wir in die Strafzumessung eingreifen würden nicht richtiger, wenn man sie wiederholt. Kein Teil unseres Antrages gibt Vorgaben für die Strafzumessung. Wir erleben in den letzten Wochen ein völlig neues Strafdelikt oder ein Phänomen. Da muss es dem Gesetzgeber doch gestattet sein, darauf zu reagieren und andere Strafrahmen festzulegen. Nichts anderes macht unser Antrag. Da Sie jetzt zum zweiten Mal den § 47 StGB zitieren: Das ist ja völlig richtig. Das ist uns doch auch klar. Genau deshalb haben wir drei Monate angesetzt. Es entstehen Fälle, in denen der Tatbestand erfüllt ist, aber eine Freiheitsstrafe möglicherweise doch nicht gerechtfertigt ist. Damit lassen wir den Gerichten doch die Flexibilität. Wir haben intern ernsthaft darüber diskutiert, auf sechs Monate zu gehen – dann greift der § 47 StGB nämlich nicht mehr –, haben aber bewusst die drei Monate gewählt, weil wir damit am Ende auch noch die Fälle, in denen es nicht gerechtfertigt ist, ausschließen können. Deswegen ist es am Ende ein Kompromiss und eine flexible, pragmatische Lösung gewesen. Deswegen verstehe ich nicht, warum Sie sich dem nicht anschließen können. Katrin Helling-Plahr hat jetzt das Wort: für die FDP-Fraktion.
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Christian Dürr FDP
Christian
Dürr
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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich natürlich auch zuerst mal bedanken, insbesondere bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundestagsverwaltung, beim Ausschusssekretariat, beim Bundesministerium, bei den Abgeordnetenbüros, bei den Berichterstattern und insbesondere auch bei denjenigen, die bis in die Nacht durchgehalten haben, nämlich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Bundestagsfraktionen. Ich glaube, das ist einen Applaus wert, weil es wirklich fantastisch ist, was sie geleistet haben. Ich mache das jetzt zum ersten Mal im Bundestag und war wirklich begeistert. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Schwarz, was Sie mit diesem Bundeshaushalt machen, ist: Sie schreiben das fort, was die Große Koalition in der letzten Wahlperiode gemacht hat. Sie tun bei den Investitionen in Wahrheit nichts. Sie entlasten die Menschen in Deutschland nicht, obwohl wir Rekordsteuereinnahmen haben, meine Damen und Herren. Wenn wir über Strukturen des Bundeshaushaltes reden: Der Zuschuss an die gesetzliche Rentenversicherung steigt in diesem Haushaltsjahr erneut und wird in dieser Wahlperiode, im Jahr 2020, die Schallmauer von 100 Milliarden Euro durchbrechen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland ist das zweitälteste Land der Welt nach Japan. Wenn meine Kinder in das Erwerbsleben einsteigen, wird jedes von ihnen eine Rentnerin oder einen Rentner finanzieren müssen. Bereits im Jahr 2024, in der kommenden Wahlperiode, werden die Einnahmen aus der Einkommensteuer erstmals in der Geschichte unseres Landes zurückgehen. Deutschland hat eine handfeste demografische Krise, meine Damen und Herren. Und was tun Sie? Nach der Rente mit 63 und der Mütterrente I soll jetzt die Mütterrente II kommen. Anstatt sich strategisch um die Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt zu kümmern, lähmen Sie Deutschland und Europa mit einem irrationalen Asylstreit, aus Angst vor rechten Idioten, meine Damen und Herren. Das, was Sie tun, ist fahrlässig – nichts anderes. Wenn man sich anschaut, wie die Migration nach Deutschland zurzeit ist, dann sieht man: Das Verhältnis zwischen den Einwanderern in den Arbeitsmarkt, die wir so händeringend brauchen, und Flüchtlingen und Asylbewerbern beträgt zurzeit 1 : 10. Es ist leichter, über das Asylsystem nach Deutschland zu kommen als über reguläre Einwanderung. Deutschland ist ein Einwanderungsland. Ich bitte die CDU/CSU, das endlich anzuerkennen. Machen Sie den Weg frei, meine Damen und Herren! Wir wollen ein modernes, weltoffenes Einwanderungsland sein, weil wir es brauchen. Das sollten wir endlich in diesem Hause beschließen. Ein Einwanderungsgesetz für unser Land, das wäre die Aufgabe der Großkoalitionäre an dieser Stelle. – Ja, der hilft wenig, weil Sie sich nicht an den Koalitionsvertrag halten, Stichwort: Asylstreit zwischen Merkel und Seehofer. Sie halten sich doch selber nicht dran, Herr Kahrs! Dieser Koalitionsvertrag ist nicht das Papier wert, auf dem er steht. Das ist die Wahrheit bei Union und SPD! Ich will Ihnen ein zweites Beispiel nennen. Sie beschließen mit diesem Haushalt die Anschaffung einer bewaffnungsfertigen Drohne für die Bundeswehr. Aber auf was Sie verzichten, das ist die Anschaffung der Bewaffnung. Was muss jetzt der Steuerzahler in Deutschland denken? Jetzt haben wir also eine Drohne im Bestand der Bundeswehr, die wir für ihren Zweck gar nicht nutzen können, meine Damen und Herren. Union und SPD sind sich an dieser Stelle nicht einig. Das reiht sich ein in die zahlreichen Waffensysteme der Bundeswehr, die aus technischen Gründen nicht zur Verfügung stehen. Das ist irrational, meine Damen und Herren, was die Große Koalition an dieser Stelle tut. Ich kenne ja die Ausreden: Wir müssen noch mal darüber diskutieren, wir wollen noch einmal sondieren und ethische Debatten führen. 2014 hat es eine Anhörung im Deutschen Bundestag gegeben. Es liegen zwei Dutzend Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes vor. Ich fordere Sie auf: Beenden Sie dieses schräge Hase-und-Igel-Spiel der Großkoalitionäre. Auch hier gilt: Handeln Sie endlich, anstatt zu reden, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dürr, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Herrn Hilse von der AfD-Fraktion? Ja, aber gerne. Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis: … wir sind kein Einwanderungsland. Wir können es nach unserer Größe und wir können es wegen unserer dichten Besiedlung nicht sein. Das Zitat stammt von Hans-Dietrich Genscher. Er hat es schon vor ein paar Jahren gesagt. Es ist kein Zitat von vor ein paar Jahren! Ich kläre Sie gleich auf. Das ist schon eine Weile her, natürlich. – Ich wollte jetzt bloß fragen, ob Sie denken, dass sich die Besiedlungsdichte und die Größe unseres Landes verändert haben; denn nach Ihrer Meinung sind wir jetzt ja quasi ein Einwanderungsland. Wissen Sie, Herr Kollege: Der Unterschied zwischen der demokratischen Mitte hier und Ihnen, ist, dass wir dazulernen können. Die Freien Demokraten haben im Jahr 1986 das erste Einwanderungsgesetz in den Deutschen Bundestag eingebracht. Von Ihnen brauchen wir keine Hilfestellungen an dieser Stelle, um das in aller Klarheit zu sagen; ganz im Gegenteil. Ich will einen dritten Punkt ansprechen. Sie schaffen mit diesem Bundeshaushalt 15 700 zusätzliche Stellen in der Bundesverwaltung. Das wird uns in jedem Haushalt 2,8 Milliarden Euro kosten. Aber strukturelle Verbesserungen bei der Organisation, Vermeidung von Doppelzuständigkeiten, eine echte Digitalisierung unseres Staates? Fehlanzeige! Ich will gar nicht, dass Sie nur unsere Kritik an dieser Stelle hören. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten viel über den Internationalen Währungsfonds gesprochen. Gestern hat er in einem Jahresgutachten der Bundesrepublik Deutschland Folgendes bescheinigt: Deutschland steht vor großen Herausforderungen, insbesondere bei seinem Wachstumspotenzial, weil es sinkt. Deutschland braucht nicht nur mehr öffentliche, sondern vor allen Dingen mehr private Investitionen. Der IWF sagt: Wir brauchen ein besseres Umfeld für Unternehmertum; denn Unternehmensgründungen sind in Deutschland rückläufig. Wir brauchen eine bessere Gründungsfinanzierung, eine unkomplizierte digitale Verwaltung, mehr Bildungsinvestitionen und eine geringere Abgabenbelastung. Meine Damen und Herren, der IWF fordert die Umsetzung des Wahlprogramms der Freien Demokraten, um das in aller Klarheit zu sagen. Handeln Sie, anstatt zu reden! Das gilt auch hier. Kommen Sie bitte zum Schluss. Frau Präsidentin, ich komme tatsächlich zum Schluss. Tatsächlich, ja! Liebe Kollegen, Frau Nahles hat als Fraktionsvorsitzende der SPD hier am Mittwoch gesagt: Das war jetzt eigentlich kein schlechter Start in eine Regierung. – Doch! Vielen Dank, Christian Dürr. – Nächster Redner: Dr. André Berghegger für die CDU/CSU-Fraktion.
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Bernd Riexinger DIE LINKE
Bernd
Riexinger
DIE LINKE
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir erleben den größten wirtschaftlichen Einbruch der letzten Jahrzehnte. Bereits jetzt sind die sozialen Kosten hoch. Millionen Menschen haben Lohneinbußen, vor allem die, die ohnehin am wenigsten verdienen. Viele bangen um ihre Arbeitsplätze oder fürchten um ihre Existenz, während andere immer noch Dividenden in Milliardenhöhe kassieren. Wir dürfen uns nicht die Illusion machen, dass auf den Einbruch der schnelle Aufschwung folgen wird. Wenn wir Beschäftigung sichern, das finanzielle Ausbluten der Kommunen verhindern wollen, wenn wir Betriebsschließungen und Massenentlassungen vermeiden wollen, brauchen wir schnell ein anspruchsvolles Investitionsprogramm. Ich verstehe nicht, warum dafür nicht längst Pläne ausgearbeitet und öffentlich diskutiert werden. Stattdessen wird gezögert, gezaudert oder von der CDU sogar gebremst. – Ja, Sie bremsen: Ihr Fraktionsvorsitzender. – Wir brauchen aber dringend einen Schutzschirm für die Kommunen, denen die Einnahmen wegbrechen. Es ist katastrophal, wenn jetzt öffentliche Investitionen zurückgefahren oder Ausschreibungen zurückgezogen werden. 36 Milliarden Euro in diesem Jahr und 25 Milliarden Euro im nächsten für die Kommunen ist an der richtigen Stelle investiertes Geld: für längst fällige Investitionen in Schulen, Kitas und für den Aufbau der Infrastruktur. Es ist inzwischen hoffentlich auch in diesem Haus den meisten klar geworden, dass es falsch war, Krankenhäuser zu schließen, zu privatisieren und den Pflegenotstand herbeizusparen. Deshalb beantragen wir, dass der Bund 10 Milliarden Euro pro Jahr in Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen investiert, für mehr Personal, bessere Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen. Loben und Klatschen reichen nicht mehr aus. Aber das Falscheste wäre es, nach der Krise einfach wieder den alten Zustand herstellen zu wollen, so, als gäbe es keine Klimakrise, keine Armut, keine Niedriglöhne, kein Auseinanderklaffen von Arm und Reich und keinen Notstand an bezahlbaren Wohnungen. „Krise“ heißt auch: Wendepunkt. Wir brauchen dringend eine Richtungsänderung hin zu sozialer Gerechtigkeit, zu nachhaltigem, emissionsfreiem Wirtschaften, zu gerechter Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Wir brauchen einen sozialökologischen Systemwechsel, einen linken Green New Deal, der die Menschen nicht vor die Entscheidung stellt: Verliere ich meinen Arbeitsplatz, oder verlieren meine Kinder ihre Zukunft? Deshalb wollen wir eine nachhaltige Verkehrswende, den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, der Bahn, der Fahrradwege, für Klimaschutz und sichere Arbeitsplätze. Wir brauchen einen Industriefonds, der die sozialökologische Transformation unterstützt. Kurzum: Wir wollen ein Investitionsprogramm, das sozial, nachhaltig und gerecht ist. Was wir nicht brauchen, sind staatliche Hilfen für Konzerne, die Dividende auszahlen. Was wir nicht brauchen, sind Hilfen für Unternehmen, die keine Tarifverträge kennen, Arbeitsplätze abbauen und die Mitbestimmung mit Füßen treten. Das brauchen wir nicht. Keine Frage: Dieses ambitionierte und mutige Investitionsprogramm kostet Geld. Doch wer jetzt an Investitionen spart, wird das später teuer bezahlen. Und wäre es nicht höchste Zeit, dass endlich einmal die zur Finanzierung herangezogen werden, die die letzten Jahrzehnte unermesslichen Reichtum angehäuft haben? Kommen Sie bitte zum Ende, Herr Kollege. Für viele von Ihnen ist das unvorstellbar radikal, für uns ist das eine Selbstverständlichkeit. Vielen Dank. Der nächste Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Dr. Matthias Heider.
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Dr.
Dr. Dietlind Tiemann CDU/CSU
Dietlind
Tiemann
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Bull-Bischoff, liebe Frau Stumpp, ich muss an dieser Stelle etwas vorwegschicken: Wir leben den Föderalismus, und wir dürfen nicht immer versuchen, ihn auszuhebeln, wenn es uns vielleicht gerade passt. In erster Linie sind die Länder für Bildung zuständig. Die Länder sind auch dafür verantwortlich, dass die Kommunen entsprechend ausgestattet sind, damit sie ihre Aufgaben auch wahrnehmen können. Darüber hinaus möchte ich Ihnen folgende Gedanken darlegen: Immer mehr Menschen in Deutschland sind leider für populistische Parolen empfänglich. Das kann man so im Raum stehen lassen; denn es ist natürlich nicht aus der Luft gegriffen. Vielmehr macht das die Shell-Jugendstudie deutlich. Die Erhebung, die seit 1953 durchgeführt wird, zeigt, auf welche Weise junge Menschen mit Herausforderungen umgehen, welche Verhaltensweisen, Einstellungen und Mentalitäten sie herausbilden. Wir haben hierbei eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung; das wird ganz deutlich. Ich zitiere aus den Kernergebnissen der Shell-Jugendstudie aus dem Jahr 2019: In der Shell-Jugendstudie wurden die Jugendlichen auch zu ihrer Position zu bestimmten populistischen Aussagen befragt. Wir alle hier merken, dass es wichtig ist, sich damit auseinanderzusetzen, dass 39 Prozent der Jugendlichen eher weltoffen orientiert sind, während 33 Prozent eher populistisch orientiert sind. 28 Prozent sind nicht eindeutig positioniert. Das macht zwar deutlich, wo die Sorgen und Probleme liegen, zeigt aber auch, dass sich der überwiegende Teil der Jugendlichen weltoffen orientiert. Nach wie vor besteht ein starker Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft; auch das macht die Studie noch einmal deutlich. Genau dort setzen wir an: Wir wollen die politische und zivilgesellschaftliche Bildung in Elternhäusern, Schulen und im Ehrenamt stärken. Nur so ermöglichen wir es den Kindern und Jugendlichen, kritisches Denken und Hinterfragen von vermeintlichen Fakten zu erlernen. Nur so machen wir sie möglichst immun gegen Verschwörungstheorien. Das sollte unsere Aufgabe sein; darauf sollten wir unser Augenmerk richten. Soziale Herkunft und Lebensort haben allerdings noch immer einen zu großen Einfluss auf den Bildungserfolg. Das wird auch gar nicht geleugnet, aber es geht darum, die Verantwortung auch dort zu suchen, wo sie liegt. Wir machen mit dem, was wir heute zum Beschluss vorlegen, einmal mehr deutlich, dass es uns als Bund darum geht, den Föderalismus zu leben, aber an einigen Stellen auch Verantwortung zu übernehmen, indem wir sagen: Ja, wir gehen Hand in Hand gemeinsam mit den Ländern. Das, was wir Ihnen heute zum Beschluss vorlegen, soll sich an der Realität orientieren. Wir haben die Unterstützung für begabte Kinder und Jugendliche auf den Weg gebracht. Jetzt ist es unsere Aufgabe, den Kindern und Jugendlichen zu helfen, die insbesondere in den Schulen ihre Bildung erfahren, in denen wir Nachholbedarf sehen. Leider arbeiten dort an verschiedenen Stellen noch immer Quer- und Seiteneinsteiger, die nicht unbedingt die entsprechende Qualifikation haben. Auch darauf muss ein Augenmerk gelegt werden, aber bitte schön von den Ländern. Das föderale System mit seiner Initiative „Schule macht stark“ soll Abhilfe schaffen. Der Bund bringt sich über einen Zeitraum von zehn Jahren mit insgesamt 125 Millionen Euro ein, um dieses gemeinsame Aufgabengebiet zu bewältigen. Es ist ein nachhaltiges Programm; denn es ist doch ganz bemerkenswert, wie viel Geld hier über zehn Jahre in die Hand genommen wird, und zwar zugunsten der Bildung und zugunsten der Länder, um dort Unterstützung zu leisten. Das heißt aber auch, dass die Länder das Geld auch im Bewusstsein ihrer Verantwortung verwenden müssen. Wir schließen an vorhandene Programme an, die in den 16 Bundesländern bereits existieren. Wir wollen helfen, den manchmal hier und da vorhandenen Flickenteppich in der Bildungspolitik damit ein bisschen einheitlicher zu gestalten. Liebe Frau Völlers von der SPD, herzlichen Dank für unsere tolle Zusammenarbeit. Ich glaube, wir freuen uns alle über den baldigen Start und über die Auswahl der 200 Schulen für die Modellphase. Kein Kind und kein Jugendlicher darf aufgrund seiner oder ihrer Herkunft, des Wohnortes oder sozialer Rahmenbedingungen strukturell benachteiligt werden. Wir handeln und beschließen heute „Schule macht stark“. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Tiemann. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Oliver Kaczmarek, SPD-Fraktion.
