Wahlperiode
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Stephan Stracke CDU/CSU
Stephan
Stracke
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Coronakrise hat weltweit massive Auswirkungen. Um die wirtschaftlichen Folgen so gering wie möglich zu halten, haben wir in den letzten Wochen – sowohl im Umfang als auch bei der Geschwindigkeit der Umsetzung – mit einem beispiellosen Schutzschirm von deutlich über 1 Billion Euro dagegengehalten. Auch mit dem vorliegenden Gesetzespaket wollen wir nicht spalten, sondern zusammenführen. Das ist das Ziel dieses Paketes: Wir wollen die Substanz unserer Wirtschaft erhalten und unsere Unternehmen, unsere Beschäftigten sicher durch die Krise führen. Mit dem Kurzarbeitergeld haben wir eine starke und stabile Brücke, um Arbeitsplätze zu sichern und Betriebe zu entlasten. Mit dem Kurzarbeitergeld versuchen wir, Millionen von Arbeitsplätzen zu retten; dabei greifen wir den Betroffenen finanziell unter die Arme. Deutschland – das zeigt sich auch bei diesem Sozialpaket wieder – hat einen starken und leistungsfähigen Sozialstaat. In den letzten Wochen haben wir das Kurzarbeitergeld deutlich ausgebaut. Ich denke beispielsweise an die Verlängerung der Bezugsdauer, die Erstattung von Sozialbeiträgen für die Arbeitgeber; das hilft, Liquidität zu sichern. Wir haben die Zuverdienstmöglichkeiten schrittweise ausgebaut und verbessert und auch Anreize gesetzt, um Zeiten der Kurzarbeit für Qualifizierung zu verwenden. Mit dem heutigen Gesetz stocken wir das Kurzarbeitergeld weiter auf. Ich bin froh darüber, dass wir in der Koalition eine vernünftige Verständigung gefunden haben. Wir konzentrieren uns dabei auf die Menschen, die lange in Kurzarbeit sind und ihre Arbeitszeit um mindestens 50 Prozent reduzieren; das ist richtig so. Gerade in den Dienstleistungsbereichen erleben wir, dass die Betriebe sehr stark herunterfahren mussten; der Entgeltausfall der Betroffenen ist deutlich höher als beispielsweise in der Finanzkrise vor zehn Jahren. Der Verlust der Einkommen wirkt umso stärker, je länger man in Kurzarbeit ist. Deshalb haben wir uns auf eine gestaffelte Erhöhung des Kurzarbeitergeldes verständigt; mit anderen Worten: Wir wollen gezielt den Beschäftigten helfen, die besonders stark und besonders lange von Kurzarbeit betroffen sind. Jetzt gibt es eine Reihe von Anträgen, wie beispielsweise die der Linken, die pauschal eine hohe Anhebung des Kurzarbeitergeldes fordern. Das ist allerdings sehr kostenträchtig, und es gefährdet im Übrigen auch die innerbetriebliche Balance, wenn die Beschäftigten in einem Betrieb bei Nichtarbeit nahezu so gut gestellt sind wie die Beschäftigten, die regulär arbeiten. Wer arbeitet, darf sicherlich auch nicht der Dumme sein; deswegen gilt für uns hier das Lohnabstandsgebot. Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Konzentration auf Geringverdiener, so wie es die Grünen fordern, mag politisch verlockend klingen. Wir nehmen mit unserer stufenweisen Erhöhung natürlich auch die Geringverdiener in den Blick. Sie hat gerade den Zweck, diejenigen zu unterstützen, die einen hohen Arbeitsausfall haben, und nutzt natürlich auch den Geringverdienern. Bei einem Ausfall von beispielsweise 50 Prozent – das ist im Schnitt deutlich mehr als in der Finanzkrise 2008 und 2009 – erhält ein Beschäftigter mit Mindestlohn in den ersten drei Monaten über 83 Prozent seines Nettoeinkommens und ab dem siebten Monat sogar fast 94 Prozent. Ich kann hier keine soziale Schieflage erkennen, zumal es auch noch die Möglichkeit gibt, anrechnungsfrei hinzuzuverdienen. Kurzarbeit ist immer eine Versicherungsleistung. Aufgabe des Kurzarbeitergeldes ist, den vorübergehenden Verlust des Erwerbseinkommens abzusichern. Kurzarbeit kennt keine Bedürftigkeitsprüfung, setzt keine voraus und dient auch gerade nicht der Armutsvermeidung. Deshalb halte ich es schon für problematisch, die Höhe des Kurzarbeitergeldes von der Höhe des Verdienstes abhängig machen zu wollen. Das tun wir beim Arbeitslosengeld im Übrigen auch nicht. Eine solche Differenzierung wäre auch fragwürdig wegen der Beitragsbezogenheit der Arbeitslosenversicherung. Dann müsste man sich konsequenterweise Steuermittel bedienen, wenn man eine solche Idee wie die der Grünen umsetzen möchte. In Notlagen greift die zielgenaue und wirkungsvolle Grundsicherung, die wir gerade in Krisenzeiten nochmals besser aufgestellt haben: Die Angemessenheit der Wohnung – es wurde bereits darauf hingewiesen – wird nicht geprüft; es gibt auch keine Vermögensprüfung. Es gibt überhaupt keinen Anlass, dieses gute Instrument hier in irgendeiner Weise zu diskreditieren. Natürlich sehen wir den Verwaltungsaufwand – das wurde auch in der Sachverständigenanhörung deutlich –; aber letztlich geht es darum, mehr Aufwand und beherrschbare Ausgaben zu haben und nicht weniger Aufwand und immense Mehrkosten. Es ist ein insgesamt abgewogenes Sozialpaket. Ich bitte um Zustimmung. Damit schließe ich die Aussprache.
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Peter Boehringer AfD
Peter
Boehringer
AfD
Herr Präsident! Ich danke für die Gelegenheit zur Aussprache. Das ist mein Recht, auf dem ich in diesem Fall bestehen muss. Es wurde im Rahmen einer Aussprache in diesem Haus zum zweiten Mal behauptet, ich sei in einer Haushaltsausschusssitzung in dieser Woche für vier Stunden – Zitat – „unentschuldigt abwesend“ gewesen; das war ein Zitat aus der Rede von Frau Haßelmann eben. Ich stelle dazu fest: Es ist erstens faktisch falsch. Es ist nicht so. Es ist faktisch falsch, auch wenn es wiederholt wird. Ich fordere Sie auf, diese Aussage zu belegen. Es wird Ihnen nicht gelingen. Die Falschaussage des Kollegen Rohde gestern hier ist nicht der Beweis für die Richtigkeit dieser Aussage, in keiner Weise. – Das war der Vorwurf, Frau Kollegin. Zweitens. Es gibt hier nichts zu entschuldigen. § 59 Absatz 4 der GO-BT schreibt vor, dass ich als Ausschussvorsitzender für einen ordnungsgemäßen Ablauf der Sitzung zu sorgen habe. Das ist geschehen. Niemand bestreitet das. Das hat übrigens auch Kollege Rohde nach der Sitzung nicht bestritten. Die einzige Verantwortung, die ich hatte und ausgeübt habe, war, meinen Stellvertreter entsprechend einzusetzen. Das ist bereits fünf Stunden vor Sitzungsbeginn geschehen, und zwar mit seinem vollständigen Einverständnis. Es ist im Haushaltsausschuss bei sehr langen Sitzungen und speziell bei Bereinigungssitzungen üblich, dass man sich abwechselt. Es gab eine Vorabsprache, die noch nicht einmal spontan war; aber selbst das wäre zulässig. Herr Gerster bestreitet das nicht. Er ist mein regulärer Stellvertreter. Herr Rohde hat ohne das Wissen von Herrn Gerster interveniert, und Sie plappern hier ungeprüft nach, was er gesagt hat. Es ist in keiner Weise belegt. Es ist falsch. Es ist nicht korrekt. Ich fordere Sie eigentlich zu einer Entschuldigung an dieser Stelle auf – ich weiß, dass Sie nachher vermutlich keine Gelegenheit haben werden, zu antworten –; aber sie wäre fällig. Ich werde das vom Kollegen Rohde auch noch einfordern. Wenn nicht gewährleistet ist, in einer Neunstundensitzung – wie in diesem Fall – eine reguläre Stellvertretung einzusetzen, dann sinkt die Leistungsqualität des Ausschusses; denn dann sind keine Mittagspausen mehr möglich. Ich war in dieser Zeit beim Mittagessen – es war im Reichstag kein Catering gewährleistet –; anders ging es gar nicht. Sonst hält man eine Neunstundensitzung auch gar nicht durch. – Da hilft die ganze Schreierei nichts. Das ist die Wahrheit. Nachdem das schon zum zweiten Mal hier in diesem Hohen Haus behauptet wurde, müssen die Dinge richtiggestellt werden. Es gibt nur hier die Möglichkeit, das richtigzustellen; sonst kommt es nicht ins Protokoll. Ich habe das hier schon mal erlebt: Man kann hinterher selbst faktische Falschaussagen gerichtlich nicht rückgängig machen, nicht abmahnen lassen. Das geht bei diesem Haus nicht. Das geht nur per Intervention. Es ist faktisch falsch, was behauptet wird. Alles war GO-konform. Es ist auch völliger Usus im Haushaltsausschuss. Herr Rohde selbst, der das behauptet, hat als mein ehemaliger Stellvertreter nichts anderes gemacht. Wir haben uns immer abgewechselt. Es war völlig normal. Sie haben keine Ahnung, was im Haushaltsausschuss passiert ist. Es war ein reines Nachplappern, und das wohlgemerkt in einer Debatte zur GO. Hier ging es um GO-Einhaltung, und Sie selbst halten die GO nicht ein, weil Sie sie noch nicht mal kennen, Frau Kollegin. Herzlichen Dank.
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Carl-Julius Cronenberg FDP
Carl-Julius
Cronenberg
FDP
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über die Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft, weil wir im großen Konsens der Auffassung sind, dass die Missstände bei Arbeitsschutz, Unterbringung und Entlohnung endgültig beendet werden müssen. Tausende Beschäftigte erleben tagtäglich unhaltbare Zustände – Hubertus Heil hat es beschrieben –; Hunderte anständige Betriebe leiden unverschuldet unter Imageverlust. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Arbeitsschutz gehört zur DNA der sozialen Marktwirtschaft. Davon profitieren wir alle: Beschäftigte, Unternehmen und Verbraucher. Schauen wir uns die Missstände und Kernelemente des Gesetzentwurfs näher an. Die umfangreichen Kontrollen in NRW haben gezeigt: Die meisten Verstöße liegen gegen das Arbeitszeitgesetz vor. Hier greifen Sie den Vorschlag des FDP-Sozialministers Heiner Garg aus Schleswig-Holstein auf und verpflichten Betriebe zur elektronischen Zeiterfassung; das ist richtig und gut so. Das nächste große Problem ist die Unterbringung meist ausländischer Beschäftigter in Sammelunterkünften. Insbesondere im Umfeld der sehr großen Fabriken ist geradezu ein Missbrauchssumpf entstanden. Die Wohnverhältnisse sind jenseits aller Standards – der Minister hat es geschildert –, und dazu kommt Mietwucher. Aber hier liefert mir der Gesetzentwurf zu wenig. Niemand zieht nur deshalb um, weil er nicht mehr beim Werkvertragsunternehmer beschäftigt ist. Hier erwarten die Freien Demokraten mehr als eine Klarstellung. Praktisch alle Missstände in der Branche resultieren allerdings schon heute aus Verstößen gegen Recht und Gesetz. Die unhaltbaren Zustände sind Folge aus einem Mix von Weggucken und ebenso zahnlosen wie unzureichenden Kontrollen, und das schon seit Jahren, nicht erst seit Corona; das wurde erwähnt. Wir haben keinen Mangel an Regulierung, sondern einen Mangel an Rechtsdurchsetzung. Mit Verlaub: Auch bei ein paar mehr Kontrollen, wie sie heute laufen, werden die schwarzen Schafe in der Branche Ihnen immer einen Schritt vorausbleiben. Da reichen Ausschüsse und Bundesfachstellen in Berlin nicht aus. Bringen Sie Ordnung in den Zuständigkeitswirrwarr der Behörden, und vernetzen Sie effektiv die Kontrollbehörden in einer Taskforce Fleisch. Nächster Punkt: Verbot von Zeitarbeit. Sie wissen doch genau, dass Zeitarbeiter voll im betrieblichen Arbeitsschutz integriert sind und auch nach Tariflohn bezahlt werden. Es geht offensichtlich nicht mehr nur um Arbeitsschutz, sondern auch um das Verbot eines bewährten, aber bei Ihnen politisch ungeliebten arbeitspolitischen Instruments. Damit treffen Sie empfindlich Handwerk und Mittelstand. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wie wollen Sie den Herstellern von Nürnberger Rostbratwürstchen – das wurde gerade schon erwähnt – erklären, dass sie zur nächsten Grillsaison ihre Produktion nicht mehr hochfahren können? Wie können Sie von der CDU zulassen, dass der Wursthersteller aus dem Sauerland für die nächste Salamisonderaktion bei einer Lebensmittelkette kein Angebot mehr abgeben kann, weil er die Belegschaft nicht mehr vorübergehend aufstocken darf? So stärken Sie die Marktmacht der Fleischkonzerne. Das können Sie nicht ernsthaft wollen. Und kommen Sie nicht mit dem Argument: Der Dorfmetzger sei raus; das Gesetz gelte erst ab 50 Mitarbeitern. – Hunderte erfolgreiche und anständige Handwerksbetriebe und Fleischverarbeiter von Schleswig-Holstein bis ins Allgäu liegen über dem Schwellenwert. Denen müssen Sie dann erklären, warum Sie mit den Big Five der Fleischindustrie in einen Topf geworfen werden. Die Abgrenzung allein anhand der Mitarbeiterzahl trifft die Falschen. Hier werden Sie nachbessern müssen. Unverständlich bleibt, dass Sie nicht den Tarifpartnern die Chance geben, einen Flächentarif mit anschließender Allgemeinverbindlichkeit zu vereinbaren. Die Sozialpartner können verlorenes Vertrauen wiederherstellen und vor allem Rechtssicherheit schaffen. Nie war die Gelegenheit dazu günstiger als jetzt. Es geht um vollen Arbeitsschutz für alle Beschäftigten und fairen Wettbewerb für anständige Unternehmen. Vielen Dank. Vielen Dank, Carl-Julius Cronenberg. – Um was geht es? – Aber wer zu spät kommt, den bestraft die Präsidentin. Tut mir leid, er ist fertig. Vielleicht gibt es ja eine andere Möglichkeit. Nächste Rednerin: Amira Mohamed Ali für die Fraktion Die Linke.
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Katja Keul BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Katja
Keul
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Haushaltsdebatte ist wieder einmal die Gelegenheit, uns mit der Frage zu beschäftigen, was unsere Streitkräfte brauchen und was nicht. Letztes Mal hatte ich hier berichtet, wie durch überteuerte und überflüssige Beraterverträge öffentliche Mittel verschwendet werden, wie an Recht und Gesetz vorbei Aufträge vergeben wurden und dadurch erheblicher Schaden entstand. Solche Berater brauchen unsere Streitkräfte nicht. Ich hatte die Hoffnung, dass wir am Ende der Untersuchungen die Akten gemeinsam an die Staatsanwaltschaft zur strafrechtlichen Aufarbeitung senden würden. Inzwischen liegt der Abschlussbericht vor, aber ich sehe leider wenig Interesse daran, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Statt uns im sicherheitssensiblen Bereich von Beratungsfirmen wie Accenture oder McKinsey abhängig zu machen, sollten wir den Wettbewerb fördern, indem wir die Vergabestellen in ihrer Unabhängigkeit stärken, damit sie wirklich frei von politischer Einflussnahme entscheiden können, und wir sollten die Fähigkeiten der eigenen Leute innerhalb der Streitkräfte stärken, egal ob es darum geht, die eigenen Geräte zu reparieren oder eigene Softwarelösungen zu entwickeln. Soldatinnen und Soldaten sind oft kreativer, als die Strukturen es erlauben. Auch bei den großen Beschaffungsprojekten wird immer noch zu sehr industriepolitisch und zu wenig sicherheitspolitisch gedacht. Es kann in einem vereinten Europa nicht sein, dass jetzt jeder wieder seine nationalen Industrieinteressen in den Vordergrund stellt. So kommen wir nie zu einer gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik. Wir können die industriellen Fähigkeiten nicht weiter dadurch wirtschaftlich erhalten, dass wir Kriegswaffen an Despoten und Diktatoren in aller Welt verkaufen. Ich denke dabei gerade an die U-Boote, die wir aktuell an die Türkei liefern, obwohl die mit ihrer Marine die EU-Außengrenzen im Mittelmeer bedroht und attackiert. Leider stehen viele potenzielle Käufer von U-Booten, Jagdflugzeugen und Kampfpanzern nur selten auf dem Boden von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, und nicht selten bedrohen sie am Ende uns selbst bzw. den Weltfrieden. Deshalb müssen wir den Preis dieser Waffensysteme anders bewerten, nämlich sicherheitspolitisch. Die finanziellen Kosten werden wahrscheinlich höher, wenn wir aufhören, sie zu exportieren. Auf der anderen Seite ist der Preis am höchsten, wenn damit Konflikte eskaliert und Menschenrechte verletzt werden. Die Herausforderung ist es, endlich europäisch zu entscheiden, wer welche Schlüsseltechnologie in Europa zur Verfügung stellen soll, und die Europäer dazu zu bringen, europäisch einzukaufen, wenn es um ihre Streitkräfte geht. Mit einer Rückkehr in die Kleinstaaterei wird Europa nur seine Bedeutungslosigkeit als globaler Akteur zementieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann gibt es noch die Waffensysteme, deren Preis nie bezahlt werden kann, Waffensysteme, die niemals dazu dienen können, europäische Staaten zu verteidigen, weil jeder potenzielle Einsatz denjenigen vernichtet, der angeblich verteidigt werden soll. Die atomare Aufrüstung auf russischer und amerikanischer Seite und das Ende der zentralen Rüstungskontrollabkommen sind eine einzige sicherheitspolitische Bedrohung für uns in Europa, und zwar unabhängig davon, ob wir in Paris, in Warschau oder in Moskau wohnen. Atomwaffen in Büchel, die mit deutschen Flugzeugen zum Abwurf über Russland transportiert werden sollen, machen die Welt nicht sicherer, genauso wenig wie russische Atomraketen in Kaliningrad. Wir brauchen dringend einen Neustart bei der nuklearen Abrüstung, und der Abzug der Atomwaffen aus Deutschland könnte ein Einstieg dazu sein. Verbauen Sie diesen Weg jetzt also bloß nicht, indem Sie sich für den Kauf atomwaffenfähiger US-Kampfflugzeuge entscheiden! Investieren Sie nicht weiter in die nukleare Teilhabe! Waffen, die man niemals einsetzen kann, ohne sich selbst zu vernichten, sind auch nicht zur Abschreckung geeignet. Den zivilen Atomausstieg haben wir bald gemeinsam geschafft, mit dem entsprechenden politischen Willen schaffen wir den militärischen auch noch. Vielen Dank. Der Kollege Ingo Gädechens, CDU/CSU-Fraktion, ist der nächste Redner.
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Katja Dörner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Katja
Dörner
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Kinder haben das Recht auf gute und faire Startchancen ins Leben. Das gilt für alle Kinder, und das muss auch und gerade natürlich in Pandemiezeiten gelten. Zwar sind Schulen und Kitas mittlerweile wieder geöffnet; aber die vergangenen Monate haben uns eben sehr genau vor Augen geführt, wo dringender Handlungsbedarf in der Bildungspolitik, aber auch in der Familienpolitik besteht. Gerade Familien wurden beim Spagat zwischen Homeoffice und Homeschooling im Stich gelassen. Es gibt weiter keine Planungssicherheit für Familien, kein Coronaelterngeld beispielsweise, und das besorgt mich angesichts der steigenden Infektionszahlen sehr. Alleingelassen wurden aber auch Schulen und Lehrkräfte und vor allem die Schülerinnen und Schüler, und zwar insbesondere die mit besonderem Förderbedarf. Die Forderung der FDP nach einer Bildungs- und Betreuungsgarantie in Coronazeiten ist zwar gut und schön; leider hat die FDP es in ihrem Antrag versäumt, diese Forderung mit Inhalt zu füllen. Was man unter einer solchen Garantie zu verstehen hat, das bleibt leider schleierhaft. Wir brauchen klare Standards mit Blick auf die Digitalisierung. Hier erlaube ich mir einen kleinen Exkurs. Ich finde es skandalös, dass die Mittel aus dem Soforthilfeprogramm für die technische Ausstattung jetzt nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel, also vor allem nach der Höhe des Steueraufkommens, an die Bundesländer vergeben werden und nicht etwa mit Blick auf die tatsächliche Bedürftigkeit der Schülerinnen und Schüler. Das ist doppelt absurd; denn die reichen Bundesländer bekommen pauschal mehr Geld pro Schüler bzw. Schülerin als die armen Bundesländer. Das wird die soziale Spaltung in der Bildung weiter verschärfen. Es muss doch unser Ziel sein, hier zusammenzuführen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Was wir neben den Standards mit Blick auf die Digitalisierung auch brauchen, ist ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung mit verbindlichen Qualitätskriterien. Da muss die Bundesregierung endlich liefern. Gute Bildungsangebote sind zentral für die Lebenschancen von Kindern. Das müssen wir im Blick behalten – jetzt in der Coronakrise, aber natürlich auch in Zukunft. Kinder haben ein Recht auf Bildung. Dass wir heute im Kern über die Rechte von Kindern sprechen, damit schließt sich für mich persönlich ein Kreis. Ich habe vor ziemlich genau elf Jahren meine erste Rede an diesem Pult gehalten, und zwar im November anlässlich des UN-Kinderrechtetags zur Frage der Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland. Damals habe ich mich für die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz ausgesprochen. Auch heute möchte ich noch mal ganz eindringlich appellieren, das zu tun. Das wäre ein so starkes Signal für ein kinderfreundliches, kindergerechtes Deutschland. Also: Liebe Union, liebe SPD, bitte endlich umsetzen, was im Koalitionsvertrag steht! Kinderrechte ins Grundgesetz, und zwar mit einer Formulierung, die auch einen echten Mehrwert für die Kinder bedeutet! Heute halte ich voraussichtlich – – Kollegin Dörner, das wäre jetzt ein guter Schlusspunkt gewesen. Eine Minute bräuchte ich noch. Nein. Ich halte nämlich heute voraussichtlich meine letzte Rede. Das hätte mir mal jemand übermitteln dürfen. – Diesen Zwischenruf weise ich jetzt gleich zurück. Ich halte heute voraussichtlich meine letzte Rede im Deutschen Bundestag. Da möchte ich die Gelegenheit natürlich nutzen, mich insbesondere bei den Kolleginnen und Kollegen aus meiner eigenen Fraktion, aber auch aus fast allen anderen Fraktionen für die gute Zusammenarbeit hier zu bedanken. Wir waren immer am besten, wenn wir über den Tellerrand geguckt haben, wenn wir die Argumente der anderen auch ernst genommen haben, wenn wir die eine oder andere Idee auch mal einfach aufgenommen und auf unseren Wegen und Kanälen mitbefördert haben und insbesondere wenn wir offen für Kompromisse waren. Ich meine, Kompromisse sind etwas Gutes; sie sind der Kern in unserer Demokratie. Ich würde mir wünschen, dass wir gerade für den Kompromiss mehr werben und mehr Wertschätzung dafür auch in die Öffentlichkeit tragen. Wir haben viel zu verteidigen. Wir haben große Herausforderungen vor uns. Ich wünsche Ihnen dafür die besten Entscheidungen. Ich danke für die Aufmerksamkeit und sage von dieser Stelle: Toi, toi, toi! Alles Gute! Herzlichen Dank. – Ich wünsche Ihnen natürlich für Ihren neuen Lebensabschnitt alles, alles Gute. Offensichtlich tun das auch die meisten Kolleginnen und Kollegen hier im Hause. Für alle: Schön wäre es gewesen, ich hätte vorher einen Hinweis bekommen. Sie wissen, wir haben hier Verabredungen, wie wir damit umgehen. Das Wort hat der Kollege Norbert Altenkamp für die CDU/CSU-Fraktion.
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Harald Weinberg DIE LINKE
Harald
Weinberg
DIE LINKE
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt haben wir ja wieder die Spezialpartei für die Ärzteschaft im Parlament. Ich weiß nicht, ob ich sie wirklich vermisst habe. Auf jeden Fall soll eines dazu gesagt werden: Auch eine Kassenarztpraxis kalkuliert, was ihr Budget betrifft, so, dass sie 140 000 Euro Überschuss im Jahr macht. Es wird also auf einem relativ hohen Niveau gejammert. Wir haben vom neuen Gesundheitsminister Spahn in den letzten Wochen so einiges gehört – ich zitiere –: Es gibt keine Zwei-Klassen-Medizin. „Hartz IV bedeutet nicht Armut ...“. „Jeder hat im Alter das, was er zum Leben braucht – mindestens.“ Das Thema Pflegenotstand ist mit zu hohen und großen „Wunschvorstellungen überfrachtet“. „Jeder Patient sollte sich aber stets fragen, ob ein Arztbesuch wirklich nötig ist.“ „Es ist wichtig, Pharmafirmen gut genug für Medikamente zu entlohnen.“ Das waren nur einige Zitate. In einer sehr kurzen Taktung haut der Herr Minister eine Provokation nach der anderen heraus, inzwischen so viele, wie üblicherweise für eine ganze Politikerkarriere ausreichen. Aber er ist noch nicht einmal einen Monat im Amt. Hoffen wir, dass er in sich geht und die Zahl der Schlagzeilen verringert. Mit Blick auf meine Redezeit werde ich nicht viele Bereiche aus dem Koalitionsvertrag nennen können, sondern nur ein paar ansprechen. Mehrere Bereiche bleiben im Koalitionsvertrag vage, oder es werden Kommissionen eingesetzt – wie bei der Reform der Gebührenordnung für Ärzte –, von denen aus unserer Sicht nicht so besonders viel zu erwarten ist. In anderen Bereichen kommt es sehr auf die konkreten Formulierungen und auf die Ausgestaltung an; das ist bereits gesagt worden. Ich nehme einmal das Beispiel der Rückkehr zur paritätischen Finanzierung, das auch ein großes Anliegen der SPD war. Die Rückkehr zur gleichen Aufteilung des Versicherungsbeitrags zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber wird zunächst von uns logischerweise deutlich begrüßt; die Form, in der das geschehen soll, allerdings nicht. Wortwörtlich heißt es im Koalitionsvertrag: Ab 1. Januar 2019 werden die Beiträge zur Krankenversicherung wieder im gleichen Maße von Arbeitgebern und Beschäftigten geleistet. So weit, so gut. Aber dann kommt der Satz: Der bisherige Zusatzbeitrag wird paritätisch finanziert. Das heißt konkret: Die Kassen, die mit den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht auskommen, müssen weiterhin einen Zusatzbeitrag erheben, der dann zur Hälfte vom Arbeitgeber bezahlt wird. Der Preiswettbewerb um die Vermeidung von Zusatzbeiträgen bleibt somit erhalten – mit allen Folgen und Nebenwirkungen. – Ja, ich habe das durchaus richtig verstanden. – Wir haben da noch einen zusätzlichen Player in diesem Preiswettbewerb: Der Arbeitgeber könnte auf seine Beschäftigten logischerweise Druck machen, zu einer Kasse mit niedrigerem Zusatzbeitrag zu wechseln. Das heißt, wir verschärfen an dieser Stelle den Preiswettbewerb, nicht den Qualitätswettbewerb, zwischen den Kassen noch ein bisschen. Kurz ansprechen möchte ich noch das Thema Pflegenotstand in den Krankenhäusern und in der Altenpflege. Gestatten Sie vorher eine Zwischenfrage des Kollegen Lauterbach? Wer ist das? Direkt vor Ihnen. Ich hatte den Namen akustisch nicht verstanden. Wenn ich die Frage zulasse, müssen Sie schon meine Redezeit anhalten. Vielen Dank. Ich will mich kurzfassen. – Der Gesamtbeitragssatz, also Einheitsbeitragssatz plus Zusatzbeitrag, wird durch zwei geteilt. Können Sie mir dann erklären, wo darin für den Versicherten ein Unterschied besteht? Es ist doch für den Versicherten wie auch für den Arbeitgeber in Euro genau der gleiche Wert. Es gibt einen Kassenwettbewerb. Beispielsweise kann sich der Gesamtbeitragssatz aus 15,0 Prozent plus 0,8 Prozent zusammensetzen. Aber für alle Beteiligten – also Versicherte und Arbeitgeber – läuft das auf den gleichen Betrag hinaus. Wo soll es da einen Unterschied geben? Ja, genau das ist das Problem, Herr Lauterbach. Unsere Position ist, dass wir den Zusatzbeitrag nicht wollen, weil wir keinen Preiswettbewerb wollen. Ich kenne übrigens die Varianten des Koalitionsvertrages. In dem Koalitionsvertragsentwurf stand seinerzeit, als er noch nicht konsentiert war, Ihre Position. Sie war im Prinzip im Sinne eines paritätischen Beitragssatzes insgesamt ohne Zusatzbeitrag ausgestaltet. Sie sind von dieser Position abgerückt und sind dann – da hat sich die Union durchgesetzt – dazu übergegangen, dass es die paritätische Finanzierung des Zusatzbeitrages geben soll, was zur Folge hat, dass es diesen Wettbewerb gibt und dass es dabei einen Player gibt, der ein großes Interesse an einem niedrigen Zusatzbeitrag hat. Das Thema „Pflegenotstand in den Krankenhäusern“ steht endlich an einer prominenteren Stelle im Koalitionsvertrag. Das ist allerdings in erster Linie der Tarifauseinandersetzung um Entlassungen sowie den Aktionen und Demonstrationen der Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern geschuldet. Dafür gebührt ihnen aus meiner Sicht großer Dank. Wir haben im Bereich der stationären Altenpflege sehr kurzfristigen Handlungsbedarf; denn dort gehen die Eigenanteile derzeit vielfach durch die Decke und treiben Pflegebedürftige und ihre Angehörigen in die Armut. Wir haben zu diesem Thema einen Antrag eingebracht. Es wird Zeit, dass hier schnell etwas passiert. Vor allen Dingen darf es nicht sein, dass eine gute tarifliche Entlohnung der Pflegekräfte sich durch die Erhöhung der Eigenanteile gegen die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen richtet. Das muss gelöst werden; sie dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Zum Thema „Personaluntergrenzen in den Krankenhäusern“ – dazu ist auch schon etwas gesagt worden –: Eine Personalbemessung ist absolut notwendig und muss schnell eingeführt werden. Aber das, was derzeit zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem GKV-Spitzenverband verhandelt wird, ist aus unserer Sicht nicht die Lösung. Das war auch kaum zu erwarten; denn beide wollen das eigentlich nicht. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft will das nicht, weil sie die unternehmerische Freiheit in der Personalbemessung ihrer Krankenhäuser erhalten will, und der GKV-Spitzenverband will das nicht, weil es zu viel kostet. Ich will drei Dinge nennen, die dort verhandelt werden und aus dem Zwischenbericht hervorgehen, die aus unserer Sicht überhaupt nicht akzeptabel sind. Nach den Plänen sollen Untergrenzen nur für sechs Bereiche im Krankenhaus gelten, aber nicht schichtgenau, sondern nur im Dreimonatsdurchschnitt nachgewiesen werden. Das heißt, die Pflegebedürftigen dürften anhand der durchschnittlichen Zahl der Pflegekräfte gepflegt werden. Das geht überhaupt nicht. Das muss schichtgenau erfolgen. Ein Mix aus zwei Drittel Pflegefachkräften und ein Drittel Pflegehilfskräften soll die Untergrenze schon erfüllen können. Auch das geht aus unserer Sicht nicht. Dort muss eine entsprechende Fachkraftquote eingehalten werden. Erst wenn ein Krankenhaus über drei Jahre hinweg gegen diese Regel verstößt, soll es überhaupt zu Sanktionen kommen. Das geht auch überhaupt nicht. Dieser Zwischenstand der Verhandlungen zeigt, dass dort etwas nicht in Ordnung ist. Nach diesem Zwischenbericht ist klar: Besser wird es nicht. Es macht sich das Gefühl breit, dass da der Bock zum Gärtner gemacht worden ist. Herr Weinberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage eines Kollegen der FDP? Ja. Bitte sehr. Herr Weinberg, vielen Dank für die Möglichkeit, eine Frage zu stellen. – Ich möchte Sie fragen: Was machen Sie, wenn Ihre Pflegeuntergrenzen unterschritten werden, weil zum Beispiel Pfleger krank sind? Schicken Sie Patienten nach Hause, oder was machen Sie mit denen? Ich weiß nicht, ob Sie die Situation in den Krankenhäusern kennen. Die Situation ist so, dass nahezu täglich Aufnahmen und nahezu täglich Entlassungen erfolgen. Wenn wir in Schichten die Untergrenze tatsächlich nicht einhalten können, dann muss die Bettenkapazität gesenkt werden. Das ist die einzig vernünftige Maßnahme, die man dann treffen kann; denn ansonsten kann man die Patienten nicht mehr sachgerecht pflegen. Es kommt zu gefährlicher Pflege, teilweise sogar zu lebensgefährlicher Pflege. Das können Sie auch nicht wollen. Mit Blick auf die Redezeit muss ich ein bisschen schneller machen und abkürzen. Ich wollte eigentlich noch ein paar positive Aspekte nennen. Das Herausnehmen der Pflegepersonalkosten aus den DRGs halten wir für sehr gut, wenn sichergestellt ist, dass diese Mittel in der Pflege ankommen und die Zweckbindung gewährleistet ist. Das ist eine ganz wesentliche Voraussetzung. Ebenfalls begrüßen wir außerordentlich – um das in aller Deutlichkeit zu sagen – die vollständige Refinanzierung der Tarifsteigerung im Bereich der Pflegekräfte. Aus unserer Sicht sind das Schritte hin zu einer Umstellung der Finanzierungssystematik in den Krankenhäusern, die zumindest in der letzten Zeit so nicht funktioniert hat. Wir werden das wohlwollend begleiten, wobei mir noch ein wenig der Glaube fehlt, dass die Umstellung gelingt – vor allen Dingen mit Blick auf den neuen Gesundheitsminister. Vielen Dank. Danke sehr. – Nächste Rednerin ist Katja Dörner für Bündnis 90/Die Grünen.
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Michael Georg Link FDP
Michael Georg
Link
FDP
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die deutsche Entwicklungspolitik gilt seit einiger Zeit, so kann man es fast sagen, ein neues Mantra: die Fluchtursachenbekämpfung. Sie, Herr Minister, werden zu Recht nicht müde, immer wieder zu betonen, dass die Aktivitäten auch an diesem Ziel gemessen werden müssen. Wir Freie Demokraten befürchten aber, dass dieses Mantra im Zusammenhang mit der Aufstellung des Haushalts manchmal zu einer Art Freibrief mutiert, nach dem Motto: Hauptsache mehr Geld. Denn der Etat des BMZ soll auch 2019 wieder wachsen, was wir auch für richtig halten. Aber ein verstärkter Mitteleinsatz – das ist der Punkt, an dem wir schon etwas Wasser in den Wein schütten wollen und müssen – bedeutet eben nicht automatisch, dass man mehr bewirkt. Es geht um die Wirkungsorientierung unseres Handelns. Quoten alleine – Kollegin Steffen hat davon gesprochen – sind kein Selbstzweck. Richtig ist, es muss auf jeden Fall auch an der Effizienz gearbeitet werden. Deshalb müssen wir das Haushaltsverfahren nutzen, um unsere Verfahren und Prozesse immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Auch in diesem Jahr gibt es deshalb aus Sicht der Freien Demokraten, Herr Minister, drei klare Aufträge an Sie: Erstens. Ihr Ministerium muss sich mit den anderen Akteuren, die Deutschland international vertreten, also vor allem mit dem Auswärtigen Amt, wesentlich besser abstimmen. Zweitens. Wir brauchen eine wirksame und auch schonungslose Evaluierung entwicklungspolitischer Maßnahmen – Stichwort „Wirkungsorientierung“ –, nicht nur beim BMZ, sondern auch beim AA; ich habe das heute Morgen an anderer Stelle schon gesagt. Drittens brauchen wir vor allem ein deutlich stärkeres multilaterales Engagement. Einige Worte zur besseren Abstimmung, also zum vernetzten Ansatz. Entwicklungspolitik, Diplomatie und Bundeswehreinsätze wollen wir nahtlos ineinandergreifen lassen. Statt die Etats isoliert zu betrachten, wollen wir Freie Demokraten langfristig 3 Prozent unseres BIP in die sogenannten drei Ds investieren: in Development, Diplomacy und Defense. Wir wollen also Entwicklung, Diplomatie und Verteidigung gemeinsam denken. Im Koalitionsvertrag bekennt sich die Große Koalition blumig zum vernetzten Ansatz. Doch wie sieht die Realität aus? Im deutschen Außenauftritt gilt viel zu oft das Motto: Die rechte Hand weiß nicht, was die linke tut. Es gab ja Hoffnung, dass sich daran etwas ändert. Viele Monate lief zwischen dem BMZ und dem Auswärtigen Amt eine Analyse zu diesem Thema. Das Ergebnis: dünn bis durchsichtig. An die Kernfrage dieser sogenannten Spending Review – die Lektüre lohnt sich – haben Sie sich nicht herangetraut, nämlich klar zu definieren, wer im Konzert des deutschen internationalen Handelns welches Instrument spielt. Oder einfacher gesagt: Wer macht was? Die Tatsache, dass man manche Sachen an manchen Stellen nicht 100-prozentig scharf trennen kann – wie Syrien –, darf nicht bedeuten, dass man bei 99 Prozent zulässt, dass sie sich weiter überschneiden. Da liegt extrem viel im Argen. Im Sinne einer effizienten und nachhaltigen Hilfe vor Ort hätten Sie die verschachtelten Zuständigkeiten entwirren müssen. Stattdessen – zahlreiche Häuser der Bundesregierung sind daran beteiligt – stehen sich hauptsächlich das Entwicklungsministerium und das Auswärtige Amt bei vielen Projekten oft weiter gegenseitig auf den Füßen. Zweites Thema: die Evaluierung. Das Mantra der Fluchtursachenbekämpfung, so richtig dieses Thema ist, darf nicht zum Blankoscheck werden, um sich jeder konstruktiven Kritik zu entziehen. Das wäre auch unwürdig angesichts der vielen Menschen, die sich dienstlich, beruflich und ehrenamtlich in der Entwicklungszusammenarbeit engagieren: im BMZ, in der GIZ, in der KfW und vielen anderen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen, denen ich im Namen meiner Fraktion ganz ausdrücklich danke. In der deutschen Entwicklungspolitik muss gelten: Qualität vor Menge. Deshalb wollen wir stets besser werden, um zielgenauer unterstützen zu können. Dafür muss man sich aber möglichst von unabhängigen Experten bewerten lassen. Eine solche externe Evaluierung, meine Damen und Herren, findet in der deutschen Entwicklungsarbeit bei weitem nicht ausreichend statt. Denn wie wir durch den letzten Bericht des Rechnungshofes wissen, hat das BMZ-nahe Evaluierungsinstitut DEval nicht einmal ausreichend Zugang zu den Unterlagen ebendieses Ministeriums. Im Grunde müsste man die Maßnahmen des BMZ und des AA auf die gleiche Weise evaluieren. Warum zum Beispiel nicht das DEval aus dem BMZ herauslösen und als unabhängiges Institut mit der Evaluierung der Wirkungsorientierung deutschen internationalen Handelns beauftragen? Durch ungenügende Evaluierung wird viel Geld weiter in zweifelhafte Projekte gesteckt. Doch wenn wir mit mehr Mitteln auch mehr bewirken wollen, dann ist es unglaublich wichtig, dass wir an der Evaluierung arbeiten. Der letzte Punkt. Herr Minister, die Fluchtursachenbekämpfung nutzen Sie sehr oft, um Ihr Lieblingsthema, die Sonderhaushalte bzw. die sogenannten Sonderinitiativen, zu fahren. Darin tummeln sich eine Reihe von Maßnahmen, die das BMZ auch an anderer Stelle bearbeitet. Um es klar zu sagen: Wir haben nichts gegen die inhaltlichen Schwerpunkte dieser Initiativen. Wogegen wir etwas haben, ist ein riesiger Sonderhaushalt, eine Art persönlicher Einzelplan des Ministers, aus dem Sie bei Ihren Reisen nach Gutdünken Mittel verteilen – an der eigentlichen Systematik des Haushaltes vorbei. Deshalb kann es nicht sein, dass wir hier an dieser Stelle einfach so weitermachen wie bisher. Das entspricht auch nicht den Grundsätzen guter Haushaltsführung. Jetzt legen Sie sogar noch eine vierte Sonderinitiative auf. Dabei ist doch offensichtlich: In der EZ müssten wir vor allem global und mehr multilateral handeln – genau das werden wir auch einfordern –, statt immer mehr Schaufensterinitiativen aufzuplustern. Wir werden konkrete Vorschläge vorlegen für den Bereich Familienplanung, im Bereich Bildung, im Bereich Schutz der Wälder, im Bereich der Multilateralität. Wir stehen gerne bereit, mit den Kolleginnen und Kollegen aus Opposition und Koalition im Ausschuss daran zu arbeiten. Aber eines ist klar: So, wie dieser Haushalt jetzt ist, können wir nicht zufrieden sein. Dieser Haushalt muss besser werden. Menge allein genügt nicht, wir müssen an der Qualität noch sehr viel arbeiten. Vielen herzlichen Dank. Vielen Dank, Michael Link. – Einen schönen Nachmittag oder Restnachmittag, liebe Kolleginnen und Kollegen! – Nächste Rednerin in der Debatte: Helin Evrim Sommer für die Fraktion Die Linke.
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Dr.
Dr. Nina Scheer SPD
Nina
Scheer
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir sollten noch einmal ganz kurz bei der Frage ansetzen, warum die Regelung, mit der wir uns heute beschäftigen, erforderlich wurde. Es ist in der Tat das heute auch schon benannte Wiedereinstiegsszenario in die Atomenergienutzung mit anschließendem Wiederausstiegsszenario. Auch wenn der Ausstieg von Frau Skudelny hier heute schon als ein richtiger Weg benannt wurde, habe ich leider aus Ihren Reihen auch vernehmen müssen, dass man nicht so richtig davon überzeugt ist, dass man sich von der Atomenergie verabschieden sollte. Ich möchte das an dieser Stelle nur noch einmal aufgreifen, weil wir da möglicherweise noch Klärungsbedarf haben. Wir sollten das hier im Haus schnellstens klären. Es ist ein Faktum, dass bei der jahrzehntelangen Nutzung der Atomenergie immer sträflich vernachlässigt wurde, die tatsächlichen volkswirtschaftlichen Kosten einzupreisen. Das sage ich auch in Richtung AfD. Sie verleugnen einfach die massiven volkswirtschaftlichen Kosten, die durch verschiedenste Studien – zuletzt noch einmal vom FÖS wiederholt – auf 10 Cent extra pro Kilowattstunde beziffert werden. Das heißt: Mit allen externen Kosten, die bei der Stromproduktion mit fossilen und atomaren Energieträgern entstehen, kämen noch einmal 33 Prozent auf den Preis pro Kilowattstunde obendrauf, den wir als Stromkunden ohnehin schon zu zahlen haben. Deshalb ist es einfach falsch, wenn immer wieder behauptet wird, dass Atom- und Kohlestrom bzw. fossile Energieträger insgesamt billiger wären. Es ist einfach falsch, das den Menschen immer wieder zu erklären. Zurück zu der Frage, die wir heute hier zu klären haben. Es geht in der Tat um die Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, was die hier schon benannten Ausgleichsmöglichkeiten angeht. Es ist schon genannt worden: Es geht darum, unter den gegebenen Möglichkeiten eine auszuwählen. Ich denke, es ist richtig, dass mit dem vorliegenden Entwurf die Option gewählt wurde, dass man hier an einen angemessenen finanziellen Ausgleich denkt und nicht eine Laufzeitverlängerung in Betracht zieht. Das ist, glaube ich, auch Konsens, und es ist richtig, dass der Entwurf das so vorsieht. In der Tat hat der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts die Handschrift dieses Entwurfs bestimmt. Insofern kann man diesem Entwurf nicht ankreiden, dass er darüber Hinausgehendes nicht enthält. Aber wir Parlamentarier können sehr wohl in den jetzt anstehenden Beratungen, auch wenn wir bis zum 30. Juni nur wenig Zeit haben, überlegen, ob man nicht doch Ergänzungen hineinbringen könnte. Die müssen natürlich verfassungsgemäß sein. Es muss verfassungsfest sein. Man muss das in der verbleibenden Zeit prüfen können. Aber wir müssen auch überlegen, ob wir nicht Zielkonflikte haben. Wir haben nämlich das Bestreben, die erneuerbaren Energien auszubauen. Wir haben heute schon sogenannte Netzausbaugebiete, in denen es zur Abregelung von Windenergie kommt, weil unterstellt wird, dass wir zu wenige Netze haben. Man kann das natürlich auch durch mehr Speicher auffangen. Aber de facto haben wir zurzeit diese Reglementierung. Wenn wir zugleich sehenden Auges Reststromübertragungen von Atomstrom in diese sogenannten Netzausbaugebiete/Netzengpassgebiete zulassen, dann lassen wir auch zu, dass dort noch mehr Abregelungen stattfinden könnten und so möglicherweise noch mehr Redispatch-Kosten für die Stromkunden anfallen. Genau an dem Punkt haben wir Prüfungsbedarf und müssen schauen, ob wir die Stromkunden entlasten können, indem wir tatsächlich diese Übertragung von Reststrommengen überdenken. Letzter Punkt – ich bin schon ein paar Sekunden über meiner Redezeit –: Brennelementesteuer. An uns, der SPD-Fraktion, soll es nicht liegen. Es mag jetzt nicht im Koalitionsvertrag stehen, aber an uns soll es nicht liegen, diese Gerechtigkeitslücke zu schließen, die darin besteht, dass man heute keine Besteuerung von solch schädlichen Stoffen hat. Es wäre ein marktwirtschaftliches Instrument, die anfallenden externen Kosten tatsächlich einzupreisen. An uns soll es nicht liegen. An dieser Stelle mache ich einen Punkt, weil ich über der Zeit bin. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Ich schließe die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 19/2508 und 19/2520 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
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Ulrich Lange CDU/CSU
Ulrich
Lange
CDU/CSU
Frau Kollegin, ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Das war jetzt eine Wahlkampfrede für Ihren Bezirk. – Jetzt bin ich dran. – Das hat aber nichts mit dem zu tun, was ich gerade gesagt habe. Ich habe versucht, zu erklären – jetzt mache ich es noch mal –: Wir haben die Möglichkeit geschaffen, dass für Kleineigentümer das Genehmigungserfordernis nicht gilt. Von „nicht mehr als fünf Wohnungen“ ist im Gesetzentwurf die Rede; und dann haben wir einen Korridor eröffnet, den die Länder ausschöpfen können; in Berlin wird die Anzahl wohl bei drei, in anderen Bundesländern kann sie bei bis zu 15 Wohnungen liegen. Das ist die reduzierte Möglichkeit der Umwandlung. Nicht mehr und nicht weniger habe ich gesagt. Ich kann nur empfehlen – so wie der Kollegin Lay auch, die behauptet hat, der Milieuschutz werde aufgeweicht; auch das ist nicht der Fall –: Lesen Sie doch bitte erst das Gesetz, bevor Sie hier populistisch argumentieren. Danke schön. Nächste Rednerin ist die Kollegin Claudia Tausend, SPD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Ann-Veruschka Jurisch FDP
Ann-Veruschka
Jurisch
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie sind jetzt auf uns angewiesen, so wie wir damals auf sie angewiesen waren. Die zahlreichen Ortskräfte in Afghanistan haben Großes geleistet – für unser Land, für unsere Freiheit und Sicherheit und ganz besonders für unsere Soldatinnen und Soldaten vor Ort. Sie haben ihr Leben riskiert, um die Mitarbeitenden unserer Streitkräfte, unseres diplomatischen Dienstes und unserer Entwicklungshilfeorganisationen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Dafür schulden wir unseren Partnerinnen und Partnern in Afghanistan, den Ortskräften, unseren Dank. Wir werden den Ortskräften, die an unserer Seite standen, und auch ihren gefährdeten Familien ermöglichen, in Sicherheit in Deutschland zu leben. Das sollte – nein, das muss – eine Selbstverständlichkeit sein, auch wenn damit große logistische Herausforderungen für uns verbunden sind. Als Fortschrittskoalition sind wir angetreten, um mutige Entscheidungen zu treffen, um den Stillstand und das Zögern hinter uns zu lassen. Wir sind auch angetreten mit einem klaren Bekenntnis für unsere Ortskräfte. Dass wir heute diese Diskussion führen, haben wir einer offensichtlich überstürzten und mutmaßlich unkoordinierten Evakuierungsmission zu verdanken. Die deutsche Botschaft wurde offensichtlich sehr spät evakuiert. Gerade einmal 138 afghanische Ortskräfte mit 496 Angehörigen konnten damals direkt ausgeflogen werden. Bis heute sind etwa 3 500 Ortskräfte in Deutschland angekommen. Noch immer warten viele Ortskräfte und ihre Angehörigen in Todesangst auf unsere Unterstützung. Ihre Ausreise ist aber jetzt ungleich schwerer, als sie es im letzten Frühjahr gewesen wäre. Zusammen mit unseren jetzigen Koalitionspartnern von den Grünen haben wir uns schon in der vergangenen Wahlperiode dafür starkgemacht, die Evakuierungsmission in allen Facetten lückenlos aufzuklären. Wir werden unser Versprechen halten und möglichst noch vor der Sommerpause einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Ich werde mich persönlich dafür einsetzen, dass wir aufklären, welche potenziellen Versäumnisse und Fehleinschätzungen und welches mutmaßlich ausgebliebene Handeln – zum Beispiel im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern – zur aktuellen Lage geführt haben. Wir werden uns dabei die Abstimmungsprozesse innerhalb der damaligen Bundesregierung und die Sachverhalte rund um Visa- und Aufnahmezusagen anschauen. Insbesondere gilt es aber, zu beurteilen, welche Rolle womöglich falsche oder unzureichende Informationen des Bundesnachrichtendienstes bei den Fehleinschätzungen und Versäumnissen gespielt haben, sodass damals ganz offensichtlich kein geordneter Abzug mehr möglich war. Ein Untersuchungsausschuss aber, wie Sie ihn hier vorschlagen, einer, bei dem es nur darum geht, jemanden anzuschwärzen, ist doch nicht zielführend. Entscheidend wird am Ende doch sein, dass wir konkrete Lehren aus diesem Abzugsgeschehen vom letzten Sommer ziehen. Wir wollen doch sicherstellen, dass solche Fehler in Zukunft nicht mehr gemacht werden. Wir sind gewählt worden, um die Zukunft zu gestalten, um sicherzustellen, dass sich so etwas nicht wiederholt, um mutiger zu sein und Fortschritt zu erzeugen. Das geht nur mit dem Blick nach vorne. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Frau Kollegin Jurisch. – Als Nächster erhält das Wort der Kollege Hakan Demir, SPD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Matthias Miersch SPD
Matthias
Miersch
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir können uns bei der Bundeslandwirtschaftsministerin und der Bundesumweltministerin dafür bedanken, dass sie bei diesem Thema die Sprachfähigkeit der Bundesregierung wiederhergestellt haben und in Brüssel endlich wieder mit einer Stimme sprechen. Vielen Dank dafür! In der Vergangenheit haben wir erlebt, dass die Ressorts für Umwelt und Landwirtschaft hier nicht auf einen gemeinsamen Nenner gekommen sind. Natürlich ist das, was Sie hier eben gesagt haben, Frau Bundeslandwirtschaftsministerin, nämlich: „Alles, was der Biene schadet, muss vom Markt“, ein symbolträchtiger Satz. Aber dahinter verbirgt sich doch viel mehr. Niemandem von uns ist gedient, wenn die Natur, unsere Lebensgrundlage, gefährdet wird. Deswegen wäre es gut, wenn wir bei allen umweltrelevanten Themen eine andere Perspektive einnehmen und sagen würden: Mit der Natur können wir nicht verhandeln. – Die Tatsache, dass der heute vorliegende Antrag der Grünen durch Regierungshandeln überflüssig geworden ist, ist zugleich auch Auftrag; denn wir haben noch eine ganze Menge vor uns. Pflanzenschutz ist ein Riesenthema, das natürlich mit der Frage zusammenhängt: Welche Form von Landwirtschaft wollen wir? Diejenigen, die auf „immer höher, immer weiter“ setzen, tun der Landwirtschaft keinen Gefallen, sondern zerstören die Struktur der Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Deswegen haben wir ein weiteres aktuelles Thema, das Thema Glyphosat. Im Koalitionsvertrag haben wir dazu sehr deutliche Worte gefunden. Wir wollen, Frau Bundeslandwirtschaftsministerin, den Einsatz von Glyphosat nicht nur beschränken; wir wollen die Anwendung beenden. Das ist die Aufgabe der Bundesregierung. Das muss der nächste Schritt sein. Bei all den Themen, die wir hier miteinander besprechen, haben wir, wie ich glaube, eine Hauptaufgabe, nämlich den Schutz der biologischen Vielfalt für nachfolgende Generationen sicherzustellen. Dafür reicht es aus meiner Sicht nicht, nur auf die EFSA und vermeintlich wissenschaftliche Kenntnisse zu setzen. Wissenschaft ist nicht nur „eins plus eins gleich zwei“; die Wissenschaft hat viele unterschiedliche Aufgaben. Aufgabe des Parlaments und Aufgabe der Regierung ist es, unter den Bedingungen unserer Rechtsgrundsätze die beste Lösung zu finden. Es war daher gut, dass aufgrund des Drucks der Sozialdemokratie die Stellung des Umweltbundesamtes gestärkt worden ist. Diese Institution schreibt uns immer wieder den Vorsorgegrundsatz ins Stammbuch. Wir Politiker müssen also nicht sagen: Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass etwas gefährlich ist. – Vielmehr haben wir einen Einschätzungsspielraum, den wir bei unseren Entscheidungen stets berücksichtigen müssen. Das gilt nicht nur für das Thema Neoniks, sondern auch für das Thema Glyphosat. Der erste Schritt ist getan, weitere müssen folgen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächste Rednerin: die Kollegin Carina Konrad für die Freien Demokraten.
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Albert Stegemann CDU/CSU
Albert
Stegemann
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Gestatten Sie mir eine Bemerkung: Ich habe mich sehr darüber gefreut, wie die Debatte bisher lief. Sie lief erstaunlich sachlich. Sie hatte allerdings ein paar negative Punkte ganz am Anfang, und ganz zum Schluss wurde es dann auch noch mal etwas schwieriger. Aber in der Mitte habe ich mich sehr über das hohe Maß an Sachlichkeit gefreut. Ich sage das deshalb, weil die Lage tatsächlich ernst ist. Ich fühle mich in diesen Tagen wirklich an das Buch Hiob aus der Bibel erinnert. Hiob war ein gerechter, ein angesehener Mann. Seine friedfertige Art bescherte ihm ein Leben in Wohlstand und Glück. Der Teufel war jedoch davon überzeugt, die Treue Hiobs zu Gott sei nur mit seinem persönlichen und ökonomischen Erfolg im Leben begründet – Grund genug für Satan, Gott zu einer Wette herauszufordern. Gott willigt ein, und „Top, die Wette gilt!“ Und fortan trudelten die schlechten Nachrichten, die Hiobsbotschaften, ein. – Wer die Geschichte kennt, weiß, dass der Teufel die Wette verloren hat; aber eine schöne Zeit war das für Hiob sicherlich nicht. Liebe Kollegen, wenn es eine Berufsgruppe gibt, die sich derzeit wie Hiob fühlen muss, dann sind es die Beschäftigten der schweinehaltenden Betriebe in Deutschland. Ich denke dabei zum Beispiel an die Umsetzung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, an die Umsetzung der Düngeverordnung, an die Umsetzung des Verbots der betäubungslosen Ferkelkastration, an den Umgang mit dem dritten Dürrejahr in Folge, an den Umgang mit der Coronapandemie, an den Umgang mit der schwierigen Situation im Bereich der Schlachthöfe, die teilweise mit enormen Kostensteigerungen für die landwirtschaftlichen Betriebe einhergehen wird, und an den Umgang mit einem Verbraucher, der zwar alles oder vieles verlangt, aber an der Supermarktkasse wenig dafür zu geben bereit ist. Und als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, kommt die Afrikanische Schweinepest jetzt noch obendrauf. Auf der einen Seite kann man sagen, dass Deutschland sehr gut vorbereitet ist. Genau dieser Ernstfall wurde mehrfach geprobt, und ich glaube, dass wir wirklich sehr, sehr gut vorbereitet sind. Wir haben als Regierungskoalition das nationale Recht optimiert und angepasst. So ist es zum Beispiel nun möglich, Betretungsverbote und Ernteverbote zu erlassen, und auch Jagdschneisen können angelegt werden. Alle Werkzeuge liegen derzeit auf dem Tisch, um die weitere Ausbreitung zu verhindern. An dieser Stelle will ich es dem Minister gleichtun und mich noch einmal bei allen Helferinnen und Helfern bedanken, die – auch in den Behörden – daran mitgearbeitet haben, diese Krise schnell in den Griff zu bekommen. Ich finde aber, dass auch den Jägerinnen und Jägern ein Dank ausgesprochen werden sollte. Es ist gut, dass wir hier wirklich eine verlässliche Truppe an unserer Seite haben. Von hier aus dafür ein ganz herzliches Dankeschön! Auf der anderen Seite stellt die Hiobsbotschaft „Afrikanische Schweinepest“ für den Fleischmarkt nichts anderes als eine Zäsur dar. Der Importstopp von deutschem Schweinefleisch in für uns wichtige Drittländer belastet den Markt massiv. Hatten wir vor einiger Zeit noch die Situation, dass man für 1 Kilogramm Fleisch 2 Euro bekommen hat, so haben wir coronabedingt, also noch nicht bedingt durch die ASP, ein Abrutschen auf 1,47 Euro gesehen. Jetzt, direkt nach der Meldung des Ausbruchs, sind wir bei 1,27 Euro. Das ist tatsächlich eine ganz schwierige Situation für die Mäster, die teilweise sehr hohe Einstallungskosten bei den Ferkeln hatten. Aber auch die Ferkelerzeuger sind betroffen. 27 Euro – auch das klang gerade schon an – beträgt der derzeitige Preis für ein Ferkelchen in Deutschland. Das kann zu diesem Preis nicht erzeugt werden. Deswegen ist die Situation sehr ernst, und deswegen fragen sich viele Betriebe nicht nur, wie es weitergehen kann, sondern auch, ob es überhaupt weitergehen kann. Deshalb ist es mir wichtig, für die Unionsfraktion noch mal zu sagen: Wir sehen diese Nöte, und wir nehmen diese Sorgen sehr, sehr ernst. Wir sind dabei, kurz- und langfristige Hilfen zu erarbeiten. Kurzfristig können finanzielle Hilfen sicherlich immer ein Baustein im Mosaik der Hilfen sein. Aber ich glaube, dass es jetzt erst mal wichtig ist, das Regionalisierungsprinzip, das wir Gott sei Dank – das hat auch die Ministerin richtigerweise angesprochen – europaweit anwenden können, auch auf den internationalen Märkten durchzusetzen. Aber auch die Differenzierung zwischen Haus- und Wildschwein ist wichtig. In Deutschland ist es ja nicht so wie in anderen Regionen der Welt, dass Haus- und Wildschwein permanent in Kontakt kommen, sondern das Wildschwein ist ein Wildtier, und unser Haustierbestand ist gut abgeschottet. Das findet, wenn wir uns mit den Botschaften auseinandersetzen, seuchentechnisch leider keine Berücksichtigung. Das muss aber unbedingt Berücksichtigung finden. Was mir auch noch wichtig ist, ist, dass unsere Landwirte endlich eine Perspektive bekommen müssen. Deswegen appelliere ich wirklich an uns alle, auch an die anderen Fraktionen, endlich ein Zukunftspaket Landwirtschaft zu schnüren. Wir müssen die Vorschläge der Borchert-Kommission jetzt endlich konsequent in Gänze umsetzen. Das heißt, dass es eben auch einen finanziellen Anreiz für die Landwirte geben muss, Investitionen zu tätigen. Außerdem müssen wir beim Bau- und Immissionsschutzrecht endlich durchgreifen und für Erleichterung sorgen. Da haben wir wirklich ganz große Baustellen. Die Landwirte wollen Tierwohl umsetzen, können es aber nicht. Herr Kollege Stegemann, die Zeit ist um. Gut. – Deswegen appelliere ich noch mal an alle Bremser und an alle Blockierer, vielleicht auch in Richtung des Bundesumweltministeriums, die Widerstände endlich aufzugeben. Lasst uns nach vorne blicken und den Landwirten wieder eine Perspektive geben! Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Der nächste Redner ist für die Fraktion der AfD der Kollege Peter Felser.
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Dr.
