date
stringclasses
123 values
headline
stringlengths
12
63
short_headline
stringlengths
3
49
short_text
stringlengths
126
282
article
stringlengths
0
61.1k
link
stringlengths
19
141
2024-01-12
US-Geldhäuser spüren die Bankenrettungen
Beginn der Berichtssaison
Mit der Veröffentlichung der Quartalszahlen der vier größten US-Banken hat die Berichtssaison begonnen. Die Geldhäuser litten zuletzt vor allem unter den hohen Zahlungen an den Einlagensicherungsfonds.
Mit der Veröffentlichung der Quartalszahlen der vier größten US-Banken hat die Berichtssaison begonnen. Die Geldhäuser litten zuletzt vor allem unter den hohen Zahlungen an den Einlagensicherungsfonds. In den USA hat die Berichtssaison begonnen. Los ging es am Nachmittag noch vor Wall-Street-Eröffnung mit den vier größten US-Banken: JPMorgan, Wells Fargo, Bank of America und Citigroup öffneten als erste ihre Bücher. JP Morgan fährt Rekordgewinn ein Die größte US-Bank JP Morgan konnte im Gesamtjahr 2023 dank der hohen Zinsen in den USA einen Rekordgewinn einfahren. 2023 stieg der Gewinn im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 30 Prozent auf 49,6 Milliarden Dollar - auch, weil JP Morgan für Kredite deutlich höhere Zinsen verlangen konnte. Allein der Zinsüberschuss - die Differenz zwischen eingenommenen und gezahlten Zinsen - erreichte mit rund 89 Milliarden Dollar einen Höchstwert. Für 2024 rechnet Bankchef Jamie Dimon mit einem weiteren Anstieg auf etwa 90 Milliarden Dollar. Die hohen Zahlungen an den US-Einlagensicherungsfonds trübten das Bild allerdings ein wenig und ließen den Gewinn im vierten Quartal sinken. Von Oktober bis Dezember sei der Nettogewinn auf 9,31 (Vorjahr: 11,01) Milliarden Dollar gefallen, teilte das Geldhaus heute vor Börsenstart in den USA mit. Die Erlöse stiegen um zwölf Prozent auf 38,57 Milliarden Dollar. JPMorgan und andere US-Großbanken müssen den Löwenanteil von Zahlungen an den Einlagensicherungsfonds in einer Höhe von rund 16 Milliarden Dollar stemmen. Sie waren nach der Schieflage der Silicon Valley Bank und der Signature Bank fällig geworden sind. Allein im vierten Quartal 2023 zahlte JP Morgan rund drei Milliarden Dollar an den Sicherungsfonds. Gewinn der Bank of America geschrumpft Milliardenbelastungen durch Zahlungen an den Einlagensicherungsfonds haben auch den Gewinn der Bank of America im vierten Quartal deutlich geschmälert: Mehr als zwei Milliarden Dollar flossen dorthin ab. Der zweitgrößte Bankkonzern der USA erzielte im Schlussviertel des vergangenen Jahres auch deshalb nur einen Nettogewinn von 3,1 Milliarden Dollar, wie das Geldhaus heute mitteilte. Aus Sicht von Konzernchef Brian Moynihan hat der Finanzkonzern in den Schlussmonaten des vergangenen Jahres dennoch gut abgeschnitten: "Wir haben solide Ergebnisse für das vierte Quartal und das Gesamtjahr vorgelegt, da alle unsere Geschäfte ein starkes organisches Wachstum erzielt haben." Von den höheren Kreditzinsen, die vor allem das Ergebnis von JP Morgan verbesserten, konnte die Bank of America allerdings nicht profitieren: Die Nettozinserträge sanken um fünf Prozent auf 13,9 Milliarden Dollar. Dazu kamen weitere Belastungen in Höhe 1,6 Milliarden Dollar im Zusammenhang mit dem Auslaufen einer Bloomberg-Zinsbenchmark, die in einigen Kreditverträgen verwendet wurde. Citigroup will Tausende Stellen streichen Die Zahlungen an den US-Einlagensicherungsfonds belasten die drittgrößte US-Bank so stark, dass sie ihr schlechtestes Quartalsergebnis seit 15 Jahren verbuchte. Die Citigroup meldete heute vor Börsenstart in den USA einen Quartalsverlust von 1,8 Milliarden Dollar, nachdem die Kosten für die Umstrukturierung, den Rückzug aus Russland und die Abwertung des argentinischen Peso die Gewinne belastet hatten. Citigroup-Chefin Jane Fraser nannte die Ergebnisse "sehr enttäuschend", erwartet aber laut eigener Aussage, dass dieses Jahr ein Wendepunkt sein wird: "Wir haben erhebliche Fortschritte bei der Vereinfachung von Citi und der Umsetzung unserer Strategie im Jahr 2023 gemacht", sagte sie in einer Erklärung. Teil dessen sei auch, dass bei der Citigroup mittelfristig 20.000 Stellen gestrichen werden. "Die Gewinne der Citigroup sahen mit einem großen Verlust von 1,8 Milliarden Dollar schrecklich aus, aber das zugrunde liegende Geschäft der Bank zeigte sich widerstandsfähig. Der Verlust ist vor allem auf Sonderposten sowie einen starken Anstieg der Rückstellungen für Kreditausfälle zurückzuführen", beurteilte Octavio Marenzi, CEO der Unternehmensberatung Opimas LLC, die Quartalszahlen. Wells Fargo kann Gewinne steigern Der Gewinn der viertgrößten US-Bank Wells Fargo ist im vierten Quartal 2023 trotz der Belastungen von Zahlungen in den Einlagensicherungsfonds um neun Prozent gestiegen. Wells meldete für die letzten drei Monate des vergangenen Jahres einen Nettogewinn von 3,45 Milliarden Dollar gegenüber 3,16 Milliarden Dollar im Vorjahreszeitraum. Profitieren konnte die Bank - wie auch JP Morgan - von den höheren Zinssätzen. Der Vorstandsvorsitzende Charlie Scharf merkte jedoch an: "Wir beobachten die Kreditvergabe genau, und obwohl wir eine leichte Verschlechterung sehen, bleibt sie im Einklang mit unseren Erwartungen." Er betonte jedoch auch: "Unsere Geschäftsentwicklung reagiert nach wie vor empfindlich auf die Zinssätze und die Gesundheit der US-Wirtschaft."
/wirtschaft/weltwirtschaft/usa-banken-berichtssaison-100.html
2024-01-12
"Die Heuchelei Südafrikas ist grenzenlos"
Völkermord-Vorwurf gegen Israel
Die Bombardierung von Huthi-Stellungen im Jemen ist für Israel die Konsequenz für vergangene Attacken der Miliz. Vielmehr beschäftigt die Regierung Netanyahu aber der Völkermord-Vorwurf vor dem Internationalen Gerichtshof. Von Tim Aßmann.
Die Bombardierung von Huthi-Stellungen im Jemen ist für Israel die Konsequenz für vergangene Attacken der Miliz. Vielmehr beschäftigt die Regierung Netanyahu aber der Völkermord-Vorwurf vor dem Internationalen Gerichtshof. Von Tim Aßmann, zur Zeit Tel Aviv Aus israelischer Sicht sind die Angriffe auf die Huthi die notwendige Antwort auf die Attacken der vergangenen Wochen und Monate aus dem Jemen - auf den Schiffsverkehr im Roten Meer und auch direkt gegen Israel. Mehrfach hatten die Huthi Raketen auf das südisraelische Eilat abgefeuert, die jeweils von der Luftverteidigung ausgeschaltet wurden. Israel hatte gedroht, selbst gegen die Huthi vorzugehen. Nun haben das, mit den USA und Großbritannien, Verbündete übernommen. Eine direkte Beteiligung Israels an den Operationen gegen die Huthi ist nicht zu erwarten, da sie das Risiko einer weiteren Ausbreitung des Konfliktes mit sich bringen würde. Netanyahu weist Völkermord-Vorwürfe zurück Top-Thema in Israel ist aktuell das Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag. Nachdem gestern die südafrikanische Seite, als Ankläger gesprochen und Israel beschuldigt hatte, im Gazastreifen die Absicht des Völkermordes zu verfolgen, machte Israels Premier Netanyahu klar, dass sein Land sich zu Unrecht unter Anklage sieht. "Was für eine verdrehte Welt", klagte er in einer Videobotschaft, "unsere Armee, die moralischste der Welt, die alles tut, um Unbeteiligten nicht zu schaden, wird angeklagt - von den Repräsentanten der Monster des Völkermords. Die Heuchelei Südafrikas ist grenzenlos." Israel beruft sich auf Selbstverteidigung Israel wirft Südafrika vor, sich mit der Anklage in Den Haag zum Werkzeug der Hamas zu machen. Israels Linie vor dem Internationalen Gerichtshof ist, sich auf Selbstverteidigung zu berufen. Der ehemalige israelische Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit widersprach im Interview mit dem israelischen Sender Kanal 12 den Vorwürfen. "Wenn Israel einen Völkermord begehen und so viele Palästinenser wie möglich hätte töten wollen, warum hat es dann so gehandelt, wie es gehandelt hat? So viele Palästinenser wie möglich aus dem nördlichen Gazastreifen wegzubekommen und so zu schützen?" Das passe nicht zum Verbrechen des Völkermords, so Mandelblit. Auf palästinensischer Seite gibt es breite Unterstützung für das Vorgehen Südafrikas. Mohammed Shtayyeh, Ministerpräsident in der palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah, war im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters voll des Lobes. "Wir sagen unseren Kameraden aus Südafrika Danke. Israel muss sich nun wegen der Anklage verantworten, Völkermord an unserem Volk in Gaza zu verüben." Gefechte im mittleren und südlichen Gazastreifen Im Gazastreifen wird weiter heftig gekämpft. Die israelische Armee teilte mit, ihre Truppen hätten in den vergangenen rund 24 Stunden, Dutzende Hamas-Kämpfer getötet - bei Gefechten im Zentrum des Gazastreifens und in Chan Yunis im Süden. Dort weitet die Armee ihre Operationen zur Zeit weiter aus - unter anderem mit dem Ziel, Anführer der Hamas aufzuspüren, die in Tunneln vermutet werden. Medikamentenlieferung an Geiseln vereinbart Israel hat unterdessen eine Medikamentenversorgung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln erwirkt. Wie das Büro von Premier Netanyahu mitteilte, ist eine entsprechende Vereinbarung mit dem Emirat Katar getroffen worden. Die Medikamente sollen demnach in den kommenden Tagen bei den Geiseln eintreffen. Israelische Medien hatten zuvor berichtet, dass bei den Verhandlungen über das Abkommen auch Medizinlieferungen für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen Thema gewesen sein sollen. Ob solche Lieferungen nun auch beschlossen wurden, ist unklar.
/ausland/asien/israel-gazastreifen-kaempfe-igh-100.html
2024-01-12
Nur zwei Drittel der Züge kommen pünktlich
Verspätungen und Ausfälle
Die Pünktlichkeit deutscher Fernzüge ist im vergangenen Jahr weiter gesunken: Nur rund zwei Drittel der Züge waren 2023 pünktlich am Ziel. Die Bahn begründet das mit zahlreichen Baustellen.
Die Pünktlichkeit deutscher Fernzüge ist im vergangenen Jahr weiter gesunken: Nur rund zwei Drittel der Züge waren 2023 pünktlich am Ziel. Die Bahn begründet das mit zahlreichen Baustellen. Mehr als jeder dritte Fernzug der Deutschen Bahn (DB) war im vergangenen Jahr unpünktlich. Wie der Konzern heute mitteilte, wurden 36 Prozent der Halte mit einer Verspätung von mehr als 5:59 Minuten erreicht. Damit sank die Pünktlichkeitsquote im Fernverkehr im vergangenen Jahr auf 64 Prozent nach 65,2 Prozent im Jahr 2022. Das zunächst ausgegebene Pünktlichkeitsziel von mehr als 70 Prozent im Fernverkehr hatte der Konzern schon vor einigen Monaten einkassiert. Im Regionalverkehr war die Pünktlichkeit deutlich besser: 91,0 Prozent der Züge kamen mit weniger als sechs Minuten Verspätung und damit laut Definition der Bahn pünktlich an ihr Ziel. Im Jahr 2020 wurden noch 95,6 Prozent der Halte im Regionalverkehr und 81,8 Prozent im Fernverkehr rechtzeitig angefahren. Streckensperrungen für Generalsanierung Die Deutsche Bahn begründet die schlechte Pünktlichkeitsquote vor allem mit den vielen Baustellen. "Rund 75 Prozent der Fernverkehrszüge wurden Ende des Jahres auf ihrer Fahrt durch mindestens eine Baustelle ausgebremst", teilte die DB mit. Die Schienen-Infrastruktur in Deutschland gilt als marode, viele Strecken sind dringend sanierungsbedürftig und entsprechend störanfällig. Ab diesem Jahr sollen zahlreiche Strecken nach und nach saniert werden. Bis 2030 will die Bahn Dutzende Strecken per sogenannter Generalsanierung zu Hochleistungskorridoren machen. Bei einer Generalsanierung wird die jeweilige Strecke in der Regel monatelang komplett gesperrt - für Fahrgäste dürfte das neuerliche Störungen bedeuten. Pünktlichster Tag war Silvester Der unpünktlichste Tag des Jahres war nach Angaben der Deutschen Bahn übrigens der 22. Dezember - mitten im Weihnachtsverkehr brachte Sturmtief Zoltan den Verkehr in Deutschland insgesamt und damit auch den Bahnverkehr durcheinander. Die Pünktlichkeitsquote der Bahn lag im Fernverkehr an diesem Tag laut Konzern bei 35,6 Prozent. Die beste Bilanz fuhr die Bahn am Silvestertag ein: 84,2 Prozent der Fernverkehrshalte wurden am 31. Dezember pünktlich erreicht.
/wirtschaft/unternehmen/deutsche-bahn-verspaetungen-100.html
2024-01-12
"Es steht die Kriegsfrage im Raum"
Präsidentenwahl in Taiwan
Die heutige Präsidentenwahl in Taiwan wird weltweit mit großer Spannung verfolgt. Denn die Kandidaten stehen auch für unterschiedliche Haltungen gegenüber China. Der Taiwan-Experte Klöter erklärt im Interview, was diese Wahl so heikel macht.
Die heutige Präsidentenwahl in Taiwan wird weltweit mit großer Spannung verfolgt. Denn die Kandidaten stehen auch für unterschiedliche Haltungen gegenüber China. Der Taiwan-Experte Klöter erklärt im Interview, was diese Wahl so heikel macht. tagesschau.de: Taiwan wählt einen neuen Präsidenten - warum ist das für die gesamte Region, aber auch für den Westen insgesamt relevant? Henning Klöter: Das hängt mit dem politisch ungeklärten Status Taiwans zusammen. Taiwan, das sich selbst Republik China nennt, ist international nicht anerkannt. Die Volksrepublik China, also das international anerkannte China, erhebt territorialen Anspruch auf Taiwan. Taiwan widersetzt sich dem seit dem Ende des chinesischen Bürgerkriegs, also seit 1949, und immer, wenn es zu einer Wahl in Taiwan kommt, ist der ungeklärte politische Status Taiwans ein vorherrschendes Thema. Die Volksrepublik macht seit Jahren in einem immer größeren Ausmaß deutlich, dass sie diesen offenen Zustand nicht weiter hinnehmen will und droht unverhohlen mit Krieg. Von daher steht auch eine Kriegsfrage im Raum. Kandidat der Kontinuität tagesschau.de: Vizepräsident Lai Ching-te geht als Favorit ins Rennen. Was würde sich durch ihn ändern; insbesondere mit Blick auf die Volksrepublik? Klöter: Lai würde vermutlich die Politik der amtierenden Präsidentin Tsai Ing-wen, die ja nicht mehr kandidieren darf, fortsetzen. Das heißt: die Volksrepublik rhetorisch verbal nicht zu offensiv angehen, einen milden Ton anschlagen, aber sich gleichzeitig auf die Position zurückziehen, dass Taiwan quasi bereits unabhängig ist. Lai würde Taiwan deshalb wie Präsidentin Tsai nicht weiter für die Volksrepublik öffnen, zum Beispiel in Handelsfragen. tagesschau.de: Die Aussicht, dass Lai die Wahl gewinnen könnte, hat in der Volksrepublik zu verstärkten militärischen Drohgebärden geführt. Haben Sie den Eindruck, dass das einen Einfluss auf das Wahlverhalten der Bürger haben wird? Klöter: In einem bestimmten Maß wird das sicher so sein. Aber man darf nicht vergessen, dass es die Wählerinnen und Wähler nicht anders kennen. Seit der ersten demokratischen Präsidentenwahl im Jahr 1996, die ja auch von sehr starken Manövern und Drohgebärden seitens China begleitet war, war es noch bei jeder Präsidentenwahl so. Drohungen aus Peking sind in einer taiwanesischen Wahrnehmung nichts Neues. Zugleich spüren die Wähler eine stärkere Aggression, zumal Chinas Präsident Xi Jinping zum ersten Mal konkrete Fristen für eine Vereinigung mit Taiwan formuliert hat. Und auch durch den Ukraine-Krieg hat man in Taiwan gemerkt, dass das Undenkbare plötzlich konkret wird. All das schwebt vor der Wahl im Raum. Profilierung als "Kandidat des Friedens" und als "dritte Option" tagesschau.de: Hou Yu-ih, der Kandidat der größten Oppositionspartei Kuomintang (KMT), spricht selbst von einer Wahl zwischen Krieg und Frieden. Was würde die KMT, die Taiwan viele Jahre beherrscht beziehungsweise regiert hat, tun, um die Spannungen mit China zu reduzieren? Klöter: Hou hat sich stark zu dem positioniert, was er nicht will. Er will nicht die sehr ablehnende Haltung der amtierenden Präsidentin gegenüber der Volksrepublik fortsetzen. Er will sich aber auch nicht auf die Formel "Ein Land, zwei Systeme", die ja lange von der Volksrepublik China als Lösung vorgeschlagen wurde, einlassen. Er hat angedeutet, dass er durchaus wieder Gespräche führen will und hat die amtierende Präsidentin und den Kandidaten Lai stark dafür kritisiert, dass der Dialog zu China weitgehend zum Erliegen gekommen ist. Seine immer wieder formulierte Formel "Wahl zwischen Krieg und Frieden" war auch ein rhetorischer Schachzug, mit dem versucht werden sollte, Lai als Unsicherheitsfaktor zu brandmarken und sich selbst als denjenigen zu konturieren, der für den Frieden stehen würde. tagesschau.de: Der letzte Präsident, den Hous Partei gestellt hat, hat sich 2015 mit Xi Jinping in Singapur getroffen und ein Handelsabkommen unterzeichnet. Wäre das heute überhaupt noch denkbar? Klöter: Dieses "Erbe" und die Frage, wie man mit dem letzten Parteigenossen als Präsident umgeht, war für Hou auf der Zielgraden des Wahlkampfs ein Problem. Zumal Ex-Präsident Ma Ying-jeou in einem Interview gesagt hat, dass es Unsinn sei, wenn Taiwan zu viel in Verteidigung investiere, weil es eh keine Chance hätte. Daraufhin haben Hou und sein Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten ausdrücklich gesagt, dass sie diese Position nicht teilen. Einerseits plädieren beide für eine Wiederannäherung an China, andererseits laufen sie damit gleichzeitig Gefahr, als diejenigen wahrgenommen zu werden, die an etwas anknüpfen wollen, mit dem schon einmal ein Präsident gescheitert ist. tagesschau.de: Es gibt ja noch einen dritten Kandidaten. Wo ist Ko Wen-je einzuordnen? Klöter: Ko hatte auf kommunalpolitischer Ebene großen Erfolg, sich als "Newcomer" zu verkaufen, der das Lagerdenken zwischen der DPP und der KMT durchbricht. Er war Bürgermeister von Taipeh und versucht auch jetzt, sich als "dritte Option" zu verkaufen - keine Abschottung gegenüber Peking, aber auch keine Anbiederung. Außerdem hat er sich in wirtschaftlichen und sozialpolitischen Fragen als Kandidat für die jüngere Generation präsentiert, die sich wirtschaftlich abgehängt fühlt. Er ist schlagfertig, manche halten ihn aber auch für zu unseriös für ein Präsidentenamt und zu wankelmütig in seinen Äußerungen. "Keine Bereitschaft, errungene Freiheit wieder aufzugeben" tagesschau.de: Die einzige politische Lösung für Peking dürfte das Modell "Ein Land, zwei Systeme" sein. Wie schätzen Sie dazu die Haltung der Bevölkerung in Taiwan ein? Klöter: Das würde von der Bevölkerung auf keinen Fall akzeptiert werden. Es hat in Taiwan seit Beginn der Demokratisierung Ende der 1990er-Jahre einen demografischen Wandel gegeben. Die wahlberechtigte Bevölkerung hat eine ganz andere Lebenserfahrung als die Generation derer, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Ende des chinesischen Bürgerkrieges teilweise von China nach Taiwan geflohen sind. Auch das Beispiel Hongkong hat gelehrt, dass vom Modell "Ein Land, zwei Systeme" in der Praxis nichts bleibt. Deshalb gibt es in Taiwan keinerlei Bereitschaft, die mühsam errungene Freiheit und Demokratie zugunsten dieser Formel wieder aufzugeben. "Eine durch und durch konsolidierte Demokratie" tagesschau.de: Wir haben es in Taiwan mit einer funktionierenden Demokratie, mit einer Gewaltenteilung, mit unabhängigen Medien und mit regelmäßigen Machtwechseln zu tun. Haben Sie den Eindruck, dass der Westen und insbesondere die Europäische Union das genügend würdigt? Klöter: Ich persönlich habe den Eindruck, dass das nicht der Fall ist. In den vergangenen Jahren und insbesondere seit der Pandemie wird gewiss wahrgenommen und häufiger erwähnt, dass es in Taiwan Freiheiten und Liberalisierungen gibt, die es in anderen Regionen Asiens nicht gibt. Taiwan ist eine durch und durch konsolidierte Demokratie. Es hat mehrfach friedliche Machtwechsel gegeben, es herrscht Religions- und Pressefreiheit. Damit widerlegt Taiwan erfolgreich das, was in der Volksrepublik China häufig gesagt wird, dass Demokratie und Freiheiten mit kulturellen chinesischen Wurzeln nicht vereinbar seien. Ich denke, dass das bei einer westlichen Beurteilung der Situation in Ostasien im breiteren Kontext und der Situation Taiwans im engeren Kontext mehr Würdigung erfahren könnte. Das Gespräch führte Eckart Aretz, tagesschau.de
/ausland/asien/taiwan-wahl-bedeutung-100.html
2024-01-12
Özdemir sieht Versäumnisse von Vorgängern
Proteste von Landwirten
Agrarminister Özdemir sieht im Streit über den Agrardiesel nur einen Grund für die Wut von Landwirten. Jahrzehntelang seien den Bauern Dinge versprochen, aber nicht eingehalten worden. Kritik kommt aus der Union.
Agrarminister Özdemir sieht im Streit über den Agrardiesel nur einen Grund für die Wut von Landwirten. Jahrzehntelang seien den Bauern Dinge versprochen, aber nicht eingehalten worden. Kritik kommt aus der Union. Bundesagrarminister Cem Özdemir hat mit Blick auf die Bauernproteste die vorherige Regierung kritisiert. "Der Karren ist so tief im Dreck, um mal bildlich zu sprechen, dass wir alle miteinander arbeiten sollten und jetzt nicht so sehr Parteipolitik machen sollten, wie es meine Vorgängerin vorher gemacht hat", sagte der Grünen-Politiker im Morgenmagazin von ARD und ZDF. Er bezog sich damit offensichtlich auf die CDU-Politikerin Julia Klöckner, die das Ressort von 2018 bis 2021 leitete. Die Ampelkoalition will aufgrund der angespannten Haushaltslage die Steuerbegünstigung beim Agrardiesel abbauen. Nach Kritik der Landwirtschaftslobby schwächte sie die baldige Streichung ab und plant nur einen Abbau in mehreren Schritten. Auf die zuvor angekündigte Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft verzichtet die Bundesregierung ganz. "Ich weiß natürlich, dass die Bauern sagen, das reicht nicht. Ich glaube aber, dass es gar nicht so sehr um den Agrardiesel nur geht", sagte Özdemir. "Der Agrardiesel alleine hat nicht den Zorn ausgelöst, sondern was den Zorn ausgelöst hat, ist, dass jahrzehntelang den Bauern Dinge versprochen wurden von wechselnden Regierungen, die dann nur zum Teil oder gar nicht gehalten worden sind." Der Minister betonte: "Landwirte denken in Generationen, wir denken in Legislaturperioden - und das ist das Problem." Kritik von Unionspolitikern Klöckner äußerte sich im Morgenmagazin ebenfalls zur Lage der Landwirte: Es müsse eine Politik gemacht werden, die etwas mit der Realität der Bäuerinnen und Bauern zu tun habe. "Die demonstrieren dafür, dass sie nicht eine Steuererhöhung aufgebrummt bekommen, die sie überproportional zum Sparen für diese Ampel-Haushaltspolitik beibringen sollen", sagte Klöckner. CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte, "für den Unmut der Landwirte tragen alleine die Ampel und Cem Özdemir die Verantwortung". Özdemir müsse für die Rücknahme der Belastungen sorgen. "Kann er das nicht, sollte er zurücktreten." Die CSU hatte vor Klöckner mehrere Agrarminister in den Regierungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel gestellt. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder warf der Bundesregierung eine "einseitige Benachteiligung der Landwirtschaft" vor. Ziel sei es wohl, "bäuerliche Existenzen zu zerstören, bäuerliche Produktion zu reduzieren, um abhängig vom Ausland zu sein", sagte der CSU-Chef. Die Bundesregierung gefährde so die Zukunft Deutschlands und Bayerns. Lindner will bei Protesten reden Für kommenden Montag ist eine große Protestkundgebung von Bauern in Berlin geplant. Die Vorsitzenden der drei Ampel-Fraktionen im Bundestag luden die Spitzen der Landwirtschaftsverbände für diesen Tag bereits zu einem Gespräch ein. Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner will sich Anfang nächster Woche den protestierenden Landwirten stellen. Der FDP-Chef soll am Montagmittag bei einer Demonstration des Bauernverbands vor dem Brandenburger Tor reden, wie das Finanzministerium mitteilte. Der bayerische Bauernverband erwägt eine Verschärfung der Proteste. "Wir haben bisher davon abgesehen, Infrastruktur zu blockieren, etwa die Lebensmittelversorgung. Aber wir lassen uns nicht einfach mehrere Monatseinkommen aus der Tasche ziehen", sagte der bayerische Bauernverbandspräsident Günther Felßner der "Augsburger Allgemeinen". Wagenknecht äußert Verständnis für Bauern Sahra Wagenknecht forderte den vollständigen Erhalt der Steuervorteile beim Agrardiesel. "Ansonsten sollte der Protest weitergehen", sagte die Vorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht und ehemalige Linkspartei-Politikerin. Zudem verlangte sie von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Entschuldigung bei den Bauern. Es sei "unverschämt, dass die eindrucksvolle Protestwoche der Bauern endet, ohne dass der Bundeskanzler seinen schweren Fehler korrigiert". Auch "Fridays for Future" zeigte Verständnis für die Lage der Bauern und forderte von der Bundesregierung eine nachhaltige Agrarpolitik. Die gesamte Landwirtschaft stecke in der Klemme, sagte der Sprecher der Klimaschutzbewegung, Pit Terjung, im RBB. Sie werde zwischen dem Handel und der Agrarindustrie "zerrieben". Außerdem gebe es seit Jahren eine enorme Abhängigkeit von Subventionen. "Wir sitzen in diesem Boot gemeinsam" Die Ethikratsvorsitzende Alena Buyx mahnte derweil zu einem differenzierten Blick auf den aktuellen Bauernprotest. "Protest ist immer total wichtig, das gehört zu einer Demokratie dazu", sagte Buyx im Morgenmagazin. Aber Unterwanderungen durch rechte und demokratiefeindliche Gruppierungen bereiteten ihr Sorge. Buyx sagte, sie wünsche sich ein respektvolleres Miteinander bei den aktuellen Protesten. "Letztendlich sitzen wir in diesem Boot einer Gesellschaft doch alle gemeinsam", so die Medizinethikerin von der Technischen Universität München. "Wut und Empörung sind nachvollziehbar, aber sie sind eben auch nicht das, was helfen wird", sagte Buyx. Sowohl staatliche Stellen als auch Medien seien aufgefordert, zu einer "gewissen Mäßigung" beizutragen, statt Emotionen weiter aufzupeitschen. Letztlich trage aber jeder einzelne in der Bevölkerung Verantwortung dafür, "dass unsere Demokratie stabil und stark bleibt und dass wir uns nicht zerfetzen im Streit", betonte die Vorsitzende des Ethikrates.
/inland/innenpolitik/oezdemir-kritik-bauernproteste-100.html
2024-01-12
DIHK warnt vor leeren Lagern
Huthi-Angriffe im Roten Meer
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer warnt vor leeren Lagern. Die Umleitung der Handelsschifffahrt sorge für längere Lieferzeiten und höhere Kosten. Erste Unternehmen bekommen die Auswirkungen bereits zu spüren.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer warnt vor leeren Lagern. Die Umleitung der Handelsschifffahrt sorge für längere Lieferzeiten und höhere Kosten. Erste Unternehmen bekommen die Auswirkungen bereits zu spüren. Wegen der Attacken auf die Schifffahrt im Roten Meer warnt die Deutsche Industrie- und Handelskammer vor Engpässen in den Lieferketten. "Durch das Rote Meer und den Suezkanal gehen große Teile des europäisch-asiatischen Handels, so dass wichtige Vorprodukte für die deutsche Industrie aktuell nicht rechtzeitig ankommen", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Längere Lieferzeiten und steigende Transportkosten in Form höherer Frachtraten sowie zunehmende Versicherungskosten würden sich auszuwirken beginnen. "Erste Lager laufen leer, Produktionsbeeinträchtigungen deutscher Unternehmen werden sichtbar", sagte Treier. Auch die Abläufe in den Häfen dürften komplizierter werden, weil die Schiffe später als geplant ankommen und Container für den Export auf Abholung warten. Als offenste Volkswirtschaft der großen Industrienationen sei Deutschland besonders auf funktionierende Lieferketten angewiesen, so Treier. Handelsverband sieht die Lage nicht so kritisch Die Huthi im Jemen greifen immer wieder Handelsschiffe im Roten Meer an und wollen dies auch nach Beschuss ihrer Militärstellungen durch die USA und Großbritannien fortsetzen. Diese Angriffe des Westens würden nicht ohne "Strafe oder Vergeltung" bleiben, erklärte die Miliz. Der Handelsverband Deutschland rechnet wegen der angespannten Lage in der Region hingegen nicht mit größeren Engpässen im Einzelhandel. Unternehmen hätten ihre Lieferketten breiter aufgestellt. "Dazu gehören verschiedene Beschaffungsgebiete, eine erhöhte Lagerhaltung oder auch Alternativprodukte für den Bedarf", sagte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes. Langfristig sei davon auszugehen, "dass Versorgungswege stabiler gestaltet werden und entsprechende Puffer sowie Ausweichstrategien ausgebaut werden", so Genth weiter. Tesla lässt Produktion pausieren Erste Unternehmen spüren jedoch durchaus bereits die Auswirkungen der Attacken auf Handelsschiffe. So stoppt der Autohersteller Tesla vorübergehend die Produktion in seinem Werk im brandenburgischen Grünheide. Das Unternehmen teilte mit, da sich die Transportwege verschoben hätten, sei eine Lücke in den Lieferketten entstanden. "Aufgrund fehlender Bauteile sind wir daher im Zeitraum zwischen dem 29. Januar und 11. Februar dazu gezwungen, die Fahrzeugfertigung in der Gigafactory Berlin-Brandenburg mit Ausnahme einiger weniger Teilbereiche ruhen zu lassen", hieß es in einer Erklärung. Zuletzt hatten auch andere Unternehmen - darunter etwa der chinesische Autobauer Geely und das Einrichtungshaus Ikea - vor Verzögerungen bei Lieferungen gewarnt. Hapag-Lloyd: Mehrkosten im Millionenbereich Unmittelbar zu spüren bekommen die Auswirkungen der Situation im Roten Meer Reedereien. Die Huthi-Attacken auf Handelsschiffe verursachten nach Angaben von Hapag-Lloyd monatliche Mehrkosten im hohen zweistelligen Millionenbereich. "Es beeinflusst die gesamte Branche und auch uns selbst auf signifikante Weise", sagte ein Konzernsprecher den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Schiffe von Deutschlands größter Container-Reederei meiden bereits seit Dezember wegen der Angriffe der Rebellen den Suezkanal und das Rote Meer. Die Verspätungen durch die Umleitung um das Kap der Guten Hoffnung seien immens. In die "USA eine Woche länger, Europa bis zu zwei Wochen länger, östliches Mittelmeer 18 Tage länger", sagte der Reederei-Sprecher. Viele Reedereien erheben wegen des langen Umwegs Extra-Transportgebühren. Auf eine Entspannung der Lage hofft nach den amerikanisch-britischen Bombardements die dänische Großreederei Maersk. "Wir hoffen, dass diese Maßnahmen und eine stärkere Marinepräsenz schließlich zu einer geringeren Bedrohungslage führen werden", erklärte die weltweit zweitgrößte Container-Reederei. Es sei zu hoffen, dass dies wieder eine Durchquerung des Roten Meeres und eine Nutzung des Suezkanals ermögliche.
/wirtschaft/weltwirtschaft/lieferketten-rotes-meer-100.html
2024-01-12
Angriff auf Huthi lässt Sorge vor Eskalation wachsen
Bombardements im Jemen
"Aggression", "Terrorakt", "Verstoß gegen das Völkerrecht": Der Iran, die Hamas und die Hisbollah haben die Angriffe der USA und Großbritanniens auf Huthi-Stellungen im Jemen scharf verurteilt. Die Miliz selbst kündigte Vergeltung an.
"Aggression", "Terrorakt", "Verstoß gegen das Völkerrecht": Der Iran, die Hamas und die Hisbollah haben die Angriffe der USA und Großbritanniens auf Huthi-Stellungen im Jemen scharf verurteilt. Die Miliz selbst kündigte Vergeltung an. Die Angriffe der USA, Großbritanniens und weiterer Staaten auf Stellungen der Huthi im Jemen haben in zahlreichen arabischen Ländern, vor allem bei den Verbündeten der Schiiten-Miliz, heftige Reaktion ausgelöst. Mit den Militärschlägen nach wiederholten Attacken der Huthi im Roten Meer wächst die Sorge vor einer weiteren Eskalation der Lage in der Region. Der Iran, der die Huthi im Jemen unterstützt, verurteilte die Angriffe scharf. Der iranische Außenamtssprecher Nasser Kanani sprach von einer "willkürlichen Aktion", einem "Verstoß" gegen das Völkerrecht und eine Verletzung der Souveränität des Jemen. Die mächtige Hisbollah-Miliz im Libanon, die wie die Huthi Teil der vom Iran unterstützten regionalen Allianz namens "Achse des Widerstands" angehört, sprach von einer "amerikanischen Aggression", die einmal mehr bestätige, "dass die USA ein vollwertiger Partner bei den Tragödien und Massakern sind, die der zionistische Feind im Gazastreifen und der Region verübt". Sowohl der Iran als auch die Huthi-Miliz sind verfeindet mit Israel. Auch die palästinensische Terrormiliz Hamas verurteilte die Bombardierungen im Jemen als "eklatante Aggression" gegen die Souveränität des Landes. Es handle sich um einen "unberechenbaren Terrorakt", erklärte die Hamas auf Telegram. Russland beruft Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats ein Jordanien warnte vor einer Eskalation der Spannungen in Nahost und gab Israel die Schuld an den aktuellen Entwicklungen. Seine Regierung verfolge die Lage in der Region des Roten Meeres und deren Auswirkungen auf die regionale Sicherheit mit Sorge, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Außenminister Ajman Safadi. Das Versäumnis der internationalen Gemeinschaft, Israels "extremistische" Politik und "Aggression" gegen die Palästinenser zu stoppen, gefährde die Sicherheit in der Region und drohe, den Nahen Osten in weitere Konflikte und Kriege zu treiben. Russland nannte die Angriffe auf die Huthi-Stellungen eine "völlige Missachtung internationalen Rechts". Die angelsächsischen Länder ließen die Lage in der Region eskalieren "um ihrer zerstörerischen Ziele willen", schrieb die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, auf Telegram. Bei ihrer wöchentlichen Pressekonferenz sagte Sacharowa: "Wir verurteilen die verantwortungslosen Handlungen der USA und ihrer Verbündeten." Sie rief die internationale Gemeinschaft auf, sich dem anzuschließen. Russland beantragte wegen der Angriffe für Freitag eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. Huthi: Fünf Mitglieder getötet Die USA und Großbritannien haben in der Nacht zum Freitag mit Unterstützung unter anderem der Niederlande, Kanadas und Bahrains Stellungen der Huthi im Jemen bombardiert. Der Angriff sei eine Reaktion auf die "illegalen, gefährlichen und destabilisierenden" Angriffe der Huthi auf Schiffe im Roten Meer und beruhe auf dem Recht der Selbstverteidigung, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, die auch von der Bundesregierung mitgetragen wird. Die Huthi selbst drohten nach den Angriffen mit Vergeltung. "Der amerikanische und britische Feind tragen die volle Verantwortung für ihre kriminelle Aggression gegen unser jemenitisches Volk", sagte Huthi-Militärsprecher Jahia Saree in einer Videoansprache. Der Vorfall werde nicht unbeantwortet bleiben. 73 Angriffe hätten fünf Regionen des Landes getroffen, die von den Huthis kontrolliert werden, sagte er. Was genau angegriffen wurde, sagte er nicht. Bei den Bombardierungen seien fünf Mitglieder getötet und sechs weitere verletzt worden. Trotz des Militärschlags kündigte die Miliz an, weiter Schiffe im Roten Meer zu attackieren. Austin: "Klares Signal" US-Präsident Joe Biden nannte die nächtlichen Angriffe in einer Erklärung eine "direkte Reaktion auf die beispiellosen Angriffe der Huthi auf internationale Schiffe im Roten Meer". Er fügte hinzu, dass er nicht zögern werde, weitere Maßnahmen zum Schutz der Menschen und des freien Handelsflusses anzuordnen. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bezeichnete die Bombardierungen als ein klares Signal. "Der heutige Einsatz der Koalition ist eine klare Botschaft an die Huthi, dass sie einen Preis dafür zahlen werden, wenn sie ihre illegalen Angriffe nicht einstellen", hieß es in einer Mitteilung des Pentagon. Deutschland unterstützt Militäraktion Zahlreiche westliche Staaten stellten sich hinter die Aktion. "Die Reaktion hat unsere politische Unterstützung", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nach einem Treffen mit dem Außenminister von Malaysia, Mohamad Hasan, in der Hauptstadt Kuala Lumpur. Auf die Frage, wie sich die Bundesregierung an der Sicherung der Schifffahrt im Roten Meer beteiligen wolle und wann darüber entschieden werde, sagte Baerbock, die Europäische Union prüfe derzeit mit Hochdruck, "wie wir die Stabilisierung im Roten Meer auch selbst stärken und zu dieser Stabilisierung beitragen können". Dies müsse im europäischen Rahmen gemeinsam beschlossen werden. Frankreich fordert die Huthi zu einer sofortigen Einstellung der Attacken auf Handelsschiffe im Roten Meer auf. Zugleich wies das Außenministerium in Paris der Huthi-Miliz die Schuld für die Verschärfung der Spannungen zu. Die Huthis trügen die "schwerwiegende Verantwortung für die Eskalation in der Region", heißt es in einer Erklärung des Ministeriums. Dänemarks Außenminister Lars Lokke Rasmussen stellte sich ebenfalls hinter den Militärschlag der USA und Großbritanniens. Den Huthi dürfe es nicht gelingen, den internationalen Schiffsverkehr aus dem Roten Meer und dem Suezkanal zu verdrängen.
/ausland/asien/angriffe-huthi-jemen-102.html
2024-01-12
GDL beendet Streik bei Transdev vorzeitig
Verhandlungen mit Bahn-Konkurrenten
Die Lokführergewerkschaft GDL hat den Streik beim Bahnbetreiber Transdev vorzeitig beendet. Das Unternehmen wolle "über sämtliche Kernforderungen" verhandeln, so die GDL. Bei der Deutschen Bahn soll - wie geplant - bis 18 Uhr gestreikt werden.
Die Lokführergewerkschaft GDL hat den Streik beim Bahnbetreiber Transdev vorzeitig beendet. Das Unternehmen wolle "über sämtliche Kernforderungen" verhandeln, so die GDL. Bei der Deutschen Bahn soll - wie geplant - bis 18 Uhr gestreikt werden. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat nach eigenen Angaben den Streik beim Regionalbahnbetreiber Transdev vorzeitig beendet. Die Transdev GmbH habe "Einsicht" gezeigt und wolle nun die Verhandlungen mit der GDL wieder aufnehmen, hieß es in einer Pressemitteilung der Gewerkschaft. In einem schriftlichen Angebot habe Transdev der GDL versichert, "über sämtliche Kernforderungen der aktuellen Tarifrunde ernsthaft zu verhandeln", erklärte der GDL-Bundesvorsitzende Claus Weselsky. Dies sei eine "starkes Signal". Das Unternehmen habe als Angebot für eine Wiederaufnahme der Verhandlung eine Senkung der Wochenarbeitszeit angekündigt, erklärte der GDL-Chef. "Wir müssen dennoch eine ganze Reihe von Punkten verhandeln, wir haben noch keinen Abschluss." Man erkenne aber den Einigungswillen der Transdev an. Deshalb sei "die aktuelle vierte Streikmaßnahme bei den sechs Transdev-Unternehmen" am Freitagmittag beendet worden. Laut GDL-Angaben sind das die NordWestBahn und die Transdev-Unternehmen Hannover, Mitteldeutschland, Regio Ost, Rhein-Ruhr sowie Trans Regio Deutsche Regionalbahn. Deutsche Bahn wird bis 18 Uhr bestreikt Der mehrtägige Lokführerstreik bei Transdev sollte wie bei der Deutschen Bahn (DB) eigentlich noch bis um 18:00 Uhr andauern. Bei der DB sowie bei dem lokalen Bahnbetreiber City-Bahn Chemnitz ist ein vorzeitiges Ende derzeit nicht absehbar. Dort will die GDL den Streik wie geplant durchziehen. Doch auch in den Stunden nach 18:00 dürfte es weiter zu Ausfällen und Zugverspätungen kommen. Der Notfahrplan der DB bleibe auch nach Streikende bestehen, teilte der bundeseigene Konzern mit. "In einzelnen Regionen können im Nah- und S-Bahn-Verkehr bereits unmittelbar nach Streikende wieder mehr Züge fahren", hieß es. Mit Betriebsbeginn am Samstagfrüh soll im Personenverkehr aber wieder das normale Zugangebot verfügbar sein. Rund 80 Prozent der DB-Fernverkehrsfahrten fallen aus Die GDL hatte den Streik im Personenverkehr am Mittwochmorgen begonnen, im Güterverkehr wird seit Dienstagabend gestreikt. Die Gewerkschaft will mit dem Arbeitskampf den Druck auf die Bahnunternehmen erhöhen, um im Tarifkonflikt eine Arbeitszeitreduzierung für Schichtarbeiter bei vollem Lohnausgleich zu erreichen. Die Arbeitgeberseite lehnt das bisher strikt ab. Nach Aussagen der DB trifft der aktuelle Streik Millionen Reisende. Wie schon am Mittwoch und Donnerstag werden absehbar auch am Freitag nur rund 20 Prozent der sonst üblichen Fernverkehrsfahrten angeboten. Die Auswirkungen im Regionalverkehr sind unterschiedlich und in manchen Regionen deutlich größer als im Fernverkehr. Wer trotz Streik mit der Bahn fahren will, sollte sich vor der Abfahrt online über die konkreten Reisemöglichkeiten informieren. Andere überregionale Bahnunternehmen wie etwa Flixtrain, Enon und Metronom sind von den Ausständen nicht betroffen. Gibt es bald weitere Streiks? Ob der Streik den Tarifkonflikt voranbringen wird, ist bisher offen. Termine für neue Verhandlungen mit der Bahn gibt es bisher nicht. GDL-Chef Weselsky hat bereits angekündigt, dass er schnell zum nächsten Streik aufrufen werde, sollte die DB kein neues Tarifangebot vorlegen. Nach der großen Zustimmung bei einer Urabstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern kann Weselsky immer wieder zu langen, bei Bedarf auch unbefristeten Streiks aufrufen. Der GDL-Chef hatte im Dezember aber angekündigt, dass die Streiks jeweils maximal fünf Tage dauern sollen. Der aktuelle Streik ist der erste mehrtägige Ausstand im laufenden Tarifkonflikt der GDL mit der DB. Nach dem Auftakt der Verhandlungen Anfang November gab es zunächst zwei Warnstreiks.