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Heidrun Bluhm DIE LINKE
Heidrun
Bluhm
DIE LINKE
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Herr Minister, der aktuelle Etatentwurf steht unter dem Motto – ich zitiere – „Wirtschafts-, energie- und forschungspolitische Schwerpunktaufgaben stärken, zusätzliche Innovationsanreize schaffen und neue Außenwirtschaftliche Schwerpunkte setzen“. Schön! Das finden wir auch. Wo finden wir die aber? Helfen Sie uns, Herr Minister! Die Linke findet hier nicht viel Neues oder Innovatives. Auch Ihre Rede eben hat im Vergleich zu den letzten Jahren nicht viel Neues verlauten lassen. Wirtschaft ist für uns – für meine Fraktion, für mich und vor allem auch für viele Bürgerinnen und Bürger – die Voraussetzung für Soziales, für Kultur und für vieles mehr im Leben. Wir arbeiten, um zu leben, und nicht, um einige wenige reich zu machen. Oder gar: Wir leben, um zu arbeiten, um die Reichen noch reicher zu machen? Sie haben eben gesagt, Herr Minister: Löhne und Renten steigen kräftig. – Ja, richtig – aber im Durchschnitt, nicht bei den prekär Beschäftigten und auch nicht bei den Minijobbern. Für die diesbezügliche soziale Schieflage im Land ist der Wirtschaftsetat daher auch wesentlich verantwortlich, zum Beispiel mit einer massiven Stärkung der KMU in den strukturschwachen Regionen oder mit dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM, dessen Etatgröße in diesem Jahr wieder nicht steigt. Wenigstens haben Sie diesmal nicht den Rotstift angesetzt; das gibt einem ja schon mal ein bisschen Hoffnung. Dabei ist der Osten im Vergleich zu ganz Deutschland in seiner Entwicklung immer noch weit zurück; wir alle wissen das, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ähnlich ist es beim Thema „ländliche Räume“. Hier gibt es trotz aller Strukturprobleme Chancen für Innovationen, wenn die positiven Effekte der Digitalisierung endlich auch vor Ort zu wirtschaftlich neuer Wertschöpfung führen würden. Statt dies auf den Weg zu bringen, streitet man sich aber mit der Landwirtschaftsministerin über die Zugriffsrechte im Hinblick auf die Förderung von Start-ups im ländlichen Raum. Sie macht nämlich parallel dazu jetzt auch etwas. Ich bin gespannt, wie hier die Abstimmung verläuft. Ehrlich gesagt, das kann man den Menschen kaum noch erklären. Ich finde auch, dass man das den Menschen nicht mehr zumuten kann. Gerade im ländlichen Raum fühlen sich die Menschen seit Jahren abgehängt, und sie fühlen sich vernachlässigt. So ist auch der Rechtsruck im Land zu erklären. Meine Damen und Herren, sind die Anzeichen nicht bereits weithin wahrnehmbar, dass in Ostdeutschland große Bevölkerungsgruppen von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben faktisch abgekoppelt sind? Obwohl die Ausstattung des Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer im Einzelplan diesmal nicht stagniert, sondern von 2,7 auf gut 4,5 Millionen Euro angehoben wurde, ist von einer aktiven Regionalpolitik bisher wenig zu spüren. Herr Kollege Hirte – jetzt ist er gerade weg; wir haben gestern Abend darüber gesprochen – weiß noch gar nicht, dass tatsächlich mehr Geld in seinem Etat ankommen wird. Hier wie überall im ländlichen Raum muss die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse endlich tatsächlich hergestellt werden, so wie Die Linke es seit Jahrzehnten fordert. Da müssen die 4,5 Millionen Euro wirklich ankommen. Das ist ein wichtiger Beitrag, vor allem zur Stärkung der Demokratie, und gleichzeitig ein Ansatz, um autoritären Verführungen zu widerstehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch energiepolitisch bringt der Haushalt des Ministeriums wenig Neues. Er bleibt eigentlich im Fahrwasser des Altbekannten, zum Beispiel bezüglich der selbstgesteckten Klimaziele. Im Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“ gehen die Experten von Folgendem aus – ich zitiere –: Um das Klimaziel für 2030 noch zu erreichen, muss Deutschland seine CO 2 -Emissionen dreimal stärker senken als in den letzten 18 Jahren. Das ist vergleichbar mit der Treibhausgasreduktion, die mit der Deindustrialisierung der DDR erfolgt ist. Daran können Sie erkennen, welche Anforderungen an uns gestellt werden und wie wenig Sie bereit sind, diesen Anforderungen ins Auge zu sehen. Schließlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte das Wirtschaftsministerium auch wirtschaftliche Schwerpunkte im Außenhandel setzen. Wie das mit den geplanten Mitteln erreicht werden soll, erschließt sich mir nicht. Wie schon im Umweltetat werden die Mittel für die internationale Zusammenarbeit auch in diesem Haushalt zusammengekürzt. So kann man Fluchtursachen aus unserer Sicht nicht bekämpfen. Stattdessen gibt es einen Posten mit dem nebulösen Titel „Erschließung von Auslandsmärkten“, der sich bei genauem Hinsehen als Begleitprogramm für Messeteilnahmen darstellt. Dafür gibt es sogar mehr Geld. Hier könnte man ganz anders handeln, zum Beispiel über ein finanzkräftiges Fairtrade-Programm, das gleichzeitig die landwirtschaftlichen Strukturen in den Herkunftsländern erhält oder auch wiederherstellt, dort Arbeit schafft und einen Beitrag zur Verbesserung der Handelsbeziehungen leistet. Nichts davon steckt in Ihrem Haushaltsplan. Aus meiner Sicht muss die Koalition da deutlich nachjustieren. Dieser Etat muss mehr sein als eine versteckte Förderung von staatsnahen Monopolisten, zum Beispiel in der Luft- und Raumfahrt, die Herr Minister heute wieder angekündigt hat. Auch deshalb solidarisiert sich die Linke mit den Aktivistinnen und Aktivisten im Hambacher Forst. Das Vorgehen dort ist ein weiteres Beispiel für eine rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik, eine Wirtschaftspolitik des 19. Jahrhunderts. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Nächster Redner ist Oliver Krischer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Peter Aumer CDU/CSU
Peter
Aumer
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Man müsse auf alle Szenarien vorbereitet sein, stellte gestern EU-Kommissionspräsident Juncker im Europäischen Parlament fest. Nach der gestrigen Entscheidung im Parlament ist die Wahrscheinlichkeit eines Austritts Großbritanniens aus der EU ohne eine Austrittsvereinbarung größer geworden. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass die Bundesregierung heute den Entwurf eines Gesetzes zu Übergangsregelungen in den Bereichen Arbeit, Soziales, Bildung und Gesundheit einbringt. Das Gesetz wird nur wirksam, wenn es zu einem ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der EU kommt. Sehr geehrter Herr Springer, wir akzeptieren selbstverständlich die Entscheidung der Briten, austreten zu wollen. Aber wir haben die Aufgabe, das für die Menschen, die in Großbritannien oder in Deutschland leben und beispielsweise in die Rentenversicherung eingezahlt haben, verantwortungsvoll zu regeln. Deswegen ist es notwendig, dass hier eine Regelung auf den Weg gebracht wird und wir Rechtssicherheit für die Menschen gewährleisten. Mit der aktuellen Debatte um den Brexit wird überdeutlich, wie stark und intensiv die Europäische Union zusammengewachsen ist und wie stark sich die Vorzüge der EU auf das Leben der Menschen auswirken. In den letzten 46 Jahren, seit Großbritannien zur EU gehört, sind viele gesetzliche Bestimmungen auf den Weg gebracht worden. Sie betreffen auch die grenzüberschreitende Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. All diese Regelungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, zeigen die Kraft unseres geeinten Europas. Der Brexit, liebe Kollegen, zerteilt alles. Deswegen, Herr Springer, kämpfen wir für den Verbleib Großbritanniens. Wir akzeptieren die Entscheidung, aber kämpfen für den Verbleib. Das ist die Herausforderung, die wir als überzeugte Europäer annehmen. Mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU entfallen die Regelungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Aufgrund der aktuell schwierigen Gemengelage muss man auf alle Szenarien vorbereitet sein. Deshalb ist es wichtig und notwendig, den Deutschen in Großbritannien und den Briten in Deutschland im Falle eines No-Deal Rechtssicherheit zu gewähren. Betroffen von dem Gesetz sind unter anderem Versicherte und Rentner, die vor dem Brexit deutsche und britische Versicherungszeiten aufweisen. Die Übergangsregelungen sehen unter anderem vor, dass das europäische Sozialrecht im Verhältnis zu Großbritannien bei diesen Personen grundsätzlich weiter angewandt wird. Wer beispielsweise vor dem Austritt eine Rente der Deutschen Rentenversicherung bezogen hat, erhält sie auch weiterhin. Das gilt auch für BAföG-Empfänger, für Studierende, für Auszubildende, für Schüler; denn es darf hier nicht zu einem Bruch der Ausbildungs- und Bildungsbiografien kommen. Das britische Ministerium für den Austritt aus der EU hat ebenfalls ein Strategiepapier vorgelegt – auch das verschweigt die AfD –, das sich mit rechtlichen Regelungen für EU-Bürger in Großbritannien und britische Staatsangehörige in der EU befasst. Dieses Strategiepapier sieht eine Verpflichtung Großbritanniens vor, einen Großteil der Regelungen des Austrittabkommens zu übernehmen, wenn es zum ungeregelten Austritt kommen sollte. Geregelt würde beispielsweise der Zugang zur Gesundheitsversorgung, zu Bildungseinrichtungen und zu Sozialleistungen auch für deutsche Staatsbürger, Herr Springer. Obwohl die Verhandlungen schwierig sein werden, ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass den Menschen keine persönlichen Nachteile entstehen. Wir, die Politiker in Deutschland und Brüssel, aber auch in Großbritannien, müssen Rechtssicherheit für die Menschen schaffen. Sehr geehrte Frau Krellmann, ein EU-Bashing, wie Sie es in Ihrer Rede betrieben haben, hilft nicht, das Vertrauen der Menschen in die Europäische Union zu stärken. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir können das Vertrauen der Menschen in die EU, in ihre Staaten und in die Politik nur stärken, wenn wir Vertrauen schaffen und wenn wir Klarheit und Wahrheit – da muss ich noch mal auf Sie zu sprechen kommen, Herr Springer – in politische Entscheidungen einfließen lassen. Es ist ja klar geregelt, dass die vorliegenden Bestimmungen nur kurzfristig gelten sollen. Wenn es zum kalten Brexit kommen sollte, dann muss es selbstverständlich langfristige Regelungen zwischen Deutschland und Großbritannien geben. Das ist unser Ziel. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist uns wichtig, dass wir in der Europäischen Union eine Regelung finden, mit der die Briten in der Zukunft sehr nah an der Europäischen Union bleiben. Das Projekt Europa überzeugt die Bürger nur durch enge Zusammenarbeit, durch gelebte Solidarität, durch aufgezeigte Verlässlichkeit und durch maximale Vertrauensbildung. Dadurch ist Europa in den letzten Jahrzehnten zum Erfolgsfaktor geworden, und deswegen wird Europa auch Zukunftsmodell sein. Daran müssen wir arbeiten, nach dem Motto der EU: Einheit in Vielfalt. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Kollege Aumer. – Damit schließe ich die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 19/7376 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Es gibt keine anderen Vorschläge. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
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Marian Wendt CDU/CSU
Marian
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Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wir leben heute in einem freien Europa, ein freies Europa, welches vor 30 Jahren hart erkämpft und hart erarbeitet wurde – hart erarbeitet vor allem von denjenigen, die 1989 auf die Straße gingen, die Reformen, freie Wahlen und Reisefreiheit forderten. Der Wunsch nach Freiheit und einem Leben im geeinten Deutschland war für die Menschen größer als die Angst vor der Gewalt und der Stasi, die Angst vor dem Unterdrückungsapparat, den Ihre Vorgänger stützten, denen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, die Stange hielten. Es war nämlich die SED mit ihrem alleinigen Führungsanspruch in der ehemaligen DDR, die schuld am wirtschaftlichen Kollaps des Unrechtsstaates war. Das Ende kennen wir alle: Es war ein glückliches. Die DDR lag zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung wirtschaftlich am Boden. Die Sozialistische Einheitspartei benannte sich in „PDS“ und später in „Partei Die Linke“ um. Heute sitzen Sie als Erben hier im Bundestag, fordern eine Ostquote und präsentieren sich als vermeintliches Sprachrohr der östlichen Länder. Schämen Sie sich eigentlich nicht? Meine Damen und Herren, es klingt so absurd, als wenn der Feuerwehrmann seinen selbstgelegten Brand löscht, um sich nachher als großer Held feiern zu lassen. Aus meiner Sicht ist das einfach nur charakterlos von Ihnen. Jahrelang haben Sie Verantwortung für den Osten unseres Landes getragen, haben die Wirtschaft ruiniert und dafür gesorgt, dass sich heute einige dort abgehängt fühlen. Sie haben die Menschen kleingeredet und ihnen das Selbstbewusstsein genommen. Nun wollen Sie sich als Retter der Ostdeutschen feiern lassen und fordern eine Quote in Bundesbehörden. Aber ich sage Ihnen eines: Wir brauchen Ihre Heuchelei nicht. Die Menschen brauchen Verantwortliche in Politik, Regierung und Verwaltung, die auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung angekommen sind und die die Regeln des Rechtsstaates achten und verstehen. Bei Ihnen habe ich da nämlich Zweifel. Sie legen uns einen Antrag vor, in dem Sie eine Ostquote für Bundesbehörden fordern. Dabei beziehen Sie sich auf Artikel 36 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Haben Sie diesen Absatz und den ganzen Artikel überhaupt vollständig gelesen? Das Grundgesetz spricht nämlich von Länderquoten und nicht von Quoten nach Himmelsrichtungen. Ihr ganzer Antrag ist so schludrig und juristisch widersinnig ausgearbeitet, dass ich Ihnen nur folgenden Tipp geben kann: Ziehen Sie Ihren Antrag zurück und schauen Sie sich die Rechtsquelle richtig an, bevor Sie hier so einen Radau machen! Aber sei’s drum. Mit Ihrem Antrag stigmatisieren Sie wieder einmal die Menschen, die Ihre Vorgänger 40 Jahre lang kleingehalten haben. Wir brauchen aber keine Ostquoten in Bundesbehörden, welche wieder zu Stigmatisierungen führen. Wir setzen im öffentlichen Dienst auf Eignung, Befähigung, fachliche Leistung. Diese Bestenauslese können Sie übrigens auch im Grundgesetz – in Artikel 33 Absatz 2 – nachlesen. Mitleidsquoten brauchen die Menschen in Nord-, Süd-, Ost- oder Westdeutschland nicht. Meine Damen und Herren, wir wollen, dass die Mitarbeiter der Behörden des Bundes und deren nachgeordneter Verwaltungen so bunt sind wie unser Land. Deshalb haben wir in den letzten Jahren sehr erfolgreich neue Behörden oder Zweigstellen nicht nur in den Metropolen, sondern auch im ländlichen Raum Ostdeutschlands angesiedelt. Hier darf ich beispielsweise das BSI in Freital, das THW-Ausbildungszentrum in Brandenburg an der Havel, die Cyberagentur in meinem Wahlkreis in der Region Leipzig/Halle oder auch das Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau erwähnen. Wir reden nicht nur, wir machen es einfach. Niemand braucht Ratschläge der SED-Erben, die 40 Jahre lang meine Heimat heruntergewirtschaftet haben. Und es braucht schon gar nicht einen Bodo Ramelow in Thüringen, der das Unrecht in der DDR immer noch nicht anerkennt. Wir stehen für einen starken, leistungsfähigen Rechtsstaat, dessen Behörden in allen Ländern stark präsent sind und in denen die Menschen motiviert und engagiert arbeiten, ohne dass sie durch Quoten dazu gezwungen werden. Meine Damen und Herren, aus diesen Gründen lehnen wir den Antrag konsequenterweise ab. Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Dr. Karamba Diaby das Wort.
