Wahlperiode
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Mechthild Heil CDU/CSU
Mechthild
Heil
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meinen Blick mal weg von den Ballungsgebieten hin zu den ländlichen Räumen lenken; denn immerhin sind die ländlichen Räume die Räume, wo die meisten Deutschen leben und auch leben wollen. Wir haben im Baulandmobilisierungsgesetz eine neue Baugebietskategorie, das dörfliche Wohngebiet, etabliert, aber eben auch eine erneute befristete Auflage des § 13b Baugesetzbuch vorgenommen, über den wir jetzt schon eine ganze Zeit gesprochen haben. Der neue § 13b hat lebhafte Diskussionen im Vorfeld ausgelöst; aber man sieht ja auch heute, wie heftig die Diskussion ist. Ich muss sagen: Mich wundert die Diskussion, vor allen Dingen, weil die Kritik immer von Menschen kommt, die gerade eben nicht im ländlichen Raum leben. Für mich, für die CDU/CSU ist klar: Wir haben immer den Flächenverbrauch mit im Auge gehabt, und natürlich ist auch die Innenentwicklung für uns ganz besonders wichtig – auch bei der Neufassung des Baugesetzbuches. Für mich sind Innenentwicklung und Außenentwicklung aber wirklich kein Gegensatz. Wir brauchen die Neubaugebiete an den Rändern von kleineren Dörfern und von Städten genauso wie das Konzept „Jung kauft Alt“. Und wer so tut, als ob das eine nichts mit dem anderen zu tun hätte, der lügt sich selber in die Tasche. Klar ist aber auch: Wir müssen bei der Innenentwicklung viel mehr tun. Wir müssen viel mehr Geld, viel mehr finanzielle Mittel in die Hand nehmen und natürlich auch die rechtlichen Rahmenbedingungen noch schärfen. Dieses Idyll des hübsch sanierten und vielleicht auch denkmalgeschützten Altbaus im Kleinstadtkern ist echt eine Zierde und vielleicht auch in irgendwelchen romantischen Filmen gut unterzubringen; aber das hat mit der Realität überhaupt nichts zu tun. Winzige Grundstücke, kleine Räume, niedrige Decken, wenig Licht und Luft, schmale Türen, schmale Treppen, nicht behindertengerecht, keine Chance, da Möbel hineinzubringen, kein Schallschutz, kein Trittschutz, keine Wärmedämmung, nicht winddicht, aber aufsteigende Feuchtigkeit, weil die Sperrschichten fehlen, die Haustechnik veraltet, die Decken und die Fundamente für zusätzliche Lasten nicht geeignet. Wenn ein Liebhaber ein solches altes Gebäude kauft und sanieren will, dann hat er weniger als einen guten Rohbau. Meine Kollegen von den Grünen, ich frage Sie: Wer hat denn die Kraft, wer hat die Zeit und wer hat die finanziellen Mittel, sich auf ein solches finanzielles Risiko beim Kauf eines Altbaus einzulassen? Ich lebe im ländlichen Raum. Ich kenne diese Häuser, und ich kenne auch die Bewohner, die in diesen Häusern leben. Sie finden keinen Käufer für ihre Immobilie, und sie bekommen auch nicht den angemessenen Preis dafür. Deswegen sage ich: Wir müssen auch alte Gebäude in solch schlechten Zuständen, die wir ja nun zu Tausenden in Deutschland haben, abreißen dürfen – nicht sanieren, sondern abreißen! Das müssen wir auch fördern. Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss. Nicht alles, was alt ist, ist auch erhaltenswert, ortsbildprägend oder denkmalwürdig. Frau Kollegin, bitte! Wenn wir die Probleme lösen, machen wir das anders, als es die Grünen machen. Wir wollen nicht – – Frau Kollegin, ich entziehe Ihnen gleich das Wort, egal ob Sie die Hand heben oder nicht. Ich fordere Sie seit 30 Sekunden auf, zum Schluss zu kommen. Sie haben jetzt noch einen Satz. Wir machen es anders als die Grünen und die Linken. Wir wollen die Hilfe zum Kauf, zur Sanierung und zum Abriss von Gebäuden stärken. Dafür stehen wir als CDU/CSU, und darüber setze ich mich mit Ihnen auch gerne im Wahlkampf weiter auseinander. Danke, Herr Präsident. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Damit schließe ich die Aussprache. Wir nähern uns der Entscheidung.
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Ute Vogt SPD
Ute
Vogt
SPD
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Offenbar hat der Kollege ein bisschen viel bei „Sudel-Ede“ zugeschaut. Ich bin schon erstaunt, dass wir von einer Debatte über eine Sendung im Kinderkanal zu der Drohung kommen, dass der Bund auch noch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen will. Das, Herr Kollege, behaupten Sie leider Gottes ohne die banalste Grundkenntnis unseres Rechtssystems. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk – lassen Sie sich das gesagt sein – ist ein Rundfunkstaatsvertrag der Länder; der Bund könnte ihn gar nicht abschaffen. Aber ich will Ihnen mit einem Blick in die deutsche Geschichte ein bisschen helfen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist zu Recht und mit gutem Grund nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden und aufgebaut worden, gerade weil man einen unabhängigen Rundfunk und unabhängige Medienberichterstattung wollte, gerade weil die junge Demokratie Stärkung gebraucht hat. Es ist interessant – das wurde schon ein paarmal von vielen Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen angesprochen –: Natürlich hat sich jeder hier im Hause schon über Berichterstattungen geärgert. Wie oft haben wir uns gewünscht, dass unsere Fraktion oder unsere Partei vielleicht mehr vorkommt. Aber keiner Fraktion wäre es eingefallen, dies hier zum politischen Thema zu machen und sich auch noch auszuweinen, weil die eigene Partei mal kritisiert oder kritisch dargestellt wird. Das ist schon sehr einzigartig und zeigt mir, dass Sie nicht verstanden haben, was die Grundfesten unserer Demokratie sind, nämlich Meinungsfreiheit und damit auch Presse- und Medienfreiheit, dass es eine freie Berichterstattung gibt und dass man es, wenn man im Parlament kämpft und streitet, eben auch aushalten muss, dass andere Meinungen zum Tragen kommen und dieser Meinungsstreit auch ausgetragen werden muss. Dafür haben wir eine gute Berichterstattung, die allen Seiten gerecht wird und über die sich alle Seiten auch regelmäßig ärgern dürfen und vielleicht auch müssen. Wenn Sie so ein unbedingtes Interesse daran haben, dass Ihre Partei in anderer Form dargestellt wird, dann haben Sie das ganz alleine in der Hand. Die Darstellung Ihrer Partei hängt davon ab, wie Sie sich benehmen, ob Sie mit Anstand demokratische Spielregeln einhalten oder ob Sie sich so gebärden wie sonst in diesem Parlament, nämlich gegen jede Spielregel, ohne Anstand und oftmals auch völlig herzlos und kalt. Wenn Sie erreichen wollen, dass man anders über Sie redet und vielleicht auch anders mit Ihnen redet, dann werfen Sie die Rechtsextremisten und Faschisten aus Ihrer Partei, distanzieren Sie sich von diesen Leuten, und schauen Sie auf Ihre Reden! Halten Sie andere Reden, reden Sie anständig, reden Sie menschlich, haben Sie vor allem auch ein Herz für andere Menschen, und verlassen Sie Ihre ideologische Blase! Dann – sage ich Ihnen – gibt es auch eine andere Berichterstattung. Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion der CDU/CSU die Kollegin Dr. Astrid Mannes.
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Markus Herbrand FDP
Markus
Herbrand
FDP
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Güntzler, wenn alles so rosig wäre, wie Sie das ausgeführt haben, dann müssten wir uns in der Tat heute nicht mehr darüber unterhalten. Mehrfach wurde der deutsche Fiskus mit komplexen Börsenmanövern um gigantische Summen geprellt. Das muss für die Zukunft verhindert werden. Ich dachte eigentlich, da seien wir einer Meinung. In diesem Zusammenhang muss aber auch die Frage gestellt werden: Ist wirklich genug unternommen worden, die strukturellen und organisatorischen Defizite und Schwächen abzustellen, die erst dazu geführt haben, dass es diese Fälle überhaupt gegeben hat? Offenbar nicht; denn jüngsten Medienberichten zufolge wurden Hinweise zu Cum/Fake-Geschäften wohl vom BMF zensiert. Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch dieser Vorgang muss nun schnellstens und auch lückenlos aufgeklärt werden. Noch vor wenigen Wochen hat die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von mir geantwortet, keinen personellen Handlungsbedarf bei der Aufarbeitung und Bekämpfung von Cum/Ex, Cum/Cum und anderen Missbrauchsfällen zu sehen. Heute sieht man das ganz offenbar anders. Man hat eine Spezialeinheit gebildet und dafür auch Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sosehr wir im Ziel übereinstimmen, so sehr bezweifeln wir, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen hinreichend konkret und ausreichend sind. Der Antrag der Grünen bringt wenig Neues, Ihre Forderungen sind dünn und vage und zum Teil natürlich auch veraltet. Das wurde bereits angesprochen. Die Anzeigepflicht ist längst eingeführt. Sie fordern, „die Steuerzuständigkeit für … reiche Bürgerinnen und Bürger“ auf den Bund zu übertragen. Halten Sie das wirklich für einen produktiven Lösungsansatz für dieses Problem? Haben Sie das mit den Ländern abgesprochen? Wer ist „reich“? Wer bestimmt das? Wahrscheinlich Sie von den Grünen. Auch das halte ich für grüne Klassenkampfrhetorik. Aus Sicht der FDP ist das kein Weg, die Probleme zu lösen. Auf die Idee, zum Beispiel das Monitoring der Finanzverwaltung mittels digitaler Lösungen effizienter auszugestalten, kommen die grünen Antragsteller erst gar nicht; da sind die Linken in ihrem Antrag deutlich weiter. – Zum Teil. Wir sehen vor allem in der technischen Ausstattung und auch in der Beseitigung organisatorischer Mängel den Schlüssel zu den Lösungen. Dafür muss aber zunächst lückenlos aufgeklärt werden, und hierzu sehen wir keine ernsthafte Bereitschaft beim BMF. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten den Cum/Ex-Skandal als Mahnung verstehen: Das Steuerrecht ist so komplex, dass der Staat selbst den Überblick verliert. Das kann nicht der Anspruch an uns als Gesetzgeber sein. Seien Sie sicher: Wir werden im Finanzausschuss das Thema mit mehr inhaltlicher Tiefenschärfe versehen, als die vorliegenden Anträge das machen. Den aktuellen Vorwürfen werden wir gewissenhaft nachgehen, und wir fordern von der Bundesregierung auch da lückenlose Aufklärung. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Kollege Herbrand. – Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Fabio De Masi.
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Jutta Krellmann DIE LINKE
Jutta
Krellmann
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kenne betriebliche Berufsausbildung, Herr Sattelberger, weil ich 1972 meine Ausbildung zur Chemielaborantin begonnen habe. – Ach herrje, da muss ich aber jetzt darüber nachdenken, ob ich das gut finde. Aber die Arbeitswelt hat sich einfach verändert. Deswegen finde ich es total richtig und wichtig, dass das Berufsbildungsgesetz jetzt angepasst wird, um das zu ändern. Neu ist zum Beispiel, dass heute junge Menschen dual studieren können. Das ging 1972 noch nicht. Sie und ich hatten beide überhaupt nicht die Möglichkeit, darüber nachzudenken. Jetzt sind es aber mittlerweile schon 100 000 junge Menschen, die dual studieren. Sie werden in Betrieben ausgebildet und studieren parallel an Hochschulen. Eine attraktive Sache, finde ich. Die Übernahmequoten sind hoch, und die Abbrecherquoten sind absolut gering. Aber dual Studierenden fehlt es an vielen Rechten, die Auszubildende im Betrieb normalerweise haben; denn für die dual Studierenden gilt das Berufsbildungsgesetz nicht, jetzt nicht und nach dem Entwurf auch nicht in Zukunft. Das bedeutet für viele: kein Schutz durch einen Ausbildungsvertrag, keine Bezahlung nach Tarif, keine einheitlichen Standards bei der Ausstattung, keine vergleichbaren Lehrpläne für die Betriebe. So viel zur Regelung, Herr Brandenburg. Es wäre absolut notwendig, dass man da was macht. Deshalb teile ich die Bedenken der Gewerkschaftsjugend, die sagt – ich zitiere –: Wir laufen Gefahr, dass dual Studierende als billige Arbeitskräfte missbraucht werden und zu Nachwuchskräften zweiter Klasse werden. – Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum sich die Arbeitgeberverbände mit Händen und Füßen dagegen wehren, vergleichbare Standards für dual Studierende auf den Weg zu bringen. Die Linke sagt: Das Berufsbildungsgesetz muss für dual Studierende gelten, ohne Ausnahme. Statt die Situation zu ändern, bilden Sie jetzt einen Arbeitskreis. Ist ja toll! Auch für Prüferinnen und Prüfer in der beruflichen Bildung wollen Sie wenig ändern. Hunderttausende Ehrenamtliche halten Jahr für Jahr die Qualität der beruflichen Bildung hoch. Arbeitgebervertreter, Arbeitnehmervertreter und Berufsschullehrer arbeiten hier kollegial zusammen. Praxis prüft Praxis – dieses Prinzip hat sich über viele Jahre hinweg absolut bewährt. Aber ausgerechnet dieses Ehrenamt werten Sie nicht auf. Wir fordern eine klare gesetzliche Regelung für die Prüfer. Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Zwar werden sie künftig freigestellt, aber die Bundesregierung drückt sich um eine Lösung für die Bezahlung und Freistellung genau dieser Prüfer. Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen, sonst muss ich Ihnen das Wort entziehen, wie ich es auch dem Kollegen Sattelberger angekündigt habe. Vielen, vielen Dank für den Hinweis. Zudem muss es ein Recht auf Weiterbildung geben. Sie hatten die Chance, ein gutes Gesetz zu machen, aber Sie sind auf der Hälfte stehen geblieben. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Yvonne Magwas, CDU/CSU-Fraktion.
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Frank Schwabe SPD
Frank
Schwabe
SPD
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir haben hier in vielen Bereichen durchaus eine große Einigkeit in der Außenpolitik festgestellt. Deswegen, lieber Kollege Nouripour, macht es keinen Sinn, einen Einzelnen herauszugreifen. Das war in Ihrem Fall der Außenminister, der gerade angeblich nicht genug tut. Die Sozialdemokratie muss ihre Europafreundlichkeit sicherlich nicht besonders unter Beweis stellen. Wir haben im Koalitionsvertrag klargemacht, dass dies das Thema Nummer eins ist und dass es mit uns nur Regelungen gibt, die europakonform sind, nichts anderes. Natürlich ist der Außenminister Heiko Maas bei dieser Positionierung vorneweg. Was ist eigentlich das Ziel von Außenpolitik? Es geht darum – das wurde heute schon vielfach betont –, dass Länder in Frieden miteinander leben und dass Konflikte minimiert werden. Das ist heute schon vielfach getan worden. Ich will das auch noch einmal tun. Hier ist durchaus Selbstlob angebracht. Wir haben in den letzten Jahren die Haushaltsmittel – leider hat die Welt das notwendig gemacht – in den Bereichen der humanitären Hilfe und der Krisenprävention erhöht. Insgesamt sind es 1,5 Milliarden Euro. Für diejenigen, die das nicht wissen – das alles kann man nachlesen oder googeln –: Es gibt bestimmte Richtlinien für die humanitäre Hilfe. Es geht dabei um Unabhängigkeit, Neutralität und Unparteilichkeit. Das sind die Kriterien der humanitären Hilfe. Damit wird natürlich kein Regime Change betrieben. Alle anderslautenden Behauptungen sind natürlich dummer Unsinn. Wir haben jetzt durch unsere Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat die Chance – das begrüße ich ausdrücklich, da Menschenrechte, Klimaschutz und Konfliktminimierung unsere Hauptthemen in den nächsten zwei Jahren sind –, unsere Vorstellungen von humanitärer Hilfe und Konfliktprävention weltweit noch stärker zu verankern. Ich will die Zahlen noch einmal vor Augen führen: Zurzeit sind auf der Welt etwa 68 Millionen Menschen auf der Flucht. Das sind erschreckend viele. Das ist die höchste Zahl seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Menschen sind unter erbärmlichsten Bedingungen auf der Flucht. Das sind nur geringfügig weniger Menschen, als in der Bundesrepublik Deutschland leben. Sicherlich sind das viele Menschen. Aber es ist nur ein Hundertstel der Menschen auf der Welt. Es wäre doch gelacht, wenn die Welt nicht die Kraft aufbringen könnte, mit dieser Situation umzugehen. Ich lobe uns ausdrücklich für den Haushaltsansatz in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Ich wünsche mir aber, dass wir im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft Deutschlands im UN-Sicherheitsrat die Chance nutzen, uns in der humanitären Hilfe und der Konfliktprävention weltweit noch stärker zu positionieren und das zu einem Markenzeichen Deutschlands weltweit zu machen. Ich glaube, dass wir die Chance dazu haben. Das 20. Jahrhundert ist eigentlich – das vergisst man immer wieder – eine Erfolgsgeschichte für Demokratie und Menschenrechte. Aber man hat den Eindruck, dass es einen Virus gibt, der uns befallen hat, nämlich der Virus des Populismus und des Autoritarismus. Davon sind auch Länder in Europa betroffen wie Ungarn, die Türkei, Polen und – ganz aktuell – Russland. Wir erleben so etwas wie eine Orbanisierung der Politik, die leider bis in große Teile dieses Hauses hineinreicht. Es gibt nur ein Mittel dagegen. Das ist nämlich Haltung, eine klare Haltung zu demokratischen Werten und Aufklärung. Es geht um die Stärkung von Institutionen wie der OSZE, die in den nächsten Tagen hier ihre Jahrestagung abhält, aber auch des Europarats – das wurde gerade schon angesprochen –, einer Institution von 47 Nationen, die natürlich inklusiv zusammenarbeiten sollen, auch mit Ländern wie der Türkei, Aserbaidschan und Russland. Es gibt aber auch bestimmte Werte. Es gibt die Europäische Menschenrechtskonvention, die alle Länder, die Mitglied sind, unterschrieben haben. Wenn sich aber Länder massiv dagegen verhalten, dann müssen wir das am Ende auch sanktionieren. Das ist die Debatte, die wir führen. Wenn Russland bereit ist, bestimmte Auflagen, die es durch die Europäische Menschenrechtskonvention und die Institution Europarat gibt, zu erfüllen, dann ist Russland natürlich Mitglied der Organisation. Wenn es aber nicht bereit ist, werden wir über die Mitgliedschaft Russlands in dieser Organisation zu reden haben. Anders geht es nicht. Meine herzliche Bitte: Lassen Sie uns den Europarat nutzen! Er steht ein bisschen im Schatten vieler anderer Institutionen. Aber wir brauchen ihn dringend als Gremium, um gemeinsam über Werte, Menschenrechte, Demokratie und anderes zu diskutieren. Wir haben uns im Rahmen des Koalitionsvertrages vorgenommen, den Europarat zu stärken und zu unterstützen. Das ist die Aufgabe für die nächsten Jahre. Herzlichen Dank. Vielen Dank. – Nächster Redner ist Roderich Kiesewetter für die CDU/CSU.
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1,620,345,600,000
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Jens Koeppen CDU/CSU
Jens
Koeppen
CDU/CSU
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mal versöhnlich anfangen. Mir gefällt Ihre Überschrift: „Klimaschutz ist jetzt“. Genauso ist es. Klimaschutz ist jetzt und in Deutschland, und das ziemlich gut. Deutschland ist da sehr ambitioniert, und das ist wirklich, ich sage mal, nicht ohne. Der Kollege Köhler hat es gerade in seiner Rede gesagt: Das Verfassungsgerichtsurteil hat nichts anderes gesagt, als dass das so in Ordnung ist. – Das ist so. Wenn Sie das nicht glauben, dann hören Sie sich die Rede einfach noch mal an. Das, was Deutschland leistet, ist einzigartig. Zeigen Sie mir ein einziges vergleichbares Industrieland, das es besser macht als Deutschland, und das ohne Kernenergieerzeugung. Sie werden keines finden. Deswegen ist alles das, was Sie in Ihren Anträgen geschrieben haben, ziemlich – na ja, ich sage mal – ideologisch. Ihre Maßnahmen können auch ganz kurz zusammengefasst werden. Sie setzen auf blinden Ausbau – das haben Sie schon immer gemacht –, kein Wort zur Nutzung, kein Wort zur Verfügbarkeit. Sie setzen auf Verbote, kein Wort zu Anreizen, kein Wort zur Technologie. Sie setzen auf Bevormundung, kein Wort zu Anreizen. Sie setzen auf Zwangssanierung von Einfamilienhäusern. Sie setzen auf das Verbot der Verbrenner, statt in dem Bereich Verbesserungen mitzutragen. Sie setzen auf einseitige Mobilität, anstatt die Vielfalt neuer, anderer Technologien auf den Weg zu bringen. Sie setzen auf das Aus von ganzen Industriezweigen. Sie setzen auf das Aus von Nord Stream 2. Sie setzen auf Protektionismus. Sie setzen auf Nationalismus, und zwar auf Klimanationalismus. Sie müssten aber wissen, dass Klimaschutz nur – und zwar ausschließlich – global zu bewältigen ist und nicht anders. Das, was Sie machen, ist Klimaschutz auf dem Papier und nichts anderes. Es geht weiter. Nächster Punkt: Das ist die Versorgungssicherheit. Nichts davon ist zu lesen, nichts. Bezahlbarkeit spielt bei Ihnen überhaupt gar keine Rolle. Akzeptanz war noch nie ein grünes Thema, noch nie. Die Windräder stehen ja irgendwo im Wald, oder sie stehen irgendwo im ländlichen Raum, die PV-Anlagen stehen auf dem Acker und nicht im Prenzlauer Berg – das ist Ihnen alles völlig egal. Nächster Punkt: Wind-onshore. Sie bleiben ohne eine Aussage zur Flächenverfügbarkeit; denn die ist schlicht und ergreifend nicht mehr da. Da können Sie die Ziele noch so hochschrauben: Sie werden keine Flächen mehr bekommen. Der nächste Punkt ist Wind-offshore – 35 GW und 20 GW; Sie kennen das alles –: Die Netzkapazität reicht jetzt schon nicht aus. Und zum Kohleausstieg muss ich Ihnen sagen: Den haben Sie gefeiert; Sie haben sich feiern lassen auf den Straßen. Und jetzt, nach einem Jahr, ist da schon wieder Schluss. Dieser Überbietungswettbewerb hilft niemandem. Wir brauchen bei dieser Mammutaufgabe, an der sich bis jetzt alle Regierungen die Zähne ausgebissen haben, Lösungen, statt monatlich neu zu beraten. Wir brauchen einen Wettbewerb der kreativen Ideen. Wir brauchen den internationalen Emissionshandel, der ausgebaut werden muss, statt die Komfortzone EEG. Wir brauchen Versorgungssicherheit statt Abregelung. Kommen Sie bitte zum Schluss. Und wir brauchen Technologieoffenheit, Technologieoffenheit und Technologieoffenheit. Aber das bringen Sie nicht zusammen. Vielen Dank, Kollege Koeppen. – Ich schließe die Aussprache.
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Klaus-Peter Willsch CDU/CSU
Klaus-Peter
Willsch
CDU/CSU
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Brugger, ich glaube, ich muss mal checken, ob Sie meinen Account gehackt und meine Rede vorher schon gelesen haben. In der Tat wollte ich daran erinnern, dass wir uns nicht das erste Mal mit diesem Thema beschäftigen. Wir haben diese Woche im Wirtschaftsausschuss, meine Damen und Herren, wieder ausführlich den gesamten Themenkomplex behandelt. Es standen dazu acht Punkte auf der Tagesordnung. Wir haben alle Facetten erneut besprochen, wie wir es hier auch immer wieder tun. Gleichwohl wird immer wieder das gleiche Märchen erzählt, nämlich dass Deutschland die Waffenschmiede der Welt sei und Kriege dieser Welt mit deutschen Waffen ausgefochten würden. Beides ist falsch. Das, was wir hier schon immer vorgetragen haben, wurde im Rahmen der Anhörung im Wirtschaftsausschuss, die wir dazu hatten, eindeutig belegt. Vielleicht schauen Sie sich das einmal in der Mediathek an; denn Wiederholung prägt bekanntlich ein. Es ist eindeutig beides widerlegt worden. Die Rüstungsexportpolitik der Bundesrepublik Deutschland ist im Vergleich äußerst restriktiv. Auch der Vertreter der IG Metall hat es eingeräumt. In dessen Stellungnahme hieß es: Auch wenn die Einschätzungen über die Genehmigungspraxis der Bundesregierung unterschiedlich sind, so bleibt doch festzuhalten, dass die Rüstungsexportkontrolle in Deutschland im internationalen Vergleich restriktiv gestaltet ist. Sie haben ja einige Mitglieder der IG Metall bei sich. Vielleicht hören Sie bei denen mal nach. Auf die Frage, welche Konflikte denn konkret mit deutschen Waffen angeheizt würden, konnte nicht einmal die von den Linken benannte Vertreterin von Pax Christi nur einen einzigen benennen. Ich spreche hier für die Arbeitsgruppe Wirtschaft meiner Fraktion. Die Außenpolitiker werden das Thema Jemen-Konflikt noch näher beleuchten. Aber hier spielen deutsche Waffen keine Rolle, auch nicht die Patrouillenboote. Sie bekommen wie ich die gleichen Informationen vom Auswärtigen Amt. Das Auswärtige Amt hat erst gestern wieder betont, dass der Hafen von Hudaida operational ist, das heißt offen. 70 Prozent aller humanitären und kommerziellen Exporte werden über diesen Hafen abgewickelt. Es ist also eine Mär, dass Saudi-Arabien mithilfe deutscher Patrouillenboote die Anlieferung von Hilfsgütern verhindert. Auf den Kriegsschauplätzen dieser Welt wird nicht mit deutschen, sondern mit chinesischen, russischen, ukrainischen oder iranischen Waffen gekämpft. Deutsche Waffen spielen in diesen Konflikten überhaupt keine Rolle, auch im Jemen nicht. Der Anteil Deutschlands am Kleinwaffenexport liegt im Promillebereich. Erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Die Linke? Ja, bitte. Vielen Dank, Herr Willsch, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie erzählen hier, dass deutsche Waffen nicht an diesen Kriegen und auch nicht am Jemen-Krieg beteiligt seien. Was ist denn zum Beispiel mit den Eurofightern? Die Eurofighter sind zu einem Drittel deutsch. Ohne deutsche Produkte würden die Eurofighter gar nicht fliegen. Die Eurofighter bombardieren Hochzeitsgesellschaften und Schulkinder im Jemen. Herr Liebich, Sie führen einen zentralen Punkt an, mit dem wir uns in der Frage der Rüstungskooperation auseinandersetzen müssen. Die Tatsache, die auch schon im Rahmen dieser Debatte beklagt worden ist, ist, dass viele unserer potenziellen Kooperationspartner grundsätzlich infrage stellen, ob mit uns überhaupt noch kooperiert werden kann. Das kommt von solchen Überlegungen, wie Sie sie gerade anstellen. Der Eurofighter wird von einer europäischen Firma geliefert. Daran hat Deutschland Anteil. Herr Kollege, bitte, es gibt eine Frage, dann die Antwort. Sie haben Ihre Frage gestellt. Normalerweise ist es so, es kommt eine Frage, und dann bekommt man eine Antwort. Die Antwort kann Ihnen gefallen oder nicht, aber Sie können Ihre Frage formulieren, und ich formuliere meine Antwort. Das müssen Sie hinnehmen. Genau auf diesen Punkt wollte ich noch zu sprechen kommen. Wenn Sie sich darüber Gedanken machen, wie wir zu ökonomisch sinnvollen Konditionen für die Bewaffnung unserer eigenen Armee – ich bin überzeugt davon, wir brauchen eine eigene Armee; wenn man die eigene Armee nicht bezahlt, zahlt man eine Besatzungsarmee – kommen können – wir müssen bei uns eine Rüstungsproduktion haben, um unsere Armee mit eigenen Produkten ausstatten zu können –, dann geht es nur, wenn wir Losgrößen erreichen. Nun gehen wir in internationale Kooperationen. Wir wollen mit den Franzosen die nächste Generation Panzer bauen. Wir wollen mit den Franzosen unbemannte Flieger bauen. Wir wollen mit den Franzosen, möglichst auch mit den Engländern zusammen, die nächste Generation Kampfflugzeuge entwickeln. Die alle stellen das infrage, weil Sie sagen, wenn ein deutscher Anteil dabei ist, dann kann man nicht mehr in die Welt exportieren. Das können Sie von mir aus im britischen Parlament fragen, aber fragen Sie das nicht mich. Das ist eine Frage, die nicht hierhin passt, die aber genau einen Punkt aufzeigt, der bei unserer restriktiven Exportpolitik problematisch ist. Herr Kollege erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lechte? Ja. Wer ist das? FDP-Fraktion. Entschuldigung, ja, jetzt klingelt es wieder. Lieber Klaus-Peter Willsch, lieber Kollege, nachdem der Kollege Loos weg ist, habe ich jetzt die Chance, eine Nachfrage zu stellen. Vorhin ging es auch um die Kurzarbeit auf der Werft, wo die Patrouillenboote hergestellt werden. Wir von der FDP-Fraktion haben uns schon überlegt, in einer schriftlichen Einzelfrage klären zu lassen, ob es nicht toll wäre, wenn die Bundeswehr diese Patrouillenboote übernimmt. Damit wäre keine Kurzarbeit mehr nötig, und wir hätten endlich Schiffe für die Missionen im Mittelmeer. Die Bundeswehr braucht ja Ausrüstung. Wir hätten das Problem von den Linken und den Grünen und auch unser Problem gelöst, weil man nicht wirklich ausschließen kann – das können auch Sie nicht, lieber Kollege Willsch –, dass die Patrouillenboote – „Patrouillenboote“, das hört man schon am Namen – für die Blockade des Jemen durch Saudi-Arabien eingesetzt werden. Das kann Klaus-Peter Willsch hier im Deutschen Bundestag nicht ausschließen. Ich bin ja gelernter Mann des Heeres, Flugabwehrsoldat. Inzwischen bin ich Sanitäter. Ich maße mir jetzt nicht an, der Marine Vorschläge zu machen, was sie in ihrer Bedarfsliste nach vorne platzieren muss, weil es gerade irgendwo Exportprobleme gibt. Ich halte es nicht für ein besonders schlüssiges Beschaffungskonzept, zu sagen: Was wir nicht ausliefern können und was an unerledigten Exportaufträgen herumsteht, das geben wir dann unserer Armee. Ich glaube, dieser Ansatz ist nicht ganz rational. Vielen Dank für die Frage. Der renommierte Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, Professor Krause, hat im Rahmen der Anhörung bekräftigt: Der Hinweis auf das finanzielle Volumen deutscher Rüstungsexporte ist ohne die entsprechende Kontextualisierung weitgehend sinnlos. Die Behauptung, wonach Deutschland drittgrößter Waffenexporteur der Welt sei, lässt sich nach einer kritischen Sichtung der verfügbaren und belastbaren Zahlen ohnehin nicht aufrechterhalten. Also: Die Experten haben im Rahmen dieser Anhörung am laufenden Band linke Ammenmärchen entlarvt, und sie haben eindringlich gewarnt – darauf bin ich schon eingegangen –, mit unserer restriktiven Rüstungsexportpolitik, bei der in immer noch höherem Maße Restriktionen gefordert werden, gefährden wir unsere eigene Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit. Ich will Ihnen, Frau Alt, eines zu bedenken geben. Bei Ihrer kategorischen Aussage bezüglich der Spannungsgebiete hätte ich mir ein Wort zu den Waffenlieferungen an die Peschmerga gewünscht. Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass das einer der am wohlsten abgewogenen und wirksamsten Möglichkeiten der militärischen Hilfe gewesen ist, die wir in den letzten Jahrzehnten gemacht haben. Sie sind erklärtermaßen mein Lieblingskoalitionspartner; das wissen Sie ja; wenn wir wieder einmal zusammen eine Mehrheit haben, dann kommen wir in diesen Fragen wieder zu einer Rationalität. Rüstungsexporte sind ein Mittel, lokale Sicherheitsstrukturen zu stärken, aber auch eine Möglichkeit, zu verhindern, dass noch mehr Länder eigene Rüstungsindustrien aufbauen. Wir als Union halten es für essenziell, dass wir als Hochtechnologieland in der Lage sind, auf diesem Markt präsent zu sein, um unseren eigenen Soldaten, die wir in gefährliche Einsätze schicken – – – Sie müssen sich beeilen. Ich nehme die an, ich habe nur noch 13 Sekunden. Herr Kollege, ich habe mir schon gedacht, dass das jetzt kommt. – Frau Kollegin, Sie haben jetzt die Möglichkeit zu einer Zwischenfrage. – Ich kann es leider nicht ändern, so ist es. Vielen Dank, ich versuche, es auch ganz kurz zu machen. – Ich bin Ihrer Meinung, man sollte sicherheitsrelevante Technologie selber behalten und nicht an andere Staaten geben. Deswegen wäre es doch ganz sinnvoll, Sie schließen die Regelungslücke, mit der Rheinmetall im Augenblick über Italien, über Südafrika, über die Türkei sensibles, wichtiges, sicherheitsrelevantes Know-how an Staaten verscherbelt, die uns hinterher wieder sicherheitspolitische Probleme bereiten. Wir sind doch einer Meinung, dass wir das nicht wollen. Dann könnten wir doch diese Lücke endlich schließen. Frau Keul, Sie waren bei der Anhörung dabei. Ich glaube, die ganze Zeit. Sie haben dort sehr wohl zur Kenntnis nehmen können, wenn Sie denn zugehört haben und es aufnehmen wollten, dass die Experten fast übereinstimmend gesagt haben, dass es keine Regelungslücke gibt. Auch Know-how-Weitergabe, der USB-Stick, die Mail, ist strafbewehrt, wenn es genehmigungspflichtige Inhalte anbelangt. Insofern ist Ihre Frage zwar nett, weil sie meine Redezeit noch einmal kurz verlängert, aber sie geht inhaltlich ins Leere. Trotzdem vielen Dank für die Frage. Abschließend noch einen Satz. Wir müssen im Interesse unserer eigenen Armee und unserer Soldaten Anschluss halten. Wir müssen im Sinne der Anschlussfähigkeit und der Bündnisfähigkeit die Rüstungsindustrie behalten. Wir alle mögen uns eine Welt ohne Waffen wünschen. Ich bin mir sicher, wir werden sie nie haben. Es gilt, vorbereitet zu sein und gerüstet zu sein, um Bedrängnis zu widerstehen und den Partnern zu helfen. Das sehen wir als Union als Aufgabe einer sinnvollen Verteidigungspolitik und Rüstungsexportpolitik. Danke schön. Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Florian Post, SPD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Klaus-Peter Schulze CDU/CSU
Klaus-Peter
Schulze
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Beutin, angesichts dessen, was Sie hier gerade ausgeführt haben, muss ich sagen – Sie haben es wahrscheinlich nicht erlebt –: Ich habe Flüsse im Osten Deutschlands gesehen, auf denen Schaum getrieben ist. Ich habe gesehen, dass viele technische Umweltschutzanlagen nicht gearbeitet haben, und ich kann mich erinnern, dass ich oftmals am frühen Morgen von meinem Trabbi mit dem Besen ein wenig Kohlenstaub runterkehren musste, damit ich fahren konnte. Das ist das, was Ihr Gesellschaftsmodell im Osten Deutschlands und in vielen osteuropäischen Ländern und darüber hinaus verursacht hat, und das wollen wir mit Sicherheit nicht mehr. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist in der Tat so, dass es in den vergangenen 540 Millionen Jahren mindestens fünf große Wellen des Artensterbens gab, die fast immer durch Einwirkungen aus dem Weltall entstanden sind. Möglicherweise finden die Geologen noch weitere. An der sechsten Welle, vor der wir jetzt stehen, sind wir alle anständig beteiligt. Wenn ich mir, bevor ich auf den globalen Fakt komme, einmal angucke, wie es in Deutschland aussieht, dann muss ich sagen: Deutschland hat, was die weltweiten Relationen betrifft, 0,23 Prozent der Landfläche, 3,3 Prozent der Insekten – wenn ich davon ausgehe, dass es 1 Million Arten gibt, wahrscheinlich sind es viel mehr –, 2,8 Prozent der Vögel, 1,8 Prozent der Säuger und 0,1 Prozent der Reptilien. Das heißt nicht, dass wir da nicht auch Verantwortung tragen, aber das, was wir in Deutschland verbessern, kann nur ein ganz kleiner Teil von dem sein, was eigentlich notwendig ist. Und wenn ich sehe, dass wir in Deutschland in den Medien am Wochenanfang bei diesem Thema jetzt sozusagen genauso in die Verpflichtung genommen werden wie bei bestimmten Fragen des Klimaschutzes, bin ich sehr dankbar, dass unsere Umweltministerin in Paris sehr deutlich gesagt hat: Das ist ein globales Problem, das wir alleine nicht lösen können. Aber natürlich können wir entsprechende Beiträge dafür leisten, und das werden wir, ich denke mal, spätestens nach der Sommerpause mit dem Insektenschutzpapier, das wir hier diskutieren werden, leisten. Wir werden ab 2020 eine neue Förderung im Agrarbereich haben. Ich glaube, auch hier muss sich einiges ändern. Es müssen zumindest alle Bundesländer bereit sein, Blühstreifen und andere ökologische Maßnahmen der Landwirte zu fördern, so wie das mit Ausnahme des Landes Brandenburg alle anderen ja schon tun. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir die Monotonisierung der Landschaft, ich sage mal, weiter eindämmen. Wir dürfen sie auch nicht weiter ausräumen, indem wir Hecken, Steinwälle und Ähnliches beseitigen, sondern wir müssen versuchen, solche Strukturen wieder reinzubringen. Das muss uns gelingen. Aber es gibt auch Bereiche, wo es Zielkonflikte gibt. Wir haben nach den Berechnungen des Jagdverbandes mittlerweile 1 Million Waschbären in Deutschland. Waschbären sind Eierräuber, plündern Nester, und wir dürfen uns nicht wundern, wenn es immer weniger bodenbrütende Vögel gibt. Diese 1 Million Waschbären, die hier ja eigentlich nichts zu suchen haben, müssten wir eigentlich anständig bekämpfen. Aber mit der Flinte reicht es nicht. Wir müssen die Fallenjagd wieder aktivieren bzw. Fallen aufstellen. Ansonsten bekommen wir dieses Problem nicht in den Griff. Aber da haben wir den Konflikt mit dem Tierschutz. Zum Thema Flächenverbrauch möchte ich mich hier jetzt nicht äußern. Das hat schon der eine oder andere gemacht. Kommen wir mal zum Wildtierhandel. Auch da werden wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner einen Antrag einbringen. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Der Eumeces persicus, der persische Streifenskink, ist 2017 erstmalig beschrieben worden. Drei Monate später ist er in Deutschland gehandelt worden. Das sind Dinge, bei denen wir auch mit unserem Verhalten, mit unserem Vorgehen Verbesserungen herbeiführen können. – Wenn Sie eine Frage stellen wollen, können Sie es gerne machen, Frau Lemke. Zum Abschluss möchte ich noch auf das Thema Mangrovenwälder eingehen. Die Mangrovenwälder sind um 50 Prozent zurückgegangen. Woran liegt das? Weil der größte Teil dieser Flächen für Aquakulturen, für Garnelen – manche sagen Scampi dazu –, ausgebaut wurde. Das Ergebnis ist, dass wir mittlerweile über 3 Millionen Tonnen davon jährlich produzieren. Das war eigentlich einmal ein Luxuslebensmittel, das man sich zu bestimmten Zeiten geleistet hat, aber mittlerweile kann man sie in den großen Discountern für 2 Euro die Schachtel kaufen. Da könnten wir alle einen Beitrag leisten, wenn Sie das nicht machten. Danke für die Aufmerksamkeit. Das Wort hat der Abgeordnete Karsten Hilse für die AfD-Fraktion.
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Mechthild Rawert SPD
Mechthild
Rawert
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauende und Zuhörende! Das Grundgesetz verpflichtet den Staat in Artikel 3 Absatz 2, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern durchzusetzen und aktiv Benachteiligungen zu beseitigen. Als auf dem Boden des Grundgesetzes stehende Demokratinnen und Demokraten tritt meine SPD-Bundestagsfraktion für eine aktive Frauenförder-, Gleichstellungs- und Genderpolitik ein. Und wir tun sehr gut daran, wie ich auch von der Mehrheit des Hauses weiß. Wir wollen Gesetze, die Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit von Frauen und Männern unterstützen. Dafür haben wir in den vergangenen Jahren viel getan: das Elterngeld, die Quote für Frauen in Führungspositionen in Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst, der gesetzliche Mindestlohn, das Rückkehrrecht zur vorherigen Arbeitszeit, die Sexualstrafrechtsreform – nur um einige wenige zu nennen. In dieser Legislatur haben wir noch Weiteres geleistet. Unter anderem haben wir die erste ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung verabschiedet. Wir errichten eine Bundesgleichstellungsstiftung. Wir wollen eine ernster genommene Gesetzesfolgenabschätzung hinsichtlich der Geschlechtergerechtigkeit. Wir kämpfen für Parität in allen Parlamenten. Kurzum: Wir kämpfen mit starken Hebeln für starke Frauen in allen Bereichen und auf allen Ebenen. Mag es zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Politik durchaus Differenzen darüber geben, ob die bisherigen Maßnahmen nur erste Schritte sind oder bereits große Erfolge hinsichtlich der Verwirklichungschancen für Frauen bedeuten, so ist doch eines gewiss: Ein Zurück in tradierte Rollenmuster wollen wir gemeinsam nicht. Vielmehr stärken wir Demokratinnen und Demokraten sowohl die Istanbul-Konvention als auch die Frauenrechtskonvention CEDAW. Wir wollen das Recht auf Gleichstellung für jede Person, für Frauen, Männer und Diverse, zu jeder Zeit ihres Lebenslaufes verwirklichen. Den Gegnern von Emanzipation, Freiheit und Antidiskriminierung für jeden Menschen, die hier einen Gesetzentwurf zur Änderung des Aktiengesetzes vorgelegt haben, möchte ich nur sagen: Die Begründung ist einfach skandalös und beschämend. Sie wollen ein Gesetz ändern, weil männliche Bewerber – ich zitiere – „um die Früchte ihrer harten beruflichen Leistung“ gebracht werden. Schluchz, mir kommen die Tränen. Nur Antidemokraten haben Angst vor der 1995 auf der Vierten UN-Weltfrauenkonferenz als Ziel festgelegte – ich zitiere – „Machtgleichstellung der Frau“. Nur Antidemokraten wollen, wie in einem hier ebenfalls vorgelegten Antrag, die – ich zitiere – „Gleichstellung beenden“ und diskreditieren darüber hinaus das weltweit wichtige Prinzip des Gender-Mainstreaming. Vor drei Tagen, am 15. September, haben wir den Tag der Demokratie begangen. Zu Recht wurde in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass autoritäre, neurechte und menschenfeindliche Ideologien und Bewegungen häufig versuchen, den Antifeminismus und das Antigendering als ihren Türöffner und Verstärker zu nutzen. Dabei gehört Gleichberechtigung zu den Grundrechtsgrundsätzen unserer Verfassung. Die Verwirklichung von Gleichstellung ist ein Grundpfeiler unserer pluralen und weltoffenen Demokratie. Wir stärken daher unsere entsprechenden Gesetze und schützen sie gegen Angriffe von rechts. Ich denke da beispielsweise an das Bundesgleichstellungsgesetzes und an das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, aber auch an die verschiedenen Landesgleichstellungsgesetze. Fakt ist: Im Rahmen einer pluralen und offenen Demokratie brauchen wir den staatlich geförderten strukturellen und verwaltungstechnischen Arm der Gleichstellungspolitik, so wie es uns Artikel 3 Absatz 2 vorgibt. Wir kennen die vielen Lücken der Gleichstellung genau. Grundsätzlich kann ich zusammenfassend dazu sagen: Es gibt in keiner Weise ein Erkenntnisproblem; es gibt ein Handlungsproblem. Faktum ist: Niemand der jüngeren und schon gar nicht der älteren Frauen will, dass weiße Männer mittleren und höheren Alters in leitenden Positionen deutlich überrepräsentiert sind. Das gilt für betriebliche Führungspositionen wie für Parteien, Parlamente, für jedwede entscheidungsgebenden Gremien. Denn deren zumeist tradierter Erfahrungsschatz reicht einfach nicht aus für eine moderne und vielfältige Gesellschaft. Frauenförderung ist wichtig. Deswegen wollen wir die Parität – darüber ist schon gesprochen worden –, und zwar in den Vorständen und vor allen Dingen hier. Deswegen unterstütze ich auch das zweite Führungspositionen-Gesetz, das Christine Lambrecht und Franziska Giffey erarbeitet haben. Eines ist klar: Wir brauchen eine verbindliche Quotierung, um dieser massiven Übermacht an Männern entgegenzutreten. Es gibt weiterhin viel zu tun. Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. Ja. – Es geht nicht nur um einen formalen Missstand. Mehr Frauen im Bundestag und mehr Frauen in Vorständen und Führungspositionen heißt auch – – Frau Kollegin, der alte weiße Mann hinter Ihnen hat die Macht, Ihnen das Mikrofon abzudrehen. – mehr Vielfalt an Erfahrungen und Sichtweisen im Parlament und in den Unternehmen. Packen wir es daher an! Danke schön. Vielen Dank, Frau Kollegin Rawert. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Doris Achelwilm, Fraktion Die Linke.
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Ulrich Oehme AfD
Ulrich
Oehme
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Beginn von Corona wurde die Lösung dieser Krise von Bundesregierung und Teilen der Opposition auf nur eine Möglichkeit der Beendigung verengt: das Allheilmittel Impfung. Und die Bevölkerung wird immer weiter mit PCR-, Schnell- oder Antigentests auf unbestimmte Zeit gequält. Wann fangen Sie endlich an, Ihre Strategie auf wissenschaftliche Grundlagen zu stellen? Und wie wollen Sie wissen, welche Herdenimmunität inzwischen erreicht ist? Viele Bürger brauchen möglicherweise gar nicht geimpft zu werden, da sie Antikörper entwickelt haben. Wir müssen endlich eine wissenschaftlich basierte Strategie entwickeln. Das, was die Bundesregierung uns anbietet, ist ein unerträgliches Chaos. Jeder Gesetzentwurf oder Antrag wird auf das gleiche wackelige wissenschaftliche Fundament gestellt und stur an dieser einen Lösung ausgerichtet. Anscheinend versuchen auch noch Kollegen dieses Hauses, daraus monetären Profit zu schlagen. Große Teile der Bevölkerung sind mehr als skeptisch gegenüber den Analysen, Bewertungen und abgeleiteten Maßnahmen. Deren Unmut wird seit dem letzten Sommer aber ignoriert. Dass jetzt ein Herr Lauterbach, einer der führenden Corona-, Test- und Lockdown-Eiferer, für eine schnelle Beendigung dieses Zustandes ist, ist eine mehr als durchschaubare Ablenkung. Wer damals Wasserwerfer gegen friedliche Protestanten forderte, braucht jetzt nicht zu denken, dass die Menschen auf einmal alles vergessen haben. Erinnern Sie sich noch an die Schweinegrippe von 2009/2010? Von den damals gelieferten 34 Millionen Dosen wurden nur knapp 5,7 Millionen Dosen verimpft. Der Rest musste vernichtet werden. 28,3 Millionen Dosen eines Wunderstoffes wurden einfach vernichtet. Warum? Weil – erstens – die Bevölkerung nicht gewillt war, als Versuchskaninchen genutzt zu werden, und – zweitens – die getroffenen Quarantänemaßnahmen ausreichten, um des Ausbruchs Herr zu werden. „Schweinegrippe“ heißt jetzt „Covid-19“, geändert hat sich nichts. Hier kommt nun der Antrag der FDP ins Spiel. Auch jetzt schon ist die Impfbereitschaft der Bevölkerung nicht sehr hoch, vor allem, weil wieder ein angeblicher Wunderimpfstoff nicht die versprochene Wirkung erzielt. Und gleichzeitig häufen sich die Meldungen nach Nebenwirkungen, Problemen der Verträglichkeit und sogar Todesfällen, die nicht untersucht werden. Und warum macht Pfizer eine Übung zum Rückruf seines Impfstoffes? Und trotzdem halten Sie stur an dieser einen Lösung fest. Der Antrag klingt gut. Er ist jedoch nicht die Lösung. Da die Pandemie kurzfristig alleine ausklingen könnte, müssten möglicherweise abermals Millionen von ungenutzten Impfdosen vernichtet werden. Anstatt zum Nachweis von Erregern sollten wir zum Nachweis von Antikörpern testen. Der Test nach Erregern sollte nur bei Menschen mit schweren Symptomen gemacht werden, nicht bei jedem. Das wäre wesentlich kostengünstiger, längerfristig aussagefähiger und plausibler für den Bürger. Es sei nochmals daran erinnert, dass der Europarat in der Resolution 2361 aus diesem Jahr festgehalten hat, dass es keinen Impfzwang geben darf und dass niemand aufgrund der Nichtimpfung diskriminiert werden darf. Es gärt in der Bevölkerung; das Gebälk des Staates ächzt unter dieser unnötigen Last. Öffnen Sie die Käfige, geben Sie den Bürgern ihre gesetzlich verbrieften Freiheitsrechte zurück, entketten Sie die Wirtschaft von Sanktionen, und lassen Sie dieses Land wieder ohne Masken atmen. Vielen Dank. Martina Stamm-Fibich, SPD, ist die nächste Rednerin.
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Olav Gutting CDU/CSU
Olav
Gutting
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum wiederholten Male in dieser Legislaturperiode sprechen wir über das Thema „Doppelbesteuerung von Renten“. Der Titel dieser Aktuellen Stunde lautet: „Urteil des Bundesfinanzhofs ernst nehmen – Doppelbesteuerung von Renten verhindern“. Beides – also das Urteil ernst nehmen und Doppelbesteuerung verhindern – ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Wir erleben daher heute im Wesentlichen einen Aufguss von mehreren Anträgen, die in den letzten Monaten gestellt wurden. Vor knapp drei Monaten haben wir einen Antrag der FDP zu diesem Thema hier ausführlich debattiert. Was ist inzwischen passiert? Es gab zwei Klagen gegen die vermeintliche Doppelbesteuerung vor dem Bundesfinanzhof, die beide im Mai abgewiesen wurden. Der BFH hat damit bestätigt, dass aktuell keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rentenbesteuerung bestehen. Damit bestätigt der BFH zunächst unsere Position. Es gibt also überhaupt keinen Grund, Rentnerinnen und Rentner zu verunsichern, Ängste zu schüren oder Begehrlichkeiten zu wecken. Ich meine – das müssen wir noch mal betonen –, jeder effekthascherische Umgang mit diesem wichtigen, generationenübergreifenden Thema ist völlig fehl am Platz und schlicht unseriös. Was hat der Bundesfinanzhof mit nüchternen Worten festgestellt? Sowohl der mit dem Alterseinkünftegesetz eingeleitete Systemwechsel zur nachgelagerten Besteuerung von Altersbezügen als auch die gesetzlichen Übergangsregelungen sind im Grundsatz zunächst mal verfassungskonform. Er hat klargestellt, dass es auch im Einzelfall derzeit nicht zu einer doppelten Besteuerung von Renten kommt und kommen darf. Das war und ist selbstverständlich auch unsere Position: Es darf keine Doppelbesteuerung geben! Damit hält der BFH an seiner bisherigen, vom Bundesverfassungsgericht auch schon bestätigten Auffassung fest. Es ist auch nichts Neues. Neu ist aber, dass der X. Senat des Bundesfinanzhofs jetzt erstmalig konkrete Berechnungsparameter für die Ermittlung einer etwaigen doppelten Besteuerung von Renten in Zukunft festgelegt hat. Betroffen von einer Doppelbesteuerung könnten spätere Rentenjahrgänge sein, deren Altersvorsorgeaufwendungen in der Erwerbsphase nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Hier gibt es für die Zukunft natürlich Nachbesserungsbedarf. Grundfreibetrag, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, Werbungskosten- und Sonderausgabenpauschbeträge müssen beim steuerfreien Rentenbezug unberücksichtigt bleiben, so der BFH. Diese Beträge sind überwiegend verfassungsrechtlich geboten und für den Gesetzgeber nicht disponibel. Sie dürfen deswegen nicht noch mal herangezogen werden, um eine zukünftige doppelte Besteuerung von Renten rechnerisch zu vermeiden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit den Vorgaben des BFH und einer entsprechenden Nachjustierung bei der Berechnung der Steuerbelastung werden wir erreichen, dass bestehende Unsicherheiten künftiger Rentnerinnen und Rentner schwinden und dass das Verständnis für die nachgelagerte Besteuerung von Rentenbezügen wächst. Das sollte doch das gemeinsame Ziel von uns allen hier im Bundestag sein; denn die nachgelagerte Besteuerung ist für die Bürgerinnen und Bürger in der Regel von Vorteil – das haben wir hier schon mehrfach gehört –: Das Einkommen ist im Rentenalter regelmäßig geringer als im aktiven Erwerbsleben, sodass die Rentenzahlungen aufgrund der Steuerprogression mit einem niedrigeren Steuersatz belastet werden. – Das ist richtig, und das ist gut. Deswegen sollten wir nicht immer den Eindruck erwecken, dass die gesamte nachgelagerte Besteuerung schlecht ist. Sie ist richtig und gut. Im Rahmen einer anstehenden Einkommensteuerreform müssen und werden wir die Vorsorgeaufwendungen vollständig abziehbar machen und selbstverständlich noch einige weitere Stellschrauben bewegen. Für uns in der Union ist jedenfalls klar: Wir wollen das umsetzen, und mit uns wird es auch zukünftig keine Doppelbesteuerung geben. Wenn wir uns anstrengen und Sie von der FDP sich anstrengen, dann schaffen wir das in der nächsten Legislaturperiode vielleicht sogar gemeinsam. Das Wort hat die Abgeordnete Ulrike Schielke-Ziesing für die AfD-Fraktion.
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Karsten Klein FDP
Karsten
Klein
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich will gleich mit einem großen Thema anfangen. Wir von den Freien Demokraten hätten uns heute von Ihnen eine klare Aussage zum Thema NATO-Quote und 2-Prozent-Ziel erwartet. Sie haben das ja sehr leise aus dem Kabinettsbeschluss gestrichen. Aber, ich denke, die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, von der Bundesverteidigungsministerin zu erfahren, wie sie zu diesem Thema steht. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie das in den Haushaltsverhandlungen noch nachholen. Und das Gleiche gilt für das Versprechen, das Ihre Vorgängerin, Frau von der Leyen, die Bundeskanzlerin und Sie selbst zuletzt auf der Münchener Sicherheitskonferenz unseren NATO-Partnern gegeben haben. Sie haben gesagt, dass Sie mittelfristig 1,5 Prozent unserer Wirtschaftsleistung für Verteidigung zur Verfügung stellen. Und ich finde es eine etwas sarkastische Freude, dass das bei schrumpfender Wirtschaft dieses Jahr als Erfolg verkauft werden soll. Aber ich will mit Ihnen auch mehr in die Zukunft schauen. Hier muss man feststellen, dass in den Folgejahren dieses Ziel nicht nur nicht erreicht wird, sondern dass Sie sich wieder von diesem Ziel wegbewegen. Deshalb, glaube ich, ist ein klares Wort in Richtung der Partner und auch der Soldatinnen und Soldaten nötig, ob Sie Ihr Versprechen einlösen oder nicht, Frau Ministerin. Gleiches, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt mit dem Blick auf den Gesamtetat und dessen Entwicklung. Ich weiß: Da wollen einige heute schon wieder feiern, dass der Etat zwischen 2020 und 2021 etwas angewachsen ist. Aber die mittelfristige Finanzplanung und der Blick in die Zukunft – das haben Sie mitbeschlossen – zeigen, dass es sich um einen stagnierenden Einzelplan für die Bundeswehr handelt. Wenn man bedenkt, dass dort die Mittel aus dem Konjunkturpaket in Höhe von 3,1 Milliarden Euro schon eingerechnet sind, dann heißt das in Wahrheit, dass Ihr Etat rückläufig ist, Frau Ministerin. Wenn man dann noch hinzuzieht, dass die Personalausgaben in den nächsten Jahren natürlich ansteigen werden, heißt das, dass für Rüstungsinvestitionen, für modernes Gerät für die Soldatinnen und Soldaten immer weniger Geld zur Verfügung steht und deshalb zu wenig dort getan werden kann. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich an dieser Stelle einmal feststellen: Die Trendwende im Bereich Rüstungsinvestitionen ist gescheitert. Sie findet schlicht nicht statt, Frau Ministerin. Ein Blick in den Haushalt lohnt auch bei den großen Rüstungsprojekten. Sie haben den schweren Transporthubschrauber selber angesprochen. Sie haben die Ausschreibung aufgehoben. Auch nächstes Jahr ist mit keiner Auftragsvergabe zu rechnen. Die Truppe braucht aber dringend dieses neue Gerät. Thema Eurofighter: großes Fragezeichen beim Tranche-1-Ersatz. Eurodrohne: Fragezeichen. FCAS, Kampfflugzeug der Zukunft: großes Fragezeichen, Frau Ministerin. Beim Main Ground Combat System sind wir bei Weitem nicht so weit, wie wir wollten und wie dieses Parlament übrigens schon beschlossen hat. Beim TLVS: großes Fragezeichen in Ihrem Haushalt. Ich möchte noch einmal festhalten: Bei den großen Rüstungsprojekten, beim dringend nötigen modernen Gerät für die Soldatinnen und Soldaten, die Sie selbst zu Recht am Anfang in den Mittelpunkt Ihrer Rede gestellt haben, kommt am Ende doch nichts an. Dann, liebe Frau Ministerin – das geht auch an die Unionsfraktion –, lohnt ein Blick darauf, wie denn die Investitionsmittel für die Zukunft in Ihrem Haushalt ausgestaltet sind. Da lohnt sich wirklich ein genauer Blick: 9,6 Milliarden Euro, fast 10 Milliarden Euro, der 24 Milliarden Euro Zukunftsmittel für Rüstungsinvestitionen unterliegen in diesem Haushalt einem Finanzierungsvorbehalt des Bundesfinanzministers. Die sind in Ihrem Haushalt gesperrt. Deshalb auch ein Appell an die Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion: Sie wissen schon, dass der Bundesfinanzminister im nächsten Jahr der Kanzlerkandidat der SPD sein wird? Die SPD hat bis heute noch nicht geklärt, in welchem Verhältnis sie zu Zukunftsinvestitionen bei der Truppe steht. Ich verstehe nicht, wir verstehen nicht, wie Sie sich hier in so eine Zwangslage bringen können. Planungssicherheit bei Rüstungsinvestitionen ist mit dieser Ausgestaltung und gesperrten Haushaltsmitteln nicht möglich. Ich möchte zum Schluss zusammenfassen, Frau Ministerin: Die fehlenden Mittel im Haushalt, vor allem für die Zukunftsinvestitionen, sorgen dafür, dass die Auftragserfüllung der Bundeswehr zur Sicherung von Demokratie, Freiheit und Frieden der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land – Sie haben das selbst benannt – gefährdet ist. Deshalb erwarten wir mehr Dampf in diesen Haushaltsverhandlungen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Das war der Kollege Klein. – Als Nächstes hat das Wort der Kollege Michael Leutert, Fraktion Die Linke.