/wirtschaft/unternehmen/verkehr-bahn-streik-letzter-streiktag-100.html
2024-01-12
Inselstaat Kap Verde ist frei von Malaria
Weltgesundheitsorganisation
Gute Nachricht für den Archipel Kap Verde: Der Inselstaat im Atlantik ist von der WHO als frei von Malaria erklärt worden. Seit drei Jahren gab es nach Angaben der Regierung keine lokalen Ansteckungen mehr.
Gute Nachricht für den Archipel Kap Verde: Der Inselstaat im Atlantik ist von der WHO als frei von Malaria erklärt worden. Seit drei Jahren gab es nach Angaben der Regierung keine lokalen Ansteckungen mehr. Der Inselstaat Kap Verde vor der Atlantikküste Afrikas hat die Krankheit Malaria besiegt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zertifizierte das Land als malariafrei. Dafür musste die Regierung nachweisen, dass es seit mindestens drei Jahren keine lokalen Ansteckungen mehr gab und dass ein gutes Überwachungssystem die Rückkehr der Malaria verhindern kann. Kap Verde hat eine Bevölkerung von etwa 600.000 Menschen. Nach dem Inselstaat Mauritius im Jahr 1973 und Algerien 2019 ist es erst das dritte Land auf dem afrikanischen Kontinent, das dieses Zertifikat erhält. Laut WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus zeigt dies, dass Kap Verde mittels öffentlicher Planung und nachhaltig die Gesundheit schütze und fördere. Der Erfolg beweise, dass "wir mit bestehenden und neuen Instrumenten, einschließlich Impfstoffen, den Traum von einer Welt ohne Malaria wagen können". Beliebtes Urlaubsziel im Atlantik Das Zertifikat hat auch wirtschaftliche Konsequenzen. Der Archipel aus zehn Inseln im Zentralatlantik ist in den vergangenen 20 Jahren zu einem beliebten Urlaubsziel geworden. Tourismus trug vor der Corona-Pandemie jährlich mit rund 25 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Malaria sehr gefährlich für kleine Kinder Der Malaria-Parasit wird von infizierten Mücken übertragen. Die Krankheit kann lebensgefährlich sein. Nach WHO-Angaben gab es 2022 weltweit geschätzt 249 Millionen Infektionen und gut 600.000 Todesfälle in rund 85 Ländern, vor allem in Afrika. Dort sind 80 Prozent der Todesfälle Kinder unter fünf Jahren. Nach Informationen des Kinderhilfswerks UNICEF ist Malaria damit eine der häufigsten Todesursachen für Kinder unter fünf Jahren. An der Infektionskrankheit sterben jährlich etwa 500.000 Mädchen und Jungen. Mittlerweile hat die WHO erste Impfstoffe zugelassen. Schutz vor einer Ansteckung bieten Anti-Mücken-Mittel und Moskitonetze für Schlafstätten. Brutmöglichkeiten, etwa stehendes Wasser in Schalen und anderen kleinen Gefäßen, sollten beseitigt werden.
/ausland/afrika/afrika-kap-verde-malaria-who-100.html
2024-01-12
"Angriffe stärken die Huthi enorm"
Angriffe auf den Jemen
Der Jemen-Experte Jens Heibach bezweifelt, dass die Angriffe der USA und Großbritanniens die Huthi schwächen werden. Ähnliche Maßnahmen hätten schon zuvor wenig bewirkt. Vielmehr stärke dies das Ansehen der Huthi in der islamischen Welt.
Der Jemen-Experte Jens Heibach bezweifelt, dass die Angriffe der USA und Großbritanniens die Huthi schwächen werden. Ähnliche Maßnahmen hätten schon zuvor wenig bewirkt. Vielmehr stärke dies das Ansehen der Huthi in der islamischen Welt. tagesschau24: Wir sehen eine neue Entwicklung - als Reaktion auf die Attacken der Huthi-Rebellen auf die internationale Schifffahrt im Roten Meer hat jetzt das US-Militär mit Alliierten Militärschläge verübt. Könnte das die Gesamtlage eskalieren? Jens Heibach: Sicherlich - in vielfacher Hinsicht. Wichtig ist zunächst zu erwähnen, dass auch der Hafen von Hudaida getroffen wurde. Und das hat konkrete Folgen insbesondere für die Bevölkerung, denn 70 Prozent der Importe und 80 Prozent der humanitären Hilfe für die Bevölkerung im Jemen, die seit mehreren Jahren in einer humanitär katastrophalen Lage lebt, kommen über diesen Hafen. Insofern hat das ganz konkrete Folgen. "Sehe keine Schwächung" tagesschau24: Die Huthi kontrollieren die Hauptstadt und weite Teile des Jemen. Könnten die Angriffe der USA und Großbritanniens die Stellung der Huthi im Jemen schwächen? Heibach: Das sehe ich nicht. Wie Sie ja wissen, befindet sich der Jemen bereits seit Jahren in einem Krieg, geführt vor allem von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten mit enormer logistischer Unterstützung der USA, und auch durch die massiven Luftschläge und Blockaden zu See und zu Land konnte man den Huthi in den vergangenen Jahren nicht beikommen. Deswegen sehe ich nicht, wie man mit den jetzigen Mitteln den Huthi Einhalt gebieten kann. Dr Jens Heibach ist Research Fellow am GIGA-Institut in Hamburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören der Jemen, Saudi-Arabien und die Subsahara-Afrika. "Krieg im Jemen und Gazastreifen miteinander verbunden" tagesschau24: Die Rebellen sagen, sie wollen weiter Schiffe im Roten Meer angreifen. Wie könnte denn eine Eskalation vermieden werden? Heibach: Die Huthi selbst sagen, dass die Angriffe auf die Schiffe im Roten Meer als Reaktion auf den Gazakrieg zu verstehen sind. Und die leichteste oder offensichtlichste Art und Weise, diese Angriffe zu verhindern, wäre, zu einer Waffenruhe in Gaza zu gelangen. Denn diese beiden Konflikte sind mittlerweile direkt miteinander verbunden. Militärisch wird es äußerst schwer, den Huthi Einhalt zu gebieten. Das geht nicht auf diese Art und Weise. Insofern sind die Weichen momentan auf weitere Eskalation gestellt. "Enormer Prestigegewinn für die Huthi" tagesschau24: Die Huthi sind ja primär gegen den Westen und Israel, werden vom Iran mitfinanziert und unterstützen die Terrororganisation Hamas. Was genau wollen sie erreichen? Was ist ihr Ziel? Heibach: Innenpolitisch stärken diese Angriffe die Huthi gegenüber ihren Gegnern enorm. Vor allen Dingen bedeutet es einen enormen Prestigegewinn für die Huthi in der arabischen und der weiteren islamischen Welt. Die Angriffe torpedieren damit die Normalisierungsbestrebungen arabischer Staaten, allen voran Saudi-Arabiens und der Emirate. Das ist mit Sicherheit ein erstes Ziel der Huthi. Und in gewisser Hinsicht entstanden die Huthi als Organisation vor dem Hintergrund der zweiten Intifada und haben sich als solche als solches auch zum Ziel gesetzt, den Staat Israel zu vernichten. Insofern ist mit Sicherheit ein weiteres Ziel, weiter gegen Israel vorzugehen und die Palästinenser zu unterstützen. Das Gespräch führte Damla Hekimoglu, tagesschau24
/ausland/asien/usa-uk-angriffe-jemen-100.html
2024-01-12
Gastronomen erhöhen flächendeckend ihre Preise
Wieder gestiegene Mehrwertsteuer
Zum 1. Januar ist die Mehrwertsteuer in der Gastronomie von sieben auf 19 Prozent gestiegen. Einer Branchenumfrage zufolge haben deshalb drei von vier Gastwirten bereits ihre Preise angehoben.
Zum 1. Januar ist die Mehrwertsteuer in der Gastronomie von sieben auf 19 Prozent gestiegen. Einer Branchenumfrage zufolge haben deshalb drei von vier Gastwirten bereits ihre Preise angehoben. Die Preise in der Gastronomie dürften in diesem Jahr deutlich steigen - und sind es zum Teil schon. Rund 75 Prozent der Gastronomen in Deutschland hätten knapp zwei Wochen nach der Rückkehr zur höheren Mehrwertsteuer auf Speisen ihre Preise bereits heraufgesetzt, so eine heute veröffentlichten Umfrage des Branchenverbandes Dehoga. Elf Prozent der Gastronomen wollten noch im Laufe des ersten Quartals nachziehen, 6,2 Prozent im Verlauf des Jahres. "Wirtschaftlich arbeiten und wettbewerbsfähig bleiben" Demnach wollen nur etwa drei Prozent der hierzulande tätigen Gastwirte ihre Preise nach der Mehrwertsteuererhöhung nicht anheben. "Ob, wann und wie die Gastronomen die Preise erhöhen, ist insbesondere abhängig von der Kostenentwicklung, vom Konzept des Betriebes, von den Gästen und vom Standort", sagte Dehoga-Präsident Guido Zöllick. "Im Fokus steht, wirtschaftlich zu arbeiten und wettbewerbsfähig zu bleiben." Ende Dezember lief die infolge der Corona-Krise und steigender Energiepreise wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine gesenkte Mehrwertsteuer auf Speisen aus. Seither werden für Speisen, die in einem Lokal gegessen werden, wieder 19 statt sieben Prozent fällig. Viel Unsicherheit in der Branche In der Branche stieß die Anhebung allerdings auf viel Unverständnis: "Es ist absurd, dass für das Essen in der Gastronomie wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer gelten, während das Essen To Go, der Fertigsalat aus dem Supermarkt und die Essenslieferung weiterhin mit sieben Prozent besteuert wird", sagte Dehoga-Präsident Zöllick. "Diese Ungleichbehandlung muss endlich dauerhaft beseitigt werden." Viele Betriebe befürchten, dass nun die Kundschaft deutlich zurückgehen könnte: Ein Drittel der 2.900 befragten Gastwirte befürchtet darum, in diesem Jahr in die Verlustzone abzurutschen. Nur 33 Prozent gehen davon aus, sich am Markt behaupten zu können. 33,7 Prozent wagen keine Prognose.
/wirtschaft/verbraucher/gastronomie-mehrwertsteuer-preise-100.html
2024-01-12
Schöne Landschaften und manche Überraschung
Bahnfahren während des Streiks
Wer Bahn fahren muss, braucht starke Nerven. Diesen Satz hört man diese Tage immer wieder. Wie ist es, wenn man während des Streiks von Köln nach München muss? Ein Selbstversuch von Jens Eberl.
Wer Bahn fahren muss, braucht starke Nerven. Diesen Satz hört man diese Tage immer wieder. Wie ist es, wenn man während des Streiks von Köln nach München muss? Von Jens Eberl So viel habe ich von Deutschland schon lange nicht mehr gesehen. Gemütlich schlängelt sich der ICE 2405 von Köln nach München den Rhein entlang. Wir sind irgendwo hinter Mainz. Wie wir hierhergekommen sind? Keine Ahnung, denn bis Frankfurt waren wir noch auf der Schnellstrecke, die Route, die der ICE immer nimmt, wenn nicht gestreikt wird. Nun fühlt es sich ein bisschen so an wie früher, als man übermüdet nachts in den Fernseher glotzte und sich "Die schönsten Bahnstrecken Deutschlands" reinzog. Inzwischen gibt der Zugchef eine Verspätung von 95 Minuten durch, vor kurzem war noch von 40 Minuten die Rede. Offenbar wurde die Streckenführung geändert. Darmstadt hatte ich bislang noch nie auf meiner Reise nach München gesehen; spielt aber auch keine große Rolle, denn wir fahren nur durch. Der Halt entfällt, das Stellwerk wird bestreikt. Züge sind fast leer Lange hatte ich mir überlegt, ob ich diese Reise antreten soll. Aus allen Radios, Handys, Fernsehern kamen die Warnungen: "Nichts geht bei der Bahn". Vorsichtig sehe ich im Internet mal nach. Vier durchgehende Verbindungen von Köln nach München kann ich finden. Völlig überraschend lässt sich die Sitzplatzreservierung öffnen, und - noch überraschender - sind die Züge fast leer. Haben sich wirklich alle abschrecken lassen? Nun bin ich motiviert, reserviere Sitze auf drei Verbindungen und packe meine Sachen. Vorsichtshalber nehme ich mir viel Arbeit mit, man weiß ja nie. Am Kölner Bahnhof sehe ich dann die Bilder, die auch jeden Tag im Fernsehen zu sehen sind. Leere Bahnhofshalle, leere Bahnsteige. Auf der Anzeigentafel steht, dass mein Zug eine Verspätung von 18 Minuten hat. Neben dem Infopoint werde ich mit einem Kaffee begrüßt - so könnte die Bahnfahrt immer beginnen. Zug wird oft umgeleitet Auf Gleis 6 fährt der Zug dann doch früher ein als angekündigt. Die Wagen sind genauso leer, wie es mir das Internet versprochen hat. Mein Platz ist so ziemlich der einzige, der reserviert ist. Auf der Fahrt komme ich ins Gespräch mit meinen Sitznachbarn. Schräg gegenüber sitzt ein junges Pärchen aus El Salvador. Die beiden haben sich eine dreimonatige Auszeit genommen. Eigentlich wollten sie schon vor einigen Tagen von Köln nach Stuttgart fahren, aber sie hatten nur Verbindungen gefunden, auf denen man oft umsteigen musste. Das war ihnen zu riskant. Heute versuchen sie es. Rafael Deras fragt mich, was die Landwirte denn davon hätten, wenn die Bahn streikt. Ich muss ihm erst einmal erklären, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat und wir gerade mehrere strittige Themen in Deutschland haben. Dann erzählt er mir, wie schön Deutschland sei - und die Menschen so freundlich. Etwas verwundert sei er über die Strecke, die der Zug nimmt, das sei außergewöhnlich für Deutschland. Panoramatour durch Deutschland Das ist aber nur wegen des Streiks so. Wie wir bei der Borddurchsage erfahren, musste der Zug viele Umwege in Kauf nehmen, um bestreikte Stellwerke zu umfahren. Der Monitor, der normalerweise die Wegstrecke anzeigt, ist inzwischen überfordert, es ist nur noch ein weißes Bild zu sehen. Rafael Deras und seine Freundin Gabriela Mozo bekommen dank Streik eine Panoramatour durch Deutschland. Die war aber ziemlich teuer für die beiden. Die vergangenen Wochen sind sie mit dem Deutschlandticket durch das Land gereist. Jetzt müssen sie fast 150 Euro pro Person für die einfache Fahrt nach Stuttgart bezahlen. Zwei Plätze weiter sitzt ein Ehepaar aus Bobingen. Die beiden waren mit der Familie ihres Sohnes vergangenen Samstag zum Ferienende nach Köln gefahren. Nun müssen sie irgendwie zurückkommen. "Vorgestern habe ich geschaut, welche Züge noch fahren, unserer war gestrichen worden. Statt 9.28 Uhr ist die Abfahrt jetzt um 10.55 Uhr. Aber das ist mir egal", sagt Hans Hackl. Seine Frau Anneliese ergänzt: "Ich habe mir etwas Sorgen gemacht, dass der Zug übervoll wird. Beim Einsteigen war ich überrascht, wie leer er ist." Auf der Hinfahrt sei es deutlich voller gewesen. Hauptsache ankommen Mittlerweile hält der Zug immer häufiger. Zwischen Darmstadt und Ludwigshafen steht er mehr als eine halbe Stunde. Diesmal ist aber nicht der Streik schuld. Laut Borddurchsage sind Personen im Gleis. Inzwischen liegt die Verspätung bei 105 Minuten. "Mich wundert es, dass wir ständig rückwärts und vorwärts fahren. Ich komme mir vor wie im Bummelzug", sagt Anneliese Hackl. Ihr Mann ist froh, einen frühen Zug genommen zu haben. "Ich will einfach nur heute noch ankommen, der Rest ist nicht so wichtig", sagt er schmunzelnd. Von Augsburg nach Bobingen steigen die beiden auf den Zug eines Privatunternehmens um. "Da wird nicht gestreikt, das klappt", ist Hans Hackl überzeugt. Bei Verspätung: Geld zurück Das Pärchen aus El Salvador hat es geschafft. Wir sind in Stuttgart angekommen. Beim Aussteigen mache ich die beiden noch darauf aufmerksam, dass sie bei Verspätung Geld zurückbekommen. 25 Prozent, wenn es mehr als 60 Minuten sind. Sie bedanken sich und versprechen mir, ein Bier auf mich zu trinken. Gute Idee, denke ich mir und gehe ins Bordbistro. Doch mein Bier bleibt erst einmal ein Wunsch. Leider hat das Bordbistro inzwischen geschlossen. Streik! Immerhin stehen Tetrapaks mit Wasser neben der Theke. Und mit 90 Minuten Verspätung habe ich es dann am Ende auch bis nach München geschafft. Hier schmeckt das Bier eh besser.
/wirtschaft/verbraucher/bahn-streik-fahrt-selbstversuch-100.html
2024-01-12
Windkraft-Ausbau kommt voran - nur nicht in Bayern
Erneuerbare Energien
Der Ausbau der Windkraft nimmt wieder Fahrt auf. Die Branche ist angesichts deutlich gestiegener Genehmigungen für Onshore-Anlagen optimistisch wie lange nicht mehr. Nur Bayern bleibt hinter seinen Zielen zurück. Von M. Kolvenbach und N. Schader.
Der Ausbau der Windkraft nimmt wieder Fahrt auf. Die Branche ist angesichts deutlich gestiegener Genehmigungen für Onshore-Anlagen optimistisch wie lange nicht mehr. Nur Bayern bleibt hinter seinen Zielen zurück. Von Marcel Kolvenbach und Nick Schader, SWR Gegenüber den sehr schwachen letzten Jahren ist die Zahl der Genehmigungen für neue Windkraftanlagen in Deutschland deutlich nach oben gegangen. Laut den aktuellen Zahlen der Bundesnetzagentur wurden im Jahr 2023 insgesamt 1.466 neue Windräder genehmigt. Das geht aus einer Analyse hervor, die der SWR anhand der Daten der Bundesnetzagentur erstellt hat. Das Bundeswirtschaftsministerium teilte dem SWR mit, dass im vergangenen Jahr so viele Windrad-Genehmigungen erteilt wurden wie seit 2016 nicht mehr. Es seien fast acht Gigawatt an Stromleistung neu genehmigt worden, das sei ein Plus von 80 Prozent. "Allerdings beginnen jüngst in Kraft getretene Maßnahmen gerade erst zu wirken", so das Ministerium. "Weitere sind angeschoben. Sie haben bei konsequenter Umsetzung Potenzial für noch mehr Beschleunigung." Experte sieht mehr öffentliche Unterstützung Damit zeigt sich erstmals nach mehreren Flautejahren ein positiver Trend. Im vergangenen Jahr waren es 977 Windräder, die von den zuständigen Behörden genehmigt wurden, im Negativ-Jahr 2019 sogar nur 477. Neben einigen positiven Gesetzen der Ampel-Regierung sorge vor allem eine breitere öffentliche Unterstützung für schnellere Ausbauzahlen - so die Einschätzung von Volker Quaschning, Experten für Erneuerbare Energien von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Man sei aber längst noch nicht am Ziel. Gegenüber dem SWR erklärt er: "Von einem Boom würde ich aber nicht reden. Der Ausbau lag unter den Zielen der Bundesregierung und noch sehr weit unter den erforderlichen jährlichen Ausbaumengen zum Einhalten des Klimaschutzgesetzes." Ganz ähnlich sieht es auch der Bundesverband Windenergie (BWE): "Die Gesetze der Bundesregierung beginnen ihre Wirkung zu entfalten. Daraus resultiert auch eine positive Stimmung in der Branche, die so optimistisch in die Zukunft blickt wie seit Langem nicht mehr", so ein Sprecher des BWE gegenüber dem SWR. NRW erneut Spitzenreiter Im Vergleich der Bundesländer zeigen sich erhebliche Unterschiede. Der Aufwärtstrend ist aber fast überall deutlich zu erkennen. Spitzenreiter bei den Neugenehmigungen ist erneut Nordrhein-Westfalen mit deutlichem Abstand vor den anderen Ländern. Hier wurden 364 neue Windräder genehmigt. Das ist erheblich mehr als im Vorjahr (200) und dreimal so viel wie noch 2019. Auch in Schleswig-Holstein gibt es einen starken Zuwachs. Im vergangenen Jahr wurden an der Küste doppelt so viele Windkraftanlagen genehmigt wie im Jahr 2022 (123). Auch in mehreren südlichen Ländern ist der Aufwärtstrend spürbar. Rheinland-Pfalz (89) und Hessen (82) haben ihre Zahlen im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr rund verdoppelt. Baden-Württemberg bleibt auf einem eher niedrigeren Niveau, verzeichnet aber auch eine Steigerung um rund ein Drittel auf jetzt 59 Genehmigungen. In Ostdeutschland liegt Brandenburg (144) vor Mecklenburg-Vorpommern (124) und Sachsen-Anhalt (64). Nur 17 Genehmigungen in Bayern Das flächenmäßig größte Bundesland Bayern bleibt weiter abgehängt. Mit lediglich 17 Genehmigungen liegt Bayern auch deutlich hinter den kleineren Bundesländern und mit Abstand auf dem letzten Platz unter den Flächenstaaten. Auf eine aktuelle Anfrage des SWR teilte das zuständige bayerische Wirtschaftsministerium mit, dass man trotz der nur 17 erteilten Genehmigungen die Entwicklung "sehr positiv" sehe. Man sei zuversichtlich, "dass das Ziel der Bayerischen Staatsregierung, der Zubau von 1.000 neuen Windenergieanlagen bis 2030, erreicht werden kann". Um dieses Ziel zu erreichen, müssten in Bayern ab sofort rund 150 Windkraftanlagen pro Jahr errichtet werden, was in der Vergangenheit noch nie der Fall war. Wirtschaftsverbände kritisieren Landesregierung Die Kritik an der bayerischen Landesregierung wird immer lauter, auch aus der Wirtschaft. Ein Sprecher der bayerischen Wirtschaftsinitiative "Windrat" beklagte gegenüber dem SWR, die von der Staatsregierung angekündigte "Windenergieoffensive" sei ein "zahnloser Tiger". Der Windkraft-Ausbau werde von der Verwaltung in Bayern zum Teil ausgebremst, Planungs- und Genehmigungsprozesse verschleppt. Dabei brauche die bayerische Wirtschaft in Zukunft den günstigen Windstrom. Zudem schaffe der Ausbau Wertschöpfung und Arbeitsplätze vor Ort. Auch der Bundesverband Windenergie (BWE) kritisiert das Bundesland Bayern. Hier hätten viel zu große Abstandsregelungen für Windräder "zu lange als Abwehrmechanismus gegen die Windenergie gewirkt. Dadurch wurde die Bereitstellung von Flächen für die Windenergie praktisch unmöglich." Dabei werde "die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien zunehmend zu einem entscheidenden Standortfaktor für Investitionsentscheidungen". Der bayerische Landesvorsitzende des BWE, Bernd Wust, fordert nun eine "bayerische Task Force Windenergie". Die aktuellen Genehmigungs- und Ausbauzahlen blieben "weit hinter den selbstgesteckten Zielen zurück." Genehmigungen müssten vereinfacht und damit der Ausbau in Bayern massiv beschleunigt werden. "Auch im Rahmen der November-Ausschreibung gingen nur zehn von insgesamt 165 Zuschlägen nach Bayern. Wir müssen das Tempo deutlich erhöhen", fordert Wust.
/wirtschaft/energie/windkraft-ausbau-deutschland-bayern-100.html
2024-01-12
Verschwundene Stadt im Amazonasgebiet entdeckt
Archäologie
Forschende haben in Südamerika die Überreste eines Siedlungsnetzes entdeckt, in dem vor mehr als 2.000 Jahren eine komplexe Gesellschaft lebte. Die Wissenschaft ist verblüfft.
Forschende haben in Südamerika die Überreste eines Siedlungsnetzes entdeckt, in dem vor mehr als 2.000 Jahren eine komplexe Gesellschaft lebte. Die Wissenschaft ist verblüfft. Archäologen haben den Nachweis erbracht, dass im Amazonas-Regenwald vor Tausenden Jahren eine komplexe Gesellschaft existiert hat. Kartierungen mit Hilfe von Lasersensoren ergaben, dass Erdhügel und zugewachsene Straßen im heutigen Ecuador Teil eines dichten Siedlungsnetzes waren, das in den bewaldeten Ausläufern der Anden lag und etwa 1.000 Jahre lang bestand. Es handle sich um ein vergessenes "Tal der Städte", sagte der Forscher Stéphen Rostain über die am Donnerstag in der Zeitschrift "Science" veröffentlichten Erkenntnisse. "Es ist unglaublich." Rostain, der am französischen Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung arbeitet, hatte die Überreste bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten entdeckt. "Damals war ich mir jedoch nicht sicher, wie das alles zusammenpasst", sagte der Archäologe. Siedlungen umgeben von Landwirtschaft und Entwässerungskanälen Nun stehe fest, dass die Siedlungen zwischen etwa 500 vor Christus und 300 bis 600 nach Christus vom Volk der Upano bewohnt waren - zu einer Zeit, die ungefähr mit dem Römischen Reich in Europa zusammenfällt, so die Forscher. Wohn- und Zeremonialgebäude, die auf mehr als 6.000 Erdhügeln errichtet wurden, waren von landwirtschaftlichen Feldern mit Entwässerungskanälen umgeben. Die größten Verbindungsstraßen waren zehn Meter breit und erstreckten sich über eine Länge von zehn bis 20 Kilometern. In den Siedlungen lebten mindestens 10.000 Menschen - und in der Blütezeit womöglich sogar 15.000 oder sogar 30.000, so der Archäologe Antoine Dorison, ein Mitautor der Studie. So viele Einwohner wie London zur Römerzeit Das sei vergleichbar mit der geschätzten Einwohnerzahl Londons zur Römerzeit, der damals größten Stadt Britanniens. Dies spreche für eine intelligente Arbeitsorganisation, sagte José Iriarte, Archäologe an der Universität im britischen Exeter, der an der Studie nicht beteiligt war. "Die Inkas und Mayas bauten mit Stein, aber die Menschen im Amazonasgebiet hatten in der Regel keinen Stein zum Bauen zur Verfügung - sie bauten mit Lehm", so Iriarte. Der Arbeitsaufwand müsse immens gewesen sein.
/wissen/forschung/amazonas-geschichte-100.html
2024-01-12
Der schwere Weg zur Aussöhnung
Herero-Aufstand vor 120 Jahren
Im Jahr 1904 erhoben sich die Herero und Nama gegen die deutschen Besatzer. Der Aufstand wurde brutal niedergeschlagen und endete im Völkermord. Bis heute gibt es keine Aussöhnung zwischen Namibia und Deutschland. Von Stephan Ueberbach.
Im Jahr 1904 erhoben sich die Herero und Nama gegen die deutschen Besatzer. Der Aufstand wurde brutal niedergeschlagen und endete im Völkermord. Bis heute gibt es keine Aussöhnung zwischen Namibia und Deutschland. Von Stephan Ueberbach Es ist ein bitterer Gedenktag. 20 Jahre lang hatten die deutschen Kolonialherren im sogenannten "Schutzgebiet Deutsch-Südwest-Afrika" ein Schreckensregiment geführt. Die einheimische Bevölkerung wurde unterdrückt, entrechtet und ausgebeutet. Der 12. Januar 1904 markiert einen Wendepunkt. Denn die Volksgruppe der Herero begann, sich gegen die Besatzer zu wehren. Die Nama schlossen sich dem Aufstand an. Die deutschen Truppen wurden von den Angriffen überrascht - und reagierten mit brutaler Härte. Zehntausende Menschen sind dem Vernichtungsfeldzug unter Kommando von Generalleutnant Lothar von Trotha zum Opfer gefallen. Die Wunden sind bis heute nicht verheilt. Die Psychologin und namibische Regierungsberaterin Marcella Katjijova spricht von einem Trauma, das immer noch da sei. Man spüre nach wie vor den Schmerz, der in den Menschen nachklinge. Deutschland verspricht mehr als eine Milliarde Euro Vor knapp drei Jahren haben sich die deutsche und die namibische Regierung nach langen Verhandlungen auf ein sogenanntes "Aussöhnungsabkommen" verständigt. Allerdings lehnen die Betroffenen die Vereinbarung kategorisch ab. Sie fühlen sich nicht ausreichend beteiligt und halten die Zusagen für völlig unzureichend. Der Menschenrechtsaktivist Ngamane Karuaihe-Upi gehört zur Volksgruppe der Herero und sagt: Für uns ist klar: Das Angebot der Deutschen ist lächerlich. Es nimmt uns nicht ernst. In der "Gemeinsamen Erklärung" erkennt Deutschland die Verbrechen in der früheren Kolonie als Völkermord an und verspricht, in den nächsten 30 Jahren mehr als eine Milliarde Euro für Entwicklungsprojekte in Namibia bereitzustellen, um den Nachfahren der Genozid-Opfer zu helfen. Ausdrücklich als "Geste der Anerkennung", und nicht als Reparationszahlung - um mögliche weitere Rechtsansprüche zu verhindern. Traumata von Generation zu Generation weitergetragen Im Aussöhnungsprozess muss es um sehr viel mehr gehen als nur um Geld, sagt die namibische Psychologin Marcella Katjijova und verweist darauf, dass die erlittenen Traumata in den Opferfamilien von Generation zu Generation weitergegeben würden. Die Menschen bräuchten deshalb eine offene Diskussion darüber, wie eine echte Wiedergutmachung aussehen könnte. Es müsse Orte zum Trauern, Gedenkfeiern und Museen geben, in denen die deutsche Zeit, die Zeit des Genozids gezeigt und erklärt werde. Außerdem sollten spezielle Programme aufgelegt werden, damit namibische Kinder zum Lernen und zum Studieren nach Deutschland gehen könnten. Die Bundesregierung bezeichnet die "Gemeinsame Erklärung" als Meilenstein auf dem Weg der deutsch-namibischen Aussöhnung. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es auf Anfrage der ARD in Johannesburg, derzeit liefen konstruktive Gespräche, um die Details des Abkommens in einem Anhang zu regeln. Zuletzt habe es Anfang Dezember ein Treffen in Berlin gegeben. Dabei hätten - wie auch schon früher - Vertreter der betroffenen Gemeinschaften mit am Tisch gesessen.
/ausland/afrika/herero-namibia-aufstand-jahrestag-100.html
2024-01-12
Inflation in Argentinien bei über 200 Prozent
20.000-Peso-Scheine
Seit Monaten leidet Argentinien unter einer extrem hohen Inflationsrate. Als Reaktion darauf will die Zentralbank nun 20.000er-Scheine der Landeswährung Peso herausgeben.
Seit Monaten leidet Argentinien unter einer extrem hohen Inflationsrate. Als Reaktion darauf will die Zentralbank nun 20.000er-Scheine der Landeswährung Peso herausgeben. Argentiniens Zentralbank will auf die ausufernde Inflation mit der Ausgabe neuer Geldscheine reagieren. Noch in diesem Jahr sollen 10.000- und 20.000-Peso-Scheine in Umlauf gebracht werden, wie die Währungshüter am Donnerstagabend mitteilten. Die größte Banknote ist bislang der 2.000-Peso-Schein, der erst im vergangenen Jahr eingeführt worden war. Grund für die Maßnahme der Zentralbank ist die massive Geldentwertung im Land. Die Verbraucherpreise stiegen im Dezember um mehr als 211 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Vor allem die Kosten für Gesundheit, Transport und Lebensmittel zogen kräftig an und bescherten Argentinien im Jahr 2023 die höchste Teuerungsrate seit der Hyperinflation von 1990. Allein von November auf Dezember zogen die Preise um mehr als 25 Prozent an. Radikalumbau des Landes Der seit rund einem Monat amtierende neue Präsident Javier Milei will die Inflation mit harten Sparmaßnahmen drücken. Der Rechtspopulist und Ökonom Milei, der sich selbst als Anarchokapitalist bezeichnet, hatte im Wahlkampf einen Radikalumbau seines Landes angekündigt. Dazu sollen unter anderem drastische Ausgabenkürzungen sowie die Abschaffung der Landeswährung Peso zugunsten einer Bindung an den Dollar gehören. Er selbst räumt aber ein, dass sich die Lage erst einmal verschlimmern werde, bevor sich eine Besserung ergebe. Rund 40 Prozent leben in Armut Schon jetzt müssen viele Argentinier wegen der stark steigenden Preise den Gürtel enger schnallen. Zwei Fünftel leben bereits in Armut. "Nichts ist billig", klagte die 65-jährige Rentnerin Graciela Bravo, die nun sorgfältig abzählt, wie viele Kartoffeln in ihrem Einkaufskorb landen: "Früher kaufte man Kiloware, jetzt kaufe ich drei oder vier Kartoffeln, damit sie nicht verderben." Auch Anwalt Alejandro Grossi muss sparen. "Ich kaufe mir weniger Dinge, als mir lieb ist, da passt man sich an", sagte der 49-Jährige. "Es ist, als wären wir daran gewöhnt. Es ist hier schon etwas so Natürliches: Inflation und sich ständig ändernde Preise." Die Inflationsrate in Argentinien ist eine der höchsten der Welt. Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht.
/wirtschaft/weltwirtschaft/argentinien-inflation-peso-100.html
2024-01-12
Warten auf höhere Aufgaben
Vorstandsklausur der CDU
Nein zum Bürgergeld, ja zur Atomkraft: Die CDU bereitet sich auf ein mögliches Scheitern der Ampel vor und diskutiert bei ihrer zweitägigen Vorstandsklausur inhaltliche Schwerpunkte. Eine Frage dürfte aber außen vor bleiben. Von S. Frühauf.
Nein zum Bürgergeld, ja zur Atomkraft: Die CDU bereitet sich auf ein mögliches Scheitern der Ampel vor und diskutiert bei ihrer zweitägigen Vorstandsklausur inhaltliche Schwerpunkte. Eine Frage dürfte aber außen vor bleiben. Von Sarah Frühauf Noch Mitte der Woche postete Friedrich Merz' Social-Media-Team Hochglanzbilder des Parteivorsitzenden von dessen Besuch in Skandinavien: Der CDU-Chef händeschüttelnd mit der finnischen Außenministerin. Im Gespräch mit dem Ministerpräsidenten Schwedens. Merz beim Ausstieg aus einer deutschen Regierungsmaschine, auf die er als Parteivorsitzender auch zurückgreifen kann. Die Fotos des Oppositionsführers wirken staatstragend, als ob da einer schon mal für den Job des Kanzlers übt. Dass die CDU sich für regierungsfähig hält, ist kein Geheimnis. Vor ein paar Wochen bei der Vorstellung des Entwurfs zum neuen Grundsatzprogramm verkündete Generalsekretär Carsten Linnemann, dass man bereit sei. Noch deutet zwar wenig darauf hin, dass die Ampelregierung tatsächlich hinwirft, allen politischen Pannen zum Trotz. Dennoch will man im Fall der Fälle in der CDU-Parteizentrale vorbereitet sein. In Schubladen des Konrad-Adenauer-Hauses dürften seit Wochen Notfallpläne bereit liegen. Einen Einblick, welche Schwerpunkte eine CDU in Regierungsverantwortung setzen würde, gibt zumindest schon mal die "Heidelberger Erklärung", also das Beschlusspapier zur Klausurtagung des CDU-Vorstandes, die am Freitag und Samstag in Baden-Württemberg stattfindet. Acht Seiten Abrechnung mit der Ampel Das acht Seiten lange Papier, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, liest sich wie eine Abrechnung mit der Ampel-Regierung. "Das Vertrauen in die Regierung ist auf dem Tiefpunkt. Die Stimmung in unserem Land ist so schlecht wie selten zuvor", heißt es gleich im ersten Absatz. So will die CDU, dass die geplanten Kürzungen für die Bauern vollständig rückgängig gemacht werden. Der schrittweise Wegfall der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel bis 2026 soll vom Tisch. Bei einer Protestkundgebung am Montag im Sauerland hatte Merz allerdings noch eingeschränkt, dass er nicht versprechen könne, dass das mit Kfz-Steuerbefreiung und Dieselsteuer auf alle Zeiten so bleibt. Beim Bürgergeld dagegen lässt die CDU keinen Raum für Spekulationen. Mit ihr in der Regierung soll es wieder abgeschafft werden, was die Latte für eine Koalition mit der SPD hochlegen würde. Die Christdemokraten versprechen stattdessen, dass für langjährig Versicherte in den ersten Monaten einer nicht selbst verschuldeten Arbeitslosigkeit das Arbeitslosengeld höher sein soll als derzeit. Für Empfänger des Arbeitslosengeldes II, früher Hartz IV, soll es "erhöhte Mitwirkungspflichten und Sanktionsmöglichkeiten" geben. Verpasstes Signal bei der Ortswahl Dass die Vorstandsklausur zum Auftakt eines Jahres mit drei Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im Süden Deutschlands stattfindet, finden einige in den ostdeutschen Landesverbänden unglücklich gewählt. Ansonsten ist man im Osten mit der CDU-Bundesspitze vielerorts zufrieden, denn die zunehmend konservativen Positionen beispielsweise beim Thema Migration sind dort gern gesehen. In Heidelberg steht auch eine Debatte über das neue Grundsatzprogramm der Partei auf dem Programm, aus dem sich viele Punkte der "Heidelberger Erklärung" speisen. Kontroverse Diskussionen werden nicht erwartet, zumindest noch nicht. Denn viele der Vorstandsmitglieder haben selbst an dem Programm mitgearbeitet. Einige der Formulierungen sind hart erarbeitete Kompromisse, die wahrscheinlich auf dem Parteitag Anfang Mai in Berlin noch einmal von den Delegierten auf den Prüfstand gestellt werden. Beispiel Atomkraft: Im Entwurf zum Grundsatzprogramm steht, "Deutschland kann zurzeit nicht auf die Option Kernkraft verzichten". Ein Satz mit viel Interpretationsspielraum. In der Wirtschafts- und Mittelstandsunion erkennt man darin, die Forderung Atomkraftwerke der neuesten Generation zu bauen, sobald sie entwickelt sind. In der Klimaunion ist man dagegen der Ansicht, dass Atomkraft die fossilen Energien nicht ersetzen kann. Kanzler-Frage nicht akut? Auch eine andere ungemütliche Frage wird wohl in Heidelberg ausgespart werden, die allerdings im Laufe des Jahres beantwortet werden muss: die nach der Kanzlerkandidatur. Dabei geht es gar nicht um das Wer, sondern das Wann und Wie. CDU-Chef Merz gilt mittlerweile bei vielen als Favorit. Zumindest "derzeit", wie der CSU-Vorsitzende Markus Söder am vergangenen Wochenende bei einer Tagung seiner Partei im Kloster Seeon betonte. Beim Zeitpunkt geht es um die Abwägung, ob man sich vor oder nach den Landtagwahlen im Osten entscheidet. Davor hätte den Vorteil, dass die K-Frage vor den Wahlkämpfen abgeräumt wäre. Dagegen spricht das Risiko, dass die CDU bei den Wahlen schlechter abschneidet als erhofft und ein möglicher Kanzlerkandidat dadurch beschädigt wird. Feuerproben für die CDU Auch das Verfahren der Kanzler-Kür ist unbesprochen: Söder und Merz betonen stets, dass die Vorsitzenden der Unionsparteien die Frage zu gegebener Zeit klären werden. Große CDU-Landesverbände wie der in Nordrhein-Westfalen beharren allerdings auf einem Mitspracherecht. Dieses Jahr könnte also ein aufreibendes Jahr für CDU werden. Würde die Partei die Europa- und Ostwahlen erfolgreich bestehen und die K-Frage reibungslos beantworten, wären bis zur Bundestagswahl 2025 wichtige Feuerproben bestanden.
/inland/innenpolitik/cdu-vorstandsklausur-100.html
2024-01-12
Glatteis und Unfälle in weiten Teilen Deutschlands
Sprühregen und Frost
Sprühregen und frostige Böden sorgen in Teilen Deutschlands für glatte Straßen. In einem breiten Band zwischen Brandenburg und Nordrhein-Westfalen kam es vielerorts zu Verkehrsunfällen. Auch für den weiteren Tagesverlauf warnt der Deutsche Wetterdienst vor Glatteis.
Sprühregen und frostige Böden sorgen in Teilen Deutschlands für glatte Straßen. In einem breiten Band zwischen Brandenburg und Nordrhein-Westfalen kam es vielerorts zu Verkehrsunfällen. Auch für den weiteren Tagesverlauf warnt der Deutsche Wetterdienst vor Glatteis. Gefährliche Eisglätte hat am Donnerstagabend und Freitagmorgen Fußgänger und Autofahrer in Teilen Deutschlands vor Herausforderungen gestellt. Die Feuerwehr in Berlin sprach auf der Online-Plattform X von einem Ausnahmezustand und einer hohen Auslastung. Alle verfügbaren Rettungswagen seien im Einsatz. Social-Media-Beitrag auf X von Berliner Feuerwehr: "Straßenglätte führt zu Ausnahmezustand und hoher Auslastung bei der @berliner_fwEs kommt zu längeren Anfahrtszeiten.Alle verfügbaren Rettungswagen sind besetzt und im Einsatz. Alle #FF sind in Dienst gerufen.Rufen Sie den Rettungsdienst nur in Notfällen!Meiden Sie die Straße!" In Potsdam kam es wegen des Glatteises zu mehreren Verkehrsunfällen, wie dort die Feuerwehr ebenfalls auf X mitteilte. Unter anderem wurde zwischen Plänitz und Wusterhausen bei einem Verkehrsunfall eine 35 Jahre alte Autofahrerin schwer verletzt, nachdem sie auf glatter Fahrbahn die Kontrolle über ihr Auto verloren hatte und gegen einen Baum geprallt war. Glatteis in Niedersachsen und NRW Auch in Niedersachsen behindern glatte Straßen und rutschige Gehwege den Verkehr. In der Region Hannover sei es seit Donnerstagnachmittag zu knapp 20 Unfällen gekommen, die mit der Wetterlage zusammenhängen, sagte ein Sprecher der Polizei. Eine amtliche Warnung vor Glätte durch gefrierenden Regen galt in einem Streifen zwischen Uelzen und Göttingen über die Region Hannover bis nach Osnabrück und ins südliche Emsland. Nur der Norden von Niedersachsen war nicht betroffen. In Nordrhein-Westfalen waren vor allem das Münsterland, das nördliche Ruhrgebiet und der Niederrhein betroffen. In den Kreisen Recklinghausen, Coesfeld, Borken sowie den Städten Hamm, Münster und Dortmund gab es insgesamt mehr als 250 Unfälle mit mehreren Verletzten. "Viele Straßen sind bereits gestreut. Dennoch besteht weiterhin Glättegefahr, gerade auf den Nebenstraßen und Gehwegen", sagte ein Polizeisprecher in Coesfeld. Deutscher Wetterdienst warnt weiter vor Glätte Der Deutsche Wetterdienst teilte mit, dass es auch am Freitagvormittag wegen gefrierenden Sprühregens oder Schneegriesel glatt werden kann. Vor allem rund um Berlin, in Teilen Brandenburgs, Thüringens, Niedersachsens, Nordrhein-Westfalens und in Sachsen gebe es "erhöhte Glättegefahr durch gefrierenden Regen". Erst im Tagesverlauf sei mit einer Entspannung zu rechnen. Am Abend und in der Nacht zu Samstag sollte die Gefahr in der Mitte und im Nordosten Deutschlands wieder steigen. Die Meteorologen riefen in einigen Regionen dazu auf, nicht notwendige Aufenthalte im Freien und Fahrten zu vermeiden.
/inland/regional/glatteis-wetter-100.html
2024-01-12
Tausende protestieren gegen Ficos Justizreformen
Slowakei
In der Slowakei wächst der Widerstand gegen die Regierung von Ministerpräsident Fico. Grund ist der Versuch der Regierung, ein Gesetz zu verabschieden, das nach Meinung von Kritikern die Verfolgung von Korruption erschweren würde.