Dr. Anja Weisgerber CDU/CSU
Anja
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Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns ein ehrgeiziges Klimaziel gesetzt. Wir wollen die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Dafür müssen alle Sektoren einen Beitrag leisten, auch der Verkehrssektor; das stellt hier keiner infrage. Ja, der „Klimaschutzbericht 2017“ zeigt, dass wir keine Punktlandung im Jahr 2020 schaffen werden. Deshalb müssen wir den im Klimaschutzplan aufgezeigten Weg erst recht konsequent weitergehen. Für den Status quo gibt es aber auch Gründe. Wir sind aus der CO 2 -neutralen Kernenergie ausgestiegen – und das ist auch gut so –, die Wirtschaft ist gewachsen – was an sich auch eine sehr gute Nachricht ist – und die Bevölkerung hat in den letzten Jahren zugenommen. All diese Faktoren müssen wir doch in einer fairen Betrachtung auch einmal zur Kenntnis nehmen. Die Bundesregierung hat 2014, als sie gemerkt hat, dass die Klimaschutzlücke droht, ein „Aktionsprogramm Klimaschutz“ mit über 100 Einzelmaßnahmen aufgelegt. Wir werden intensiv daran arbeiten, die Klimaschutzlücke so schnell wie möglich zu schließen; so steht es auch im Koalitionsvertrag. Die Strukturwandelkommission wird Maßnahmen erarbeiten, um die Lücke zum 2020-Ziel so weit wie möglich zu reduzieren. Und wir werden ein Abschlussdatum für die Kohle festlegen. Dann werden wir als Industrieland nicht nur den Ausstieg aus der Kernindustrie abschließen, sondern perspektivisch auch den Ausstieg aus der Kohleenergie schaffen. Das kann man schon als historisch bezeichnen; das gilt es, liebe Opposition, doch auch einmal anzuerkennen. Ich betone an dieser Stelle noch einmal, dass alle Sektoren einen angemessenen Beitrag leisten müssen. Anders werden wir die Klimaziele nicht erreichen; das gehört ebenfalls zur Wahrheit. Ich denke hier natürlich auch an den Verkehrssektor. Da leistet der Kommissionsvorschlag zu den CO 2 -Grenzwerten für Pkw einen wichtigen Beitrag. Aber es gibt verschiedene Wege, die zu diesem Ziel führen. Wenn wir die Grenzwerte so stark anziehen, wie es die Grünen im Vergleich zum Kommissionsvorschlag noch einmal viel, viel ambitionierter vorschlagen, dann machen wir die Automobilindustrie kaputt, und Zig­tausend Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel. Das kann doch nicht der richtige Weg sein, meine Damen und Herren. Wir würden uns außerdem ins eigene Fleisch schneiden und uns dadurch die Chance für die Entwicklung von Innovationen und alternativen Antrieben, die wir für die Mobilität der Zukunft brauchen, vergeben. Außerdem – was wollen die Grünen noch? – wollen Sie die Anrechenbarkeit von emissionsarmen und emissionsfreien Fahrzeugen auf die Reduktionsziele eines Herstellers streichen. Aus meiner Sicht ist das genau das falsche Signal. Wir sollten die Entwicklung von Elektroautos, von hybriden Antrieben anreizen und nicht noch unattraktiver machen, indem man die Anrechnung dieser Systeme, dieser Ökoinnovationen streicht. Mit diesem Vorschlag schütten Sie das Kind mit dem Bade aus. Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Nestle? Ja, erlaube ich. Herzlichen Dank. – Also eigentlich haben Sie es nicht ganz so wiedergegeben, wie wir es fordern. Aber das ist auch egal; ich glaube, wir werden uns heute Nachmittag nicht über die verschiedenen Details unterhalten. Ich würde gerne bei der großen Geschichte bleiben. Sie haben erfreulicherweise noch einmal betont: Die Klimaschutzziele gelten. 50 Millionen Tonnen CO 2 müssen wir bis 2030 im Verkehrsbereich einsparen. Der Kommissionsvorschlag sieht 4 Millionen Tonnen vor. Das ist der einzige Vorschlag, der im Moment ein Stück weit auch eine Verantwortung der Autoindustrie vorsieht, während die Verbraucher den ganzen Rest einsparen müssen, indem sie weniger und langsamer Auto fahren. Die Wissenschaft ist sich dazu, glaube ich, relativ einig. Auch deshalb fordert unter anderem der ADAC, also der Verbraucherschutzverband der Autofahrer, deutlich strengere Ziele, als sie die Kommission vorsieht. Jetzt würde ich Sie gerne fragen, ob Sie dem ADAC und auch uns an dieser Stelle – ohne jetzt über genaue Zahlen zu reden – in der Einschätzung zustimmen, dass im Moment weniger als 10 Prozent der Verantwortung auf dem Weg zur Erreichung der Klimaschutzziele bei der Autoindustrie und mehr als 90 Prozent beim Verbraucher liegen? Stimmen Sie mir zu, dass das die falsche Aufteilung ist? Werden auch Sie sich dafür einsetzen, dass an dieser Stelle nicht nur das Wort der Autoindustrie Gehör findet, sondern die Interessen der Autofahrer auch berücksichtigt werden? Werte Kollegin Nestle, wir denken auch an die Arbeitsplätze, die damit in Verbindung stehen. Wir denken in diesem Zusammenhang daran – das hätte ich in meiner Rede noch angesprochen; deswegen werde ich es nur kurz beantworten –, die Grenzwerte vernünftig und realistisch auszugestalten, sodass – ich sage es jetzt mal so – die Daumenschrauben durchaus angezogen werden, damit die Autoindustrie den Weg in die Zukunft geht. Auch im Hinblick auf die Hybridtechnologie ist dies, denke ich, sehr, sehr wichtig. Aber es bringt letztendlich auch nichts, wenn die Grenzwerte so festgelegt werden, dass sie nicht erreichbar sind und Strafzahlungen drohen und die Arbeitsplätze verloren gehen. Wir sind ein Industriestandort, der auch für die Entwicklung von Umweltinnovationen in diesem Bereich steht, und es bringt uns überhaupt nichts, wenn wir das außer Acht lassen. Frau Kollegin, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Beutin? Nein, ich würde gern mit meiner Rede fortfahren. Das ist Ihr gutes Recht. Was die AfD fordert – dass die bestehenden Grenzwerte neu festgelegt und nach unten korrigiert werden –, ist natürlich ebenfalls kein Anreiz für moderne Mobilität, und das kann auch nicht der richtige Weg sein. Was die FDP in ihrem Antrag fordert, ist meiner Ansicht nach ebenfalls nicht die richtige Richtung. Sie möchten die EU-Grenzwerte perspektivisch abschaffen und nur die Einbeziehung des Verkehrs in den Emissionshandel vorschlagen. Dabei frage ich mich allerdings als erfahrene Europapolitikerin, die auch im Europaparlament gearbeitet hat und dort Mitglied war: Wie stellen Sie sich das vor, und wie soll das durchsetzbar sein? Der Emissionshandel deckt im Moment die Energiewirtschaft, die energieintensive Industrie ab. Für diesen Bereich ist der Emissionshandel ein wichtiges Leitinstrument, keine Frage, und Kernstück unserer Klimaschutzpolitik. Aber die zeitnahe Einbeziehung des Verkehrssektors auf europäischer Ebene, die man zwar andenken kann, ist derzeit nicht durchsetzbar. Wir haben gerade eine umfassende Reform abgeschlossen. Die Reform des Emissionshandels war durchaus erfolgreich. Der Markt antizipiert dies bereits, indem sich der Preis weiterentwickelt und steigt, aber – ich war gerade in Straßburg und habe mit dem Kollegen aus dem Europäischen Parlament gesprochen – eine weitere Verschärfung oder Ausweitung, nachdem die Reform gerade abgeschlossen war, ist einfach nicht realistisch, das muss man zur Kenntnis nehmen. Wir sprechen uns deshalb für ambitionierte, aber realistische Grenzwerte aus. Wie gesagt, man muss die Daumenschrauben so weit anziehen, dass die Automobilindustrie konsequent den Weg in die Mobilität der Zukunft geht. Wie gesagt, war dies im Hinblick auf die Hybridtechnologien in der Vergangenheit nicht in dieser Form der Fall, das muss ich als Klimapolitikerin deutlich sagen. Aber die Werte dürfen nicht unrealistisch und im Ergebnis nicht erreichbar sein. Das ist für uns genau der richtige Weg, und ich bin zuversichtlich, dass sich die Bundesregierung in diese Richtung positioniert und sich in die Verhandlungen in Brüssel einbringen wird. Aber ich sage auch: Dafür ist es wichtig, dass sich die Bundesregierung bald positioniert. Wir dürfen bei all dem eines nicht vergessen: Die Automobilindustrie ist ein Leitmarkt in Deutschland. Ohne Frage hat sich diese Industrie in der Vergangenheit einiges zuschulden kommen lassen; damit habe ich dies ebenfalls klar angesprochen. Aber wir haben auch eine Verantwortung gegenüber dem Klima sowie den vielen Beschäftigten in dieser Branche. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Weisgerber. – Als Nächster spricht für die AfD-Fraktion der Kollege Dr. Dirk Spaniel.
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Thorsten Frei CDU/CSU
Thorsten
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CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten in dieser Debatte eine ganze Reihe von Anträgen rund um das Thema Bekämpfung von Rassismus, von Diskriminierung. Letztlich kann man das Bild auch größer zeichnen: Es geht um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, darum, dass wir gut miteinander leben können in dieser Gesellschaft. Frau Polat, Sie haben zu Recht angesprochen, dass wir da nicht an einem Nullpunkt stehen, sondern, ganz im Gegenteil, in den vergangenen Wochen und Monaten sehr viel passiert ist, sowohl hier im Parlament als auch im Bereich der Regierung. Ich gehe davon aus, dass die Frau Staatsministerin nachher intensiv auch darauf eingehen wird, was der Kabinettsausschuss am vergangenen Mittwoch in 89 Punkten, Forderungen, Feststellungen und Entscheidungen dargelegt hat, wie wir Rassismus in unserer Gesellschaft effektiv bekämpfen können. Ich möchte aber auch daran erinnern, dass wir natürlich auch hier im Parlament bereits – weil Sie das angemahnt haben – eine ganze Reihe von Debatten geführt – keine folgenlosen Debatten – und Gesetze verabschiedet haben, unter anderem das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität. Deshalb, glaube ich, können wir schon sagen, dass wir die vergangenen Monate intensiv genutzt haben, um gegen Rassismus, gegen Antisemitismus, gegen Diskriminierung in unserer Gesellschaft klare Ausrufezeichen zu setzen. Und wir werden das fortsetzen, weil das eine Aufgabe ist, die nicht beendet ist – die auch nicht beendet sein wird mit dem Kabinettsbeschluss zu diesem Thema –, sondern es wird weitergehen, es wird weiteres Handeln von uns erfordern. Sie haben in Ihrer Rede – wir haben ja auch entsprechende Anträge hier vorliegen – darauf hingewiesen, dass es sinnvoll sein könnte – Sie finden es sinnvoll –, den Begriff „Rasse“ im Grundgesetz in Artikel 3 Absatz 3 zu ersetzen. Ich glaube, Folgendes ist klar, da können wir Gemeinsamkeiten definieren: Erstens. Es gibt keine menschlichen Rassen. Die biologisch-naturwissenschaftliche Forschung ist in diesem Bereich so klar wie bei kaum einem anderen Thema. Zweitens. Trotzdem haben wir Rassismus in unserer Gesellschaft. Drittens. Wir müssen in jedem Fall eine Lösung finden, die am Ende nicht zu einer Verkürzung des absoluten Diskriminierungsschutzes führt, sondern – im Gegenteil – letztlich das hohe Niveau des Schutzes unseres Grundgesetzes erhält. In diesem Spannungsverhältnis sind wird unterwegs, und in diesem Spannungsverhältnis müssen wir eine Lösung finden. Mir ist ganz wichtig, darauf hinzuweisen: Die Erkenntnis, dass es keine menschlichen Rassen gibt, ist nicht eine neue Erkenntnis von uns, sondern auch die Väter und Mütter des Grundgesetzes hatten diese Erkenntnis schon. Als sie sich vor 71 Jahren entschieden haben, diesen Begriff ins Grundgesetz zu übernehmen, war dieser nie affirmativ gemeint, sondern – ganz im Gegenteil – ablehnend, abgrenzend; es war die Antwort der Mütter und Väter unseres Grundgesetzes auf den Rassenwahn der Nazis. – Das sollten wir im richtigen Kontext betrachten. Wir müssen hier immer auch die Frage beantworten, ob das, was wir tun, die Situation verbessert oder ob es sie eben nur verändert. Ich bin dafür, dass wir den ersten Weg wählen. Wir hatten vor etwa zehn Jahren hierzu schon einmal einen Antrag der Fraktion Die Linke und im Jahr 2012 eine Debatte hier im Deutschen Bundestag. Damals haben im Übrigen alle den Antrag der Linken abgelehnt, die damals eine Streichung dieses Begriffes im Grundgesetz gefordert und einen Vorschlag gemacht haben, wie man ihn ersetzen kann. Man muss, glaube ich, arg aufpassen, dass man diese Diskussion nicht nur unter Sozialwissenschaftlern führt, sondern auch den juristischen Aspekt mit einbezieht und darauf achtet, dass man die Dinge verbessert und nicht verschlechtert. Wir sind ja schon weiter als damals, 2012. Ich glaube, es gibt niemanden mehr, der eine Streichung des Begriffes fordert, sondern es geht darum, ihn zu ersetzen. Wenn es so ist, dass sich viele Menschen in unserem Land von diesem Begriff beleidigt, abgestoßen oder in sonstiger Weise betroffen fühlen, dann finden wir dafür eine Lösung. Die muss aber den gleichen Grundrechtsschutz beinhalten wie den, den wir heute haben. Lassen Sie mich darauf eingehen, dass im Antrag der Grünen beispielsweise eine entsprechende Gewährleistungsverpflichtung gefordert wird. Ich möchte mich gerne dagegen aussprechen; denn unser Grundgesetz und insbesondere der Grundrechtsbereich, also die Herzkammer unseres Grundgesetzes, ist auf eine Abwehrdimension gerichtet, gegen den Staat. Die kann sich im Einzelfall zu einer Schutzdimension verdichten; das ist wohl wahr. Aber, ich glaube, wir sollten aufpassen; denn wir machen, offen gestanden, hier im Parlament viel zu oft den Fehler, dass wir zu wenig Respekt vor unserem Grundgesetz haben, es zu oft ändern und die Änderungen im Regelfall keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung des ursprünglichen Textes sind. Genauso ist es in diesem Fall. Es ist nicht so, dass es diese Schutzfunktion des Staates nicht gebe; die gibt es. Es gibt eine UN-Konvention für bürgerliche und politische Rechte. Die wirkt bei uns in Deutschland als einfaches Bundesgesetz. Deshalb ist es richtig, dass wir nicht weitermachen mit dem Trend, alles, wovon wir glauben, dass es wichtig ist, vom einfachen Gesetz zum Verfassungsrecht zu machen. Das ist eine falsche Motivation; denn es wird letztlich auch der Askese unseres Grundgesetzes nicht gerecht. Wir diskutieren diese Fragen, wir greifen die Kritik auf, wir finden Lösungen – aber mit Maß, Mitte und Ziel. Herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Frei. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Bernd Baumann, AfD-Fraktion.
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Kathrin Vogler DIE LINKE
Kathrin
Vogler
DIE LINKE
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr froh, zu hören, dass es zumindest in den demokratischen Parteien noch den Konsens gibt, dass es Grenzen gibt: Zum Beispiel wird in keinem der bisher vorliegenden Gesetzentwürfe gefordert, dass die Tötung auf Verlangen legalisiert werden soll. Denn ich finde, gerade wenn wir über dieses sensible Thema reden, müssen wir darauf achten, dass wir Grenzen wahren und dass wir auch nicht unterscheiden zwischen Menschen, die krank sind, die psychisch krank sind, die behindert sind, und Menschen, die gesund sind. Das würde doch ganz schlimme Erinnerungen an die Geschichte dieses Landes wecken. Und auch da bin ich froh, dass wir uns darüber hier in diesem Hause, auf der demokratischen Seite, auch weitgehend einig sind. Wir reden heute darüber, wie wir verhindern können, dass Menschen, die sich entschieden haben, ihr Leben zu beenden, durch ein angebotsgetriebenes Marktsystem dazu gedrängt werden könnten, und wie sie angemessen Unterstützung und Beratung und damit einen Weg aus ihrer Lebenskrise finden können. Wenn wir darüber sprechen, dann müssen wir uns auch über die Realität der mangelhaften Suizidprävention in diesem Land unterhalten, in dem sich jeden Tag etwa 25 Menschen das Leben nehmen. Deshalb schlägt die Gruppe, die ich unterstütze – mit Frau Kappert-Gonther, Herrn Castellucci, Herrn Heveling und anderen –, auch vor, dass wir ein Gesetz zur Suizidprävention schaffen. Das fordern auch viele Verbände und Institutionen, die Menschen mit psychischen Erkrankungen, mit Behinderung oder Pflegebedarf vertreten und die sich mit den sozialen Nöten von Menschen in Zeiten immer ungleicherer Lebensverhältnisse und zunehmender Existenzsorgen beschäftigen. Ich lade Sie ein: Beteiligen Sie sich daran, und lassen Sie uns, egal welchen Gesetzentwurf Sie bevorzugen, dieses Thema in den Mittelpunkt stellen und mehr tun für Suizidprävention in diesem Land. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin Vogler. – Nächster Redner ist der Kollege Professor Lars Castellucci, SPD-Fraktion.
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Kerstin Kassner DIE LINKE
Kerstin
Kassner
DIE LINKE
Liebe Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Oft werde ich gefragt, was ich denn für wichtiger halte: meine vorherige Tätigkeit als Landrätin oder die jetzige Tätigkeit hier im Bundestag. Dann sage ich ganz klar: Das sind beides Seiten einer ganz wichtigen, bedeutenden Medaille, und sie gehören einfach zusammen. Klar, es hat mir wirklich sehr viel Freude gemacht – es war zwar nicht immer vergnügungssteuerpflichtig, aber ich habe es gern gemacht –, mit Bürgerinnen und Bürgern meines Kreises zusammen Dinge auf den Punkt zu bringen, Lösungen zu suchen, bei Gemeindevertretungen in den Orten der Insel Rügen dabei zu sein oder eben auch mit Vereinen und Verbänden gemeinsam das Leben auf der Insel zu gestalten. Das war eine wirklich sehr schöne Aufgabe, und ich durfte sie zehn Jahre lang machen. Das war wirklich nicht schlecht. Aber es hat mir eben auch gezeigt, dass es viele Dinge gibt, die wir auf kommunaler Ebene alleine nicht lösen können. Ein ganz wichtiger Aspekt sind natürlich die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Und dann kam immer wieder die Frage nach dem lieben Geld: Wie kriegen wir die Dinge, die für die Bürgerinnen und Bürger wichtig sind, gebacken? Was können wir tun, damit wir den Bürgern das, was wir Daseinsvorsorge nennen, auch wirklich gewähren können und – möglichst noch etwas mehr – damit die Bürger sich in ihren Gemeinden, in ihrem Zuhause echt wohlfühlen können? Dass das natürlich auch gesetzlich so beschlossen ist, zeigt das Grundgesetz. Dort ist ganz klar die Bundesrepublik Deutschland als ein „demokratischer und sozialer Bundesstaat“ definiert. In Artikel 28 Absatz 2 ist auch die besondere Rolle der Kommunen definiert. Wenn wir diese besondere Rolle umsetzen wollen – erinnern Sie sich, wie oft wir hier darüber gesprochen haben, dass wir dank der flexiblen und einfallsreichen Arbeit der Kommunen viele schwierige Situationen lösen konnten? –, dann brauchen wir auch die entsprechenden Rahmenbedingungen, damit das ordentlich läuft. Dazu ist eben auch eine wirtschaftliche Betätigung nötig. In welcher Form? Das zu organisieren, macht jede Kommune für sich, sie entscheidet, wie sie das am besten tun kann. Ich finde, das ist auch richtig und gut so. Nun hat aber in den vergangenen Jahren – das ging in den 1990er-Jahren los – die finanzielle Not die Kommunen dazu getrieben, auch andere Wege zu gehen. Das führte zu Privatisierungen, die wirklich einschneidend waren: einschneidend für die Mitarbeiter in den Betrieben, weil sie oft eine andere tarifliche Absicherung bekamen, sie ging aber auch zulasten der Kommunen bzw. deren Einwohnerinnen und Einwohner. Ich erinnere nur an höhere Wasserbeiträge, beispielsweise hier in Berlin oder auch bei mir im Land, in Rostock. Das sind Dinge, die die Bürgerinnen und Bürger nicht wollen. Das müssen wir anders regeln. Öffentlich-private Partnerschaften scheinen keine Lösung zu sein. Hier gab es in den letzten Jahren immer nur negative Beispiele. Wenn selbst der Bundesrechnungshof feststellt, dass die Zahl dieser praktizierten Vorhaben der Zahl der Fehlleistungen entspricht, dann muss man sagen: Aufgabe schlecht gelöst, das muss weg. Auch die Partnerschaft Deutschland ist nach wie vor darauf ausgerichtet, dass die Privatisierung unterstützt und beratend begleitet wird. Das ist nicht der Weg. Wir möchten, dass es den Kommunen tatsächlich ermöglicht wird, das notwendige Tafelsilber für ihre Aufgabenerfüllung zurückzukaufen, sodass sie es einsetzen können für eine gedeihliche Entwicklung in ihren Gemeinden. Dass es da unwahrscheinlich viele kreative Ideen gibt, hat die letzte Zeit gezeigt: Wenn autarke Energiedörfer entstehen, wenn dadurch für die Bürger die Preise tatsächlich sinken, wenn das Dorf neu belebt wird, weil Menschen dort hinziehen, dann ist das eine gelungene Lösung. Wenn selbst Kreise darüber nachdenken, an der Lösung des Wohnungsproblems mitzuarbeiten, zum Beispiel der Kreis Harburg, der in den nächsten sechs bis sieben Jahren 800 Wohnungen bauen will, einfach weil die Not groß ist, dann sage ich: Es ist gut, dass die Kommunen diese Aufgabe für sich übernehmen und entschlossen angehen. Da gäbe es noch viel zu tun; denn die Kommunen können auch ein fester Bestandteil sein, um die Herausforderungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit in Angriff zu nehmen, eben mit ihren Bürgerinnen und Bürgern und deren Einfallsreichtum. Was aber nicht geht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ist, den Wettbewerb so anzusetzen, wie Sie es wollen, nämlich nach dem Motto „Der Beste möge gewinnen“. Das geht in der kommunalen Familie nicht. Hier geht es darum, dass wir alle mitnehmen. Kommune stammt vom lateinischen Wort „communis“ ab, das heißt „allgemein“ und „gemeinschaftlich“. Wenn man hier die Gemeinschaft verlässt, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann geht das zulasten der Schwächsten in der Kommune. Wir wollen das nicht. Vielen Dank. Das Wort hat der Kollege Eckhard Pols für die CDU/CSU-Fraktion.
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Leni Breymaier SPD
Leni
Breymaier
SPD
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich auch, dass wir heute einmal über etwas anderes reden als über Corona, wenngleich Herr Seitz es trotzdem schafft, sofort wieder Verschwörungstheorien im Saal unterzubringen; egal zu welchem Tagesordnungspunkt, egal zu welchem Thema. Ich glaube, wir sind uns hier im Saal weitgehend einig, dass niemand ab 2021 einen Bundestag haben will, der mehr als 800 Abgeordnete hat. Diesem Ziel wird das Brückenmodell der SPD gerecht; denn – es ist schon gesagt worden – wir fangen im Juni mit den ersten Wahlkreiskonferenzen an, und dann scheidet im Grunde genommen alles andere aus. Wenn nominiert ist, dann kann man das Wahlrecht nicht mehr grundsätzlich ändern. Ich glaube, unser Brückenmodell ist ein realistisches, deshalb stelle ich es noch mal ganz kurz vor. Wir sagen, die Regelgröße des Bundestages bleibt bei 598 Abgeordneten, die Anzahl der Wahlkreise bleibt bei 299, und zur Wahl werden nur Parteien zugelassen, deren Landeslisten paritätisch abwechselnd mit einer Frau und einem Mann oder vielleicht auch mal umgekehrt besetzt sind. Als maximale Obergrenze wird die Zahl von 690 Abgeordneten im Gesetz festgeschrieben, und bis zur Erreichung der Obergrenze werden alle Überhang- und Ausgleichsmandate entsprechend ihres Zweitstimmenergebnisses zugeteilt. Dabei entfällt der 2013 eingeführte erste Verrechnungsschritt. Das soll alles befristet sein, Herr Frieser. Wir wissen, dass das nicht die optimale Lösung ist, aber ich glaube, das halten wir aus bis zum Jahr 2025, falls es denn zum Zug kommt. Alle über die Obergrenze hinausgehenden Überhangmandate werden nicht mehr zugeteilt, der Zweitstimmenproporz bleibt aber erhalten. Die Übergangsregelung soll so lange gelten, bis eine Reformkommission, die wir 2021 oder gerne auch früher einsetzen, zu Ergebnissen gekommen ist. Wir stellen uns vor, dass die Kommission aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Abgeordneten usw. zusammengesetzt ist und ein gescheites Ergebnis für die Wahl 2025 vorlegt. Jetzt läuft uns die Zeit davon. Liebe Union, Sie können sich ein Denkmal setzen, wenn Sie sich jetzt zum Thema Wahlrecht einfach mal bewegen, Ihren Schmollwinkel verlassen und mutig erstens für 2021 etwas auf den Tisch legen, das nicht nur Ihnen alleine nützt, und zweitens für 2021 das Thema Parität anpacken, zum Beispiel mit Listen im Reißverschlussprinzip. Ohne Regeln geht es nicht. Der Frauenanteil im Bundestag ist rückläufig, so niedrig wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Im Landtag von Baden-Württemberg sind gerade mal 25 Prozent der Abgeordneten Frauen. So was machen Einstimmenwahlrechte; auch das ist nicht der Weisheit allerletzter Schluss. Wir warten jetzt seit Jahr und Tag. Bei all den Parteien, die sich für ihre Programme tolle Namen ausdenken – „Quorum statt Quote“ – und für freiwillige Selbstverpflichtungen eintreten; in Baden-Württemberg haben wir das Projekt „Frauen im Fokus“ – Herr Strobl hat sich das ausgedacht –: Alles ist gescheitert, weil alles nicht verbindlich ist. Deshalb, glaube ich, wäre jetzt das Reißverschlussverfahren ein erster Schritt. Roman Herzog ist für seine Rede viel gelobt worden: Ein Ruck muss durch Deutschland gehen. – Ich wandele das jetzt mit Blick auf unsere heutige Debatte zum Wahlrecht ab und sage: Ein Rock muss durch Deutschland gehen, damit die Menschen in Hundert Jahren hoffentlich mal sagen können: Die haben das damals mit der Pandemie gut in den Griff bekommen, danach Deutschland und Europa sozial und ökologisch reformiert und ein Wahlrecht auf den Weg gebracht, das die Bevölkerung annähernd abbildet. Geben Sie sich also einen Ruck, liebe Union! Machen Sie das Brückenmodell und das mit dem Rock gleich dazu! Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Leni Breymaier. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Konstantin Kuhle.
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Norbert Kleinwächter AfD
Norbert
Kleinwächter
AfD
Werte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Volksvertreter! Was bedeutet eigentlich Demokratie? Demokratie bedeutet Volksherrschaft, bedeutet, dass das Volk was zu entscheiden hat und über die Zukunft des Landes weiter mitentscheidet. In Bezug auf die Demokratie gab es in den letzten zehn Tagen wahrlich Bemerkenswertes: Am 15. Mai stimmten die Schweizer in einem Referendum – in einer direkten Volksabstimmung mit Ja, Nein – über eine weitere Frontex-Beteiligung ab, übrigens positiv, aber alle waren sie informiert. Die Zeitungen berichteten. Plakate hingen überall. Die Leute gingen zu den Urnen, und sie entschieden mit. Sechs Tage zuvor, am Europatag, verspürte Emmanuel Macron den nie dagewesenen Atem der Demokratie, und zwar bei der Schlusstagung der Konferenz zur Zukunft Europas, jener Veranstaltung, die gleich am selben Tag eine Reaktion von 13 Mitgliedstaaten hervorrief, die in einer Erklärung in einem Non-Paper sagten: Die Schlussfolgerungen der Konferenz sind zwar ganz nett. Aber bitte: Wir wollen keine Vertragsänderungen, und wir wollen auch keine EU-Verfassung. – Das ist nämlich das eigentliche Ziel dieser Konferenz zur Zukunft Europas. Man kann diese Reaktion durchaus verstehen; denn die Schlussfolgerungen haben es absolut in sich. Da geht es darum, das Einstimmigkeitsprinzip abzuschaffen. Das bedeutet: Wenn ein Land gegen etwas ist, wenn ein Land sagt: „Wir möchten das nicht auf europäischer Ebene haben“, dann hat das genau null Wirkung nach diesen neuen Vorstellungen. Auch die Demokratie selbst soll kahlgeschlagen werden. Die Menschen sollen gar nicht mehr direkt Abgeordnete wählen, die sie kennen, sondern in transnationalen Listen sollen in quotierten Systemen nach Länderkategorien und Geschlechterquotierungen irgendwelche Leute einsortiert werden, und dann werden den Menschen diese Einheitslisten präsentiert. Die sollen dann eine Wahl treffen, die keine Wahl mehr ist. Das ist eine Verhöhnung der Demokratie. Diese dann nicht mehr ordentlich gewählten Abgeordneten sollen mit viel mehr Kompetenzen entscheiden; denn Brüssel will viel mehr Kompetenzen haben: Sozialpolitik, Bildungspolitik, Verteidigungspolitik, sie wollen gemeinsame Schulden aufnehmen, sie wollen gemeinsam Steuern verhängen und das alles in einer EU-Verfassung verankern – einer EU-Verfassung, die diese Koalition – und das muss man an dieser Stelle noch mal betonen – eindeutig für gut heißt. Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag stehen, Sie wollen einen föderalen europäischen Bundesstaat. Das bedeutet im Umkehrschluss: Sie wollen keine demokratischen Entscheidungen mehr auf nationaler Ebene. Sie wollen nicht, dass die Bürger in diesem Land noch etwas zu sagen haben, wie es die Schweizer zum Beispiel in ihrem Land zu sagen haben. Ein solches Projekt gab es hier schon mal. Das gab es 2005, und es ist damals – zum Beispiel in Frankreich – krachend gescheitert an, ja, just der direkten Demokratie. Deswegen gibt es auch das Konstrukt der Konferenz zur Zukunft Europas. Ursula von der Leyen hat in ihrer Agenda bereits damals ausgeführt, dass es eine Konferenz sein sollte, in der die – Zitat – eindeutigen Ziele, „die vorab von Parlament, Rat und Kommission vereinbart wurden“, umgesetzt werden sollten. Eindeutige Ziele, die vorab vereinbart worden sind, werden von der Konferenz abgestimmt, die aus – wen wundert es? – nicht ganz repräsentativen Teilnehmern besteht. Es wurden 800 Teilnehmer für die Bürgerforen ausgewählt von einer Institution, die „Kantar“ heißt, und die hat angeblich zufällig Mobilfunknummern angerufen. Daraus entstanden dann die Teilnehmer, die übrigens ein Emmanuel Macron als „Vertreter“ bezeichnet hat; aber sie vertreten ja niemanden, außer vielleicht ihre eigene Meinung. Diese Leute traten dann in Bürgerforen zusammen, wurden sofort in Ausschüsse eingeteilt, wurden vom Altiero-Spinelli-Institut für Föderalismusstudien dazu gebrieft, was denn so wünschenswert wäre, hatten schöne Thesenpapiere vor sich auf dem Tisch liegen und wurden dann direkt nach dem Briefing zu den Thesen befragt. – Das haben Teilnehmer in Ausschüssen berichtet, zum Beispiel in unserem EU-Ausschuss, wie Sie sich erinnern, Herr Kollege, und sie haben es in anderen Ausschüssen berichtet, zum Beispiel im EP oder in den Landtagen. Diese Meinungen gibt es mehrfach, werter Herr Kollege. – Die hatten dann diese Thesenpapiere und sollten daraus plötzlich unter deutlichem Einwirken auch ihrer Ausschussvorsitzenden auswählen. Daraus wurden dann Schlussfolgerungen gezogen. Es gab natürlich auch dieses Onlineforum, wo angeblich Millionen Bürger sich beteiligen konnten. 53 000 registrierte Teilnehmer waren es letztendlich. Im Migrationsbereich waren mit die häufigsten Forderungen – an zweiter Stelle beispielsweise –, dass man endlich mal keine neuen Migranten ins Land lassen sollte, und an vierter Stelle, dass man straffällig gewordene Asylbewerber endlich abschieben sollte. Aber keine dieser Forderungen fand sich in den Abschlussschlussfolgerungen. Klar, sie hätten ja nicht gepasst. Meine Damen und Herren, diese Konferenz zur Zukunft Europas hat einen wahrlich schlechten Atem; denn sie ist eine Perversion dessen, was Demokratie bedeutet. Sie ist eine Perversion dessen, was direkte oder repräsentative Demokratie sein sollte. Deswegen haben wir vier Forderungen: Erstens. Die Regierung sollte diese Forderungen ganz klar ablehnen und auch die Schlussfolgerungen. Zweitens. Wir müssen diese Finanzierung, die Kosten, offenlegen, die in Verbindung damit entstanden sind. Herr Kollege. Drittens. Auch die Liste der Teilnehmer gehört offengelegt; denn ganz viele von denen waren rein zufällig Mitglieder entsprechender NGOs. Haben Sie herzlichen Dank. Der Kollege Axel Schäfer spricht jetzt für die SPD-Fraktion.
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Thomas Ehrhorn AfD
Thomas
Ehrhorn
AfD
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach der weltdümmsten Energiepolitik, wie sie das „Wall Street Journal“ nannte, schicken wir uns nun an, mit der weltdümmsten Umweltpolitik auf uns aufmerksam zu machen. Typisch Grün, verfällt die Bundesregierung von einem Extrem ins andere. Von der jahrzehntelangen Verhinderung wichtiger Infrastrukturprojekte durch grüne Vorfeldinstitutionen, um Juchtenkäfern und Fledermäusen gerecht zu werden, bringt uns nun das sogenannte Osterpaket der Bundesregierung die umweltpolitische 180-Grad-Wende: Rodungen für Windkraft in Wald und Landschaftsschutzgebieten möglichst ohne jeden Abstand zu Wohnsiedlungen, und das auf 2 Prozent unserer Gesamtfläche, also Landschaftszerstörung auf mehr als 7 000 Quadratkilometern. Planungsbeschleunigung mit der Brechstange! Die Belange des Umwelt- und Artenschutzes spielen dabei plötzlich eine völlig untergeordnete Rolle – alles für die grüne Illusion, man könne die Energieversorgung eines Industrielandes fast ausschließlich durch Wind und Sonne sicherstellen. Nun soll die Zahl der Windräder also vervierfacht werden. Dass aber, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, vier mal null immer noch null ist, ist grünen Politikern offenkundig nicht zu vermitteln. Sollte unsere Energieversorgung im nächsten Winter wider Erwarten nicht komplett zusammenbrechen, wird es also daran liegen, dass wir Atomstrom zum Beispiel aus Frankreich in großen Mengen einkaufen werden, dem Frankreich, welches gerade für jedes AKW, welches wir abschalten, zwei neue baut. Nachdem wir am Beispiel russischen Gases gerade gelernt haben, wie problematisch Abhängigkeiten von anderen Staaten sind, machen wir diesen Fehler gleich noch einmal. Inzwischen macht eine Anekdote die Runde, nach welcher ein französischer Politiker gefragt wird, warum denn in Frankreich immer mehr Atomkraftwerke entstehen. Die Antwort lautet: Damit die Deutschen unsere Renten bezahlen. Dass links-grüne Politik unsere Energiesicherheit gefährdet und unseren Wohlstand vernichtet, wird gerade denen am meisten klar, die Benzin, Strom, Gas und Lebensmittel nicht mehr bezahlen können. Dass am Ende dieses ideologischen Amoklaufes auch zerstörte Naturlandschaften stehen werden, das hätten sich viele allerdings nicht träumen lassen. Eines lernen wir jedenfalls in der heutigen Zeit, nämlich dass grüne Umweltpolitik absolut beliebig ist, dass sie immer nur Mittel zum Zweck war, um die eigentlichen, verdeckten Ziele zu erreichen, und das schon seit Ende der 70er-Jahre, als spätere Grüne noch dem Kommunistischen Bund angehörten. „Was stört uns unser grünes Umweltgeschwätz von gestern?“, könnte man sagen. Vielen Dank. Die Kollegin Dr. Lina Seitzl hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.
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Bärbel Bas SPD
Bärbel
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Gesundheitspolitikerin kann ich sagen, dass wir die vergangenen acht Monate wirklich sehr gut genutzt haben. Ich freue mich immer wieder, dass die Union uns dankbar ist, dass wir die Parität durchgesetzt haben. Denn damit haben wir in der Tat viele Haushalte finanziell entlasten können, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner. Insofern finde ich es sehr gut, dass wir Sie da überzeugt haben. Ich bin auch dankbar, dass Sie uns dafür loben. – Das hat Sie überzeugt. Finde ich super! Der Bereich Pflege ist heute schon mehrfach angesprochen worden. Natürlich dürfen wir bei dem, was wir bisher beschlossen haben, nicht stehen bleiben. Aber was Sie, Frau Zimmermann, unterstellt bzw. gesagt haben, ist nun einmal nicht richtig. Die Gesetze, die wir jetzt gemacht haben, belasten keine Angehörigen oder Pflegebedürftigen zusätzlich. Wir haben ja gerade die 13 000 Stellen im Bereich der medizinischen Behandlungspflege herausgerechnet. Deshalb ist es eine Unterstellung, zu sagen, dass die Gesetze, die wir jetzt gemacht haben, dazu führen würden, dass die Angehörigen oder die Pflegebedürftigen stärker belastet werden. Das ist einfach falsch. Ich muss bedauerlicherweise doch noch einmal auf die AfD-Fraktion eingehen, damit wenigstens bei denen, die zuhören, Klarheit herrscht. Frau Malsack-Winkemann hat das Thema HIV angesprochen. – Ja, ich komme zu den Daten. – Sie hat unterstellt, dass die Behandlung pro Fall circa 500 000 Euro kostet. Jetzt kenne ich zum Beispiel eine Studie der Universität ­Duisburg-Essen, die besagt, dass die Kosten pro Jahr nur 19 103 Euro betragen. Irgendetwas passt da also nicht. Ich weiß nicht, ob Sie sich die Fakten gerne selber zurechtlegen. Die Zahlen sind jedenfalls andere; denn eine HIV-Infektion verursacht in erster Linie noch gar keine Kosten, um das auch einmal klarzumachen. Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Malsack-Winkemann? Erst mache ich den Punkt zu Ende. Danach kann sie gerne fragen. Denn ich war mit den Ausführungen zu dem, was sie gesagt hat, noch nicht fertig. Dann kann sie gleich fragen. Die Zahlen sind eindeutig. Eine Infektion verursacht erst einmal keine Kosten, sondern erst eine Erkrankung, die dann möglicherweise folgt, an Aids. Aber die Kosten sind nicht so hoch, wie Sie unterstellen. Dazu gibt es auch Studien. Diese würde ich jetzt einmal zitieren, und dann können wir uns am Ende gerne darüber streiten. Ein Punkt ist: Die Gesamtausgaben der GKV für den Bereich HIV/Aids betragen 1,5 Milliarden Euro. Das sind, um das einmal einzuordnen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, 0,7 Prozent des Gesamthaushaltes. Das Problem Diabetes verursacht 35 Milliarden Euro an Kosten. Jetzt frage ich mich: Wo waren eigentlich Ihre Vorschläge, um das Gespräch einmal auf das Thema Diabetes, die Volkskrankheiten, die wir haben, zu bringen? Darum kümmern Sie sich nämlich gar nicht. Das interessiert Sie auch nicht. Sie interessieren bestimmte Randthemen, die Sie zu einem Wahnsinnsthema hochstilisieren. Die Menschen glauben es hoffentlich nicht, weil die Fakten andere sind. Ich hätte mir neben Ihren Zahlen, die Sie hier permanent referieren, einmal gewünscht, dass Sie sagen, wie Sie denn die Gesundheitsprobleme lösen wollen. Ich sage einmal: Diabetes – das wird der Kollege Monstadt sicherlich gleich noch einmal ansprechen – ist eine Volkskrankheit, mit der man sich in Ihrer Fraktion einmal auseinandersetzen sollte. Lassen Sie die Frage jetzt zu? Jetzt darf sie mich gerne dazu befragen. Jetzt dürfen Sie die Frage stellen, Frau Kollegin. Bitte schön. Mich würde interessieren, wo Sie Ihre Zahlen herhaben. Ich habe meine Zahlen aus Auskünften des Gesundheitsministeriums von 2018. Darin ist die Zahl pro Patient für Aids, also HIV, mit 500 000 Euro angegeben worden – vom Gesundheitsministerium selbst. Sie können das entsprechend nachlesen in Zahlen aus dem Jahr 2018. Dort ist es genau so geschrieben worden. – Ich habe den Gesamtbetrag genannt. Der ist dort nachzulesen. Sie können es gerne tun. Von daher würde mich Ihre Studie interessieren, woher Sie die anderen Zahlen haben. Ich habe den Lebensbetrag gehabt, und dieser Lebensbetrag sind diese 500 000 Euro. Insofern sind die Zahlen auch nicht vergleichbar, da Sie den Jahresbetrag genannt haben. Insoweit vergleichen Sie Äpfel mit Birnen. Oder sehen Sie das anders? Frau Kollegin Bas, wollen Sie das beantworten? Ich vergleiche nicht Äpfel mit Birnen, sondern eine Studie der Universität Essen-Duisburg stellt fest, dass pro Kopf, pro Patient, pro Jahr Kosten in Höhe von 19 000 Euro entstehen. – Sie haben von HIV-Kosten gesprochen. Sie haben jetzt gerade selber klargestellt, was ich übrigens gut finde, dass es um die Gesamtkosten geht. Sie haben aber in Ihrem Beitrag über HIV-Infektionen gesprochen, die irgendwelche Flüchtlinge mitbringen. Insofern haben Sie das vermengt. Ich habe gesagt: Es ist schon ein Unterschied, ob ich über HIV oder Aidserkrankung insgesamt spreche. Ich habe trotzdem – dabei bleibe ich – von Ihnen keinen Vorschlag gehört, wie Sie den Menschen, die mit HIV infiziert oder an Aids erkrankt sind, helfen wollen. Wir haben im Haushalt eingestellt, dass wir sowohl die Prävention als auch die Behandlung stärken, damit wir die Menschen nicht diskriminieren, so wie Sie das tun, sondern ihnen helfen. Das ist der entscheidende Unterschied. Ich will meine letzten zwei Minuten Redezeit dazu nutzen, um auf ein bzw. zwei Punkte bezüglich der Pflege zu kommen. Die SPD-Fraktion wirbt sehr deutlich dafür, dass wir, wie wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, Teilbereiche der Pflege verbessern. Aber ein entscheidender Teilbereich fehlt mir, nämlich dass wir insbesondere in der Altenpflege viel stärker zu Tariflöhnen kommen. Das ist hier auch schon angesprochen worden. Das sage ich jetzt einmal in Richtung FDP. Es tut mir leid, dass ich das sagen muss. – Ja, das finde ich auch nett. – Frau Aschenberg-­Dugnus sagte ja, sie sei kein Claqueur. Deswegen will ich sie darin jetzt auch bestärken. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie einmal Einfluss nehmen auf Ihren Parteikollegen Rainer Brüderle, damit wir in diesem Land Tariflöhne umsetzen können, damit er sich also nicht weiter dagegen sperrt, dass wir in der Altenpflege zu Tariflöhnen kommen. Das wäre wichtig. Er ist ja Präsident des Arbeitgeberverbandes für die private Pflegewirtschaft. Er sperrt und blockiert die Diskussion darüber, wie wir – der Minister hat es ja angesprochen – flächendeckend zu Tariflöhnen kommen. Ich würde Sie bitten, das mitzunehmen. Sie brauchen uns dann auch nicht zu applaudieren. Wenn Sie Taten folgen lassen, fände ich das schon super. Ein zweiter wichtiger Punkt ist für mich, dass die SPD-Fraktion sehr stark darauf schauen wird, dass die ambulante Pflege, die Pflege zu Hause, nicht untergeht – wir haben ja im Koalitionsvertrag vereinbart, die Angehörigen zu stärken – und wie wir die Finanzierung bei den ambulanten Pflegediensten sicherstellen. Dabei werden auch die Wegezeiten ein Thema sein. All das haben wir schon angesprochen. Die SPD-Fraktion guckt da auch immer zehn, zwanzig Jahre weiter. Von daher bin ich dem Minister dankbar, dass er dieses Thema selber angesprochen hat. In der Tat müssen wir auch über das Thema Bürgerversicherung noch einmal reden, ob Ihnen das gefällt oder nicht. Wir müssen die Systemfrage noch einmal diskutieren. Wenn es darum geht, dass wir dieses System langfristig anders finanzieren wollen, es auf breitere Beine stellen wollen, es sicher machen wollen, dann müssen wir noch einmal darüber reden. Das gilt übrigens auch für die Pflege. Ich kann mir vorstellen, zumindest mit Ihnen darüber zu diskutieren, wie man von einer Teilkasko- hin zu einer Vollkaskopflege kommt. Ich bin da sehr auf Ihre Vorschläge gespannt. Die SPD-Fraktion ist dazu bereit, noch einmal über eine Bürgerversicherung und eine Vollversicherung in der Pflege zu reden. Wenn wir darüber in die Diskussion kommen, wäre ich sehr dankbar. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der nächste Redner ist der Kollege Dietrich Monstadt, CDU/CSU-Fraktion.
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Bettina Margarethe Wiesmann CDU/CSU
Bettina Margarethe
Wiesmann
CDU/CSU
Ich werde es versuchen. – Erstens. Wenn ich Sie in der Sitzung falsch verstanden habe, dann tut mir das leid. Ich hatte den Eindruck, dass Sie mit diesem Gesetzentwurf insgesamt sehr unzufrieden sind, ihn als einen minimalen Schritt empfinden und auch ein wenig deutlich gemacht haben, wie Sie ihn insgesamt bewerten. Dass Sie nicht zustimmen, haben Sie hier ja auch angekündigt. Der zweite Punkt. Ich bin erstaunt, dass Sie die Prognosen der Bundesregierung plötzlich sozusagen als eine Vorwegnahme der Zukunft ansehen. Sie sind ja in der Opposition und haben auch sonst viel Gelegenheit, bessere Ideen einzubringen. Ich für meinen Teil sehe einfach die Erleichterungen beim Zugang – meine Fraktion sieht das auch so – als eine gute Chance, die Inanspruchnahme dieser aus unserer Sicht sehr wichtigen und klugen Leistungen zu verbessern. Im Übrigen ist ja auch der Kreis derer, die anspruchsberechtigt sind, viel größer. Wir gehen in unserer Fraktion davon aus, dass es durchaus sein kann, dass es mehr werden. Wir freuen uns über jeden, der auf die gute Idee kommt, Anspruch anzumelden und sich dem Antragsverfahren, das wir deutlich erleichtert haben, zu unterziehen. Das ist für uns überhaupt kein Streitpunkt. Der grundsätzliche Streitpunkt ist allerdings, ob wir eine solche Leistung, auch in beiden Bestandteilen, automatisch vergeben wollen oder nicht. Ich habe hier noch einmal zur Kenntnis gegeben – ich war nicht Teil dieser Verhandlungskommission; übrigens können wir lange darüber philosophieren, wer mit welchen Positionen zu dem Ergebnis beigetragen hat –, dass es aus unserer Sicht richtig ist, dass Leistungen, die nicht der Sicherung des Existenzminimums dienen – da gilt für das Kindergeld eine ganz andere rechtliche Grundlage –, sehr wohl eine Antragsleistung sein können. Das gilt auch für Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Es ist keine Schande, so etwas in Anspruch zu nehmen. Man muss es begründen, damit diejenigen, die es erwirtschaften, dies auch gut und gerne tun. Nichts anderes habe ich gesagt. – Entschuldigung, dann müssen wir daran arbeiten, diese Leistungen besser zu kommunizieren. Dann reden wir auch weiter darüber, ob sozusagen die administrative Seite gut gelöst ist. Ich bin davon überzeugt, dass wir einen großen Fortschritt machen und dass Kinder, die einen Anspruch auf diese Leistung haben und in ihrer familiären Situation entsprechend bedürftig sind – das ist keine Schande –, jetzt auch in den Genuss dieser Leistung kommen. Ich bitte Sie nochmals darum, auch immer die Familien mitzudenken. Wir brauchen keine Politik, die einzelne Bestandteile, einzelne Personen von Familien isoliert betrachtet. Wir brauchen eine Politik, die den Zusammenhalt der Familien stärkt. Das tun Sie in Ihrer Betrachtung sehr häufig nicht. Das tut mir sehr leid, weil ich ja weiß, dass wir oft in dieselbe Richtung agieren, was das Wohl der Kinder angeht. Vielen Dank. – Jetzt hat das Wort als nächster Redner der Kollege Sönke Rix für die SPD-Fraktion.
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Dr.
Dr. André Hahn DIE LINKE
André
Hahn
DIE LINKE
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Weg in die Opposition hat der CDU/CSU offenbar geholfen, über die Ausrichtung des Sports tatsächlich mal ernsthaft nachzudenken. In Ihrem Antrag steht viel Richtiges, auch manches, was Die Linke seit Jahren fordert. Deshalb werden wir dem Antrag auch zustimmen. Der Bewegungsgipfel soll nun endlich am 13. Dezember dieses Jahres stattfinden. Ich habe gehört, dass die Vorbereitungen dafür in Hinterzimmern bereits im Gange sind. Ich meine, es gibt gute Gründe, nicht nur die Koalitionsfraktionen, sondern den gesamten Sportausschuss an diesem Prozess inhaltlich zu beteiligen. Denn die aktuellen Probleme und Herausforderungen im Sport können wir nur gemeinsam bewältigen. Im Koalitionsvertrag gibt es eine Reihe von Ankündigungen und Versprechungen im Bereich des Sports, die wir als Linke unterstützen. Nur, klar ist auch: Das, was die Ampel bislang geliefert hat, ist einfach zu wenig. Grund dafür sind mitnichten nur weltpolitische Entwicklungen. Hier geht es auch um hausgemachtes Versagen. Aus Sicht der Linken darf es nicht wieder passieren, dass – wie schon während der Coronapandemie – flächendeckend Sportstätten und insbesondere Schwimmbäder geschlossen werden. Dass der Sport in den bisherigen drei Entlastungspaketen – oder Päckchen, muss man ja sagen – keine Rolle spielt, ist ein Armutszeugnis für diese Bundesregierung. Ohne den Antrag der Linken, das Thema Energiekrise endlich auf die Tagesordnung des Sportausschusses zu setzen, würde sich die Koalition gern weiter um diese gravierenden Probleme herumdrücken. Jetzt steht das Thema am 9. November auf der Tagesordnung. Im Übrigen rächen sich jetzt auch die viel zu geringen Investitionen in die energetische Sanierung der Sportstätten. Der Bund muss hier endlich einen wirksamen Beitrag mit mindestens 1 Milliarde Euro pro Jahr in den kommenden zehn Jahren leisten. Die Vorschläge der Linken dazu liegen auf dem Tisch. Kurz noch zum Programm „Neustart nach Corona“; Kollege Güntzler hat ReStart angesprochen. Die dafür vorgesehenen Mittel in Höhe von 25 Millionen Euro werden definitiv nicht ausreichen. Das ist knapp 1 Euro pro Mitglied im DOSB. Das ist zu wenig. Der Bewegungsgipfel im Kanzleramt darf keine Alibiveranstaltung bleiben. Wir erwarten dort verbindliche Zusagen zur Unterstützung des organisierten Sports in den aktuellen Krisenzeiten. Mein CSU-Kollege Stephan Mayer hat im Sportausschuss gefragt, ob die von Herrn Habeck angekündigten Hilfen für kleine Unternehmen auch für die Sportvereine gelten. Eine Antwort der Regierung hat er nicht bekommen. Der Antrag von CDU/CSU greift, wie eingangs gesagt, viele Punkte auf, die wir seit Langem fordern. Deshalb haben wir kein Problem damit, einem vernünftigen Vorschlag der Union zuzustimmen. Vielleicht wäre es ganz sinnvoll – letzter Satz –, wenn auch die Union endlich ihre Verweigerungshaltung aufgeben würde und einem der vielen guten Anträge der Linken auch mal zustimmt. Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Bettina Lugk das Wort.
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Michael Schrodi SPD
Michael
Schrodi
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Armuts- und Reichtumsbericht zeigt: Soziale Ungleichheiten sind auch in Deutschland ein Thema, ein Problem, weil, sehr geehrter Herr Weiß, zu große Ungleichheit beispielsweise den Wohlstand für alle gefährdet und weil es höchst ungerecht ist, dass es mehr Hochvermögende gibt – auch nach dieser Pandemie –, sich aber gleichzeitig immer mehr Menschen trotz großer Anstrengungen abgehängt fühlen. Das gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt und damit auch die Demokratie. Hubertus Heil und Daniela Kolbe haben aufgezeigt, was die SPD in dieser Bundesregierung umsetzen konnte, damit wir soziale Ungleichheiten bekämpfen, gerade auch in dieser Pandemie. Aber jetzt geht es darum: Was können wir machen, damit es in den nächsten Jahren besser wird? Erstens. Ein höherer Mindestlohn und mehr Tarifbindung sind Instrumente, um Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zu höheren, auskömmlichen Löhnen zu verhelfen. Wir wollen das. FDP und CDU/CSU wollen das leider nicht. Zweitens. Einer kleinen Gruppe Menschen gehört der größte Teil des Vermögens in Deutschland. Die Krise hat die Vermögensungleichheit verschärft. Etwa 25 Prozent aller Haushalte besitzen dagegen überhaupt kein Vermögen oder haben sogar Schulden. Wir wollen deswegen die Reaktivierung der Vermögensteuer, die die 5 Prozent der höchsten Vermögen treffen würden, um diese Ungleichheit zu bekämpfen. Wir wollen das; CDU/CSU und FDP lehnen das ab. Der Armuts- und Reichtumsbericht hat den Fokus auf die Wohnsituation gelegt. Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum. Olaf Scholz hat klargemacht: 400 000 neue Wohnungen jedes Jahr, 100 000 davon gefördert. Und wir wollen eine gerechte Aufteilung der CO2-Mehrkosten zwischen Vermieterinnen und Mietern. Auch das ist von der CDU/CSU leider verhindert worden. Auch da müssen wir etwas für mehr Gerechtigkeit tun. Noch eine letzte Anmerkung. Bei den Grünen gibt es eine große Diskrepanz zwischen ihren Wünschen und den Taten. Grüne Länderfinanzminister wollten schon vor einem Jahr den Soli für alle abschaffen – ein Steuergeschenk für die Reichen! Das vertieft die soziale Spaltung. Und wer in ihrem Wahlprogramm nach dem Begriff „Erbschaftsteuer“ sucht, der sucht vergebens, obwohl die Grünen in den letzten Jahren immer wieder gesagt haben, es brauche eine gerechte Besteuerung bei größten Erbschaften. Es scheint so, als würden die Grünen jetzt schon so manche Hindernisse für eine schwarz-grüne Liaison aus dem Weg räumen. Sie sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt in diesem Land noch einiges anzupacken. Wir werden das, nachdem wir schon vieles auf den Weg gebracht haben, auch tun. Da wird es interessant sein, welche Konzepte da auf den Tisch gelegt werden. Wir wollen etwas gegen soziale Ungleichheit tun. Wir werden etwas tun für mehr soziale Gerechtigkeit – mit der SPD und mit Olaf Scholz im Kanzleramt. Danke schön. Danke. – Ich schließe die Aussprache.
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Dr.
Dr. Jürgen Martens FDP
Jürgen
Martens
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns gefragt, warum dieser Antrag erst so spät eingebracht worden ist, in der Tat ungebührlich spät eingebracht worden ist. Da kommt man ins Überlegen: Wann ist dieser Antrag wohl formuliert worden? Ich will das nicht zeitlich, sondern inhaltlich eingrenzen: Dieser Antrag kommt aus finsterster Nacht. Wir hören Aussagen: Der Koran als solches gefährdet den inneren Frieden. – Lassen Sie mich einmal etwas doch Antikeres entgegenhalten: Du sollst nichts Falsches gegen deinen Nächsten aussagen. Der Antrag reißt willkürlich Zitate aus dem Koran und reiht sie nebeneinander, ohne irgendeine Erklärung, ohne Kontext, ohne Bezug und ohne historische Erläuterung, und das mit 1 500 Jahre alten Textteilen, die aus einem anderen kulturhistorischen Hintergrund kommen. Es ist schon gewagt, meine Damen und Herren, wenn man damit aktuell ernsthaft Politik betreiben möchte. Das Ganze soll dann das Wesen des Islam und das Verhalten aller gläubigen Muslime belegen. Aber das hat mit den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Land und auch in Europa nichts zu tun. Jede Religion hat es verdient, nach ihrem tatsächlichen Erscheinen und Handeln, nicht nach irgendwelchen Zitaten aus ihren grundlegenden Schriften beurteilt zu werden. Ansonsten können wir das auch mit dem Christentum machen. Das ist seit 1 500 Jahren reichlich gewalttätig gegen Andersgläubige unterwegs. Das wird sich nicht bestreiten lassen. Da gibt es Zitate zu Gewaltverherrlichung, Frauenfeindlichem und Homophobem en masse. So spricht der Herr: Siehe, ich will Unglück über dich bringen in deinem eigenen Hause und will deine Weiber nehmen vor deinen Augen und will sie deinem Nächsten geben, dass er bei deinen Weibern schlafen soll an der lichten Sonne. 2. Samuel, Kapitel 12, Vers 12. Oder etwas Homophobes: Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben. 3. Buch Mose, Kapitel 20, Vers 13. Meine Damen und Herren, wollen Sie deswegen vielleicht eine Inhaltsbereinigung der Bibel verlangen? Natürlich nicht, sondern Sie beschränkten sich hier auf den Koran. Sie betreiben islamophobe Demagogie, wenn etwa Herr Dr. Curio hier davon spricht, der Islam sei Hintergrund kulturell eingeübter Kriminalität. Herr Kollege Martens, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Ja. Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Wir müssen den Islam nicht nach dem Koran bewerten, sondern wir können auch danach gehen, wie er sich in der Welt zeigt. Es gibt 57 Staaten, die mehrheitlich muslimisch sind. In welchen davon würden Sie gerne leben, und in welchem davon ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau oder von Homosexuellen oder Heterosexuellen so hergestellt wie hier? Es gibt in der Tat Länder, in denen erhebliche Fortschritte gemacht wurden, auch im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit und die Verfassungsmäßigkeit. Es gibt einige Länder, in denen ich bestimmt nicht leben wollte. Es gibt aber genügend christlich-abendländisch geprägte Länder, in denen ich auch nicht leben möchte. Wir unterhalten uns heute über unser Land, über die Bundesrepublik, und die möchte ich so sehen, wie sie unser Rechtsstaat und unsere Verfassung gestaltet haben und nicht in dem Sinne verändert, wie Sie sich das vorstellen, indem wir religiöse Schriften staatlicherseits eingrenzen, verändern oder am besten verbieten lassen. Und noch eins – Herr Kollege, Sie müssen stehen bleiben, solange ich Ihnen antworte –: Der Rechtsstaat, von dem Sie hier gesprochen haben, muss sich, ja er darf sich nicht in der von Ihnen gewünschten Weise betätigen. Religionsfreiheit bedeutet, dass du glauben kannst, was du willst. Aber handeln darfst du nur in den Grenzen des Rechts. Es ist völlig egal, ob ein Moslem seine Ehefrau unter Berufung auf den Koran schlägt oder ob ein evangelikaler Christ seine Kinder unter Hinweis auf ein biblisches Züchtigungsrecht verprügelt. Beide bekommen es mit dem Rechtsstaat zu tun, und zwar in Gestalt des Staatsanwalts. Und das wissen Sie. Deswegen kommt am Ende des Antrags nur die hilflose Forderung, die Bundesregierung solle geeignete Maßnahmen ergreifen, die Verbreitung von im Koran enthaltenen gesetzwidrigen Inhalten und Aufrufen zu unterbinden. Vulgo: Sie fordern ein Koranverbot, meine Damen und Herren. Aber das wäre so offenkundig verfassungswidrig, dass Sie sich gar nicht trauen, das auszusprechen. Sie vertrauen stattdessen darauf, dass das bei Ihrer Kundschaft als Metatext unausgesprochen ankommt. Lassen Sie sich eines sagen: Angesichts der in Bayern kurz bevorstehenden Wahlen wollen Sie noch mal einen Kracher zünden – meinetwegen –, aber Sie zünden keinen Kracher, Sie werfen einen Brandsatz mitten in unsere Gesellschaft, und das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Sie lösen keine Probleme, Sie spalten, Sie diffamieren. Meine Damen und Herren von der AfD, Sie haben eine Verantwortung als Abgeordnete, und zwar für das gesamte Volk. Dieser Verantwortung – das zeigen Sie überdeutlich – werden Sie in keiner Weise gerecht. Nächster Redner ist der Kollege Dr. Karl-Heinz Brunner, SPD-Fraktion.