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Axel Müller CDU/CSU
Axel
Müller
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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „Einsetzung einer Enquete-Kommission ‚Direkte Demokratie auf Bundesebene‘“ – so der Antrag der AfD. Bei näherer Betrachtung wird er jedoch dem § 56 unserer Geschäftsordnung, der sich mit der Einsetzung von Enquete-Kommissionen befasst, nicht wirklich gerecht. Was bedeutet denn dieses Wort „Enquete“ übersetzt? Es bedeutet „forschen“. Es bedeutet „untersuchen“. Das heißt aber auch, dass man das Ergebnis seiner Forschungen und Untersuchungen nicht schon kennt und nicht schon vorwegnimmt, sich vielmehr offen zeigt für das, was am Ende stehen könnte. Deswegen haben wir uns mit unserem Koalitionspartner im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, eine unabhängige Expertenkommission einzusetzen, die sich mit diesem Thema beschäftigt. Wir zeigen uns ergebnisoffen und widmen uns diesem Thema bereits, und das – das füge ich hinzu – seriös. Die AfD jedoch liefert mit ihrem Antrag die Ergebnisse gleich mit. Ich zitiere: Im Rahmen von Meinungsumfragen beklagt eine ... Mehrheit der Befragten, keinen wirklichen Einfluss auf die ... Politik zu haben. Weiter: Es besteht ein hoher Zuspruch für eine direktdemokratische Mitbestimmung bei wichtigen politischen Belangen. Für diese Behauptungen bleiben Sie jeden Beleg schuldig. Der Antrag ist völlig unsubstantiiert. Anwälte, die ihn mit formuliert haben, müssten eigentlich wissen, dass man für die Behauptungen, die man aufstellt, auch Belege anführen muss. Zugleich stellt die AfD damit gewissermaßen ins Blaue hinein die Behauptung auf, dass dieses – angebliche – Defizit an Wahlbeteiligung – ich komme darauf noch zu sprechen – und eine als mangelhaft empfundene Einbeziehung in den politischen Willensbildungsprozess durch Elemente direkter Demokratie einfach so beseitigt werden können. Sie führen an – das habe ich in Ihrer Rede zu diesem Antrag sehr wohl vernommen, Herr Haug –, dass es eine bessere Informiertheit der Bevölkerung mit sich bringe, wenn man mehr demokratische Elemente einführe. Ich frage Sie mal: Wer informiert denn? Wer das meiste Geld hat? Wer die Kontrolle über die Medien hat? Was kommt am Ende dabei heraus? Führen wir uns den Brexit oder Trumps Wahl zum Präsidenten mal vor Augen! Das hat nichts mit direkter Demokratie zu tun. Sie haben die Schweiz als Beleg dafür angeführt, wie direkte Demokratie besser funktioniere. Dazu hat der Kollege de Vries die richtigen Worte gefunden. Die Wahlbeteiligung in der Schweiz ist deutlich niedriger, sowohl bei den Nationalratswahlen als auch bei den Direktabstimmungen, häufig unter 50 Prozent. Das sagt jedenfalls das eidgenössische Bundesamt in der entsprechenden Statistik. Wir hatten bei der Bundestagswahl – es ist bereits gesagt worden – fast 76 Prozent Wahlbeteiligung. Gegenüber den letzten Bundestagswahlen ist die Wahlbeteiligung um 5 Prozentpunkte angestiegen. Das widerlegt doch, was Sie in Ihrem Antrag behaupten, nämlich dass wir weniger Wahlbeteiligung hätten, weniger bürgerliches Engagement für Politik. Nicht zuletzt wird gerade in diesen Tagen sehr viel über Politik geredet. Auch mit jungen Leuten, die sich politisch so interessiert zeigen wie schon seit langem nicht mehr, hatte ich Kontakt. Zurück zu § 56 der Geschäftsordnung. Umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe als wesentliche Bestandteile einer Enquete-Kommission sind gefordert. Aktuelle, die Gesellschaft bewegende Zukunftsthemen sollen dort behandelt werden. Das gab es in Vergangenheit mehrfach. Ethik und Recht in der modernen Medizin sowie Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität, nachhaltiges Wirtschaften – Themen von Enquete-Kommissionen, um nur zwei beispielhaft zu benennen –, das waren komplexe Fragen, die man nicht mit Ja oder Nein beantworten kann, wie Sie es die Bevölkerung immer wieder glauben machen möchten. Demokratie – Kollegin Haßelmann hat es gesagt – ist etwas anderes als die Diktatur der Mehrheit gegenüber den Minderheiten, ein fortwährendes Niederstimmen. Demokratie ist die Einbeziehung von Minderheiten ins Konsensherstellen in einer Gesellschaft. Das ist Demokratie. Ihr Antrag ist letztendlich nichts anderes als ein Missbrauch des Instruments der Enquete-Kommission. Sie nehmen das Ergebnis vorweg. Denn Sie wissen ja schon, dass die Enquete-Kommission doch bitte einen Gesetzentwurf vorbereiten möge – so steht es da zu lesen –, der die Einführung direktdemokratischer Elemente im Grundgesetz erlaubt. Ja, was macht die denn? Macht die ihre Arbeit, macht die unsere Arbeit? Macht die Enquete-Kommission Direktdemokratie durch entsprechende Gesetzesvorlagen? Ich habe beileibe nicht verstanden, was Sie da wollen. Ich kann Ihnen nur eines sagen: In Wahrheit geht es Ihnen wieder einmal mehr darum, dieses Thema am Laufen zu halten, es über die ganze Legislaturperiode hinweg in einer Enquete-Kommission am Köcheln zu halten, sich mit Ihren Vertretern, die Sie in diese Kommission schicken, regelmäßig zu Wort zu melden, in den Medien aufzuschlagen – und am Ende ist das nicht mehr und nicht weniger als Populismus. Und Populismus, meine Damen und Herren, ist die erste Stufe zur Demagogie, und das lehnen wir ab. Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 19/1699 an den Innenausschuss vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
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Aydan Özoğuz SPD
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir entscheiden heute Nachmittag über die Verlängerung mehrerer Einsätze deutscher Soldatinnen und Soldaten, und es bleibt eine Besonderheit des Deutschen Bundestages, über jeden Einsatz hier im Hause zu beraten und zu entscheiden. Darin kommt unsere besondere Verantwortung zum Ausdruck, die wir mit diesen Einsätzen verbinden. Niemand hier macht sich diese Entscheidung leicht. Das Mandat des NATO-geführten Einsatzes Resolute Support in Afghanistan ist nun einer der besonders schwierigen Einsätze. Wie der Titel deutlich macht, geht es um die Ausbildung und Beratung afghanischer Verteidigungs- und Sicherheitskräfte. Das ist eine besondere Herausforderung in einem Land, das seit Jahrzehnten nur den Zustand des Krieges kennt und nur den Zustand, zum Spielball unterschiedlicher Mächte geworden zu sein. Die Sicherheitslage in Afghanistan ist auch nach 18 Jahren kritisch. Fast 4 000 getötete Zivilisten in 2018 sprechen eine erbarmungslose Sprache. Für uns besonders schmerzhaft: Auch wir haben seit Einsatzbeginn 58 Soldaten in Afghanistan verloren – schmerzhaft für uns, eine Katastrophe für jede Familie. Sie dürfen in unseren Debatten niemals vergessen werden. Es gibt aber auch Entwicklungen, die Anlass zu etwas Hoffnung geben: die wirtschaftlichen Fortschritte, die Lebenserwartung, insbesondere die Kinder- und Säuglingssterblichkeit, die abnimmt, Alphabetisierungsraten junger Frauen und Männer, ein vor 2001 nicht dagewesenes Niveau an Schulbildung für Mädchen und Pressevielfalt und -freiheit. Ich durfte eine Gruppe von Frauen und Journalisten aus Afghanistan kennenlernen, die uns hier in Berlin besucht haben. Sie haben ein riesengroßes Vertrauen gerade zu uns Deutschen und hoffen, dass wir ihre Bemühungen, in Afghanistan Frieden und ein geordnetes Leben hinzubekommen, auch weiterhin begleiten und unterstützen, und das tun wir. Wir sind davon überzeugt, dass nicht durch Kampfeinsätze, sondern nur durch Friedensprozesse in Afghanistan tatsächlich weitergekommen und Frieden hergestellt werden kann. In der internationalen Afghanistan-Kontaktgruppe hat Deutschland den Vorsitz. Über 50 Länder und internationale Organisationen kommen hier zusammen. Beim letzten Treffen in London haben wir eine Unterrichtung durch den Sonderbotschafter aus den USA, Zalmay K­halilz­ad, und den Verhandlungsführer der afghanischen Regierung, Umer Daudzai, organisieren können, was ganz offensichtlich zu einem spürbaren Abbau der Unsicherheit im internationalen Rahmen beitragen konnte. Bundesminister Heiko Maas besuchte vom 10. bis 12. März 2019 Afghanistan und Pakistan, um auf höchster Ebene die Beteiligten für einen Friedensprozess zu ermutigen. Ohne die Einbindung Pakistans lässt sich in Afghanistan nichts erreichen. Was unsere Rolle im Besonderen ausmacht, ist doch, dass wir einen aktiven Dialog mit mehreren Seiten haben. Wir genießen das wichtigste Gut der Diplomatie, nämlich Vertrauen auf nahezu allen Seiten. Daher setzen wir uns auch im EU-Rahmen für die Formulierung gemeinsamer Prinzipien für ein afghanisches Friedensabkommen ein. Dazu gehört auch der Schutz fundamentaler Menschenrechte. Davon sind wir natürlich noch weit entfernt; aber unser Ziel ist es, ein nachhaltiges Abkommen zu erreichen, um zukünftige zivile Kooperation mit der EU zu ermöglichen. Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen: Alle an der Mission beteiligten Staaten müssen sich eingestehen, dass es ohne die Einbindung der Taliban nicht gehen wird. Wir sehen und begleiten diesen Prozess sehr kritisch; denn es darf eben nicht dazu kommen, dass das, was ich eben aufgezählt habe, das Erreichte für Frauen und Mädchen insbesondere der letzten Jahre, für diese Verhandlungen geopfert wird. Es ist ein Hoffnungsschimmer, den wir für diesen Prozess haben; aber den müssen wir gerade in diesen Zeiten nutzen. Vielen Dank. Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Jens Kestner für die Fraktion der AfD.
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Britta Haßelmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Britta
Haßelmann
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sexismus hat es im Deutschen Bundestag immer gegeben, aber mit dem Einzug der AfD treten Antifeminismus und Sexismus offener und aggressiver in Erscheinung. Das erleben viele Frauen von uns alltäglich, und dafür darf es von Frauen und Männern null Toleranz geben, meine Damen und Herren. Dagegen müssen Frauen und Männer in diesem Parlament zusammenstehen. Das hat auch diese Debatte wie viele davor wieder gezeigt. Meine Damen und Herren, Konstantin Kuhle hat gerade etwas freihändig Artikel 3 des Grundgesetzes zitiert. Das sei ihm unbenommen. Ich will aber darauf hinweisen, dass in Artikel 3 Absatz 2 steht, dass der Staat einen ganz klaren und eindeutigen Förderauftrag im Hinblick auf die Herstellung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern hat. Das ist der Förderauftrag, meine Damen und Herren. Es ist doch völlig klar, dass Frauen dies einfordern: in Wirtschaft, in Gesellschaft und selbstverständlich auch in Parlamenten, meine Damen und Herren. Das ist dringend notwendig. Deshalb richtet sich mein Appell auch noch einmal an die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen: Warum stimmen Sie unserem Antrag heute nicht zu? Sie waren es, die versucht haben, uns hier vorzuführen nach dem Motto „Es darf keine Wahlrechtsreform ohne Parität geben“. Sagen mir die SPD-Frauen einmal, wo wir heute stehen? – Nichts ist. Gestern haben Sie eine unmögliche Reform verabschiedet. Kein Wort von Parität! Und dann haben Sie in den Verbänden versucht, uns grüne und linke Frauen vorzuführen, nach dem Motto „Die meinen es nicht so ernst mit der Parität“. Dabei machen Sie jetzt eine Kommission als Verschiebebahnhof und Rolle rückwärts. Bis Juni 2023 darf die Kommission arbeiten, unter anderem zur Parität. Wenn sie der Diskontinuität anheimgefallen ist, dürfen wir sie in der nächsten Legislatur wieder neu einrichten, meine Damen und Herren. Frau Kollegin. Das soll ein Ersatz für den Antrag heute sein? Nein, das ist es nicht, meine Damen und Herren. Wir haben einen klaren, präzisen Auftrag mit einem kurzen Untersuchungszeitraum und mit externen Expertinnen. Ich fordere Sie auf, heute dafür zu stimmen, wenn Sie ein Interesse daran haben, dass sich der Bundestag diesem Thema widmet. Danke. Frau Kollegin Haßelmann, herzlichen Dank – nicht für die Überziehung der Zeit. Ich kam nicht dazwischen; Sie haben gar nicht mehr Luft geholt. – Es gab den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Deshalb erlaube ich eine Kurzintervention der Kollegin von Storch.
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Marc Bernhard AfD
Marc
Bernhard
AfD
Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! 4 000 Euro muss eine vierköpfige Familie jedes Jahr für Ihre Idee, dass Deutschland im nationalen Alleingang die Welt retten könnte, bezahlen. Allein für Ihre sogenannte Energiewende wird jede vierköpfige Familie bis zum Jahr 2025 25 000 Euro bezahlt haben. Und wofür das Ganze? Dafür, dass sich der CO2-Ausstoß Deutschlands in den letzten zehn Jahren praktisch nicht verändert hat. Die Familien in Deutschland müssen also jedes Jahr 4 000 Euro an Steuern und Abgaben bezahlen, ohne dass es irgendeinen positiven Effekt hätte. Ganz im Gegenteil: Der einzige Effekt Ihrer verantwortungslosen Politik ist die Vernichtung von Millionen von Arbeitsplätzen. Laut Ihren eigenen Experten – den Experten der Regierung – wird allein in der Autoindustrie durch Ihre erzwungene E-Mobilität jeder zweite Arbeitsplatz vernichtet. Das bedeutet: Jeder, der in der Automobilbranche arbeitet, muss sich in den nächsten Jahren immer die Frage stellen: Muss ich gehen, oder muss mein Kollege gehen? Das heißt nämlich: Jeder zweite Arbeitsplatz wird vernichtet. Diese Art von angeblicher Weltenrettung braucht kein Mensch. Und das, obwohl Batterieautos die schmutzigste Antriebsart überhaupt sind. Wenn ein E-Auto vom Band rollt und noch keinen einzigen Kilometer gefahren ist, hat es schon so viel CO2 erzeugt wie ein Diesel nach sechs Jahren. Ganz zu schweigen von den riesigen Umweltzerstörungen in Südamerika beim Lithiumabbau und der lebensgefährlichen Kinderarbeit beim Kobaltabbau in Afrika. Ihr eigenes Pariser Klimaabkommen macht endgültig eindrücklich klar, dass all Ihre Belastungen der Bürger für das Weltklima völlig nutzlos sind; denn der deutsche Anteil am menschengemachten CO2 beträgt gerade mal 1,8 Prozent, während Ihr Klimaabkommen allen Schwellen- und Entwicklungsländern wie China und Indien, die zusammen über 60 Prozent des weltweit verursachten CO2 ausstoßen, erlaubt, ihren Ausstoß bis 2030 unbegrenzt, also ohne Limit, weiter zu erhöhen. Genau das tun diese Länder auch. So steigert China seinen CO2-Ausstoß jedes Jahr um die Menge, die Deutschland in einem einzigen Jahr erzeugt. Also selbst wenn wir unseren CO2-Ausstoß auf null reduzieren könnten, hätte das null Effekt. Trotzdem sind Ihnen die ganzen Belastungen der Menschen immer noch nicht genug. Sie fabulieren gemeinsam mit Frau von der Leyen über einen sogenannten Green Deal, der die Menschen in der EU 3 000 Milliarden Euro kosten soll. Das bedeutet für eine vierköpfige Familie in Deutschland noch mal eine zusätzliche weitere sinnlose Belastung von 4 000 Euro pro Jahr für Ihre Klimahysterie. Alles, was Sie mit Ihrer Wahnsinnspolitik erreichen, ist also, die Bürger abzuzocken, Arbeitsplätze und Unternehmen in Deutschland im großen Stil zu vernichten und dafür zu sorgen, dass sich unsere Hauptwettbewerber auf dem Weltmarkt, wie beispielsweise China, über uns totlachen. Nächste Rednerin ist die Kollegin Gitta Connemann, CDU/CSU.
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Dr.
Dr. Edgar Franke SPD
Edgar
Franke
SPD
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Freitagnachmittag ist ja nicht gerade Kernzeit, aber unser Thema ist trotzdem ein zentrales, ein wichtiges Thema. Lothar Riebsamen, mit dem ich ja lange als Berichterstatter zusammengearbeitet habe, hat das eben ja auch noch mal bestätigt. Krankenhaushygiene: Es ist uns nicht erst in der Pandemie klar geworden, wie wichtig Hygiene ist. Schon Kindergartenkinder haben gelernt und wissen, dass Händewaschen Leben schützen kann. Auch in unseren Krankenhäusern ist Hygiene das A und O, wie man so schön sagt. Die Mitarbeiter dort stehen vor großen Herausforderungen. Sie behandeln Patienten, deren Immunsystem geschwächt ist, Patienten, die besonders anfällig sind für aggressive Krankenhauskeime. Ärzte und Pflegekräfte, meine sehr verehrten Damen und Herren, tun alles, was in ihrer Macht steht. Aber trotzdem – das muss man sagen – infizieren sich mehrere 100 000 Patienten jedes Jahr mit Krankenhauskeimen; leider kommt es auch zu schweren Verläufen. Ich habe kürzlich ein Gespräch mit einer Rechtsanwältin geführt, die lange Jahre als Krankenschwester gearbeitet hat und sich mit Medizinrecht beschäftigt: Frau Buder aus Marburg. Sie vertritt viele Betroffene in Hessen, die Opfer von Krankenhauskeimen geworden sind. Es ist leider so – wir sind die Fälle anonymisiert durchgegangen –: Lungenentzündungen, Wundinfektionen sind keine Seltenheit, bei manchen Mandanten gab es auch langfristige Schäden bis hin zu chronischen Herzschäden oder zerfressenen Nasen. Sie alle kennen wohl die Beispiele. Leider sterben immer noch viele Menschen infolge einer Infektion mit Krankenhauskeimen oder an Blutvergiftung; auch das muss man festhalten. Noch mehr und bessere Hygienemaßnahmen müssen wir deswegen auf den Weg bringen; das ist unsere politische Aufgabe. Ich als Gesundheitspolitiker, der lange im Gesundheitsausschuss tätig ist, sage ganz klar: Jeder Mensch, der infolge einer Infektion mit Krankenhauskeimen oder an Sepsis stirbt, ist einer zu viel. Das kann man, glaube ich, wirklich sagen. Deshalb bin ich froh, dass wir uns heute die Zeit nehmen und dieses Thema beraten. Es ist schon einiges passiert. Sie, Herr Gehrke, und auch Herr Riebsamen haben es angesprochen: Wir haben zwei Krankenhausprogramme bzw. Hygieneprogramme, abgestimmt mit den Ländern, auf den Weg gebracht. Aber dieses Problem lässt sich leider nicht von heute auf morgen lösen. Ich sage Ihnen auch: Angst, Herr Gehrke, ist da ein schlechter Ratgeber. Sie haben von 30 000 Menschen gesprochen, die pro Jahr an Krankenhausinfektionen sterben. Die Zahl wird ja von vielen Praktikerinnen und Praktikern hinterfragt. Man geht eher von einem Drittel dieser Zahl aus. Und ich sage auch: So ein ernstes Thema eignet sich nicht für Übertreibungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ohne Übertreibung lässt sich festhalten – – Könnten wir vielleicht das Redepult noch ein bisschen herunterfahren, Herr Präsident? Das ist ein bisschen hoch. Wo drücke ich? Ach, hier; alles klar – Okay, okay; selbst ist der Mann, Herr Präsident. Also: Wir müssen unseren Kampf gegen die Keime verstärken. Einige im Antrag vorgeschlagene Maßnahmen – das will ich noch mal sagen – sind aber praktisch nicht umsetzbar; manche sind auch kontraproduktiv. Zum Beispiel wird der Vorschlag gemacht, eine feste Zahl an Intensivbetten für Patienten mit multiresistenten Keimen freizuhalten. Die Pandemie hat aber gezeigt, dass Krankenhäuser gerade flexibel auf die aktuelle Lage reagieren müssen. Intensivbetten für spezielle Patientengruppen freizuhalten, wäre da eher gefährlich, weil dann möglicherweise Betten für andere Schwerkranke fehlen könnten. Dieser Vorschlag würde eher Leben kosten als Leben retten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen Lösungen, die im Klinikalltag funktionieren; auch das hat Herr Riebsamen gesagt. Patienten werden in Deutschland heute deutlich häufiger vor einem Klinikaufenthalt auf MRSA und andere Keime untersucht; auch das ist ein Fortschritt. Insofern hat sich in dieser Sache schon ein bisschen was getan. Ich glaube, wenn wir Verbesserungen machen, können wir immer von den nordischen Ländern und von den Niederlanden lernen, die beim Screening wesentlich mehr gemacht haben als wir in Deutschland; auch das ist so. Vor allen Dingen werden die Patienten, auch MRSA-Patienten, nach der Klinikentlassung weiter umfangreich betreut. Ich glaube, das ist sinnvoll, und das ist ein richtiger Weg. Auch die Sepsis-Stiftung fordert, dass wir einen nationalen Aktionsplan in dieser Hinsicht initiieren. Auch das finde ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, vernünftig. Das ist ein tragfähiger und vernünftiger Vorschlag. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt noch eine Sitzungswoche in dieser Wahlperiode. Insofern ist klar, dass wir solche Verbesserungen, die der Antrag fordert, nicht von heute auf morgen noch in der letzten oder vorletzten Sitzungswoche umsetzen können. Das weiß sicherlich auch die antragstellende Fraktion. Das Timing des Antrags zeigt so ein bisschen: Es geht nicht nur um Verbesserungen, es geht vor allen Dingen darum, populistisch ein Thema für den bevorstehenden Wahlkampf anzutreiben. Um das Thema, das wirklich wichtig ist, ernsthaft zu behandeln, kommt der Antrag natürlich viel zu spät. Wir als SPD, meine sehr verehrten Damen und Herren, wollen aber gerade die Themen „Sepsis“ und „Krankenhauskeime“ weiter ernsthaft angehen. Wir wollen das auch mit den Ländern zusammen angehen. Deswegen verspreche ich Ihnen eines: Wir als SPD werden dem Kampf gegen die Keime weiterhin höchste Priorität einräumen. Für uns als Berichterstatter, für uns, die wir uns mit Krankenhauspolitik beschäftigen, ist das ein ganz wichtiges Thema – im Interesse der Menschen, im Interesse der Gesundheit. Denn Keime müssen wir im Keim ersticken. Ich danke Ihnen. Vielen Dank, Herr Kollege Franke. – Sie haben gesehen: Auch die Bundestagsverwaltung setzt auf Eigeninitiative. Sie kommen ja wieder, soweit ich weiß; beim nächsten Mal wissen Sie das dann. Nächster Redner ist der Kollege Professor Dr. Andrew Ullmann, FDP-Fraktion.
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Konrad Stockmeier FDP
Konrad
Stockmeier
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Fangen wir doch einfach noch mal vorne an: beim Uran. Auf die Herkunftsländer wurde schon hingewiesen. In Kasachstan – darauf möchte ich noch hinweisen – gibt es eine Abbaumethode, die besonders schmutzig ist, sie heißt „in situ leaching“ und ist eine Art Fracking; das wird anderswo vermieden. Und wissen Sie, wo wir uns noch mit den Folgen beschäftigen? In der Sächsischen Schweiz! Dort werden wir noch bis 2050 damit beschäftigt sein, die Schäden zu beseitigen. Kostenpunkt: 7 Milliarden Euro. Unter „zukunftsträchtig“ verstehe ich etwas anderes. Das Nächste, was Sie uns immer anpreisen, sind dann die tollen neuen Reaktortypen, die angeblich so wahnsinnig effizient sind. Also, fangen wir mal an mit den so genannten Dual-Fluid-Reaktoren. Da ist das Verkaufsargument, dass die Strahlenabfälle eine kürzere Halbwertszeit haben, nur noch 300 Jahre. Ich finde, das ist, ehrlich gesagt, immer noch zu lang; aber so zukunftsorientiert sind Sie. Übrigens, die ersten Prototypen sollen erst 2029 fertig sein. Dann preisen Sie uns immer die Small Modular Reactors an; da sind die Franzosen, die Briten und die Belgier ziemlich engagiert. Hierzu noch der Hinweis: Auch da sollen die ersten Prototypen Anfang der 2030er-Jahre fertig sein. Wissen Sie was? Deren Finanzierung ist immer noch nicht geklärt. Privates Kapital scheint sich nicht darauf zu stürzen. Und noch ein Hinweis: Um einen Industrieraum wie Stuttgart damit zu versorgen, bräuchten Sie ungefähr sechs Stück. Sagen Sie Ihren Leuten in Baden-Württemberg, sie sollen das in den Kommunalparlamenten beantragen. Dann fliegen sie da nämlich raus – soll mir auch recht sein. Gucken wir mal rüber nach Frankreich. Die finanzielle Situation der Électricité de France ist einfach nur bedauerlich. Dieser Staatskonzern versinkt in horrenden Schulden. Experten sagen, dass in Frankreich die Wartungszeiten der dortigen Reaktoren – Achtung! – nicht mehr planbar sind. Ich kann nur sagen: Ja, „la sécurité de la provision de l’électricité en France c’est passé“. So sieht es aus. Hinzu kommt die kürzliche Anweisung von Präsident Macron, mehr Atomstrom zu produzieren und ihn bitte auch unter Marktwert zu verkaufen. Damit habe ich als Liberaler so meine Schwierigkeiten. Flamanville 2 ist auch erwähnt worden. Die Baukosten explodieren, übrigens auch bei dem Partnerprojekt in China, wo die Électricité de France auch engagiert ist. Das musste im letzten Sommer vom Netz genommen werden, es ging nicht weiter, weil nämlich technisch sensible Bauteile nicht in den Griff zu kriegen waren. Vereinigtes Königreich: Sie preisen Hinkley Point C an. Die Bauentscheidung fiel 2014; dem Betreiber wurde eine staatliche Vergütung von 11 Cent pro Kilowattstunde plus einem Inflationsausgleich über 35 Jahre zugesagt. Das Ding kommt trotzdem nicht in die Pötte. Bezüglich UK: Lassen Sie sich sagen, dass Großbritannien die Regenerativen wesentlich stärker vorantreibt als dieses Milliardengrab. Die USA-Studie überspringe ich aus Zeitgründen. MIT, tolle Ingenieure, ziehen Sie es sich mal rein. Die Aussichten sind auch da einigermaßen verheerend. Kommen wir noch kurz zur Endlagerfrage. Da werden Sie sicherlich mit finnischen und schwedischen Beispielen um die Ecke kommen. Diese Länder sind ein bisschen anders besiedelt. Sie bewegen sich da zugegebenermaßen in einem einstelligen Milliardenbereich. Für Deutschland aber sind für die Endlagerung Kosten in Höhe von circa 170 Milliarden Euro veranschlagt. Da wollen Sie noch was obendrauf legen? Dazu sage ich: Nein, danke. Abgesehen davon überzeugt mich als Marktwirtschaftler dann doch immer das Argument, dass Atomkraft am freien Markt wirklich nicht versicherbar ist. Sie sind keine Alternative für Deutschland, Sie sind keine für die Gegenwart, und Sie sind auch keine für die Zukunft, und in der Vergangenheit kennen Sie sich auch nicht richtig aus. Hoffentlich bleibt es so, dass Sie für die Energieversorgung in diesem Land nie zuständig werden, da würden die Lichter nämlich ausgehen. Wir werden dafür sorgen, dass die Lichter weiter strahlen: regenerativ und bezahlbar. Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Helmut Kleebank das Wort.
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Dr.
Dr. Kristian Klinck SPD
Kristian
Klinck
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der Vorbereitung auf die heutige Tagesordnung habe ich an meinen aktiven Dienst als Soldat gedacht. Ich sehe dort gewisse Parallelen; denn auch dort gab es Spätdienste und Nachtdienste: zur Ausbildung, bei Übungen oder als Wache. Aber wir waren damals in einer anderen politischen Situation. Als ich ein junger Soldat war, spielte es keine große Rolle, auf welchem Stand unsere Ausrüstung war, wir improvisierten einfach. Der Kalte Krieg war vorbei, und wir waren von Freunden umgeben. Heute aber ist die Bedrohung so groß wie selten zuvor. Wie zu Zeiten des Kalten Krieges müssen wir bereit sein, unsere Freiheit zu verteidigen. Deswegen freue ich mich heute über unseren gemeinsamen Spätdienst zu dieser Stunde. Im Sinne der Bundeswehr ist es gut, dass wir den vorliegenden Gesetzentwurf als Zusatzpunkt auf die Tagesordnung bekommen haben. Vielen Dank, dass Sie da sind; damit zeigen Sie Ihre Anteilnahme für die Bundeswehr. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fähigkeiten jeder Streitkraft basieren auf den Komponenten Personal, Material und Ausbildung. Unsere Soldatinnen und Soldaten sind hervorragend ausgebildet. Doch das Material ist nicht vollzählig, das vorhandene Gerät ist teilweise nicht funktionsfähig oder veraltet. Das muss sich ändern. Das wird sich auch ändern. Doch im Beschaffungswesen gibt es Herausforderungen. Trotz des großen Einsatzes der hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAAINBw, unseres Beschaffungsamtes, dauern die Vorgänge teilweise ermüdend lange. Daher sind das Sondervermögen und Verbesserungen im Beschaffungswesen zwei Seiten einer Medaille. Der richtige Zeitpunkt, etwas zu ändern, ist jetzt, und die Ampelkoalition wird diesen Zeitpunkt nicht verschlafen. Mit dem Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz passen wir den Rechtsrahmen so an, dass er zu unseren militärischen Bedarfen passt. Zusätzlich werden wir die internen Prozesse vereinfachen und beschleunigen. Dabei gilt für uns: Bei den Soldatinnen und Soldaten und den zivilen Mitarbeitern der Bundeswehr ist eine hohe Kompetenz vorhanden. Wir lassen uns keinen Sand in die Augen streuen, wir sehen keine Notwendigkeit für den teuren Einsatz externer Berater. Meine Damen und Herren, ein letzter Gedanke: Unter dem Schutz der Bundeswehr und unseres Bündnisses leben wir in Frieden und in Freiheit. Der Rechtsstaat schützt die Menschen, die ihm anvertraut sind. Das Ziel der Ampelkoalition ist es, dass dieses Schutzversprechen des Rechtsstaats möglichst im ganzen europäischen Haus gelten soll. Der Beitritt Schwedens und Finnlands zur NATO passt genauso zu dieser Zielvorstellung wie unsere fortgesetzte Unterstützung der Ukraine. Das Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz wird einen Beitrag zur Stärkung unserer Bundeswehr und unseres Bündnisses leisten. Ich freue mich auf die weitere Beratung. Eine gut ausgestattete Bundeswehr muss kein Traum bleiben. Seien Sie behütet und schlafen Sie gut!
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Tobias Matthias Peterka AfD
Tobias Matthias
Peterka
AfD
Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Die FDP will die Gewaltenteilung retten; das habe ich zumindest kurz gedacht, als ich gestern den Gesetzentwurf gesehen habe. Aber seien wir doch mal ehrlich: Das wäre so, als würde man einen Hausbrand mit einer Flasche Selters löschen wollen, einen Hausbrand, bei dem die FDP selber fleißig mit gezündelt hat. Sie hat die epidemische Lage von nationaler Tragweite mitbeschlossen, den kritisierten Bund-Länder-Klüngel lange toleriert und noch selber ins Weltuntergangshorn mit gestoßen. Und ja, ein bisschen wurde von der FDP immer traurig geschaut und dann auch – als Show – die Aufhebung der Lage beantragt. Im November wurde sich dann aber wieder nur enthalten; bravo, aber das reicht nicht, liebe FDP. Bei der Covid-19-Welle haben unsere Entscheidungsträger auf allen Ebenen krachend versagt. „Staatsversagen“, nicht weniger wird in den Geschichtsbüchern stehen, nicht weniger wird in Jura- und Politikvorlesungen Einzug halten als klassisches Beispiel einer unverhältnismäßigen, panischen und arroganten Reaktion auf neue Sachlagen. Ja, das Virus ist neu, das Virus ist für geschwächte Menschen nicht ungefährlich; aber wenn unsere gewählten Entscheidungsträger in Bund und Ländern derart kopflos nur in Maximalmaßnahmen reinrennen, dann ist das feige. Wenn sie sich dafür ein verfassungsfremdes Direktorium gründen, das Grundrechte, Wirtschaft und Parlamente für zweitrangig erklärt, dann ist das gefährlich. Das Direktorium „Bund-Länder-Runde“ ist verfassungswidrig. Es geht de facto weit über die Notstandsgesetzgebung der 1960er-Jahre hinaus. Und wenn Sie mir jetzt damit kommen: „Es sind nur Empfehlungen, die Kommunen, die Länder können ja noch frei entscheiden“, dann will ich Ihnen mal eines sagen: In dieser Bund-Länder-Runde herrscht schon lange die Bunkermentalität: Jetzt ist man so weit gegangen, jetzt muss im Nachhinein alles gerechtfertigt werden, von Merkel über Spahn bis zu Söder und jedem beliebigen Landrat – „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“. Ein ganz ungesunder Drall, der aus der panischen Angst vor dem Wähler gespeist wird. Das, liebe FDP, wird jetzt alles dadurch geheilt, dass ein in der Mehrheit sowieso von Regierung und RKI beeinflusster Bundestag Coronamaßnahmen so hoppla-di- hopp absegnen soll, zur Not – also wohl in der Regel – sowieso im Nachhinein? Das ist doch ein Feigenblatt. Das Direktorium wird weiter dirigieren, dann eben über diese zusätzliche Bande. Als ob die Regierungsfraktionen ernsthaft Alternativen andenken würden! Als ob die Grünen ernsthaft zu echten Güterabwägungen in der Lage wären! Der Einsatz von Glaubwürdigkeit ist schon derart massenhaft auf den Pokertisch gelegt, dass es kein Zurück mehr gibt. Recht behalten oder Abwahl, Sieg oder Untergang – das war noch immer die Losung in jedem Bunker. Prost Mahlzeit! Sabine Dittmar, SPD, ist die nächste Rednerin.
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Dr.
Dr. Lina Seitzl SPD
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Seitzl
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Und ich finde es besonders schön, dass bei der Debatte des Bildungshaushaltes so viele Schülerinnen und Schüler auf den Zuschauertribünen sitzen. Unsere politischen Ziele sind nur so gut wie die Mittel, die zu ihrer Umsetzung zur Verfügung stehen. Bei all den Krisen und bei all den Herausforderungen finanzieller Art, vor denen wir stehen, wäre es einfach gewesen, im Bereich „Bildung und Forschung“ zu sparen. Aber genau das tun wir nicht. Ganz im Gegenteil: Wir erhöhen die Haushaltsmittel im Einzelplan 30, und wir stellen im Ergänzungshaushalt zusätzlich 81 Millionen Euro bereit, um auch ukrainischen Geflüchteten den Zugang in unser Bildungssystem zu ermöglichen. Frau Schön, vielleicht nehmen Sie das noch in die Bilanz auf. Denn Investitionen in Bildung sind Investitionen in die Zukunfts- und Innovationsfähigkeit unseres Landes und in die Zukunft jedes und jeder Einzelnen. Dieser Haushalt geht außerdem selbstkritisch mit Fehlern der Vergangenheit um. Nachdem das BAföG in den letzten 16 Jahren mehr oder weniger sträflich vernachlässigt wurde, bekommt es nun einen zentralen Stellenwert. Unser Ziel ist es, wieder mehr junge Menschen ins BAföG zu bekommen, Hürden bei der Beantragung und beim Bezug abzubauen und die Bedarfssätze zu erhöhen. Die ersten beiden BAföG-Novellen werden noch in diesem Jahr in Kraft treten. Eine große, strukturelle Reform folgt. Weil sich die Kollegin Schön gerade so der Wahrheit verpflichtet gefühlt hat, will ich hier einmal mit den Mythen aufräumen, die seit Wochen gerade aus Ihren Reihen, aber auch von den Linken immer wieder verbreitet werden. Der Vorwurf, wir würden die jungen Menschen im Rahmen der Entlastungspakete vergessen, ist falsch. Oliver Kaczmarek hat es gerade schon gesagt, aber ich betone es gerne noch mal: Diese Regierung vergisst junge Menschen nicht. Wir reformieren das BAföG. Wir verankern einen krisenfesten Nothilfemechanismus. Studierende mit Nebenjob – und das sind 75 Prozent – bekommen wie alle Minijobber die Energiepreispauschale von 300 Euro. Wir verdoppeln den Heizkostenzuschuss. Wir schaffen die EEG-Umlage ab. Wir führen für die nächsten drei Monate das 9‑Euro-Ticket ein. Wir führen den zusätzlichen Kinderbonus ein. Wir statten die Bundesschülerkonferenz mit 500 000 Euro aus. Ich bitte Sie, das ist doch kein Vergessen. Wir kümmern uns um die jungen Menschen in diesem Land. Um Menschen in Ausbildung zu stärken, braucht es natürlich auch eine moderne Bildungsinfrastruktur. Es freut mich besonders, dass wir hier bei der Stärkung der Hochschulen wichtige Signale gesetzt haben. Es war uns als SPD ein ausdrücklicher Wunsch, den Hochschulen mehr Planungssicherheit zu gewährleisten. Das ist mit dem Haushalt 2022 durch die Aussagen zum Zukunftsvertrag „Studium und Lehre stärken“ gewährleistet. Die Stiftung Innovation in der Hochschullehre erhält 12 Millionen Euro mehr als ursprünglich vorgesehen, damit innovative Lehrformate gefördert werden; denn gute, digitale Lehre ist mehr als die Bereitstellung von PDF-Dokumenten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit einem Volumen von über 20 Milliarden Euro setzt der vorliegende Haushalt wichtige Prioritäten im Bildungs- und Forschungsbereich. Er unterstützt erneut den Fortschritts- und Innovationsgedanken dieser Koalition. Ich habe es gesagt: Politische Ziele sind nur so gut wie die Mittel, die wir zu ihrer Umsetzung zur Verfügung stellen. Für unsere ambitionierten Vorhaben im Koalitionsvertrag verabschieden wir mit diesem Haushalt den richtigen Werkzeugkasten. Vielen Dank. Ebenfalls für die SPD-Fraktion hat der Kollege Holger Mann jetzt das Wort.
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Lars Rohwer CDU/CSU
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Glück auf, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute über den Innovationsstandort Ostdeutschland diskutieren, dann greifen wir das nicht aus der Luft, sondern wir schreiben die Geschichte fort. Erinnern Sie sich? Tageszeitung, Zahnpasta, Kaffeefiltertüte, Teebeutel und Bundeshaushalt: Alles in Ostdeutschland erfunden, und alles sind Innovationen ihrer Zeit. Heute geht es natürlich nicht mehr um den Teebeutel, sondern es geht um hochmoderne Produkte und aktuelle Forschungsprojekte wie PtL-Kerosin, Wasserstoff, Halbleiterproduktion, Hochleistungsbatterien und so einiges mehr. Herr Kollege Walter, ich will Ihnen jetzt im Folgenden aufzeigen, warum dieser Antrag so dringend notwendig ist und weshalb wir ihn gestellt haben. Wenn wir uns einmal auf die Mikroelektronik konzentrieren, sehen wir: Wir haben rund um Dresden den wichtigsten Standort der Halbleiterproduktion europaweit. Darauf können wir stolz sein; aber wir dürfen uns darauf nicht ausruhen. Das ist kein Selbstläufer, Herr Staatsminister Schneider. Staatssekretär Brandenburg habe ich zum Stand und zur Umsetzung des IPCEI Mikroelektronik hier im Plenum befragt. Herausgekommen ist – nichts! Das BMBF bildet sich noch immer seine Meinung; das ist eindeutig zu wenig. Allein fünf IPCEI-Projektpartner haben wir in Dresden. Ein Projektunternehmen ist in Erfurt. Die ostdeutschen Standorte sind also, wie Sie sehen, präsent und leistungsstark. Aber wir brauchen Geschwindigkeit. Wir sind gegenüber Asien bereits im Hintertreffen. Viele unserer Debatten hier im Hohen Haus sind unweigerlich verknüpft mit den Themen „Klimaschutz“ und „Nachhaltigkeit“. Nachhaltigkeit, auch wieder so eine sächsische Innovation, die uns allen was wert ist. Kluge Innovationen sind oft gefragt, auch wenn es um die Zukunft geht, beispielsweise der Luftfahrt. In diesem Bereich geht es um ein enormes Entwicklungspotenzial. Wir wollen vorangehen. Bei Leipzig soll mit dem Bau der weltweit ersten industriellen Anlage zur Herstellung von nachhaltigem Flugkraftstoff auf Basis von erneuerbarem Strom der Weg in eine grüne Zukunft der Luftfahrtindustrie gestaltet werden. Ein wichtiger Grundsatz ist hier die Technologieneutralität. Der Staat sollte also nicht vorgeben, an welchen Technologien geforscht und gearbeitet wird, sondern sollte im Gegenteil Ziele definieren. Deswegen sind Technologieverbote, wie sie gerade im Europäischen Parlament für den Verbrennungsmotor ab 2035 beschlossen worden sind, grundlegend falsch. Wir fordern die Bundesregierung auf, die ostdeutschen Länder bei einer gemeinsamen Initiative zum Einsatz alternativer Kraftstoffe zu unterstützen. Ganz zum Schluss noch der Hinweis auf den Punkt 8. Wir erwarten, dass die Bundesregierung die ostdeutschen Bundesländer bei der Gewinnung von Fachkräften unterstützt. Deswegen brauchen wir dringend den „Fachkräftegipfel Ostdeutschland“. Bitte stimmen Sie diesem Antrag meiner Fraktion zu. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Stephan Thomae FDP
Stephan
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Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Erneut trauern wir in Deutschland um Opfer, die deshalb ihr Leben lassen mussten, weil sie ein fremdländisches Aussehen hatten. Erneut hat ein rechtsextremer Täter in Deutschland Menschen ermordet. Wir stellen uns erneut die Frage: War denn dieser Täter ein Einzeltäter, war es eine Einzeltat? Im strafrechtlichen Sinne mag es sich um einen Einzeltäter und um eine Einzeltat gehandelt haben, aber im politischen Sinne war der Täter von Hanau kein Einzeltäter, im politischen Sinne war die Tat von Hanau keine Einzeltat, meine Damen und Herren. Es war keine Einzeltat, weil sie sich einreiht in eine Vielzahl von Bluttaten in Deutschland und in anderen Ländern der Welt in den letzten Jahren; ich erinnere an die Morde des NSU, an die Mordtaten des Anders Breivik, an den Amoklauf von München, die Mordtaten von Christchurch, den Mord an Walter Lübcke, die Tat von El Paso, die Tat von Halle und jetzt eben wieder Hanau. Es war keine Einzeltat, sie reiht sich ein in eine Blutspur rechtsextremistischer Taten in Deutschland und der Welt, und es war kein Einzeltäter; denn dieser Täter hatte Vorbilder, er konnte sich getragen fühlen von einer Zustimmung. In diesen Tagen haben wir wieder erleben müssen, dass neue rechtsextremistische Zellen ausgehoben worden sind, Verhaftungen von Rechtsextremisten stattfanden: die Gruppe von Werner S., „Teutonico“, oder jetzt vor zwei Tagen der „Arische Kreis Deutschland“. Deshalb ist es doch abenteuerlich, wenn Herr Dr. Curio hier verbreitet: Weil es sich um einen Geisteskranken, um einen geistig verwirrten Täter gehandelt habe, sei diese Tat nicht dem Extremismus zuzuordnen. – Nein, wenn man das Manifest des Täters von Hanau liest, sich seine Auslöschungsfantasien vor Augen führt: Ja, wer soll denn dann rassistisch oder rechtsextremistisch sein, wenn nicht dieser Täter? Geisteskrank sind alle diese Täter doch irgendwie. Wenn man der Logik folgen wollte, dass jemand, der geisteskrank ist, keine Tat begehen könne, die rassistisch oder rechtsextrem motiviert sei: Ja, wann kommen Sie denn dann überhaupt einmal zu rassistisch motivierten Taten, meine Damen und Herren? Der Rassismus ist die Krankheit des Geistes. Natürlich behauptet niemand, dass die AfD Rassismus erfunden habe. Aber Sie bespielen Rassismus in sämtlichen Oktaven und sind deshalb auch nicht frei von politischer Mitverantwortung für das, was geschieht. Wir brauchen ein Gesamtkonzept gegen Rassismus und Rechtsextremismus in diesem Land. Natürlich können wir niemals hundertprozentige Sicherheit herstellen. Aber wir können durch unsere Mitverantwortung, unser mitverantwortliches Handeln, unser Reden und Tun ein Stück dazu beitragen, dass sich Taten wie diese in Hanau in diesem Land möglichst nicht wiederholen. Vielen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Thorsten Frei, CDU/CSU.
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Steffen Kotré AfD
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Kotré
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die staatliche Plankommission zur Lenkung der Wirtschaft, genannt Kommission für „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, hat getagt und uns ihren Fünfjahresplan vorgelegt. Die Genossen vom Zentralkomitee, genannt Bundesregierung, sind dabei, die staatliche Lenkung der Energiepolitik zu perfektionieren. Während ihre Vorbilder in der sozialistischen DDR wenigstens noch die Produktivitätssteigerung im Sinn hatten, hat sich diese Bundesregierung die Planaufgabe der Zerstörung unserer gesicherten Energieversorgung gestellt. Wir hatten eine gesicherte Energieversorgung, hohe Qualität und einen passablen Strompreis. Wir bekommen jetzt eine geringere und abnehmende Energieversorgung, Stromversorgung, abnehmende Qualität und weiter steigende Strompreise. Wir bekommen also mit dieser Planwirtschaft eben die Mangelwirtschaft, meine Damen und Herren. Die Bundesregierung ist in diesem Sinne eher ein Fall für den Psychiater, gehört auf die Couch, aber nicht in Regierungsverantwortung. Die schizophrene Begründung des Kohleausstiegs ist immer die CO2-Einsparung. Aber das kann ja die wirkliche Begründung nicht sein, weil wir kein CO2 einsparen werden. Überall auf der Welt werden neue Kohlekraftwerke gebaut. In den nächsten 20, 30 Jahren wird die Kohleverstromung noch um ein Drittel steigen. Und was wir hier mit dem Kohleausstieg machen, ist einfach nur die Verschiebung der Kohleverstromung, zum Beispiel nach Polen. Wenn wir dann eben unsere Stromlücke schließen wollen, dann importieren wir wieder den Kohlestrom aus Polen. Das ist natürlich widersinnig. Aber wir exportieren natürlich damit auch unsere Arbeitsplätze. Also, es hat sich weiter nichts geändert. Keine CO2-Einsparung, aber eben Arbeitsplatzexport nach Polen. Das macht kein Land auf dieser Welt. Das macht man nur – irrsinnigerweise – hier in Deutschland. Nun soll es der Wasserstoff richten, meine Damen und Herren, eine Technologie von vor 180 Jahren. Wasserstofftechnologie kann sinnvoll sein – in Nischen und in Spezialgebieten –, aber nicht als flächendeckende Stromversorgung herhalten. Wer hier Luftschlösser baut und behauptet, dass wir in Afrika das heilige Land der Wasserstoffproduktion hätten, der schaue mal bitte auf die Landkarte. Wir haben in Afrika keine stabilen Länder oder keine solchen, denen wir die Achillesferse unserer Energieversorgung und Industrie anvertrauen dürfen. Das Erpressungspotenzial wäre einfach zu groß. Aber in diesem Land, das sich auch Erdogan an den Hals wirft, obwohl es die Grenzen selber schützen könnte, ist man vor einem solchen Irrsinn leider nicht gefeit. Der Kohleausstieg trägt mit dem dann erhöhten Anteil der erneuerbaren Energien zur Erhöhung der Stromausfallgefahr bei. Instabiler erneuerbarer Strom hat bei uns zu Frequenzschwankungen, Spannungsabfällen und insgesamt zu Instabilität beigetragen. Die Fakten sprechen dann auch für sich. Wacker Chemie überlegt, den Standort Deutschland aufgrund der höheren Strompreise und der nicht mehr gesicherten Stromversorgung zu verlassen, nämlich in Richtung USA. Seit dem Jahr 2000 übersteigen die Abschreibungen die Investitionen in den energieintensiven Branchen. Das, meine Damen und Herren, ist der beste Indikator dafür, dass wir hier in Deutschland schon aufgrund der Energiewende eine Deindustrialisierung haben, leider. Die Zahl der kritischen Tage, an denen die Übertragungsnetzbetreiber in Alarmbereitschaft stehen, ist gestiegen, ebenfalls die der Stromabschaltungen von Industriebetrieben. Dass diese Stromabschaltungen von Industriebetrieben geplant sind, spricht Bände und ist einer Industrienation nicht würdig. Der Kohleausstieg ist unsozial. In der Lausitz wird, wirtschaftlich gesehen, das Licht ausgehen, und da helfen auch keine Verlegungen von Ministerien oder sonstigen Behörden oder andere Tropfen auf den heißen Stein. Die Wertschöpfung von 1,4 Milliarden Euro jährlich lässt sich auch langfristig nicht durch die 18 Milliarden Euro Subventionen für diese Region auffangen, die eben auf 20 Jahre verteilt werden. Die sozial schwachen Einkommensbezieher werden also diesen Kohleausstieg entsprechend spüren als das, was es ist: Wegfall von Einkünften und Abbau der sozialen Marktwirtschaft, meine Damen und Herren. Dieser Kohleausstieg reiht sich ein in eine lange Kette wirtschaftlicher Verheerungen: schleichende Schrumpfung des Mittelstandes und der Mittelschicht, Enteignung der Sparer durch die Nullzinspolitik – 400 Milliarden Euro mindestens –, schleichende Zerstörung der Automobilindustrie, die Landwirtschaft im Würgegriff der Umwelthysteriker und Fälscher von Messergebnissen. Die Folge, meine Damen und Herren, für uns als viertgrößte Wirtschaftsnation ist, dass unser Pro-Kopf-Nettogeldvermögen unterdurchschnittlich auf Platz 18 rangiert. Viertgrößte Wirtschaftsnation, Platz 18 beim Pro-Kopf-Nettogeldvermögen! Vor uns liegen Länder wie Italien, Neuseeland, Belgien oder sogar Taiwan. Die haben alle mehr. Und nun wird eben unsere Energiewirtschaft zerlegt. Übrigens: 3 Milliarden Menschen auf dieser Erde haben gerade mal so viel Strom wie wir für unseren Kühlschrank. Wenn wir also unsere Stromversorgung schreddern, dann haben wir nicht die Möglichkeit, hier zu unterstützen. An all diesem erkennt man ein Muster: Das Zentralkomitee – so können wir die Bundesregierung durchaus folgerichtig nennen – vernichtet mutwillig Volksvermögen. Das erinnert im Kleinen so ein bisschen an die große Transformation des Genossen Mao Tse-tung, der sein chinesisches Volk auch ins Unheil gestürzt hat, oder an die Verstaatlichungen im Sozialismus. Das macht kein Land dieser Erde. Aber nur in Deutschland ist man so irrsinnig. Die Bundesregierung reiht sich hier mit der Energiewende und dem Kohleausstieg ein in die Regierungen, diktatorischen Regierungen dieser Erde, die Volksvermögen vernichten und denen die Menschen völlig egal sind. Und nun: An dieser Stelle wird die AfD nicht deshalb kriminalisiert und mit Hass und Hetze überzogen, weil mal ein falsches Wort gesagt wird. Nein, man hat erkannt, dass die AfD die einzige parlamentarische Kraft ist, die diesem Irrsinn ein Ende bereiten kann. Ich versichere Ihnen: Sie wird es auch. Herr Kotré, achten Sie bitte auf die Zeit. Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat nun Dr. Matthias Miersch das Wort.
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Achim Post SPD
Achim
Post
SPD
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dann wollen wir einmal über Europa reden. Warum ist es gut und richtig, dass wir das heute machen? Weil wir eine Aktuelle Stunde haben? Sicherlich. Weil es einen Gipfel am Donnerstag in Brüssel gibt? Auch das. Weil Europa immer irgendwie wichtig ist? Aber natürlich. Aber warum machen wir es wirklich? Wir machen es wirklich, weil in diesen Tagen, Wochen und Monaten grundlegende Entscheidungen in und für Europa anstehen und weil sich für diese Weichenstellungen und Entscheidungen jetzt ein Zeitfenster geöffnet hat, das wir nicht einfach so schließen sollten. Warum nicht? Wir haben in den letzten zehn Jahren ein Europa im Krisenmodus erlebt. Wir haben in den letzten zehn Jahren gesehen, wie der Einfluss Europas global abgenommen hat und wie gleichzeitig innerhalb Europas, innerhalb der Europäischen Union, die Fliehkräfte zugenommen haben. Einige, wie die Briten, wollen sich ganz verabschieden aus der Europäischen Union. Andere, wie die Polen oder Ungarn – aber nicht nur sie alleine –, wollen sich verabschieden aus dem Wertekanon Europas, also Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Gewaltenteilung. Dritte wiederum begreifen Europa schlicht und einfach als ein Europa der Rosinenpickerei. Schauen wir mal an drei Orte, nach Sotschi, nach Budapest und nach Washington – drei Orte, an denen Europa nichts zu vermelden hatte. Nach Sotschi hat der russische Präsident erst den syrischen Präsidenten, dann den iranischen und den türkischen Präsidenten eingeladen, die gefühlten und wahrscheinlich wirklichen Sieger des Syrien-Konfliktes. Europa hat dabei keine Rolle gespielt. Schauen wir nach Budapest, zu den 16-plus-1-Gesprächen, die China mit 16 europäischen Ländern führt, davon 11 Mitglieder der Europäischen Union. Die Europäische Union hat dabei keine Rolle gespielt. Schauen wir auf die vor einigen Tagen getroffene Entscheidung von Präsident Trump zu Jerusalem. Mit uns, mit Deutschland, mit der Europäischen Union, wurde das nicht abgesprochen. Wenn wir das ändern wollen – ich vermute mal, dass die Mehrheit des Hauses es ändern will –, dann brauchen wir erstens eine strukturierte Zusammenarbeit im Bereich der äußeren Sicherheit. PESCO ist ein gutes Beispiel und aus meiner Sicht ein historischer Schritt in die richtige Richtung. Das Gleiche gilt zweitens für die Einladung des schwedischen Ministerpräsidenten – ein Sozialdemokrat, im Übrigen ein alter IG-Metaller –, um neue Impulse zu setzen. Er will zusammen mit den anderen Europäern erreichen, dass es mehr soziale Gerechtigkeit in der Europäischen Union und in Europa gibt. Hier gibt es viele gute Vorschläge, die wir jetzt in die Praxis umsetzen müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der dritte Punkt. Das, was die EU-Kommission und vorher Präsident Macron hinsichtlich einer grundlegenden Reform der Wirtschafts- und Währungsunion vorgeschlagen haben, ist der Kern aller Reformen, wenn wir eine Stabilisierung der Euro-Zone auch in Krisenzeiten wollen. Wenn wir wollen, dass Europa mehr für Investitionen, Wachstum und Beschäftigung tut, dann müssen wir diese Reformvorschläge im Grundsatz unterstützen. Über Details können wir reden; aber im Grundsatz ist das, was da vorgeschlagen wird, richtig. Zusammengefasst geht es aus meiner Sicht um eine ganz einfache Frage: Wem wollen wir nicht nur in den nächsten Wochen und Monaten, sondern in den nächsten Jahren dieses Europa überlassen: Ultranationalisten, Kleinkrämern oder wahren Patrioten und Europäern? Ich bin für das Dritte. Schönen Dank für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Achim Post. – Nächster Redner in der Aktuellen Stunde: Rüdiger Lucassen für die AfD-Fraktion.
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Emmi Zeulner CDU/CSU
Emmi
Zeulner
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wir als Parlamentarier kennen das: Es kommt ein Referentenentwurf aus einem Ministerium, und in der Regel dauert es nur wenige Stunden, bis es Änderungsvorschläge von allen Seiten hagelt. Deshalb – gerade habe ich mich manchmal wie im falschen Film gefühlt – ist die Reform der Psychotherapeutenausbildung etwas Besonderes; denn hier bleibt die große Welle der Änderungswünsche vonseiten der Fachebene aus, da das Gesetz aus dem Gesundheitsministerium die Probleme nachhaltig löst. Der Tenor war durchweg positiv. Auf dem Deutschen Psychotherapeutentag im März 2019 wurde der Gesetzentwurf einhellig begrüßt. Auch das ist einmal ein schöner Beginn eines Gesetzgebungsverfahrens. Mit der Novellierung stellen wir die Ausbildung auf völlig neue Füße und passen das veraltete Berufsrecht an die gestiegenen und neuen Herausforderungen an, mit dem Ziel, die Versorgung psychisch kranker Menschen wirklich zu verbessern und die Ausbildung für junge Menschen auch wieder attraktiver zu machen. Bereits zum Wintersemester 2020 schaffen wir einen eigenständigen zweistufigen Studiengang. So schließt an ein dreijähriges Bachelorstudium ein zweijähriges Masterstudium an. Mit bestandener staatlicher Prüfung wird dann die Approbation erteilt. Danach folgt die anschließende Weiterbildung in der Praxis. Es ist also anders, als die AfD in ihrem Antrag darstellt, dass das Studium keine ausreichende Praxis im Sinne des Patientenschutzes beinhalte. Im Gegenteil: Wir sehen die Weiterbildung mit einer gezielten Begleitung als sehr gute praktische Ausbildung an. Das Gleiche würde ich dem Kollegen der FDP sagen. Aber leider haben Sie keinen Antrag eingereicht. In dieser Zeit können die sogenannten Psychotherapeuten in Weiterbildung, die PiWs, bereits in der vertragsärztlichen Versorgung im ambulanten und stationären Bereich angestellt werden. Dies ist vergleichbar mit der Anstellung eines Assistenzarztes. Das wurde bereits gesagt. Auch können die erbrachten Leistungen der PiWs über die GKV abgerechnet werden. Damit lösen wir ein Kernproblem; denn ja – da haben viele recht –, vorher wurden die Therapeuten in Ausbildung wie Praktikanten gesehen und auch so bezahlt. Es ist aber nicht attraktiv und für uns auch nicht hinnehmbar, nach fünf Jahren Studium mit beispielsweise 450 Euro monatlich und Zehntausenden Euro Schulden aufgrund der Ausbildungskosten nicht einmal den eigenen Lebensunterhalt decken zu können. Und genau da setzt das Gesetz an. Wir setzen damit bundeseinheitliche Qualifikationsstandards auf Masterniveau und legen die Grundlage für ein geregeltes Einkommen. Neben allen Punkten, in denen große Einigkeit besteht, sind mir vor allem drei Punkte bei der Ausbildung ein großes Anliegen. Erstens müssen wir uns überlegen, ob wir bei der Weiterbildung finanzielle Strukturen wie bei der ambulanten Weiterbildung der Hausärzte schaffen. Zweitens gilt es, die bisherigen Ausbildungsstätten auch ab 2025 in die neue Weiterbildungsstruktur zu integrieren. Und drittens müssen wir uns noch einmal die Forderungen der PiAs, also der Psychotherapeuten in Ausbildung, anschauen. Eine Übergangszeit von zwölf Jahren, in denen keine vergleichbare Vergütung wie bei den PiWs stattfindet, ist den jungen Leuten schwer erklärbar. Zwölf Jahre sind mir einfach zu lange. Neben der Ausbildung an sich umfasst das Gesetz auch zusätzliche Punkte im Rahmen der psychotherapeutischen Versorgung bzw. beim Zugang zu einer solchen, die in den letzten Monaten zu großen Diskussionen geführt haben. Ich glaube, viele Missverständnisse sind aus der Befürchtung heraus entstanden, dass die Politik zurück zum Delegationsprinzip möchte und ein anderer als die Therapeuten selbst über den Zugang zur Therapie bestimmt. Lassen Sie mich ganz deutlich sagen: Das wollen wir nicht. Es wird kein Delegationsverfahren durch die Hintertür geben, und wir wollen auch keine minutenweise Vorgabe für die Behandlung der Patienten; denn der Zugang für psychisch Kranke muss weiter niedrigschwellig bleiben, und die Therapiefreiheit muss erhalten bleiben. Dreh- und Angelpunkt bleibt für mich im Gesamten das Netzwerk. Viele Therapeuten haben immer wieder angesprochen, dass es an den Schnittstellen tatsächlich hapert. Deshalb sollten wir auch im Sinne einer guten Netzwerkarbeit die Einführung einer Vergütungsziffer für Koordinationsleistungen prüfen. In diesem Sinne freue ich mich auf die weitere Beratung. Vielen herzlichen Dank. Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Dirk Heidenblut das Wort.