In der Slowakei wächst der Widerstand gegen die Regierung von Ministerpräsident Fico. Grund ist der Versuch der Regierung, ein Gesetz zu verabschieden, das nach Meinung von Kritikern die Verfolgung von Korruption erschweren würde. Tausende Menschen haben am Donnerstagabend gegen die seit Ende Oktober amtierende slowakische Regierung des linksnationalen Ministerpräsidenten Robert Fico demonstriert. Der von drei Oppositionsparteien organisierte Protest in der Hauptstadt Bratislava und mehreren anderen Städten des EU-Landes richtete sich vor allem gegen die geplante Abschaffung der Sonderstaatsanwaltschaft USP. Diese ist für Ermittlungen gegen organisierte Kriminalität und politische Verbrechen zuständig. Opposition sieht Rechtsstaat in Gefahr Die Opposition warnt vor einer Gefährdung des Rechtsstaats und wirft der Regierung vor, hochrangige Korruptionsfälle aus früheren Regierungszeiten von Ficos Partei (bis 2020) vertuschen zu wollen. Die Protestierenden trugen Transparente mit Aufschriften wie "Stop Fico!" und "Fico ins Gefängnis!", aber auch Wahlaufrufe für den liberalen Ex-Außenminister Ivan Korcok. Er ist bei der Präsidentschaftswahl im März der nach Umfragen aussichtsreichste Kandidat für die Opposition.
/ausland/europa/slowakei-proteste-104.html
2024-01-12
Deflation in China hält weiter an
Kaum Erholung
Chinas Inflationsrate war 2023 so niedrig wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Auch die Außenhandelszahlen für das Gesamtjahr sind mit 0,2 Prozent nur leicht gestiegen. Von Eva Lamby-Schmitt.
Chinas Inflationsrate war 2023 so niedrig wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Auch die Außenhandelszahlen für das Gesamtjahr sind mit 0,2 Prozent nur leicht gestiegen. Von Eva Lamby-Schmitt Der Deflationsdruck bleibt. Die Verbraucherpreise für das Gesamtjahr haben zwar nach Angaben des Statistikamts leicht zugenommen, um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch in den vergangenen drei Monaten war Chinas Wirtschaft bereits in der Deflation. So sanken die Preise im Dezember im Vergleich zum Vormonat erneut. Wie das Statistikamt in Peking mitteilte, sanken sie um 0,3 Prozent. Ökonomen bewerten sinkende Preise als schlecht für die Konjunktur. Sie warnen vor einer ähnlichen Stagnation der Wirtschaft wie in den vergangenen Jahrzehnten in Japan. Exporte steigen wieder Auch der chinesische Zoll hat neue Zahlen vorgelegt. Besonders ins Auge sticht, dass der Handel mit Russland weiter stark zugelegt hat - um 26,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Während sich westliche Länder nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine weitgehend aus dem Handel mit Russland zurückgezogen haben, dringen chinesische Unternehmen in diese Lücke vor. Insgesamt ist Chinas Außenhandel im Jahr 2023 aber nur leicht angestiegen. Die Importe gingen um 0,3 Prozent zurück, die Exporte legten um 0,6 Prozent zu im Vergleich zum Vorjahr. Nachdem im vergangenen Jahr auch die Exporte mehrere Monate lang geschrumpft waren, gab es bei den Ausfuhren Ende des Jahres wieder Zeichen der Erholung. Dass sich der Welthandel zu erholen beginnt, darauf deuten auch die Wirtschaftsdaten aus Deutschland, Südkorea und Taiwan hin. Doch Wang Lingjun vom chinesischen Zoll sieht weiterhin eine schleppende Auslandsnachfrage: "Es wird weiter schwierig bleiben und größere Anstrengungen erfordern, ein stabiles Wachstum im Außenhandel zu fördern", sagt er: "Handelsprotektionismus und geopolitische Konflikte nehmen zu. Es gibt Unsicherheiten und unvorhersehbare Faktoren wie die jüngste Blockade der Schifffahrt im Roten Meer. Diese Faktoren werden den Handel beeinträchtigen." Schwache Inlandsnachfrage Die chinesische Wirtschaft erholt sich nach dem Ende der strikten Coronamaßnahmen vor etwa einem Jahr nur langsam. Die chinesische Staats- und Parteiführung versuchte, mit mehreren Maßnahmen wie zum Beispiel Kaufanreizen die schwächelnde Nachfrage im Inland wiederzubeleben. Zudem hat China vor gut einem Jahr nach der Corona-Pandemie wieder die Grenzen geöffnet, es gab wieder mehr Tourismus und Austausch von Wirtschaftsdelegationen. Neben der schwächelnden Nachfrage im Inland und auf dem Weltmarkt bleiben für das Jahr 2024 für die chinesische Staats- und Parteiführung weitere Herausforderungen. So ist die Jugendarbeitslosigkeit auf einem Rekordhoch. Die Immobilienbranche steckt nach wie vor tief in der Krise.
/wirtschaft/weltwirtschaft/china-deflation-ausenhandel-100.html
2024-01-12
USA und Großbritannien greifen Huthi-Stellungen an
Jemen
Die USA und Großbritannien haben mithilfe weiterer Verbündeter Stellungen der Huthi im Jemen angegriffen. Dies sei eine "direkte Reaktion" auf die Attacken auf Schiffe im Roten Meer, sagte US-Präsident Biden. Die Miliz drohte mit Vergeltung.
Die USA und Großbritannien haben mithilfe weiterer Verbündeter Stellungen der Huthi im Jemen angegriffen. Dies sei eine "direkte Reaktion" auf die Attacken auf Schiffe im Roten Meer, sagte US-Präsident Biden. Die Miliz drohte mit Vergeltung. Als Reaktion auf die Attacken der Huthi auf Handelsschiffe im Roten Meer haben die USA und Großbritannien im Jemen Stellungen der vom Iran unterstützten Miliz angegriffen. Man habe "erfolgreich" Ziele der Gruppe bombardiert, teilte das Weiße Haus in einer schriftlichen Stellungnahme von US-Präsident Joe Biden mit. Man werde die Angriffe auf Schiffe im Roten Meer "nicht tolerieren". Die USA und ihre Verbündeten hätten sich erst nach diplomatischen Verhandlungsversuchen und sorgfältigen Überlegungen zu diesem Schritt entschlossen, hieß es weiter. "Diese Angriffe sind eine direkte Reaktion auf die beispiellosen Angriffe der Huthi auf internationale Seeschiffe im Roten Meer - einschließlich des ersten Einsatzes von ballistischen Antischiffsraketen in der Geschichte." Die Angriffe der Huthi hätten "US-Personal, zivile Seeleute und unsere Partner gefährdet, den Handel beeinträchtigt und die Freiheit der Schifffahrt bedroht". Er werde "nicht zögern", sollten weitere Maßnahmen gegen die Huthi nötig sein, so Biden. Unterstützung habe es bei dem Militärschlag von Australien, Bahrain, Kanada und den Niederlanden gegeben. Sunak: Gezielte und begrenzte Angriffe Der britische Premierminister Rishi Sunak teilte mit, man habe gezielt Angriffe auf militärische Einrichtungen der Miliz gestartet. "Trotz der wiederholten Warnungen der internationalen Gemeinschaft haben die Huthi weiterhin Angriffe im Roten Meer durchgeführt, darunter auch gegen britische und amerikanische Kriegsschiffe, erst diese Woche. Dies kann nicht hingenommen werden", hieß es in einer von der britischen Nachrichtenagentur PA veröffentlichten Erklärung des Politikers. Daher habe man "begrenzte, notwendige und verhältnismäßige Maßnahmen zur Selbstverteidigung" ergriffen. "Die genauen Ergebnisse der Angriffe im Jemen werden noch ausgewertet, aber erste Anzeichen deuten darauf hin, dass die Fähigkeit der Huthi, die Handelsschifffahrt zu bedrohen, einen Rückschlag erlitten hat", so Sunak weiter. Großbritannien setzte nach Angaben der Regierung vier "Eurofighter-Typhoon"-Kampfflugzeuge ein, die Angriffe auf zwei Militäranlagen der Huthi flogen. Huthi: USA und Großbritannien werden "hohen Preis" zahlen Dem US-Verteidigungsministerium zufolge fanden die Angriffe aus der Luft und von See aus statt. Sie hätten nur militärischen Stellungen der Huthi gegolten. Wie US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in einer Erklärung mitteilte, zielten die Angriffe auf Drohnen, ballistische Raketen und Marschflugkörper, Küstenradar und die Luftüberwachung der Miliz ab. "Der heutige Einsatz der Koalition ist eine klare Botschaft an die Huthi, dass sie einen Preis dafür zahlen werden, wenn sie ihre illegalen Angriffe nicht einstellen", hieß es in einer Mitteilung des Pentagons. Die Huthi kündigten Vergeltung an. "Amerika und Großbritannien werden bereit sein müssen, einen hohen Preis zu zahlen", sagte ein Vertreter der Gruppe laut dem Huthi-Fernsehsender Al Massirah. Der Jemen sei "einem massiven aggressiven Angriff amerikanischer und britischer Schiffe, U-Boote und Kampfflugzeuge ausgesetzt gewesen", wurde er zitiert. Der Sender berichtete von Angriffen auf die Städte Sanaa, Hodeida und Saada. Auf der Plattform X kündigte die Gruppe zudem trotz des Militärschlags weitere Attacken auf Schiffe im Roten Meer an. Für das Vorgehen der USA und Großbritanniens gebe es keine Rechtfertigung, erklärt Mohammed Abdulsalam, ein Sprecher der Huthi-Miliz. Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats einberufen Der Iran, der die Huthi seit Jahren mit Waffen beliefern soll, verurteilte die amerikanisch-britischen Angriffe scharf. Der Sprecher des Außenministeriums, Nasser Kanaani, sagte in einer Mitteilung: "Wir werten das als klare Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität des Jemens sowie als Verstoß gegen internationale Gesetze, Vorschriften und Rechte." Auch die Hisbollah-Miliz im Libanon, die ebenfalls Unterstützung aus dem Iran erhält, verurteilte die Attacken. "Die amerikanische Aggression beweist einmal mehr, dass die USA ein vollwertiger Partner bei den Tragödien und Massakern sind, die der zionistische Feind in Gaza und der Region verübt", hieß es in einer Stellungnahme. Russland forderte nach dem Angriff auf die Huthi-Stellungen ein Krisentreffen des UN-Sicherheitsrats an. Die Dringlichkeitssitzung solle noch am Freitagnachmittag stattfinden, teilte Frankreich mit, das aktuell die Ratspräsidentschaft innehat. Verbündete argumentieren mit Selbstverteidigung In einer gemeinsamen Erklärung konterten die USA, Großbritannien und Verbündete den Vorwurf, der Angriff sei ein Verstoß gegen internationale Gesetze. Der Militärschlag sei im Einklang mit der UN-Charta erfolgt, heißt es darin. Er sei eine Reaktion auf die "illegalen, gefährlichen und destabilisierenden" Angriffe der Huthi auf Schiffe im Roten Meer und beruhe auf dem Recht der Selbstverteidigung, schreiben die Verbündeten in der Mitteilung, die auch von der Bundesregierung mitgetragen wird. Mit dem Militärschlag habe man "unser gemeinsames Engagement für die Freiheit der Schifffahrt, den internationalen Handel und die Verteidigung des Lebens von Seeleuten vor illegalen und ungerechtfertigten Angriffen unter Beweis gestellt". Gemeinsames Ziel bleibe die Deeskalation und die Wiederherstellung der Stabilität im Roten Meer. Bei fortgesetzten Bedrohungen werde man "nicht zögern, Menschenleben zu verteidigen und den freien Fluss des Handels in einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt zu schützen", heißt es. Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer Seit Ausbruch des Krieges zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas greifen die Huthi immer wieder Schiffe mit angeblich israelischer Verbindung im Roten Meer an. Große Reedereien meiden zunehmend die Route. Die Huthi greifen auch Israel immer wieder direkt mit Drohnen und Raketen an. Eine Reaktion der USA und ihrer Verbündeten hatte sich zuletzt immer stärker angedeutet. Die Huthi sehen sich als Teil der gegen Israel gerichteten selbsternannten "Achse des Widerstands". Dazu gehört neben der Terrororganisation Hamas auch die schiitisch-islamistische Hisbollah-Miliz im Libanon.
/ausland/asien/angriffe-huthi-jemen-100.html
2024-01-12
Wie sich die Tech-Branche 2024 entwickelt
Consumer Electronic Show
Die Technologiebranche konnte 2023 große Gewinne und viel Wachstum verzeichnen. Wird auch 2024 ein Jahr der Tech-Konzerne? Und welche Trends zeichnen sich dabei ab?
Die Technologiebranche konnte 2023 große Gewinne und viel Wachstum verzeichnen. Wird auch 2024 ein Jahr der Tech-Konzerne? Und welche Trends zeichnen sich dabei ab? Von Bo Hyun Kim Lufttaxis, die leiser als ein Geschirrspüler sind; KI-Roboter, die einsame Hunde trösten; Haartrockner, die durch weniger Stromverbrauch auch den Planeten schützen sollen: Auf der Consumer Electronics Show (CES), einer der größten Techmessen in Las Vegas, wird deutlich, dass der Innovationsboom in der Tech-Branche kein Ende nimmt. Zentrales Thema an fast allen Ständen und bei technischen Erfindungen ist die Künstliche Intelligenz (KI). Gerade in Deutschland sei das Potenzial längst noch nicht ausgeschöpft, sagt Roman Przybilla von CAT Financial Products gegenüber der ARD-Finanzredaktion: "Wir haben vielleicht zehn bis 15 Prozent erreicht, bei der KI liegt noch ganz ganz viel vor uns." Viele Unternehmen würden erst jetzt beginnen, KI einzusetzen, so Przybilla. Geschwindigkeit ist das Motto Neben Künstlicher Intelligenz könnten noch andere Technologien neue, rasant wachsende Wirtschaftszweige entstehen lassen. Ein Ziel in der sich ständig neu erfindenden Technikwelt lässt sich dabei klar erkennen: Geschwindigkeit. Die Hoffnungsträger einer noch weiter vernetzten und digitalisierten Zukunft tragen Namen wie Laserkommunikation, Quantum Computing oder 6G. Denn Daten werden bald womöglich nicht mehr durch Funksignale, sondern durch Laserstrahlen übertragen. Gleichzeitig hätten Unternehmen Zugriff auf Computer mit bisher noch nie dagewesener Rechenleistung und 6G beschleunige den digitalen Alltag um ein Vielfaches, erklärt Przybilla: "Das Leben ist einfach so extrem technologisch - nicht nur unser privates, sondern auch das der Unternehmen." Dabei spiele die Geschwindigkeit, Daten zu übertragen, eine entscheidende Rolle, so der Experte: "Wir müssen noch deutlich schneller werden. 6G steht in den Startlöchern." Das werde allerdings als erstes nicht in Deutschland passieren, sondern im Ausland. Neue Wirtschaftszweige entstehen Wie ein Dominostein stößt die fortschreitende Technologie immer wieder neue Innovationen an. Denn aus ihr heraus entstehen neue Notwendigkeiten wie zum Beispiel ein robuster Schutz vor virtuellen Bedrohungen. Firmen wie das US-Unternehmen Crowdstrike haben diese Lücke früh erkannt und sich zu Branchenführern entwickelt. Experten gehen davon aus, dass es in den nächsten zehn Jahren mehr technologischen Fortschritt geben wird als in den letzten 100 Jahren. Und das zeichnet sich laut Prof. Dr. Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance & Management auch bereits am Finanzmarkt ab: "In den USA werden wir in diesem Jahr vor allem, glaube ich, Tech-Börsengänge sehen." Außerdem nennt er bei den Trends Fintech und Biotech. Diese Sektoren seien in den USA derzeit sehr erfolgreich. "Es ist viel Potenzial da", so Schalast. Tech-Börsengänge geplant Der Aufstieg der Tech-Branche ist eng verknüpft mit Social Media - besonders gut zu sehen auf der Plattform Reddit, auf der User diskutieren und sich austauschen. Das Unternehmen plant einen Börsengang noch in diesem Quartal und wird mit rund 15 Milliarden Dollar bewertet. Auch gespannt blicken die Anleger auf den möglichen Börsengang des chinesischen Unternehmens Shein. Der Konzern hat sich dank niedriger Preise zu einem der weltweit größten Online-Modehäuser entwickelt. Er produziert Bekleidung in China und verkauft sie ausschließlich im Ausland. Schon im letzten Jahr hatte es Gerüchte über einen Börsengang in den USA gegeben.
/wirtschaft/technologie/tech-branche-ausblick-100.html
2024-01-12
Pentagon leitet interne Untersuchung ein
Austins Klinikaufenthalte verschwiegen
Erst kurz vor der Öffentlichkeit erfuhr US-Präsident Biden von der Krebserkrankung seines Verteidigungsministers - obwohl die Diagnose schon Wochen zuvor gestellt worden war. Nun will das Pentagon die Abläufe untersuchen lassen.
Erst kurz vor der Öffentlichkeit erfuhr US-Präsident Biden von der Krebserkrankung seines Verteidigungsministers - obwohl die Diagnose schon Wochen zuvor gestellt worden war. Nun will das Pentagon die Abläufe untersuchen lassen. Das wochenlange Schweigen von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin über seine Krebserkrankung zieht eine ministeriumsinterne Untersuchung nach sich. In einem Schreiben des Pentagons hieß es, Generalinspekteur Robert Storch werde "die Rollen, Abläufe, Prozeduren, Verantwortlichkeiten und Handlungen" im Zusammenhang mit den zwei Krankenhausbehandlungen des Ministers im Dezember und Januar überprüfen. Es solle geklärt werden, ob die Richtlinien des Ministeriums ausreichten, um sicherzustellen, dass im Falle von Krankheit die Zuständigkeiten geklärt seien und Benachrichtigungsketten funktionierten. Weißes Haus: "Nicht optimal" Das Weiße Haus hatte am Vortag mitgeteilt, dass Präsident Joe Biden rund einen Monat lang nicht über die Krebserkrankung seines Verteidigungsministers unterrichtet worden sei. Dies sei "nicht optimal", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Es solle sichergestellt werden, "dass so etwas nicht noch einmal vorkommt". Das Verschweigen der Krankheit hatte Kritik nach sich gezogen - zumal es in eine Zeit großer sicherheitspolitischer Herausforderungen vor allem durch die Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine fällt. Es wurden auch Forderungen nach einem Rücktritt Austins laut. Erkrankung schon Anfang Dezember festgestellt Der Minister hatte die Erkrankung am Dienstag öffentlich gemacht. Demnach war der Krebs bei dem 70-Jährigen im Frühstadium entdeckt worden, die Heilungsaussichten seien "hervorragend". Der Präsident erfuhr nach Angaben des Weißen Hauses erst wenige Stunden vor der Öffentlichkeit von der Diagnose. Dabei war die Krankheit nach Angaben von Austins Ärzten bereits Anfang Dezember festgestellt worden. Kurz vor Weihnachten unterzog er sich deshalb einem Eingriff. Anfang Januar traten Komplikationen auf, weshalb sich Austin noch immer im Krankenhaus befindet.
/ausland/amerika/austin-erkrankung-untersuchung-100.html
2024-01-12
NASA stellt neuen Überschalljet vor
Concorde-Nachfolge
Wirtschaftlich war die Concorde kein Erfolg, und noch immer sitzt der Schock nach der Katastrophe im Jahr 2000 tief. Die Faszination am Überschall aber ist geblieben. Die NASA will ihr neues Projekt vorstellen.
Wirtschaftlich war die Concorde kein Erfolg, und noch immer sitzt der Schock nach der Katastrophe im Jahr 2000 tief. Die Faszination am Überschall aber ist geblieben. Die NASA will ihr neues Projekt vorstellen. Etwa 30 Meter lang, zehn Meter breit, vorne spitz und weitgehend türkisfarben: Der X-59 wirkt futuristisch. 2018 gab die US-Raumfahrtbehörde NASA den Jet beim Rüstungskonzern Lockheed Martin in Auftrag - und will damit nun den Überschall-Flug revolutionieren. Heute will die NASA das Herzstück ihrer Mission "Quesst" (Quiet SuperSonic Technology) öffentlich vorstellen. Flugtests sind erst für später geplant. "Wir sind auf jeden Fall bereit, ein neues Kapitel in der Geschichte des Überschallflugs zu schreiben und den Flugverkehr über Land doppelt so schnell zu machen, aber auf eine Art und Weise, die sicher, nachhaltig und viel leiser als vorher ist", sagt NASA-Manager Peter Coen. Das Besondere am X-59: Die Maschine soll ohne Überschall-Knall fliegen können. Beim Fliegen mit Überschall ist die Fluggeschwindigkeit größer als die Schallgeschwindigkeit in der Umgebung des Flugzeuges. Durchbricht ein Flugzeug in der Luft die Schallmauer, gibt es einen sehr lauten Knall. Zivile Überschallflüge in USA untersagt Unter anderem weil das viele Menschen beunruhigt und stört, hat die US-Luftfahrtbehörde FAA bis auf Weiteres alle zivilen Überschallflüge über den USA untersagt. Der X-59, der Überschalljet ohne Überschall-Knall, soll in etwa 16 Kilometern Höhe mit rund 1500 Kilometern pro Stunde fliegen - und anstelle eines lauten Knalls nur ein Geräusch erzeugen, das so laut ist wie das Zuschlagen einer Autotür. Für die Entwicklung des Fliegers hat Lockheed Martin rund 250 Millionen Dollar (etwa 230 Millionen Euro) von der NASA erhalten. Die NASA will nun bei Flügen über ausgewählten Regionen der USA weitere Daten sammeln. Mit dem X-59 rückt eine Rückkehr des Überschall-Flugs näher - rund 20 Jahre nach dem Aus der legendären Concorde. Der elegante schneeweiße Überschalljet mit den Deltaflügeln und der spitzen Nase war einst das Nonplusultra zwischen Paris, London und New York. Das Flugzeug ermöglichte es etwa Jetsettern und Topmanagern ein Vierteljahrhundert lang, binnen dreieinhalb Stunden von Europa nach New York zu fliegen - nach Sonnenuntergang in Europa los, vor Sonnenuntergang in den USA. Concorde-Katastrophe im Jahr 2000 Im Juli 2000 kam es dann zur Katastrophe: Kurz nach dem Start vom Flughafen Paris verunglückte eine Concorde, alle 109 Insassen sowie vier Menschen am Boden starben. Ursache des Unglücks war ein auf der Startbahn liegender Metallstreifen - der Anfang vom Ende der "Königin der Lüfte". Hinzu kamen die Luftfahrtkrise nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und rasant steigende Wartungskosten. Angesichts hoher Verluste war 2003 Schluss. Am 24. Oktober 2003 landete der letzte kommerziell genutzte Überschall-Jet der Betreiber British Airways und Air France in London. Andere Überschallprojekte in der Pipeline Die legendäre Concorde ist nur noch in Museen zu bewundern. Die Faszination am Überschall aber blieb, und an Plänen für einen Nachfolger mangelte es seither nicht. Realisiert wurden sie bislang jedoch nicht. Nun aber arbeiten neben NASA und Lockheed Martin auch noch andere Unternehmen an Überschall-Jets. Unter anderem präsentiert sich derzeit das US-Start-up Boom als ganz weit vorne. Es arbeitet an "Overture", einem Jet für bis zu 55 Fluggäste, der schneller und deutlich effizienter als die Concorde sein soll. "Die Ticketpreise sollen denen der heutigen Business Class ähneln, so dass der Horizont von Millionen von Reisenden erweitert werden kann", sagte Firmenchef Blake Scholl in einer Mitteilung. "Letztendlich ist unser Ziel, dass jeder sich Überschall-Flug leisten können soll." Unter anderem die Fluggesellschaft United Airlines hat schon Flugzeuge bei Boom bestellt. Geplante Testflüge verzögerten sich zunächst jedoch immer wieder. Auch die 2002 gegründete US-Firma Aerion entwickelt mit Unterstützung von Airbus einen Geschäftsflieger für bis zu zwölf Passagiere, der anderthalbfache Schallgeschwindigkeit erreichen soll. "Wir sprechen über eine Zukunft, in der Menschen weniger Zeit mit dem Reisen und mehr Zeit an ihren Zielorten verbringen können - mit der Familie, bei der Arbeit oder beim Besuchen neuer Orte", sagte NASA-Wissenschaftler Jonathan Rathsam. "Es ist ein Weg, die Welt zu schrumpfen und es ist aufregend, ein Teil dieser Zukunft zu sein."
/wissen/forschung/quesst-nasa-ueberschall-100.html
2024-01-12
Trump hält erneut Wutrede vor Gericht
Betrugsprozess gegen Ex-US-Präsident
Der New Yorker Betrugsprozess gegen Ex-US-Präsident Trump geht derzeit auf die Zielgerade. Am letzten Prozesstag ergriff er im Gerichtssaal noch einmal das Wort - und holte erneut zu einer Wutrede gegen Richter und Staatsanwältin aus.
Der New Yorker Betrugsprozess gegen Ex-US-Präsident Trump geht derzeit auf die Zielgerade. Am letzten Prozesstag ergriff er im Gerichtssaal noch einmal das Wort - und holte erneut zu einer Wutrede gegen Richter und Staatsanwältin aus. Im Betrugsprozess gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump in New York hat dieser die Justiz erneut scharf angegriffen. Der Staatsanwaltschaft warf er vor, sie wolle ihn am Wiedereinzug ins Weiße Haus hindern. "Sie wollen sicherstellen, dass ich nie wieder gewinne", sagte er mit Blick auf die Präsidentschaftswahl im November. Generalstaatsanwältin Letitia James hasse ihn, und Richter Arthur Engoron habe "seine eigene Agenda", wetterte Trump, der die beiden zuvor in und außerhalb des Gerichtssaals schon mehrfach beleidigt und dafür auch schon eine Geldstrafe kassiert hatte. Engoron hatte Trump zwar ein Schlussplädoyer untersagt, ihm aber gestattet, noch einmal das Wort zu ergreifen. Trump nutzte die Gelegenheit, sich als verfolgte Unschuld darzustellen und warf dem Richter vor, ihm nicht richtig zuzuhören. Dieser schnitt ihm nach einer Ermahnung das Wort ab. Trump hatte schon im Vorfeld des Termins mitgeteilt, sich selbst äußern zu wollen. Richter Engoron stellte Bedingungen dafür, die dann aber von Trumps Anwälten nicht akzeptiert wurden. Engoron hatte unter anderem verlangt, dass Trump das Plädoyer nicht als Wahlkampfrede missbrauchen dürfe. Während ihrer Abschlussplädoyers baten Trumps Verteidiger dann noch einmal darum, Trump das Wort zu erteilen - Engoron gewährte ihre Bitte. Urteil bis Ende des Monats erwartet Der Zivilprozess geht derzeit auf die Zielgerade. Verteidiger und Staatsanwaltschaft hielten ihre Abschlussplädoyers. Während die Anwälte der Staatsanwaltschaft noch einmal detailliert die Betrugsanschuldigungen gegen Trumps Firmenimperium, die Trump Organization, darlegten, wiesen die Verteidiger erneut jegliches Fehlverhalten Trumps und seiner Söhne Eric und Donald Jr. zurück. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Strafe von 370 Millionen US-Dollar (etwa 340 Millionen Euro). In dem Zivilprozess geht es um die Zukunft des Firmenimperiums des 77-Jährigen. Die Staatsanwaltschaft warf Trump, dessen Söhnen und Mitarbeitern vor, den Wert der Trump Organization jahrelang manipuliert zu haben, um an günstigere Kredite und Versicherungsverträge zu kommen. Nach einem Urteil, das bis Ende des Monats angekündigt ist, könnte der Fall noch in Berufung gehen. Bombendrohung gegen Haus des Richters Der ehemalige Präsident will 2024 erneut gewählt werden. Er ist der aussichtsreichste Bewerber der Republikaner für die Kandidatur. Den Prozess nutzte er nach Einschätzung vieler Beobachter als Wahlwerbung und behauptete immer wieder, die Verhandlung sei Teil einer politischen Kampagne gegen ihn. Während des Prozesses wurden sowohl Trump selbst als auch seine Kinder Eric, Donald Jr. und Ivanka befragt. Wenige Stunden vor dem Beginn der Abschlussplädoyers hatte es der zuständigen Polizeibehörde zufolge eine Bombendrohung gegen das außerhalb der Metropole New York gelegene Wohnhaus von Engoron gegeben. Verletzte oder Sachschäden gab es ersten Erkenntnissen zufolge nicht. Nähere Einzelheiten teilte die Polizei zunächst nicht mit.
/ausland/amerika/usa-trump-prozess-rede-100.html
2024-01-12
FAA ermittelt nach Beinahe-Unglück gegen Boeing
US-Luftfahrtbehörde
Nach dem Herausbrechen eines Teils einer Boeing-Maschine im Flug hat die US-Luftfahrtbehörde Ermittlungen gegen den Konzern eingeleitet. Es soll untersucht werden, ob dieser Pflichten bei Produktion und Inspektion verletzt hat.
Nach dem Herausbrechen eines Teils einer Boeing-Maschine im Flug hat die US-Luftfahrtbehörde Ermittlungen gegen den Konzern eingeleitet. Es soll untersucht werden, ob dieser Pflichten bei Produktion und Inspektion verletzt hat. Nach dem Beinahe-Unglück mit einer Boeing-Maschine, bei der im Flug ein Rumpfteil herausbrach, hat die US-Luftfahrtbehörde FAA Ermittlungen gegen den Konzern eingeleitet. Die Umstände wiesen darauf hin, dass der Flugzeugbauer möglicherweise seine Pflichten bei Produktion, Inspektionen und Tests vernachlässigt habe, hieß es in einem veröffentlichten Brief an Boeing. Das Unternehmen bekam zehn Werktage Zeit, dazu Stellung zu beziehen. Die FAA hatte am Wochenende angeordnet, Flugzeuge des Typs Boeing 737-9 Max am Boden zu lassen und zu inspizieren. Das betroffene Bauteil verschließt bei der Modellvariante eine nicht benötigte Türöffnung. Bei einem Flug von Alaska Airlines am Freitag vergangener Woche war es plötzlich kurz nach dem Start im Steigflug herausgerissen worden. Bei darauffolgenden Überprüfungen fanden Alaska und United Airlines auch bei weiteren Flugzeugen des Typs an der Stelle lockere Befestigungsteile. Die FAA will nun untersuchen, ob es Boeing unterlassen hat, die nötigen Vorkehrungen für die sichere Verwendung des Flugzeugteils zu treffen. Bislang wurden vier Bolzen, die zu dessen Befestigung genutzt werden, laut Ermittlern noch nicht gefunden. Es sei unklar, ob diese überhaupt eingesetzt gewesen seien, als das Flugzeug startete. Boeing verspricht Aufklärung Boeing bekräftigte nach dem FAA-Brief, dass man mit dem Luftfahrtamt und der Unfallermittlungsbehörde NTSB transparent zusammenarbeiten werde. Konzernchef Dave Calhoun hatte diese Woche bereits volle Aufklärung versprochen. "Wir werden das zuallererst so angehen, dass wir unseren Fehler eingestehen", sagte er vor Mitarbeitern. Trotz des entstandenen Lochs in der Maschine hatte das Flugzeug notlanden können. Schwere Verletzungen unter den Flugzeuginsassen wurden nicht gemeldet. Zugleich verwiesen Experten darauf, dass durch einen glücklichen Zufall die zwei Sitze direkt neben dem herausgebrochenen Rumpfteil leer geblieben waren.
/wirtschaft/unternehmen/boeing-ermittlungen-100.html
2024-01-12
Airbus hängt Boeing erneut ab
Flugzeughersteller
Der US-Flugzeughersteller Boeing steckt in der Krise. Umso besser läuft es für den europäischen Konkurrenten Airbus: Im vergangenen Jahr gingen bei dem Hersteller so viele Aufträge ein wie nie zuvor.
Der US-Flugzeughersteller Boeing steckt in der Krise. Umso besser läuft es für den europäischen Konkurrenten Airbus: Im vergangenen Jahr gingen bei dem Hersteller so viele Aufträge ein wie nie zuvor. Der europäische Flugzeugbauer Airbus hat seinen kriselnden Konkurrenten Boeing 2023 erneut weit hinter sich gelassen. Trotz angespannter Lieferketten übergab Airbus 735 Verkehrsflugzeuge an seine Kunden, wie er am Abend in Toulouse mitteilte. Das waren 15 Maschinen mehr als von Airbus-Chef Guillaume Faury angepeilt. Der US-Rivale Boeing steigerte die Auslieferungen von 480 auf 528 Maschinen und hinkt damit angesichts hausgemachter Probleme zum fünften Mal in Folge hinter Airbus her. Faury sprach von einem "Meilenstein für das Airbus-Verkehrsflugzeuggeschäft mit außergewöhnlichen Bestellungen und Auslieferungen am oberen Ende der Zielvorgaben". Auf die Rekordzahl von 863 ausgelieferten Flugzeugen aus dem Jahr 2019 werde Airbus im laufenden Jahr allerdings wohl noch nicht kommen, sagte er. So viele Aufträge wie nie Christian Scherer, Geschäftsführer der Verkehrsflugzeugsparte, sagte, die Luftfahrt habe sich schneller von der Corona-Krise erholt als gedacht. Insgesamt kamen bei Airbus im vergangenen Jahr brutto 2.319 neue Aufträge herein, abzüglich Stornierungen waren es 2.094. So viele Aufträge hatten weder Airbus noch sein einzig relevanter Rivale Boeing je zuvor in einem Jahr verbucht. Davon entfielen 1.835 auf die A320-Familie von Kurz- und Mittelstreckenflugzeugen, 300 auf Großraum-Flugzeuge. Der Auftragsbestand schwoll auf fast 8.600 Verkehrsflugzeuge an. Scherer zeigte sich zuversichtlich, dass Airbus sein Ziel, bis 2026 pro Monat 75 Stück der A320-Flugzeuge zu bauen, erreichen werde - "auch wenn es eine Menge Arbeit ist". Er räumte ein: "Wir können noch nicht so schnell liefern wie einige das gerne hätten." Vorstandschef Faury sagte, die Lage habe sich 2023 insofern verbessert, als nicht mehr einzelne Lieferanten der Engpass seien. "Aber wir verlangen auch mehr von unseren Zulieferern, die Lieferketten sind daher immer noch angespannt."
/wirtschaft/unternehmen/airbus-verkauf-100.html
2024-01-11
++ Lettland sagt weitere Militärhilfe zu ++
Krieg gegen die Ukraine
Bei einem Besuch des ukrainischen Präsidenten Selenskyj sagte Lettland dem angegriffenen Land weitere Militärhilfe zu. Das ukrainische Militär verstärkt nach eigenen Angaben seine Verteidigungsanlagen. Alle Entwicklungen vom Donnerstag zum Nachlesen.
Bei einem Besuch des ukrainischen Präsidenten Selenskyj sagte Lettland dem angegriffenen Land weitere Militärhilfe zu. Das ukrainische Militär verstärkt nach eigenen Angaben seine Verteidigungsanlagen. Alle Entwicklungen vom Donnerstag zum Nachlesen. Lettland sagt Ukraine bei Selenskyj-Besuch weitere Militärhilfe zuAbkommen zur Minenräumung im Schwarzen MeerSelenskyj: Nur Russland profitiere von WaffenruheUS-Republikaner liefern sich TV-DuellRaketeneinschlag in Hotel in Charkiw Ende des Liveblogs Damit schließen wir den Liveblog für heute. Vielen Dank für Ihr Interesse. US-Hilfe für die Ukraine ist zum Erliegen gekommen Die US-Hilfen für die Ukraine sind der Regierung in Washington zufolge ausgelaufen. "Die von uns geleistete Hilfe ist nun zum Erliegen gekommen", sagte John Kirby, Sprecher der US-Regierung für die nationale Sicherheit. Hintergrund ist ein Streit im Kongress über weitere finanzielle Unterstützung für die Regierung in Kiew. Selenskyj fordert verstärkte europäische Waffenproduktion Der ukrainische Präsident Selenskyj hat eine verstärkte europäische Waffenproduktion als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen sein Land gefordert. "In diesem Jahr wird die Ukraine alles daran setzen, ein neues europäisches Waffenarsenal zu schaffen, um eine russische Aggression gegen Europa zu verhindern", sagte Selenskyj in Riga, der letzten Station einer Baltikum-Reise.  Mit Blick auf die Präsidentenwahl in Russland sagte er, das ukrainische Nachbarland strebe taktische Siege an. Nach der Abstimmung werde dann größere Aktionen ins Visier genommen, meinte Selenskyj. Außenminister von Ungarn und der Ukraine treffen sich Ungarns Außenminister Peter Szijjarto trifft sich nach eigenen Angaben am 29. Januar mit seinem ukrainischen Kollegen Dmitry Kuleba. Er werde mit Kuleba ein mögliches Treffen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vorzubereiten, sagte er. Ein Sprecher des ukrainischen Außenministeriums bestätigte das geplante Treffen. Die Beziehungen der Nachbarländer Ukraine und Ungarn waren in den vergangenen Jahren angespannt. Die Situation verschlechterte sich noch, als Orban im Dezember sein Veto gegen weitere Wirtschaftshilfen der Europäischen Union in Höhe von 50 Milliarden Euro für die Ukraine einlegte. Orban ist der einzige Staatenlenker der EU, der nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine weiter enge Verbindungen zu Russland beibehielt.  Selenskyj schließt Waffenruhe erneut aus Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat eine Waffenruhe im Abwehrkrieg gegen Russland ausgeschlossen. Die Truppen des Kremls würden eine solche Waffenruhe nutzen, um sich neu zu bewaffnen und zu formieren, und die ukrainischen Truppen dann überrennen, sagte Selenskyj bei einem Besuch in Estland. Eine Feuerpause auf dem Schlachtfeld bedeute keine Pause im Krieg, sondern würde Russland in die Hände spielen. Es könnte uns danach zermalmen." Lettland sagt Ukraine weitere Militärhilfe zu Lettland wird der Ukraine weitere Militärhilfe für den Abwehrkampf gegen Russland leisten. Das nächste Hilfspaket werde Haubitzen, 155-mm-Artilleriemunition, Systeme zur Panzer- und Flugabwehr sowie Raketenwerfer, Geländefahrzeuge, Handgranaten, Hubschrauber und weitere Ausrüstung umfassen, sagte Staatspräsident Edgars Rinkevics in Riga nach einem Treffen mit seinem ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj. Auch will Lettland in diesem Jahr 3.000 ukrainische Soldaten ausbilden und die Ukraine bei der Produktion von Drohnen unterstützen. Nach seinen Angaben hat Lettland Hilfe im Wert von rund 600 Millionen Euro geleistet - umgerechnet ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes des baltischen EU- und Nato-Landes. Lettland war die letzte Station der ersten Auslandsreise von Selenskyj in diesem Jahr, die ihn zuvor auch nach Litauen und Estland führte. Ukrainer trauern um an der Front getöteten Dichter Hunderte Trauernde haben in Kiew Abschied von dem an der Front gefallenen ukrainischen Dichter und Soldaten Maxym Krywzow genommen. Viele trugen Blumen und die ukrainische Nationalflagge, als der Sarg des Toten - ebenfalls mit einer gelb-blauen Fahne geschmückt - in die St. Michaels-Kathedrale im Zentrum von Kiew getragen wurde.  An der Front, wo er sein erstes Buch verfasste, diente der Dichter als Maschinengewehrschütze. Die Nachricht vom Tod des 33-Jährigen am Sonntag löste landesweit eine Welle der Trauer aus. Seine Gedichtsammlung war bereits im vergangenen Jahr veröffentlicht und vom ukrainischen Zweig der internationalen Schriftstellervereinigung PEN zu einem der besten literarischen Werke des Landes gekürt worden.  Ukrainische Wirtschaft 2023 nach Konjunktureinbruch gewachsen Die Wirtschaft der Ukraine hat sich im zweiten Kriegsjahr wieder etwas gefangen. Das Bruttoinlandsprodukt legte 2023 um fünf Prozent zu, wie Wirtschaftsministerin Julia Swyrydenko mitteilte. 2022, als die russische Invasion begann, war die Wirtschaftsleistung um 28,8 Prozent eingebrochen. EU-Kommissar Breton fordert 100 Milliarden Euro für Verteidigung EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat einen europäischen Verteidigungsfonds in Höhe von 100 Milliarden Euro gefordert. Für die EU sei es "entscheidend", Kapazitäten zur Rüstungsproduktion zu entwickeln, die "mit Russland vergleichbar" seien, sagte der auch für Verteidigung zuständige EU-Kommissar in Brüssel. Nur so könnten die Europäer zu einem künftige Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine eine wichtige Rolle in den Verhandlungen spielen. Ukraine ringt weiter um ein verschärftes Mobilmachungsgesetz Das ukrainische Parlament hat es abgelehnt, sich mit einem umstrittenen Gesetzentwurf für eine erleichterte Mobilmachung zu befassen. Ein von der Regierung ausgearbeiteter Gesetzentwurf sollte in erster Lesung im Parlament erörtert werden, doch nach einem Treffen mit Militärvertretern hinter verschlossenen Türen beschlossen die Abgeordneten, den Text zur Überarbeitung zurückzuverweisen.  "Wir verstehen die Bitte des Militärkommandos und sind bereit, darauf zu einzugehen", erklärte der Fraktionschef der Partei von Präsident Wolodymyr Selenskyj,  David Arachamia. Einige Vorschriften des Gesetzentwurfs verstießen jedoch gegen die Menschenrechte, andere seien "nicht optimal formuliert". Medwedew droht wieder mit Atomwaffen Nach den jüngsten schweren Raketenschlägen gegen die Ukraine hat Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew erneut mit Atomwaffendrohungen für Aufsehen gesorgt. "Wie bekannt wurden dabei verschiedene Träger mit unterschiedlichen Ladungen benutzt, mit Ausnahme von atomaren. Noch!", sagte Medwedew auf einer Sitzung der russischen Militär- und Rüstungskommission. Die jüngsten Attacken, bei denen beispielsweise in Kiew mehr als 30 Zivilisten ums Leben kamen, bezeichnete Medwedew dabei als "resultative Schläge gegen Militärobjekte". Finnland verlängert Schließung der Grenzübergänge zu Russland Finnlands Grenze zu Russland bleibt vorerst geschlossen. Die acht Grenzübergänge sollen bis zum 11. Februar geschlossen bleiben, wie die finnische Regierung mitteilte. Der Grund ist ein rapider Anstieg der Migration aus Russland. Finnland wirft dem Nachbarstaat eine "hybride Attacke" vor: Russland schleuse Flüchtlinge gezielt an die Grenze, um in Finnland eine Migrationskrise auszulösen. "Nach den Informationen der Sicherheitsbehörden ist es sehr wahrscheinlich, dass Russland seine hybride Beeinflussung wieder aufnimmt und ausbaut", sagte der finnische Innenminister Mari Rantanen. Seit August kamen fast 1.000 Asylbewerber von Russland aus an die finnische Grenze, viele aus Somalia, dem Irak und dem Yemen. Im November hatte Finnland deshalb bereits einige Übergänge an der 1.340 Kilometer langen Landgrenze zu Russland geschlossen. Ukrainisches Militär verstärkt Verteidigungsanlagen Das ukrainische Militär verstärkt nach eigenen Angaben seine Verteidigungsanlagen. Im Norden des Landes seien diese in den vergangenen Monaten um 63 Prozent ausgebaut worden, zitierten die Streitkräfte den für den Nordabschnitt zuständigen Befehlshaber Serhij Najew. Wie Reporter der Nachrichtenagentur Reuters berichteten, wurden in der Region Tschernihiw nahe der Grenze zu Russland mit Baggern und Schaufeln Gräben ausgehoben. Anschließend sollte das Gebiet nach Angaben Najews vermint werden. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte eine Erweiterung der Befestigungsanlagen Ende November angekündigt, nachdem es dem Militär bei einer im Juni gestarteten Gegenoffensive nicht gelungen war, rasch die russischen Linien zu durchbrechen. Sachverständigenrat fordert Strategie für ukrainische Geflüchtete Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) fordert eine langfristige Strategie für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Im März 2025 ende für sie der vorübergehende Schutz, sagte der Leiter des Bereichs Forschung beim SVR, Jan Schneider, in Berlin. Es brauche tragfähige Nachfolgelösungen, "sonst stehen in gut einem Jahr vielleicht mehrere Millionen Menschen in Europa ohne Aufenthaltstitel da". Dabei gelte es, mit Blick auf die Europawahl im Juni möglichst zeitnah politische Gespräche zu führen, die sowohl die Interessen der Ukraine als auch die der Geflüchteten in den Blick nähmen. Zugleich hätten auch die Aufnahmeländer in Europa bereits viel in die Integration investiert. Die Geflüchteten, die Arbeit in Deutschland und anderswo gefunden hätten, könnten sich inzwischen häufiger einen Verbleib im Aufnahmeland vorstellen. Diese gut ausgebildeten Menschen, oft Frauen, seien aber auch Stützen des Wiederaufbaus in der Ukraine, so Schneider. Einigten sich die Länder nicht auf neue Aufenthaltsregeln, drohe, "was mit der Aktivierung der EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz verhindert werden sollte: Eine Überlastung der Asylsysteme durch individuelle Asylanträge in hoher Zahl." Selenskyj dankt Estland für Militärhilfe Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich bei Estland für die "ständig spürbare Unterstützung" bedankt, die der baltische EU- und NATO-Mitgliedsstaat für sein von Russland angegriffenes Land leistet. Estland habe die Ukraine in vielerlei Hinsicht unterstützt und mit bereits 17 gelieferten militärischen Hilfspaketen seine Führungsrolle demonstriert, sagte Selenskyj nach einem Treffen mit seinem Amtskollegen Alar Karis in Tallinn. Karis sicherte Selenskyj den weiteren Beistand seines Landes zu. "Estland wird die Ukraine weiter unterstützen, solange der Krieg andauert." Bis 2027 werde das baltische EU- und NATO-Land der Ukraine jährlich 0,25 Prozent seiner Verteidigungshaushalts dafür bereitstellen. Die gesamte Hilfe Estlands seit Beginn des russischen Angriffskrieges werde sich dann auf insgesamt 1,2 Milliarden Euro belaufen, so der Staatschef des rund 1,2 Millionen Einwohner zählenden Ostseestaats. Estlands Präsident rief auch andere Verbündete auf, ihre Militärhilfe zu erhöhen. "Die Ukraine braucht mehr und bessere Waffen", sagte Karis. Dabei dürften keine Beschränkungen gesetzt werden. "Wir müssen Europas militärische Produktionsfähigkeit steigern, damit die Ukraine bekommt, was sie braucht. Und nicht erst morgen, sondern sie sollte es heute bekommen." Abkommen zur Minenräumung im Schwarzen Meer Die Türkei, Bulgarien und Rumänien haben ein Abkommen zum Umgang mit Seeminen unterzeichnet. Der türkische Verteidigungsminister Yasar Güler sagte, mit dem Memorandum werde eine Arbeitsgruppe der drei NATO-Verbündeten eingerichtet, die sich mit Treibminen befassen soll. Die Gefahr durch Minen im Schwarzen Meer solle effektiver bekämpft werden, indem die enge Zusammenarbeit zwischen den drei Ländern und die Koordination untereinander verbessert werde, sagte Güler auf einer Pressekonferenz in Istanbul. An seiner Seite waren der rumänische Verteidigungsminister Angel Tilvar und der stellvertretende bulgarische Verteidigungsminister Atanas Saprjanow. Güler schlug vor, dass sich andere Länder nach dem Ende des Krieges an der Minenräumung beteiligen könnten. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig für verirrte Seeminen verantwortlich gemacht, die an der Schwarzmeerküste angespült wurden. Die Initiative zielt darauf ab, die Schifffahrt sicherer zu machen, auch für Schiffe, die Getreide aus der Ukraine transportieren. Selenskyj: Nur Russland profitiere von Waffenruhe Eine Waffenruhe führt nach Ansicht des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nicht zum Dialog. Lediglich Russland würde davon profitieren, es würde dem Land ermöglichen, seine Munitionsreserven aufzufüllen, sagte er bei seinem Besuch in Estland. Russland verhandele derzeit mit dem Iran über Raketenlieferungen, aus Nordkorea habe es eine Million Schuss erhalten. Selenskyj in Estland eingetroffen Auf seiner zweitägigen Reise durch das Baltikum ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in der Hauptstadt Tallinn eingetroffen. Er wird sich dort mit dem estnischen Präsidenten Alar Karis und Ministerpräsidentin Kaja Kallas treffen, bevor er im Parlament sprechen soll. In den baltischen Staaten Lettland, Estland und Litauen ist die Sorge vor einem russischen Angriff groß. Russland meldet Abwehr ukrainischer Drohnen Die russische Flugabwehr hat eigenen Angaben zufolge drei ukrainische Drohnen über russischem Gebiet abgeschossen. Die Drohnen seien über den Regionen Rostow, Tula und Kaluga abgefangen worden, teilte das Verteidigungsministerium auf Telegram mit. Die Regionen liegen im Osten und Nordosten an der ukrainischen Grenze. US-Republikaner debattieren über Ukraine-Unterstützung Die US-republikanischen Bewerber für die Präsidentschaftskandidatur Nikki Haley und Ron DeSantis haben bei ihrem TV-Duell auch über die Hilfen für die Ukraine debattiert. DeSantis stellte klar, die Unterstützung der Ukraine habe für ihn keine Priorität. Stattdessen sollten sich die USA auf ihre eigenen Grenzen fokussieren und auf den Wettstreit mit China. Er warf seiner Konkurrentin Haley vor, unendliche Zusagen für Geld und Waffen zu machen. Haley will die Ukraine weiter unterstützen. Es sei wichtig die russischen Angriffe zu stoppen. Sie müssten nicht wählen zwischen dem eigenen Grenzschutz und dem Schutz der Ukraine. Es ginge darum, Kriege zu verhindern. Raketeneinschlag in Hotel in Charkiw Zwei russische Raketen sind nach ukrainischen Angaben in einem Hotel im Zentrum von Charkiw eingeschlagen. Zehn Menschen seien verletzt worden, teilte der Gouverneur über Telegram mit. Unter den Verletzten seien auch türkische Journalisten. Neben Charkiw wurde auch aus den Regionen Donezk und Dnipropetrowsk Beschuss gemeldet. Der Liveblog vom Mittwoch zum Nachlesen Nach dem Treffen des NATO-Ukraine-Rats stellt das Bündnis weitere Militärhilfen in Aussicht. Laut Vereinten Nationen sind in den vergangenen knapp zwei Kriegsjahren mehr als 10.200 Zivilisten getötet worden. Alle Entwicklungen von Mittwoch zum Nachlesen.