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Rudolf Henke CDU/CSU
Rudolf
Henke
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind in der gesetzlichen Krankenkasse als sogenannte Versorgungsbezüge beitragspflichtig. Auf Versorgungsbezüge werden Krankenversicherungsbeiträge nach dem allgemeinen Beitragssatz und im Fall der Fälle auch der kassenindividuelle Zusatzbeitragssatz erhoben. Betriebsrentnerinnen und ‑rentner haben diese Beiträge in der Regel allein zu tragen. Das ist eine Belastung für die Attraktivität von Betriebsrenten und führt heute vielfach dazu, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber entsprechenden Angeboten zurückhaltend sind. Die Erhebung von Krankenkassenbeiträgen auf Versorgungsbezüge stellt also ein gewisses Hindernis für den weiteren Auf- und Ausbau der betrieblichen Altersversorgung dar. Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Freibetrages in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge entlasten wir einen großen Teil der Beitragszahler. Mit der Einführung eines monatlichen Freibetrages in Höhe von 159,25 Euro ab dem 1. Januar 2020 sorgen wir für diese Entlastung. Von diesem Freibetrag werden ab 2020 Rentnerinnen und Rentner profitieren, deren Rentenbezug vor 2020 begonnen hat oder deren Kapitalauszahlung 2020 weniger als zehn Jahre zurückliegt. Der Freibetrag ist dann in Zukunft an die Entwicklung der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße gekoppelt und steigt damit jährlich in etwa mit der durchschnittlichen Lohnentwicklung an. Das ist der wesentliche Charakter der Neuregelung, und diese Neuregelung führt dazu, dass auch Betriebsrenten oberhalb der bisherigen Freigrenze finanziell entlastet werden. Denn bisher musste bei dem geringsten Überschreiten der Freigrenze der volle Beitrag auf die gesamte Betriebsrente gezahlt werden. Bezieherinnen und Bezieher von Betriebsrenten ab einer Höhe von 159,25 Euro erhalten jetzt mit der Neuregelung eine Entlastung von rund 300 Euro im Jahr. Das bedeutet: 60 Prozent der betroffenen Personen zahlen künftig maximal die Hälfte des bisherigen Beitrags. Insgesamt werden die Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentner so jedes Jahr um mindestens 1,2 Milliarden Euro entlastet. Von dem Wechsel von der Freigrenze zum neuen Freibetrag profitieren auch die rund 4 Millionen pflichtversicherten Betriebsrentner oberhalb der bisherigen Freigrenze. Auch sie haben in Zukunft rund 300 Euro mehr pro Jahr. Für 2020 werden die Mittel vollständig aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds übernommen, dann schrittweise durch abnehmende Beiträge aus demselben Fonds in Höhe von 900 Millionen Euro 2021, 600 Millionen Euro 2022 und 300 Millionen Euro 2023 finanziert. Ab 2024 wären die Beitragsausfälle in voller Höhe durch die Kassen zu tragen. Mit dem Gesetz wird die bisherige Mindestreserve des Gesundheitsfonds von 25 Prozent auf 20 Prozent einer Monatsausgabe gesenkt. Die Krankenkassen haben in der Anhörung erklärt, dass das eine für sie tragbare und gangbare Lösung ist. In den Beratungen des Ausschusses haben wir dann noch einen Änderungsantrag eingebracht, der dazu dienen soll, das Verfahren so zu beschleunigen, dass keine umständlichen Anträge und keine umständlichen Zinsberechnungen notwendig sind, sondern dass bei den Zahlstellen die ganz große Anzahl der entsprechenden Zahlungen zügig abgerechnet werden kann. Insofern glaube ich, dass das nach vielen Jahren der Debatte über das, was wir 2003 mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz erlebt haben, und nach vielen Jahren der Suche nach einer gangbaren Lösung jetzt einen pragmatischen Weg darstellt. Herr Henke, „zügig“ war das Stichwort. Ja. – Er wird nicht jeden vollständig glücklich machen, aber es ist eine pragmatische Lösung, die vielen hilft und die die Attraktivität des Betriebsrentensystems steigert. Ich empfehle Ihnen deswegen die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. Vielen Dank, Herr Henke. – Ich bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen: Halten Sie die Redezeit ein. Sonst ziehe ich es bei Ihren Kollegen ab. Das ist so. – Nächster Redner: Detlev Spangenberg für die Fraktion der AfD.
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Alexander Hoffmann CDU/CSU
Alexander
Hoffmann
CDU/CSU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Urheberrechtsschutz ist Eigentumsschutz. Geistiges Eigentum ist in diesem Land genauso werthaltig und schützenswert wie Sacheigentum. So wie jemand bei der Schöpfung einer Sache muss eben auch ein Autor, ein Musiker, ein Künstler vom Erfolg seines geistigen Eigentums profitieren können. Dieser Schutz des geistigen Eigentums gilt in der digitalen Welt ebenso wie in der analogen Welt. Aber es gibt Besonderheiten im Netz, und dieser Gesetzentwurf soll genau diesen Besonderheiten gerecht werden. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Ich bin begeisterter Karnevalist, war Karnevalsprinz. Mein Karnevalsverein macht dreimal im Jahr eine Veranstaltung. Da treten Büttenredner auf, Musiker, Garden, Männerballett. Oftmals ist das hinterlegt mit einer Musik, die nicht lizenzfrei ist. Mein Karnevalsverein löst diese Lizenzrechte wie selbstverständlich ab, weil er ja davon profitiert. Er betreibt eine Bar, er verkauft Essen, er verkauft Getränke, er legt ein Abendprogramm auf, das mit Annoncen finanziert wird. Wenn aber dann die Jugendgarde, die bei dieser Veranstaltung auftritt, ein paar Wochen später privat entscheidet: „Unser Tanz war so toll, alle haben sich gefreut, wir nehmen den auf und stellen ihn auf Youtube“, dann muss die Jugendgarde damit rechnen, dass, wenn der Rechteinhaber der Musik bei Youtube anklopft und sagt: „Da ist meine Musik auf deiner Plattform gestreamt“, Youtube den Rechteinhaber zur Jugendgarde schickt und sagt: Die Jugendgarde vom RCC Retzbach ist zuständig, setz dich mit denen auseinander. Da sagen wir ganz klar: Das ist eine Schieflage. Das können wir nicht hinnehmen, weil der Satz gelten muss: Der, der profitiert – das ist Youtube in dem Fall –, muss sich doch auch bitte um die Rechteverwertung kümmern. Wir haben im Netz eine Schieflage. Über 80 Prozent aller Uploads von Musik und anderen künstlerischen Darbietungen finden auf den großen Plattformen statt: Youtube, Google, Facebook, Instagram. Bis heute lösen diese Plattformen nur einen marginalen Bruchteil der tatsächlichen Lizenzrechte ab. Wenn wir Marktmacht durch Alleinstellungsmerkmale verhindern wollen – wie das gelingt, hat Australien kürzlich demonstriert –, dann ist dieser Gesetzentwurf die einzig richtige Antwort. Ich will zu Uploadfilter noch etwas sagen. Sie sind nicht vorgeschrieben. Eine kleine Plattform schafft es locker ohne Software, diesen Sorgfaltsanforderungen gerecht zu werden. Wenn Sie aber jetzt mit Feuer und Schwert gegen Varianten kämpfen, die Youtube, Facebook, Google zurate ziehen müssen, um dieser Sorgfaltspflicht gerecht zu werden, dann machen Sie Politik für die großen Plattformen, und dann müssen Sie sich schon fragen lassen, wie ernst Sie Urheberrechte, Autorenrechte, Künstlerrechte in diesem Land nehmen. Ich freue mich auf die Beratungen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Damit schließe ich die Aussprache.
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Parsa Marvi SPD
Parsa
Marvi
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es vorhin gehört in der Debatte um das Inflationsausgleichsgesetz, und ich betone es noch einmal: Wir erleben aktuell eine hochdramatische Lage in Deutschland, in der sich viele Bürgerinnen und Bürger, soziale Einrichtungen, kleine und mittelständische Unternehmen und Industriebetriebe mit spürbaren Belastungen infolge des Inflationsschocks konfrontiert sehen. Dazu kommen Sorgen um die Versorgungssicherheit und schlichtweg vor allem darum, wie Energiepreise in den kommenden Monaten überhaupt noch bezahlt werden können und wie Investitionen von Unternehmen unter diesen Rahmenbedingungen gestemmt werden können. Wie Sie wissen, arbeitet diese Ampelkoalition, die seit ihrem Amtsantritt multiple und gleichzeitig stattfindende Krisenlagen wie kaum eine andere Bundesregierung vor uns bewältigen muss, konsequent gegen die Energiekrise und die wirtschaftlich zugespitzte Situation infolge der Auswirkung der russischen Invasion in der Ukraine. Wir tun das in einem international beachtlichen Ausmaß, mit Entlastungspaketen mit einem Gesamtentlastungsvolumen von über 100 Milliarden Euro. Ich glaube, unser Bundesfinanzminister muss sich im internationalen Konzert nicht verstecken mit dem, was wir hier in Deutschland vorangebracht haben und wovon gerade Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen, die Working Class, direkt profitieren. Jetzt geht es um Zusammenhalt in Deutschland, um eine solidarische Bewältigung dieser tiefgreifenden Krise. Ja, wir sind in einer sozialen Marktwirtschaft für Unternehmen, die mit Leistung, die mit Anstrengung, die mit Pioniergeist, die mit Innovation Gewinne machen. Wir sind stolz, dass ein Unternehmen wie BioNTech – made in Germany – den Impfstoff als wichtigste Waffe gegen Corona auf den Markt gebracht hat und damit auch hohe Gewinne erzielt hat, die es im Übrigen wieder reinvestiert in Spitzenforschung. Was wir aber in dieser Lage so gar nicht gebrauchen können, sind Energiekonzerne, die nicht wegen außerordentlicher Innovation und Leistung, sondern aus dem Zufall dieser Krise heraus sich im wahrsten Sinne des Wortes die Taschen vollmachen auf Kosten der Allgemeinheit. Was sich in diesem Marktgeschehen zum Teil vollzieht, lässt Anstand vermissen, ist unsolidarisch und bricht mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft von Ludwig Erhard. Wir haben uns als Sozialdemokratie seit Monaten dafür starkgemacht, sektoral Krisengewinne von Energiekonzernen abzuschöpfen, um damit weitere strukturelle Entlastungen im Energiemarkt für die Bevölkerung zu finanzieren. Das ist eine Erkenntnis – wir haben es gehört –, die in Europa schon weit um sich gegriffen hat: in Italien, in Spanien, in Griechenland, ja sogar in dem von den konservativen Tories regierten Vereinigten Königreich. Ich finde, es macht keinen Sinn, sich jetzt an Länderbeispielen festzubeißen und zu sagen: Genau so würden wir es nicht haben wollen, und deswegen stellen wir uns dieser Debatte überhaupt nicht mehr. – Ich bin außerordentlich froh, dass wir die gemeinsame Linie in der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hinbekommen haben, Zufallsgewinne von Energieunternehmen abzuschöpfen, die vor dem Hintergrund des Merit-Order-Systems große Gewinne machen, weil sie kein teures Gas einkaufen und ihren Strom zu höheren Preisen verkaufen können. Wir wollen systemisch – was höchst notwendig ist – über die Strompreisbremse in den Strommarkt eingreifen. Wir sehen uns durch die Pläne der Europäischen Kommission, von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – die Ihnen von der Union bestens bekannt ist – bestärkt, die im Rahmen des Notfallmechanismus an Krisengewinne im Strombereich und auch im fossilen Sektor, also Erdgas, Erdöl und Kohle, heranwill, sowie durch die gerade in vielen europäischen Staaten stattfindende Diskussion um die damit zusammenhängende Deckelung der Energiepreise. Dabei sieht die Kommission in ihrem offiziellen Statement allein im Strombereich für die Mitgliedstaaten die Chance auf Sondereinnahmen von bis zu 117 Milliarden Euro und im fossilen Sektor von bis zu 25 Milliarden Euro – Geld, das in den Haushalten dringend zur Krisenbewältigung gebraucht wird. Wir sind jetzt in einer absolut entscheidenden Phase für unser Land. Jetzt müssen zügig systematisch saubere Konzepte abgestimmt werden, wie mit Krisengewinnen von Energieunternehmen und Marktinvestitionen des Staates strukturelle Entlastungen bei den Energiepreisen für die Bürgerinnen und Bürger und die Betriebe finanziert werden. Das ist nicht völlig trivial. Dennoch müssen wir diese Maßnahmen schnell in Gang bringen. Wir sind zuversichtlich, dass das in Europa und bei uns gelingen wird, und es muss gelingen. „You’ll never walk alone“: Wir wollen und werden diese Krise solidarisch meistern. Niemand soll angesichts der deutlich gestiegenen Energiekosten in diesem Winter im Stich gelassen werden. Wir danken der Linken, dass wir über ihren Antrag die Gelegenheit bekommen, diese Punkte heute einmal auszuführen. Aber des Antrags hätte es aus Sicht der Ampelkoalition gar nicht bedurft; denn wir haben längst eine Strategie. Vielen Dank. Albrecht Glaser hat das Wort für die AfD-Fraktion.
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Thomas Hitschler SPD
Thomas
Hitschler
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor wenigen Wochen berichtete die Jesidin Farida Abbas vor dem UN-Menschenrechtsrat von ihren Erlebnissen als Gefangene des „Islamischen Staates“ – ich zitiere –: Tausende Männer, Frauen und Kinder wurden entführt oder getötet. Während der IS Kinder zwangskonvertierte und sie zu Selbstmordattentätern auszubilden versuchte, wurden die Frauen als Sexsklavinnen gehalten und weiterverkauft. Sie brannten unsere Häuser, Schulen und Gemeinschaftsräume nieder, damit wir niemals wieder in unser Land zurückkehren. Diese furchtbaren Verbrechen sind keine vier Jahre her. Hätte die internationale Gemeinschaft nicht eingegriffen, wäre es zu einem Völkermord gekommen. Heute ist der IS militärisch weitgehend besiegt. Der Einsatz der internationalen Koalition war ein Erfolg. Dazu haben auch die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr einen wichtigen Beitrag geleistet. Sie haben dazu beigetragen, die Schreckensherrschaft des IS zu beenden und einen Genozid zu verhindern. Vielen Dank für Ihren Einsatz! Allerdings warne ich davor, jetzt wieder die Banner mit der Aufschrift „Mission Accomplished“ auszurollen. Das war bereits vor 15 Jahren eine von vielen fatalen Fehleinschätzungen, ohne die es dem Irak heute besser ginge. Auch deshalb war das Nein zum Irakkrieg 2003 die richtige Entscheidung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der Erfolg über den IS gleicht dem Rizinusstrauch, in dessen Schatten sich der Prophet Jona vor den Toren Ninives ausruhte. Dieser Strauch verdorrte innerhalb einer Nacht, weil ein Wurm an seinen Wurzeln nagte. Wenn wir uns jetzt im Schatten dieses Erfolgs über den IS ausruhen, wird auch dieser Strauch verdorren; denn die Herausforderungen sind groß: Die innerirakischen Konfliktlinien zwischen Zentralregierung und Kurden, zwischen Schiiten und Sunniten können jederzeit aufbrechen. Iran und Saudi-Arabien kämpfen um die Vorherrschaft im Mittleren Osten. Die Türkei kämpft völkerrechtswidrig gegen die Kurden in Syrien und plant angeblich Ähnliches im Irak. Syrien befindet sich noch immer in einem Bürgerkrieg, der die Region destabilisiert, und auch der IS selbst nagt an den Wurzeln. Der Irak braucht Stabilität und Wiederaufbau. Das benötigt einen umfassenden Ansatz aus Diplomatie und Entwicklungshilfe, aus zivilen und militärischen Komponenten. Die Bundeswehr leistet dazu weiterhin einen wichtigen Beitrag. Aber dieser Einsatz ist mit einem hohen Risiko verbunden, gerade weil wir ihn an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen und sich der Schwerpunkt vom Norden in den Zentralirak verschiebt, in eine der gefährlichsten Regionen der Welt. Genau dieses Risiko erfordert eine besondere Sorgfalt bei allen Belangen unserer Soldatinnen und Soldaten. Gegen improvisierte Sprengfallen braucht unsere Truppe die passende Schutzausrüstung, eine sichere Unterkunft und gepanzerte Fahrzeuge. Diese müssen bereits zur Ausbildung bereitstehen und nicht erst im Einsatzgebiet. Herr Kollege, guten Abend! Erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hampel? Ich glaube, wir haben von der AfD zu dem Punkt schon genug gehört. Die Spezialisten unserer Bundeswehr werden auch in diesem Einsatz wieder einmal im Besonderen gefordert, unsere Sprengstoffexperten für den Bereich Counter-IED, unsere Ausbilderinnen und Ausbilder der Sanität, unsere Fachleute für Logistik. Personal in diesen Spezialbereichen ist aber leider eine Mangelressource, lieben Kolleginnen und Kollegen. Die Einsatzsystematik 4/20, also der Wechsel von vier Monaten Stehzeit und 20 Monaten Regeneration, muss gerade in solch einem gefährlichen Gebiet gewährleistet sein. In der Einsatzrealität, Frau Ministerin, ist das leider nicht immer der Fall. Ausreichende Regeneration und ausreichend Personal sind die Grundlagen für die personelle Durchhaltefähigkeit bei solchen Einsätzen. Die Bundesregierung muss für beides sorgen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich bin froh, dass der Parlamentarische Staatssekretär Tauber mir genau das im Verteidigungsausschuss zugesichert hat. Damit unsere Truppe im Gastland Rechtssicherheit hat, braucht es ein Status of Forces Agreement mit der irakischen Regierung. Darauf muss die Bundesregierung achten, und wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier werden sie dabei kontrollieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Sitzung des UN-Menschenrechtsrates sagte Farida Abbas, die Jesiden wollten wieder in den Nordirak zurück, aber sie hätten keinen Ort, an den sie zurückkehren könnten; ohne Unterstützung und Schutz werde es deshalb im Irak bald keine Jesiden mehr geben. Unsere Soldatinnen und Soldaten tragen dazu bei, den Menschen im Irak diese Unterstützung und diesen Schutz zu bieten. Wir stehen dabei an ihrer Seite. Vielen Dank. Vielen Dank, Herr Kollege Hitschler. – Das Wort zu einer Kurzintervention – ich betone: kurz; das gilt aber für alle – hat Herr Hampel.
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Linda Teuteberg FDP
Linda
Teuteberg
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe zu, ich bin nur bedingt überrascht, heute schon wieder an dieser Stelle zu stehen und zum Thema „sichere Herkunftsstaaten“ zu sprechen. Es ist nicht einmal einen Monat her, dass wir hier über genau dieses Thema und einen fast wortgleichen Gesetzentwurf meiner Fraktion beraten haben. „Fast wortgleich“, das ist wichtig. Denn es wurde ja erwähnt: Wir haben tatsächlich die Notwendigkeit besonderer Rechtsberatung für Gruppen, die auch in sicheren Herkunftsstaaten vermehrt von Asylgründen betroffen sind, explizit vorgesehen; denn das ist uns ein wichtiges Anliegen. Unser Gesetzentwurf wurde gleichwohl am Ende auch mit den Stimmen der Regierungskoalition hier abgelehnt, aber nicht etwa aus sachlichen Gründen. Ich darf Sie zitieren, Herr Seif. Sie haben hier am 18. Oktober gesagt: „Grundsätzlich sind wir als Union mit dem Antrag der FDP sehr zufrieden.“ Ihre Ablehnung haben Sie damals stattdessen damit begründet, Sie wollten noch mehr Zeit haben, um weitere Staaten in die Liste aufzunehmen und auch um für Ihr Vorhaben im Bundesrat eine Mehrheit zu suchen. Dass es einer gewissen Logik entbehrt, dass Mehrheiten leichter gefunden werden können, wenn man die Liste der Staaten erweitert – geschenkt. Doch heute zeigt sich für jeden sichtbar, dass diese Gründe nur vorgeschoben waren. Was Sie tun wollten und was Sie getan haben, war ein rein taktisches Manöver, um vor der Landtagswahl in Hessen Ihren grünen Wunschpartner zu schonen. Das immerhin ist Ihnen gelungen. Aber um welchen Preis? Dass wir Georgien und die Staaten des Maghreb zu sicheren Herkunftsstaaten erklären, ist überfällig. Über die Gründe dafür haben wir hier bereits mehrfach gesprochen. Gesprochen haben wir auch darüber, weshalb an den Ammenmärchen von Grünen und Linken, dass dadurch das individuelle Asylgrundrecht unseres Grundgesetzes infrage gestellt würde, nichts dran ist. Auch in Zukunft wird jeder Einzelfall geprüft und das individuelle Asylrecht geschützt. Das ist für uns selbstverständlich. Es wurde ja schon erwähnt, dass die Erfahrungen mit der Einstufung der Westbalkanstaaten genau belegen, dass das Ziel erreicht wird, die Verfahren auf die wirklich schutzbedürftigen Personen zu konzentrieren und zu beschleunigen. Ich wünschte, ebenso selbstverständlich wäre für Grüne und Linke an dieser Stelle auch der Umgang mit der Wahrheit; denn was Sie zu diesem Thema – da knüpfe ich gern auch an die Ausführungen des Kollegen Lindh an – verbreiten, das hat wenig damit zu tun. Falschinformationen zu verbreiten, ist offenbar kein Privileg der Kollegen auf der rechten Seite dieses Hauses. Die Einstufung sicherer Herkunftsstaaten ist erprobt und bewährt. Sie ist grundgesetzlich und europarechtlich abgesichert. Sie ist damit ein wichtiges Instrument im Werkzeugkasten der deutschen Migrationspolitik. Es ist unsere Pflicht und unsere Verantwortung, die bestehenden Möglichkeiten zur Ordnung und Steuerung von Migration auch zu nutzen. Das ist unsere Aufgabe, und die nehmen wir hier und heute wahr. Wir werden daher hier im Haus, in den Ländern und auch im Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern in den nächsten Wochen und Monaten intensiv dafür werben, dass diese Regelung endlich Gesetz wird; denn mit Argumenten allein ist der ideologischen Blockade der Grünen im Bundesrat offenbar nicht beizukommen – das haben wir in den vergangenen Jahren hinreichend deutlich gesehen –, sondern dafür brauchen wir eine öffentliche Debatte mit der vernehmbaren Stimme auch der Bürgerinnen und Bürger. Darum ist es gut, dass jetzt der Gesetzentwurf der Koalition hier im Bundestag eingebracht ist. Ich baue darauf, dass wir hier gemeinsam über die Grenzen von Opposition und Regierung hinweg für dieses Gesetz eintreten; denn in diesem Parlament und unter den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes gibt es eine breite Mehrheit dafür. Dieser Mehrheit sollten wir zum Durchbruch verhelfen. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin Teuteberg. – Als Nächstes hat das Wort die Kollegin Ulla Jelpke, Fraktion Die Linke.
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Andreas G. Lämmel CDU/CSU
Andreas G.
Lämmel
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns die Ergebnisse des G‑7-Gipfels in Kanada anschauen, dann wird wohl jedem klar, dass sich der amerikanische Präsident Trump von seinen langjährigen Freunden etwas entfernt und damit auch die Grundfesten der westlichen Weltordnung infrage stellt. Vor allem in handelspolitischen Fragen sind wir sehr überrascht über das, was Präsident Trump in den Vereinigten Staaten macht. Denn die Vereinigten Staaten waren in den ­letzten Jahrzehnten eigentlich immer ein Vorkämpfer für ein freies und gerechtes Welthandelssystem, und die ­Amerikaner gehören zu den Architekten der Welthandels­organisation. Insofern sind wir sehr gespannt, wie die weiteren Entwicklungen verlaufen werden. Weil die Amerikaner nun als Partner offensichtlich erst einmal ausfallen, kommt es jetzt genau darauf an, dass die Europäische Union ihre gewachsene Rolle im Weltgefüge auch wahrnehmen kann. Gerade bei der Gestaltung der Handelsbeziehungen in der Welt ist es in unserem ureigenen Sinne – im deutschen wie auch im europäischen Sinne –, dass wir auch weiterhin geordnete Verhältnisse im Welthandel behalten. Deshalb möchte ich die Europäische Kommission von dieser Stelle aus ermuntern, konsequent auf dem eingeschlagenen Weg fortzuschreiten, nämlich die angefangenen Verhandlungen mit den verschiedenen Partnern in der Welt über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen bzw. über Freihandelsabkommen fortzusetzen. Wenn man sich die Ergebnisse zum Beispiel des zuletzt geschlossenen Wirtschaftspartnerschaftsabkommens mit Südkorea anschaut, dann muss man sagen, dass es einen unheimlich positiven Impuls auf den Austausch von Waren zwischen Südkorea und der Europäischen Union gegeben hat. Allen Kritikern zum Trotz, die solche Handelsabkommen ständig infrage stellen, kann man sagen: Freihandelsabkommen wirken sich positiv auf beide Seiten aus. Sie befördern den Warenverkehr und sichern Arbeitsplätze auf beiden Seiten. Damals wurde heftig darüber debattiert, ob das Abkommen mit Südkorea günstig für die deutsche Automobilindustrie sei oder ob es ein negatives Abkommen sei. Wenn man sich die Zahlen heute anschaut, dann muss man sagen: Die europäische Automobilindustrie konnte viel nach Südkorea liefern. Genauso konnten die Südkoreaner viel nach Europa bringen. Noch ein Punkt: Vier Jahre lang wurde dieses Abkommen mit Südkorea vorläufig angewendet, ohne dass es irgendwo Probleme gegeben hat. Das ist die Blaupause für die Diskussion, die wir heute führen. Uns liegen drei verschiedene Vorlagen vor. Der von der FDP eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur sofortigen Ratifizierung von CETA gefällt mir wirklich sehr gut. Er umfasst gerade einmal zwei Artikel. Das ist toll. Ich wünsche mir, dass viele Gesetzentwürfe derart kurz und gut zu lesen sind. Aber Sie wissen sicherlich, dass Sie mit Ihrem Gesetzentwurf nicht erfolgreich sein können. Das hätte Ihnen spätestens in der Diskussion im Ausschuss klar werden müssen; denn im Koalitionsvertrag ist klar festgelegt, dass wir die Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht abwarten wollen, um dann das Ratifizierungsverfahren betreffend CETA weiter zu befördern. Der vorläufigen Anwendung des Handelsabkommens mit Kanada steht nichts im Wege. Liebe Kollegen von der FDP, machen Sie weiter so kurze Gesetze. Aber diesmal war es ein falscher Schuss. Über den Antrag der Linken kann man nur sagen: nichts Neues, wie immer, rigorose Ablehnung, Kampf­rhetorik. – Ich möchte einmal wissen, wann der Zeitpunkt kommt, an dem Sie öffentlich sagen: Ja, wir haben viel kritisiert, aber es hat Fortschritte gegeben. – Dass Sie überhaupt nicht wahrnehmen, dass CETA und das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Japan wesentliche Punkte der Kritik aufgenommen haben, ist schwierig. Deswegen lohnt es sich eigentlich nicht mehr, über Ihre Anträge lange zu diskutieren. In einem Punkt haben Sie allerdings recht: Sie haben geschrieben, das Abkommen mit Japan gehe weit über das Absenken von Zöllen hinaus. Richtig, aber das war doch immer Ihre Forderung. Sie wollten doch alles andere in diesem Wirtschaftspartnerschaftsabkommen ebenfalls geregelt haben. Nun wird das geregelt. Aber es passt Ihnen wieder nicht. Sie müssen sich schon einmal für eine Sache entscheiden. Auch im Antrag der Grünen stimmt nicht alles, was dort geschrieben wird. Der Text des Wirtschaftspartnerschaftsabkommens liegt seit dem 17. Dezember 2017 öffentlich vor. Rund sechs Monate hätten Sie also Zeit gehabt, darüber zu debattieren und Anträge zu stellen. Was haben Sie gemacht? Sie haben sich das erst in der letzten Woche angeschaut, wie Sie selber gesagt haben. Sie müssten vielleicht die Prozesse in Ihrer Fraktion beschleunigen und die Unterlagen dann anschauen, wenn sie erscheinen. Noch etwas: Sie beschweren sich nun darüber, dass Sie darüber parlamentarisch nicht diskutieren können. Sie wissen ganz genau, dass nach den Verträgen von Lissabon das EU-Parlament für Handelsfragen zuständig ist. Ich möchte einmal Ihr Gesicht sehen, wenn der Kreistag von Buxtehude sagen würde, dass er erst einmal ausführlich über einen Gesetzentwurf diskutieren will, den die Grünen eingebracht haben, und dass erst nach der Entscheidung des Kreistages von Buxtehude der Bundestag darüber befinden darf, ob der Gesetzentwurf gut oder schlecht ist. Das ist ungefähr die Diskussion, die Sie führen. Dass Sie die demokratische Legitimation des Europäischen Parlamentes in Zweifel ziehen, finde ich schon ein starkes Stück; vielleicht brauchen Sie gelegentlich einmal Nachhilfe in Demokratie oder demokratischen Strukturen. Die geben wir Ihnen gern in einer weiteren Diskussion. Aber das heutige war völlig unnötig. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Nächster Redner ist der Kollege Hansjörg Müller, AfD.
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Karsten Klein FDP
Karsten
Klein
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem: Sehr geehrte Frau Bundesverteidigungsministerin! Heute startet ja Ihr Job so richtig mit der Einbringung des Etats. Jetzt geht es also wirklich ans Eingemachte. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, um Ihnen eine gute Zusammenarbeit anzubieten, sicher eine konstruktiv-kritische – das ist für uns Liberale ja ein roter Faden –, aber vor allem eine unvoreingenommene. Wir werden Sie nicht daran messen, was jetzt viele geschrieben haben, sondern daran, in welcher Art und Weise Sie diese Zusammenarbeit führen werden, und vor allem an Ihren Taten. Denn ergebnisoffen stellen wir uns diese Zusammenarbeit natürlich nicht vor. Wir haben klare Erwartungen an Sie als Verteidigungsministerin. Die erste Erwartung – da werfe ich einen Blick auf die Einnahmeseite – betrifft natürlich die NATO-Quote. Die Kanzlerin – sie hat es heute noch mal wiederholt –, Ihre Vorgängerin, aber auch Sie selbst haben den Partnern versprochen, dass wir 1,5 Prozent unserer Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben. Für uns Freie Demokraten ist klar: Der Zustand der Bundeswehr, aber vor allem unsere Sicherheit machen es zwingend erforderlich, dass wir kontinuierlich einen Aufwuchs bei den Verteidigungsausgaben vollziehen. Aber, Frau Ministerin, Sie müssen Ihren Ankündigungen auch endlich Taten folgen lassen. Wenn man sich die aktuelle Situation, die Realität, anschaut, dann stellt man fest, dass es leider andersherum ist: Zwar steigen die Ausgaben im Haushalt 2020 auf 1,39 Prozent des BIPs; aber in der mittelfristigen Finanzplanung, bis zum Ende des Zeithorizonts, fällt diese Quote eben auf 1,25 Prozent ab. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie den Bürgerinnen und Bürgern, den Soldatinnen und Soldaten, aber vor allem auch unseren Partnern bei der NATO versprochen haben. Wenn man das Ganze in Zahlen ausdrückt, reden wir, je nach Wirtschaftsleistung, die man zugrunde legt, von einer Differenz von bis zu 10 Milliarden Euro. Das sind ja keine kleinen Beträge. Da hilft es wenig, wenn die Kanzlerin den Eindruck erwecken möchte, dass die mittelfristige Finanzplanung nicht so ernst zu nehmen sei. Ihr Haus zeigt, dass die Wahrheit eine andere ist: Gerade die großen Rüstungsprojekte brauchen eine langfristige, solide, nachhaltige Finanzierung. Deshalb brauchen wir eine nachhaltige Planung, und wir erwarten von Ihnen auch, Frau Ministerin, dass Sie die Wende bei der Mittelausstattung im Bereich des Verteidigungsministeriums einleiten, und zwar nachhaltig. Aber – damit komme ich zur zweiten Erwartungshaltung –: Diese Mittelausstattung an sich ist ja kein Selbstzweck, sondern sie hilft nur, wenn die Mittel oder – besser noch – das Material nachher auch bei der Truppe, bei den Soldatinnen und Soldaten ankommt. Deshalb ist die zweite Erwartung ganz klar: Wir möchten, dass Sie das Beschaffungswesen der Bundeswehr wieder auf Zack bringen. Fregatte 125: über Jahre verspätet; ferner ist kein Ausbildungszentrum vorhanden; der Puma kann nur bei der Ausbildung, aber nicht sonst eingesetzt werden; von unseren 53 Tiger-Hubschraubern waren im letzten Jahr im Durchschnitt nur 11,6 einsatzbereit. Allein diese kurze Aufzählung, die ich noch lange fortführen könnte, zeigt, welchen großen Problemen und Herausforderungen Sie auch im Bereich des Beschaffungswesens gegenüberstehen. Die Reaktionen aus Ihrem Haus sind bisher leider in die falsche Richtung gegangen. Ab diesem Jahr wird im Rüstungsbericht keine Auskunft mehr über die Einsatzbereitschaft der Waffensysteme gegeben. Das ist die falsche Botschaft, um mit so einem Problem umzugehen. Frau Ministerin, was wir als Freie Demokraten auf gar keinen Fall akzeptieren werden, sind Einschränkungen der parlamentarischen Kontrollrechte. Das Problem des Beschaffungswesens der Bundeswehr liegt nicht in diesem Haus, sondern in Ihrem Haus, und dort ist es auch zu lösen. Die dritte Erwartung, die ich ansprechen möchte, betrifft Cyber. Sie sind darauf kurz eingegangen. Unsere Partnernationen Frankreich, Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika haben schon frühzeitig umfangreiche Mittel zur Verfügung gestellt, um sich dieser neuen Herausforderung entgegenstellen zu können. Wir müssen da deutlich mehr machen; wir müssen in diesem Bereich nachziehen, vor allem mit Blick auf Nationen dieser Welt, die uns nicht so freundschaftlich gesinnt sind. Deshalb, Frau Ministerin, fordern wir Sie auf: Schließen Sie diese nationale Sicherheitslücke, und zwar möglichst zeitnah! Ein letzter Bereich, den ich ansprechen möchte, ist die Art und Weise, wie in Ihrem Haus Entscheidungsprozesse und vor allem Kontrollsysteme funktionieren. Ich möchte jetzt nicht weiter auf die „Gorch Fock“ eingehen, aber vielleicht schauen Sie sich das noch einmal näher an. Ein anderes Beispiel ist die aktuelle Berichterstattung im Bereich des Bekleidungswesens. Das alles zusammengefasst macht deutlich: Es herrscht durchaus ein Kontrollverlust in Ihrem Ministerium. Wir erwarten, dass Sie die Kontrolle wieder ins Haus zurückholen. Das wird eine der härtesten Aufgaben. Uns haben Sie bei dieser Sache an Ihrer Seite. Aber Sie müssen liefern. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Herr Kollege Klein. – Der nächste Redner: für die Fraktion Die Linke der Kollege Michael Leutert.
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Martin Burkert SPD
Martin
Burkert
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Ich freue mich erst mal, dass wir heute über die Verkehrswende sprechen. Es liegen viele Anträge vor. Als Berichterstatter der SPD-Fraktion für den Schienenverkehr werde ich – wen wundert’s? – über die Bahn reden. Da haben wir erstens – das wurde heute noch gar nicht genannt – die Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Bahntickets für den Schienenfernverkehr, die ja jetzt vom Bundeskabinett als Teil des Klimapaketes beschlossen wurde. Endlich wurden damit falsche Anreize im Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern korrigiert. Bahnfahren wird im Fernverkehr günstiger. Flugreisen werden teurer. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ganz im Sinne des Klimaschutzes. Die Senkung der Mehrwertsteuer kann – so rechnet man – für bis zu 5 Millionen mehr Fahrgäste im Schienenfernverkehr sorgen. Die Formel lautet zunächst einmal: günstigere Zugtickets – mehr Fahrgäste. Die zweite Formel lautet: Besseres Angebot – mehr Fahrgäste. Das beste Beispiel dafür ist sicher die Schnellverbindung zwischen München und Berlin. Schon im ersten Jahr hat die Bahn das Flugzeug auf dieser Strecke als Marktführer abgelöst. Aus meiner Heimatstadt Nürnberg fliegt heute nichts mehr nach Berlin; das ist eine Konsequenz. Die Deutsche Bahn hat verkündet, sofort bis zu 30 neue Züge für den Fernverkehr zu bestellen, sodass täglich 13 000 zusätzliche Plätze angeboten werden können. Bis aber die neuen Züge bereitstehen, bleibt es schwierig; auch das will ich sagen. Angesichts der derzeitigen Situation, die Sie und wir oftmals erleben, möchte ich mich heute bei den Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern bedanken, die nämlich jeden Tag dafür sorgen, dass die Kundinnen und Kunden noch einigermaßen zufrieden sind. Fehler wurden anderswo gemacht, nämlich im Management, und das schon vor langer Zeit. Wenn wir es jetzt schaffen, den Anteil des Personenverkehrs bis zum Jahr 2030 zu verdoppeln und den Güterverkehr auf der Schiene im selben Zeitraum erheblich ansteigen zu lassen, so könnte alleine die Schiene 15 bis 20 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Deswegen sage ich: Nur mit der Schiene können wir die Klimaziele erreichen. Schon heute fährt sie über 90 Prozent ihrer Transportleistung elektrisch. 57 Prozent des Bahnstroms wurden 2018 in Deutschland aus erneuerbaren Energien erzeugt, und unsere Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat klargemacht, dass die im Klimapaket vereinbarten Maßnahmen noch nicht abschließend sind. Weitere Schritte werden und müssen folgen. Mehr Verkehr auf der Schiene geht nur, wenn auch die Kapazitäten vorhanden sind. Deshalb muss das Bestandsnetz grundlegend in Ordnung gebracht werden, und deshalb ist auch die finanzielle Ausstattung der LuFV, um die wir ja ringen, so wichtig. Mit dem Klimapaket wurde auch vereinbart, dass wir ausreichend finanzielle Vorsorge treffen, um die Schiene mit dem Infrastrukturfonds zukunftsfähig zu machen. Mit 3 Milliarden Euro werden wir die zehn am meisten frequentierten Verkehrsknotenpunkte und Strecken ausbauen und die Schiene, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, elektrifizieren. Bis 2030 soll der Deutschland-Takt umgesetzt und damit die Grundlage für die Verdoppelung der Fahrgastzahlen und des Schienengüterverkehrs gelegt werden. Der Schiene muss also höchste Priorität eingeräumt werden. Das haben wir ja hier im Deutschen Bundestag auch so beschlossen. Meine letzten Sätze gelten Stuttgart 21. Ich habe ja prognostiziert, dass wir das Thema alle halbe Jahre haben, lieber Kollege Donth. Das wird hier noch öfter der Fall sein. Ich will nur drei Punkte sagen: Erstens. Die Deutsche Bahn AG ist im Zeit- und Budgetrahmen. Zweitens. Die Bundes- und Landesmittel sind gedeckelt. Herr Kollege, bitte kommen Sie zum Ende. Drittens. Der Zeitpunkt für einen Ausstieg ist längst überschritten, und das wissen Sie auch. Vielen Dank. Für die Fraktion der FDP hat das Wort die Kollegin Daniela Kluckert.
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Dr.
Dr. Roland Hartwig AfD
Roland
Hartwig
AfD
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um die gewünschte Unterstützung dieses Hauses für weitere Einsätze der Bundeswehr in den souveränen Staaten Irak und Syrien zu erhalten, führt die Bundesregierung in ihrem Antrag offensichtlich ehrbare Gründe an: Stabilisierung, Versöhnung, Selbstverteidigung, Völkerrecht. Die Menschen, die jahrelang unter der Terrorherrschaft von IS gelitten haben, – so steht es in der Begründung zu lesen – sehnen sich nach einer Perspektive. Sie benötigen Stabilität, funktionierende zivile Infrastruktur und Möglichkeiten, den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien zu bestreiten. Meine Damen und Herren, das ist an Zynismus kaum noch zu überbieten. Die Menschen im Irak und in Syrien hatten einmal Stabilität, funktionierende zivile Infrastruktur und Möglichkeiten, den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien zu bestreiten. Ihre Lebensgrundlage wurde nicht vom „Islamischen Staat“ zerstört. Im Falle des Iraks war es vielmehr ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg einer Koalition der Willigen, allen voran der USA, mit der moralischen Unterstützung der damaligen Oppositionsführerin und heutigen Kanzlerin Angela Merkel. Im Falle Syriens ist es die seit Jahren andauernde Destabilisierung und Zerstörung des Landes durch militärische Ausbildung von Kämpfern, das Einschleusen von Söldnern und ausländischen Soldaten, die Bereitstellung von Luftbildern und Waffen für Angriffe auf syrische Infrastruktur, Polizei und Militär. In der amerikanischen Presse wird teils ganz offen darüber berichtet. Die Streitkräfte Syriens und der Russischen Föderation kämpfen dort nicht seit Jahren gegen ein Vakuum, ihnen stehen nicht etwa ein paar Halbstarke oder eine demokratische Opposition gegenüber, sondern ein Bündnis von Staaten aus der Region und dem Westen, das dort, koste es, was es wolle, einen Regierungswechsel herbeiführen will. Das aber erwähnt die Bundesregierung in ihrem Antrag nicht. Man liest auch in den deutschen Medien kaum davon. Stattdessen heißt es, ein Bürgerkrieg sei ausgebrochen, so wie es gelegentlich zu Gewittern kommt. Im Falle des Iraks scheinen die Gründe für Militäreinsätze sogar beliebig austauschbar zu sein: erst angebliche kuwaitische Babys, die aus den Brutkästen gerissen werden; dann angebliche Massenvernichtungswaffen und nun kollektive Selbstverteidigung. Der Westen dürfe nicht nur zuschauen, ist gelegentlich ebenfalls zu hören. Seien Sie versichert, meine Damen und Herren, der Westen schaut dort schon lange nicht mehr zu. Er macht sich die Hände schmutzig. Und noch schlimmer: Er lässt die wirkliche Drecksarbeit von anderen verrichten. Wir erleben seit Jahrzehnten eine brutale militärische Neuordnung des Nahen Ostens. Die Opfer der drei Golfkriege, der Kriege in Libyen und Syrien gehen in die Millionen. Die Kriege werden dort nicht im Interesse der Menschen geführt, sondern auf ihrem Rücken und über ihre Leichen. Frau Ministerin, statt sich mit weiblichen Dienstgradbezeichnungen zu beschäftigen und eine Hexenjagd auf das Kommando Spezialkräfte und andere verdiente Soldaten zu orchestrieren, hätten Sie gut daran getan, sich den wirklichen Aufgaben Ihres Ministeriums zu widmen. Vielleicht hätte die Regierung dann einen Antrag erarbeitet, der im deutschen Interesse und im Interesse der Menschen in der Region auf eine politische Lösung der Konflikte unter Einbeziehung aller relevanten Akteure abgezielt hätte. Vielleicht wäre dann nicht ein solch zynischer Antrag entstanden, der die militärische Eskalationsspirale weiterdrehen und unseren Soldaten sowie der Bevölkerung dazu auch noch Sand in die Augen streuen will. Wir als AfD werden das auf gar keinen Fall mitmachen. Das Wort hat die Bundesministerin Annegret Kramp-Karrenbauer.
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Cansel Kiziltepe SPD
Cansel
Kiziltepe
SPD
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit ein paar Wochen führen wir intensive Koalitionsverhandlungen. Und auch wenn wir wirklich sehr, sehr gut vorankommen, gibt es eben Punkte, die wir nicht bis zur Regierungsbildung aufschieben können. Dazu zählt die Umsatzsteuersonderregel für unsere Landwirtinnen und Landwirte, die Pauschalbesteuerung. Diese Regel ist so alt wie unser Mehrwertsteuersystem und vor allem für Landwirte mit kleinen und mittleren Betrieben von großer Bedeutung und wichtig. Wir stehen als SPD-Bundestagsfraktion auch zu der pauschalen Besteuerung. Sie gibt es auch in vielen anderen EU-Ländern. Was wir allerdings ändern müssen, ist die Höhe des Durchschnittssteuersatzes. Der muss sich nach EU-Recht nämlich an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung orientieren. In Deutschland ist der durchschnittliche Steuersatz zu lange – seit 2013 – nicht angepasst worden, und das führt teilweise dazu, dass mehr Umsatzsteuer vereinnahmt als Vorsteuer gezahlt wird. Kritik an den veralteten Steuersätzen übt der Bundesrechnungshof bereits seit sechs Jahren. Auch die Kommission kritisiert die fehlende Anpassung. Sie hat mittlerweile ein Vertragsverletzungsverfahren und ein Beihilfeverfahren eingeleitet. Es drohen Rückforderungen für die Landwirte in Höhe von rund 2 Milliarden Euro, und genau das wollen wir verhindern. Eins will ich hier klarstellen: In diese Situation sind wir gekommen, weil sich die Union als vermeintlicher Schutzpatron der Landwirte aufgespielt hat, ein Schauspiel, das am Ende ebendiese Landwirte ausbaden müssen. Das riskieren Sie. Zuletzt hatte das Finanzministerium noch vor der Sommerpause versucht, das Vertragsverletzungsverfahren mit ebendiesem Gesetz abzuwenden – ohne Erfolg. Denn aus wahltaktischen Gründen wollte die CDU/CSU-Fraktion das nicht. Das muss auch mal gesagt werden. So warnte noch im Mai der agrarpolitische Sprecher, Kollege Stegemann, vor Schnellschüssen und regte eine angehende Prüfung an, ähnlich der Kollege Straubinger, der das Ziel der Abschaffung der Pauschalierung unterstellte. All das war Show. Wir hingegen wollen verantwortungsvolle Politik für unser Land und für unsere Landwirte machen. Das ist der Punkt. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf streben wir eine Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens an. Dazu muss das Gesetz bis Ende des Jahres vorliegen. Deshalb debattieren wir hier heute. Dabei geht es zum einen darum, den Durchschnittssteuersatz abzusenken. Wir wollen künftig aber auch ein schnelleres und transparenteres Verfahren zur jährlichen Anpassung. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält auch dieses neue Verfahren. Die geschäftsführende Bundesregierung konnte sich leider darauf nicht einigen. Daher freue ich mich sehr auf die gemeinsamen Gespräche mit den Grünen und der FDP in diesem Zusammenhang. Wir können gemeinsam zeigen, dass eine neue Koalition dieses Problem dauerhaft aus der Welt schafft. Wir wollen Schaden von unseren Landwirten abwenden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich bin überzeugt davon, dass wir mit diesem Gesetz einen ersten Erfolg der kommenden Koalition in der Steuerpolitik erreichen können. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als letzter Redner für die CDU/CSU-Fraktion erhält das Wort der Kollege Fritz Güntzler. Bitte schön.
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Christian Kühn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Christian
Kühn
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition, angesichts dieses Gesetzes fragt man sich schon, für wen Sie eigentlich Wohnungspolitik und Baupolitik machen. Wenn ich mir das Gesetz anschaue, dann erkenne ich, dass es eine Subvention für die Bauwirtschaft und die Immobilienlobby ist, aber sicherlich kein Gesetz für die Mieterinnen und Mieter da draußen, die im Augenblick händeringend nach bezahlbarem Wohnraum suchen. Die Sonderabschreibung sorgt nicht für bezahlbaren Wohnraum. Das ist ein wohnungspolitischer Blindflug, der auch steuerpolitisch abzulehnen ist. In einer Zeit, in der die Investoren Panzerschränke voller Geld haben, ihnen auch noch Geld hinterherzuwerfen, obwohl die Wohnungsmärkte eh schon überhitzt sind, ist vollkommen absurd. Was wir stattdessen bräuchten, wären Investitionszulagen für die Kommunen oder für Genossenschaften, aber sicher nicht für diejenigen, die von der vorgesehenen Sonderabschreibung profitieren würden. Die haben wirklich genug Geld. Ich sage mal so: Ohne Mietpreisbindung macht solch ein Gesetz wirklich keinen Sinn. Was mich letzte Woche wirklich zur Weißglut getrieben hat, war die Anhörung, die wir im Finanzausschuss hatten. Herr Gutting, Sie haben gesagt, nach dieser Anhörung seien Sie bestärkt. Ich glaube, Sie sind der Einzige gewesen, der aus dieser Anhörung diese Haltung mitgenommen hat. Diese Anhörung war eine schallende Ohrfeige für die Große Koalition und dieses Gesetz. Alle Sachverständigen waren sich einig, dass dieses Gesetz in dieser Form niemand braucht, auch die Sachverständigen von der Großen Koalition. Die Kollegen von der SPD haben in der Anhörung gefragt, welcher Sachverständige dieses Gesetz gut findet. Da hat kein einziger Sachverständiger die Hand gehoben. Dass Sie nun hier herausgehen und sagen, dass Sie sich nach dieser Anhörung bestärkt fühlen, kann ich nicht nachvollziehen und finde es hanebüchen. Noch mal: Eine Anhörung ist dafür da, dass man Experten anhört. Was man da hört, muss man auch in sich wägen und überlegen, ob man vielleicht irgendetwas anders macht. Aber dass Sie das komplett ignorieren, zeigt, wie Sie mit diesem Parlament umgehen und wie Sie selber mit diesen Anhörungen umgehen. Sie sind Ihnen im Kern doch eigentlich egal, weil Sie nur den Koalitionsvertrag durchpauken wollen, den Sie mal in der Nacht geschlossen haben. Aber gute Ideen müssen in dieser Nacht nicht entstanden sein. Diese Idee hätte keiner gebraucht. Das Grundproblem dieses Gesetzes ist doch, dass Sie nicht erkennen, dass Baukosten nicht Marktmieten sind. Ich habe die Bundesregierung gefragt: Wie entsteht ein Mietpreis für eine neugebaute Wohnung auf einem Markt? Hat er etwas mit den Baukosten zu tun? Da wurde ganz klar gesagt: Die Marktmiete wird genommen. – Es ist also egal, ob ich für 1 500 Euro oder 3 000 Euro pro Quadratmeter bauen kann. Es ist die Frage, welchen Preis ich auf dem Markt erzielen kann. Ich sage Ihnen eines: Ich habe in VWL in der 11. Klasse gelernt, dass man in einer Hochkonjunkturphase nicht noch mehr Geld in den Markt reinschütten soll; denn dann erzeugt man Mitnahmeeffekte. Ich sage Ihnen eines: In der CDU und auch in der SPD wäre dieser VWL-Grundkurs mal dringend notwendig. Wir haben einen Vorschlag gemacht für eine Mietobergrenze. Ich sage das auch an die Adresse der SPD. In der letzten Wahlperiode haben Sie dieses Gesetz noch abgelehnt mit der Begründung, es habe keine Mietobergrenze. Nun bringen wir hier einen Gesetzentwurf mit ein, der diese Mietobergrenze einzieht. Ich erwarte von denjenigen, die ihre Zustimmung zur Mietobergrenze in den letzten Jahren immer wieder betont haben, dass sie heute unserem Gesetzentwurf für eine Mietobergrenze zustimmen. Nur mit einer Mietobergrenze wird es zu bezahlbarem Wohnraum kommen, sonst nicht; denn ansonsten ist es ein reiner Mitnahmeeffekt und eine reine Subvention derjenigen, die sich eh schon gerade auf den Wohnungsmärkten eine goldene Nase verdienen. Danke schön. Der nächste Redner: Der Kollege Mario Mieruch.
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Uwe Witt AfD
Uwe
Witt
AfD
Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, werte Kollegen! Guten Morgen, werte Gäste des Hohen Hauses! Wir reden heute hier über den größten Teilhaushalt des Bundeshaushaltes, über den Einzelplan Arbeit und Soziales, der mit 144 Milliarden Euro 40 Prozent des gesamten Bundeshaushaltes ausmacht. Die Ausgaben für den Arbeitsmarkt sind mit insgesamt 36,7 Milliarden Euro veranschlagt. Davon entfallen 36,1 Milliarden Euro auf die Grundsicherung für Arbeitssuchende. Das sind immerhin noch etwas mehr als 10 Prozent des Bundeshaushaltes. Dazu gehören die Ausgaben für das eigentlichen Hartz IV in Höhe von 20,2 Milliarden Euro, die Beteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung mit 5,9 Milliarden Euro, die Leistungen zur Eingliederung oder Wiedereingliederung in Arbeit mit 4,9 Milliarden Euro und – man glaubt es kaum – eine horrende Verwaltungskostenerstattung für die Durchführung der Grundsicherung in Höhe von 5,1 Milliarden Euro. Lassen Sie mich zunächst auf Hartz IV eingehen. Was ist das eigentlich? Es ist nicht nur eine staatliche Transferleistung für alle Arbeitslosen, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben. Es ist nicht einmal eine Leistung für Menschen, die überhaupt irgendwann mal gearbeitet haben oder die arbeitssuchend und für Arbeit qualifiziert sind. Darum sind die Bezeichnungen Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung für Arbeitssuchende für diese Leistungen eher irreführend. Es ist eigentlich eine Grundsicherung für alle, deren Einkommen unterhalb dessen liegt, was die Regierung als Regelbedarf für das Existenzminimum betrachtet, egal ob sie arbeitslos, langzeitarbeitslos, erwerbsfähig oder nicht erwerbsfähig sind. Konkret sind das derzeit 416 Euro im Monat. Und das, liebe Kollegen, ist kein armutsvermeidendes Existenzminimum mehr, sondern es ist ein Existenzminimum, das für die Leistungsbezieher ein Leben in Armut bedeutet. Zumal Sie selber den Regelbedarf künstlich kleingerechnet haben, als Sie im Jahr 2011 die untersten 15 Prozent der Einkommensbezieher als Maßstab für die Berechnung genommen haben und nicht, wie früher, 20 Prozent. Würde man das korrigieren, läge der Leistungssatz heute – das wissen Sie alle – bei 571 Euro und nicht bei 416 Euro. Großzügigerweise haben Sie allerdings in Ihrem Haushalt zum 1. Januar 2019 eine Anhebung um 8 Euro beschlossen. Das hat natürlich für die Leistungsbezieher keine entlastende Wirkung, sondern ist die Fortschreibung einer Geschichte, für die wir uns hier schämen sollten, nämlich der Geschichte von menschenunwürdiger Armut mitten in Deutschland. Die Zahl der Bezieher von Hartz-IV-Leistungen liegt seit 2011 fast konstant in der Nähe von 6 Millionen. Davon sind lediglich 1,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger arbeitslos gemeldet. Das ist nur jeder Vierte. Die meisten Leistungsbezieher, nämlich 2,6 Millionen, sind nicht arbeitslos gemeldet, aber erwerbsfähig, und unter diesen 2,6 Millionen sind 620 000 Erwerbstätige, die ihren Verdienst mit Hartz-IV-Leistungen aufstocken müssen, also sogenannte arbeitende Arme. Weitere 658 000 sind Asylbewerber, die bisher Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen haben, nun in das Hartz-IV-System gewechselt sind und dem Arbeitsmarkt erst einmal nur theoretisch zur Verfügung stehen. Insgesamt lag die Zahl der Hartz-IV-Empfänger aus Asylherkunftsländern Ende des ersten Quartals 2018 bei 978 000. Ich gehe einmal davon aus, dass wir die Millionengrenze mittlerweile deutlich überschritten haben. Der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund, und zwar der ersten und zweiten Generation, ist in der Gruppe der erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger besonders hoch. Er lag nach einer Erhebung der Bundesagentur für Arbeit im Dezember 2017 bereits bei 56 Prozent. Die dritte große Gruppe der Hartz-IV-Bezieher sind die 1,7 Millionen nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Das sind zu 97 Prozent Kinder, die in Haushalten leben, in denen das Einkommen unter dem Regelsatz liegt, ein Armutszeugnis, wie wir finden, für ein Land wie Deutschland. Minister Heil, bitte überdenken Sie auch noch einmal Ihr Projekt eines sozialen Arbeitsmarktes. Wobei sich für mich natürlich die Frage stellt: Ist der normale Arbeitsmarkt unsozial? Sie wollen für weitere 4 Milliarden Euro 150 000 Langzeitarbeitslose fünf Jahre beschäftigen. Der Vorsitzende des Sachverständigenrates der Wirtschaftsweisen hat dazu gesagt, dass ein Ausbau eines sozialen Arbeitsmarktes für Langzeitarbeitslose nicht der richtige Weg ist, um das Ziel zu erreichen, Hartz-IV-Bezieher zu aktivieren. Alle, wirklich alle Programme, die Sie in den letzten Jahren durchgeführt haben, um Langzeitarbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, sind gescheitert. Der Haushalt für den Einzelplan 11 stützt ein reformbedürftiges und im Kern nach wie vor unverändertes System durch Ausgaben in Milliardenhöhe, die nicht sinnvoll eingesetzt sind. Daher können wir Ihrem Haushaltsentwurf leider nicht zustimmen. Vielen Dank. Nächster Redner ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil.
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Dr.
Dr. Lukas Köhler FDP
Lukas
Köhler
FDP
Lieber Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Diskussion gerade hat noch mal gezeigt, dass dieser Antrag doch ein bisschen mehr Erklärungsbedürftigkeit mit sich bringt. Lieber Kollege Schulze, ich würde Ihnen in einer Analyse nicht ganz zustimmen, nämlich ob der handwerklich an allen Stellen so richtig und gut ausgeführt ist. Ich glaube, bei der Biodiversität – darüber kann man ja noch reden – macht es Sinn. Aber es gibt schon ein paar Stellen, an denen man, glaube ich, noch mal ein wenig in die Tiefe gehen muss, um Klima und Biodiversität sinnvoll miteinander zu verbinden. Man kann diesen Antrag so verstehen – ich glaube, Frau Lemke, Sie verstehen das auch so; so hatten Sie es eben zumindest formuliert –, dass er Themenhinweise gibt, dass Sie sagen: Mensch, wir müssen mal über diese beiden Themen „Biodiversität“ und „Klimaschutz“ nachdenken, wir müssen uns da als Grüne mal positionieren. Da würde ich sagen: Guter Antrag. – Man könnte sagen, es ist vielleicht ein Debattenbeitrag. Man könnte sagen, es ist ein Antrag, der dazu anregt, mal zu diskutieren. Man sieht in diesem Haus: Das funktioniert; die Debatte läuft. Da könnte man sagen: Das ist okay. – Aber ist das ein Antrag, mit dem man Lösungen gibt? Nein, definitiv nicht. Das muss man leider an dieser Stelle sagen. Vielleicht ein paar Punkte zur Erklärung. In diesem Antrag steht, die Umsetzung des Pariser Abkommens funktioniere nicht. Ich halte a) so eine Formulierung für extrem gefährlich, weil die Umsetzung des Abkommens funktioniert – ich komme gleich dazu –, und b) ist sie auch fachlich falsch. Das Pariser Abkommen ist so ähnlich aufgebaut wie das Montrealer Abkommen: Es verschärft sich alle fünf Jahre. Wir legen alle fünf Jahre NDCs, Nationally Determined Contributions, vor. Und das funktioniert: Der Prozess vom letzten Jahr, der auf dieses Jahr verschoben wurde, hat klargemacht, wie gut er funktioniert, und zeigt uns, dass wir mittlerweile 80 Prozent der weltweiten Emissionen in Systemen haben, die ein Netto-Null-Ziel vorsehen. Das ist genau der Gedanke, den das Pariser Abkommen mit sich bringt, nämlich dass unsere Ziele alle fünf Jahre schärfer werden, härter werden. Und das funktioniert. Einfach zu behaupten: „Das geht nicht“, ist falsch. 40 Länder sind daran beteiligt. Auch bei der Frage der CO2-Neutralität wundert mich schon, wie Ihr Antrag da formuliert ist. Das kann nur zu einem Ergebnis führen, das nicht richtig ist. Herr Träger hatte gerade erklärt, dass die Einnahmen aus dem BEHG, aus der CO2-Steuer, in den Energie- und Klimafonds fließen. Daraus müssen wir eine Menge Dinge finanzieren. Was Sie jetzt finanzieren wollen, ist naturnaher Rückbau. Zum einen zeigt die Waldbilanz ganz klar, dass CO2-Speicherung in nachhaltig genutzten Wäldern, also in forstwirtschaftlichen genutzten Wäldern, am besten funktioniert, und das missverstehen Sie in diesem Antrag völlig. Der zweite Punkt, den Sie nicht aufgreifen, ist die Frage der CO2-Neutralität. „Neutralität“ bedeutet, dass sämtliches CO2, das ausgestoßen wird, wieder gespeichert werden muss. Das heißt, man muss ein Nullsummenspiel bilden; deswegen ja netto null. Und das ist genau das Problem: Wenn Sie LULUCF, wenn Sie den Forstwirtschaftssektor und den Sektor der Moore, den Sektor der organischen CO2-Speicherung aus unseren Zielen herausnehmen, dann können Sie keine Neutralität erreichen, dann werden Sie immer CO2-Emissionen haben. Es ist doch völlig absurd, so etwas zu fordern. Sie verstehen das gesamte Konstrukt von Klimapolitik nicht. Es tut mir leid: Dieser Antrag ist meiner Meinung nach wirklich nicht mehr als ein Debattenbeitrag. Was Sie nicht erklären, ist: Was wollen Sie denn im EKF streichen? Sie sagen, Sie wollen richtig viel Geld ausgeben. Aber Sie sagen nicht, wie die Finanzierung einer anderen Maßnahme aus Mitteln des Energie- und Klimafonds, der genau dafür aufgelegt ist, Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren, haushalterisch abgebildet werden soll. Sie haben also weder eine Finanzierung noch einen klaren Plan, noch können Sie langfristig sicherstellen, dass die Renaturierung von Mooren finanziert wird. Denn aktuell ist es ja nicht so, dass wir unendlich viele Moorflächen zur Verfügung hätten. Jeder Landwirt, der ein Moor trockengelegt hat, verdient mit diesem Land Geld. Das heißt, Sie müssen dafür sorgen, dass dieser Landwirt eine ökonomische Perspektive hat, wenn Sie die Flächen wiedervernässen wollen. Wir haben Anträge dazu vorgelegt. Wir haben gezeigt, wie man innerhalb eines Emissionshandelssystems funktionabel Negativemissionen abbilden kann. Damit wird eine Langfristsicherung dargestellt. Das haben Sie nicht geschafft. Deswegen ist dieser Antrag meiner Meinung nach nicht mehr als ein gutes Themenpapier oder ein Debattenbeitrag. Danke schön.