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Gerald Ullrich FDP
Gerald
Ullrich
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Heute Morgen habe ich wie fast immer das ZDF-Morgenmagazin „moma“ geschaut. Zu Gast war Herr Meuthen, der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl. Die erste Frage beim Interview lautete: Was halten Sie für die größte Errungenschaft der EU? Die Antwort von Herrn Meuthen war: den gemeinsamen Schengen-Raum ohne Grenzkontrollen. – Hätte ich das nicht wirklich gehört, würde ich es nicht glauben, wenn es mir einer erzählt. Ich dachte, mich laust der Affe. Zu Hause prangen an jedem zweiten Lichtmasten die Plakate der AfD mit dem Ruf: „Grenzen sichern“ und „Grenzen sofort schließen“, und Herr Meuthen sagt: Macht hoch die Tür, die Tor macht weit. Meine Damen und Herren von der AfD, was ist eigentlich los bei Ihnen? Hat Ihr Spitzenkandidat Kreide gefressen, oder hängt Ihre Fraktion in der Schnittchenskandalblase fest, ohne zu merken, dass sich die Welt da draußen weitergedreht hat? Die Europakandidaten der FDP vertreten das Europawahlprogramm der FDP. Bei der AfD scheint das nicht der Fall zu sein. Ganz ähnlich sieht es übrigens auch bei der CDU aus. Man denke nur daran, was Ihr Spitzenkandidat zu Nord Stream 2 sagt. Nun aber konkret zu Ihrem Antrag. Darin wimmelt es nur so von Fake News, Fehleinschätzungen und Forderungen, die genau die deutschen Interessen gefährden, die der Antrag zu schützen vorgibt. Gleich zu Beginn behauptet die AfD, dass die Verträge von Maastricht und Lissabon eine Vorfestlegung auf die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa enthielten. Das ist komplett falsch. In der Präambel des EU-Vertrages steht: „Schaffung einer immer engeren Union … entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip“. Die AfD fordert, den EU-Haushalt um 80 Prozent – 80 Prozent! – zu kürzen. Die AfD verspricht viel Geld für deutsche Programme, die EU-Programme ersetzen sollen. Dabei soll angeblich sogar noch Geld übrig bleiben. Aber, meine Damen und Herren, ich möchte daran erinnern: Boris Johnson muss sich am Donnerstag in einem Strafprozess für seine berühmte Lüge verantworten, mit der er behauptet hat, dass nach dem Brexit 350 Millionen Pfund mehr pro Woche für das nationale Gesundheitssystem zur Verfügung stünden. Die AfD sollte aufpassen, dass sie nicht das gleiche Schicksal wie Boris Johnson erleidet. Die AfD fordert, die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds zu streichen, den Freihandel innerhalb der EU aber beizubehalten. Meine Damen und Herren von der AfD, man lernt schon im ersten Semester VWL, dass der Freihandel nur dann Gewinn für alle Menschen bringt, wenn durch eine strukturierte Schaffung von Infrastruktur auch neue und effektive Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Mitgliedstaaten mit einer geringeren Wettbewerbsfähigkeit haben schließlich dem Freihandel innerhalb der EU nur im Paket mit den Kohäsionfonds zugestimmt. Eine Abschaffung dieser Investitionen in Bildung und Infrastruktur, wie die AfD sie fordert, würde wohl den Aufstand vieler Mitgliedstaaten gegen den Freihandel innerhalb der EU zur Folge haben. Also funktioniert der Binnenmarkt, so wie wir ihn haben, nur durch und mit der Kohäsion. Die AfD lehnt ab, dass wir mit PESCO die enormen Skalenerträge gemeinsamer Wehrforschung und -beschaffung ernten. Die AfD schadet hier dem Steuerzahler. Die vielen anderen Programme hat mein Vorredner schon genannt; er hat auch ihren Sinn erklärt, und zwar richtig. Ich muss das kein zweites Mal tun. Ich möchte nur zusammenfassend sagen, dass der AfD-Antrag einzig und allein auf die Abschaffung der EU abzielt und dass offenbar schon erster Zersatz in Ihrer Partei vorliegt. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Gerald Ullrich. – Nächster Redner: Christian Petry für die SPD-Fraktion.
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Till Mansmann FDP
Till
Mansmann
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Anlegerschutz ist in der Tat ein wichtiges Ziel der Finanzmarktregulierung. Auch bei dem hier vorgelegten Gesetz steht dieser Gedanke im Mittelpunkt. Gut gemeint ist aber nicht immer gut gemacht. Ich formuliere es einmal so: Wir teilen die Einschätzung der Diagnose; bei der verordneten Medizin sind wir noch ein wenig skeptisch. Mit solchen Rezepten ist es eben auch wie beim Arzt: Keine Medikation ohne Nebenwirkungen. – Als Serviceopposition lesen wir Ihnen gerne auch mal ein bisschen aus dem Beipackzettel vor, den man für dieses Gesetz erstellen müsste. Dort stehen folgende Warnhinweise: Wenn noch nicht feststeht, welche konkreten Anlageobjekte finanziert werden sollen, dann dürfen von Privatanlegern keine Gelder mehr eingesammelt werden. Die geplante Regelung, dass Vermögensanlagen in sogenannte Blindpools für Privatanleger künftig nicht mehr zulässig sind, hat aber eben auch negative Folgen für die Verbraucher. So erschwert es die notwendige Diversifikation ihrer Anlagen. Durch die eingeschränkteren Reinvestitionsmöglichkeiten der Vermögensverwalter befürchten wir, dass in der Folge verstärkt sogenannte Single-Asset-Strategien mit entsprechenden Klumpenrisiken angeboten werden. In der Folge verringert sich durch das vorliegende Gesetz dann die Risikostreuung für die Anleger. Gerade in Zeiten wie heute, in denen Sparer Negativzinsen für ihr Geld vermeiden wollen, wird auf diese Weise erschwert, das eigene Vermögen aufzubauen und zu schützen. Aber auch für den Kapitalmarkt an sich sehen wir Nebenwirkungen, bei denen man sich die Frage stellen muss, ob sie nicht gravierender sind als die geplanten positiven Wirkungen. Denn das Blindpool-Verbot entzieht dem Kapitalmarkt Ressourcen gerade für sozial wichtige Investitionsfelder wie Wohnungsbau, erneuerbare Energien oder Impfstoffentwicklung. Der deutsche Coronaimpfstoffhersteller BioNTech wurde zum Beispiel jahrelang über Vermögensanlagen mit Blindpool-Charakter finanziert. Stellen wir uns einmal kurz vor, wo wir heute global stünden, wenn dieses Unternehmen in der schwierigen Entwicklungsphase nicht den Zugang zu diesem Kapital gehabt hätte! Ohne diese Mittel hätte das Unternehmen nicht mehr oder nur in erheblich geringerem Maße investieren und die für uns alle lebenswichtigen Innovationen nicht leisten können. Auch beim Wohnungsbau ist das Blindpool-Verfahren eine beliebte Finanzierungsquelle. Konkret würde das Gesetz also eben auch die Gefährdung von Unternehmen, Arbeitsplätzen und der Schaffung von Wohnraum bedeuten. Insgesamt fürchten wir – auch wenn wir einige gute Ansätze sehen –, dass dieses Gesetz letztlich an einem verbesserten Anlegerschutz ein Stück weit vorbeigeplant ist. Aber vielleicht kann man da an der einen oder anderen Stelle noch nachbessern. Ich freue mich, dass der Kollege Dr. Brodesser schon einige dieser Themen aufgegriffen hat, sodass wir hoffen, dass wir in der Beratung im Finanzausschuss noch den von Ihnen angesprochenen richtigen Mittelweg finden. Vielen Dank. Vielen Dank. – Das Wort geht an Fabio De Masi von der Fraktion Die Linke.
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Dr.
Dr. André Berghegger CDU/CSU
André
Berghegger
CDU/CSU
Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lieber Dennis Rohde, da ich dir ja sonst auch nicht widerspreche, werde ich das jetzt auch nicht tun; aber in guter koalitionärer Zusammenarbeit möchte ich deinen Beitrag ergänzen – das gehört zur Vollständigkeit des Bildes dazu –: Wir haben in 2020 im Vollzug dennoch Rekordschulden aufgenommen. Wir haben nichts eingespart. Denn Schuldenmachen ist immer der leichtere Weg, als auf andere Art und Weise einen Ausgleich hinzubekommen. Ich denke, das gehört zur Vollständigkeit des Bildes dazu. Meine Damen und Herren, besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen. Wenn wir ein – in Anführungszeichen – „normales“ Haushaltsjahr hätten, würden wir nicht fünf Monate nach der Bereinigungssitzung hier stehen und über einen Nachtragshaushalt sprechen. Das wäre nicht realistisch. Jetzt, in dieser Situation, ist das aber, denke ich, nachvollziehbar. Wir haben 2021 – das haben wir mehrfach gehört – ein verändertes Pandemiegeschehen, eine veränderte Virusvariante und nach wie vor erhebliche Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. Deshalb ist es haushalterisch richtig, frühzeitig zu handeln, zu reagieren, um das gesamte Jahr über handlungsfähig zu sein. Haushalt ist bekanntermaßen in Zahlen gegossene Politik. Und das gilt, glaube ich, jetzt mehr denn je. Wir stemmen uns als Bund mit aller Kraft finanzpolitisch gegen diese Pandemie. Die Ausgaben der Pandemiebewältigung werden wir finanzieren, wenn sie absehbar sind und eine gewisse Haushaltsreife erreicht haben. Aber ich würde auch Wert darauf legen, diesen Nachtrag auf die Pandemiebewältigung zu beschränken, das heißt, wenn möglich, auf die Einzelpläne 15, 32 und 60; das sind Gesundheit, Bundesschuld und Allgemeine Finanzverwaltung. Alle anderen Einzelpläne haben wir vor gerade mal fünf Monaten ausführlich debattiert, diskutiert und entschieden. Zu Kennzahlen des Nachtrages. Wir haben das Haushaltsvolumen um 50 Milliarden auf jetzt 550 Milliarden Euro erhöht. Wir haben die Nettokreditaufnahme um 60 Milliarden auf 240 Milliarden Euro erhöht. Das sind die nackten Zahlen. Aber was ist das denn eigentlich für eine Dimension? Das will ich an zwei Beispielen noch mal deutlich machen: Die Nettokreditaufnahme innerhalb von zwei Jahren – 2020, 2021 – beträgt 370 Milliarden Euro. Das ist die Summe, die einem Haushaltsvolumen des Bundes von vor wenigen Jahren entspricht, um die Größenordnung einmal festzustellen. Und die Kreditaufnahme in zwei Jahren – 2020 und 2021 – entspricht der Summe der Kreditaufnahme in den 20 Jahren zuvor. Das waren auch keine einfachen Zeiten; es sei nur an die Finanz- und Wirtschaftskrise vor zehn Jahren erinnert. Zu den inhaltlichen Schwerpunkten dieses Nachtrages. Wir werden natürlich die Unternehmenshilfen ausweiten. Unternehmer, die besonders schwer und lange betroffen sind, erhalten zusätzlich zu den Hilfen einen Eigenkapitalzuschuss; das Stichwort fiel auch schon. Das ist, denke ich, ganz wichtig, um den Unternehmen in dieser Situation eine Hilfeleistung zu gewähren. Wir werden nach den Erfahrungen aus der Praxis die Überbrückungshilfe III weiter ausbauen. Ich hoffe einfach, dass diese Hilfen schnell ankommen, schneller als vielleicht in der Anfangsphase der Pandemie. An dieser Stelle möchte ich gern die Gelegenheit nutzen, um mit einer Mär aufzuräumen – auch das ist schon in dieser Debatte angeklungen –: Manche Vertreter der Länder behaupten immer wieder, der Bund leiste seine Hilfen nicht. Aber ehrlicherweise wird diese Behauptung auch durch ständige Wiederholung nicht besser. Ein Blick auf Dashboard Deutschland hilft. Es beschreibt tagesaktuell, wie die unterschiedlichen Zuschussvarianten und Hilfsprogramme bearbeitet und abgerufen worden sind. Jedes Programm hat mindestens einen Auszahlungsstand von über 80 Prozent, Stand gestern. Eine Ausnahme gibt es: die aktuell zu bearbeitende Überbrückungshilfe III. Aber das ist auch logisch; da gehen jeden Tag neue Anträge ein. Deswegen bitte ich – anders formuliert – die Vertreter der Länder: Suchen Sie den Schwarzen Peter nicht immer beim Bund. Zweitens. Wir werden Maßnahmen im Gesundheitsbereich anheben. Über die Impfstoffbeschaffung haben wir oft und lange geredet; aber fest steht nach wie vor: Fast jeder Beschaffungspreis ist bei schnellem Einsatz volkswirtschaftlich günstig. Ziel muss es doch sein, die Beschränkungen in dieser Gesellschaft so lange wie nötig, aber vor allen Dingen so kurz wie möglich aufrechtzuerhalten. Deswegen werden wir als Bund da auch noch mal eine zusätzliche Finanzierung unterstützen. Zu guter Letzt wollen und müssen wir natürlich die Mindereinnahmen im steuerlichen Bereich darstellen. Dies bietet mir die Gelegenheit, noch mal auf das Verhältnis von Bund und Ländern im Allgemeinen zu sprechen zu kommen. Der Föderalismus hat sich bei uns über Jahrzehnte bewährt, und er hat uns stark gemacht. Aber ich beobachte seit Jahren eine Entwicklung mit Sorge, und zwar unabhängig von der Couleur der Landesregierungen: Wir dürfen uns nicht zu einer Art Wohlfühlföderalismus weiterentwickeln nach dem Motto: Die Länder können und wollen sich bei bestimmten schwierigen Fragen nicht einigen oder verständigen, obwohl notwendige Entscheidungen zu treffen sind, Stichwort „Flickenteppich an Regelungen“. Dann muss der Bund eingreifen, soll sich aber bitte sonst nicht zu sehr einmischen, und darüber hinaus soll er noch großzügig finanzieren. – Ich halte diese Entwicklung, höflich formuliert, für unglücklich. Der Maßstab unseres Handelns muss doch die Zuständigkeitsregelung und die daraus folgende Finanzverantwortung aus dem Grundgesetz sein. Und wenn wir hoffentlich zügig die Pandemie in den Griff bekommen haben, danach einen Strich darunter machen und dabei feststellen, dass die Zuständigkeitsregelungen nicht mehr zeitgemäß sind, dann müssen wir – aber später – sachlich und in Ruhe darüber reden. Zu den Zahlen im Besonderen: Natürlich hatten Bund, Länder und Kommunen im letzten Jahr geringere Steuereinnahmen. Aber mit den Hilfen des Bundes hatten Länder und Kommunen Mehreinnahmen und der Bund noch größere Mindereinnahmen. Und wenn man sich jetzt die Haushalte der Kommunen genauer anguckt und Einnahmen und Ausgaben gegenüberstellt, stellt man fest, dass die Kommunen in dieser schwierigen Situation im letzten Jahr sogar finanzielle Überschüsse in den Kernhaushalten aufgewiesen haben. Das wird viel zu wenig erwähnt; wir sollten es aber immer mal wieder betonen und in Erinnerung rufen. Der Bund, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird in Zukunft die reguläre Schuldenbremse nur dann so schnell wie möglich wieder einhalten können, wenn er deutliche Prioritäten bei den Ausgaben setzt. Da sehe ich keine großen Spielräume für weitere großräumige Entlastungen von Bund und Ländern. Darin fühle ich mich auch immer wieder durch die Position des Bundesrechnungshofes bestätigt. Ich komme zum Schluss. Wir können nur immer wieder betonen: Erst die solide Haushaltsführung über Jahre hinweg hat uns die finanziellen Möglichkeiten eröffnet, um in Deutschland jetzt so helfen zu können. Das zeichnet uns auch im Vergleich zu anderen Ländern international aus. Deswegen danke ich an dieser Stelle dem Vater dieser Politik, Wolfgang Schäuble, der nach langer Zeit diese Kehrtwende eingeleitet hat. Zu dieser finanziellen Solidität müssen wir so schnell wie möglich zurückkehren, um für die Zukunft gewappnet zu sein; denn es werden auch wieder schwierige Phasen folgen. Das sollte und muss unser Anspruch sein. Meine Damen und Herren, die Menschen in diesem Land haben es verdient, dass nach so vielen schweren Monaten endlich Besserung in Sicht kommt. Das ist nicht nur, aber auch unsere Verantwortung. Der Nachtrag wird dazu einen Beitrag leisten. Vielen Dank fürs freundliche Zuhören. Jetzt erhält das Wort der Kollege Marco Bülow.
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Beatrix von Storch AfD
Beatrix
von Storch
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Sie haben gerade gesagt, Herr Professor Dr. Karl Lauterbach, dass dieser Impfstoff an Milliarden Menschen verimpft worden ist, weswegen die Erkenntnisse darüber jetzt so groß sind, aber vorher nicht waren. Genau das haben Sie gerade gesagt. Wir werden das sicherlich gut zusammenschneiden können. Aber vielleicht können Sie das noch mal klarifizieren, damit die Menschen draußen im Land erfahren, dass sie möglicherweise an einem großen Versuch beteiligt waren.
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Thomas Jarzombek CDU/CSU
Thomas
Jarzombek
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Bundesministerin, ich darf Ihnen ganz herzlich zu Ihrer neuen Aufgabe gratulieren, und ich darf Ihnen besonders dazu gratulieren, dass Sie dieses Ministerium bekommen haben; denn Sie bekommen ein ausgesprochen gut bestelltes Haus. Der Aufschwung der Mittel, meine Damen und Herren, den wir in den letzten 16 Jahren gesehen haben, ist beispiellos, auch für alle anderen Politikfelder. Wir sind bei 7,6 Milliarden Euro gestartet, und liegen mittlerweile bei fast 21 Milliarden Euro – eine Fast-Verdreifachung. In keinem anderen Politikfeld kann man das so sagen. Bei uns hatten Wissenschaft, Forschung und Bildung immer Priorität – ein Benchmark. Es liegt jetzt an Ihnen, diese Linie weiterzuentwickeln; das ist das Entscheidende. Wir sind bei den Forschungsausgaben deutlich über 3 Prozent gekommen. Sie haben das Ziel von 3,5 Prozent; das vereint uns. Übrigens vereinen uns viele Dinge aus Ihrem Programm; aber es wird am Ende darauf ankommen, ob Sie es wirklich machen und ob Sie das zusätzliche Geld bekommen. Das ist die Messlatte. Was ich in Ihrer Rede, Frau Ministerin, an dieser Stelle vermisst habe, ist ein Wort zum privaten Kapital; denn die Forschungsausgaben bestehen ja nicht nur aus den staatlichen Mitteln, sondern zum größeren Teil aus den privaten Mitteln. Da bin ich gespannt auf Ihre Ideen, wie Sie das erreichen wollen. Wir haben dazu in der letzten Legislaturperiode gute Dinge vorgelegt: der Staat als Ankerkunde – ein gutes Thema, gerade für den Forschungsbereich. Wir haben für 11 Millionen Euro Starts bei einer Raumfahrtfirma bestellt. Die hat daraufhin 155 Millionen Euro privates Kapital eingesammelt. Das ist ein Hebel; das kann ein Vorbild sein. Im Quantencomputingbereich das Gleiche: 40 Millionen Euro wurden zuletzt von Anja Karliczek an ein Start-up vergeben, an IQM. Damit komme ich zum nächsten Punkt, den ich in Ihrem Vortrag bisher noch vermisst habe – aber ich glaube, wir haben ja noch ein bisschen Strecke vor uns –: Stichwort „Start-ups“. Ich glaube, ohne Start-ups werden wir kein Deep-Tech-Ökosystem bauen. Aber das müssen wir tun. Wir haben ja einiges in den letzten Jahren geschafft. Wir haben erfolgreiche Start-ups, die Raketen bauen, neu in Deutschland. Wir sind weltweit führend, was das Thema „Flugtaxis und eVTOLs“ betrifft. Wir haben Start-ups im Bereich Kernfusion. Wir haben mit BioNTech zum ersten Mal wieder Deep-Tech-Start-up, das wirklich global einen Impact macht. Das ist das Ergebnis von 16 Jahren unionsgeführter Forschungspolitik, von unseren Mitteln, von der Hightech-Strategie, von der Exzellenzinitiative: dass wir es wieder schaffen, solche Wissenschaftler und Forscher in Deutschland zu halten, die in der Vergangenheit abgewandert sind. Da gibt es viel zu tun. Ein weiteres Stichwort, das ich in Ihrer Rede gerne gehört hätte, ist das Wort „Mittelstand“; denn Forschung wird nur mit dem Mittelstand gemeinsam funktionieren. Wir können uns nicht auf die großen Konzerne verlassen. Im Gegenteil, wir brauchen hier Wettbewerb zwischen Start-ups, zwischen Mittelständlern. Hier muss ein klarer Schwerpunkt her. Ich darf das schon mal ankündigen: Wir werden auf der Strecke danach fragen. Wir werden danach fragen, wie viel Sie für den Mittelstand im Bereich „Forschung und Technologie“ ausgeben. Wir brauchen auch Instrumente, um hier im Transfer besser zu werden mit privatem Kapital. Der Staat darf nicht allein ins Risiko gehen. Sie haben ein Projekt benannt: die DATI, die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation. Die Frage wird ja sein, wie das eigentlich konkret ausgestaltet wird. Bei der SprinD – übrigens auch ein Wort, das ich in Ihrer Rede vermisst habe; was wird eigentlich aus der SprinD? - gibt es Dinge zu tun; das ist so. Aber wir machen hier auch eine gemeinsame Lernkurve, und die gemeinsame Lernkurve aus der SprinD besagt: Die Dinge werden kein Selbstläufer. Wenn Sie jetzt noch eine neue Agentur gründen – one in, one out; weniger Regulierung und Bürokratie ist immer ein Thema der FDP gewesen –, wollen wir auch wissen: Was schaffen Sie dafür eigentlich ab? Denn ständig neue Agenturen zu gründen, das ist am Ende eben keine Lösung. Wir haben große regulatorische Aufgaben, angefangen bei CRISPR/Cas 9 bis hin zu der Frage der Zulassung neuer Nukleartechnologien, zur Frage künstlicher Intelligenz und zu sämtlichen Genfragen. Wir haben so viele Themen, bei denen Sie sich als Koalition klar werden müssen, was Sie eigentlich wollen. Wollen Sie Dinge ermöglichen, oder wollen Sie Dinge verbieten? Im Verbieten waren wir in der Vergangenheit groß. Die Union stand für diesen Kurs nie. Wir waren immer für Offenheit und Technologie. – Es ist interessant, dass gerade die Grünen beim Thema Verbote lachen, lieber Kollege Gehring. Das möchte ich an der Stelle mal sagen. Die Verbotsliste Ihrer Partei ist doch legendär. Wir haben auch beim Thema BAföG 1,3 Milliarden Euro mehr lockergemacht. Wir werden das gemeinsam neu ausgestalten müssen; das ist, glaube ich, auch klar. Aber wenn Sie von elternunabhängigem BAföG reden, wird sich natürlich die Frage stellen: Glauben wir auch an Subsidiarität, oder bekommen eben auch diejenigen Geld des Staates, die nun weiß Gott von zu Hause so viel Geld mitbringen, dass sie es nicht brauchen? Zuletzt wünsche ich mir für die Digitalisierung der Schule auch mehr Offenheit und Wettbewerb. Sie werden zeigen müssen, wie Sie das Grundgesetz wirklich ändern wollen; denn eins ist doch klar: Wir werden hier mehr machen wollen und müssen, aber wir werden nicht unkonditioniert Geld an Länder geben können. Das wird eine schwierige Aufgabe. Wir werden Ihre Partner dabei sein. Wir werden Sie aber auch kritisch begleiten. Es kann ja kein unkonditioniertes Geld geben. Diese Grundgesetzänderung, die Sie ja auch implizit angekündigt haben, wird ein großes Thema werden. Der Fachkräftemangel ist ein großes Thema. Wenn Sie auf unsere Initiativen zur beruflichen Bildung aufsetzen, ist das gut und wichtig an dieser Stelle. Wir müssen Digitalisierung in die Bildung hineinbringen. Wir brauchen Plattformen, zu denen neue Anbieter, Start-ups, hinzukommen, wo es Wettbewerb gibt, wo pro Klick bezahlt wird und wo nicht Schulbuchverlage über viele Jahre sichere Verträge bekommen, die keine Innovation anreizen. Ein letzter Punkt. Wir brauchen auch mehr Dialog. Der Kollege Sattelberger – ich sehe ihn auf der Regierungsbank – hat am Wochenende „Learning Analytics“ angekündigt. Das finde ich gut. Ich habe dreimal gefragt, was er denn damit meint, und habe keine Antwort bekommen. Herr Kollege, Sie haben auch zu Ihrem Hund getwittert – der ist zweifelsohne süßer als die Wissenschaftsthemen; dazu gratuliere ich Ihnen –; da waren Sie deutlich auskunftsfreudiger. Ich glaube, hier brauchen wir auch einen Dialog zwischen Regierung und Opposition. Den wünsche ich mir im Parlament wie auf anderen Ebenen. Viel Erfolg, alles Gute! Wir werden hier was erreichen. Zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag hat nun die Kollegin Katrin Zschau für die SPD-Fraktion das Wort.
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Dr.
Dr. Bernd Baumann AfD
Bernd
Baumann
AfD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was wir heute erleben, hat einen großen Seltenheitswert. Alle sechs Fraktionen haben sich auf eine gemeinsame Gesetzesvorlage geeinigt, die wir jetzt zusammen einbringen. Das zeigt nach zweieinhalb Jahren dieser Legislatur endlich, dass alle Fraktionen konstruktiv zusammenarbeiten können, wenn es darauf ankommt, und in Zeiten von Corona und weltweiter Wirtschaftskrise kommt es sehr darauf an, dass wir zusammenarbeiten. Denn schon jetzt sind 10 Millionen Beschäftigte samt ihren Familien auf knappes Kurzarbeitergeld angewiesen, und allein im April verloren über 300 000 Menschen ihre Arbeit ganz. Schlimmer noch: Die Krise verschärft sich täglich. Es droht die größte Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit. Deshalb ist es gut, dass die Abgeordneten aller Fraktionen zumindest auf die Erhöhung ihrer Diäten verzichten. Gerade wir Politiker müssen jetzt Solidarität zeigen. Das ist das Mindeste, was von uns verlangt werden kann. Alle Politiker verzichten also auf die diesjährige Einkommenserhöhung. Alle? Wirklich? Sie hier vor mir verzichten. Aber was ist mit diesen hier hinten? Was ist mit der Regierungsbank? Warum verzichten die nicht? Herr Seehofer, Herr Scholz, Frau Kramp-Karrenbauer! Österreichs Regierung macht es Ihnen doch mit gutem Beispiel vor. Sebastian Kurz und sein Kabinett streichen sich gleich ein ganzes Monatsgehalt – 18 000 Euro pro Minister. Deshalb: Verzichten auch Sie als deutsche Bundesregierung dieses Jahr wenigstens auf Ihre Gehaltserhöhung; denn wenn so weite Teile des Volkes harte Einschnitte erleiden, dann dürfen Sie als Bundesregierung nicht zurückstehen. Sie müssen vorangehen! Aber der heutige Antrag birgt noch ganz andere Probleme. Die anderen Fraktionen bringen ihn gemeinsam mit der AfD ein. Hat man Ihnen das denn erlaubt? Müssen Sie heutzutage nicht erst warten, ob das Ergebnis auch Frau Merkel gefällt, so wie in Thüringen nach der Wahl des Ministerpräsidenten mit den Stimmen der AfD? Diese Abstimmung musste – wir erinnern uns – auf Befehl Merkels sofort rückgängig gemacht werden, obwohl sie gemeinsam war. Unserer Demokratie hat das geschadet. Das wollen wir nie wieder erleben. Aber nicht nur die Kanzlerin missachtet demokratische Beschlüsse, auch die anderen Fraktionen hier im Haus. Wir hatten uns hier vor zwei Jahren doch schon mal auf einen gemeinsamen Vorschlag geeinigt. Erinnern Sie sich? Er lautete: Alle Fraktionen stellen einen eigenen Bundestagsvizepräsidenten. Sie haben sich nicht dran gehalten und machen das Gegenteil. Heute erst wieder verhindern Sie einen AfD-Kandidaten – jetzt zum 15. Mal. Sie handeln gegen die gemeinsamen Beschlüsse, nur um der AfD als größter Oppositionspartei zu schaden. Echte Demokratie geht anders! Das haben wir heute wieder gesehen in diesem Haus. Nächster Rednerin ist für die SPD-Fraktion die Kollegin Sonja Amalie Steffen.
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Friedrich Ostendorff BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Friedrich
Ostendorff
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich nicht erinnern, je ein solches agrarpolitisches Versagen erlebt zu haben wie bei der betäubungslosen Ferkelkastration. Was Sie heute vorlegen, ist inhaltlich nicht ganz verkehrt. Aber das hätten wir doch alles zum 1. Januar 2019 machen können. Falsch und unerklärlich ist Ihre unverantwortliche fünfjährige Verschleppung dieser Entscheidung. Falsch ist es aber auch, Frau Ministerin, dass Sie als Tierschutzministerin erklärt haben, nicht zuständig zu sein. Falsch, fahrlässig und unfair ist das Nichtstun von CDU/CSU, mit der Sie die Sauenhalterinnen in eine beispiellose Verunsicherung getrieben haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir erleben in der Sauenhaltung seit Jahren einen beispiellosen Strukturbruch. 1998 hatten wir 88 000 sauenhaltende Betriebe, heute 8 300: 90 Prozent Verlust. Das haben Sie mit Ihrer Untätigkeit weiter forciert. Während Sie fünf Jahre lang nichts taten, hat fast ein Viertel der verbliebenen Sauenhalter aufgegeben. Viele hätte man mit etwas mehr Planungssicherheit halten können, meine Damen und Herren. Dabei war die Hausaufgabe der Ministerin und der Koalition klar formuliert. Die Hausaufgabe lautete: Finden Sie Wege zur wirksamen Schmerzausschaltung. Wirksame Schmerzausschaltung! Jeder weiß, dass Ebermast, Immunokastration, Injektionsnarkose und Inhalationsnarkose heute die möglichen Wege sind. Statt diese umzusetzen, haben Sie von CDU/CSU den vierten Weg mit Lokalanästhesie ins Spiel gebracht, ohne den Wirkungsnachweis erbringen zu können. Nach wie vor ist der Wirkungsnachweis nicht erbracht, wie in der Studie, die letzte Woche vorgestellt wurde, noch einmal betont wurde. Niemand wird gegen neue, nachweislich wirksame Verfahren der Schmerzausschaltung sein. Aber im Moment gibt es sie eben nicht, meine Damen und Herren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Grünen halten viel davon, gesetzliche Fristen einzuhalten: aus Respekt vor den Betroffenen, aus Respekt vor dem Gesetz. Deshalb halten wir Grünen das Reißen der Frist zum 1. Januar 2019 für ein verheerendes Signal an die Gesellschaft. So schaffen wir kein Vertrauen in die Politik, meine Damen und Herren, und kein Verständnis für die Landwirtschaft von heute. Aber wenn Sie jetzt schon in die Verlängerung gehen, warum denn dann noch zwei Jahre? Viele Umsetzungsdetails in Ihrem Vorschlag sind sehr richtig. Aber das könnte man doch alles viel schneller haben. Dafür braucht man doch keine zwei Jahre. Meine Damen und Herren, die Menschen wollen, dass endlich gehandelt wird. Die Sauenhalter brauchen endlich verlässliche Rahmenbedingungen. Und die jährlich 20 Millionen betroffenen Ferkel müssen endlich von ihrem unnötigen Leid befreit werden. Deshalb bringen wir Grünen heute einen umfassenden Tierschutz-Novellierungsantrag ein, der schon lange auf die Tagesordnung gehörte, weil im Umgang mit dem Mitgeschöpf Tier noch sehr vieles verändert werden muss, wie es unser Grundgesetz schon seit Jahren verlangt. Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Hermann Färber, CDU/CSU-Fraktion.
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Timon Gremmels SPD
Timon
Gremmels
SPD
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wende mich in meiner Rede an die Kolleginnen und Kollegen der FDP. Bei Ihnen habe ich wenigstens noch die Hoffnung, dass Sie den Argumenten folgen können. Das ist bei der rechten Seite des Hauses nicht der Fall. Sehr geehrter Herr Busen, die Windenergie ist ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor. Ihn wollen wir sichern und ausbauen. Windenergie ist außerdem eine der preiswertesten erneuerbaren Energien. Wir brauchen die Windenergie auch, um aus den fossilen Energieträgern aussteigen zu können, sehr geehrter Herr Busen. Wissen Sie, woher ich das habe? Das habe ich aus dem Koalitionsvertrag aus Schleswig-Holstein, den Ihre Partei unterschrieben hat. Aber dann stellen Sie sich hier vorne hin und erzählen so einen Kram? Man sieht, dass die FDP mit sehr viel Doppelmoral ausgestattet ist, meine sehr verehrten Damen und Herren. – Ja, natürlich reden wir von Windrädern im Wald. Sie kommen aus Schleswig-Holstein. – Ich habe aus dem Koalitionsvertrag aus Schleswig-Holstein zitiert. Dort gibt es 11 Prozent Waldfläche. Ich komme aus Hessen. Dort gibt es 42 Prozent Waldfläche. Wenn wir die Energiewende in Hessen umsetzen wollen – und das wollen wir –, dann müssen wir auch in den Wald gehen. Und ja – das muss man an dieser Stelle so sagen –: Wir wollen auch im Wirtschaftswald Windkraftanlagen ausbauen. Dazu stehen wir, und dafür werben wir auch. Ich mache auch Regionalplanung in der Regionalversammlung Nordhessen. Natürlich wird dort im Nationalpark die Kernzone ausgenommen. Im Biosphärenreservat Rhön wird auch die Kernzone ausgenommen. Wir nutzen die Möglichkeiten, die wir haben, um Erholungswald zu schützen. Dafür brauchen wir kein Bundesgesetz. Kernzonen sind ausgenommen und bleiben frei. Das geht alles schon heute, dort, wo wir Verantwortung tragen. Ich sage Ihnen noch eines: Wenn wir Windräder in Wäldern bauen, dann müssen wir an anderer Stelle aufforsten. Es müssen Maßnahmen getroffen werden, um Ausgleichsflächen auszuweisen. Höherwertiger Wald muss geschaffen werden, oder es muss an anderer Stelle aufgeforstet werden. Es ist so – mein Vorredner von der CDU hat es deutlich gesagt, auch der letzte Waldbericht hat es gezeigt –, dass wir sogar 50 000 Hektar mehr Waldflächen haben als im letzten Berichtszeitraum. Das zeigt, dass Windkraft und Wald Hand in Hand gehen. Ich bitte die FDP, hier keine Fake News zu verbreiten. Sie haben noch etwas gesagt, worauf ich gerne eingehen möchte. In Ihrem Antrag heißt es: Windkraft, Tourismus und Naherholung würden sich ausschließen. Herr Kollege Busen, Sie haben den Kaufunger Wald – er liegt in meinem Wahlkreis – angesprochen. Ich möchte Ihnen eine Ankündigung vorlesen: Wanderung zur Windkraft, Grimmsteig-Touristik lädt zur Tour auf den Kreuzstein ein. Die Grimmsteig-Touristik veranstaltet am Sonntag, den 30. September, eine Infowanderung zum Thema Kreuzstein-Windkraftanlagen. Es wird eine Informationsveranstaltung über Energiegewinnung im Zusammenhang mit Klima-, Natur- und Artenschutz stattfinden. So macht man das: Tourismus, Wandern, Energiewende und die Besichtigung von Windkraftanlagen – Hand in Hand. Sie sind herzlich eingeladen. Kommen Sie diesen Sonntag bitte um 9 Uhr an die Königs-Alm. Dann können Sie sich fortbilden. Es funktioniert nämlich. Werfen Sie einen Blick auf die heutige Tagesordnung. Eben beim vorigen Tagesordnungspunkt hat die FDP für Verfahrensverkürzungen beim Straßenbau geworben, damit bitte schön alles schneller geht. Sie wollen weniger naturschutzrechtliche Vorgaben. Jetzt machen Sie bei Windrädern im Wald genau das Gegenteil! Da sieht man, was für eine Doppelmoral Sie an den Tag legen. Die Doppelmoral ist wirklich mit den Händen zu greifen. Was ich besonders witzig an Ihrem Antrag fand – das soll mein letzter Punkt sein –, dass sich die FDP als Vogelschutzpartei darstellt. Wunderbar, ich bin auch sehr für Vogelschutz. Jährlich sterben angeblich 120 000 Vögel durch Windkraftanlagen. Wissen Sie, wer der Hauptfeind der Vögel ist? Das sind wild streunende Katzen. Über 1 Million Katzen reißen Vögel. Es wäre viel effizienter gewesen, wenn Sie heute hier einen Antrag auf Zwangskastration von Katzen gestellt hätten. Damit hätten Sie mehr erreicht als mit Ihrem Antrag heute zum Thema Windkraft. In diesem Sinne: Alles Gute! Glück auf! Der nächste Redner ist der Kollege Ralph Lenkert, Die Linke.
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Dirk Wiese SPD
Dirk
Wiese
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor Kurzem erreichte mich ein Brief eines Landwirts aus meinem Wahlkreis im Sauerland. Er stellte die eigentlich entscheidende Frage, die auch heute hier in der Debatte eine Rolle spielt. Er fragte mich – ich zitiere –: „Kann ich es meinem Kind in einer überstrapazierten Welt überhaupt noch zumuten, Bauer zu werden?“ Ich glaube, diese Frage müssen wir beantworten, und zwar erstens mit einer klaren Zukunftsperspektive für die Landwirtschaft. Dafür brauchen wir ein Miteinander. Wir müssen das diskutieren und dürfen dabei nicht einen Gegensatz zwischen Umwelt und Wirtschaft schaffen, sondern müssen versuchen, das zusammenzudenken. Dazu gehört auch eine Perspektive für die ländlichen Räume, eine Perspektive, wie wir ländliche Räume entwickeln können. Dazu hat diese Koalitionsfraktion viele wichtige Punkte auf den Weg gebracht. Aber wir müssen auch selbstkritisch anmerken: Es kann nicht sein, dass in den letzten vier Jahren über 442 Millionen Euro im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ von den Ländern nicht abgerufen worden sind. Das sind Mittel, die der ländliche Raum braucht, und wir müssen gemeinsam mit den Ländern dafür sorgen, dass diese Gelder auch ankommen. Wir sollten darüber nachdenken, vielleicht eine Serviceagentur des Bundes zur Unterstützung der administrativen Abarbeitung zu schaffen. Denn vor dem Hintergrund der Gelder zum Schutz des Waldes, die wir gerade bewilligt haben, weil auch der Wald unter den klimatischen Bedingungen leidet, wird es eine Herausforderung, diese zusätzlichen Gelder in die Fläche zu bekommen. Deshalb müssen wir das immer gemeinsam denken: Wirtschaft und Umwelt gehen nur zusammen; man darf das nicht gegeneinander ausspielen. Ich bin sehr erstaunt über die Reden der grünen Kollegen. Sie stellen mittlerweile sieben grüne Landwirtschaftsminister; Sie sind insofern keine Opposition. Und wo sind Ihre Initiativen? Ich habe bis heute keine vernommen. Der zweite wichtige Punkt ist die Frage des Preises. Da geht es – es ist schon angesprochen worden – um den Lebensmitteleinzelhandel. Es ist entscheidend, dass mehr von der Wertschöpfung bei den Landwirten ankommt. Das ist auch eine soziale Frage. Ein ganz wichtiger Punkt steht in 2020 an. Wir werden darüber nachdenken, wie wir die Landwirte mit Milchviehbetrieben stärken. Da, Frau Ministerin, kommt Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung ins Spiel. Schaffen wir es, über rechtliche Bedingungen den Milchviehbetrieb vor Ort zu stärken, damit mehr von dem Geld, das durch die Produktion erwirtschaftet wird, bei dem einfachen Landwirt ankommt? Das ist der entscheidende Punkt. Hat das Ministerium den Mut, das anzugehen? Ich kann Ihnen jedenfalls sagen: Die Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion zur Stärkung der landwirtschaftlichen Familienbetriebe, der Milchviehbetriebe, haben Sie. Entscheidend ist, glaube ich, – auch das müssen wir sehen –: Die Landwirte, die demonstrieren, machen sich Sorgen und sind zu Recht sauer, weil es in einigen Regionen in Deutschland im landwirtschaftlichen Bereich übertrieben worden ist. Das betrifft die Region Weser-Ems; das betrifft das Münsterland. Ich kann meine Landwirte im Sauerland verstehen. Ich kann verstehen, dass sie sauer sind, dass sie das jetzt ausbaden müssen. Sie arbeiten mit einer Relation von einer Großvieheinheit pro Hektar. Sie haben es nicht übertrieben, leiden jetzt aber trotzdem darunter. Es gehört genauso in diese Debatte, das ernst zu nehmen und hier gemeinsam Lösungen finden. Der dritte Punkt, der aus meiner Sicht mit Blick auf die morgigen Demonstrationen entscheidend ist, ist: Wir müssen, wenn wir ehrlich sind, mehr miteinander als übereinander reden. Es ist, glaube ich, für die Zukunftsperspektive der Landwirtschaft entscheidend, dass wir es hinbekommen, alle, die sich über die Zukunft der Landwirtschaft Gedanken machen, an einen Tisch zu bringen. Da hat nicht die eine Seite recht oder die andere unrecht; man muss es zusammen voranbringen. Das ist etwas, das wir machen sollten, und dazu kann ich Ihnen, Frau Ministerin, sagen: Wir als SPD-Bundestagsfraktion stehen bereit, obwohl ich bei Ihrer Rede gerade schon etwas überrascht gewesen bin; denn sie hörte sich eher wie die Rede einer stellvertretenden Parteivorsitzenden als die einer Bundesministerin an. Aber das ist sicherlich der einen oder anderen Diskussion geschuldet, die Sie diese Woche auf der Grünen Woche zu erwarten haben. In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank. – Als Nächste spricht die Kollegin Nicole Bauer für die Fraktion der FDP.
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Jürgen Hardt CDU/CSU
Jürgen
Hardt
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich könnte Zahlen beisteuern: Die höchste Zahl von Überfällen auf Schiffe gab es, glaube ich, 2011. Es waren 176. Außerdem kam es zu 25 Entführungen, ein schreckliches Schicksal für die an Bord befindlichen Seeleute, die Wochen und Monate unter erbärmlichsten Bedingungen gefangen gehalten waren. Einige sind dabei auch zu Schaden oder sogar ums Leben gekommen. Das ist zum Glück vorbei. Deswegen ist dieser Einsatz der Europäischen Union, die Mission Atalanta, ein wirkliches Erfolgsstück der gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Ich kann uns eigentlich nur dazu beglückwünschen, dass wir diese im Deutschen Bundestag immer unterstützt haben. Die Einsatzobergrenze soll mit dem neuen Mandat von 400 auf 300 abgesenkt werden. Das ist richtig so; denn wie gesagt: Der Einsatz bedarf gegenwärtig nicht der Präsenz, wie es früher einmal der Fall war. Wir können darauf verzichten, dauerhaft deutsche Schiffe in diesen Einsatz zu entsenden. Andere Nationen tun dies. Vielleicht wird man eines Tages auch uns wieder fragen. Aber es ist richtig: Wenn wir tatsächlich die Fregatte „Bayern“ nach Südostasien schicken, wovon ich fest ausgehe, wird sie einen guten Teil der Seereise in dem Seegebiet des Einsatzgebietes Indischer Ozean verbringen und dann auch einen wichtigen Beitrag zu diesem Einsatz leisten. Ich habe mich selbst vor zwei Jahren von der Arbeit der deutschen Soldaten in Dschibuti überzeugen können. Mich hat sehr beeindruckt, dass Deutschland, obwohl es zum Teil nur eine kleine Zahl von Soldaten, etwa im Sanitätsbereich, entsendet hat, doch extrem wichtige Hochwertfähigkeiten zur Verfügung gestellt hat. Die Taucherdruckkammer für die Einsatzkräfte in Dschibuti ist von Deutschland betrieben worden. Das ist eine Fähigkeit, die von den Kameradinnen und Kameraden anderer Nationen sehr geschätzt wurde. Es zeichnet unsere Einsatzphilosophie immer aus, dass wir sagen: Wir gehen rein mit dem Besten, was wir haben, und wir machen das, wo es am nötigsten ist. – Und das ist eben hier konkret der Fall gewesen. Ich glaube, ein Auftrag an uns alle ist: Nach der erfolgreichen Bekämpfung von Piraterie und dem Schutz des Welternährungsprogramms und der Afrikanischen Union in Somalia müssen wir jetzt unsere Anstrengungen weiter intensivieren, Somalia zu einem Land zu machen, das selbst in der Lage ist, die Situation der Piraterie an der Küste in den Griff zu bekommen. Sie erinnern sich, dass wir vor einigen Jahren das Einsatzgebiet des Mandates ein Stück weit ausgeweitet hatten auf die Küsten, weil wir gesagt haben: Diejenigen, die Piraterie ausüben, liegen mit ihren Schnellbooten am Strand. Wenn wir sie dort bekämpfen können, dann ist das ein wirksamer Beitrag zur Verhinderung von Piraterie. – Das ist tatsächlich nur in ganz wenigen Fällen und erst recht nicht durch die Bundeswehr notwendig gewesen, aber es war ein Abschreckungsmoment. Eigentlich müsste die somalische Regierung selbst in der Lage sein, mit ihren Polizei- und Militärkräften und der Küstenwache Piraterie zu verhindern. Da sehe ich eine enorm große Aufgabe. Es stimmt mich hoffnungsvoll – das sehen wir auch in der Sahelzone –, dass wir immerhin erleben, dass in Afrika die Bereitschaft in multilateralen Strukturen – der Afrikanischen Union oder der entsprechenden Wirtschaftsstrukturen – zunimmt, die Probleme selbst in die Hand zu nehmen und einen eigenen Beitrag zur Lösung der Herausforderungen in Ländern Afrikas zu leisten. Ich kann die Europäische Union nur ermutigen, auf diplomatischem Wege für eine Stabilisierung Somalias ganz eng mit der Afrikanischen Union und den gutwilligen politischen Führern der Region zusammenzuarbeiten. Da sehe ich ein großes, noch ungenutztes Potenzial. Da werden wir sicherlich noch viele Erfahrungen machen müssen. Aber am Ende geht es nur so: Hilfe zur Selbsthilfe, auch für die Herausbildung von Multilateralismus in Afrika, der tatsächlich in der Lage ist, solche schwierigen Staaten wie Somalia – andere ließen sich hinzufügen – in den Griff zu bekommen. In diesem Sinne: weiterhin gutes Gelingen für die Soldatinnen und Soldaten in dem Einsatz! Die CDU/CSU-Fraktion wird dem Mandat zustimmen. Vielen Dank, Kollege Hardt. – Das Wort geht an Christian Sauter von der FDP-Fraktion.
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Wolfgang Wiehle AfD
Wolfgang
Wiehle
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Die Schienenwege, Straßen und digitalen Netze sind die Lebensadern unseres Landes. Sie bedarfsgerecht auszubauen und in Schuss zu halten, ist Kernaufgabe der Politik. Wie oft habe ich aber in den letzten Wochen gehört, dass es gar nicht einmal an Geld mangelt, sondern Bürokratie und lange Planungszeiten im Wege stehen. In diesem Lande sind viel zu oft die Bremser am Zug und nicht die Macher. Unsere Nachbarn wundern sich immer wieder, warum es beim deutschen Anteil an grenzüberschreitenden Projekten so langsam vorangeht. Der Kollege Holm hat die Anbindung des Fehmarnbelt-Tunnels bereits erwähnt. Wir brauchen eine beherzte Planungsbeschleunigung, und zwar so, dass der Dialog mit den Bürgern vor Ort auch in Zukunft seinen guten Platz hat. Die Einsprüche, die einzig und allein der Verhinderung dienen, müssen ins Leere laufen. In den letzten Jahren wurde der Ausbau der Rheintal-Strecke mit großzügigem Lärmschutz entworfen – weit über das gesetzlich geforderte Maß hinaus. Das kostet zwar viel Geld zusätzlich, wird aber viel besser akzeptiert. Der Ausbau der Zulaufstrecke für den Brenner-Basistunnel muss auf dieselbe großzügige Weise mit Lärmschutz ausgerüstet werden. Wenn das von vornherein klar ist, dann sollte – betrachtet man das mit gesundem Menschenverstand – die Planung auch rasch zu einem guten Ergebnis führen. Realismus, Transparenz und Verlässlichkeit: Das hat die AfD-Fraktion bei der Beratung des Haushalts für Verkehr und digitale Infrastruktur eingefordert. Auch wenn Sie die Öffentlichkeit wochenlang mit Ihrem Streit in Atem halten, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition: Für die Ablehnung auch der sinnvollsten Anträge der Opposition reicht die Einigkeit ja dann doch – aber zum Schaden unseres Landes. Transparenz bedeutet zum Beispiel, wie vom Bundesrechnungshof ja auch gefordert, die Bundesmittel für das Projekt Stuttgart 21 in einem eigenen Haushaltstitel auszuweisen. Was gibt es hier eigentlich zu verbergen? Warum verweigert die Mehrheit dieses Hauses einen solchen Schritt, der nicht einen einzigen Euro mehr kosten würde? Realismus heißt, die Verkehrsachsen dort auszubauen, wo wirklich Bedarf besteht. Ein wichtiges Beispiel sind die Tausenden von Lastwagen, die jeden Tag im Transitverkehr durch unser Land rollen und die Staus auf den Autobahnen länger werden lassen. Sorgen wir dafür, dass ein wachsender Anteil davon auf die Schiene verlagert wird. Die AfD setzt sich dafür ein, die notwendigen Stationen und Kapazitäten auf den Bahnstrecken zügig zu planen und auszubauen. Bei der Verlässlichkeit sind wir einen ganz kleinen Schritt weiter. Die versprochene Senkung der Trassenpreise, also der Schienenmaut, im Güterverkehr soll nun doch noch in 2018 kommen, jedenfalls wenn Brüssel es erlaubt. Über den Weg dorthin kann man aber nur den Kopf schütteln. An einem Vormittag wurde im Verkehrsausschuss der AfD-Antrag hierzu abgelehnt, auch mit den Stimmen der Grünen. Am selben Tag wurde im Haushaltsausschuss am Nachmittag seitens der Grünen ein eigener Antrag eingebracht, der dem Antrag der AfD sehr, sehr ähnlich war. In der Bereinigungssitzung schob die Koalition einen weiteren Antrag nach. Meine Damen und Herren, manches kann man auch einfacher haben. Wir laden Sie dazu ein, auch einmal einem AfD-Antrag zuzustimmen. Dann klappt es vielleicht auch mit der Transparenz bei Stuttgart 21. Wenn wir an der Spitze der technologischen Entwicklung mitspielen wollen, müssen wir auch bei der digitalen Vernetzung kräftig nachlegen. Die Produktion der Zukunft, aber auch viele alltägliche Abläufe werden ohne das Internet der Dinge nicht mehr vorstellbar sein. Dafür brauchen wir schnellere Netze, Glasfaserverkabelung und Mobilfunk nach dem Standard 5G. Wie bei Straßen- und Schienenwegen fehlt es hier meist nicht primär am Geld. Fördermittel in beträchtlicher Höhe bleiben liegen, weil die Bürokratie im Wege steht. Dass nach den Regeln der EU Internetanschlüsse standardmäßig nur bis 30 Megabit pro Sekunde gefördert werden dürfen, ist einfach ein Anachronismus. Für die digitalen Netze brauchen wir genauso eine Planungs- und Umsetzungsbeschleunigung. Wir dürfen uns nicht blindlings auf den Markt verlassen. Vielleicht funktioniert das in den großen Städten. Aber in der Fläche wird vielerorts wie beim Straßenbau die öffentliche Hand die Infrastruktur selbst hochziehen müssen. Wir dürfen nicht jahrelang warten, bevor wir Netz- und Funklöcher mit Notmaßnahmen schließen. Nutzen wir die verfügbaren Mittel, um die digitale Infrastruktur systematisch auszubauen. Die Lebensadern unseres Landes, meine Damen und Herren, Verkehrswege und digitale Netze, brauchen eine Befreiung von den Blockaden, die Bürokratie und Ideologie verursachen. Dann können wir die staatlichen Mittel effizient und nutzbringend einsetzen. Nur so kommt Deutschland wieder an die Spitze der Entwicklung. Vielen Dank. – Nächster Redner: Gustav Herzog für die SPD-Fraktion.
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Martin
Schulz
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Am vergangenen Freitag gab es eine Einigung zwischen Theresa May und ihren Unterhändlern und den Unterhändlern der Europäischen Union. Diese Einigung schloss insbesondere ein, dass die Übergangsfrist, die von Großbritannien gewünscht worden war, um ein weiteres Jahr verlängert wird, damit im Rahmen der dann entstehenden Zollunion die anstehenden Fragen gelöst werden können – ein fairer Deal, wie ihn Großbritannien verlangt hat und wie ihn die EU zugestanden hat. Als Theresa May dann nach London, nach Hause fährt, sagen ihr mindestens vier ihrer Regierungsmitglieder: Mit uns nicht. – Wieder steht der Zug still. Warum? Warum steht der Zug still, der in Europa fahren müsste? Aus einem ganz einfachen Grund: Seit mehreren Jahren wird Europa in Geiselhaft genommen von einer einzigen Partei, der Konservativen Partei Großbritanniens, deren innere Machtstruktur dazu führt, dass Großbritannien handlungsunfähig und paralysiert ist. Und wenn es einen Punkt gibt, an dem man einer Regierungschefin sagen müsste: „Erst das Land, dann die Partei“, dann gilt das für Theresa May in diesen Tagen. Sie hat im Unterhaus eine Mehrheit. Die Liberaldemokraten, die Konservativen, die proeuropäisch sind, die übrigens in der Mehrheit sind, und auch ein großer Teil aller anderen Abgeordneten, die in der Opposition sind, sind der Meinung: Das ist ein fairer Deal. Theresa May hat eine Mehrheit. Wir können mit einem fairen Deal zum Brexit in dieser Woche zu Ende kommen. Also, liebe Frau May, handeln Sie! Und das, was Sie hier erzählen, ist völliger Unsinn, und zwar aus einem ganz einfachen Grund. – Mit der Geschichte haben Sie es nicht so, Herr Gauland. – Ihr Name ist auch Programm. Sie heißen Braun, glaube ich. Ihr Geschichtsverständnis – das haben wir gerade wieder gehört – hat einen einzigen Tenor und das ist der, den ich auch Frau Merkel mit auf den Weg nach Brüssel geben möchte, wenn es um die Migration geht – ich wiederhole das –: die permanente Wiederholung der Hetze gegen Minderheiten, die permanente Wiederholung der Hetze gegen Migranten, das permanente Reduzieren des Dramas, das hinter dem Dritten Reich und dem Niedergang der Weimarer Republik stand. Das ist Ihre Rhetorik in diesem Hause; permanent, in jeder Rede. Es ist Schluss damit, dass die Leute sich das von Ihnen bieten lassen. Da können Sie noch so viele beleidigende Zwischenrufe machen. Die Migration bleibt. Natürlich brauchen wir eine Sicherung der Außengrenze in der Europäischen Union. Ja, klar brauchen wir Frontex, aber wir brauchen auch eine Reform von Dublin und eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge. Wir werden nicht jeden Flüchtling in Europa aufnehmen können – das stimmt –, aber wir schauen nicht tatenlos zu, wie das Mittelmeer zum Massengrab verkommt und Sie in Zynismus darüber lachen. Wir brauchen in Europa Pragmatismus und humanitäre Verantwortung gleichermaßen. Das sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Die Kombination aus moralischer Verantwortung und realem pragmatischem Handeln hat Europa immer ausgezeichnet. Ich hoffe, der Europäische Rat handelt in dieser Kombination. Was hier die ganze Zeit diskutiert wird, liebe Kolleginnen und Kollegen, verkennt doch eines: Wir leben in einem Epochenbruch. Die Welt verändert sich rabiat und rasant – ja. Und die Feinde der Demokratie, diejenigen, die die plurale Gesellschaft negieren, die die Instrumente der Diffamierung und des Herabwürdigens jeder anderen Meinung zum strategischen Ziel erhoben haben, sitzen nicht nur im Weißen Haus und brechen jede Moral international. Sie sitzen auch in diesem Haus. Den Geist der 250 000 Menschen, die am Wochenende hier in Berlin auf die Straße für die Unteilbarkeit der Werte unserer Verfassung gegangen sind, brauchen wir, wenn es darum geht, Europa nach vorne zu bringen. Ich hätte mir gewünscht, dass diese 250 000 Menschen, die hier demonstriert haben, und die Zehntausende in den anderen Städten die gleiche mediale Aufmerksamkeit gehabt hätten wie die 5 000 – Ihre Anhänger und die Pegida-Schreihälse – sie in Chemnitz bekommen haben. Denn diese Menschen repräsentieren 81 Prozent, von denen Frau Göring-Eckardt gesprochen hat, die hinter diesem Projekt stehen, hinter einem Projekt, das defizitär sein mag, das unvollendet sein mag, aber das drei wesentliche Ziele für unsere Kinder und deren Kinder verfolgen muss: eine nachhaltige Entwicklung der Umwelt, damit wir unsere Luft noch atmen können – unsere Kinder und deren Kinder auch –, die Verteidigung der individuellen, unveräußerlichen Grundrechte des Menschen – das Folterverbot, das Willkürverbot, die Garantie des Instanzenzuges vor Gericht, die Abschaffung der Todesstrafe –, die Werte, für die Europa steht: ökologisch, die individuellen Grundwerte, die sozialen Grundrechte in Europa, dass wir ein Streikrecht haben, dass wir Versammlungsfreiheit haben, dass wir Pressefreiheit haben. Das alles gibt es in dieser Form nur auf einem Teil des Planeten: in der Europäischen Union. Ja, ich weiß, die Gegner Europas wollen das abschaffen. Aber die Menschen, die hier auf die Straße gehen, wollen das nicht. Die wollen diese Werte verteidigen, und sie wollen diese Union verteidigen. Nein, Europa ist nicht die Europäische Union; da haben Sie wohl recht. Aber die Europäische Union ist das Beste, was Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs begegnet und passiert ist, und dafür gilt es doch, auf diesem Europäischen Rat zu kämpfen. Frau Merkel ist ja jetzt schon weg; Sie musste Ihren Flieger nehmen. Ich hätte ihr das gerne gesagt, sage es dann aber dem Vizekanzler: Wir haben einen Koalitionsvertrag geschrieben mit der Überschrift: „Ein neuer Aufbruch für Europa“ und „Eine neue Dynamik für Deutschland“ – ökologisch, ökonomisch, sozial, politisch. In der internationalen multilateralen Welt wird es eine neue Dynamik für Deutschland nur dann geben, wenn es einen neuen Aufbruch für Europa gibt. Wir haben jetzt monatelang erlebt, dass sich auch dieses Haus mit anderen Dingen befassen muss und noch der letzte quersitzende Gedanke in irgendeiner Provinz dieses Landes wichtiger war als der Aufbruch in Europa. Deshalb erwarte ich von diesem Europäischen Rat, meine Damen und Herren, dass er seiner Verantwortung nachkommt, den Hetzern, die auch im Rat sitzen, ihre Grenzen aufzuzeigen und eine Schlussfolgerung zu ziehen, die wir dringend brauchen. Jede handelnde Politikergeneration hat eine oberste Pflicht, nämlich sich die Frage zu stellen: Können unsere Kinder und deren Kinder damit rechnen, dass sie in der gleichen Wohlstandssicherung, in der gleichen individuellen Freiheit und in der gleichen Umwelt, die lebenswert ist, leben können, wie wir das gekonnt haben? Wenn wir eine Antwort auf diese Frage, die nämlich global ist, geben wollen, dann ist es nicht die Renationalisierung, sondern die gemeinsame europäische Anstrengung. Vielen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Alexander Ulrich, Fraktion Die Linke.