/newsticker/liveblog-ukraine-donnerstag-304.html
2024-01-11
++ USA: Völkermord-Vorwurf an Israel unbegründet ++
Nahost-Krieg
Die USA sehen keine Grundlage für Südafrikas Vorwurf des Völkermords an Israel. Das israelische Militär weitet nach eigenen Angaben den Einsatz in Chan Yunis aus. Alle Entwicklungen vom Donnerstag zum Nachlesen.
Die USA sehen keine Grundlage für Südafrikas Vorwurf des Völkermords an Israel. Das israelische Militär weitet nach eigenen Angaben den Einsatz in Chan Yunis aus. Alle Entwicklungen vom Donnerstag zum Nachlesen. USA: Anschuldigungen des Völkermords unbegründetIsraels Militär weitet Einsatz in Chan Yunis ausUN-Sicherheitsrat fordert Ende der Huthi-AngriffeNetanyahu: Keine dauerhafte Besetzung des Gazastreifens Ende des Liveblogs Damit schließen wir den Liveblog für heute. Vielen Dank für Ihr Interesse. US-Ärztin beschreibt Zustände in Gaza-Spital Fast 100 Tage nach Beginn des Kriegs sind die Zustände in den wenigen noch funktionierenden Krankenhäusern des Gazastreifens Berichten zufolge katastrophal. "Es gibt kein Morphium mehr", sagte die amerikanische Ärztin Seema Jilani in einer Audio-Botschaft, die die Hilfsorganisation International Rescue Committee (IRC) verbreitete. Jilani war zuvor von einem zweiwöchigen Einsatz für das IRC im Al-Aksa-Krankenhaus im mittleren Gazastreifen zurückgekehrt.  "So geben wir Patienten an der Schwelle zum Tod, im Todeskampf Midazolam, ein Medikament gegen Angstzustände, das aber Schmerzen nicht lindert", sagte die Ärztin. Oft könne die Medizin für Patientinnen und Patienten nicht mehr tun, als sie von Schmerzen zu befreien. Aber in Gaza stimme selbst das nicht mehr, Sterbenden könne keine Linderung verschafft werden. "Es gibt keinen Tod in Würde, wenn man auf dem Boden einer Notaufnahme in Gaza liegt, und wenn es im Spital kein Morphium mehr gibt, keine mobilen Sauerstoffgeräte." Medien: Britisches Kabinett berät über Militärschläge gegen Huthi Der britische Premierminister Rishi Sunak hat am Abend Medienberichten zufolge sein Kabinett kurzfristig zu telefonischen Beratungen einberufen. Es gehe dabei wohl um bevorstehende gemeinsame Militärschläge mit den USA gegen die Huthi-Rebellen im Jemen, wie unter anderem der Sender Sky News und der "Guardian" berichteten. Eine Regierungssprecherin wollte die Berichte auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa zurzeit nicht bestätigen. Eine Reaktion der USA und ihrer Verbündeten hatte sich zuletzt immer stärker angedeutet. Großbritanniens Verteidigungsminister Grant Shapps hatte in den vergangenen Tagen immer wieder vor Konsequenzen gewarnt, sollten die Angriffe nicht aufhören. Habeck kritisiert Siedlergewalt gegen Palästinenser Vizekanzler Robert Habeck hat die Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser kritisiert. "Dass die Siedler teilweise sehr gewalttätig, die Möglichkeit überhaupt der freien Reise in den Westbank-Gebieten blockieren oder erschweren, das geht nicht", sagte der Grünen-Politiker bei einem Besuch bei der Palästinenserbehörde in Ramallah im Westjordanland. Dort hatte er zuvor Ministerpräsident Mohammed Schtaje getroffen sowie deutsche und lokale Wirtschaftsvertreter zusammengebracht. "Die Erwartung der Palästinenser ist, auf Israel einzuwirken, den Palästinensern eine faire Chance zu geben", sagte Habeck. USA: Anschuldigungen des Völkermords unbegründet Die Vereinigten Staaten sehen keine Grundlage für Südafrikas Anschuldigungen des Völkermords an Israel wegen der zivilen Todesfälle in Gaza, sagte der nationale Sicherheitssprecher des Weißen Hauses, John Kirby. Die Anschuldigungen seien unbegründet, sage er laut Nachrichtenagentur Reuters vor Reportern. Netanyahu wirft Südafrika Heuchlerei vor Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu kritisiert mit scharfen Worten die Völkermordsklage von Südafrika vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH). "Israel kämpft gegen mörderische Terroristen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben: Sie haben geschlachtet, vergewaltigt, verbrannt, zerstückelt und enthauptet - Kinder, Frauen, ältere Menschen, junge Männer und Frauen", sagte er. Israel werde des Völkermordes beschuldigt, während es gegen den Völkermord kämpfe, so Netanyahu. "Die Heuchelei Südafrikas schreit zum Himmel", sagte er weiter. "Wo war Südafrika, als Millionen von Menschen in Syrien und im Jemen getötet oder aus ihren Häusern gerissen wurden, von wem? Von Partnern der Hamas." HRW: 2023 war schreckliches Jahr für Menschenrechte 2023 war nach einem neuen Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) ein "schreckliches" Jahr für die Menschenrechte. In ihrem mehr als 700 Seiten Report hob HRW das "enorme Leid" hervor, das der Nahost-Krieg zwischen Israel und der Hamas sowie die Konflikte in der Ukraine, in Myanmar, Äthiopien und der afrikanischen Sahel-Region verursacht hätten.  Israels Regierung habe auf den Großangriff der Hamas am 7. Oktober reagiert, "indem sie die Wasser- und Stromversorgung der 2,3 Millionen Zivilisten im Gazastreifen unterbrach und die Einfuhr von allem bis auf einen Bruchteil an Treibstoff, Lebensmitteln und humanitärer Hilfe blockierte - eine Form der kollektiven Bestrafung, die ein Kriegsverbrechen darstellt", hieß es im HRW-Bericht.  Die Organisation sprach zudem von einer Doppelmoral unter den zumeist westlichen Ländern, die zwar den Angriff der Hamas scharf verurteilt hätten, sich aber anschließend mit ihrer Kritik am israelischen Krieg gegen die Palästinenserorganisation zurückhielten. USA drängen auf diplomatische Lösung zwischen Israel und Hisbollah Die USA drängen weiterhin auf eine diplomatische Lösung im Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon. Der US-Gesandte und Vermittler, Amos Hochstein, sagte nach Angaben der libanesischen Nachrichtenagentur NNA: "Wir müssen eine diplomatische Lösung finden, die es dem libanesischen Volk ermöglicht, in seine Häuser im Süden des Libanon zurückzukehren, genauso wie das Volk Israels in der Lage sein muss, in seine Häuser im Norden zurückzukehren." Hochstein war heute in die libanesische Hauptstadt Beirut gereist, um Gespräche mit verschiedenen Vertretern im Libanon zu führen. Zuvor war er bereits in Israel. Geisel-Angehörige rufen mit Lautsprechern Botschaften nach Gaza Angehörige israelischer Geiseln haben an der Grenze zum Gazastreifen mit Lautsprechern Botschaften in Richtung des abgeriegelten Küstengebiets gerufen. Dutzende Menschen versammelten sich dort, in der Hoffnung, dass ihre in den Gazastreifen verschleppten Verwandten ihre Stimmen hören können. Auf Videos war zu sehen, wie sie Schilder mit Fotos der Geiseln in die Höhe hielten und emotionale Botschaften riefen. Zwei Tote bei Beschuss an Grenze zwischen Libanon und Israel An der Grenze zwischen dem Libanon und Israel ist es erneut zu Beschuss gekommen. Dabei wurden nach Angaben der proiranischen Hisbollah auch zwei Sanitäter der Schiitenorganisation getötet und weitere Menschen verletzt. Laut des Gesundheitsministeriums im Libanon und der Hisbollah griff das israelische Militär ein Zivilschutzzentrum im Grenzort Hanin an. Das Ministerium verurteilte den Angriff scharf. Israels Außenamt: Genozid-Verfahren ist "Schauspiel der Heuchelei" Israels Außenministerium sieht in dem von Südafrika gegen das Land angestrengte Völkermord-Verfahren das "größte Schauspiel der Heuchelei in der Geschichte". Ministeriumssprecher Lior Haiat schrieb am Donnerstag auf X, vormals Twitter: "Südafrika (...) hat die Realität in Gaza im Gefolge des Massakers am 7. Oktober krass entstellt." Es ignoriere die Tatsache, dass Hamas-Terroristen auf israelischem Boden Israelis ermordet, massakriert, vergewaltigt und entführt haben, "allein weil sie Israelis waren." Social-Media-Beitrag auf X von Lior Haiat 🇮🇱: "Today we were witness to one of the greatest shows of hypocrisy in history, compounded by a series of false and baseless claims.South Africa, which is functioning as the legal arm of the Hamas terrorist organization, utterly distorted the reality in Gaza following the October 7… pic.twitter.com/82EfD9WeuF" Habeck: Vorgehen Israels in Gaza kein Völkermord Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat den Vorwurf Südafrikas, Israel begehe Völkermord im Gazastreifen, deutlich zurückgewiesen. "Israel Völkermord vorzuwerfen, ist aus meiner Sicht eine komplette Verdrehung von Opfern und Tätern - beziehungsweise falsch", sagte er in Jerusalem. Man könne zwar die israelische Armee für ein zu hartes Vorgehen kritisieren, dies sei aber kein Völkermord, betonte Habeck. "Diejenigen, die Völkermord begehen würden oder wollten, wenn sie könnten", seien die Hamas. Blinken: Israel muss Weg zu palästinensischem Staat ebnen US-Außenminister Antony Blinken fordert von Israel eine Zusammenarbeit mit den Ländern der Region, um den Weg hin zur Gründung eines palästinensischen Staates zu ebnen. Dies sei das beste Mittel, um den Iran zu isolieren, sagte Blinken vor seinem Abflug aus Kairo, wo er den ägyptischen Präsidenten Fattah al-Sisi getroffen hatte. Die US-Regierung sei zudem darauf konzentriert, dass die Lage im Westjordanland nicht eskaliere. London: Südafrikas Genozid-Klage komplett unberechtigt und falsch Der britische Premierminister Rishi Sunak hält Südafrikas Klage gegen Israel wegen angeblicher Verstöße gegen die Völkermordkonvention in Gaza für "komplett unberechtigt und falsch". Das sagte der Sprecher des konservativen Regierungschefs vor Journalisten in London. Er fügte hinzu: "Diese Klage dient nicht der Sache des Friedens. Das Vereinigte Königreich steht zu Israels klarem Recht, sich im Rahmen des Internationalen Rechts zu verteidigen." Rechtsvertreter Südafrikas beschuldigen Israel vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen, die Völkermordkonvention verletzt zu haben. Sie fordern im Eilverfahren einen sofortigen Rechtsschutz für die Palästinenser. Hamas: 23.469 Tote im Gazastreifen Seit dem siebten Oktober sollen bei israelischen Angriffen im Gazastreifen 23.469 Palästinenser getötet und 59.604 verletzt worden. Dies teilte das von der militant-islamistischen Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium im Gazastreifens mit. Frankreichs Marine eskortiert Frachter im Roten Meer Frankreich lässt wegen der Angriffe der Huthi-Rebellen seine Marine französische Handelsschiffe durch das Rote Meer eskortieren. Das gegenwärtige Mandat beinhalte nur den Geleitschutz, nicht direkte Angriffe auf die Huthis, teilte der oberste Kommandeur der Marine, Emmanuel Slaars, mit. Frankreich arbeite bei dem von den USA geführten Einsatz "Prosperity Guardian" zum Schutz der Handelsschifffahrt im Roten Meer intensiv mit. Seine Streitkräfte blieben aber vollständig unter Kontrolle der französischen Regierung. "Der französische Einsatz besteht einerseits darin, die Meeresgebiete zu patrouillieren, in denen die Huthis operieren, um sie aufzuhalten." Diese Patrouillen erfolgten in Abstimmung mit "Prosperity Guardian." "Andererseits eskortieren wir regelmäßig Schiffe unter französischer Flagge oder mit französischen Interessen im Roten Meer. Wir begleiten sie auf ihrer gesamten Überfahrt." Die Huthis haben sich solidarisch mit der islamistischen Hamas erklärt und wiederholt Schiffe angegriffen, die nach ihrer Darstellung in Verbindung mit Israel stehen. Habeck ruft Israel zum Schutz von Zivilisten auf Vizekanzler Robert Habeck hat von der israelischen Regierung verlangt, mehr für den Schutz von Zivilisten im Gazastreifen zu tun. "Ich fordere die israelische Regierung auf, Opfer zu vermeiden, zivile Opfer im Kampf gegen die Hamas, und humanitäre Hilfe, Medizin, Nahrung sicherzustellen für die Menschen, besonders bei einem solchen Wetter", sagte der Grünen-Politiker nach einem Treffen mit seinem israelischen Amtskollegen Nir Barkat im regnerischen Jerusalem. Es drohe nun die Ausbreitung von Seuchen im Gazastreifen. Der Gewinn des Krieges dürfe nicht zum Verlust der Chance auf Frieden führen. Es gehe ihm um die Sicherheit Israels sagte Habeck, der das Recht das Landes auf Selbstverteidigung betonte. Dazu gehöre der Sieg über die Hamas. EuGH-Generalanwalt: Gaza-Flüchtlinge haben neuen Asylgrund Durch die Lage im Gazastreifen haben Palästinenser nach Einschätzung von Nicholas Emiliou, Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), unter Umständen besondere Ansprüche auf Asyl. In die EU geflüchtete Palästinenser könnten geltend machen, dass im Licht der allgemeinen Lebensbedingungen in der umkämpften Enklave der Schutz des UN-Hilfswerks UNRWA weggefallen sei, argumentierte Emiliou. Hiesige Behörden hätten zu berücksichtigen, ob eine Rückkehr dorthin aktuell möglich sei. Antragssteller müssten nicht nachweisen, dass sie individuell besonders durch die Umstände betroffen seien. Emiliou betonte, der Flüchtlingsstatus dürfe dennoch nicht bedingungslos zuerkannt werden, sondern setze eine individuelle Prüfung voraus. Allerdings könne sich ein palästinensischer Asylbewerber, dessen Erstantrag abgelehnt worden sei, in einem zweiten Verfahren auf den fehlenden Schutz durch UNRWA berufen. Nach der einschlägigen EU-Richtlinie wird staatenlosen Palästinensern kein Flüchtlingsstatus zuerkannt, wenn sie bei der UNRWA registriert sind. Dieser Ausschluss gilt jedoch nicht, wenn Schutz oder Hilfe des UN-Hilfswerks "weggefallen" sind. Ein bulgarisches Gericht hatte den EuGH in Luxemburg um Auslegung der Richtlinie gebeten. Die Meinung des Generalanwalts ist nicht bindend, stellt aber eine wichtige Orientierung für das spätere Urteil dar. Südafrika begründet in Den Haag Völkermord-Vorwurf Bei der Anhörung zum Vorwurf des Völkermords gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag hat Kläger Südafrika seine Anschuldigungen begründet. Anwältin Adila Hassim vom juristischen Team Südafrikas sagte vor Gericht, die von den Angriffen Israels im Gazastreifen betroffenen Palästinenser hätten keinen sicheren Zufluchtsort. Sie würden im ihrem Zuhause getötet, aber auch an Orten wie Krankenhäusern, Schulen oder Moscheen und Kirchen, in denen sie Schutz suchten. Palästinenser seien getötet worden, wenn sie israelischen Evakuierungsanordnungen nicht Folge geleistet hätten, aber auch dann, wenn sie sich an von Israel als sicher ausgewiesene Orte begeben hätten. "Das Ausmaß des Tötens" sei so groß, dass Leichen häufig ohne Identifizierung in Massengräbern beigesetzt würden, sagte Hassim. Südafrika versucht darzulegen, dass Israel in seinem Krieg gegen die militant-islamistische Hamas im Gazastreifen Völkermord begehe. Die israelische Regierung hat die Vorwürfe scharf zurückgewiesen. Hisbollah: Haben nur kleinen Teil unserer Fähigkeiten gezeigt Die Hisbollah im Libanon hat nach eigenen Angaben seit Ausbruch des Gaza-Krieges und der Gefechte an der Grenze zu Israel nur einen Bruchteil ihrer Fähigkeiten gezeigt. Der stellvertretende Vorsitzende des Exekutivrats, Ali Damusch, erklärte: "Der Widerstand hat bei seinen Operationen nur einen winzigen Teil seiner Fähigkeiten - nämlich Waffen, Raketen und Fachkenntnisse - eingesetzt." Er fügte hinzu: "Wenn der Feind uns jedoch den Krieg aufzwingt, werden wir ihm all unsere Fähigkeiten und unsere Macht zeigen." Verbreitet wurde die Erklärung am Donnerstagmorgen auf Telegram. Damusch äußerte sich kurz vor der Ankunft des US-Gesandten und Vermittlers Amos Hochstein in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Amos soll zu Verhandlungen zu einem möglichen Waffenstillstand an der israelisch-libanesischen Grenze in den Libanon gereist sein, wie es aus Regierungskreisen hieß. Ex-Geheimdienstchef: Palästinensischen Hoffnungsträger freilassen Eine der großen Fehleinschätzungen Israels ist nach Meinung von Ami Ajalon, Ex-Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, dass die Palästinenser kein Volk seien. Palästinenser definierten sich als Volk und "sind bereit, für ihre Unabhängigkeit zu töten und getötet zu werden", sagte er der Zeitung "Haaretz". Terroristen, die getötet werden, würden in den Augen der Palästinenser zu Märtyrern. Als israelische Strategie für nach dem Krieg sprach sich Ajalon dafür aus, den palästinensischen Hoffnungsträger und Fatah-Politiker Marwan Barghouti freizulassen. Marghouti wurde 2004 wegen der Beteiligung an mehreren Anschlägen zu fünffach lebenslänglicher Haft verurteilt und sitzt seither im Gefängnis. Barghouti sei der einzige Palästinenserführer, "der gewählt werden und eine vereinte und legitime palästinensische Führung auf einen Weg der einvernehmlichen Trennung von Israel führen kann", so Ajalon. Ein entsprechendes Gesamtabkommen mit den Palästinensern müsse gleichzeitig die Rückkehr aller in den Gazastreifen entführten Geiseln beinhalten, so der frühere israelische Marinekommandeur. Anders als frühere Kriege werde die gegenwärtige Gaza-Kampagne "kein Bild des Sieges" haben. Die Rückkehr der Geiseln käme einem solchen Bild allerdings am nächsten. Holocaustforscher verurteilen radikale Forderungen zu Gaza In einem Brief haben mehrere Holocaustforscher aus Israel und dem Ausland den Leiter der Jerusalemer Holocaustgedenkstätte Yad Vashem, Dani Dayan, aufgefordert, einen "unmissverständlichen moralischen Aufruf zur Verurteilung des öffentlichen Diskurses, der zur Ausrottung und zur Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Gaza aufruft", zu verfassen. Das berichtete die Zeitung "Haaretz" am Mittwochabend. Die jüdische und menschliche Geschichte habe gezeigt, dass die Aufstachelung zur Ausrottung unter Verwendung einer entmenschlichenden Sprache oft ein erster Schritt hin zu Verbrechen sei, "die das Stadium des Völkermords erreichen können". Sie bezeichneten diese Lehre als einer der wichtigsten, die die Menschheit aus dem Holocaust gezogen und in internationale Konventionen aufgenommen habe. Dies sei Teil des Aufrufs "Nie wieder", in dessen Geist Gedenkorganisationen wie Yad Vashem ihre Aufklärungsarbeit leisteten. Unterzeichnet wurde der Brief laut Bericht unter anderem von Wissenschaftlern der Hebräischen Universität Jerusalem, den Universitäten Tel Aviv und Haifa sowie der Ben-Gurion-Universität. Israels Militär weitet Einsatz in Chan Yunis aus Die israelische Armee weitet ihre Einsätze in Chan Yunis im Süden des Gazastreifens nach eigenen Angaben über und unter der Erde aus. Bisher seien allein im Bereich von Chan Yunis mehr als 300 Tunneleingänge und mehr als 100 Tunnel zerstört worden, teilte das Militär mit. Dabei habe man auch Terroristen getötet. In einem offensichtlich mit großem finanziellen Aufwand gebauten Tunnel unter der Stadt seien zuvor israelische Geiseln festgehalten worden, hieß es in der Mitteilung ohne weitere Angaben. Die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas erklärte, mindestens 62 Menschen seien bei Angriffen in der Nacht getötet worden. Brigadegeneral Dan Goldfus sagte nach Angaben der "Times of Israel", die Armee habe ihre Strategie inzwischen angepasst. Während man anfangs nur die Eingänge zu den Tunneln aufgespürt und zerstört habe, schicke man jetzt Soldaten hinein. Der Kern der Hamas befinde sich im Untergrund. "Dort werden wir sie besiegen." Die Führung der Hamas um Jihia al-Sinwar wird von der Armee im Tunnelnetzwerk im Bereich von Chan Yunis vermutet. Prozess in Den Haag begonnen Begleitet von Demonstrationen hat vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag die Anhörung zur Völkermord-Klage gegen Israel begonnen. Zum ersten Mal stellt sich Israel der Klage Südafrikas zum Gaza-Krieg. Die Rechtsvertreter Südafrikas beschuldigen Israel vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen, die Völkermordkonvention verletzt zu haben. Sie fordern im Eilverfahren einen sofortigen Rechtsschutz für die Palästinenser. Demnach sollen die Richter das Ende der militärischen Handlungen anordnen. Frachtmenge im Roten Meer bricht ein Infolge der Angriffe der jemenitischen Huthi auf Schiffe im Roten Meer ist die Frachtmenge auf der wichtigen Handelsstraße eingebrochen. "Die dort transportierte Menge an Containern brach um über die Hälfte ein und liegt aktuell fast 70 Prozent unter dem eigentlich zu erwartenden Aufkommen", erklärte das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IFW). Spürbare Folgen für Verbraucher in Europa erwarten die Experten jedoch nicht. Die vom Iran unterstützten Huthi greifen seit dem Beginn des Gaza-Kriegs Anfang Oktober Frachtschiffe im Roten Meer an. Viele Reedereien haben deshalb den Verkehr durch das Rote Meer eingestellt oder eingeschränkt und leiten Schiffe um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika um. USA weisen Völkermordvorwürfe gegen Israel zurück Die USA haben Vorwürfe Südafrikas, Israel begehe einen Völkermord, zurückgewiesen. "Tatsächlich sind es diejenigen, die Israel gewaltsam angreifen, die weiterhin offen die Vernichtung Israels und den Massenmord an Juden fordern", sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matt Miller. Er betonte das "Recht Israels, sich gegen die terroristischen Akte der Hamas zu verteidigen." In Den Haag soll am Vormittag die Anhörung der Anschuldigungen Südafrikas vor dem Internationalen Gerichtshof beginnen. Abgeordnete aus 28 Ländern senden Appell zur Waffenruhe Knapp 400 Abgeordnete aus 28 Ländern haben einen Aufruf zu einer sofortigen Waffenruhe im Gaza-Krieg gestartet. Dahinter stehen die ehemalige Linken-Politikerin Sevim Dagdelen und die US-Demokratin Ilhan Omar. In Deutschland unterzeichneten auch die SPD-Politiker Ralf Stegner und Nina Scheer, international unter anderen der ehemalige britische Labour-Chef Jeremy Corbyn sowie Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus den USA, vielen EU-Staaten sowie weiteren Ländern. In dem Appell heißt es: "Wir schließen uns als Abgeordnete aus der ganzen Welt zusammen, um eine sofortige, multilaterale Waffenruhe in Israel und Palästina, die Freilassung aller verbleibenden israelischen und internationalen Geiseln und die Erleichterung der Einfuhr von humanitärer Hilfe nach Gaza zu fordern. Darüber hinaus rufen wir unsere jeweiligen Regierungen und die internationale Gemeinschaft dazu auf, das Völkerrecht einzuhalten und schwere Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen." Israelische Armee: Getötete Journalisten waren Mitglieder von Terrororganisationen Die israelische Armee hat zwei bei einem Luftangriff im Gazastreifen getötete palästinensische Journalisten des Fernsehsenders Al-Dschasira als Mitglieder von "Terrororganisationen" bezeichnet. Geheimdienstinformationen hätten bestätigt, dass Hamsa Wael Dahduh und Mustafa Thuria im Gazastreifen ansässigen Terrororganisationen angehört hätten, erklärte die Armee. Thuria habe der Brigade der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas in Gaza-Stadt angehört und Dahduh dem Islamischen Dschihad. Vor dem tödlichen Luftangriff am Sonntag hätten die beiden Männer Drohnen bedient, die eine direkte Gefahr für israelische Soldaten dargestellt hätten, erklärte die Armee weiter. Netanyahu: Keine dauerhafte Besetzung des Gazastreifens Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat sich erstmals öffentlich gegen Forderungen rechtsgerichteter Regierungsmitglieder ausgesprochen, die Palästinenser sollten den Gazastreifen freiwillig verlassen und Platz für Israelis machen. "Ich möchte einige Punkte absolut klarstellen: Israel hat nicht die Absicht, den Gazastreifen dauerhaft zu besetzen oder die Zivilbevölkerung zu vertreiben", erklärte Netanyahu auf der Social-Media-Plattform X. Obwohl dies die offizielle Politik Israels ist, waren Netanyahus frühere Äußerungen zur dauerhaften Besetzung des Gazastreifens widersprüchlich und mitunter undurchsichtig. UN-Sicherheitsrat fordert per Resolution Ende der Huthi-Angriffe Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die Huthi-Rebellen im Jemen aufgerufen, ihre Angriffe auf Schiffe im Roten Meer unverzüglich einzustellen. Dies geht aus einer Resolution des Sicherheitsrates hervor, die mit elf Ja-Stimmen, keiner Gegenstimme und vier Enthaltungen angenommen wurde. Gleichzeitig werden die Huthi aufgefordert, die am 19. November von der Gruppe beschlagnahmte japanische "Galaxy Leader", die mit einem israelischen Geschäftsmann in Verbindung steht, samt Besatzung freizugeben. Die Resolution unterstützt die von den USA geführte Task Force zur Verteidigung der Schiffe, warnt aber gleichzeitig vor einer Eskalation der Spannungen. Die Resolution ist nach Ansicht von Mohammed Ali al-Huthi, Chef des Obersten Revolutionskomitees der Huthis im Jemen, ein "politisches Spiel". Es seien die USA, die das Völkerrecht verletzten, behauptete er. Der Liveblog vom Mittwoch zum Nachlesen Eine israelische Delegation ist zu Verhandlungen über eine Freilassung weiterer Hamas-Geiseln in Kairo eingetroffen. Bundesaußenministerin Baerbock sieht keine Völkermord-Absichten beim israelischen Vorgehen im Gazastreifen. Die Entwicklungen vom Mittwoch zum Nachlesen.
/newsticker/liveblog-israel-donnerstag-128.html
2024-01-11
Zweifel an baldiger Zinswende
Deutliche Kursverluste im DAX
An den Aktienmärkten schwindet die Hoffnung auf rasche Zinssenkungen, zu hartnäckig ist die US-Inflation. Die DAX-Anleger nehmen Reißaus, gelassener fällt die Reaktion an der Wall Street aus.
An den Aktienmärkten schwindet die Hoffnung auf rasche Zinssenkungen, zu hartnäckig ist die US-Inflation. Die DAX-Anleger nehmen Reißaus, gelassener fällt die Reaktion an der Wall Street aus. Die Hoffnungen der Anleger auf baldige Zinssenkungen haben heute einen herben Dämpfer erhalten, hat sich doch in den USA der Preisauftrieb zum Jahresschluss überraschend deutlich beschleunigt. Die Verbraucherpreise stiegen im Dezember gegenüber dem Vorjahresmonat um 3,4 Prozent. Die Kerninflation, also die Teuerung ohne die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise, erwies sich mit 3,9 Prozent als erstaunlich hartnäckig. Experten: Erste Zinssenkung erst im Mai "Die anhaltende US-Inflation verringert die Chancen einer baldigen Zinssenkung der Fed", sagte ING-Ökonom James Knightley. Auch die Commerzbank-Ökonomen Christoph Balz und Bernd Weidensteiner sind überzeugt: Argumente für eine rasche Zinssenkung lieferten die heutigen Daten nicht. "Die US-Notenbank wird nicht riskieren wollen, dass die durch die raschen Zinserhöhungen gewonnene Glaubwürdigkeit Schaden nimmt, wenn man die Zinsen bereits senkt, bevor sich die Inflation nachhaltig dem Zwei-Prozent-Ziel annähert", erklärten die Commerzbank-Experten, die erst für Mai mit einer Leitzinssenkung durch die US-Notenbank Fed rechnen. DAX ist angeschlagen Der DAX gab nach Veröffentlichung der US-Inflationsrate seine Gewinne komplett ab und drehte ins Minus. Zum XETRA-Schluss stand ein Minus von 0,9 Prozent auf 16.547 Punkte. Aus charttechnischer Perspektive schmerzt dabei vor allem der Rückfall unter das Tief vom Dezember bei 16.626 Punkten - das könnte jetzt eine neue Abwärtsrunde in Gang setzen. Das Risiko, dass das deutsche Börsenbarometer nun wieder an seinen verkorksten Jahresauftakt anknüpft, ist mit dem heutigen Handelstag jedenfalls wieder gestiegen. Dow Jones kann Verluste egalisieren An der Wall Street konnten die großen Indizes ihre zwischenzeitigen Verluste hingegen bis zum Handelsschluss wieder wettmachen. Der Leitindex Dow Jones, der zum Auftakt noch kurz über 37.800 Punkte auf ein Rekordhoch gestiegen war, schloss nahezu unverändert bei 37.711 Punkten. Der technologielastige Nasdaq 100 konnte sogar ein kleines Plus einfahren und gewann 0,2 Prozent auf 16.821 Zähler. Dollar wieder im Aufwind Auch am Devisenmarkt haben die gesunkenen Zinssenkungserwartungen der Marktteilnehmer Spuren hinterlassen. Der Dollar wurde gestärkt, parallel dazu drehte der Euro ins Minus. Am Abend kostet die europäische Gemeinschaftswährung 1,0961 Dollar und damit 0,1 Prozent weniger als am Vortag. Türkische Lira fällt auf Rekordtief Unter Druck stand heute die türkische Lira, deren Kurs im Tagesverlauf auf ein Rekordtief zum Dollar und zum Euro gefallen war. Für einen Dollar mussten Anleger 30,01 Lira zahlen, für einen Euro 33,10 Lira - und damit jeweils so viel wie noch nie. Die türkische Währung wird unter anderem durch eine hohe Inflation belastet und hatte bereits in den vergangenen Monaten stark an Wert verloren. Bitcoin-Turbulenzen nach SEC-Entscheid Der Bitcoin-Kurs ist nach anfänglichen Gewinnen auf unter 46.000 Dollar zurückgefallen. Zuvor hatte die älteste und bekannteste Kryptowährung erstmals seit Dezember 2021 zeitweise mehr als 49.000 Dollar gekostet. Die Wertpapieraufsicht SEC hatte zur Wochenmitte den Weg freigemacht für börsengehandelte Bitcoin-Fonds. Damit dürfte der Zugang zu Bitcoin-Investitionen sowohl für Privatanleger als auch für institutionelle Investoren verbessert werden, erklärte die Deutsche-Bank-Analystin Marion Laboure. Öltanker gekapert - Ölpreise springen hoch Für die Ölpreise ging es heute kräftig bergauf. Der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent stieg um 1,2 Prozent auf 77,72 Dollar. Hintergrund ist ein Vorfall im Golf von Oman. Dort wurde ein griechischer Öltanker von Bewaffneten gekapert. Mittlerweile meldete der Iran die "Beschlagnahme" des Tankers. Spanische Börsenaufsicht ermittelt gegen Deutsche Bank Größter Kursverlierer im DAX war heute die Aktie der Deutschen Bank mit einem Abschlag von 4,3 Prozent. Die spanische Börsenaufsicht CNMV hat ein Disziplinarverfahren gegen das größte deutsche Geldhaus eingeleitet. Beanstandet werden Beratungsleistungen für spanische Kunden bei hochkomplexen und hochgradig risikobehafteten Währungs-Finanzderivaten, wie die Comisión Nacional del Mercado de Valores (CNMV) mitteilte. Bester DAX-Wert war die Rheinmetall-Aktie mit plus 0,7 Prozent, die sich wieder ihrem Rekordhoch vom Dienstag näherte. Airbus erzielt Auftragsrekord, Boeing hat das Nachsehen Der weltgrößte Flugzeugbauer Airbus hat seinen kriselnden Konkurrenten Boeing im vergangenen Jahr erneut weit hinter sich gelassen. Trotz angespannter Lieferketten übergab der europäische Hersteller 735 Verkehrsflugzeuge an seine Kunden, wie er am Abend in Toulouse mitteilte. Das waren über 200 mehr als Boeing und 15 mehr als von Airbus-Chef Guillaume Faury angepeilt. Auch der Auftragsbestand erreichte mit fast 8.600 Flugzeugen einen Rekordwert. Mit Bestellungen über mehr als 2.000 Jets stellte Airbus zudem einen Branchenrekord auf. Kehrt TUI im Juni in den MDAX zurück? Zehn Jahre nach der Abwanderung von TUI an die Londoner Börse dürfte die Aktie des größten europäischen Reiseveranstalters in den MDAX zurückkehren. Das jedenfalls erwartet Analyst Pankaj Gupta von der US-Bank JPMorgan laut einer heute vorliegenden Studie. Nach dem Wechsel in den Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse am 8. April - vorbehaltlich der Zustimmung der Aktionäre - könne TUI voraussichtlich im Juni in den MDAX aufgenommen werden. Audi holt beim Absatz auf Auto-Aktien standen nach Absatzzahlen im Fokus. Der nach BMW und Mercedes-Benz drittplatzierte deutsche Premium-Hersteller Audi holt auf: Die Volkswagen-Tochter schlug im vergangenen Jahr mit fast 1,9 Millionen Wagen 17 Prozent mehr los. Mercedes verliert Anschluss an BMW Dagegen stagnierte 2023 der Absatz bei Mercedes-Benz bei 2,04 Millionen Pkw. Engpässe in der Lieferkette, vor allem bei Modellen mit moderner 48-Volt-Bordelektrik, dämpften die Verkäufe im volumenstarken Kernsegment etwa beim SUV-Modell GLC. Die Marke mit dem Stern fällt damit weiter als Nummer Zwei hinter den globalen Marktführer für Premiumwagen BMW zurück. Die Münchner steigerten den Absatz im vergangenen Jahr um 7,3 Prozent auf 2,3 Millionen Autos Siemens setzt auf Ladesäulen für Elektro-Lkw Die Übernahme der niederländischen Heliox soll dem Geschäft von Siemens mit Ladesäulen für Elektro-Lkw- und -Busse einen kräftigen Schub verleihen. "Da gibt es riesiges Wachstum und ein riesiges Potential", sagte der für die Sparte Smart Infrastructure zuständige Vorstand Matthias Rebellius der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir peilen definitiv hohe zweistellige Wachstumsraten an und werden unter den 'Top drei' weltweit sein." Rational komfortabel an MDAX-Spitze Im MDAX lag die Rational-Aktie mit einem Plus von über sechs Prozent vorn. Der Großküchenausrüster hat dank eines starken Schlussquartals im vergangenen Jahr besser abgeschnitten als erwartet. So stieg der Umsatz 2023 um zehn Prozent auf gut 1,13 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) verbesserte sich um 17 Prozent auf rund 277 Millionen Euro. Redcare-Aktie weiter unter Druck Zu den größten MDAX-Verlierern gehörte derweil das Papier von Redcare Pharmacy mit einem Abschlag von rund vier Prozent. Tags zuvor hatte das Papier der Online-Apotheke trotz der Vorlage überraschend starker Quartalszahlen bereits fast zehn Prozent eingebüßt. Auslöser war eine Abstufung durch Warburg Research gewesen. Analyst Michael Heider sieht vorerst keine neuen Kurstreiber mehr. Verbio-Aktie bricht nach Herabstufung ein Im SDAX brach der Anteilschein des Biosprit-Herstellers Verbio um 13,1 Prozent ein. Die Deutsche Bank stufte die Aktie um gleich zwei Stufen von "Buy" auf "Sell" ab. Ähnlich stark wie Verbio sackte das Papier des Biotechunternehmens Morphosys mit einem Minus von 12,9 Prozent ab. Positive Einschätzungen von Analysten verhalfen dagegen Süss Microtec an die SDAX-Spitze mit 6,1 Prozent. Xing-Mutter New Work streicht Jobs Das Mutterunternehmen des Karrierenetzwerks Xing, New Work SE, baut Hunderte Stellen ab. Nach Angaben von New-Work-Chefin Petra von Strombeck im firmeneigenen "NWX-Magazin" geht es um rund 400 Arbeitsplätze. Dem börsennotierten Unternehmen mit rund 2.000 Mitarbeitern zufolge wolle man sich künftig auf die Plattform-Marken Xing und kununu konzentrieren. Sancho-Wechsel zum BVB perfekt Der Wechsel von Jadon Sancho zu Borussia Dortmund ist perfekt. Der englische Nationalspieler von Manchester United wechselt auf Leihbasis bis zum Sommer zum Fußball-Bundesligisten. Die Verpflichtung des 23 Jahre alten Angreifers, der in Manchester noch bis zum 30. Juni 2026 unter Vertrag steht, soll nach Medienangaben insgesamt etwa vier Millionen Euro kosten. Südzucker dank hoher Zuckerpreise mit Zuwächsen Der Südzucker-Konzern kann weiter auf das gut laufende Zuckergeschäft bauen. Im dritten Geschäftsquartal (Ende November) zog der Konzernumsatz im Jahresvergleich um knapp neun Prozent auf 2,7 Milliarden Euro an. Das operative Ergebnis kletterte um fast 22 Prozent auf 268 Millionen Euro. Tesla muss Großteil der Fertigung in Grünheide stoppen Tesla muss einen Großteil seiner Fahrzeugfertigung im brandenburgischen Werk Grünheide vom 29. Januar bis zum 11. Februar unterbrechen. Grund für die Maßnahme sei das Fehlen von Bauteilen aufgrund von Verschiebungen der Transportrouten wegen des bewaffneten Konflikts im Roten Meer, teilte der E-Autohersteller am Abend mit. Durch die erheblich längeren Transportzeiten entstehe eine Lücke in den Lieferketten. Microsoft löst Apple zeitweise als wertvollstes Unternehmen ab Microsoft hat Apple zeitweise als wertvollstes börsennotiertes Unternehmen der Welt überholt. "Es war unvermeidlich, dass Microsoft Apple überholen würde", sagte Gil Luria, Analyst beim Vermögensverwalter D.A. Davidson. Der von Bill Gates gegründete Konzern wachse schneller und sei besser in der Lage, vom Boom um die Künstliche Intelligenz (KI) zu profitieren. US-Luftfahrtbehörde ermittelt gegen Boeing Nach dem Zwischenfall mit einer Boeing-Maschine, bei der im Flug ein Rumpfteil herausbrach, hat die US-Luftfahrtbehörde FAA Ermittlungen gegen den Konzern eingeleitet. Die Umstände wiesen darauf hin, dass der Flugzeugbauer möglicherweise seine Pflichten bei Produktion, Inspektionen und Tests vernachlässigt habe, hieß es in einem heute veröffentlichten Brief an Boeing. Das Unternehmen bekam zehn Werktage Zeit, dazu Stellung zu beziehen. Rückstellungen bei Citigroup drücken Aktie Die US-Großbank Citigroup gab Kosten und Rückstellungen in Höhe von 3,8 Milliarden Dollar bekannt und setzte damit ihre Aktien unter Druck. Im Sog der Citigroup gaben auch Papiere der Konkurrentinnen JP Morgan, Bank of America und Wells Fargo nach. Alle vier Banken werden morgen ihre Zahlen zum vierten Quartal veröffentlichen und damit die Berichtssaison an der Wall Street öffnen. Hertz will Elektroautos verkaufen - und Verbrenner kaufen Der Autovermieter Hertz will ein Drittel seiner weltweiten Elektroauto-Flotte verkaufen - und den Erlös zum Teil in den Kauf von Verbrennern stecken. Man wolle damit das Angebot an die Nachfrage anpassen, teilte Hertz mit. Es haben sich als schwieriger als erwartet herausgestellt, die höheren Kosten rund um den Betrieb von Elektroautos zu drücken, sagte Hertz-Chef Stephen Scherr dem Finanzdienst Bloomberg.