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Alexander Ulrich DIE LINKE
Alexander
Ulrich
DIE LINKE
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gremmels, von Ihrer Rede könnte ich vieles unterschreiben, aber den letzten Satz natürlich nicht: dass die SPD die Partei der Arbeit ist. Da hätte man Agenda 2010, Hartz IV, prekäre Beschäftigung nicht zugelassen. Das ist das Gegenteil von einer Partei der Arbeit. Die heutige Aktuelle Stunde auf Antrag der AfD entwickelt sich zum Rohrkrepierer. Wenn sich die AfD wirklich Gedanken über die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie machen würde, dann dürfte sie nicht den menschengemachten Klimawandel leugnen. Denn wer das leugnet und damit allem Veränderungsbedarf eine Absage erteilt, der gefährdet Hunderttausende Arbeitsplätze in Deutschland. Deshalb ist das etwas, was Ihnen überhaupt niemand abnimmt. Die AfD ist bei den Automobilbauern sowieso nicht gern gesehen. Ich bin IG-Metaller, früher war ich Opel-Betriebsrat. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass der Faschist Björn Höcke, als er bei einer Demo in Eisenach war, von den Beschäftigten von Opel vertrieben wurde. Das war ein Richtsignal. Die Beschäftigten von Opel, die Angst um ihre Arbeitsplätze haben, glauben keiner AfD und keinem Höcke. Aber richtig ist, dass in der Automobilindustrie aufgrund der veränderten Antriebstechnologien rund 100 000 Arbeitsplätze wegfallen. Ein Batterieauto hat nicht so viel Wertschöpfung wie ein Verbrennungsmotor. Auch die IG Metall sagt: Da werden wohl 100 000 Arbeitsplätze wegfallen; aber es werden auch neue entstehen. Deshalb ist das die entscheidende Frage. Volkswirtschaftlich – da bin ich mir sicher – werden durch diese Veränderungen keine Arbeitsplätze wegfallen. Wenn wir die Energie aus erneuerbaren Energiequellen gewinnen, die Windkraft wieder ausbauen und noch mehr Batteriezellenfertigungen nach Deutschland holen, werden wir am Schluss eine positive Arbeitsplatzbilanz haben. Das ist wahr, aber dafür muss noch einiges getan werden. Ich sage deshalb ganz deutlich: Die Bundesregierung muss endlich mit ihrem Dogma der schwarzen Null und der Schuldenbremse aufhören. Denn: Wenn wir das alles fördern wollen, wenn wir die Chancen erkennen wollen, muss der Staat eine aktive Industriepolitik betreiben und deutlich in diese Mobilitätswende investieren. Das wäre richtig; das muss getan werden. Da haben Herr Altmaier und sein Ministerium noch viel Luft nach oben. Wir werden – auch das sage ich ganz deutlich – Regionen haben, die davon profitieren, möglicherweise auch durch die Tesla-Ansiedlung. Wir werden aber auch Regionen haben, die unter diesen Veränderungen leiden. Herr Luksic, ich gebe Ihnen recht, dass auch das Saarland stark von diesen Veränderungen betroffen ist. Ich komme aus der Westpfalz. Wir sind nebendran, wir sind auch stark davon betroffen. Es wird so sein wie bei der Kohle: Wir werden Strukturprobleme in einigen Regionen bekommen. Der Staat muss diese Regionen – ähnlich wie beim Kohleausstieg – strukturpolitisch unterstützen, damit dieser Wandel auch gestaltbar ist. Die Menschen machen das alles mit. Auch die Arbeitnehmer machen das alles mit, wenn sie wissen: Sie sind nicht die Verlierer auf dieser Position. Herr Luksic, wo ich Ihnen widerspreche, ist Folgendes: Sie sprechen von der IG Metall; es mag sein, dass das so ist. Ich bin IG-Metaller, und ich war auch auf dem Gewerkschaftstag in Nürnberg vor wenigen Wochen. Die IG Metall bekennt sich eindeutig zu den Pariser Klimaschutzzielen und sagt ganz deutlich: Wir müssen das tun. – Sie steht auch dazu, dass bis 2030 jedes zweite Auto auf der Straße ein Elektroauto sein wird. Dazu bekennt sich die IG Metall. Gleichzeitig sagt sie aber: Der Staat muss eine aktive Industriepolitik betreiben. Der Staat muss deutlich mehr in die Infrastruktur investieren. Der Staat muss den Menschen helfen, durch Qualifizierung und Weiterbildung neue, andere Jobs auszuüben. – Auch wir als Linke bekennen uns dazu. Ja, der Vorschlag der IG Metall zum Transferkurzarbeitergeld muss umgesetzt werden, damit die Menschen Chancen haben, andere Arbeitsplätze zu bekommen. Diese Aktuelle Stunde wird zu einem Rohrkrepierer auch aufgrund der Entscheidung von Tesla von vor zwei Tagen. Überall wird darüber geredet. Das Saarland sagt: Schade, dass es nach Brandenburg geht; wir wären dran gewesen. – Auch in Rheinland-Pfalz hat man das gedacht. Jedes Bundesland sagt jetzt: Wir wären knapp auch dabei gewesen. – Jeder hat sich darum bemüht, dieses Tesla-Werk zu bekommen. Mir ist erst einmal egal, wo es hinkommt. Ich bin froh, dass diese Entscheidung zeigt: Auch batterieangetriebene Fahrzeuge können viele Tausende Arbeitsplätze schaffen. Hier in der Region wird von 10 000 geredet. Das ist ein tolles Signal an den Autostandort Deutschland. Tesla macht aber auch den deutschen Automobilherstellern klar: Sie haben jahrelang die Entwicklung verschlafen. Sie haben sich mehr um Schummelsoftware gekümmert, als den Trend im Bereich Elektromobilität vorzugeben. Aber ich sage auch ganz deutlich: Arbeitsplätze sind nur dann Arbeitsplätze, wenn es gute Arbeitsplätze sind. Tesla und Musk aus Kalifornien ist bekannt dafür, dass er zu den größten Gegnern der amerikanischen Gewerkschaften gehört. Er hat einen richtigen Kampf gegen amerikanische Gewerkschaften geführt. Ich rufe Tesla zu: Wenn Sie investieren wollen, wenn Sie politische Unterstützung bei der Ansiedlung haben wollen, dann gilt für uns ab dem ersten Tag: Tarifverträge, Mitbestimmung und Betriebsrat. Wer das nicht einführen will, ist bei uns nicht willkommen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Der nächste Redner: für Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Cem Özdemir.
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Lars Herrmann AfD
Lars
Herrmann
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung macht tatsächlich mal was Sinnvolles – halleluja! Aber trotzdem: Nichts scheint für die Bundesregierung so überraschend zu kommen wie Weihnachten und Silvester. Und so hat man auch hier ganze vier Jahre gebraucht, um eine eklatante Lücke im Asylgesetz zu erkennen und zu schließen, nämlich die bisher fehlende Mitwirkungspflicht von Flüchtlingen im Widerrufs- und Rücknahmeverfahren. Dazu muss man wissen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge per Gesetz dazu verpflichtet ist, eine sogenannte Regelüberprüfung durchzuführen, also zu überprüfen, ob die Schutz- bzw. Anerkennungsgründe bei Flüchtlingen tatsächlich auch noch vorliegen. Diese Prüfung hat spätestens nach drei Jahren zu erfolgen. Auf eine Kleine Anfrage meiner Fraktion hin wurde im Februar dieses Jahres bekannt, dass es im Jahr 2013 gerade einmal 369 solcher Regelüberprüfungen gegeben hat. Davon ist in sechs Fällen der Schutzgrund entfallen. Und bei den immerhin schon 1 293 durchgeführten Regelüberprüfungen im Jahr 2014 wurden gerade einmal acht Fälle festgestellt. Diese mageren Zahlen mögen nicht wirklich verwundern; schließlich gab es für die Betroffenen keinerlei Pflicht, an dieser Überprüfung mitzuwirken. Auch scheint in der Führungsetage des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge der gesetzliche Auftrag zur Überprüfung eher vernachlässigt worden zu sein, wie eine weitere Anfrage ergab. Demnach wurden von den Ausländerbehörden an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemeldete Sachverhalte über relevante Tatbestände, die die Einleitung eines solchen Widerrufsverfahrens veranlassen könnten, überhaupt gar nicht erfasst, also beispielsweise die Feststellung der Ausländerbehörden, dass ein anerkannter Flüchtling im mutmaßlichen Verfolgungsland einfach mal schnell Urlaub gemacht hat und sich bei dieser Gelegenheit einen neuen Pass des Staates hat ausstellen lassen, aus dem er noch wenige Monate zuvor angeblich fliehen musste. Solche Erkenntnisse gelten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als nicht erfassungswürdig. Vielmehr wurden die Mitarbeiter des BAMF dazu verpflichtet, die „Wir schaffen das“-Doktrin von Frau Merkel mit positiven Asylbescheiden umzusetzen. Die skandalösen Vorgänge in der BAMF-Außenstelle in Bremen geben da ein trauriges Beispiel. Aber nun soll ja alles besser werden, und der Prüfungsmaßstab lautet nicht mehr Masse statt Klasse, sondern Qualität vor Quantität – so zumindest der neue Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Herr Dr. Sommer. Übrigens, ich bin schon auf den nächsten Präsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gespannt; denn derzeit haben ja die Präsidenten von Bundesbehörden eine kürzere Halbwertszeit als SPD-Vorsitzende. Man kann sich die vielen Namen gar nicht merken. Leider spiegelt sich das Ansinnen von Herrn Dr. Sommer – Qualität statt Quantität – nicht in dem hier vorgelegten Gesetzentwurf wider. Die vorgeschlagenen Mitwirkungspflichten sind maximal ein erster zaghafter Schritt in die richtige Richtung, werden jedoch nicht ausreichen. So ist ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht weder straf- noch bußgeldbewehrt und der Verwaltungszwang nur eine Kannvorschrift. Auch bleibt es das große Geheimnis der Bundesregierung, warum man auf die erkennungsdienstlichen Maßnahmen zur Sicherung der Identität bei Personen verzichtet, die zum Zeitpunkt der Asylantragstellung das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und von denen daher noch keine Fingerabdrücke vorliegen. Gerade bei diesem Personenkreis wäre die Sicherung der Fingerabdrücke im Widerrufsverfahren dringend geboten und angezeigt. Hier verwehrt man sich selbst die Möglichkeit, nunmehr im Rücknahmeverfahren an neue Erkenntnisse mittels Fingerabdrücken zu gelangen und insbesondere mehrere oder gefälschte Identitäten aufzudecken. Zum Glück hat das wenigstens der Bundesrat erkannt und darauf hingewiesen. Und ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Normalerweise hätte jeder Streifenpolizist erkannt, dass das Blödsinn ist. Aber egal! Auch die weichgespülten und unbestimmten Begriffe im Gesetzentwurf lassen mich an der Ernsthaftigkeit des Anliegens zweifeln. Nur ein Beispiel aus Absatz 3a: Kommt der Ausländer den Mitwirkungspflichten nicht oder nicht vollständig nach, kann das Bundesamt nach Aktenlage entscheiden, sofern … der Ausländer die Mitwirkungspflichten ohne genügende Entschuldigung verletzt hat. Was ist denn eine „genügende Entschuldigung“? Wenn der Betroffene Flüchtling nicht zur Anhörung kommen kann, weil er gerade Urlaub im Irak oder in Syrien macht? Das ist ein bisschen seltsam und sehr unklar formuliert. Wir brauchen hier klare und deutliche Formulierungen. Ich hoffe auch, dass die Bundesregierung künftig ihre Reaktionszeit bei derartigen gesetzlichen Regelungslücken erheblich verkürzen wird. Meine Fraktion und ich stehen gern zur Verfügung, um hier hilfreich zur Hand zu gehen. Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss. Herzlichen Dank. Der nächste Redner ist der Kollege Helge Lindh, SPD-Fraktion.