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Jürgen Braun AfD
Jürgen
Braun
AfD
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Iran ist einer der größten Verletzer von Menschenrechten weltweit. Die AfD hat das Thema Iran nach der Hinrichtung Navid Afkaris als Aktuelle Stunde ins Plenum gebracht, hier in den Bundestag. Heute sprechen wir über einen Antrag der Grünen. Sie sind aber sehr spät dran. Nach China, wo die Zahl in die Tausende geht, finden im Iran die meisten offiziellen Hinrichtungen statt. 2019 waren das allein 251 getötete Menschen. Auch nach der Hinrichtung von Navid Afkari läuft die Tötungsmaschinerie in der Islamischen Republik Iran ungebremst weiter – mindestens neun Hinrichtungen seit Afkaris Tod; darunter war auch ein weiterer Demonstrant gegen Korruption und Misswirtschaft, Mostafa Salhi. Amnesty International nennt einige der Foltertechniken: „geschlagen, getreten und ausgepeitscht, mit Stöcken, Gummischläuchen, Messern, Schlagstöcken und Kabeln geschlagen, aufgehängt“. – Dazu Hunger, Durst, monatelange Einzelhaft und obendrein die Verweigerung lebensnotwendiger medizinischer Versorgung. – Folter in der Islamischen Republik Iran. Dieses Terrorregime wird von den Grünen bis heute immer wieder hofiert. Claudia Roth hüllt sich zu Ehren der Mullahs regelmäßig gerne in ein Kopftuch. Dem iranischen Parlamentspräsidenten Laridschani läuft sie mit ausgestreckten Armen und freudig strahlend entgegen. Den iranischen Botschafter grüßt sie kumpelhaft mit einem „High five“. Dieser Botschafter, damals noch Gouverneur Chomeinis, ließ Hunderte kurdischer Oppositioneller ermorden. Die gesamte deutsche Linke paktiert seit über 40 Jahren mit dem Mullah-Regime, und zwar von grün-links bis blutrot. Der linke Bundespräsident Steinmeier als Außenminister: einer der großen Freunde des Teheraner Regimes. Fleißig schickt er auch heute noch Glückwunschtelegramme in die Islamische Republik Iran, und sei es auch nur aus Versehen. Ein typischer Linker: Bahman Nirumand, der alte Kampfgefährte Rudi Dutschkes, heute im grünen Sumpf gelandet, von Chomeinis Machtergreifung begeistert; die Abschaffung von Freiheit und Marktwirtschaft ganz nach seinem sozialistischen Geschmack. Solange die Bürgerlichen hingerichtet wurden, hat es Nirumand nicht gestört. Aber als es seinen sozialistischen Genossen an den Kragen ging, ist er flugs nach Deutschland zurückgeflüchtet. So sind sie, die links-grünen Verharmloser islamischer Regime. Iran, der Todfeind der Juden. Das Mullah-Regime möchte das Land Israel von der Landkarte tilgen. Ajatollah Khamenei bezeichnet Israel im Mai als „Krebsgeschwür“. Weltweit verbreiten die Mullahs den politischen Islam und fördern den Terrorismus. Nur ein Beispiel: In Hamburg betreibt der Iran eine riesige Hasspredigerzentrale, das Islamische Zentrum Hamburg, und die Altparteien schweigen. Die Bundesregierung gibt sich als Wahrer von Menschenrechten; aber sie ist kein Deut besser als die grünen Mullah-Freunde. Mit dem undurchsichtigen Handelssystem INSTEX wird das Regime der Mullahs stabilisiert. Die Profiteure des Regimes können sich dadurch bereichern auf Kosten des iranischen Volkes. Berlin ist unterwürfig. Anbiederung an die Mörder-Mullahs. Irans Opposition wird verraten von den Grünen und der Bundesregierung. Zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Claudia Roth das Wort. – Aber bevor sie es nimmt: Ich habe Zwischenrufe von der linken Seite des Hauses eben akustisch nicht verstehen können. Aber ich behalte mir vor, nach Einsicht in das Vorabprotokoll gegebenenfalls dort auch etwas zu rügen. Bitte, Frau Roth.
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Kai Wegner CDU/CSU
Kai
Wegner
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gutes Wohnen zu angemessenen Preisen ist ein Eckpfeiler sozialer Gerechtigkeit. Deshalb steht das bezahlbare Wohnen bei dieser Koalition ganz oben auf der Agenda. – Sie können mir ja noch ein bisschen zuhören, Frau Lay. Dann werden Sie das vielleicht auch merken. – Für bezahlbares Wohnen gibt es nicht das eine Patentrezept. Deshalb setzen wir auf ein ganzes Maßnahmenbündel im Bereich des Wohnungsbaus. Wir haben ja schon einiges umgesetzt. Ich will das Baukindergeld nennen, das Mietrechtsanpassungsgesetz, die steuerliche Förderung des Mietwohnungsneubaus und die Zukunft der sozialen Wohnraumförderung. Das sind vier Bausteine, die wir als Bund bereits auf den Weg gebracht haben. Im Bundesrat hängen derzeit leider die Regelungen zur Sonder-AfA und die Grundgesetzänderung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, das sind in der Tat zwei ganz wichtige Maßnahmen für das bezahlbare Wohnen in unserem Land. Deshalb rufe ich auch von dieser Stelle die Länder noch einmal auf, bitte endlich den Weg freizumachen. Die Länder sind hier gemeinsam mit uns in der Pflicht und in der Verantwortung. Wir brauchen die Grundgesetzänderung. Wir brauchen auch die steuerliche Förderung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ein weiterer Baustein ist natürlich der Dachgeschoss­ausbau. Uns liegt ein Antrag der FDP vor. Ich freue mich übrigens auf die Debatte dazu auch dann in unserem Bauausschuss. Natürlich müssen wir auch im Bereich des Dachgeschossausbaus die Potenziale besser nutzen. Deshalb war es uns als Koalition so wichtig, zu sagen, dass wir zum Beispiel das Baukindergeld und die Sonder-­AfA auch für den Dachgeschossausbau öffnen wollen, damit wir diesen fördern können, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber klar ist auch – das wissen Sie natürlich auch –: Nur über Dachgeschossausbau, nur über Nachverdichtung wird es nicht gehen. Wir brauchen vor allem mehr Bauland. Das ist der entscheidende Flaschenhals beim bezahlbaren Wohnen und Bauen. Von daher begrüße ich es außerordentlich – Staatssekretär Wanderwitz ist unter uns –, dass wir eine Baulandkommission ins Leben gerufen haben, die aktiv ihre Arbeit aufgenommen hat. Ich freue mich geradezu auf die Ergebnisse, die wir bis zum Sommer vorliegen haben und die wir dann als Koalition natürlich auch schnellstmöglich umsetzen wollen und werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Punkte, die wir als Koalition angehen werden, sind ein Bürgschaftsprogramm für den Bau von selbstgenutztem Wohneigentum, Verbesserungen beim Wohngeld, die Anpassung des Mietspiegelrechts und der Abbau überflüssiger Bauvorschriften. Ich will auch ausdrücklich Genossenschaftsmodelle nennen. Ich will die Wohnungsbauprämie nennen, mit der wir in dieser Legislaturperiode noch für massive Verbesserungen sorgen werden und auch sorgen müssen. Liebe Frau Lay, Sie haben gesagt: Nun mal los. – Der Entschließungsantrag, den wir als Koalition heute in diese Debatte einbringen, macht, finde ich, sehr deutlich, dass wir das als Schwerpunktthema ansehen. Von daher ist der Einsatz für bezahlbares Wohnen und Bauen wichtig, aber er ist vor allen Dingen eine Gemeinschaftsaufgabe zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, weil ich gerade in meiner Heimatstadt Berlin die Probleme überhitzter Wohnungsmärkte hautnah erlebe, weil nicht genug Neubau stattfindet, weil die Angebotsmieten steigen, weil viele Familien keine passende Bleibe mehr finden, weil die Angst vor Verdrängung umgeht, kann ich nur eins sagen: Was sich die Berliner Bausenatorin hier leistet, ist eine beispiellose Serie von Pleiten, Unvermögen und offener Arbeitsverweigerung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das Ganze ist kombiniert mit einer rückwärtsgewandten Debatte. Ich hätte niemals gedacht, dass wir 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer ernsthaft wieder über Enteignung sprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Statt über Enteignung zu sprechen, sollten wir gemeinsam darüber reden, wie wir zu mehr Wohnungsbau kommen, wie wir zu mehr Neubau kommen; denn planwirtschaftliche Instrumente haben uns nicht geholfen. Was wir brauchen, ist ein Wohnungsmarkt mit starken sozialen Leitplanken. Wir im Bund sind uns dieser Verantwortung bewusst, liebe Kolleginnen und Kollegen. Um diese Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen, sollten wir nicht „gegeneinander“ arbeiten. Mit gegeneinander meine ich, dass wir nicht Investoren, Bauwirtschaft verschrecken sollten. Was wir brauchen, ist die Bauwirtschaft. Wir brauchen die gesamte Immobilienwirtschaft. Wir brauchen die Bauwirtschaft nicht als Gegner, sondern als Partner; denn wir haben uns hohe Ziele gesteckt. Dafür brauchen wir genau diese Wirtschaftszweige als Partner. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Beste ist, wenn wir endlich eine Antwort auf das Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage finden. Das muss wieder stimmig gemacht werden. Sie müssen zum Schluss kommen. Mache ich, Herr Präsident. – Jede Mietpreisbremse, jede Erhaltungssatzung bringt nichts, wenn nicht genug Angebot da ist, meine Damen und Herren. Darin sehen wir unsere Verantwortung als Koalition, und der werden wir nachkommen. Herzlichen Dank. Vielen Dank. – Nächster Redner ist Marc Bernhard für die Fraktion der AfD.
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Judith Skudelny FDP
Judith
Skudelny
FDP
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute 30 Minuten Zeit, ein Gesetz von etwa 199 Seiten zu beraten. Die parlamentarische Beratung heute und hier ist für dieses Gesetz ein bisschen symbolisch, das zwar tatsächlich nicht vom Himmel gefallen ist, sondern lange angekündigt war, aber im parlamentarischen Verfahren doch ein klein wenig mit heißer Nadel gestrickt worden ist. Diese Eile im parlamentarischen Verfahren spiegelt sich leider Gottes auch im Gesetz wider. Wir haben von der SPD und von der Union gehört: Wir sind in besonderen Zeiten. Unsere Wirtschaft ist in der Krise. Wir brauchen ein Restrukturierungsverfahren, das diesen Coronapatienten gerecht wird. Blöderweise haben alle Experten gesagt: Die Anforderungen, die hier gestellt worden sind, erfüllt das Gesetz nicht. Gerade denjenigen, die in der Coronakrise Hilfe brauchen, wird von Ihnen nicht geholfen. Das ist ein Versäumnis; das muss laut und deutlich und klar gesagt werden. Das Gesetz ist in seiner Grundidee ganz gut. Das Gesetz sagt: Wir brauchen eine Restrukturierung für Firmen und für Unternehmen, die ein finanzielles Problem haben, die perspektivisch sehen, sie würden ihre Verbindlichkeiten nicht zahlen können. Da brauchen wir ein außergerichtliches Sanierungsverfahren, das hier implementiert wird. – Dummerweise droht den allermeisten Unternehmen, die wir in Deutschland haben, die Zahlungsunfähigkeit nicht erst in zwei Jahren. Sie sind mehr oder minder jetzt schon zahlungsunfähig, und sie brauchen jetzt eine Hilfe. Genau das wird in diesem Gesetz ausgeschlossen. Hätten wir vielleicht die eine oder andere Woche mehr Zeit gehabt, das zu diskutieren, wäre das Gesetz genau in diesem Punkt besser und richtiger und würde den Menschen und Unternehmen da draußen auch richtig helfen können. Allerdings ist das nicht der einzige Grund, warum wir das Gesetz heute ablehnen werden. Es ist wenigstens mal ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wir hoffen, dass hier im Laufe der Zeit nach einer Evaluierung noch wichtige Verbesserungen vorgenommen werden. Der Grund, warum wir das Gesetz heute ablehnen werden, ist, dass Sie eine weitere Verunsicherung in die Wirtschaft hineinbringen, nämlich eine erneute Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Erst hieß es: 30. September, dann hieß es: 31. Dezember, jetzt heißt es: 31. Januar. Ich habe so ein bisschen das Gefühl, Sie wollen den 31. März ins Visier nehmen, weil dann nämlich die beiden wichtigen Landtagswahlen vorbei sind. Das ist eine Verschleierungstaktik, die eine unheimliche Unsicherheit in die Wirtschaft bringt. Sie haben vorhin von Vertrauen gesprochen. Ja, wo ist denn das Vertrauen, wenn antragspflichtige Firmen keinen Insolvenzantrag stellen müssen? Die Begründung finde ich ganz besonders schön: Warum wird diese Insolvenzantragspflicht jetzt auf dem Rücken der Wirtschaft ausgetanzt? Weil das Bundeswirtschaftsministerium seine Arbeit nicht machen kann! Sie kriegen das Geld, auf das die Firmen ein Anrecht haben, nicht auf die Straße. Sie kriegen nicht mal die Software programmiert. Meine Damen und Herren, es kann doch wohl nicht wahr sein, dass das Versagen der Regierung auf dem Rücken der Wirtschaft ausgetanzt wird. Deswegen können wir heute dem Gesetz leider nicht zustimmen, obwohl ich die Gesetzesberatung sehr genossen habe. Aber ich hoffe trotzdem, dass wir im Laufe der kommenden Zeit noch Verbesserungen in einem nächsten Gesetz hinbekommen. Vielen Dank, Frau Kollegin Skudelny. – Als nächster Redner bekommt das Wort der Kollege Friedrich Straetmanns, Fraktion Die Linke.
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Nicole Bauer FDP
Nicole
Bauer
FDP
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind unserer Zeit voraus, wenn wir bereits heute über den Internationalen Frauentag am 8. März sprechen. Unserer Zeit voraus! Ich wünschte, ich könnte das auch über die gelebte, echte Gleichberechtigung in Deutschland sagen. Aber das ist leider durch 16 Jahre unionsgeprägter Regierung und trotz einer Kanzlerin nicht möglich, meine Damen und Herren. Doch Dinge ändern sich zum Glück, und so auch die Regierungskonstellation in unserem Land. In unserem Koalitionsvertrag haben wir eine klare Ausrichtung auf eine moderne Gesellschaftspolitik. Als Ampel setzen wir die Segel neu in Richtung Aufbruch, in Richtung Modernisierung. Wir verstehen uns als eine echte Fortschrittskoalition. Wir wollen Veränderung, und wir machen progressive Politik, damit die Menschen in allen Lebenslagen – egal welchen Geschlechts – faire Verwirklichungschancen haben; denn darauf kommt es an, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir werden Menschen, insbesondere Frauen, im digitalen Raum und in der realen Welt stärker vor Gewalt schützen; denn nur ein gewaltfreies Leben ist die Grundlage für eine freie Entfaltung. Dafür wollen wir die Istanbul-Konvention vorbehaltlos umsetzen. Es ist nur die Spitze des Eisberges, dass an jedem dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet wird – hier in Deutschland, mitten in unserer Gesellschaft. Alle 45 Minuten muss die Polizei wegen häuslicher Gewalt ausrücken. Und wem das schon viel erscheint, dem möchte ich zurufen: Nein, es fängt viel früher an. Es fängt bei der respektvollen Begegnung auf Augenhöhe an, ohne sexistische Kommentare und Belästigungen. Leider müssen wir selbst hier im Parlament immer wieder erleben, dass Respekt nicht für alle eine Selbstverständlichkeit ist. Das sage ich explizit in Richtung Ihrer Fraktion von der AfD. Ihr Frauenbild – das haben Sie eben gezeigt – ist rückwärtsgewandt und alles andere als das, was Frauen wollen oder Frauen brauchen. Sie brauchen nämlich die Freiheit, ihre eigenen Entscheidungen treffen zu können, sich nach den eigenen Vorstellungen entwickeln zu können. Es geht der Frau darum, ob sie im sozialen Bereich eine Pflegekraft oder Ärztin sein will, eine Firma gründen oder an künstlicher Intelligenz forschen möchte, ob sie dabei aufsteigen und Führungsverantwortung übernehmen will, wie sie das mit ihrem Familienleben vereinbaren und mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin aufteilen möchte, und schließlich darum, ob sie überhaupt Kinder will. Im Ausnahmefall einer ungewollten Schwangerschaft muss das auch bedeuten, dass Frauen und Paare einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zu seriösen Informationen aus medizinischer Hand haben. Und genau deshalb streichen wir § 219a. Verantwortungsvolle und mündige Entscheidungen kann eine Frau nur dann treffen, wenn wir ihr es auch zutrauen. Also trauen wir den Frauen in unserem Land mehr zu! Schaffen wir faire Chancen für eine unabhängig vom Geschlecht gelebte Gleichberechtigung, für individuelle Verwirklichung, für ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben, für finanzielle Unabhängigkeit, für die Möglichkeit, in der Zukunft mitzugestalten. Schaffen wir faire Chancen für gelebte Gleichberechtigung! Dies ist eine Debatte zum Weltfrauentag. Aber doch wissen wir längst, dass es dazu auch Männer braucht, die erkennen, was sie dabei gewinnen können. Artikel 3 Grundgesetz ist ein ständiger Auftrag. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen einen schönen Weltfrauentag. Jetzt hat die Kollegin Heidi Reichinnek das Wort für die Fraktion Die Linke.
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Dr.
Dr. Karl-Heinz Brunner SPD
Karl-Heinz
Brunner
SPD
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es gehört schon eine gewisse Portion Chuzpe dazu, diese Tagesordnung heute so zu gestalten und von der AfD Belehrungen abzugeben, was Meinungsfreiheit und Pressefreiheit ist. Sie haben eine gehörige Portion Chuzpe; denn wir wissen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland und die Pressefreiheit in unserem Land von Platz 11 im Jahr 2020 auf Platz 13 im Jahr 2021 verschlechtert hat, und zwar deshalb, weil dort unter anderem 65 gewalttätige Angriffe gegen Journalisten eingerechnet sind, die sich in der überwiegenden Anzahl eben aus Ihrem Milieu, genau aus Ihrem Milieu als solchem gespeist haben, von Leuten, die bei Journalistinnen und Journalisten von Lügenpresse, von gesteuerter Presse, von Staatspresse, von Merkel’scher Presse oder Ähnlichem sprechen, die bei Demonstrationen von Querdenkern und Ähnlichen Journalistinnen und Journalisten hemmungslos angehen, indem sie sie schlagen, treten, zu Boden stoßen, bespucken, bedrängen, beleidigen und bedrohen. Und Sie stellen sich dann hierher und tun so, wie wenn die Aktion der Künstlerinnen und Künstler als solches ein Zufallsprodukt gewesen wäre, das Ihre Unterstützung benötigt! Nein, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind in Artikel 5 unseres Grundgesetzes sehr wohl und sehr gut geschützt. Das ist ein wichtiges Gut in diesem Land. Aber Meinungsfreiheit und Pressefreiheit bedeuten auch, dass man ertragen muss, dass jemand eine Meinung sagt, und dass man ertragen muss, dass es Widerspruch gibt, starken Widerspruch aus der Gesellschaft. Man muss auch ertragen, dass diese Meinungsfreiheit, diese Pressfreiheit ihre Grenzen dort hat, wo individuelle Rechte von Personen eingeschränkt werden. Diese Grenze, verehrte Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag, verehrte Damen und Herren, die zuschauen, zu überschreiten, dürfen wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier nicht zulassen; denn das Individualrecht des Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit, darauf, nicht beleidigt zu werden, nicht bedroht zu werden, keine Angst in dieser Gesellschaft haben zu müssen, ist ein gleich, wenn nicht höher schützenswertes Gut als die Meinungsfreiheit. Wir haben viele Menschen in diesem Land, die sich inzwischen – das sagen Sie zu Recht – nicht mehr trauen, etwas zu sagen, aber nicht, weil es staatliche Gewalt gibt, sondern weil aus Ihrem Milieu etwas kommt, zum Teil gesteuert aus der Russischen Föderation, mit irgendwelchen Bots, mit irgendwelchen Trollen und Ähnlichem im Internet, wo es ja ganz einfach ist, mit einem Klick „Daumen nach oben“ oder mit einem Klick „Daumen nach unten“ zu machen. – Nein, das sind keine Verschwörungstheorien. Das sind Tatsachen. – Also, ich kann von mir sagen: Ich bin selbst – in Anführungszeichen – „Opfer“ von so was geworden. Ich kann damit leben, ich kann das abschütteln, weil ich sage: Das sind alles Spinner. Diese Republik wird die Spinner auch ertragen und wird sich von diesen Spinnern wieder befreien. Spinner haben immer nur eine gewisse Zeit in diesem Land. Spinner brauchen wir nicht als solche in den Mittelpunkt zu stellen. Aber ich sage, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen: Wir müssen in diesem Lande wehrhaft sein. Wir müssen unsere Pressefreiheit und unsere Meinungsfreiheit verteidigen. Und wir müssen alle daran arbeiten, dass die Journalistinnen und Journalisten in diesem Land frei Bericht erstatten können, und zwar auch so, dass er uns mal nicht gefällt. Es gibt viele, die einen Pressebericht über sich gelesen und gesagt haben: O Gott, musste das sein? – Dann wird vielleicht der Redakteur angerufen, und man sagt anschließend: „Hättest du besser den Mund gehalten und nichts gesagt“, weil man es dadurch auch nicht unbedingt besser macht. Nein, wir müssen diese Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit dieses Landes ertragen. Aber wir müssen in diesem Land stark genug sein, unsinnige Aussagen, Verschwörungstheorien und etwa das, was uns Frau Cotar wie aus einem Lehrbuch über eine bizarre Republik vorgetragen hat, die ich nicht kenne, in der ich nicht lebe und in der ich nicht leben will, von der Wahrheit und von der Realität zu trennen. In diesem Sinne darf ich Ihnen die letzten 45 Sekunden meiner Redezeit an diesem Nachmittag, der eh schon ein bisschen lang ist, schenken und hoffe, dass wir alle miteinander auf gutem Wege sind, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit als solche zu schützen, zu erhalten und in den Mittelpunkt zu stellen. Vielen Dank. Das Wort hat die Kollegin Anke Domscheit-Berg für die Fraktion Die Linke.
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Alexander Throm CDU/CSU
Alexander
Throm
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, ich möchte zunächst die Gelegenheit nutzen und mich bei Ihnen für diese Aktuelle Stunde bedanken, die Sie für heute beantragt haben. Das nämlich gibt mir die Gelegenheit, diesen Dank vor allem an diejenigen weiterzureichen, die ihn in dieser und in der letzten Woche wirklich verdient haben. Das ist in erster Linie unser Innenminister. Herr Seehofer, herzlichen Dank dafür, dass Sie diesen Fall zur Chefsache gemacht haben! Und herzlichen Dank – bitte leiten Sie das weiter an Herrn Sommer und seine Mitarbeiter im BAMF – für die schnelle und gute Entscheidung! Dank auch an die Bundespolizei, aber vor allem, Herr Romann, viel Glück und Erfolg bei dem, was Sie zukünftig in diesem Fall hoffentlich noch alles vorhaben! Ja, der Fall Miri ist sicherlich ein Extremfall angesichts der Länge der Kettenduldungen, angesichts der Schwere der Strafen, angesichts der Prominenz als bekannter Clanchef und auch aufgrund der Impertinenz, innerhalb von drei, vier Monaten wieder in Deutschland aufzutauchen. Aber er ist beileibe kein Einzelfall. Das heißt – das will ich auch sagen –, wir dürfen heute nicht nur über die Extremfälle sprechen, über diejenigen, die wirklich Schwerstverbrecher sind, sondern wir müssen generell über das Problem sprechen, dass Menschen, die wir nach rechtskräftigen Verfahren abgeschoben haben, wieder ins Land einreisen. Insofern müsste man fast dankbar sein, dass dieser Fall gewissermaßen ein Scheinwerferlicht auf diese Problematik wirft. Deswegen noch mal herzlichen Dank, dass Sie die Grenzkontrollen verstärkt haben! Das hat schon entsprechende Erfolge gezeigt. Herzlichen Dank, dass Sie, was die Sicherheitshaft anbelangt, nochmals an das Gesetz herangehen wollen. Liebe Kollegen der FDP, nun haben Sie es in dieser Debatte auch darauf angelegt – man hat es bei Herrn Buschmann und beim Kollegen Kuhle gemerkt –, ein bisschen in der Wunde zu bohren und Kritik an der Regierung zu üben. Das ist kräftig danebengegangen. Also ich glaube, hier im Plenum sind sich alle – mit Ausnahme der Kollegen der FDP – relativ einig. Ich war im Oktober mit dem Entwicklungshilfeausschuss in Marokko. Es gab viele Gespräche mit der marokkanischen Seite, aber auch mit Vertretern deutscher Organisationen und Behörden. Da wurde durchaus gesagt, dass in Marokko eine große Bereitschaft besteht, von Deutschland Rückführungen anzunehmen, Passpapiere auszustellen, die Menschen auch aus den entsprechenden Linienflügen anzunehmen. Es gibt nur eine Bitte: Man möchte Informationen über diese Personen haben. Jetzt gibt es vor allem, nicht ausschließlich, ein Bundesland – das ist das Bundesland, in dem die meisten Marokkaner leben –, das sich aus Datenschutzgründen weigert, diese Informationen herauszugeben. Andere Bundesländer tun das. Jetzt raten Sie mal, welches das ist! Das ist das Bundesland, wo Ihr FDP-Minister für die Rückführungen Verantwortung trägt und aus Datenschutzgründen diese Daten dem Staat Marokko nicht zur Verfügung stellt. Ihr Minister Stamp ist der größte Verhinderungsminister – zumindest was Marokko anbelangt; bei anderen Ländern macht er das auch –, was Rückführungen betrifft, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP. Wir haben das Geordnete-Rückkehr-Gesetz – es ist schon mehrfach angesprochen worden – in diesem Juni bei großer Kritik beschlossen. Wir haben dort auch einen neuen Tatbestand eingeführt bei der Sicherungshaft, § 62 Absatz 3a Nummer 4 Aufenthaltsgesetz, nämlich dass bei verbotener Wiedereinreise auch eine entsprechende Fluchtgefahr vermutet wird. Genau aus diesem Umstand konnte das Amtsgericht Bremen – auch hier ein herzliches Dankeschön! – die Sicherungshaft erlassen. Wenn wir dieses im Juni nicht beschlossen hätten, würde Herr Miri heute gemütlich auf seiner Couch im Wohnzimmer sitzen und nicht in Haft. Ich wäre schon bereit, von allen Kolleginnen und Kollegen, die diesem Gesetz nicht zugestimmt haben – Grüne, Linke; Sie von der FDP haben sich zielsicher und entschieden enthalten; die AfD im Übrigen auch; auch Sie haben sich enthalten –, ein herzliches Dankeschön an uns, an die Regierungskoalition, entgegenzunehmen, dafür nämlich, dass wir dieses Gesetz verabschiedet haben. Jetzt möchte ich noch einen Satz zu Herrn Straetmanns sagen. Ich schätze Sie sehr aus dem Geschäftsordnungsausschuss. Aber das, was Sie heute hier abgeliefert haben, Herrn Miri quasi als Opfer unserer Kettenduldungen darzustellen, ist wirklich neben der Sache. Auch völlig unabhängig von Kettenduldungen: Man kann im Ausländerrecht nur dann in einen anderen Rechtsstatus kommen, wenn man rechtstreu ist. Und Herr Miri war das schon in jungen Jahren nicht. Das heißt, nach keiner Vorstellung, die ich je hier im Parlament gehört habe, noch nicht einmal von den Linken, wäre ein solcher Fall geeignet, um Kettenduldungen zu vermeiden. Das war wirklich neben der Sache. Und ich weiß auch nicht, ob das wirklich im Interesse von Deutschland ist. Abschließend noch ein Satz. Ich muss dem Kollegen Schuster widersprechen. Lieber Armin, du hast davon gesprochen, dass wir in der Fraktion vorhin durchaus ernsthaft und nicht nur scherzhaft vom Gewinner der Woche gesprochen haben. Das war falsch. Wir haben vom Helden der Woche gesprochen. Herzlichen Dank und ein schönes Wochenende.
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Dr.
Dr. Nina Scheer SPD
Nina
Scheer
SPD
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man müsste es hier eigentlich denkbar kurz machen, weil die Tatsache, dass wir uns heute überhaupt noch einmal mit der Frage der Ratifizierung des Übereinkommens über ein einheitliches europäisches Patentgericht durch Deutschland befassen, einzig und allein dem Umstand geschuldet ist, dass die AfD hier ein Schauspiel veranstaltet hat, was leider vor dem Bundesverfassungsgericht Gehör finden musste, weil wir bei der Verabschiedung die rein zähltechnische Mehrheit hier nicht hatten. – Nein, das tue ich überhaupt nicht. Ich verhöhne es überhaupt nicht. Ich finde es heftig, wie Sie das Verfassungsgericht für Ihre Zwecke missbrauchen. Das will ich an dieser Stelle erwähnt haben. Das Ganze passiert nur, weil Sie eben die Gunst der Stunde genutzt haben, dass damals in der Nacht nur wenige an der Abstimmung teilgenommen haben. Wir behandeln eben manchmal auch nachts Tagesordnungspunkte; das ist nun mal so bei vielen Fraktionen und vielen Anträgen. Wir versuchen das ja auch schon über die Woche zu strecken. Aber es ist nun mal so, dass es manchmal auch nachts Tagesordnungspunkte mit Abstimmungen gibt. Zudem ist es ein Ratifizierungs-, ein Zustimmungsgesetz gewesen, an dem wir auch nicht groß etwas ändern konnten, weil es einfach ein zustimmendes Votum des Deutschen Bundestages brauchte, um das Einheitliche Patentgericht in Kraft zu setzen. Aber Sie haben dann mal eben durchgezählt, gesehen: „Ups, das könnte passen, dass die Zweidrittelmehrheit nicht zustande kommt“, und dann haben Sie einfach die Gunst der Stunde genutzt und das Verfassungsgericht bemüht, was natürlich dann rechtmäßigerweise entscheiden muss und durchzählen musste, und dann lief das so, wie Sie das geplant haben. Aber Sie haben das Verfassungsgericht insofern missbraucht, als ja die gegebene Mehrheit in den Fraktionen, in den Zustimmungswerten sehr wohl da war, und das wussten Sie auch die ganze Zeit. Aber Sie haben das trotzdem so gewählt, und das Verfassungsgericht musste dem dann eben so auch entsprechen, weil es eben zähltechnisch so war, wie Sie das erzielen wollten. Insofern müssen wir heute formal die Zustimmungswerte, die im Plenum mit den Fraktionen gegeben waren, jetzt noch einmal abgeben. Diese Zweidrittelmehrheit wird natürlich heute erreicht werden. Wir werden ja auch eine namentliche Abstimmung darüber haben. Insofern wird das heute ratifiziert werden. Es ist eine Blamage, die Sie damit uns zuschreiben wollen. Das ist keine praktische Niederlage, die wir eingeheimst haben. Sie wollen uns das zuschreiben. Insofern ist es peinlich, weil es letztendlich jetzt allein an Deutschland hängt, dass das europäische Patentgericht noch nicht eingesetzt werden konnte. Und Sie haben auch nur Häme und höhnisches Lachen übrig. Das merke ich jetzt auch wieder an der Debatte. Diese Kommentare, die jetzt kommen, sind einfach nur peinlich. Tatsache ist, dass es aufgrund der vielen Patente, die es in Deutschland gibt, jetzt auf die deutsche Zustimmung und Ratifizierung ankommt. Mindestens 13 Staaten müssen ratifiziert haben. Unter diesen 13 Staaten müssen eben auch jene sein, die besonders viele Patente haben. Deswegen: Wenn Deutschland seine Stimme jetzt nicht abgibt, dann können wir das nicht ratifizieren. Es bedeutet eine Erleichterung, ein Patentgericht zu haben. Erst einmal ersetzt ein europäisches Patentgericht nicht die deutschen Patentgerichte, sondern schafft eine Bündelung für die europäischen Patente, die sonst eine Summe aus verschiedenen Patenten sein müssten. Mit dieser Institution ist eine europäische Patentierbarkeit möglich, die dann übrigens mit einem Standort in Deutschland für diejenigen leicht erreichbar sein wird, die sich an dieses Gericht wenden wollen. Insofern möchte ich jetzt hierauf auch nicht weitere Worte verwenden, weil wir im Bundestag damit durch waren. Wir haben es schon längst ratifiziert. Wir formalisieren diesen Schritt jetzt auch noch mit der heutigen Abstimmung. Und Sie können weiter brüllen, Sie können uns weiter beschädigen und Deutschland mit Ihrer Manier beschädigen, etwas anzukreiden und das Verfassungsgericht zu bemühen. Lassen Sie sich davon nicht abbringen, wenn Sie das nötig haben. Das ist ein schlechter Politikstil. Ich hoffe, dass die Wählerinnen und Wähler das auch bald merken werden, die Ihnen bisher die Treue geschworen haben. Ich finde es nur noch peinlich und hoffe auf eine breite Zweidrittelmehrheit und darüber hinausgehende Stimmen. Die Ankündigungen aus dem Ausschuss lassen das hoffen. Vielen Dank.
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Frank Heinrich CDU/CSU
Frank
Heinrich
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wofür würden wir unser Leben einsetzen? Welche Sache ist uns so wichtig, dass wir bereit wären, dafür zu sterben? Ist es unsere Familie, unser Glauben, die Freiheit, ein besseres Leben für die Schwächsten der Gesellschaft? Was ist so wertvoll, dass man alles dafür einsetzen würde? Wir haben das Glück, den Segen, das Privileg, diese Frage in Deutschland sehr theoretisch und in warmen Räumen diskutieren zu dürfen. Im Iran jedoch ist das keine theoretische Diskussion; Sie haben diese Debatte verfolgt. Im Iran ist diese Frage für viele Menschen alltäglich und lebensbedrohlich. Erst vor zwei Wochen standen wir hier und haben über dieses Thema im Zusammenhang mit der Hinrichtung des Ringers Navid Afkari diskutiert und darüber berichtet. Mehrere von uns haben das inzwischen wahrgenommen. Es war eine Hinrichtung, die mich tief schockiert hat und sprachlos lässt, auch weil sich mehrere Kollegen von uns wie die Bundesregierung im Vorfeld für ihn eingesetzt haben – in diesem Fall ohne Erfolg. Und doch ist das kein Einzelfall. Wir haben die Zahlen gehört: 500 Hinrichtungen hat es in den letzten drei Jahren gegeben. Ich habe hier Listen mit Namen, und mit Erlaubnis der Präsidentin möchte ich sie nur kurz zeigen. Da sind 12 politische Gefangene, die zum Tode verurteilt wurden. Da sind 16 Personen, die aufgrund ihres Glaubens zum Tode verurteilt wurden. Da sind 21 Kinder, Minderjährige, die auf die Vollstreckung eines staatlichen Todesurteils warten. Das sind Menschen, mitunter eben Kinder, die aufgrund ihrer Überzeugung oder aufgrund ihres Glaubens sterben oder schon gestorben sind. Das sind keine Einzelfälle, und es sind nicht immer nur Todesurteile. Aber wer nicht zum Tode verurteilt wird, hat eben andere völkerrechtswidrige Repressalien – auch der Iran hat völkerrechtliche Vereinbarungen unterschrieben – zu befürchten. Wir haben den Namen Nasrin Sotudeh mehrfach gehört, die Rechtsanwältin, die gerade geehrt wurde; Kollege Brand und andere haben es angesprochen. Sie ist, weil das iranische Regime ihr Widerstand, Propaganda gegen das System und Verschwörung zum Schaden der nationalen Sicherheit vorwirft, 2010 als Mutter von zwei Kindern zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Dann gab es öffentlichen Druck und öffentliche Meldungen. Bei ihr war es anders: Sie wurde freigelassen. Ja, öffentlicher Druck kann einen Unterschied machen. Das Beeindruckende – und ich bin dankbar, dass wir das durch Ihren Antrag in die Mitte stellen können; ich sage wie mein Kollege zu, dass wir hier konstruktiv im Ausschuss arbeiten werden – sind der Mut und die Unerbittlichkeit dieser Frau, die stellvertretend für so viele andere steht, die sich im Iran für einen besseren Iran einsetzen. Im Juni 2018 ist sie wieder verhaftet worden, verurteilt zu 33 Jahren Gefängnis – wir haben es vorhin gehört – und 148 Peitschenhieben. Menschen wie sie machen mir trotzdem Mut, dass es Veränderung geben kann, Menschen wie Nasrin Sotudeh und Navid Afkari, die ihr Leben einsetzen, um die Welt um sie herum zu verändern. Ich freue mich über jede Debatte, die wir in diesem Kontext auch hier in diesem Hohen Haus führen dürfen. Und ich finde es bemerkenswert, was diese Männer und Frauen tun. Ihr Engagement trotz der statuierten Exempel in ihrem Land ist für mich ein Vorbild. Die Art und Weise, wie Christen und Christinnen, Bahai und Gläubige anderer Religionen trotz Diskriminierung und Verfolgung ihren Glauben leben und dafür einstehen, ist inspirierend. Deshalb finde ich es gut, dass wir sie hier benennen, dass Sie sie in dem Antrag benennen, dass sie als Vorbilder benannt und bekannt werden, dass wir ihre inspirierenden Geschichten hier zu Gehör bekommen. Ich möchte hier die Werte, für die sie kämpfen – exemplarisch im Iran –, in den Mittelpunkt stellen; denn es sind auch unsere Werte. Und die Frage ist – ich komme zurück zum Anfang –: Sind wir bereit, für sie zu sprechen, auch wenn es hier im warmen Wohnzimmer passiert? Sind uns diese Werte – Menschenrechte, Freiheit und Gerechtigkeit – so wertvoll, dass wir bereit wären, so viel einzusetzen wie sie, oder wenigstens, uns für sie einzusetzen, auch wenn es nicht unbedingt den Tod bedeuten würde? Ich danke, dass so viel Solidarität in diesem Raum vorhanden ist, und freue mich auf die Debatte in den Ausschüssen. Das Wort hat die Kollegin Dr. Daniela De Ridder für die SPD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Katja Leikert CDU/CSU
Katja
Leikert
CDU/CSU
Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jeder hat heute seine ganz eigene Motivation, in dieser Debatte zu sprechen. Ich war in der letzten Legislatur Berichterstatterin zum Thema Organspende und habe mir das alles ganz genau angeguckt. Ich war in Krankenhäusern, Dialysezentren, habe mit Betroffenen in der Charité, in Frankfurt auf der Herzinsuffizienzstation und in Hamburg gesprochen und dramatische Krankheitsverläufe erlebt. Ich war auf vielen Fachkongressen und habe unzählige Gespräche mit Transplantationsärzten geführt. Ich habe die Diskussion hier im Deutschen Bundestag verfolgt, als wir über das Thema Hirntod mit dem Ethikrat debattiert haben. Und wir haben bisher auch einiges zusammen erreicht. Ich bin stolz darauf, dass wir im Sommer 2016 das Transplantationsregistergesetz eingeführt haben. Zum ersten Mal werden Spenden wirklich systematisch erfasst; damit wird die Forschungsgrundlage verbessert. Weitere wichtige Maßnahmen hat unser Gesundheitsminister Jens Spahn in dieser Legislatur auf den Weg gebracht, vor allem mit der Änderung des Transplantationsgesetzes: von einer besseren Vergütung bis zur Schaffung besserer Strukturen in den Krankenhäusern. Dazu gehört auch die Freistellung der Transplantationsbeauftragten. Jeder, der sich mit dem Thema intensiv beschäftigt hat, weiß – das wurde hier schon öfter gesagt –: Der Schlüssel liegt in den Krankenhäusern. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir die Ärzte bei diesem schwierigen Thema besser unterstützen, das so überhaupt nicht in einen Krankenhausalltag passt. Eine multiple Organentnahme ist extrem aufwendig. Jeder von uns weiß: Das alles sind sehr wichtige Maßnahmen; aber sie reichen eben nicht aus. Die Diskussion, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir an dieser Stelle ehrlicher führen. Vielfach verlassen wir uns darauf, dass unsere europäischen Nachbarn uns über Euro­transplant mit den notwendigen Organen versorgen. Wir sind mit Blick auf die Spendenbereitschaft faktisch das Schlusslicht in Europa. Und wenn wir einmal schauen, was die anderen EU-Länder anders machen als wir, dann stellen wir fest, dass in 20 von 28 EU-Staaten die Widerspruchslösung gilt. Die wenigsten in diesem Raum können einen Hirntod diagnostizieren oder eine Organentnahme durchführen. Alles, was wir als Abgeordnete leisten können, ist, das System so effizient zu organisieren, dass wirklich alles getan wird, um die Patienten bestmöglich zu versorgen. Genau das ist meine Motivation, mich für die Widerspruchslösung einzusetzen. Neben der guten Ausstattung der Krankenhäuser – dass sie notwendig ist, darin sind wir uns alle einig – gehört nun einmal eine umfassende Erfassung aller potenziellen Spender dazu. Ich sage es ganz deutlich: Der Organspendeausweis ist weder in seiner Form zeitgemäß – ganz egal, ob er jetzt nicht mehr nur in Papier-, sondern auch in Plastikform vorliegt –, noch stellt er eine ordentliche Dokumentation des Spenderwillens dar. Sieben Jahre nach Einführung der Entscheidungslösung gibt es eine ganz klare Bilanz – Georg Nüßlein hat darauf hingewiesen –: Eine Verringerung der Patientenzahl auf der Warteliste wurde nicht erreicht. Jetzt können wir uns lange philosophisch über die Frage unterhalten: Widerspruchslösung, ja oder nein? Ich fand auch die Worte von Karl Lauterbach gut, der gesagt hat, dass wir uns hier auch nicht in unserer ethischen Auffassung unterscheiden. Die Frage ist nur, ob der Staat ein solches Register führen darf oder nicht. Ich sage an dieser Stelle: Ja. Man kann Mitbürgerinnen und Mitbürgern im Sinne der Solidarität eine Entscheidung abverlangen. Liebe Karin, es bleibt am Ende des Tages eine freiwillige Entscheidung, ob ich Spender sein möchte oder nicht. Ich kann 24 Stunden, 7 Tage die Woche widersprechen. Ich sage abschließend ganz offen: Das andere Modell, die freiwillige Registrierung alle zehn Jahre beim Besuch im Bürgeramt, fällt wieder hinter den Anspruch einer umfassenden Registrierung zurück. Die Menschen wollen nicht, dass wir hier Gesetze machen, die nach zwei Jahren evaluiert werden. Dann stellen wir nämlich fest, dass nachgebessert werden muss, und gehen in die nächste Schleife. Die Menschen wollen, dass wir hier Entscheidungen treffen, die schnell wirksam sind. Ich möchte den Menschen, die auf ein Organ warten, Mut machen und würde mich sehr freuen, wenn aus diesem Hohen Haus heute das Signal ausgeht, dass sich wirklich etwas ändert. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Hilde Mattheis.
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Christine Aschenberg-Dugnus FDP
Christine
Aschenberg-Dugnus
FDP
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister Spahn, Sie versprechen mit Ihrem TSVG schnellere Terminvergabe, mehr Sprechstunden und bessere Angebote für gesetzlich Versicherte. Das werden Sie aber leider mit Ihrem Gesetz nicht erreichen. Nehmen wir uns einmal die einzelnen Punkte vor. Mit der Erhöhung der Mindestsprechstundenzeit für gesetzlich Versicherte von 20 auf 25 Stunden suggerieren Sie, Ärzte würden einfach nicht genug arbeiten. Das ist eine Diffamierung, Herr Spahn, aller niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten, die im Durchschnitt über 50 Wochenstunden für ihre Patientinnen und Patienten da sind. Was würden Sie eigentlich machen, wenn die Ärzte tatsächlich nur 25 Wochenstunden – dies fordern Sie ja als Minimum – für gesetzlich Versicherte aufbringen würden? Gott sei Dank tun die Ärzte das nicht, weil ihnen die Verantwortung für ihre Patienten wichtiger ist als der Ärger über das Gesetz und den Minister. Darüber freue ich mich, meine Damen und Herren. Herr Spahn, ich finde in Ihrem Gesetz keinen einzigen Satz, wie man den ärztlichen Alltag erleichtern könnte, damit einfach mehr Behandlungszeit für die Patientinnen und Patienten übrig bleibt. Wir haben uns darüber Gedanken gemacht und einen Antrag zur Entbürokratisierung in den Deutschen Bundestag eingebracht. Meine Damen und Herren, wenn Ärzte und Psychotherapeuten im Jahr 54 Millionen Bürokratiestunden zu bewältigen haben, dann läuft in unserem System etwas schief. Wenn nur die Hälfte dieser Stunden für die Patientenversorgung zur Verfügung stünde, dann würde sich die Versorgung für alle Patientinnen und Patienten erheblich verbessern. Unser Sachverständiger Herr Professor Neubauer hat in der ersten Anhörung zum TSVG einen ganz konkreten Vorschlag zur Entbürokratisierung gemacht. Ich darf zitieren: Ein dringlich notwendiger Bürokratieabbau kann dadurch erreicht werden, dass bürokratische Arbeiten von den Krankenkassen extra vergütet werden. Damit verwandeln sich Bürokratiekosten in Serviceleistungen, die angemessen zu vergüten sind und auch an entsprechendes Personal delegiert werden können. Meine Damen und Herren, ich finde, das ist ein sehr guter Vorschlag; denn wenn wir Bürokratie bepreisen würden, dann hätten die Ärztinnen und Ärzte nur den Aufwand, der es der Krankenkasse auch wert ist, bezahlt zu werden. Ein wunderbarer Vorschlag! Wir müssen doch feststellen: Ärztliche Behandlungszeit ist nun einmal begrenzt. Ärzte wollen behandeln und nicht Bürokratiestunden ableisten. Und das wollen die Patientinnen und Patienten ganz genauso. Jetzt zu Ihren Vergütungsanreizen. Vergütungsanreize finden wir grundsätzlich gut, aber erklären Sie mir doch mal bitte, warum es für Patienten in der offenen Sprechstunde und für neue Patienten eine extrabudgetäre Vergütung geben soll, ein Arzt aber für die Behandlung von älteren multimorbiden Patienten oder Chronikern keine extrabudgetäre Vergütung erhält. Setzen Sie doch einfach unseren Vorschlag der Entbudgetierung um, also budgetieren Sie die ärztliche Leistung überhaupt nicht mehr im grundversorgenden haus- und fachärztlichen Bereich. Das kostet Sie keinen Cent mehr als die von Ihnen veranschlagten 600 bis 800 Millionen Euro. Das wäre es doch! Damit würden Sie allen Ärztinnen und Ärzten entgegenkommen. Denn, meine Damen und Herren, geleistete Arbeit muss doch auch zu 100 Prozent vergütet werden, egal ob der Patient aus der offenen Sprechstunde kommt, ein Neupatient ist oder ein chronisch Kranker. Ganz zum Schluss möchte ich jedoch auch sagen, dass im Gesetz auch erfreuliche Aspekte stecken. Positiv ist, dass die Versicherten mit HIV-Infektionsrisiko einen Anspruch auf Präexpositionsprophylaxe erhalten. Das haben wir lange gefordert, das finden wir auch wunderbar. Die Verbesserungen bei den Heilmittelerbringern, also den Physiotherapeuten, Logopäden etc., begrüßen wir ganz ausdrücklich. Im Ergebnis aber ist uns das zu wenig. Deswegen werden wir das TSVG ablehnen. Ganz herzlichen Dank. Dr. Achim Kessler, Die Linke, ist der nächste Redner.
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Christoph Matschie SPD
Christoph
Matschie
SPD
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach der intensiven Debatte zu Honkong kommen wir zurück in die Sahelregion. Wir haben vorhin schon über das europäische Engagement bei der Ausbildung malischer Sicherheitskräfte gesprochen, und wir sprechen jetzt über die UN-Mission MINUSMA. Diese UN-Mission hat drei zentrale Aufgaben: Die erste Aufgabe ist, den Friedensprozess, der im Vertrag von Algier vereinbart worden ist, abzusichern und die Umsetzung zu unterstützen. Die zweite zentrale Aufgabe ist: MINUSMA soll in Zentralmali dazu beitragen, staatliche Strukturen zu stärken. Die dritte wichtige Aufgabe ist die Unterstützung und Absicherung der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit. Werte Kolleginnen und Kollegen, schon in der Debatte zu EUTM Mali ist deutlich geworden: Trotz jahrelangen Engagements hat sich die Situation in Mali nicht deutlich verbessert. Im Gegenteil: Sie ist in einigen Regionen deutlich schlechter geworden. Wir sehen mit großer Sorge die Entwicklung in Burkina Faso, die sich in letzter Zeit rasant verschlechtert hat. Jetzt ist natürlich die Frage: Wie gehen wir mit unserem Engagement dort weiter um? Bedeutet die Verschlechterung der Situation, dass man sagt: Na ja, dann muss man da rausgehen, man hat ja nichts erreicht; Deutschland und die internationale Gemeinschaft sollten sich zurückziehen. – Das ist zum Beispiel die Lösung, die Die Linke immer wieder vorschlägt. Ich glaube, dass das nicht funktionieren kann und dass es am Ende dazu beitragen würde, die Situation noch deutlich weiter zu verschlechtern. – Sie können sich dazu gern noch zu Wort melden. Warum? Was würde passieren, wenn sich die internationale Gemeinschaft jetzt zurückziehen würde? Ich mache Ihnen einmal die Größenordnungen klar: Die malische Armee verfügt über etwa 20 000 Frauen und Männer, die die Sicherheit dort garantieren können. MINUSMA allein verfügt über etwa 15 000 Soldatinnen und Soldaten sowie Polizistinnen und Polizisten. Dazu kommt dann natürlich auch noch das französische Engagement. Wenn man sich vorstellt, dass dieses internationale Engagement abgezogen wird, dann weiß man: Hier entsteht eine Sicherheitslücke, die terroristische oder andere bewaffnete Gruppen nutzen würden, um die Situation noch weiter zu destabilisieren; deshalb kann das keine Lösung sein. Reicht es aus, MINUSMA zu verlängern? Nein! Es wird nicht ausreichen; denn der Konflikt lässt sich auch nicht militärisch lösen. Deshalb wird es in Zukunft auf Folgendes ankommen: Erstens wird es darauf ankommen, auf die Regierungen in Mali, aber eben auch in Burkina Faso und in Niger noch stärker einzuwirken, die eigene Verantwortung ernster zu nehmen, staatliche Präsenz sicherzustellen, die Regionen, die unterentwickelt sind, stärker zu unterstützen und deutlich zu machen: Der Staat steht zu seinen Bürgerinnen und Bürgern und garantiert ihren Schutz und eine soziale und wirtschaftliche Entwicklung. Zum Zweiten wird es wichtig sein, die Ursachen hinter diesen Konflikten stärker in den Blick zu nehmen, die wirtschaftlichen Ursachen, die sozialen Ursachen, die Ursachen, die dazu führen, dass sich junge Leute entscheiden, sich dschihadistischen oder anderen bewaffneten Gruppen anzuschließen. Das wird aber nur möglich sein, wenn ein gewisses Maß an Sicherheit in der Region garantiert ist. Wir haben schon heute den vernetzten Ansatz, nämlich das Zusammendenken von militärischem Engagement und Entwicklungszusammenarbeit. Aber wir werden diesen Ansatz – das ist meine feste Überzeugung – noch einmal größer und konsequenter denken müssen, wenn wir verhindern wollen, dass Burkina Faso zum Failed State wird. Wenn wir verhindern wollen, dass in der Sahelzone die Instabilität wächst, dann müssen wir die nächsten Monate nutzen, um gründlich darüber nachzudenken, wie wir unser Engagement verstärken, nicht nur militärisch, sondern auch zivil, um die Situation zu stabilisieren. Heute bitte ich um Zustimmung für das Mandat MINUSMA. Es wird weiter gebraucht. Ich bedanke mich bei unseren Soldatinnen und Soldaten, die dort eine wichtige Arbeit machen, um eine Zukunft für die Sahelregion zu ermöglichen. Herzlichen Dank. Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion der AfD der Kollege Gerold Otten.
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Dr.
Dr. Marc Jongen AfD
Marc
Jongen
AfD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter dem Motto „Nachhaltigkeit“ über Digitalisierung zu sprechen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie oder Paradoxie. Denn die Digitalisierung, immer stärker auch in Form der künstlichen Intelligenz oder KI, ist wohl der Treiber der beispiellosen Beschleunigung unserer Zeit: der Innovationszyklen, der Finanzmärkte, des gesellschaftlichen wie beruflichen Lebens. Wie ist daran der Begriff der Nachhaltigkeit, der ja aus der Forstwirtschaft stammt und sich an der Wachstumsgeschwindigkeit der Bäume orientiert, sinnvoll anzulegen? Es bleibt das Geheimnis der Erfinder dieser Nachhaltigkeitswoche. Für uns ist eines klar: Wir befinden uns als Deutschland und Europa in Sachen Digitalisierung in einem gnadenlosen Wettbewerb mit China und den USA. Es gibt zwar noch hohe akademische KI-Kompetenz in Deutschland; aber der „KI-Monitor“ der deutschen Wirtschaft hat gezeigt: Die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist seit 2018 zurückgegangen. Vor allem: Wir haben – von SAP vielleicht abgesehen – hierzulande kein Software- oder gar Hardwareunternehmen von Weltrang. Deutschland gerät immer tiefer in Abhängigkeiten. Die digitale Souveränität des Staates ist in weiter Ferne. Diesen Trend müssen wir dringend umkehren, meine Damen und Herren. Die Bundesregierung will im Rahmen ihrer KI-Strategie 3 Milliarden Euro bis 2025 investieren. Werte Kollegen, allein die Stadt Schanghai investiert 15 Milliarden Euro in KI-Projekte; die USA bewegen ähnlich hohe Summen. Wir sprechen hier von einer technologischen Revolution, die alle Wirtschaftsbranchen, das Bildungssystem, die Forschung, die gesamte Gesellschaft inklusive der Politik erfassen wird. Millionen Arbeitsplätze werden wegfallen. Neue müssen in dieser Zahl erst einmal geschaffen werden. Auch wenn das konservativen Gemütern nicht gefällt, die sich lieber an den Rhythmen des Baumwachstums orientieren würden – ich schließe mich da selbst durchaus ein –: Wer diesen Wettlauf verliert, der tritt als entwickelte Industrienation von der Weltbühne ab und infolgedessen auch aus der Geschichte aus. Das dürfen wir nicht zulassen, meine Damen und Herren. Im Rahmen der nationalen Kraftanstrengung in Sachen künstliche Intelligenz, die deutlich verstärkt werden muss, beantragt die AfD-Fraktion, einen zentralen KI-Campus als international sichtbares Leuchtturmprojekt zu errichten – nicht um die bestehenden Forschungseinrichtungen zu ersetzen, sondern als deren zentraler Koordinierungspunkt. Experten wie der renommierte KI-Forscher Jürgen Schmidhuber vertreten die Ansicht, dass nur in dieser räumlichen Bündelung die für die Spitzenforschung notwendigen Synergieeffekte der unterschiedlichen Disziplinen und Köpfe zustande kommen. 100 KI-Professuren wollte die Bundesregierung schaffen. Bis heute konnte nur ein Bruchteil davon besetzt werden. Vielleicht überlegen Sie sich mal, dass es für internationale Spitzenforscher attraktiv sein könnte und auch deutsche Spitzenforscher nur dann aus dem Ausland zurückkehren, wenn sie an einem „deutschen MIT“ Beschäftigung fänden. Das könnte zum Beispiel eine Erweiterung des KIT in Karlsruhe sein. Es könnte im Raum Stuttgart oder auch in München oder in Dresden stehen, überall, wo bereits geeignete universitäre Strukturen und eine wirtschaftliche Technologieregion vorhanden sind. Wir haben – letzter Satz – in der Enquete-Kommission KI des Deutschen Bundestages die letzten zwei Jahre genug Worte über diskriminierungsfreie Algorithmen gewechselt. Nun lasst uns endlich Taten sehen. Vielen Dank. Der nächste Redner für die Fraktion der SPD ist der Kollege Dr. Karamba Diaby.