/wirtschaft/finanzen/marktberichte/marktbericht-dax-dow-fed-zinsen-aktien-geldanlage-104.html
2024-01-11
Redebedarf drinnen - Stillschweigen draußen
Scholz stellt sich der SPD-Fraktion
Schlechte Umfragewerte, Meinungsverschiedenheiten, Bauernproteste - Kanzler Scholz hat sich den Fragen der SPD-Bundestagsfraktion über die schwierige Lage der Partei und der Ampel-Regierung gestellt.
Schlechter Umfragewerte, Meinungsverschiedenheiten, Bauernproteste - Kanzler Scholz hat sich den Fragen der SPD-Bundestagsfraktion über die schwierige Lage der Partei und der Ampel-Regierung gestellt. In einer dreistündigen Aussprache hat die SPD-Bundestagsfraktion auf ihrer Klausurtagung mit Bundeskanzler Olaf Scholz über die aktuelle Lage beraten. Über die Inhalte hatten die 207 Abgeordneten bereits vorher Stillschweigen vereinbart. SPD-Chefin Saskia Esken sagte anschließend lediglich, die Aussprache sei "sehr solidarisch, sehr angemessen, sehr beseelend" verlaufen.  Kritik aus eigenen Reihen Zuvor hatte es aus der SPD offene Kritik am Zustand von Partei und Regierung gegeben. Der Bochumer Abgeordnete Axel Schäfer, der seit mehr als 20 Jahren im Bundestag sitzt, schrieb in einem Brandbrief an die Fraktion, über den mehrere Medien berichteten: "Es geht heute um die Existenz der SPD als Mitgliederpartei und als mehrheitsfähige und mehrheitswillige Kraft in unserem Land." Vor einer solchen Situation habe die Partei "noch nie gestanden". Auch der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer schlug Alarm. "Die Lage der SPD ist derzeit wie die allgemein politische Lage im Land: massiv von Krisen gebeutelt und zutiefst besorgniserregend", sagte er dem "Handelsblatt". "Weder die Ampel noch die SPD als führende Partei werden aktuell mit einer positiven Vision für das Land verbunden." Die Aussprache mit Scholz dauerte doppelt so lang wie geplant. Der Kanzler selbst äußerte sich anschließend auch nicht inhaltlich, sagte beim Verlassen der Sitzung zu den wartenden Journalisten nur: "Schön, dass ihr da seid." Scholz und die SPD stecken zwei Jahre nach ihrem Wahlsieg von 2021 und zu Beginn eines Superwahljahrs mit Europawahl und drei Landtagswahlen tief im Umfragekeller fest. Mit der Arbeit des Regierungschefs Scholz sind laut jüngstem ARD-DeutschlandTrend nur noch 19 Prozent zufrieden. Das ist der niedrigste Wert für einen Kanzler oder eine Kanzlerin seit Beginn dieser Erhebungen 1997. Vor der Aussprache hatte die Fraktion mehrere Positionspapiere beschlossen, darunter eins, in dem eine Reform der Schuldenbremse gefordert wird - ein Schritt, der vom Koalitionspartner FDP abgelehnt wird. "Die derzeit starren Regeln sind ein Wohlstandsrisiko für jetzige und kommende Generationen, indem sie nicht genügend Spielräume für starke Zukunftsinvestitionen ermöglichen", heißt es in dem Beschluss. Weiteres wichtiges Thema war der Kampf gegen den Rechtsextremismus. Nach dem Potsdamer Treffen rechtsradikaler Kreise mit AfD-Funktionären forderte Fraktionschef Rolf Mützenich alle Demokraten dazu auf, sich diesem "rechten Sumpf" entgegenzustellen. Die Zusammenkunft sei "auf einen Umsturz in Deutschland" ausgerichtet gewesen und bedürfe eine "Antwort der Demokraten und der Anständigen".
/inland/innenpolitik/scholz-spd-fraktion-104.html
2024-01-11
Frankreichs neues Kabinett steht
Mannschaft von Premier Attal
Zwei Tage nach dem Amtsantritt des neuen französischen Premierministers Attal bekommt Frankreich eine neue Regierung - mit vielen vertrauten Gesichtern. Einen Wechsel gibt es aber im Außen- und Kulturministerium.
Zwei Tage nach dem Amtsantritt des neuen französischen Premierministers Attal bekommt Frankreich eine neue Regierung - mit vielen vertrauten Gesichtern. Einen Wechsel gibt es aber im Außen- und Kulturministerium. Im Zuge der Regierungsumbildung in Frankreich hält Präsident Emmanuel Macron an vielen bekannten Politikern des bisherigen Kabinetts fest. Bruno Le Maire bleibt Wirtschafts- und Finanzminister und Gérald Darmanin Chef des Innenressorts, wie der Élyséepalast am Abend in Paris mitteilte. Verteidigungsminister bleibt Sébastian Lecornu und das Justizressort führt weiter Éric Dupond-Moretti. Einen Wechsel gibt es allerdings im Außenministerium: Stéphane Séjourné, Generalsekretär von Macrons Partei Renaissance und ehemaliger Präsidentenberater, löst Catherine Colonna ab. Macron holt ehemalige Ministerin zurück Einen Wechsel gibt es auch an der Spitze des Kulturministeriums. Dieses leitet künftig Rachida Dati, die von 2007 bis 2009 Justizministerin war und der konservativen Oppositionspartei Les Républicains angehört. Sie folgt auf Rima Abdul Malak, die in der Affäre um Schauspielstar Gérard Depardieu, dem Sexismus und sexueller Missbrauch vorgeworfen wird, angeeckt war. Sie hatte Depardieu als eine "Schande für Frankreich" bezeichnet, während Macron den Schauspieler teilweise in Schutz nahm. Am Dienstag hatte Macron den bisherigen Bildungsminister Gabriel Attal zum neuen Premierminister ernannt. Zuvor war die Mitte-Regierung von Élisabeth Borne auf Druck des Präsidenten zurückgetreten. Das Bildungsressort übernimmt nun zusätzlich Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra. Seit den Parlamentswahlen 2022 hat Macrons Lager in der Nationalversammlung keine absolute Mehrheit mehr und ist auf Stimmen der Opposition angewiesen. Mit der neuen Regierung will Macron sein eigenes Lager einen und gestärkt in die Europawahl gehen, bei der Marine Le Pens Rechtsnationale sein Lager deutlich zu überholen drohen.
/ausland/europa/frankreich-regierung-110.html
2024-01-11
Iran meldet "Beschlagnahme" von Tanker
Vorfall im Golf von Oman
Ein griechischer Tanker ist im Golf von Oman gekapert worden. Die iranische Nachrichtenagentur IRNA sprach von einer "Beschlagnahme" durch die iranische Marine. Das Schiff stand im Mittelpunkt eines Konflikts zwischen dem Iran und den USA.
Ein griechischer Tanker ist im Golf von Oman gekapert worden. Die iranische Nachrichtenagentur IRNA sprach von einer "Beschlagnahme" durch die iranische Marine. Das Schiff stand im Mittelpunkt eines Konflikts zwischen dem Iran und den USA. Ein Öltanker ist nach Angaben der britischen Marinebehörde UKMTO in den Gewässern 50 Seemeilen östlich von Oman gekapert worden. Bewaffnete hätten das unter der Flagge der Marshall-Inseln fahrende Schiff geentert, teilte UKMTO mit.   Die staatliche Nachrichtenagentur IRNA berichtete von einer Beschlagnahme durch die iranische Marine. Grundlage dafür sei ein Gerichtsbeschluss gewesen. Die Islamische Republik behauptete demnach, mit dem Schiff sei iranisches Öl gestohlen worden. Die "St. Nikolas" sei schließlich in Richtung eines iranischen Hafens geleitet worden. In iranischen Staatsmedien wurde der Tanker unter Berufung auf eine Mitteilung der iranischen Armee als amerikanisches Schiff bezeichnet. IRNA News Agency auf X: „The Navy of the Islamic Republic of #Iran announced the seizure of an American oil tanker in the Sea of ​​Oman. https://t.co/SzzOyUP5AW“ / X (twitter.com) USA fordern sofortige Freigabe Die USA fordern vom Iran die sofortige Freigabe des Öltankers. "Die iranische Regierung muss das Schiff und seine Besatzung unverzüglich freilassen", sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums. "Vom Iran verantwortete oder unterstützte provokative Maßnahmen wie diese sind eine Bedrohung für die Weltwirtschaft und müssen aufhören." Es handle sich um eine "rechtswidrige Beschlagnahmung eines Handelsschiffs". Die USA arbeiteten weiter daran, "dem gesamten Spektrum des besorgniserregenden und destabilisierenden Verhalten des Irans" entgegenzutreten. Kontakt zum Schiff abgebrochen Die auf Sicherheit auf See spezialisierte britische Firma Ambrey erklärte, das Ortungssystem des Tankers sei ausgeschaltet worden, als er in Richtung des iranischen Hafens Bandar e-Dschask unterwegs war. Der Tanker war im irakischen Hafen Basra beladen worden und unterwegs zum türkischen Hafen Aliaga.  Die Bewaffneten hätten schwarze Uniformen und Masken getragen, teilte UKMTO mit. Der leitende Sicherheitsoffizier des Tankers habe noch mitgeteilt, das Schiff habe seinen Kurs in Richtung iranischer Hoheitsgewässer geändert. Danach sei der Kontakt abgebrochen. Die in der Region aktive Fünfte Flotte der US-Marine nahm zu den Angaben bisher nicht Stellung.  Der Tanker war 2023 offenbar in Ölschmuggel verwickelt Der Tanker war 2023 von der US-Marine wegen Missachtung von Sanktionen beschlagnahmt worden und hieß damals "Suez Rajan". Den iranischen Revolutionsgarden warfen die USA damals vor, mit dem Tanker Öl nach China schmuggeln zu wollen. Sie konfiszierten 980.000 Fass Öl. Nach dem Entladen des Rohöls wurde das Schiff in "St. Nikolas" umbenannt. Der Vorfall trägt zur Verunsicherung der Handelsschifffahrt in der Region bei. Die von Iran unterstützten Huthi-Rebellen greifen seit Oktober Frachter im Roten Meer an, um damit den Kampf der radikal-islamistischen Hamas im Gazastreifen zu unterstützen. Sie konzentrieren ihre Attacken auf die Meerenge Bab al-Mandab am Übergang des Roten Meeres in das Arabische Meer. Der Tanker wurde viel weiter östlich gekapert, unweit der Straße von Hormus, die den Persischen Golf mit dem Arabischen Meer verbindet.
/ausland/asien/tanker-gekapert-oman-102.html
2024-01-11
Faschistische Grüße und Melonis Schweigen
Nach Aufmarsch in Rom
In Rom haben Hunderte bei einem Aufmarsch den faschistischen Gruß gezeigt. Italiens Ministerpräsidentin Meloni schweigt bislang beharrlich dazu - und wird deswegen auch von der jüdischen Gemeinde angegriffen. Von Jörg Seisselberg.
In Rom haben Hunderte bei einem Aufmarsch den faschistischen Gruß gezeigt. Italiens Ministerpräsidentin Meloni schweigt bislang beharrlich dazu - und wird deswegen auch von der jüdischen Gemeinde angegriffen Von Jörg Seisselberg Noemi Di Segni ist keine, die vor Kameras und Mikrofone drängt. Jetzt aber hat sich die eher zurückhaltende Präsidentin der Jüdischen Gemeinden in Italien zu Wort gemeldet: um zu kritisieren, dass die Regierung und vor allem Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zu den Vorfällen bei einer Gedenkfeier in Rom schweigen, als Hunderte Rechtsextremisten mit gestrecktem Arm den faschistischen Gruß zeigten, in Deutschland Hitlergruß genannt. Di Segnis Botschaft an die Verantwortlichen in Rom: "Ich appelliere an alle, die ein Regierungsamt bekleiden, diese Tat zu verurteilen." Der Vorfall müsste eingeordnet werden "als eine gefährliche Sehnsucht", sagte Di Segni, und verwies auf die heute notwendige Verantwortung. Unklares Verhältnis zum faschistischen Erbe Für Meloni, die ihre politische Karriere in einer neofaschistischen Organisation begonnen hat, ist es eine schmerzhafte Kritik. Seit Beginn ihrer Amtszeit sucht die Ministerpräsidentin demonstrativ die Nähe zur jüdischen Gemeinde, hat mehrfach die Judenverfolgung verurteilt. Jetzt aber sieht sich Meloni mit dem Vorwurf konfrontiert, sie schweige, weil sie immer noch ein unklares Verhältnis zur Geschichte des Faschismus habe. Die Opposition machte, zum ersten Mal seit Meloni im Amt ist, offensiv die politische Vergangenheit der Ministerpräsidentin zum Thema im Parlament. Elly Schlein, Vorsitzende des sozialdemokratischen PD, klagte an: "Das Schweigen der Ministerpräsidentin Meloni ist peinlich. Sie schafft es nicht, die Vorfälle zu verurteilen." Die Regierungschefin, urteilte Schlein, sei "eine Gefangene ihrer Vergangenheit, von der sie sich weiterhin nicht distanzieren will". Debatte im Europaparlament beantragt Die Sozialisten haben beantragt, auch im Europaparlament solle aus Anlass des Vorfalls in Rom über die europaweite Gefahr des Neofaschismus debattiert werden. Die Bilder aus Italiens Hauptstadt, sagt Schlein, erschreckten immer noch, auch mit fünf Tagen Abstand. Hunderte, meist junge Männer im faschistischen Schwarz, die militärisch aufgereiht "presente" (deutsch: anwesend) rufen, wie es im Faschismus üblich war. Ein gruseliger Rückfall in dunkle Vergangenheit, findet die Sozialdemokratin: "Ein regelrechter Aufmarsch von Hunderten Männern, aufgestellt wie in einer Schlachtreihe." Das seien Bilder, meinte Schlein im Parlament, "die nicht wie aus dem Jahr 2024 wirken, sondern wie aus dem Jahr 1924, voll im faschistischen Regime". Anzeigen gegen Beteiligte Der Aufmarsch im römischen Stadtteil Tuscolano war laut Medienberichten von der neofaschistischen Organisation Casapound organisiert - aus Anlass einer Gedenkfeier für neofaschistische Opfer linker Terroristen Ende der 1970er-Jahre. Innenminister Matteo Piantedosi sagte im Parlament, die Polizei habe bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen fünf Mitglieder von Casapound erstattet. Rund 150 weitere Teilnehmer des Aufmarsches seien identifiziert worden, darunter auch Personen aus Deutschland und Russland. Am Abend hieß es, die Staatsanwaltschaft Rom habe gegen insgesamt 15 Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Hunderte zum faschistischen Gruß erhobenen Arme bezeichnete Piantedosi im Parlament als "Gesten und Symbole, die eine Epoche repräsentieren, die von der Geschichte verurteilt wurde". Diskussionen über Verbote und Gesetzesänderungen Die Forderung der Opposition, neofaschistische Gruppen in Italien aufzulösen, lehnte Melonis Innenminister ab - und anderem mit dem Hinweis auf die damit verbundenen juristischen Schwierigkeiten und die Vorgängerregierungen, die auch nie etwas unternommen hätten, um diese Organisationen zu verbieten. Erneut diskutiert wird in Italien darüber, ob die Gesetze zum sogenannten faschistischen Gruß ausreichen. Der gestreckte Arm, in Italien auch römischer Gruß genannt, ist nur strafbar, wenn er in einem Kontext einer Volksverhetzung erfolgt, beispielsweise mit dem Ziel, die faschistische Partei wieder aufzubauen. In den vergangenen Jahren hat es aufgrund dieser Gesetzeslage mehrere Freisprüche gegeben - weil die Richter der Ansicht waren, der faschistische Gruß sei in einem nicht strafbaren Zusammenhang gezeigt worden. Der Versuch eines jüdischen Abgeordneten des sozialdemokratischen PD vor sechs Jahren, den faschistischen Gruß in Italien ohne Ausnahme zu verbieten, ist gescheitert. Die Gegenrede zum Gesetzesvorschlag hielt damals im Parlament der heutige Senatspräsident und Meloni-Vertraute Ignazio La Russa. Im Laufe seiner Rede streckte er provokativ den Arm zum faschistischen Gruß - und wurde dafür nie belangt.
/ausland/europa/meloni-faschisten-italien-100.html
2024-01-11
Wo Mussolini noch verehrt wird
Predappio in Italien
Mussolinis Geburtsort Predappio ist eine Kultstätte für die Anhänger des italienischen Faschisten. 100 Jahre nach seiner Machtübernahme zeigt man dort den Diktator im mildesten Licht - und im Land legen die Rechtsextremen zu. Von J. Seisselberg.
Mussolinis Geburtsort Predappio ist eine Kultstätte für die Anhänger des italienischen Faschisten. 100 Jahre nach seiner Machtübernahme zeigt man dort den Diktator im mildesten Licht - und im Land legen die Rechtsextremen zu. Von Jörg Seisselberg Es ist eine Zeitreise fast ein Jahrhundert zurück. In Forlì weisen Werbeschilder den Weg zur Villa Mussolini. Hinter einem hohen Eisentor, zur Linken und zur Rechten wehen italienische Fahnen, empfängt Domenico Morosini und stellt sich als "Hüter der italienischen Geschichte" vor. Im Jahr 2000 hat der aus der Lombardei stammende Unternehmer zusammen mit seiner Frau die Villa gekauft. Benito Mussolini hatte sie 1923 als damals junger Machthaber für seine Familie bauen lassen. Morosini führt durch den Park mit den vielen hohen Bäumen und durch das Gebäude. Vieles aus der Originaleinrichtung sei erhalten geblieben, sagt er und zeigt einen Schreibtisch Mussolinis, das Ehebett, das Wohnzimmer, eine seiner Uniformen. Und Morosini macht kein Geheimnis daraus, dass er ein Mussolini-Bewunderer ist. Er liebe die Geschichte und die "großen Männer". Und Mussolini sei eben "einer der Großen" und "seiner Zeit geistig 100 Jahre voraus gewesen". So spricht ein Bewunderer des ehemaligen Diktators in Italien im Jahr 2022, 100 Jahre nach dem Marsch auf Rom, mit dem die Faschisten die Macht in Italien eroberten. Besuch bei den Mussolini-Bewunderern Wie groß die Gruppe der - häufig gar nicht so heimlichen - Mussolini-Bewunderer im Land noch ist, lässt sich ein paar Kilometer weiter besichtigen. Predappio ist ein 6000-Einwohner-Ort am Nordrand des Apennins, Heimatort Mussolinis und Wallfahrts- und Kultstätte für Rechtextreme, Alt- und Neofaschisten.  Zum 100. Jahrestag hat Francesco Minutillo gut sichtbar am Ortseingang eine Ausstellung zum Marsch auf Rom organisiert. Mit über 200 Objekten. Mussolini-Büsten, Orden, Helme, Waffen, lebensgroße Puppen in faschistischen Uniformen. Alles, betont Minutillo, stehe sonst in privaten Wohnzimmern - weil es in Italien eine "blühende Sammelleidenschaft zu allem, was mit den 20 Jahren Faschismus zu tun hat" gebe. Minutillo verweist auf eine Mussolini-Büste aus Bronze - im Besitz eines Privatsammlers; nach der Ausstellung werde sie wieder "im Privaten versteckt". Die Erben der Partisanen sind entsetzt Stolz die Mussolini-Villa zeigen. Ungeniert faschistische Objekte ausstellen. Dass dies in Italien 100 Jahre nach der Machtergreifung der Faschisten möglich ist, darüber schüttelt Miro Gori den Kopf - entsetzt und empört sei er, sagt er und erzählt von der Begegnung seiner Tochter mit "zwei Glatzköpfen", die den "römischen Gruß" gemacht hätten; eine Begegnung, die seine Tochter verängstigt habe. Gori kommt aus einer Familie von Partisanen, die gegen Mussolini und die deutschen Besatzer gekämpft haben. In Forlì steht er an der Spitze der ANPI, der nationalen Vereinigung der Partisanen. Sie setzt sich dafür ein, dass die Verbrechen des Faschismus nicht in Vergessenheit geraten. Der Faschismus sei in Italien eine "Vergangenheit, die nicht vergeht", stellt Gori fest - die Deutschen hätten da ihre "Vergangenheit besser angegangen - uns dagegen ist es nicht gelungen, unsere Vergangenheit angemessen aufzuarbeiten". Amnestie mit Folgen Direkt nach dem Krieg gab hat es eine breite Amnestie für Faschisten und Nazi-Kollaborateure in Italien. Sie sollte das Land versöhnen, führte aber dazu, dass ein Großteil der faschistischen Führungskräfte in Verwaltung, Justiz, Polizei und Bildungswesen nahtlos in die italienische Republik wechselten. Italienische Richter lassen auch heute Ausstellungen wie die in Predappio unangetastet, weil nach einem Urteil des obersten Gerichts die Möglichkeit, "Geschichte" auszustellen, in Italien großzügig ausgelegt wird. Der "weiche Unterleib" Vor allem aber sagt Gori, gebe es im Land immer noch die weit verbreitete Ansicht, unter Mussolini sei nicht alles schlecht gewesen. Er habe doch die Pontinischen Sümpfe trockengelegt, eine autonome Versorgung mit Lebensmitteln gesichert und das landesweite Bildungssystem eingeführt - so lauteten weit verbreitete Allgemeinplätze, sagt Gori. Das sei kennzeichnend für das Klima im Land, in dem es nicht nur extremistische Faschisten gebe: Es gibt vor allem einen weichen Unterleib in der Gesellschaft, der sagt: 'Ach komm, wenn Mussolini nicht 1938 die Rassengesetze erlassen hätte, wäre er weniger schlimm als Hitler gewesen'. Gegen diese Erzählung kommt man in Italien nicht an. Rückgriff auf Mussolinis Symbole Auch auf der Basis einer nicht wirklich aufgearbeiteten Vergangenheit feiert in Italien derzeit eine Partei mit neofaschistischen Wurzeln politische Erfolge. Die Fratelli d’Italia, die Brüder Italiens, sind in Umfragen stärkste politische Kraft im Land. In ihrem Parteisymbol lodert eine grün-weiß-rote Flamme, die in der Symbolik der italienischen Rechten für die Flamme auf Mussolinis Grab steht. Im Parteisitz der Brüder Italiens im Zentrum Roms residierte früher der neofaschistische MSI, nach dem Krieg von einem ehemaligen Kabinettsmitglied Mussolinis gegründet. Heute steht an der Spitze der Brüder Italiens Giorgia Meloni, die auf Fragen, wie es ihre Partei mit dem Faschismus hält, regelmäßig genervt und ausweichend reagiert. Es gebe nichts in ihrem Leben, wofür sie sich entschuldigen müsse, aber statt über aktuelle Politik solle sie in zwei von drei Fernsehsendungen über Geschichte reden. Das finde sie "nicht richtig". Erfolgreich in Umfragen und bei Kommunalwahlen Die rhetorisch gewandte 45-Jährige hat laut Umfragen Lega-Chef Matteo Salvini als beliebtesten Politiker der Rechten abgelöst. Nach dem guten Abschneiden der Brüder Italiens in der ersten Runde der Kommunalwahl Mitte Juni verkündete Meloni selbstbewusst: Ihre Partei sei "absolut bereit zu regieren".   Eine Partei mit neofaschistischen Wurzeln zum Regieren bereit - 100 Jahre nach dem Beginn des Faschismus in Italien.
/ausland/europa/italien-mussolini-rechtsextreme-101.html
2024-01-11
Zehntausende protestieren gegen Polens Regierung
PiS-Anhänger
Nach der Verhaftung zweier verurteilter Politiker der abgelösten Regierungspartei PiS sind in Polen Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen. Präsident Duda kündigte an, die Politiker erneut begnadigen zu wollen.
Nach der Verhaftung zweier verurteilter Politiker der abgelösten Regierungspartei PiS sind in Polen Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen. Präsident Duda kündigte an, die Politiker erneut begnadigen zu wollen. Mehrere Zehntausend Menschen haben in Polen gegen die Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk demonstriert. Die Anhänger der nationalkonservativen Oppositionspartei PiS versammelten sich vor dem Parlamentsgebäude in Warschau. Sie trugen polnische Fahnen sowie Plakate mit der Aufschrift: "Hier ist Polen, kein Tuskoland" und "Kulturminister - Zensurminister". Nach Angaben des Warschauer Rathauses waren es 35.000 Teilnehmer, die Veranstalter sprachen von 100.000 bis 300.000. Bei seinem Auftritt vor den Demonstranten warnte der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski, die EU plane die "Liquidierung des polnischen Vaterlandes" und wolle es zu einem "Wohngebiet für Polen" reduzieren. Mit Blick auf die seit einem knappen Monat amtierende proeuropäische Koalitionsregierung von Tusk sagte Kaczynski: "Das ist keine polnische Regierung." Die PiS unterstellt Tusk, dass er im Auftrag Deutschlands handele. Protest ursprünglich gegen Umbau der Medien Der von den im Oktober abgewählten Nationalkonservativen organisierte "Protest der freien Polen" sollte sich ursprünglich gegen die Umgestaltung der öffentlich-rechtlichen Medien richten. Die Regierung von Tusk hatte vor einigen Wochen mit dem Umbau des Fernsehsenders TVP, des polnischen Radios sowie der Nachrichtenagentur PAP begonnen, die die PiS in ihrer achtjährigen Regierungszeit unter ihre Kontrolle gebracht hatte. Allerdings hat der Konflikt um die Verhaftung von zwei rechtskräftig verurteilten PiS-Politikern den Fokus der Veranstaltung verschoben. Ex-Innenminister Mariusz Kaminski und sein früherer Staatssekretär Maciej Wasik waren am Dienstag verhaftet und ins Gefängnis gebracht worden, nachdem sie zunächst Schutz im Präsidentenpalast bei Staatsoberhaupt Andrzej Duda gesucht hatten. Die PiS bezeichnet die beiden als "politische Gefangene". Duda kündigt erneute Begnadigung an Kaminski und Wasik waren im Dezember in einem Berufungsverfahren von einem Warschauer Bezirksgericht wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt worden und sollten ihre Strafe antreten. Duda hatte die beiden nach einem ersten Verfahren 2015 begnadigt. Das Oberste Gericht hatte diese Begnadigung aber für nicht rechtmäßig erklärt, da seinerzeit das Berufungsverfahren noch lief. Duda kündigte kurz vor Beginn der Demonstration an, er wolle Kaminski und Wasik ein zweites Mal begnadigen. Parteichef Kaczynski rief die Demonstranten zu kurzen Protestaktionen vor den beiden Haftanstalten auf, in denen Kaminski und Wasik untergebracht sind. "Unser Nachbarland schlittert in eine Verfassungskrise" Für den Historiker Felix Ackermann von der Fernuniversität Hagen sind die Proteste in Polen ein Zeichen dafür, dass "unser Nachbarland in eine Verfassungskrise schlittert". Die Verhaftung der beiden PiS-Politiker zeige, "wie zwei unterschiedliche Rechtsauffassungen aufeinanderprallen und ganz gezielt von Kaczynski und Tusk gegeneinander ausgespielt werden, um die bereits polarisierte Gesellschaft weiter zu spalten", erklärt Ackermann bei ts24. Die vergangenen acht Jahre PiS-Regierung unter Kaczynski hätten zu einer Deregulierung der Gewaltenteilung und der Rechtsstaatlichkeit geführt. "Und die demokratisch gewählte Regierung von Donald Tusk hat nun allergrößte Schwierigkeiten, die Abschaffung der Gewaltenteilung wieder rückgängig zu machen." Nach dem Verlust der Macht versuche Kaczynski "den Kampf mit alten Mitteln" fortzuführen und das Leben der Regierung zu erschweren - mittels massiver Polarisierung und der Nutzung jeglicher rechtlicher Mittel.
/ausland/europa/proteste-regierung-polen-100.html
2024-01-11
"Sind die Haie weg, stirbt auch das Ökosystem"
Forderung nach mehr Schutz
Immer mehr Haie sterben laut einer Studie durch Fischerei. Die Autoren rufen zu einem besseren Schutz der Tiere auf. Denn die bisherigen Maßnahmen blieben ohne Wirkung. Von Nadine Gode.
Immer mehr Haie sterben laut einer Studie durch Fischerei. Die Autoren rufen zu einem besseren Schutz der Tiere auf. Denn die bisherigen Maßnahmen blieben ohne Wirkung. Von Nadine Gode, SWR Laut einer in der Fachzeitschrift "Science" veröffentlichten Studie sind Hai-Populationen weiterhin ernsthaft bedroht. Die Zahl der jährlich getöteten Haie steige demnach weiter an, obwohl die Schutzmaßnahmen gegen das sogenannte Finning, also das brutale Abschneiden von Haifischflossen auf hoher See, von 2012 bis 2017 um mehr als ein Zehnfaches erhöht wurden. So sterben laut der Studie, durchgeführt von einem internationalen Team von Forschern der Universitäten Dalhousie und Santa Barbara sowie der Naturschutzorganisation "The Nature Conservancy", inzwischen mehr als 80 Millionen Haie pro Jahr. Das entspreche mehr als 9.000 toten Haien pro Stunde. Die Dunkelziffer sei jedoch wesentlich höher. Als eine Ursache benennt die Studie die gestiegene Nachfrage nach Haifischfleisch. Das habe auch die Fangpraxis verändert, erklärt Hauptautor Boris Worm, Forschungsprofessor für Biologie an der Dalhousie University im kanadischen Nova Scotia: "Haie werden inzwischen als Ganzes vom Schiff an Land gebracht und genutzt. Dadurch sind aber auch neue Märkte für Haifleisch, Haiknorpel und Öl entstanden". Das erhöhe die Jagd auf die Haipopulationen weiter. Fischen an Küsten: Die Kinderstube vieler Haie "Wir beobachten die Tendenz, dass Haie zunehmend in den Küstengebieten gefangen werden. Und zwar gerade in den Gebieten, wo junge Tiere groß werden: die Kinderstuben", so Worm. Die Studie zeigt: 95 Prozent der Haifangaktivitäten finden in diesen küstennahen Gebieten statt. Dies hat nicht nur direkte Auswirkungen auf die aktuelle Population, sondern hat auch langfristige Konsequenzen, wie Fischerei-Expertin Iris Ziegler von der Artenschutzorganisation Sharkproject erklärt: "In dem Augenblick, wo wir Jungtiere fangen, radieren wir die nächste Generation Haie aus". Eine Bedrohung, die bereits vor dem Aussterben einer Art gefährlich sei. Denn wird eine Art innerhalb eines Ökosystems stark dezimiert, verliert sie die Fähigkeit, ihre ökologisch wichtige Rolle zu erfüllen. An der Spitze der Nahrungskette tragen Haie zum Beispiel zu gesunden Beständen ihrer Beutetiere bei. "Wenn die Haie weg sind, stirbt auch das Ökosystem", betont die Expertin. Fangquoten für Thunfische als Vorbild Wie es besser gehen könnte, zeigt etwa der Fang von Thunfischen. Hier habe laut Studienautor Worm in den vergangenen Jahren bereits ein Umdenken stattgefunden. Um die Bestände besser zu schützen, werden inzwischen wissenschaftlich fundierte Fangquoten generiert. Diese legen fest, wie viel genau gefangen werden darf. Ein solches System brauche es auch für Haie, finden die Wissenschaftler. "Wir brauchen eine echte Bewirtschaftung mit genau diesen Regularien: maximale Fangmengen, Zuteilung von Quoten, Maßnahmen, die schon vordefiniert sind, wenn ein Bestand unter eine bestimmte Marke sinkt. Das gibt es bis jetzt noch nicht. Aktuell kann jeder so viele Haie fangen, wie er will", so Fischerei-Expertin Ziegler. Ausgenommen davon seien bislang nur bedrohte Arten. Auch Worm zählt die Fangquoten zu den wichtigsten Schritten für einen stärkeren Schutz der Haie. Zusätzlich benötige es große Schutzgebiete, in denen Haie nicht gefangen werden dürfen. Hier sollen sich Bestände wieder erholen können. Und auch die Fischereimethoden müssen sich ändern, sagt Worm. Besonders in Küstengebieten werden zu oft Stellnetze eingesetzt. Das Problem daran: Sie selektieren den Fang nicht. So fangen sie nicht nur Haie, sondern tragen zur Dezimierung von vielen Arten bei, die diesen Fischereidruck nicht standhalten können. In der Hochseefischerei sind diese Netze deswegen schon verboten. Schutzmaßnahmen können erfolgreich sein Die gute Nachricht der Studie sei, dass es schon Länder gebe, in denen heute bereits die Mortalität von Haien bedeutend eingeschränkt wird, berichtet Hauptautor Worm. Er selbst habe das bereits in Raja Ampat, einer Region Indonesiens erleben dürfen. "Bei meinem Besuch 2010 waren die Haie dort fast ausgerottet. Neun Jahre später, nachdem entscheidende Schutzmaßnahmen lokal durchgesetzt wurden, war ich wieder da und konnte bei jedem Tauchgang Haie sichten. Es war toll zu sehen, dass die Maßnahmen relativ zeitnah zur Erholung der Bestände beitragen können. Und es zeigt auch, wie widerstandsfähig und resilient das Meer ist, wenn wir ihm eine Chance geben." Doch damit langfristig auch global weniger Haie sterben müssen, dürfe nicht länger gewartet werden: "Die Studie zeigt nochmal eindringlich, dass es schon viertel nach zwölf ist. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Mein Anliegen dabei ist, dass wir uns alle gemeinsam dafür stark machen. Denn eins muss jedem bewusst sein: Es gibt keine gesunden Meere ohne Haie", resümiert Ziegler.
/wissen/forschung/tote-haie-100.html
2024-01-11
Afrikanische Bischöfe gegen Segnung Homosexueller
Nach Vorschlag aus dem Vatikan
Ende 2023 schlug der Vatikan die Segnung homosexueller Paare durch Priester vor. Die Bischöfe von Afrika sprechen von einer "Schockwelle", die der Vorstoß ausgelöst habe - und lehnen ihn ab.
Ende 2023 schlug der Vatikan die Segnung homosexueller Paare durch Priester vor. Die Bischöfe von Afrika sprechen von einer "Schockwelle", die der Vorstoß ausgelöst habe - und lehnen ihn ab. Die afrikanischen Bischöfe lehnen die vom Vatikan vorgeschlagene Segnung homosexueller Paare mit großer Mehrheit ab. Dies geht aus einer Erklärung des Präsidenten des gesamt-afrikanischen Bischofsrats SECAM, Kardinal Fridolin Ambongo, hervor. Sie ist eine Reaktion auf die Erklärung "Fiducia supplicans" der vatikanischen Glaubensbehörde vom 18. Dezember 2023. In dem Text war eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare empfohlen und zugleich betont worden, dass eine Verwechslung mit dem Ehesakrament ausgeschlossen werden müsse. Kardinal: Vorschlag hat für "Schockwelle" gesorgt In der Erklärung fasste Ambongo das Ergebnis einer Befragung aller Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar zusammen, die in den vergangenen zwei Wochen stattfand. Der Vorschlag aus Rom habe in der Kirche Afrikas eine "Schockwelle" und Missverständnisse ausgelöst sowie Unruhe bei Gläubigen und Seelsorgern verursacht, schrieb Ambongo. Die daraufhin gestartete Umfrage bei den Bischofskonferenzen habe einen breiten Konsens zum Thema Ehe und Familie und eine einheitliche Haltung zu gleichgeschlechtlichen Paaren zu Tage gefördert. Zusammenfassend stellte der Kardinal fest: "Wir, die afrikanischen Bischöfe, halten es nicht für angemessen, homosexuelle Vereinigungen oder Paare des gleichen Geschlechts zu segnen. Denn in unserem Kontext würde dies Verwirrung stiften und im direkten Gegensatz zu den kulturellen Normen afrikanischer Gesellschaften stehen." Weiter heißt es in dem Text: "Die Sprache von 'Fiducia supplicans' ist zu subtil, als dass gewöhnliche Menschen sie verstehen können. Zudem ist es nicht sehr überzeugend, dass Leute, die dauerhaft als Paar leben, daraus keinen Anspruch auf Legitimität für ihren Status ableiten würden." Bischöfe können selbst über Segnungen entscheiden Ambongo deutete an, dass es in einigen Ländern Afrikas auch eine abweichende Sichtweise gebe. Sie wollten "mehr Zeit" für ein vertieftes Nachdenken. Weiter wurde in der Erklärung betont, dass katholische Seelsorger "Menschen in irregulären Situationen" mit Wohlwollen und Unterstützung begegnen sollen und homosexuell orientierten Menschen mit Respekt. Zudem bleibe es jedem Bischof freigestellt, ob er in seiner Diözese solche Segnungen erlauben wolle. Aber: "Die afrikanischen Bischofskonferenzen insgesamt ziehen es vor, keine Segnungen von Paaren des gleichen Geschlechts anzubieten."
/ausland/afrika/bischoefe-segnung-paare-100.html
2024-01-11
Worum es bei der Völkermord-Klage geht
Südafrikas Vorwürfe gegen Israel
Israel muss sich wegen des Vorwurfs des Völkermordes vor dem Internationalen Gerichtshof verantworten. Premierminister Netanyahu sprach von einer "auf den Kopf gestellten Welt". Was würde eine Verurteilung bedeuten?