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Matern von Marschall CDU/CSU
Matern
von Marschall
CDU/CSU
Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gewissermaßen eine historische Debatte. Wir denken 40 Jahre zurück. Wir denken an den wichtigen Impuls – das ist ausgeführt worden –, den Willy Brandt gegeben hat. Vielleicht noch ein paar Jahre zurück: in das Jahr 1973. Willy Brandt war Kanzler. Zu diesem Zeitpunkt ist Deutschland in die Vereinten Nationen aufgenommen worden. Es ist ein ganz bedeutender Zeitpunkt gewesen. Er hat damals – ich zitiere – gesagt: „Wir sind … gekommen, um … weltpolitische Mitverantwortung zu übernehmen.“ Über diesen langen Prozess auf einem Weg Deutschlands, weltpolitische Verantwortung zu übernehmen, können wir in diesem Jahr, in dem wir 30 Jahre Wiedervereinigung feiern, noch einmal neu nachdenken. Aber der erste Impuls, den Willy Brandt 1973 bei der Aufnahme Deutschlands in die UN gegeben hat, ist sehr wichtig. Diesen Impuls für diesen Nord-Süd-Bericht, über den wir noch sprechen werden, hat der Weltbankpräsident gegeben. Ich weiß nicht genau, ob erinnerlich ist, wer damals der Weltbankpräsident war: Robert McNamara, der vorherige amerikanische Verteidigungsminister, der eine sehr schwierige und natürlich auch sehr schwere Verantwortung im Vietnam-Krieg getragen hatte, sich dieser Verantwortung nicht mehr gewachsen zeigte, zurücktrat und später Weltbankpräsident wurde und eine ganz andere Perspektive hinsichtlich der Verantwortung für die Entwicklung der Welt hatte. Unter verschiedenen Staatsmännern führte es dann Willy Brandt, den damaligen Altkanzler, an die Spitze dieser Gruppe, die international zusammengesetzt war. Heute – darauf ist hingewiesen worden – haben wir einen wirklichen Paradigmenwechsel. Wenn wir von dem Begriff, um den es geht, „Nord-Süd-Bericht“ reden, dann sieht man daran, dass wir von einer zweigeteilten Welt sprechen, von einer Welt, die in Nord und in Süd, in Arme und in Reiche zerfällt und die auch noch so begriffen worden ist. Das ist heute mit dem, was wir in den globalen Nachhaltigkeitszielen verabreden, nämlich eine Begegnung auf Augenhöhe, eine wechselseitige Verantwortung füreinander, ein ganz neues Modell. Ich bin sehr dankbar, dass sich Deutschland diesen globalen Nachhaltigkeitszielen mit großem Engagement, lieber Minister Müller, stellt und dass wir versuchen, diese anspruchsvolle Agenda mit der Verantwortung, die wir hier in Deutschland haben, auch umzusetzen. Dazu gehört auch ein Bekenntnis zu den Klimaschutzzielen, die ein wesentlicher Teil der internationalen Zusammenarbeit sind. In unserem Ministerium macht der globale Klimaschutz einen ganz beträchtlichen Anteil der Investitionen aus. Wenn ich von Investitionen spreche – darauf ist vonseiten der Liberalen hingewiesen worden –, dann sollten wir noch einmal deutlich machen, worum es uns eigentlich geht. Wir haben – es ist sehr viel Negatives gesagt worden – in diesen 40 Jahren Großes erreicht. Die absolute Armut auf der Welt ist unglaublich stark zurückgegangen. Wir hatten im Jahr 1980 4,5 Milliarden Menschen und fast 2 Milliarden davon in absoluter Armut. Bei einer jetzt auf 7,5, 7,7 Milliarden Menschen angestiegenen Bevölkerung ist der Anteil der in absoluter Armut lebenden Menschen dramatisch zurückgegangen. Es sind nur noch 700 Millionen Menschen. Wir haben also die Zahl absolut verringert, mehr als halbiert, prozentual sind es überhaupt nur noch 10 Prozent der Menschen. Das ist ein gewaltiger Erfolg. Insofern sollten wir dankbar sein für diesen Impuls von 1980 und auch einmal positiv über das sprechen, was wir erreicht haben. Das gilt übrigens auch für viele andere Bereiche. Ich nenne nur einen Bereich, über den wir vorhin debattiert haben: die Gesundheit. Auch die Sterblichkeit von Kindern ist ganz stark zurückgegangen, hat sich in dieser Zeit halbiert. Auch das ist ein Riesenerfolg. Die Sache ist schwierig – deswegen muss man auch differenziert schauen –, wenn man den Blick auf Afrika richtet. Wir haben einen wahnsinnigen Erfolg, eine wahnsinnige Entwicklung in Asien, in China, in Indien, in Südostasien erlebt. Große Mittelschichten sind entstanden. Afrika – das muss man sagen – ist unser Sorgenkind. Deswegen muss unser Augenmerk auch auf Afrika gerichtet sein. Das tut auch Herr Minister Müller. Da geht es genau um zwei Dinge. Da geht es zum einen um die Verbesserung in der Regierungsführung, auf Englisch Good Governance. Das heißt, wir müssen die Staaten, die dazu gewillt sind, ertüchtigen, gegen Korruption und für gute Regierungsführung zu arbeiten. Dabei unterstützen wir sie, vor allen Dingen mit unserer GIZ. Das heißt auch, dass Staaten sich selbst in die Lage versetzen, Steuern in ihren Ländern zu erheben, um so einigermaßen auf eigenen Füßen zu stehen, was ihre Finanzkraft angeht. Dann geht es zum anderen darum – das sollte die Folge von Bemühungen um Good Governance sein –, dass wir die Investitionsbedingungen in den betreffenden Ländern verbessern, sodass unsere Unternehmen Lust und Rechtssicherheit haben, dort zu investieren. Was die Menschen dort brauchen, das sind Jobs, das sind Arbeitsplätze. Wir sollten die Begegnung mit den Menschen in Afrika, mit den Staatenlenkern auf Augenhöhe suchen. Wenn wir das gemeinsam tun – die EU und die Afrikanische Union –, dann bin ich positiv gestimmt, dass wir in Zukunft unsere Zusammenarbeit auf einen guten Weg bringen. Zum Abschluss will ich noch einen wichtigen Punkt ansprechen. All das ginge nicht ohne Engagement, ohne Engagement von Zivilgesellschaft, von Kirchen und vor allen Dingen von jungen Menschen, die in der Begegnung auf diesem Erdball voneinander lernen. Wenn ich an die vielen „weltwärts“-Programme denke, die stark auch von kirchlichen Einrichtungen getragen werden und durch die junge Menschen in die Welt hinaus gesandt werden, wo sie in der Begegnung mit anderen jungen Menschen auf der ganzen Welt voneinander lernen und die sie auch zu uns holen, sodass junge Menschen aus anderen Ländern hier bei uns lernen können, dann stelle ich fest, dass wir der wirklichen Bedeutung der globalen Nachhaltigkeitsziele nahekommen, nämlich einer gemeinsamen Entwicklung in wechselseitiger Verantwortung auf Augenhöhe. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege von Marschall. – Der nächste Redner ist der Kollege Markus Frohnmaier, AfD-Fraktion.
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Michael Kuffer CDU/CSU
Michael
Kuffer
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Das Thema, mit dem wir uns heute befassen, braucht eine nüchterne und eine faktengeleitete Betrachtung; das sind wir den Menschen, die von dieser Regelung erfasst werden, schuldig. Um eines gleich vorweg zu klären: Wir handeln damit nicht gegen die Interessen dieser Menschen, sondern im besten Sinne für ihre Interessen. Es kommt mir schon darauf an, eine klare Unterscheidung zu treffen zwischen den Menschen, für die es dieser Gesetzesänderung bedarf, und den Menschen, die aus guten Gründen nicht von dieser Gesetzesänderung erfasst werden bzw. erfasst werden sollen. Die vorliegende Änderung, liebe Kolleginnen und Kollegen, widmet sich Menschen, die mit, wie es in der Fachsprache heißt, Varianten der Geschlechtsentwicklung geboren sind und somit biologisch betrachtet weder eindeutig dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordenbar sind; diese Menschen werden als intersexuell bezeichnet. Es ist wichtig, dass wir diese Menschen rechtlich und auch sprachlich in der Debatte klar von Menschen unterscheiden, die biologisch eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen sind, sich aber psychologisch, aufgrund ihrer Geschlechtsidentität, dem anderen Geschlecht zurechnen. Ohne jede Diskriminierung, bei allem Verständnis für beide Phänomene: Wir müssen diese Menschen, die als transsexuell bezeichnet werden, klar und eindeutig von denjenigen unterscheiden, die wir als intersexuell bezeichnen. Wir schaffen mit dem vorliegenden Entwurf in § 22 Absatz 3 Personenstandsgesetz die Möglichkeit, bei der Beurkundung der Geburt eines Neugeborenen neben den Angaben „weiblich“ und „männlich“ oder der Eintragung des Personenstandsfalls ohne eine solche Angabe auch die Bezeichnung „divers“ zu wählen, wenn eine Zuordnung zu einem der beiden Geschlechter nicht möglich ist. Grundlage hierfür muss eine ärztliche Bescheinigung sein, die belegt, dass die entsprechende Person über Varianten der Geschlechtsentwicklung verfügt. Auch die bisherige Rechtslage in § 22 Absatz 3 – darauf will ich Sie hinweisen – sah bereits vor, dass für den Fall, dass nach der Geburt das Geschlecht biologisch nicht eindeutig festgestellt werden kann, eine Eintragung ohne Angabe erfolgt. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2017 passen wir diese Regelung nun unter anderem dahin gehend an, dass eine positive Eintragung – mit „divers“ – erfolgen kann. Aber ich bitte Sie wirklich noch einmal eindringlich – das sage ich insbesondere nach Ihrer Rede, Herr Kollege Lehmann –, nicht in einer undifferenzierten Betrachtung alles miteinander zu vermischen. Ich sage Ihnen auch: Die Umstände intersexueller Menschen sind besonders, und deren Ernsthaftigkeit verträgt sich nicht damit, dass wir diesen speziellen Fall mit anderen Fallgruppen vermischen. Deshalb bitte ich Sie wirklich noch einmal um eine klare Unterscheidung. Wir stehen als Unionsfraktion zu dieser gesetzlichen Neuregelung – aber eben in der Form, wie wir sie heute vorlegen. Dass diese Debatte Versachlichung dringend benötigt, haben die hitzigen Debatten im parlamentarischen Verfahren gezeigt. Ich beneide die Berichterstatter nicht und habe jeden Respekt, lieber Kollege Henrichmann, mit welcher Sachlichkeit ihr das jetzt zum Abschluss bringen konntet. Als Gesetzgeber sind wir verpflichtet, die Validität des Personenstandsregisters zu gewährleisten. Hier geht es um nicht weniger als einen Kern unserer Rechtsordnung. Hierfür steht die CDU/CSU aus voller Überzeugung ein. Das Personenstandsregister genießt gerichtlichen Beweiswert. Hier darf und wird es mit uns zu keiner Aufweichung kommen. Vielen Dank. Vielen Dank, Michael Kuffer. – Nächste Rednerin: Dr. Frauke Petry.
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Martin Hess AfD
Martin
Hess
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu der von der Regierung geplanten Einführung eines EU-Personalausweises gilt es zwei Dinge festzustellen: Erstens. Vor einem Monat gab es eine Werbekampagne für einen virtuellen EU-Pass. SPD-Minister dieser Bundesregierung haben hierfür ihr Konterfei zur Verfügung gestellt, und der Kollege Martin Schulz hat eindeutig benannt, was mit dieser Kampagne bezweckt war. Er schrieb: Dafür, dass es diesen schönen Pass eines Tages geben wird, kämpft die SPD seit 1925. Genau in diese Richtung geht auch Ihr Entwurf. Die Einführung einer Identitätskarte für Unionsbürger ist nämlich ein weiterer Schritt auf dem Weg zu Ihrem wahren Ziel. Es geht Ihnen darum, eine europäische Staatsbürgerschaft zur realisieren. Das erkennt man auch klar an einem entscheidenden Satz in Ihrem Gesetzentwurf: Weitere private und öffentliche Einsatzbereiche sollen erschlossen werden … Eines ist auch klar: Sie wollen diese europäische Staatsbürgerschaft nicht als Ergänzung zur deutschen, sondern als eigene Staatsbürgerschaft. Aber genau diese europäische Staatsbürgerschaft – das sage ich mit aller Deutlichkeit – kann es nicht geben; denn es existiert kein europäisches Staatsvolk. Deshalb werden wir uns auch entschlossen allen Versuchen entgegenstellen, unsere deutsche Staatsbürgerschaft durch eine europäische zu ersetzen. Zweitens. Jetzt kommen wir zum eigentlichen Problem: Sie verlangen von EU-Bürgern höchste Sicherheitsstandards, wenn es um die Feststellung und den Beleg ihrer Identität geht. Leistungen unseres Staates sollen für EU-Bürger – und das ist auch richtig so – nur bei einem eindeutigen Nachweis der eigenen Identität erbracht werden. Gleiches gilt selbstverständlich übrigens auch für Deutsche. Aber zeitgleich bekommen Hunderttausende Drittstaatler, die Sie über unkontrollierte Grenzen mit gefälschten oder ohne Identitätspapiere nach Deutschland einreisen lassen, Sozialleistungen in unvorstellbarem Ausmaß. Dass das in einem Rechtsstaat möglich ist, ist und bleibt ein Skandal. Während Sie sich Gesetze ausdenken, um den Identitätsnachweis für EU-Bürger zu perfektionieren, stellt ein erheblicher Teil dieser ohne Identitätspapiere in unser Land eingereisten Personen ein massives Sicherheitsproblem dar. Unter diesen Leuten befinden sich Kriegsverbrecher, die wegen Überlastung der Sicherheitsbehörden selbst nach Meldungen an das Bundeskriminalamt nicht konsequent verfolgt werden. 5 000 Hinweise des BAMF haben nur zu 129 Ermittlungen geführt. So etwas nenne ich politisches Totalversagen. Hören Sie endlich auf mit diesem sicherheitspolitischen Amoklauf. Setzen Sie die Prioritäten richtig. Kümmern Sie sich statt um den EU-Personalausweis um die Sicherheit und den Schutz unserer Bürger. Sorgen Sie dafür, dass die sich in unserem Land aufhaltenden Kriegsverbrecher schnellstens ermittelt und in ihre Heimatländer abgeschoben werden, und verhindern Sie, dass IS-Kämpfer, die in Kriegsgebieten Menschen bestialisch ermordet haben, wieder nach Deutschland zurückkehren. Der Innenminister hat in diesem Plenum versprochen, alles Menschenmögliche zu tun, um die Bevölkerung unseres Landes zu schützen. An diesem Versprechen wird sich die Regierung messen lassen müssen. Es gibt nur eine Möglichkeit, unsere Bürger effektiv vor IS-Rückkehrern zu schützen: Entziehen Sie diesen Massenmördern die deutsche Staatsbürgerschaft, und zwar sofort. Danke schön. – Nächste Rednerin für die SPD-Fraktion wäre Saskia Esken. Sie gibt ihre Rede zu Protokoll.1  Anlage 12 Nächster Redner für die FDP-Fraktion: Manuel Höferlin – wird live dabei sein.
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Dr.
Dr. Gesine Lötzsch DIE LINKE
Gesine
Lötzsch
DIE LINKE
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht ein kurzer Blick zurück in die Geschichte: Im Jahr 2006 wurde das Kooperationsverbot von Union und SPD beschlossen, und zwar gegen die Stimmen der Opposition, gegen die Stimmen der Linken. Das war ein schwerer Fehler. Dieser Fehler muss vollständig korrigiert werden. Das Kooperationsverbot muss endlich aufgehoben werden. Angeblich sollte das Kooperationsverbot die Gesetzgebung vereinfachen und Prozesse beschleunigen. Gerade in der Bildung sehen wir die fatalen Folgen dieses Verbots. Viele Schulen in unserem Land sind in einem erbärmlichen Zustand. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Sonderprogramme erfunden, um dieses Verbot zu umgehen. Dazu war ein erheblicher bürokratischer Aufwand notwendig. Welche Verschwendung von Energie! Diese Energie hätte man besser in die Bildung gesteckt. Die Zahl der Sozialwohnungen hat sich in den vergangenen 15 Jahren halbiert. Auch hier muss dringend etwas getan werden. Busse und Bahnen sehen Menschen auf dem Land so selten wie eine Mondfinsternis. Auch das ist kein haltbarer Zustand. Wir als Linke wollen noch mehr Ziele im Grundgesetz verankern: zum einen eine umfassende Gemeinschaftsaufgabe für Bildung und für die ländliche Entwicklung sowie zum anderen Kultur und Sport als Staatsziel. Wir wollen nicht – das sei an dieser Stelle ganz klar gesagt; das ist die Kritik an den Vorschlägen, die vorliegen; aber wir haben noch mehrere Anhörungen –, dass mit Steuergeldern die Renditewünsche von Unternehmen erfüllt werden. Uns liegen zahlreiche Berichte der Rechnungshöfe von Bund und Ländern vor, die deutlich machen, dass öffentlich-private Partnerschaften keine ehrlichen Partnerschaften sind. Kosten und Risiken liegen immer bei den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, und die Gewinne landen immer bei den Unternehmen. Das sind keine Partnerschaften. Das ist eine moderne Form der Geiselnahme. Das muss beendet werden. Die Verträge – das kennen wir von Toll Collect – sind in der Regel geheim. Schadensersatzforderungen sind häufig nicht klar geregelt, wie wir es nun bei der A 1 sehen. Das Baukonsortium fordert vom Bund Millionen für ausgefallene Mauteinnahmen. So etwas dürfen wir uns nicht gefallen lassen, meine Damen und Herren. Das heißt also ganz deutlich: Wir lehnen öffentlich-private Geiselnahmen ab, und deshalb wollen wir ein Gesetz zur Förderung von Investitionen für finanzschwache Kommunen, das klarstellt, dass öffentlich-private Partnerschaften nicht mehr gefördert werden, meine Damen und Herren. Noch eine Bemerkung zu unserer Forderung, Kultur zum Staatsziel zu erklären. Dieses Ziel hatte übrigens die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ bereits im Jahr 2007 formuliert. Über zehn Jahre sind seitdem vergangen, und es ist nichts passiert. Wir erleben doch einen kulturellen Verfall in unserem Land, der beunruhigend ist. In vielen Dörfern, Gemeinden und auch in einigen Städten gibt es kein Kulturangebot mehr; es ist ja nicht überall Berlin. Da ist die Freude in einigen kleineren Orten groß, wenn man wenigstens ein Kino erhalten kann. Aber, meine Damen und Herren, die Landflucht kann nur verzögert werden, wenn wir auch ein kulturvolles Leben außerhalb der Großstädte anbieten können. In Ostdeutschland wurden nach der Wende reihenweise Theater, Orchester und Jugendklubs geschlossen, immer mit der Begründung, dass diese Einrichtungen sich nicht rechnen würden. Welch kurzsichtige Politik! Auch das gehört dringend geändert. Im Gegenteil: Die Verödung ganzer Kulturlandschaften führt zur Landflucht. Auch deshalb fordern wir eine Gemeinschaftsaufgabe für die ländliche Entwicklung. Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen die Unterstützung der Linken anbieten, wenn Sie radikal mit dem Kooperationsverbot brechen, um gemeinsam mit Ländern und Kommunen die drängenden Probleme zu lösen. Wir brauchen mehr Bildung, mehr Wohnungen, mehr Kultur und mehr Sport, und das geht nur mit mehr Kooperation und nicht mit weniger. Vielen Dank. Jetzt hat das Wort die Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt.