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Henning Otte CDU/CSU
Henning
Otte
CDU/CSU
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte es für notwendig, den Titel dieser Aktuellen Stunde vorzulesen, damit das Wesentliche nicht aus den Augen verloren wird: „Haltung der Bundesregierung zu einem vermeintlich französisch-deutschem Abkommen zur Industriekooperation im Verteidigungsbereich und etwaigen Verabredungen über Rüstungsexporte“. Mit den Wörtern „vermeintlich“ und „etwaig“ soll Unsicherheit suggeriert werden. Es ist ja symptomatisch, dass Die Linke schon wieder reinruft, ganz nach dem Motto: Sicher leben wir dann, wenn wir die Feuerwehr abschaffen, weil es dann kein Feuer gibt. Eine solche Argumentation wird hier verwendet, um die Rüstungspolitik in ein gewisses Licht zu stellen. Ich will deutlich zum Ausdruck bringen, dass wir uns dafür entschieden haben, die Peschmerga mit Ausrüstungsmitteln auszustatten, damit sie sich einem Angriff erwehren können. Hätten Sie Regierungsverantwortung gehabt, wären die Menschen allesamt durch die Grausamkeit des IS gestorben. Wir haben geholfen, und das schafft Frieden, meine Damen und Herren. Ich will in den Mittelpunkt stellen, worum es geht. Es geht um Gemeinsamkeit und Kooperation. Der deutsch-französische Ministerrat hat sich schon im Juli 2017 darauf verständigt, eine Koordinierung und Kooperation anzustreben. Es ist ja nicht so, dass hier keine Transparenz herrschen würde, sonst würden wir darüber im Deutschen Bundestag nicht debattieren können. Das machen wir aber gerade. Das ist auch richtig, und das ist wichtig. Aber noch wichtiger ist, dass wir feststellen, dass sich die sicherheitspolitische Lage enorm verändert hat, leider verschlechtert hat. Es gibt einen Krisenbogen um Europa herum: von der von Russland initiierten Besetzung der Krim und dem furchtbaren Bürgerkrieg über die Grausamkeiten des syrischen Präsidenten Assad bis hin zu Unruhen und Destabilisierung im nordafrikanischen Raum. Das alles hat Auswirkungen auf uns. Vor allem erinnere ich an die gestrige Rede – so viel Erinnerungsvermögen muss erlaubt sein – des russischen Präsidenten Putin, der in seiner Rede zur Lage der Nation nicht nur deutlich gemacht hat, dass der INF-Vertrag verletzt wurde, sondern auch von einer umfassenden Modernisierung im Rüstungsbereich sprach durch Hyperschallraketen und andere Flugkörper, die für uns leider eine Bedrohung darstellen. Wir arbeiten innerhalb Europas und der NATO zusammen, weil das die Garantie für Frieden und Freiheit ist, meine Damen und Herren. Wir streben eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik mit einem stärkeren europäischen Pfeiler im transatlantischen Bündnis an, weil wir gemeinsam agieren wollen. Es sind doch auch die Lehren der furchtbaren Krisen und Kriege, dass wir nicht national arbeiten, sondern kooperieren. Hier gibt es noch viele Verbesserungsreserven. Wir haben beispielsweise zu viele Waffensysteme in Europa und innerhalb der NATO. Hier wollen wir effizienter werden, gerade auch deswegen, weil es darum geht, Modernisierung und Digitalisierung voranzubringen. Konkret geht es auch darum, dass wir die deutsch-französische Kooperation mit dem Future Combat Air System oder auch dem Main Ground Combat System nach vorn bringen. Das heißt, wir wollen gemeinsam Zukunft entwickeln, um deutlich zu machen: Ja, wir wollen die Verteidigungsunion in der Zusammenarbeit und Integration von Truppenteilen. Ja, wir wollen die gemeinsame Ausbildung. Wir wollen auch einen gemeinsamen Einsatz in Krisengebieten, weil wir Stabilität erzeugen wollen und weil wir uns einer wertegebundenen Sicherheits- und Außenpolitik verpflichtet fühlen. Das ist der Kern unserer Politik, meine Damen und Herren, und deswegen wollen wir auch dieses deutsch-französische Abkommen. Für uns ist klar, dass Rüstungsexporte auch sicherheitspolitisch begründet sein müssen. Deswegen erinnere ich noch einmal daran, dass die Grundlage das rot-grüne Abkommen von 2002 ist, das nach wie vor gilt, wonach jede Rüstungsexportentscheidung hier im Deutschen Bundestag unmittelbar bekannt zu geben ist. Wir sagen aber auch: Es gibt Schlüsseltechnologien, die wir in unserem Land halten müssen, um auch unsere Souveränität zu wahren. Aber es geht auch darum – Stichwort „German Free“ –, dass Deutschland nicht aus gemeinsamen Projekten herausgelassen wird. Deswegen fordern wir eine Harmonisierung der Exportrichtlinien in Europa. Meine Damen und Herren, wir leben in schwierigen Zeiten, und deswegen suchen wir die Kooperation, die Gemeinsamkeiten, um Frieden und Freiheit in Europa zu stärken, in Deutschland zu stärken, damit wir auch künftig unseren Kindern sagen können: Wir haben alles darangesetzt, die Feuerwehr – damit meine ich die Streitkräfte – so stark auszustatten, dass wir Frieden und Freiheit in Europa wahren können. Nächster Redner ist der Kollege Christian Petry für die SPD-Fraktion.
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Stefan Gelbhaar BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Stefan
Gelbhaar
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorab ein Wort an Herrn Grundmann, der jetzt schon verschwunden ist. – Kommt wieder, umso besser. Richten Sie ihm aus: Ich lade ihn gern in den Prenzlauer Berg ein, damit er da seine Neidreflexe oder Ähnliches ablegen kann. Wir kriegen das gemeinsam hin. Ich möchte Sie auf das Ergebnis einer Umfrage hinweisen, die vor zwei Wochen in der „Berliner Morgenpost“ veröffentlicht wurde. Dort stand: 80 Prozent haben den Eindruck, dass die Politik im VW-Skandal eher die Interessen der deutschen Autoindustrie vertreten hat. … Nur drei Prozent meinen hingegen, dass die Politik dabei eher die Interessen der betroffenen VW-Dieselbesitzer vertreten hat. Herr Minister Scheuer, dieses Bild haben Sie heute wieder perfekt bestätigt. Und natürlich kennen Sie alle das Dieselurteil zu Frankfurt am Main von vor drei Wochen. Mehr und mehr Städte müssen jetzt Fahrverbote verhängen, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. – Doch, das steht da genau so drin. Herr Scheuer, vor dem Hintergrund dieser jüngsten Gerichtsentscheidung sowie des krachend klaren Ergebnisses der Umfrage frage ich: Ist der Groschen nun endlich gefallen? Wir wissen ja, dass Umfragen Angela Merkel immer stark beeindrucken. Aber, Herr Scheuer, kriegen auch Sie jetzt die Kurve? Zeit wäre es. In Deutschland werden unter Ihrer Verantwortung immer noch Dieselneuwagen zugelassen, die die zulässige Stickoxidgrenze von 80 Mikrogramm überschreiten; denn erst die Euro-6-Norm hält auch im Realverkehr die Grenzwerte ein. Seit September 2017 sind 40 000 dieser Diesel-Pkw mit Euro 6 zugelassen worden. Aber insgesamt wurden seit September 2017 1,4 Millionen Diesel-Pkw zugelassen. Das heißt, gerade einmal 2,8 Prozent der neu zugelassenen Pkws sind so etwas wie sauber. Das allein ist ein rechtsstaatlich schwer verdaulicher Zustand. Jetzt haben Sie sich, Herr Scheuer, angeblich mit VW geeinigt, dass die Dieselautos mit Hardware nachgerüstet werden. Das ist gut. Die betroffenen Dieselautofahrer werden sich freuen. Aber Achtung: In der Presse sprechen jetzt auf einmal alle von einer generellen Dieselhardware­nachrüstung. Der zugrundeliegende „Spiegel“-Artikel bezieht sich jedoch nur auf die durch Schummelsoftware manipulierten Autos. Das heißt, entweder hat der „Spiegel“ das nicht verstanden oder fasst das zu eng, oder das Verkehrsministerium und VW versuchen, mit einem Hackentrick die Öffentlichkeit zu täuschen. Was gilt jetzt, Herr Scheuer? In den letzten Stunden kam einmal diese, einmal jene Meldung zutage. Ihre Politik gleicht langsam einem glitschigen Fisch. Man kriegt Sie nicht zu fassen. Deswegen sage ich: Legen Sie diese Vereinbarung endlich offen – das ist ja wohl das Mindeste –, damit dieses Kasperletheater endlich ein Ende findet. Damit kommen wir zu einem weiteren Treppenwitz, zu dieser angepriesenen Umweltprämie. Die Verbraucher sollen ihre meist erst wenige Jahre alten Autos abgeben und sich dafür ein neues, teures Auto kaufen, worauf es dann einen Rabatt via Umweltprämie geben soll. Das ist faktisch so eine Art Konjunkturprogramm für die Automobilwirtschaft: Die Automobilwirtschaft hat betrogen und soll dafür von der Abwrackprämie profitieren. Allein das ist unglaublich. Mich persönlich erinnert das an die Geschichte eines anderen CSU-Ministers aus den letzten Tagen: Fehler machen – oder gar, wie hier, betrügen –, und die Bundesregierung springt sofort und gewährt finanzielle Zulagen. Das meinen Sie doch nicht ernst, Herr Scheuer! Meine Priorität eins sind interessante Tauschoptionen, das haben Sie im „Morgenmagazin“ am Mittwoch gesagt. Was ist eigentlich Ihr Plan, wenn all die Autos wirklich zurückgegeben werden? Wo sollen die hinkommen? Haben Sie dazu irgendwelche Gedanken? Das war dem „Morgenmagazin“ nicht zu entnehmen. Dazu habe ich von Ihnen, ehrlich gesagt, noch nichts gehört. Herr Scheuer, Sie sagen immer wieder, dass die ganzen Nachrüstungen 18 Monate dauern würden. Wir haben diese Aktuelle Stunde überschrieben mit „Drei Jahre Abgasskandal“. Seit drei Jahren hätten Sie also die Möglichkeit gehabt, das zu tun. Sie hätten alle Autos schon zweimal nachrüsten können. Deswegen sage ich Ihnen: Fangen Sie endlich an; sonst erzählen Sie uns dieses Märchen nächstes Jahr immer noch. Ich werde das Gefühl nicht los, Sie haben Ihre Rolle in der ganzen Angelegenheit nicht verstanden. Sie gehören zur Bundesregierung. Selbstverständlich wird sich kein Konzernchef bei Ihnen melden und sagen: Hey, Andi, ich habe es jetzt verstanden, kein Problem, wir machen das freiwillig. – Das dürfen die gar nicht. Das sind internationale Aktienunternehmen. Sie sind die Bundesregierung. Ihre Rolle ist es deshalb nicht, Bitte zu sagen oder zu sagen: Wir machen einmal eine Gesprächstherapie. – Ihre Rolle ist es, die Autohersteller dazu zu verpflichten, die Nachrüstungen herbeizuführen – ohne „vielleicht“ und „bitte“. Ein Letztes noch, weil ich das an dieser Stelle einmal klarstellen will. Immer wieder wird vorgebracht: Fahrverbote bedeuten Enteignung. Das habe ich von der CDU gehört, das hört man von der FDP, das hört man permanent von der AfD. – Nein, das ist Quatsch, das ist juristisch Quatsch, das ist politischer Dummsinn. Ja, mit vielen Fahrzeugen können Sie dann nicht mehr an bestimmten Orten fahren. Auch „flächendeckend“ fiel heute wieder, völlig irre! Aber einmal ehrlich: Auf der Autobahn darf auch kein Mensch mit dem Fahrrad fahren. Deswegen frage ich Sie einmal: Werde ich durch den Bau neuer Autobahnen enteignet? Sie müssen jetzt zum Schluss kommen, Herr Kollege Gelbhaar. Ist Ihr Haushaltsentwurf, ist Ihr Bundesverkehrswegeplan bloß ein großer Plan zur Enteignung von mir und meinem Fahrrad? Das ist doch Quatsch! Wow, das eröffnet völlig neue Ebenen für die politische und juristische Auseinandersetzung. Ich würde sagen: Das Argument der Enteignung sollten Sie stecken lassen. Herr Kollege Gelbhaar, bitte. Belassen wir es dabei, und kommen wir ansatzweise wieder zurück zu einem fundierten Austausch. Das wäre sinnvoll. Vielen Dank. Als nächster Redner spricht zu uns der Kollege Dr. Christoph Ploß, CDU/CSU-Fraktion.
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Markus Tressel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Markus
Tressel
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Pandemie hält uns ja seit exakt einem Jahr in Atem. Die Tatsache, dass wir hier immer noch wie am ersten Tag über grundlegende Fragen zur Erhaltung der Tourismuswirtschaft in diesem Land diskutieren müssen, besorgt und entsetzt mich auch. Ich weiß, jetzt kommt der Einwand: Die Bundesregierung hat viel gemacht, etwa das Kurzarbeitergeld oder die Überbrückungshilfe etc. – Ja, das ist richtig. Das sind vielleicht die allernotwendigsten lebenserhaltenden Maßnahmen, aber ein Plan, wie der Patient wieder aus dem künstlichen Koma kommt, ist das nicht. Viele – die Kollegen haben das angesprochen – sind in ihrer Existenz tatsächlich bedroht. Deswegen ist zunächst mal das Wichtigste: Die angekündigte Hilfe muss tatsächlich schnell fließen, und wir brauchen in der Folge auch einen Wiederaufbaufonds, gerade für kleinere und mittlere Unternehmen der Tourismuswirtschaft. Es geht hier doch nicht nur um Öffnungen, sondern es geht um grundlegende Weichenstellungen. Wir brauchen endlich mehr und bessere tourismuspolitische Koordinierungen zwischen den Bundesländern und auf der europäischen Ebene. Das hat diese Krise doch deutlich gemacht. Es kann doch nicht sein, dass wir nach fast 13 Monaten immer noch nicht in der Lage sind, ein bundeseinheitliches Vorgehen für den Tourismus mit klaren Regeln zu definieren, wann was geht und mit welchem Konzept. Und es geht auch darum, dass sich nach einer MPK alle mal länger als fünf Minuten an die Vereinbarungen halten. Das Gleiche brauchen wir auch EU-weit. Von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hätte ich eigentlich erwartet, dass sie eine europäische Initiative dahin gehend startet, unter welchen klaren und einheitlichen Pandemiebedingungen wir in Europa Reisen ermöglichen können. Fehlanzeige! Die aktuelle Mallorca-Debatte zeigt doch, wie wichtig eine europäische Regelung wäre. Darum müssen wir uns jetzt kümmern. Der Frust und die Wut, die da gerade allseitig entstehen, schaden doch nicht nur dem Tourismus, sondern sie schaden über den Tag hinaus allen. Wenn wir Strukturen erhalten und vor allem nicht eine ganze Generation von jungen und gut ausgebildeten Touristikern verlieren wollen, dann brauchen wir gerade jetzt kein Durcheinander, sondern ein koordiniertes Vorgehen. Wir brauchen kein Fahren auf Sicht, Kollege Donth. Ich erwarte, dass sich die Bundesregierung da endlich den Hut aufsetzt. Das hat im Übrigen – das hat der Kollege Klinge ja zu Recht angesprochen – auch etwas mit Wertschätzung für die Tourismuswirtschaft zu tun, die ihr in den vergangenen 13 Monaten verweigert wurde. Diese Wertschätzung drückt sich eben nicht nur irgendwie und irgendwann in Geld aus, sondern das hat auch etwas mit Verständnis und Repräsentanz zu tun. Ich sage nur: „Unternehmerlohn“ – die Kollegin Kassner hat das angesprochen –, und ich sage auch: Tourismusgipfel. Dass der Kollege Bareiß krank ist, ist das eine, aber das andere ist: Ich würde erwarten, dass dann bei diesem wichtigen Thema heute der Wirtschaftsminister auf der Regierungsbank Platz nimmt. Ja – ich komme gleich zum Schluss –, wir befinden uns in einem Spannungsfeld. Die Infektionszahlen steigen wieder, und wir müssen damit umgehen, auch mit Mutationen. Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Der Schutz von Leib und Leben hat Vorrang. Es geht hier nicht darum, morgen alles wieder undifferenziert aufzusperren, aber einen verlässlichen Stufenplan hätte man hier nach einem Jahr haben müssen. Wir erwarten – – Herr Kollege, Sie teilen jetzt das Schicksal anderer; ich habe Ihnen gerade das Wort entzogen. Nachdem Sie 20 Sekunden überzogen haben, finde ich das jetzt auch angemessen. Es tut mir leid.
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Christian Sauter FDP
Christian
Sauter
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Die von der Europäischen Union geführte Operation Irini, die zur Einhaltung und Überwachung des VN-Waffenembargos gegen Libyen dient, besteht seit nunmehr zwei Jahren. Gerade während des andauernden Krieges in der Ukraine ist es wichtig, gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft andere Konfliktherde an den europäischen Grenzen nicht aus den Augen zu verlieren. Auch Irini ist Beweis zur Erfüllung der Verpflichtungen in der Europäischen Union, welche wir seit Jahren zuverlässig erfüllen. An dieser Stelle möchte ich einmal deutlich machen, welches genau der formulierte Auftrag des Mandates ist: die Durchsetzung des Waffenembargos, die Verhinderung von Ölschmuggel, die Aufdeckung von Schleusernetzwerken und dazu die Kontrolle von Schiffen und möglicherweise deren Beschlagnahmung. Nach Datenerhebung und Identifikation ist die Weitergabe dieser zwecks Strafverfolgung enthalten. – So weit der Auftrag. Das Politische und Sicherheitspolitische Komitee des Rates der Europäischen Union muss alle vier Monate einstimmig die Fortsetzung bestätigen. Die Operation enthält zudem einen Mechanismus, der es den jeweiligen Mitgliedstaaten erlaubt, eine Überprüfung zum Vorliegen eines Migrationseffektes zu veranlassen. Schutz vor Ort und der Schwerpunkt abseits des Mandates, besonders im Rahmen des EUTF zur Rückkehr und Reintegration von Migranten im Herkunftsland, sind in der Vergangenheit intensiviert worden. Seenotrettung ist zwar nicht Teil des Auftrages von Irini. Eine Klarstellung zur völkerrechtlichen Verpflichtung zur Hilfeleistung für seegehende Einheiten ist aber erfolgt; diese gilt wie zuvor auch schon. Mit Stand April wurden bei Irini über 6 000 Schiffe erfasst, knapp 250 Bordbesuche durchgeführt, und es kam zu 22 Inspektionen. Klar ist jedoch auch, dass es Probleme gab und gibt. Entsprechend kritisch hat meine Fraktion das Mandat bisher begleitet. So steht eine Vereinbarung mit der NATO-Operation Sea Guardian zur Vernetzung noch aus. Zudem bleibt der Makel des Vetorechts des Flaggenstaates bei einer angestrebten Durchsuchung von verdächtigen Schiffen. Entsprechende Berichte sind bekannt. Dies kann man auch zu Recht kritisieren. Ohne Irini wäre die Durchsetzung des Waffenembargos allerdings auch nicht einfacher. Wir müssen weiterhin mit dem Finger auf diejenigen zeigen können, die sich dem Beschluss der VN widersetzen. Um dies künftig sicherzustellen, beteiligt sich die Bundeswehr an Irini aktuell mit einem Seefernaufklärer vom Typ P‑3C Orion, eine wichtige Fähigkeit, die sehr begrenzt zur Verfügung steht. Der Einsatz rar verfügbarer Fähigkeiten der Bundeswehr muss bei jeder Verlängerung intensiv geprüft und abgewogen werden. Die Beschaffung des Nachfolgesystems P‑8 Poseidon ist folgerichtig, aber auch längst überfällig. Gut, dass dies nun endlich entschieden ist. Zusammen werden laut letztem Stand derzeit 15 Soldaten eingesetzt. Gemeinsam mit fast 600 ihrer Kameraden aus 23 Staaten tragen sie zum Gelingen der Operation bei. Derzeit stellen diese zwei Fregatten und sechs Luftfahrzeuge ab. Trotz des aktuell eher kleinen deutschen Kontingents ist es dennoch sinnvoll, die Mandatsobergrenze von 300 Soldaten beizubehalten, um situationsabhängig und auch geplant seegehende Einheiten der Marine einmelden zu können. Im Gegensatz zur bisherigen Beschlusslage des alten Mandates schließt der vorliegende Antrag die Ausbildung der libyschen Küstenwache nicht mehr mit ein; das ist zuvor schon angedeutet worden. Dies war jedoch in diesem Mandat in der Vergangenheit, seitens der Bundesrepublik zumindest, auch nicht der Fall. Die Anpassung der Aufgaben des Mandates ist daher folgerichtig. Mit 28 Millionen Euro sind die Kosten des Mandates beziffert und für den Verlängerungszeitraum bis zum 30. April 2023 hinterlegt. Die regelmäßige detaillierte Evaluierung aller Einsätze ist für meine Fraktion von entscheidender Bedeutung. Das haben wir immer eingefordert. Das stellt nun endlich der vorliegende Text der Bundesregierung abschließend deutlich klar; und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist gut und richtig. An dieser Stelle möchte ich mich bei unseren Soldaten bedanken, die in den letzten Jahren wie in allen Einsätzen einen hervorragenden Dienst geleistet haben. Die sicherheitspolitische Situation in Libyen ist nach wie vor fragil. Der Einfluss destabilisierender Kräfte hat nicht nachgelassen. Meine Fraktion wird deshalb der Verlängerung des Mandates zustimmen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Die Kollegin Sevim Dağdelen hat das Wort für die Fraktion Die Linke.
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Oliver Kaczmarek SPD
Oliver
Kaczmarek
SPD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute den nationalen Bildungsbericht, und der liefert uns zuverlässig alle zwei Jahre einen Überblick über die Leistungsfähigkeit unseres Bildungswesens und Anregungen für die politische Debatte. Er gibt Anlass, zu überprüfen, ob das, was wir uns vorgenommen haben, tatsächlich auch in die richtige Richtung geht. Das will ich tun und einmal durch die Bildungsinstitutionen gehen. Der nationale Bildungsbericht hat den Befund mehrfach aufgeführt: Der Ausbaubedarf in der frühkindlichen Bildung – ich war ein bisschen überrascht, dass die AfD das offensichtlich nicht mehr als Bildung ansieht – ist ungebrochen. Wenn wir etwas tun wollen, wenn wir nicht akzeptieren wollen, dass Geburt und Herkunft weiterhin in Deutschland entscheidend sind für den Bildungserfolg von Kindern, dann müssen wir genau dort investieren, also in die frühe Bildung, und genau das tun wir. Das Gute-Kita-Gesetz, das wir hier schon verabschiedet haben, hat den richtigen Impuls gesetzt und der frühkindlichen Bildung einen hohen Stellenwert gegeben; das war gut. Gehen wir einen Schritt weiter: Etwa die Hälfte aller Kinder in der Grundschule besuchen heute Ganztagsangebote. Der Bedarf ist steigend. Die Eltern wünschen sich bessere Qualität, auch in der Ganztagsbetreuung. Deswegen ist es richtig, dass wir uns vorgenommen haben – und wir werden das auch in dieser Wahlperiode schaffen –, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule bis 2025 vorzubereiten und umzusetzen. Das ist ein anspruchsvolles Ziel, aber es ist ein absolut notwendiges und bildungspolitisch wie gesellschaftlich sinnvolles Ziel. Wir wollen das in dieser Wahlperiode klarmachen und bitten die Bundesregierung, da entsprechende Initiativen vorzubereiten. Gehen wir noch einen Schritt weiter: Alle jungen Menschen, die eine Berufsausbildung abschließen, haben mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt, sie werden seltener arbeitslos. Allerdings sehen wir auch, dass viele Arbeitsagenturbezirke auf der einen Seite zu wenige Ausbildungsplätze ausweisen, dass auf der anderen Seite Stellen unbesetzt bleiben, dass es Passungsprobleme gibt. Das zeigt: Wir brauchen eine echte, eine materiell nachvollziehbare Wertschätzung für die berufliche Bildung, und deswegen arbeiten wir als Koalition zusammen mit der Regierung auch mit Hochdruck an der Novelle des Berufsbildungsgesetzes. Ich will einmal sagen: Natürlich will die SPD eine Mindestausbildungsvergütung, die sich an Tarifstrukturen orientiert, die jungen Menschen eine Wertschätzung für ihre Arbeit gibt. Ich will aber genauso sagen, dass für uns ganz klar ist – und das haben wir in der Koalition auch miteinander vereinbart –: Am 1. Januar 2020 wird die Mindestausbildungsvergütung in Kraft treten, und das ist ein Erfolg und ein gutes Signal, das wir als Koalition an alle Auszubildenden senden. Schauen wir auf die andere Seite: Es gibt eine nachhaltig hohe Nachfrage nach Studienplätzen. Allerdings sehen wir, dass die Betreuungsrelationen sich nicht verbessert haben, dass die Abbruchquote auf einem unverändert hohen Niveau bleibt. Deshalb glauben wir, dass das, was wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen haben, was in diesen Wochen und Monaten verhandelt wird, nämlich die dauerhafte Verstetigung des Hochschulpakts, ein großes bildungspolitisches Bekenntnis des Bundes ist, weil es eben Planbarkeit und Verlässlichkeit für die Hochschulen schafft. Es ist gut, dass wir das machen, und es gibt den Hochschulen auch Sicherheit. Wir haben aber auch Erwartungen. Wir wollen, dass in Zukunft mit der Sicherheit eines verstetigten Hochschulpaktes im Hintergrund und mit der Sicherheit von verstetigten Mitteln eben auch dafür gesorgt wird, dass wir a) investieren in die Qualität der Lehre – das ist im Interesse der Studierenden; die wollen das, und die brauchen das –, aber auch b) investieren und die Sicherheit schaffen für verlässliche und stabile Arbeitsverhältnisse. Das muss beim Hochschulpakt zusammenkommen: gute Qualität der Lehre und stabile Arbeitsverhältnisse an den Hochschulen. Deswegen machen wir das, und das ist ein guter Schritt. Ich möchte zum Schluss auch noch einmal zu sprechen kommen darauf, was uns helfen kann bei vielen Herausforderungen in der Bildungspolitik, nämlich die Grundgesetzänderung, die wir vor wenigen Wochen mit großer Mehrheit im Parlament beschlossen haben. Da wird uns ja viel entgegengehalten. Frau Ministerin, Sie waren ja in Düsseldorf bei der CDU-Landtagsfraktion. Herr Laschet und auch Herr Kretschmann behaupten, wir würden jetzt Einheitsschulpolitik aus Berlin vorgeben und diktieren wollen. Das sind nun wirklich die ideologischen Schützengräben der 60er-Jahre, in denen sich da einige befinden. Ich hoffe, Sie konnten das in Düsseldorf klarstellen. Man muss doch deutlich machen: Was wollen wir eigentlich mit dieser Grundgesetzänderung gemeinsam erreichen? Deswegen sage ich: Ja, wir brauchen eine Grundgesetzänderung für den DigitalPakt, aber wir machen diese Grundgesetzänderung nicht alleine wegen des DigitalPakts, sondern weil wir dafür sorgen wollen, dass unabhängig von der finanziellen Ausstattung eines Bundeslandes oder einer Regierungskonstellation in einem Bundesland oder in einer Kommune junge Menschen die Gelegenheit haben, Bildungsangebote überall im Land in gleicher Qualität und Anzahl in Anspruch zu nehmen. Wir wollen überall mithelfen, dass die Schulen auf den modernen, auf den neuen Stand der Dinge gebracht werden. Darum machen wir diese Grundgesetzänderung. Ich will auch sagen: Wir werden darüber diskutieren, wie Anteile von Finanzierungen festgelegt werden; dafür ist der Vermittlungsausschuss da. Wir werden auch über den Umfang von Berichten diskutieren. Aber eines ist auch klar aus der Sicht des Bundestags: Die unverbindliche Weitergabe von Steuermitteln, wie sie Herr Laschet offensichtlich im Kopf hat, sozusagen im Gottvertrauen darauf, dass die Bundesländer das dann schon an der richtigen Stelle einsetzen werden, ist für den Bundestag nicht akzeptabel. Wir wollen, dass die Mittel, die der Bund gibt, zusätzlich verwendet werden. Deshalb, meine Damen und Herren, lassen Sie uns an der Stelle die Chance auf einen neuen, auf einen kooperativen Bildungsföderalismus nicht vertun. Vielen Dank. Vielen Dank. – Als Nächste spricht für die Fraktion der FDP die Kollegin Nicola Beer.
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Dr.
Dr. Anja Weisgerber CDU/CSU
Anja
Weisgerber
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser Rede muss ich erst mal wieder die Fakten sprechen lassen. Der Antrag der AfD veranlasst mich zu der Frage: Laufen Sie eigentlich mit offenen Augen durch die Welt? Schauen Sie sich eigentlich die Fakten an? Die Auswirkungen des Klimawandels sind schon heute massiv spürbar: Waldbrände in den USA, Australien und Sibirien, Dürresommer in Deutschland in den letzten Jahren, Extremwetterereignisse in der ganzen Welt. Der Klimawandel findet statt. Das leugnet die AfD ja nicht mal. Sie sind nur der Meinung: Der Mensch hat überhaupt keinen Einfluss auf diesen Klimawandel. – Teilweise sagen Mitglieder Ihrer Fraktion auch: Er hat ein bisschen Einfluss auf den Klimawandel, aber keinen signifikanten. – Entscheiden Sie sich doch mal, was Sache ist. Sie sind die einzige Fraktion in diesem Deutschen Bundestag, die behauptet, dass der Klimawandel nicht menschengemacht ist. Ich frage mich, wer die Fakten kennt und seine Argumentation auf diese Fakten gründet. Sie sicher nicht, meine Damen und Herren. Zu den Fakten. Wetter ist nicht gleich Klima; ja, das stimmt. Aber Folgendes muss doch auch Sie aufhorchen lassen: Die Eiszeit dauerte 5 000 Jahre. Alle 1 000 Jahre erwärmte sich das Klima um 1 Grad – alle 1 000 Jahre! Heute findet dieser Temperaturanstieg schon binnen 100 Jahren statt. Und etwa zwei Drittel der Erderwärmung fallen auf die Jahre nach 1979. Dies zeigt: Der Klimawandel ist auch menschengemacht; das ist Fakt. Denken Sie bei Ihrer Argumentation eigentlich auch an Ihre Kinder, an die nachfolgenden Generationen? Ich frage mich das. Anscheinend machen Sie das nicht, meine Damen und Herren. Wenn wir die Erderwärmung nicht nur auf 2 Grad, sondern sogar auf 1,5 Grad begrenzen, steigt der Meeresspiegel um einen halben Meter an. Inselstaaten sind vom Untergang bedroht: die Marshallinseln, die Fidschiinseln, Kiribati, Tuvalu im Pazifischen Ozean. Wenn man hört, wie verzweifelt die Vertreter dieser Staaten bei den Klimakonferenzen im Plenum reden, dann merkt man, wie bedrohlich die Situation für diese Inselstaaten ist. Der Klimawandel wird auch die Migration weiter erhöhen; auch das dürfte Sie interessieren. Wenn wir das 2-Grad-Ziel nicht erreichen, werden sich Millionen Menschen auf die Flucht begeben, haben wir Millionen Klimaflüchtlinge mehr, weil sich zum Beispiel in Afrika die Dürrezonen ausbreiten und noch stärkere Hitzeperioden entstehen. Dessen müssen auch Sie sich bewusst sein. Ein Sechstel der Erdoberfläche sind Permafrostgebiete. Permafrostböden, zum Beispiel in Sibirien, Kanada oder Alaska, enthalten zwischen 1 300 und 1 600 Gigatonnen Kohlenstoff in Form von CO2 und Methan. Die ganze Erdatmosphäre enthält 800 Gigatonnen Kohlenstoff. Das ist die Hälfte dessen, was aus den Permafrostböden noch in die Atmosphäre gelangen kann. Also: Das Doppelte kann aus den Permafrostböden in die Atmosphäre gelangen. Das Abtauen dieser Permafrostböden kann zur Überschreitung des Kipppunktes im globalen Klimasystem führen. Ein Kipppunkt ist ein sensibler Punkt im Klimasystem, an dem jedes Kilogramm, sogar jedes Gramm CO2 das Fass zum Überlaufen bringen kann. Lassen Sie es nicht so weit kommen. Diese Rückkopplungseffekte müssen wir vermeiden. Wir müssen dem Klimawandel entgegenwirken, weltweit. Deswegen ist der Ausstieg aus dem Klimaabkommen, den Sie hier jetzt als den richtigen Weg propagieren, genau der falsche Weg, meine Damen und Herren. Warum ist es der falsche Weg? Es wäre unlogisch; es wäre das falsche Signal. Denn das Pariser Klimaabkommen von 2015 war ein großer Erfolg. Ich war damals in Paris mit dabei, und wir waren alle stolz, dass sich fast 200 Staaten der Welt auf ein einheitliches Klimaabkommen mit Nationally Determined Contributions, NDCs, also mit nationalen verbindlichen Klimazielen, geeinigt haben. Jeder hat sich dazu verpflichtet, damals auch die USA unter Obama. Und ganz schnell haben die Staaten das auch ratifiziert. Dieses Klimaabkommen ist also auch noch innerhalb von wenigen Monaten in Kraft getreten. Das ist ein Riesenerfolg! Kyoto war kein Erfolg mehr; da waren nur noch 37 Staaten dabei. Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung der Kollegin Dr. Nestle? Gerne. Herzlichen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben jetzt lange darüber gesprochen, wie dringend es ist, etwas gegen die Klimakrise zu tun, und dass wir dringend internationale Abkommen brauchen. Aber dazu gehört auch, dass man selbst zu Hause liefert. Genau jetzt diskutieren wir ein anderes Gesetz, das das Kernstück der Energiewende ist, nämlich das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Sie selbst wissen genau, dass wir ohne den Zubau der Erneuerbaren in keinem Sektor Erfolg haben werden – weder bei der Wärme, noch im Verkehr, schon gar nicht beim Wasserstoff, den auch Ihre Partei immer so vehement fordert. Deshalb frage ich Sie: Wie passt das zusammen, dass Sie hier eine glühende Rede für den Klimaschutz halten, aber im EEG überhaupt keinen Strom aus erneuerbaren Energiequellen für die Sektorkopplung, für Wasserstoff eingeplant haben? Warum gehen Sie davon aus, dass der Stromverbrauch zurückgeht und nicht für die anderen Sektoren zur Verfügung steht? Warum haben Sie einfach 3 Gigawatt Windstrom aus dem Gesetz gestrichen, die eigentlich nachgeholt werden müssten? Warum sorgen Sie nicht für den Zubau der erneuerbaren Energien, den wir bräuchten; denn sonst sind das alles nichts als leere Worte. Bevor Sie jetzt wieder damit kommen, Baden-Württemberg habe auch nicht zugebaut: Bis 2017 lief der Zubau in Baden-Württemberg sehr gut – bis die Bundesgesetze verhindert haben, dass der Zubau weitergehen konnte, weil es keine Zuschläge mehr gab. Frau Dr. Weisgerber. Erst einmal möchte ich aus Überzeugung sagen, dass wir liefern. Wir haben ein Klimakonzept vorgelegt, dass es so in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben hat, übrigens auch nicht unter Rot-Grün, mit drei Elementen: der Bepreisung, über 70 Maßnahmen, um auf Klimainnovationen zu setzen, und einem Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Klimazielen, die auch Sie gefordert haben. Ja, wir diskutieren gerade das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Auch im Erneuerbare-Energien-Gesetz sind bezüglich des Klimaschutzes zum Beispiel bei den Ausbauzielen viele Fortschritte enthalten. Zum Beispiel ist das Thema EEG-Umlage-Befreiung für Grünen Wasserstoff in diesem Gesetz enthalten. Wir haben Hürden abgebaut, was zum Beispiel die Nutzung von Photovoltaikanlagen angeht. Hier soll beim Eigenverbrauch die 10-kWp-Grenze auf 20 kWp angehoben werden. Wir kämpfen jetzt im Gesetzgebungsverfahren dafür, dass wir den Ausbau der erneuerbaren Energie noch weiter anreizen, bürokratische Hürden abbauen und die Bürger stärker einbeziehen. Deswegen ist es richtig, dass wir im Windbereich die Akzeptanz der Menschen erhöhen, indem wir die Standortkommunen beteiligen. Auch dazu sind Elemente im Gesetzentwurf enthalten. Außerdem muss ich Ihnen sagen: Ich bin da ganz entspannt. Wir sind jetzt im Gesetzgebungsverfahren. Wir werden dieses Gesetz noch entscheidend verbessern. Wir haben in der nächsten Sitzungswoche die Anhörung im Ausschuss. Wir bringen uns auch im Kreis der Klimapolitiker sehr konstruktiv in diese Diskussion ein. Sie können sicher sein, dass wir am Ende auch ein gutes EEG haben werden. Gut, danke schön. – Dann geht es weiter in Ihrer Rede. Wir brauchen alle Staaten der Welt. Mit dem Pariser Klimaabkommen ist auch die Trennung zwischen den Industrienationen und den Entwicklungs- und Schwellenländern aufgehoben worden. Wir werden unsere Klimaziele nicht erreichen, wenn die Entwicklungs- und Schwellenländer ihre Wirtschaft nicht von Anfang an klimafreundlich aufbauen. Wir brauchen die Klimaabkommen auch deswegen, damit diese Staaten mitgenommen werden und damit wir, wenn wir in diesen Staaten investieren, dies auf unsere Klimaziele angerechnet bekommen. Denn bei einem haben Sie recht: Allein in Deutschland können wir dem Klimawandel nicht begegnen. Wir brauchen alle Staaten der Welt. Deswegen brauchen wir auch internationale Abkommen. Vielen Dank. Vielen Dank, Dr. Anja Weisgerber. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Dr. Lukas Köhler.
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Dr.
Dr. Bärbel Kofler SPD
Bärbel
Kofler
SPD
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nutze die Gelegenheit nicht, auf die Rede des Vorredners einzugehen, sondern zum Kern des Berichtes zurückzukommen, nämlich zur Situation der Religions- und Weltanschauungsfreiheit weltweit. Der zweite Bericht der Bundesregierung – der Kollege Grübel hat ihn vorgestellt – zeigt, wie sehr dieses Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit unter Druck ist, weltweit, in vielen Regionen der Erde, in verschiedensten Facetten und unter verschiedensten Gesichtspunkten. Er zeigt aber auch auf, dass damit ein Teil der Menschenrechte allgemein unter Druck ist. Denn was wir zu beklagen haben, ist, dass das Recht auf Religions- und Meinungsfreiheit in vielen Teilen dieser Erde mit Füßen getreten wird und dass das leider, leider in einen negativen Trend eingebettet ist, was die Frage angeht, wie Menschenrechte allgemein geschützt und gestärkt werden können. Hier stellen wir dieselben negativen Trends fest. Das belegt eigentlich auch ein Bericht ganz gut, den es bereits seit ein, zwei Jahren gibt. Der „Civicus Monitor“ spricht von nur 3 Prozent der Weltbevölkerung, die in Ländern mit offenen Zivilgesellschaften leben. Für mich gibt es einen inneren Zusammenhang zwischen der Möglichkeit, in einer offenen Gesellschaft zu leben und miteinander diskutieren zu können, zuhören zu können, was in anderen Religionen oder in anderen Weltanschauungen wichtig ist, und der Fähigkeit, Unterschiede aushalten zu können. Diese innere Verfasstheit und diese Grundfrage der Menschenrechte sind eben auch im Bereich der Religions- und Weltanschauungsfreiheit angegriffen. Im Bericht wird das gut mit dem Satz zum Ausdruck gebracht: „Religions- und Weltanschauungsfreiheit stehen in einem unauflöslichen Zusammenhang mit den anderen Menschenrechten.“ Ich bin sehr dankbar, dass in dem Bericht angesprochen wird, wie Staaten Religions- und Weltanschauungsfreiheit einschränken und – Herr Grübel, Sie haben es sehr deutlich gemacht – wie aber auch von vielen Einzelnen Weltanschauungsfreiheit und Religionsfreiheit eingeschränkt werden. Das Beispiel im Kapitel zur Digitalisierung empfehle ich sehr zur Lektüre. Darin geht es um Hass und Hetze, die Einschränkungen der Religionsfreiheit zur Folge haben, weil Menschen sich gar nicht mehr trauen, ihre Religion zu leben. Das finde ich einen sehr, sehr spannenden und wertvollen Beitrag in diesem Bericht. Die Religionsfreiheit in den unterschiedlichen Ländern wurde angesprochen. Es gibt Länder wie China, in denen alle Religionen gleichermaßen angegriffen werden. Es gibt Theokratien wie Saudi-Arabien, die es nicht zulassen, dass jemand keiner Religionsgemeinschaft angehört oder eine andere Religionsgemeinschaft wählt, und Verstöße mit dem Tode bedrohen. Es gibt aber auch Regionen der Erde, in denen Religionen nur der Deckmantel für darunterliegende Konflikte sind, seien es sozioökonomische Konflikte, wenn es um Verteilungsfragen, zum Beispiel zwischen bäuerlichen Gesellschaften und Hirtengesellschaften, geht, oder seien es auch einfach politische Konflikte, in denen eine Konfliktpartei ihr eigenes Süppchen, auch manchmal ein sehr nationalistisches Süppchen, kocht und die Religion als Deckmantel benutzt und missbraucht. Einen Satz oder zwei Sätze noch. Einen Satz. Erstens ist es wichtig, dass im Bericht auch angesprochen wird, dass man keiner Religionsgemeinschaft angehören muss und dass auch das ein Recht ist, das unterstrichen werden muss. Zweitens ist es ganz besonders wichtig – da möchte ich an die Ausführungen des Kollegen Grübel anschließen –, dass Terror im Namen einer Religionsgemeinschaft oder gegen Religionsgemeinschaften aufs Schärfste abzulehnen ist. Die Beispiele, die wir momentan leider schrecklicherweise sehen, von den Anschlägen in Frankreich, von den Anschlägen in Wien – Frau Kofler. – ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin – Wirklich, sonst muss ich abziehen. – bis hin zu den Terroranschlägen auf die Synagoge in Halle und die Moschee in Christchurch zeichnen ein beredtes Bild, dass die Situation in diesem Bereich leider sehr dramatisch ist. Danke. Vielen Dank, Bärbel Kofler. – Ja, die letzten Sätze wurden immer länger; das stimmt. Das waren immer große Abschnitte. Die nächste Rednerin steht schon da: für die FDP-Fraktion Gyde Jensen.
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Ingmar Jung CDU/CSU
Ingmar
Jung
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Klima ist das Megathema der Gegenwart und der nächsten Jahre. Wer politisch Erfolg haben will und glaubt, das ignorieren zu können und dort keine Lösung anbieten zu müssen, braucht eigentlich gar nicht anzutreten. Ich glaube, darin sind wir uns vollständig einig. Herr Limburg, Sie haben eben erklärt, die Union müsse ihre Blockadehaltung aufgeben. Nach meiner Erkenntnis hat die Ampel eine Mehrheit in diesem Hause. Ich empfehle Ihnen dringend: Nutzen Sie doch die Mehrheit, die Sie haben. Setzen Sie das durch, was Sie für richtig halten, und wir schauen dann am Ende der Legislaturperiode, was Sie erreicht haben. Dabei kommt es auf uns leider nicht an. Meine Damen und Herren, ich möchte die kurze Zeit nutzen, um auf zwei, drei Dinge einzugehen, die hier von Kollegen gesagt wurden. Frau Eichwede, Herr Kuhle und auch Herr Limburg, Sie alle drei haben erklärt, Strafzumessung sei Sache der Gerichte und nicht der Politik. Das ist völlig zutreffend, deswegen steht in unserem Antrag dazu auch kein Wort. Das Festlegen des Strafrahmens, das Festlegen der Gesetze ist Sache des Gesetzgebers. Genau das beantragen wir hier. Genau darüber wollen wir diskutieren; das werden Sie der ersten Gewalt in diesem Staate doch bitte schön noch zugestehen. Frau Bünger hat uns vorgeworfen, wir versuchten, die Diskriminierung politischer Meinungsäußerung durchzusetzen. Leute, das ist wirklich so was von absurd. Es geht doch genau um das Gegenteil. Wir reden hier heute über Freiheitsrechte und die strafrechtlichen Grenzen derselben. In Rechtsstaaten sind Freiheitsrechte nur deshalb so viel wert – das unterscheidet sie gerade von Unrechtsstaaten –, weil sie diskriminierungsfrei gewährt werden. Das muss aber auch auf beiden Seiten gelten. Sie können in Deutschland Freiheitsrechte für alles in Anspruch nehmen. Sie können für jeden Unsinn demonstrieren. Und wir entscheiden hier nicht, ob das Ziel richtig ist, und es spielt keine Rolle, ob es uns passt oder nicht. Darin besteht der Unterschied zum autoritären Regime. Dann aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, gilt auf der anderen Seite dasselbe: Dann müssen die staatlich gesetzten strafrechtlichen Grenzen ebenfalls völlig unabhängig von der Position und dem Ansehen der Person durchgesetzt werden; ansonsten ist es nämlich keine diskriminierungsfreie Gewährung, und genau darum geht es heute. Meine Damen und Herren, Herr Fiedler hat uns auch – genauso wie Frau Eichwede vorher – erklärt, Strafschärfungen würden keinen abschrecken und sowieso nicht dazu führen, dass Straftaten nicht begangen werden. Damit stellen sie letztlich das Strafrecht ganz grundsätzlich in Frage. Aber der schönste Widerspruch kam dann im nächsten Satz: Bei Umweltstraftätern ist das natürlich etwas anderes. – Das ist doch genau die Diskriminierung: Es gibt gute Straftäter und schlechte Straftäter; für die einen brauchen wir höhere Strafen, für die anderen nicht. – Nein! Für uns gilt das ohne Ansehen der dahinterstehenden Position. Wir sagen an dieser Stelle klar: Wer Freiheitsrechte ausübt, muss das unbeschränkt tun können und hat den vollen Schutz des Staates verdient. Der will übrigens auch nicht gemein gemacht werden mit den anderen. Aber wer mutwillig vorsätzlich Grenzen überschreitet, ist eben Straftäter und muss auch so behandelt werden. Da müssen wir hinkommen. Herzlichen Dank. Frau Eichwede, beantragen Sie eine Kurzintervention, oder was heißt Ihre Meldung? Dann gebe ich Ihnen das Wort für eine Kurzintervention.
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Stephan Thomae FDP
Stephan
Thomae
FDP
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen! Verehrte Kollegen! Mit der Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses übt das Parlament ein Königsrecht aus. Es nimmt ein wichtiges Recht wahr. Das schulden wir den Opfern und Angehörigen des Anschlages vom 19. Dezember 2016. Aus Respekt vor den Opfern ist es unsere Aufgabe, gründlich und rückhaltlos zu untersuchen und aufzuklären, was zu diesem Anschlag führen konnte, welche Fehler gemacht worden sind, die diesen Anschlag möglich gemacht haben. Es ist aber auch eine wichtige Aufgabe des Staates, sich zu überlegen, welche Fehler, welche Schwächen in den Sicherheitsstrukturen des Landes liegen, die dazu geführt haben, dass ein solcher Anschlag möglich geworden ist. Was ist unter Umständen zu tun, damit solche Fehler künftig vermieden werden und ein solcher Anschlag in dieser Form nicht mehr möglich ist? Es gab Vorberatungen aller Fraktionen des Deutschen Bundestages, die sich Gedanken gemacht haben, welchen Untersuchungsauftrag ein solcher Untersuchungsausschuss haben soll und welche einzelnen Punkte zu untersuchen sind. Es waren konstruktive Gespräche, intensive Verhandlungen, die am Ende nicht ganz dazu geführt haben, dass man sich auf alle Punkte einigen konnte. Ich will kurz herausarbeiten, welche Punkte uns als Freie Demokraten wichtig sind, die in den Anträgen anderer Fraktionen in dieser Form nicht so erscheinen. Der erste Punkt ist das Thema „Untersuchungszeitraum“. Wir wollen nicht die Lebensgeschichte des Attentäters schreiben. Wir wollen die Strukturen in der salafistischen Szene und die Situation in den Sicherheitsbehörden untersuchen, die dazu geführt haben, dass ein solcher Anschlag möglich gewesen ist. Wir wollen auch untersuchen: Gibt es eine Fehlerkultur, die zu einer Fehlerkorrektur der Sicherheitsbehörden führen kann? Deswegen müssen wir auch den Zeitraum nach dem Anschlag und nach dem Tod des Attentäters genauer untersuchen und uns mit dem Gedanken befassen, ob wir bei den Sicherheitsbehörden ein lernendes oder ein vertuschendes System haben. Ein zweiter Punkt ist, dass wir auch das Umfeld des Attentäters genauer und gründlicher ausleuchten müssen. Der Attentäter hatte auch Kontakt zur Islamisten- und Salafistenszene, unter anderem zu einem mittlerweile in Haft befindlichen Hassprediger, Abu Walaa, der auch andere Männer für den Krieg des IS im Ausland rekrutiert hat. Auch der Attentäter, der im letzten Jahr einen Anschlag auf einen Karlsruher Weihnachtsmarkt plante, soll in Kontakt zu Abu Walaa gestanden haben. Deswegen müssen wir die gesamte Salafisten- und Islamistenszene genauer in das Blickfeld nehmen. Es muss auch eine Aufgabe des Untersuchungsausschusses sein, sich Gedanken zu machen, inwieweit wir uns dieser Szene besser nähern können. Ein dritter Punkt ist, dass wir auch die Zusammenarbeit unserer Nachrichtendienste mit den ausländischen Diensten und die Verwendung und Bewertung ihrer Erkenntnisse und Nachrichten, die an uns geliefert worden sind, genauer in den Blick nehmen. Ist man wirklich allen Hinweisen hinreichend genau und gründlich nachgegangen? Hat man bei der Bewertung vielleicht geschludert, war nicht gründlich genug? Hat man den Attentäter vielleicht sogar als Nachrichtenübermittler verwendet und deswegen möglicherweise davon abgesehen, zur rechten Zeit Maßnahmen gegen ihn zu ergreifen? All das sind Punkte, die einer genauen Untersuchung bedürfen. All dessen sollte sich der Untersuchungsausschuss annehmen. Deswegen werden wir die Verhandlungen über einen gemeinsamen Antrag im Geschäftsordnungsausschuss fortsetzen und bitten darum, unseren Antrag an den GO-Ausschuss zu überweisen, damit dort die Verhandlungen über einen möglichen gemeinsamen Antrag fortgesetzt werden können. Vielen Dank. Für die Fraktion Die Linke hat die Abgeordnete Martina Renner das Wort.
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Rainer Spiering SPD
Rainer
Spiering
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Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, es ist in den ersten beiden Wortbeiträgen schon gut dokumentiert worden, welch umfassendes Gesetzespaket wir heute besprechen. Ich möchte aber vorweg die Entstehungsgeschichte darstellen; denn sie spielt bei dieser Gesetzgebung eine sehr große Rolle. Die GAP und die GAK sind ohne die Bundesländer nicht denkbar. Das heißt, die Zustimmung des Bundesrates und der jeweiligen Agrarminister ist unumgänglich dafür, dass wir dieses Gesetz heute abschließen. Die Agrarministerkonferenz hat vor einigen Wochen in einer ausgesprochen spannenden Sitzung Beschlüsse gefasst. Man muss dazu sagen, dass alle hier im Hause vertretenen Parteien, bis auf die AfD, an diesem Kompromiss beteiligt waren; alle. Der Geist – darum geht es – dieser Vereinbarung war, dass man einen Systemwechsel in die Richtung machen wollte, den die Sozialdemokratie seit vielen Jahren in diesem Hause fordert: öffentliches Geld für öffentliche Leistung. Ich kann mich nur herzlich bei den Agrarministern bedanken, dass sie das aufgenommen haben. Aus dieser Konsequenz heraus ergeben sich aber Schlussfolgerungen. Die kardinale Schlussfolgerung bei der Förderung besonderer Ökosystemleistung war und ist, dass nur das gefördert wird, was einen Mehrwert erzeugt, also über das hinausgeht, was jetzt schon an Wert dargestellt wird. Das ist die Problematik, Hermann Färber, die mit dem Grünland angesprochen worden ist. Wenn jetzt die Agrarminister der Meinung gewesen wären, dass dadurch ein Mehrwert erzeugt werden kann, indem man Dauergrünland so belässt, wie es ist, dann hätten sie eine entsprechende Entscheidung getroffen. Haben sie aber nicht. Sie sind bei ihrer Logik geblieben: Es wird nur das entlohnt, was einen Mehrwert erzeugt. Jetzt gibt es bei diesen sieben Eco-Schemes drei Säulen, die genau diesen Mehrwert bei Dauergrünland beschreiben. Allen sollten diese drei Säulen bekannt sein. Die haben aber immer zum Inhalt, dass das Dauergrünland sich biologisch verbessert. Insofern war das auch ein sehr kluger Schritt der Agrarministerkonferenz. Für uns freue ich mich, dass es gelungen ist, die Förderung von Agroforst nicht nur auf Ackerland, sondern auch auf Dauergrünland einzuführen. Das hat mehrere gute Funktionen. Einmal hat es die Funktion, dass wir eine Rückkehr von Kleinsttierlebewesen, also von dem, was unsere Tierwelt ausmacht, erreichen, und es hat den Vorteil, dass das, was wir als Weidetier bezeichnen, tatsächlich im Sommer auch einmal Schatten findet. Insofern war das eine gemeinsame gute Entscheidung. Wir hätten übrigens gerne, um die Frage des Dauergrünlandes auf einem anderen Wege zu klären, eine Weidetierprämie gegeben. Wir haben uns 2 Prozent der Gesamtsumme vorgestellt. Hier reden wir von 100 Millionen Euro. Das ist nicht gewollt gewesen. Das ist bedauerlich, aber so ist es halt, wenn man auf Kompromisse angewiesen ist. Am Ende des Tages haben das auch die Agrarminister ordnungsgemäß gemacht, und deswegen will ich mich darüber auch nicht beschweren. Kommen wir zu dem Punkt, den der Kollege Färber schon angesprochen hat und der für mich von ganz zentraler Bedeutung ist. Wir haben bei der gesamten Frage der Düngeverordnung – das gilt übrigens auch, wenn wir uns über das Insektenschutzgesetz und über die Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung unterhalten – ein Problem mit der Digitalität. Das, muss ich sagen, wird jetzt in dem GAPInVeKoS-Gesetz hervorragend geklärt. Im Übrigen zeigt es, Kollege Feiler, was das BMEL mittlerweile IT-technisch drauf hat. Ich möchte das dem staunenden Publikum gerne vorstellen – da hat das BMEL mithilfe der IT richtig was hinbekommen –: Das Gesetz regelt das Integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem zur Abwicklung der Direktzahlungen. Neu ist hier vor allem die Digitalisierung, ein Erfolg unserer Arbeit. Das gesamte Antrags-, Kommunikations- und Prüfverfahren wird zukünftig fast ausschließlich elektronisch geregelt. In Ausnahmefällen bleibt ein Papierantrag möglich. Fristende für den Sammelantrag ist ausnahmslos der 15. Mai. Bis 2024 wird aufgrund von EU-Vorgaben ein digitales Flächenmonitoringsystem eingeführt. Und jetzt kommt der absolut entscheidende Satz, der nicht jedem schmecken muss, aber es ist der entscheidende Satz: Eine Datenübermittlung darf auch an Behörden erfolgen, die mit der Wasserrahmenrichtlinie, der FFH-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie befasst sind. – Damit haben wir endlich das geschafft, was Sinn und Zweck der Arbeit der letzten vier Jahre war. Wir haben die Landwirtschaft digitalisiert. Wir haben sie transparent gemacht. Wir machen die Abwicklung der Zahlen jetzt in kürzester Zeit für Landwirte möglich. Ich finde, das ist ein riesiger Erfolg. Das sollte man auch nicht bei einer vielleicht ärgerlichen Sache wie Grünland kleinreden, sondern sagen: Das haben wir gut gemacht, Kolleginnen und Kollegen. Ich bin im Übrigen der festen Überzeugung, dass wir mit dem Weg, den wir jetzt beschreiten, der Landwirtschaft einen Riesendienst erweisen, weil wir ihr jetzt die Möglichkeit geben, in kürzester Zeit auf Veränderungen zu reagieren. Den Landwirten und Landwirtinnen geben wir die Möglichkeit, im Januar, Februar, März auf Grundlage von Flächenmonitoring, von Datenlagen, von Wetterprognosen einen Antrag zu stellen, von dem sie über die Oberfläche des Rechners rückgespiegelt bekommen, was dabei herauskommt, und zwar in Euro und Cent. Ich finde, das ist ein Riesenerfolg. Für meine Fraktion sage ich: Die Agrarministerkonferenz hat das gut vorbereitet. Ich habe mit mehreren Agrarministern gesprochen. Alle haben mir sehr deutlich gesagt: Grünland ist bei der Konferenz kein Thema gewesen, jedenfalls nicht in dem Sinne, in dem ich es angesprochen habe. Wir haben eine weitere Agrarministerkonferenz. Wenn ein Bundesland meint, es müsste dort reingrätschen, dann darf es das tun. Ich bin mir sicher, es wird eine Antwort bekommen. Ich glaube, dass wir auf diesem Wege tatsächlich eine Systemveränderung erreicht haben, die gut für die Bevölkerung ist, die gut für die Natur und die vor allen Dingen gut für die Landwirtschaft ist. Herzlichen Dank fürs Zuhören. Vielen Dank. – Der nächste Redner: für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Dr. Gero Clemens Hocker. – Bitte schön.