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Niklas Wagener BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Niklas
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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Unserem Wald geht es so schlecht wie nie. Die ökologische und politische Trockenheit der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass um uns herum, in Brandenburg, nun schon wieder die zweithöchste Waldbrandstufe ausgerufen wurde. Das zeigt: Wie in so vielen Bereichen hat uns die Union infolge ihrer fehlgeleiteten Klimapolitik eine waldpolitische Kahlschlagfläche hinterlassen. Als Ampel stehen wir hinter den Waldeigentümerinnen und ‑eigentümern, die ihren Wald zu einem klimastabilen und artenreichen Mischwald umbauen. Wir wollen in diesem Jahr 200 Millionen Euro bereitstellen, um diejenigen zu honorieren, die die Ökosystemleistung des Waldes, also den Beitrag der Wälder zu Klima-, Hochwasser-, Trinkwasserschutz und vielem mehr, durch eine nachhaltige Bewirtschaftung voranbringen. Wir wollen motivieren, gemeinsam für den Wald anzupacken. Und auch bei der geplanten Novelle zum Bundeswaldgesetz gilt für uns das Motto: Regeln, nicht um zu verhindern, sondern um zu ermöglichen. Meine Damen und Herren, tagtäglich setzen sich Förster, Jägerinnen, Waldeigentümer und Naturschützerinnen für das Beste in unseren Wäldern ein; nur die politischen Mehrheiten in diesem Lande hatten den Wald aus den Augen verloren. In den vergangenen 30 Jahren wurden 60 Prozent des Forstpersonals in Deutschland abgebaut; zeitgleich verdoppelte sich die Rehwildpopulation in unseren Wäldern. Das Wild gehört zum Wald wie die Butter aufs Brot. Nur ist es wie so oft im Leben: Trägt man zu dick auf, wird es irgendwann ungesund. Dass jedes Jahr Hunderte Millionen Euro Fördergelder, die für das Bäumepflanzen in den Wäldern ausgeschüttet werden, häufig direkt in den Mägen von Wildtieren landen, ist nichts anderes als Steuergeldverschwendung. Lassen Sie uns also gemeinsam dafür eintreten, dass die gepflanzten Bäume erfolgreich aus dem Äser heraus- und zum Wald der Zukunft heranwachsen. Kolleginnen und Kollegen, Putins furchtbarer Krieg trifft die Menschen in der Ukraine hart. Die wichtigen und richtigen Sanktionen treffen am Ende auch den Holzmarkt. Das zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, in der Holz- und Sägeindustrie regionale Wirtschaftskreisläufe zu stärken. Die Ampel verfolgt genau dieses Ziel und wird mit einer Holzbauinitiative vor Ort die langlebigere Nutzung des wertvollen Klimarohstoffs Holz voranbringen. Lassen Sie uns gemeinsam für den Wald eintreten; er braucht uns mehr denn je. Ich danke Ihnen. Eine Punktlandung bei der ersten Rede. Herr Kollege, das sollten Sie so beibehalten. Vielen Dank. Als nächster Redner erhält das Wort Artur Auernhammer für die CDU/CSU-Fraktion.
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Anja Hajduk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Anja
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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Nachtragshaushalt ist notwendig. Wir haben das auch im letzten Jahr schon festgestellt: Wir müssen auf die Krise mit schnellen und wirksamen und ausreichenden Hilfen reagieren. Ausdrückliche Unterstützung auch von unserer Grünenfraktion! Man kann das Ganze auch so beschreiben: Wir haben von der Krediterlaubnis im Jahr 2020 in Höhe von über 80 Milliarden Euro nicht Gebrauch gemacht, und jetzt, im Jahr 2021, beantragt die Regierung 60 Milliarden Euro mehr. „Nicht Gebrauch gemacht haben“ heißt auch, dass die Hilfen teilweise nicht gut umgesetzt wurden. Das haben wir mit Blick auf die Wirtschaftshilfen auch kritisiert. Faktisch bedeutet die Kreditaufnahmeerlaubnis, über die wir heute abstimmen, im Prinzip eine Verschiebung von 2020 auf 2021. In der Gesamtsumme ist der Betrag zur Krisenbekämpfung fast gleich hoch; das mal zur Einordnung in Richtung FDP und AfD. Wenn Sie das für überflüssig und für falsch halten und wenn Sie das geißeln, dann bedeutet das auch, dass Sie die notwendigen Ausgaben für die Krankenhäuser, für die Wirtschaftshilfen, für die Unterstützung von Soloselbstständigen und für das Kurzarbeitergeld anscheinend gar nicht mittragen wollen. Das müssen Sie dann aber auch ehrlich zugeben. Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung aus der FDP-Fraktion? Ja, natürlich. Sehr geehrte Frau Kollegin Hajduk, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich möchte Sie zu den von Ihnen getroffenen Aussagen befragen. Für Wirtschaftshilfen standen im Haushalt 2021 39,5 Milliarden Euro bereit. Bis jetzt sind circa 15 Milliarden Euro abgeflossen. Die Große Koalition möchte jetzt 25,5 Milliarden Euro zusätzlich obendrauf setzen, damit es 65 Milliarden Euro werden – bei 15 Milliarden Euro Mittelabfluss. Für die Pandemiebekämpfung stehen 35 Milliarden Euro bereit. Bisher gebunden: je nach Rechnung; letztens im Haushaltsausschuss hieß es: 17 Milliarden Euro. Ich glaube, beides zeigt sehr deutlich, dass noch Milliarden in diesem Haushalt stecken, die nicht gebunden und auch nicht verausgabt sind und die zur Pandemiebekämpfung und für Wirtschaftshilfen zur Verfügung stehen. Unser Vorschlag war, dass wir die Steuerschätzung im Mai abwarten, um den Haushalt auch bei den Einnahmen nachjustieren zu können; denn auch da werden große Veränderungen eintreten. Deshalb möchte ich Sie fragen, ob es wirklich solide Haushaltspolitik ist, jetzt im April hopplahopp einen Nachtragshaushalt zu beschließen, wenn im Mai – in nicht mal einem halben Monat – die Steuerschätzung kommt? Dann könnte auf solider Basis, wie es sich für den Deutschen Bundestag gehört, ein Nachtragshaushalt beschlossen werden. Das ist das Anliegen der Freien Demokraten. Ich finde, jeder solide Haushälter, Frau Kollegin Hajduk, sollte sich dieser Sache anschließen. Deshalb möchte ich Sie fragen, ob Sie da eine andere Auffassung haben. Danke schön, Herr Klein. – Frau Hajduk. Sehr geehrter Herr Kollege Klein, ich gehe erst mal davon aus, dass Sie die Verschiebung der Gesamtkreditaufnahme, die ich gekennzeichnet habe, anerkennen. Ich will aber sagen: Sie haben mit Ihrer Frage im Grunde ein Argument dafür geliefert, warum wir in diesem Jahr für die Wirtschaftshilfen mehr Geld brauchen. Ich habe nämlich wie Sie die kritische Meinung, dass es nicht in Ordnung war, dass die Wirtschaftshilfen im letzten Jahr schlecht umgesetzt wurden. Das Verfahren war zu kompliziert. Das hat viele Unternehmerinnen und Unternehmer in die Krise gestürzt. Dass das Geld jetzt fließt, wie Eckhardt Rehberg gesagt hat, ist schön; aber nach unserer Einschätzung hätte das schneller gehen müssen. Das heißt dann aber auch, dass wir dieses Jahr größere Summen brauchen. Außerdem haben wir den Lockdown verlängern müssen. Sie wissen auch: Als wir den Haushalt beschlossen haben, hatten wir die Hoffnung, dass nach dem ersten Quartal vielleicht Besserung eintritt. Wir laufen nun in ein zweites Quartal ein, das schwierig ist. Meine Fraktion erkennt an, dass wir Vorsorge treffen müssen für Hilfen für Unternehmerinnen und Unternehmer und Hilfen für mehr Kurzarbeitergeld. Wir brauchen auch einen Aufschlag für Hartz‑IV-Bezieher. Wir verstehen es überhaupt nicht, dass die Bundesregierung das nicht macht. Das kritisieren wir. Wir glauben, dass es richtig ist, mit diesem Nachtragshaushalt Vorsorge zu treffen. Am Ende ist das nur eine Ausgabeermächtigung. Mit Blick auf das Wahljahr, wo wir noch viel Parteienwettbewerb haben werden, ist das eine wichtige Sicherheit und Garantie und Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger. Deswegen muss ich dabei bleiben: Sie sorgen nicht für eine sichere Finanzierung fürs Impfen, fürs Testen, für Krankenhäuser und anderes. Deswegen ist Ihre Ablehnung dieses Nachtragshaushalts zu kritisieren. Vielen Dank. – Danke schön, Herr Klein. Ich fahre in meiner Rede fort. – Ich und wir haben auch Kritik an diesem Haushalt, und deswegen – das wurde gefragt – werden wir uns enthalten. Ich habe es gesagt: Wir finden, dass die Hilfen nicht ausreichen, bezogen auf Menschen, die Grundsicherung beziehen, und wir kritisieren auch, dass die Tilgungsfrist für dieses Programm zu knapp bemessen ist. Es ist schon interessant, dass der Kanzlerkandidat der CDU aus Nordrhein-Westfalen die Tilgungsfrist für diese große Kreditaufnahme in seinem Land zusammen mit der FDP auf 50 Jahre festsetzt, während Sie das hier auf 20 Jahre befristen wollen. Wir Grünen finden, das ist nicht nötig. Und wir sind da in guter Gesellschaft: Auch Ökonomen wie der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft Hüther sprechen davon, dass es wahrscheinlich viel vernünftiger wäre, eine Tilgungsfrist von 40 Jahren vorzusehen. Ich komme zu meinem letzten Punkt. Was ist die große Linie der Finanzpolitik der Zukunft? Wir brauchen ab dem Jahr 2023 wieder eine Konsolidierung bei den laufenden Ausgaben. Aber wir brauchen gleichzeitig, Herr Scholz, ein glaubwürdiges, großes, zuverlässiges Investitionsprogramm. Und von wegen Rekordniveau! Deutschland steht im internationalen Vergleich hinsichtlich der Investitionsquote bei ungefähr 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die USA bei 3,5 Prozent; das sind die Zahlen vor Biden. Wenn wir uns an Biden und den USA mit Blick auf die Klimapolitik – endlich sind sie wieder dabei! –, mit Blick auf ein Investitionsprogramm ein Beispiel nehmen wollen, dann brauchen wir ein Investitionsaufholprogramm, genau so, wie wir Grünen es darlegen, nämlich einen Investitionsfonds in Höhe von 500 Milliarden Euro für die nächsten zehn Jahre. Frau Kollegin, und ich brauche jetzt das Ende Ihrer Rede. Und das gelingt uns – allerletzte Worte – mit einer Investitionsregel, die die Schuldenbremse ergänzt. Ich hoffe, dass wir Sie davon auch überzeugen können. Schönen Dank. Ihre Maske, Frau Kollegin! Danke schön, Anja Hajduk. – Die nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Svenja Stadler.
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11,004,675
Peter Boehringer AfD
Peter
Boehringer
AfD
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Verfassungsgericht hat am Dienstag endlich das gesagt, was es schon spätestens 2016 zu den Anleihekäufen der EZB hätte sagen müssen: Die absolutistische Draghi’sche Rettungspolitik – koste es, was es wolle – ohne Rücksicht auf Rechtslage und Verhältnismäßigkeit ist ohne Kontrolle durch die deutsche Bundesregierung und diesen Bundestag nicht verfassungsgemäß. Wir haben dazu diese Aktuelle Stunde angemeldet; denn das Urteil wird leider bereits jetzt relativiert. Die Regierungsfraktionen nehmen die schallende Ohrfeige des Gerichts gegen ihre jahrelange Untätigkeit einfach nicht an. Gestern etwa sagte der Unionsfraktionschef – ich zitiere –: Die Union hat in der Vergangenheit „immer wieder kritisiert, die EZB übertrete ihr Mandat mit den Anleihekäufen“. – Wie bitte, Herr Brinkhaus? Wieso haben Sie dann die Ihnen offenbar bewusste Mandatsüberschreitung der EZB nicht gerügt und abstellen lassen? Sie haben stattdessen Herrn Draghi noch das Bundesverdienstkreuz verliehen. Warum haben Sie nicht den Bundestag einberufen, um den Rechtsbruch zu stoppen? Sie hätten damit einen potenziellen Schaden in Höhe von über einer halben Billion Euro von Deutschland abwenden können. Nun musste dies das Gericht einfordern. Meine Damen und Herren, wir werden uns hier künftig sehr häufig und regelmäßig mit Beschlüssen des EZB-Rats beschäftigen: mit der permanenten Überschreitung der Grenzen der Geldpolitik, mit der Verhältnismäßigkeit einer Nullzinspolitik, deren Folgen die AfD – ebenso wie jetzt auch das Gericht – seit Jahren thematisiert wie die Zombifizierung der Wirtschaft, die Blasenbildung im Immobilienbereich und die Riesennachteile für deutsche Sparer und Mieter. Vor all diesen Themen können Sie sich jetzt nicht mehr wegducken, und das ist gut so. Zudem haben wir künftig bei allen Anleihekäufen der EZB die vom Gericht klar definierten Kriterien für monetäre Staatsfinanzierung zu prüfen. Bei PSPP konnte das Gericht einen Verstoß gegen Artikel 123 AEUV nur deshalb noch nicht feststellen, weil er noch nicht offensichtlich war und weil die EZB relevante Informationen nicht herausgibt. Schon heute aber ist völlig klar: Das neue PEPP-Programm der EZB über mindestens 750 Milliarden Euro, später aufstockbar auf viele, mehrere Billionen Euro, wird mindestens fünf der Kriterien des Gerichts nicht erfüllen: Es gibt bei PEPP keine Begrenzung der Anleihekäufe, keine Offenlegung der Emittenten, kein Einhalten der bisherigen 33-Prozent-Obergrenze, kein Einhalten des Kapitalzeichnungsschlüssels, keine qualitativen Mindeststandards der gekauften Anleihen. All das wird aber vom Gericht künftig für Verfassungskonformität explizit verlangt. Da dieses Programm bereits läuft und alleine nur im April darüber Anleihen im Wert von über 115 Milliarden Euro gekauft wurden, ist Gefahr im Verzug. Das Gericht hat PEPP nur deshalb nicht direkt verboten, weil es formal nur über die PSPP-Klage von 2015 geurteilt hat. Wenn wir aber noch einmal fünf Jahre warten, bis es dann das sichere Urteil zur Verfassungswidrigkeit von PEPP geben wird, dann wird beim aktuellen Ankauftempo der EZB bis 2025 ein Schadenpotenzial in Höhe von 7 Billionen Euro entstanden sein. Wir haben nicht nur die gerichtliche Vorgabe, dies zu verhindern, sondern auch die ökonomische und gesetzliche Pflicht. Denn selbstredend greift ein solches Treiben der EZB mit einem deutschen Abschreibungsrisiko von bis zu fünf Jahreshaushalten massiv in die deutsche Finanzsouveränität ein. Ganz eindeutig ist dann auch noch das Haushaltsrecht künftiger Deutscher Bundestage gemäß Artikel 110 Grundgesetz verletzt. Seit vorgestern hat die Regierung also nun endgültig keine Ausrede mehr, die EZB gegen die deutschen Sparer und Steuerbürger einfach gewähren zu lassen. Sie müssen PEPP sofort stoppen! Zudem erwarten wir zeitnah Ihre Vorschläge zur wirksamen Kontrolle aller EZB-Ratsentscheidungen durch den Bundestag. Ein kleiner Tipp dazu: Die AfD wollte bereits im März 2019 dem Deutschen Bundestag ein Fragerecht gegenüber der EZB verschaffen, was ja Voraussetzung für eine wirksame Kontrolle der EZB gewesen wäre. Ich sagte damals hier zur faktischen Wirtschaftspolitik der EZB – Zitat –: Es besteht „klar ein Kontrollbedürfnis für uns als Parlament des größten EU-Haftungsstaats“. Mit unserem vorgelegten Antrag kann sich der Bundestag endlich die Möglichkeit verschaffen, der Kontrolle von Megaentscheidungen der EZB, die die nationalen haushalterischen Fragen weit überragen, öffentlich zu debattieren. Sie haben unseren Antrag damals alle abgelehnt. So wird es künftig nicht mehr gehen. Der Bundestag muss die Billionenentscheidungen der EZB endlich akribisch prüfen. Herzlichen Dank. Für die CDU/CSU-Fraktion ist der nächste Redner der Kollege Andreas Jung.
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11,004,906
Dr.
Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann FDP
Marie-Agnes
Strack-Zimmermann
FDP
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Monaten sind unsere Soldatinnen und Soldaten im Coronaeinsatz in Krankenhäusern, Gesundheitsämtern, Pflegeheimen. Einen herzlichen Dank von uns an alle, die da so aktiv teilnehmen. Das sind momentan primäre Aufgaben der Bundeswehr. Gleichzeitig wurden die Ausbildungsmissionen in den Einsatzgebieten Mali, Afghanistan, Irak zwar nicht ausgesetzt, zumindest jedoch deutlich reduziert. Das heißt nicht, dass die Welt während und gerade wegen der Pandemie sicherer geworden ist; das Gegenteil ist der Fall, meine Damen und Herren. Terror und Gewalt haben durch das entstandene Vakuum zugenommen. Denn eines muss uns klar sein: Terroristen warten nicht darauf, bis der Virus bekämpft ist oder wir einen Impfstoff gefunden haben. Fakt ist: Die Anforderungen an die Bundeswehr steigen stetig weiter. Folgerichtig steigt der Verteidigungsetat – nicht überproportional, in der Tat. Aber umso wichtiger ist, dass er steigt; denn, meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wie Sie das machen: Zuerst sichert man die Haustür, bevor man das Haus innen nett einrichtet. Das ändert allerdings nichts an der Frage, wie effizient das bereitgestellte Geld eigentlich ausgegeben wird. Die jüngste Entscheidung, die Ausschreibung für den schweren Transporthubschrauber – es wurde gerade genannt – auszusetzen, hinterlässt wahrlich nur Kopfschütteln, und es ist ein Paradebeispiel dafür, wie absurd die Abläufe im Ministerium sind, wenn es um die Beschaffung wichtiger Geräte geht. Seit Jahren werden nicht die Dinge beschafft, die dringend erforderlich sind, obwohl im Haushalt bereits vorgesehen, entweder weil die Mittel wegen anderer Projekte umgeschichtet werden, oder sie werden nicht ausgegeben, weil das Beschaffungsamt es nicht auf die Kette bekommt. Meine Damen und Herren, jetzt trifft es genau diesen Transporthubschrauber, obwohl klar ist, dass wir diese Fähigkeit dringend brauchen. Wir hatten bis vorgestern die Wahl zwischen zwei marktverfügbaren Modellen. Ja, Frau Ministerin, man darf sich von der Industrie nicht durch den Ring führen lassen; aber es hätte in der Tat einer anderen Antwort bedurft. Ich kann nur sagen: Sie ziehen jetzt vor, dass Geld weiter in die Entwicklung eines komplett neuen taktischen Luftverteidigungssystems gesteckt wird, ein System, das schon jetzt Milliarden verschlungen hat und bei dem uns niemand sagen kann, ob es kommt, wann es kommt und welchen Mehrwert es uns eigentlich bringt. Frau Ministerin, Sie laufen erneut sehenden Auges in die jähe Fähigkeitslücke. Es ist jetzt Ihr Haushalt und nicht mehr der Ihrer Vorgängerin wie vor einem Jahr: teuer für die Steuerzahler, vor allen Dingen aber verantwortungslos unseren Soldatinnen und Soldaten gegenüber, die nämlich jetzt mit dem alten Material irgendwie zurechtkommen müssen. Das ist auch deswegen kurios, weil Sie, wie auch gerade wieder, immer neue Ansprüche haben. Ich erinnere mich: Die Bundeswehr soll in Syrien etwas machen, in der Straße von Hormus, soll im Sahel massiver auftreten. Jetzt plötzlich kommt noch der Indopazifik dazu. Ich weiß nicht, wer Sie beraten hat. Ich habe gedacht, alle Berater, die uns im Untersuchungsausschuss begegnet sind, sind inzwischen woanders; aber offensichtlich gibt es immer noch ein paar, die das machen. Wie wollen Sie das alles hinbekommen, diese außenpolitische, ambitionierte Sache, wenn die Brot-und-Butter-Artikel für die Soldatinnen und Soldaten nicht mal zu Hause, vor der Haustür erreichbar sind? – Das freut mich. Die Hoffnung stirbt zuletzt. – Ja, man sieht ja gerade, was erreicht wird. Es werden zentrale Projekte gestrichen, übrigens auch des Heeres, und die Ausgabentitel – können Sie nachschauen – Munition, Materialerhalt und Bekleidung sind wieder reduziert worden. Jetzt noch ein Letztes zur NATO. Ja, es ist ein richtiges Signal, auch an unsere NATO-Verbündeten, dass der Verteidigungshaushalt zumindest nicht sinkt. Aber: Herr Schwarz von der SPD, Sie sprachen gerade so glücklich darüber, wir würden uns dem 2-Prozent-Ziel nähern. Ich meine, das ist ja Zynismus pur, nach dem Motto: Wenn der Haushalt so richtig schlecht ist – super! –, dann erreichen wir 2 Prozent. – So kann man es auch rechnen. Herr Felgentreu, Sie haben recht: Die SPD kann Krise. Frau Ministerin, ich darf Sie an Ihre Worte erinnern – da bin ich übrigens auch bei Ihnen –: Nicht allein die Ausgaben zählen, sondern es zählt, welche Fähigkeiten wir der NATO zur Verfügung stellen. Eine zentrale Verpflichtung ist die Gestellung der NATO-Speerspitze VJTF 2023. Dafür sollte das Heer eine voll ausgestattete Brigade aufstellen. Dafür reicht dieser Haushalt erneut nicht. Manchmal frage ich mich, was im Ministerium dem ein oder anderen durch den Kopf geht, was die Soldatinnen und Soldaten – Sie sagten es ja gerade –, die für unsere Freiheit in Frieden da sind, eigentlich denken müssen. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir brauchen mehr Soldatinnen und Soldaten. Aber dieser Aufwuchs wird nur gelingen, auch in diesen Coronazeiten, wenn die Einsatzbereitschaft gewährleistet ist; denn nur Einsatzbereitschaft ist Attraktivität. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Alexander Neu, Die Linke.
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Anne König CDU/CSU
Anne
König
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was die Ampel mit diesem Gesetz abliefert, ist bestenfalls enttäuschend. Frau Ministerin Geywitz, ich hätte es Ihnen gerne persönlich gesagt: Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. – Sie mögen gute Vorsätze gehabt haben, aber der Weg zu einem guten Gesetz besteht eben aus weit mehr als vollmundigen Ankündigungen. Das Resultat Ihrer Anstrengungen ist bitter für die betroffenen Menschen; denn wann das erste Wohngeld in 2023 gezahlt wird, weiß aktuell niemand. Laut Experten wird das Antragsvolumen auf das Vier- bis Fünffache explodieren. Dem sind weder Ihr Timing noch Ihr Gesetz gewachsen. Der Deutsche Städtetag geht davon aus, dass das Personal in den Wohngeldstellen verdoppelt, wenn nicht sogar verdreifacht werden muss, um den zusätzlichen Arbeitsaufwand zu bewältigen. Je nach Größe der Kommune werden 10 bis 100 neue Mitarbeiter gebraucht. Der Arbeitsmarkt ist leer, die kommunalen Kassen sind klamm. Das wird nicht funktionieren. Das wird vor allen Dingen nicht zum 1. Januar 2023 funktionieren. Bis zum 1. Januar 2023 werden nur mit viel Glück die IT‑Fachverfahren in den Ländern angepasst sein; und dann ist noch kein neuer Mitarbeiter geschult. Der Deutsche Städtetag rechnet deshalb damit, dass in den ersten Wochen bis Monaten des Jahres 2023 gar kein – ich wiederhole: überhaupt kein –, nicht ein einziger Wohngeldantrag wird beschieden werden können, auch nicht Folgeanträge von denen, die schon immer auf Wohngeld angewiesen waren. Zum Januar 2023 wird außerdem wohl niemand eine Vorschusszahlung erhalten. Spätestens dann werden in den Ämtern verzweifelte Bürger auf eine heillos überforderte Verwaltung treffen. Als Bundesregierung so mit Menschen, die ein Recht auf Unterstützung haben, umzugehen, ist ein Skandal. Selbst die von allen geforderte Bagatellgrenze für Rückforderungen haben Sie erst vorgestern in den Gesetzentwurf aufgenommen. Man fragt sich: Warum erst jetzt? Begreifen Sie erst jetzt, was dieses Gesetz mit all seinen Unklarheiten und was Ihre großspurigen Ankündigungen bewirken werden? Darüber, dass die Klimakomponente mangels Anrechnung des Gebäudezustandes einfach mit der Gießkanne verteiltes Extrageld ist und dass es an einer transparenten Systematik der Mietstufen mangelt, mag ich gar nicht erst reden. Bereits im März hatte unsere Fraktion die Reform des Wohngelds beantragt. Dass Sie sich damit mehr als acht Monate Zeit gelassen haben, ist alleine Ihnen zuzurechnen und von Ihnen zu verantworten. Wenn gute Vorsätze nicht mit guter Politik unterlegt werden – und hier haben Sie eindeutig Nachholbedarf –, dann stimmt das Sprichwort: Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Sie produzieren beim Wohngeld gerade ein Desaster mit Ansage.
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Konstantin Kuhle FDP
Konstantin
Kuhle
FDP
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 25. November 2019 legten unbekannte Täter am Gebäude der Ausländerbehörde in Göttingen Feuer. Der Brand breitete sich relativ schnell in dem Gebäude aus. Er führte dazu, dass weite Teile des Gebäudes bis heute nicht zu gebrauchen sind. Im Zusammenhang mit der Tat tauchte ein Bekennerschreiben auf der Plattform Indymedia auf, wo ganz offen mit Gewalt gegen die Beschäftigten der Göttinger Ausländerbehörde gedroht wurde. Ich will einen Satz zitieren, der sich mir eingebrannt hat, weil ich mit den Beschäftigten der Ausländerbehörde an der Solidaritätskundgebung teilgenommen habe. Dort wurde gesagt: „Kündigt lieber eure Jobs!“ – „Kündigt lieber eure Jobs!“ – Die Beschäftigten der Göttinger Ausländerbehörde machen sich teilweise Sorgen um ihre körperliche Unversehrtheit. Deswegen sollten linksextreme Straftaten hier aus dem gesamten Haus verurteilt werden als Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Liebe Frau Rüthrich, dass Sie hier dazu nicht klar Stellung bezogen haben und dass bei dem, was ich jetzt gesagt habe, es gerade mal zwei Sozialdemokraten hinbekommen, zu klatschen, finde ich wirklich erbärmlich. Warum begreifen Sie nicht, dass linksextreme Gewalt auch – auch! – von der politischen Linken bekämpft werden muss? Sie muss aus der politischen Mitte, aber auch von der politischen Linken bekämpft werden. Dass Sie das hier nicht hinbekommen, finde ich wirklich unerhört. – Ich würde gerne in meinem Vortrag fortfahren. Natürlich steht die Tat in Göttingen in einem Zusammenhang mit den Angriffen auf Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die durch Linksextremisten immer wieder durchgeführt werden. Natürlich kann uns das nicht kaltlassen, wenn – wie der Kollege gesagt hat – im Jahre 2019 festgestellt wurde, dass linksextreme Straftaten im Vergleich zu 2018 um 40 Prozent gestiegen sind. Deswegen ist es natürlich richtig, dass eine Plattform wie Indymedia ein Verdachtsfall des Verfassungsschutzes ist. Daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen. Aber: Ein Verbot, ein erneutes Verbot von Indymedia ist mit erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden. Das haben wir ja beim ersten Indymedia-Verbot gesehen, das bis zum Verwaltungsgericht gegangen ist, das jetzt beim Bundesverfassungsgericht liegt; denn da wird gemischt: gefährliche Gewaltaufrufe, die Relativierung linksextremer Gewalt mit Aufrufen, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Deswegen muss man sich gut überlegen, ob man eine solche Internetseite verbietet, damit nicht am Ende eine Opferrolle entsteht, die Linksextremisten noch stärker macht. Dass es schwierig ist, eine Partei als Verdachtsfall einzustufen, dass es schwierig ist, einen Verein zu verbieten, dass es schwierig ist, solche Maßnahmen auf den Weg zu bringen, zeigt gerade der Antragsteller. Die AfD wehrt sich gerade mit Händen und Füßen dagegen, vor Gericht, vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft zu werden. Was wir nicht gebrauchen können bei der Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, sind eine linksextreme Internetseite, die sich als Märtyrer darstellt, oder eine rechtsextreme Partei, die sich als Märtyrer darstellt. Beides können wir nicht gebrauchen. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung muss aus der Mitte verteidigt werden. Wenn der politische Arm des Rechtsterrorismus einen Antrag gegen Linksextremismus stellt, dann lässt uns das relativ kalt. Wir bleiben dabei, politisch gegen Linksextremismus vorzugehen. Wir lehnen Ihren Antrag ab und stärken die politische Mitte. Vielen Dank. Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke.
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11,004,050
Jürgen Hardt CDU/CSU
Jürgen
Hardt
CDU/CSU
Danke schön. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den letzten 15 Monaten erlebt, dass wir in Israel eine lebendige Demokratie haben – die aus meiner Sicht einzige wirklich Demokratie in der Region, in der mächtig gestritten wird, in der auch dreimal gewählt wird. Wir begrüßen es und freuen uns, dass Israel nun nach der dritten Wahl zu einer stabilen Regierung gefunden hat; denn dieses Land braucht eine gute Regierung, eine stabile Regierung, und dieses Land braucht gerade in diesen Coronazeiten auch Stabilität und Verlässlichkeit. Wir gratulieren der israelischen Regierung zum Amtsantritt, und wir als Deutscher Bundestag, auch als CDU/CSU-Fraktion, sagen der israelischen Regierung gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu. Für uns gilt, was Angela Merkel vor zwölf Jahren vor der Knesset bekannt hat: dass die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson ist. Das gilt für die CDU/CSU-Fraktion genauso. Deswegen wollen wir eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit Israel auf allen Feldern, auf denen das möglich ist. Das gilt natürlich für die Wirtschaft, aber eben auch für die Wissenschaft, für die Zivilgesellschaft und letztlich auch für die Sicherheit. Weil das so ist, wenden wir uns gegen all diejenigen, die Feinde Israels sind auf der Welt, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, wie zum Beispiel der Revolutionsführer im Iran, Ajatollah Khamenei, der jüngst wieder Israel mit Vernichtung gedroht hat. Das weisen wir als absolut inakzeptabel und gegen den Geist der Völkerverständigung gerichtet entschieden zurück. Und weil uns Israel und die Menschen in Israel am Herzen liegen, haben wir auch zu einer Frage, die im Übrigen auch in Israel selbst politisch diskutiert wird und umstritten ist, wie das in Demokratien üblich ist, eine klare Position: Wir sind ausgesprochen skeptisch gegenüber den Plänen der neuen israelischen Regierung entsprechend ihrer Verlautbarung und Koalitionsvereinbarung, dass sie beabsichtigt, bestimmte Gebiete zu annektieren, also die Verwaltungshoheit auf diese Gebiete von Israel aus auszudehnen. Das halten wir für einen Schritt, der nicht nur im Widerspruch zu internationalem Recht steht, sondern, der letztlich aus unserer Sicht nicht den Weg zu mehr Frieden in der Region ebnet, sondern die Gefahr birgt, dass es zu neuen Spannungen kommt. Ich glaube, dass die israelische Regierung diesen Ratschlag von uns ertragen kann. Ich finde es auch richtig, dass wir im Deutschen Bundestag gemeinsam in der Koalition diesen Antrag formuliert haben, weil wir auch unserer Bundesregierung den Rücken stärken wollen für die Gespräche und Diskussionen, die möglicherweise auf EU‑Ebene stattfinden, wenn tatsächlich die israelische Regierung ihre Ankündigung wahrmachen sollte und man dann auf europäischer Ebene zu einer gemeinsamen Haltung kommen muss. Mit einem starken Beschluss des Deutschen Bundestages im Rücken wird die deutsche Ratspräsidentschaft gut argumentieren können, wie man damit dann umzugehen hat. Wir als Koalition haben den Versuch unternommen, die Fraktionen der Mitte, die demokratischen Fraktionen des Hauses, an dem Prozess zu beteiligen. Wir hatten das Gefühl, dass es ein sehr guter Gesprächsprozess war. Die FDP stand zwischenzeitlich auch mal im Entwurf oben auf dem Titelblatt als Miteinbringender. Mit den Grünen haben wir auch sehr gute und intensive Gespräche geführt. Es ist leider nicht dazu gekommen, dass wir das über die Koalition hinaus so einbringen können. Das bedauere ich; denn es wäre ein schönes Signal gewesen, das hinzukriegen. Ich glaube auch, ihr hättet über diesen Schatten springen können. Ihr habt aber jetzt die Möglichkeit, vielleicht durch euer Abstimmungsverhalten im Nachhinein ein Stück weit zum Ausdruck zu bringen, dass ihr das nicht völlig falsch findet, was wir dort gemeinsam aufgeschrieben haben. Mal gucken, wie es kommt. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag heute hier vor diesem Hause. Danke schön. Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Bijan Djir-Sarai.
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Agnieszka Brugger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Agnieszka
Brugger
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, Sie haben völlig recht: Bei dem, was in diesem Bericht beschrieben wird, muss sich einiges ändern, muss einiges besser werden. Aber in der Tat, Herr Kollege Kippels, es gibt durchaus einige Lichtblicke. Einen haben Sie erwähnt: das Lieferkettengesetz. Aber wenn ich mich recht entsinne, ist dieses über Jahre hinweg gerade aus dem Kanzleramt, aus dem Wirtschaftsministerium blockiert worden, weil es nicht unbedingt das Herzensprojekt der CDU/CSU war. Viele in diesem Haus haben – auch zusammen mit der Zivilgesellschaft, mit den Kirchen und mit Unternehmen – große Widerstände überwunden, dass es endlich kommt. Der nächste wichtige Schritt ist, dieses Lieferkettengesetz zu europäisieren, ihm dadurch mehr Wirkkraft zu verleihen und dafür zu sorgen, dass Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzung kein Geschäftsmodell der Zukunft mehr sein können. Herr Kollege Kippels, Sie haben recht: Es ist sicherlich ebenfalls ein Lichtblick, dass das Ziel, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen, nach 50 Jahren endlich erreicht worden ist. Aber auch hier lohnt es sich, einmal genauer hinzuschauen. Denn wenn wir uns anschauen, was die alte Bundesregierung mit ihrer mittelfristigen Finanzplanung vorgelegt hat, sehen wir eine fallende Linie. Es geht nicht darum, die 0,7 Prozent zu sichern, solange Herr Müller im Amt ist, sondern in einer Welt, in der die Krisen zunehmen, in der es eine Pandemie gibt, in der es eine Klimakrise gibt, in der Armut, Hunger und Krieg wieder zunehmen, braucht es ein Mehr an internationaler Gerechtigkeit, ein Mehr an Solidarität. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag verankert, dass wir mindestens diese 0,7 Prozent in Zukunft garantieren wollen und dass wir auch bei der Klimafinanzierung drauflegen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man diesen mehrere Hundert Seiten langen Bericht durchliest, dann gewinnt man folgenden Eindruck – den hatte ich auch in den vergangenen Jahren hier in unseren Debatten –: Da war immer ein Minister, der schöne Bücher geschrieben hat, tolle Termine in anderen Ländern, in den Wahlkreisen gemacht hat, flammende Appelle hier gehalten hat, und eine Bundesregierung mit sehr vielen Ressorts, die sich nicht so sehr um die Fragen von globaler Gerechtigkeit und internationaler Solidarität gekümmert haben. Der nächste Bericht dieser neuen Bundesregierung muss ein Bericht der gesamten Bundesregierung werden; denn in einer hochvernetzten Welt hat alles, was wir tun, und auch alles, was wir nicht tun, immer wieder auch Auswirkungen auf anderen Kontinenten der Welt. Deshalb ist globale Gerechtigkeit, sind die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 nicht die Aufgabe eines Ressorts, sondern Leitmotiv für die ganze Bundesregierung. Da bin ich bei dem, was sich ändern muss. Wir müssen mehr für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit tun. Wir sehen doch, dass es die Industriestaaten sind, die den Großteil der Emissionen verursachen, und dass es die Menschen im Globalen Süden sind, die am meisten unter den Klimaschäden leiden. Wir müssen mehr tun, indem wir bei uns unsere Emissionen reduzieren. Daran arbeiten in dieser Bundesregierung viele Häuser gemeinsam zusammen und nicht mehr gegeneinander. Wir müssen aber auch mit Entwicklungs- und Klimapartnerschaften gemeinsam Gewinn für alle generieren und natürlich auch mehr im Bereich „Loss and Damage“ tun. Frau Brugger, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion? Nein. Nein. Auch globale Gesundheit müssen wir stärken. Da danke ich wirklich der Zivilgesellschaft, die einerseits natürlich immer wieder anerkennt, dass Deutschland hier schon viel tut, aber andererseits auch sehr deutlich macht, dass wir mehr tun müssen für die globale Impfgerechtigkeit. Frau Ministerin, wir freuen uns natürlich sehr, dass Sie hier so prominent eines unserer Herzensanliegen, das sich ja auch sehr prominent im Koalitionsvertrag wiederfindet, angesprochen haben: eine feministische Perspektive in der Entwicklungszusammenarbeit. Das ist genau der Gedanke, der dahintersteht: eine Politik für Entwicklung, für Nachhaltigkeit, von der am Ende alle profitieren, die gesamte Gesellschaft, bei der wir aber auch im Blick haben, dass es gerade Frauen, Mädchen und marginalisierte Gruppen sind, die von den Krisen anders, oft auch stärker, betroffen sind. Das sehen wir auch in der Pandemie. Es sind die Frauen, die sehr stark im Gesundheitssektor vertreten sind, es sind die Mädchen, die vielleicht nicht wieder zur Schule gehen können, nachdem der Schulbetrieb ausgesetzt worden ist. Deshalb freuen wir uns auf das Kapitel zur feministischen Entwicklungspolitik im neuen Bericht der Bundesregierung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche mir auch für diesen neuen Bericht, dass es kein Bericht wird, in dem sich eine Bundesregierung selber auf die Schultern klopft, sondern dass es ein Bericht wird, der eine klare Analyse enthält, in dem auch eine ehrliche Evaluation dessen vorgenommen wird, was wir vielleicht nicht erreicht haben, warum wir es nicht erreicht haben und was besser werden muss, in dem eine Strategie für die Zukunft festgeschrieben wird. Ich wünsche mir, dass es ein Bericht wird, der klarmacht: Das Handeln der ganzen Bundesregierung fühlt sich der globalen Gerechtigkeit, den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen und der internationalen Solidarität verpflichtet. Vielen Dank. Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Dietmar Friedhoff.
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Jörn König AfD
Jörn
König
AfD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Liebe Bürger! Die CDU hatte kürzlich bei uns in Hannover ihren Bundesparteitag. Hauptthema war nicht etwa die Wärmewende wie im vorliegenden Antrag, nicht Russlands Krieg, nicht der Energiemangel, nicht die Pleitewelle vieler Unternehmen, nein, Hauptthema war die Frauenquote. Das ist gelungen, Sie haben die Einführung der Frauenquote verabschiedet. Herzlichen Glückwunsch dazu; denn so hat die quotenlose und diskriminierungsfreie Alternative für Deutschland wieder einmal ein Alleinstellungsmerkmal mehr. Sie fordern in Ihrem Antrag neue steuerliche Entlastungen für den Bau und die Sanierung von Gebäuden sowie bei der Errichtung von Photovoltaikanlagen. Was Sie erstaunlicherweise nicht fordern, ist eine Frauenquote auf Baustellen. Generell sind Bauen und Sanieren in den letzten Jahren deutlich teurer geworden. Die Hauptgründe dafür sind immer rigidere Bauvorschriften, vor allem im energetischen Bereich. Dazu kommen weitere Probleme wie die hausgemachte Inflation, die hausgemachte Energiekrise durch Kraftwerksabschaltungen und Lieferkettenprobleme. In Ihrem Antrag wollen Sie jetzt die Symptome bekämpfen, deren Ursachen Sie durch die Duldung der EZB-Schuldenpolitik und den Atomausstieg zu einem großen Teil selbst geliefert haben. Bei dieser Symptombekämpfung greifen Sie auf Steuervorteile zurück; das ist aus unserer Sicht falsch. Die Steuervorteile sind im Vergleich zu direkten Fördermitteln unbeliebt; denn die Vorteile lohnen sich erst ab einem weit überdurchschnittlichen Einkommen. Es ist ja schön, dass in den ersten drei Jahren doppelt so hohe Steuerermäßigungen von 40 Prozent statt bisher 20 Prozent gelten sollen. Aber wer hat schon eine Einkommensteuerlast von 80 000 Euro in drei Jahren? Die Auszahlung der steuerlichen Förderung erfolgt auch deutlich später, als es bei direkten Zuschüssen der Fall wäre, und erst lange nachdem die Kosten anfallen. Die Entlastungen werden weiterhin erst mit dem Steuerbescheid und bei den allermeisten Bürgern eben nur teilweise realisiert. Diese steuerrechtlichen Ausgestaltungen sind sogar für Fachleute kompliziert, was soll da erst Otto Normalverbraucher sagen? Was wir brauchen, sind einfache Lösungen, und das heißt direkte Förderung des fleißigen Bürgers, der sein Haus mit harter Arbeit selbst gebaut oder gekauft hat und jetzt mal energetisch aufrüsten müsste. Es war genau das falsche Signal, die Förderprogramme zurückzufahren. Dafür muss man die neue Regierung total kritisieren. Eine der ersten Maßnahmen von Herrn Habeck war, Förderprogramme zu stoppen. Die Forderungen im Antrag der CDU/CSU-Fraktion sind allerdings auch unsozial; denn Privatpersonen mit geringen oder mittleren Einkommen haben aufgrund ihrer geringeren Steuerlast keine Möglichkeiten, an diesen Steuervorteilen teilzuhaben. Noch mal: Wir brauchen die direkte Förderung des fleißigen Bürgers, der sein Haus selbst baut oder energetisch saniert. Das ist das bessere Mittel, um möglichst viele Immobilien energetisch zu sanieren und mit Photovoltaik auszustatten. Eines wurde im Antrag völlig vergessen. Es wird zunehmend schwieriger, geeignete und kompetente Fachkräfte aus dem Handwerk für die energetische Sanierung zu bekommen. Schon die geplante Wärmepumpenoffensive wird daran scheitern. Wir werden einen Antrag vorlegen, der dafür sorgt, dass sich fachgerechtes Handwerken in diesem Land endlich wieder lohnt. Die Forderung Nummer 5 ist sinnvoll; dass auch Wohnungseigentümergemeinschaften eine Photovoltaikanlage ohne viel Bürokratie errichten und betreiben können – es ist zurzeit ein Horror; ich sage das aus persönlicher Erfahrung –, diese Forderung unterstützen wir ausdrücklich. Wir freuen uns auf die Beratung dieses Antrags im Ausschuss, müssen aber realistisch sagen, dass es ein sehr langer Weg zur Zustimmung durch unsere Fraktion ist. Aber auch ein sehr langer Weg beginnt mit dem ersten Schritt. In diesem Sinne ist noch ein wenig Hoffnung da. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Das Wort hat Dr. Sebastian Schäfer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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11,004,876
Dr.
Dr. Nils Schmid SPD
Nils
Schmid
SPD
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der guten Ordnung halber will ich darauf hinweisen: Die Große Koalition hat einen Antrag vorbereitet, die FDP eingeladen, mitzumachen – sie macht mit, vielen Dank –, und die Grünen eingeladen, mitzumachen. Sie machen nicht mit. Sie haben Ihre Argumente vorgetragen. Aber ich bin froh, dass wir uns in der Sache einig sind, dass nämlich die Hisbollah mit terroristischen Mitteln gegen Israel kämpft und dass wir deshalb an der Seite Israels stehen, um das Existenzrecht Israels als jüdischer und demokratischer Staat in gesicherten Grenzen im Nahen Osten aufrechtzuerhalten. Das ist die Haltung der großen Mitte des Hauses. Dafür herzlichen Dank. Wir sind auch der Überzeugung, dass der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern auf friedlichem Wege, durch eine politische Lösung, gelöst werden muss. Deshalb haben wir in dem Antrag noch mal ausdrücklich festgehalten, dass wir auf der Basis der Resolution der Vereinten Nationen eine Zweistaatenlösung anstreben. Auch das ist wichtig; denn genau das unterscheidet uns von den Kräften im Nahen Osten, unter anderem von der Hisbollah, die das Existenzrecht Israels nicht anerkennen und die unter dem Vorwand der vermeintlichen palästinensischen Interessenvertretung aktiv gegen Israel kämpfen. Das halten wir für nicht akzeptabel. Gerade deshalb halten wir an der Zweistaatenlösung als Grundlage für nachhaltigen Frieden in Israel und Palästina fest. Wir haben auch gar nichts, was Kollege Grötsch oder andere in der Vergangenheit gesagt haben, zurückzunehmen. Ohne Zweifel ist die Hisbollah ein relevanter politischer, sozialer und auch militärischer Faktor im Libanon. Deshalb haben wir auch immer darauf hingewiesen, dass man das nicht einfach verdrängen kann. Aber die gedankliche Trennung in einen militärischen und einen politischen Arm war immer politischen Überlegungen geschuldet. Wir können unsere Augen nicht davor verschließen, dass die Hisbollah in den letzten Jahren deutlich aggressiver geworden ist, was Aktivitäten gegenüber Israel anbelangt. Die Aufrüstung durch hochmoderne Raketentechnologie mit iranischer Unterstützung ist vom Kollegen Wadephul genannt worden. Auch das Eingreifen in den syrischen Krieg an der Seite Irans verdeutlicht ja, dass die Hisbollah kein rein libanesischer Akteur ist, sondern dass sie zu einem Partner Irans in der regionalen Politik geworden ist. Deshalb ist es richtig, dass wir unter Ziffer 5 des Antrags dies auch festhalten und dagegen vorgehen wollen – natürlich mit politischen Mitteln; von militärischen Mitteln ist ja gar keine Rede. Ich denke zum Beispiel an die Syrien-bezogenen Sanktionen, die es international gibt, die natürlich auch auf Hisbollah-Akteure in Syrien ausgedehnt werden können. Genau das wollen wir mit den internationalen Partnern besprechen. Deshalb ist dieser Antrag auch in diesem Punkt richtig. Ich will noch mal festhalten: Es ist uns gelungen, mit diesem Antrag deutlich zu machen, dass wir innenpolitisch alles dafür tun, um Hisbollah-Aktivitäten in Deutschland trockenzulegen, und dass wir außenpolitisch nach wie vor die richtige Balance gefunden haben, aber gerade auch mit den europäischen Partnern darüber reden wollen, wie angesichts der Ausweitung der militärischen und terroristischen Aktivitäten der Hisbollah im Libanon und darüber hinaus vorgegangen werden kann. Deshalb bitte ich um breite Zustimmung zu diesem Antrag. Herzlichen Dank. Vielen Dank. – Als nächster Redner erhält das Wort der fraktionslose Abgeordnete Mario Mieruch.
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Philipp Amthor CDU/CSU
Philipp
Amthor
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem liebe Kollegen von der FDP! Ja, Sie haben sicherlich geliefert, was Sie sich vorgenommen haben, nämlich die öffentliche Empörung ein Stück weit anzuheizen. Wir haben gehört, was in den letzten Tagen immer so an Vorwürfen kam: Die Bundesregierung würde die Bürgerrechte schleifen, wir würden die IT-Sicherheit einschränken, eine generelle Herausgabepflicht auch für verschlüsselte Passwörter einführen wollen. Man kann da nur sagen: Ja, für öffentliche Empörung hat das etwas gebracht, in der Sache ist es aber völlig falsch, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen nämlich sehen – das ist auch wichtig in Bezug auf die Zielrichtung –: Die Bundesregierung hat hier kein Paket vorgelegt, um mal eben, wie Sie sich das vorstellen, Bürgerrechte einzuschränken, sondern der überzeugende Referentenentwurf aus dem Justizministerium ist ein Referentenentwurf gegen Hasskriminalität im Internet, gegen Kriminelle, zur Sicherung unserer Freiheit und für eine Weiterentwicklung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Wir finden, das sind gute und berechtigte Anliegen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich will zu dem Kernthema Ihres öffentlichen Vorwurfs, nämlich zu den Auskunftsrechten unserer Sicherheitsbehörden gegenüber den Telemedienanbietern, gegenüber den sozialen Netzwerken, sagen: Da sind Sie einfach maßlos, überzogen und unzutreffend in Ihrer Kritik. Die kleinere Nummer gab es scheinbar nicht im Sortiment. Hier wurde von einem Generalschlüssel, von einem Eingriff in die Privatsphäre der Bürger geredet. Konstantin von Notz redet von dem großen Lauschangriff im Netz. Herr Thomae, Sie reden von der Einführung einer Geheimpolizei. Dazu muss ich sagen: Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sind eigentlich zu intelligent, um so oberflächlich zu sein. Das muss doch nun wirklich nicht sein. Ich glaube, da stimmt die Orientierung einfach nicht. Man sieht auch, dass die Rechtslage – darauf hat die Justizministerin überzeugend hingewiesen – hier gar nicht Gegenstand der Erörterungen und scheinbar auch gar nicht Gegenstand der politischen Diskussion war. Ich habe – das war ein Höhepunkt der Empörung – in einem der Zeitungsberichte gelesen, es gehe in diesem Gesetzentwurf um komplizierte Verweisungen zwischen Strafprozessordnung, Telemediengesetz und BKA-Gesetz. Da muss man sagen: Ja, das ist vielleicht so. Aber wenn die Rechtslage kompliziert ist, würde ich immer empfehlen, erst zu versuchen, die Rechtslage zu verstehen, statt gleich den Untergang des Abendlandes zu prophezeien, liebe Kollegen. Es ist deswegen also hilfreich, sich mal anzuschauen, wie die Rechtslage aussieht; verschiedentlich wurde schon darauf hingewiesen. Es geht natürlich völlig fehl, wenn man den Auskunftsanspruch, der in § 15a des Telemediengesetzes neu eingeführt werden soll, isoliert betrachtet. Richtig ist: Wenn Passwörter oder andere Bestandsdaten als Auskunft herausverlangt werden sollen, dann braucht es nicht nur die Anforderungen von § 15a Telemediengesetz, sondern immer eben auch eine zusätzliche Befugnisnorm. Und diese zusätzliche Befugnisnorm enthält genau die Restriktionen, die Sie wollen, nämlich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die eine Abwägung mit den Grundrechten der Bürger vornimmt, einen Richtervorbehalt. Und das ist überzeugend. Man hätte sich diese ganze Diskussion sparen können, wenn man gesehen hätte, dass die im Gesetzentwurf neu vorgeschlagene Regelung – § 15a Telemediengesetz – fast wortgleich übernommen wurde aus der schon bestehenden, richtigen Regelung in § 113 Telekommunikationsgesetz, deren Verfassungsmäßigkeit bestätigt wurde und die von einer FDP-Justizministerin eingeführt wurde. Deswegen muss man sagen: Den Gedanken, der § 113 Telekommunikationsgesetz zugrunde liegt, muss man übernehmen. Eine Bestandsdatenauskunft gegenüber TK-Anbietern, zum Beispiel bezüglich PIN, gibt es heute schon. Das auf die Telemedienanbieter zu übertragen, ist nicht ein irgendwie gearteter Angriff auf den Rechtsstaat, sondern das ist sachlogisch, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist eben nicht der Generalschlüssel, mit dem das Tor zur Privatsphäre der Bürger geöffnet wird, sondern das ist eigentlich die passende Nachbesserung des jetzt schon bestehenden Werkzeugkoffers der Sicherheitsbehörden. Und genau darum muss es gehen; denn hinter dieser Diskussion, die wir jetzt führen – Konstantin von Notz hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich die Frage auch beim Bundesverfassungsschutzgesetz und anderem mehr stellt –, steht die Frage: Wie sollen sich unsere Sicherheitsbehörden in einer Welt aufstellen, in der Verschlüsselung da ist und in der Verschlüsselung notwendig ist? Ich will Ihnen sagen: Verschlüsselung ist gut, auch die Verschlüsselung von Passwörtern. Das entspricht der jetzigen Rechtslage. Doch wenn wir verschlüsselte Kommunikation wollen, unseren Sicherheitsbehörden aber nicht die Kompetenz geben, die verschlüsselte Kommunikation von Straftätern aufzudecken, dann schaffen wir in Deutschland nichts anderes als einen Safe Harbor für Kriminelle, und das kann nicht in unserem Interesse sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir wollen keine Totalüberwachung von Bürgern. Wir wollen auch keinen Blick in ihr Privatleben. Davor schützt sie die Verfassung. Aber wir wollen Härte gegen Kriminelle, gegen Terroristen und gegen Straftäter. Genau in diesem Geist müssen wir Gesetzgebung betreiben. Der Entwurf aus dem Justizministerium ist überzeugend. Weitere Anpassungen müssen folgen: im Bundesverfassungsschutzgesetz, im Bundespolizeigesetz. Wir werden es schaffen, Freiheit, Verantwortung und Sicherheit zusammenzubringen. Deswegen herzlichen Dank an das Justizministerium. Für die SPD hat nun der Kollege Falko Mohrs das Wort.
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Armin-Paulus Hampel AfD
Armin-Paulus
Hampel
AfD
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Besucher im Deutschen Bundestag! Die Geschichte um Billy Six ist eine Geschichte, die häufiger vorkommt. Sie haben den Fall Yücel erwähnt. Mir ist es in den 90er-Jahren, als ich in Kandahar für die AfD, nein, für die ARD reportiert habe – uns gab es ja damals noch gar nicht, sonst hätten wir es vielleicht damals schon gemacht; Spaß beiseite –, genauso ergangen, als ich von den dortigen Religionspolizisten der Taliban in Gewahrsam genommen und unter Hausarrest gestellt wurde. Es ist eine verdammt unangenehme Sache, wenn man gerade noch ein Telefongespräch absetzen kann, um mitzuteilen, dass man gerade von den Taliban verhaftet wird – sie waren ja auch nicht gerade die rührseligsten Typen –, und nicht weiß, was weiter geschieht. Dann musste ich über Nacht warten, was passiert: Nehmen die mich mit, holen die mich ab? Das ist kein angenehmes Gefühl. Nach 48 Stunden kam ein Taliban zu mir und sagte, ich solle mich auf einen Weg vorbereiten. – Hören Sie gut zu, Frau Kollegin. – Dann bot man mir noch an, mich im Auto nach Pakistan zu bringen. Das habe ich abgelehnt, weil ich körperlich unversehrt bleiben wollte. Dann wurde noch mal der Druck erhöht, und ich flog 48 Stunden später mit einem Flugzeug der UN nach Pakistan und wurde von einem jungen Botschaftsangehörigen freudig am Flughafen Islamabad abgeholt. Jetzt sage ich Ihnen, wer dafür gesorgt hat: Es war der damalige Außenminister Klaus Kinkel, der es innerhalb von 48 Stunden geschafft hat, einen deutschen Journalisten aus Afghanistan herauszuholen. So funktioniert das Geschäft und nicht anders. Das, was im Falle von Billy Six geschehen ist, und die Anwürfe, die Sie hier bringen, sind eine Beleidigung dieses jungen Mannes sondergleichen. Sie sollten sich was schämen. Wollen Sie, die Sie hier gesprochen haben, behaupten, der Junge lügt? – Aha, Sie trauen sich nicht. Jetzt kommen wir zu den Fakten. Nach 59 Tagen fragt der Gefängnisdirektor seinen Insassen, ob sich nicht irgendwann mal seine Botschaft um ihn kümmern möchte. – Hören Sie zu, Frau De Ridder. – Als der Kontakt zustande kam, bat der Journalist darum, dass die deutsche Botschaft ihm aus Deutschland Belegartikel schickt, damit er etwas vorweisen kann. Herr Staatsminister, die deutsche Botschaft hat es bei den vier Besuchen nicht geschafft, solche Artikel als Belege einzureichen. Herr Six war an Dengue-Fieber erkrankt. Ich selber habe Dengue-Fieber gehabt und weiß, wovon ich rede. Sie brauchen dann eine medikamentöse Versorgung. Die entsprechenden Tabletten waren ihm bei der Verhaftung weggenommen worden, und er hatte darum gebeten, dass die Botschaft ihm diese Tabletten besorgt. Wissen Sie, wer ihm diese Tabletten, die notwendig sind, schließlich besorgt hat? Das Gefängnispersonal! Sagen Sie nicht, das sei konsularische Betreuung nach deutschem Vorbild! Das ist eine Schande für das Auswärtige Amt, und ich weiß, wovon ich rede. Eine konsularische Betreuung sieht nicht so aus: Wir gucken mal, dass ihm alle rechtlichen Schritte garantiert werden. – Ich habe kein einziges Mal von Herrn Maas gehört: Ich fordere die Freilassung von Billy Six. – Kein einziges Mal! Zeigen Sie mir die Zeitungszeile, in der Frau Merkel – genauso wie bei Herrn Yücel – die Freilassung von Billy Six gefordert hat. Zeigen Sie mir die Zeitungszeile, in der der Bundespräsident, Herr Steinmeier, die Freilassung von Billy Six gefordert hat. Diese Schlagzeile gab es kein einziges Mal, bei Herrn Yücel aber x-mal. Das ist der Unterschied, und dafür sollte sich die Bundesregierung schämen. Das ist eine Ungleichbehandlung. Herr Staatsminister, ich möchte gerne mal die Berichte Ihrer Botschaft sehen. Für den Fall, dass ein Minister nachfragt, was in Venezuela läuft und warum dort ein Deutscher einsitzt, gibt es Berichte. Damit hätten Sie belegen können: Wir waren dann und dann da, wir haben das und das gemacht, und wir haben dieses und jenes unternommen. – Das alles höre ich aus diesem Hause nicht. In der Regel belegt die Botschaft alles. Das wissen Sie, und das weiß ich auch. Nachdem ihm so viel verweigert worden war, hat in der Tat der russische Außenminister vermittelt. Und wissen Sie, was? Mir ist es auf gut Deutsch – verzeihen Sie, Frau Präsidentin Roth – scheißegal, was für ein Außenminister das ist. Hauptsache, er holt unseren Mann da raus. Das ist für mich das Entscheidende, und das haben wir und meine Fraktion erreicht. Jetzt kommt zum Abschluss die Geschichte mit dem Obstkörbchen. Die Botschaft hat die Familie nach Aussagen der Eltern von Billy Six aufgefordert, dieses Obstkörbchen zu bezahlen. Danke schön. Nächste Rednerin: Dr. Barbara Hendricks für die SPD-Fraktion.