Israel muss sich wegen des Vorwurfs des Völkermordes vor dem Internationalen Gerichtshof verantworten. Premierminister Netanyahu sprach von einer "auf den Kopf gestellten Welt". Was würde eine Verurteilung bedeuten? Was wirft Südafrika Israel vor? In seiner 84-seitigen Klageschrift erhebt Südafrika den Vorwurf, dass Israel Völkermord an den Palästinensern begeht, indem es sie im Gazastreifen tötet, ihnen schwere seelische und körperliche Schäden zufügt und Lebensbedingungen schafft, "die darauf ausgelegt sind, ihre physische Zerstörung herbeizuführen". Die Rechtsvertreterin Südafrikas, Adila Hassim, sprach bei der ersten Gerichtsanhörung von einem "systematischen Muster, das auf Absicht des Völkermordes hinweist". In der Klageschrift wird von Südafrika aufgeführt, dass Israel es versäumt, während des mehr als drei Monate dauernden Krieges gegen die radikalislamische Hamas die Bevölkerung im Gazastreifen mit lebenswichtigen Nahrungsmitteln, Wasser, Medikamenten, Treibstoff, Unterkünften und anderer humanitärer Hilfe zu versorgen. Südafrika nennt zudem die hohe Zahl von mehr als 21.000 Toten im Gazastreifen, israelische Bombenangriffe, erzwungene Flucht von rund 1,9 Millionen der insgesamt etwa 2,3 Millionen Einwohner sowie Angriffe auf Krankenhäuser und Geburtskliniken. Das Land zitiert dabei UN-Experten, Zeugen und Hilfsorganisationen. Inzwischen ist die Opferzahl nach Angaben der Behörden in Gaza, die von der islamistischen Hamas kontrolliert werden, auf mehr als 23.000 angestiegen, Zehntausende wurden demnach verletzt. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht. Wie argumentiert Südafrika? Auch werden Äußerungen israelischer Minister als Beleg für die Absicht des Völkermords angeführt. Südafrika spricht von "direkter und öffentlicher Anstiftung zum Völkermord". Zitiert werden Drohungen, Gaza unbewohnbar zu machen, sowie Forderungen von rechtsextremen Ministern, Palästinenser dauerhaft zu vertreiben. Unter dem Eindruck des Massakers der Hamas-Terroristen vom 7. Oktober hatte Verteidigungsminister Joav Gallant etwa von "menschlichen Tieren" gesprochen und erklärt: "Wir werden alles auslöschen." Südafrika wirft Israel nun vor, im Krieg gegen die Hamas die UN-Völkermordkonvention gebrochen zu haben. "Die Taten sind alle Israel zuzuschreiben, das es versäumt hat, Völkermord zu verhindern, und Völkermord unter offensichtlicher Verletzung der Völkermordkonvention begeht". Israel habe es auch unterlassen, die Anstiftung zum Völkermord durch seine eigenen Vertreter unter Verletzung der Völkermordkonvention einzudämmen. Südafrika fordert den Internationalen Gerichtshof (IGH) auf, Sofortmaßnahmen zu verhängen, um solche mutmaßlichen Verstöße durch Israel zu beenden. Was ist die Grundlage für die Klage? Die Vereinten Nationen (UN) verabschiedeten am 9. Dezember 1948 die "Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes" als Reaktion auf den Holocaust und die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes im Zweiten Weltkrieg. Südafrika beruft sich in seiner Klage gegen Israel auf diese UN-Völkermordkonvention. Beide Staaten haben diese unterzeichnet und sich damit nicht nur verpflichtet, keinen Völkermord zu begehen, sondern auch diesen zu verhindern und zu bestrafen. Als Völkermord oder Genozid definieren die UN Handlungen, die in der Absicht begangen werden, eine "nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören". Dazu zählt die gezielte "Tötung von Mitgliedern der Gruppe", aber auch Handlungen, die auf schwere körperliche oder seelische Schäden zielen, unzumutbare Lebensbedingungen, Maßnahmen zur Geburtenverhinderung oder die "gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe". Strafbar im Sinne des Völkerrechts ist bereits die Absicht, eine andere Gruppe auszulöschen. Völkermord ist laut Juristen wegen des besonderen Vorsatzes zur Vernichtung einer Gruppe schwer nachzuweisen. Der Tatbestand fällt unter das Völkerstrafrecht, ebenso wie Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und das Verbrechen der Aggression. Es wurde zum ersten Mal bei den Kriegsverbrechertribunalen von Nürnberg und Tokio 1945 angewendet. Seitdem gab es lediglich zwei Urteile wegen Völkermordes: Zum Massaker in Srebrenica (ehemaliges Jugoslawien) im Juli 1995 und in Ruanda (April bis Juli 1994). Wie reagiert Israel auf die Klage? Israels Premierminister Benjamin Netanyahu bezeichnete die Klage Südafrikas als fehl am Platz. "Heute sahen wir wieder einmal eine auf den Kopf gestellte Welt, in der der Staat Israel des Genozids beschuldigt wird, zu einer Zeit, in der er einen Genozid bekämpft", sagte der rechtskonservative Politiker nach dem ersten Tag der Anhörung vor dem IGH. Die von Südafrika vorgetragenen Argumente bezeichnete er als "Chuzpe". "Eine Terrororganisation hat das schlimmste Verbrechen gegen das jüdische Volk seit dem Holocaust begangen, und jetzt kommt jemand daher, um es im Namen des Holocausts zu verteidigen", sagte er. Der israelische Präsident Isaac Herzog hatte das Verfahren beim IGH zuvor als "grausam und absurd" bezeichnet. "Wir werden vor dem Internationalen Gerichtshof anwesend sein und stolz unseren Fall der Selbstverteidigung im Rahmen unseres inhärenten Rechts nach dem humanitären Völkerrecht präsentieren." Eine schärfere Reaktion kam vom israelischen Außenministerium, das die Anwälte Südafrikas nach der ersten Gerichtsanhörung als "Vertreter der Hamas bei Gericht" bezeichnete. Das Auftreten der Anwälte vor dem IGH sei "eine der größten Vorführungen von Heuchelei in der Geschichte", die durch "eine Reihe von falschen und unbegründeten Behauptungen verschlimmert" worden sei. Südafrika habe die Realität im Gazastreifen nach dem Massaker vom 7. Oktober völlig verzerrt, hieß es weiter. Südafrikas Regierung habe "völlig ignoriert, dass Hamas-Terroristen nach Israel eingedrungen sind, israelische Bürger ermordet, hingerichtet, massakriert, vergewaltigt und entführt haben, nur weil sie Israelis waren, in dem Versuch, einen Völkermord zu begehen". Die Offensive des israelischen Militärs aus der Luft, vom Meer aus und am Boden ist eine Reaktion auf den überraschenden Angriff der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas auf den Süden Israels. Bei dem Überfall wurden nach israelischen Angaben 1.200 Menschen getötet, 240 Menschen wurden in den Gazastreifen verschleppt. Noch immer werden dort Geiseln festgehalten. Zuvor hatten unter anderem die USA als Israels engster Verbündeter, Deutschland und Großbritannien erklärt, sie teilten die Einschätzung Südafrikas nicht. Was geschieht bei der Anhörung? Zunächst erläuterte Südafrika am ersten Tag der Anhörung seine Klage. Am 12. Januar hat Israel die Gelegenheit zu antworten. Beide Länder haben je zwei Stunden Zeit, ihre Argumente für oder gegen Sofortmaßnahmen vorzutragen. Zeugenaussagen oder Kreuzverhöre gibt es nicht. Die Präsentation besteht hauptsächlich aus juristischen Argumenten, die von Vertretern der beiden Staaten und ihren Teams internationaler Anwälte vorgebracht werden. Bei der Anhörung geht es zunächst um einen Eilantrag Südafrikas. Es hatte den IGH aufgefordert, das sofortige Ende der militärischen Handlungen anzuordnen und die Rechte der Palästinenser zu schützen. Das heißt, dass die UN-Richter jetzt noch nicht feststellen müssen, ob tatsächlich Völkermord verübt wurde. Es würde die Möglichkeit ausreichen, dass die Konvention verletzt wurde - jedoch muss es auch deutliche Hinweise auf eine Absicht Israels geben, die Palästinenser auszulöschen. Das Ersuchen um Sofortmaßnahmen ist somit ein erster Schritt in einem Fall, dessen Bearbeitung mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird. Sie sind als eine Art einstweilige Verfügung gedacht, um zu verhindern, dass sich ein Streit verschärft, während das Gericht den Fall insgesamt prüft. Wann ist ein Urteil zu erwarten und ist es bindend? Über den Eilantrag werden die Richter in wenigen Wochen entscheiden. Jeder Spruch ist bindend. Die Richter könnten Israel theoretisch auferlegen, die Gewalt sofort zu beenden, um weiteren Schaden zu verhindern. Sie könnten auch anordnen, dass Israel mehr humanitäre Hilfe zulassen muss. Der IGH hat zwar keine Machtmittel, um die Durchsetzung zu erzwingen. Doch der internationale Druck auf Israel würde sich erhöhen und eine negative Entscheidung könnte dem Ruf des Landes schaden. Eine endgültige Entscheidung über die Völkermordvorwürfe Südafrikas wird das Gericht erst dann treffen, wenn der Fall in der Sache verhandelt wird. Es ist nicht ungewöhnlich, dass zwischen der ursprünglichen Klageerhebung und der tatsächlichen Verhandlung des Falles mehrere Jahre vergehen. Was ist der Internationale Gerichtshof? Der Internationale Gerichthof ist das höchste Rechtsorgan der UN und wird daher auch Weltgericht genannt. Der 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg gegründete Gerichtshof befasst sich mit Streitigkeiten zwischen Staaten. Er unterscheidet sich hier vom Internationalen Strafgerichtshof (ICC). Dieser sitzt ebenfalls in Den Haag, behandelt aber Fälle von Kriegsverbrechen, die Einzelpersonen vorgeworfen werden. Dem IGH gehören 15 Richterinnen und Richter an. Sowohl Israel als auch Südafrika dürfen jeweils einen Richter zusätzlich zum permanenten Kollegium entsenden. Südafrika vertritt der Richter Dikgang Ernest Moseneke, ein ehemaliger Richter am Obersten Gerichtshof des Landes. Die südafrikanische Delegation wird von Justizminister Ronald Lamoa geleitet. Israel schickt den früheren Richter am Obersten Gerichtshof, Aharon Barak, einen Überlebenden des Holocaust. Die Palästinenser, deren Schicksal Gegenstand des Verfahrens ist, spielen in Den Haag keine offizielle Rolle, denn sie sind kein Mitgliedsstaat der UN. Warum tritt Südafrika hier als Kläger auf? Jeder Unterzeichnerstaat der Völkermordkonvention kann eine entsprechende Klage beim IGH einreichen. In Südafrika solidarisieren sich seit vielen Jahren vor allem Vertreter der muslimischen Minderheit sowie der schwarzen Bevölkerungsmehrheit mit den Palästinensern. Diese würden vom "Apartheidstaat" Israel ebenso unterjocht wie einst die Südafrikaner vom weißen Regime, meinen sie. Bisher schaffte die Regierung in Pretoria einen komplizierten Spagat zwischen Palästina-Solidarität und den eher pragmatischen Handels- und konsularischen Beziehungen zu Israel. Etliche jüdische, fast ausschließlich weiße Südafrikaner sind Doppelstaatsbürger. Der Krieg im Gazastreifen brachte jedoch eine Wende. Im November zog Präsident Cyril Ramaphosa Südafrikas Diplomaten aus Tel Aviv ab. Kurz danach stimmte das südafrikanische Parlament sogar dafür, die israelische Botschaft in Pretoria zu schließen. (Quelle: dpa, AP, Reuters)
/ausland/asien/israel-gazastreifen-den-haag-voelkermord-faq-100.html
2024-01-11
Warum Lauterbach Homöopathie streichen will
Kostenübernahme durch Kassen
Kleine Kugeln - große Wirkung? Wissenschaftlich ist die bei Homöopathie unbewiesen. Gefestigt ist der Glaube an die kleinen Dosen bei Befürwortern. Gewiss ist der Streit nach Lauterbachs Vorstoß, die Arzneien aus der Leistung zu nehmen. Von T. Handel.
Kleine Kugeln - große Wirkung? Wissenschaftlich ist die bei Homöopathie unbewiesen. Gefestigt ist der Glaube an die kleinen Dosen bei Befürwortern. Gewiss ist der Streit nach Lauterbachs Vorstoß, die Arzneien aus der Leistung zu nehmen. Von Tina Handel Als Schmähbegriff hat die Alternativmedizin im Bundestag Tradition: Man wirft sich gegenseitig vor, eine Reform nur "tröpfchenweise" voranzutreiben oder in "homöopathischen Dosen". Trotzdem hat sich die Politik bislang schwergetan, eine klare Position zu den meist teuren Mitteln einzunehmen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach will das nun ändern. Mit einem Vorstoß, der vor allem Symbolwirkung haben soll. Wenn Globuli eine Kassenleistung seien, ergebe das "ein falsches Bild von Wissenschaft", sagt Lauterbach auf einer Pressekonferenz am Donnerstagvormittag. "Die Homöopathie ist eine Leistung, die keinen medizinischen Nutzen auf Grundlage eines wissenschaftlichen Sachstandes erbringt", so der Minister. "Dann sollte eine solche Leistung auch nicht bezahlt werden." Lauterbach räumt selbst ein, dass der Einspareffekt für die Kassen nicht groß ist, sagt aber auch: "Hier geht es ums Prinzip." Politik dürfe Wissenschaft nicht ignorieren. Ab wann das gelten soll, ließ Lauterbach offen - er wolle es "in Kürze umsetzen". Die Entscheidung ist Teil eines Maßnahmenpapiers des Bundesgesundheitsministeriums, um die finanzielle Schieflage des Gesundheitswesens zu bekämpfen: Die Ausgaben würden jährlich steigen, heißt es darin. Die gesetzlichen Kassen verbuchten auch 2023 ein Milliardendefizit. "Leistungen, die keinen medizinisch belegbaren Nutzen haben, dürfen nicht aus Beitragsmitteln bezahlt werden", schreibt das Gesundheitsministerium. Daher werde man "die Möglichkeit der Krankenkassen, in der Satzung auch homöopathische und anthroposophische Leistungen vorzusehen, streichen". Nach Angaben der Krankenkassen sind die Ausgaben für Globuli oder Schüßlersalze allerdings ohnehin rückläufig. 2021 haben alle gesetzlichen Kassen rund 22 Millionen Euro für homöopathische oder anthroposophische Arzneien ausgegeben. Angesichts der Milliardenlücken jedes Jahr ist das wenig. Die AOK etwa hält die Entscheidung für "medizinisch nachvollziehbar", sie falle jedoch "finanziell kaum ins Gewicht". Warum geht Lauterbach trotzdem diesen Schritt? Der Gesundheitsminister gilt seit langem als Kritiker der Homöopathie: Sie sei eine "gefährliche Pseudowissenschaft", twitterte er 2022. Schon 2019 versuchte Lauterbach in der Großen Koalition, damals noch als SPD-Fraktionsvize, auf eine Streichung zu drängen. Doch aus der Union hieß es, man wolle Entscheidungsfreiheit für die Patienten. Schritt zur richtigen Zeit? Nun will er sich als Gesundheitsminister wohl nicht ständig aufs Neue vorwerfen lassen, er übersehe Einsparbeträge bei den Krankenkassen. Die FDP fordert zum Beispiel schon länger, dass die Kosten nicht mehr übernommen werden sollen. Schwer tun sich die Grünen: Jahrelang lief in der Partei ein emotionaler Homöopathie-Streit. Er sollte ab 2019 mithilfe einer Kommission entschieden werden. Doch deren Vorgespräche seien so "aggressiv" verlaufen, dass die Partei das Vorhaben einstampfte. Im aktuellen Grundsatzprogramm hat man eine etwas ausweichende Formulierung gefunden: Leistungen, deren "Wirksamkeit wissenschaftlich erwiesen" ist, müssten "von der Solidargemeinschaft übernommen" werden. Ob andere auch bezahlt werden können, lässt der Passus offen. Aus der grünen Bundestagsfraktion heißt es nun, man werde sich den Plänen nicht entgegenstellen. Aber es gibt Zweifel, ob der Schritt zum richtigen Zeitpunkt kommt: "In einer aufgeregten Zeit ist Politik in der Verantwortung, nicht Debatten über Nebenschauplätze zu führen, sondern über wirkungsvolle Instrumente", sagt Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion. Die Einsparungen seien minimal, es brauche größere Strukturreformen. Anhänger der Homöopathie wollen die Kürzung noch abwenden: Man werde sich "in ärztlichen Berufsverbänden formieren und mit Karl Lauterbach in den Dialog gehen", sagt Michaela Geiger vom Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte. Homöopathie sei sinnvoll: "Das sehen wir täglich in unseren Praxen." Ohne die Kassenleistungen könne man "Patienten, die in sozialen Brennpunkten leben, nicht mehr gerecht werden", so Geiger. Leistungsstreichung sozial ungerecht? Die Kassen können die Mittel weiterhin über private Zusatzversicherungen anbieten. Das kann sich nicht jeder leisten. Doch schon jetzt wird ein großer Teil der homöopathischen oder anthroposophischen Arzneimittel von Patienten selbst gekauft, ohne Rezept oder Arztbesuch. Gesundheitsminister Lauterbach könnte sich möglicherweise erhoffen, dass mit seinem Schritt auch die Glaubwürdigkeit der Präparate sinkt, dass Patienten selbst weniger nach Zahnungskügelchen oder Belladonna-Globuli verlangen. Ob das so kommt, ist fraglich. Laut Studien informieren Apotheker bisher nur selten darüber, dass die Präparate keine Wirkung über den Placeboeffekt hinaus haben.
/inland/innenpolitik/lauterbach-homoeopathie-100.html
2024-01-11
Die vergessenen Krisen Afrikas
CARE-Jahresbericht
Der Krieg in der Ukraine oder die Erdbeben in Syrien und der Türkei haben 2023 die Berichterstattung aus dem Ausland dominiert. Viele große Krisenherde vor allem in Afrika sind praktisch vom Radar verschwunden. Von S.Ueberbach.
Der Krieg in der Ukraine oder die Erdbeben in Syrien und der Türkei haben 2023 die Auslandsberichterstattung dominiert. Viele große Krisenherde vor allem in Afrika sind praktisch vom Radar verschwunden. Von Stephan Ueberbach Barbie statt Burkina Faso, Apple statt Angola, Prinz Harry statt Simbabwe. Fünf Millionen Online-Presseberichte aus den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres hat die Hilfsorganisation CARE ausgewertet - und dabei eine aus ihrer Sicht dramatische Schieflage festgestellt. Dem neuen iPhone oder dem Barbie-Film etwa waren 270.000 Berichte gewidmet, 215.000 der Biografie des britischen Prinzen. Viele große Krisenherde vor allem in Afrika dagegen sind praktisch vom Radar verschwunden. Mit humanitären Katastrophen in zehn afrikanischen Ländern, in Angola zum Beispiel, der zentralafrikanischen Republik oder Uganda, haben sich zusammengerechnet gerade mal 77.000 Artikel beschäftigt. Afrika nach wie vor blinder Fleck Erklärungen dafür gibt es viele. Zum Beispiel, dass sich die Menschen in schwierigen Zeiten wie diesen eher nach guten Nachrichten sehnen. Oder dass die "vergessenen Krisen" zum Teil schon sehr lange schwelen und ihnen deshalb der Neuigkeitswert fehlt. Andrea Barschdorf-Hager, die CARE-Geschäftsführerin in Österreich, sagt: "Wir als menschliche Wesen konzentrieren uns immer darauf, was neu ist, das ist ganz normal. Das heißt aber nicht, dass es die anderen Krisen nicht mehr gibt und man sie einfach vergessen kann." Neue Kriege und Naturkatastrophen dominierten Auch Deepmala Mahla, die CARE-Direktorin für humanitäre Hilfe, ist nicht überrascht, dass alte Konfliktherde kaum mediale Aufmerksamkeit bekommen und gerade der afrikanische Kontinent in der öffentlichen Wahrnehmung nach wie vor ein blinder Fleck ist. Schließlich hätten auch diesmal neue Kriege und aktuelle Naturkatastrophen die Berichterstattung aus dem Ausland dominiert. "Wir haben in diesem Jahr eine bisher ungekannte Serie von humanitären Krisen erlebt. Erdbeben in Nepal, Syrien oder der Türkei zum Beispiel, oder verheerende Überschwemmungen in Libyen, Somalia, Afghanistan und anderswo", zählt sie auf.   Aber auch Kostendruck und schwierige Arbeitsbedingungen für Journalisten sorgten zusätzlich dafür, dass es aus manchen Krisenstaaten kaum noch Berichterstattung gebe. "Mehr Aufmerksamkeit bringt mehr Mittel" Laut CARE International wird weltweit gerade sehr viel humanitäre Hilfe gebraucht. Was auch daran liegt, dass im vergangenen Jahr 114 Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben wurden - so viele wie noch nie. Wenn darüber aber nur wenig oder gar nicht mehr berichtet wird, dann hat das für die Hilfsorganisationen handfeste Konsequenzen. "Mehr öffentliche Aufmerksamkeit bringt nicht immer, aber oft, mehr finanzielle Mittel", sagt Geschäftsführerin Barschdorf-Hager. Auch deshalb will die Hilfsorganisation die vergessenen Konflikte wieder in Erinnerung rufen. Oder wie es in dem Jahresbericht heißt: "Das Schweigen brechen".
/ausland/afrika/vergessene-konflikte-care-bericht-100.html
2024-01-11
Sie wollen reden
Politik und Bauernproteste
An Tag vier der Bauernproteste reagiert die Ampelkoalition mit einem Gesprächsangebot. Man nehme alle Argumente auf und entscheide dann, so SPD-Fraktionschef Mützenich. Auch der Kanzler Scholz will reden - "leider viel zu spät", so der Verband.
An Tag vier der Bauernproteste reagiert die Ampelkoalition mit einem Gesprächsangebot. Man nehme alle Argumente auf und entscheide dann, so SPD-Fraktionschef Mützenich. Auch der Kanzler Scholz will reden - "leider viel zu spät", so der Verband. Nach tagelangen Protesten gegen die geplanten Agrarkürzungen sucht die Ampelkoalition das Gespräch mit den Bauern. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte Verständnis für die Proteste und bot den Landwirten einen Dialog an. Die Spitzen der Koalitionsfraktionen luden die Vorsitzenden der acht Bauernverbände für Montag zu einem Gespräch nach Berlin ein. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich machte deutlich, dass er die Diskussion ergebnisoffen führen wolle. Änderungen beim geplanten Abbau der Steuererleichterungen für den Agrardiesel schloss er nicht grundsätzlich aus. "Wir ziehen nichts durch, sondern wir diskutieren", betonte er. "Wir nehmen alle Argumente auf und am Ende entscheiden wir." Proteste bei Kanzler-Besuch im Bahnwerk Die Ampel-Regierung hatte mit ihren Plänen für den Abbau der Steuervergünstigungen für Agrardiesel einen Proteststurm der Bauern ausgelöst, der auch durch Zugeständnisse der Regierung nicht gestoppt werden konnte. Beim Besuch eines neuen Bahnwerks in Cottbus bekam Scholz den Unmut auch direkt zu spüren. Die Polizei leitete vor seiner Rede eine Kolonne mit Traktoren am Veranstaltungsort mit rund 500 Demonstranten vorbei. Dabei war lautes Hupen zu hören. "Wir leben ja in aufgeregten Zeiten, ein bisschen haben wir das auch gehört", kommentierte Scholz die Proteste. "Und auch das gehört zur Demokratie dazu, dass man sich seine Meinung sagt." Einen Auftritt bei einer Kundgebung des brandenburgischen Landesbauernverbands in Cottbus vermied der Kanzler jedoch. Landesbauernpräsident: "Leider viel zu spät" Scholz traf sich am Rande der Veranstaltung mit Brandenburgs Landesbauernpräsident Henrik Wendorff. Nach Angaben der Landwirte bot er dabei an, im Dialog zu bleiben, machte aber keine Zugeständnisse. "Es ist erkannt worden, dass jetzt - leider viel zu spät - in einen Dialog eingetreten wird, den wir schon lange, lange erwartet habe", sagte Wendorff nach dem Gespräch mit dem Kanzler. Scholz habe ihm gesagt, er werde mit Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) sprechen. Mit dem Angebot eines Dialogs zur Suche nach Lösungen werde er aber die Landwirte nicht von heute auf morgen von den Straßen bekommen. "Das reicht nicht." Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) begrüßte in einer ersten Reaktion die Initiative der Ampel. Ihr Vorsitzender Martin Schulz rief die Regierung und die Fraktionsspitzen dazu auf, "das Ruder in der Agrarpolitik endlich herumzureißen". Ökonomin: Regierung darf "sich nicht erpressen lassen" Die Klimaökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) äußerte zwar Verständnis für die Proteste der Bauern, weil die Subventionskürzungen sehr kurzfristig beschlossen worden seien. Dennoch forderte sie, die Bundesregierung dürfe "sich nicht erpressen lassen". Es sei richtig, Subventionen für fossile Kraftstoffe abzubauen. "Wir brauchen grundsätzlich Anreize, den Verbrauch von klimaschädlichen Kraftstoffen zu reduzieren", sagte sie dem MDR. Die Proteste der Bauern sollen ihren Höhepunkt am kommenden Montag mit einer Demonstration in Berlin haben. Dann wollen sich Branchen wie die Fischerei und der Transportbereich anschließen. Auch der Gaststättenverband Dehoga will dabei sein. Die Gastwirte kritisieren vor allem die Anhebung der Mehrwertsteuer auf Speisen.
/inland/innenpolitik/bauernproteste-ampel-100.html
2024-01-11
RKI sieht Rückgang bei Atemwegserkrankungen
Corona, Grippe und RSV
Laut dem Robert Koch-Institut gibt es Anzeichen, dass Atemwegserkrankungen wie Covid-19 in Deutschland zurückgehen. Anlass zur Entwarnung sei dies jedoch nicht - zumal es noch an Daten fehle.
Laut dem Robert Koch-Institut gibt es Anzeichen, dass Atemwegserkrankungen wie Covid-19 in Deutschland zurückgehen. Anlass zur Entwarnung ist dies jedoch nicht - zumal es noch an Daten fehlt. Nach wochenlang starker Verbreitung des Coronavirus in Deutschland scheint die Dynamik nun nachzulassen. Bei der Covid-19-Aktivität mehrten sich Hinweise für einen Rückgang, berichten Fachleute des Robert Koch-Instituts (RKI) in ihrem wöchentlichen Bericht zu akuten Atemwegserkrankungen. Das betreffe zum Beispiel die im Abwasser gemessene Viruslast. Auch die Zahl der im Labor bestätigten und ans RKI gemeldeten Fälle sei gesunken, allerdings ist diese Zahl wegen der Weihnachtsferien laut RKI eingeschränkt zu bewerten - zum Beispiel, weil weniger getestet wurde.  Noch keine belastbaren Zahlen Insgesamt geht das RKI für vergangene Woche von rund 4,6 Millionen akuten Atemwegserkrankungen aus, unabhängig von einem Arztbesuch. Das ist deutlich weniger als vor Weihnachten, als dieser Wert teils bei knapp neun Millionen gelegen hatte. Das Niveau ist damit aber immer noch etwas höher als zum Jahresbeginn 2023. Insgesamt ergibt sich die hohe Zahl neben Corona auch aus Grippe und RSV (Respiratorisches Synzytial-Virus). Mit RSV kommen insbesondere Kinder unter zwei Jahren ins Krankenhaus.  Zur Grippewelle, die mittlerweile begonnen hat, verweist das Autorenteam darauf, dass die Entwicklung erst in den kommenden Wochen besser beurteilt werden könne. Denn in den vergangenen Wochen hatten die meisten Bundesländer noch Schulferien. Vom RKI heißt es, dass bisher vor allem Kinder im Schulalter und junge Erwachsene an Influenza erkrankten. "Schweinegrippe" ist wieder da Am häufigsten wird in stichprobenartigen virologischen Untersuchungen Influenza A(H1N1)pdm09 gefunden. Dieser Subtyp trat während der Grippe-Pandemie 2009 erstmals auf: als sogenannte Schweinegrippe. Er zirkuliert laut RKI seitdem auch saisonal in Deutschland, zuletzt deutlich in der Saison 2018/19.  Bei Corona dominiert in Deutschland eine Variante namens JN.1: Nach den aktuellsten verfügbaren RKI-Zahlen dazu lag sie bei der Untersuchung von Stichproben bereits Mitte Dezember bei 59 Prozent. Es handelt sich um einen weiteren Abkömmling der Omikron-Variante. Im Vergleich zur Elternlinie BA.2.86 (auch als Pirola bekannt) weist JN.1 eine zusätzliche Mutation im Spike-Protein auf, mit dem das Virus in menschliche Zellen eindringt.  Intensivstationen aktuell nicht überlastet Nach den Feiertagen, für die viele Ansteckungen befürchtet worden waren, ist auf deutschen Intensivstationen bisher aber keine Zuspitzung der Lage absehbar. Unter den rund 14.280 Menschen, die derzeit dort behandelt würden, seien rund 670 mit Sars-CoV-2 infiziert, teilte Gernot Marx, Vize-Präsident Intensivmedizin-Fachgesellschaft Divi, auf Anfrage mit. Mitte Dezember waren es annähernd doppelt so viele.  "Das Virus glauben wir also derzeit im Griff zu haben. Natürlich sind wir wachsam, aber nicht sehr in Sorge", sagte Marx. Covid-19 sei seit vielen Monaten ein Problem der älteren Bürger, von denen die meisten noch weitere Erkrankungen hätten. Damit lasse sich der schwere Verlauf erklären. WHO sieht nur geringes Risiko Das Risiko für die öffentliche Gesundheit stufte die WHO in einer ersten Einschätzung zu JN.1 anhand der zunächst begrenzten Datenlage aber als gering ein. Erwartet wurden zwar vermehrt Fälle - vor allem in Ländern, in denen Winter ist. Mit einem Versagen der Grundimmunität in der Bevölkerung und der derzeit genutzten Booster-Impfstoffe in Hinblick auf Schutz vor schweren Verläufen rechnete die WHO aber nicht Junge Menschen bewegen sich weiter zu wenig Nach dem Rückgang körperlicher Aktivitäten bei Kindern und Jugendlichen während der Corona-Pandemie ist laut einer aktuellen Studie keine Umkehr dieses Negativtrends erkennbar. Wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte, hatten sich junge Menschen in Deutschland und Europa bereits vor der Pandemie weniger als eine Stunde am Tag sportlich bewegt. Diese Zeitspanne wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen.  Kinder im Alter von acht bis 12 Jahren sind der Studie zufolge am stärksten von mangelnder Bewegung betroffen gewesen - vor allem zu den Zeiten von Schulschließungen und eingeschränktem Vereinssport, erläuterten die Autoren. Sie verwiesen auf frühere BiB-Analysen, wonach in diesen Phasen des Lockdowns erheblich mehr Kinder und Jugendliche an Depressionen und Angstsymptomen gelitten hätten.
/inland/corona-covid-19-100.html
2024-01-11
"Reichsbürger" geben sich als Staatsanwälte aus
Durchsuchungen in sechs Städten
Mehrere sogenannte Reichsbürger sollen sich als Staatsanwälte ausgegeben haben. Nun haben Ermittler bei Razzien in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Beweismittel gesichert.
Mehrere sogenannte Reichsbürger sollen sich als Staatsanwälte ausgegeben haben. Nun haben Ermittler bei Razzien in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Beweismittel gesichert. Die Polizei hat Wohnungen und Häuser von sogenannten Reichsbürgern in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen durchsucht. Die Ermittler werfen den sechs Beschuldigten zwischen 56 und 67 Jahren vor, sich als Staatsanwälte ausgegeben zu haben. Diesen Titel hätten sie in Schriftstücken verwendet und per E-Mail oder Fax verschickt, wie die Polizei in Nienburg mitteilte. Die Staatsanwaltschaft im niedersächsischen Bückeburg ermittelt deshalb wegen Missbrauchs von Titeln. In Rinteln in Niedersachsen und in den Städten Vlotho, Porta Westfalica, Herford, Detmold und Bielefeld in Nordrhein-Westfalen wurden am Donnerstag gefälschte Ausweise, Datenträger, illegale Stichwaffen, Elektroschockgeräte und mutmaßliche Drogen sichergestellt. Bei den Durchsuchungen ging es um die Sicherung von Beweismitteln. Festnahmen gab es laut Polizei nicht. Spezialkräfte der Polizei im Einsatz Wegen der Bedrohungslage setzte die Polizei auch Spezialkräfte bei den Durchsuchungen ein. "Reichsbürger" sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Sie fühlen sich an Gesetze, Verwaltungsakte und Gerichtsentscheidungen vielfach nicht gebunden. Es gibt Überschneidungen mit den Szenen von Rechtsextremisten sowie Anhängern von Verschwörungsideologien.
/inland/gesellschaft/reichsbuerger-staatsanwalt-durchsuchung-100.html
2024-01-11
Warum Landwirte sich empören
Lage von Familienbetrieben
Es ist die Woche der Proteste. Zwar hat die Bundesregierung Teile ihrer Sparpläne zurückgenommen, doch die Bauern bleiben wütend. Was treibt sie auf die Straße? Drei Landwirtinnen geben Antwort. Von Johanna Wahl.
Es ist die Woche der Proteste. Zwar hat die Bundesregierung Teile ihrer Sparpläne zurückgenommen, doch die Bauern bleiben wütend. Was treibt sie auf die Straße? Drei Landwirtinnen geben Antwort.  Von Johanna Wahl Gemüse und Getreide baut Melanie Schmitt an - auf 150 Hektar Ackerfläche in der Vorderpfalz. "Ohne Bewässerung können wir hier in der Region weder Kartoffeln noch Zwiebeln anbauen", sagt die Landwirtin. Das Wasser für die Beregnungsanlagen holt sie aus einem Brunnen. Die Motoren der Pumpen, die dafür benötigt werden, laufen mit Diesel. Genauso wie ihre Schlepper. Mehrere Tausend Euro jährlich bekommt die Landwirtin aktuell im Rahmen der Agrardieselerstattung vom Staat. "Wenn die Rückerstattung wegfällt, tut mir das richtig weh." Von der Politik enttäuscht Schmitt, die stellvertretende Kreisvorsitzende im Bauern- und Winzerverband der Vorderpfalz ist, vergleicht die Summe mit mehreren Monatsgehältern, die einem Angestellten wegbrächen. Sie hat mit ihrem Traktor und etlichen anderen Landwirten in dieser Woche mehrfach protestiert. Von der Politik ist sie nach wie vor enttäuscht. Dass die Agrardieselerstattung nur schrittweise abgebaut werden soll, ist für sie kein befriedigender Kompromiss. "Es ist ja nur aufgeschoben, nicht aufgehoben." Und die zusätzlichen Kosten, die ihr so entstehen, könne sie nicht einfach an die Kunden weitergeben, da sie im Supermarkt mit Lebensmitteln aus anderen Ländern konkurriere, betont Schmitt.   Mehrkosten von bis 8.000 Euro Auch Magdalena Zelder, Landwirtin aus der Vulkaneifel, ist sauer. Deshalb beteiligt sie sich nicht nur an den Bauernprotesten, sondern organisiert sie in ihrer Region mit. "Auch die überarbeiteten Pläne der Bundesregierung bedeuten für uns Mehrkosten im Jahr. Ich gehe von bis zu 8.000 Euro aus." Zelder und ihr Mann betreiben einen Hof mit 100 Milchkühen. Sie könnten das, was sie bräuchten, um künftig die finanzielle Lücke zu schließen, nicht erwirtschaften. "Die Molkerei gibt die Preise vor." Das Geld fehle ihnen daher dann künftig im Betrieb. "Was die Regierung macht, sei ein Tritt in den Hintern für uns Landwirte", kritisiert Zelder.  Das Fass zum Überlaufen gebracht Für Kristin Antweiler haben die Pläne der Bundesregierung das Fass zum Überlaufen gebracht. Sie betreibt mit ihren Eltern ein Weingut in Rheinhessen, eigentlich will sie bald die Leitung übernehmen. "Ich demonstriere, weil wir als junge Generation keine Zukunftsperspektive mehr sehen. Uns fehlt die Planungssicherheit." Was nütze die größte Leidenschaft, wenn sie davon nicht leben könne. "Die Bundesregierung trifft von heute auf morgen Beschlüsse, ohne die Folgen abzuschätzen", kritisiert Antweiler, die zum Vorstand der Landjugend RheinhessenPfalz gehört. Wie viel der schrittweise Abbau der Agrardieselerstattung ihren Familienbetrieb genau kosten wird, kann die Winzerin nach eigenen Angaben noch nicht einschätzen. "Es ist nicht so, dass uns diese Entscheidung sofort in den Ruin treibt. Aber wenn wir uns jetzt nicht wehren, dann kommen wir bald in die Situation, dass wir aufhören müssen." Außerdem gebe es für Maschinen in der Größe und mit der Leistung, wie sie in der Landwirtschaft gebraucht würden, aktuell keine echte Antriebsalternative, sagt Antweiler.    Angestauter Unmut Thomas Herzfeld vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien hält den Unmut der Landwirte in Deutschland durchaus für nachvollziehbar. Grundsätzlich sei die Abschaffung des Instruments der Agrardieselerstattung sinnvoll. "Die Art und Weise der Ankündigung und der Übergangsprozesse ist jetzt aber sehr plötzlich", betont der Experte für Agrarpolitik. Bestehende Steuervergünstigungen würden sehr kurzfristig wegfallen, das werde von den Betroffenen natürlich negativ empfunden. Es handele sich im Regelfall aber nur um einen kleinen Anteil der gesamten Subventionen für landwirtschaftliche Betriebe. Es müsse also um mehr gehen. "Hier zeigt sich ein über einen längeren Zeitraum angestauter Unmut."  Gemüsebäuerin Melanie Schmitt und Winzerin Kristin Antweiler fühlen sich schon länger von der Politik nicht fair behandelt, stören sich an immer mehr Auflagen bei Pflanzenschutz und Düngeverordnung. Das bringe ihnen Wettbewerbsnachteile gegenüber Produkten aus anderen Ländern, sagen sie. Genauso wie der gestiegene Mindestlohn. Viehhalterin Zelder kritisiert auch, dass die Vorschriften für Landwirte immer mehr zugenommen hätten, was Mehrarbeit und Mehrkosten verursache.   Subventionen für Klimaschutz und Tierwohl Agrarexperte Herzfeld betont, dass Auflagen beim Pflanzenschutz und Düngemitteleinsatz durch EU-Richtlinien bestimmt würden. Hier sollten daher zumindest innerhalb der EU die Unterschiede nicht so groß sein. Bei Löhnen und Steuervergünstigungen gebe es sie allerdings auch innerhalb der EU. "Dabei kann aber nicht festgestellt werden, dass die Situation in Deutschland im Vergleich zum Durchschnitt der EU-Mitglieder schlechter wäre." Grundsätzlich sei die Landwirtschaft ein hartes Geschäft, betont Herzfeld. Lange Arbeitszeiten, zunehmende Ansprüche an die Managementfähigkeiten und schwankende Preise und damit Gewinne seien üblich. "Daher sind Subventionen für die Landwirtschaft nicht grundsätzlich was Schlechtes", sagt der Agrarexperte. Aber die gegenwärtigen seien zu pauschal. "Sie sollten sich künftig an den Leistungen der Landwirtschaft für Umwelt- und Klimaschutz sowie Tierwohl orientieren."   Kristin Antweiler erzählt, dass Winzer längst Aspekte von Nachhaltigkeit und Klimaschutz berücksichtigen; das sei auch Teil von Studium und Ausbildung. "Aber wenn die Verkehrswende nicht mal im privaten Personenverkehr gelinge, warum erwartet man das dann von uns Familienbetrieben?" Sie ist daher überzeugt, dass der Protest der Landwirte wichtig und richtig sei. "Wir müssen uns großflächig zeigen, dass es jeder mitbekommt", sagt sie.  Milchbäuerin Magdalena Zelder stört es nicht, jeden Morgen um fünf Uhr aufzustehen, um die Kühe zu füttern und zu melken - und natürlich sei sie für mehr Tierwohl. Sie sei Landwirtin aus Leidenschaft, aber die Pläne der Bundesregierung gingen zu Lasten der Bauern. Die Rückerstattung für Agrardiesel müsse erhalten bleiben. "Daher stehen wir jetzt auf und protestieren. Und wenn die Bundesregierung ihre Pläne nicht zurückzieht, kämpfen wir weiter", sagt Zelder.  Mehr Wertschätzung gefragt Melanie Schmitt fragt sich manchmal, ob sie als studierte Agraringenieurin nicht in einem Unternehmen eine bessere Work-Life-Balance hätte. Sie müsse regelmäßig 70 Stunden arbeiten in der Woche, während in anderen Bereichen über eine Viertagewoche diskutiert werde. Von Politik und Gesellschaft wünscht sich Schmitt mehr Wertschätzung für die Arbeit von Landwirten. Über positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung auf den Protest der vergangenen Tage habe sie sich sehr gefreut. Die Landwirtin hofft nun, dass der Protest auch Wirkung der Bundesregierung zeigt.
/inland/gesellschaft/bauernprotest-familienbetriebe-sparplaene-100.html
2024-01-11
Wie Russland die Bauernproteste für sich nutzen will
Desinformation aus Moskau
In prorussischen Kanälen werden die Bauernproteste mit westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine in Verbindung gebracht. Ein bekanntes Muster, das immer wieder vom Kreml hervorgeholt wird. Von P. Siggelkow.
In prorussischen Kanälen werden die Bauernproteste mit westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine in Verbindung gebracht. Ein bekanntes Muster, das immer wieder vom Kreml hervorgeholt wird. Von Pascal Siggelkow Nicht nur Rechtsextremisten und Verschwörungsideologen versuchen, die Bauernproteste für die eigenen Ziele zu vereinnahmen: Auch Russland sieht in den Protesten der Landwirte eine Möglichkeit, ein eigenes Narrativ zu stricken. So schrieb der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew im Kurzmitteilungsdienst X: "Die Subventionen wurden gestoppt und die astronomischen Ausgaben für die Ukraine steigen weiter." Wenn das so weitergehe, könnten die ukrainischen Nationalisten bald die bei ihnen so beliebten Proteste (Maidan) nach Berlin exportieren. Russland werde mit "hämischem Interesse" das Geschehen verfolgen. Auch auf prorussischen Nachrichtenseiten und Kanälen werden die aktuellen Bauernproteste mit dem Krieg in der Ukraine in Verbindung gebracht. Sowohl in deutschsprachigen, als auch in englischen und russischen Telegramkanälen wird beispielsweise eine Grafik verbreitet, in der die Kosten für westliche Waffen wie dem "Leopard"-Panzer oder "Marder" mit Bauernhöfen gegengerechnet werden. Dazu heißt es: "Der Ukraine 'Leopard' schicken oder Tausende von Bauernhöfen retten?". Die "unabhängige Ukraine" werde "weiterhin auf Kosten der Bürger" in Deutschland reich. "Russland will Proteste instrumentalisieren" "Russland versucht immer wieder, die westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine infrage zu stellen", sagt Julia Smirnova, Senior Researcher am Institute for Strategic Dialogue Germany (ISD). Dabei nutze der Kreml aktuelle Proteste, um diese zu bestärken und für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. In der Vergangenheit hatte Russland beispielsweise die Energiekrise oder auch die hohe Zahl geflüchteter Ukrainer als Anknüpfpunkte gewählt, um die Unterstützung der Ukraine in Teilen der deutschen Bevölkerung zu unterminieren. "Es läuft jedes Mal nach einem ähnlichen Muster ab", sagt Smirnova. Ausgaben für Waffenlieferungen oder ukrainische Geflüchtete würden als sinnlos dargestellt und mit anderen Krisen wie zum Beispiel den steigenden Energiepreisen in Verbindung gebracht. Dass die Kosten ohne den russischen Angriffskrieg gar nicht erst entstanden wären, werde dabei nicht erwähnt. An das eigene Publikum gerichtet nutzten die russischen Medien die Bauernproteste zudem, um die Situation in Deutschland als dramatisch dastehen zu lassen, sagt Smirnova. "Die Proteste wurden vom Staatsfernsehen aufgegriffen, um noch einmal das Narrativ zu untermauern, dass die wirtschaftliche Lage in Deutschland nicht gut aussehe, dass die Menschen unzufrieden seien." Die Probleme im Westen würden übertrieben, um die eigene Legende von der Überlegenheit zu untermauern. "Dadurch soll auch die eigene Öffentlichkeit überzeugt werden, dass es Russland verhältnismäßig gut geht." Bund muss viele Milliarden einsparen Die geplanten und zum Teil inzwischen zurückgenommenen Kürzungen von "klimaschädlichen Subventionen" in der Landwirtschaft sind eine Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023, aufgrund dessen die Bundesregierung beim Bundeshaushalt für das Jahr 2024 mehr als 30 Milliarden Euro einsparen musste. Durch die Abschaffung der Begünstigung in der Kraftfahrzeugsteuer für Forst- und Landwirtschaft sowie der Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel rechnete die Bundesregierung insgesamt mit Mehreinnahmen von knapp einer Milliarde Euro. Ersteres wurde inzwischen wieder zurückgenommen, so dass die Ersparnisse für die Regierung noch rund die Hälfte betragen. Insgesamt plant der Bund dem ersten Entwurf zufolge für das Jahr 2024 mit Ausgaben von mehr als 400 Milliarden Euro. Bei der Bekanntgabe der Maßnahmen, um das Haushaltsloch zu stopfen, gab Bundeskanzler Olaf Scholz bekannt, die Hilfen für die Ukraine nicht zu verändern. Dazu zählen acht Milliarden Euro für Waffenlieferungen, Finanzhilfen für den ukrainischen Haushalt direkt oder über die Europäische Union und voraussichtlich mehr als sechs Milliarden Euro, um ukrainischen Flüchtlingen in Deutschland zu helfen. "Die Ukrainerinnen und Ukrainer müssen auch längerfristig in die Lage versetzt werden, sich der Aggression des russischen Präsidenten Putin entgegenzustellen", heißt es dazu in einer Pressemitteilung der Bundesregierung. "Das ist eine unverzichtbare, klare Botschaft an den russischen Präsidenten, der offensichtlich darauf setzt, dass die internationale Unterstützung der Ukraine nachlässt." Falsche Bilder von zerstörten Kampfjets Nicht nur die Bauernproteste werden von der russischen Seite als Anlass genommen, um die westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine zu diskreditieren. Mit Blick auf die geplanten Lieferungen von F-16-Kampfjets sind in den vergangenen Wochen mehrere Falschmeldungen verbreitet worden. So hieß es in einige prorussischen Kanälen bei Telegram unter anderem, Russland habe mehrere F-16-Kampfjets abgeschossen. Bilder, die das angeblich beweisen sollten, zeigten jedoch entweder keine zerstörten F-16-Kampfjets oder sind bereits vor Jahren in einem anderen Zusammenhang aufgenommen worden. Hinzu kommt, dass auf dem Gebiet der Ukraine bislang zumindest offiziellen Angaben zufolge noch gar keine F-16-Kampfjets im Einsatz sind. Die ersten gelieferten Kampfjets aus den Niederlanden waren nach Medienberichten bisher lediglich in Rumänien zu Trainingszwecken im Einsatz, die Lieferung aus Dänemark verzögert sich. Einsatz als aussichtslos dargestellt Über die angekündigten Lieferungen der Kampfjets heißt es in einigen Kanälen zudem, dass die russischen Streitkräfte ohnehin schon eine "Antwort auf US-amerikanische Jagdflugzeuge des Typs F-16 in der Ukraine" gefunden hätten. Auch werden Ausschnitte westlicher Medienberichte zitiert, in denen der Erfolg der Kampfjets bereits vor ihrem Einsatz als aussichtslos dargestellt wird. "Die Beispiele reihen sich ein in das übergreifende Narrativ, dass die westlichen Waffenlieferungen nutzlos seien oder von der Ukraine auf dem Schwarzmarkt verkauft würden", sagt Smirnova. Besonders im Zusammenhang mit angeblich zerstörten westlichen Panzern gab es bereits einige Falschmeldungen. So zeigte ein Video eines angeblich zerstörten "Leopard"-Panzers in Wahrheit ein Landwirtschaftsgerät. "Das Ziel ist es, die Öffentlichkeit im Westen davon zu überzeugen, dass die Ukraine ein schwarzes Loch für westliches Geld sei, auch für westliche Waffen. Dass es sich nicht lohnt, die Ukraine militärisch weiter zu unterstützen", sagt Smirnova.
/faktenfinder/kontext/russland-bauernproteste-waffenlieferungen-100.html
2024-01-11
Warum der Kanzler weiter Rohrpost erhält
Geheime Dokumente
Bei bestimmten geheimen Dokumenten setzt das Kanzleramt weiterhin auf Rohrpost. Das hat laut einem Medienbericht auch mit Russlands Krieg gegen die Ukraine zu tun. Das Rohrpostsystem in dem Gebäude kommt auf eine Länge von 1.300 Metern.
Bei bestimmten geheimen Dokumenten setzt das Kanzleramt weiterhin auf Rohrpost. Das hat laut einem Medienbericht auch mit Russlands Krieg gegen die Ukraine zu tun. Das Rohrpostsystem in dem Gebäude kommt auf eine Länge von 1.300 Metern. Das Bundeskanzleramt will bestimmte geheime Dokumente weiter innerhalb des Hauses per Rohrpost verschicken. "Dabei handelt es sich in der Regel um eilige Vorgänge, die nicht elektronisch oder per Hausbotendienst weitergeleitet werden können, zum Beispiel weil sie der Geheimhaltung unterliegen oder im Original unterschrieben werden müssen", teilte ein Regierungssprecher auf eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung mit. "Eine Ablösung des Systems ist wegen der beschriebenen Vorteile derzeit nicht vorgesehen", hieß es. Damit will das Kanzleramt offenbar länger an seiner Rohrpostanlage festhalten als geplant. Grund hierfür ist der Schutz vor Spionage, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt. Das hänge auch mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine zusammen. Pro Monat etwa 1.000 Sendungen Die Rohrpost wurde Mitte des 19. Jahrhunderts erfunden. Dabei werden zylinderförmige Behälter mit Dokumenten oder anderen Gegenständen per Druckluft durch ein Rohrsystem zum Empfänger katapultiert. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden in Großstädten teils Hunderte Kilometer lange Netze. Das Transportmittel hält sich aber auch im Internetzeitalter noch. 2001 wurde ein Rohrpostsystem mit zwei Linien in das neue Berliner Kanzleramt integriert: 36 Stationen verteilt auf 1.300 Metern Länge. Seitdem sei es "uneingeschränkt in Nutzung", teilte der Regierungssprecher mit. Pro Monat würden damit etwa 1.000 Sendungen bewegt. Die Kosten für den Betrieb gibt das Kanzleramt mit 15.000 Euro jährlich an.