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Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Cem
Özdemir
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Man muss sich vergegenwärtigen, worüber wir heute tatsächlich reden. Wir reden über die Arbeit und die Artikel eines deutschen Journalisten. So etwas kennen wir sonst nur aus autoritären Ländern. Der Deutsche Bundestag hingegen benotet nicht die Arbeit von Journalisten und Journalistinnen. Bei uns in der Bundesrepublik Deutschland ist das Parlament keine oberste Zensurbehörde. So etwas gibt es nur in den Ländern, die Sie bewundern. Deutschland gehört nicht dazu. In unserem Land, der Bundesrepublik Deutschland, gibt es nicht die Gleichschaltung, von der Sie nachts träumen. Bei uns gibt es Pressefreiheit, ein Wort, das in Ihrem Wortschatz ganz offensichtlich nicht vorhanden ist. Die Pressefreiheit werden wir Ihnen gegenüber genauso verteidigen wie gegenüber Ihren Genossen in der Türkei, die Deniz Yücel ein Jahr seines Lebens geklaut haben. Wir sind froh, dass Deniz Yücel frei ist. Damit kein Missverständnis entsteht: Genauso froh wären wir, wenn er Gustav Müller oder sonst wie heißen würde; denn jeder Bürger dieses Landes hat es verdient, dass sich dieses Land für ihn einsetzt; das ist doch wohl eine Selbstverständlichkeit. Jeder weiß es, außer Ihnen. Wir alle, der demokratische Teil dieses Hauses, setzen uns dafür ein, dass die anderen Journalisten, die ebenfalls in Haft sind, aber keinen deutschen Pass haben, freigelassen werden – sie haben es genauso verdient –; denn Journalismus ist kein Verbrechen. Aber zur Wahrheit gehört leider auch: Das Land hat sich in dem einen Jahr, in dem Deniz Yücel im Gefängnis war, dramatisch verändert, und davon zeugt diese Debatte. Denn mittlerweile sitzen Abgeordnete in diesem Haus, die ich nicht anders als Rassisten bezeichnen kann. Wer sich so gebiert, ist ein Rassist. Ich meine diese Damen und Herren hier ganz rechts. Ich stehe am Mikrofon und Gott sei Dank können Sie es mir nicht abstellen. Ich weiß, in dem Regime, von dem Sie träumen, könnte man das Mikrofon abstellen; aber das kann man hier Gott sei Dank nicht. Sie werden es nicht schaffen, das zu ändern. Glauben Sie es mir! Sie wollen bestimmen, wer Deutscher ist und wer nicht. Wie kann jemand, der Deutschland, der unsere gemeinsame Heimat so verachtet, wie Sie es tun, darüber bestimmen, wer Deutscher ist und wer nicht Deutscher ist? Ich sage Ihnen mal eins: Wenn Sie darüber bestimmen würden, wer Deutscher ist und wer nicht Deutscher ist, dann wäre das ungefähr so, als wenn man Rassisten an das Ausstiegstelefon für Neonazis setzen würde. Übrigens, wenn Sie die Nummer des Ausstiegstelefons für Neonazis brauchen: Ich habe sie. Ich kann sie Ihnen gern zur Verfügung stellen. Kollege Özdemir, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. Sie alle von der AfD, wie Sie da sitzen, würden, wenn Sie ehrlich wären, zugeben, dass Sie dieses Land verachten. Sie verachten alles, wofür dieses Land in der ganzen Welt geachtet und respektiert wird. Dazu gehört beispielsweise unsere Erinnerungskultur, auf die ich als Bürger dieses Landes stolz bin. Dazu gehört die Vielfalt in diesem Land, auf die ich genauso stolz bin. Dazu gehören Bayern, Schwaben, dazu gehören aber auch Menschen, deren Vorfahren aus Russland kommen, und dazu gehören Menschen, deren Vorfahren aus Anatolien kommen und die jetzt genauso stolz darauf sind, Bürger dieses Landes zu sein. Dazu gehört – das muss ich schon einmal sagen; da fühle ich mich auch als Fußballfan persönlich angesprochen – unsere großartige Nationalmannschaft. Wenn Sie ehrlich sind: Sie drücken doch den Russen die Daumen und nicht unserer deutschen Nationalmannschaft. Geben Sie es doch zu! Dieses Hohe Haus verachten Sie genauso, wie Sie die Werte der Aufklärung verachten. Sie sind aus demselben faulen Holz geschnitzt wie diejenigen, die Deniz Yücel verhaften ließen. Sie sind aus demselben faulen Holz geschnitzt wie Erdogan, der Deniz Yücel für ein Jahr seines Lebens verhaftet ließ. Ich sage es einmal in einem Satz: Die AKP hat einen Ableger in Deutschland. Er heißt AfD, und er sitzt hier. Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Sie hatten ja vor kurzem einen politischen Aschermittwoch. Mich hat das eher an eine Rede im Sportpalast erinnert. Ich will Ihnen zurufen: Unser Deutschland, dieses Deutschland, ist stärker, als es Ihr Hass jemals sein wird. Ihr tobender Mob wollte am Aschermittwoch, dass ich abgeschoben werde. Das geht leichter, als Sie sich das vorstellen. Am kommenden Samstag bin ich wieder in meiner Heimat. Ich fliege nach Stuttgart. Dort nehme ich die S-Bahn, und ich steige am Endbahnhof Bad Urach aus. Da ist meine schwäbische Heimat, und die lasse ich mir von Ihnen nicht kaputtmachen. Ein kurzer geschäftsleitender Hinweis: Es kann durchaus passieren, ganz egal, wer aus dem Präsidium des Deutschen Bundestages hier vorn gerade Dienst hat, dass es Entscheidungen oder auch Handlungen von amtierenden Präsidentinnen und Präsidenten gibt, die einen Fehler enthalten oder aber nachträglich in irgendeiner Weise zu rügen sind. Dafür haben wir Regeln. Das hat einen guten Grund. Jedenfalls tragen wir das nicht im Plenum des Bundestags miteinander aus, sondern der Ort für diese ganze Geschichte ist der Ältestenrat. Wenn einzelne Abgeordnete, und zwar wechselseitig – ich nehme hier Aufforderungen sehr wohl zur Kenntnis, trotz des hohen Lärmpegels –, mit meiner Sitzungsleitung unzufrieden sind, dann werden wir das am nächsten Donnerstag, 14 Uhr, in der nächsten regulären Sitzung des Ältestenrats behandeln; ansonsten wissen, denke ich, die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer, wie wir, wenn es notwendig werden sollte, zu einer Sondersitzung des Ältestenrats kommen, um diese Dinge zu regeln. Im Übrigen – das will ich dann auch gleich sagen, Herr Baumann –: Weder konnte ich hier vorn alle Zwischenrufe – wieder: aus allen Fraktionen – verstehen, aufgrund des sehr hohen Lärmpegels – jetzt bin ich dran und nur ich –, noch war es mir möglich, in dieser hitzigen Debatte alle Äußerungen, die hier vorn gemacht wurden – das gilt nicht nur für den letzten Beitrag –, in ihrer Tragweite und Wirkung bis zuletzt zu überschauen. Aber auch dafür haben wir Regeln. Sollte es in dieser Debatte Dinge gegeben haben, die die Regeln überschritten haben, haben wir den Ort, über den ich gerade sprach, um gegebenenfalls auch nachträglich etwas in irgendeiner Weise zu sanktionieren oder einzugreifen. Ich habe im Moment keine Veranlassung, von hier vorn die Debatte weiter aufzuhalten. Ich nehme die Dinge, die hier angemeldet wurden, zur Kenntnis – wir werden sie einer entsprechenden Beratung zuführen –, und ich bitte jetzt, den geschäftsleitenden Hinweis in der weiteren Debatte zu befolgen. Jetzt hat die Abgeordnete Elisabeth Motschmann für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
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Sven Lehmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sven
Lehmann
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Redezeit nutzen, um einer Berufsgruppe besondere Anerkennung und Respekt zu zollen, nämlich den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern in diesem Land. In der letzten Woche habe ich bei einer digitalen Veranstaltung mit knapp 200 Menschen aus der sozialen Arbeit diskutiert. Katja Mast hat es auch schon richtig beschrieben: Trotz widriger Umstände stehen sie in dieser Pandemie Menschen in schwierigen Lebenslagen zur Seite. Sie bewahren Menschen davor, Kontakt und Anschluss zu verlieren. Streetworker helfen Obdachlosen, die nicht wissen, ob die Kälte in der Nacht oder eine Coronainfektion in einer Notunterkunft die größere Gefahr ist. Familienhelfer sorgen dafür, dass viele Kinder in dieser Pandemie überhaupt mal vor die Tür kommen. Sozialpädagoginnen bieten Frauen in Frauenhäusern Schutz vor Gewalt. Jugendsozialarbeiterinnen halten den Kontakt zu jungen Menschen, die nicht mehr ins Jugendzentrum oder in den Sportverein gehen können. Für unsere Gesellschaft ist diese Arbeit unverzichtbar. Deswegen begrüßen wir Grüne ausdrücklich, dass der Schutzschirm für die sozialen Dienste bis Ende des Jahres aufgespannt bleibt. Denn diese Arbeit braucht politische Unterstützung, übrigens auch über die Pandemie hinaus, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber bei aller Unterstützung für diese Verlängerung des SodEG, die wir ausdrücklich begrüßen, muss ich leider auch sagen: Die geplante Einmalzahlung von 150 Euro für einen erwachsenen Menschen über einen Zeitraum von knapp anderthalb Jahren ist keine Hilfe, sondern eine Nullrunde. Und eine Nullrunde ist in dieser Krise einfach definitiv zu wenig, liebe Kolleginnen und Kollegen. Was das konkret heißt, haben wir in der Anhörung am Montag nämlich gehört: Die Coronakrise verschärft unter anderem auch das Problem von Ernährungsarmut. Ich zitiere mal einen Satz: Die derzeitige Grundsicherung reicht ohne weitere Unterstützungsressourcen nicht aus, um eine gesundheitsförderliche Ernährung zu realisieren. Das steht so in einem aktuellen Gutachten im Auftrag des Ministeriums von Julia Klöckner. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union – ich spreche Sie mal sehr konkret an –: Wenn Sie schon nicht auf die Sozialverbände oder auf die Gewerkschaften oder auf die Familienverbände oder auf Grüne und Linke hören, dann hören Sie doch wenigstens auf Gutachten aus Ihren eigenen Ministerien. Das ist ja wohl nicht zu viel verlangt. Schon in normalen Zeiten sind sehr viele Menschen – Rentnerinnen und Rentner in der Grundsicherung, Alleinerziehende – auf die Tafeln angewiesen, um überhaupt über den Monat zu kommen. Und wenn diese Angebote, wie jetzt, wegfallen bzw. wegbrechen, dann bedeutet das existenzielle Notlagen. Doch armutsbedingte Mangelernährung können und dürfen wir uns in diesem reichen Land nicht leisten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Menschen brauchen in dieser Krise mehr soziale Sicherheit und echte Hilfe, auf die sie sich auch verlassen können. Deswegen: Stimmen Sie unseren Änderungsanträgen zu – für einen monatlichen Krisenaufschlag auf die Grundsicherung und für eine Verlängerung des Arbeitslosengeldes I. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Kollege Sven Lehmann. – Für die SPD hat jetzt das Wort die Abgeordnete Dagmar Schmidt.
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Uwe Kamann AfD
Uwe
Kamann
AfD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Bürger! Seit Jahren erzielen wir mit künstlicher Intelligenz enorme Fortschritte. Fast täglich erleben wir weltweit neue bahnbrechende Innovationen. Wir erleben neue Geschäftsmodelle. Diese werden unterstützt, verbessert und erweitert durch KI. Wir haben mit dem DFKI – das hat Herr Steier gerade angesprochen – das weltweit größte Institut auf diesem Gebiet. Hier finden wir geballtes Know-how; hier kooperieren Forschung und Industrie so, wie es sein soll. Vielleicht, meine Damen und Herren, ist das Institut deshalb so erfolgreich, weil die Wirtschaft die Federführung hat. Laut Weltwirtschaftsforum liegt Deutschland 2018 im weltweiten Vergleich auf Platz Nummer eins der Innovationsfähigkeit. Das sind genug Gründe, um optimistisch, vielleicht sogar euphorisch in die Zukunft zu schauen. Doch genau diese Innovationsfähigkeit oder vielmehr das Innovationsverständnis scheint bei Ihnen in der Bundesregierung irgendwie noch nicht richtig ausgeprägt zu sein. Anders kann ich mir nicht erklären, wie Sie den Wirtschaftsstandort Deutschland, der derzeit noch eine recht gute Ausgangsposition hat, ohne klares Vorgehensmodell in die Zukunft pushen wollen. Die Fragen, die bereits zu diesem Thema gestellt wurden, kann man umfangreich ergänzen. Auch wir haben auf dieser Basis mit unserem Antrag umfangreiche Maßnahmen gefordert. Wenn ich mir allerdings Ihre Umsetzungsstrategie ansehe, dann stelle ich fest, dass Sie nur einen kleinen Abschnitt für den Bereich KI verwenden. Ich will meine Vorrednerin Frau Christmann unterstützen: Das ist alles – nur kein Strategiepapier. Sie haben keine wirklichen Lösungen und Ziele präsentiert. Wo und in welchem Zeitraum wollen Sie denn konkret investieren? Finanzierungsinstrumente werden immer angekündigt, entsprechende Mittel aber im Haushalt nicht eingestellt. Sie haben es vorhin angekündigt. Sie sind eine Ankündigungsregierung. Wann sehen wir hier einen Fortschritt? Das Finanzierungsmodell des DIN als selbsttragende Einrichtung der Wirtschaft ist in innovativen Bereichen wie KI international nicht mehr konkurrenzfähig. Hier fördert China beispielsweise Normungsexperten und -gremien, um damit Einfluss auf die Standards sicherzustellen. Daran sollten Sie sich orientieren. Auf Bundesebene sollten die bisherigen Förderprogramme – Stichwort Spitzencluster oder Forschungscampus – speziell zum Thema KI aus unserer Sicht neu ausgeschrieben werden. Wann wird es hierzu endlich von Ihrer Seite Vorschläge und zeitliche Umsetzungsvorgaben geben? Was sind dann die von Ihnen genannten Sprunginnovationen, die Sie verstärkt fördern wollen? Die von Ihnen neugegründete Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen soll Innovationsakteuren die finanziellen Mittel geben und Freiräume eröffnen, um bahnbrechende Ideen in die Anwendung zu überführen. Wir begrüßen diese Förderung. Jedoch fehlt auch hier eine genaue Definition dieser Sprunginnovationen. Für die stärkere Sichtbarkeit Deutschlands und für die Anziehungskraft auf Investoren und Fachkräfte wollen Sie 40 Leuchtturmprojekte fördern. Mit diesen 40 Leuchttürmen könnten Sie die ganze Nordsee ausleuchten. Schaffen Sie ein bis drei wirkliche Leuchtturmprojekte, dann klappt es auch mit der Anziehung von Fachkräften und Investoren. Fragen wir einmal ganz einfach: Was verstehen Sie unter künstlicher Intelligenz und was nicht? Hierbei sollten wir uns in Zukunft nicht wundern, wenn noch mehr Forschungsgelder mit dem Begriff KI versehen werden, um dann an einem von Ihnen in Aussicht gestellten Geld­regen teilhaben zu können. Um im internationalen Vergleich nicht zurückzufallen und somit die erlangte Führungsposition, die wir ja noch innehaben, zu erhalten und nicht zu verlieren, muss es eine strategische und konzentrierte Förderung von KI geben. Genau diese Förderung muss ein Kernthema bei der Zukunftsstrategie KI darstellen. Darauf sollten Sie sich konzentrieren. Wir fordern, dass nicht nur internationale und überregionale Kompetenzzentren eingerichtet werden – ja, hören Sie zu! –, sondern auch regionale Innovationscluster zur Vernetzung zwischen Forschung und Wirtschaft. Dabei geht es schwerpunktmäßig um KMU; das ist wichtig. Forschung darf nicht nur Selbstzweck sein. Vielmehr muss Forschung die Wirtschaft entsprechend fördern und die Gesellschaft zukunftsfähig ausrichten. Das gilt auch für die Sammlung von Daten unabhängig von Umfang, Inhalt und Herkunft. Hierbei muss die Wahrung der Datensouveränität des Bürgers an erster Stelle stehen. Auch hierfür haben Sie bisher keine Lösung, sondern nur nebulöse Ideen präsentiert. Wenn man kein Ziel hat, ist es eben schwer, Inhalte zu liefern. Sie haben an alles Mögliche gedacht, aber nicht an die digitale Zukunft dieses Landes. Denken Sie quer! Ändern Sie bei den für unsere Gesellschaft so wichtigen Zukunftsthemen Ihre bisherige Vorgehensweise des unkoordinierten Aktionismus. Wir können den Gesamtkomplex der Digitalisierung mit einem horizontal agierenden Digitalministerium steuern. Nur so wird es gehen. Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende. Nur so können wir zielgerichtet arbeiten, fördern und entwickeln und das Miteinander der einzelnen Ressorts zukunftsweisend steuern. Wie sagt man so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich befürchte aber, dass auch diese Hoffnung sterben wird. Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende. Stimmen Sie unserem Antrag zu, damit die Hoffnung lebendig bleibt. Vielen Dank. Die nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Manja Schüle, SPD-Fraktion.
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Dr.
Dr. Tobias Lindner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Tobias
Lindner
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, es ist ja gut, wenn Sie hier an diesem Pult durchaus eingestehen, dass bei der Bundeswehr eben nicht alles in Butter ist und dass wir vor allem beim Material eine große Baustelle haben. Was aber nicht gut ist, ist, dass uns diese Debatten über den Jahresbericht des Wehrbeauftragten doch eigentlich ein bisschen an „Dinner for One“ erinnern müssen. Wir sind jetzt fast im vierten Jahr nach der Trendwende Material. Sie ist Anfang 2016 von Frau von der Leyen verkündet worden. Seitdem ist der Verteidigungsetat um 12 Milliarden Euro gestiegen. Wenn man sich Zahlen und Resultate anschaut, wenn man darauf schaut, in welchem Zustand unser Material ist, dann muss man erkennen: Die Probleme liegen doch nicht beim Geld; die Probleme liegen beim Management und bei der Verwaltung. Wenn Sie, Frau Ministerin, eine ehrliche und transparente Debatte wollen, dann müssen Sie doch selbst die Voraussetzungen dafür schaffen. Es kann doch nicht sein, dass der Kollege Brecht und ich hier an diesem Pult aus Artikeln von „Spiegel Online“ zitieren müssen, wie viele Fregatten vorhanden sind oder wie viele Panzer funktionieren, und dass wir heute Morgen die längste Geheim eingestufte Sitzung des Verteidigungsausschusses in dieser Legislaturperiode haben erleben dürfen. Es kann doch ebenfalls nicht sein – das will ich noch kurz anführen –, dass Sie nicht nur irgendwie Geheimniskrämerei, was die Einsatzbereitschaft einer Parlamentsarmee betrifft, betreiben, sondern dass Sie dann auch noch eine Berechnungsmethode wählen, die, ehrlich gesagt, uns nicht weiterhilft, die schon fast an Trickserei erinnert. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen – es ist bewusst ein fiktives, um hier keinen Geheimnisverrat zu begehen –: Nehmen Sie einmal an, wir hätten in der Bundeswehr 100 Flugzeugträger, und von diesen 100 Flugzeugträgern wären 99 in der Werftinstandsetzung, und 1 wäre bei der Marine und würde funktionieren. Dann würden vermutlich die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer zu Hause und die meisten Kolleginnen und Kollegen hier im Saal sagen: Na ja, dann funktioniert 1 Prozent unserer Flugzeugträger. Aber wenn wir Ihre Berechnungsmethode anwenden, dann haben wir einen Verfügungsbestand von 1 Flugzeugträger in der Bundesmarine, von dem wiederum 1 funktioniert. Das macht nach Ihrer Berechnungsmethode eine Einsatzbereitschaftslage bei den Flugzeugträgern von 100 Prozent. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer so argumentiert, dem kann es doch nicht um eine seriöse, offene und ehrliche Debatte über die Einsatzbereitschaft gehen. Beenden Sie bitte diesen Popanz, und beenden Sie auch die Geheimniskrämerei. Ich will einen letzten Gedanken äußern. Ich finde, wenn hier an diesem Pult Einigkeit darüber herrscht, dass diejenigen, die Soldatin oder Soldat in unserer Bundeswehr sein wollen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung aktiv bejahen und sie verteidigen müssen, ihr noch nicht mal neutral gegenüberstehen dürfen, dann müssen dem auch Konsequenzen folgen. Ich habe es im vergangenen Jahr bedenklich gefunden, dass uns immer wieder von Einzelfällen erzählt wurde. Wenn man es mit mehr als einem Dutzend Einzelfälle zu tun hat, dann muss doch jeder mit einem gesunden Menschenverstand beginnen, daran zu zweifeln, dass dahinter kein Netzwerk steht. In diesem Sinne: Herzlichen Dank, Herr Wehrbeauftragter, für Ihre Arbeit. Vielen Dank fürs Zuhören. Vielen Dank. – Als Nächster hat das Wort der fraktionslose Abgeordnete Mario Mieruch.
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Nikolas Löbel CDU/CSU
Nikolas
Löbel
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Dieser INF-Vertrag aus dem Jahr 1987 ist eine historische Errungenschaft. Ich bin Jahrgang 1986. Ich kann mich an die Debatten über den NATO-Doppelbeschluss und an die ganzen Aufrüstungsdebatten gar nicht erinnern. Ich kenne sie nur aus dem Geschichtsbuch. Aber ich bin froh, dass dieser INF-Vertrag 1987 der Meilenstein für den Einstieg in den Ausstieg aus der Aufrüstung war. Heute folgt wahrscheinlich ein nächster Meilenstein, weil die Amerikaner angekündigt haben, aus dem INF-Vertrag aussteigen zu wollen. Liebe Frau Kollegin Dağdelen, Sie haben vorhin gesagt: Was damals möglich war, müsste doch auch heute wieder möglich sein. – Damals war das möglich, weil der Wille auf beiden Seiten da war, gemeinsam abzurüsten. Dieser Wille ist nicht einseitig aufgebraucht. Vielmehr müssen wir beide Seiten daran erinnern, dass sie den Willen aufbringen müssen, sich an diesen INF-Vertrag zu halten. Damit sind wir beim nächsten Punkt, Ihrem Vorwurf, wir würden bzw. die Bundesregierung würde den Amerikanern blind Gefolgschaft leisten. Ich fordere Sie auf, erst einmal Ihre blinde Gefolgschaft gegenüber Wladimir Putin und Russland zu überdenken. Denn es war nachweislich Russland, das gegen den INF-Vertrag verstoßen hat. Das ist die Ursache für die heutige Ankündigung der USA, aus dem Vertrag auszusteigen, und nichts anderes. – Man wird ihr meine Grüße bestimmt ausrichten. Es geht aber nicht nur darum. Herr Kollege Nouripour, Sie haben gerade richtigerweise gesagt, Vertrauen sei verloren gegangen. Dieser Vertrag war aufgebaut auf gegenseitigem Vertrauen. Dieses Vertrauen ist verletzt worden. Nicht erst Donald Trump in einer gewissen intellektuellen Kürze, sondern schon sein Vorgänger Barack Obama hat seit 2014 darauf hingewiesen, dass Russland gegen den INF-Vertrag verstößt. Erst 2018 haben die Russen stückchenweise zugestanden, dass es eine neue Mittelstreckenrakete gibt. Sie haben sich dann auf Detailfragen eingelassen, zum Beispiel, dass die Rakete weniger als 500 Kilometer Reichweite hat und damit keinen Verstoß gegen den Vertrag bedeutet. Was die Russen aber nicht getan haben, ist, sich auf die notwendige Schaffung von Transparenz einzulassen. Wo ist denn die Transparenz? Wo war sie denn in den letzten 60 Tagen, als Angela Merkel nochmals eine Verhandlungsverlängerung herausgeholt hat? Wo war denn die notwendige und versprochene Transparenz, dass man sich dieses neue Waffensystem SSC-8 einmal anschauen konnte? Es wurde keine Transparenz geschaffen. Ohne Transparenz gibt es aber kein Vertrauen, und das ist der eigentliche Grund für die Aufkündigung dieses Vertrages. Was wir jetzt brauchen, ist Folgendes: Wir müssen diese Sechs-Monats-Frist, die noch bleibt, nutzen; denn es geht um viel. Es geht um den Kernbestandteil der internationalen Sicherheitsstruktur. Es geht um die Abrüstungskontrolle, die wir auf neue Füße stellen müssen. Wir müssen diesen Vertrag erhalten. Ich glaube schon, dass einer der Gründe, warum Russland diesen Vertrag infrage stellt und wieder aufrüsten will, ist, dass andere Länder nicht an diesen Vertrag gebunden sind: China, Pakistan, der Iran. Wir müssen für eine Erweiterung des INF-Vertrages sorgen. Man würde wahrscheinlich sagen: einen INF-Vertrag 4.0. Aber ein einseitiger, ein bilateraler Vertrag zwischen Russland und Amerika ist nicht mehr zeitgemäß. Wir müssen diesen Vertrag erhalten, aber wir müssen ihn auch erweitern. Einerseits geht es in den nächsten sechs Monaten darum, dafür die Basis zu schaffen. Andererseits ist aber auch klar, dass wir uns Gedanken machen müssen über die Frage: Was tun wir eigentlich, wenn die sechs Monate erfolglos verstrichen sind? Es ist richtig, sich an die Historie zu erinnern. Dieser INF-Vertrag kam nur durch gegenseitige Stärke und Verhandlungen auf Augenhöhe zustande. Deswegen dürfen wir von Beginn an keine Optionen vom Tisch wischen, sondern wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir als NATO geschlossen agieren. Wir dürfen uns nicht auseinanderdividieren lassen, sondern es braucht ein geschlossenes Handeln, aber auch eine entschlossene Antwort auf ein mögliches Stationieren neuer Mittelstreckenraketen durch Russland und die NATO. Deswegen müssen wir auch den Russen deutlich machen, wo wir die Stationierung solcher Mittelstreckenraketen nicht dulden: Stichwort Kaliningrad und andere. Deswegen ist es wichtig, dass wir diese Frist von sechs Monaten nutzen, um die NATO zu stärken und, möglicherweise auch nach diesen sechs Monaten, geschlossen und entschlossen eine Antwort zu geben; denn die Hoffnung, dass der INF-Vertrag innerhalb dieser sechs Monate bestehen bleibt, ist das eine. Aber dass vielleicht diese sechs Monate verstreichen und wir auch danach weiterarbeiten müssen, sodass es zu einem neuen INF-Vertrag kommt, ist das andere. Dies sollten wir nicht von Beginn an vom Tisch wischen, indem wir mögliche Optionen außen vor lassen. Wir nutzen diese Zeit auch als Mitglied des UN-Sicherheitsrates. Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, dass wir die Abrüstung in den Mittelpunkt unseres Ratsvorsitzes stellen wollen – gemeinsam mit Frankreich. Das ist das einzig Richtige, was wir in dieser Situation tun können. Nutzen wir unsere Verantwortung; denn der INF-Vertrag ist der Meilenstein für die Sicherheit in Europa und damit auch für Deutschland. Insoweit sollten wir unserer Verantwortung gerecht werden. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Jens Kestner, AfD-Fraktion.
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Markus Grübel CDU/CSU
Markus
Grübel
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Piraterie oder seeräuberische Handlungen sind weder romantisch, noch haben sie etwas mit Captain Jack Sparrow oder Ähnlichem zu tun. Am Sonntag kam ja einmal wieder „Fluch der Karibik“ – geniale Musik, aber kein realistisches Bild von Piraterie. Piraterie ist organisiertes Verbrechen von der übelsten Sorte, vergleichbar mit illegalem Drogenhandel, illegalem Waffenhandel, Schutzgelderpressung, Menschenhandel und Schleppertum. Wenn die Anrainerstaaten nicht in der Lage sind, dagegen vorzugehen, dann muss die Weltgemeinschaft handeln, und genau das macht die Europäische Union mit ihrer Mission Atalanta: Sie bekämpft Piraterie, sie schützt die Handelsschiffe, und sie fördert die Stabilität in der gesamten Region. Die Mission Atalanta ist erfolgreich; die Zahlen belegen dies. Staatsminister Roth und Staatssekretär Silberhorn von der Regierung haben es gerade ausgeführt. Die Seewege am Horn von Afrika sind sicher. Zu Recht kann man fragen, ob die Mission Atalanta jetzt überflüssig ist. Mit der Mission Atalanta verhält es sich vielleicht ähnlich wie mit den Coronamaßnahmen. Die Maßnahmen sind bis jetzt erfolgreich, und wenn die Zahlen gut sind, kann man in der Tat die Maßnahmen herunterfahren. Und genau das tun wir. Wir haben zurzeit 77 Soldatinnen und Soldaten dort im Einsatz. Wir hatten aber auch schon 884 Soldatinnen und Soldaten dort im Einsatz. Das sind nicht einmal mehr 10 Prozent. Durch Atalanta ist das Geschäftsmodell Piraterie des organisierten Verbrechens unwirtschaftlich geworden. Dazu, Herr Trittin, hat auch beigetragen, dass wir an Land gegen logistische Einrichtungen der Piraterie vorgehen können, weil die Piraten sehr wohl unsere Rules of Engagement kennen, sehr wohl wissen, was wir dürften und könnten, und somit einen Riesenaufwand haben, diese Piratenboote tief ins Land zu bringen. Der Aufwand ist für das organisierte Verbrechen hoch geworden. Es wird kein Geld mehr verdient, und das ist auch gut so; denn mit diesem Geld wird nur weiteres Unheil in der Region angerichtet. Zu den Linken muss ich sagen: Wenn Sie den Kampf gegen das organisierte Verbrechen nicht mitmachen, dann tun Sie mir wirklich leid, weil Sie dann verhindern, dass wir denen das Handwerk legen. Wir stehen in der Region vor einem Bündel an Herausforderungen: innerstaatliche und zwischenstaatliche Konflikte, islamistischer Terror, organisierte Kriminalität, Korruption, Armut, Nahrungsmittelknappheit, Heuschreckenplage, fragile Ökosysteme, Bevölkerungswachstum, Flüchtlingsbewegungen. Aktuell kommt die Coronapandemie noch dazu. Heute wurde ein Flugzeug mit Hilfsgütern möglicherweise von Terroristen abgeschossen. Natürlich löst die Operation Atalanta nur einen Teil der Probleme. Ein Beifang zum Beispiel ist die Überwachung der Fischereitätigkeit; auch das ist in der Region wichtig. Aber die Bundesregierung und wir als Koalition verfolgen einen vernetzten Ansatz. Allein das Entwicklungsministerium hat Maßnahmen in Somalia im Gesamtwert von 368 Millionen Euro. Wenn die AfD das Symbolpolitik nennt, dann kann man das so nennen. Ich finde, das ist ein Pfund, mit dem wir uns sehen lassen können. Über 20 000 Schiffe befahren jedes Jahr diese Seeregion, und alle Länder dieser Welt haben ein berechtigtes Interesse daran, dass diese Seewege frei und sicher sind. Die Handelswege zu schützen, das ist nicht zu kritisieren. Auftrag unserer Bundeswehr ist es, gemeinsam mit unseren Verbündeten und Partnern für freie und sichere Welthandels- und Versorgungswege zu arbeiten. Das stand so im Weißbuch 2006, das steht im Weißbuch 2016, und das hat 2010 völlig zu Recht unser Bundespräsident Horst Köhler gesagt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Nikolas Löbel.
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Stephan Thomae FDP
Stephan
Thomae
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Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen! Verehrte Kollegen! Von den fünf Vorlagen, die wir heute behandeln, möchte ich mich den beiden Gesetzentwürfen zum Artikel 3 Absatz 3 GG, dem Begriff der Rasse im Grundgesetz zuwenden. Dazu haben die Kollegen Frei und Wiese eben schon ausgeführt, dass es keine triviale sprachliche Aufgabe ist, das Problem zu beheben, ohne den Schutzraum zu verengen. Momentan sagt Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz, dass niemand „wegen … seiner Rasse … benachteiligt oder bevorzugt werden“ darf. Auf den ersten Blick ist diese Unrechtskennzeichnung auch nicht zu beanstanden; aber – und das ist das Problem, das schon angesprochen worden ist – die Verwendung des Begriffes „Rasse“ im Grundgesetz setzt voraus, dass es Rassen gibt, derentwegen man eben nicht benachteiligt werden darf. Aber – Sie sagten es schon, Herr Kollege Frei – das entspricht nicht den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen; auch Frau Kollegin Polat hat dies ausgeführt. Menschenrassen gibt es eben nicht – im Gegensatz zu den anderen Kriterien in Artikel 3 Absatz 3 wie Sprache, Geschlecht, Abstammung, Herkunft, Glaube. Das sind Dinge, die es gibt, wohingegen es Menschenrassen eben nicht gibt, meine Damen und Herren. Deshalb müssen wir uns von diesem Begriff der Rasse lösen, ohne die Unrechtskennzeichnung von Rassismus aufzuheben und ohne den Schutzraum einzuengen. Das ist genau das Problem, um das es geht. Es gab schon mal vor vielen Jahren den Ansatz, den Begriff der Rasse einfach zu streichen; aber damit würde die Unrechtskennzeichnung nicht mehr im Verfassungstext selber sichtbar sein. Das Merkmal muss gleichwohl weiterhin benannt werden, ohne sich die Rassentheorie anzueignen. Deswegen gab es als Zwischenschritt die Überlegung, ob man das Verbot der Benachteiligung aus rassistischen Gründen ins Grundgesetz aufnehmen solle. Das löst aber das Problem auch nicht; denn es kommt ja eigentlich nicht darauf an, welche Gründe jemand für sein Verhalten hat, sondern ob objektive Kriterien jemandem einen Nachteil zuweisen, weil er einer bestimmten Volksgruppe zugewiesen wird oder weil er tatsächliche oder vermeintliche vererbbare Merkmale aufweist. All das reflektieren zwar die beiden Gesetzentwürfe von Grünen und Linken, die wir heute beraten; aber in Wirklichkeit macht es die Sache nicht besser, nur von einer „Benachteiligung“ zu sprechen, wenn jemand rassistisch diskriminiert wird. Denn auch das entspringt ja einer Geisteshaltung; „rassistisch“ ist ein innerer Tatbestand. Wir müssen aber, um jetzt das Gute zu tun, ohne dabei den Verfassungstext zu verschlechtern, überlegen, ob es nicht auch Fallgruppen und Fallgestaltungen geben kann, in denen jemand wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit schlechtergestellt wird, das aber gar nichts mit einer inneren Geisteshaltung, also „rassistisch“ oder „Rassismus“, zu tun hat. Diese Fälle wollen wir nicht ausschließen, und das hinzubekommen, ist die nicht triviale Aufgabe, vor der wir hier stehen. Deswegen müssen wir gut überlegen und beraten, welche Formulierungen wir wählen, damit es nicht zu einer Verengung des Schutzraumes kommt. Genau das wollen wir eben nicht. Und hier bleibt festzustellen: Den Stein der Weisen hat noch keiner gefunden. Die Systematik, abstraktive Substantiva zu nutzen, die Tatsachen markieren, statt Adjektive oder Adverbien, die eben innere Haltungen, Eigenschaften, Bewertungen oder Beschreibungen enthalten – das ist das Problem, mit dem wir uns befassen müssen, und da sollten wir jetzt in Gespräche eintreten. Es gab schon mal im Juni dieses Jahres einen Brief meines Fraktionsvorsitzenden Christian Lindner an Ihre Fraktionsvorsitzenden, Frau Göring-Eckardt und Herrn Hofreiter, um Gespräche aufzunehmen. Wir freuen uns sehr, dass jetzt ein Beschluss des Kabinettsausschusses vorliegt, mit dem ebenfalls dieser Faden aufgenommen wird. Das heißt: Jetzt sollten die Beratungen beginnen, wie wir uns von diesem Begriff lösen, ohne im Grunde den Schutzraum zu verengen, den wir alle erhalten wollen. Das wird anspruchsvoll, aber ich freue mich sehr darauf. Herr Kollege. Vielen Dank. Herr Kollege Thomae, herzlichen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Gökay Akbulut, Fraktion Die Linke.
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Jessica Rosenthal SPD
Jessica
Rosenthal
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal möchte ich mich bei Ihnen bedanken, liebe CDU/CSU-Fraktion, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, dass Sie heute die berufliche Bildung als Tagesordnungspunkt im Plenum aufrufen. Ich möchte Ihnen auch gerne anbieten, dass wir konstruktiv zusammenarbeiten und die vielen guten Vorschläge aufgreifen. Aber ich möchte gerade in Ihre Richtung einmal klar sagen, dass dieser vorliegende Antrag deutlich zeigt, dass es gut ist, dass Sie nicht mehr Teil der Regierung sind. In den letzten 16 Jahren sind Sie nämlich die Systematisierung der Berufsorientierung, die Sie hier anmahnen, nicht angegangen. Es gab keinen Fokus auf die berufliche Bildung. Die Mindestausbildungsvergütung haben wir im Arbeitsministerium erstritten. Bevor Sie sich jetzt zu lautstark aufregen: Ich habe verstanden, dass Sie mit den letzten 16 Jahren eher nichts zu tun haben wollen und daran nicht erinnert werden wollen. Das ist in den letzten Monaten deutlich geworden. Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Albani? Sehr gerne. Herzlichen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Frage zulassen. – Wenn Sie das so sagen – und ich möchte Sie extra früh bremsen –, nehmen Sie dann bitte zur Kenntnis – ich hoffe, Sie können mir da zustimmen –, dass wir in der letzten Legislatur mit der grundsätzlichen Veränderung des Berufsbildungsmodernisierungsgesetzes und der erstmaligen Einführung der DQR-Stufen 5 und 6 genau diesen Weg begonnen haben, den wir heute konsequent weitergehen. Wenn das nichts ist, verstehe ich das nicht ganz. Und auch das Aufstiegs-BAföG haben wir deutlich modernisiert, mehr Geld hineingepackt: 350 Millionen Euro. Wenn 350 Millionen Euro nichts sind, dann bitte ich Sie, mich zu korrigieren. Ignorieren Sie das bitte nicht. Sind Sie dazu bereit? Ich gehe sehr gerne auf Ihre Frage ein, Herr Kollege. Ich werde in den weiteren Ausführungen meiner Rede noch einmal deutlich machen, was wir jetzt in der beruflichen Bildung eigentlich brauchen, was wir übrigens auch in den Koalitionsvertrag geschrieben haben. Da stehen nämlich nicht nur kleine kosmetische Veränderungen drin, sondern eine strukturelle Antwort. Und deshalb mache ich meine Kritik – wenn Ihnen das besser passt – auch sehr gerne an Ihrem Antrag selbst deutlich und würde damit jetzt auch fortfahren. Wenn man sich Ihre Analyse anguckt, dann möchte ich Sie – das ist auch in Ihren Ausführungen deutlich geworden – auf einen Umstand hinweisen: Hier sind einige junge Menschen, die uns zuhören. Wo kommen die eigentlich in Ihrem Antrag vor? Wo findet die Perspektive junger Menschen in Ihrem Antrag statt? Wo geht es eigentlich um Freiräume, auszuprobieren, wo Stärken und Schwächen sind? Wo geht es darum, welche Berufswünsche junge Menschen haben? Wo geht es in Ihrem Antrag darum, dass junge Menschen sich geregelte Arbeitszeiten wünschen, Kreativität in ihrem Beruf und auch gute Arbeitsbedingungen? Wo geht es in Ihrem Antrag um Ausbildungsmobilität, darum, dass man sich Wohnraum nicht leisten kann, dass es tatsächlich auch ein Problem ist, dass man mit dem Bus zum Beispiel nicht zur Berufsschule kommen kann, dass man sich die Preise nicht leisten kann? Wo geht es um junge Menschen in Ihrem Antrag? Ich sehe davon nichts. Das Zweite ist: In Ihrer Analyse kommen Sie sehr klar dazu, dass Sie die akademische Bildung und die berufliche Bildung gegeneinanderstellen, und ich glaube, es ist falsch, das gegeneinanderzustellen. Wir haben zwei Säulen, und worum es dieser Ampelkoalition hier geht, ist, Brücken zu bilden, Brücken zwischen den Säulen, dass man immer wieder von der einen Säule zur anderen gehen kann. Es geht darum, unterschiedliche Lebensmodelle möglich zu machen und nicht das eine gegen das andere auszuspielen. Das ist nicht unser Stil. Wir wollen viel innovativer, viel moderner sein. Wenn wir über Gleichwertigkeit sprechen, dann muss es auch darum gehen, Weiterbildung zusammen mit beruflicher Bildung, mit Ausbildung zu denken, dann muss es um Weiterbildungspfade gehen. Auch das sehe ich nicht in Ihrem Antrag. Dann wurde ein weiterer Punkt völlig außen vor gelassen, und das ist die Frage, was eigentlich mit den vielen jungen Menschen ist, die im Übergang sind. Der Berufsbildungsbericht hat es wieder deutlich gemacht: 230 000 Menschen sind im Übergang. Was ist eigentlich mit ihnen? Auch nicht gesprochen haben Sie darüber, was eigentlich mit der Integrationskraft unseres beruflichen Bildungssystems ist. Sie sagen nicht wirklich: Wir wollen ein Einwanderungsland sein, und wir bilden das in diesem beruflichen Bildungssystem auch ab. Deshalb muss ich sagen: Wenn ich mir nur die Analyse Ihres Antrags angucke, dann wundert es mich auch nicht, dass Sie in den Forderungen wirklich weit hinter dem zurückbleiben, was eigentlich strukturell verlangt ist. Es ist gut und richtig, auf Digitalisierung einzugehen. Vielleicht haben Sie in den letzten Haushaltsberatungen zur Kenntnis genommen, dass das bereits im Haushalt angelegt ist. Es ist natürlich auch richtig, dass wir eine Systematisierung der Berufsorientierung brauchen; genau das werden wir jetzt angehen. Auch hier haben wir schon viele Instrumente im Haushalt abgebildet. Zusätzlich wollen wir aber noch die Jugendberufsagenturen als ein Mittel, damit junge Menschen wirklich einen Anlaufpunkt haben, einen Anlaufpunkt, an dem sie immer auch Menschen erreichen können, die ihnen die Hand reichen, die ihnen neue Perspektiven und vielleicht auch neue Ausbildungswege aufzeigen. Das haben wir im Koalitionsvertrag verankert. Das wollen wir stärken. Wir wollen, dass das eine Stütze für junge Menschen ist. Wir wollen die Ausbildungsmobilität erhöhen. Gerade hierfür werden wir jetzt ein Programm für junges Wohnen auflegen. Und wir wollen eine strukturelle Antwort auf all diese Fragen geben und dabei auch diejenigen, die in den Übergängen sind, diejenigen, die ungelernt sind, ansprechen. Wir wissen doch, dass es extrem schwer ist, wenn man keine Ausbildung hat, eine gute Berufsbiografie zu haben, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Deswegen sprechen wir immer wieder von der Ausbildungsgarantie. Diese Ausbildungsgarantie ist noch mal an ein Angebot an Unternehmerinnen und Unternehmer, an alle Akteurinnen und Akteure der beruflichen Bildung und natürlich auch an alle hier im Parlament. Sie soll die Berufsorientierung, die berufliche Bildung insgesamt neu auflegen, ihr ein Upgrade geben und vom Übergang zwischen Schule und Beruf bis hin zu den schulischen Angeboten in der beruflichen Bildung die Ausbildungsangebote im schulischen Bereich zusammendenken und vor allem – auch hier bleiben Sie auf jeden Fall hinter meinen Erwartungen zurück – Kleinstbetriebe und mittelständische Unternehmen dabei unterstützen, dass sie ausbilden können. Denn das zeigt der Berufsbildungsbericht ja auch: dass gerade an dieser Stelle wirklich strukturelle Defizite und Probleme vorhanden sind. Deswegen wollen wir zum Beispiel auch die Verbundausbildungen stärken. Kommen Sie bitte zum Schluss. Also, Sie sehen: Wir können Ihrem Antrag nicht zustimmen, weil er einfach viel zu kurz greift und wir als Fortschrittskoalition strukturell sehr, sehr Großes vorhaben und genau das auch umsetzen werden. Vielen Dank. Dr. Götz Frömming von der AfD-Fraktion ist der nächste Redner.
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Dr.
Dr. Gesine Lötzsch DIE LINKE
Gesine
Lötzsch
DIE LINKE
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf sollen die Menschen zu Energieeinsparungen – wörtlich – „angereizt“ werden. Ich frage Sie: In welcher Realität leben Sie denn eigentlich? Die Menschen sparen doch jetzt schon, wo sie können, weil sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Das müssen Sie doch mal zur Kenntnis nehmen. Sie treiben mit Ihrer Politik die Menschen in die Armut. Die Aussetzung bzw. die Verschiebung des CO2-Preises ist eben keine Lösung. Ich bin der Auffassung: Wir müssen diese CO2-Preise endlich abschaffen! Die marktgläubige Klimapolitik ist nämlich sozial ungerecht. Sie trifft immer die Menschen am härtesten, die für wenig Geld jeden Tag arbeiten gehen müssen oder gar keine bezahlte Arbeit haben. Daran wird eine echte Klimawende scheitern. Die Klimakrise ist nur dann zu stoppen, wenn die Verteilungskrise gelöst wird. Doch eine Vermögensteuer steht zum Beispiel immer schön in den Wahlprogrammen von SPD und Grünen, nur nicht in den Koalitionsvereinbarungen. Da ist doch was faul. Da müsste sich was ändern, meine Damen und Herren. Die Bundesregierung will nun, dass Mieter und Vermieter Energie sparen. Bisher mussten – das ist ja schon dargestellt worden – die Mieter den CO2-Preis zu 100 Prozent zahlen. In Ihrem Koalitionsvertrag haben Sie sich verpflichtet, diesen Preis hälftig, also fifty-fifty, zwischen Mietern und Vermietern aufzuteilen. Das wird aber mit diesem Gesetzentwurf nicht passieren. Der Berliner Mieterverein rechnet sogar damit, dass vier von fünf Haushalten mehr als 50 Prozent des CO2-Preises zahlen müssen. Das ist schwer ungerecht, meine Damen und Herren. Der Mieterbund rechnet vor, dass die CO2-Abgabe für eine Wohnung im Jahr 2022 rund 67 Euro für Gas und 98 Euro für Heizöl ausmacht. Bis 2025 soll der Preis für Gas auf 125 Euro und für Öl auf 180 Euro steigen. In Anbetracht der explodierenden Preise ist das für viele Menschen nichts anderes als eine offene Drohung. Dem stellen wir uns entgegen, meine Damen und Herren. Sie wollen mit dem CO2-Preis einen finanziellen Anreiz zum Energiesparen schaffen. Das Problem ist, dass die Mieterinnen und Mieter überhaupt keinen Einfluss darauf haben, ob die Vermieter ihr Haus energetisch sanieren oder nicht. Dieses Modell trifft besonders arme Menschen, die in schlecht sanierten Häusern wohnen. Das ist im höchsten Maße ungerecht, und das können wir nicht hinnehmen. Meine Damen und Herren, wir fordern in unserem Antrag, dass der CO2-Preis zu 100 Prozent von den Vermietern zu tragen ist. Ich sagte ja, wir wollen den CO2-Preis abschaffen. Nur so schaffen wir einen starken finanziellen Anreiz für die energetische Sanierung von Wohnhäusern. Natürlich wissen wir, dass es viele Kleinvermieter gibt. Wir wollen, dass die Kleinvermieter durch einen Härtefallfonds entlastet werden. Das wäre der richtige Weg. Das wäre der gerechtere Weg. Dafür kämpfen wir. Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat Martin Diedenhofen das Wort.
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Dr.
Dr. Rainer Kraft AfD
Rainer
Kraft
AfD
Danke, Herr Präsident. – Frau Minister, die angesprochenen Schüler, die sich freitags dem Unterricht entziehen, sind ja zum einen Schutzbefohlene der Lehrer und unterliegen zum anderen natürlich der Aufsicht ebendieser Lehrer. Diese unterstehen wiederum der Schulleitung. Was gedenken Sie als im Prinzip Chefin dieser Lehrer zu tun, wenn dieser Aufsichtspflicht nicht Genüge getan wird? – Ja, ich weiß, das betrifft im Prinzip die Länder. – Was ist Ihre Empfehlung an Ihre Kollegen in den Ländern, wenn Lehrer ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkommen? Wer wird die Verantwortung übernehmen, wenn durch Missachtung dieser Aufsichtspflicht während der Zeit, in der die Schüler eigentlich Schutzbefohlene ihrer Lehrer sind, etwas passiert?
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Heike Baehrens SPD
Heike
Baehrens
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist eigentlich das Aktuelle an dieser Aktuellen Stunde? Die Äußerung eines einzelnen Autorenteams, eine Äußerung, die bereits vielfach debattiert, kritisch kommentiert, widerlegt, ja sogar von den Autoren selbst überarbeitet wurde. Wieder einmal greift die AfD nach jedem Strohhalm, um Maßnahmen zum Infektionsschutz anzugreifen und die Menschen in unserem Land zu verunsichern. Sie fordern eine „sachliche und transparente Aufklärung“, habe ich vorhin gehört, und interpretieren dann komplexe Sachverhalte und Daten oberflächlich, picken nur heraus, was Ihnen vermeintlich hilft, um die Infektionsgefahr zu bagatellisieren und um Misstrauen gegenüber den beschlossenen Maßnahmen zu schüren. Damit werten Sie die Kraftanstrengung ab, die so viele gemeinsam schultern, um diese Pandemie zu bekämpfen. Es ist für mich befremdlich und vor allem auch beschämend, dass eine ganze Fraktion dieses Hauses das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit leugnet, dass Sie Leid und Tod ignorieren, kleinreden, lächerlich machen, nur um Stimmen zu sammeln von denen, die Corona leugnen. Bettenzahl, Fallzahl – das klingt anonym, und das klingt technokratisch. Aber hinter jedem einzelnen belegten Bett auf einer Intensivstation verbirgt sich ein ganz konkretes Schicksal. Da wird um das Leben eines Menschen gerungen. Jedes belegte Intensivbett bedeutet individuelles Leid eines schwer erkrankten Menschen. Da sind Angehörige, die oft über Wochen zwischen Hoffen und Bangen hin- und hergerissen sind, die selbst nicht helfen können, weil sie gar keinen Zugang haben. Da gibt es womöglich einsames Sterben und die Seelennöte von allen, die nicht voneinander Abschied nehmen können. Gleichzeitig – das ist heute schon zur Sprache gekommen – steht das Personal in den Pflegeeinrichtungen und in den Krankenhäusern seit Monaten unter extremer Dauerbelastung. Ärztinnen und Pflegepersonal, aber auch Reinigungskräfte, Verwaltungsmitarbeiter, Krankenwagenfahrer, Rettungssanitäter, sie alle arbeiten unter psychischer und physischer Höchstbelastung. All das ignorieren diejenigen, die Maßnahmen zum Infektionsschutz diskreditieren. Das ist respektlos und grenzt an Menschenverachtung. Jetzt haben wir durch verantwortungsvolle Maßnahmen und durch gemeinsame Anstrengungen die Kurve gekriegt. Weniger Menschen stecken sich an, weniger Menschen müssen beatmet werden. Die Belastung auf den Intensivstationen lässt langsam nach. Das ist ein Grund zur Freude. Ja, eigentlich müssten wir es feiern, dass unsere Intensivstationen eben nicht kollabiert sind, dass wir es geschafft haben, die ganz große Katastrophe durch vorbeugendes Handeln zu verhindern. Anstatt diesen Erfolg anzuerkennen, sticheln und provozieren Sie weiter. Anstatt dem Personal in den Krankenhäusern den notwendigen Respekt zu zollen, machen Sie weiter alle Maßnahmen verächtlich, die dort Entlastung bringen. Das „A“ in Ihrem Parteinamen steht aktuell wieder einmal für „Antwortverweigerer“; denn Sie bringen keine Lösungsvorschläge, keinen Beitrag zur Pandemiebekämpfung. Und: Ja, Sie sind sogar Allesverweigerer, wenn es darum geht, Menschen vor diesem tückischen Virus zu schützen. Nur eines, das sind Sie gewiss nicht: eine Alternative für dieses Land und schon gar keine Wahloption für Menschen, denen die Gesundheit und das Wohlergehen aller am Herzen liegt. Vielen Dank.
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Karsten Möring CDU/CSU
Karsten
Möring
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gehring, ich habe manchmal den Eindruck, dass Sie nur dann zufrieden sind, wenn wir regelmäßig eine Quote von, sagen wir mal, 50 Prozent BAföG-Empfängern haben. Sie ignorieren dabei, warum diese Quote sinkt. Sie sinkt, weil die Eltern im Laufe der Jahre immer höhere Einkünfte haben und leistungsfähiger sind. Das ist der eigentliche Grund, und es ist ein guter Grund dafür, dass die Quote sinkt. Herr Dr. Brandenburg, ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, dass Sie am Ende Ihrer Rede tatsächlich noch zwei Sätze auf den Antrag der FDP verwendet haben. Ich hatte nämlich schon befürchtet, dass ich bei diesem Tagesordnungspunkt als Vertreter des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen fehl am Platz bin. Aber immerhin haben Sie mich noch daran erinnert, dass es tatsächlich einen FDP-Antrag gibt. Dabei ist das Thema Wohnen für Studenten in der Tat wichtig und auch nicht unproblematisch. Wir haben schon öfter darüber gesprochen, und wir haben auch über Lösungsansätze gesprochen. Aber was ist Ihr Lösungsansatz für das Problem, dass es zu wenige Plätze in Wohnheimen für Studierende gibt? Sie möchten die Azubis auch noch da reinbringen. Das hat mich jetzt wirklich überrascht. Und überrascht hat mich dann auch die Begründung, dass Sie in der Etagenküche die Theorie und die Praxis, die Wissenschaft und die Praxis, zusammenbringen und einen Austausch ermöglichen wollen. Abgesehen davon, dass ich nicht weiß, ob die sich dann wirklich immer in der Etagenküche unterhalten würden – vielleicht doch eher abends beim Bier, wenn überhaupt –, bleibt das Problem, dass Sie auf diese Weise die eine Not nicht mit einer anderen vertreiben können. Im Übrigen – auch das ist richtig – ist die Situation nicht überall so. Ich las vor zwei, drei Tagen in der Zeitung, dass das Studierendenwerk Mainz beklagte, dass es mehrere Hundert Wohnheimplätze nicht vermieten kann – warum, weiß ich nicht. Offensichtlich muss es neben den Heimen eine Wohnraumversorgung geben, die funktioniert. Azubis und Studierende gemeinsam unterzubringen, ist vielleicht nicht die ideale Lösung. Vor allen Dingen – Sie sind ja sonst eigentlich immer sehr marktorientiert – ist es heutzutage ein Problem, Azubis zu bekommen. Warum? Unter anderem, weil man tatsächlich mit der Unterbringung Probleme hat. Aber deswegen gibt es bei den Krankenhäusern schon seit Dutzenden von Jahren Schwesternwohnheime, und darum haben großen Firmen Wohnheime für ihre Auszubildenden. Und wenn Sie mal auf die Seite der IHK Köln gehen und gucken, was es dort für Angebote gibt, dann werden sie da Jugendwohnheime für Auszubildende von verschiedenen Trägern und einiges mehr finden. Das ist nicht nur in Köln so; das gibt es auch in anderen Städten in größerem Umfang. Es gibt diese Angebotssituation, weil die Firmen Auszubildende haben wollen – und möglichst anschließend auch Fachkräfte. Was bieten Sie angesichts Ihrer Problembeschreibung für ein Instrumentarium an? Die Öffnung von Wohnheimen für Auszubildende habe ich schon genannt. Da sollen dann zwei Gruppen miteinander konkurrieren. Und dann kommen Sie auf die geniale Idee, Belegungsrechte anzukaufen. Ich wusste gar nicht, dass Sie für die Bewirtschaftung von Wohnraum sind. Die Belegungsrechte, die wir haben, sind jene, die die Kommunen kaufen, damit sie Personen unterbringen können, die sie unterbringen müssen. Dazu gehören bisher sozial Schwache, aber nicht unbedingt Studenten und Auszubildende. Wen wollen Sie denn auf diese Weise noch begünstigen? Es geht noch weiter. Dann haben Sie die tolle Idee, die Mittel für den sozialen Wohnungsbau langfristig abzuschmelzen. Das sind Mittel der Länder, mit denen man auch Wohnheime bauen kann. Sie wollen diese Mittel abschmelzen, sagen aber gleichzeitig: Ja, aber bis das passiert, sollten diese Mittel bitte genommen werden, um mehr Wohnheime zu bauen. – Konsistente Politik stelle ich mir anders vor. Und dann haben Sie noch Ideen wie diese: Man sollte eine Begünstigung des Wohnheimbaus bei der Grunderwerbsteuer vorsehen. – Abgesehen davon, dass auch dies eine Empfehlung an die Länder ist, bitte ich Sie: Fragen Sie mal Ihren Generalsekretär in Rheinland-Pfalz, was er davon hält, ob er bereit ist, das zu tun, und wie man das abgrenzen könnte. – Lassen wir mal die Details weg. Dann zum Thema Baukostensenkung. Soll man denn für Studentenwohnheime oder Auszubildendenwohnheime weniger Dämmung vorsehen, keinen Fahrstuhl im Hochbau, oder was soll man da eigentlich weglassen, um die Baukosten zu senken? – Ich glaube, Studenten brauchen auch Keller. Wenn sie ein kleines Zimmer haben, brauchen sie Platz zum Beispiel für ihre Koffer. Jetzt zu den Stellplätzen. Nordrhein-Westfalen hat die Stellplatzregelungen den Kommunen überlassen. In Münster gibt es pro fünf Wohneinheiten einen Stellplatz, Köln hat pro vier Einheiten einen. Das ist woanders Luxus. Alles, was Sie sonst zur Digitalisierung und Ähnlichem sagen, ist wunderbar und richtig, hat aber nichts mit dem Thema zu tun. Das Ganze gipfelt dann in der Forderung nach einem elternunabhängigen Baukasten-BAföG. Baukasten-BAföG! Da habe ich gedacht: Ein solcher Baukastenantrag, wie Sie ihn hier gestellt haben, mit einer so schlechten Begründung ist etwas für den Spielplatz, aber nicht fürs Parlament. Das lehnen wir ab.
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Jürgen Trittin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Jürgen
Trittin
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Linken hat ja prominente Unterstützer: den sächsischen Ministerpräsidenten Kretschmer, den thüringischen Ministerpräsidenten Ramelow, den brandenburgischen Ministerpräsidenten Woidke und Frau Schwesig. Ich finde, spätestens das hätte euch, liebe Genossinnen und Genossen, zu denken geben sollen, ob ihr da auf dem richtigen Pfad seid. Sicher, es gibt unsinnige Sanktionen. Eine unsinnige Sanktion ist zum Beispiel, den russischen Parlamentariern Vorwände dafür zu liefern, warum sie nicht mehr mit uns diskutieren müssen. Das ist Unsinn. Aber es kann doch keinen Zweifel daran geben, dass Sanktionen als Reaktion auf die Verletzung des Völkerrechts – ein Anschlag auf die Basis der Sicherheitsarchitektur Europas – durch die Besetzung der Krim eine maßvolle, aber notwendige Antwort gewesen sind. Herr Hampel, wir haben ja viel in die Geschichte zurückgeblickt. Ich will darauf hinweisen, dass die Schlussakte von Helsinki von der Sowjetunion abgeschlossen worden ist. Darin steht, dass jedes Land in Europa die Freiheit hat, sein eigenes Bündnis zu wählen. Da gibt es keine Einflusssphären, sondern die Freiheit, selber Bündnisse auszuwählen, und diese stellen keine Bedrohung des anderen dar. Dahin müssen wir zurückkehren. Selbstverständlich ist der Befund richtig, dass die Sanktionen im Zusammenhang mit dem Minsker Abkommen stehen. Was will Putin in der Ostukraine? Er will das Land stabilisieren. Er will eine Lektion erteilen: Jeder, der sein Recht auf Selbstbestimmung wahrnimmt, wird mit dem Verlust von Stabilität bedroht. Putin will einen Failed State. Wenn Sie über europäische Interessen reden: Es ist nicht unser Interesse, in unserer unmittelbaren Nachbarschaft einen Failed State zu haben. Deswegen kann doch die Antwort nicht sein: Weil das noch nicht gewirkt hat, gehen wir einfach zur Tagesordnung über. – Wir müssen doch alles dafür tun, damit der Zerfall der Ukraine aufgehalten wird. Selbstverständlich trägt Russland die Hauptverantwortung. Aber wir sehen auch, dass es innerhalb der Ukraine immer wieder Kräfte gibt, die, statt für weniger Korruption und weniger Oli­garchie zu sorgen, lieber auf einen nicht zu gewinnenden Krieg setzen. Aber was ist die Antwort der Europäer darauf? Die Antwort der Europäer ist doch, dass wir der Ukraine konditioniert helfen, um dort eine, wie es so schön heißt, „better governance“ zu erreichen. Der andere Teil dieser Strategie ist, dass wir von Russland bitte schön erwarten, dass es das, was es unterschrieben hat, tatsächlich umsetzt. Das ist die einfache Logik. Dann gibt es auch keine Sanktionen mehr. Ich will eines hinzufügen: Dieses Problem werden wir nur lösen, wenn wir dieses Europa zusammenhalten. Wir dürfen nicht zulassen, dass uns über die Frage, wie man damit umgeht, nämlich mit dieser Strategie von konditionierter Hilfe für die Ukraine und Sanktionen mit dem Ziel der Umsetzung des unterschriebenen Abkommens, dieses Europa um die Ohren fliegt. Herr Lambsdorff, ich bin nicht so ganz zuversichtlich, ob man von „den westlichen Interessen“ sprechen kann. Ich sehe mit einer gewissen Sorge, dass die USA teilweise andere strategische Interessen verfolgen, als wir Europäer das dort tun. – Ich kann das belegen. Innerhalb kürzester Zeit haben die USA beschlossen, in die Konfliktregion Waffen zu liefern, was den Konflikt verlängert. Parallel dazu hat man mal eben einen Tanker mit Flüssiggas von der Jamal-Halbinsel nach kurzem Umladen in London nach Boston gebracht. Die Lieferung stammt von Nowatek. Nowatek ist ein russisches Unternehmen, dessen Name auf unserer wie auch auf der amerikanischen Sanktionsliste steht. Ich finde, diese Form von „America first“ darf nicht die Ukraine-Politik bestimmen. Deswegen sage ich Ihnen, auch in Richtung der Linken: Wir müssen dieses Europa zusammenhalten; denn alles andere wäre das Ende von Minsk. Das Ende von Minsk wäre nicht das Ende des Krieges, sondern die Intensivierung dieses Krieges. Das kann niemand ernsthaft wollen. Ich rufe den Kollege Mario Mieruch auf. – Herr Kollege, lassen Sie sich Zeit. Sie haben einen weiten Weg; nicht dass Sie fallen.
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Dr.