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Dr.
Dr. Matthias Miersch SPD
Matthias
Miersch
SPD
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hilse, wenn es noch eines Beweises bedurft hat, dass Sie vom Verfassungsschutz beobachtet gehören, dann war das Ihre Rede. Es ist unvorstellbar, mit welchen Worten Sie das oberste Gericht dieses Landes diskreditiert haben! Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Annalena Baerbock, zunächst hätte ich mir ein bisschen mehr Lob gewünscht. Aber das ist in diesen Zeiten wahrscheinlich nicht drin. Vor anderthalb Jahren, als das Klimaschutzgesetz zur Diskussion stand, haben Sie mir hier eine Zwischenfrage gestellt. Sie haben gesagt: Das ist doch eigentlich alles unverbindlich. – Für die SPD-Bundestagsfraktion kann ich heute festhalten: Ich glaube, das Klimaschutzgesetz ist nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz die größte energiepolitische Errungenschaft, die hier gesetzgeberisch geleistet worden ist. Zukünftig wird keine Bundesregierung mehr der Messlatte entgehen können, ob die Ziele tatsächlich erreicht werden. Es gehört zum Zusammenspiel zwischen den Verfassungsorganen in einem demokratischen Rechtsstaat, gerichtlich überprüft zu werden und gegebenenfalls nachschärfen zu müssen. Deswegen sage ich allen Kommentatoren, die „Klatsche für die Regierung“ gesagt haben: Wir haben hier eine Grundlage geschaffen, anhand derer jeder sieht: Können wir die Ziele erreichen, ja oder nein? – Das ist gelebte Demokratie, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das Spannende ist ja der Weg. Ich finde es vollkommen richtig, dass wir versuchen sollten, so viel wie möglich gemeinsam zu machen. Für mich ist der Schlüssel zum Erreichen der Ziele der massive Ausbau der erneuerbaren Energien. Die SPD-Bundestagsfraktion hat, obwohl wir in dieser Großen Koalition ganz unterschiedlicher Auffassung waren, ganz viel in diesem Bereich durchgesetzt: Dass wir ein Mieterstrommodell haben, ist ein Erfolg; denn so stellt die Energiewende für alle eine Möglichkeit dar. Dass wir Kommunen an Windparks beteiligen, dass wir dort steuerliche Änderungen vorgenommen haben, ist ein Riesenerfolg. Wenn wir sehen, Frau Baerbock, wie die Situation in den von Ihnen mitregierten Ländern ist, dann erkennen wir, dass dort noch große Herausforderungen warten. Deswegen gibt es, glaube ich, keinen Grund, sich selbstgerecht zurückzulehnen. Das, was Baden-Württemberg in Bezug auf den Ausbau der erneuerbaren Energien in den letzten fünf Jahren geleistet hat, war ein Armutszeugnis. Wir haben hier mit der CDU/CSU darüber streiten müssen, ob es bundesweite Abstandsregeln für Windräder gibt. In Hessen haben die Grünen bei solchen Abstandsregeln locker mitgemacht. Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage von dem Kollegen Krischer von Bündnis 90/Die Grünen? Selbstverständlich. Herr Kollege Miersch, ich finde es ja immer schön, wenn die SPD hier ankommt und verkündet, was man eigentlich alles tun müsste. Ich frage mich dann die ganze Zeit, wer hier regiert. Und es ist noch nicht so ganz lange her, da hat die SPD sogar den Wirtschafts- und Energieminister gestellt. Der hieß Sigmar Gabriel. Ich weiß: Daran erinnern Sie sich nicht mehr so gerne; der Name ist in der SPD nicht mehr so ganz populär. Aber er hat hier Ausschreibungen bei erneuerbaren Energien eingeführt, bei denen ganz bewusst der Süden Deutschlands benachteiligt wurde. Und Sie können an den Ausbauzahlen in Baden-Württemberg und Hessen sehen, dass genau von diesem Zeitpunkt an Schluss war mit dem Ausbau. Dass wir bei der Windenergie so hängen, ist Ergebnis sozialdemokratischer Politik, und es wäre ehrlich, mal zuzugeben, dass Sie da eine Verantwortung tragen. Sich hierhinzustellen und zu sagen, die SPD habe eine Menge geleistet, ein Mieterstromgesetz zu nennen, das in der Fachszene als Mieterstromverhinderungsgesetz bezeichnet wird, das zeigt, ehrlich gesagt, Chuzpe. Es hat nichts mit der Realität draußen zu tun. Wir erleben einen Zusammenbruch des Ausbaus der erneuerbaren Energien bei der Windenergie, und das ist das Ergebnis Ihrer Koalition, weil Sie am Ende hier nicht geliefert haben, weil Sie hier nicht die Grundlage geschaffen haben. Und deshalb haben wir die Probleme beim Klimaschutz, und deshalb werden wir in Deutschland international inzwischen abgehängt, Herr Miersch. Da würde mich mal interessieren, wie die SPD das anders machen will. Herr Kollege Krischer, ich weiß ja, dass das immer die Argumentation ist: Weil es bundesrechtliche Regeln gibt, gelingt es nicht. – Gucken Sie sich die Ausbauquote in Baden-Württemberg im Vergleich mit allen Ländern im Süden an. Sie werden feststellen: Es ist nicht geliefert worden von der grün geführten Landesregierung. Wenn Sie hier sagen: „Es darf keine bundesweit geltenden Regeln für die Windkraft-Abstände geben“ – und es hat uns viel Kraft gekostet, das mit der CDU/CSU zu diskutieren und letztlich bundesweite Abstandsregeln zu verhindern –, dann müssen Sie sich auch angucken, wie Sie einfach in Hessen einen Haken drangemacht haben. Vergleichen wir die Worte mit den Taten, dann stellen wir fest: Sie sind in Hessen unglaubwürdig. Und Sie könnten das sofort aufheben. Wo ist die Initiative? Gucken Sie nach Schleswig-Holstein, wo Herr Habeck Berechnungsmodelle gemacht hat – die rechnen heute noch –, gucken Sie sich den Ausbau der Windenergie in den letzten drei Jahren und jetzt im Norden an, Sie werden feststellen: Flaute. Insofern müssen Sie sich daran messen lassen. Aber, Herr Krischer – jetzt müssen Sie mich auch mal antworten lassen –, Sie haben hier die Ausschreibung angesprochen. Das ist genau der Punkt, um den gerungen werden muss. Und wir haben hier eine Koalition. Deswegen sage ich Ihnen auch: So ist Politik. Und wir hatten, weil die EEG-Umlage kontinuierlich angestiegen ist, in den letzten Perioden auch eine Diskussion darüber, ob wir das Ganze begrenzen. Insofern haben wir zum Beispiel auch in dieser Periode darum gefochten, ob es weiter einen Solardeckel geben soll, der den Photovoltaikausbau verhindert. Das wollte der Bundeswirtschaftsminister. Es hat viel, viel Kraft gekostet, dass dieser Solardeckel endlich aufgehoben wurde. Dafür haben wir gekämpft. Und Demokratie, Herr Krischer, heißt eben nicht: Man kann es einfach so machen. Sie suggerieren, dass Sie hier alles locker mal umwandeln könnten. Zur Demokratie gehört auch das Suchen von Mehrheiten, und das ist in einer Koalition, wie Sie es überall da sehen, wo Sie mitregieren, eben nicht einfach. Deswegen sage ich Ihnen: Ich bin froh über das, was uns gelungen ist. Und der entsprechende Verband hat zum Mieterstrommodell gesagt: Es ist eine kleine Sensation, die uns da gelungen ist. Insofern haben wir da meines Erachtens etwas geschaffen. Aber ich bin bei Ihnen, wenn Sie sagen: Das reicht alles nicht. – Das ist noch meine Antwort. Das können Sie jetzt nicht ertragen, oder? Dass es eine große Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen braucht, um tatsächlich zu verbindlichen Ausbauzielen zu kommen, das steht fest. Kommen Sie bitte zum Ende der Beantwortung der Frage von Herrn Krischer. Ja. Einen Satz brauche ich noch. – Deswegen werden wir am Sonntag auch in unser Programm aufnehmen, dass wir in diesem Land einen Zukunftspakt brauchen, der aus verbindlichen Ausbauzielen besteht. Jedes Bundesland – und Sie könnten in den von Ihnen regierten Bundesländern damit anfangen – braucht mindestens 2 Prozent der Fläche für den Windkraftausbau. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Baerbock, wir ringen weiter um den besten Weg. Aber einige Sachen in Ihrem Antrag – das will ich Ihnen sagen – gehen eben nicht, wenn Sie den großen Versöhner geben wollen: Erstens. Wir hatten im Dezember 2019 einen fraktionsübergreifenden Konsens bei der CO2-Bepreisung zwischen Grünen, CDU/CSU und SPD, weil wir wissen: Wenn ein Preis falsch festgelegt wird, kann er zu sozialen Verwerfungen führen. – Dass Sie das jetzt mal kurz über Nacht aufkündigen – nach nur anderthalb Jahren –, finde ich unredlich, liebe Kolleginnen und Kollegen. Zweitens. Dass Ihr Parteivorsitzender noch im Dezember sagt: „Wir brauchen aufgrund der EU-Entscheidung ein Klimaschutzziel von 65 Prozent bis 2030“ und Sie diesen Wert in Ihrem Antrag mal kurz auf 70 Prozent erhöhen, spricht, wie ich finde, auch eine deutliche Sprache, wenn es um Redlichkeit geht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Drittens. Das Letzte, was ich Ihnen sagen will, ist: Wenn Sie dann den Kohleausstieg mal kurz so wegstreichen, dann ist das genau die Gefährdung des Kompromisses, die wir nicht wollten. Denn dieser Kompromiss ist mit den Regionen, mit der Industrie, mit den Gewerkschaften zusammen geschmiedet worden. Der Ausstieg kann aufgrund der Gegebenheiten früher stattfinden; aber der SPD ist es wichtig, nicht nur einfach eine Zahl zu setzen, sondern auch die Beschäftigten mitzunehmen, den Regionen eine Chance zu geben. Das unterscheidet uns. Wir brauchen die gesamte Gesellschaft. Wir brauchen keine Spaltung, sondern Solidarität. Und dafür haben sich Leute bei uns vor 150 Jahren in der SPD zusammengetan. Eine Zukunft beim Klima geht eben nur mit Empathie für diejenigen, die Angst vor dem Wandel haben. Insofern bitte ich Sie wirklich, diesen Kompromiss jetzt nicht infrage zu stellen. Das schließt nicht aus, dass es deutlich schneller gehen kann; aber es schließt aus, dass man die Vereinbarungen, die in Sachen Strukturhilfen, Anpassungsgeld etc. getroffen sind, infrage stellt. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Kollege Miersch. – Bevor ich das Wort an Dr. Lukas Köhler gebe, möchte ich dem Abgeordneten Hilse von der AfD-Fraktion die Möglichkeit geben, eine Erklärung nach § 30 der Geschäftsordnung abzugeben.
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Sven-Christian Kindler BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sven-Christian
Kindler
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es klar zu sagen: Wir stimmen heute der vorzeitigen und finalen Rückzahlung von rund 1,86 Milliarden Euro an IWF-Krediten und auch der Teilrückzahlung von Krediten der Greek Loan Facility zu. Das stärkt das Schuldenmanagement Griechenlands, das stärkt die Schuldentragfähigkeit Griechenlands, und das sorgt dafür, dass wir mehr finanzielle Stabilität in Griechenland und in Europa haben. Deswegen werden wir heute zustimmen. Ich will zu später Stunde noch einmal sagen: Wir sollten in der Debatte hier fair bleiben, wenn wir die Vergangenheit betrachten. Ich will daran erinnern, dass es der Finanzminister der CDU war, der damals versucht hat, Griechenland aus der Eurozone zu mobben. Ich finde, wir sollten unter demokratischen Partnern auch über die ganze Historie im Zusammenhang mit Griechenland reden. Es gab häufig Unterschiede zwischen der Fraktion der Grünen sowie der FDP-Fraktion und der CDU/CSU-Fraktion. Was aber nicht geht, ist, die FDP mit einer rechtsextremen Partei hier im Plenum gleichzusetzen. Es gab deutliche Unterschiede in der Bewertung Griechenlands in der Europapolitik. Ich finde das, was Sie, Frau Gräßle, in Ihrer Rede hier gemacht haben, nicht in Ordnung. Das, was wir heute machen, ist ein wichtiges Signal für Europa. Wir zeigen: Wir können unsere Probleme in Europa auch selbst lösen. Wir werden jetzt den IWF als Kapitalgeber ablösen. Der IWF bleibt im Monitoring dabei; das ist so weit auch okay. Aber wir müssen auch sehr klar sagen: Wir wollen, dass Europa seine Probleme selber, souverän löst. Das ist heute der Fall. Deswegen ist es ein gutes Signal für Europa, dass Griechenland jetzt die IWF-Kredite final tilgt. Ich finde, wir müssen aber auch selbstkritisch mit dem Krisenmanagement in Griechenland umgehen. Es gab in Griechenland viele verkrustete Strukturen – die waren auch selbstverschuldet – beim Justizsystem, bei der Steuerverwaltung, im öffentlichen Sektor insgesamt. Aber wir haben auch gesehen, dass zu harte Sparmaßnahmen in sehr kurzer Zeit das Land deutlich überfordert haben, die Krise verschärft haben; das hat zu mehr Armut, mehr Arbeitslosigkeit und am Ende auch mehr Schulden geführt. Und wir haben auch falsche Privatisierungsentscheidungen gesehen! Zum Beispiel wurde der wichtige europäische Hafen Piräus, der Hafen von Athen, privatisiert und absurder- und ironischerweise an ein chinesisches Staatsunternehmen verkauft. Jetzt ist einer der wichtigsten Häfen Europas in der Hand eines chinesischen Staatsunternehmens. Das schwächt die europäische Handlungsfähigkeit, das schwächt unsere Souveränität. Das war ein großer Fehler. So etwas darf sich in der Zukunft in Europa nicht wiederholen! Wir erleben gerade in Deutschland und in Europa eine massive Abhängigkeit von einem autokratischen Staat, nämlich Russland, und zwar bei russischem Erdgas und bei russischer Energieinfrastruktur. Deswegen ist es so wichtig, dass wir in den kommenden Debatten in Europa auch gucken, wie wir dafür sorgen können, unsere öffentlichen Güter in Europa und unsere Infrastruktur souveräner zu gestalten, und dafür auch in die Zukunft investieren. Mir und uns als Fraktion ist wichtig, dass wir jetzt schauen, dass wir Europa zusammenhalten. Europa war in den letzten Jahren nie so einig wie in der Reaktion auf diesen schrecklichen Angriffskrieg Wladimir Putins auf die Ukraine. Diese Einigkeit gilt es auch in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren zu erhalten und zu kräftigen. Zentral dafür wird sein, dass wir unsere Souveränität stärken, gerade auch unsere Energiesouveränität. Wir müssen nicht nur von den fossilen Energieträgern Gas, Kohle und Öl des russischen Staates, sondern auch anderer autokratischer Staaten wegkommen. Auch unsere digitale Souveränität in Europa müssen wir stärken, um geopolitisch handlungsfähig zu sein; das wird zentral sein. Das müssen wir dann auch bei finanzpolitischen Entscheidungen auf europäischer Ebene in den kommenden Wochen und Monaten absichern. Wir müssen die richtigen Entscheidungen treffen, damit wir die Fehler der Finanzkrise nicht wiederholen. Wir dürfen uns nicht kaputtsparen, sondern müssen die notwendigen Investitionen in unsere digitale Souveränität und dafür vornehmen, dass wir auch die energiepolitische Transformation bewältigen können. Vielen Dank.