/inland/kanzleramt-rohrpost-100.html
2024-01-11
Gemeinsam gegen Minen im Schwarzen Meer
Türkei, Bulgarien und Rumänien
Durch den Krieg in der Ukraine treiben Seeminen durch das Schwarze Meer. Nach mehreren gefährlichen Zwischenfällen haben drei Anrainer vereinbart: Eine Task-Force soll sich um die Sicherheit kümmern. Von J. Pentz.
Durch den Krieg in der Ukraine treiben Seeminen durch das Schwarze Meer. Nach mehreren gefährlichen Zwischenfällen haben drei Anrainer vereinbart: Eine Task-Force soll sich um die Sicherheit kümmern. Von Jannik Pentz, ARD Istanbul Erst vor wenigen Tagen machten türkische Fischer einen ungewöhnlichen Fang: In ihrem Netz zappelten diesmal keine Fische, sondern sie zogen eine hochexplosive Seemine an Bord. Ihren gefährlichen Fund meldeten die Fischer umgehend an die türkische Küstenwache. Laut lokalen Medienberichten wurde der nahe gelegene Hafen von Eregli vorübergehend gesperrt. Ein Spezialteam aus Istanbul machte sich auf den Weg und konnte die Mine kurz darauf entschärfen. Immer wieder rufen solche Seeminen im Schwarzen Meer Probleme hervor. Durch den Krieg in der Ukraine treiben zahlreiche Sprengkörper unkontrolliert umher. Wie viele dieser "Geisterminen" es gibt und woher genau sie kommen, ist unklar. Die Ukraine und Russland machen sich gegenseitig dafür verantwortlich. Sperrung des Bosporus Dabei läuft es nicht immer so glimpflich ab wie bei den türkischen Fischern vor Eregli: Ende Dezember kam es an einem Getreidefrachter vor der ukrainisch-rumänischen Küste zu einer Explosion. Der Kapitän setzte das schwer beschädigte Schiff daraufhin offenbar bewusst auf Grund, um ein Sinken zu verhindern. Von den 18 Crewmitgliedern wurden zwei leicht verletzt. Das ukrainische Militär machte eine "feindliche Seemine" für den Vorfall verantwortlich.  Im März 2022 musste wegen einer Seemine sogar der Bosporus vorübergehend gesperrt werden - eine der wichtigsten Schifffahrtsstraßen der Welt. Kurz darauf reagierte die türkische Regierung und startete eine "Anti-Minen-Operation": Mit Flugzeugen, Schiffen und Radarsystemen sucht die Türkei seitdem nach umhertreibenden Minen im Schwarzen Meer. Task-Force gegen Seeminen Ein neues Abkommen mit Rumänien und Bulgarien soll den Kampf gegen die Minen nun verbessern und ausweiten. Dazu haben die Verteidigungsminister der drei NATO-Staaten nach monatelangen Verhandlungen ein Abkommen in Istanbul unterzeichnet. In einer Erklärung heißt es: Der Vertrag von Den Haag verbietet die Verwendung von Seeminen, die sich aus irgendeinem Grund von ihren Ankergeräten lösen und nach einer Stunde nicht von selbst unschädlich werden. Gleichzeitig machen die Minister klar: Die Gründung der Task-Force richte sich nicht gegen einen bestimmten Staat, sondern diene einzig und allein der Verteidigung. Gemeinsamer Marineausschuss Konkret vereinbart haben die drei Länder nun eine engere Zusammenarbeit. Demnach soll jedes Land ein Minenabwehrschiff und ein Kommandoschiff zur Verfügung stellen, die regelmäßig Patrouille fahren. Zusätzlich wollen die Türkei, Rumänien und Bulgarien vermehrt gemeinsame Übungen und Schulungen abhalten. Ein gemeinsamer Marineausschuss soll die Aktivitäten überwachen. Der Vorsitz der Initiative soll dabei alle sechs Monate zwischen den Ländern wechseln. Die drei NATO-Staaten hoffen so, das Schwarze Meer wieder sicherer zu machen - und weitere gefährliche Zwischenfälle zu verhindern.
/ausland/europa/seeminen-schwarzes-meer-100.html
2024-01-11
Islamisten in Somalia nehmen mehrere Geiseln
Nach Notlandung eines UN-Hubschraubers
In Somalia haben Terroristen der Al-Shabaab-Miliz die Insassen eines UN-Hubschraubers als Geiseln genommen und einen Menschen getötet. Laut somalischer Behörden konnten zwei Menschen entkommen.
In Somalia haben Terroristen der Al-Shabaab-Miliz die Insassen eines UN-Hubschraubers als Geiseln genommen und einen Menschen getötet. Laut somalischer Behörden konnten zwei Menschen entkommen. Nach der Landung eines UN-Hubschraubers in einem von der islamistischen Terrormiliz Al-Shabaab kontrollierten Gebiet in Zentralsomalia sollen sich vier oder fünf Menschen in der Gewalt der Islamisten befinden. Nach Angaben somalischer Behörden soll es dem Piloten und einem somalischen Arzt gelungen sein, lebend zu entkommen. Die Suche nach den beiden Männern im Buschland laufe, hieß es. Der Hubschrauber war am Mittwoch aus noch unbekannter Ursache in dem Al-Shabaab-Gebiet gelandet. Nach somalischen Behördenangaben töteten die Islamisten einen Ägypter an Bord des Hubschraubers. Die übrigen Passagiere und Crew-Mitglieder wurden demnach an einen unbekannten Ort verschleppt. Nach unbestätigten Berichten sollen die Islamisten den Hubschrauber anschließend in Brand gesetzt haben. UN: Medizinischer Evakuierungsflug Die UN-Mission in Somalia bestätigte einen Vorfall mit einem Hubschrauber. Dieser sei zu einem medizinischen Evakuierungsflug unterwegs gewesen. Es liefen Bemühungen um eine Lösung der Situation. Bisher hat sich kein Sprecher der Terrormiliz zu dem Zwischenfall zu Wort gemeldet.  Der regionale Sicherheitsminister Mohamed Abdi Aadan hatte die Entführung mehrerer Passagiere und Besatzungsmitglieder durch die Terrormiliz am Mittwoch dem britischen Sender BBC gegenüber bestätigt. Der Hubschrauber soll wegen eines technischen Defekts in dem Gebiet gelandet sein. Die Al-Shabaab-Miliz ist in Somalia seit mehr als 15 Jahren aktiv und kontrolliert vor allem im Zentrum und im Süden des Landes am Horn von Afrika große Gebiete. In den dortigen Gebieten herrscht eine strenge Auslegung der Scharia. Alles, was als "westlich" gilt, ist verboten. Die Gruppe hat auch Anschläge in Uganda und Kenia ausgeführt und in Somalia Morde an Regierungsbeamten, Journalisten und Vertretern der Zivilgesellschaft verübt. Die somalische Regierung hat in den vergangenen Monaten ihren Kampf gegen die mit dem Netzwerk Al-Kaida verbündete Terrorgruppe intensiviert. Gleichzeitig begann der Abzug internationaler Truppen, die zur Unterstützung im Land waren.
/ausland/afrika/somalia-terrormiliz-geiseln-100.html
2024-01-11
Erdbeben erschüttert Afghanistan
Hindukusch-Region
Im Nordosten Afghanistans hat sich erneut ein schweres Erdbeben ereignet. Die Erschütterungen waren bis in die Hauptstadt Kabul und ins Nachbarland Pakistan zu spüren. Über Schäden oder Opfer ist bislang nichts bekannt.
Im Nordosten Afghanistans hat sich erneut ein schweres Erdbeben ereignet. Die Erschütterungen waren bis in die Hauptstadt Kabul und ins Nachbarland Pakistan zu spüren. Über Schäden oder Opfer ist bislang nichts bekannt. Im Norden Afghanistans hat es am Donnerstag ein starkes Erdbeben gegeben. Meldungen zu Toten, Verletzten oder Schäden liegen bislang nicht vor. Die US-Erdbebenwarte USGS gab die Stärke des Bebens mit 6,4 an. Das Epizentrum lag im Bezirk Dschurm in der Provinz Badachschan in der Hindukusch-Bergregion, etwa 300 Kilometer entfernt von der afghanischen Hauptstadt Kabul. Die Erschütterungen waren laut Medienberichten bis in die 1.000 Kilometer entfernte indische Hauptstadt Neu-Delhi und im zentralasiatischen Nachbarland Tadschikistan zu spüren. Das Erdbeben brachte Gebäude in der ganzen Region zum Schwanken. Ein Mann aus einem Dorf im Bezirk Dschurm sagte der Nachrichtenagentur AFP am Telefon, das Beben habe "das Dorf durchgeschüttelt" und in einigen Hauswänden seien Risse entstanden. In der pakistanischen Hauptstadt Islamabad flüchteten Menschen aus ihren Häusern. Ein Bewohner von Kabul sagte, er fühle sich an die jüngste verheerende Erdbebenserie im westlichen Afghanistan erinnert. Im Oktober waren in der Provinz Herat durch eine Reihe von Erdbeben der Stärke 4,2 bis 6,3 Tausende Menschen ums Leben gekommen. Nach Angaben der Vereinten Nationen starben dort rund 1.500 Menschen. Hilfsorganisation warnt vor Nachbeben "Unsere Teams sind in höchster Alarmbereitschaft und wir stehen in Kontakt mit unseren Beamten in den abgelegenen Regionen", teilten Rettungskräfte in der pakistanischen Grenzregion zu Afghanistan mit. Die Hilfsorganisation International Rescue Committee (IRC) warnte vor Nachbeben in den kommenden Tagen und Wochen und Schwierigkeiten bei der Bewältigung. "Die humanitäre Hilfe in Afghanistan ist bereits überlastet und kämpft mit den Folgen eines jahrzehntelangen Konflikts, des Klimawandels und der Wirtschaftskrise", so die Organisation. Immer wieder gibt es schwere Erdbeben in der Region, in der die Arabische, die Indische und die Eurasische Platte aufeinandertreffen. Mit einer Tiefe von mehr als 200 Kilometern befand sich das jüngste Beben weit unter der Erdoberfläche, was die Wahrscheinlichkeit für Schäden verringert.
/ausland/asien/afghanistan-erdbeben-schaeden-100.html
2024-01-11
Was die Zulassung der Bitcoin-ETF bedeutet
Investieren in Krypto-Fonds
Anhänger der Digital-Währung Bitcoin haben lange auf diesen Tag hingefiebert: Die US-Wertpapieraufsicht SEC hat jetzt den Weg für börsengehandelte Bitcoin-ETFs frei. Was bedeutet das für Anleger?
Anhänger der Digital-Währung Bitcoin haben lange auf diesen Tag hingefiebert: Die US-Wertpapieraufsicht SEC hat jetzt den Weg für börsengehandelte Bitcoin-ETFs frei. Was bedeutet das für Anleger? Was bedeutet die Zulassung für den Krypto-Markt? Viele Experte sehen darin eine Art Ritterschlag für den Bitcoin. Die Genehmigung habe eine große Signalwirkung erzeugt und werde für den Bitcoin deutlich mehr Professionalisierung schaffen, sagt Philipp Sandner von der Frankfurt School of Finance and Management: "Dies wird aber Monate dauern oder sogar noch länger. Der Bitcoin kommt nun langsam im Mainstream an; er wird hoffähig." Was steckt hinter den Bitcoin-ETF? Mit den neuen Finanzprodukten wird es für Investoren in den USA einfacher, in den Bitcoin zu investieren. ETF steht für "exchange-traded fund" - übersetzt "börsengehandelter Fonds". Mit ETF wird normalerweise ein bestimmter Börsen-Index nachgebildet, etwa der MSCI World, in dem unter anderem die Aktien von Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet (Google) und Meta (Facebook) stecken. Die neuen Bitcoin-ETF bilden nun aber keinen Index ab, sondern spiegeln die Preisentwicklung des Bitcoin wider. Warum ist die ETF-Zulassung in der Kryptoszene umstritten? Etliche Krypto-Anleger rechnen durch den Einstieg der traditionellen Finanzwirtschaft in den Bitcoin-Markt mit einer erhöhten Nachfrage nach Bitcoin. Das würde zwangsläufig zu einer Kurssteigerung führen, weil die Gesamtzahl der Bitcoins auf 21 Millionen begrenzt ist. Kritiker sehen den Einstieg skeptisch, auch weil der Bitcoin einst als Gegenreaktion auf die Finanzkrise entstand, für die traditionelle Geldhäuser verantwortlich waren. Der unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto agierende Bitcoin-Gründer wollte mit seinem Gegenentwurf vermeiden, dass Banken und Vermögensverwalter am Wertaufbau mitverdienen. Bitcoin-Experte Sandner zieht die Grenzen nicht so eng: "Der Bitcoin und die Idee dahinter ändert sich nicht. Es gibt ab nun aber weitere Möglichkeiten, in ihn zu investieren. Der Bereich professionalisiert sich." Werden die US-ETF auch in Deutschland angeboten? Nein, solche "One-Trick-Ponys" widersprechen den Regularien in Deutschland. Deshalb gibt es in der Bundesrepublik im Gegensatz zu den USA auch keine ETF, die sich ausschließlich am Goldpreis orientieren. Wer virtuell in Gold investieren möchte, muss in Deutschland auf ETC ausweichen. ETC steht für exchange-traded commodities ("börsengehandelte Rohstoffe"). Sie funktionieren ähnlich wie ETF: Sie können ebenfalls direkt an der Börse gehandelt werden und bilden den Goldpreis annähernd nach. Rechtlich gesehen sind ETC aber unbefristete Schuldverschreibungen und keine Investmentfonds. Ähnlich Angebote gib es in Deutschland für den Bitcoin. Das sind dann sogenannte ETP (exchange-traded products) oder ETN (exchange-traded notes), die den Bitcoin ebenfalls abbilden. Wie wird sich der Bitcoin-Kurs entwickeln? Der Kurs schwankt sehr stark, und Prognosen für den weiteren Verlauf sind schwierig. Die Bedeutung der ETF-Zulassung kann man aber an dem Kurs der vergangenen Monate ablesen. Mitte Oktober, bevor Gerüchte über eine bevorstehende Zulassung kursierten, lag der Kurs bei rund 26.500 Dollar. Vor der SEC-Entscheidung stieg der Bitcoin auf knapp 48.000 Dollar. Und wie sieht die langfristige Perspektive aus? Experten trauen dem Bitcoin zu, 2024 ein Rekordhoch von über 69.000 Dollar zu erreichen und halten auch Kurse von über 100.000 Dollar für möglich. Finanzexperte Sandner sagt: "Der Kurs dürfte sich dadurch positiv entwickeln, wenn nun das Investieren in Bitcoin unkomplizierter wird und auch die ersten großen institutionellen Investoren beginnen, sich für den Bitcoin zu interessieren." Sogenannte HODL-Investoren, die ihre Kryptobestände halten, egal wie hoch oder niedrig die Preise sind, spekulieren sogar auf ein Überschreiten der Schwelle von einer Million Dollar. Auf der anderen Seite gibt es warnende Stimmen, etwa die deutsche Verbraucherzentrale. Bitcoins seien aufgrund der Risiken - von starken Kursschwankungen bis zum Totalverlust - als Geldanlage nicht zu empfehlen, erklärten die Verbraucherschützer im November.
/wirtschaft/boerse/faq-bitcoin-etf-100.html
2024-01-11
Inflation in den USA zieht wieder an
Zinspolitik der Fed
In den USA ist die Inflation vor dem Jahreswechsel wieder angestiegen. Trotz des unerwartet starken Anstiegs dürften die Zinsen in den USA in diesem Jahr sinken.
In den USA ist die Inflation vor dem Jahreswechsel wieder angestiegen. Trotz des unerwartet starken Anstiegs dürften die Zinsen in den USA in diesem Jahr sinken. Die Inflation in den USA hat sich vor der Jahreswende verstärkt. Die Verbraucherpreise stiegen im Dezember um 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, nach plus 3,1 Prozent im November, wie das Arbeitsministerium heute in Washington mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Wert von 3,2 Prozent gerechnet. Von November auf Dezember zogen die Preise um 0,3 Prozent an. Analysten hatten mit lediglich 0,2 Prozent gerechnet. Zinsen aktuell über fünf Prozent Zugleich sank die Kerninflationsrate im Dezember von 4,0 Prozent im Vormonat auf 3,9 Prozent. Die Kernrate wird von der US-Notenbank Fed besonders beachtet. Sie gibt den allgemeinen Preistrend nach Meinung von Fachleuten besser wieder als die Gesamtrate, da schwankungsanfällige Komponenten wie Energie und Lebensmittel herausgerechnet werden. Die US-Notenbank Fed, die stabile Preise und Vollbeschäftigung fördern soll, will die Jahresteuerungsrate nachhaltig in Richtung ihres Zielwerts von 2,0 Prozent drücken. Sie beließ die Leitzinsen zuletzt auf drei Sitzungen in Folge in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent, nachdem sie die Geldpolitik zuvor kräftig gestrafft hatte. Allerdings hatten sich schon bei der vergangenen Sitzung der Fed Mitte Dezember nahezu alle Währungshüter dafür ausgesprochen, dass ein geringeres Zinsniveau bis Ende 2024 angemessen sei. An den Finanzmärkten wird erwartet, dass sie beim Zinsentscheid Ende des Monats noch stillhalten wird, im Frühjahr aber auf eine Senkung zusteuern könnte.
/wirtschaft/weltwirtschaft/usa-inflation-dezember-100.html
2024-01-11
"Opfer zweiter Klasse"
Vergewaltigungen an Klinikum
In einem Bielefelder Krankenhaus hat ein Assistenzarzt 2019 und 2020 viele Patientinnen vergewaltigt. Laut einer neuen Recherche gibt es womöglich weitere Opfer - doch die Staatsanwaltschaft erkennt diese bislang nicht als solche an.
In einem Bielefelder Krankenhaus hat ein Assistenzarzt 2019 und 2020 viele Patientinnen vergewaltigt. Laut einer neuen Recherche gibt es womöglich weitere Opfer - doch die Staatsanwaltschaft erkennt diese bislang nicht als solche an. Von Daniel Laufer und Lisa Wandt, RBB Auch mehr als drei Jahre, nachdem der Bielefelder Vergewaltigungsskandal öffentlich bekannt geworden ist, wissen womöglich noch immer nicht alle Frauen, dass sie Opfer einer Sexualstraftat geworden sind. Das zeigen gemeinsame Recherchen des ARD-Politikmagazins Kontraste mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger" und dem "Westfalen-Blatt". Philipp G. filmte viele seiner Taten Die Staatsanwaltschaft Duisburg zählt demnach bislang nur jene 30 Patientinnen des Evangelischen Bethel-Klinikums als Opfer, von denen es Videos gibt. Der Assistenzarzt Philipp G. hatte diese betäubt und eine Vielzahl seiner Taten gefilmt. Vier weitere Patientinnen soll G. zudem betäubt haben - ob er diese auch vergewaltigte, ist unklar. Eine davon ist Britta Schulte (Name geändert). "Ich werde als Opfer zweiter Klasse behandelt", sagt sie. "Inzwischen bin ich richtig wütend." Schultes Name steht auf einer Liste von Zimmernachbarinnen vergewaltigter Frauen. Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft hatte das Klinikum Ende 2022 Einsicht in die Daten der Patientenverwaltung gewährt. Im Februar 2023 nahm die Polizei Bielefeld deshalb Kontakt zu Schulte auf. Die Ermittler wollten mit ihr sprechen - als mögliche Zeugin. Zwischen Februar 2019 und April 2020 betäubte und vergewaltigte der Assistenzarzt Philipp G. zahlreiche Patientinnen. Nach seiner Festnahme im Herbst 2020 beging er Suizid. In seiner Wohnung hatte die Polizei Festplatten mit Videos seiner Taten gefunden, außerdem eine Liste mit 80 Namen von Frauen. Betroffene Frauen zunächst nicht informiert Dennoch entschied die Staatsanwaltschaft Bielefeld zunächst, die betroffenen Frauen nicht zu informieren. Sie stellte die Ermittlungen ein, ebenso die Generalstaatsanwaltschaft Hamm. Später eröffnete die Staatsanwaltschaft Duisburg das Verfahren wieder, im Januar 2022 ließ sie Betroffene durch die Polizei informieren. Schulte hatte im Sommer 2019 sechs Tage auf der neurologischen Station des Klinikums verbracht. Für eine Nacht teilte sie sich das Zimmer mit einer jener Frauen, von denen es Videobelege gibt, die zeigen, dass Philipp G. sie betäubt und sexuell genötigt hat. Heute sagt Schulte, sie sei bei der Vernehmung im Februar 2023 überrascht gewesen, als Zeugin behandelt worden zu sein. "Ich wurde immer wieder gefragt, ob mir bei meiner Bettnachbarin etwas aufgefallen ist." Dabei habe ein Arzt ihr selbst einen Zugang gelegt und Fragen dazu nicht nachvollziehbar beantworten wollen. Philipp G. identifiziert Auf einem Foto der Polizei hat Schulte diesen Arzt als Philipp G. identifiziert. Die Ermittler seien nach Schultes erster Vernehmung davon ausgegangen, sie sei betäubt worden, damit sich G. an ihrer Zimmernachbarin vergehen kann, schreibt die Staatsanwaltschaft an Kontraste, "Kölner Stadt-Anzeiger" und "Westfalen-Blatt". Von Schulte wurde bei G. hingegen kein Videomaterial gefunden. Schulte geht inzwischen davon aus, dass sie im Bethel-Klinikum Opfer einer durch Philipp G. verübten Sexualstraftat wurde. Nach ihrem Klinikaufenthalt habe sie auf einmal anders auf ihren langjährigen Partner reagiert. "Wenn er mich im Schlaf von hinten umarmte, war ich in Schweiß gebadet und bekam Herzklopfen." Damals habe sie sich das nicht erklären können, heute vermutet sie eine mutmaßliche Vergewaltigung als Ursache. Ihre Beziehung sei deshalb in die Brüche gegangen. Zugänge gelegt Im November 2023 wandte sie sich deshalb an die Anwältin Stefanie Höke, die noch weitere Opfer von Philipp G. vertritt. In deren Begleitung sagte Schulte im Dezember erneut bei der Polizei aus. Inzwischen hatte Schulte sich an etwas erinnert: Philipp G. habe ihr den Zugang erst gelegt, nachdem sie bereits in ein anderes Zimmer verlegt worden war. Einen Zusammenhang mit der sexuellen Nötigung ihrer ersten Zimmernachbarin schließt Schulte deshalb aus. Die Staatsanwaltschaft schreibt, laut Dienstplan habe Philipp G. ab dem zweiten Tag von Schultes Klinikaufenthalt Urlaub gehabt. Allerdings soll G. auch in anderen Fällen außerhalb seiner Dienstzeiten im Klinikum gesehen worden sein - auch im Zusammenhang mit bei Patientinnen gelegten Zugängen. "Ich habe das ungute Gefühl, dass viele Leute überhaupt nicht wissen, was mit ihnen passiert ist", sagt Schulte. "Weil sie sich nicht gewundert haben, dass ihnen ein Zugang gelegt wurde." "Diese Sedierung erfolgte zu Unrecht" Dass Schulte ein Zugang gelegt wurde, räumt auch die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel ein. Sie ist Hauptgesellschafterin des Klinikums. Ihr Vorsitzender bat Schulte im August 2023 per Brief um Entschuldigung. Er schrieb, sie habe "ein weder verordnetes noch nötiges Betäubungsmittel" erhalten. "Diese Sedierung erfolgte zu Unrecht." Für die Opfer des sexuellen Missbrauchs durch Philipp G. haben das Bethel-Klinikum und die Stiftung einen Unterstützungsfonds eingerichtet. Auch Schulte könne darauf zugreifen, teilte die Stiftung mit - wenn auch nicht in selber Form wie die 30 der Polizei bekannten Frauen, die als Patientinnen von Philipp G. vergewaltigt wurden, sondern "in etwas abgewandelter Form", wie es in einem Schreiben der Stiftung an Schulte heißt. Bis zu 10.000 Euro stünden ihr etwa für Therapien zur Verfügung. Die von den Ermittlern festgestellten Vergewaltigungsopfer haben darüber hinaus hohe Entschädigungszahlungen enthalten. "Die Opfer des sexuellen Missbrauchs ermittelt die Staatsanwaltschaft", teilen das Klinikum und die Stiftung auf Anfrage mit. Ermittler suchen weitere Zeugin Die Ermittler versuchen nun, eine ältere Frau zu finden, mit der Schulte ihr zweites Zimmer im Klinikum geteilt hat. Diese Frau, sagt Schulte, habe zu ihr eines Morgens gesagt: "Sie hatten aber noch spät Besuch!" Damals habe sie damit nichts anfangen können. Heute vermutet sie dahinter den Hinweis auf einen nächtlichen Übergriff durch Philipp G. Bei ihrer ersten Vernehmung im Februar 2023, erzählt Schulte, habe die Polizistin ihr ein Blatt Papier in die Hand gedrückt. Aufgelistet waren die bei der Obduktion festgestellten Geschlechtskrankheiten von Philipp G. Die Staatsanwaltschaft schreibt dazu auf Anfrage, dieses "Merkblatt" sei "höchst vorsorglich" überreicht worden. "Da die Zeugin jedenfalls einen Zugang erhalten hat, kann, auch wenn keine Bild- oder Videoaufzeichnungen vorliegen, letztlich ein Sexualdelikt nicht mit absoluter Gewissheit ausgeschlossen werden."
/investigativ/kontraste/bielefeld-vergewaltigungen-klinik-100.html
2024-01-11
Argumente für ein AfD-Verbotsverfahren?
Nach Treffen mit Rechtsextremen
Das Treffen von AfD-Funktionären und Rechtsextremen und dort diskutierte Vertreibungspläne haben heftige Kritik hervorgerufen. Haben sie auch Auswirkungen auf ein mögliches Verbotsverfahren? Von Max Bauer und Bianca Schwarz.
Das Treffen von AfD-Funktionären und Rechtsextremen und dort diskutierte Vertreibungspläne haben heftige Kritik hervorgerufen. Haben sie auch Auswirkungen auf ein mögliches Verbotsverfahren? Von Max Bauer, Bianca Schwarz Die AfD hat auf den Bericht des Recherchenetzwerks "Correctiv" über ein Treffen mit Rechtsextremen reagiert. Das sei "kein AfD-Termin" gewesen und dort seien keine politischen Strategien entwickelt worden. Was nicht geleugnet wird: Dass bei dem Treffen bei Potsdam ein Masterplan zur "Remigration" besprochen wurde. Der Vordenker der rechtsextremen "Identitären Bewegung", Martin Sellner, plädierte bei dem Treffen laut "Correctiv" dafür, dass Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und auch "nicht assimilierte deutsche Staatsbürger" Deutschland verlassen müssen. Die sogenannte "Remigration" ist kein neuer Plan von Rechtsextremen. Gemeint ist: die Vertreibung aller Menschen aus Deutschland, die eine Migrationsgeschichte haben und die auch mit deutschem Pass nicht ins rechtsradikale Deutschlandbild passen. "Remigrations"-Pläne sind verfassungsfeindlich Ein solcher Plan wäre rassistisch und verfassungsfeindlich. Er würde Menschen nach ihrer Herkunft ethnisch definieren und inhaltlich dem Volksbegriff entsprechen, den das Bundesverfassungsgericht im NPD-Verbotsverfahren bereits als verfassungsfeindlich eingestuft hat. Damals hatte Karlsruhe gesagt: Ein "politisches Konzept, das auf die strikte Exklusion aller ethnisch Nichtdeutschen gerichtet ist", verletzt die Menschenwürde. Außerdem würde es gegen Menschenrechte verstoßen, Menschen massenhaft zu vertreiben, die zwar keine deutsche Staatsbürgerschaft aber in Deutschland ein Bleiberecht haben. Was bedeutet das für ein mögliches AfD-Verbotsverfahren? Zwei Dinge verlangt das Bundesverfassungsgericht für ein Parteienverbot. Einmal verfassungsfeindliche Ziele: Das heißt, eine Partei muss anstreben, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Und dann ein "planvoll aktives Handeln" von Parteimitgliedern oder Parteianhängern, um die verfassungsfeindlichen Ziele zu erreichen. Dabei muss es zumindest möglich erscheinen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt. Bei der NPD, die 2017 nicht verboten wurde, hatte Karlsruhe die tatsächliche Gefährlichkeit der Partei verneint. Die AfD, die in diesem Jahr Landtagswahlen gewinnen könnte, würde hingegen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht als politisch unbedeutend eingestuft. Welche Nachweise müssten für ein Verbot erbracht werden? Bei einem möglichen Verbotsverfahren gegen die AfD würde es wohl um einen anderen Knackpunkt gehen als bei dem gescheiterten Verbotsverfahren gegen die NPD 2017. Bei der NPD hatte Karlsruhe gesagt, die Partei sei mittlerweile einfach politisch zu unbedeutend, obwohl sie klar verfassungsfeindlich ist. Bei der AfD müsste man für ein Verbot genau nachweisen, welche verfassungsfeindlichen Ziele sie im Einzelnen verfolgt. Christoph Möllers, Professor für Verfassungsrecht und Verfahrensbevollmächtigter im zweiten Verbotsverfahren gegen die NPD, hat in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung auf ein Problem hingewiesen: Anders als die NPD schreibe die AfD keine verfassungsfeindlichen Ziele in ihre Programme. Daher müsse man ihre Verfassungsfeindlichkeit aus Äußerungen ihrer Funktionäre nachweisen und sie der Gesamtpartei zurechnen können. Man könne sich auch nicht nur auf die vorliegenden Verfassungsschutzberichte stützen, sondern müsste eine eigene tiefgreifende Materialsammlung bei einem Verbotsantrag vorlegen. Ein Thema in einem Verbotsverfahren könne aber die Vernetzung von AfD-Politikern mit der rechtsextremistischen Szene sein. Die Unvereinbarkeitsliste der AfD Die rechtsextreme "Identitäre Bewegung" steht eigentlich auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD. Soll heißen: Deren Mitglieder können keine AfD-Mitglieder werden. Allerdings ist seit Jahren bekannt, dass die Unvereinbarkeitsliste nicht konsequent beachtet wird. Das prominenteste Beispiel: Der AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Nolte beschäftigte in seinem Büro einen Bundeswehroffizier, der verdächtigt wurde, einen rechten Terroranschlag geplant zu haben. Trotz Einstufung als Rechtsextremist durch den Militärischen Abschirmdienst bekam dieser Mitarbeiter einen Hausausweis für den Bundestag. Immer wieder fallen AfD-Bundestagsmitglieder auf, weil sie Kontakte zu Rechtsextremen halten oder selbst einen entsprechenden Hintergrund haben. Die eigene Unvereinbarkeitsliste scheint also in der Partei keinen sonderlich hohen Stellenwert zu genießen. Nach dem Bekanntwerden der "Correctiv"-Recherche verweist die AfD darauf, dass das Treffen in Potsdam keine AfD-Veranstaltung gewesen sei, die AfD habe nicht selbst dazu eingeladen. Ein Baustein in einem möglichen Verbotsverfahren Zwar hat die AfD festgelegt, dass Mitglieder bestimmter rechtsextremer Gruppen nicht Mitglied der Partei werden dürfen. Wenn sich der persönliche Referent von Parteichefin Alice Weidel mit einem prominenten Rechtsextremen trifft und dann rassistische Vertreibungspläne besprochen werden, ist das aber ein Umstand, der in einem AfD-Verbotsverfahren mit großer Sicherheit eine Rolle spielen würde. Das Treffen von Potsdam könnte ein Hinweis auf die Verfassungsfeindlichkeit der AfD sein und damit zumindest ein Baustein in einem möglichen AfD-Verbotsverfahren. Wie reagiert die Politik? Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat auf dem Kurznachrichtendienst X deutlich reagiert. Er schreibt: "Wir lassen nicht zu, dass jemand das "Wir" in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht. Wir schützen alle - unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist." Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat vor der Vernetzung von rechten und rechtsextremen Gruppen gewarnt. Die SPD-Politikerin sagt, deswegen sei es richtig, dass der Verfassungsschutz sehr genau beobachtet, welche Kontakte es im rechtsextremistischen Spektrum gibt. Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz meinte, solche Deportationspläne seien "konkreter und struktureller Bestandteil dieser menschenverachtenden Partei". Auch Alexander Throm, Innenpolitiker der CDU, findet erschreckend, inwieweit AfD-Politiker, Rechtsextreme und Anhänger der als verfassungsfeindlich eingestuften "Identitären Bewegung" vernetzt sind. Von einem Verbotsverfahren hält Throm allerdings wenig, das würde die AfD aus seiner Sicht nur noch stärker machen. Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sprach sich hingegen dafür aus, ein Verbotsverfahren zu prüfen. Ein solches Verfahren hätte zwar hohe Hürden und würde von der AfD "propagandistisch ausgeschlachtet", so der SPD-Politiker. "Das Damoklesschwert eines Verbots sollte aber über der AfD hängen bleiben."
/inland/innenpolitik/afd-verbotsdebatte-100.html
2024-01-11
Modernstes ICE-Instandhaltungswerk startet
"Deutschland-Tempo"
In Cottbus ist heute das neue Instandhaltungswerk für ICE der Deutschen Bahn offiziell eröffnet worden. In den kommenden Jahren sollen dort insgesamt 1.200 neue Arbeitsplätze entstehen.
In Cottbus ist heute das neue Instandhaltungswerk für ICE der Deutschen Bahn offiziell eröffnet worden. In den kommenden Jahren sollen dort insgesamt 1.200 neue Arbeitsplätze entstehen. Das modernste und größte ICE-Instandhaltungswerk der Deutschen Bahn ist heute in Cottbus in Betrieb genommen worden. Weniger als 20 Monate nach dem Spatenstich haben Bundeskanzler Olaf Scholz, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke und Bahn-Vorstandschef Richard Lutz die fast 450 Meter lange Werkhalle offiziell eröffnet. Dort soll künftig die ICE-4-Flotte gewartet werden. Der Bau der zweigleisigen Halle erfolgte in 20 Monaten, Scholz sprach von einem neuen "Deutschland-Tempo". Das Werk setze Maßstäbe für große Vorhaben überall im Land. Woidke betonte, dass zukunftsfähige Arbeitsplätze in der Strukturwandel-Region das Vertrauen in Versprechen der Politik stärken würden. Wartung in nur zwei Wochen Das Bahnwerk ist eines der wichtigsten Vorhaben, um die Lausitzer Kohleregion zu unterstützen. Es wird über das Strukturstärkungsgesetz des Bundes finanziert. Mit der Inbetriebnahme entstehen am Standort 450 Arbeitsplätze. Bis 2026 sollen es insgesamt 1.200 sein. Der Konzern hat nach eigenen Angaben auch die Berufsausbildung gestärkt und die Zahl der Ausbildungsplätze deutlich erhöht. Somit können Arbeitsplätze im Werk mit eigenen Auszubildenden besetzt werden. In der Halle werden die Züge zum Teil demontiert und schwere Teile wie Fahrmotoren oder Drehgestelle ausgetauscht. Das geht innerhalb von rund zwei Wochen - nach Bahnangaben so schnell wie in keinem anderen Werk. Für die Wartung passen die 374 Meter langen ICE in voller Länge in die Halle. So können Arbeiten an den Zügen gleichzeitig ausgeführt werden. Der ICE 4 ist das Rückgrat des Fernverkehrs der Bahn. Die DB erhält 137 Züge dieser Bauart. Insgesamt sollen bis Ende des Jahrzehnts rund 450 ICE-Züge unterschiedlicher Baureihen unterwegs sein. Im Jahr 2026 soll der Neubau einer zweiten, viergleisigen Instandhaltungshalle in Cottbus fertig sein.
/wirtschaft/unternehmen/bahn-ice-instandhaltungswerk-cottbus-100.html
2024-01-11
"Ein Fall für den Verfassungsschutz"
Scholz zu Bericht über Vertreibungsplan
Das Potsdamer Geheimtreffen mit AfD-Beteiligung, bei dem Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen diskutiert worden sein sollen, sorgt parteiübergreifend für Empörung. Bundeskanzler Scholz sprach von einem "Fall für den Verfassungsschutz".
Das Potsdamer Geheimtreffen mit AfD-Beteiligung, bei dem Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen diskutiert worden sein sollen, sorgt parteiübergreifend für Empörung. Bundeskanzler Scholz sprach von einem "Fall für den Verfassungsschutz". Bundeskanzler Olaf Scholz hat mit deutlichen Worten auf das Bekanntwerden eines geheimen Treffens von hochrangigen AfD-Politikern, Neonazis und Unternehmern reagiert, bei dem Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland besprochen worden sein sollen. "Wer sich gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung richtet, ist ein Fall für unseren Verfassungsschutz und die Justiz", schrieb Scholz auf der Plattform X. "Dass wir aus der Geschichte lernen, das ist kein bloßes Lippenbekenntnis", betonte er. "Demokratinnen und Demokraten müssen zusammenstehen", schrieb Scholz weiter. "Wir lassen nicht zu, dass jemand das 'Wir' in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht." Der Kanzler fügte hinzu: "Wir schützen alle - unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist." Social-Media-Beitrag auf X von Bundeskanzler Olaf Scholz: "Wir lassen nicht zu, dass jemand das „Wir“ in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht. Wir schützen alle - unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist. (1/2) #Correctiv" Rechtsextremisten beim Treffen Das Recherchenetzwerk "Correctiv" hatte über das Treffen im November 2023 in Potsdam berichtet, bei dem teils radikale Thesen zur Migrationspolitik diskutiert worden sein sollen. Zu den Teilnehmern zählten demnach mehrere Politiker der AfD wie Roland Hartwig, Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel, sowie der Potsdamer AfD-Kreisvorsitzende Tim Krause. Auch zwei CDU-Mitglieder seien demnach zugegen gewesen, Mitglieder der Werteunion. Martin Sellner, in den vergangenen Jahren Kopf der rechtsextremistischen Identitären Bewegung (IB) in Österreich, trug dort unter anderem Ideen dazu vor, wie erreicht werden könne, dass mehr Ausländer Deutschland verlassen und wie Menschen mit Einwanderungsgeschichte zur Assimiliation gedrängt werden könnten. Ebenfalls unter den Anwesenden war der Jurist Ulrich Vosgerau, der nach eigenen Angaben CDU-Mitglied ist. Er verteidigte seine bekannt gewordene Teilnahme an dem Treffen: "Ich hatte gehört, dass der Martin Sellner persönlich ein angenehmer Typ sein soll, der nicht fanatisch wirkt. Also habe ich gerne die Gelegenheit wahrgenommen, ihn persönlich kennenzulernen." Es müsse möglich sein, in einem privaten Kreis auch mit Menschen zu sprechen, die im Verfassungsschutzbericht auftauchten, so der Jurist. Faeser warnt auch vor "geistigen Brandstiftern" Die Recherche hatte für Aufregung, Empörung und Diskussionen gesorgt. Innenministerin Nancy Faeser warnte vor einer Vernetzung von Verfassungsfeinden mit der AfD. "Wir sehen auch jetzt wieder, dass es notwendig und richtig ist, dass der Verfassungsschutz sehr genau beobachtet, welche Kontakte es im rechtsextremistischen Spektrum gibt, wie sich Verfassungsfeinde mit AfD-Vertretern vernetzen und welche menschenverachtenden Ideologien dort propagiert werden", sagte sie dem Magazin "Stern". Deutschland sei eine "wehrhafte Demokratie", die es nicht hinnehme, dass Rechtsextremisten ihre rassistischen Ausgrenzungspläne schmiedeten, so die Ministerin weiter. Gefährlich seien nicht nur gewaltorientierte Rechtsextremisten, sondern auch geistige Brandstifter, die den Boden für Gewalt bereiteten. Dürr: Parallelen zum Nationalsozialismus Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr sieht bei auf dem Treffen diskutierten Plänen Parallelen zum Nationalsozialismus. "Die Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen erinnern an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte", schrieb er auf X. Die Recherche zeige, "dass die AfD die Demokratie und unsere freiheitliche Grundordnung zutiefst ablehnt". Social-Media-Beitrag auf X von Christian Dürr: "Die Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen erinnern an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte. Die Recherche von @correctiv_org zeigt, dass die AfD die Demokratie und unsere freiheitliche Grundordnung zutiefst ablehnt." SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann riefen Bürgerinnen und Bürger zum Engagement gegen die AfD auf. "An alle gerichtet, die nicht wollen, dass sich Geschichte wiederholt, appelliere ich: Bekennen Sie Farbe, und überlassen Sie das Feld nicht den Menschenfeinden", sagte Kühnert den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Haßelmann mahnte auf X: "Unsere Demokratie, unsere Freiheit, unser Grundgesetz und die Errungenschaften unserer vielfältigen Gesellschaft müssen wir verteidigen gegen die Feinde der Demokratie. Das ist hoffentlich spätestens jetzt vielen Menschen klar." Thierse wirbt für AfD-Verbotsverfahren Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse warb dafür, trotz aller Risiken ein Verbotsverfahren gegen die AfD zu prüfen. Wenn der Verfassungsschutz die AfD als eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei definiere, "muss der Staat sie genauestens beobachten und ein mögliches Verbot prüfen", sagte der SPD-Politiker dem "Tagesspiegel." Zwar gab er zu bedenken: "Ein Parteiverbot hat hohe Hürden und jedes Verfahren dazu würde von der AfD propagandistisch ausgeschlachtet. Das Damoklesschwert eines Verbotes sollte aber über der AfD hängen bleiben." Auch CDU und Linkspartei hatten sich bereits besorgt geäußert.
/inland/innenpolitik/afd-neonazis-vertreibung-100.html
2024-01-11
Ver.di meldet Rekordzuwachs an Mitgliedern
193.000 neue Mitglieder
Rund 193.000 neue Mitglieder: Der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat das Jahr 2023 einen deutlichen Mitgliederzuwachs beschert. Einen langfristigen Trend sieht ver.di-Chef Werneke darin aber nicht.
Rund 193.000 neue Mitglieder: Der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat das Jahr 2023 einen deutlichen Mitgliederzuwachs beschert. Einen langfristigen Trend sieht ver.di-Chef Werneke darin aber nicht. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat nach eigenen Angaben "das bislang erfolgreichste Jahr" seit ihrer Gründung 2001 hinter sich. Rund 193.000 neue Mitglieder seien 2023 bei ver.di dazugekommen, sagte ver.di-Chef Frank Werneke in Berlin. 152.000 hätten aus der Datenbank der Mitglieder gestrichen werden müssen - 118.000 wegen Austritts, ansonsten wegen Tods oder Wechsel zu anderen Gewerkschaften oder Kündigungen aufgrund fehlender Beiträge. Die Zahl der Mitglieder stieg demnach um 2,16 Prozent auf knapp 1,9 Millionen. Ver.di ist damit hinter der IG Metall die zweitgrößte Gewerkschaft in Deutschland. Regional sei der prozentuale Zuwachs besonders groß in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit 3,23 Prozent gewesen. Bei den Unter-27-Jährigen habe es sogar ein Plus von 15,8 Prozent gegeben. Große Tarifrunden 2023 entscheidend "Eine vergleichbar positive Mitgliederentwicklung gab es zuletzt Mitte der Achtzigerjahre", sagte Werneke. Eine entscheidende Rolle hätten die großen und aus ver.di-Sicht erfolgreichen Tarifrunden etwa bei der Deutschen Post, im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen oder bei den Ländern gespielt. "Die wirtschaftliche Lage und der wachsende Fach- und Arbeitskräftemangel sorgen dafür, dass die Menschen zunehmend ihre Zurückhaltung aufgeben und bereit sind, für ihre Forderungen einzutreten", so der Gewerkschaftschef. Eine langfristige Trendwende hin zu steigenden Mitgliederzahlen sei dies aber nicht, räumte Werneke ein. Denn viele Mitglieder bei ver.di gehörten zur Generation der Babyboomer vor der Rente an, andere kündigten bei Arbeitgeberwechseln immer wieder. Bis 2016 hatte ver.di über 2 Millionen Mitglieder gezählt.