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Claudia Müller BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Claudia
Müller
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ursprünglich angekündigt war ein Antrag zum Thema „Stärkung strukturschwacher Regionen“, dann war etwas von Wirtschaftsförderung zu lesen. Wenn man sich anschaut, wer von Ihnen den Antrag eingebracht hat, stellt man fest, dass es sich um Ihre Mitglieder des Wirtschaftsausschusses handelt. Der Antrag hat damit aber überhaupt nichts zu tun. Es wird wieder einmal etwas versprochen, was nicht gehalten wird. Das kennen wir schon. Ihre Rede, Herr Keuter, hatte ebenfalls nichts mit Ihrem Antrag zu tun; denn Landwirtschaft kam darin überhaupt nicht vor. Sie haben an Ihrem eigenen Thema vorbeigeredet. Sie tun etwas, was ich wirklich für sehr schändlich halte. Bei Ihnen heißt es: ländlicher Raum gleich strukturschwacher Raum. Sie reden den ländlichen Raum schlecht. Bei Ihnen geht es um Abwanderung und um abgebaute Infrastruktur, und bei Ihnen sind alle ländlichen Räume strukturschwach. Das wird dem Thema schlicht und ergreifend nicht gerecht. Gleichzeitig vergessen Sie, dass es auch strukturschwache urbane Räume gibt. Sie sind so schlicht gestrickt. Sie sehen das Thema nicht; Sie wollen es nicht sehen. Stattdessen halten Sie hier wilde Reden am Thema vorbei und machen in diesem Haus Wahlkampf für Ihren gerichtlich bestätigten Faschisten Höcke. Lösungsvorschläge machen Sie keine. Im Gegenteil, Sie erzählen etwas von Arbeitskreisen. Sie sagen, wir sollten den Kommunen mehr Macht geben, möglicherweise auch die, Steuern selbst zu gestalten. Gleichzeitig soll der Bund mögliche Ausfälle bezahlen. Zur Renationalisierung der Strukturhilfefonds ist alles gesagt worden. Ich habe selten so viel Schwachsinn in einem so kurzen Antrag gelesen. Wirkliche Ideen haben Sie nicht. Die Frage, wie wir die ländlichen Regionen, die es nötig haben, stärken, damit sie gleichwertige Lebensverhältnisse erreichen, beantworten Sie nicht. Wie schaffen wir es denn, eine gute Infrastruktur für die Digitalisierung, im Bereich Verkehr und bei der Bildung zu schaffen? Wie schaffen wir eine gute Wirtschaftsförderung in diesen Regionen? Darauf geben Sie keine Antwort. Auch auf das Thema Fachkräfte kommen Sie kaum zu sprechen; denn Sie müssten dann ja zugeben, dass wir Einwanderung und ein gutes Einwanderungsgesetz brauchen. Das ist auch ein Thema im Bereich Wirtschaftsförderung. Man muss zu Ihrem Antrag ganz klar sagen: Wenn Sie wirklich etwas zum Thema „Stärkung ländlicher Räume“ machen wollen, dann konzentrieren Sie sich auf die drei „T“; denn diese braucht es: Technik, Talente und – das fehlt Ihnen – Toleranz. Vielen Dank. Vielen Dank, Claudia Müller. – Für die Bundesregierung spricht jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Oliver Wittke.
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Andrea Lindholz CDU/CSU
Andrea
Lindholz
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Innenpolitiker der Union beschäftigen wir uns mit der Reform des Waffenrechts bereits seit dem Jahr 2016. Damals stand Europa unter dem Schock der Anschläge von Paris; und wir sollten auch nicht vergessen, dass islamistische Terroristen 2015 in Europa 150 Menschen ermordeten und rund 400 verletzten. Diese Täter haben auch europäische Waffen eingesetzt. Schreckschusswaffen aus Osteuropa konnten problemlos wieder zu scharfen Waffen umgerüstet werden. Die EU musste daher dringend handeln und die Feuerwaffenrichtlinie reformieren; denn Europa braucht gemeinsame und verlässliche Standards im Umgang mit Waffen. Wir müssen diese Richtlinie also umsetzen, und wir brauchen für das vorliegende Gesetz auch die Zustimmung des Bundesrates, das heißt der Länder. Für uns als Partei der inneren Sicherheit bestand nie ein Zweifel daran. Wir wissen gleichzeitig aber auch, dass Deutschland bereits ein sehr strenges Waffenrecht hat. Die rund 2 Millionen legalen Waffenbesitzer in Deutschland dürfen und werden wir auch nicht einfach unter Generalverdacht stellen. Wir haben Jäger, Sportschützen, Gebirgsschützen, Traditionsschützen, Büchsenmacher, Sammler und Waffenliebhaber, die allesamt ein Stück deutsche Kultur pflegen, und auch wir wollen diese Kultur erhalten. Wir haben uns als Union deshalb schon sehr früh, 2016, in Brüssel dafür eingesetzt und interveniert, sodass die EU-Feuerwaffenrichtlinie in manchen Teilen bereits im Vorfeld geändert wurde. Ich will daran erinnern: Wir haben zum Beispiel mit Erfolg dafür Sorge getragen, dass die medizinisch-psychologische Prüfung für jeden Waffenbesitzer und die zeitliche Befristung jeder Waffenerlaubnis verhindert werden konnten. CDU und CSU haben und hatten immer ein offenes Ohr für die redlichen Waffenbesitzer, und wir haben gleichzeitig ein wachsames Auge auf die innere Sicherheit. Die Einhaltung dieses Grundsatzes haben wir auch bei der Umsetzung der EU-Feuerwaffenrichtlinie bewiesen. Es ist richtig: In meiner Zeit im Ausschuss für Inneres und Heimat kann ich mich an kaum keinen Gesetzentwurf erinnern, der so intensiv diskutiert wurde wie dieses Änderungsgesetz. Ich gebe Herrn Kuhle an einer Stelle recht: Ja, gerade nach dem ersten Entwurf zur Umsetzung, nach der ersten Vorlage, die aus dem Ministerium gekommen ist, haben auch wir Kritik an der einen oder anderen Stelle gehabt. Das hat zu einer Verunsicherung der Verbände beigetragen. Und ja, wir haben nicht umsonst zahlreiche Briefe stapelweise in unsere Büros bekommen. Ich möchte mich an dieser Stelle aber zugleich bei jedem bedanken, der sich bei uns gemeldet hat und konstruktive Meldungen abgegeben hat. Ich möchte mich besonders auch bei den Fachverbänden für die wirklich gute und konstruktive Zusammenarbeit und die vielen Gespräche bedanken, die teilweise sehr ins Detail gingen; und ich möchte mich bei unserem Bundesinnenminister und seinem Team, aber auch beim bayerischen Innenminister dafür bedanken, dass sie all diese Anregungen und Bedenken noch einmal aufgegriffen haben. Vor allen Dingen danke ich auch der SPD, ganz besonders Ihnen, Herr Lindh, und der Union, hier ganz besonders Marc Henrichmann, für die ebenfalls gute und konstruktive Zusammenarbeit untereinander. Wir haben einiges erreicht. Wir haben die viel zu strikte Regelung der Bedürfnisprüfung auf ein absolut vertretbares Maß reduziert. Ich finde, sie ist jetzt besser als die aktuelle. Nach zehn Jahren braucht es keinen Schießnachweis mehr; es reicht der Nachweis der Mitgliedschaft im Schützenverein. Und es ist richtig: Wir haben die Anzahl der mit der gelben Waffenbesitzkarte zu erwerbenden Waffen auf zehn begrenzt, um das Waffenhorten zu verhindern. Ich will an dieser Stelle daran erinnern, dass im Mordfall Walter Lübcke bei den drei Beschuldigten insgesamt um die 50 Waffen gefunden worden sind. Die Schützen in meinem Wahlkreis, mit denen ich mich unterhalten habe, haben für diese Beschränkung auch absolutes Verständnis. Uns erreicht hinsichtlich des Verbots von großen Magazinen aktuell natürlich immer noch die eine oder andere Nachfrage, was die IPSC-Schützen, also diese speziellen Sportschützen, angeht. Wir wissen, dass sie zwar im Inland keine großen Magazine brauchen, aber dass das nötig ist für Auslandsturniere und um damit hierzulande trainieren zu können. Wir haben auch die Einwendung vernommen, dass die Ausnahmegenehmigungen über das BKA bisher nicht immer so einfach zu erzielen waren. Aber wir haben mit diesem Gesetzentwurf dafür Sorge getragen, dass hier eine schnelle und praxistaugliche Regelung gefunden wird. Außerdem haben wir großzügige Bestandsregelungen getroffen. Wir werden genau hinschauen, ob das in der Praxis funktioniert. Ich glaube, auch das ist eine gute Regelung. Die Regelabfrage beim Verfassungsschutz – sie ist heute mehrfach angesprochen worden – hat ein einziges Ziel, und zwar keine Waffen in die Hände von Extremisten zu geben. Es ist für niemanden nachvollziehbar, dass wir regelmäßig nach der Erteilung von Waffenbesitzkarten und einer Waffenerlaubnis hinschauen, aber nicht, bevor wir sie erstmals erteilen. Deshalb ist es richtig, dass wir auch hier die Regelabfrage durchführen. Wir setzen damit auch eine Forderung aller Bundesländer um. Ich betone noch mal: Dieser Gesetzentwurf ist zustimmungspflichtig. Zu guter Letzt haben wir auch die Nachverfolgbarkeit der Waffenteile geregelt. Ich weiß, dass die Büchsenmacherbetriebe hier noch ein bisschen Sorge haben. Wir müssen das genau beobachten. Aber wenn wir illegale Waffen verhindern wollen, müssen wir die Waffenteile besser kontrollieren. Ich will zum Schluss kommen und sagen – – Kollegin. Die Waffenverbotszonen – darauf will ich noch kurz eingehen – können die Länder im Übrigen einführen, sehr geehrter Herr Kollege Hess, sie müssen es aber nicht. Ich glaube, wir haben einen guten Kompromiss gefunden, um die Richtlinie umzusetzen, die Freiheit der Waffenbesitzer nicht zu sehr einzuschränken und gleichzeitig für die Sicherheit in Deutschland zu sorgen. Insofern bitte ich Sie alle um Ihre Zustimmung. Danke schön. Ich schließe die Aussprache.
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Susanne Mittag SPD
Susanne
Mittag
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kommen wir mal wieder von der Polemik zu den Fakten; das hilft ja immer bei so einer Rede. Beim Thema Europol, denke ich, haben viele eine oft durch Bücher oder Filme geprägte Vorstellung. Ich kann sagen: Das trifft so nicht zu. Aber eigentlich weiß man ja, dass solche Beschreibungen keine Dokumentationen sind. Europol ist völlig anders aufgestellt als übliche Polizeibehörden, eine Behörde, die sich aus Mitarbeitern der eigenständigen europäischen Länder zusammensetzt, die kontrolliert wird von allen europäischen Ländern – ich darf mit Boris Pistorius und dem Kollegen Irmer dabei sein – sowie Mitgliedern des Europäischen Parlaments. Genau so, wie sich bei den örtlichen Polizeien, den Landeskriminalämtern, dem BKA und der Bundespolizei die Aufgaben, Zuständigkeiten, Ausstattungen und Erfordernisse geändert haben, so ist es auch bei Europol. Die Änderung des Mandats haben wir schon anlässlich unserer EU-Ratspräsidentschaft – wir hatten hier auch den Vorsitz in der Europol-Kommission – vorbereitet. Und nun – hoffentlich mit Einigkeit aller EU-Länder und des Europäischen Parlaments – wird das Mandat von Europol den heutigen Zeiten angepasst und auf die Zukunft ausgerichtet. Dazu gehört eine verbesserte Zusammenarbeit mit OLAF, zuständig für Betrugsermittlungen – sehr wichtig –, sowie mit der relativ neuen Europäischen Staatsanwaltschaft. Es wird seit Jahren schon mit den Dienststellen vor Ort zusammengearbeitet – mal persönlich, aber in erster Linie informell, auswertend, unterstützend und vernetzend – bei der Sicherung und Analyse von Informationen der eigenen und immer wieder neu ermittelten Daten, bei der Vernetzung mit den unterschiedlichen Dienststellen und Informationssystemen und bei der Auswertung und Zuordnung von beschlagnahmten Datenmengen – oftmals inzwischen im Terabyte-Bereich – zum Beispiel im Bereich der Organisierten Kriminalität. Nach letzten Schätzungen – und die dürften auch schon veraltet sein – gibt es circa 5 000 OK-Gruppen allein in Europa. Ich erinnere nur an das kürzlich veröffentlichte Verfahren hinsichtlich sexuellen Missbrauchs von Kindern. Der deutsche Täter sitzt in Südamerika und hat über 300 000 Kunden im Netz. Das soll man erst mal ermitteln! Dazu gehören auch die notwendigen und noch zu erforschenden Anwendungen von KI, künstlicher Intelligenz. Natürlich ist auch die Unterstützung und Weiterentwicklung im Bereich Kriminaltechnik nicht zu unterschätzen. In all diesen Bereichen hat eine rasante Entwicklung stattgefunden und findet auch jetzt immer noch statt. Dem wollen wir hier mit der Weiterentwicklung von Europol gerecht werden. Es geht neben der Organisierten Kriminalität auch um die Finanzkriminalität und Terrorismus. Wenn wir Europol nicht hätten, dann müssten die hiesigen Dienststellen mit dem Bundeskriminalamt allein ermitteln; das Dunkelfeld wäre noch dunkler. Die Erweiterung der Aufgaben erfordert natürlich auch eine erhöhte Kontrolle durch die Europol-Kommission, und die findet statt. Der Datenschutz findet ebenfalls statt, durch mehr Befugnisse des Datenschutzbeauftragten. Dazu gehört auch, Daten von Drittstaaten und Privaten weder vorbehaltlos anzunehmen noch abzugeben. So schlau sind die Ermittler von Europol schon. Auch wir haben inzwischen mitbekommen, dass angebliche Straftaten von Staaten instrumentalisiert werden und Private sehr ausgeprägte Eigeninteressen verfolgen können. Das wird sehr wohl unterschieden. Es gäbe natürlich noch sehr viel mehr Möglichkeiten für Europol. Wir hatten im letzten Jahr eine Anhörung, bei der aber auch deutlich wurde, dass eine Umsetzung der dafür notwendigen Anpassungen des Strafrechts und Strafprozessrechts derzeit nicht absehbar ist. Wir tauschen im Vorfeld und in der Nachbereitung zu Europol-Sitzungen mit Vertretern der Oppositionsfraktionen, soweit Interesse besteht, Informationen zu den Gremien aus, besprechen die Berichterstattung und begleiten Veränderungen und Verbesserungen. Da wurde schon deutlich, dass allein bei Veränderungen der Geschäftsordnung eine gemeinsame Entscheidung aller beteiligten Länder und des Europäischen Parlamentes sehr viel Verhandlungsgeschick und Empathie erfordert. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, um zu verstehen: Die Angleichung rechtsstaatlichen Vorgehens in so unterschiedlichen Ländern und die Durchführung eigenständiger Ermittlungen in einem Land, das kollidiert mit den Aufgaben der dortigen Polizei. Ein derartiges Mandat mit Zustimmung aller Länder umzusetzen, das ist derzeit und auf absehbare Zeit einfach illusorisch. Da hätte ich Ihnen von der FDP etwas mehr Realismus zugetraut; Sie waren doch immer mal bei den Besprechungen dabei. Aber immerhin konnten wir vereinbaren, dass die Länder zu Ermittlungen aufgefordert werden können. Das bietet sich auch an, weil die auswertenden Erkenntnisse von Europol den betroffenen Ländern oft noch gar nicht vorliegen. Die genannten Veränderungen sind Verbesserungen: mehr Aufgaben, mehr Möglichkeiten, schnellere Kriminalitätsbekämpfung. Wie wichtig das ist, zeigt ganz aktuell die Bandbreite der Organisierten Kriminalität: Sie hat Gewinne aus der Pandemie genauso schnell abgeschöpft, wie die Pandemie sich ausgebreitet hat. Mit dem Beschluss hier und heute jedoch ist Zurücklehnen nicht angesagt. Es muss weiter, wie im Beschluss aufgeführt, auf die finanzielle Absicherung von Europol geachtet werden – es ist schon erwähnt worden: Europol ist immer noch unterfinanziert –, und an den Verbesserungen muss weiter gearbeitet werden. Kriminalitätsbekämpfung hat auch viel mit sozialer Gerechtigkeit zu tun, und für soziale Gerechtigkeit stehen wir ja wohl immer alle ein. Herzlichen Dank. Herzlichen Dank für die eingesparte Zeit. – Die Kolleginnen und Kollegen Kuhle, Jelpke, Mihalic, Throm und Oster geben ihre Reden zu Protokoll.1 Anlage 9 Wir sind damit am Ende der Aussprache.
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Sonja Amalie Steffen SPD
Sonja Amalie
Steffen
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Dörner, auch wir von der SPD-Fraktion begrüßen, dass das Bundesverfassungsgericht im März dieses Jahres eine sehr fortschrittliche und sehr lebensmoderne Entscheidung getroffen und richtigerweise – Herr Frei hat das vorhin auch gesagt – tatsächlich aus der Sicht des Kindes entschieden hat. Es hat gesagt, dass unser jetziges Recht gegen Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz verstößt, also gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil es Kinder in nichtehelichen Stiefkindfamilien gegenüber Kindern in ehelichen Stiefkindfamilien ohne ausreichenden Grund benachteiligt. Das heißt also, ein Stiefkind kann nur adoptiert werden, wenn der Stiefelternteil mit der Mutter oder dem Vater verheiratet ist. Das Bundesverfassungsgericht hat das übrigens auch wunderbar begründet – ich zitiere –: Für die Kinder ist das Kriterium der Ehelichkeit … nicht verfügbar. Es liegt allein in der Macht des Elternteils und des Stiefelternteils, die Ehe zu schließen. Die Kinder haben keinen Einfluss darauf … Aber um genau sie, um die Kinder, geht es bei der Adoption. Und da geht es nicht nur um die Fürsorge, sondern auch um die soziale und wirtschaftliche Absicherung der Kinder. Denn zunehmend entscheiden sich Elternpaare tatsächlich gegen die Ehe, aber für Kinder; Frau Helling-Plahr hat das vorhin schon erwähnt. Inzwischen sind in 12 Prozent der Familien mit Kindern die Eltern nicht verheiratet. Im Osten sind es übrigens sogar 26 Prozent der Eltern. Was kann das Kind dafür, ob die Eltern verheiratet sind oder nicht? Das Bundesverfassungsgericht hat uns daher also völlig zu Recht den Auftrag erteilt, die nichtehelichen Stiefkinder den ehelichen Stiefkindern gleichzustellen. Dies tun wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf. Dies ist zwar ein wichtiger Schritt, mit dem wir als Gesetzgeber dem modernen Familienbild den Weg ebnen, aber wir sollten uns fragen: Inwieweit wollen wir nichteheliche Lebensgemeinschaften zukünftig anerkennen? Bisher haben sie nämlich praktisch ganz viele Pflichten, aber kaum Rechte. Schauen wir uns mal im Sozialrecht um: Als Bedarfsgemeinschaft wird heutzutage schon zusammengewürfelt, wer auch nur in einer Wohngemeinschaft lebt, und man muss füreinander einstehen, wenn es um SGB II oder SGB XII geht. Aber wenn es um Steuerrecht geht, wenn es um Erbschaften geht, wenn es bisher um die Adoption ging, muss man sagen: Da sind die nichtehelichen Lebensgemeinschaften im Gesetz gar nicht erst vorgesehen. Deshalb ist es an der Zeit, auch diese Familien zu stärken. Dann ist es auch an der Zeit, tatsächlich generell die Adoption von Kindern für nichteheliche Paare zu öffnen, also auch dann, wenn die Kinder von keinem Elternteil abstammen. Wir haben das vorhin „fremde Kinder“ genannt. Das ist ein schwieriger Begriff. Es ist schwer zu verstehen, dass bis zum heutigen Tag nur Ehepaare und übrigens auch Einzelpersonen Kinder adoptieren dürfen, aber nichteheliche Lebensgemeinschaften zusammen keine Kinder adoptieren können. Kommen Sie bitte zum Schluss. Ja, ich komme zum Schluss. – Deshalb hoffe ich, dass wir im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vielleicht noch ein bisschen Schwung in die Debatte bringen. In guter Eintracht übrigens mit dem Deutschen Anwaltverein werden wir uns weiterhin für eine große Lösung einsetzen, die sowohl die Stiefkindadoption als auch die Volladoption für verfestigte Lebensgemeinschaften ermöglicht. Vielen Dank. Vielen herzlichen Dank, Sonja Amalie Steffen. – Letzter Redner in dieser Debatte: Alexander Hoffmann für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sabine Leidig DIE LINKE
Sabine
Leidig
DIE LINKE
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wir reden heute über eine Verkehrsverbindung zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark. Dort, wo bisher die Fährverbindung mit dem schönen Namen „Vogelfluglinie“ Menschen und Güter ans andere Ufer bringt, soll in Zukunft in einem gigantischen, 18 Kilometer langen Tunnel durch die Ostsee eine Eisenbahnstrecke und eine vierspurige Autobahn von der Urlaubsinsel Fehmarn auf den Belt führen: die Feste Fehmarnbeltquerung. Die Pläne dafür sind fast 30 Jahre alt, und sie waren von Anfang an umstritten. Die Linke lehnt dieses Verkehrsbeschaffungsprogramm ab. Das Großprojekt wird voraussichtlich 9,5 Milliarden Euro teuer. 6 Milliarden Euro trägt Dänemark, 3,5 Milliarden Euro entfallen auf die sogenannte Hinterlandanbindung, die Deutschland zu schaffen hat. Was heute auf der Tagesordnung steht, ist der Ausbau der Eisenbahnstrecke. Über sie ist in der Region – das haben Sie erzählt – intensiv diskutiert worden, damit der Zugverkehr, vor allem der Güterzugverkehr, den Bewohnerinnen und den Besucherinnen in den Städten und in den Kurorten nicht zur Last wird. Dafür sind besondere übergesetzliche Lärmschutzmaßnahmen notwendig und auch vorgesehen. Die Koalition beantragt hier, einen großen Teil davon zu finanzieren. Das ist schon mal gut. Aber wir werden uns enthalten; denn es reicht nicht. Wir sind der Meinung, dass Bahnstrecken so bürgerfreundlich wie möglich ausgebaut werden müssen. Und wir wehren uns entschieden gegen die Geldverschwendung, die darin besteht, dass neue Autobahnen gebaut werden und dass Bundesstraßen mehrspurig ausgeweitet werden. Mit diesen Maßnahmen fördern Sie nämlich Lkw- und Autoverkehr. Und mit einer solchen Verkehrspolitik muss endlich Schluss sein. Sie passt überhaupt nicht zum notwendigen Klimaschutz, zu dem sich die EU verpflichtet hat. Das wäre auch die Grundlage, auf der Sie mit der dänischen Regierung reden müssten. Ersparen Sie uns alle weiteren vielspurigen Autobahnen! Ein Eisenbahntunnel wie zwischen Calais und Dover wäre eine gute Alternative für gute Nachbarschaft. Vielen Dank. Vielen Dank, Sabine Leidig. – Sitzen auch Bremer Abgeordnete hier im Raum? Ich habe gerade böse Blicke kassiert, wobei die Bremer eher traurig gucken müssten. Nächster Redner: Dr. Konstantin von Notz für Bündnis 90/Die Grünen.
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Siemtje Möller SPD
Siemtje
Möller
SPD
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute debattieren wir das UN-Mandat MINUSMA. Ich möchte vorweg für MINUSMA klar herausstellen: Das Hauptziel dieses Mandates ist die Stabilisierung des Landes in der Sahelregion. Unsere Aufgabe ist es, mithilfe der Bundeswehr und an der Seite unserer europäischen und internationalen Partner Verantwortung zu übernehmen und Mali zu helfen. Ziel ist die Umsetzung des Friedensabkommens von 2015. Das ist das, was wir versuchen mithilfe des Mandats zu erreichen. 2013 drohte Mali die Kontrolle über weite Teile seines Territoriums zu verlieren oder hatte sie bereits an marodierende Räuberbanden verloren. Auf den Hilferuf der malischen Regierung reagierte Frankreich umgehend. Deutschland nun unterstützt Frankreich und stärkt so mit seinem Engagement nicht nur die malische Regierung, sondern auch die europäische Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik. In die Zukunft gedacht kann diese Zusammenarbeit beispielhaft für die beschlossene europäische Sicherheitsunion stehen. Trotz dieser erfolgreichen Kooperation wissen wir alle: Der Blauhelmeinsatz der UN in Mali ist einer der gefährlichsten, an dem sich die Bundeswehr je beteiligt hat. Eine schwierige Sicherheitslage, die katastrophale Situation der Infrastruktur und herausfordernde Witterungsverhältnisse fordern unsere Soldatinnen und Soldaten besonders. Damit kommt uns, dem Parlament, eine besondere Verantwortung zu. Alle Abgeordneten, die diesem Mandat heute zustimmen – um Ihre Zustimmung werbe ich ausdrücklich –, sind sich dieser Verantwortung bewusst – auch ich; seien Sie sich dessen versichert. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verlängerung des Mandats um drei Monate gibt uns Zeit, die Herausforderungen und Probleme des Einsatzes anzusprechen und gegebenenfalls nachzujustieren. Auch ich bin schon im Gespräch in meinem Wahlkreis Friesland – Wilhelms­haven – Wittmund; denn 52 Soldatinnen und Soldaten des Objektschutzregiments der Luftwaffe aus Upjever, also direkt aus meinem Wahlkreis, sind vor Ort in Mali und leisten dort als Teil des Einsatzkontingentes hervorragende Arbeit. Beispielsweise sichern sie einen Flughafen. Ich freue mich deshalb besonders, dass der Kommandeur, Oberst Walter, als Vertreter der Objektschützer heute auf der Besuchertribüne zu Gast ist. Damit unterstreicht er, wie ich finde, wie sehr die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bedrohungen in Mali sind häufig asymmetrisch. Radikale Rebellengruppen quälen die Bevölkerung, und der unübersichtliche Norden dient als Rückzugsort für international agierende Terrornetzwerke. Nur ein funktionierender Staat kann dagegenhalten. Gerade deswegen geht es darum, Mali zu stabilisieren. Und, sehr verehrte Damen und Herren, es ist sehr wohl im Interesse Deutschlands und der globalen Gemeinschaft, in Mali gegen Armut, Kriminalität und Terrorismus und für stabile staatliche Strukturen einzutreten. Um dort diese Probleme anzugehen und die Kernpunkte des Friedensabkommens umzusetzen, ist ein vernetzter Ansatz entscheidend. Das heißt, das Engagement der Bundeswehr muss mit der Diplomatie und der Entwicklungszusammenarbeit Hand in Hand gehen. Die Kernpunkte des Friedensabkommens sind die bessere Integration der Bevölkerung aus dem Norden, um sie nicht strukturell vom Staatsdienst in Armee und Verwaltung auszuschließen, sowie die Neuordnung des Sicherheitssektors und die Entwaffnung der Rebellen. Es ist wichtig, vertrauensbildende Maßnahmen zwischen den Konfliktparteien einzuleiten, um einen gesellschaftlichen Versöhnungsprozess und einen nationalen Dialog zu beginnen und darüber hinaus Entwicklungsprogramme und die verstärkte Autonomie für Nordmali zu fördern. Kurz gesagt: Das Ziel ist, Mali auf seinem Weg in eine friedliche und stabile Zukunft zu unterstützen. Folgenden Fragen müssen wir uns allerdings stellen: Wie kann das zukünftige Engagement der Bundeswehr in Mali aussehen? Wie können die Fähigkeiten und Kompetenzen unserer Soldatinnen und Soldaten optimal eingesetzt werden? Und wie schaffen wir es, dass die Ausrüstung den ortsüblichen Witterungsumständen bestmöglich standhält? Es gehört aber auch zu unserer Verantwortung, unsere Fähigkeiten zu gewährleisten und sicherzustellen. In der letzten Debatte hat die Ministerin gesagt, dass die Hubschrauber Tiger und NH90 nur noch bis zum Sommer 2018 in Mali sein werden. Es gehört, finde ich, tatsächlich zu unserer Verantwortung, sicherzustellen, dass die Ablösung unserer Hubschrauberflotte einwandfrei funktioniert und der Fortgang des Einsatzes garantiert wird. Deshalb möchte ich meine Erwartungen an die zukünftige Bundesregierung deutlich formulieren: Der Friedensprozess in Mali muss fortgeführt werden, indem wir unser Engagement in der Region um Bamako ausweiten. Die Ablösung unserer Truppenteile muss einwandfrei vollzogen werden. Die Zivilgesellschaft des Landes muss stärker in den Friedensprozess eingebunden werden, und die Korruption im Lande muss dringend weiter massiv bekämpft werden. Mir ist klar: Diese Erwartungen können nur erfüllt werden, wenn es zügig zu einer Regierungsbildung in Deutschland kommt, damit die Mandate der Bundeswehr die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen. Das sind wir unserer Parlamentsarmee schuldig. Allen Soldatinnen und Soldaten, besonders denjenigen, die während der Weihnachtszeit für Deutschland ihren Dienst in Mali oder in anderen Auslandseinsätzen leisten, sende ich von hier sehr herzliche Grüße und unseren Dank für ihren Einsatz. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Kollegin Möller. – Nächster Redner: Jürgen Hardt für die CDU/CSU-Fraktion. – Ich bitte auch die Herren in der ersten Reihe der CDU/CSU-Fraktion, ihren Rednern zuzuhören. Die Herren merken gar nicht, dass ich mit ihnen rede. – Danke, Herr Kauder. Jetzt ist Herr Hardt an der Reihe, und wir hören ihm auch zu.
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Sabine Dittmar SPD
Sabine
Dittmar
SPD
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Unsere vor 25 Jahren eingeführte soziale Pflegeversicherung ist eine echte soziale Errungenschaft. Das Pflegerisiko wurde erstmals finanziell abgesichert. Aber mit Blick auf den demografischen Wandel erkennen wir, dass der Bedarf an Pflegeleistungen natürlich enorm ist und vor allem weiter steigen wird. Aus diesem Grund haben wir nicht nur in dieser, sondern auch schon in der vergangenen Legislaturperiode vieles auf den Weg gebracht, um unseren Pflegesektor zukunftssicher zu machen. Ich kann Ihnen sagen: Wir werden in diesen Anstrengungen nicht nachlassen. Die Leistungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige wurden deutlich ausgeweitet. Sie wurden auch auf kognitiv eingeschränkte Patientinnen und Patienten erweitert. Die Kurzzeit- und Verhinderungspflege wurde flexibilisiert, Versorgungslücken nach einem Krankenhausaufenthalt wurden gesetzgeberisch geschlossen, und die Personalausstattung wurde aufgestockt. Ich bin mir sicher, wenn das jetzt in Auftrag gegebene Gutachten zur Personalbemessung vorliegt und die Ergebnisse umgesetzt werden, wird das Personal weiter aufwachsen. Mir ist es wichtig, dass dieses Personal verbindliche Tarifverträge und eine gute Bezahlung erhält. Diese Leistungsverbesserungen gibt es nicht umsonst. Gute Pflege hat ihren Preis, und zwar zu Recht. Es darf aber nicht sein, dass die zu erbringenden Eigenleistungen, Eigenanteile – wir erleben dies vor allem im stationären Bereich, wenn vollstationäre Leistungen lange in Anspruch genommen werden – aus dem Ruder laufen. Hier gilt es Schranken einzubauen. Im Positionspapier der SPD-Fraktion „Pflege solidarisch gestalten“ – Sie weisen dankenswerterweise in Ihrem Antrag darauf hin – haben wir deshalb noch einmal zusammengefasst, welche Schritte wir für notwendig erachten, um Pflege solidarisch abzusichern. Wir begreifen Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe und wollen die soziale Pflegeversicherung zu einer echten Pflegebürgerversicherung weiterentwickeln. Ein erster Schritt ist, die jetzige Konzeption der Pflegeversicherung, die als Teilkostenversicherung konzipiert ist, hin zu einer echten Teilkaskoversicherung weiterzuentwickeln. Das heißt, wir wollen nicht mehr die Zuschüsse der Pflegeversicherung deckeln, vielmehr sollen die Eigenanteile der Pflegebedürftigen gedeckelt werden. So wird die finanzielle Belastung durch Pflege überschaubar. Wenn man sich aber die Investitionskosten, die zu Buche schlagen, je nach Einrichtung und Bundesland anschaut, dann hat man manchmal den Eindruck, dass man den Heimplatz dauerhaft erwirbt. Ich denke, im Bereich Investitionskosten – diese galoppieren wirklich davon – sind die Länder eindringlich gefordert, ihre Hausaufgaben zu machen. Das betrifft im Übrigen auch die moderne Landespflegeplanung. Hier geht der Appell an die Grünen. Ich war ein bisschen überrascht, dass ausgerechnet Baden-Württemberg aus der Landespflegeplanung ausgestiegen ist. Sehr geehrte Damen und Herren, Planbarkeit und Verlässlichkeit sind zentrale Aspekte von guter Pflege. Mit dem gestern verabschiedeten Angehörigen-Entlastungsgesetz leisten wir auch da einen effizienten Beitrag. Wenn Kinder oder Eltern Leistungen der Hilfe zur Pflege oder andere Leistungen der Sozialhilfe beziehen, müssen sie sich zukünftig keine Sorgen hinsichtlich einer finanziellen Überlastung machen. Die Einkommensgrenze liegt bei 100 000 Euro im Jahr. Ein wichtiges Anliegen ist mir auch ganz persönlich – ich sage das aus voller Überzeugung, weil ich erst vor Kurzem von heute auf morgen Pflege organisieren musste –, dass wir mehr Kurzzeitpflegeplätze zur Verfügung stellen und dass diese für den Träger auskömmlich finanziert sind. Es ist genauso wichtig, dass wir endlich dafür sorgen, dass die Leistungen der Pflegeversicherung flexibler eingesetzt werden können, also endlich ein Entlastungsbudget eingeführt wird, wie wir es im Koalitionsvertrag vorgesehen haben. Ich denke, dass Minister Spahn zeitnah einen Entwurf vorlegen wird. Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Blick auf die häusliche Pflege werfen. Pflege in Deutschland wird nach wie vor zum größten Teil innerhalb der Familie geleistet und dort vor allem von Frauen. Die SPD möchte deshalb pflegende Angehörige und damit vor allem die rund 3 Millionen Frauen, die familiäre Pflege leisten, besser absichern. Dazu wollen wir einen Anspruch auf Pflegezeit mit Lohnersatzleistungen einführen analog zur Elternzeit mit Elterngeld. Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, es wurde viel getan. Wir haben noch viel vor uns. Aber ich erkenne hier im Plenum einen großen Konsens, konstruktiv an einer guten Lösung zu arbeiten. Ich freue mich deshalb auf die parlamentarische Debatte. Vielen Dank, Sabine Dittmar. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Dr. Wieland Schinnenburg.
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Hermann Gröhe CDU/CSU
Hermann
Gröhe
CDU/CSU
Herr Präsident! Herr Minister, lieber Hubertus Heil! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich habe mich auf diese Debatte über die vom Minister vorgestellten Pläne der Großen Koalition im Bereich Arbeit und Soziales gefreut. Dazu gleich mehr. Aber zuerst eine kurze Entgegnung auf das, was wir eben vom Kollegen Witt gehört haben. Ihre Polemik zeigt vor allen Dingen eins: Sie haben vom Wesen des deutschen Sozialstaates nichts verstanden. Ein Sozialstaat unserer Prägung, der auf der Anerkennung der Würde eines jeden Menschen, Artikel 1 des Grundgesetzes, beruht, meint im Kern ein „Wir füreinander“ und niemals ein „Wir gegen die anderen“, meine Damen, meine Herren. Wer einer Spaltung der Gesellschaft das Wort redet, ist kein tauglicher Ratgeber für den Zusammenhalt in diesem Land. Um genau diesen Zusammenhalt und um die Zukunft des Sozialstaats geht es. Ich unterstreiche das, was die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung und auch heute der zuständige Minister gesagt haben: Das zentrale Ziel für uns ist die Vollbeschäftigung. – Die starke Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in den letzten zehn Jahren und die in vielen Regionen, nicht zuletzt im Süden und Südwesten Deutschlands, erreichte Vollbeschäftigung zeigen, dass dies ein realistisches Ziel ist. Teilhabe am Arbeitsmarkt ermöglicht eigenverantwortliche, selbstbestimmte Lebensführung. Das vermittelt Sinn. Herr Kollege Gröhe, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion? Jetzt nicht. – Eine gute Beschäftigungslage ist Grundlage stabiler sozialer Sicherungssysteme. Wir sehen dies an den starken Leistungen und zugleich an der Möglichkeit sinkender Beiträge in der Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung. Dass wir im Jahr 2018 mit deutlich spürbaren Rentensteigerungen rechnen können, ist ebenfalls der guten Lohnentwicklung auf einem brummenden Arbeitsmarkt zu verdanken. Dies alles zeigt: Wirtschaftliche Vernunft und soziale Verantwortung gehören untrennbar zusammen. Das ist die Grundüberzeugung der CDU/CSU-Fraktion. Noch so gut gemeinte Ideen, die die weitere gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt gefährden, führen nicht weiter. Unbezahlbare Forderungen nach immer mehr Leistungen mögen zwar zur Oppositionsrhetorik taugen, sind aber keine verantwortliche Politik. Vollbeschäftigung erreichen wir dann, wenn wir uns verstärkt und möglichst zielgenau um die verschiedenen Gruppen im Bereich der Langzeitarbeitslosen kümmern. Hier sieht der Koalitionsvertrag wichtige Maßnahmen vor, verbunden mit einer deutlichen Anhebung des Eingliederungstitels und auch mit einem Blick auf die Gesamtsituation nicht zuletzt der Familien und der jungen Leute. Dazu gehören auch die Fortsetzung der Förderung schwer zu erreichender junger Menschen nach § 16h SGB II und die Verstetigung der Mittel in Höhe von 50 Millionen Euro jährlich, eigens im Eingliederungstitel ausgewiesen, für Maßnahmen wie assistierte Ausbildung, Begleitungshilfen und vieles andere mehr. Dieser Zusammenhang von wirtschaftlicher Vernunft und sozialer Verantwortung zeigt sich auch dann, wenn wir bei neuen Verpflichtungen für Arbeitgeber, auch Einschränkungen beispielsweise im Bereich von Befristungen, die Lage von kleinen und mittelständischen Betrieben und ihre große Bedeutung für den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt besonders in den Blick nehmen. Deswegen gilt: Ja, wir wollen das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelfall. Wir wollen den Missbrauch von Befristungen abschaffen. Deswegen werden Kettenbefristungen bald der Vergangenheit angehören. Zugleich wollen wir Flexibilität. Deswegen sehen wir bestimmte Vorschriften nur für Betriebe mit mehr als 75 Beschäftigten vor. Ein Rückkehranspruch in Vollzeit – das ist ein anderes Thema, das der Minister bereits angesprochen hat – soll nur für Betriebe mit mehr als 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten. Das sind gute Kompromisse zwischen unterschiedlichen Zielsetzungen. Wir haben über diese Kompromisse auch in den Koalitionsverhandlungen hart, aber immer fair gerungen. Ich sage den Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion gerne zu: Wir werden ein verlässlicher Umsetzer und gegebenenfalls auch ein entschlossener Wächter dieser Kompromisse sein. Lassen Sie mich auch einige Anmerkungen zum Thema Rente machen. Herr Minister Heil hat die verschiedenen Verbesserungen, die wir kurzfristig vorgesehen haben, genannt: Grundrente, Mütterrente, Erwerbsminderungsrente. Ich ergänze noch die Altersvorsorgepflicht für alle Selbstständigen. Zugleich wissen wir, dass es ab 2025 bzw. 2030 große Herausforderungen gibt, die beiden Ziele – keine Überforderung der Beitragszahler und eine verlässliche Altersvorsorge – in Einklang zu bringen. Deswegen war es der Union auch schon vor der Wahl sehr wichtig, zu sagen: Wir wollen in einer Kommission gemeinsam mit den Sozialpartnern dieses Konzept für die Zeit nach 2025 auch im Sinne einer Vertiefung – mancher würde sagen: Neubegründung – eines stabilen Rentenkonsenses erarbeiten. Ich freue mich, dass diese Kommission alsbald die Arbeit aufnehmen wird. Der Minister hat das Erforderliche gesagt. Im Übrigen ist eine öffentliche Debatte im Parlament ein normaler Austausch zwischen den Regierungsfraktionen und den Oppositionsfraktionen. Das gilt im Fachausschuss sicher in gleicher Weise. Wir stehen ein für Generationengerechtigkeit. Verzicht auf neue Schulden und Rekordinvestitionen in Bildung: Das ist Ausweis einer Politik, die sich der Generationengerechtigkeit verpflichtet weiß. Ich sage aber sehr deutlich: Ich habe kein Verständnis dafür, wenn gut bezahlte Leitartikler eine Grundrente oder die angemessene Unterstützung der Pflege gleichsam als ein unanständiges Wahlgeschenk diffamieren. Dafür habe ich keinerlei Verständnis. Ich glaube übrigens – wen immer das angehen mag –: Weder hier im Haus noch außerhalb wird es gelingen, Generationen gegeneinander aufzuhetzen. Nicht jeder Ältere hat Kinder und Enkel. Aber jeder Jüngere hatte oder hat Eltern und Großeltern. Ich setze auf diese Generation; denn sie weiß, dass eine auskömmliche Alterssicherung und eine gute Pflege ein Gebot des Anstands sind. Deswegen wird das Aufhetzen der Generationen gegeneinander keine Zukunft haben. Dem Herrn Minister wünsche ich viel Erfolg. Alles Gute bei der neuen Aufgabe! Sie können sich darauf verlassen: Wir werden nur kritisieren, wo es notwendig ist, und nur loben, sodass es die Arbeit nicht unnötig erschwert. Ich freue mich auf das Miteinander. Alles Gute! Herzlichen Dank, Herr Kollege Gröhe. – Nun spricht für die FDP-Fraktion der Kollege Johannes Vogel.
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Dr.
Dr. Marc Jongen AfD
Marc
Jongen
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Durch unsere Schuld, durch unsere Schuld, durch unsere große Schuld“ – das ist die Maxime grün-linker Gedächtnispolitik, wie wir sie heute wieder eindrucksvoll vorgeführt bekommen haben; die Antifa hätte es nicht besser sagen können. Es ist Ihr Verständnis von Geschichte, in der alle deutsche Staatlichkeit und Kultur konsequent auf das Dritte Reich und seine Verbrechen zuläuft; „von Schelling zu Hitler“, wie der Stalinist Georg Lukacs schon in den 50er-Jahren schrieb. Über diesen geistigen Horizont sind Sie bis heute nicht hinausgekommen. Sie haben nur geschickt seine hegemoniale Herrschaft ins intellektuell hilflose bürgerliche Lager hinein ausdehnen können; das muss man Ihnen lassen. Aber dieses undifferenzierte Schuldnarrativ in Bezug auf die gesamte deutsche Geschichte war damals schon falsch, und es bleibt heute genauso falsch. Jetzt haben Sie die deutsche Kolonialzeit für die Erweiterung – wie Sie schreiben – Ihrer schuldbezogenen Gedächtnispolitik entdeckt, quasi als Vorstufe zum Holocaust. Ich zitiere aus Ihrem Antrag: „Diese Verbrechen wird Deutschland niemals ungeschehen oder auch wiedergutmachen können.“ Es geht Ihnen gar nicht um eine Versöhnung am Horizont, um einen Austritt aus dieser problematischen Geschichtsepoche – es geht Ihnen in Wahrheit auch nicht um die Menschen in diesen Ländern –: Sie wollen das kulturelle Erinnern quasi in einer traumatischen Endlosschleife festschreiben, um Ihre politisch interessierte Schuldbewirtschaftung bis in alle Ewigkeit fortführen zu können. Originell ist das nicht. Sie folgen dabei dem internationalen Trend des Postkolonialismus. Die postkoloniale Ideologie ist ein notdürftig wissenschaftlich drapierter Politaktivismus, der seinen Hass auf alles Europäische, Westliche, Weiße – es gibt allen Ernstes auch schon Critical Whiteness Studies – nicht einmal zu verbergen versucht. – Hören Sie doch bitte mal zu! – Ich zitiere Frantz Fanon, einen Klassiker des Postkolonialismus – bitte schön, hören Sie zu! –: „Die Dekolonisation ist immer ein Phänomen der Gewalt …“. Sie „lässt durch alle Poren glühende Kugeln und blutige Messer ahnen“. – Wir denken da vielleicht an aktuelle Ereignisse auf unseren Straßen, ja? „Denn wenn die letzten die ersten sein sollen“ – schreibt er weiter –, „so kann das nur als Folge eines entscheidenden und tödlichen Zusammenstoßes der beiden Protagonisten geschehen.“ Jean-Paul Sartre sekundierte in atemberaubendem Zynismus: Einen Europäer erschlagen, heißt zwei Fliegen auf einmal treffen … Was übrig bleibt, ist ein toter Mensch und ein freier Mensch. Das war schon 1961 der europäische Selbsthass linker Prägung in Reinkultur, dessen Saat heute aufgeht im Form von solch giftigen Früchten wie Cancel Culture, Denkmalstürze durch einen kulturlosen Mob und die offen gewalttätige Black-Lives-Matter-Bewegung – von Frau Brugger hier offen gelobt. Danke für diese Klarheit. Diesen kulturrevolutionären Geist atmet auch Ihr Antrag. Eine zentrale Lern- und Erinnerungsstätte wollen Sie errichten, aber nicht um deutsche Kolonialgeschichte differenziert aufzuarbeiten – wie im Antrag der AfD sehr wohl gefordert, Herr Koob –, sondern als Rahmen für die Anerkennung der deutschen Kolonialverbrechen. Was anderes soll den jungen Leuten dort eingetrichtert werden als Abscheu und Scham vor der eigenen Kultur und Wehrlosigkeit gegenüber den immer dreisteren Versuchen, diese bis auf die Grundmauern zu schleifen? Dass die Postkolonialisten ohne die europäische Philosophie und Kultur gar nicht die Sprache und die Begriffe hätten, um auf dieselbe loszugehen, dieser Gedanke ist Ihnen wohl noch nie in den Sinn gekommen. – Weil ich Sie jetzt schon wieder „Revisionismus“ schreien höre: Ganz im Gegenteil: Die AfD verteidigt die Tradition der Aufklärung, die Sie in Wahrheit längst verlassen haben. Für uns sind alle Menschen mit der gleichen Vernunft begabt, und alle Argumente müssen sich vor dem Richterstuhl der Vernunft verantworten. Eine von vornherein vorgenommene Abwertung deutscher, europäischer, weißer Sprecher, diese gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, um Ihren Jargon zu borgen, machen wir nicht mit. Ich komme zum Schluss. Deshalb fordern wir bis auf Weiteres einen Stopp der Restitution von Sammlungsgütern aus kolonialen Kontexten; denn in diesem verhetzten kulturellen Klima stehen die Museen derzeit vor der Zumutung der Beweislastumkehr. Herr Kollege. Das kann es nicht sein. Vielen Dank. Danke. – Das Wort hat als nächste Rednerin für die Bundesregierung die Staatsministerin Michelle Müntefering.
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Dr. Ingrid Nestle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ingrid
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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe großen Respekt vor der Aufgabe, die unsere Koalition sich vorgenommen hat, nämlich die Energieversorgung sicher und sauber zu gestalten. Ich habe großen Respekt davor, denn keiner schüttelt eine Energiewende einfach aus dem Ärmel, und zudem sind wir in ganz vielen Bereichen schwer im Rückstand. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist ein sehr deutliches Beispiel dafür. Deshalb ist es genau richtig, was Minister Habeck gestern gemacht hat, nämlich innerhalb kürzester Zeit – wenn wir ehrlich sind, war nicht viel mehr als eine Weihnachtspause zwischen Amtsantritt und gestern – ein umfangreiches Paket für die Energiewende vorzulegen, das den Ausbau der erneuerbaren Energien massiv beschleunigen wird. Das ist genau richtig, aus verschiedenen Gründen. Und, Herr Ernst, vielleicht hat Herr Habeck nicht das Wort „Arbeitsplatz“ verwendet. Ich habe aber genau gehört, wie er von der Wirtschaftspolitik für Gesellschaft und Arbeit gesprochen hat, und ich glaube, wir sollten uns hier nicht über Worte, sondern über Inhalte unterhalten. Und ja, natürlich sind die erneuerbaren Energien auch ein Arbeitsplatzbooster. Es ist auch genau richtig, die erneuerbaren Energien jetzt auszubauen, weil sie auf alle drei zentralen Fragen der Energieversorgung die Antwort sind. Wir wollen Energieversorgung sauber, wir wollen sie sicher und wir wollen sie bezahlbar haben. Sauber ist sie im Moment nicht; das kann keiner behaupten. Die erneuerbaren Energien sind der Schlüssel, um sie sauber zu bekommen. Sicher ist die Energieversorgung zurzeit. Aber damit sie sicher bleibt, muss der Zubau natürlich auch funktionieren. Es kann nicht reichen, aus Atom und Kohle auszusteigen, wenn man nicht gleichzeitig den Zubau auch tatsächlich hinbekommt. Dafür, dass wir ihn hinbekommen, hat Herr Habeck gestern die Maßnahmen vorgelegt. Die Energieversorgung muss aber auch bezahlbar sein. Derzeit ist sie für viele nicht mehr bezahlbar, weil die Energiepreise explodieren, weil die Gaspreise – die Preise für fossiles Gas – explodiert sind und in der Folge auch die Strompreise. Herr Holm, da haben Sie die Wirklichkeit wirklich vollkommen verdreht: Ja, Energie ist gerade sehr teuer; aber nein, Energie ist nicht teuer wegen der erneuerbaren Energien. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist der Schlüssel dafür, mittelfristig die Energiepreise wieder herunterzubekommen, ist der Schlüssel dafür, dass wir uns unabhängig machen von den Preissteigerungen, von den völlig unberechenbaren Preisexplosionen, die die Fossilen uns gerade bescheren. Dann kommen Sie wahrscheinlich wieder – das haben Sie jetzt nicht gesagt, aber ich merke schon, dass Sie es denken – und sagen: Ja, aber Wind- und Sonnenenergie sind doch wetterabhängig. – Ja, natürlich sind die wetterabhängig; aber jedes Gigawatt mehr Windenergie oder PV könnte die Preise ein Stück weit senken. Hätten wir mehr Erneuerbare für die Erzeugung von Strom und Wärme, dann wären die Gasspeicher deutlich besser gefüllt und wir würden uns heute keine Sorgen über eine Preisexplosion machen. Die Atomenergie haben Sie genannt. Atomenergie ist sowieso dreimal so teuer wie Erneuerbare. Es handelt sich also um eine reine „Ich möchte in der Vergangenheit leben und nichts mit der Realität zu tun haben“-Aussage. Jetzt muss ich leider zum Schluss kommen. Ich wünsche es mir sehr und bin davon überzeugt, dass wir es hinbekommen, eine nicht ideologisch geprägte Debatte zu führen, sondern eine, die dafür sorgt, dass die Stromversorgung und die Energieversorgung wirklich funktionieren, sicher und bezahlbar, im Einklang mit den Klimazielen. Selbst damit werden wir alle Hände voll zu tun haben. Ich freue mich sehr auf die Aufgabe. Es geht los. Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Andreas Jung.
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Dr.
Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU
Norbert
Röttgen
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage, die wir heute debattieren, ist so dramatisch, so ernst, dass wir uns ihr in Ernsthaftigkeit stellen müssen – kritisch, selbstkritisch. Ich möchte dazu sagen: Mir ist überhaupt nicht nach wahlkampfgeprägten Vorwürfen zumute, dafür ist die Lage viel zu ernst. Zunächst einmal geht es heute darum, dass der Deutsche Bundestag darüber abstimmt, ob die Rettungsaktion der Soldatinnen und Soldaten die parlamentarische Zustimmung erhält. Wenn der Bundestag diese verweigern würde, müssten die Soldaten ihre Rettung sofort einstellen. Darum möchte ich mich an Herrn Bartsch wenden. Sie haben gesagt, Herr Bartsch, es gehe um die Rettung von Menschen, von Menschenleben; Sie haben dafür Glück und Erfolg gewünscht. Ich schließe daraus, dass Sie diesem Antrag doch noch zustimmen werden; denn sonst wäre es eine zutiefst unehrliche Rede gewesen. Wer hier nicht zustimmt, verweigert die Rettung von Leben, von Menschenleben. Das ist ein moralisches Versagen, das Sie dann mit der AfD-Fraktion teilen. Überlegen Sie sich, wie Sie sich gegenüber Menschen verantwortlich verhalten. Das ist die Konsequenz. Wir haben hier 20 Jahre lang über die Einsätze der Bundeswehr entschieden und über den Sinn dieser Einsätze diskutiert. Ich muss sagen: Der Sinn der Bundeswehreinsätze in Afghanistan über 20 Jahre ist jetzt auf dramatische Weise klar geworden. Ob die Bundeswehr in Afghanistan ist oder nicht, ob die NATO in Afghanistan ist oder nicht, das macht exakt den Unterschied aus zwischen einem relativ freien und sicheren Leben der Afghanen in Afghanistan oder der Herrschaft der Taliban, meine Damen und Herren. Das ist der Unterschied, den die Bundeswehr und die NATO ausgemacht haben. Und das ist der Sinn und die Legitimation des Einsatzes, dem wir zugestimmt haben. Dass der amerikanische Präsident diesen Einsatz mit dieser Wirkung, der Verhinderung der Talibanherrschaft, ohne Not, ohne zwingenden Grund beendet hat, darin sehe ich das moralische und politische Versagen des Westens, das die Folge dieser Entscheidung war. Kollege Röttgen, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Hampel? Nein, möchte ich nicht. – Das ist das Versagen: dass wir den Schutz entzogen haben, den wir den Afghanen gegeben haben. Darum, Frau Kollegin Baerbock, hätte es Format gehabt – ich komme gleich noch zur selbstkritischen Anmerkung –, wenn Sie sich als Vorsitzende Ihrer Partei und Kanzlerkandidatin hier an diesem Pult auch im Nachhinein mit den Folgen und der Bedeutung der Entscheidung der großen Mehrheit der Mitglieder Ihrer Fraktion beschäftigt hätten, der Verlängerung des Bundeswehreinsatzes nicht zuzustimmen. Es ist eine Entscheidung gewesen, die Sie getroffen haben, die auf der Linie des amerikanischen Präsidenten liegt, die nur vorher getroffen wurde und die genau diese Ereignisse zur Folge hatte, die wir jetzt beklagen. Auch diese Verantwortung, die Sie durch die Entscheidung in Ihrer Fraktion haben, muss reflektiert werden. Herr Kollege – – Und genauso muss ausgesprochen werden, dass die Regierung eine Lageeinschätzung haben konnte, die sie mit allen anderen geteilt hat, dass es eher das gute Szenario gibt. Aber selbstverständlich hätte die Regierung sich auch mit dem schlechten Szenario beschäftigen und sich auf dieses Szenario anders vorbereiten müssen. Auch das muss ausgesprochen werden. Beide Seiten müssen, glaube ich, hier thematisiert werden. Herr Kollege Röttgen, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Nouripour? Ja, bitte. Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Herzlichen Dank, Kollege Röttgen. – Ich bin in den letzten Jahren einer derjenigen gewesen, die diesem Einsatz immer zugestimmt haben. Ich war sehr oft in Afghanistan, kenne dort sehr viele Leute, und ich kann die Landessprache. Wir haben über jede einzelne Verlängerung immer eine lange Diskussion miteinander geführt. Es gab eine Mehrheit in meiner Fraktion, die dem Einsatz nicht zugestimmt hat. Sie hat sehr klar und deutlich gesagt, dass sie zwar weiß, dass wir an die afghanische Bevölkerung, an unsere Freunde und vor allem an unsere Freundinnen in Afghanistan, ein Signal setzen müssen, dass wir auf ihrer Seite stehen, dass sie aber kein Vertrauen in diese Bundesregierung und ihre Art und Weise hat, durch diesen Einsatz zu führen. Ganz ehrlich: Wenn ich mir die letzten zwei Wochen, die Untätigkeit dieser Bundesregierung der letzten Wochen und Monate und den Sonderweg anschaue – Frau Merkel hat gerade ja behauptet, dass es ihn nicht gebe –, auf dem Deutschland so viel an den Zahlen herumgewerkelt hat, bis es jetzt nur noch 2 500 Ortskräfte sein sollen – Herr Grotian sagt, allein bei der Bundeswehr seien es 8 000 –, dann muss ich sagen: Es gab in meiner parlamentarischen Karriere noch nie einen Moment, in dem ich dieses Misstrauen meiner Fraktion so gut verstanden habe. Es gab noch nie so viele Belege dafür, dass es richtig war, dass meine Fraktion dieser Regierung mehrheitlich nicht vertraut hat. Herr Kollege Nouripour, wenn ich es richtig weiß, dann haben Sie dem Antrag der Bundesregierung zugestimmt. Sie haben also anders abgestimmt als die Mehrheit Ihrer Fraktion, und Sie haben die Motive offensichtlich nicht geteilt. Dass die Opposition die Bundesregierung für ihre Politik in allen möglichen Bereichen kritisiert, ist der Sinn von Opposition. Insofern bin ich dankbar, dass Sie den Punkt herausgearbeitet haben. Wir wissen es jetzt dramatisch besser als vorher – das räume ich ein –: Es ging in Bezug auf diese Mandate und die Frage, ob die Bundeswehr und die NATO in Afghanistan aktiv sein sollten, nicht in erster Linie um eine Kritik der Opposition an der Regierung – ja, auch, aber nicht in erster Linie und nicht entscheidend –, sondern es ging darum, zu verhindern, dass das passiert, was jetzt Realität ist, dass nämlich die brutale Talibanherrschaft wieder da ist, dass der Fanatismus regiert. Darum ging es. Deshalb haben Sie sich, Kollege Nouripour, anders entschieden als die Mehrheit Ihrer Fraktion. Es war eine richtige Entscheidung, und ich respektiere Sie sehr dafür. Dass Sie jetzt das Votum der Mehrheit rechtfertigen, spricht auch für Sie, aber es ändert nichts am Sachverhalt. Zumindest im Nachhinein ist klar – und ich glaube, die Mehrheit hat es auch im Vorhinein schon so gesehen –: Es gab diesen legitimierenden, befriedenden Sinn unseres Einsatzes. – Die Katastrophe ist, dass er beendet wurde. Die Mehrheit der Grünen hat für die Beendigung gestimmt, und das ist die historische Wahrheit, mit der wir es zu tun haben. Ich glaube, dass wir die großen, weitreichenden Konsequenzen dieser Katastrophe noch nicht ermessen können. Die USA sind in ihrem außenpolitischen Anspruch, den ihre neue Administration mit sehr viel Erwartung und Hoffnung formuliert hat, beschädigt. Die USA und die Administration werden nicht mehr da anknüpfen können, wo es geendet hat. Wir haben diese Art des Rückzugs der USA ja übereinstimmend für falsch gehalten – die meisten hier jedenfalls, die Mehrheit –, aber wir sind ihr gefolgt. Wir mussten ihr folgen, weil es keine europäischen Fähigkeiten gibt, unsere eigene Politik selber abzusichern. Wir haben erneut europäische Ohnmacht erlebt. Wenn es eine Konsequenz gibt, mit der wir uns beschäftigen müssen, wenn es ein nationales Gebot gibt, Konsequenzen zu ziehen und aus dem Versagen, das wir erlebt haben, zu lernen, dann ist es Folgendes: Wir müssen die europäische Ohnmacht, wenn es um unsere Werte und unsere eigenen Interessen geht, beenden. Wir dürfen uns dieser Ohnmacht nicht weiter hingeben, sondern wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir das, was wir politisch und außenpolitisch für richtig halten, auch verwirklichen können – und nicht nur in den Fällen, in denen wir mit den USA übereinstimmen, sondern auch in den Dissensfällen. Das ist die Lehre, die wir daraus ziehen müssen. Kollege Röttgen, Sie sind sehr gefragt. Das ist doch mal eine freundliche Feststellung in dieser Debatte. Vielen Dank, Frau Präsidentin. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Ernst? Nein, möchte ich nicht. – Ja, ja. – Es geht um die Frage, wie wir damit umgehen. Wir brauchen einen politischen Willen der Europäer. Es werden in den nächsten Monaten nicht die EU-27 sein, aber wir müssen handeln. Also muss die deutsche Außenpolitik mit anderen Staaten zusammen aktiv werden, sofort etwas tun. Was wir brauchen – auch das ist eine unausweichliche Debatte –, sind besser ausgestattete, überhaupt vorhandene militärische Fähigkeiten als Teile deutscher und europäischer Außenpolitik. Wenn wir nicht in der Lage sind, in Extremfällen, in Ausnahmefällen, unsere politischen Ziele – Frieden, Verständigung, Vernunft, Menschenrechte – auch militärisch abzusichern, dann werden wir diese Ziele nicht verwirklichen können. Auch mit dieser Realität müssen wir uns beschäftigen. Eine letzte Bemerkung. Ich weiß nicht, wie viel wir in den nächsten fünf Wochen über die Fragen, wer wir in dieser chaotischen, gefährlichen Welt sein wollen, was wir bewirken wollen, was wir dafür einzusetzen bereit sind, diskutieren werden. Ich bin mir aber sicher: Alle diese Fragen werden uns in den nächsten Jahren begegnen, und wir können und sollten ihnen nicht ausweichen, sondern wir müssen sie im Sinne unseres deutschen Selbstverständnisses in Europa und in der Welt beantworten. Kollege Röttgen. Das ist unser nationales Interesse: selber zu bestimmen, wie wir unsere Werte und Interessen vertreten. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Das Wort hat der Kollege Marco Bülow.