Dr. Götz Frömming AfD
Götz
Frömming
AfD
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Kollegin Steffen, schade, dass Sie die Zwischenfrage vorhin nicht zugelassen haben. Jetzt muss ich in Ihrer Rede ein bisschen zurückgehen. Sie haben es in üblicher Manier wieder einmal so hingestellt, dass von der bildungsfernen AfD angeblich noch nie jemand im Ausland war. Ich möchte Ihr Weltbild nicht zu sehr erschüttern, aber auch wir reisen durch die Welt. – Ausreden lassen ist auch eine demokratische Tugend. Unser Gesetzentwurf ist beileibe kein Fundamentalangriff auf die Stiftungen. Ich selbst habe in meiner Laufbahn als Lehrer auch öfter Gutachten für Schüler geschrieben, die zum Beispiel ein Praktikum oder Ähnliches bei einer Stiftung machen wollten. Uns geht es vielmehr darum, genauer hinzuschauen, was die Stiftungen zum Beispiel im Ausland machen. Vielleicht würden Sie mir das zugestehen, wenn ich Ihnen sage: Die „Jüdische Allgemeine“ kritisiert, dass eine gewisse Heinrich-Böll-Stiftung mit der Hamas in Beirut Veranstaltungen abhält. Wenn diese Kritik auch von anderer Stelle kommt, dann kann man doch hier einmal darüber reden, ob es wirklich sinnvolle Aktivitäten der Stiftungen im Ausland sind, sich derart in das politische Geschehen im Ausland einzumischen, dass hieran sogar unsere jüdischen Freunde Kritik üben. Vielleicht nehmen Sie ja diese Kritik zur Kenntnis. – Vielen Dank. Frau Kollegin Steffen, mögen Sie antworten? – Bitte sehr.
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Michael Kuffer CDU/CSU
Michael
Kuffer
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Das Gebot der Stunde ist Hilfe. Die effektivste Hilfe ist die Hilfe vor Ort, etwa durch den Einsatz des THW, dem ich bereits an dieser Stelle für den Einsatz alles Gute und Gottes Segen wünsche. Das ist die humanitäre Dimension und die Frage der Hilfe in der Not. Freilich gibt es darüber hinaus eine politische Dimension, die zu diskutieren dieser Brand nötig macht. Natürlich ist es ein alarmierendes Bild für die europäische Flüchtlingspolitik, wenn 13 000 Personen in Griechenland stranden, für die es keine Perspektive und keine Lösung gibt. Ich hoffe, dass jene Mitgliedstaaten in der EU, die bisher eine Lösung beim GEAS blockiert haben, jetzt zu einem Umdenken kommen. An der Bundesrepublik Deutschland liegt es ganz sicher nicht, und an unserem Bundesinnenminister liegt es schon dreimal nicht. Man kann es nicht oft genug betonen: Die Situation auf den griechischen Inseln ist kein originär griechisches Problem; es ist ein europäisches, und deshalb kann auch die Lösung nur eine europäische sein. Und eine europäische Lösung, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir nun durch ein kluges Vorgehen wahrscheinlicher machen, oder wir können sie unwahrscheinlicher machen. Mit einem deutschen Alleingang würden wir sie unwahrscheinlicher machen. Und ich habe Verständnis dafür, dass jetzt von verschiedensten Seiten viele Forderungen erhoben werden, die damit zu tun haben, dass man unter dem Eindruck dieser Bilder endlich das durchdrücken kann, was man sich politisch so vorstellt. Aber letztlich haben wir jetzt alle eine Verantwortung zu tragen – das alleine muss jetzt unser Handeln bestimmen –, weil das Thema neben der humanitären und der politischen eine dritte Dimension hat, die wichtig ist, nämlich eine präventive. Wir haben nämlich auch und gerade die Verantwortung dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir eine Wiederholung solcher Dramen unwahrscheinlicher machen oder gar für die Zukunft ausschließen. Und wenn wir jetzt in einer völlig falsch verstandenen vermeintlichen Menschlichkeit alle Ampeln auf Grün stellen, sofort die Inseln evakuieren und die Menschen in Europa verteilen oder gar nach Deutschland holen, dann passiert doch absehbar Folgendes: Wir schaffen einen Pull-Faktor, der größer nicht sein kann, und wir schaffen die Voraussetzung dafür, dass demnächst in Moria die nächsten 15 000 bis 20 000 Menschen stranden, für die es wieder keine Perspektive und keine Lösung gibt. Und ich sage Ihnen darüber hinaus ganz offen, dass wir die Reaktion auch so auslegen müssen, dass die Gefahr einer Wiederholung von Brandstiftungen kleiner und nicht größer wird. Wir wissen mittlerweile sicher, dass es sich um Brandstiftung handelt. Der Sprecher der griechischen Regierung hat gestern Nachmittag zur Frage, von wem die Brände gelegt worden sind, eine eindeutige Antwort gegeben. Wie auch immer es gewesen ist: Ich will mir auf jeden Fall nicht vorstellen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie viele Menschenleben wir gefährden, wenn der Eindruck entsteht, dass ein Brand die Eintrittskarte auf das europäische Festland sein kann. Deshalb bleibe ich dabei: Es ist richtig, vor Ort zu helfen. Es ist richtig – und ich bin dankbar dafür –, jetzt die 150 unbegleiteten Minderjährigen in einer europäischen Lösung aufzunehmen, so wie sie der Bundesinnenminister heute Morgen zusammen mit Kommissar Schinas vorgestellt hat. Ich bin froh, dass die Bundesregierung hier wohlüberlegt und sehr verantwortlich gehandelt hat, gerade mit Blick auf die Zukunft. Dafür danke ich ausdrücklich dem Bundesinnenminister, der sich die letzten Tage Unsägliches hat anhören müssen, und ich danke auch der Bundeskanzlerin, die hier, wie ich meine, bereits vorgestern die richtige Linie vorgegeben hat. Vielen Dank. Ich schließe die Aussprache.
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Albrecht Glaser AfD
Albrecht
Glaser
AfD
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen über den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen. Mit Trickserei, wie gerade eben ausgeführt worden ist, hat das, worum es hier im Kern geht, eigentlich nichts oder mindestens wenig zu tun. Es geht um die Umsetzung einer EU-Richtlinie des letzten Jahres. Da Weihnachten vor der Tür steht, wurden einige kleine Aufmerksamkeiten in dem Gesetz untergebracht, zum Beispiel eine Beschränkung der Verlustverrechnung bei Einkünften aus Termingeschäften und aus dem Ausfall von Kapitalanlagen in Privatvermögen. Es dürfen demzufolge Verluste aus Kapitalvermögen aus der Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung nur in Höhe von 10 000 Euro mit Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden. Damit werden Gewinne und Verluste aus Kapitalvermögen steuerlich unterschiedlich behandelt. Hierdurch soll eine entgegenstehende Rechtsprechung des BFH teilweise ausgehebelt werden. Aber nun zum Hauptanliegen des Gesetzentwurfs. Durch die neue Melde- und Anzeigepflicht sollen die Finanzbehörden umfassende Informationen über alle als relevant eingestuften Steuergestaltungen, die mehrere Steuerrechtsordnungen betreffen, erlangen. Bei den Zielen und den Grundsätzen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung sind wahrscheinlich alle einer Meinung. Der Zweck heiligt jedoch nicht alle Mittel. Die vorgelegte Legislation wird durch eine Richtlinie der EU erzwungen. Sie ist an Komplexität jedoch nicht zu übertreffen. Es ist die komplexeste Rechtsnorm, die ich je in meinem Leben gelesen habe. Der Steuerbürger wird nicht in der Lage sein, diese Regelung überhaupt nur zu verstehen, und Fachleute werden an der Komplexität verzweifeln. In der Anhörung haben sich unzählige Kritikpunkte und Schwachstellen ergeben. Zugegebenermaßen wurden einige davon im Rahmen der Beratungen mit 13 Umdrucken durch die Koalitionsfraktionen beseitigt, was wir begrüßen. Was bleibt, ist trotzdem ein Gesetzesmonster mit unzähligen, unbestimmten Rechtsbegriffen, unzähligen Querverweisen und auslegungsbedürftigen Formulierungen. So gilt als ein Merkmal einer Steuergestaltung, wenn ein Hauptvorteil eine steuerliche Ersparnis darstellt. Die Erbschaft aus Irland, das vermietete Ferienhäuschen in Dänemark oder die Entsendung eines Montagemitarbeiters nach Nahost sind alles Vorgänge, die teilweise auf standardisierten Rechtsvorgängen beruhen und allein wegen der Unterschiede der jeweiligen Steuersätze in den verschiedenen Ländern eine Anzeigepflicht auslösen. – Die Whitelist gibt es nicht. Das wissen Sie ja. Die viel beklagte Politikverdrossenheit stellt sich wieder ein; denn der normale Steuerbürger wird ohne Berater nicht auskommen, und dieser wird ihm zureden, im Zweifel anzuzeigen, weil die Nichtanzeige mit hohem Bußgeld bewehrt ist. Für international agierende Konzerne in Deutschland, die tagtäglich rechtliche oder finanzielle Transaktionen mit ausländischen Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten durchführen, müssen die Anzeigepflichten Albträume auslösen. In einer entsprechenden Stellungnahme der deutschen Industrie heißt es: Es ist zu befürchten, dass es ... zu einer Flut von Meldungen ... kommen wird, die erkennbar weder missbräuchlich noch aggressiv sind. Das ist eine milde Umschreibung. Da jede Nichtanzeige mit einem hohen Bußgeld bewehrt ist, wird man in der Steuerverwaltung Tausende von Anzeigen erhalten – welcher Personalaufwand! Man wird feststellen, dass die hochkarätigen Fachleute, die man braucht, um diese Steuermodelle zu überprüfen, gar nicht vorhanden sind. Es werden viele Fachleute eingestellt werden müssen, und man muss überlegen, woher man sie bekommt. Jedes demokratische nationale Parlament, das noch Rückkoppelung zu seiner Wahlbevölkerung hat, würde sich weigern, ein solches Gesetz zu beschließen. Herzlichen Dank. Der Kollege Sebastian Brehm hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Mathias Stein SPD
Mathias
Stein
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wenn ich mir anhöre, was die Herren von der AfD hier so zum Besten geben, stelle ich fest: Es ist das gleiche Prinzip wie immer. Sie tun das, was Sie am besten können – Sie schüren Ängste: Sie schüren Angst vor Elektromobilität; Sie schüren Angst vor Arbeitslosigkeit; Sie schüren Angst vor der Zukunft. Doch Angst vor der Zukunft muss nur derjenige haben, der nichts tut und der sich feige wegduckt, so wie Sie das machen. Was für ein Glück, dass nicht Sie dieses Land regieren, sondern dass wir dieses Land regieren. Diese Bundesregierung stellt sich den notwendigen Veränderungen dieser Zeit. Wir gehen voran beim Klimaschutz und bei der Verkehrswende. Wir und allen voran unser Arbeitsminister Hubertus Heil stellen die richtigen Weichen bei Qualifizierung und Arbeitsmarkt; das hat meine Kollegin Katzmarek sehr gut dargestellt. Wir nehmen bei diesen wichtigen Prozessen sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite mit, um gemeinsam und solidarisch diesen Wandel zu gestalten. Das ist für uns der Ausdruck von made in Germany und nicht das, was Sie an dieser Stelle tun. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bauen da besonders auf die starke Kraft von innovativen Beschäftigten und ihren Gewerkschaften, die hier tatsächlich bereits Großes geleistet haben. Sie haben hier bereits im Juni demonstriert und gesagt: Wir müssen diesen Wandel fair gestalten. – Gemeinsam können wir für eine gute Zukunft sorgen und dafür, dass die Menschen keine Angst vor Arbeitslosigkeit und auch keine Angst vor Elektromobilität haben. Im Gegenteil: Wenn wir den Antriebswechsel mit klugen Förder- und Regulationsmaßnahmen begleiten, ist die Elektromobilität eine große Chance für dieses Land, um die richtigen Antworten auf den Klimawandel zu geben. Mit unserem Klimaschutzpaket und dem Masterplan Ladeinfrastruktur setzen wir hier die richtigen Zeichen. Wir machen die notwendigen Schritte, um die Elektromobilität zum Erfolg zu führen: Mehr Ladeinfrastruktur, eine auf den Bedarf abgestimmte Förderung, bessere Planung und Verteilung sollen die weißen Flecken im Bereich der Ladeinfrastruktur beheben. Ehrlich gesagt, muss die Elektromobilität bei uns in Deutschland auch ein Erfolg werden. Was ist denn die Alternative? Was ist denn Ihre Alternative? Einfach die Zeit zurückzudrehen, einfach voll auf den Verbrennungsmotor zu setzen? Davor kann ich nur warnen. Das ist keine gute Idee. Deutschland ist ja nicht allein auf der Welt, auch wenn Sie sich das manchmal wünschen. Im Gegenteil: Wir sind mit der Welt sogar stark verbunden, und wir exportieren unsere Autos in die gesamte Welt. Gucken Sie sich mal um in Europa und in der Welt: Norwegen – da waren wir auch, aber jetzt spricht Herr Spaniel – will ab 2025 keine Verbrennungsmotoren mehr zulassen. China, ein riesiger Absatzmarkt, Island, Israel, Indien, Irland, die Niederlande wollen ab 2030 keine neuen Verbrennungsmotoren mehr zulassen. Frankreich, Großbritannien, Taiwan werden 2040 nachziehen. Wohin wollen Sie dann in 20 Jahren Ihre Verbrennungsmotoren noch verkaufen? Das können Sie uns leider nicht verraten. Wir werden in einigen Segmenten den Verbrennungsmotor noch brauchen; das ist natürlich richtig. Gerade auch in Verbindung mit E-Fuels bei Schiffen und Flugzeugen wird er einen wichtigen Beitrag leisten. Da investieren wir doch auch. Da tun wir etwas für Innovationen und forschen dazu. Ich kann Ihnen nur sagen: Nichts tun, so wie Sie das wollen, ist keine Alternative. Wir müssen in Zukunftstechnologien investieren, damit unsere Arbeitsplätze gesichert sind. Wir bauen auf eine Zukunft in Deutschland, wo wirtschaftliche und soziale Stärke gemeinsam mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gestaltet werden können. Das ist für uns ganz wichtig. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Danke. Vielen Dank, Herr Kollege Stein. – Der letzte Redner in der Aktuellen Stunde: der Kollege Oliver Grundmann, CDU/CSU.
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Linda Teuteberg FDP
Linda
Teuteberg
FDP
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gewogen, gewogen und für zu leicht befunden, so urteilte einst Winston Churchill in einer anderen historischen Situation über das Verhalten der westlichen Demokratien. Wir sind heute in einer anderen Situation, aber in einer sehr schwierigen, die auch eine Bewährungsprobe ist für die westlichen Demokratien. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, mehr als einen Gedanken darauf zu verwenden, dass Geschichte der Hintergrund aller Politik ist. Das gilt auch für die jetzige Situation, und zwar aus mindestens zwei Gründen: Es handelt sich zum einen um eine Form der hybriden Kriegsführung. Wir sollten Dimension und Kalkül dessen, was da passiert, wie stark das vorbereitet ist und worauf es zielt, nicht unterschätzen, und zum anderen gehört es auch zu den Lehren aus unserer Geschichte, keine Politik zu machen über die Köpfe unserer mittel- und osteuropäischen Nachbarn hinweg, keine Verträge zulasten Dritter zu schließen, sondern in Europa geeint vorzugehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dieser Angriff auf die liberalen Demokratien und freiheitlichen Rechtsstaaten nimmt uns von zwei Seiten in die Zange. Nämlich einerseits, indem er uns herausfordert, zu zeigen: Wir sind anders, wir sind wertegebunden, wir sind anders als Lukaschenko, wir nehmen nicht den Tod von Menschen in Kauf. – Und andererseits, indem wir gefordert sind, zu zeigen, dass liberale Demokratien handlungs-, problemlösungs- und durchsetzungsfähig sind und gerade nicht schwach und erpressbar, wie Diktatoren und Autokraten sie darstellen wollen. Es gibt zwei Arten, wie man in dieser Situation der Herausforderung nicht gerecht wird und das Kalkül von Diktatoren und Autokraten aufgehen lässt: Nämlich entweder wenn man sich den Vorwurf von Zynismus und Menschenverachtung gefallen lassen müsste, weil man die Menschenwürde nicht achtet, oder wenn wir den Fehler machen würden, Vorwürfe an Polen oder die Europäische Union zu richten, wie es manche in der Debatte tun, übrigens auch wenn man eine unterschiedslose Aufnahme und Verteilung in Europa vertritt. Wir müssen mit Polen jetzt uneingeschränkt solidarisch sein, dafür sorgen, dass nicht der Druck auf die polnische Grenze verstärkt wird und dass das Kalkül Lukaschenkos nicht aufgeht. Oberste Priorität jetzt sind die Hilfen für die in der Kälte ausharrenden Migranten. Kein weiteres Menschenleben darf verloren gehen; dafür müssen wir uns einsetzen. Mittel- und langfristig brauchen wir aber eine europäische Asyl- und Außenpolitik; nur damit können wir solche Situationen mittel- und langfristig verhindern. Deshalb ist es jetzt wichtig, zu beobachten, was dort weiter an staatlicher Schleusung stattfindet. Der Irak versucht heute, 200 Menschen in ihr Heimatland zurückzuführen. Aber das sind Menschen, die am Flughafen ausgeharrt haben. Leider ist es so, dass es keinen Grund zur Entwarnung gibt. Lukaschenko hält weiter Menschen im Grenzgebiet fest, nutzt sie als Geiseln und lässt ihnen keinen Rückweg. Deshalb gibt es keinen Grund zur Entwarnung. Nach meinem Kenntnisstand ist die Bundespolizei mit acht Hundertschaften an der deutsch-polnischen Grenze im Einsatz, und es gibt dort auch eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem polnischen Grenzschutz. Man führt gemeinsame Streifen durch. Deshalb gibt es übrigens derzeit auch keinen Anlass für stationäre Grenzkontrollen. Was wir brauchen, ist Aufklärungsarbeit in den Herkunftsländern, damit sich die Menschen gar nicht erst auf diesen gefährlichen Weg machen. Wir müssen über die Lügen und Versprechen der Schleuser aufklären. Wir brauchen einen wirksamen Außengrenzschutz – übrigens nicht nur in Sonntagsreden, sondern wirklich. Das liegt im gemeinsamen europäischen Interesse und ist eine gemeinsame europäische Aufgabe, weil das die Voraussetzung für Freizügigkeit im Innern ist. Deshalb müssen wir uns daran auch finanziell beteiligen. Schließlich geht es darum, dass wir jetzt genau dieser Herausforderung gerecht werden. Außenpolitisch ist mit den Sanktionen zum Glück Bewegung hineingekommen, aber hier muss weiter Druck ausgeübt werden. Wir müssen rechtsstaatlich die Kontrolle darüber gewinnen, wo wir geordnete Asylverfahren durchführen. Lassen Sie uns zeigen, dass wir dieser Herausforderung gerecht werden, dass liberale Demokratien sensibel und robust, wertegebunden und wehrhaft gleichermaßen sind! Vielen Dank. Vielen Dank, Linda Teuteberg. – Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Zaklin Nastic.
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Elisabeth Motschmann CDU/CSU
Elisabeth
Motschmann
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Entspannung mit Russland – Keine Verlängerung der Sanktionen gegen Russland“, so lautet die Überschrift Ihres Antrags. Überraschend ist das nicht. Wieder einmal zeigt sich der verklärte Blick der Linken auf Russland, wieder einmal nutzen Sie ein so ernstes Thema zur Schärfung Ihres Parteiprofils. Die CDU/CSU wird Ihrem Antrag nicht zustimmen, weil wir denken, dass die Sanktionen verlängert werden müssen. Warum? In Ihrem Antrag findet sich kein einziges kritisches Wort – übrigens auch nicht in Ihrer Rede –, weder zur völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland noch zu den kriegerischen Handlungen in der Ostukraine, im Donbass. Noch immer sterben dort täglich Menschen. Es verwundert schon, dass Sie das einfach verschweigen. Sie gehen zur Tagesordnung über. Schwamm drüber! Das kann und darf unsere Haltung in dieser Frage nicht sein, meine Damen und Herren. Russland trägt die Hauptverantwortung für den Konflikt, der viele Todesopfer gefordert hat und auch noch fordert. Soll Deutschland, soll Europa tatenlos zusehen, wie Russland Grenzen verschiebt und die territoriale Integrität der Ukraine ignoriert? Ist Ihnen eigentlich bewusst, was Polen, die baltischen Staaten oder andere ehemalige Sowjetrepubliken dazu sagen würden? Kennen Sie überhaupt die Sorgen dieser Länder, die befürchten, dass ihnen ein ähnliches Schicksal wie der Ukraine drohen könnte? Wirtschaftssanktionen sind neben der Diplomatie das einzige probate Mittel, eine klare rote Linie gegenüber der Expansionspolitik Russlands zu ziehen. In Ihrem Antrag bezeichnen Sie die Wirtschaftssanktionen als ökonomisch nicht sinnvoll. Seit wann sind Ihnen wirtschaftliche Interessen eigentlich so wichtig? Das steht im Widerspruch zu allem, was ich bisher von Ihnen gehört habe. Leo Tolstoi würde übrigens dazu sagen: Im Widerspruch zur eigenen Vernunft zu leben, ist der unerträglichste aller Zustände. Wir stellen die wirtschaftlichen Interessen nicht über das Völkerrecht und die Freiheitswerte, die uns so wichtig sind. Wir stellen – ich kann es auch etwas salopp formulieren – das Kapital nicht über die Moral. Mich wundert, dass Sie das tun. Mit welchen Instrumenten sollen wir denn sonst reagieren? Nur mit Diplomatie können militärische Lösungen verhindert werden. Insofern hat Russland es selbst in der Hand, die Sanktionen zu beenden. Russland müsste bereit sein, die Minimalforderungen des Minsker Abkommens einzuhalten. Das ist gar nicht so schwer. Warum tun die das nicht? Warum fordern Sie Ihre Freunde nicht auf, das zu tun? Immer wieder erwähnen Sie die historische Verantwortung gegenüber Russland, auch in Ihrem Antrag. Wir haben aber auch eine historische Verantwortung gegenüber der Ukraine. Haben Sie das vergessen? Haben Sie die Toten vergessen, die dort im letzten Weltkrieg gefallen sind? Es waren Millionen. Deshalb wundert es mich, dass Sie immer nur auf Russland blicken und nicht auch das Problem Ukraine sehen. Dennoch müssen zur Verbesserung der Beziehungen zu Russland natürlich alle diplomatischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. – Herr Präsident, ich bin sofort am Ende. – Alle Kontakte müssen gepflegt und Gespräche selbstverständlich geführt werden. Schließlich muss auch der von mir immer wieder eingeforderte Kultur-, Jugend- und Studentenaustausch weiter ausgebaut werden. Das halte ich für ein ganz wichtiges Instrument. In Ihrem Antrag fehlt es leider. Abschließend plädiere ich im Namen meiner Fraktion für die Beibehaltung der Sanktionen. Ich zitiere noch einmal Tolstoi; ich habe es heute mit Tolstoi, der russischen Seele. Er sagt: „Alles nimmt ein gutes Ende für den, der warten kann.“ Wir warten auf die Einhaltung des Minsker Friedensabkommens. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin Motschmann. Ich hoffe, dass Sie nur zum Ende kommen wollten und nicht am Ende sind. Als Nächster für die Sozialdemokraten der Kollege Dr. Nils Schmid.
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Uli Grötsch SPD
Uli
Grötsch
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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle stehen noch unter Schock angesichts der sich überschlagenden Ereignisse in Europa, erst hier in Deutschland, in Dresden, dann zum wiederholten Male in Frankreich, diesmal in Nizza, und jetzt jüngst in Wien, und das alles, nachdem bis Oktober die Zahlen islamistischer Anschläge und Anschlagsvorhaben in Deutschland und Europa insgesamt rückläufig waren. Das zeigt uns: Terrorismus ist eine dauerhafte Gefahr und seine Bekämpfung eine dauerhafte Aufgabe, in allen Bereichen der Gesellschaft, von der Zivilgesellschaft über die Sicherheitsbehörden bis hin zu jeder und jedem von uns. Das betrifft Terrorismus in all seinen hässlichen Ausprägungen gleichermaßen. Unsere Gedanken sind bei den Opfern dieser schrecklichen islamistischen Terroranschläge und deren Angehörigen. Für uns Demokratinnen und Demokraten in Europa heißt das jetzt, dass wir solidarisch Seite an Seite stehen und geschlossen gegen alle Terroristen und Demokratiefeinde aufstehen, die unsere Lebensweise und unsere Werte in Europa bekämpfen. Sie wollen uns Angst machen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber ich sage Ihnen: Die Einzigen, die jetzt Angst haben sollten, sind die Terroristen selber. Terrorismus ernährt sich vom Hass. Lassen Sie uns deshalb alle gemeinsam alles dafür tun, dass diese Angst bei den Menschen in Deutschland und Europa nicht entsteht, sondern dass alle Menschen wissen, dass sie in Frieden und Freiheit leben können und dass es eben die Terroristen sind, die Angst haben müssen, und zwar vor Verfolgung durch unsere topaufgestellten deutschen Sicherheitsbehörden. Vom Terror in Europa profitieren meines Erachtens zwei Seiten. Auf der einen Seite profitieren die Terroristen bzw. der „Islamische Staat“ selber. Sie töten feige und brutal unschuldige Menschen und rühmen sich damit. Auf der anderen Seite profitieren die Rechten und die Islamfeinde, auch die in diesem Hohen Haus. Für sie ist jeder islamistische Anschlag ein gefundenes Fressen, um Ressentiments und Hass in unserer Gesellschaft gegenüber unseren muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern und gegenüber demokratischen Parteien zu schüren. Für Demokratiefeinde ist die Schuldfrage geklärt. In ihren Augen haben alle Muslime Schuld. Ihre Kollegin Frau von Storch kommentierte auf Twitter: Solche Anschläge passieren immer da, wo es islamische Gemeinden gibt. – Die intellektuelle Leistung, zwischen Islam und Islamismus zu unterscheiden, überstieg dabei ganz offenbar ihre Fähigkeiten. Natürlich – das war schon immer so – haben die Rechten vermeintlich einfache Lösungen parat, wenn es darum geht, wie der Terror aus Deutschland verschwindet. Nur, leider ist die Realität viel komplexer. Weder gibt es einfache Lösungen, noch gibt es hundertprozentige Sicherheit. Auch wenn wir in den Sicherheitsbehörden die besten Frauen und Männer haben, die es wohl weltweit gibt: Selbst die können nicht für hundertprozentige Sicherheit überall in Deutschland und Europa sorgen. Aber ich sage Ihnen: Genauso wenig, wie wir den IS-Terroristen erlauben, uns Angst zu machen, uns zu spalten und unsere freie Gesellschaft zu attackieren, genauso wenig werden wir ihnen erlauben, Profit aus unserer Trauer und unserer Solidarität zu schlagen. Jetzt wachsen wir erst recht zusammen. Zum Beispiel kandidiert ein Hanauer Architekt mit türkischen Wurzeln für den Bundestag, nachdem sein Cousin am 19. Februar 2020 in Hanau von einem Rechtsextremisten ermordet wurde. Abdullah Unvar sagt, er wolle sich für das friedliche Zusammenleben und gegen Menschenfeindlichkeit engagieren. „Jetzt erst recht“, sagt er. Ich bin froh, dass er das für die SPD macht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es sind übrigens zwei Menschen mit türkischen Wurzeln, die als Helden von Wien gefeiert werden, weil sie selbstlos einen Polizeibeamten aus dem Kugelhagel gerettet haben. Ich sage allen Demokratiefeinden, egal ob islamistisch oder rechtsextrem: Wir lassen uns nicht spalten! Im Gegenteil: Bei jedem Anschlag wachsen wir noch näher zusammen, und das erfüllt mich mit Stolz. Wir sind mehr – jetzt erst recht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Vielen Dank. Der nächste Redner ist der Kollege Marian Wendt, CDU/CSU-Fraktion.
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Stefan Wenzel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Stefan
Wenzel
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will gern kurz dazu Stellung nehmen. Ich würde Ihnen schlicht und einfach empfehlen, sich beispielsweise beim Fraunhofer-Institut ein paar Charts, ein paar Quellen anzugucken, in denen anhand der gesamten Durchschnittswerte eines Jahres unterschiedliche Analysen zum Stromverbrauch dargestellt werden. Natürlich sieht man dort, dass wir noch einen ordentlichen Weg vor uns haben. Aber es ist ohne Zweifel möglich, die restlichen Atomkraftwerke abzuschalten. Wir werden die Atomenergie durch erneuerbare Energien ersetzen, und wir werden die Versorgungssicherheit auf extrem hohem Niveau auch in Zukunft gewährleisten. Der Kollege Ralph Lenkert hat nun für die Fraktion Die Linke das Wort.
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Christian Sauter FDP
Christian
Sauter
FDP
Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn durch Corona andere Themen die Berichterstattung derzeit beherrschen, so ist Piraterie weiterhin ein ernstzunehmendes Problem. Die seit 2008 durchgeführte Beteiligung deutscher Streitkräfte an EU NAVFOR Somalia Operation Atalanta schützt die Versorgung Somalias und weiterer Staaten durch Schiffe des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen. Die Operation dient dabei vor allem auch der Sicherung der kommerziellen Schifffahrt gegen Piraterie und der Überwachung der Fischerei vor der Küste Somalias. Derzeit ist die Bundeswehr mit aktuell 77 Soldatinnen und Soldaten an Atalanta zusammen mit Partnernationen beteiligt. Wesentlich sind hierbei die Bereitstellung des Seefernaufklärers P-3C Orion, das Unterstützungselement in Dschibuti und Stabspersonal im Hauptquartier in Rota. An dieser Stelle unser ausdrücklicher Dank für den geleisteten Dienst unserer Soldaten! Seit Jahren erzielt die Marinemission dabei Erfolge und macht die Region sicherer. Dabei ist Abschreckung durch Präsenz eine wesentliche Komponente dabei. Das unterstützen wir. Die mittlerweile auf 400 verringerte, bei Weitem nicht ausgeschöpfte Mandatsobergrenze ist Ausdruck der Anpassung des Mandats. Dennoch ist ein Abzug nicht in Sicht, trotz zwischenzeitlicher Exit-Überlegungen. Das hat damit zu tun, dass man mit der Piraterie ein Symptom einer vielschichtigen Problemlage in der Region bekämpft. Sie ist ein Anhaltspunkt für die anhaltende Instabilität Somalias und der Region. Schwache staatliche Strukturen treffen auf externe Einflussfaktoren wie den Jemen-Krieg und aktuell die Coronapandemie. An dieser Stelle ergeben sich zudem Fragestellungen. Mit dem Einsatz einer weiteren P-3C Orion bei der neuen Mission Irini ergibt sich bei der schwierigen Materiallage und der Einsatzbereitschaft des Systems für die deutsche Marine eine weitere Belastung. Wie wird sich das auswirken? Wie werden die zivilen und die polizeilichen Komponenten in der Region weiterentwickelt im Sinne eines vernetzten Ansatzes? Und: Auch im Golf von Guinea ist die Piraterie vor den Küsten Afrikas ein wachsendes Problem, ohne dass eine Lösung hier erkennbar ist. Hoffnung macht in Somalia derzeit die fortschreitende Übergabe von Sicherheitsaufgaben durch AMISOM an somalische Sicherheitskräfte; denn nur wenn die Transformation in einen stabilen Staat gelingt, können der Piraterie und der Kriminalität die Grundlage entzogen werden. Der Schutz der UN-Schiffe, der kommerziellen Schifffahrt und weitere Maßnahmen sind bis dahin notwendig und Teil von Atalanta. Dies ist im Interesse der Europäischen Union und letztendlich auch im nationalen Interesse Deutschlands als führender Exportnation. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Kollege Sauter. – Für die Fraktion Die Linke hat das Wort die Kollegin Kathrin Vogler.
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Kai Whittaker CDU/CSU
Kai
Whittaker
CDU/CSU
Herr Präsident! Werte Kollegen! Ich bin nicht nur gespannt, ob der Kollege Sichert irgendwann einmal die richtige, korrekte Ansprache ans Präsidium schafft, sondern auch, ob er einmal einen konkreten Antrag hier vorlegt, aus dem hervorgeht, was die AfD zu diesem Thema eigentlich zu sagen hat. Wir warten seit zwei Jahren fieberhaft. Aber vielleicht schaffen Sie es ja noch in dieser Legislaturperiode; sie dauert noch ein bisschen. Meine Damen und Herren, liebe Grüne, ich bin dankbar, dass wir bei diesem Thema einmal nicht nur über Sanktionen reden. Ich habe häufig genug an diesem Pult gesagt, dass es mir so vorkommt, als ob wir viel zu häufig über Sanktionen reden und nicht darüber, wie wir Menschen wieder in Arbeit bringen. Aber die Analyse, die Sie in Ihrem Antrag vornehmen, teile ich, muss ich sagen, nicht. Sie schreiben da, dass Hartz IV dem Arbeitsmarkt und den Betroffenen nicht gerecht wird. Kollege Rosemann hat es angedeutet: Wir haben es innerhalb der letzten 14, 15 Jahre geschafft, die Arbeitslosigkeit in diesem Land mehr als zu halbieren! Das ist ein Riesenerfolg, auch von Hartz IV. Deshalb, finde ich, kann man nicht schreiben, dass Hartz IV den Anforderungen nicht gerecht wird. Sie haben in Ihrer Rede vorhin sinngemäß gesagt, dass es darum geht, dass Arbeitslose gar nicht die Chance haben, einen Job zu finden. Dazu habe ich mir schnell die Zahlen angesehen: Das Gegenteil ist der Fall. 2010 hatten wir 360 000 offene Stellen in diesem Land. Dieses Jahr werden es 780 000 Stellen sein, die nicht besetzt sind – mehr als als verdoppelt. Also: Die die Chance für Arbeitslose, einen Job zu finden, ist so gut wie nie zuvor. Zweitens sagen Sie, dass man nicht auf Augenhöhe ist, weil die Arbeitslosen eben nicht nur beraten werden, sondern weil auch immer Sanktionen drohen. Die meisten Jobcenter – sie können das selber entscheiden – legen das in zwei verschiedene Hände. Das ist heute schon getrennt. Sie haben auf der einen Seite denjenigen, den Sie ansprechen, der die Leistungen berechnet, und Sie haben einen anderen Ansprechpartner, wenn es um die Jobvermittlung geht. Insofern ist man hier auf Augenhöhe. Das Interessante ist: Es gibt einige wenige Jobcenter, die beides tatsächlich zusammenfassen. Das Irre ist: Die sind sogar noch besser in der Vermittlung. – Eigentlich wäre es sogar sinnvoll, beides zusammenzulegen, als es wie zurzeit getrennt zu lassen. Das wäre eigentlich die richtige Schlussfolgerung. Drittens sagen Sie, Sie wollen andere Ziele anstreben. Sie sagen, das Ziel, in Arbeit zu gehen, überfordert die Menschen im ersten Schritt, es bräuchte Zwischenziele usw. usf. Darüber kann man diskutieren. Aber ein Ziel ist ein Ziel. Wenn Sie ein Ziel festlegen, dann müssen Sie sich daran messen lassen. Der Druck wird dadurch nicht kleiner oder verschwindet, sondern natürlich haben Sie eine Vorstellung davon, wie es sein soll, und am Ende werden Sie sehen, ob Sie dorthin gelangt sind. Und wenn das nicht der Fall ist, dann wird die Frage im Raum stehen: Warum ist das so, und welche Konsequenzen folgen daraus? Insofern teile ich Ihre Analyse nicht. Wir müssen die Menschen weiterbilden. Das tun wir mit unserer Nationalen Weiterbildungsstrategie. Dafür bin ich unserer Ministerin Karliczek dankbar. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend. Vielen Dank, Herr Kollege. – Damit schließe ich die Aussprache.
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Ulrike Bahr SPD
Ulrike
Bahr
SPD
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Kinderrechte stehen zwar trotz Koalitionsvereinbarung leider noch nicht im Grundgesetz; aber auch in der Pandemie gilt unser bewährtes Kinder- und Jugendhilferecht. Gerade in der Krise haben Kinder ein Recht auf Förderung, und es bleibt Aufgabe der Jugendhilfe, sie zu schützen, zu fördern und Benachteiligungen abzubauen. In der Umsetzung ist das eine Herausforderung; das wissen wir alle. Kontaktbeschränkungen, geschlossene Schulen und Kitas, eingeschränkte Spielmöglichkeiten und vielleicht auch noch beengte Wohnverhältnisse lassen Konflikte daheim erst recht eskalieren. Das macht es schwer, von außen Probleme zu erkennen und Hilfsangebote zu machen. Aber ich möchte auch betonen, dass weiterhin mit viel Kreativität und Engagement hervorragende Arbeit geleistet wird. Nur einige Beispiele: Das Elterntelefon und die „Nummer gegen Kummer“ für Kinder haben ihre Kapazitäten stark ausgeweitet und werden vielfach genutzt. Von der lokalen Beratungsstelle über die sozialpädagogische Familienhilfe bis zur Kita bieten viele Träger Gespräche, aber auch konkrete Arbeit mit Kindern, telefonisch oder per Videoschalte, an. Mitarbeitende von Kinder- und Jugendzentren machen Haustürbesuche und bringen Spiel- und Lesematerial vorbei, und die Erzieherinnen und Erzieher in Notaufnahmen, stationären Einrichtungen und Wohngruppen leisten wie die Familien gerade Außergewöhnliches, weil sie auch die Schule, die Sportangebote oder die Treffen mit Freunden ersetzen und deren Fehlen ausgleichen müssen. Dafür möchte ich an dieser Stelle auch einmal Danke sagen. Denn die engagierten Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe werden viel zu oft nicht erwähnt, obwohl auch sie höchst systemrelevant den Laden am Laufen halten. Die finanzielle Absicherung unserer Unterstützungssysteme ist relativ schnell ins Rollen gekommen. Vom Sozialdienstleister-Einsatzgesetz bis zum nachverhandelten und heute Morgen endlich beschlossenen Schutzschirm für die Sozialpädiatrischen Zentren gibt es inzwischen eine Struktur, die unsere Träger und Einrichtungen die Krise hoffentlich gut überstehen lässt. Ohne das Engagement der Bundesländer und der Kommunen wird es hier allerdings aufgrund der vielfältigen Angebotslandschaft nicht gehen. Die Krise lässt aber auch erkennen, wo wir noch nachbessern müssen. Stellvertretend auch für andere benachteiligte Gruppen denke ich an die Situation von Kindern mit psychisch kranken und suchtkranken Eltern. Das sind nach vorsichtigen Schätzungen immerhin circa 3 Millionen. Sie haben ohnehin schon zu wenig verfügbare Hilfestrukturen und leiden besonders darunter, wenn Kita, Schule und Umfeld keine Entlastung bieten können. Darum ist es richtig, auch und gerade in der Krise weiter an der Reform unserer Kinder- und Jugendhilfe zu arbeiten. Der Beteiligungsprozess mit den vielen, vielen großen Präsenzrunden hat zum Glück ja bereits im letzten Jahr stattgefunden. Jetzt geht es darum, besseren Kinderschutz, mehr Inklusion, mehr Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten, eine gute Präventionsstruktur und eine starke Kinder- und Jugendhilfe umzusetzen. Daran arbeitet das Familienministerium unter Hochdruck, wie ohnehin auch unsere Bundeskinderministerin Franziska Giffey keine Gelegenheit auslässt, sich für die Bedarfe von Kindern und Familien starkzumachen. In der Krise zeigt sich der Charakter, um mit Helmut Schmidt zu sprechen, und darum gilt mit wie ohne Pandemie: Wir dürfen kein Kind zurücklassen, wir müssen Spaltung überwinden statt verstärken und die Rechte aller Kinder auf Bildung, Beteiligung und Entwicklung zu selbstbestimmten Persönlichkeiten unterstützen. Insofern ist es gut und richtig, die Anliegen der Kinder an alle politischen Ebenen hier und heute noch einmal prominent ins Licht zu rücken. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin Bahr. – Die letzte Rednerin zu TOP 12 ist für die CDU/CSU-Fraktion die Kollegin Ingrid Pahlmann.
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Bernd Westphal SPD
Bernd
Westphal
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Union! Bitte hören Sie auf mit Ihren Phrasen, Deutschland würde nicht genug tun. Wir stehen an der Seite der Menschen in der Ukraine, die sich tapfer verteidigen. Wir kommen unseren Verpflichtungen nach. Sie reiten ein totes Pferd. Steigen Sie bitte ab davon. Diese Bundesregierung unter der Führung von Olaf Scholz versucht, in den Bündnissen auf europäischer Ebene, in der Präsidentschaft der G 7 und natürlich auch in der NATO, die Geschlossenheit, den Zusammenhalt zu organisieren, die es heute braucht, um diese Hilfe zu organisieren. Wir haben seit dem 24. Februar eine Situation, wo diese Geschlossenheit noch nie so deutlich war wie jetzt. Das ist auch ein Verdienst unseres Bundeskanzlers Olaf Scholz, meine sehr verehrten Damen und Herren. Alle Ministerien und alle Ministerinnen und Minister dieser Ampelregierung versuchen, zu organisieren, dass wir Sicherheit in einer historisch schwierigen Situation haben, um unsere Wirtschaft zu stabilisieren, sodass wir Arbeits- und Ausbildungsplätze in die Zukunft führen können. Wir sorgen vor allen Dingen dafür, dass dieses Land sicher mit Energie beliefert wird. Das hat damit zu tun, dass zum Beispiel LNG-Terminals in einem enormen Tempo gebaut werden, weil wir spätestens seit gestern wissen, dass wir von Russland keine Energie mehr durch die Pipeline bekommen werden. Deshalb ist es richtig, diese Infrastruktur aufzubauen und mit unseren europäischen Partnern dafür zu sorgen, dass die Energieversorgung gesichert ist. Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage aus der CDU/CSU zu? Nein, Frau Präsidentin. – In einem weiteren internationalen Bereich wird dafür gesorgt, dass Energie eingekauft wird. Hier müssen wir jetzt das Angebot erhöhen, damit wir Stabilität bei den Preisen und vor allen Dingen in der Versorgungssicherheit bekommen. Diese Regierung hat durch die Setzung der richtigen Rahmenbedingungen dazu beigetragen, dass wir unsere Speicher füllen, dass wir jetzt Erdgas zur Verfügung haben, um durch den nächsten Winter zu kommen. Genau hier verdient diese Bundesregierung Unterstützung, weil sie eben an diesen Dingen arbeitet, und wir im Parlament geben ihr die Rahmenbedingungen dafür. Herr Merz, wenn Menschen vor Bomben, vor Panzern, vor zerstörter Infrastruktur fliehen, dann ist es mehr als zynisch, das als Sozialtourismus zu beschreiben. Ich kann Ihnen nur sagen: Diese Brandmauer gegen rechts zu halten, ist auch Ihre Aufgabe als Vorsitzender der größten Oppositionspartei. Sie nennen sich christlich. Ich kann Ihnen nur sagen: Was ist das für ein Menschenbild? Sie nennen das vielleicht Nächstenliebe. Ich kann Ihnen sagen: Das, was ich in diesem Land erlebe, ist eine humane Orientierung. In den 90er-Jahren haben wir Menschen vom Balkan aufgenommen, als sie von dort geflohen sind. Wir haben 2015 Menschen aus Syrien hier aufgenommen. Und auch jetzt erkennen wir in unserem Land Solidarität, Menschlichkeit. Diese menschliche Orientierung wird gelebt. Ich bin froh, dass diese Gesellschaft anders denkt als Sie. Sie haben sich mit diesen Äußerungen disqualifiziert, auf dem Stuhl mit der hohen Lehne Platz zu nehmen. Herzlichen Dank.
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Torsten Herbst FDP
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Herbst
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, der Kanzlerwunsch von Herrn Stein, vielleicht sollten Sie ein bisschen entspannter da reingehen; denn wenn man überzogene Erwartungen hat, wird man fürchterlich enttäuscht, und diese Enttäuschung wollen wir Ihnen ersparen. Wir beraten heute wieder einmal über ein Gesetz aus der Kategorie Planungsbeschleunigung; es ist mittlerweile das fünfte Gesetz dieser Art. Man könnte auch sagen, der Nachholbedarf ist offenbar riesig. Wir begrüßen aber als Freie Demokraten diese Verbesserungen, und wir werden auch diesem Gesetz wie den anderen Planungsbeschleunigungsgesetzen zustimmen. Wir halten es insbesondere für sinnvoll, dass wir die Kommunen finanziell entlasten, damit diese eher ihre eigenen Baumaßnahmen realisieren können. Es ist auch durchaus positiv, dass es deutlich einfachere Verfahren gibt, um die Kosten aufzuteilen. Das erleichtert hoffentlich das Bauen, schafft mehr Tempo für die Verkehrsinfrastruktur. Und wenn auch die Radwege profitieren, dann ist das keine schlechte Maßnahme, sondern ein positives Signal. Es gibt alle Gründe, das so zu versuchen und das heute auch so zu beschließen. Mit jedem neuen Gesetz bekommt man allerdings auch den Eindruck, dass sich die Koalition oft sehr schwer tut und sich oft nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigt. Denn, wenn wir ehrlich sind, die meisten dieser Regelungen hätten wir auch schon vor zwei Jahren beschließen können; dann wären sie schon in Kraft getreten und wir hätten eine deutlichere Beschleunigungswirkung erreicht. Schade, dass das manchmal so lange dauert! Ich sage Ihnen auch, warum wir uns nicht zurücklehnen sollten. Wenn wir uns beim Verkehrswegebau in Deutschland umschauen, dann müssen wir feststellen: Wir sind immer noch viel, viel zu langsam. Ich möchte hier nur einmal ein Beispiel – aus meinem Bundesland, aus Sachsen – schildern: Die Bahnstrecke Dresden–Leipzig war die erste deutsche Fernbahnverbindung. Gebaut wurde, vom ersten Spatenstich bis zur Eröffnung, ungefähr drei Jahre lang, von 1836 bis 1839. Raten Sie einmal, wie lange derzeit der Ausbau der gleichen Strecke auf eine Maximalgeschwindigkeit von 200 Stundenkilometer dauert; ich nehme Tipps entgegen. – 22 Jahre sind es bisher, und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, es werden weitere zehn Jahre folgen, mindestens. Das, meine Damen und Herren, kann uns als viertgrößte Industrienation der Welt wirklich nicht zufriedenstellen. Das ist ein Tempo, das peinlich ist, das unseren Standards längst nicht mehr entspricht und wo wir uns Gedanken machen müssen, wie wir es erreichen, dass wir nicht immer weiter zurückfallen im Vergleich zu den Schnellsten in der Welt, aber auch im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn. Wir werden als Fraktion der Freien Demokraten auch in der nächsten Legislaturperiode für eine Beschleunigung von Planung und Bau von Verkehrswegen kämpfen, und ich sage mal: Egal wer dann Minister ist, wir werden auf alle Fälle Druck machen. – Wir freuen uns auf die weiteren Debatten zu diesem Thema. Vielen Dank, Herr Kollege Herbst. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Kerstin Kassner, Fraktion Die Linke.
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Uwe Witt AfD
Uwe
Witt
AfD
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer an den TV-Geräten! Über Verbesserungen des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer in der Fleischindustrie brauchen wir eigentlich nicht zu diskutieren. Ich denke, alle Fraktionen im Deutschen Bundestag sind sich einig, dass Missstände beseitigt werden müssen. Nur das Wie wird wie immer sehr unterschiedlich angegangen. Während wir der Meinung sind, dass es bereits ausreichend staatliche Behörden und Instrumente zur Durchsetzung längst gesetzlich festgeschriebener Standards gibt, sehen wir die größte Problematik in der Umsetzung bzw. Kontrolle. Wir benötigen keine zusätzliche Kontrollbehörde, wie es Die Linke plant. Wir benötigen eine Stärkung der vorhandenen Ämter durch Personalaufstockungen, Schulungen und vor allem konsequentere Durchsetzung der Richtlinien durch engmaschige Kontrollen in den Unternehmen. Werter Herr Laumann, die Zustände, die Sie hier zu Recht beklagt haben, hätten Sie durch effiziente Kontrollen auf Länderebene beseitigen können. Da stellt sich die Frage, warum Sie das nicht getan haben oder warum erst Corona Sie zum Agieren brachte. Wenn, wie es die AfD und die Alternative Vereinigung der Arbeitnehmer seit Jahren fordert, eine Obergrenze für Leiharbeit und Werkverträge von 15 Prozent eingeführt wäre, gäbe es auch keine derartigen Missstände im Gesundheitsschutz der Arbeitskräfte. Unsere Kollegen der Linken nutzen wieder einmal die Gelegenheit, unter dem Deckmantel von Arbeits- und Gesundheitsschutz Klassenkampfparolen zu verbreiten. Ihre weiteren Forderungen nach Stärkung von Betriebsräten und Gewerkschaften lesen wir in jedem Antrag der Linken. Diese stammen aus dem letzten Jahrhundert, wo das Ziel der Kommunisten die Einführung einer Räterepublik war. In der Bundesrepublik Deutschland gilt aber nach wie vor das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft. An die Adresse von Bündnis 90/Die Grünen muss ich wieder einmal erinnern, dass der Bürger nicht für dumm verkauft werden mag. Sie postulieren: Fleisch muss teurer werden. Glauben Sie wirklich, dass sich durch eine Verteuerung der Fleischpreise etwas an den Arbeits- und Gesundheitsbedingungen in den Schlachthöfen ändert? Ja, Sie glauben so einen Unsinn wirklich. Sie glauben ja auch, dass sich durch einen Preis für CO2 das Klima verbessert. Aber wo ich gerade beim CO2 angekommen bin: Bei Ihrem zwanghaften Kurs zur Einführung der E-Mobilität ist Ihnen der Gesundheitsschutz von Arbeitskräften so ziemlich schnurzpiepegal. Denn es sind nicht Kobolde, liebe Frau Baerbock, die im Kongo Kobalt für die Produktion der E-Autos abbauen, sondern minderjährige Kinder, die entweder die Volljährigkeit nie erreichen oder erhebliche gesundheitliche Langzeitschäden davontragen. Hauptsache, die grüne Ökobourgeoisie in Deutschland fühlt sich wohl! Ihr Verständnis für Gesundheitsschutz von Arbeitskräften ist, mit Verlaub gesagt, einfach nur heuchlerisch. Vielen Dank. Das Wort hat die Kollegin Katja Mast für die SPD-Fraktion.
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Peter Stein CDU/CSU
Peter
Stein
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland muss als Wirtschafts- und Technologienation die weltweiten Maßstäbe bei Innovation und Nachhaltigkeit setzen. Wir müssen daher die enormen nationalen und europäischen Staatshilfen an Kriterien wie Innovation, Nachhaltigkeit und auch an soziale Standards knüpfen. Die CDU/CSU-Fraktion steht uneingeschränkt zu den globalen Klimaschutzzielen. Wir sehen uns der Nachhaltigkeit verpflichtet, und wir werden ein Rollback nicht zulassen. Wir haben sehr viele Maßnahmen, mit denen wir unsere Wirtschaft wieder fit und wettbewerbsfähig machen. Damit muss der Wirtschaft schnell aus dieser Rezession geholfen werden. Ich teile aber die Einschätzung der Kommissionspräsidentin von der Leyen, wenn sie den Wiederaufbau in Europa als Generationenaufgabe bezeichnet. Deutschland braucht ein stabiles und gesundes Europa. Weil wir sehr viel Geld in die Hand nehmen müssen, müssen die Hilfen passgenau und maßvoll bleiben. Sie können daher niemals allumfassend sein. Unsere föderale Struktur über Bund, Länder und Gemeinden erweist sich dabei in Krisenzeiten erneut als sehr effektiv und widerstandsfähig. Die aktiven Maßnahmen zeigen das: Es gibt Soforthilfen, Zuschüsse, Kredite, Kurzarbeitergeld, Stundung bei Exportkrediten, aber auch von Mieten oder Gebühren. Es werden noch manche folgen, so das gestern beschlossene Corona-Steuerhilfegesetz. Es hilft vielen Unternehmen, insbesondere aus der Gastronomie. Das schafft Liquidität. Eltern tragen eine Doppelbelastung aus Homeoffice und Kinderbetreuung und bekommen einen erweiterten Entschädigungsanspruch. Die Bedeutung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Gesellschaft und Wirtschaft ist noch bewusster geworden. Kinderbetreuung ist dabei eine Kernaufgabe der Länder und Kommunen. Ich danke der Bundesregierung sehr, dass wir hier als Bund zur Verbesserung der Situation haben beitragen können. Um es mit der Kanzlerin zu sagen: „Dieses Virus ist eine Zumutung für die Demokratie“ und auch für alle, die Einschränkungen und Belastungen hinnehmen mussten und noch müssen. Gutes Regierungshandeln in Bund, Ländern und Gemeinden hat zu einer hohen Disziplin in der Bevölkerung geführt. Ich möchte mich hier bei allen Menschen im Land für diesen gemeinsamen Zwischenerfolg der Pandemiebewältigung und für das Vertrauen in uns bedanken. Wir sind eine solidarische Nation. Die Menschen im Land vertrauen uns auch dahin gehend, dass wir mit Blick in die Zukunft ohne dauerhafte Wohlstandsverluste eine sozial ausgewogene, klimaneutrale Wirtschaft entwickeln – die allbekannte Zieltrias. Die neue Wahrnehmung ist dabei, dass eben nichts selbstverständlich und von Dauer ist, sondern immer wieder neu stabilisiert und weiterentwickelt werden muss. Mit aller Bescheidenheit: In diesem Kontext haben die Unionsparteien seit jeher höchste Zustimmungswerte. Wir können auf eine sehr erfolgreiche Politik der vergangenen Jahrzehnte zurückblicken. Wer sich in unserem Land mit klarem, unverstelltem Blick umschaut, der wird sehen: Es gibt so unglaublich viele wegweisende Innovationen und erfolgreiche Unternehmen, die uns in vielen Bereichen zum globalen Spitzenreiter gemacht haben: in der Mobilität, in der Robotik, in der Werkstoffforschung, in der Schiffs- und Meerestechnik, in der Umwelt- und Verfahrenstechnik, im Gesundheitswesen und vielen weiteren Feldern. Deutschland ist da stark mit seiner Wissenschaft, seinem Mittelstand und seiner Forschung. Und hier kommt vielleicht eine große Überraschung für alle im linken Lager: Das hat ganz ohne Planwirtschaft und Verbote funktioniert. Leider sprießt dieses Unkraut wieder wild an einigen Stellen im Antrag der Grünen. Unseren Erfolg haben allein die Unternehmerinnen und Unternehmer geschafft, weil sie täglich Spitzenleistungen im Umfeld einer freien und sozialen Marktwirtschaft erbringen können und soziale Verantwortung für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen. Ja, die Unternehmerinnen und Unternehmer sind hier die allerersten Lobbyisten für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie können das leisten, weil wir, die Union als langjährige Regierungspartei, genau diesen richtigen Rahmen dafür gesetzt und stets verteidigt haben. Das ist im Übrigen auch die beste Sozialpolitik, und das galt für eine lange erfolgreiche Zeit auch für die Wirtschaftspolitik der SPD, von Karl Schiller über Wolfgang Clement bis zu Sigmar Gabriel. Es ist immer gut, wenn man zu seinen Erfolgen steht. Der Antrag der Grünen ist – er ist schon ein paarmal so bezeichnet worden – ein Puzzle aus guten Ideen und Ideologien. Ihr Problem ist dabei nur, dass die meisten der guten Ideen bereits umgesetzt oder in Arbeit sind. Ich nenne als Beispiele den Aufbau der Testkapazitäten, die Öffnung der europäischen Grenzen, das Thema Sprunginnovationen oder auch die Aufhebung des Solardeckels. Man gewinnt den Eindruck, dass Sie ein altes Programm recycelt haben. Insofern – das kann ich Ihnen zugestehen – sind Sie durchaus nachhaltig vorgegangen. Sie regieren in den Bundesländern Hessen und Baden-Württemberg und stellen sich dort durchaus der Realität. Leider hat sich die wirtschaftspolitische Verantwortung hier im Bund noch immer nicht zur Kernkompetenz ihrer Politik entwickelt. Nun fordern Sie ein Konjunkturprogramm in Höhe von 100 Milliarden Euro und zusätzlich einen Fonds in Höhe von 500 Milliarden Euro. Sie wollen jedem Bürger Einkaufsgutscheine zukommen lassen. Faktisch ist das nichts anderes als Helikoptergeld – ein Strohfeuer. Zugegebenermaßen gilt das auch für die Abwrackprämie für Autos nach altem Muster. Bei anderen Aspekten sehe ich aber durchaus Gemeinsamkeiten. Ich freue mich auf die zukünftige starke Unterstützung der Grünen vor Ort, wenn wir neue Schnellbahntrassen durch die Landschaft schlagen und dafür die Planverfahren beschleunigen müssen oder wenn wir die Stromnetze ausbauen. Bei Ihrer Forderung nach umweltfreundlichen Neubauten von Schiffen bin ich als Rostocker Abgeordneter im Interesse aller Werftstandorte vollkommen bei Ihnen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, einseitige Abhängigkeit in der Welt müssen wir reduzieren. Wir müssen neue Märkte erschließen, beispielsweise durch erweiterte Partnerschaften mit Afrika. Wir müssen Lieferketten neu denken, eine nachhaltige Logistik aufbauen, von den Weltmärkten über unsere Seehäfen bis hin zum Verbraucher. Wir müssen unsere Häfen zu Energiehäfen weiterentwickeln, vor allem, wenn wir klimafreundlichen Wasserstoff aus Nordafrika oder Australien importieren wollen. Die Nationale Wasserstoffstrategie muss ein wichtiger Baustein des Konjunkturprogramms und der Transformation der Wirtschaft sein. Wir fördern neue Mobilitätskonzepte sowie Kraftstoff- und Antriebstechnik – und das vollkommen technologieoffen. Wir haben bereits im aktuellen Haushalt die Mittel für den Nahverkehr um 6 Milliarden Euro erhöht. Auch da sind Sie mit Ihrem Antrag hintendran. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Wirtschaft und Gesellschaft befinden sich in einer Symbiose. Das macht unsere soziale Marktwirtschaft aus. Deshalb erlaube ich mir abschließend die Feststellung: Die Bevölkerung traut es der letzten verbliebenen Volkspartei – gebildet aus CDU und CSU – zu, die drei wesentlichen Säulen unserer Gesellschaft ausgewogen zusammenzuführen: Wirtschaft, Sozialstaat und Umwelt. Die Grünen haben zumindest ihre größte Baustelle hin zu einer verantwortlichen Regierungsbeteiligung erkannt, und in einigen Medien wurden deshalb Ihre Forderungen nach einem Konjunkturprogramm auch als Beleg für Ihre zukünftige Regierungswilligkeit gesehen. Über die Regierungsfähigkeit wird man vielleicht noch mal zu reden haben – jedoch nicht hier und heute. Wir lehnen Ihren Antrag ab. Ich wünsche allen schöne Pfingsten. Danke, dass Sie mir zugehört haben. Vielen Dank, Herr Kollege Stein. – Damit schließe ich die Aussprache.
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Bernd Rützel SPD
Bernd
Rützel
SPD
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Früher hat man wenige Pakete im Jahr bekommen. Viele erinnern sich an den Otto-Versand, an Klingel, an BADER oder wir Franken an den Quelle-Katalog, der jedes Jahr gekommen ist. Das hat sich geändert. Heute sind wir Deutschen Weltmeister im Einkaufen. Mit Ausnahme der Metropolen Shanghai und Peking werden in Deutschland so viele Pakete versandt und empfangen wie in keinem anderen Land der Welt, von Geschirr über Windeln bis hin zum, wie wir immer wieder erzählt bekommen – erst heute früh beim Besuch des Zentrums in Marzahn mit Rolf Mützenich und Katja Mast –, Katzenstreu, das genau die Grenze von 31,5 Kilogramm einhält, alles Produkte, die wir uns mittlerweile nach Hause liefern lassen. In den letzten sieben Jahren hat sich die Zahl der Pakete verdoppelt. Heute bekommen Privatpersonen jedes Jahr durchschnittlich 24 Pakete. 500 000 Menschen sind damit beschäftigt, diese Pakete auszuteilen. 3,5 Milliarden Pakete sind wirklich eine große Menge. Jeder und jede bestellt im Internet und weiß genau, dass man damit prekäre Arbeitsbedingungen schafft. Auch der Einzelhandel leidet darunter. Uns geht es aber heute mit diesem Paketboten-Schutz-Gesetz nicht darum, das Einkaufsverhalten zu verändern – das muss jeder selber tun –, uns geht es darum, Regeln für Beschäftigte, Regeln für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Regeln für diese Branche zu treffen, damit in dieser Branche eine gute Arbeit geleistet werden kann. Wir wissen, dass diese Branche boomt und brummt, und zwar oft auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es hat sich ein undurchschaubares Netz an Subunternehmen, Sub-Subunternehmen und Sub-Sub-Subunternehmen entwickelt. Viele können dieses Geschäft nicht sinnvoll und wirtschaftlich betreiben. Deswegen wird der Mindestlohn unterschritten, es gibt zahlreiche Fälle von illegaler Beschäftigung, und Sozialversicherungsbeiträge werden in dieser Branche nicht gezahlt. In dieser Branche herrscht ein gnadenloser Druck. Die Generalunternehmer, die fünf großen, wissen fast immer um die Bedingungen, die sie anderen aufdiktieren, aber oftmals verschließen sie ihre Augen davor. Deswegen machen wir jetzt die Generalunternehmer verantwortlich. Sie haften künftig für die abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge ihrer Nachunternehmer, die sich davor drücken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sehr froh, dass unserem Arbeitsminister Hubertus Heil während seiner Homeofficezeit dieses Gesetz noch eingefallen ist. Es steht ja nicht im Koalitionsvertrag. Obwohl wir viel zu tun haben, bringen wir das jetzt auch noch auf den Weg. Ich freue mich, dass dieses Gesetz heute verabschiedet werden kann. Mit diesem Gesetz schützen wir diejenigen, die bei uns an der Haustür klingeln, und diejenigen, die in der Branche tätig sind, die man aber nicht sieht, die in den Verteilzentren arbeiten wie die Kolleginnen und Kollegen heute früh. Zum Abschluss möchte ich noch etwas zu Julius Cronenberg sagen: Ja, viele Technologien, zum Beispiel selbstfahrende Fahrzeuge, braucht in der Tat kein Mensch. Ich wäre aber froh, wenn smarte Tachografen eingebaut würden, die die Arbeitszeit, die Pausenzeit aufzeichnen, sodass der Zoll besser kontrollieren kann. Und die Redezeit. Das Licht blinkt. – Deswegen bin ich sicher, dass, wenn kurz vor Weihnachten an der Haustür geklingelt wird, viele mit einem besseren Gewissen ihrer Paketbotin oder ihrem Paketboten die Tür öffnen. Ich freue mich. Heute ist ein guter Tag. Vielen Dank, Bernd Rützel. – Letzter Redner in der Debatte: Stephan Stracke für die CDU/CSU-Fraktion.