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Margarete Bause BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Margarete
Bause
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Rahile Dawut, 52, international bekannte Professorin, inhaftiert, weil sie zur Kultur der Uiguren forscht. Perhat Tursun, 49, prominenter Schriftsteller, inhaftiert, weil er sich in seinem Werk mit uigurischen Traditionen beschäftigt. Ilham Turdi, Architekt, inhaftiert, weil er mit einer US-Bürgerin verheiratet ist. Erfan Hezim, 19, erfolgreicher Fußballer, inhaftiert, weil er mit seinem Fußballverein im Ausland war. Muyesser Muhemmet, 37, Mutter von drei Kindern, inhaftiert, weil sie die kasachische Staatsbürgerschaft beantragen wollte. Kolleginnen, Kollegen, das sind nur einige Namen von schätzungsweise 1 Million Menschen, die in Xinjiang, im Nordwesten Chinas, willkürlich, ohne Haftbefehl, ohne Gerichtsverfahren, ohne Kontakt zu Rechtsanwalt oder Familie in einem Internierungslager eingesperrt sind. Ihre Heimat Xinjiang oder Ostturkestan hat sich für die Uiguren und zunehmend auch für die Kasachen in einen Lagerstaat verwandelt, eine „no-rights zone“, ein Gebiet der Rechtlosigkeit, wie die UN im August dieses Jahres in ihrem Bericht festgestellt hat. Die Berichte von Human Rights Watch, den Vereinten Nationen und unabhängigen Forschungsstellen haben die Weltöffentlichkeit aufgeschreckt. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, nennt die Lage in Xinjiang „zutiefst erschütternd“. Das Europaparlament prangert „immer drakonischere Unterdrückungsmaßnahmen“ an. Kolleginnen und Kollegen, ich fordere Sie dazu auf, diese schweren Menschenrechtsverletzungen klar und deutlich zu benennen und zu verurteilen. Und ich fordere die Bundesregierung dazu auf, alle nationalen und internationalen Instrumente zu nutzen, um dazu beizutragen, dass die Lager geschlossen werden, die Verbrechen aufzuklären und zu ahnden. Auch außerhalb der Lager in Xinjiang herrscht die totale Kontrolle über die Menschen. Die Sicherheitsbehörden wurden massiv aufgerüstet, mit modernster Technologie wird jeder Schritt erfasst und überwacht. Kinder werden von ihren Eltern getrennt und in Heimen der Gehirnwäsche unterzogen. Beten ist verboten, Moscheen werden niedergerissen. Das Ziel all dieser Maßnahmen: Die Kultur und Identität der muslimischen Minderheiten in Xinjiang soll systematisch ausgelöscht werden. Kolleginnen und Kollegen, vorgestern musste China vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf Rede und Antwort stehen. Was dort vom Vertreter der chinesischen Regierung zur Situation in Xinjiang geäußert wurde, ist an Zynismus und Menschenverachtung nicht zu überbieten. Die Bundesregierung hat in Genf deutliche Kritik geäußert. Das begrüßen wir ausdrücklich, aber dabei darf es nicht bleiben. Deshalb fordern wir: Setzen Sie sich gegenüber Peking dafür ein, erstens, dass die Lager geschlossen werden, zweitens, dass unabhängige Beobachter und Journalisten sich vor Ort ungehindert ein Bild von der Lage machen können. Nutzen Sie drittens alle internationalen Möglichkeiten und Instrumente zur Aufklärung und Ahndung der Menschenrechtsverbrechen. Prüfen Sie viertens Sanktionen gegen Unternehmen, die an Unterdrückungsmaßnahmen in Xinjiang beteiligt sind. Und sorgen Sie fünftens dafür, dass uigurische Geflüchtete hier Schutz und Asyl erhalten, ohne Wenn und Aber. In den letzten Wochen konnten wir feststellen: Der Druck von außen lässt die chinesische Regierung nicht völlig kalt. Das einzige Mittel, das Wirkung zeigt, ist nicht die Ermahnung im stillen Kämmerlein, sondern die deutliche und öffentliche und mit anderen Ländern koordinierte Kritik. Kollegin Bause, kommen Sie bitte zum Schluss. Ja, mein letzter Satz. – Peking mag Menschenrechte der wirtschaftlichen Entwicklung unterordnen. Für Deutschland und für Europa muss gelten: Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Das Wort hat der Abgeordnete Michael Brand für die CDU/CSU-Fraktion.
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Dr.
Dr. Stefan Kaufmann CDU/CSU
Stefan
Kaufmann
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir eine große Freude, dass wir heute das Humboldt-Jahr 2019 mit einer Debatte zum Thema Wissenschaftskommunikation abschließen und damit unseren weltweit geschätzten Universalwissenschaftler Alexander von Humboldt auch hier im Plenum des Deutschen Bundestages würdigen können. Denn Alexander von Humboldt war bekanntermaßen nicht nur ein exzellenter Naturforscher, sondern er war auch ein begnadeter Wissenschaftskommunikator. Er begeisterte mit seinen Kosmos-Lesungen, Artikeln und Essays ein breites Publikum; denn es war ihm besonders wichtig, eine möglichst breite Öffentlichkeit zu erreichen, nicht nur seine Fachkollegen. Damit gilt er als Vorbild und auch als Vorreiter in der Wissenschaftskommunikation. Heute leben wir in einer Zeit des rasanten Wandels. Digitalisierung, Globalisierung und technischer Fortschritt verändern unser Umfeld mit enormer Geschwindigkeit, und ohne ein besseres Verständnis der modernen Wissenschaft hat der Einzelne zunehmend Orientierungsprobleme in dieser Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts. Vor diesem Hintergrund brauchen wir eine umfassende, eine hochwertige Wissenschaftskommunikation, die die Ergebnisse der Wissenschaft, die möglichen praktischen Anwendungen, die wissenschaftlichen Fragestellungen und auch die wissenschaftlichen Methoden einer breiten Öffentlichkeit vermitteln kann. Nur so kann es im Übrigen gelingen, dass wir Akzeptanz schaffen für neue Technologien, zum Beispiel Biotechnologie, Quantenoptik usw. Darüber hinaus müssen wir in Zeiten von steigendem Populismus, Fake News und lauter werdenden wissenschaftsskeptischen Stimmen das Vertrauen der Bürger in die Wissenschaft zurückgewinnen, und wir müssen die Wissenschaftsmündigkeit der Bürgerinnen und Bürger stärken; denn es gibt nicht wenige Stimmen, die wissenschaftsbasierte Informationen täglich infrage stellen. Ich nenne hier beispielhaft jene, die bis heute die Verantwortung der Menschen für die globale Erwärmung leugnen – auch heute wieder an diesem Rednerpult bei den nachmittäglichen Debatten –, Leute, die – so war es neulich in der „FAZ“ formuliert – einerseits munter Handys nutzen, in Flugzeuge steigen und Navigationssysteme nutzen, die aber andererseits so tun, als wären die Wissenschaftler, ohne die es all diese Technologien letztlich gar nicht gäbe, ein korrupter Haufen gewissenloser Betrüger. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden diesen Leugnern, diesen Ignoranten und Blendern nicht das Feld überlassen. Wir dürfen es ihnen nicht überlassen. Schon heute bringen zahlreiche Initiativen der Länder, des Bundes, der Hochschulen, auch der Wissenschaftsakademien und ‑organisationen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einen Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern. Ich nenne die Wissenschaftsjahre, Citizen-Science-Projekte, die Initiative „Wissenschaft im Dialog“ oder auch das hier in unmittelbarer Nähe gerade erst eröffnete Futurium. Aber das reicht noch nicht. Deshalb stellen die Koalitionsfraktionen im vorliegenden Antrag eine Liste von 13 konkreten Forderungen auf, die dem Ziel der Weiterentwicklung der Wissenschaftskommunikation dienen sollen. Was brauchen wir? Wir brauchen effektive Instrumente gegen Fake News und Fehlinformationen. Die Stimme der Wissenschaft kann Sachlichkeit und Ausgewogenheit befördern, wenn sie denn verständlich ist und gehört werden kann. Daher wollen wir den Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft weiter intensivieren, indem die Wissenschaftskommunikation, aber auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Wissenschaftsjournalismus gestärkt werden. Journalisten müssen mit den Informationen aus der Wissenschaft unter den heutigen Bedingungen im Medienbetrieb arbeiten können. Daher sind neue Vermittlungsformate zwischen Wissenschaft und Journalisten erforderlich. Wir setzen auch beim wissenschaftlichen Nachwuchs an und wollen schon im Studium stärker Kommunikationskompetenzen vermitteln, die später helfen, die Erkenntnisse auch verständlich darzustellen. Wir brauchen eine Bestandsaufnahme zur Situation der WiKo – das macht gerade der Wissenschaftsrat –, und es braucht ein enges Zusammenwirken von Forschungsorganisationen, Medieninstitutionen, journalistischen Instanzen und der Wissenschaft. Ich darf in diesem Zusammenhang Bundesministerin Anja Karliczek herzlich danken, dass sie die Stärkung der Wissenschaftskommunikation zu einem ihrer Schwerpunktthemen gemacht hat und mit ihrem im November veröffentlichten Grundsatzpapier den strategischen Dialog über die Weiterentwicklung angeregt hat. Danke, liebe Anja Karliczek auch, dass du heute hier bist und diesen Antrag unterstützt. Last, but not least darf ich dem Kollegen Ernst Dieter Rossmann herzlich danken für die konstruktive und freundschaftliche Zusammenarbeit bei der Erstellung unseres schönen Antrages. Sie alle darf ich in vorweihnachtlicher Stimmung herzlich um Ihre Zustimmung bitten. Danke sehr. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte im weiteren Verlauf der Debatte mögliche Danksagungen, Wünsche für die bevorstehenden Feiertage usw. in der geplanten Redezeit unterzubringen. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Marc Jongen für die AfD-Fraktion.
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Petra Pau DIE LINKE
Petra
Pau
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Der vorliegende Gesetzentwurf, um den es nunmehr abschließend geht, sieht die Einführung einer Identifikationsnummer für jede und jeden vor. Ich schließe an den Kollegen Höferlin an. Er hat es einfach erklärt, und zwar auf der Grundlage der Steuer-ID. Das Ansinnen ist nicht neu, macht es aber nicht besser. Die Linke teilt die Bedenken von Datenschützerinnen und Datenschützern und Bürgerrechtlern. Mittels der elfstelligen Steuer-ID soll es nun den Behörden erleichtert werden, Zugriff auf persönliche Daten zu erhalten. Das sei bürgerfreundlich, zumal in Zeiten zunehmender Digitalisierung, heißt es zur Begründung. Das klingt gut, ist es aber nicht, jedenfalls nicht in der Umsetzung, die die Koalition gewählt hat. Ich erinnere nur an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts anno 1983; allgemein ist es als Volkszählungsurteil bekannt. Mit ihm wurde der Datenschutz auf Verfassungsrang gehoben, wohlgemerkt der Datenschutz und nicht etwa der Datenzugriff. Das gilt im Jahr 2021 erst recht. Datenschutz muss natürlich auch im digitalen Zeitalter entsprechend praktiziert werden. Eigentlich drängt das in Zeiten der Digitalisierung sogar viel mehr als vor einem knappen halben Jahrhundert. Deshalb wird die Fraktion Die Linke dem Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD nicht zustimmen. Auch die FDP ist gegen dieses Gesetz, aus ähnlichen Gründen wie Die Linke; wir haben es eben gehört. Sie hat einen Antrag vorgelegt, der die Koalitionsfraktionen auffordert, verfassungsgemäße Alternativen vorzulegen. Dem stimmen wir zu. – Und ich nehme Ihren Zwischenruf gern auf, Herr Höferlin; ich habe noch 50 Sekunden. Ich habe es satt: Seit spätestens 2001, also auch in unterschiedlichsten Konstellationen, beschließen Mehrheiten in diesem Haus deutlich grundgesetzwidrige Gesetze. Wir treffen uns in Karlsruhe wieder. Dort wird das Gesetz kassiert. Gleichzeitig dehnen Sie aber den Rahmen aus; er wird dann bei den Nachbesserungen immer weiter gefasst. Machen Sie doch endlich mal ein grundgesetzkonformes Gesetz! Dann haben Sie uns auch dabei. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der nächste Redner für Bündnis 90/Die Grünen ist der Abgeordnete Dr. Konstantin von Notz.