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Josip Juratovic SPD
Josip
Juratovic
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute führen wir erneut eine Debatte über die Verlängerung des KFOR-Mandats; ich bitte um Zustimmung. Zuerst will ich mich – auch im Namen unseres Hauses – bei den Soldatinnen und Soldaten für ihren unermüdlichen Einsatz für die Sicherheit der Menschen in Kosovo und der Region bedanken, da die Regierung vor Ort offensichtlich nicht dazu imstande ist, die Sicherheit zu gewährleisten. Leider hat auch die Politik der Weltgemeinschaft beim Zerfall Jugoslawiens schwerwiegende Fehler begangen, aus denen wir heute lernen müssen. Das 1977 nach der nötigen Anzahl an Ratifizierungen der UN-Charta in Kraft getretene Recht auf Selbstbestimmung der Völker war ein Segen für die Wiedervereinigung Deutschlands, für Ex-Jugoslawien jedoch verhängnisvoll. Selbstbestimmung der Völker ohne Festhalten an der Charta der Menschenrechte verhindert Demokratie und schafft Nationalismen und somit jene schrecklichen Folgen, die wir aus dem blutigen Zerfall Ex-Jugoslawiens kennen. Es klingt zynisch: Die EU hat die politischen Zustände auf dem Westbalkan selbst mit ermöglicht – und stellt nun die EU-Beitrittsperspektive dieser Länder mangels demokratischer Werte infrage. Warum sollten Nationalkommunisten Ex-Jugoslawiens, die das Land ausgeplündert, die Völker in kriegerisches Verderben geführt und die Länder inzwischen im Nationalismus eingekerkert haben, für Rechtsstaatlichkeit sorgen? Eine demokratische Wertegemeinschaft auf dem Westbalkan war von deren politischen Eliten nie gewollt. Diese Eliten haben inzwischen in der EU ein neues Vorbild gefunden: Viktor Orban und die sogenannten Visegrad-Staaten. Orban ist inzwischen das trojanische Pferd Chinas in der EU und nutzt den Westbalkan zunehmend als ein Übungsgelände für jede Schweinerei. Beispiel: sogenannte Non-Papers, die Orbans Handschrift tragen. Als mir vor ein paar Jahren ein bosnisch-herzegowinischer Politiker beim Thema „Einhaltung der demokratischen Grundrechte“ argumentativ nichts mehr entgegenbringen konnte, sagte er folgenden Satz: Juratovic, Europa ist schwach, und wir haben Zeit. – Er scheint inzwischen recht zu haben. Wenn man sieht, dass eine kleine rechtsradikale Partei Bulgariens im Falle der Eröffnung der EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien über die Zukunft Europas bestimmt, dann ist die Balkanisierung Europas nicht mehr weit. Kolleginnen und Kollegen, der Westbalkan ist nicht unmenschlicher oder menschlicher als der Rest der Welt. Was wir lernen müssen, ist, dass die Ursache für Krieg auf dem Westbalkan nicht die lange Historie der Region ist. In Wirklichkeit ist die Ursache das politische Versagen der jüngsten Geschichte, welches es aufzuarbeiten gilt. Wir müssen lernen, dass ein Srebrenica auch in der EU inzwischen jederzeit und überall möglich ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Europa befindet sich heute am Scheideweg in der Frage: Wollen wir ein Europa der wirtschaftlichen Interessen und eines politischen Konsenses auf dem Niveau von Orban, oder wollen wir ein institutionell starkes Europa der Menschenrechte und demokratischen Werte? Ich stehe für die Vereinigten Staaten von Europa. Dieses Projekt wird wohl nicht auf Anhieb mit 27 Mitgliedstaaten funktionieren, sondern zu Beginn zunächst mit Staaten, die willig sind. Es ist aber die einzige Möglichkeit, wenn wir die Balkanisierung der Europäischen Union verhindern wollen. Kolleginnen und Kollegen, die letzten vier Minuten meiner Redezeit im Deutschen Bundestag neigen sich dem Ende zu. Ich möchte mich bei allen unter Ihnen bedanken für den fairen Umgang mit mir als bekennendem Arbeiter und Gastarbeiter im Deutschen Bundestag. Als Sozialdemokrat und gläubiger Christ bitte ich Sie: Verbinden Sie bei all Ihren politischen Entscheidungen den Gottesbezug in der Präambel unseres Grundgesetzes mit Artikel 1 unserer Verfassung! Seien Sie wachsam; denn wer in der Demokratie schläft, wird in der Diktatur aufwachen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, und Gott segne Sie! Alles Gute, Herr Kollege Juratovic! Ich möchte noch einmal auf Tagesordnungspunkt 31 zurückkommen. Wir schließen in fünf Minuten die Abstimmung. Wer also noch abstimmen möchte, den bitte ich, das jetzt zu tun. Nächster Redner ist der Abgeordnete Rüdiger Lucassen, AfD-Fraktion.
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Timon Gremmels SPD
Timon
Gremmels
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Stellen wir uns vor, wir hätten im März auf Merz gehört. Am 9. März hat Friedrich Merz der Presse gesagt: Nach dem Aus der Ostseepipeline Nord Stream 2 fordert die CDU/CSU im Bundestag auch den Stopp von Nord Stream 1. Diese Einschränkungen in der Gasversorgung wären hart, aber akzeptabel. Zitat Friedrich Merz: „Wir sind der Meinung, dass wir das akzeptieren müssen angesichts der Lage, die dort entstanden ist.“ Sie haben im März gefordert, Nord Stream 1 vom Netz zu nehmen. Was wäre dann passiert? Wir hätten erstens unsere Speicher nicht füllen können, zweitens wäre es für die Verbraucher richtig teuer geworden, und drittens hätten wir insgesamt weniger Gas zur Verfügung. Man kann zu diesem Thema eine Aktuelle Stunde beantragen, aber in der muss man dann auch die eigene politische Verantwortung adressieren. Hätten wir auf die CDU/CSU gehört, hätten wir Nord Stream 1 abgeschaltet, aber dann hätten wir heute eine ganz andere Situation. Deswegen sind Ihre Krokodilstränen heuchlerisch. – Natürlich haben Sie das gefordert. Das könne Sie gerne nachlesen. Aber wenn Sie sich von Ihrem eigenen Fraktionsvorsitzenden distanzieren, Herr Spahn, dann ist das auch eine Nachricht wert. Sie sagen, Sie hätten das nie gefordert. Lesen Sie bitte nach, was Friedrich Merz gesagt hat, meine sehr verehrten Damen und Herren. Nun fordern Sie Alternativen. Das kann man machen. Sie sagen auf einmal, die Atomkraft sei eine Alternative. Ich habe das Gefühl, dass manch einer in der Union lange darauf gewartet hat, diese alten Konzepte aus der Schublade rauszuholen. Nach dem Motto „Jetzt ist Krieg, jetzt können wir alles Mögliche fordern“ kommen diese alten Konzepte wieder auf den Tisch. Das ist nicht die richtige Antwort. Überlegen Sie doch mal: Wenn wir die Laufzeit von Atomkraftwerken verlängern würden: Wo kommen denn die Brennelemente her? Die Hälfte der Brennelemente kommt aus Russland. Man würde sozusagen den Teufel mit dem Beelzebub austreiben, wenn wir statt Gas aus Russland Atombrennstäbe aus Russland importieren würden. Das ist die Politik der Union. Blicken wir in die Atomrepublik Frankreich. Was machen die Franzosen? 56 Atomkraftwerke haben sie am Netz. Viele sind stillgelegt, weil sie in Wartung sind bzw. weil es so warm ist, dass mit den Flüssen gar nicht mehr ausreichend gekühlt werden kann. Das ist doch der Punkt. Herr Spahn, wir haben im Mai Strom nach Frankreich exportiert, weil die Atomkraftwerke dort nicht funktioniert haben. Wir haben dafür gesorgt, dass in Frankreich die Lichter nicht ausgehen. Und Sie sagen, die Antwort sei, dass wir mehr auf Atomkraft setzen müssen? Das ist viel zu kurz gesprungen, was Sie hier fordern, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Antwort kann nur sein – und ich bin Robert Habeck und der Bundesregierung sehr dankbar, dass wir hier handeln –: Wir müssen aufpassen. Wenn Nord Stream 1 jetzt in die geplante Revision geht – die dauert in der Regel zehn Tage –, dann besteht doch die große Gefahr, dass sie danach nicht wieder hochgefahren wird. Es wäre im wahrsten Sinne des Wortes russisches Roulette, wenn wir uns darauf verlassen. Wir müssen jetzt vorsorgen, damit wir reagieren können und damit uns Putin nicht an der Nase herumführt. Die Politik der Bundesregierung ist der richtige Weg, um uns hier voranzubringen. Wir müssen viel mehr auf erneuerbare Energien setzen. Ich höre immer – das ist sehr schön –, dass die Union das jetzt auch fordert. Wir werden Ihnen Ende der nächsten Sitzungswoche die Gelegenheit geben, Ihren Worten auch Taten folgen lassen. Dann werden wir eine ganze Reihe von Gesetzen des Osterpaketes auf den Weg bringen. Und wir werden sehr genau darauf achten, ob Sie Ihren Erkenntnisgewinnen – Sie verkünden, dass Sie jetzt auf einmal auch für den Ausbau von erneuerbaren Energien sind – auch Taten folgen lassen. Wir werden Sie daran messen. Hoffentlich unterstützen Sie die von der Ampelkoalition vorgelegten Gesetze dann auch. Wir werden sehen, ob Sie zustimmen. Daran werden wir Sie messen. – Wir tun für den Winter einiges. Wir werden auch die Versäumnisse der letzten CDU-geführten Regierung nachholen und aufräumen. Es war doch Ihr Minister, der blockiert hat. Sie tun immer so, als ob Sie mit den Versäumnissen der letzten 16 Jahre nichts zu tun hätten. Wer war denn Wirtschaftsminister? Das war Peter Altmaier! Deshalb können Sie sich an dieser Stelle überhaupt nicht wegducken. Wir holen das nach, was Sie versäumt haben. Sie tragen für die Situation die Verantwortung. Wir fühlen uns in dieser Bundesregierung gewappnet. Wir sind gut und senden den Menschen das Signal, dass wir ihre Ängste und Sorgen ernst nehmen; das gilt auch für die Industrie. Wir setzen uns dafür ein, dass am Ende des Jahres keiner friert. Dafür schaffen wir die Voraussetzung. Es wird hart. Es wird nicht einfach. Aber wir tun alles dafür, dass die Menschen in Sicherheit und in Wärme leben können. Vielen Dank. Als letzter Redner in dieser Debatte erhält das Wort Stefan Wenzel für Bündnis 90/Die Grünen.
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Andrea Lindholz CDU/CSU
Andrea
Lindholz
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP fordert in ihrem Antrag ein Einwanderungsgesetzbuch. Ich muss sagen: Grundsätzlich halte ich die Idee eines einheitlichen Werkes für sinnvoll, weil es in der Tat helfen kann, unser Ausländerrecht übersichtlicher und transparenter zu gestalten. Auch für manchen Anwalt ist es manchmal schwierig, den Überblick über die ganzen Regelwerke zu behalten. Wir sollten aber damit keine unerfüllbaren Erwartungen wecken. Einfach wird ein solches Werk nicht, und einfach, lieber Herr Thomae, wird auch das ganze Einwanderungs- und Asylrecht nie sein; aber trotzdem sollten wir nach wie vor an Verbesserungen arbeiten. Die Frage der Migration von EU-Bürgern, die Frage der Asylbewerber und auch die Frage des Familiennachzugs sind in vielen Fällen im Europarecht so geregelt, dass unser Handlungsspielraum hierbei begrenzt ist. Wir haben das zuletzt beim Familiennachzug zu subsidiär Geschützten bereits weitestgehend ausgeschöpft. Wir arbeiten dennoch an einem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, weil wir gerade im Bereich der Fachkräfte weiteren Regelungsbedarf sehen. Ihr Antrag weicht in vielen Fällen überhaupt nicht so sehr von unseren Überlegungen ab. Wenn wir uns die Situation am Arbeitsmarkt in Deutschland anschauen, sind wir uns doch sicher einig: Zunächst einmal suchen wir Arbeitskräfte in Deutschland, dann in Europa und dann im Rest der Welt. Wir haben in Deutschland rund 2,4 Millionen Arbeitslose. Die Jugendarbeitslosigkeit in einigen europäischen Ländern liegt nach wie vor bei über 30 Prozent. Viele Europäer könnten im Rahmen der europäischen Freizügigkeit bereits zu uns kommen. Aber gerade bei den Auszubildenden hat sich in der Vergangenheit doch gezeigt, dass es da oft an den Sprachbarrieren hapert. Deshalb sage ich: Es wird nicht automatisch durch Einwanderung aus Drittstaaten besser klappen. Wir haben bei der Asyl- und Arbeitsmigration den klaren Ansatz – das sage ich heute noch mal –, dass diese getrennt bleiben müssen, damit wir keine falschen Signale in die Welt senden und Hoffnungen wecken, die wir nicht erfüllen können. Sie haben in Ihrem Antrag den Spurwechsel drin. Ich sage Ihnen noch mal ganz klar: Ich persönlich lehne diesen Spurwechsel vom Grundsatz her ab. Ich glaube, Herr Castellucci, wir brauchen ihn nicht; denn wir können trotzdem in den von Ihnen beschriebenen besonderen Fällen für die abgelehnten Asylbewerber, um die es hier geht, die sich besonders integriert haben, anhand des Eckpunktepapiers der Koalition, das wir jetzt haben, eine Lösung finden. Die FDP fordert genauso wie wir in unserem Eckpunktepapier bezüglich der Drei-plus-zwei-Regelung, dass es bundeseinheitlich gleichermaßen gut läuft. Deswegen sage ich: Wir sind alle gar nicht so weit voneinander entfernt – zumindest in Teilen. Auch bei der Arbeitsmigration sind wir uns, wenn ich Ihren Antrag richtig lese, einig. Diese soll es ja in Arbeitsplätze und nicht in unsere Sozialsysteme geben. Zum Punktesystem sagen wir klar: Wir wollen das Punktesystem nicht. Ich glaube aber, man käme auch ohne Punktesystem zusammen, wenn man sich nämlich die Frage stellt: Was erwarten wir denn von den betreffenden Personen in Deutschland? Sie müssen die Sprache können. Damit meine ich die deutsche Sprache; darauf müssen wir achten. Sie müssen ihren Lebensunterhalt selbst sichern können. Sie müssen gute Qualifikationen mitbringen. Und es muss auch klar sein, was mit jemandem passiert, der im Rahmen der Arbeitsmigration zu uns kommt, aber nur kurz beschäftigt ist, um Missbrauch oder Ähnliches zu vermeiden. Aber auch das kann man – da bin ich mir sicher – gut regeln. Mit nationalem Recht alleine können wir unseren Fachkräftemangel nicht beheben – da bin ich ebenfalls bei Ihnen –, auch nicht mit sämtlicher bisheriger Gesetzgebung, weil es einfach praktische Dinge gibt, die wir noch zu lösen haben. Auch da sind wir uns in vielen Bereichen einig. Wir brauchen schnellere Verfahren zur Anerkennung von ausländischen Abschlüssen und eine Marketingstrategie von Staat und Wirtschaft, um ausländische Fachkräfte gezielt anzusprechen; denn nicht nur Deutschland muss heute um IT-Experten und Pflegekräfte werben. Es geht auch um die vorhin schon von mir angesprochene Sprachförderung im Ausland, um Sprachbarrieren abzubauen, also nicht erst, wenn die Menschen bei uns sind. Wir dürfen bei all dem nicht vergessen: Welchen Ländern wollen wir ihre gut ausgebildeten und für sie selber auch wertvollen Arbeitskräfte denn abwerben? Auch darüber muss man sich unterhalten, wenn man über den Zuzug von Fachkräften spricht. Verwaltungsverfahren müssen einfacher werden. Auch darauf haben wir uns verständigt. Es kann nicht sein, dass eine Fachkraft monatelang auf einen Termin bei einer Visastelle warten muss. Auch hier haben wir also noch einiges zu tun und haben vor, das anzugehen. Ich möchte noch mal sagen: Eigentlich haben wir ein Einwanderungsgesetz; es heißt Aufenthaltsgesetz. Die OECD hat schon 2013 gesagt: Deutschland hat ein modernes Einwanderungssystem. – Wir sind dafür gelobt worden. Bei allem Verständnis für den Wunsch nach Verbesserungen bitte ich auch darum, unsere bestehenden guten Systeme nicht schlechtzureden. Uns mangelt es nicht an Regelungen, sondern uns mangelt es an der Durchsetzung der Regelungen. Einen Punkt möchte ich noch anreißen. Sie haben zu Recht das Thema Ausreisepflicht angesprochen. Da müssen wir besser werden. Ich halte allerdings nichts davon, diese Aufgaben vollständig auf den Bund zu übertragen. AnKER-Zentren heißen bei Ihnen anders; aber Sie stimmen dem vom Grundsatz her zu. Zu Ihrer Gesundheitskarte würde ich wiederum Nein sagen. Wenn ich mir den Antrag aber insgesamt anschaue, muss ich sagen: Ich freue mich auf die Diskussion bei uns im Ausschuss. Ich glaube, es wird niemals vollständige Deckungsgleichheit geben; aber ich meine, dass wir in der einen oder anderen Zielrichtung gar nicht mal so weit voneinander entfernt sind. Insofern wünsche ich uns einfach eine gute und konstruktive Zusammenarbeit bei einem für Deutschland wirklich wichtigen Thema. Danke schön. Das Wort hat die Abgeordnete Dr. Frauke Petry.
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Katrin Helling-Plahr FDP
Katrin
Helling-Plahr
FDP
Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser Medizinprodukterecht an die europäischen Vorgaben anzupassen, ist überfällig; denn sie gelten ab dem 26. Mai des nächsten Jahres unmittelbar. Leider müssen wir das wieder einmal unter Zeitdruck tun. Aber wenn ich auf das Chaos um die Implementierung der MDR schaue, meine ich, ist das späte Tätigwerden unserer Bundesregierung noch meine kleinere Sorge. Rund 500 000 Medizinprodukte müssen nach dem neuen Rechtsrahmen komplett neu zertifiziert werden. Von bisher 58 Benannten Stellen zur Zertifizierung von Medizinprodukten sind bislang nur 9 nach neuem Recht zugelassen und notifiziert. Eine Vielzahl europäischer Rechtsakte fehlt noch. Der Start der für die Erhebung der Daten- und Patientensicherheit notwendigen europäischen Datenbank EUDAMED ist kürzlich um zwei Jahre verschoben worden. Gerade kleine und mittlere deutsche Medizintechnikunternehmen haben die Befürchtung, dass sie viele Produkte nicht oder nicht rechtzeitig zertifizieren können, nicht einmal binnen der Gnadenfrist bis 2024. Daran ändert auch die Verlängerung der Geltungsdauer der Übergangsregelung für die Klasse-I-Produkte nur wenig. Es ist die Rede davon, dass 30 Prozent der Produkte auch langfristig vom Markt verschwinden werden. Deutschland ist nicht nur in Europa der stärkste Medizinprodukte-Industriestandort, sondern auch in der Welt die Nummer zwei. Das verdanken wir unseren vielen kleinen und mittleren Unternehmen dieser Branche, die 200 000 Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Bei uns werden aber nicht nur hochwertige innovative Medizinprodukte hergestellt, sondern Deutschland ist auch der drittgrößte Absatzmarkt. Für unsere Patientinnen und Patienten müssen wir gewährleisten, dass sichere und moderne Medizinprodukte zur Verfügung stehen. Nur: Wie soll das funktionieren, wenn die Zertifizierungsstellen überhaupt noch nicht vorhanden sind, wenn nicht klar ist, ob dort ausreichend Personal zur Verfügung stehen wird, wenn die Rahmenbedingungen so chaotisch sind, dass unklar ist, wie viele Hersteller das durchhalten? Gerade bei Nischenprodukten wie Kinderherzklappen, für die es nicht viele Hersteller gibt, kann das schnell eng werden. Das will ich nicht riskieren. Ich bin sicher, dass unsere Unternehmen auch künftig innovative Produkte entwickeln werden, die Menschen das Leben erleichtern oder retten. Wie sollen sie damit bei den überlasteten Benannten Stellen noch durchdringen? Deshalb müssen wir auf europäischer Ebene Druck machen, aber auch flankierend tätig werden, um Versorgungsengpässe zu vermeiden. Wir brauchen Sonderregelungen für selten eingesetzte Produkte und einen Fast Track, der ermöglicht, dass auch Innovationen auf den Markt kommen. Deshalb bringen wir heute unseren Antrag ein, für den ich um breite Zustimmung werben möchte. Ich freue mich auf die weitere Beratung. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Das Wort hat der Abgeordnete Harald Weinberg für die Fraktion Die Linke.
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Gabi Weber SPD
Gabi
Weber
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Werter Kollege, es gibt ein Protokoll dieser Anhörung. Dort steht genau drin, welche Verbände wie geantwortet haben. Ich kann sie Ihnen noch einmal aufzählen. Es waren der Bundeswehrverband, die Gewerkschaft Verdi, der Verband der Soldaten der Bundeswehr und der Reservistenverband. Sie haben offensichtlich nicht zuhören wollen. Ich empfehle Ihnen das Protokoll. Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Dr. Reinhard Brandl, CDU/CSU-Fraktion.
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Marc Bernhard AfD
Marc
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Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Wahnsinn! Einsteins Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun, aber ein anderes Ergebnis zu erwarten. In der buntesten aller bunten Republiken geht die Definition von Wahnsinn sogar noch weiter: Sozialismus wählen, aber Wohlstand erwarten. – Auf Ihrem links-grünen Rezeptblock stehen immer die gleichen giftigen Zutaten sozialistischer Quacksalberei, zum Beispiel der Mietendeckel. Jeder, der Tag für Tag außerhalb der Filterblase des Bundestages seinen Lebensunterhalt verdient, kennt das kleine Einmaleins der Wirtschaft. Deshalb waren die fatalen Folgen des Mietendeckels in Berlin wirklich keine Überraschung. Wenn heute Einnahmen wegfallen, werden morgen weniger Wohnungen gebaut. Ihr Mietendeckel führt dazu, dass hier in Berlin 1,1 Milliarden Euro weniger in neue Wohnungen investiert werden. Dadurch werden 12 000 dringend benötigte Wohnungen nicht gebaut. Ihre Politik führt also dazu, dass weitere 12 000 Familien keine bezahlbare Wohnung finden. Wer geglaubt hat, es könnte nicht schlimmer kommen, wird heute durch die Anträge der Grünen und der Linken eines Besseren belehrt. Bodenpreisdeckel, Enteignung, Verstaatlichung: Welche Sau wollen Sie noch durch Deutschland treiben? In Ihren Anträgen beschreiben Sie zwar das Problem, leugnen aber die wahren Ursachen. Dabei sind es ganz einfache, banale wirtschaftliche Zusammenhänge, die Ihnen jedes Schulkind erklären könnte: Boden und Grundstücke sind begrenzt und nicht beliebig vermehrbar. Sie können jeden Quadratmeter nur einmal bebauen. In den meisten Ballungszentren sieht es aus wie in meinem Wahlkreis Karlsruhe, wo in den nächsten zehn Jahren 300 Hektar Baufläche benötigt werden, jedoch unter Ausnutzung aller Reserven für den Bau von Wohnungen künftig überhaupt nur 90 Hektar zur Verfügung stehen. Und was passiert, wenn sie ein begrenztes Angebot haben, aber eine unbegrenzte Nachfrage? Der Preis steigt ins Unermessliche, so wie die Mieten in München, Stuttgart, Frankfurt oder Berlin. Seit 2011 ist die Bevölkerung in Deutschland durch Zuwanderung um über 3 Millionen Menschen gestiegen. Jedes Jahr kommen 525 000 Neubürger – also eine Stadt wie Hannover oder Dresden – zusätzlich auf unseren Wohnungsmarkt, und das, obwohl wir bereits eines der Länder mit der höchsten Bevölkerungsdichte sind. Als ob das nicht genug wäre, müssen die Menschen auch noch mit der von Ihnen allen hier befeuerten Kapitalflucht um Grund und Boden konkurrieren und, wenn es nach den Grünen geht, in Zukunft auch noch mit sogenannten Klimaflüchtlingen. Wir können hier im Bundestag noch tagelang debattieren, um den heißen Brei herumreden und über Schaufensteranträge diskutieren, mit denen Sie mit untauglichen Mitteln an den Symptomen herumdoktern wollen. Solange Sie sich aber weigern, die wirklichen Ursachen anzugehen, wird sich nichts, aber auch gar nichts an der Wohnungsnot in Deutschland ändern. Schützen Sie endlich unsere Grenzen, sorgen Sie dafür, dass mehr Wohnungen gebaut werden, und hören Sie endlich auf, von den wirklichen Ursachen, die das direkte Ergebnis Ihrer verfehlten Politik sind, abzulenken! Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist für die Fraktion der SPD der Kollege Bernhard Daldrup.
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Jessica Tatti DIE LINKE
Jessica
Tatti
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesminister Heil, wenn man Ihnen zuhört, dann könnte man fast meinen, dass die Aktuelle Stunde von der Koalition nur aufgesetzt wurde, um sich gegenseitig kräftig auf die Schultern zu klopfen. Meine Fraktion und ich finden: Dafür gibt es keinen Anlass. Sie sagen, wir hätten die beste Arbeitsmarktlage seit der Wiedervereinigung. In der Tat haben wir offiziell den niedrigsten Stand der Arbeitslosigkeit seit 1991 und den höchsten Stand der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu verzeichnen. Fakt ist: Die Arbeitslosenzahlen werden schöngerechnet. Viele werden in der Arbeitslosenstatistik überhaupt nicht erfasst: Arbeitslose, die krank gemeldet sind, Arbeitslose, die einen 1-Euro-Job machen oder an Weiterbildungen teilnehmen, viele der Arbeitslosen, die älter sind als 58 Jahre. Sobald private Arbeitsvermittler tätig werden, tauchen die Arbeitslosen nicht mehr in der Statistik auf, obwohl sie alle noch immer arbeitslos sind. Rechnet man diese Menschen wieder dazu, dann stellt man fest, dass wir im Mai 2018 statt bei offiziell 2,3 Millionen bei einer tatsächlichen Arbeitslosigkeit von fast 3,3 Millionen Menschen liegen, also fast 50 Prozent mehr. Herr Heil, führen Sie endlich eine ehrliche Statistik ein! Hören Sie auf, die Probleme vieler Menschen auf dem Arbeitsmarkt mit einer hübschen Statistik unter den Teppich zu kehren. Fakt ist, dass die Zunahme der abhängigen Beschäftigung, die Sie hier bejubeln, zu einem satten Teil auf einer ungerechten Verteilung von Arbeit beruht. Das Arbeitsvolumen ist seit der Wiedervereinigung, also im Vergleich zu 1991, sogar geschrumpft. Seit 2000 hat die Beschäftigung in Vollzeit um 3 Prozent abgenommen, während sich die Teilzeitbeschäftigung mehr als verdoppelt hat. Das hängt maßgeblich mit den tiefen Einschnitten der Agenda 2010 und ihrem Kernelement Hartz IV zusammen, die Menschen unter Androhung von Sanktionen in miese Jobs zwingen, in unfreiwillige Teilzeit, in den riesigen Niedriglohnsektor, in dem heute über 20 Prozent der Beschäftigten arbeiten, in sachgrundlose Befristungen – fast jede zweite Neueinstellung wird heute befristet – und in die Leiharbeit, die ihren historischen Höchststand erreicht hat. Dass Sie vor diesem Hintergrund von der besten Arbeitsmarktlage reden, das ist der blanke Hohn und Spott für viele, die unter schlechten Arbeitsbedingungen und Löhnen leiden und genauso unter der schlechten Perspektive für ihre Renten. Das Ziel der Vollzeitbeschäftigung ist richtig. Aber Vollzeitbeschäftigung alleine reicht nicht aus; denn Vollzeitbeschäftigung sagt noch nichts über die Qualität von Arbeit aus und darüber, ob man davon leben kann. In den letzten zehn Jahren hat sich die Anzahl der Menschen, die trotz Arbeit arm sind, verdoppelt. Die Ungleichheit der Einkommen wächst. Worüber wir hier doch endlich reden müssten, das sind die Bedingungen, unter denen die Menschen in diesem Land arbeiten, über die Paketzustellerin, deren Arbeitstag kein Ende findet, mit einer Arbeitsbelastung, die auf Dauer krankmacht, über die Verkäuferin in Teilzeit, die nicht weiß, wie lange sie sich ihre Wohnung noch leisten kann, über den Lehrer, der sich von Befristung zu Befristung hangelt und oftmals nur mit Hartz IV über den Sommer kommt. Jährlich leisten Beschäftigte in Deutschland über 1,7 Milliarden Überstunden, fast 1 Milliarde davon unbezahlt. Das bedeutet eine ungeheuerliche Entwertung von geleisteter Arbeit und eine Enteignung der Beschäftigten, mit der endlich Schluss sein muss. Deshalb: Erhöhen Sie endlich den Mindestlohn auf 12 Euro, und schaffen Sie die Ausnahmen ab. Stoppen Sie den Missbrauch bei der Leiharbeit. Beenden Sie den Befristungswahn, und lassen Sie uns endlich über Konzepte zur gerechteren Verteilung von Arbeit sprechen, gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung. Dann können Sie nämlich nicht nur schöne Zahlen präsentieren, sondern auch die reale Situation der Menschen tatsächlich und spürbar verbessern. Vielen Dank. Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort der Kollege Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn.
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Claudia Moll SPD
Claudia
Moll
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Schlund, ich bin aktive Karnevalistin, und ich muss Ihnen sagen: Ich habe selten eine so gute Büttenrede gehört. Herzlichen Glückwunsch! Liebe Kolleginnen und Kollegen, Familienplanung ist ein wichtiger Pfeiler der Selbstbestimmung von Frauen und Männern. Ich denke, wir sind uns einig, dass dies nicht vom Alter oder vom Geldbeutel abhängen darf. Das ist eine wichtige Sache. Wie es bei wichtigen Sachen so ist: Es muss über sie diskutiert werden, und sie müssen gut durchdacht sein. Das Bundesfamilienministerium hat in der vergangenen Legislaturperiode mit „biko“ – Beratung, Information, Kostenübernahme bei Verhütung – ein wichtiges Modellprojekt auf den Weg gebracht und damit auch den Willen bewiesen, eine einkommensgerechte Familienplanung zu ermöglichen. Das Projekt mit insgesamt sieben Standorten soll dabei helfen, ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden und einen unkomplizierten Zugang zu verschreibungspflichtigen und vor allem auch sicheren Verhütungsmitteln für Menschen mit wenig Geld zu erproben. Gleichzeitig wird der Bedarf nach solchen Leistungen und Angeboten ermittelt. Ich kann mir gut vorstellen, dass dies eine gute Basis für eine bundesweite Regelung ist. Denn eines ist klar: Wir brauchen dringend ein flächendeckendes Angebot. Es gibt Bundesländer und Kommunen, die Kosten für Verhütungsmittel übernehmen. Sie leisten damit einen sehr wichtigen Beitrag zur Unterstützung vor allem von einkommensschwachen Menschen. Aber leider geschieht das nicht flächendeckend. Es gibt gravierende Unterschiede zwischen den Bundesländern und den Kommunen. Es gibt Unterschiede beim berechtigten Personenkreis, bei den einbezogenen Verhütungsmethoden und bei der Verfahrensregelung. Doch damit nicht genug: Es wird über die betreffenden Angebote auch in sehr unterschiedlichem Maße informiert. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir nicht zulassen. Es darf uns nicht unberührt lassen, dass die Schwangerschaftsberatungsstellen in den Kommunen, die keine Kostenübernahmeregelungen haben, übereinstimmend einen dringenden Handlungsbedarf sehen. Nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz hat jede Frau und selbstverständlich auch jeder Mann einen gesetzlichen Anspruch auf Beratung in Fragen der Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung sowie in allen eine Schwangerschaft berührenden Fragen. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für verschreibungspflichtige Verhütungsmittel bis zum 20. Lebensjahr. Das gilt einkommensunabhängig und für alle. Deshalb ist eine Regelung über das SGB V, wie sie die Fraktion der Grünen heute vorschlägt, eher fragwürdig. – Klären wir gleich unter vier Augen. Es kann doch nicht Aufgabe der Krankenkasse sein, eine kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln nur an einkommensschwache Menschen zu organisieren, so wie Sie sich das in Ihrem Antrag vorstellen. Das ist doch gerade das Kennzeichen unserer Krankenkassen: Wenn es Leistungen gibt, dann stehen sie allen offen – unabhängig vom Einkommen und von der Höhe der Beiträge. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche mir, dass wir dieses Thema nicht nur anhand von Paragrafen diskutieren, sondern eine globale Sichtweise einnehmen und die sexuelle Aufklärung stärken. Denn es geht um mehr als nur Familienplanung. Es geht auch um die Vorbeugung, um die Eindämmung von sexuell übertragbaren Erkrankungen oder Infektionen. Dies alles ist nicht alleine eine Frage des Einkommens oder der Herkunft, sondern auch eine Frage der globalen Gesundheit. Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die FDP Dr. Wieland Schinnenburg.
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Dr.
Dr. Wieland Schinnenburg FDP
Wieland
Schinnenburg
FDP
Herr Fechner, zunächst einmal ist es mir peinlich, dass ich nach diesem Beitrag zu Ihnen sprechen muss. Rein technisch ging es nicht anders. Es muss leider so sein. Herr Fechner, ich möchte Sie an die Sitzung des Rechtsausschusses am Montag erinnern. Wir waren ja beide da. Da wurde sehr deutlich, dass in § 28a Infektionsschutzgesetz fälschlicherweise nur ein Kriterium für die Beschlussfassung von Maßnahmen angesetzt wird, nämlich nur die Inzidenz. Ihr Fraktionskollege Herr Lauterbach sagt, es müsste zumindest noch das Alter der Infizierten berücksichtigt werden. Meine persönliche Meinung ist, dass noch weitere Kriterien dazukommen müssen. Dann sagte eine andere Kollegin Ihrer Fraktion: Ja, da besteht offenbar noch Nachbesserungsbedarf. Das müssen wir dann später einmal machen. – Meine Frage ist: Halten Sie es für seriös, wenn Ihre eigene Fraktion feststellt, dass an einer ganz entscheidenden Stelle Nachbesserungsbedarf besteht, dennoch diesem Gesetz zuzustimmen? Ich halte das nicht für seriös. Was sagen Sie dazu? Herr Kollege Dr. Fechner.
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Friedrich Ostendorff BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Friedrich
Ostendorff
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Machen wir kein langes Federlesen: Was wir heute wieder mal von Rechtsaußen vorgesetzt bekommen, soll eine Vorführung des Parlaments, des Parlamentarismus, eine Verhöhnung des Rechtsstaates, eine Verhöhnung unserer Demokratie sein, nicht mehr und nicht weniger. Ihnen geht es doch überhaupt nicht um eine sachliche Klärung der Düngeverordnung; das ist doch alles vorgeschoben. Sie missbrauchen unsere demokratischen Instrumente für Ihre undemokratischen Interessen. Was Sie uns heute wieder aufbürden, ist an Absurdität überhaupt nicht zu überbieten. Ja, Kolleginnen und Kollegen, die abstrakte Normenkontrollklage ist ein wichtiges Rechtsmittel für individuelle Freiheits- und Grundrechte. Aber die konstruierte Einschränkung der Eigentums- und Berufsfreiheit durch die neue Düngeverordnung, die die AfD konstruiert, ist doch schlicht absurd. Das ist eine offensichtliche gefährliche Irreführung der Allgemeinheit. Es ist billiger Populismus, nicht mehr und nicht weniger. Die Rechtsauffassung der AfD ist doch: Jeder hat das Recht, die Umwelt aus Eigennutz auf Kosten und zum Nachteil aller zu verschmutzen. Sie demaskieren sich doch selbst, wenn Sie meinen, die uneingeschränkte Nutzung des Privateigentums stehe höher als öffentliche Gemeingüter. Dahinter steht bei Ihnen ein gänzlich asozialer, ultraliberaler, gemeinschaftsschädlicher Freiheitsbegriff. Mit über 50 Jahren Berufserfahrung als Bauer und nicht als Großgrundbesitzer, Herr Protschka, fühle ich mich dem Erbe, das mir mitgegeben wurde, dem Gemeinwohl und den Interessen zukünftiger Generationen tief verpflichtet. Die Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums, Herr Protschka, der Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlage und der bäuerlichen Landwirtschaft sind wichtige Gemeingüter, die wir zu schützen haben. Dieses Denken in Generationen, das wir Bauernkinder mitbekommen haben – Gemeinwohl- und Bodenverbundenheit –, ist Ihnen doch vollkommen abhandengekommen und fremd. Ihnen geht es um Polarisierung, um Spaltung der Gesellschaft. Sie wollen die Demokratie vorführen und zerschlagen. Dafür werden wir Ihnen hier keine Bühne bieten, auch nicht für solche Anträge. Wir lehnen deshalb Ihren Antrag entschieden ab. Übrigens, ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass Sie von der FDP nicht in der Lage sind, sich zu solch einem unmöglichen Antrag klar zu positionieren. Das nehmen wir mit großem Bedauern zur Kenntnis. Aber auch Ihren eigenen populistischen Antrag in dem vordergründigen Bemühen, dumpfe Stimmungen zu bedienen, lehnen wir als Grüne ab. So werden wir das Problem mit dem Nitrat nicht lösen. Der nächste und letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Artur Auernhammer, CDU/CSU-Fraktion.
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Dr.
Dr. Volker Ullrich CDU/CSU
Volker
Ullrich
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Vorsitz Deutschlands im UN-Sicherheitsrat dauert einen Monat, aber er hat bereits mit einem guten Vorzeichen begonnen, nämlich mit der Entschließung, einen weltweiten Waffenstillstand wegen der Coronapandemie herbeizuführen. Und das zeigt, unter welchen Vorzeichen die deutsche Präsidentschaft stehen soll. Es geht uns um die Werte, die uns wichtig sind: um die Geltung der internationalen Rechtsordnung, um das Völkerrecht, um die gemeinsamen Anstrengungen in Sachen Abrüstung und Klimaschutz, aber auch darum, wie wir eine internationale Ordnung gestalten sollen. Wir wissen, dass Zusammenarbeit nicht bedeutet, dass einer gewinnt, wenn der andere verliert, und dass die einen nur stark sein können, wenn andere schwach sind. Die internationale Ordnung ist kein Nullsummenspiel, sondern sie muss durch gemeinsame Ziele und Interessen geprägt sein, um diese Ordnung voranzubringen. Und da gibt es im Augenblick auch Themen, die wichtig sind, die über den Waffenstillstand, der vereinbart wurde, hinausgehen. Unsere Blicke gehen nach Hongkong, wo am 1. Juli internationales Recht gebrochen wurde, wo das vereinbarte Abkommen „ein Land, zwei Systeme“ durch das neue Sicherheitsgesetz in Abrede gestellt wird und wo Menschen in Hongkong bang fragen: Kann ich noch Freiheits- und Sicherheitsrechte und den Rechtstaat genießen? Unsere Blicke gehen aber auch in den Jemen, wo ein furchtbarer Krieg und eine humanitäre Katastrophe drohen, wo wir die humanitäre Hilfe mit dem Welternährungsprogramm aufbessern müssen und wo wir endlich taugliche Friedensverhandlungen brauchen, weil auch dieser Konflikt nicht aus dem Blickfeld der Weltöffentlichkeit verschwinden darf. Wir wissen auch, dass der UN-Sicherheitsrat ein Instrument ist, welches sich im Augenblick in vielen Bereichen gegenseitig blockiert. Deswegen gibt es keine notwendigen Resolutionen gerade im Hinblick auf einen dauerhaften Frieden in Syrien. Und wir dürfen nicht lockerlassen, diese Frage der Reform des UN-Sicherheitsrates zu adressieren. Es geht darum, dass die internationale Ordnung auch im UN-Sicherheitsrat konstruktiv abgebildet wird. Da möchte ich mich noch mal an die Kollegen der Linken wenden, die in ihrem Antrag schreiben, die UN möge sich gegenüber der NATO stärker durchsetzen. Das kann nicht unsere Sprache sein. Zum Ersten stehen wir zur NATO und zur Westbindung, weil nur diese Einbindung in das Bündnis uns stark gemacht hat. Und zum Zweiten kann es nicht sein, dass wir das Friedens- und Sicherheitskonzept der NATO gegen das Handeln der UN ausspielen. Wir brauchen beides. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. Damit schließe ich die Aussprache.
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Knut Abraham CDU/CSU
Knut
Abraham
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit mehr als dem ohnehin gebotenen Interesse habe ich mir Ihren Antrag angesehen. Ich muss doch sagen, dass mich die klare Verurteilung des russischen Angriffs durch viele Politiker der Linken beeindruckt hat, so auch – Kollege Schraps hat darauf hingewiesen – in den ersten beiden Sätzen dieses Antrags. Was dann aber folgt, Frau Kollegin Nastic, ist eine krasse Verdrehung der Realität, mit der sie zurückfinden in ihre ideologischen Gräben. Da ist zu lesen, Sie fürchten sich, dass – Zitat – „eine Unterstützung durch NATO-Staaten die militärische Entwicklung außer Kontrolle geraten lassen kann.“ Was für ein verdrehter Blick auf die Realität! Die alleinige Verantwortung für den Krieg liegt bei Russland und seinem Machthaber Putin. Einzig und allein von ihm geht die Gefahr für unseren Kontinent aus. Meine Damen und Herren, wir müssen doch vom Opfer her denken. Das Opfer braucht unsere Unterstützung. Das lehrt die deutsche Geschichte. Grundlos, aus purem Eroberungstrieb hat Russland sein Nachbarland überfallen. Und mehr: Putin negiert die Existenz der ukrainischen Nation. Mir ist völlig rätselhaft – völlig rätselhaft! –, wie Sie von den Linken aus der deutschen Geschichte ableiten wollen, es sei richtig, einem überfallenen Opfer bei der Verteidigung gegen einen brutalen Aggressor nicht zu helfen. Eine solche Haltung ist doch ein Schlag gegen die Menschen, die in der Ukraine um ihr Leben und um ihre Heimat kämpfen. Nein, unsere Geschichte verpflichtet uns, Partei für das Opfer zu ergreifen. Es ist gut, dass wir ukrainische Soldaten ausbilden. Es ist gut, dass Deutschland endlich schwere Waffen liefert. Wir müssen noch viel mehr ausbilden und noch viel mehr liefern. Wir müssen zeigen, wo wir stehen. Ich bin froh, dass nach der Reise unseres Partei- und Fraktionsvorsitzenden die Gesprächskanäle zwischen Kiew und Berlin wieder funktionieren. Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage aus der AfD zulassen? Ja, gerne. Bitte schön. Herr Kollege, vielen Dank, dass ich die Zwischenfrage stellen darf. – Auch Ihr Vorredner hat gesagt, das Problem sei, dass manche Entscheidungen auf einer emotionalen Ebene getroffen werden. Dem kann ich zustimmen; denn das, was hier passiert, basiert auf dem Gefühl, man sei völlig im Recht. Man hat entschieden, wer der Gute und der Böse ist, und deswegen sei fast alles moralisch erlaubt, bis hin zur Gefährdung der deutschen Bevölkerung durch den drohenden Krieg, den man möglicherweise befördert. Der Vorredner hat auch festgestellt: Der Wissenschaftliche Dienst hat ganz klar benannt, dass wir mit der Ausbildung fremder Soldaten in unserem Land möglicherweise schon längst die Grenze des Völkerrechts überschritten haben, die uns zur Kriegspartei macht. Ich muss Sie fragen: Wo ist die Verantwortung dieser Bundesregierung? Ich muss hier ganz offen benennen: Beim letzten Mal wurde das deutsche Volk wenigstens gefragt: „Wollt ihr den totalen Krieg?“ Aber in diesem Falle – das muss ich ganz ehrlich sagen – scheint es mir so zu sein, als ob diese Ampelkoalition glaubt, sie könnte diese Frage mal eben entscheiden, sie könnte unser Volk in allerhöchste Gefahr bringen. Da frage ich Sie: Wo bleibt die Verantwortung dieser Bundesregierung? Es muss doch, wenn es hier um Gesinnungsethik geht, auch Ihnen klar sein, dass es ethisch Ihre Verpflichtung ist, zuallererst auf das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung zu achten und dann erst auf alles andere. Vielen Dank. Herr Kollege, den Vergleich mit dem Nationalsozialismus und den furchtbaren Machenschaften von Adolf Hitler weise ich in aller Form zurück. Sie können erwidern, Herr Kollege. Sie irren in jedem Wort, das Sie gerade gesprochen haben. Sie irren in jedem Wort. Lassen Sie sich von einem Erstsemester des Völkerrechts erklären, wie die Lage ist. Es ist nämlich so: Es gibt ein Richtig und Falsch hier. Putin hat das Völkerrecht auf brutalste Weise gebrochen. Das ist klar; das ist nicht emotional, das ist Völkerrecht. Ich bin jetzt wieder bei den Gesprächskanälen. Das war doch interessant: In Kiew wird genau verfolgt, was wir diskutieren, was wir sagen und was wir eben auch manchmal nicht sagen. Wir haben die Bundesregierung viel zu lange um die Positionierung ringen sehen. Das Ansehen Deutschlands in vielen Teilen Ostmitteleuropas ist doch mächtig ramponiert. Es gab Demonstrationen vor unseren Botschaften im Baltikum, in Ostmitteleuropa. Wenn das Vertrauen erst mal weg ist, ist es unglaublich schwer, es wieder aufzubauen. Dazu, dass das Vertrauen wieder wächst – und das möchte ich Frau Staatsministerin deutlich sagen –, hat die Bundesaußenministerin mit klaren und deutlichen Worten in Kiew viel beigetragen; das war richtig gut. Aber neben den Worten braucht es Taten. Die Ausbildung der rund 100 ukrainischen Soldaten ist eine solche Tat, die uns verlorene Glaubwürdigkeit zurückbringt. Wir müssen insgesamt viel deutlicher sagen und zeigen, was Deutschland für die Ukraine tut, aus voller Überzeugung und in Konsequenz unserer Geschichte. Unser bestes Gegenmittel ist aber ein politisches: der Ukraine eine Perspektive auf eine EU-Mitgliedschaft anzubieten. Hier können wir Deutschen jetzt das politische Heft des Handelns in die Hand nehmen und entschlossen für diesen Weg werben. Der Weg wird nicht leicht, und er wird lang sein. Dennoch: Bereits die EU-Perspektive bringt Orientierung und Stabilisierung, weil jedem klar wird, wo die Zukunft der Ukraine liegt: in der EU; um es noch mal zu sagen: in der EU und nicht in irgendeiner europäischen Wartekammer von rein symbolischen Wert oder einem Klub der schwierigen Nachbarn. Bekäme die Ukraine diese Perspektive nicht, wären die Folgen absehbar schlimm; niemand möchte nach dem Krieg seine Zukunft in einer grauen Zone in einem irgendwie europäisch dekorierten Puffer gestalten. Ein Junktim zum Westbalkan, meine Damen und Herren, ist nicht fair und nicht sachgerecht. Jedes Kandidatenland muss seinen eigenen Weg in die Europäische Union gehen können. Hier kann und muss die Bundesregierung Führungswillen zeigen. Je länger die russische Armee in der Ukraine wütet, desto schwieriger wird das Nachkriegsszenario. Dessen Eckpunkte sollten uns heute schon beschäftigen, insbesondere die Frage nach wirksamen und zuverlässigen Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Klar ist auch, dass die Kriegsverbrechen untersucht und die Täter verurteilt werden müssen. Russland wird in erheblicher Höhe zum Wiederaufbau des von ihm verwüsteten Nachbarlandes beitragen müssen. Vor all dem verblasst der überflüssige und falsche Antrag der Linken, den wir natürlich ablehnen werden. Danke schön. Der Kollege Jürgen Trittin redet für Bündnis 90/Die Grünen.
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Christian Sauter FDP
Christian
Sauter
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Seit 1999 ist Deutschland mit der Bundeswehr als Truppensteller an der internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo beteiligt. Kernziele der Beteiligung sind: Gewährleistung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Unterstützung der zivilen internationalen Präsenz, Stabilisierung des Demokratieprozesses und die Hilfe beim Aufbau der Sicherheitskräfte. Dennoch, nach über 20 Jahren der Präsenz, findet die Beteiligung unter nicht einfachen Rahmenbedingungen statt: Korruption, Kriminalität und nicht gelöste ethnische Spannungen zeigen, dass der Frieden nicht auf einem festen Fundament steht. Auswirkungen der Coronapandemie sind unklar; dazu trug auch die zwischenzeitliche Regierungskrise bei. Aber: KFOR hat in einigen Punkten und Zielen auch deutliche Erfolge gezeigt. Denn festzuhalten bleibt, dass in den letzten gut zwei Jahrzehnten ein Maß an Stabilität gewährleistet werden konnte. Momentan sind 64 deutsche Soldaten bei KFOR im Einsatz – bei einer Obergrenze von 400. Zwar ist Deutschland nur noch der achtgrößte Truppensteller, besetzt aber 25 Prozent aller Abteilungsleiterdienstposten; daran wird auch die Wertschätzung unserer Partner deutlich. Die Fortschritte des KFOR-Mandates zeigen sich in der immer wieder nach unten angepassten Mandatsobergrenze. So konnte auch nicht benötigte Infrastruktur abgegeben werden. Es muss aber auch klar sein: KFOR kann nicht dauerhaft und endlos fortgeführt werden; aber es ist eines der Mandate, das zumindest eine Perspektive auf einen Abschluss bietet. Der Kosovo hat noch einen langen Weg vor sich: Kampf gegen Kriminalität, Korruption und mangelnde Rechtsstaatlichkeit. Das ist von zentraler Bedeutung, ebenso, dass ein Abkommen mit Serbien zustande kommt. Außenpolitisch muss Deutschland sein Gewicht dringend stärker in die EU einbringen; denn noch immer ist keine klare Linie aller EU-Partner zum Status des Kosovo erkennbar. Am 27. Juli 2020 ist ein Treffen beider Parteien in Washington im Weißen Haus geplant – ohne Beteiligung der EU –, mit unklarem Ausgang. Weitere Präsenz ist auch deshalb richtig, da sonst Russland, die Türkei und China versuchen werden, ihren Einfluss in der Region auszubauen. Fazit: Der KFOR-Einsatz hat Erfolge gezeigt. KFOR ist ein Stabilitätsanker in der Region; aber die Herausforderungen bleiben groß. Die Bundeswehr und damit Deutschland erfahren große Wertschätzung bei der örtlichen Bevölkerung. Das verdanken wir ganz ausdrücklich den vielen deutschen Soldaten, die ihren Dienst im Mandat über diesen langen Zeitraum geleistet haben. Vielen Dank dafür! Wir stimmen dem Antrag der Bundesregierung zu. Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Debattenredner ist der Kollege Dr. Gregor Gysi, Fraktion Die Linke.
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Armin Schuster CDU/CSU
Armin
Schuster
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben mit Corona, Börsenabsturz, Türkei/Syrien – was soll ich alles aufzählen? – nun wirklich schwere Zeiten, krisenhafte Zeiten. Welche Antwort hat die AfD? Sicherung der Grenzen. Kollegen, Ihre inhaltliche Hilflosigkeit erzeugt eigentlich bloß noch Mitleid. Das Beste, was wir tun können, ist, Ihren Antrag aus Mitleid abzulehnen. Meine Damen und Herren – vor allem Sie auf den Tribünen und an den Fernsehschirmen –, es gibt Hoffnung in diesen ganzen Krisen. Die Union regiert seit 14 Jahren dieses Land. Ich habe das Gefühl, wir managen permanent Krisen, und das mit großem Erfolg. Egal was in den letzten 14 Jahren passiert ist, Deutschland ging aus diesen Krisen immer stärker hervor. Ja, die europäische Außengrenze steht unter Stress, aber sie steht. Und dass sie steht, liegt daran, dass Deutschland eine klare Haltung hat. Die ist in den letzten Wochen von Bundesminister Seehofer ganz klar formuliert worden, auch von der Unionsfraktion: Wir stehen hinter den Griechen. Ich möchte die Griechen mal loben für das, was sie da tun. Die neue griechische Regierung verfolgt eine andere Politik, und das spürt man. Was wir tun – das werden Sie heute und wahrscheinlich auch in den nächsten Jahren nicht verstehen –, ist ein Fächer von Maßnahmen: Vor-Ort-Hilfen für Griechenland, ob Bundespolizei, THW, Frontex, Hilfsgüter. Es geht um Kinder, ja, und das Kontingent, das wir jetzt vorsehen, ist ein europäisches. Und genau das ist das Signal, das Deutschland erzeugen wollte: Kein Alleingang, keine deutsche Initiative; wir wollen, dass Europa funktioniert. – Und das ist ein Erfolg. Wir haben es geschafft; vielleicht werden es zwei Handvoll Länder sein. Ja, wir haben auch Erdogan gegenüber eine klare Haltung gezeigt. Es wird eine Fortsetzung dieses Abkommens geben. Aber Erdogan hat eine klare Sprache. Jetzt sage ich mal ans ganze Haus: Alle Fraktionen haben Innenpolitiker und Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Es wäre wichtig, sich künftig, ehe man emotionalisiert – das haben viele getan –, bei den Fachpolitikern zu informieren: Was für Bilder sind das eigentlich wirklich, die da gezeigt werden? Und wie viel Choreografie steckt dahinter? Dann könnte man viel cooler an manche Dinge herangehen. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem: Großes Lob an den Bundesinnenminister. Wir geben nicht nach; wir wollen dieses Europäische Asylsystem – für mich überhaupt die Lösung aller Probleme. Auch bezüglich der deutschen Grenze ist die Sprache der Unionsfraktion und des Bundesinnenministers vollkommen kompromisslos: Sollte die Außengrenze nicht halten, dann wird es an der deutschen Binnengrenze ein bestimmtes Regime geben, und das wird in jedem Fall auch Zurückweisungen bedeuten. Diese Aussage mache ich aber nicht in Richtung Flüchtlinge. Diese Aussage mache ich in erster Linie an unsere europäischen Partner. Wir müssen ein klares Signal senden, dass wir an der deutschen Binnengrenze gegebenenfalls nicht so agieren werden, wie wir das schon getan haben, damit Frankreich, damit Spanien, damit Dänemark, damit die Beneluxstaaten kapieren: Die Deutschen lösen es für uns nicht mehr; wir müssen uns mit ihnen arrangieren, und das Zauberwort heißt „Gemeinsames Europäisches Asylsystem“. Wir machen flexible, lageangepasste Schwerpunktkontrollen auf der Grenzlinie schon seit November. Über 400 Zurückweisungen von Menschen mit Aufenthalts- oder Einreiseverbot sind eine klare Sprache. Wir haben Asylzahlen, die relativ normal sind, nur gering über dem, was Deutschland sonst hat. Bitte, außer dem ganz großen Kaliber gibt es auch noch das feine Florett, und wenn man alles richtig macht, dann erreicht man mit einer Politik der Mitte das, was wir gerade erreichen: hohe Aufgriffszahlen, Asylzahlen, die fallen. Meine Damen und Herren, ich will noch einen Satz zu Corona sagen. Ich komme aus einer Region, in der jetzt viele nach Grenzschließungen rufen – übrigens ein Wort, das auch im Parlament inflationär oft gebraucht wird. Ich darf Sie mal daran erinnern, dass Grenzschließungen Nordkorea macht, vielleicht auch Trump. Das kann nicht die Methode sein, die wir jetzt aus dem Köcher holen, auch nicht bei Corona. Ich setze mich, lieber Herr Staatssekretär, seit Montag intensiv dafür ein, dass wir die Grenzkontrollen zu den Hochrisikogebieten an der deutsch-österreichischen, deutsch-schweizerischen und deutsch-französischen Grenze intensivieren, ja, auch mit Coronabezug. Aber das gesamte Land oder gar Europa lahmzulegen, die Börsen auf Talfahrt zu schicken, indem ich Grenzen schließe, das fiele mir angesichts der momentanen Lage nicht ein. Ich bin der festen Überzeugung: Intensive Grenzkontrollen, ja; aber bitte nicht Grenzen schließen. Der Kollateralschaden wäre immens. Letzte Bemerkung. Peter Altmaier kümmert sich um die wirtschaftlichen Folgen. Jens Spahn macht einen Bombenjob als Krisenmanager Gesundheit. Horst Seehofer ist seit einem Dreivierteljahr fast nur noch mit dem Thema befasst, um das es in dem Antrag geht; er hat damit viel, viel früher als die meisten hier im Haus angefangen. Auch er hat die Lage im Griff. Ursula von der Leyen – wissen Sie, wo sie herkommt? - ist an Klarheit im Moment nicht zu überbieten. Und, meine Damen und Herren, nur weil Angela Merkel nicht jeden Tag jedem hier das Köpfchen streichelt, müssen Sie nicht unterstellen, dass sie die Fäden nicht in der Hand hat. Ich glaube – das besagt ja auch das Wort „Union“ –, wir stehen in Krisen zusammen, wir werden sie meistern. Das ist auch mein Tipp an die Bevölkerung: Wie die Union in diesen Zeiten zusammenstehen! Danke schön. Nächste Rednerin ist die Kollegin Linda Teuteberg, FDP.
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Dr.