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Thomas Erndl CDU/CSU
Thomas
Erndl
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Soldatinnen und Soldaten! Vielleicht ein Satz zu meiner Vorrednerin Frau Vogler: Ohne Sicherheit gibt es keine Entwicklung. Das ist ein Grundsatz, den Sie leider seit Jahren nicht verstehen. Die Stabilität in der Sahelregion ist unser ureigenstes Interesse. Rückzugsräume für Terrorgruppen, Organisierte Kriminalität und Menschenschmuggler darf es vor der Haustüre Europas nicht geben. Denn Chaos dort bedroht nicht nur die Menschen im Sahel, sondern am Ende auch unsere Sicherheit in Europa. Deshalb ist unser Engagement in dieser Region nach wie vor richtig und wichtig. Und so war natürlich auch der Ansatz richtig, die malischen Streitkräfte durch EUTM Mali zu stärken. Seit 2013 hat die Bundeswehr einen wertvollen Beitrag für Stabilität und Sicherheit in der Region geleistet. Unsere Soldatinnen und Soldaten haben ihren Auftrag dort professionell und hoch motiviert erfüllt, und dafür verdienen sie unseren Dank und unsere Anerkennung. Doch wir können nicht so weitermachen wie bisher; denn es gibt Entwicklungen, die für uns einfach nicht akzeptabel sind. Seit Monaten fordert die internationale Gemeinschaft vom Übergangspräsidenten Go ï ta einen Fahrplan zu demokratischen Wahlen – leider ohne Erfolg. Dann gibt es die offene Kooperation mit Russland, mit „Wagner“-Söldnern, und die Weigerung, massive Menschenrechtsverletzungen wie etwa das Massaker in Moura unter Beteiligung der UN transparent aufzuklären. Die Bundesaußenministerin hat bei unserem Besuch in Mali diese Dinge beim Gespräch mit dem Übergangspräsidenten Go ï ta unmissverständlich angesprochen; das war auch sehr, sehr wichtig. Aber die Entwicklung ging leider negativ weiter; denn in den letzten Tagen erfolgte dann auch der Ausstieg aus der G‑5-Sahelgruppe. Damit müssen wir feststellen, dass sich die Rahmenbedingungen für das Mandat grundlegend geändert haben. Deshalb ist es nur konsequent, dass die Beteiligung der Bundeswehr an der Ausbildung der malischen Sicherheitskräfte nicht fortgesetzt werden kann. Trotzdem müssen wir einen Weg finden, wie wir in der Region präsent bleiben. Es ist daher ein richtiger Schritt, den Fokus von Mali auf Niger zu verlagern. Niger hat sich trotz schwierigster wirtschaftlicher Bedingungen in den letzten Jahren zu einem Stabilitätsanker in der Region entwickelt. Die dortige Regierung ist ein verlässlicher Partner und an einer ernsthaften Kooperation interessiert. Die Operation Gazelle hat sich als erprobtes Konzept für die Ausbildung der nigrischen Sicherheitskräfte erwiesen. Daher unterstütze ich ausdrücklich, dass die Ausbildung dieser Spezialkräfte im Rahmen des EUTM-Mandats fortgesetzt wird. Der Eindruck vor Ort zeigt, dass das wirklich in hoher Professionalität einerseits und andererseits in einem Geiste der Partnerschaft durchgeführt wird. An dieser Stelle auch noch mal herzlichen Dank an die Soldatinnen und Soldaten, die im Rahmen dieser Mission dort im Einsatz sind! Die Bundesregierung sollte sich aber Gedanken machen, in welcher Form das Engagement der Bundeswehr in Niger über das Jahresende hinaus fortgesetzt werden kann, wenn die Operation Gazelle beendet wird. Denn das internationale Engagement im Sahel und die Stärkung der Handlungsfähigkeit der G‑5-Sahelstaaten bleibt weiterhin wichtig. Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.– Vor einigen Wochen war ich mit der Bundesaußenministerin in der Region. Die Eindrücke haben gezeigt, dass die Region vor enormen weiteren Herausforderungen steht, zum Beispiel mit Blick auf die Nahrungsversorgung und die Bevölkerungsentwicklung; aber auch die Folgen des Klimawandels sind dort spürbar. Deswegen ist unsere Unterstützung weiterhin notwendig. Es ist unser ureigenstes Interesse, Sicherheit und Stabilität weiter zu fördern. Deshalb ist es richtig, dieses Mandat fortzusetzen. Wir stimmen dem gerne zu. Herzlichen Dank. Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Johannes Arlt.
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Fabian Jacobi AfD
Fabian
Jacobi
AfD
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Linken zur Änderung des Grundgesetzes hat seine charmanten Seiten. Er praktiziert nämlich, zumal gegen Ende hin, eine bemerkenswerte Offenherzigkeit, was ja durchaus als charmante Eigenschaft begriffen werden kann. Doch dazu später. Weniger charmant ist der Inhalt des Antrags. Er wurde in fast identischer Form bereits in der letzten Wahlperiode hier gestellt und behandelt. Aus der damaligen Debatte haben die Antragsteller also offenbar nichts gelernt. Die Linke möchte ein bisschen an der Verfassung herumschrauben und die dort verankerten Bürgerrechte, namentlich die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, zu Menschenrechten umschreiben, also die in diesem Bereich vom Grundgesetz getroffene Unterscheidung zwischen Staatsbürgern und Ausländern einebnen. So weit, so typisch. Die letztliche Auflösung der Republik durch die Abschaffung jeglicher Unterscheidung zwischen den eigenen Staatsbürgern und de m Rest der Menschheit ist ja ein Fixstern linker Ideologie. Man verweist auf völkerrechtliche Abkommen und Verträge, auf die Europäische Menschenrechtskonvention und auf den Zivilpakt der Vereinten Nationen. In diesen seien die genannten Rechte als Menschenrechte enthalten. Und damit offenbart sich auch schon die ganze Überflüssigkeit dieses Antrags; denn diese internationalen Regelwerke sind in Deutschland geltendes Recht. Jeder kann sich auf sie berufen, und das Recht darauf, bei Verletzungen solcher Rechte vor deutschen Gerichten Rechtsschutz zu erhalten, das gilt in Deutschland ebenfalls ganz unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Ein praktisches Bedürfnis oder einen ernsthaften Missstand, dem es durch eine Verfassungsänderung abzuhelfen gölte, zeigt der Antrag nicht auf. Er enthält sich jeglicher konkreten Darlegung oder Beschreibung irgendeiner tatsächlich vorkommenden Situation, in der – und sei es auch nur aus Sicht der Antragsteller – irgendjemandem in Deutschland aufgrund der bestehenden Rechtslage ein grobes Unrecht geschähe. Und das hat sich auch zwischen der Erstfassung des Antrags aus dem Jahr 2015 und der neuen Version von 2018 nicht geändert. Obwohl sie seit der erstmaligen Behandlung hier im Bundestag noch mal drei Jahre Zeit hatten, irgendetwas Greifbares aufzutreiben, das sich als Beleg für ein existierendes Problem anführen ließe, ist da nichts. Es bleibt – damals wie heute – alles im Wolkigen, im Abstrakten. Und das zeigt ganz deutlich, dass es diesem Antrag auch gar nicht darum geht, irgendeinem konkreten gesellschaftlichen Problem abzuhelfen. Nein, hier sollen frivole Spielchen mit der Verfassung getrieben werden als Vorwand für ganz andere Zwecke. Welche das sind? Da komme ich auf den Anfang zurück, als ich sagte, dass dieser Antrag so charmant offenherzig sei. Liest man sich nämlich die Antragsbegründung durch, findet man ziemlich am Ende die Passage, in der der Antragsverfasser – bildlich gesprochen – die Hosen herunterlässt. Das ist auch eine der wenigen Stellen, an denen der Antrag nicht ganz wortwörtlich dem alten Antrag von vor drei Jahren entspricht, sondern kleine Änderungen vorgenommen wurden. Da hieß es 2015 noch: ... auch Geflüchtete müssen das gleiche Recht ... haben ... die inhumane Asylpolitik der Bundesregierung durch Versammlungen und Organisierung in Vereinigungen anzuprangern. In der jetzigen Fassung ist da noch eine Ergänzung hinzugekommen. Jetzt heißt es nicht mehr nur, dass Geflüchtete sich versammeln und organisieren sollen gegen die „Asylpolitik der Bundesregierung“; nein, jetzt sollen sie in Marsch gesetzt werden gegen die „Asylpolitik der Bundesregierung sowie die Hetze durch rechte Kräfte“. Und nach der alten, totalitären Freund-Feind-Logik der Linken sind rechte Kräfte ja bekanntlich alle, die keine Linken sind. Hier offenbart sich die Geisteshaltung, die hinter diesem Antrag steht. Sie geht darauf aus, in Deutschland lebende Ausländer, speziell Asylsuchende, aufzuhetzen: in der älteren Version des Antrags nur – nur! – gegen die deutsche Regierung und den deutschen Staat, in der jetzigen Fassung des Antrags zusätzlich auch noch gegen die Teile des deutschen Staatsvolkes, die von der Linken als Feind, nämlich als rechts, markiert werden. Man muss sich das deutlich vor Augen führen: Die Linke sitzt hier in diesem Parlament als Teil des Staatsorgans Bundestag, als Teil der Volksvertretung des deutschen Volkes, und nutzt diese Bühne, um Ausländer – Geflüchtete, wie sie sagen – gegen diesen Staat und gegen dieses Volk zu agitieren. Dazu erübrigt sich dann jede weitere Debatte. Wir stimmen der erneuten Überweisung dieses Recyclingantrags in den Rechtsausschuss zu. Einen besonderen Erkenntnisgewinn erwarten wir uns davon allerdings nicht. Vielen Dank. Für die Fraktion der SPD hat das Wort der Kollege Dr. Karl-Heinz Brunner.
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Fabio De Masi DIE LINKE
Fabio
De Masi
DIE LINKE
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Fraktion unterstützt selbstverständlich den Wiederaufbau in Europa; denn wenn Italien und Spanien Fieber haben, kann auch Deutschland nicht gesund werden. Es ist offensichtlich, auch hier in Deutschland: Es ist eben teurer, in der Krise zu kürzen; denn wenn Unternehmen sterben, wenn Jobs vernichtet werden, dann brechen uns auch die Steuereinnahmen von morgen weg. Weil jetzt bei diesem Aufbaufonds auch über die Verknüpfung mit dem Europäischen Semester gesprochen wird: Was nicht geht, ist, in der Coronakrise mit feuchten Augen für die Krankenschwestern und Ärzte in Italien, Spanien oder Deutschland zu klatschen und dann zu sagen: Geld gibt es nur, wenn man den Leuten ins Portemonnaie greift und wieder die Löhne und Renten kürzt. – Das müssen wir verhindern! Das wäre Gift für Europa. Wir haben ja auch in Deutschland wieder die Debatte: Die Union will die Grundrente aussetzen, diskutiert über die Senkung von Mindestlöhnen und will den Soli auch für DAX-Manager und Bundestagsabgeordnete abschaffen. Es dürfen nicht wieder die Leute die Rechnung bezahlen, die den Laden am Laufen halten. 63-mal hat die EU-Kommission seit 2011 EU-Mitgliedstaaten aufgetragen, ihre Gesundheitsausgaben zu kürzen. Jeder Mensch in diesem Land versteht doch: Was die Krise jetzt teurer macht, ist, dass wir die Wirtschaft nicht mehr anfahren können, weil unser Gesundheitssystem sonst zusammenbrechen würde. Dieser Unsinn in Europa muss ein Ende haben! Natürlich muss man auch Auflagen machen, wenn man Geld gibt. Aber warum denn nicht mal, anstatt der Krankenschwester ins Portemonnaie zu greifen, die Multimillionäre und Milliardäre in Europa zur Kasse bitten, warum nicht die Steueroasen austrocken? Deswegen will ich – apropos Steueroasen – etwas zu den sparsamen Vier sagen, die der Kollege Lambsdorff angesprochen hat: die Niederlande, Österreich, Dänemark und Schweden. Wie heißt der erfolgreichste Autokonzern der Niederlande? Fiat – das habe ich von einem Kollegen gelernt; guter Hinweis –; denn der italienische Autobauer Fiat zahlt seine Steuern nur noch in den Niederlanden, weil die Niederlande eine dreiste Steueroase sind, die auch die anderen Länder in Europa abzockt. Bei Ihnen, Herr Kollege Gottschalk, ist wirklich Hopfen und Malz verloren. Eric Cantona – das ist ein französischer Fußballspieler – hat einmal gesagt, mit Leuten wie Ihnen zu diskutieren, sei, wie mit einer Taube Schach zu spielen. Die setzt man in drei Zügen schachmatt, die läuft über das Spielfeld, wirft die Figuren um, hinterlässt dann ihre Notdurft und meint, sie hätte im Schach gewonnen. Zurück zum Thema. Auch die Niederlande haben wie Deutschland chronische Leistungsbilanzüberschüsse. Das heißt: Sie haben mehr ins Ausland verkauft als von dort eingekauft. Es ist eben nun einmal so: Die Ausgaben der einen sind die Einnahmen der anderen und umgekehrt. Das heißt: Ohne die Schulden auch Italiens und Spaniens hätten die überhaupt keine Umsätze gemacht. Auch Österreich – auch das muss hier gesagt werden – hat seit Einführung des Euro noch kein einziges Mal die Maastricht-Kriterien zur Staatsverschuldung erfüllt. Spanien hatte eine der niedrigsten Staatsschuldenquoten Europas vor der Euro-Krise. Deswegen bin ich doch sehr verwundert über die teilweise absurden Debatten, die wir hier führen. Heute früh habe ich von einem Redner der Union gehört, man würde jetzt Zuschüsse in Europa machen, aber man sei standhaft geblieben bei den Coronabonds. – Das ist ein Widerspruch. Die Coronabonds wären nämlich billiger gewesen; denn würde die EZB diese Bonds kaufen, gäbe es null Zins- oder Haftungsrisiko für Deutschland, weil die EZB niemals in Euro pleitegehen kann. Deswegen will ich hier einmal vortragen, was ein sehr renommierter deutscher Ökonom, der übrigens auch die CDU berät, letztens geschrieben hat. Herr Südekum sagte: Wir bräuchten jetzt öffentliche Investitionen statt Kürzungen in Europa. Die Industriestaaten sollten aus dem Schuldenproblem der Coronakrise einfach herauswachsen. Er sagt auch: Einem weiteren Akteur kommt eine entscheidende Rolle zu: den Zentralbanken. Wenn sie als Käufer von Staatsanleihen zur Verfügung stehen, sind niedrige Zinsen garantiert. Und was immer die öffentlichen Haushalte dorthin abführen, fließt als Zentralbankgewinn wieder zurück. Wir leihen uns das Geld quasi selber. Solide Staaten mit einer soliden Währung können das. Deswegen fordert Herr Südekum, das Mandat der Europäischen Zentralbank zu ändern, damit sie auch Staaten und nicht nur die Banken finanzieren kann – und das will auch Die Linke. Ein letzter Hinweis. Ich bin sehr dafür, dass wir die Debatte um den europäischen Aufbaufonds auch an die Digitalbesteuerung knüpfen; denn wir erleben ja jetzt in der Krise einen, der sich über Corona freut: Jeff Bezos, der mit Amazon jetzt seine Marktmacht ausbaut. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass die Multis in Europa ihre Steuern zahlen. Ich will das hier auch noch mal sagen: Das gilt auch für die Lufthansa. Gestern kam heraus: Die Lufthansa macht mit zwei Mitarbeitern – angeblich in Malta – 200 Millionen Euro Gewinn. Das glaubt nicht mal ein Fünfjähriger. Deswegen müssen wir in Europa endlich für Steuergerechtigkeit sorgen. Vielen Dank. Die nächste Rednerin ist für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Dr. Franziska Brantner.
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Niema Movassat DIE LINKE
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Movassat
DIE LINKE
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss sagen: Ich wäre ja für eine Begrenzung der Zeit der AfD hier im Parlament. Bringen Sie einen solchen Antrag ein, dann stimmen wir auch zu. Als ich den AfD-Gesetzentwurf gelesen habe, war ich ein bisschen irritiert. Es ist ja eigentlich so, dass AfD-Anträge immer dasselbe Schema haben. Sie suchen sich eine Minderheit, auf die Sie dann draufdreschen. Und tatsächlich: Im heutigen AfD-Gesetzentwurf ist erst mal nichts dazu drin. Keine Flüchtlinge werden erwähnt etc. Aber Sie haben das dann in der Regel nachgeholt, und das war ja sozusagen auch abzusehen. Legen Sie doch irgendwann mal eine neue Schallplatte auf! Sie wollen also heute die Amtszeit der Bundeskanzlerin auf zwei Wahlperioden begrenzen. Das ist eine Forderung, gegenüber der wir Linke nicht grundsätzlich verschlossen sind. Aber Ihr Ansinnen ist ja in Wirklichkeit, Ihre „Merkel muss weg“-Parole in ein Gesetz zu gießen. Das hat Ihre Rede, Herr Brandner, hier sehr eindrucksvoll bewiesen. Wir Linke stehen natürlich auch in deutlicher Opposition zu Angela Merkels unsozialer Politik, das ist kein Geheimnis, aber aus anderen Gründen als die AfD. Für die AfD scheint vor allem die Person Merkel ein echtes Trauma zu sein. Sie sollten das bei Gelegenheit wirklich austherapieren lassen. Wenn die Forderung für eine Begrenzung der Amtszeit eines Kanzlers vonseiten der AfD kommt, dann steckt dahinter keine ernsthafte demokratietheoretische Auseinandersetzung. Die Fantasie, sich die AfD als Demokratieförderer vorzustellen, endet spätestens da, wo Sie mit Neonazis paktieren und fordern, deutsche Staatsbürger in Anatolien zu entsorgen. In der Sache finde ich eine Diskussion über die Amtszeit von Regierungschefs legitim, aber ich bin skeptisch, muss ich sagen, ob eine starre Festsetzung einer bestimmten Amtsdauer unbedingt demokratiefördernd ist. Ja, ich hätte mir natürlich die Abwahl der CDU-Kanzlerschaft und von Angela Merkel gewünscht, aber dadurch, dass die Mehrheit Die Linke gewählt hätte, also durch Abwahl statt durch Amtszeitbegrenzung. Die Bevölkerung hat in diesem Land die Wahl, welcher Partei sie ihre Stimme gibt und wen sie damit faktisch zum Kanzler macht und wie oft sie die Person zum Kanzler macht. Die Bevölkerung entscheidet also über die Amtsdauer von Kanzlerin oder Kanzler, und das funktioniert auch. Immerhin wurden so früher oder später Gerhard Schröder und Helmut Kohl abgewählt, über eine Wahl. Ich traue den Bürgerinnen und Bürgern zu, über die Amtszeit von Kanzlern zu befinden. Die AfD hat dieses Vertrauen in die Bevölkerung offenbar nicht. In der Begründung Ihres Gesetzentwurfes sprechen Sie auch die problematische Verflechtung der Koalitionsfraktionen und der Regierung an, also die fehlende Unabhängigkeit der Unions- und SPD-Fraktion von der Regierung. Das ist in der Tat ein Problem, aber das hat nichts damit zu tun, wie oft jemand zum Kanzler gewählt werden darf. Auch Ihr Vergleich im Gesetzentwurf mit den USA für eine Amtszeitbegrenzung hinkt. Die USA haben ein anderes politisches System, nämlich eine Präsidialdemokratie. Die Machtfülle des US-Präsidenten, der Regierungschef ist, der Staatsoberhaupt ist, der Commander in Chief ist, ist eine ganz andere Machtfülle, als die Kanzlerin sie hat. Die Amtszeitbegrenzung in den USA ist ein Resultat der Machtfülle des US-Präsidenten, einer Machtfülle, die die Kanzlerin nicht hat. Ich sage Ihnen: Wer Demokratie stärken will, der muss mehr Formen der direkten Demokratie einführen, der muss die Rechte des Parlamentes stärken. Dafür setzt sich die Linke ein. Das Problem bei der AfD ist doch folgendes: Ihre Forderung nach Begrenzung der Amtszeit des Kanzlers ist in Wirklichkeit personengebunden; das haben Sie ja gerade hier auch ausgeführt, Herr Brandner. Würde katastrophalerweise Bernd Höcke da sitzen, dann wären Sie auch für eine tausendjährige Amtszeit. Ihr Anliegen ist unglaubwürdig. Danke schön. Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort jetzt die Kollegin Britta Haßelmann.
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Frank Schwabe SPD
Frank
Schwabe
SPD
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Herr Dr. Röttgen, Sie haben ja versucht, hier einen Popanz aufzubauen, eine Theorie aufzustellen, die Sie sich ausgedacht haben, und sie hier selbst zu belegen. Als Sie dann über das Nuklearabkommen gesprochen haben, dachte ich, jetzt komme ein Vorschlag oder am Ende, dass Sie sagen, Sie wollten es vielleicht auch gar nicht mehr. Aber Sie wollen wirklich beides, und Sie haben dann gesagt, die Außenministerin und wir alle täten zu wenig im Bereich der Menschenrechtspolitik gegenüber dem Iran. Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist – mir jedenfalls ist es aufgefallen –: Sie haben hier nicht an einer Stelle gesagt, zu was Sie die Bundesregierung auffordern, sondern nur einen Popanz aufgebaut. Das kann nicht funktionieren; denn diese Koalition, dieser Teil des Hauses, tut beides: Sie bemüht sich um den Weltfrieden und stellt die Menschenrechte in den Mittelpunkt ihrer Außenpolitik. Und das ist auch richtig so. Wir gedenken heute Jina Mahsa Amini, einer 22 Jahre alten Iranerin, und mit ihr den vielen Tausend anderen bei Protesten in den letzten Jahren und Jahrzehnten Getöteten, Hingerichteten. Was ist das eigentlich für eine Regierung eines Staates, die die eigene Bevölkerung wegen einer Kleiderordnung verhaften, verprügeln und mutmaßlich auch totschlagen lässt? Weltweit und auch hier in Deutschland erinnern wir an diese Proteste und unterstützen wir diese. Interessanterweise sind viele Menschen, die aus dem Iran zu uns gekommen sind, auch in der deutschen Politik: der Parteivorsitzende der Grünen, der Generalsekretär der FDP; wir haben einen Fraktionsreferenten aus dem Menschenrechtsbereich, Arash Sarkohi. Sie sind wahrscheinlich hier, nicht weil es so toll in Deutschland ist – hier ist es natürlich auch toll –, sondern weil sie eben nicht mehr im Iran leben konnten. Deswegen ist das kein vom Westen gesteuerter Protest oder keine vom Westen gesteuerte Revolution – was auch immer da kommt –, sondern das ist die Unterstützung eines Protestes von einem freien Teil der Welt, wo Iranerinnen und Iraner ihre Heimat gefunden haben, weil sie hier offen reden können, weil wir für Freiheit und Offenheit in der Gesellschaft stehen. Deswegen ist es gut, dass wir das hier alle gemeinsam diskutieren können. Wir sollten das nicht untergraben, sondern als Deutscher Bundestag das klare Signal ausstrahlen: Wir stehen an der Seite der Iranerinnen und Iraner, die dort jetzt protestieren. Ich will erinnern an Nahid Taghavi und andere, die eigentlich in Deutschland leben und beheimatet sind, aber ab und zu im Iran sind. Nahid Taghavi wurde dort am 16. Oktober des Jahres 2020 verhaftet und ist seitdem in Haft. Ich will auch daran erinnern, dass Vertreterinnen und Vertreter der iranischen Regierung nicht nur im Iran, sondern auch in Deutschland ihr Unwesen treiben und Menschen aus der Opposition, die hier im Exil leben, bedrängen. Ich finde, wir sollten alle gemeinsam genau hinschauen, zusammen mit den deutschen Sicherheitsbehörden, ob das eigentlich sein kann und ob wir da nicht weiter tätig werden können. Seit mittlerweile 13 Tagen ebben die Proteste nicht ab. Es gibt nach den Erfahrungen der letzten Jahre unterschiedliche Einschätzungen dazu, wie lange das gehen wird und wie es ausgehen wird. Mein Eindruck ist – das ist das, was ich geschildert bekomme –, dass anders als 2016 und 2019 jetzt alle Schichten dabei sind: Menschen aus großen und aus kleinen Städten, traditionelle und liberale Communitys und auch Menschen, die wir vermutlich als unpolitisch beschreiben würden. Deswegen will ich auch an dieser Stelle Sardar Azmoun und der iranischen Fußballnationalmannschaft danken. Ich finde, angesichts der Debatte, die wir über Katar führen, stünde es der FIFA gut an, sich klar zu positionieren und sich mit der iranischen Fußballnationalmannschaft der Männer zu solidarisieren. Die Angst ist bei vielen dem Mut gewichen, zum Teil dem Mut der Verzweiflung. Die Menschen gehen trotz der Erfahrung der brutalen Niederschlagung und 1 500 Toten an drei Tagen im Jahr 2019 jetzt auf die Straße. Frauen – das ist vielfach betont worden – sind die Speerspitze dieses Protestes, unter der Parole „zan, zengedi, azadi“ – Frau, Leben, Freiheit. Deswegen ist es vielleicht ein positiver Nebeneffekt der heutigen Debatte – so habe ich das verstanden –, dass zumindest Teile der Unionsfraktion eine feministische Außen- und Entwicklungspolitik jetzt ganz gut finden. Es geht darum, Menschen in aller Welt, die aus unterschiedlichen Gründen unterdrückt sind, in die Lage zu versetzen, sich für ihre Freiheit, für ihr freies Leben einzusetzen. Das müssen wir aus Deutschland mit aller Kraft unterstützen. Ein letzter Satz. Es ist hier von Religion geredet worden. Ich finde, man muss sich noch einmal klarmachen: Es ist keine Frage von Religion, wenn Menschen vorgegeben wird, wie sie zu leben haben. Es gibt andere muslimische Länder, die solche Vorschriften nicht kennen. Schon deswegen kann der Bezug auf die Religion nicht richtig sein. Man muss sowohl den Mullahs im Iran als auch der AfD sagen, dass es keine Frage von Religion ist, wenn Menschen, wenn Frauen frei leben wollen. Vielen herzlichen Dank.
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Michael Kuffer CDU/CSU
Michael
Kuffer
CDU/CSU
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetz fassen wir einzelne Regelungen zur Erhebung und Verarbeitung von Bestandsdaten im Telekommunikationsbereich neu. Wir setzen damit bekanntermaßen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Mai 2020 um. Entscheidend dabei war und ist: Das Bundesverfassungsgericht hat zunächst einmal eindeutig klargestellt, dass die Erteilung von Auskünften über Bestandsdaten grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig ist. Es hat in seinem Beschluss lediglich Modifizierungen erbeten, und zwar, wie es das Gericht beschreibt, nach dem Bild einer „Doppeltür“. Das heißt, es geht um noch weiter auszudifferenzierende Tatbestandsvoraussetzungen sowohl für die Übermittlung der Bestandsdaten durch die Telekommunikationsanbieter als auch für den Abruf dieser Daten durch unsere Sicherheitsbehörden. Letztlich geht es darum, die Verwendungszwecke der Daten noch enger einzugrenzen, und zwar explizit auf die Fälle konkreter Gefahren. Für die Zuordnung dynamischer IP-Adressen zu den dazugehörigen Daten des Anschlussinhabers sieht das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus als legitimen Zweck nur – so die Formulierung des Gerichts – „die Bewehrung von Rechtsgütern von hervorgehobenem Gewicht“ vor. Es ist wichtig, sich das noch einmal zu verdeutlichen; denn das Bundesverfassungsgericht verlangt von uns als Gesetzgeber damit lediglich mikrochirurgische Eingriffe. Es hat deshalb die Regelungen auch vorläufig weiter gelten lassen. Das ist auch deshalb wichtig, weil somit zu keiner Zeit eine Sicherheitslücke entstehen konnte. Deshalb, lieber Herr Kollege von Notz, sind Ihre Äußerungen dazu natürlich durchaus verräterisch. Sie haben in der Pressemitteilung von der „strukturellen Ignoranz der Bundesregierung gegenüber Freiheitsrechten“ gesprochen. Sie haben solche blamablen Formulierungen heute wiederholt, indem Sie von „Scherbenhaufen“ gesprochen haben. Drunter ging es also offensichtlich nicht. Damit sind Sie natürlich nicht nur über das Ziel hinausgeschossen, sondern Sie zeigen wieder etwas, was man von Ihnen kennt, was Sie neuerdings aber zu kaschieren versuchen – da bricht es halt wieder hervor –: Es ist Ihre Schadenfreude über jede mögliche oder vielleicht sogar von Ihnen gewünschte Schwächung unseres Sicherheitsapparats. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Sie können natürlich hier schon mit Wahlkampf beginnen; aber dieser Spagat wird im Jahr 2021 nicht gut gehen. Die Schreierei zeigt, dass wir Sie da auf dem richtigen Fuß erwischt haben. Insofern ist es vielleicht wichtig für Sie, zu erfahren, dass wir mit den Reparaturen jetzt sehr gründlich vorgehen. Wir nehmen uns sowohl das Telemediengesetz, das Telekommunikationsgesetz, die polizeilichen Abrufregelungen des Bundespolizeigesetzes, des BKA-Gesetzes, des Zollfahndungsdienstgesetzes und des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes als auch die nachrichtendienstlichen Abrufregelungen und die Strafprozessordnung vor. Insofern ist das eine gründliche Reparatur im graduellen Bereich. Sie können aufhören, sich aufzuregen. Es ist alles in Ordnung, und die Lage ist absolut im Griff. Vielen Dank. Vielen Dank. – Damit schließe ich die Aussprache.
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Dagmar Ziegler SPD
Dagmar
Ziegler
SPD
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein und werden, im Inneren und nach außen.“ In Zeiten der Europäischen Union bezieht dies eben nicht nur unsere europäischen Nachbarn mit ein, sondern vor allem auch die Nachbarn unseres Europas. Unser Antrag ist auch Ausdruck dieses vielzitierten Satzes aus Willy Brandts Regierungserklärung 1969. Deshalb ist Ihre Sichtweise auf den Mittelmeerraum eine ganz andere als die unsere, liebe AfD. Die nordafrikanischen Staaten sind Nachbarn unseres Europas und somit wichtige Partner in sicherheitspolitischen, in wirtschaftlichen und auch in außenpolitischen Fragen. Es liegt im gegenseitigen, aber eben auch in unserem deutschen strategischen Interesse, diese Kooperationen weiter auszubauen, und dafür tragen wir hier im Parlament eine sehr große Verantwortung. Die aufeinandertreffenden verschiedenen Kulturen und Religionen ebenso wie die gesellschaftlichen Ungleichgewichte in der Region beherbergen aber auch Konflikte, die bis nach Europa reichen; das wissen wir alle. Neben dem Verbindenden kennzeichnet den Mittelmeerraum auch sehr viel Trennendes: Wohlstand gegenüber Armut, staatliche Stabilität gegenüber Fragilität, Rechtssicherheit versus Rechtsunsicherheit sowie Staaten zwischen Demokratie und Diktatur, religiösen Fundamentalismus und Nationalismus. Da hilft die Eisenbahnstrecke wenig. Schlechte Regierungsführung, politische Krisen, fundamentalistische Gewalt stehen Menschenrechten, individuellen Freiheiten, Demokratisierung und wirtschaftlichem Aufstieg entgegen. Während beispielsweise Tunesien – mit großen Abstrichen in Bezug auf Menschenrechte – es schafft, sich immer weiter zu entwickeln, werden Staaten wie Libyen immer instabiler. Um genau dem entgegenzutreten, gilt es, den Zusammenhalt innerhalb der Region zu fördern, den Blick auf gemeinsame Interessen zu richten und den politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Austausch zu intensivieren, im Übrigen auch zwischen Parlamentariern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Aufgabe muss es sein, die Region bei ihrer politischen, demokratischen und rechtsstaatlichen Entwicklung langfristig durch strukturelle Reformmaßnahmen zu unterstützen, die Einhaltung der Menschenrechte vor Ort ohne Wenn und Aber zu erreichen, die Region wirtschaftlich zu stärken und als verlässlichen Partner Europas zu gewinnen. Das Werkzeug, um an diesen Zielen weiterzuarbeiten, ist in unserem Antrag beschrieben. Ich möchte mich bei unserem Koalitionspartner bedanken, dass das so gut gelungen ist. Die Koalitionsfraktionen fordern die Bundesregierung erstens auf, in den Verhandlungen der Europäischen Union mit den südlichen Anrainerstaaten des Mittelmeers zu vertieften, umfassenden Handelsabkommen zu gelangen, die verbindliche soziale, menschenrechtliche und auch ökologische Standards ebenso wie konkrete Beschwerdeüberprüfungs- und Reaktionsmechanismen enthalten. Für Herrn Rabe explizit, aber auch für uns alle ist die Aussage sehr wichtig, dass die Handelsabkommen die wirtschaftliche Stabilisierung und nachhaltige Entwicklung der Region fördern müssen und da insbesondere auf die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen geachtet werden muss. Zweitens sind alle Vorhaben dahin gehend zu überprüfen, ob sie geeignet sind, vor allem junge Menschen in angemessene Beschäftigung zu bringen, um nachhaltige Lebensperspektiven vor Ort zu schaffen. Es geht eben nicht um eine Europäisierung von Afrika. Drittens ist auf eine Verbesserung der menschenrechtlichen Lage hinzuwirken. Vor allem damit wird ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung und Konfliktprävention in der Region geleistet, besonders die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien, die Pressefreiheit und die Umsetzung demokratischer Beteiligungsformen sind von zentraler Bedeutung. Auch hier, muss ich sagen, ist der Austausch zwischen Parlamenten, Kommunalpolitikern, Landespolitikern und eben auch Regierungsvertretungen so wichtig, damit wir auch da Einfluss nehmen im guten Sinne. Bei allen Verhandlungen muss darauf hingewirkt werden, dass die zunehmende Einschränkung der Arbeit der deutschen politischen Stiftungen in einigen Ländern Nordafrikas beendet wird. Das ist etwas, worauf wir bestehen sollten. Im Hinblick auf die künftige Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten ist das elementar. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit, bitte um Zustimmung, damit die Bundesregierung dies zum Anlass nimmt, die vielen Maßnahmen, die wir beschlossen haben – es sind sehr viele Maßnahmen – auch tatsächlich schnellstmöglich in Angriff zu nehmen und umzusetzen. Vielen Dank. Vielen Dank, Frau Kollegin Ziegler. – Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Till Mansmann.
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Dr.
Dr. Jonas Geissler CDU/CSU
Jonas
Geissler
CDU/CSU
Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber die Erklärung ist gestern ja nicht von uns eingebracht worden, sondern von den Ampelfraktionen, und wir waren in der Lage, dieser Erklärung zuzustimmen. Ich habe als Vorbereitung auf die Rede sämtliche Ausschusserklärungen der letzten vier Legislaturperioden durchgeschaut, weil es mich wirklich beschäftigt hat, warum Sie das bei Guantánamo machen, bei anderen aber nicht. Ich sage Ihnen eines: Wann immer es um China gegangen ist, haben Sie nicht daran teilgenommen, das Ganze abgelehnt oder dem nicht zugestimmt. Ganz ehrlich: Das ist eine einseitige Auslegung von Menschenrechten. Machen Sie es universell, so wie Sie es einleitend gesagt haben!
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Christian Sauter FDP
Christian
Sauter
FDP
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gleich vorab: Meine Fraktion stimmt dem Einsatz der Bundeswehr am Horn von Afrika zu. Atalanta ist ein sinnvoller Einsatz mit einem vernünftigen Ziel und einer guten Bilanz. Es gibt Erfolge vorzuweisen. Die Seewege rund um das Horn von Afrika sind sicherer geworden. Es besteht zusätzlich eine erfolgreiche Kooperation mit europäischen und auch außereuropäischen Partnern, beispielsweise mit Indien. – So weit, so gut. Dennoch möchte ich einige Anmerkungen machen. Die Operation werde mindestens so lange andauern, bis Somalia funktionierende staatliche Strukturen habe, so lautet ein Teil der Begründung, die die Bundesregierung für das Mandat abgibt. Es muss aber ein schlüssiges Gesamtkonzept geben, wie der Aufbau funktionierender staatlicher Strukturen gefördert werden kann. Die Bundesregierung und die europäischen Partner müssen klarmachen, wie die Probleme in Somalia überwunden werden können. In diesem Zusammenhang halte ich es für erwähnenswert, dass in den vorangegangenen Mandatstexten von einer Neubewertung des Einsatzes und einer Exit-Strategie gesprochen wurde. Auf europäischer Ebene wird regelmäßig die Verlängerung des Mandates empfohlen. In der ganzheitlichen und koordinierten strategischen Überprüfung des Einsatzes, einem Dokument des Europäischen Auswärtigen Dienstes mit dem Ziel der Bewertung der Handlungsoptionen, wird ein Exit nicht empfohlen. Um den sinnvollen und nützlichen Einsatz Atalanta herum muss das Gerüst, das für staatliche Strukturen sorgen soll, stärker werden. Die Bundesregierung muss auf eine bessere Einbettung des Einsatzes hinarbeiten, wenn die Pirateriebekämpfung und der Schutz der Schiffe des World Food Programme nicht nur eine Bekämpfung der Symptome sein soll. Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen weiteren wichtigen Aspekt dieses Einsatzes sollten wir im Blick behalten. Der Krieg im Jemen – das zeigt der Einsatzbericht der Operation Atalanta – birgt Gefahren für die internationale Seeschifffahrt. In dieser Hinsicht halte ich die Punkte Lagebilderstellung und Seeraumüberwachung in der Region für höchst wichtig, ein weiteres Argument für die Aufrechterhaltung unseres Einsatzes vor Ort. Im Übrigen muss ich leider an dieser Stelle wie auch in der letzten Woche noch einmal auf die mangelnde Einsatzbereitschaft unseres Beitrags zur Operation hinweisen. Der deutsche Beitrag besteht vor allem aus einem System der fähigen, aber auch in die Jahre gekommenen P-3C „Orion“, dem derzeit einzigen, der einsatzbereit ist. Sehr geehrte Damen und Herren, Deutschland übernimmt Verantwortung in der Welt. Der Einsatz ist ein gutes Beispiel dafür. Atalanta ist, gemessen an der Zahl der eingesetzten Soldaten, eines der kleinen Mandate, aber dennoch wichtig. An dieser Stelle danke ich unseren Soldaten, die für unseren Einsatz vor Ort bereitstehen und diesen bestreiten. Ein Wort möchte ich noch zum Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke sagen. Diesem Antrag können wir nicht zustimmen. Sie sagen vielleicht ganz richtig, dass die komplexen Probleme Somalias nicht nur militärisch gelöst werden können. Zu behaupten aber, die Operation Atalanta habe nicht dazu beigetragen, die Sicherheit der Menschen in Somalia zu stärken, zeugt aus meiner Sicht von einer Realitätsverweigerung. Wer profitiert denn von Hilfslieferungen des Welternährungsprogramms? Die Fraktion der Freien Demokraten wird der Verlängerung des Mandats trotz der von mir aufgeführten Punkte zustimmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Das Wort hat der Abgeordnete Tobias Pflüger für die Fraktion Die Linke.
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Eckhardt Rehberg CDU/CSU
Eckhardt
Rehberg
CDU/CSU
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wir aktuell erleben, ist ein Überbietungswettbewerb: Wer stellt mehr Geld ins Schaufenster? Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man das letzte Jahrzehnt und das Thema Schulden betrachtet, frage ich: Wie geschichtsvergessen kann man eigentlich sein? Als ich 2009 in den Haushaltsausschuss gekommen bin, hatten wir ein Volumen von 300 Milliarden Euro und 86 Milliarden Euro Schulden – Ausfluss der Finanzkrise. Alle die, die heute meinen, wieder Schulden machen zu müssen, sollen sich mal bitte zurückerinnern, Herr Kollege Kindler, dass wir fünf Haushaltsjahre gebraucht haben – drei mit der FDP, zwei mit der SPD –, um keine neuen Schulden mehr zu machen. Das ist die Ausgangsposition dafür gewesen, dass wir ab 2014 wieder massiv investieren konnten und Bürger und Länder und Kommunen entlastet haben. Ohne diese schwarze Null wäre das alles in den letzten Jahren nicht gegangen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Auch das Nächste ist geschichtsvergessen. Was hat denn die Euro-Krise hervorgerufen? Doch nicht zu wenig Schulden; es waren doch zu viele Schulden in Spanien, Portugal und Griechenland. Und weil sie zu viele Schulden hatten, konnten sie sich am Kapitalmarkt nicht mehr refinanzieren. Wollen wir da wieder hin? Wollen wir eine Politik machen, die jedes Jahr 35 Milliarden Euro neue Schulden auftürmt, die dann unsere Kinder und Enkel abtragen müssen? Ich kann für meine vier Enkel sagen: Nein, das möchte ich denen nicht zumuten und auch nicht aufbürden. Das ist keine solide Politik. Das ist für mich auch keine gute Sozialpolitik und keine Generationengerechtigkeit. Wenn man die Vorschläge der Grünen im Haushaltsausschuss allein aus den letzten drei Jahren betrachtet: Man kann ja über eure Mehreinnahmen streiten, die den Industriestandort Deutschland massiv gefährdet hätten. Aber wenn ich das mal beiseitelasse: Ihr hattet in den drei Jahren in euren Vorschlägen 13 Milliarden Euro Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben. Was hat das, Kollege Kindler, mit solider Politik zu tun? Nichts, aber auch gar nichts. Sie tuten hier in ein Horn, das Ihnen überhaupt nicht zusteht, und Ihr politischer Ansatz beseitigt nicht die Probleme, die wir haben. Der Staat, wir, hat kein Einnahmeproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist unser Kernproblem. Das Kernproblem sind Planungskapazitäten. Aber das größte Problem ist doch unser kompliziertes Genehmigungs- und Planungsrecht. Lieber Olaf Scholz, es ist ja schon schlimm, dass Sie prognostizieren, dass man für den Bau einer neuen S‑Bahn-Strecke über ein Jahrzehnt braucht. Aber ich sage Ihnen: Ich kenne Bauvorhaben, wo an Schienenstrecken neben drei Gleisen das vierte Gleis gelegt werden sollte, die nach 30 Jahren noch nicht angepackt werden konnten, weil das Planungs- und Genehmigungsrecht kompliziert ist und weil die Klagen durch drei Instanzen gehen. Das ist die Realität in dieser Republik. Und wenn wir jetzt so weit sind, dass die Windkraftlobby in dem Bereich den Artenschutz aushebeln will – das kann man ja gerne tun –, dann muss man bitte für jegliche Infrastrukturvorhaben die gleichen Bedingungen schaffen – nicht nur für den Windkraftausbau. Ein nächster Punkt. Der Gesamtstaat hat für mich drei Ebenen. Das sind der Bund, die Länder und die Kommunen. Wenn ich an das Thema Klima denke: Ich habe von den 16 Ländern dazu so gut wie nichts oder gar nichts gehört. Für alles ist der Bund zuständig. Ich nenne einen Punkt, den öffentlichen Personennahverkehr. Wir als Bund geben Regionalisierungsmittel in der Größenordnung von aktuell 9 Milliarden Euro. Vor zwei Jahren waren es 7 Milliarden Euro. Der Bundesrechnungshof hat einen Bericht gemacht. Erste Feststellung: Zu dem Zeitpunkt, Ende 2016, lagen 2,7 Milliarden Euro Regionalisierungsmittel bei den 16 Ländern auf Halde. 2,7 Milliarden! Und weiter hat der Bundesrechnungshof festgestellt, dass im Schnitt der 16 Länder nur 27 Prozent eigene Mittel für den öffentlichen Personennahverkehr ausgegeben wurden. Das beste Land liegt bei 62 Prozent, das schlechteste Land bei 2 Prozent und sieben Länder unter 10 Prozent. Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt rechne ich die Entflechtungsmittel, GVFG usw. noch nicht mal mit. Das sind alles Bundesmittel. Ich sage einfach: Letztendlich geben die Länder im Schnitt überhaupt kein eigenes Geld für den öffentlichen Personennahverkehr aus. Und der öffentliche Personennahverkehr ist keine Bundessache, das ist die Verantwortung von Ländern und Kommunen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ein weiterer Punkt. Die Einnahmesituation des Bundeshaushaltes ist schwieriger geworden, ja. Aber eines gehört zur Wahrheit dazu: Im letzten Jahrzehnt, also im Vergleich bis zum Jahr 2010, hat der Bund die Länder bei der Umsatzsteuer um 16 Milliarden Euro entlastet. Um 16 Milliarden Euro! Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben bis zu diesem Jahr noch die Situation, dass die Einnahmen aus der Umsatzsteuer beim Bund höher als bei den Ländern sein werden. Ab nächstem Jahr steigen die Umsatzsteuereinnahmen der Länder massiv an, beim Bund flachen sie deutlich ab. Noch ein Punkt: Sozialausgaben. Der Bund entlastet die Kommunen um über 7 Milliarden Euro bei der Grundsicherung im Alter im Vergleich zum Jahr 2010. Bei den Kosten für die Unterkunft sind es gute 6 Milliarden Euro. Wenn ich jene 16 Milliarden Euro und diese 14 Milliarden Euro zusammenzähle, dann bin ich bei einer Entlastung der Länder durch den Bund im Vergleich zum Jahr 2010 von 30 Milliarden Euro. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die nächste Frage stellt sich zum Thema Altschulden. Wer hat nach Artikel 28 Grundgesetz die Finanzverantwortung für die Kommunen? Der Bund oder die Länder? Die Länder hatten im letzten Jahr insgesamt einen Überschuss von 14,6 Milliarden Euro. Für die nächsten Jahre sind die Prognosen positiv. Der Durchschnitt der Kommunen hat auch einen Überschuss. Jetzt muss man sich bei diesem Thema die Frage stellen: Was machen wir mit dem Land Hessen? Stichworte: Hessenfonds und Entschuldung über 5 Milliarden. Was machen wir mit Niedersachsen? Das ist noch unter Rot-Grün gelaufen. Was macht Mecklenburg-Vorpommern, das ein Entschuldungsprogramm über Haushaltssicherungskonzepte gegenüber seinen Landkreisen und Kommunen fährt? Das heißt, diese Länder nehmen ihre Verantwortung wahr, und andere tun das nicht. Gucken Sie sich mal die Überschüsse an, und zwar auch von Ländern und Kommunen mit hohen Kassenkrediten. Ich habe die Zahlen drauf, lasse sie jetzt aber mal beiseite. Ich warne davor, dieses Thema anzufassen; denn es wird neue Ungerechtigkeiten schaffen. Diejenigen, die an der Stelle verlieren und nichts gewinnen, werden den Finger heben, und diejenigen, die etwas gewinnen, weil der Bund ihnen hilft, werden nicht Danke sagen. Das sage ich voraus. Deshalb halte ich diesen Weg für brisant und sehr gefährlich. Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung zum Thema „negative Zinsen“ machen. Eigentlich sind negative Zinsen eine Absurdität. Negative Zinsen tragen unter anderem dazu bei, dass gerade für die kleinen Sparer eine Geldentwertung eintritt. Negative Zinsen sind eigentlich auch nicht gut für die Ökonomie. Lieber Kollege Kindler, Sie haben sowohl Wolfgang Schäuble als auch Olaf Scholz mehrere Male vorgeworfen, dass sie ihre Bundeshaushalte nur auf niedrige oder negative Zinsen stützen bzw. gestützt haben. Wenn Sie den Vorschlag mit dem 35-Milliarden-Euro-Paket wirklich ernst meinen und das bis 2030 so laufen soll, wie Sie das ausgerechnet haben, dann müssen Sie sich für das nächste Jahrzehnt niedrige oder negative Zinsen wünschen. Ich sage ganz einfach: Ich wünsche mir das nicht, gerade für unsere Kleinsparer in Deutschland. Herzlichen Dank. Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Harald Weyel, AfD.
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Sevim Dağdelen DIE LINKE
Sevim
Dağdelen
DIE LINKE
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Anträge, Herr Parteifreund Lechte, sind schon etwas älter. Aber anlässlich der Ermordung des iranischen Generals Soleimani durch die USA, deren Rechtmäßigkeit vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages im Gegensatz zur Bundesregierung stark in Zweifel gezogen wird, stellt sich die Frage nach der Relaisstation im rheinland-pfälzischen Ramstein, über die die extralegalen Hinrichtungen der USA mittels Kampfdrohnen laufen, in aller Dringlichkeit neu. Deshalb haben Linke und Grüne diese Anträge jetzt aufgesetzt. Wir fragen die Bundesregierung natürlich auch – nicht vergessen, zu klatschen, Herr Lechte –: Warum antworten Sie nicht auf die Frage, ob der Mord an diesem iranischen General über den US-Stützpunkt Ramstein gegangen ist oder nicht? Die Bundesregierung hat jetzt am 8. Januar zum ersten Mal eingestanden, dass sich in Ramstein „eine von mehreren Relaisstationen“ befindet, über die „Kommunikationen mit unbemannten Luftfahrzeugen laufen“. Bisher wurde auf die Anfragen der Linken stets Unkenntnis seitens der Bundesregierung vorgetäuscht. Die Frage ist aber: Warum fällt eigentlich der Bundesregierung jetzt auf einmal ein, von der Existenz dieser Relaisstationen Kenntnis zu haben? Kann dies etwas mit dem Mord an Soleimani zu tun haben? Das würde den Bundestag, aber auch sicher die Öffentlichkeit interessieren. Deshalb fragen wir die Bundesregierung: Warum schweigen Sie weiterhin? Das Oberverwaltungsgericht Münster hat – das wurde schon angesprochen – in seinem Urteil vom März 2019 in Bezug auf Ramstein und die US-Drohnenmorde im Jemen festgestellt, dass die Bundesregierung ihre Schutzpflicht gegenüber dem Grundrecht auf Leben nicht erfüllt. Und zugleich wurde die Bundesrepublik Deutschland dazu verurteilt, sich durch geeignete Maßnahmen zu vergewissern, ob eine Nutzung der Air Base Ramstein durch die USA für Einsätze von bewaffneten Drohnen im Jemen im Einklang mit dem Völkerrecht stattfindet. Statt der ihr gerichtlich auferlegten Pflicht nachzukommen, hat diese Bundesregierung gegen dieses Urteil Rechtsmittel eingelegt. Ich frage Sie: Welche der im Urteil erwähnten Schutzmaßnahmen haben Sie seit diesem Urteil eigentlich getroffen, um eben zu verhindern, dass von Ramstein und damit von deutschem Boden solche Drohnenmorde ausgehen? Welche Maßnahmen haben Sie seit diesem Urteil ergriffen, außer einfach nachzufragen bei der US-Administration, von der Sie bis heute keine Antwort bekommen haben? Sie selbst haben im Ausschuss gesagt, die USA verweigerten Ihnen eine Antwort. Das heißt, wenn Sie eine souveräne Bundesregierung sind, dann müssen Sie dafür Sorge tragen, dass von deutschem Boden keine Drohnenmorde ausgehen. Da gibt es nur eine Lösung, meine lieben Freundinnen und Freunde: Es ist die Schließung dieser Drohnenmordzentrale Ramstein. Sonst wird das Problem nicht gelöst. Wer wie Bundeskanzler Willy Brandt will, dass von deutschem Boden kein Krieg ausgeht, der muss Ramstein schließen und das in ein umfassendes Konversionsprogramm überführen. Frau Kollegin. Denn die Schließung sollte auch für die Menschen vor Ort eine Friedensdividende sein. Danke. Die Kollegin Anita Schäfer hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Omid
Nouripour
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor zehn Jahren sind Tausende und Abertausende mutige Frauen und Männer in Sanaa das erste Mal auf die Straße gegangen, um zu kämpfen und zu demonstrieren für ihre Freiheit, für bessere Lebensbedingungen, für ihre Würde. Zehn Jahre später, heute, sehen wir im Jemen eine humanitäre Katastrophe, die sich in der Tat vielleicht noch mit der in Syrien messen lässt. In Syrien sind im Übrigen über eine halbe Millionen Menschen ums Leben gekommen, in erster Linie in der Verantwortung eines Präsidenten, den die AfD gern besucht hat. Deshalb sind hier die Verhältnisse in der Rede des Kollegen tatsächlich ein wenig aus den Fugen geraten. Heute sehen wir im Jemen eine humanitäre Katastrophe, die auch vom Iran, von den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten massiv befeuert wird. Alle drei begehen dabei Völkerrechtsbruch: der Iran durch die Unterstützung einer illegitimen Regierung der Huthi, Saudi-Arabien durch das massive Verletzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Kriegsführung und die Vereinigten Arabischen Emirate – Herr Kollege Hardt, ich weiß nicht, wo Sie die letzten zwei Jahre waren – durch eine proaktive, auch militärische Unterstützung von Separatismus. Auch deswegen sind das, was Saudi-Arabien und was die Vereinigten Arabischen Emirate dort machen, zwei verschiedene Paar Schuhe. Aber beides ist zu verurteilen. Es sind Krankenhäuser, es sind Flüchtlingslager, es sind Schulen, Getreidespeicher, Weltkulturerbestätten bombardiert worden. Menschen verschwinden in geheimen Gefängnissen, werden gefoltert, werden ermordet. Die humanitäre Hilfe wird Tag für Tag behindert. Das ist der Alltag im Jemen. Das ist eine Katastrophe. Und ja, alle begehen Kriegsverbrechen. Die Lage ist hochkomplex, die Lösung auch; aber es gibt Dinge, die sind nicht so komplex. Dazu gehört der Text des Koalitionsvertrages, dass man an die Staaten, die dort beteiligt sind, keine Waffen liefert. Im Übrigen ist das nicht nur ein Gebot des Koalitionsvertrages; es ist auch ein Gebot der Rüstungsexportrichtlinien dieser Bundesregierung, das endlich einzustellen. Die Zahlen sind gewaltig: Rüstungsgüter im Wert von 750 Millionen Euro allein an Ägypten 2020, im Wert von 50 Millionen Euro an die Vereinigten Arabischen Emirate, und es geht einfach so weiter. Dabei hatte Heiko Maas gesagt, dass der Jemen ein Schwerpunktthema der Mitgliedschaft Deutschlands im VN-Sicherheitsrat sein würde. Wenigstens klar zu benennen, wer alles dort das Völkerrecht bricht, das wäre das Mindeste gewesen, wenn man dort einen solchen Schwerpunkt setzt. Wir sehen ja an der US-Regierung, dass so viel mehr geht. Man sieht ja in den ersten Tagen der Biden-Administration, dass sie schon jetzt weit mehr gewagt hat als die Bundesregierung in den letzten drei Jahren. Und ja, es ist extrem kompliziert, und wir haben es bei den Huthis mit ganz, ganz schwierigen Akteuren zu tun. Just als Biden erklärt hat, dass die Waffen nicht mehr nach Saudi-Arabien gehen werden, haben die Huthis ihre Offensive in der Provinz Marib verstärkt und weitere Kriegsverbrechen begangen. Quasi als Antwort auf Bidens Angebot des Gespräches. Aber auch das zeigt, dass es nicht ausreichend ist, einfach Geld hinüberzuschieben, Entwicklungshilfe zu leisten und humanitäre Hilfe zu organisieren. Das ist notwendig, aber nicht ausreichend. Man kann nicht einfach die diplomatische Arbeit anderen überlassen. Deutschland muss da weit aktiver werden. Deshalb noch mal, wie wir es in unserem Antrag auch formulieren: Bitte Druck machen auf den Iran, die Huthis nicht mehr zu unterstützen, Druck machen auf Saudi-Arabien, humanitäre Hilfe ins Land zu lassen, Druck machen auf die Vereinigten Arabischen Emirate, damit die Verhandlungen einheitlicher verlaufen können und die jeminitischen Akteure wieder besser miteinander kooperieren. Und natürlich muss der Internationale Strafgerichtshof mit den zahlreichen Kriegsverbrechen befasst werden, und vor allem müssen die Kriegsverbrecher beim Namen genannt werden. Das ist das, was bisher schlichtweg fehlt. Alles das, was ich sage, ist nicht ausreichend, um den Krieg im Jemen zu beenden. Aber das wären wirklich substanzielle Schritte, damit die Menschen, die vor zehn Jahren auf die Straße gegangen sind, eines Tages doch zu ihrem Traum kommen, in Frieden, in Würde und in Freiheit leben zu können. Vielen Dank, Omid Nouripour. – Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Nikolaus Löbel. Nicht Nikolaus, sondern Nikolas. Entschuldigung. Nikolas Löbel, bitte.
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Dr.
Dr. Johannes Fechner SPD
Johannes
Fechner
SPD
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Heute ist ein guter Tag für alle Mieterinnen und Mieter; denn mit diesem Mieterschutzgesetz sorgen wir dafür, dass die Mieten wegen Modernisierungen bei weitem nicht mehr so stark steigen können wie bisher. Das ist eine gute Nachricht für alle Mieterinnen und Mieter, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die SPD-Fraktion hat dabei durchgesetzt, dass der gute Gesetzentwurf von Ministerin Barley – an der Stelle herzlichen Dank dafür – an mehreren Stellen noch besser geworden ist: Erstmals wird es durch dieses Gesetz einen Deckel für Mieterhöhungen infolge von Modernisierungen geben. Zukünftig darf die Miete wegen Modernisierungen innerhalb von sechs Jahren nur um maximal 3 Euro pro Quadratmeter steigen und bei Mieten unterhalb von 7 Euro pro Quadratmeter sogar nur um maximal 2 Euro. Damit sichern wir, dass die Mieten trotz Modernisierungen bezahlbar bleiben – gerade für junge Familien, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein ganz wichtiger Schritt. Wenn etwa eine Familie eine 100-Quadratmeter-Wohnung zu 6 Euro pro Quadratmeter angemietet hat, dann hat sie durch unser Gesetz jetzt die Garantie, dass die Miete wegen Modernisierungen innerhalb von sechs Jahren nur um 200 Euro und somit nur auf 800 Euro steigen darf. Eine Familie, die 9 Euro pro Quadratmeter für ihre 100-Quadratmeter-Wohnung bezahlt, hat durch dieses Gesetz die Garantie, dass die Miete wegen Modernisierungen innerhalb von sechs Jahren nur auf 1 200 Euro steigen darf. Das zeigt, dass wir mit diesem Gesetz gegen höhere Mieten durch Modernisierungen vorgehen, und zwar effektiv. Ganz wichtig dabei ist, dass die SPD die bundesweite Geltung dieses Gesetzes durchgesetzt hat und dass es eben nicht, wie bei der Mietpreisbremse, davon abhängt, ob Landesregierungen willig oder fähig sind, die entsprechenden Regelungen auch zur Geltung zu bringen. Auch das ist ein ganz wichtiger Schritt. Bundesweit gelten wird auch die zweite wichtige Neuerung: dass wir die Möglichkeit der Umlage von Modernisierungskosten von 11 Prozent pro Jahr auf 8 Prozent reduzieren. Das ist ein weiterer Schritt, um Mieterinnen und Mieter vor explodierenden Mieten durch Modernisierungen zu schützen. Auch dadurch verhindern wir, dass Mieten infolge von Modernisierungen unbezahlbar werden. Ja, wir hätten auch gerne in diesem Gesetz geregelt, dass die Mietpreisbremse bundesweit gilt; denn bei allen richtigen und wichtigen Investitionsmaßnahmen, die wir beschlossen haben – von der steuerlichen Abschreibung über das Baukindergeld bis hin zu den 5 Milliarden Euro, die wir für sozialen Wohnungsbau geben –, wird es eine Weile dauern, bis aufgrund dieser Gelder und Hilfen bezahlbarer Wohnraum geschaffen ist. Darauf können wir nicht warten. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass die Mieten nicht mehr so stark steigen können. Eigentlich müsste die Mietpreisbremse bundesweit gelten. Das war leider nicht möglich. Aber für uns ist klar: Die Mietpreisbremse muss bundesweit gelten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Noch eine Neuregelung will ich hier nennen: Für viele soziale Träger wie die Caritas, die AWO oder die PROWO – ich freue mich, heute hier zwei Vertreter der PROWO begrüßen zu können –, die soziale Wohnprojekte betreiben, wird zukünftig nicht mehr das Gewerbemietvertragsrecht gelten, sondern das soziale Mietrecht. Wenn die Mietverträge auslaufen, dann stehen die Mieter in sozialen Wohnprojekten wie betreutes Wohnen für Behinderte oder Frauenhäuser nicht auf der Straße; das verhindern wir mit diesem Gesetz. Zukünftig wird für diese Wohnprojekte das soziale Wohnraumrecht gelten. Sie sehen, wir haben sehr viele wichtige Verbesserungen für Mieterinnen und Mieter durchgesetzt. An manchen Stellen hätten wir uns mehr vorstellen können. Aber es ist ein gutes Gesetz. Stimmen wir diesen Verbesserungen für die Mieter deshalb zu! Vielen Dank. Vielen Dank, Johannes Fechner. – Nächster Redner: Jens Maier für die AfD-Fraktion.