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Markus Uhl CDU/CSU
Markus
Uhl
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Auch für 2018 und die Folgejahre ist die schwarze Null gesetzt. Das heißt, der Bund macht keine neuen Schulden. Die Nettokreditaufnahme beträgt null. Bei einem Gesamtvolumen von 343,6 Milliarden Euro investieren wir 37,4 Milliarden Euro. Das entspricht 11 Prozent und stellt erneut einen Spitzenwert dar. Das ist im besten Sinne eine generationengerechte Politik, weil wir heute einerseits in die Zukunft investieren und andererseits die Zukunftschancen, die Spielräume für kommende Generationen erhalten. Meine Damen und Herren, der Einzelplan 07 ist mit einem Volumen von 792 Millionen Euro der kleinste Einzelplan; das wurde ja schon angesprochen. Diese vergleichsweise geringe Summe sollte man jedoch nicht unterschätzen, werden doch in diesem Einzelplan die Ausgaben des Verfassungsressorts Justiz- und Verbraucherschutzministerium sowie der grundlegenden Institutionen unseres Rechtsstaates und des Verbraucherschutzes finanziert. Besonders betonen möchte ich – auch das ist schon angesprochen worden – die Einnahmeseite von 577 Millionen Euro. Das ist ein Deckungsgrad von 73 Prozent. Das ist der Spitzenplatz im Bundeshaushalt. Der Regierungsentwurf des Einzelplans 07 war schon gut, und wir haben ihn in den zurückliegenden Beratungen im Haushaltsausschuss, wie ich finde, noch besser gemacht. Im parlamentarischen Verfahren haben wir es geschafft, mehr als 10 Millionen Euro an Ausgaben zusätzlich einzuplanen und über 300 Stellen in Schwerpunkten zu schaffen. Wo haben wir diese Schwerpunkte gesetzt? Wir stärken den Verbraucherschutz, indem wir den Verbraucherzentrale Bundesverband stärken, um Musterfeststellungsklagen durchführen zu können und Materialkompasse weiterführen zu können. Wir stärken die Justiz durch die Einstellung neuer Staatsanwälte und neuer Richter. Wir verbessern die IT-Infrastruktur in den Justizbehörden und erhöhen die Anstrengungen zur Digitalisierung. Wir stärken den gewerblichen Rechtsschutz durch einen großen Stellenaufwuchs beim Deutschen Patent- und Markenamt. Lassen Sie mich kurz auf drei Punkte eingehen: Erstens: Deutsches Patent- und Markenamt. Meine Damen und Herren, Rechtssicherheit ist Standortfaktor. Dazu gehören Innovationsschutz und der Schutz geistigen Eigentums. Dies stellen wir in Deutschland durch das Deutsche Patent- und Markenamt in München sicher. Es ist unsere Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz. Wir befinden uns heute in einem internationalen Innovationswettbewerb mit China, mit Asien überhaupt. Deshalb müssen wir dahin einen besonderen Blick richten. 2013 hatte ein Patentprüfer bei uns noch etwa 200 Prüfverfahren zu bewältigen, im Jahr 2018 sind es schon über 240. Die Patent-, Marken- und Designschutzverfahren werden immer komplexer, weil der technische Fortschritt immer weitergeht, die Anzahl der Verfahren, der Prüfungen und der Recherchen steigt seit Jahren an. Daher kommt es aktuell zu einer wachsenden Zahl offener Verfahren und einer Zunahme der Dauer der Verfahren im Patent- und Markenamt in München. Daher freue ich mich, dass wir als Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD es geschafft haben, zusätzlich weitere 60 Stellen beim Patent- und Markenamt in München durchzusetzen. Als Haushälter sage ich: Das fällt mir leicht; denn das Patent- und Markenamt trägt mit seinen Gebühreneinnahmen entscheidend zur Finanzierung des Bundeshaushaltes bei. 410 Millionen Euro werden dort quasi erwirtschaftet. Das ist ein Überschuss, wenn man es so formulieren will, von fast 200 Millionen Euro, die in den Bundeshaushalt fließen. Deshalb ist es wichtig, dass wir den Weg des Stellenaufwuchses beim Patent- und Markenamt, um die Patentprüfverfahren zügig abzuarbeiten, weitergehen, und zwar auch im Bundeshaushalt 2019, zur Stärkung der Innovationskraft und der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Zweitens: Forum Recht. Meine Damen und Herren, ein funktionierendes Rechtssystem ist für viele heute selbstverständlich geworden. Die historische Entwicklung ist dabei vielen von uns kaum noch bewusst. Auch ein Blick in die deutsche Geschichte zeigt, dass ein funktionierendes Rechtssystem mit freiheitlich-demokratischer Gesetzgebung und unabhängiger Justiz eben keine Selbstverständlichkeit ist. Die Mehrheit der Staaten weltweit hat eben nicht ähnliche Standards, wie wir sie heute in Deutschland gewohnt sind. Diese Standards sind also keineswegs für immer stabil und für immer garantiert, sondern ihre Sicherung und Verteidigung ist unsere dauernde Herausforderung. Daher ist es richtig, dass wir in unseren Beratungen auch die Unterstützung – das wurde eben schon angesprochen – für das Forum Recht in Karlsruhe als dauerhafte Einrichtung des Bundes – ich sage ausdrücklich an dieser Stelle – regierungsfraktionsübergreifend vereinbart haben. Das ist ein Projekt des Deutschen Bundestages, auch über die Regierung hinaus, und das soll es auch weiterhin bleiben. Recht und Rechtsstaatlichkeit sollen in diesem Forum Recht in einem öffentlichen Raum erlebbar werden, es soll zur Partizipation einladen. Rechtsstaat wird nicht durch Gesetzestexte erlebbar, sondern im Diskurs und in der Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern. Es ist an der Zeit, unsere demokratische Gesellschaft, die Rechtssicherheit, die Gerechtigkeit stärker zu thematisieren und auf diese Weise die freiheitssichernde Wirkung des Rechtsstaates zu unterstreichen. An dieser Stelle ausdrücklich herzlichen Dank an diejenigen, die fraktionsübergreifend das Forum Recht mitgetragen haben und es ermöglicht haben, dass wir im Bundeshaushalt für dieses Jahr 150 000 Euro bereitstellen können und so die Möglichkeit schaffen, die bisherige Machbarkeitsstudie zu vertiefen. Aber es gilt, auch in den künftigen Bundeshaushalten weitere Weichenstellungen dafür zu vorzunehmen. Drittens: Amtsgericht 4.0. Meine Damen und Herren, die Digitalisierung, auch die Digitalisierung in der Justiz ist mir ein besonderes Anliegen; da komme ich, was mein berufliches Vorleben betrifft, auch her. Die Digitalisierung insbesondere im Justizbereich führt natürlich zu zahlreichen Herausforderungen für unsere Gerichte und Staatsanwaltschaften. Diese Herausforderungen sind nicht nur technischer Natur, sondern es gibt auch eine Vielzahl von rechtlichen Fragestellungen, von Fragestellungen der Organisation und der Notwendigkeit der Modernisierung der Ausbildungsinhalte. Trotz der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Gerichtsakte basieren unsere Verfahrensordnungen und unsere gerichtsverfassungsrechtlichen Bestimmungen heute auf einer Papierwelt, auf einer papiergebundenen Korrespondenz und auf einer papiergebundenen Aktenführung. Hieraus ergeben sich für die gerichtliche Praxis ganz konkrete Rechtsanwendungsfragen, beispielsweise bei der Gewährung der elektronischen Akteneinsicht, der Aufbewahrung von Akten, der Behandlung von Beiakten, der rechtlichen Behandlung von Signaturen oder ganz einfach bei der Gewährung des Datenschutzes. Meine Damen und Herren, hier bietet sich ein Pilotprojekt an, das die Möglichkeit schafft, an einem geeigneten Mustergericht entsprechende Erkenntnisse zu sammeln, die wir später als wichtige Impulse verallgemeinernd für die deutsche Gerichtsbarkeit verwenden können. Daher begrüße ich ausdrücklich das Projekt „Amtsgericht 4.0“, das einen praxisorientierten, ganzheitlichen Ansatz bietet, und zwar an einem Musteramtsgericht, das repräsentativ für die deutschen Gerichte ist und hier als Pilotgericht fungiert. Die rechtswissenschaftliche Begleitung und der technische Sachverstand sind ebenfalls gewährleistet, um praxisnah die Herausforderungen anzugehen, konkrete Fragestellungen zu erörtern und mit entsprechender wissenschaftlicher Begleitung den Wissenstransfer voranzubringen. Das ist das Projekt „Amtsgericht 4.0“, das ich ausdrücklich begrüße. Meine Damen und Herren, trotz der enorm kurzen Beratungszeit im Rahmen dieser Haushaltsberatungen und der teilweise doch herausfordernden und weitreichenden Projekte und Vorhaben, die wir uns vorgenommen haben, sowohl im Bereich der Justiz als auch im Bereich des Verbraucherschutzes, haben wir wichtige Projekte und Maßnahmen angestoßen. Deutschland ist bei der Rechtsstaatlichkeit und beim Verbraucherschutz Weltspitze und wird es auch zukünftig bleiben. Hierfür ist der Bundeshaushalt 2018 die Basis. Mein Dank gilt den Kollegen Berichterstattern, dem Bundesministerium – stellvertretend für die Behörden in diesem Geschäftsbereich – und natürlich unseren Fachpolitikern in der Arbeitsgruppe für die guten und konstruktiven Beratungen. Ich freue mich schon auf die Beratungen des Bundeshaushalts 2019, die wir direkt nach der sitzungsfreien Zeit durchführen werden. Lassen Sie uns den beschrittenen Weg weitergehen: kritisch, konstruktiv, im Sinne und zum Wohle unseres Rechtsstaates und des Verbraucherschutzes. Vielen Dank. Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Abgeordnete Victor Perli.
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Dr. Nils Schmid SPD
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Schmid
SPD
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei mir zu Hause gibt es eine Champignystraße. Bis 1918 wurde in Deutschland der Sedantag gefeiert. Noch in der Nachkriegszeit hat die ältere Generation in Deutschland manchmal von den „Franzmännern“, in Frankreich von den „Boche“ geredet. Dass wir heute, 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs, das alles nicht mehr tun – keinen Sedantag mehr feiern, keine Straßen mehr nach Siegen über französische Armeen benennen, nicht mehr von „Boche“ und „Franzmännern“ reden –, ist ein großes Geschenk. Und es ist eine große Errungenschaft nach mehreren deutsch-französischen Kriegen, dass die deutsch-französische Freundschaft heute gefestigt ist und sich die europäischen Staaten in der Europäischen Union zum gegenseitigen Vorteil zusammengeschlossen haben. Wir wollen heute, an diesem historischen Gedenktag, den wir heute Vormittag ja schon begangen haben, auch in Erinnerung rufen, dass nach Generationen, die nichts anderes als Krieg zwischen Deutschland und Frankreich gekannt haben, zwei Generationen herangewachsen sind, die nur Frieden zwischen Deutschland und Frankreich und in Europa kennen. Das ist großartig, meine sehr verehrten Damen und Herren. Auch wenn die große Versöhnungsarbeit, die große Einigungsarbeit erst nach dem Schrecken und den deutschen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs gelungen ist, so wollen wir doch aus Anlass dieses historischen Datums des Waffenstillstands daran erinnern, dass erste Versuche, erste Schritte zur Versöhnung, erste Schritte zur Einigung Europas schon nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs unternommen worden sind. Heute reden wir viel von Multilateralismus und regelbasierter Weltordnung. Der erste Versuch war der Völkerbund, der nach dem Ersten Weltkrieg ins Leben gerufen worden ist. Das war der Vorläufer der Vereinten Nationen. Wir sollten – ähnlich wie mit Blick auf die Weimarer Republik – diese Versuche nicht nur als letzten Endes historisch gescheitert abtun, sondern auch daran erinnern, dass schon nach diesem furchtbaren Ersten Weltkrieg Politiker aus allen Ländern versucht haben, Lehren daraus zu ziehen, und dass sie die Ansätze einer regelbasierten multilateralen Weltordnung aufgebaut haben. Wir sollten daran erinnern, dass die ersten Versuche der deutsch-französischen Aussöhnung ebenfalls in diese erste Nachkriegszeit gefallen sind. Briand und Stresemann sind genannt worden. Ich will einmal sagen: Von der rechten Seite des damaligen Reichstags wurde Stresemann als Erfüllungspolitiker verunglimpft. Auch daran muss man erinnern, wenn wir die Mühen und die langen Wege der Versöhnung heute, an diesem Tag, wieder ins Gedächtnis rufen. 1925 hat die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ein Grundsatzprogramm verabschiedet, in dem die Vereinigten Staaten von Europa als Vision auf die Tagesordnung gesetzt worden sind. Das ist auch Teil der Nachkriegsgeschichte nach 1918, und es ist gut, dass heute ein Teil dieser Vision verwirklicht worden ist und dass wir mit der Neuformulierung des Élysée-Vertrags, die gerade verhandelt wird, die deutsch-französische Freundschaft stärken wollen. Es ist ein besonderer Fortschritt, dass Assemblée nationale und Deutscher Bundestag ein Parlamentsabkommen vereinbart haben, das in den nächsten Wochen auch in diesem Hohen Haus zur Ratifizierung gelangen wird, mit dem die Verzahnung der politischen Zusammenarbeit, der Austausch der politischen Kultur und auch der Aufbau einer gemeinsamen demokratischen Kultur zwischen Deutschland und Frankreich auf eine ganz neue Stufe gehoben werden. Ich freue mich sehr und bedanke mich auch bei allen, die daran mitgewirkt haben, dass wir aus Anlass des Jahrestages der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags im Januar des nächsten Jahres dann diesen Vertrag unterzeichnen können. Das ist ein weiterer Baustein zur deutsch-französischen Versöhnung. Gerade das sollte auch Anlass sein, noch einmal in Erinnerung zu rufen, was die Triebkräfte für den Ersten Weltkrieg waren. Ja, es war der Nationalismus. Deshalb gilt immer noch das politische Vermächtnis des großen französischen Staatspräsidenten Mitterrand, der gegen Ende seiner Amtszeit in Erinnerung gerufen hat: „Le nationalisme, c‘est la guerre“. Diese Gleichung vergessen manche dank der großartigen Nachkriegszeit, der Friedenszeit in Europa. Aber es gilt unverändert, meine sehr verehrten Damen und Herren: Nationalismus bedeutet Krieg. Deshalb gilt es, Nationalismus in seinen Anfängen entschieden entgegenzutreten. Da wir ja heute den Gedenktag an die Ausrufung der Republik haben, erlaube ich mir, mit den Sätzen zu schließen: Es lebe die deutsche Republik! Es lebe die deutsch-französische Freundschaft! Es lebe die Europäische Union! Vielen Dank. Vielen Dank, Dr. Schmid. – Nächster Redner: Fabio De Masi für die Fraktion Die Linke.