Dr. Tobias Lindner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Tobias
Lindner
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten diesen Verteidigungsetat in Zeiten der Coronakrise. Natürlich ist es an dieser Stelle dann richtig, den Soldatinnen und Soldaten, die in der Bekämpfung dieser Krise Amtshilfe leisten, nicht nur Anerkennung zu zollen, sondern auch herzlichen Dank zu sagen. Aber genauso klar ist: Die durch Corona veränderte Haushaltslage macht sich natürlich auch am Verteidigungsetat manifest. Ich erwarte von einer verantwortungsbewussten Bundesregierung, dass sie daraus auch ihre Rückschlüsse zieht. Was meine ich? Wir haben hier – Frau Ministerin, Sie haben sich darüber gefreut, und das ist Ihr gutes Recht – wieder eine Etatsteigerung, aber man kann feststellen: Der Etat wächst – anders als in der Vergangenheit – nicht mehr überproportional, sondern im Wesentlichen wie der Durchschnitt des Haushalts. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage: In den kommenden Jahren, in denen man auf Sicht fahren muss, wird es vermutlich weiterhin so sein. Wenn man sich dann Ihre Planungen, die mit dem Weißbuch 2016 angelegt und dann mit dem Fähigkeitsprofil der Bundeswehr fortgeführt wurden, anschaut, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Frau von der Leyen hier noch ein Dokument vorgelegt hat, nach dem bis 2030 Rüstungsinvestitionen von über 130 Milliarden Euro erforderlich wären, dann ist doch klar: Die Grundsätze Ihrer Sicherheitspolitik, die Grundsätze Ihrer Planungen sind hohl; sie fallen wie ein Kartenhaus in sich zusammen, sobald es im Haushalt eine Eintrübung gibt. Das ist eben keine verantwortungsbewusste Sicherheitspolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie haben, Frau Kramp-Karrenbauer, hier am Pult gesagt, welche Projekte Ihnen wichtig sind. Das ist auch gut. Ich erwarte von einer Verteidigungsministerin, dass sie sagt, was ihr wichtig ist. Aber ich erwarte von Ihnen genauso, dass Sie auch sagen, auf was im Zweifel verzichtet werden kann, was eine geringere Priorität hat. Aber wenn ich in diesen Haushaltsplan, vor allem in den Bereich Beschaffung, hineinschaue, dann findet sich da ein Sammelsurium von Wunschprojekten, für die Mittel fiktiv eingestellt, aber gesperrt sind. Am Ende des Tages ist es eben nicht sicherheitspolitisch rational, sondern ein Lotteriespiel: Die Frage, ob Vertragsverhandlungen erfolgreich zu Ende geführt werden oder ob der Preis stimmt, entscheidet darüber, was für die Bundeswehr beschafft wird. Das finde ich unverantwortlich gegenüber unseren Soldatinnen und Soldaten, um es ganz deutlich zu sagen. Ich möchte es an drei Beispielen ausführen. Sie sind jetzt über ein Jahr im Amt, und Sie haben Entscheidungen getroffen. Manche davon haben wir auch begrüßt, etwa die Entscheidung – erstes Beispiel –, beim Projekt Pegasus frühzeitig die Reißleine zu ziehen und keinen risikoreichen Großdrohnenansatz zu verfolgen. Vor wenigen Tagen – zweites Beispiel – haben Sie uns aber mitgeteilt, das Ergebnis einer jahrelang andauernden Ausschreibung über die Neubeschaffung eines Nachfolgers für das G36, also eines neuen Sturmgewehres, sei – die Kollegen werden sich daran erinnern; die Aufgabe war, ein marktverfügbares Sturmgewehr zu beschaffen, damit man nicht Jahre dafür braucht, irgendwas auszuwählen –, dass am Ende eine Firma den Zuschlag erhalten soll – das ist noch nicht rechtskräftig –, die im Besitz eines Staatskonzerns der Vereinigten Arabischen Emirate ist. Wenn ich der Debatte über den Etat des Auswärtigen Amtes gefolgt bin und wenn ich in den Koalitionsvertrag dieser Koalition schaue, in dem steht, dass Sie keine Waffen an Staaten exportieren wollen, die Krieg im Jemen führen, dann denke ich, dass Sie auch die Frage beantworten müssen, ob ausgeschlossen werden kann, dass ein wesentlicher Teil des Gewinns, der auf den dreistelligen Millionenbetrag entfällt, der für das neue Sturmgewehr draufgehen wird, an einen Staatskonzern eines Landes abfließen wird, das Krieg im Jemen führt. Das kann am Ende des Tages nicht sein. Sie haben uns gestern Morgen, um ein drittes Beispiel zu nennen, mit einem zweiseitigen Wisch – die Kollegen der Koalition wissen vielleicht mehr – durch Ihren Staatssekretär mitteilen lassen, dass das Vergabeverfahren für einen neuen schweren Transporthubschrauber, eine Ersatzbeschaffung für einen 40 Jahre alten Hubschrauber, gestoppt worden ist. Ich finde es im Kern richtig, dass Sie sich nicht von der Industrie jeden Preis diktieren lassen. Aber die Tatsache, dass im Vergabeprozess Preise rauskommen können, die höher sind als das, was man zu zahlen bereit ist, ist doch nicht überraschend. Ich hätte von Ihnen schon erwartet, dass Sie dann wenigstens einen Plan B in der Tasche haben, was stattdessen passieren soll. Ich sage Ihnen, was stattdessen passiert: Die alten CH-53, die jetzt schon einen geheim gehaltenen, deutlich niedrigeren Klarstand haben, werden weiter fliegen müssen, mit dem Ergebnis, dass sie immer schlechter und schlechter werden. Die Leidtragenden sind am Ende des Tages die Soldatinnen und Soldaten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden in den Haushaltsberatungen versuchen müssen, beim Verteidigungsetat eine Aufgabe zu leisten, zu der das Ministerium mit dem Entwurf nicht in der Lage war, nämlich Prioritäten zu setzen. Wir werden sagen müssen, was alles auch nicht geht und was für uns Vorrang hat. Das können wir in diesem Etatentwurf noch nicht erkennen; aber wir werden in den Haushaltsberatungen dazu unsere Vorschläge machen. Ich freue mich darauf und danke Ihnen. Vielen Dank, Kollege Tobias Lindner. – Der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist der Kollege Henning Otte.
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Denise Loop BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Denise
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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Liebe Zuhörer/-innen! Wussten Sie, dass biometrische Identifikationssysteme weiße Menschen besser erkennen als Schwarze, dass promovierten Frauen der Zugang zur Umkleide im Fitnessstudio verwehrt wurde, weil das automatische Zugangssystem den Doktortitel ausschließlich Männern zuordnete, und dass Stellenausschreibungen für Lkw-Fahrer auf einer sozialen Plattform vorrangig Männern angezeigt werden, während Anzeigen für Erzieher vorrangig Frauen gezeigt werden? Diese Beispiele aus dem Dritten Gleichstellungsbericht zeigen: Algorithmen führen bestehende Geschlechterstereotype fort, und sie können sie sogar verstärken. Auch deshalb ist es ein großes Problem, dass nur 16 Prozent der Frauen in der Digitalbranche tätig, sie kaum in deren Führungspositionen vertreten und sie auch bei der Gründung von Start-ups deutlich unterrepräsentiert sind. In anderen Worten: Frauen sind an der digitalen Transformation in diesem Land nicht angemessen beteiligt. Das hat Einfluss auf die Entwicklung von neuen digitalen Technologien; denn sie sind nie neutral, sie sind immer in gesellschaftlichen Machtverhältnissen und Kontexten eingebettet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Digitalisierung hat Auswirkungen, und zwar ganz reale Auswirkungen im Alltag und auf die Teilhabechancen von Frauen und Mädchen. Das sieht man zum Beispiel an der Situation von Frauen im Homeoffice während der Pandemie. Auf der einen Seite kann das Arbeiten von zu Hause Chancen bieten, Erwerbs- und Sorgearbeit besser zu vereinbaren. Auf der anderen Seite zeigt sich aber, dass es gerade die Frauen sind, die unbezahlte Sorgearbeit im Homeoffice sehr viel stärker ausweiten als Männer. Das bedeutet: Auch hier muss bei der Erarbeitung von gesetzlichen Rahmenbedingungen die Perspektive von Frauen sehr viel stärker berücksichtigt werden. Eine weitere Realität ist: Frauen sind von digitaler Gewalt im Netz betroffen, insbesondere dann, wenn sie sich antirassistisch und queerfeministisch engagieren. Laut einer Studie – wir haben es heute schon mehrfach gehört – von Plan International Deutschland haben 70 Prozent der jungen Frauen in Deutschland im Internet bereits Bedrohungen oder Gewalt erlebt. Leider bestätigen auch aktuelle Zahlen, dass sie sich deshalb aus dem öffentlichen Diskurs zurückziehen. Das ist ein Problem für die Demokratie. Das müssen wir ändern. Frauen haben ein Recht auf eine gleichberechtigte und sichere Teilnahme am öffentlichen Diskurs. Digitale Gewalt müssen wir immer und überall bekämpfen; denn jede Form von Diskriminierung der Frauen begünstigt geschlechtsspezifische Gewalt. Aus dem Dritten Gleichstellungsbericht lässt sich ein klarer Auftrag für die Ampelkoalition ableiten. Deswegen bin ich unserer Parlamentarischen Staatssekretärin Ekin Deligöz sehr dankbar für ihre deutlichen Worte und ihre Bitte, diese wichtigen Themen auch im Haushalt zu verankern; denn wir brauchen dieses Geld, um die Handlungsempfehlungen des Berichts in der ressortübergreifenden Gleichstellungsstrategie zu berücksichtigen, um die Digitalisierungsstrategie um eine geschlechtersensible Perspektive zu erweitern und um MINT-Programme zu fördern, damit Geschlechterstereotype und Zugangsbarrieren für Frauen und Mädchen in der IT‑Branche abgebaut werden. Alle diese Maßnahmen sind notwendig. Denn wir wollen doch alle in einer Gesellschaft leben, in der nicht nur die technischen Aspekte, sondern auch die Menschen in ihrer gesamten Vielfalt berücksichtigt werden. Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der sich alle unabhängig vom Geschlecht sicher, diskriminierungsfrei und gleichberechtigt an den digitalen Transformationsprozessen beteiligen, damit alle Menschen gleichermaßen von den vielen Chancen der Digitalisierung profitieren. Vielen Dank. Vielen Dank. – Als nächste Rednerin erhält das Wort die Kollegin Dr. Katja Leikert für die CDU/CSU-Fraktion.
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Lothar Binding SPD
Lothar
Binding
SPD
Herr Glaser, um die Sache korrekt zu machen: Sie haben recht. Sie haben im Ausschuss nicht gesagt: Vergewaltigung auf öffentlicher Straße. Sie haben gesagt: Vergewaltigung auf offener Straße. Sie haben dann nach unserer Intervention gesagt, dass sei ein Sprachbild, und haben mehrmals das Wort „Sprachbild“ benutzt. Ich sage Ihnen: Das ist kein Sprachbild, das ist widerlich, geschmacklos und beschämend. Jetzt hat das Wort der Kollege Fritz Güntzler, CDU/CSU.
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Kai Wegner CDU/CSU
Kai
Wegner
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt hat jede Opposition einmal gesprochen. Ich habe gelernt, dass die FDP eine „Serviceopposition“ ist, nur der Service hat mir noch ein Stück weit gefehlt. Ich kann auch, lieber Herr Kühn, liebe Frau Lay, Ihre reflexartigen Reaktionen als Opposition auf Regierungshandeln durchaus nachvollziehen. Ich frage mich nur ernsthaft, welche Worte in Ihren Reden irgendeiner Mieterin, irgendeinem Mieter in diesem Land etwas gebracht haben. Wo sind eigentlich Ihre konkreten Gegenvorschläge, die mehr sind, als sich auf alternative Wohngipfel zu berufen? Wo sind eigentlich Ihre konkreten Vorschläge, wenn man einfach nur Regierungshandlungen dieser Koalition schlechtredet? Ich finde, auch das ist ein Armutszeugnis hinsichtlich der Brisanz des Themas „Wohnen in diesem Land“, meine Damen und Herren. Ja, das Thema Wohnen ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Ja, es gibt viele Menschen, die Angst vor Verdrängung haben. Wir haben nicht nur angespannte, sondern überhitzte Märkte in unserem Land. Und ja, wir haben den ländlichen Raum, wo wir Landflucht und sehr viel Leerstand feststellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, die Bundesregierung hat letzten Freitag mit dem Wohngipfel deutlich gemacht, dass wir uns entschlossen dieser Herausforderung stellen werden und an Lösungen für die Menschen arbeiten. Das werden wir unter Beweis stellen. Für uns, auch für mich ganz persönlich – ich komme aus Berlin; den Eindruck habe ich immer in Berlin –, ist klar: Man kann natürlich politisch den Mangel verwalten. Aber ich glaube, den Mangel in der Wohnungspolitik sollten wir nicht verwalten, liebe Kolleginnen und Kollegen, den sollten wir schnellstmöglich beseitigen. Das ist der Anspruch, den wir mit unserer Wohnungspolitik haben. Ich kann nur alle dazu aufrufen, dabei mitzumachen. Ich habe schon wieder so manche Reden allgemein gegen die Wohnungswirtschaft, allgemein gegen die Bauwirtschaft gehört, die viele Menschen, die redlich arbeiten, an den Pranger stellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir 1,5 Millionen neue Wohnungen bauen wollen, brauchen wir die Wohnungswirtschaft, brauchen wir die Bauwirtschaft als Partner und nicht als Gegner, liebe Kolleginnen und Kollegen. Auch das sollten wir uns sehr zu Herzen nehmen. Es gibt auch nicht nur die eine Maßnahme, um dieser Herausforderung gerecht zu werden, sondern wir brauchen einen breiten Instrumentenmix. Deswegen begrüße ich, dass dieser Wohngipfel und auch der Koalitionsvertrag deutlich machen, dass diese Koalition eines der umfangreichsten Maßnahmenpakete für den Wohnungsbau auf den Weg gebracht hat. Ich will Ihnen gerade bei den investiven Maßnahmen, lieber Herr Kollege Föst, ein paar Punkte nennen, bei denen ich stolz darauf bin, dass wir die umgesetzt haben, die übrigens so konkret noch gar nicht im Koalitionsvertrag stehen. Wir haben zum Beispiel bei der sozialen Wohnraumförderung deutlich die Mittel erhöht. Wir nehmen in dieser Legislaturperiode 5 Milliarden Euro in die Hand. Die Tatsache, dass wir sicherstellen müssen, dass die Länder diese Mittel für die soziale Wohnraumförderung endlich in die Hand nehmen, ist ein richtiges Zeichen dieser Koalition und der Bundesregierung. Auch das Baukindergeld gehört zu diesem breiten Mix, den wir brauchen. Denn natürlich müssen wir auch Eigentum fördern, weil das wieder Mietwohnungen freizieht; auch das gehört zur Wahrheit. Hören Sie doch auf mit Ihren ideologischen Scheuklappen an dieser Stelle. Auch die steuerlichen Investitionsanreize sind wichtig, weil wir schnellstmöglich Wohnungsneubau brauchen; denn das Problem besteht heute. Was Sie uns vielleicht vorwerfen können, Herr Kühn, ist, dass wir es zu spät machen. Ja, das können Sie uns vielleicht vorwerfen. Aber: Diese Regierung ist seit sechs Monaten im Amt. Dieser Bauminister ist seit sechs Monaten im Amt, und dieser Bauminister setzt mit der Koalition alles in Bewegung, dass wir den Wohnungsbau nach vorne bringen. Ich finde, das ist jetzt auch einmal anzuerkennen. Zur Sonder-AfA – das will ich an dieser Stelle auch sagen –: Ich bin froh, dass das, was jetzt im Kabinett beschlossen wurde, schon deutlich besser ist als der Referentenentwurf. Ich sage aber auch: Wir werden im parlamentarischen Verfahren genau darauf achten, dass die Breitenwirkung, die wir uns erhoffen, für mehr Wohnungsbau auch im freifinanzierten Bereich deutlich zur Geltung kommt. Eventuell müssen wir da an der einen oder anderen Stelle noch einmal nachbessern, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir haben die Baulandmobilisierungskommission eingesetzt; auch das ist ein richtiger und wichtiger Punkt. Wir brauchen mehr Bauland in Deutschland. Eins ist auch klar – das sehen wir schon heute –: Allein über Nachverdichtung und Dachgeschossausbau wird uns die Bewältigung dieser Herausforderung nicht gelingen. Wir brauchen neues Bauland. Wir brauchen die Entwicklung neuer Stadtteile, und wir müssen auch den Kommunen Mut machen, neue Stadtteile zu entwickeln. Auch das werden wir als Große Koalition anpacken. Es geht auch um Baulandpreise. Liebe Frau Lay, Sie tragen in Berlin Verantwortung. Allein in Berlin sind die Baulandpreise im letzten Jahr um 77 Prozent gestiegen. Auch das ist ein Beispiel Ihrer falschen Politik. Hier setzen wir mit unserer Baulandkommission an. Wir werden den Investoren preiswertes Bauland zur Verfügung stellen. Denn: Wer bezahlbare Mieten will, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss auch bezahlbar bauen. Auch das gehört zur Wahrheit. Herr Kollege, die Redezeit ist vorbei. Wir werden für faire und verlässliche Rahmenbedingungen sorgen, wir werden Anreize für mehr Bautätigkeit setzen, wir werden auf einfache und schlanke Genehmigungsverfahren hinwirken, und wir werden für mehr Bauland sorgen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ein letzter Wunsch an die Länder: Wir haben in Deutschland 16 Landesbauordnungen – Herr Kollege, bitte, Sie sind jetzt am Ende der Redezeit. – lieber Herr Präsident –, ich meine, das sind 15 zu viel. Wir arbeiten daran: mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland. Herzlichen Dank. Der nächste Redner ist der Kollege Frank Magnitz für die AfD-Fraktion.
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Paul Ziemiak CDU/CSU
Paul
Ziemiak
CDU/CSU
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Nolte, erlauben Sie mir, eine Vorbemerkung zu machen, bevor ich zu meiner eigentlichen Rede komme. Wir diskutieren hier über ein Mandat zur Entsendung von deutschen Streitkräften, und wir haben hier ganz unterschiedliche Positionen: von der der Linksfraktion über die Position der Grünen, die der SPD und die Position, die in der Union diskutiert wird, bis hin zu Ihrer Position. Deshalb debattieren wir das hier. Aber ich verbitte mir jegliche Äußerung, dass es sich irgendein Abgeordneter leicht mache, Soldaten irgendwohin zu schicken. Wir haben unterschiedliche Meinungen; aber keiner macht es sich leicht. Jeder diskutiert und streitet für seine Überzeugung, was gut und richtig ist, und auch darüber, was im deutschen Interesse liegt, meine Damen und Herren. Sie haben hier wieder wunderbar vorgeführt, wie Ihre Art ist, Politik zu machen und auch die Bundeswehr zu missbrauchen. Sie vermischen die Einsätze, Sie mischen noch die Flüchtlingspolitik bei, und darauf kochen Sie Ihre Suppe, die dann andere auslöffeln müssen. Liebe Freundinnen und Freunde – – Entschuldigen Sie, ich will jetzt nicht zu überschwänglich werden. – Meine Damen und Herren, ich will daran erinnern, dass diese Mission auf zwei UN-Resolutionen beruht. Es geht darum, drei Ziele zu erreichen: erstens das Friedensabkommen von 2015 – das wurde bisher nicht angesprochen – umzusetzen, zweitens den Schutz von Zivilisten zu gewährleisten und drittens auch ein sicheres Umfeld für humanitäre Hilfe zu schaffen. Die Grundvoraussetzung für Entwicklungshilfe ist immer Sicherheit. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, MINUSMA ist ein Instrument, das auch mit anderen zusammenwirkt. Die Mission EUTM Mali – wir haben das in der vergangenen Sitzungswoche debattiert – stellt die Ausbildung der malischen Streitkräfte sicher; denn langfristig können nur malische Streitkräfte für die Sicherheit im Land sorgen. Gleichzeitig unterstreicht diese Zusammenarbeit mit den G‑5-Sahelstaaten den grenzübergreifenden Ansatz, den wir hier mit den Vereinten Nationen verfolgen. Diese militärischen Bemühungen werden durch humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit flankiert. Wir leisten unseren Beitrag, und wir begleiten Mali auf dem Weg in eine friedliche Zukunft. Das ist unser Bestreben. An dieser Stelle danke ich allen, die ihren Dienst leisten, den Soldatinnen und Soldaten, und natürlich ihren Familien, an die wir heute ebenfalls denken; denn auch die haben die Belastung dieses Einsatzes zu schultern. Danke für Ihren Einsatz! Ich danke auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der zivilen Hilfen, der NGOs, die einem großem Risiko ausgesetzt sind. In beiden Fällen denken wir ebenfalls an die Angehörigen. Ein starkes Signal, wie ich fand, war, dass weite Teile der Opposition dieses Mandat unterstützen. FDP und Grüne haben sich sehr konstruktiv und sachorientiert eingebracht. Sie haben das notwendige militärische Engagement nicht gegen die notwendige Entwicklungszusammenarbeit ausgespielt. Zivile Hilfe kann dort nur gelingen, wenn Sicherheit vorherrscht. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wie bei der Beratung eines jeden Mandats in diesem Hause darf man nicht nur über die Folgen einer Zustimmung, eines Ja, sprechen, sondern man muss auch über die Folgen eines Nein sprechen. Wer gegen die Beteiligung an MINUSMA stimmt, der verhindert, dass Entwicklungszusammenarbeit gelingen kann. Wer dagegenstimmt, der eröffnet islamistischem Terrorismus Rückzugsorte. Wer dagegenstimmt, der untergräbt den mühsamen Friedensprozess, der schon von vornherein so schwierig war. Wer dagegenstimmt, der riskiert weitere Instabilität in dieser Region. Wer dagegenstimmt, der nimmt den Menschen jegliche Perspektive auf ein besseres Leben in ihrem Heimatland. Wer dagegenstimmt, der soll sich später nicht beschweren, dass Menschen sich auf der Suche nach einer friedlichen Zukunft auf den Weg nach Europa machen. Das sollte man nicht tun, wenn man heute dagegenstimmt. Es war von Anfang an evident, dass dieser Konflikt komplex ist und es keine schnellen Lösungen geben wird. Der Weg zum Frieden in Mali ist kein Sprint, sondern ein langer Weg, ein Marathon. Derzeit ist der afrikanische Traum ein Traum, der in Europa stattfindet. Wir aber müssen daran arbeiten und dafür sorgen, dass jeder Mensch in Afrika auch eine Zukunft in Afrika hat und seine Träume dort verwirklichen kann. Ich weiß, das ist ein unheimlich langer Weg – Sie haben es gerade beschrieben –, aber MINUSMA ist der erste Schritt auf diesem Weg. Heute Nein zu sagen, wäre verantwortungslos, nicht nur mit Blick auf die Interessen der Menschen in Mali, sondern auch mit Blick auf das deutsche Interesse. Ich bitte um Ihre Zustimmung. Als Nächster spricht der Abgeordnete Ulrich Lechte für die Fraktion der FDP.
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Beate Müller-Gemmeke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Beate
Müller-Gemmeke
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Viele Beschäftigte wollen ihre Arbeit flexibler gestalten. Sie wollen im Homeoffice und mobil arbeiten. In der Realität gehen aber Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander: Mobiles Arbeiten ist immer noch ein Privileg für Wenige, und genau das wollen wir mit unserem Antrag verändern. Viele Arbeitgeber zögern, obwohl auch sie davon profitieren können. Wenn sie mobiles Arbeiten ermöglichen, dann werden sie doch auch als Unternehmen attraktiv und können leichter Fachkräfte gewinnen und auch besser halten. Das Potenzial für mobiles Arbeiten ist groß. Es muss endlich genutzt werden, und zwar nicht nur in Zeiten von Corona. Homeoffice geht natürlich nicht bei allen Tätigkeiten, und auch nicht alle Beschäftigten wollen mobil arbeiten. Aber mindestens 30 Prozent der Beschäftigten wollen mehr Zeitsouveränität. Für sie bedeutet mobiles Arbeiten mehr Freiheit und Selbstbestimmung. Es geht darum, dass Arbeit besser in ihr Leben passt. Dabei geht es um Familie, um Kinder oder Pflege, aber auch um Ehrenamt, politische Arbeit, Weiterbildung oder einfach nur um Freizeit. Wer im Homeoffice arbeitet, hat auch keine langen Fahrzeiten zum betrieblichen Arbeitsplatz. Das ist ökologisch sinnvoll. Außerdem haben die Beschäftigten weniger Stress und dafür mehr Zeit für Erholung. Alles zusammen erhöht die Lebensqualität und Zufriedenheit der Beschäftigten. Deshalb ist es an der Zeit, dass die Beschäftigten, die mobil arbeiten können und wollen, mit einem Rechtsanspruch gestärkt werden. Aber natürlich braucht es auch klare Regeln: Homeoffice muss immer freiwillig sein, verbunden mit einem Rückkehrrecht, wenn die Beschäftigten merken, dass für sie die mobile Arbeit nicht das Richtige ist. Homeoffice soll es auch immer nur alternierend geben, als Ergänzung zum festen Arbeitsplatz; denn die Beschäftigten dürfen nicht unsichtbar werden, wenn es um Weiterbildung oder Aufstiegsmöglichkeiten geht. Natürlich gilt auch im Homeoffice das Arbeitszeitgesetz; denn auch jede mobile Arbeitsstunde muss entlohnt werden. Homeoffice darf auch nicht grenzenlos werden. Und deshalb muss auch mobile Arbeitszeit dokumentiert werden. Gleichzeitig wollen wir aber auch die Hürden für die Unternehmen abbauen. Notwendig sind klare und vor allem praktikable Regelungen, beispielsweise beim Arbeitsschutz, bei der gesetzlichen Unfallversicherung, bei Haftungsfragen und Datenschutz. Alle Aspekte im Zusammenhang mit Homeoffice müssen klar geregelt werden. So erhalten die Beschäftigten Schutz und die Unternehmen Sicherheit im Umgang mit Homeoffice und mobilem Arbeiten. Beides ist also notwendig, dann wird mobiles Arbeiten auch attraktiv, und zwar vor allem für die Unternehmen. Jetzt noch ganz kurz ein paar Worte zum Antrag der AfD. Wir reden heute über mobiles Arbeiten. Die AfD aber arbeitet sich am Telearbeitsplatz und an der Arbeitsstättenverordnung ab. Sie fragt auch nach Erfahrungen der Bundesverwaltung. Lesen Sie doch einfach mal den Bericht zum Modellversuch Telearbeit, der von 1996 bis 1998 im Wirtschaftsministerium durchgeführt wurde! Die AfD lebt in der Vergangenheit. Wir wollen die Zukunft gestalten, damit von der Digitalisierung eben nicht nur die Unternehmen, sondern vor allem auch die Beschäftigten profitieren; denn Arbeitszeit ist Lebenszeit. Vielen Dank. Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Abgeordnete Jana Schimke das Wort.
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Dr.
Dr. Volker Ullrich CDU/CSU
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Ullrich
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur strategischen Fernmeldeaufklärung ist auch ein Auftrag an den Gesetzgeber; diesen müssen wir bis zum wir 31. Dezember 2021 erfüllen. Deswegen ist es auch unredlich, wenn wir innerhalb von acht Tagen einen Gesetzentwurf beschließen sollen, ohne darüber nachzudenken, wie wir die Kautelen des Urteils tatsächlich fassen und umsetzen sollen. Für diese wichtige Frage bei der Kontrolle der Nachrichtendienste brauchen wir Zeit, Transparenz, die Einbindung aller parlamentarischen Partner, aber auch der Zivilgesellschaft und der Sachverständigen. Deswegen werden wir uns Zeit lassen und nicht innerhalb von sieben Tagen ein Gesetz verabschieden, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP! Entscheidend in diesem Urteil ist auch – das ist wichtig festzuhalten –: Grundrechte schützen immer dann, wenn der deutsche Staat handelt, ganz gleich, ob im Inland oder im Ausland. Es ist übrigens keine Anmaßung, wenn der deutsche Staat auch außerhalb unseres Staatsgebietes der Grundrechtsbindung unterliegt; denn die Geltung der Menschenwürde und die Geltung der Menschenrechte sind universell. Das ist für uns eine Art Ordnungsprinzip, auch im Hinblick auf die internationale Ordnung. Aber das Ordnungsprinzip der Geltung der Menschenrechte muss auch geschützt und verteidigt werden. Und das bedeutet, dass wir uns gegen die Herausforderungen wappnen müssen: Cyberterrorismus, Drogenhandel, Terrorismus. Vielfältige Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland sind gefährdet. – Wir können unser Land nur schützen, wenn wir rechtzeitig gewarnt sind. Deswegen brauchen wir einen Auslandsnachrichtendienst, und deswegen muss er auch die Befugnis zur Auslandsaufklärung haben; das steht für uns nicht zur Debatte. Das Bundesverfassungsgericht hat sogar gesagt, dass auch diese Befugnis nach wie vor zulässig ist. Es hat extra darauf hingewiesen, dass es in unserem staatlichen Interesse liegt, dass diese Aufklärung auch vonstattengeht. Entscheidend ist, wie wir sie organisieren. Wir werden sie nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gut organisieren können; denn auch unser oberstes Gericht hat gesagt, dass die Arbeitsfähigkeit dieses Dienstes auch in der Funktion als Informationsbeschaffer für die Bundesregierung unabdingbar und unverzichtbar ist. Deswegen werden wir bei der Frage des Zwecks der Datensammlung, bei der Frage der Verhältnismäßigkeit der Übermittlung die gesetzlichen Vorschriften anpassen. Wir werden auch darüber sprechen, inwiefern wir die Kontrolle neu organisieren müssen; aber wir werden nicht alles neu organisieren können. Die Dinge, die sich bewährt haben, insbesondere auch die starke parlamentarische Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium, gehören zum Kern des parlamentarischen Auftrags des Bundestages. Daran werden wir festhalten; da war die Kontrolle bislang gut, und sie wird gut bleiben. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Dr. Ullrich. – Damit schließe ich die lebendige Aussprache. Sie hat Spaß gemacht.
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Thomas Erndl CDU/CSU
Thomas
Erndl
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns in regelmäßigen Abständen hier mit der Frage des Beitritts zum Atomwaffenverbotsvertrag. Eine atomwaffenfreie Welt ist zweifelsohne ein wichtiges Anliegen. Und wer würde sich nicht eine Welt ohne Atomwaffen wünschen? In dieser Frage gibt es – wir haben es gehört – keinen Mangel an Verträgen, keinen Mangel an Papier, sondern das Problem ist vielleicht eher, dass es auch keinen Mangel an Staaten gibt, die sich nicht an die eine oder andere Vereinbarung halten. Ich glaube, es muss aber auch einmal festgestellt werden, dass bestehende Mechanismen dafür gesorgt haben, dass wir seit 1990 97 Prozent der Atomwaffen in Europa abgebaut haben. Im Koalitionsvertrag haben wir Rüstungskontrolle und Abrüstung als prioritäre Ziele deutscher Außen- und Sicherheitspolitik besonders hervorgehoben. Doch der Atomwaffenverbotsvertrag, der im Antrag genannt wird, ist nur eine Scheinlösung. Wir befinden uns – es wurde wieder einmal deutlich, dass die Fraktion Die Linke und auch die Grünen das letztendlich noch nicht realisiert haben – in einer neuen sicherheitspolitischen Lage. Diese muss man zur Kenntnis nehmen. Die Zustimmung Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag wäre in vielfacher Hinsicht kontraproduktiv; meine Vorredner haben das ausgeführt. Wir würden uns isolieren und denjenigen Vorschub leisten, die auf eine Spaltung, zum Beispiel des NATO-­Bündnisses, abzielen. Und das ist wirklich nicht das, was wir wollen. Wir als CDU/CSU-Fraktion kümmern uns um unsere Sicherheit. Deswegen sagen wir: Es macht keinen Sinn, diesem Vertrag beizutreten, zum Beispiel deswegen, weil keine einzige Nuklearmacht diesen Vertrag unterzeichnet hat. Diese Mächte lehnen ihn allesamt ab. Damit erübrigt sich eigentlich eine weitere Diskussion über dessen Wirksamkeit. Der Vertrag gibt auch keine Antworten auf wichtige Fragen. Wie soll zum Beispiel mit einem Staat umgegangen werden, der heimlich Kernwaffen lagert? Wir erinnern uns: Russland sollte eigentlich kein Nowitschok haben; aber auf einmal war es irgendwo da. Auch das war letztendlich keine Erfüllung von bestehenden Verträgen. Zudem enthält das Abkommen sogar eine Ausstiegsklausel. Nach einem Jahr darf jeder Mitgliedstaat mit Verweis auf die geänderte Sicherheitslage das Abkommen wieder verlassen. Das heißt, alle daran teilnehmenden Staaten müssten nicht nur mit dem Risiko zurückgehaltener Nuklearwaffenarsenale leben, sondern auch mit der Möglichkeit, dass ein oder mehrere Länder das Abkommen kündigen und wieder atomar aufrüsten. Der Vertrag beinhaltet auch leider nur geringe Standards zur Überprüfung ziviler Atomprogramme. Angesichts dieser Risiken für unsere sicherheitspolitischen Interessen sollten wir lieber die Glaubwürdigkeit der nuklearen Abschreckung aufrechterhalten. Es mag natürlich paradox erscheinen; aber die Geschichte hat es letztendlich gezeigt: Die nukleare Abschreckung hat den Frieden in Europa erhalten und ihn eben nicht gefährdet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur um das noch einmal klar auszudrücken: Eine kernwaffenfreie Welt bleibt unsere Vision. Das bleibt unser Ziel. Es ist bereits so, dass fast alle Staaten völkerrechtlich verbindlich und für immer auf Kernwaffen verzichtet haben; die meisten natürlich in der Erwartung, dass auch die Atommächte eines Tages darauf verzichten. Doch die Realität ist nun einmal eine andere. Es ist nicht abzusehen, wann dieser Tag kommt. Außerdem gibt es außerhalb des Atomwaffensperrvertrages Staaten, die massiv atomar aufrüsten: Indien, Pakistan, Nordkorea. Auch das muss man einbeziehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die völlige nukleare Abrüstung bleibt selbstverständlich ein Ziel. Dieses wird jedoch durch den Atomwaffenverbotsvertrag nicht gefördert. Wegen dieser sicherheitspolitischen Risiken für unser Land, für Europa lehnen wir den Beitritt ab. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Erndl. – Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten – Atomwaffen abziehen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/1734, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/98 abzulehnen. Wer für die Annahme dieser Beschlussempfehlung ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der FDP, der CDU/CSU und der SPD. Wer ist dagegen? – Grüne und Linke. Enthaltungen? – Von der AfD. Damit ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses angenommen.
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Doris Achelwilm DIE LINKE
Doris
Achelwilm
DIE LINKE
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Transmenschen haben lange dafür gekämpft, heute etwas sichtbarer und vielleicht auch akzeptierter zu sein als vor 10 oder 20 Jahren. Trotzdem gehören sie immer noch zu den verwundbarsten und am stärksten diskriminierten Mitgliedern unserer Gesellschaft. Hier ist der Ort, von wo aus dieses Problem wesentlich geändert werden kann, also müssen wir das jetzt tun. Zu wissen, dass ich ein anderes Geschlecht habe als das, was mir bei der Geburt zugeschrieben wurde, ist eine Erkenntnis, die mit hohen Risiken verbunden ist. Ob in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit: Es drohen Unverständnis, Verletzungen und Schlimmeres, wenn ich erklären muss, dass mein Geschlecht ein anderes ist als das von außen angenommene. Wer diesen Weg offen geht und für andere leichter macht, verdient Respekt, Schutz und rechtliche Anerkennung. Bis vor Kurzem wurde Transsein von der WHO noch als Krankheit definiert. Und auch wenn diese Diagnose wissenschaftlich ein Auslaufmodell ist, lebt sie faktisch fort und macht vielen das Leben schwer. Je nach politischem Klima nimmt der Druck sogar noch zu, zum Beispiel in Ungarn, wo Viktor Orban gesetzlich festzieht, dass es nur das bei Geburt zugewiesene Geschlecht geben soll und damit keine Existenzberechtigung für Transmenschen. Es ist ungeheuerlich! Dieser Beispiele gibt es mehr. Umso wichtiger ist es, international Position für queere Minderheiten zu beziehen und hierzulande fortschrittliche Entscheidungen zu treffen. – Die Krankenkassen sollen bezahlen, ja. Die Umsetzung der dritten Option blieb weit hinter den Möglichkeiten zurück. Für Transmenschen ist die dritte Option leider keine echte Option. Sie müssen ihr Wissen um das eigene Geschlecht weiterhin über Gerichte und Gutachten schikanös prüfen lassen, um ihren alten Namen ändern zu können, so wie es das Transsexuellengesetz, kurz: TSG, seit 1981 vorsieht. Eine Riesenenttäuschung! Was spricht gegen einen einfachen Ummeldevorgang gemäß der Selbstangabe beim Standesamt? Rational nichts; es sind alte Vorbehalte. Als Linke begrüßen wir deshalb sehr, dass es jetzt neue Entwürfe dafür gibt, das TSG durch ein Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen. Wir fordern außerdem, dass die Menschenrechtsverletzungen historisch aufgearbeitet und die Menschen materiell entschädigt werden. Bis 2009 nämlich mussten sich Eheleute gemäß TSG für ihre Transition von der Partnerin oder dem Partner scheiden lassen. Bis 2011 war eine Änderung des Geschlechtseintrages nur durch Nachweis zum Beispiel der Zeugungsunfähigkeit durch eine Sterilisation möglich. Beide Regelungen – die unsäglich sind – hat das Bundesverfassungsgericht außer Kraft gesetzt; aber bis dahin war zigtausendfach Unheil geschehen. Dies muss öffentlich ausgewertet und entschädigt werden. Schweden kann hier Vorbild sein. Es hat 2016 allen Menschen eine pauschale Entschädigung zugesprochen, die bis 2013 nach dem schwedischen Transsexuellengesetz zwangssterilisiert worden waren. Auf diese Idee hätte die Bundesregierung auch schon kommen können. Wir hoffen, Sie tut es jetzt und folgt unseren Vorschlägen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Das Wort hat der Kollege Paul Lehrieder für die CDU/CSU-Fraktion.
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Christian Dürr FDP
Christian
Dürr
FDP
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Entlastung unserer Mitte ist für Angela Merkel seit 13 Jahren immer nur ein Wahlkampf-, aber kein Regierungsthema. Das ist die Wahrheit. Frau Staatssekretärin Lambrecht, Herr Kollege Steininger, Sie wollten uns heute Morgen wieder einmal weismachen – vorhin war die Rede von dem zentralen Entlastungsprojekt dieser Legislaturperiode –, dass es hier um die Entlastung von Familien in Deutschland geht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist Quatsch. Bei der kalten Progression oder beim Kindergeld tun Sie das – und ausschließlich das –, was verfassungsrechtlich geboten ist. Sie wollen sich heute dafür feiern lassen, dass Sie nicht gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verstoßen. Das, liebe Kollegen, ist bei der Entlastung der Mitte der Gesellschaft zu wenig, um das in aller Klarheit zu sagen. Sie schwimmen im Geld; Sie haben das ja vorhin nicht erwähnt. Der Gesamtstaat wird während Ihrer Regierungsverantwortung über 350 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen im Vergleich zur vergangenen Legislaturperiode. Das, was Sie den Menschen hinwerfen – auch mit diesem Familienentlastungsgesetz –, sind allerhöchstens Brotkrumen. Statt einer echten Familienentlastung geben Sie, Frau Lambrecht, das Geld mit vollen Händen aus. Ein Beispiel wurde vorhin genannt: das Baukindergeld. Sie schaffen hier eine neue Subvention – diese hat übrigens eine schwarz-gelbe Bundesregierung in den 90er-Jahren unter Schmerzen abgeschafft – mit dem Geld, das Sie den Familien zuvor weggenommen haben, und wollen sich dann dafür feiern lassen. Ihre Rentenpolitik wird dazu führen, dass der Zuschuss an die gesetzliche Rentenversicherung während dieser Legislaturperiode die 100‑Milliarden-Euro-Marke übersteigen wird. Dann kommt zusätzlich – das sage ich gerade an Ihre Adresse als SPD-Politikerin, Frau Staatssekretärin – die Rentengarantie von Olaf Scholz bis zum Jahr 2040. Das wird weitere dreistellige Milliardenbeträge kosten, liebe Kollegen von der SPD. In Wahrheit lassen Sie die Menschen im Stich. Das ist doch keine Entlastung der Familien, Herr Kollege, sondern Sie belasten heute die Kinder der Familien, die später einmal das zahlen müssen, was Sie hier versprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD. Wenn ich mir einmal die allgemeine politische Stimmungslage in Deutschland anschaue, dann habe ich den Eindruck: Für das Konzept der SPD in dieser Großen Koalition, sich durch Sozialleistungen bzw. durch zusätzliche soziale Versprechungen Wählerstimmen zu erkaufen, sind die Menschen in Deutschland schlicht und einfach zu schlau, um das an dieser Stelle auch einmal festzustellen. Dann will ich eine weitere Wählergruppe ansprechen, die Sie vermeintlich identifiziert haben, nämlich die alleinerziehenden Mütter und Väter in Deutschland. Auch diese sind beim Kindergeld angeblich angesprochen. Was hat eine alleinerziehende Mutter, die einen Unterhaltszuschuss bekommt, von Ihrer Kindergelderhöhung? Diese wird voll angerechnet. Für die Alleinerziehenden, die hart arbeiten und Kinder erziehen, tun Sie nichts in Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere der SPD. Dabei könnte man etwas tun. Man könnte jetzt über einen Tarif auf Rädern nachdenken, wie ihn die FDP vorschlägt. Man könnte über einen Chancentarif nachdenken, der gerade untere Lohngruppen animiert, mehr zu tun, mehr zu arbeiten, Leistung zu erbringen. Für die Mitte, für die hart arbeitenden Menschen, tun Sie nichts mit diesem Regierungsentwurf, um das klar zu sagen. Man hätte übrigens am heutigen Tag für alle Menschen in der Mitte etwas machen können. Man hätte heute für alle Familien etwas machen können. Nach den regulären Abläufen dieses Hauses hätte heute ein Gesetzentwurf meiner Fraktion zur Abstimmung gestanden, der die Abschaffung des Solidaritätszuschlags zu dem Termin, an dem es verfassungsrechtlich geboten ist, nämlich nach Auslaufen des Solidarpaktes II, vorsah. Dieser Gesetzentwurf ist gestern im Finanzausschuss entgegen den regulären Abläufen dieses Hauses gestoppt worden, damit Sie vor den Landtagswahlen sich nicht einer Abstimmung stellen müssen. Das ist die Wahrheit, und das ist das, was gestern passiert ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich will Ihnen drei Sachen sagen. Kein Solizahler darf von der Senkung ausgeschlossen werden. Der Soli gehört in dieser Wahlperiode komplett abgeschafft. Der Soli gehört nicht in die Gehaltsabrechnung, er gehört in das Geschichtsbuch dieses Landes. Ich muss an dieser Stelle meine Rede kurz unterbrechen, weil ich, offen gestanden, wenig Verständnis habe, dass gerade meine Fraktion zu diesen drei Sätzen applaudiert hat. Wissen Sie, welche drei Leute diese drei Sätze in den letzten Wochen gesagt haben? Das war der Kollege Hans Michelbach von der Union, das war Alexander Dobrindt, und das war der bayerische CSU-Generalsekretär Markus Blume. Sie wollen die Menschen nicht entlasten, meine Damen und Herren. Es sind alles Wahlkampfversprechen. Aber die Entscheidung, das umzusetzen, was Sie im Wahlkampf ankündigen, Herr Dobrindt, hätten Sie heute treffen können. Aber Sie drücken sich vor dieser Entscheidung wenige Tage vor der bayerischen Landtagswahl. Das müssen auch die Menschen in Bayern wissen, Herr Dobrindt. Ich glaube, dass sich die Menschen nicht für dumm verkaufen lassen. Bei der Entlastung der Mitte unserer Gesellschaft, bei denen, die morgens früh aufstehen und hart arbeiten, haben Sie als Union mittlerweile kein Glaubwürdigkeitsproblem mehr. Sie haben bei diesen Menschen keine Glaubwürdigkeit mehr. Das ist die Wahrheit. Ich will ganz kurz zitieren, was am Tag der Deutschen Industrie die Bundeskanzlerin gesagt hat, nein, ich korrigiere mich: Die Parteivorsitzende der CDU hat zum Stichwort „Soliabschaffung“ gesagt, es sei einer der schwierigsten Kompromisse bei den Koalitionsverhandlungen gewesen, dass der Soli zwar für 90 Prozent der Zahler abgeschafft werde, aber für 10 Prozent nicht. Sie halte dies nicht für gerecht. Übrigens: Olaf Scholz lässt heute in einem Interview wissen, dass das großer Quatsch wäre, vielmehr habe man als SPD für die Abschaffung des Solis mehr getan als die Union. Wir haben das bei den Jamaika-Verhandlungen leidvoll erfahren müssen. Ein anderer Kollege hat etwas gesagt, was die Dinge, glaube ich, perfekt auf den Punkt bringt. Der Kollege Carsten Linnemann von der Mittelstands-Union hat am Montag Folgendes gesagt: Der Soli gehört abgeschafft. Sonst glaubt uns doch keiner mehr. – Recht hat er, meine Damen und Herren! Ihnen glaubt keiner mehr. Nach fünf Wahlkämpfen, in denen es jedes Mal Entlastungsversprechen gab, die aber nach der Wahl nicht erfüllt wurden, bleibt eines festzuhalten – ich habe das bereits am Anfang meiner Rede gesagt –: Die Entlastung der Mitte in Deutschland ist für Sie seit 13 Jahren immer nur ein Wahlkampfthema, aber nie ein Regierungsthema. Herzlichen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Fabio De Masi, Fraktion Die Linke.
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Albrecht Glaser AfD
Albrecht
Glaser
AfD
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Regierungskoalition bringt kein Bundeswahlrecht zustande, das eine vorhersehbare Zahl von Abgeordneten festlegt. Würde zeitnah der Bundestag neu gewählt, ergäbe sich derzeit eine Zahl von etwa 800 Abgeordneten. Diese Regierung beabsichtigt, nach Auslaufen des Solidarpakts II den sogenannten Solidarzuschlag zur Einkommensteuer teilweise abzuschaffen. So wie es derzeit aussieht, wird sie dabei in die Verfassungswidrigkeit hineinlaufen, weil sie einen Teil der Steuerbürger entlastet und einen anderen nicht. Diese Regierungskoalition will eine erneuerte Grundsteuer in die Welt setzen und ist auch hierbei zu einer echten Reform nicht fähig. Das ist der Zusammenhang: Nirgends Reformfähigkeit. Die Grundsteuer ist die älteste aller Steuern. Es gibt sie seit 4 000 Jahren. Als Antiquität wäre sie eine Kostbarkeit, als Instrument zur zeitgemäßen Staatsfinanzierung ist sie ein Fossil. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 1995 zu erkennen gegeben, dass die seit Jahrzehnten bei der Bewertung von Boden und Gebäuden zugrunde gelegten Werte heute nicht mehr anwendbar seien und somit die derzeitige Besteuerung verfassungswidrig. Im Frühjahr 2018 kam dann die formale Feststellung der Verfassungswidrigkeit. Statt die Chance zu ergreifen, endlich steuersystematisch und intelligent das Grundsteuerproblem anzupacken, sollen nun in aller Eile Flicken an die Ärmel genäht werden, um die alte Jacke wieder benutzbar zu machen. Die bisherige Grundsteuer, die durch das seit vorgestern bekanntgegebene Gesetzespaket in veränderter Form fortgeschrieben werden soll, zielt auf die Vermögenssubstanz von Boden und Gebäuden, gleichgültig ob daraus Erträge fließen oder nicht. Bei der Eigennutzung von Haus und Wohnung ist dies offenkundig nicht der Fall. Insofern ist die Grundsteuer eine Vermögensteuer, die selektiv auf Grundvermögen erhoben wird. Sofern Erträge aus dem Grundvermögen fließen, sind diese Einkommen und werden zu Recht bei der Einkommensbesteuerung berücksichtigt. Im Falle der Vermietung bleibt der Eigentümer zwar Steuerschuldner der Grundsteuer, Steuerträger wird jedoch der Mieter, dem sie über die Betriebskosten auferlegt wird. Der Mieter ist daher mit gleich hohen Grundsteuern belastet wie sein Nachbar, der als Eigentümer in einer vergleichbaren Wohnung lebt. Die Kuriosität besteht bei mehr als 50 Prozent der Einwohner des Mieterlandes Bundesrepublik Deutschland. Wie man sieht, ist die altertümliche Grundsteuer auch in einem neuen Gewand ein systematisches Monstrum, weshalb in der Literatur auch ihre Verfassungsmäßigkeit infrage gestellt wird. Die administrative Komplexität kommt noch hinzu. Es sind periodisch über 35 Millionen Grundstücke zu bewerten, und daran ändert sich gar nichts – es wird auch nicht nennenswert einfacher –, und das für ein jährliches Steueraufkommen von rund 14 Milliarden Euro, einem Betrag von weniger als 2 Prozent des gesamtstaatlichen Steueraufkommens. – Machen Sie langsam! Das denkt jeder. Ich verstehe davon ein bisschen was. Deshalb muss dieses Fossil ins Steuermuseum. Seine Funktion, eine adäquate Finanzierung der Gemeinden, muss anders geleistet werden, und das auch mit einer Steuer, die Hebesätze hat. – Herr Kollege, habe ich Sie jetzt glücklich gemacht? Dazu bietet sich eine lokale Einkommensteuer als Zuschlag auf die Bemessungsgrundlage – nicht auf die Einkommensteuer – und für gewerbliche Immobilien eine Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes an. Die Wohn- und Gewerbebürger werden dadurch, wie Berechnungen zeigen, nur geringfügig mehr belastet. Dies geschieht jedoch nach dem Gerechtigkeitsmaßstab der individuellen Leistungsfähigkeit, und das ist die Mutter aller steuerrechtlichen Normen. Alle Besteuerungsgrundlagen sind bereits für Zwecke der Einkommen- und Gewerbesteuer jährlich zutreffend von der Steuerverwaltung festgestellt; es bedarf null Aufwandes. Die Gemeinde muss lediglich ihren individuellen Hebesatz auf diese Grundlagen anwenden. Diese echte systemische Steuerreform hätte zudem den Effekt, dass alle Mieter in Deutschland von der Grundsteuer im Volumen von 14 Milliarden Euro entlastet würden, in den großen Städten sogar relativ mehr als in der Fläche, weil in großen Städten die Gebäudewerte besonders hoch sind und große Städte die Mieter mit übermäßigen Hebesätzen quälen: eine Stadt wie Berlin mit einem Hebesatz von 810 Prozent gegenüber dem auch schon teuren Frankfurt am Main mit einem Hebesatz von 500 Prozent. Der beschriebene Entlastungseffekt würde für die Situation der Mieter in Deutschland wirksamer sein als alle Maßnahmen dieser Regierung zusammengenommen. Meine Damen und Herren, wie Sie sehen: Unser Land braucht Alternativen. Die strenge Trennung von Geist und Mandat sollte aufgehoben werden. Nächster Redner ist der Kollege Andreas Jung, CDU/CSU.
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Lars Rohwer CDU/CSU
Lars
Rohwer
CDU/CSU
Glück auf! Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts des barbarischen Krieges des russischen Diktators Putin sind immer mehr Menschen auf der Flucht. Darüber haben wir in dieser Debatte miteinander gesprochen. Ich möchte auch für die CDU/CSU-Fraktion noch einmal festhalten: Wir müssen diesen Menschen gute Gastgeber sein. Es sollte unser Ziel sein, dass sie sich in Deutschland wohlfühlen. Wer sich als Gast empfangen fühlt, spricht auch gut über das Gastland, welches eine neue Heimat werden kann. Ich sage das nicht nur als Mitglied der CDU/CSU-Fraktion, sondern auch als jemand, der 2015 Vorsitzender des Roten Kreuzes in Dresden war und Erstaufnahmeeinrichtungen betrieben hat und der das jetzt auch wieder bereit war zu tun. Ich bin ein neues Mitglied des Deutschen Bundestages, und ich bin etwas irritiert über den Tonfall, den ich hier vorfinde. Das waren einfach nur Stigmata. Schauen Sie bitte hin, was vor Ort stattfindet! Nach meiner Auffassung ruhen wir uns im Moment auf der Hilfsbereitschaft und dem Engagement der Freiwilligen aus. Ich vermisse noch immer einen Krisenstab der Bundesregierung, der einen langfristigen Plan für den Schutz und die Integration der Schutzsuchenden koordiniert. Wir schlagen mit unserem Masterplan Maßnahmen vor. Es ist Ihre Aufgabe, diese jetzt umzusetzen. Sie sind jetzt in der Verantwortung, den Menschen Schutz zu gewähren und Integration zu ermöglichen. Die Stabilität, die Kinder und Jugendliche durch den Besuch einer Schule erfahren, trägt dazu bei, dass sie die Angst, die Sorgen und das Erlebte besser verarbeiten und für einige Stunden auch vergessen können. Ein strukturierter Tagesablauf, der ihnen die Möglichkeit gibt, Freundschaften zu knüpfen und über das Erlebte zu sprechen, gibt Halt, hilft ihnen bei der Verarbeitung des Fluchttraumas. Deswegen bieten wir den vertriebenen Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine eine starke Bildungsperspektive in Deutschland und geben ihnen Stabilität. Was heißt das für mich ganz konkret? Wenn Israel es geschafft hat – mit einer wesentlich größeren Einwanderungsquote –, dass jede und jeder innerhalb von drei Monaten Hebräisch sprechen und schreiben kann, dann sollte das doch auch das Ziel der Bundesregierung für die Sprache in unserem Land, für Deutsch, sein. Wir brauchen diese Strukturen, wir brauchen die entsprechenden Bildungskurse ganz dringend, an jeder Ecke in diesem Land, um die Menschen zu integrieren. Was die Menschen vor Ort nicht brauchen, ist eine Bundespolitik, die ständig in Oberlehrermanier sagt, was sie alles nicht richtig machen und was sie noch besser machen sollen. Die Lehrerinnen und Lehrer vor Ort gehen an ihre Leistungsgrenzen; nach Corona kommt jetzt der Krieg. Unterstützen wir unsere Lehrerinnen und Lehrer sowie die Menschen, die sich bei der Integration und der Bildungsarbeit engagieren! Sagen wir ihnen nicht ständig, was sie noch alles besser machen sollen und müssen! Fragen wir sie eher, was für eine Unterstützung benötigt wird, um die Situation erfolgreich gestalten zu können, um jedes einzelne Kind zu integrieren und zu fördern! Ich sehe die Schulleiterin, die eine aus der Ukraine vertriebene Frau einstellt, um ein neues Bildungsangebot an ihrer Schule anzubieten. Ich sehe die Grundschullehrerin, die nicht erst fragt: „Wo ist denn der Weiterbildungskurs für Integration?“, sondern einfach loslegt und mithilfe der Sprach-App auf ihrem Telefon versucht, die ukrainischen Kinder zu integrieren. Das alles brauchen wir, und deswegen fordere ich Sie auf, die Länder zu unterstützen und den ewigen Dreisatz von Geld, mehr Personal und guter Lernatmosphäre zu fördern. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich schließe die Aussprache.
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Dr.
Dr. Roland Hartwig AfD
Roland
Hartwig
AfD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Zuschauer auf den Tribünen! Wir haben gestern schon sehr lange über den Krisenherd Nummer eins in der Welt, nämlich über den Nahen und Mittleren Osten, gesprochen. Und natürlich muss auch der Jemen in den Blick genommen werden, um ein vollständiges Bild zu zeichnen. Ich möchte die vorliegenden Anträge in zwei Bereiche gliedern, zum einen in den Bereich „humanitäre Hilfe“ und zum anderen in den Bereich „Stopp von Waffenlieferungen in die Region“. Was die geforderte humanitäre Hilfe im Jemen betrifft, so kann es hier keine zwei Meinungen geben. Die Situation im Land ist dramatisch. Schon vor dem Krieg war der Jemen eines der ärmsten Länder der Welt. Die Zahl der Opfer durch den Bürgerkrieg – es ist schon angesprochen worden – ist absolut dramatisch. Bislang sind über 10 000 Tote offiziell registriert worden; aber wir sind uns alle einig, dass die Dunkelziffer noch deutlich höher liegen dürfte. Über 3 Millionen Menschen sind auf der Flucht, über 7 Millionen Menschen, darunter auch Kinder und ältere Menschen, sind von Hungersnot betroffen. Man geht aktuell von 600 000 Choleraerkrankungen aus. Es droht hier also eine humanitäre Katastrophe der allerersten Größenordnung. Insofern geht der Antrag der Grünen ausnahmsweise in die richtige Richtung. – Jetzt wäre eigentlich Zeit für einen kleinen Applaus, wenn Sie sich das bei Beiträgen meiner Partei nicht untersagt hätten. Der zweite Bereich, die Waffenlieferung in diese Region, ist wesentlich schwieriger. Warum das so schwierig ist, wird deutlich, wenn wir uns den Hintergrund der Situation vor Augen führen. Seit 2015 findet hier ein Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien auf der einen Seite und dem Iran auf der anderen Seite statt. Das heißt, es sind zwei der vier Länder beteiligt, neben Israel und der Türkei, die derzeit ganz wesentlich die Geschehnisse im Nahen und Mittleren Osten bestimmen und die natürlich auch im Jemen übergeordnete Interessen verfolgen. Damit wird auch deutlich, dass die deutsche Außenpolitik nur sehr begrenzt, wenn überhaupt, Einfluss auf die Entwicklungen im Jemen nehmen kann. Bekanntermaßen blockiert hier Saudi-Arabien seit 2015 alle Häfen und Flughäfen des Landes. Das hat aber weder die USA noch Großbritannien davon abgehalten, Rüstungsgüter im Wert von mehreren Milliarden Dollar an Saudi-Arabien und seine Verbündeten zu liefern. Von daher war es sicherlich mehr als fraglich, dass die Bundesregierung noch Anfang 2017 den Export von Patrouillenbooten nach Saudi-Arabien gestattet hat. Es wäre nur konsequent gewesen, wenn die kommende GroKo vereinbart hätte, weitere Lieferungen zu stoppen. Wobei wir aufhören sollten, in diesem Hohen Hause von der „GroKo“ zu sprechen; denn so groß ist die Koalition gar nicht mehr. Sie kommt nach aktuellen Umfragen nur mit Mühe auf knapp 50 Prozent. Aber schauen wir auf die Zahlen. Allein in den Jahren 2013 bis 2015 wurden Waffen und Rüstungsgüter im Wert von fast 100 Milliarden Dollar an den Nahen und Mittleren Osten geliefert. Die drei Hauptexporteure waren die USA mit circa 75 Milliarden Dollar, die EU mit fast 12 Milliarden Dollar und Russland mit 7 Milliarden Dollar. Die Hauptabnehmerländer waren Saudi-Arabien mit 25 Milliarden Dollar und die Vereinigten Arabischen Emirate mit über 18 Milliarden Dollar. Beide sind Konfliktparteien im Jemen. Der Anteil Deutschlands an den Rüstungsexporten lag bei etwa 1 Prozent. Das heißt, selbst wenn wir diesen Anteil jetzt auf null reduzieren würden, bliebe die Gesamtsituation unverändert. Man muss also woanders ansetzen, wenn man wirklich Veränderungen will. Das zeigt auch die heute schon angesprochene Reaktion von Saudi-Arabien auf das, was in der Koalitionsvereinbarung steht und möglicherweise gesagt oder auch nicht gesagt worden ist. Man ließ uns wissen, dass man sich die betroffenen Güter mühelos auch woanders beschaffen könne. Wenn man wirklich Veränderungen will, muss also bei der Lieferung von Waffen und Rüstungsmaterialien aus den USA, anderen EU-Ländern und Russland angesetzt werden. Wir werden uns die Anträge der Grünen und der Linken, die in die Ausschüsse wandern werden, ganz genau anschauen. Wir sind sehr gespannt, welche konkreten Maßnahmen mit Blick auf Washington, London oder Moskau vorgeschlagen werden. Ich fürchte, da wird nicht viel Konkretes kommen, jedenfalls nichts, was in diesen drei Städten mehr als Heiterkeit auslöst, sofern man diese Vorschläge dort überhaupt zur Kenntnis nimmt. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Hartwig. – Als Nächste für die Freien Demokraten die Kollegin Renata Alt mit ihrer ersten Parlamentsrede.
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