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Andreas Audretsch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Andreas
Audretsch
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Das werde ich tun. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir gehen auf einen sehr schwierigen Winter zu; das wissen wir alle. Das, was jetzt im Mittelpunkt stehen muss, ist, dass wir solidarisch sind und dass wir alle Menschen gut durch diese Zeit bringen. Das dritte Entlastungspaket, das am Wochenende verhandelt wurde, ist ein wichtiger Schritt auf genau diesem Weg. Unsere grüne Logik bei den Verhandlungen zu diesem Entlastungspaket war: Die Hilfe muss bei denen ankommen, die es am härtesten getroffen hat und die es am härtesten trifft. Ich sage hier ganz offen: Nicht jede Maßnahme in diesem Entlastungspaket erfüllt diesen Anspruch. Ich hätte anders agiert an vielen Stellen. Ich hätte Menschen, die 200 000 Euro, die 300 000 Euro verdienen, nicht auch noch Geld dazugegeben. Das ist nicht unsere Logik, das ist beileibe nicht das, wofür wir Grüne gekämpft haben. Wir hatten die Menschen mit wenig Geld im Blick, wir hatten die Menschen mit kleinen Einkommen, mit mittleren Einkommen im Blick, und für die haben wir jede Menge rausgeholt. Ich will mal ein paar Punkte nennen. 50 Euro mehr für Menschen in der Grundsicherung – das ist die höchste Anhebung des Regelsatzes jemals. Aber vor allem werden wir die Berechnungsmethode angehen und sie ändern. Wir werden sie im Kern verändern, indem wir Inflation auch in der Zukunft mit einbeziehen, und damit dauerhaft die Regelsätze nach oben schieben. Das Kindergeld steigt um 18 Euro, der Kinderzuschlag um 21 Euro. Wir haben die Grundlage für eine Kindergrundsicherung, die wir auf den Weg bringen werden, gelegt. Alle Wohngeldempfänger bekommen 415 Euro Heizkostenzuschuss; außerdem reformieren wir das Wohngeld. Für Studierende gibt es 200 Euro, für Rentner/-innen 300 Euro. Die Strompreisbremse kommt für den Basisverbrauch, und wir werden Strom- und Gassperren unterbinden. Das werden wir tun. Eine warme Wohnung im Winter, Strom für den Alltag: Das wird für alle garantiert sein. Dafür sorgen wir. Ich habe es gesagt: Nicht jede Maßnahme dieses Paketes ist meine. Aber es gibt einen wichtigen Punkt: Die Gesamtverteilung wirkt jetzt vor allem nach unten und in die Mitte hinein. Das war die Voraussetzung für uns, zuzustimmen. Das haben wir herausverhandelt, das ist jetzt im Paket, und deswegen ist es ein gutes Paket. Wir müssen die aktuelle Krise bewältigen, aber gleichzeitig dürfen wir nicht die Zukunft vergessen. Deswegen muss klar sein: Jeder Sektor muss einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das gilt auch für den Verkehrssektor. Wir haben auch an der Stelle am Wochenende jede Menge herausgeholt: Erstens wird das 9- Euro-Ticket einen Nachfolger bekommen. Das haben wir geschafft. Zweitens – da haben Sie, Herr Brehm, offensichtlich am Wochenende ein Nickerchen gemacht; das sei Ihnen gegönnt –: Bislang war die Finanzierung der Schiene zu gering; das ist richtig. Wir haben verhandelt und jetzt noch mal 1,5 Milliarden Euro draufgelegt. So macht man Politik, so macht man Klimaschutz, und genau das haben wir am Wochenende auf den Weg gebracht. Ein weiterer Punkt ist mir wichtig. Der Diktator Putin greift uns hier mit hohen Gaspreisen und Propaganda an. Der Diktator Putin greift in anderen Teilen der Welt mit Hungerkrisen an. Annalena Baerbock hat eine neue Außenpolitik definiert, die dieser harten Auseinandersetzung gerecht wird. Und darum ist es so wichtig, dass wir dann, wenn es darauf ankommt, nicht am Geld sparen. Auch das ist eine Sache, die wir uns ganz genau angeschaut haben. Deswegen ist es, um diese Antwort geben zu können, so wichtig, dass wir noch mal 1 Milliarde Euro für Ernährungssicherung draufpacken. Die Botschaft ist klar: Wir kümmern uns um die Ärmsten, und wir geben dem Diktator Putin keinen Raum. Das gilt für Deutschland, und das gilt gleichermaßen weltweit. Der Winter hat noch nicht begonnen, und wir sehen jetzt schon, dass die Herausforderungen riesig werden. Deswegen ist es richtig, dass wir jetzt Übergewinne im Strommarkt abschöpfen. Wir sagen: Wir brauchen dieses Geld, und zwar für die Zukunft, für die nächsten Monate. Wir können uns aus dieser Krise nicht heraussparen, und wir werden unsere Politik auch in den kommenden Monaten nicht an Dogmen aus Wahlprogrammen festmachen, sondern an der Realität. Das ist der Grundsatz. Die Ampel wird Verantwortung übernehmen; genau das machen wir zusammen. Deswegen ist das ein guter Weg, den wir gemeinsam beschreiten können. Danke schön. Der nächste Redner ist für die FDP-Fraktion Christoph Meyer.
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Ulla Jelpke DIE LINKE
Ulla
Jelpke
DIE LINKE
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion um den sogenannten Masterplan des Bundesinnenministers ist in der Tat gespenstisch, weil dieser Plan weder öffentlich bekannt ist, noch, glaube ich, sind alle Fraktionen über diesen Plan informiert worden. Wir erleben eine aufgeheizte Debatte ohne richtige Grundlage, und ich bin davon überzeugt, dass genau das geplant war: Der Innenminister will ein aufgeheiztes Klima schaffen, um sich im bayerischen Wahlkampf als Scharfmacher in Sachen Flüchtlingspolitik in Szene zu setzen – und das auf Kosten der Schutzberechtigten. Das ist wirklich unerträglich, Herr Minister. Dass er für diese verantwortungslose Politik Unterstützung von der AfD und FDP erhält, ist wirklich für die ganze rechte Seite hier im Haus bezeichnend. Sie sind sich in Wahrheit in der Sache völlig einig. Sie wollen eine weitere massive Aushöhlung des Flüchtlingsrechts. Sie wollen Zurückweisungen an den Grenzen und die kasernierte Unterbringungen von Flüchtlingen in inhumanen Lagern. Sie streiten hier doch nur noch darüber, ob dies gesamteuropäisch umgesetzt wird oder ob ein nationaler Alleingang unternommen wird. Meine Damen und Herren, es ist völlig klar: Wer pauschale Zurückweisungen fordert, tritt nicht nur die Menschenwürde der Schutzsuchenden mit Füßen, sondern auch das deutsche und das internationale Recht. Nehmen Sie doch mal zur Kenntnis, was das geltende Europarecht dazu sagt. Die sogenannten Dublin-Regeln schreiben eindeutig vor: Wenn jemand Asyl beantragt, muss es ein ordentliches Verfahren geben, inklusive der Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, um festzustellen, welcher EU-Staat für das Verfahren zuständig ist. Deswegen kann man die Betreffenden logischerweise nicht einfach an der Grenze abweisen. Das sagt im Übrigen auch der Leiter des UN-Flüchtlingswerks UNHCR heute in der „Welt“ – ich zitiere – : Jedenfalls für die Dauer dieser Prüfung muss die betreffende Person auch bleiben dürfen. Im ersten Quartal dieses Jahres sind 3 900 Personen an der Grenze zurückgewiesen worden; nach offiziellen Angaben waren das keine Asylsuchenden, eben weil das nicht zulässig wäre. Bevor der Wahlkampf in Bayern begann, hat auch Innenminister Seehofer im Innenausschuss und in den Medien im Oktober 2017 in einer Pressekonferenz ganz klar gesagt: Die Zurückweisung an der Grenze ist eine hochkomplizierte Angelegenheit …, die eine Reform des Dublin-Verfahrens voraussetzen würde. Daran, Herr Seehofer, ändern auch irgendwelche bilateralen Abkommen mit Österreich nichts. Wenn Sie jetzt ernsthaft mit Zurückweisungen anfangen, schaffen Sie genau jene „Herrschaft des Unrechts“, die Sie vor geraumer Zeit noch Frau Merkel vorgeworfen haben. Meine Damen und Herren, ich möchte noch einige Worte zu den sogenannten AnKER-Zentren, die ja Teil des Masterplans sein sollen, sagen: Schon der Name ist reine Schönfärberei, weil es um inhumane Lageranstalten geht, in denen Flüchtlinge wie Kriminelle untergebracht werden. Das ist menschenverachtend. Ich kenne die Vorbilder dieser Lager, die sogenannten Transit-Zentren – schon das Wort ist schrecklich – in Manching und in Bamberg aus eigener Anschauung; ich war gerade erst dort. Dort werden bis zu 1 500 Flüchtlinge eingepfercht, zum Teil über zwei Jahre lang festgehalten – mit Residenzpflicht, Arbeitsverbot, unzureichender medizinischer Versorgung, ohne Perspektive. Die Menschen dort werden schlicht in die Verzweiflung getrieben. Wer das zur Regel für alle Flüchtlinge machen will, der hat nicht nur kein Herz, sondern macht sich mitschuldig an einer schamlosen Aushöhlung des Asylrechts und an einer massiven Vergiftung des inneren Klimas in unserer Gesellschaft. Von dem Streit innerhalb des Unionslagers darf man sich nicht täuschen lassen. Inhaltlich haben wir eine erschreckende Koalition aus CDU, CSU, FDP und AfD, die gemeinsam das Asylrecht begraben wollen. Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin. Und das – ich komme zu meinem letzten Satz – vor dem Hintergrund, dass im letzten Jahr nur 220 000 Menschen nach Deutschland kamen. Zum Schluss möchte ich sagen: Hören Sie auf – – Nein. Sie haben den letzten Satz hinter sich. Wir brauchen kein Europa der Grenzen, sondern ein Europa der Solidarität. Frau Kollegin, bitte. – Ich bitte jetzt darum, dass die Kollegin Filiz Polat von Bündnis 90/Die Grünen zu uns spricht.
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Adis Ahmetovic SPD
Adis
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kommen wir mal zurück zum Thema – Weltklimakonferenz, COP 27. Die Klimakrise ist eine der größten Herausforderungen in der Geschichte der Menschheit. Ihre Bewältigung ist eine Jahrhundertaufgabe. Diese Haltung und Überzeugung ist die Grundlage der Politik der neuen Bundesregierung. Als wir das Klimaabkommen von Paris im Jahr 2015 mitunterzeichnet haben, war es unser Ziel, unserem Planeten und den zukünftigen Generationen eine reelle Chance zu geben. Im Ergebnis war es so gesehen ein Erfolg: Zum ersten Mal haben sich 200 Nationen verpflichtet, gemeinsam an einer Sache zu arbeiten, einer Bedrohung für die Menschheit zu entkommen, trotz aller Spaltungen und Spannungen. Vereinbart wurden eine CO2-arme Zukunft, in der wir Treibhausgasemissionen senken, der Ausstieg aus der Kohle und Investitionen in den Ausbau von klimafreundlichen Technologien. Mehr als 100 Länder haben versprochen, die Entforstung bis Ende 2030 zu stoppen und umzukehren. Ich setze hier insbesondere große Hoffnungen auf Brasilien. Mit dem Wahlsieg von Lula da Silva soll das Land zu einem Vorreiter im Umweltschutz werden – an dieser Stelle größte Solidarität mit Brasilien! Auf EU-Ebene wurde das ambitionierte „Fit for 55“-Gesetzespaket beschlossen, welches vorsieht, die Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken und bis 2050 sogar Klimaneutralität zu erreichen. Mit dem Vorsitz der G 7 kommen auch aus Deutschland diverse Initiativen. Deutschland ist bald mit 6 Milliarden Euro jährlich aus Haushaltsmitteln einer der größten Geldgeber bei der internationalen Klimafinanzierung. Deutschland setzt sich zudem dafür ein, dass das Versprechen der Industrieländer, 100 Milliarden Dollar pro Jahr zur internationalen Klimafinanzierung beizutragen, eingehalten wird. Für einen noch entschlosseneren Kampf gegen den Klimawandel sollen ein internationaler Klimaklub und ein globaler Schutzschirm gegen Klimarisiken eingerichtet werden. Wir haben gemeinsam einen Ball ins Rollen gebracht. Deshalb möchte ich an dieser Stelle unserem Finanzminister Lindner, unserer Außenministerin Baerbock und unserem Bundeskanzler Scholz für das finanzielle und außenpolitische Engagement dieser Bundesregierung danken. – Vielen Dank, Frau Baerbock! Zur bitteren Wahrheit gehört aber auch: Trotz des Klimaabkommens und weiterer nationaler Bemühungen, Emissionen zu senken, sind wir noch lange nicht am Ziel. Der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore hat recht, wenn er Anfang der Woche auf der Klimakonferenz COP 27 sagt: Wir alle haben ein Glaubwürdigkeitsproblem. Wir reden, und wir fangen an zu handeln. Aber wir tun nicht genug. Viele Länder, Deutschland inbegriffen, haben trotz Fortschritten die in Paris aufgestellten Maßgaben nicht erfüllt. Bereits jetzt liegt die globale Erderwärmung bei 1,2 Grad Celsius, und wir steuern auf eine Erderwärmung um 2,5 Grad Celsius zu, wenn wir nicht mehr tun. Die gravierenden sozialen und ökologischen Folgen bekommen die Menschen auf der ganzen Welt jeden Tag zu spüren. Es geht um existenzielle Fragen. – Und an dieser Stelle bitte ich um ein bisschen Demut von rechts außen; denn hier geht es auch um Menschenleben. Die ganzen unqualifizierten Zwischenrufe von der Seitenlinie machen die Sache wirklich nicht besser. Extreme Wetterlagen, Waldbrände, lange Dürreperioden, sturzflutartige Regenfälle und Überflutungen oder verheerende Stürme beobachten wir nicht nur in Pakistan, Australien, den USA oder Kenia, sondern auch bei uns in Deutschland, seien es die Überflutungen im Ahrtal ganz im Westen, die Waldbrände im Erzgebirge ganz im Osten oder eine Serie von Jahrhundertstürmen in Nord- und in Süddeutschland. Einige Teile der Welt werden auf Dauer unbewohnbar für die Menschen, was neue Migrationsmuster und eine Verschärfung von Konflikten rund um den Globus zur Folge hat. Da macht es die Sache nicht einfacher, dass wir in Zeiten nachlassender internationaler Zusammenarbeit leben und geopolitische Spannungen sowie Nationalismus und Imperialismusgedanken in der Welt zunehmen. Der Krieg in der Ukraine führt uns das schmerzlich vor Augen. Wir leben in einer Zeitenwende, welche zu einer radikalen Neuausrichtung der Innen- und Außenpolitik Deutschlands geführt hat. Hierzu zählt unter anderem eine Neuausrichtung in der Klima- und Energiepolitik. Meine Damen und Herren, wir können uns angesichts der brisanten Lage keinen Rückschritt, aber auch keinen Stillstand leisten. Was wir brauchen, sind weitere messbare Fortschritte. Wir als Deutschland sind gefragt. Wir müssen unsere Anstrengungen bei der Treibhausgasreduzierung weiter intensivieren. Wir müssen den globalen Ausbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft vorantreiben. Die nationalen Klimabeiträge müssen angepasst werden. Wir müssen uns für mehr Biodiversität und den Erhalt von Ökosystemen einsetzen. Ich betone noch einmal, dass wir die Zusage von 100 Milliarden Dollar pro Jahr für die internationale Klimafinanzierung zusammen mit unseren internationalen Partnerinnen und Partnern einhalten müssen. Nur so können wir dem Klimawandel entgegenwirken. Die CDU/CSU meint es sicher gut, wenn sie sich um die Energiesicherheit in Deutschland sorgt und seit Monaten – und auch in diesem Antrag – wieder und wieder für einen Ausbau der Kernenergie plädiert. Olaf Scholz hat in seiner Rede auf der Weltklimakonferenz den Weg aber klar vorgegeben: Die Zukunft liegt nicht in der Kernenergie. Die Zukunft liegt im Ausbau der erneuerbaren Energien. Es ist noch nicht zu spät, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Dafür setzen wir uns ein. Der Antrag der Ampelkoalition ist gut, die FDP, die Grünen und die SPD machen es gemeinsam besser als die Vorgängerregierung. Deshalb werbe ich um Zustimmung zu diesem Antrag. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Für die AfD-Fraktion erhält das Wort Karsten Hilse.
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Antje Lezius CDU/CSU
Antje
Lezius
CDU/CSU
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Endlich ist er fertig: der Enquete-Bericht über die berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt. Unser Land profitiert enorm von der beruflichen Bildung. Sie sichert den Fachkräftenachwuchs, stärkt die Wirtschaft und fördert die Teilhabe und Integration junger Menschen. Wir alle müssen daher ein Interesse an einer zukunftsfesten beruflichen Bildung haben. Ich habe vor meiner Zeit als Bundestagsabgeordnete selbst ausgebildet. Daher blutet mir das Herz, wenn ich höre, dass immer mehr Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben. Ob Gastronomie, Handwerk oder der Handel, wir brauchen qualifizierte Fachkräfte. Die digitale Transformation in der Arbeitswelt bietet Chancen und Herausforderungen. Was ist also zu tun, damit die berufliche Bildung zukunftsfest bleibt? Genau damit haben wir uns drei Jahre lang in der Enquete-Kommission auseinandergesetzt. Heute präsentieren wir Ihnen unser Ergebnis. Die Arbeit hat sich gelohnt. Als ich letztes Jahr den Vorsitz der Kommission übernommen habe, war das für mich Ehre und Herausforderung zugleich. Ein erstes Dankeschön geht an meinen Vorgänger Dr. Stefan Kaufmann für seine hervorragende Arbeit und die gute Übergabe. Auch bei meinen 19 Kolleginnen und Kollegen hier im Bundestag und bei den 19 Sachverständigen bedanke ich mich für die konstruktive Zusammenarbeit. Sie alle hatten, trotz mancher intensiver Auseinandersetzung, stets das Beste für die berufliche Bildung im Blick. So ist uns ein Bericht gelungen, der keine Aneinanderreihung von Projektgruppenberichten ist, sondern ein in sich geschlossener Text. Auch das macht ihn einzigartig. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für die Unterstützung seitens des Sekretariats – ich schaue mal auf die Tribüne – unter Leitung von Herrn Dr. Vogt. In unserem Bericht zeigen wir, dass die Digitalisierung eine Chance für die berufliche Bildung bietet, wie das eigenverantwortliche lebensbegleitende Lernen zur Normalität werden kann und warum wir dringend einen Pakt für berufsbildende Schulen und einen Pakt für berufliche Bildung benötigen. Nur damit wären eine verlässliche Finanzierung digitaler Lehr- und Lernausstattungen und eine Infrastruktur auf hohem Niveau dauerhaft gesichert. Für all diejenigen, die im Herbst Koalitionsverhandlungen führen, ist der Bericht eine Pflichtlektüre. Es geht um die Fachkräfte von morgen. Unser Bericht kann als Blaupause für Ihre Verhandlungen dienen. Unser Bericht ist damit ein Geschenk an die zukünftige Regierung. Bitte nutzen Sie ihn und setzen Sie sich für eine starke berufliche Bildung ein. Sehr geehrte Damen und Herren, zum Schluss erlauben Sie mir noch ein paar persönliche Worte. Nach acht Jahren im Bundestag ist das heute meine letzte Rede. Mit Stolz habe ich stets meinen Wahlkreis vertreten und mich mit Freude in der Enquete-Kommission und im Ausschuss Arbeit und Soziales eingebracht. Ich möchte mich bei all diejenigen, die mich auf meinem Weg begleitet haben, für die Unterstützung bedanken; allen voran bei meiner Familie. Den Bürgerinnen und Bürgern in meiner Heimat danke ich, dass sie mir das Vertrauen geschenkt haben, sie hier vertreten zu dürfen. Einen herzlichen Dank an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Berlin und im Wahlkreis. Vielen Dank und Ihnen alles Gute. Ich wünsche Ihnen auch im Namen der Kolleginnen und Kollegen im Haus alles Gute für den nächsten, hoffentlich richtig aktiven Abschnitt, viel Neues, viel Neugier, und vergessen Sie uns nicht ganz. Nächste Rednerin: für die AfD-Fraktion Nicole Höchst.
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Katrin Werner DIE LINKE
Katrin
Werner
DIE LINKE
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute über den Antrag der FDP über die finanzielle Unterstützung von Paaren, die ungewollt kinderlos sind und sich für eine künstliche Befruchtung entscheiden möchten. Insbesondere geht es hier um die Richtlinie des Bundesfamilienministeriums. Mit dieser Richtlinie können Länder mit dem Bund eine Vereinbarung treffen. Paare, die sich für eine künstliche Befruchtung entscheiden, können einen Zuschuss zu ihrem Selbstkostenanteil erhalten. Leider beteiligen sich an dieser Förderung – wie in Ihrem Antrag erwähnt – nur sechs Bundesländer. Sie wollen die Richtlinie reformieren. Sie sind selber darauf eingegangen, dass es ein Anfang wäre. Zukünftig soll der Bund den Zuschuss in allen Ländern finanzieren, auch wenn sich die Länder selbst nicht finanziell beteiligen. Die Förderung soll zudem auf Alleinstehende und die Nutzung von Samenzellspenden – und damit auf gleichgeschlechtliche Paare – ausgeweitet werden. Natürlich sind diese Änderungen begrüßenswert. Sie ändern mit Ihrem Antrag aber leider am grundlegenden Problem nichts. Eine finanzielle Unterstützung der gesetzlichen Krankenkassen zur Kinderwunschbehandlung erhalten nur heterosexuelle Paare, die verheiratet sind und zudem in eine bestimmte Altersgruppe fallen. Nicht verheiratete Paare, gleichgeschlechtliche Paare, Alleinstehende, Frauen, die jünger als 25 oder älter als 40 Jahre sind, erhalten keine Zuwendungen der gesetzlichen Krankenkasse. Dieses Problem gehen Sie mit Ihrem Antrag nicht an. Sie kritisieren zwar die Einschränkung der Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen – Sie kritisieren, dass die Krankenkassen lediglich verpflichtet sind, die Hälfte der Kosten zu übernehmen, und dass dies nur bei den ersten drei Versuche gilt –, Sie möchten aber, weil Sie nur an der Richtlinie herumdoktern, nichts prinzipiell ändern. Damit – das sagen wir – bleibt die Kinderwunschbehandlung weiterhin ein Privileg der Besserverdienenden. Ich möchte Ihnen das einfach einmal an einem Rechenbeispiel verdeutlichen. Gehen wir von einem verheirateten Paar aus, das sich entscheidet, eine Kinderwunschbehandlung durchzuführen. Es benötigt vier Behandlungen. Eine Behandlung kostet 4 000 Euro. Die Hälfte der Kosten der ersten drei Versuche wird durch die gesetzliche Krankenkasse übernommen. Die Kosten der vierten Behandlung muss das Ehepaar selbst tragen. Somit muss das Paar insgesamt 10 000 Euro selbst finanzieren. Zudem können sie beim Bundesfamilienministerium einen Antrag auf Förderung stellen und einen 25-prozentigen Zuschuss erhalten. Gibt es keinen weiteren Zuschuss durch die Länder, bleiben 7 500 Euro übrig, die das Ehepaar zahlen muss. Für die gleiche Behandlung müssen Alleinstehende, nicht verheiratete sowie homosexuelle Paare 12 000 Euro selbst bezahlen. Denn Sie erhalten nach der Vorstellung der FDP lediglich die Förderung des Bundesministeriums und keinen Zuschuss der gesetzlichen Krankenkasse. Hinzu kommt, dass Menschen mit Kinderwunsch keineswegs das Recht auf eine Förderung durch das Familienministerium haben. Ist der entsprechende Haushaltstopf nämlich leer, gibt es keinen Zuschuss. Mehrausgaben möchten Sie – das wurde ja schon von Frau Yüksel erwähnt – durch Umschichtungen im Haushalt und durch Kürzungen anderer Forderungen oder Leistungen finanzieren. Das halten wir für nicht vereinbar mit einer modernen Familienpolitik, die allen Menschen unabhängig vom Geldbeutel, von ihrem Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung eine selbstbestimmte Familiengründung ermöglichen möchte. Wenn Sie wirklich etwas an der Situation ändern möchten, dürfen Sie nicht an dieser Richtlinie herumdoktern. Wenn Sie etwas ändern möchten, muss es eine Gesetzesänderung geben, die die volle Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen ermöglicht. Dafür brauchen wir ein Krankenversicherungssystem, in das alle nach der Höhe ihres gesamten Einkommens einzahlen, eine Versicherung, in der alle die gleichen Leistungen erhalten, und zwar ohne Zuzahlungen – und das alles unabhängig vom Geschlecht, der sexuellen Orientierung oder dem Beziehungsstatus. Danke. Das Klopfen am Mikrofon hat gewirkt. Herzlichen Dank, Frau Kollegin Werner. – Als Nächstes für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Dr. Kirsten ­Kappert-Gonther, mit ihrer ersten Parlamentsrede, wenn ich das anmerken darf.
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Josef Oster CDU/CSU
Josef
Oster
CDU/CSU
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Freiheit und Sicherheit sind für mich zwei Aspekte, die untrennbar miteinander verbunden sind. In einem freien Land muss der Staat für ein sicheres Umfeld sorgen, und dabei spielt unsere Polizei eine entscheidende Rolle. Wir brauchen eine personell und materiell gut ausgestattete Polizei in unserem Land. In dieser Hinsicht ist das heute ein guter Haushaltsentwurf. Er sieht mehr Stellen und eine bessere Ausstattung für unsere Sicherheitsbehörden vor. Besonders bei der Bundespolizei geht der Personalzuwachs konsequent weiter. Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit machen wir eines deutlich: Wir, CDU und CSU, verstehen unsere Polizei als Partner, als einen wichtigen und unverzichtbaren Bestandteil unserer Gesellschaft. Wir stehen an der Seite unserer Polizei. Diese Einschätzung sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit in diesem Hause sein. Aber das Verhältnis zu unserer Polizei fällt sehr unterschiedlich aus; das haben die Diskussionen der vergangenen Wochen deutlich gezeigt. Die linke Seite in diesem Hause versteht nach meinem Eindruck die Polizei häufig als Gegner. Und das ist ein fundamentaler Unterschied, auf den man hier nicht häufig genug hinweisen kann. Angesichts der Äußerungen der aktuellen Parteiführung der SPD muss ich Sie da leider mit einbeziehen. Das fällt mir schwer, aber es ist leider so. Besonders aber Linke und Grüne, meine sehr geehrten Damen und Herren, nutzen jede Gelegenheit, die Arbeit unserer Polizisten zu kritisieren und Misstrauen zu schüren. Dabei müsste es doch unsere Aufgabe sein, die Menschen zu schützen, die für unsere Gesellschaft häufig ihre Gesundheit und manchmal auch ihr Leben riskieren. Meine Damen, meine Herren, besonders deutlich wurde diese unterschiedliche Haltung im Verlauf der Rassismusdebatte, die wir in den vergangenen Wochen geführt haben. Ich will das Problem nicht kleinreden: Die Bekämpfung von Rassismus ist eine relevante gesellschaftliche Herausforderung, mit der wir uns hier im Hause sicherlich auch noch häufiger beschäftigen müssen. Was aber machen insbesondere die Grünen, meine sehr geehrten Damen und Herren? Sie versuchen mit ganzer Kraft, aus dem gesamtgesellschaftlichen Problem Rassismus ein spezifisches Polizeiproblem zu machen. Das war und ist für mich unerträglich. Ich kann nur sagen: Hören Sie auf, unsere Polizei ständig zu kritisieren! Hören Sie auf, unserer Polizei ein Haltungs- oder gar ein generelles Rassismusproblem zu unterstellen! Das werden wir als CDU und CSU nicht zulassen. Ich sage es deutlich: Natürlich passieren auch bei der Polizei Fehler; wo Menschen arbeiten, passieren auch Fehler. Aber die bekannt gewordenen Fälle der letzten Wochen zeigen doch, dass Fehler bemerkt werden und dass darauf auch konsequent reagiert wird. Herr Kollege Oster, der Kollege von Notz würde gerne eine Zwischenfrage stellen. Nein, jetzt nicht. Es gibt 270 000 Polizisten in Deutschland. Wegen einiger weniger Einzelfälle die ganze Polizei unter Generalverdacht zu stellen, ist für mich einfach schäbig, meine sehr geehrten Damen und Herren. So, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich könnte zu diesem Haushalt jetzt noch viel sagen. Als ehemaliger Bürgermeister, Herr Minister Seehofer, begrüße ich natürlich auch die Digitalisierungsoffensive in der öffentlichen Verwaltung. Da besteht großer Handlungsbedarf; da werden wir mit diesem Haushalt ganz gewiss einen gewaltigen Schritt weiterkommen. Wir werden in den nächsten Wochen noch eine ganze Reihe von Details zu beraten haben, auch im Ausschuss; darauf freue ich mich. Ich glaube, man kann heute schon sagen: Dieser Haushalt ist ein guter Entwurf, besonders für die Sicherheit in Deutschland. Vielen Dank. Jörn König, AfD, ist der nächste Redner.
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Maik Beermann CDU/CSU
Maik
Beermann
CDU/CSU
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Erstes möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen, dass ich der felsenfesten Überzeugung bin, dass keine demokratische Partei in diesem Hohen Hause in irgendeiner Art und Weise Extremisten fördern möchte. Aber die AfD versucht mit diesem Antrag wieder einmal, wie schon in diversen Landtagen, die AfDler als die großen Demokraten darzustellen. Man kann sich an dieser Stelle wirklich fragen: Was soll eigentlich dieser Antrag? Geht es hier wieder einmal nur darum, im Volk negativ Stimmung zu machen? Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass das Fundament unseres Handelns eine feste freiheitliche und demokratische Grundordnung sein muss. Vereine und Verbände werden klar und deutlich vor Erhalt von Fördergeldern im Rahmen der Bundesprogramme zur Extremismusprävention und zur Demokratieförderung darauf hingewiesen. Herr Beermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Wir befinden uns in einer demokratischen parlamentarischen Debatte. Deswegen lasse ich die Zwischenfrage natürlich zu. Vielen Dank, Herr Kollege. – Sie haben gerade erwähnt, Sie seien der Überzeugung, keine demokratische Partei in diesem Haus könne sich damit einverstanden erklären, dass Gelder an Extremisten fließen. Ich weiß nicht, ob Sie es genauso wahrgenommen haben wie ich: Als in der Debatte vorhin davon gesprochen wurde, dass eine Zusammenarbeit mit der linksextremen und verfassungsfeindlichen Antifa stattfindet, gab es aus den Reihen der Linken durchaus Applaus. Ich jedenfalls habe es so gedeutet, dass man eine solche Zusammenarbeit mit der Antifa positiv bewertet und für wünschenswert hält. Ich weiß nicht, ob Sie das auch so wahrgenommen haben. Aber wenn es so ist, möchte ich Sie um eine kurze Bewertung bitten. – Danke schön. Vielen Dank, Herr Kollege, für diese Nachfrage. – Erstens bin ich kein Mitglied der Fraktion Die Linke, sondern Mitglied der Fraktion der CDU/CSU. Zweitens muss man natürlich immer wieder feststellen: Wir alle sind gewählte Mandatsträger mit einem freien Mandat. Ich sehe mich nicht in der Lage, hier zu bewerten, zu welchem Tagesordnungspunkt oder Zitat jemand klatscht oder nicht. Das liegt im Verantwortungsbereich der Personen selbst, von daher auch im Verantwortungsbereich der Kolleginnen und Kollegen, die in diesem Fall geklatscht haben. Die AfD versucht durch ihren Antrag wieder einmal, bei diesem Thema Stimmung zu machen. Wir müssen uns immer fragen: Inwieweit wollen wir dies zulassen oder auch nicht? Wenn es in diesem Bereich darum geht, Demokratieförderung oder Extremismusprävention zu betreiben, dann sage natürlich auch ich, dass wir uns genau anschauen müssen, wofür Gelder ausgegeben werden bzw. wer sie bekommt. Wenn in irgendeiner Art und Weise Nachjustierungsbedarf besteht, dann müssen wir darüber diskutieren. Das werden wir auch tun, allerdings demokratisch und in den dafür vorgesehenen Ausschüssen. Insofern ist es manchmal besser, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der AfD, wenn man als Erstes vor der eigenen Haustür kehrt. Was heißt eigentlich heutzutage, sich demokratisch zu verhalten, die Demokratie in unserem Land zu achten und der Demokratie und Demokraten respektvoll zu begegnen? Von einer Partei, deren Abgeordnete unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel nur als die „Führungs-Fuchtel im Kanzleramt“ oder als „Kampf-Fuchtel“, die in den „Knast“ gehört, beschimpfen, müssen wir uns in Sachen Demokratieerklärung ganz sicher nicht belehren lassen. Ich fahre gerne mit einigen Beispielen fort: Der sächsische Bundestagsabgeordnete Jens Maier hat auf seinem Twitter-Account erst kürzlich den Sohn von Boris Becker als „kleinen Halbneger“ beschimpft. Daraufhin kam Ihr Einwand, dass es auch bei Ihnen schwarze Schafe gebe. Meine Damen und Herren, für mich ist es mittlerweile schon eine ganze Herde von schwarzen Schafen, die es in Ihrer Fraktion gibt. Es geht damit weiter, dass Ihre geschätzte Kollegin Beatrix von Storch dem Kollegen Maier in überhaupt nichts nachsteht. In einem Facebook-Post hieß es – ich zitiere –: Wer das HALT an unserer Grenze nicht akzeptiert, der ist ein Angreifer. Und gegen Angriffe müssen wir uns verteidigen. Auf eine Nachfrage, ob man den Zutritt von Frauen mit Waffengewalt verhindern wolle, gab es dazu nur ein kurzes „Ja“. Ich fahre fort: Diese Schweine sind nichts anderes als Marionetten der Siegermaechte des 2. WK und haben die Aufgabe, das dt Volk klein zu halten, indem molekulare Buergerkriege in den Ballungszentren durch Ueberfremdung induziert werden sollen. Das hat Frau Alice Weidel in einer E-Mail über die Regierung geschrieben. Die deutsche Volksgemeinschaft leide „unter einem Befall von Schmarotzern und Parasiten“, welche dem deutschen Volk „das Fleisch von den Knochen fressen“. Das hat der neue Haushaltsausschussvorsitzende Peter Boehringer gesagt. Und: Ladet sie mal ins Eichsfeld ein und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. – Ja, Herr Gauland, hören Sie es sich gerne noch einmal an. Danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können. So äußerte sich Herr Gauland über die Integrationsbeauftragte Aydan Özoğuz. Einen habe ich noch – hören Sie es sich an –: Das große Problem ist, dass Hitler als absolut böse dargestellt wird. Aber selbstverständlich wissen wir, dass es in der Geschichte kein Schwarz und Weiß gibt. Das hat Björn Höcke gesagt. Meine Damen und Herren, das ist Nazidiktion. Problem ist, dass Sie von der AfD noch nicht einmal erkennen, dass diese Aussagen falsch sind. Problem ist, dass das Ihre Geisteshaltung ist; das macht es doch aus. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, das ist Ihr Verständnis von Demokratie. Ich persönlich habe ein anderes. Hier werden Hass, Hetze und Gewalt gestreut. Genau dem dürfen wir in unserer Gesellschaft keinen Raum geben. Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn die AfD eine Demokratieerklärung fordert, sollten Sie selbst natürlich auch danach handeln. Sie repräsentieren hier schließlich auch das deutsche Volk. Ich sage Ihnen: Wäre diese Klausel an das Mandat eines jeden einzelnen Abgeordneten dieses Hauses gebunden, die rechte Seite wäre ziemlich, ziemlich leer. Für die Fraktion der SPD spricht jetzt die Abgeordnete Susann Rüthrich.
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Dr.
Dr. Stefan Ruppert FDP
Stefan
Ruppert
FDP
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Systematik unseres Gesetzentwurfes ist vorgestellt. Es bleibt bei einer Einzelfallprüfung, aber wir wollen die Verfahren beschleunigen. Denn in Deutschland versteht niemand, dass auf der einen Seite ein gut integrierter Arbeitnehmer, der in einem Krankenhaus Medikamente oder Pflegematerialien transportiert, oder ein Handwerker, der im Rhein-Main-Gebiet Häuser baut, abgeschoben wird, obwohl er sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist und seine Kinder in die Schule gehen, und dass wir auf der anderen Seite darüber diskutieren müssen, dass wir Sami A. – jemanden, der nach der Feststellung von Gerichten Menschen in seinem Umfeld gefährdet und eine Bedrohung für sie darstellt – gegebenenfalls zurückholen müssen. Wer uns verweigert, heute ein Stück Ordnung in die Zuwanderung zu bringen, der verweigert dies auch den Menschen, die nicht verstehen, dass es zu einem solchen Gegensatz kommt. Der verweigert diesen Menschen, sich wieder in der Mitte der Gesellschaft politisch wohlzufühlen, stärkt die Extreme und macht sich somit aus meiner Sicht an deren Stärkung mitschuldig. Herr Seif, ich kann Ihnen die Unruhe nehmen: Wir haben unseren Gesetzentwurf durch einen Änderungsantrag Ihrem Gesetzentwurf, dem Kabinettsentwurf, angepasst. Sie können ihm also, wenn Sie hinter der Vorlage des Kabinetts stehen, heute durchaus zustimmen. Insofern gibt es, glaube ich, eigentlich keine Ausrede dafür, warum wir keine Ordnung in die Zuwanderung bringen. Das hat nur einen Grund, den Thorsten Schäfer-Gümbel genannt hat. Er hat nämlich offenbart, woran es liegt, dass Sie heute nicht zustimmen können: Die Große Koalition wurde von Volker Bouffier darum gebeten, den Gesetzentwurf aus Rücksichtnahme auf die Grünen nach der hessischen Landtagswahl zu besprechen. Warum? Volker Bouffier hat 2017 im Bundesrat einer Einstufung von Tunesien als sicheres Herkunftsland nicht zugestimmt. Er hat sich enthalten. Sonst hätten wir, wenn Schwarz-Grün in Hessen zugestimmt hätte, schon Ordnung in der Einwanderungsfrage und müssten diese Themen gar nicht mehr besprechen. Ich bewundere, dass Sie in der Situation jetzt Rücksicht auf die Grünen nehmen. Ich will Ihnen nur sagen, wozu das führt: Laut einer heute veröffentlichten Umfrage liegt Tarek Al-Wazir bei 22 Prozent, die SPD bei 20 Prozent und Die Linke bei 8 Prozent. Wer rechnen kann – Juristen können ja schlecht rechnen, aber ich habe es mehrfach überprüft –: Das sind zusammen 50 Prozent. Wir wissen aus der Ypsilanti-Zeit, dass die SPD teilweise gezögert hat, eine linke Regierung in Hessen zu installieren. Wir wissen aber auch, dass die Grünen keinen Moment gezögert haben, und sie werden auch jetzt keinen Moment zögern, Tarek Al-Wazir mit Linkspartei und Sozialdemokraten in Hessen zum Ministerpräsidenten zu wählen. Auf diesen Mann nehmen Sie Rücksicht. Auf diesen Mann nimmt die Union Rücksicht. Sie glauben, Sie können den Menschen zumuten, keine Ordnung in die ungeordnete Einwanderung zu bringen. Sie werden sich umsehen und mit einem Ergebnis aufwachen, das Ihnen in keiner Weise sympathisch sein kann. – Ich weiß, Sie erregen sich darüber. – Jetzt kann man sagen, Sie alle freuen sich natürlich auf Tarek Al-Wazir. Aber es gibt auch viele Hessen, die sagen: Liebe CDU, was habt ihr da gemacht? Ihr habt eine linke Mehrheit salonfähig gemacht, und das wollen wir nicht. Am Ende könnte man sagen: Was ist die Wahl in einem Bundesland? Es kann auch anders ausgehen. Was erregt der Mann sich? – Am Ende ist aber das Kernargument: Wir bringen in das wichtigste Thema unserer Zeit, das alle politischen Debatten verstopft und die Menschen in Deutschland beunruhigt, aus einem parteitaktischen Kalkül keine Ordnung. Wer das macht, der stärkt die Extreme in diesem Land. Deswegen werbe ich heute um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. Vielen Dank. Jetzt hat die Kollegin Ulla Jelpke, Fraktion Die Linke, das Wort.
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Michael Georg Link FDP
Michael Georg
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gysi, als Sie kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine Stellung nahmen, hatte ich für einen Moment gedacht, dass zumindest bei Ihnen Realismus eingekehrt sei. Ihre Fraktion hat sich ohnehin gleich anders geäußert. Aber in welchem Zentralkomitee ist denn Ihre heutige Rede geschrieben worden? Sie haben heute einen Rückfall in ein Wunschdenken schlimmster Szenarien des Kalten Krieges gehabt, wie ich ihn selten erlebt habe. Und ich kann nur sagen: Wenn Sie denken, dass das funktioniert, dann nutzen Sie bitte die sehr guten Kontakte nach Russland, in den Kreml, die Sie und viele Ihrer Parteikollegen haben. Das gilt im Übrigen auch für die Abgeordneten auf der entgegengesetzten Seite des Plenums. Der Beifall hier heute von ganz links und von ganz rechts spricht Bände und zeigt uns erneut, dass wir Demokraten zusammenhalten müssen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann viel kritisieren. Man kann in der Tat bei den Sanktionen viel kritisieren, aber nicht, dass sie zu weitgehend sind. Vielmehr sage ich nach dem Sondergipfel von gestern Abend einmal ganz deutlich: Was für ein erbärmliches Schauspiel, wie es Orban aufgrund der Einstimmigkeitsregel gelungen ist, aufzuführen, und – ich sage das deutlicher, als unsere Regierungsvertreter das können und dürfen – was für ein erbärmliches Schauspiel, dass es immer noch möglich ist, dass ein Land alle anderen am Nasenring durch die Manege führt! Das muss sich ändern. Denn die EU bleibt in der Tat hinter ihren Möglichkeiten zurück. Deshalb hat sich die Ampel im Koalitionsvertrag vorgenommen, dass wir an diesem Thema arbeiten, um endlich zu qualifizierten Mehrheiten in der Außen- und Sicherheitspolitik zu kommen, damit sich so etwas wie gestern nicht wiederholt. Es war – ich sage es noch einmal – ein Trauerspiel. Und wenn man sieht, wie Orban sich dann auch noch produziert hat, kann ich nur sagen: Wir müssen uns gut auf den nächsten Europäischen Rat vorbereiten. Lasst uns auch überlegen, welche Möglichkeiten bestehen, wie wir ohne das Einstimmigkeitserfordernis jetzt schon Wege finden, um uns nicht mehr von einzelnen Mitgliedern erpressen zu lassen – von Mitgliedern, die wie Viktor Orbans Ungarn erkennbar mit Putin über Bande spielen. Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion, von Herrn Bystron? Ja. Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben sich selbst hier gerade zu einem Demokraten erklärt, und im gleichen Atemzug kritisieren Sie demokratische Spielregeln in der EU, also das Einstimmigkeitsprinzip. Viktor Orban ist mit 54 Prozent in seinem Land gewählt worden. Das sind Mehrheiten, von denen Sie nur träumen. Er hat somit eine hohe Legitimation, sein Volk zu vertreten. Ist das Ihr Verständnis von Demokratie, dass Sie ihn auf Linie bringen wollen? Herr Kollege, ich danke Ihnen für die Frage. Ich empfehle Ihnen, den Bericht der Wahlbeobachter der OSZE zu lesen sowie die Analyse über das ungarische Wahlrecht. Ich empfehle Ihnen auch, den letzten Bericht der Europäischen Grundrechteagentur oder der OSZE-Medienfreiheitsbeauftragten über die fehlende Pressefreiheit in Ungarn zu lesen. Die ungarischen Wahlen als demokratische Wahlen zu bezeichnen, geht über das hinaus, was wir unter einen solchen verstehen – also ich bezeichne sie nicht als eine demokratische Wahl. Sie ist eine Wahl, in der das Wahlrecht durch geschickte Manipulation im Vorfeld es dem jetzigen Regierungsinhaber erleichtert hat, wiedergewählt zu werden. Deshalb sage ich ganz deutlich: Demokratisch gewählt heißt noch lange nicht demokratisch gesinnt. Diese Frage der demokratischen Gesinnung, die Frage, wie wir Demokratie leben, die zeigt sich nicht nur am Tag der Wahl. Demokrat wird man nicht durch Wahl, Demokrat wird man durch Haltung. Und das würde ich mir von Ihnen wünschen. Deshalb sagen wir ganz klar: Ja, wir wollen mehr Mehrheitsabstimmungen in der Europäischen Union, weil wir – das geht natürlich weit über diese Wahlperiode hinaus – sie weiterentwickeln wollen, auch dazu haben wir uns in unserem Koalitionsvertrag bekannt. Wir haben uns dazu bekannt, weil dieses Europa keine Zeiterscheinung ist, die jeweils bis zur nächsten Wahl existiert, sondern weil wir diese Europäische Union dauerhaft stärken wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte – das wäre mein Punkt – ermutigen wir die Bundesregierung! Greifen Sie vor dem nächsten Europäischen Rat wirklich noch einmal auf die vielen Europäerinnen und Europäer in anderen Regierungen und auch hier auf die große Mehrheit in diesem Hause zurück, die sagt: Wir sollten der Ukraine eine europäische Perspektive, eine Beitrittsperspektive aufzeigen. Das wird das große Thema des nächsten Europäischen Rates werden. Wir ermutigen Sie, hier gemeinsam mit anderen voranzugehen. Kollegin Schäfer hat bereits zum Haushaltsetat gesprochen, Kollege Schmid ebenfalls. Und übrigens: Kollege Körber, danke auch Ihnen für die hervorragende Zusammenarbeit unter Demokraten, schön, was wir erreicht haben, um diesen Haushalt zu stärken. Jetzt ist die Zeit weit fortgeschritten; deshalb nur noch einige wenige Aspekte zum Haushalt, die aber wichtig sind: Wir haben das ZIF gestärkt. Wir haben die humanitäre Hilfe gestärkt. Wir haben den Bereich der Menschenrechtsverteidiger gestärkt. Wir haben die Ausstattung der Visumsstellen verstärkt. Wir haben die nötigen Mittel für das Visumsportal vorgesehen, weil wir dort vorankommen wollen. Frau Ministerin, da danke ich den vielen Aktiven in Ihrem Haus, die genau bei diesen strukturellen Fragen vorankommen wollen. In all diesen Dingen haben wir im parlamentarischen Verfahren noch mal deutliche Signale gesetzt. Es war uns sehr wichtig, dieses Signal zu setzen, das Haus strukturell zu stärken. Denn es ist eines der wichtigsten Ministerien von denen, die wir haben. Früher ist manchmal die Struktur nicht mitgewachsen; jetzt ist sie mitgewachsen, da es Leute geben muss, die alles, was gemacht werden muss, auch umsetzen. Deshalb bedurfte es einerseits mehr Mittel für humanitäre Hilfe – das haben wir gemacht – und andererseits für die Struktur. Ich glaube, das war ein wichtiges Signal, sodass dieses Ministerium jetzt wirklich auch angemessen reagieren kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, weil es für mich persönlich die letzte Berichterstattung war, die ich zum Einzelplan 05 gemacht habe, und ich mich jetzt auf die Arbeit als transatlantischer Koordinator konzentriere, will ich mich ganz besonders bei den vielen Angehörigen des Auswärtigen Dienstes bedanken, die weltweit eine fantastische Arbeit machen, die oft auch an sehr gefährlichen Orten geleistet wird, genauso wie in der Zentrale. Da ist es nicht so gefährlich, aber da ist es jedenfalls manchmal besonders schwierig. Es ist natürlich so, dass wir mit den anderen Häusern, die immer mehr international tätig sind, mehr Abstimmung brauchen. Ja, das Haushälterherz sagt: Bitte, wir brauchen mehr Kontrolle bei der Mittelverwendung! – In der Tat, da gibt es viele gute Ideen, gerade auch aus dem Auswärtigen Amt. Wir müssen auch bei dem Thema Länderdatenbank vorankommen. Ich übergebe das vertrauensvoll an meinen Nachfolger als Berichterstatter, der da weiter dranbleiben wird; denn wir als Parlament müssen und wir werden da dranbleiben. Wie gesagt: Danke für die hervorragende Zusammenarbeit in diesem Bereich. Meine Fraktion stimmt diesem Einzelplan gerne zu. Und ich freue mich auf die zukünftige Zusammenarbeit in anderen Funktionen. Danke schön.
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Dr. Dirk Spaniel AfD
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Besteuerung von Kraftstoffen ist mittlerweile nichts anderes mehr als ein Programm zur Ausbeutung der Menschen in diesem Land. Zu Ihrem Antrag, verehrte Kollegen der CDU/CSU-Fraktion: Teile Ihres Antrags lesen sich wie die Forderung der AfD-Fraktion aus der letzten Legislaturperiode. Sie fordern die Steuerbefreiung für nichtfossile Kraftstoffe. Das haben wir auch schon gefordert; dazu gibt es eine Drucksachennummer. Damit wir das hier alle verstehen. Jahrelang haben Sie sich in Wegelagerermanier die Energiesteueranteile für E10- bzw. B7-Diesel steuerlich bezahlen lassen, obwohl sie gar nicht CO2-relevant waren. Wahrscheinlich sind Sie erst durch unsere Drucksachen aus der letzten Legislaturperiode darauf gekommen. Bemerkenswerter ist aber, dass Ihnen die politisch verursachten Kraftstoffpreise einen Tag nachdem Sie aus der Regierung ausgeschieden sind auffallen. All das, was Sie hier fordern, hätten Sie in den letzten 16 Jahren umsetzen können. Liebe Kollegen, gute Opposition muss man lernen. Den Nachholbedarf der CDU/CSU-Fraktion erkennt man übrigens auch an handwerklichen Fehlern. Sie sprechen hier unter Punkt II.5 von der Mineralölsteuer. Liebe Kollegen von der CDU/CSU, gerne mache ich Sie darauf aufmerksam, dass Sie die Mineralölsteuer bereits im Jahr 2006 abgeschafft haben. Sie reden hier also von einer Steuer, die es gar nicht mehr gibt, weil Sie sie abgeschafft haben. Das ist die Stelle, wo in einem Cartoon normalerweise stehen würde: Ohne Worte. Zu unserem eigenen Antrag. Wir fordern die sofortige Aussetzung der CO2-Abgabe auf alle Kraftstoffarten. Das reduziert den Preis für den Liter Kraftstoff um circa 10 Eurocent. Flankieren wollen wir die Senkung der Benzinkosten durch eine sofortige Erhöhung der Pendlerpauschale. An einzelne Personen auf der Regierungsbank, die gerade nicht da sind und die vielleicht nicht wissen, wie die Pendlerpauschale funktioniert: Es besteht die Möglichkeit zur Nachfrage. Viele Menschen in unserem Land bringen die hohen Benzinpreise an die Grenzen ihrer finanziellen Belastbarkeit. Und Sie wollen diesen Menschen den ÖPNV aufzwingen. Der wird übrigens durch Ihre Brennstoffemissionshandelsgesetzgebung auch teurer. Das ist eine Unverschämtheit. Sie ziehen allen Menschen in diesem Land – nicht nur den Autofahrern – das Geld für Mobilität aus der Tasche. Wir sind offenbar die einzige Interessenvertretung der Autofahrer und der arbeitenden Menschen in diesem Land und in diesem Parlament. Vielen Dank. Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Stefan Gelbhaar.
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Dr. Rolf Mützenich SPD
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die meisten Deutschen und Afghanen teilen in diesen Tagen den Schmerz und das Entsetzen über die Machtübernahme der Taliban. Die Ereignisse werden für immer tief in unserem kollektiven Gedächtnis eingebrannt bleiben. Dazu gehören die Bilder und Schilderungen aus Kabul, wie auch die Fehler und Versäumnisse der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der afghanischen Regierungen. Für meine Fraktion sage ich klipp und klar: Wir werden die Geschehnisse schonungslos aufklären und Konsequenzen für die Ausrichtung internationaler Einsätze und die Arbeit der Ressorts ziehen. Das kann man am besten in einer Enquete-Kommission mit Abgeordneten, Wissenschaftlern und Praktikern tun. Deswegen, meine Damen und Herren, lade ich Sie ein, dieses Gremium nach der Konstituierung des neuen Deutschen Bundestages mit uns gemeinsam einzusetzen. Wenn bereits heute, liebe Kolleginnen und Kollegen, einige glauben, Antworten auf die vielen Fragen geben zu können, so ist das vermessen. Angeblich gut klingende geschlossene Expertenzirkel wie ein Nationaler Sicherheitsrat können die Herausforderungen nicht meistern. Eine demokratische, von den Vielen getragene Außen- und Sicherheitspolitik ist anspruchsvoller, als manche meinen. So was kann man nicht delegieren. Unser Engagement ist nicht die Quersumme verschiedener Meinungen. Was wir vielmehr brauchen, ist ein Regierungschef mit Augenmaß, gestützt auf langjährige Erfahrung und Kompetenz, meine Damen und Herren. Die Situation in Afghanistan bleibt auch in diesen Stunden brandgefährlich. Wir danken den Bundeswehrsoldaten für den noch nicht abgeschlossenen Rettungseinsatz. Für sie entscheiden wir heute über die Rechtssicherheit der notwendigen Maßnahmen. Ich bitte daher alle Fraktionen, sich hier heute nicht zu verweigern. Gleichzeitig, meine Damen und Herren, danke ich den Polizistinnen und Polizisten und den Diplomaten vor Ort, die derzeit alles für die Ausreise derjenigen tun, die bedroht sind. In diesen Dank möchte ich die einschließen, die freiwillig in Afghanistan bleiben und ihre Arbeit fortsetzen wollen. Auch ihnen gilt unsere Anerkennung. Wie Sie wissen, ist die deutsch-afghanische Geschichte von längerer Dauer und reichhaltiger als die bitteren Ereignisse der letzten Wochen. Vor 100 Jahren wurde die Deutsch-Afghanische Handelsgesellschaft gegründet. 270 000 Afghanen leben derzeit in Deutschland. Viele bekennen sich zu ihrer neuen Heimat, darunter Ärzte, Pflegekräfte und Industriearbeiter. Sie arbeiten mit in Vereinen und Nachbarschaftshilfen. Und es gibt noch viele andere, scheinbar unbedeutende Geschichten, so etwa die langjährige Partnerschaft zwischen dem Kölner und dem Kabuler Zoo. Das Schicksal eines Löwen, den ein Talibankämpfer beim Abzug 2002 absichtlich verletzte, berührte damals, vor 20 Jahren, viele Menschen auch in Deutschland. Das Foto wurde zum Sinnbild für die Brutalität und die Sinnlosigkeit des Krieges; aber es stand auch für die Notwendigkeit der internationalen Hilfe und Zusammenarbeit. Daran hat sich nichts geändert. Von uns wird es abhängen, ob wir aus den Fehlern, aber auch aus besseren Zeiten lernen wollen, meine Damen und Herren. Lieber Herr Kollege Gauland, Peter Struck ein Zitat in den Mund zu legen, das anders ist als das, was er damals gesagt hat, verbitte ich mir. Vergreifen Sie sich nicht an meinem ehemaligen Kollegen Peter Struck! Ich sage Ihnen: Gegenwärtig müssen wir uns jedoch auf die aktuellen Herausforderungen konzentrieren; die Bundeskanzlerin hat es gesagt. Die weitere Evakuierung und Politik schließen Gespräche mit den Taliban ein. Um das zu erkennen, braucht man keine Nachhilfe in Diplomatie. Ich hätte mir gewünscht, dass diese Einsicht bereits 2007 bestanden hätte, als Kurt Beck, wohlgemerkt in einer Schwächephase der Taliban, diese Möglichkeit erwogen hatte. Ich erinnere mich noch gut: Mit welchem Hohn und welcher Häme wurde er von denjenigen überschüttet, die heute leider schon wieder alles besser wissen. Es ist und bleibt ein Trauerspiel, aber auch ein Lehrstück über die Empörungsreflexe unserer Zeit. Deswegen sage ich: Vielleicht wäre es angemessen, wenn die sogenannten Experten außerhalb des Parlaments ebenso wie diejenigen, die ihnen oft eine Bühne geben, einmal innehalten und ihre Fehler reflektieren würden, meine Damen und Herren. Insofern warten auch noch viele weitere Aufgaben auf die deutsche Außenpolitik. Die Bundeskanzlerin hat einige Fragen aufgeworfen, aber auch Herausforderungen benannt. An vorderster Stelle steht, einen weiteren Bürgerkrieg in Afghanistan zu verhindern; darauf ist auch die deutsche Außenpolitik ausgerichtet. Der Außenminister ist neben der Krisenbewältigung bemüht, diese Übergangsregierung, die sich in Afghanistan zumindest anbietet, als Chance für die internationale Politik zu begreifen. Das ist die Kunst der Diplomatie; sie versucht, vielleicht nur den Bruchteil eines Momentes zu schaffen, damit die Menschen vor Ort zumindest eine Chance haben. Dazu gehört, weiterhin humanitäre Hilfe zu leisten. 3,5 Millionen Binnenflüchtlinge, 2,6 Millionen Flüchtlinge in den Nachbarländern – für meine Fraktion sage ich: Diese Mittel werden wir aufbringen. Als Haushaltsgesetzgeber stellen wir sie auch in Zukunft bereit. Das Gleiche gilt für das Resettlement-Programm des UNHCR. Meine Damen und Herren, das ist gut investiertes Geld in Humanität. Gleichzeitig spielen auch strukturelle Bedingungen eine große Rolle. Seit mehreren Jahren herrscht in Afghanistan eine große Dürre. Viele Dörfer sind unbewohnbar, und ohne langfristige Hilfe haben die Menschen dort keine Chance auf Rückkehr; auch das sollten wir wissen. Aber auf der anderen Seite müssen wir auch das Gegeneinander von Indien und Pakistan sehen, die Afghanistan leider seit Jahrzehnten in ihrer Machtauseinandersetzung missbrauchen. Es handelt sich immerhin um zwei Atommächte. Deswegen sage ich: Ja, wir müssen mit diesen Nachbarländern nicht nur in Gespräche kommen, sondern auch in Verhandlungen; das schließt den Iran ein, meine Damen und Herren. Schließlich haben wir sozusagen aktuell vor Augen geführt bekommen, dass auch die Umwälzungen der internationalen Beziehungen in Afghanistan mit Händen zu greifen sind. Das Foto einer afghanischen Delegation, die vom chinesischen Außenminister empfangen wurde, wird sich möglicherweise in zehn Jahren in den Schulbüchern als Beispiel für eine Umwälzung in den internationalen Beziehungen wiederfinden. Das ist erneut ein Beleg dafür, dass die Außenpolitik großer Mächte – dabei meine ich auch die USA – zuerst und allein den eigenen Interessen dient. Auch daraus müssen wir lernen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Angesichts dieser Komplexität wie die Grünen zu behaupten, ein Antrag hätte viele Probleme gelöst, ist Augenwischerei. Die Forderungen Ihres Antrags waren zum Zeitpunkt der Abstimmung schon nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Das wissen Sie gut; denn 16 Innenminister – auch Innenminister der von Ihnen mitregierten Länder – hatten zu diesem Zeitpunkt bereits einen ganz anderen Beschluss gefasst. Ich kann nur sagen: Ich vermute, dass es Ihnen um etwas ganz anderes ging. Sie wollten die Konfusion in Ihrer Afghanistan-Politik überspielen. Die letzte Abstimmung im März: 14 Jastimmen, 14 Enthaltungen, 32 Neinstimmen. Aber die Heuchelei wird erst dann deutlich, wenn man sieht, dass Sie bis zum letzten Augenblick, bis zur letzten Stunde in den Regierungen vertreten waren, die Menschen nach Afghanistan abschieben wollten; das werde ich Ihnen nicht vergessen. Deswegen mein Rat: Helfen Sie dabei, die Versäumnisse, egal ob auf Bundes- oder Landesebene, aufzuarbeiten, und ziehen Sie mit uns die richtigen Konsequenzen für eine zukünftige gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Innenpolitik! Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Nächster Redner ist der Fraktionsvorsitzende der FDP, Christian Lindner.
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