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Maximilian Funke-Kaiser FDP
Maximilian
Funke-Kaiser
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie uns über eines der wichtigsten Zukunftsprojekte der Ampelkoalition sprechen, nämlich die Digitalisierung. Wie weit unser Land in der Digitalisierung des Gesundheitswesens zurückliegt, ist uns allen spätestens während der Coronapandemie vor Augen geführt worden. Ganz klar ist: Wir müssen zukunftsfähig werden. – Deswegen vorneweg: Wir bringen die Digitalisierung des Gesundheitswesens zum Wohle der Versicherten, zum Wohle der Leistungserbringer und zum Wohle der Patienten voran. Dieser Haushaltsentwurf ist dafür die Weichenstellung, und das bereits im ersten Haushaltsjahr. Dafür darf ich auch ganz herzlich den zuständigen Berichterstattern – Karsten Klein, Svenja Stadler, Paula Piechotta – ganz herzlich danken. Was heißt das konkret? Das möchte ich an drei Punkten festmachen. Punkt eins. Passend zur Haushaltsdebatte – das hatte der Kollege Klein vorhin schon angesprochen; ich möchte es tiefer erläutern – sind das die Einsparpotenziale durch Digitalisierung. Ja, wir haben einen sehr hohen Haushalt vorgelegt bekommen. Um das zu verbildlichen: Allein die flächendeckende Realisierung der elektronischen Patientenakte würde Einsparpotenziale von bis zu 7 Milliarden Euro bedeuten. Eine flächendeckende telemedizinische Versorgung würde 12 Milliarden Euro Einsparpotenzial bedeuten. Wenn wir alle Digitalprojekte zusammennehmen, wären wir bei 40 Milliarden Euro. Das sind Summen, die wir angesichts der aktuellen globalen Situation dringend nötig hätten. Herr Braun, statt sich hierhinzustellen und sich über die Erhöhung des Haushaltsetats zu echauffieren, hätten Sie lieber in den letzten Jahren genau diese Projekte angehen können; denn dann hätten die das Geld auch zur Verfügung gehabt. Wir werden jetzt alle digitalen Möglichkeiten nutzen und aus diesem Konjunktiv einen Indikativ machen. Wir schaffen flächendeckend die elektronische Patientenakte. Wir ermöglichen die Nutzung des E-Rezeptes. Wir geben den Rahmen für eine flächendeckende telemedizinische Versorgung und vieles mehr. Was mir dabei wichtig ist: Es macht nicht nur haushalterisch Sinn. Es ist auch unsere politische Pflicht, das hart erwirtschaftete Geld der Bürgerinnen und Bürger in eine bessere Gesundheitsversorgung zu investieren, statt es weiterhin aus dem Fenster zu werfen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Damit verbunden ist der zweite Punkt. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens führt zu einer maßgeblichen Verbesserung der Effizienz, und zwar für Patientinnen und Patienten sowie für Leistungserbringer/-innen – für jeden einzelnen. Man muss sich vor Augen führen: Wir leben im Jahre 2022. Das mag man nicht glauben, wenn man sich über den Digitalisierungsgrad von Deutschland unterhält. Und noch immer wird mehr Zeit bei der telefonischen Suche nach einem freien Arzt als im Behandlungszimmer selbst verbracht. Noch immer verbringen die Ärzte und die Pflegekräfte mehr Zeit mit Papierkram als bei den Patienten selbst. Überlegen Sie sich einmal, wie viel zeitliches Einsparpotenzial wir durch digitale Möglichkeiten hätten – Stichworte: „flächendeckende Onlinebuchungen“, „digitale Kommunikationswege“. Ich gehe noch einen Schritt weiter. Die Frage, wie schnell wir mit der Digitalisierung vorankommen, ist auch eine Frage des Respekts gegenüber allen Menschen in diesem Land. Denn es hilft nicht nur den Patienten, es hilft auch denjenigen, die sich während der Pandemie in den letzten Jahren für uns alle – entschuldigen Sie die Wortwahl – den Arsch aufgerissen haben. Wir müssen diese Menschen, diese Pflegekräfte nicht nur finanziell unterstützen, wir müssen ihnen auch endlich die Arbeit erleichtern, liebe Kolleginnen und Kollegen. Punkt drei, der aus meiner Sicht mitunter wichtigste Punkt. Wir schaffen eine bessere Gesundheitsversorgung. Beklagen wir uns doch nicht – typisch deutsch – immer nur über das, was nicht klappt, über den Status quo, sondern ändern wir doch endlich einmal etwas daran, was nicht passt. Die Digitalisierung und die digitalen Anwendungen sind kein Teufelszeug. Es geht nämlich nicht darum, dass wir den Besuch bei den Ärztinnen und Ärzten abschaffen wollen. Es geht darum, dass wir digital und analog smart miteinander vernetzen. Es geht darum, dass wir die Gesundheitsforschung verbessern. Es geht darum, dass wir die bestmögliche Behandlungsmethode zur Verfügung stellen mit allen technischen und innovativen Mitteln. Es geht um Verfügbarkeit von Versorgung – egal wann und ganz egal wo, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dieser Haushalt ermöglicht diese digitalen Vorhaben. Hervorheben möchte ich – das wurde schon angesprochen – natürlich auch den Ausbau der gematik zu einer digitalen Gesundheitsagentur, um auch einen Enabler in Deutschland zu bauen, um diese digitalen Transformationen unseres Gesundheitswesens durchzuführen. Unser Land ist nämlich viel zu lange im digitalen Bereich kleingehalten worden. Um diese verlorene Zeit wieder aufzuholen, müssen wir jetzt Entscheidungen treffen. Wir müssen uns auch ehrlich machen: Das wird nicht jedem gefallen. Letztendlich geht es aber ausschließlich um das Wohl der Menschen in diesem Land und darum, dass wir die Vernetzung, die Versorgung und die Forschung nutzen, um Leben zu retten. Dafür werden wir alle nötigen Maßnahmen ergreifen für eine moderne, für eine digitale, für eine flächendeckende und vor allem auch für eine faire Versorgung innerhalb unseres Gesundheitswesens. Es steht viel an, und in den nächsten Jahren werden wir genauso viel auch bewegen. Herzlichen Dank. Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Tino Sorge.
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Christian Schmidt CDU/CSU
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich sind nicht Zahl und Dauer solcher Einsätze das Entscheidende. Aber manchmal braucht es die Dauer, um nachhaltig zu sein. Fast bin ich versucht, aus den zusammengewürfelten Argumenten oder Nichtargumenten, die wir heute von der Linken gehört haben, den Erfolg dieser Mission abzuleiten. Es ist eine Tatsache, lieber Herr Kollege Lindner: Der Erfolg fängt mit dem Wirken an Land an. Als jemand, der damals mit dabei war, mitzuentscheiden, dass wir diese Komponente, die von anderen NATO-Staaten gefordert worden war, nutzen, kann ich sagen: Jawohl, das Wirken an Land ist wichtig, damit die Piratenschiffe gar nicht erst ins Wasser kommen. Das hat sich anscheinend bewährt. Deswegen ist die Androhung eines Einsatzes, das Bewusstsein der Gefahr für die, die Piraterie betreiben wollen, das Wichtige. Der zweite Punkt ist in der Tat die illegale Fischerei; eine katastrophale Entwicklung für die ökonomische Situation, nicht nur in Somalia, sondern auch vor der Westküste Afrikas. Wir haben die Verpflichtung, etwas für eine ordnungsgemäße Fischerei zu tun, nicht nur wegen der Frage der Überfischung, sondern auch wegen des Wegfalls der Ernährungsmöglichkeiten beispielsweise für Somalia. Das ist ja auch gemacht worden. Der dort fliegende Seefernaufklärer, der P-3C Orion, stellt so manches fest, was er an die Thunfischkommission für den Indischen Ozean melden kann. Es geht nicht darum, Thunfische zu zählen, sondern darum, dass dieser Aufklärer Menschen mit ihren Schiffen und Trawlern in den Gewässern sieht, die da gar nicht hingehören und die aus diesen Fischgründen illegal Fische holen. Natürlich war das auch einer der ausschlaggebenden Punkte für die Entwicklung dieses Piraterieunwesens. Deswegen muss man auch hier sagen: Es hat sich anscheinend gut bewährt, was hier mit Atalanta geleistet worden ist. Nun wollen wir versuchen, dass es auch zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommt. Das ist bisher noch nicht ganz gelungen. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen hat im Jahr 2010 sieben Punkte vorgestellt und gefragt: Wie gehen wir mit denen um, die Piraterie betreiben? Vor dem Landgericht Hamburg lief einmal ein solches Strafverfahren, der sogenannte „Taipan“-Prozess. So hieß das deutsche Schiff. Aber es kann nicht sein, dass wir die Piraten aus Somalia nach Deutschland transportieren, um hier ihre Taten strafrechtlich zu ahnden und sie dann möglicherweise auf Dauer im Land zu haben. Nein, die internationale Gemeinschaft, die Vereinten Nationen – das will ich schon ansprechen – brauchen dafür ein Konzept, sei es ein internationaler Strafgerichtshof für Straftaten im Bereich der Piraterie, sei es eine Vereinbarung mit den nationalen Gerichtshöfen und Strafgerichten in der Region, sei es eine regionale Struktur in Zusammenarbeit mit den dort ansässigen Ländern. Das ist eine Aufgabe, die wir nicht deswegen aufgeben dürfen, weil es im Augenblick aufgrund der vielen positiven Entwicklungen durch die Atalanta-Mission ruhig ist, sondern wir müssen weiter daran arbeiten, eine gute Struktur aufzubauen, damit solche Taten strafrechtlich geahndet werden. Piraterie ist und bleibt eines der größten Übel der Menschheit. Wir brauchen die Ernährung der Bevölkerung. Wir brauchen aber auch freie Handelswege. Frau Kollegin Hänsel, ist es denn gar so schlimm, wenn die Handelswege für zivile Schiffe und für die Schiffe des Welternährungsprogramms gesichert sind? Ich meine, nicht. Ich meine, das ist gut und richtig. Danke. Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Dirk Vöpel.
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Lorenz Gösta Beutin DIE LINKE
Lorenz Gösta
Beutin
DIE LINKE
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fieberkurve der Erde, auch die Fieberkurve der Menschheit steigt. Wir erleben Überschwemmungen und Dürren. Menschen im Globalen Süden sterben daran. Aber auch in Deutschland gibt es immer mehr Auswirkungen: wenn Schiffsverkehr teilweise nicht mehr möglich ist, wenn der Grundwasserspiegel sinkt oder wenn unsere Wälder, beispielsweise der Thüringer Wald oder der Harz, sterben. Wir sind nicht am Anfang der Klimakrise, wir sind mittendrin, und wir alle sind aufgefordert, jetzt entschieden zu handeln. Aber was präsentiert uns die AfD? Sitzungswoche für Sitzungswoche immer das gleiche Märchen! Heute haben wir noch mal das Thema „Great Reset“ auf dem Tisch. Die AfD präsentiert uns das Märchen, dass irgendwo mächtige Männer sitzen, die sich das mit dem Klimawandel ausdenken und die Klimaschutz machen, um uns alle zu knechten und zu unterdrücken. Wissen Sie, woran mich das Ganze erinnert? Das erinnert mich an die antisemitischen Verschwörungstheorien, die wir Woche für Woche, Monat für Monat auf den Coronademos erlebt haben. Wir müssen ganz klar sagen: Verschwörungstheorien und Antisemitismus haben hier im Bundestag keinen Platz. Es ist richtig: Wir brauchen einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel, und wir brauchen einen sozialen und ökologischen Umbau. Das, was man machen muss, liegt auf dem Tisch. Das ist nicht Science-Fiction oder Zukunftsmusik. Anfang der 90er-Jahre, als hier im Deutschen Bundestag noch gar nicht an erneuerbare Energien gedacht wurde, haben sich Menschen bei mir im Wahlkreis, in Nordfriesland, auf den Weg gemacht und das Konzept der Bürger/‑innenenergie entwickelt, haben aus eigenen Ressourcen eine eigene Windkraftanlage aufgestellt, als die Politik noch gar nicht gehandelt hat. Das heißt: Seit Jahrzehnten machen sich Bürgerinnen und Bürger, machen sich Menschen auf den Weg, um den sozialökologischen Umbau selbst in die Hand zu nehmen. Das ist es, was wir brauchen. Wir brauchen eine demokratische und sozial gerechte Energiewende der Vielen, wir brauchen keine Energiewende der Konzerne. Schauen wir doch in die Kommunen, die sich aufmachen, klimaneutral zu werden. Sie kämpfen darum, die Energienetze in öffentliche Hand zurückzubekommen, sie zu rekommunalisieren, erkämpfen sie zum Teil von EON und anderen Betreibern zurück. Das ist es, was wir brauchen. Wir brauchen die Energie in öffentlicher Hand. Wir brauchen keine Profite daraus, sondern müssen die Energiewende der Erneuerbaren jetzt entschieden ausbauen. Last, but not least: Das wird nur funktionieren, wenn wir die sozialen Bewegungen mitnehmen, die Gewerkschaften, die Klimabewegung, wenn wir uns alle gemeinsam auf den Weg machen und Klimaschutz demokratisch, sozial, gerecht und mit den Beschäftigten in diesem Land machen. Dann kann es gehen, nicht mit der Angstmache von der rechten Seite. Vielen Dank. Oliver Krischer, Bündnis 90/Die Grünen, ist der nächste Redner.
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Dr.
Dr. Michael Espendiller AfD
Michael
Espendiller
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und bei Youtube! Und natürlich: Liebe FDP! Wir sind ja von Ihnen viel gewohnt; aber mit diesem Antrag haben Sie dieses Mal wirklich den Vogel abgeschossen. Er ist derart undurchdacht und verantwortungslos, dass er in seiner Wirkung regelrecht zerstörerisch wäre. Sie wollen mit diesem Antrag die Digitalisierung der Polizei vorantreiben. Und ich kann Ihnen gleich sagen, dass wir als AfD uns bei diesem Antrag nur deshalb enthalten, weil wir die Grundintention durchaus teilen. Auch wir wollen leistungsstarke Polizeibehörden, die kriminellen Strukturen technisch auf Augenhöhe begegnen und so die Sicherheit und Gerechtigkeit in diesem Land sicherstellen können. Aber Ihr Antrag würde entweder in das totale Chaos oder direkt in einen technisch hochgedopten Polizeistaat führen. Genau das haben Ihnen die Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung zu diesem Antrag auch gesagt; das war eine regelrechte Klatsche für Sie. Ich verstehe gar nicht, warum Sie den Antrag hier noch einreichen. Worum geht es? Wenn wir die Polizeiarbeit digitaler gestalten wollen, dann handelt es sich dabei um eine Operation am offenen Herzen. Alles, was wir dort ändern, geschieht im laufenden Betrieb. Das heißt, die Anwender müssen ordentlich geschult sein, und die Technik darf auf keinen Fall ausfallen. Die Funktionsfähigkeit unserer Sicherheitsbehörden muss jederzeit gewahrt sein. Ansonsten handeln wir uns unkalkulierbare Sicherheitsrisiken ein. Diesem Umstand trägt Ihr Antrag in keiner Weise Rechnung. Bereits das macht ihn verantwortungslos. Es geht weiter damit, dass Sie laut Ihrem Antrag unsere föderale Sicherheitsarchitektur von der technischen Seite her faktisch komplett abschaffen wollen. Sie wollen eine zentralistische IT-Struktur schaffen, innerhalb der sämtliche Polizei- und Justizbehörden auf einer gemeinsamen Arbeitsoberfläche agieren und Zugriffe auf Informationen und Daten wie Bonbons verteilt werden, ohne jede Kontrollinstanz und ohne jede Sanktionsmöglichkeit. Bereits heute haben wir in diesem Bereich aber Probleme. Der Sachverständige Professor Dr. Aden hat dazu ausgeführt – ich zitiere –: [Es] wurde ... deutlich, dass nicht immer nachvollziehbar ist, wer aus welchen Gründen Daten aus polizeilichen Systemen abfragt und nutzt. Ich zitiere weiter: Immer wieder kommt es vor, dass mehrere Bedienstete unter derselben Kennung in polizeilichen Systemen arbeiten – obwohl dies bereits heute nach den innerdienstlichen Regelungen unzulässig sein sollte. Das heißt, hier haben wir als Gesetzgeber schon jetzt dringenden Handlungsbedarf, wenn wir den Datenschutz und die Bürgerrechte ernst nehmen wollen. Auch dazu steht kein Wort in dem Antrag der FDP. Stattdessen setzen Sie noch einen drauf und wollen den Behörden noch mehr unkontrollierte Befugnisse geben. Aber es kommt sogar noch schlimmer: Sie wollen im Handstreich die Nutzung von KI-Systemen verordnen, von denen wir nach heutigem Stand wissen, dass sie teils zu falschen Verdächtigungen und einem steigenden Risiko rechtswidriger Maßnahmen führen. Diese Systeme sind bisher weder für die anwendenden Polizeiorgane noch für die Bürger nachvollziehbar. Einer der Sachverständigen hat zu Recht gesagt, dass es eine Blackbox ist. Auch da sind wir uns in einem Punkt nicht einig. Wir müssen nämlich eines beachten: die mangelnde Transparenz. Die Bürger müssen verstehen, warum und auf welcher Grundlage Polizei- und Sicherheitsbehörden agieren und Entscheidungen treffen. Und schließlich geht es auch noch um die Waffengleichheit. Die Bürger wollen keinen übermächtigen Polizei- und Überwachungsstaat, dem sie sich ausgeliefert fühlen. Gerade Rechtsbeiständen von Angeklagten und Richtern muss eine umfassende Nachprüfbarkeit der Rechtmäßigkeit der erhobenen Vorwürfe möglich sein, um auch zu prüfen, ob bei den Ermittlungen geltendes Prozessrecht eingehalten wurde. Viele Erfahrungen aus dem Einsatz von KI-Lösungen bei der Polizeiarbeit stammen aus dem angloamerikanischen Raum, wo die Rechte von Angeklagten mit einer sehr strengen Früchte-des-verbotenen-Baumes-Regelung geschützt werden. Diese haben wir in Deutschland in dieser Form nicht. Wir haben insofern das Problem, dass wir bald ein Missverhältnis beim Grundsatz des fairen Verfahrens haben. Ich könnte hier jetzt noch viel sagen, möchte dies aber nicht. Ich möchte Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit danken, liebe Kollegen. Eine wichtige Sache möchte ich noch loswerden: Georg Thiel ist heute seit vier Monaten wegen nicht gezahlter Rundfunkbeiträge im Gefängnis. Das ist absolut unverhältnismäßig. Lassen Sie Georg Thiel frei, Herr Buhrow. Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Susanne Mittag.
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