/wirtschaft/mitgliederzuwachs-verdi-100.html
2024-01-11
"Homöopathie macht als Kassenleistung keinen Sinn"
Pläne von Lauterbach
Die Finanzierung homöopathischer Behandlungen durch gesetzliche Kassen steht vor dem Aus. Gesundheitsminister Lauterbach sieht keinen Sinn in der Leistung. Die Grundlage der Politik müsse die wissenschaftliche Evidenz sein.
Die Finanzierung homöopathischer Behandlungen durch gesetzliche Kassen steht vor dem Aus. Gesundheitsminister Lauterbach sieht keinen Sinn in der Leistung. Die Grundlage der Politik müsse die wissenschaftliche Evidenz sein. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Finanzierung homöopathischer Behandlungen durch gesetzliche Kassen streichen. "Homöopathie macht als Kassenleistung keinen Sinn", schrieb der SPD-Politiker auf der Online-Plattform X (früher Twitter). "Die Grundlage unserer Politik muss die wissenschaftliche Evidenz sein." Auch den Klimawandel könne man "nicht mit Wünschelruten bekämpfen". Basis für homöopathische Arzneimittel können pflanzliche, mineralische und tierische Substanzen sein. Die extrem verdünnten Stoffe werden zum Beispiel in Form von Kügelchen (Globuli) verabreicht. Wissenschaftlicher Konsens ist, dass für homöopathische Behandlungen keine Wirkung nachgewiesen ist, die über Placeboeffekte hinausgeht. "Kein medizinisch belegbarer Nutzen" Wie der "Spiegel" am Mittwochabend berichtete, verschickte Lauterbachs Ministerium ein Empfehlungspapier an andere Ministerien, in dem dargelegt wird, wo bei der Gesetzlichen Krankenversicherung gespart werden kann. Das Schreiben liegt auch dem ARD-Hauptstadtstudio vor. In dem Dokument heißt es: "Leistungen, die keinen medizinisch belegbaren Nutzen haben, dürfen nicht aus Beitragsmitteln finanziert werden." Und weiter: "Aus diesem Grund werden wir die Möglichkeit der Krankenkassen, in der Satzung auch homöopathische und anthroposophische Leistungen vorzusehen, streichen und damit unnötige Ausgaben der Krankenkassen vermeiden. Den Krankenkassen wird es jedoch möglich sein, private Zusatzversicherungsverträge zu diesen Leistungen zu vermitteln." "Großer Schlag und großer Verlust" "Im Sinne unserer Patienten fordern wir, dass Homöopathie erhalten bleibt als Kassenleistung", fordert Michaela Geiger, Vorsitzende vom Zentralverein homöopathischer Ärzte bei tagesschau24. Es sei wichtig, ein breites Feld der Therapien zur Verfügung zu haben in der Grundversorgung, um allen Patienten gerecht zu werden. Die Entscheidung "wäre ein großer Schlag und ein großer Verlust" für die Homöopathie in Deutschland, so Geiger. Zusatzversicherungen sieht sie nicht als Lösung. In den Gruppen und Berufsverbänden wolle man jetzt ein weiteres Vorgehen abstimmen, Ziel sei es, in den Dialog mit Lauterbach zu kommen. Höhe der Einsparungen unklar Lauterbach hatte bereits im Oktober 2022 gesagt, die Streichung von Homöopathie als Kassenleistung zu erwägen. Nach Berechnungen von Nachrichtenagenturen und dem "Spiegel" könnten etwa zehn Millionen Euro eingespart werden. Zuletzt sprach Lauterbach allerdings von 20 bis 50 Millionen Euro. Es komme ihm in diesem Fall aber nicht auf das Geld an, betonte Lauterbach. Homöopathie habe nach wissenschaftlichem Sachstand keinen medizinischen Nutzen, sagte Lauterbach. Im Fall der Homöopathie gehe es ums Prinzip, sagte Lauterbach. Grundlage dessen, was vergütet werde, müsse der wissenschaftliche Sachstand sein. Alles andere müsse die Krankenkasse nicht bezahlen.
/inland/innenpolitik/lauterbach-homoeopathie-kassenleistung-100.html
2024-01-11
tagesschau24 erweitert Nachrichtenangebot
Sendungen am Wochenende
Der Sender tagesschau24 baut erneut sein Nachrichtenangebot aus. Künftig soll es auch an Wochenenden und bundesweiten Feiertagen am Vormittag durchgehend Nachrichten sowie Hintergründe zu aktuellen Themen geben.
Der Sender tagesschau24 baut erneut sein Nachrichtenangebot aus. Künftig soll es auch an Wochenenden und bundesweiten Feiertagen am Vormittag durchgehend Nachrichten sowie Hintergründe zu aktuellen Themen geben. Die Redaktion von tagesschau24 erweitert erneut das Nachrichtenangebot. Zwischen 9 und 12.15 Uhr soll es durchgehend Nachrichten sowie Hintergründe und Interviews zu aktuellen Themen geben, wie der Norddeutsche Rundfunk (NDR) mitteilte. Nachrichtenangebot wächst Erst im April vergangenen Jahres war das Nachrichtenangebot von tagesschau24 um eine abendliche Sendestrecke zwischen den tagesthemen und der ersten Nachtausgabe der tagesschau erweitert worden. Von der längeren Live-Sendestrecke profitieren laut NDR auch die Nutzer der digitalen Angebote der tagesschau, da tagesschau.de, die tagesschau-App sowie die ARD-Mediathek dadurch mehr aktuelles Videomaterial anböten. Bislang gab es zu den betreffenden Zeiten zur vollen Stunde 15 Minuten aktuelle Nachrichten, danach wurden Magazine, Reportagen und Talkrunden übernommen. Die Intendantinnen und Intendanten der ARD hatten im Februar 2022 mitgeteilt, dass sie tagesschau24 zur "ersten Adresse für die kontinuierliche Versorgung mit aktueller Information" weiterentwickeln wollen. Zuständig für die Nachrichten auf tagesschau24 ist ARD-aktuell, die beim NDR in Hamburg angesiedelte Redaktion hinter der tagesschau.
/inland/tagesschau24-nachrichten-100.html
2024-01-11
Warum Pflege im Heim teurer wird
Trotz höherer Zuschläge
Die Kosten für die Pflege im Heim sind zum Jahreswechsel weiter gestiegen, obwohl seit Jahresanfang höhere Entlastungszuschläge gelten. Regional gibt es bei den Kosten teils deutliche Unterschiede.
Die Kosten für die Pflege im Heim sind zum Jahreswechsel weiter gestiegen, obwohl seit Jahresanfang höhere Entlastungszuschläge gelten. Regional gibt es bei den Kosten teils deutliche Unterschiede. Die Pflege im Heim wird immer teurer. Wie aus einer Auswertung des Verbands der Ersatzkassen hervorgeht, wurden zum 1. Januar 2024 im ersten Jahr im Heim bundesweit im Schnitt etwa 2.576 Euro pro Monat aus eigener Tasche fällig - 165 Euro mehr als Anfang 2023. Zwar gibt es seit 2022 neben den Zahlungen der Pflegekasse besondere Entlastungszuschläge, die zu Jahresbeginn erhöht wurden: Der Eigenanteil an reinen Pflege liegt damit im ersten Jahr im nun bei 15 statt bisher fünf Prozent. Je länger der Heimaufenthalt dauert, desto höher werden diese Entlastungzuschläge. Im zweiten Jahr senkt er den Eigenanteil an der Pflege nun um 30 statt 25 Prozent, im dritten um 50 statt 45 Prozent und ab dem vierten Jahr im Heim um 75 statt 70 Prozent. Und doch stieg laut der Auswertung auch der Eigenanteil für die reine Pflege weiter - ohne Zuschläge im Schnitt auf 1377 Euro zum 1. Januar 2024. Das waren 238 Euro im Monat mehr als Anfang 2023. Denn die Pflegeheime geben die gestiegenen Personalkosten für dringend gesuchte Fachkräfte an die Bewohner weiter. Regional deutliche Unterschiede Neben den Kosten, die für die reine Pflege anfallen, werden auch Zahlungen für Unterkunft und Verpflegung und Investitionen in die Einrichtung fällig. Denn die Pflegeversicherung trägt - anders als die Krankenversicherung - nur einen Teil der Kosten. Auch sie sind zuletzt weiter gestiegen: Im bundesweiten Schnitt waren zum 1. Januar 921 Euro pro Monat zu zahlen und damit 64 Euro mehr als Anfang 2023. Die Anteile für Investitionskosten gingen um 13 Euro auf 485 Euro herauf. Die Chefin des Ersatzkassenverbands, Ulrike Elsner, sagte: "Die Heimplätze sind für die Pflegebedürftigen erneut teurer geworden." Dabei gibt es regional deutliche Unterschiede: Am höchsten waren die insgesamt selbst zu tragenden Kosten zum 1. Januar im Saarland mit im Schnitt 2.981 Euro pro Monat im ersten Jahr im Heim. Es folgten Baden-Würtemberg (2.907 Euro) und Nordrhein-Westfalen (2.892 Euro). Am günstigsten waren Heimplätze im ersten Jahr im Heim danach in Sachsen-Anhalt mit durchschnittlich 2.017 Euro im Monat. Hielten die Länder ihr politisches Bekenntnis ein und übernähmen Investitionskosten der Heime, würden Pflegebedürftige um aktuell 485 Euro monatlich entlastet. Der Verband erwartet für die Entlastungszuschläge eine Summe von etwa 5,5 Milliarden Euro 2024.
/wirtschaft/verbraucher/pflege-heim-zuzahlungen-100.html
2024-01-11
Öltanker im Golf von Oman gekapert
Persischer Golf
Ein griechischer Öltanker ist im Persischen Golf entführt worden. Offenbar gelangten Männer in militärischen Uniformen auf das Schiff. Die Reederei erklärte, der Kontakt zum Schiff sei abgebrochen.
Ein griechischer Öltanker ist im Persischen Golf entführt worden. Offenbar gelangten Männer in militärischen Uniformen auf das Schiff. Die Reederei erklärte, der Kontakt zum Schiff sei abgebrochen. Ein griechischer Tanker unter der Flagge der Marshallinseln ist im Golf von Oman von Unbekannten gekapert worden. Das bestätigte die griechische Reederei Empire Navigation in Athen der Nachrichtenagentur dpa. An Bord der "St. Nikolas" soll sich demnach eine 19-köpfige Besatzung befinden, davon 18 Seeleute aus den Philippinen und ein Grieche. Das Schiff habe zuvor Öl im irakischen Basra aufgenommen und sei auf dem Weg zum Suezkanal und dann weiter in die türkische Hafenstadt Aliaga gewesen, hieß es. Die britische Handelsschifffahrtsorganisation UKMTO schrieb im Onlinedienst X, das Schiff habe sich rund 50 Seemeilen östlich der omanischen Hafenstadt Sohar befunden, als sich der Überfall ereignete. Danach habe es offenbar Kurs auf den Iran genommen. Social-Media-Beitrag auf X von United Kingdom Maritime Trade Operations (UKMTO): "UKMTO WARNING 006/JAN/2024 UPDATE 003https://t.co/6a9TLpaLrg#MaritimeSecurity #MarSec pic.twitter.com/qbF6AuP33f" Unbekannte gelangen an Bord Wie Empire Navigation erklärte, ist der Kontakt zum Schiff abgebrochen. Der Sicherheitsbeauftragte der "St. Nikolas" habe telefonisch mitgeteilt, unbekannte Stimmen an Bord gehört zu haben. Weitere Versuche, das Schiff zu kontaktieren, seien gescheitert. Die Männer, die an Bord gegangen seien, hätten schwarze Uniformen im Militärstil und schwarze Masken getragen. Die auf Sicherheit auf See spezialisierte britische Firma Ambrey erklärte, das Ortungssystem des Tankers sei ausgeschaltet worden, als er in Richtung des iranischen Hafens Bandar e-Dschask unterwegs war. Insgesamt seien sechs Männer in militärischen Uniformen auf das Schiff gelangt seien. Der Tanker war 2023 in Ölschmuggel verwickelt Die "St. Nikolas" war 2023 von der US-Marine wegen Missachtung von Sanktionen beschlagnahmt worden und hieß damals "Suez Rajan". Den iranischen Revolutionsgarden warfen die USA damals vor, mit dem Tanker Öl nach China schmuggeln zu wollen. Sie konfiszierten 980.000 Fass Öl. Nach dem Entladen des Rohöls wurde das Schiff in "St. Nikolas" umbenannt. Der Vorfall trägt zur Verunsicherung der Handelsschifffahrt in der Region bei. Die von Iran unterstützten Huthi greifen seit Oktober Frachter im Roten Meer an, um damit den Kampf der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen zu unterstützen. Sie konzentrieren ihre Attacken auf die Meerenge Bab al-Mandab am Übergang des Roten Meeres in das Arabische Meer. Der Tanker wurde viel weiter östlich gekapert, unweit der Straße von Hormus, die den Persischen Golf mit dem Arabischen Meer verbindet.
/ausland/asien/tanker-gekapert-oman-100.html
2024-01-11
Teilzeitquote bei Lehrern auf Zehnjahreshoch
Lehrermangel in Deutschland
Mehr als 40 Prozent der Lehrkräfte haben im vergangenen Schuljahr in Teilzeit gearbeitet. Besonderes Frauen reduzierten häufig ihre Arbeitszeit. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind enorm.
Mehr als 40 Prozent der Lehrkräfte haben im vergangenen Schuljahr in Teilzeit gearbeitet. Besonderes Frauen reduzierten häufig ihre Arbeitszeit. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind enorm. Die Teilzeitquote bei Lehrkräften ist im vergangenen Schuljahr auf den höchsten Stand der vergangenen zehn Jahre gestiegen. Im Schuljahr 2022/2023 waren nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) rund 724.800 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland tätig - davon 42,3 Prozent in Teilzeit. Im Schuljahr zuvor lag die Quote bei 40,6 Prozent und war damit bereits der höchste Wert der vorherigen zehn Jahre, wie Destatis mitteilte. Insbesondere Lehrerinnen waren in Teilzeit tätig: Rund die Hälfte der Frauen an Schulen arbeitete in Teilzeit, mehr als doppelt so viel wie Lehrer, bei denen es nur rund ein Fünftel war. Hamburg und Bremen sind ganz vorn Dabei gab es deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. Während in Hamburg 54,4 Prozent und Bremen 49,9 Prozent und damit rund die Hälfte des Lehrpersonals an allgemeinbildenden Schulen in Teilzeit arbeitete, war in Thüringen mit 24,1 Prozent nur rund jede vierte Lehrkraft sowie gut jede fünfte Lehrkraft in Sachsen-Anhalt (21,4 Prozent) in Teilzeit. Der Berufsstand der Lehrer verzeichnet im Vergleich mit anderen Berufsgruppen eine überdurchschnittlich hohe Teilzeitquote. So arbeiteten im Jahr 2022 über alle Wirtschaftsbereiche hinweg 30,2 Prozent der abhängig Beschäftigten in Teilzeit. Ein Grund für die vergleichsweise hohe Quote an Schulen ist nach Destatis der hohe Frauenanteil unter den Lehrkräften: Während Frauen im Schuljahr 2022/2023 mit 73,1 Prozent fast drei Viertel des Lehrpersonals an allgemeinbildenden Schulen ausmachten, lag der Frauenanteil bei den abhängig Beschäftigten aller Wirtschaftsbereiche im Jahr 2022 bei 48,0 Prozent. Mehr als ein Drittel des Lehrpersonals ist 50 Jahre oder älter Auch hinsichtlich der Altersstruktur lagen dem Statistikamt neue Erkenntnisse vor. Demnach war mehr als ein Drittel der etwa 724.800 Lehrkräfte in Deutschland 50 Jahre alt oder älter. Demgegenüber fällt der Anteil der Berufseinsteigerinnen und -einsteiger geringer aus: Die unter 35-Jährigen machten 21,1 Prozent des Lehrpersonals an allgemeinbildenden Schulen aus. Auch hinsichtlich der Altersstruktur gibt es große Unterschiede nach Bundesländern. Während in Sachsen-Anhalt 57,1 Prozent der Lehrkräfte über 50 Jahre alt und älter waren, lag der Anteil im Saarland bei 28,2 Prozent. Die Statistiker beobachteten zudem einen erneuten Rückgang bei Studienanfängern im Bereich Lehramt. Die Zahl sei im vergangenen Jahr zum zweiten Mal in Folge gesunken. Im Studienjahr 2022 begannen rund 45.000 Menschen ein Lehramtsstudium. Das waren rund 3,2 Prozent weniger Studierende als im Vorjahr und etwa 7 Prozent weniger als vor zehn Jahren. Im Zehnjahresvergleich sank auch die Zahl der Lehramtsabsolventinnen und -absolventen mit Master- oder Staatsexamensabschluss. Im Prüfungsjahr 2022 bestanden 28.700 Lehramtsstudierende ihre Abschlussprüfung. Das sind 10,5 Prozent weniger als vor zehn Jahren.
/inland/gesellschaft/lehrermangel-teilzeitquote-zehnjahreshoch-100.html
2024-01-11
Weniger Schiffe fahren durchs Rote Meer
Angriffe von Huthi-Rebellen
Die Angriffe der Huthi-Rebellen auf Frachtschiffe im Roten Meer lassen immer mehr Reedereien ihre Schiffe umleiten. Aktuelle Daten zeigen die Auswirkungen auf den Welthandel.
Die Angriffe der Huthi-Rebellen auf Frachtschiffe im Roten Meer lassen immer mehr Reedereien ihre Schiffe umleiten. Aktuelle Daten zeigen die Auswirkungen auf den Welthandel. Das Rote Meer ist eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt: Bis zu zwölf Prozent des Welthandels laufen hier durch. Doch seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Hamas im Gaza-Streifen mehren sich die Angriffe auf Frachtschiffe. So soll es zuletzt Anfang der Woche zu einem Großangriff der Huthis gekommen sein: 18 Drohnen und drei Raketen seien von Einheiten der USA und Großbritanniens abgefangen worden, hieß es. Für die internationale Schifffahrt hat das Folgen: Die Menge der durch das Rote Meer transportierten Container ist einer Studie zufolge eingebrochen. Aktuell liege das Volumen bei nur rund 200.000 Containern pro Tag, wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) heute mitteilte. Noch im November waren es rund 500.000. Statt durch das Rote Meer leiten die Reedereien ihre Schiffe nun um und sie fahren den deutlich längeren Weg um das Kap der Guten Hoffnung. "Die Umleitung von Schiffen aufgrund der Angriffe im Roten Meer um das Kap der Guten Hoffnung in Afrika führt dazu, dass sich die Zeit für den Transport von Waren zwischen den asiatischen Produktionszentren und den europäischen Verbrauchern deutlich um bis zu 20 Tage verlängert", sagte der Direktor des Forschungszentrums Handelspolitik, Julian Hinz. Transportkosten auf 4.000 US-Dollar gestiegen Die verlängerte Fahrzeit hat die Frachtraten deutlich erhöht: Der Transport eines 40-Fuß-Standardcontainers zwischen China und Nordeuropa koste aktuell mehr als 4.000 US-Dollar, nach rund 1.500 Dollar im November. Der aktuelle Preis ist allerdings noch weit entfernt von den Ausschlägen während der Corona-Pandemie, als der Transport eines Containers auf dieser Route bis zu 14.000 Dollar kostete. Obwohl die Frachtraten extrem gestiegen sind, geht Experte Hinz nicht davon aus, dass die Verbraucherpreise in Europa nun steigen dürften: "Der Anteil der Frachtkosten am Warenwert hochpreisiger Artikel, etwa im Bereich Consumer-Elektronik, liegt nur im Promillebereich. Außer einer aktuell etwas längeren Lieferzeit für Produkte aus Fernost und erhöhten Frachtkosten, sind keine negativen Folgen für den weltweiten Handel zu erwarten", sagte Hinz. Handelszahlen rückläufig Spürbar sind die längeren Lieferzeiten allerdings bereits in den Außenhandelszahlen, so Hinz: "Dies zeigt sich auch in den rückläufigen Handelszahlen für Deutschland und die EU, da transportierte Waren nun noch auf See sind und nicht wie geplant bereits in den Häfen gelöscht wurden." Der Welthandel ist laut aktuellen Berechnungen des IfW von November auf Dezember preis- und saisonbereinigt um 1,3 Prozent zurückgegangen. Für die EU wird sowohl bei den Exporten (minus 2,0 Prozent) als auch bei den Importen (minus 3,1 Prozent) ein Minus vorausgesagt. Auch im Außenhandel Deutschlands hält demnach die Schwächephase an: Exporte (minus 1,9 Prozent) und Importe (minus 1,8 Prozent) gingen abermals zurück.
/wirtschaft/weltwirtschaft/huthis-rotes-meer-frachtraten-100.html
2024-01-11
Schwerer Vorwurf mit Folgen?
Völkermord-Anklage gegen Israel
Völkermord in Gaza - so lautet der Vorwurf Südafrikas gegen Israel. Vor dem Internationalen Gerichtshof hat heute der Prozess begonnen. Völkerrechtler schätzen den Erfolg der Klage als gering ein, der Druck auf Israel ist dennoch hoch. Von L. Kazmierczak.
Völkermord in Gaza - so lautet der Vorwurf Südafrikas gegen Israel. Vor dem Internationalen Gerichtshof hat heute der Prozess begonnen. Völkerrechtler schätzen den Erfolg der Klage als gering ein, der Druck auf Israel ist dennoch hoch. Von Ludger Kazmierczak Israels Militäraktionen gegen die Hamas hätten einen genozidalen Charakter, argumentiert Südafrika. Ziel der brutalen Operation im Gazastreifen sei es, die Palästinenser zu vernichten. So steht es in der 84-seitigen Anklageschrift. Der Bonner Völkerrechtler Stefan Talmon hat nicht den geringsten Zweifel, dass sich diese Völkermord-Klage vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag sehr schnell in Luft auflösen wird.  "Die Anforderungen für Völkermord sind im Völkerrecht so hoch, dass ich derzeit nicht sehen kann, wie Südafrika in der Lage wäre, diesen Vorwurf zu beweisen", erklärt Talmon. Wenig Aussicht auf erfolgreiche Klage Südafrika zitiert in der Anklage israelische Politiker und Militärs, die die Palästinenser als "menschliche Tiere" bezeichnen und den Gazastreifen - so wörtlich - vom Erdboden tilgen wollen. Selbst einige Minister haben sich zu so drastischen Äußerungen hinreißen lassen. Das, so Talmon, beweise jedoch nicht, dass der Staat die Absicht habe, einen Völkermord zu begehen: "Da muss man aufpassen. Nicht jeder Minister spricht automatisch für den Staat. Für den Staat sprechen im Zweifel der Staatspräsident, der Regierungschef und der Außenminister." Nichtsdestotrotz werde der IGH wahrscheinlich per einstweiliger Verfügung Israel oder beide Konfliktparteien auffordern, sich an internationale Konventionen zu halten und die Zivilbevölkerung zu schützen. Dass der oberste Gerichtshof der Vereinten Nationen Israel zum Stopp der Kampfhandlungen aufrufen wird, hält der Völkerrechtler allerdings für ausgeschlossen.  Die militant-islamistische Hamas habe ganz klar Israel angegriffen und Israel agiere nun im Rahmen seines Rechts auf Selbstverteidigung, meint Talmon. "Und ich kann mir nicht vorstellen, dass der Gerichtshof durch eine einstweilige Anordnung das naturgegebene Recht eines Staates auf Selbstverteidigung einschränkt, wenn dieser Staat angegriffen wurde und immer noch angegriffen wird." Verfahren wohl nicht ohne Auswirkung Der Utrechter Historiker Peter Malcontent teilt diese Einschätzung. Die Völkermord-Klage habe keine Aussichten auf Erfolg, sagt der Nahostexperte. Und dennoch, davon ist er überzeugt, werde dieses Verfahren nicht wirkungslos verpuffen. "Die Tatsache, dass es dieses Verfahren vor dem IGH überhaupt gibt, übt allein schon Druck auf Israel aus. Und auch Israels Verbündete müssen sich damit beschäftigen", sagt Malcontent. Und das bedeute im Gegenzug, dass der Druck auf die USA und auf europäische Länder, die Israel unterstützen, auch stets größer werde.  Apartheid, die verbindet Dass mit Südafrika ein Staat Klage einreicht, der überhaupt nicht in den Konflikt involviert ist, hat für Malcontent historische Gründe. Israel habe lange das Apartheidsregime in Südafrika unterstützt, so der Historiker. Aufgrund der eigenen Geschichte fühlten sich viele Südafrikaner den Palästinensern verbunden.  "Das hat auch damit zu tun, dass wichtige Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch Israel schon seit Jahren vorwerfen, ein Apartheidsregime etabliert zu haben", meint Malcontent. Einige Regierungskritiker in Israel sähen das genau so. Dies sei die Verbindung der Länder: Apartheid Israel, Apartheid Südafrika.  Sollte der IGH einstweilige Maßnahmen erlassen, ist damit bereits in wenigen Tagen zu rechnen. Ein mögliches Hauptverfahren wegen Völkermord hingegen würde Jahre dauern.
/ausland/afrika/klage-suedafrika-israel-voelkermord-100.html
2024-01-11
Wo die Bauern heute protestieren
Aktionen von Landwirten
Sternfahrten, Blockaden und Mahnfeuer: Die Landwirte demonstrieren den vierten Tag in Folge gegen die Streichung von Subventionen. In vielen Bundesländern sind Aktionen geplant - ein Überblick.
Sternfahrten, Blockaden und Mahnfeuer: Die Landwirte demonstrieren den vierten Tag in Folge gegen die Streichung von Subventionen. In vielen Bundesländern sind Aktionen geplant - ein Überblick. Auch heute gehen die Bauernproteste weiter. Seit Montag wehren sich die Landwirte damit gegen den Wegfall von geplanten Subventionen der Bundesregierung. In Cottbus wurde Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Eröffnung eines neuen Werks für ICE-Züge mit lautem Protest von demonstrierenden Bauern empfangen. Die Polizei leitete eine Traktorenkolonne an dem Werk vorbei. Die Halle des Bahnwerks war abgesperrt, die Bauern kamen mit den Traktoren nicht heran. In mehreren Bundesländern sind Aktionen geplant. Eine Übersicht: Baden-Württemberg In Baden-Württemberg plant der Bauernverband Heilbronn-Ludwigsburg heute an einer Sternfahrt zu einer Kundgebung im Raum Karlsruhe teilzunehmen. Das berichtet der SWR. Diese soll ab 16:30 Uhr in Sinsheim (Rhein-Neckar-Kreis) vor der PreZero Arena beginnen. Bis zu 1.800 Teilnehmende mit Traktoren werden erwartet. Daher kann es schon im Vorfeld zu Verkehrsbehinderungen durch anreisende Landwirtinnen und Landwirte kommen. In Heidenheim fand eine Kundgebung statt. Mehrere hundert Landwirtinnen und Landwirte nahmen daran teil. Nach Informationen des Vorsitzenden des Bauernverbands Ostalb-Heidenheim, Hubert Kucher, waren Teilnehmer aus der gesamten Region dabei. Größere Verkehrsbehinderungen gab es nach Polizeiangaben nicht. Im Kreis Reutlingen sind laut dem Landesbauernverband einige Mahnfeuer geplant. Diese sollen am frühen Abend an den Land- und Bundesstraßen in Eningen unter Achalm, in Sonnenbühl, St. Johann, Hohenstein, Trochtelfingen, Gomadingen-Steingebronn und Böhringen stattfinden. Im Kreis Göppingen ist der heutige Tag der zentrale Protesttag. Nahe der A8 bei Hohenstadt wollen die Bauern zwischen 17 und 21 Uhr ein Mahnfeuer entzünden. Weitere Mahnfeuer sind am Nachmittag in Mühlhausen im Täle und Bartenbach geplant. Zudem soll es eine Sternfahrt nach Heidenheim geben. Die Kreisbauernverbände Göppingen und Ostalb-Heidenheim vermuten, dass sich Hunderte Bäuerinnen und Bauern mit ihren Traktoren beteiligen werden, wie der SWR berichtet. Brandenburg In Brandenburg haben am Morgen erneut Bauern an mehreren Orten demonstriert, wie der RBB berichtet. Nach umfangreichen Blockaden am Mittwoch waren zunächst keine Protestaktionen an Autobahnauffahrten bekannt, wie die Polizei am Morgen mitteilte. In Wittenberge blockierten Bauern mit ungefähr 20 Fahrzeugen die Kreuzung der Bundesstraßen 195 und 189. Ein Kreisverkehr bei Weisen wurde mit sieben Fahrzeugen, darunter ein Traktor, besetzt. Im Landkreis Elbe-Elster sind zwei Versammlungen angemeldet. Ein Schwerpunkt in Brandenburg ist laut Polizei von 9 bis 17 Uhr die Wilhelm-Külz-Straße in Cottbus. Dort eröffnete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Vormittag das neue Bahnwerk. Hamburg Hunderte Landwirte Landwirte aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen waren am Morgen mit ihren Traktoren unterwegs in Richtung Hamburger Hafen, berichtet der NDR. Die Polizei warnt vor "erheblichen Verkehrsbehinderungen" im gesamten Stadtgebiet sowie vor allem im Hamburger Hafen. Laut Polizei haben sich drei Kolonnenfahrten aus Wedel, Ahrensburg und Stade angemeldet. Die Veranstalter rechnen dabei mit bis zu 750 Landmaschinen. Bäuerinnen und Bauern aus Hamburg sind heute wohl nicht dabei. Sie waren bereits am Mittwochmorgen in einem Trecker-Korso durch Bergedorf gefahren. Hessen Die Stadt Frankfurt rechnet mit vollen Straßen: Laut dem hr werden 1.500 Traktoren protestierender Landwirte zu einer Sternfahrt und Kundgebung erwartet. Die ersten Teilnehmer sammelten sich bereits am frühen Morgen in Butzbach. Wegen der Bauernproteste gegen die Sparpläne der Bundesregierung rechnet das Frankfurter Ordnungsamt mit einem Verkehrschaos in der Stadt. Um 8.30 Uhr machte sich die Traktoren-Kolonne auf den Weg nach Frankfurt. Gegen 11 Uhr waren laut Polizei bereits 500 Traktoren im Frankfurter Stadtgebiet angekommen. Ihr Ziel: der Platz vor der Festhalle an der Ludwig-Erhard-Anlage, wo für 13 Uhr eine Kundgebung angemeldet war. Der Start verzögerte sich allerdings - wegen der Ankunft immer weiterer Traktoren. Ihre Route dorthin führt die Bauern hauptsächlich über Landstraßen, im Stadtgebiet durch Bergen-Enkheim und über die Friedberger Landstraße. Dort dürfte es laut Polizei zu Stau kommen. Außerdem sind seit 11.30 Uhr die Theodor-Heuss-Allee und die Autobahn 648 zwischen Westkreuz und Ludwig-Erhard-Kreisel in beide Richtungen gesperrt. Dort müssen die Bauern ihre Traktoren abstellen und zu Fuß zur Festhalle gehen. Auch im ÖPNV dürfte es länger dauern als gewohnt: Laut Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) kommt es in Frankfurt zu Einschränkungen im Bus- und Straßenbahnverkehr. Bis 15.30 Uhr fallen demnach fast alle Straßenbahnlinien aus. Auch der U-Bahn-Betrieb könne gestört werden. Mecklenburg-Vorpommern In Mecklenburg-Vorpommern müssen sich die Menschen in Schwerin heute erneut auf Verkehrsbehinderungen an den Autobahnen einstellen. Das berichtet der NDR und bezieht sich auf Angaben des Innenministeriums. Die Vereinigung LSV ("Land schafft Verbindung") hatte gestern angekündigt, von 6.30 Uhr bis 15 Uhr im Bereich von rund 30 Zufahrten der Autobahnen 11, 14, 19, 20 und 24 zu demonstrieren. Laut NDR ging es am Morgen an einigen Auffahrten wie der zur A14 in Schwerin-Ost oder zur A24 in Wöbbelin jedoch schon deutlich früher mit Blockaden los. Zudem seien Auffahrten gesperrt worden, die eigentlich frei bleiben sollten. Die Polizei prüfe in diesem Zusammenhang Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, teilte eine Sprecherin mit. Autofahrer müssen sich auf weitreichende Beeinträchtigungen einstellen. Abfahrten und Autobahnkreuze sind nicht betroffen. Aus der Leitstelle der Polizei heißt es zudem, es würde immer wieder vereinzelt unangemeldete Blockaden im ganzen Land geben - auch abseits der Autobahnen wie etwa im Rostocker Überseehafen. Bislang seien diese aber aufgelöst worden, wenn Polizisten vor Ort mit den Beteiligten gesprochen hatten. Zudem sind ab 7 Uhr Sternfahrten zu verschiedenen Logistikzentren von Lebensmittelgeschäften geplant: betroffen sind Norma in Dummerstorf, Netto in Stavenhagen, Edeka-Zentrallager in Malchow, Aldi-Logistikzentrum in Jarmen sowie das Edeka-Logistikzentrum in Valluhn. In Dummerstorf werden 500 Traktoren erwartet. Auch in Richtung Stavenhagen werden laut Bauernverband 200 Landwirte mit ihren Fahrzeugen in kleinen Gruppen unterwegs sein. Niedersachsen In Niedersachsen sind Landwirte aus dem ganzen Bundesland heute mit ihren Traktoren in der Landeshauptstadt Hannover zu einer Kundgebung vor dem Landtag um 12 Uhr zusammengekommen. Wie der NDR berichtet, starteten einige Konvois bereits am frühen Morgen. Die Polizeidirektion Hannover erwartet bis zu 3.000 Traktoren und rechnet in der gesamten Innenstadt mit "zum Teil erheblichen Einschränkungen". Noch immer stockt der Verkehr auf der B6 und B65. In der Stadt parken die Bauern ihre Traktoren entlang großer Straßen und auf dem Schützenplatz. Unter dem Motto "Für faire Politik in Deutschland" demonstrieren Landwirte aktuell in Buchholz (Landkreis Harburg). Sie wollten sich gegen 10 Uhr treffen und zum Finanzamt fahren. Bei der Abschlusskundgebung in der Innenstadt ist ein Bürgerdialog geplant. In Westerstede im Ammerland haben rund 60 Landwirte die Auffahrten zur A28 blockiert. In Papenburg (Landkreis Emsland) blockieren Trecker die Zufahrt zur Meyer-Werft. Bei Hemmoor (Landkreis Cuxhaven) sorgen rund 20 Trecker ebenfalls für Verkehrsprobleme. Auch die Seehäfen in Emden und Wilhelmshaven sollen mit Traktoren angefahren werden, die Polizei rechnet mit verstopften Straßen. Nordrhein-Westfalen In Nordrhein-Westfalen soll es eine der größten Demonstrationen am Nachmittag in Münster geben, berichtet der WDR. Dort warnt die Polizei ab 15.30 Uhr erneut vor Verkehrsbehinderungen. Eine Privatperson hat eine Kundgebung mit bis zu 2.000 Treckern angemeldet. Ziel des Protests ist der Kreisverband der Grünen, der am frühen Abend zum Neujahrsempfang ins Schloss eingeladen hat. Eine Blockaden an den Zufahrten der A560 in Hennef und Sankt Augustin Niederpleis wurde von den Landwirten abgesagt. Man wolle die Autofahrer nicht über Gebühr strapazieren, so ein Landwirt gegenüber dem WDR. Stattdessen soll es eine "Sternfahrt" von Traktoren von Hennef nach Sankt Augustin Buisdorf geben und wieder zurück, ohne Fahrt über die Autobahn. Auf der Strecke kann es zu Behinderungen kommen. Außerdem soll es an einzelnen Stellen Mahnwachen mit Traktoren am Straßenrand geben. Im Kreis Lippe und im Rhein-Sieg Kreis soll es sogenannte Mahnfeuer geben. In Aachen wollen Landwirte am Nachmittag eine der wichtigsten Verkehrsverbindungen des Aachener Nordkreises lahmlegen. Ab 16 Uhr ist eine Kundgebung im Bereich des Kreisverkehrs in Alsdorf-Neuweiler geplant, der die Städte Alsdorf mit Übach-Palenberg und Baesweiler verbindet. Dort verläuft auch die L 240, die das Logistiklager des Lebensmittel-Discounters Lidl mit der A 44 verbindet. Sachsen Auch die Landwirte in Sachsen haben ihre Proteste gegen Sparmaßnahmen der Bundesregierung fortgesetzt. Wie der MDR berichtet, werden Auffahrten an der A4 im Bereich Bautzen und Görlitz sowie im Erzgebirge an der A72 blockiert. Landesweit seien etwa 300 Traktoren unterwegs, sagte Robert Erdmann von der Vereinigung "Land schafft Verbindung" am Morgen dem MDR. Nach Polizeiangaben kommt es unter anderem zu kurzfristigen Sperrungen unter anderem bei der A4 an den Zufahrten Hohenstein-Ernstthal, Weißenberg, Görlitz und Kodersdorf sowie bei der A72 an den Zufahrten Hartenstein und Chemnitz-Röhrsdorf. Zudem seien spontane Kundgebungen geplant, so werden etwa die Kreuzungen von Bundes- und Staatsstraßen in Schneeberg, Annaberg und Thum blockiert. Sachsen-Anhalt In Sachsen-Anhalt sind heute nach Angaben des Landesbauernverbandes hauptsächlich Stern- und Schleichfahrten in den einzelnen Landkreisen geplant, berichtet der MDR. Betroffen sind unter anderem Stendal, Dessau und Naumburg. In Dessau sind 300 Fahrzeuge angemeldet, die durch die Innenstadt fahren wollen. Treffpunkt ist um 16 Uhr an der Alten Landebahn in Dessau. Die Polizei rechnet mit Verkehrseinschränkungen bis in den Abend hinein. Schleswig-Holstein In der Landeshauptstadt Kiel werden am Freitag Landwirte aus dem ganzen Land mit ihren Treckern erwartet. Es ist eine große Demonstration auf dem Exerzierplatz geplant. Wie der NDR berichtet, sollen Trecker aus den Kreisen Flensburg, Plön, Stormarn, Steinburg, Segeberg, Rendsburg-Eckernförde, Pinneberg, Ostholstein, Nordfriesland, Nauenburg, Neumünster, Dithmarschen und aus Lübeck anreisen. Auch Logistikunternehmen, die Dehoga und Handwerksbetriebe wurden aufgerufen, sich an den Protesten zu beteiligen. Der Protestzug beginnt am Westring und führt dann durch das nördliche Stadtgebiet. Die Stadt rechnet mit 1.500 Teilnehmenden. Der Exerzierplatz sowie der Wilhelmplatz sind ab 6 Uhr gesperrt. Auch der an der Straße Exerzierplatz zwischen Damm- und Rathausstraße muss der Parkstreifen frei gehalten werden. Thüringen Autofahrer in Thüringen müssen sich auf Verkehrseinschränkungen einstellen, berichte der MDR. Hintergrund sind Proteste der Spediteure und Landwirte. Ein Demonstrationszug mit 140 Lkw führt von Erfurt nach Jena. Zudem soll es weitere lokale Proteste geben. Am Morgen wurde bereits durch etwa 20 Fahrzeuge ein Kreisel in Vacha im Wartburgkreis blockiert. Dabei war es auch zu erheblichen Behinderungen auf der B84 und B62 in Vacha gekommen. Im Norden von Gera hatten Landwirte seit dem frühen Morgen wichtige Zufahrtsstraßen blockiert. So gab es Behinderungen an den Kreiseln der B2 Richtung Leipzig und in Gera-Leumnitz am Globus-Markt sowie in Richtung B7 Ronneburg. Somit konnten Autofahrer auch nicht zur Autobahnauffahrt Leumnitz kommen. In Niedertrebra im Weimarer Land startete um 13 Uhr ein Korso von Landwirten. Über die B87 wollen die Bauern nach Apolda fahren und über Niedertrebra zurück bis nach Escherode. Dort wollen die Landwirte eigenen Angaben zufolge ein Mahnfeuer entzünden und Forderungen an die Politik überreichen. In Nordhausen in Nordthüringen wollen am Nachmittag Traktoren den Verkehr blockieren. Nach Angaben der Kreisbauernverbandes treffen sich die Landwirte auf dem Scheunenhofgelände. Ab 16 Uhr ist in der Stadt deshalb mit erheblichen Verkehrsbehinderungen zu rechnen. Der Traktorenross fährt durch die Stadt bis zum Autobahnrasthof Werther an der A38. Die Autobahn selbst solle nicht blockiert werden. Zum Auftakt der Protestwoche der Landwirte am Montag war es bundesweit durch Blockaden und Sternfahrten zu teils erheblichen Verkehrsproblemen gekommen. Auch am Dienstag gab es viele Aktionen. Den dritten Tag in Folge blockierten Landwirte auch am Mittwoch mit ihren Traktoren bundesweit Straßen.
/inland/bauernproteste-donnerstag-bundeslaender-100.html
2024-01-11
Warum die GDL die Bahn bestreiken darf
Tarifeinheitsgesetz greift nicht
Die Lokführergewerkschaft GDL legt im Tarifstreit mit der Bahn mit Streiks das Land lahm - obwohl die größte Gewerkschaft EVG längst einen Vertrag hat. Warum gilt das Tarifeinheitsgesetz nicht?
Die Lokführergewerkschaft GDL legt im Tarifstreit mit der Bahn mit Streiks das Land lahm - obwohl die größte Gewerkschaft EVG längst einen Vertrag hat. Warum gilt das Tarifeinheitsgesetz nicht? Im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn setzen die Lokführer heute ihren landesweiten Streik fort und sorgen damit landesweit für Beeinträchtigungen. "Der Notfahrplan mit einem stark reduzierten Angebot an Fahrten im Fern-, Regional- und S-Bahn Verkehr gilt weiterhin", teilte die Deutsche Bahn mit. Im Fernverkehr ist rund jeder fünfte Zug im Einsatz. Auch im Regionalverkehr gibt es nach wie vor weitreichende Einschränkungen, die regional sehr unterschiedlich ausfallen. Bestreikt wird auch das Unternehmen Transdev, das unter anderem Regionalbahnen im Nordwesten, in Sachsen und in Bayern betreibt. Laut Bahn-Sprecherin Anja Bröker gebe es aber keine lange Schlangen oder überfüllte Züge. "Wir haben das Gefühl, dass sich die Fahrgäste an den GDL-Streik gewöhnt haben", sagte Bröker im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. GDL sieht keine Verhandlungsbereitschaft bei der Bahn Gestreikt wird, weil die Lokführergewerkschaft GDL für ihre Mitglieder mit der Bahn einen neuen Tarifvertrag aushandelt. Die GDL fordert dabei unter anderem eine Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter bei vollem Lohnausgleich. Die Bahn lehnt das ab und ist bisher auch nicht bereit, darüber zu verhandeln. Sie hat zwar eine Ausweitung bestehender Wahlmodelle zur Arbeitszeit angeboten. Die GDL bezeichnete dieses Angebot zuletzt aber als Provokation. Der Streik soll noch bis Freitagabend, 18 Uhr, dauern. Aller Voraussicht nach dürfte der Zugverkehr aber erst ab Samstagmorgen wieder wie gewohnt laufen. Tarifeinheitsgesetz untersagt keine Streiks Die GDL meldete zuletzt etwas weniger als 40.000 Mitglieder und ist damit deutlich kleiner als die ebenfalls bei der Bahn aktive Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG mit ihren 180.000 Mitgliedern. Damit gilt eigentlich das Tarifeinheitsgesetz. Es sagt aus, dass in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag gilt. Es gilt der Tarifvertrag, der mit der Gewerkschaft ausgehandelt wurde, die in dem Betrieb die meisten Angestellten vertritt. Das Gesetz sagt ausdrücklich nicht, dass nur die Gewerkschaft, die die meisten Mitglieder vertritt, überhaupt mit dem Arbeitgeber verhandeln und streiken darf. Denn das Streikrecht ist in Deutschland ein Grundrecht. Tarifverträge gelten auf Betriebsebenen Die Besonderheit bei der Bahn ist: Die EVG ist zwar aus Sicht des gesamten Konzerns am größten, aber bei der Bahn gelten die Tarifverträge auf Betriebsebene. Und der Konzern ist unterteilt in 300 sogenannte Wahlbetriebe. In 54 dieser Betriebe verhandelt die EVG als größte Gewerkschaft den Tarifvertrag. In 18 Betrieben verlaufen die Verhandlungen aber mit der GDL - unter anderem für die Lokführer. Vor dem Hintergrund dieser besonderen Konzernstruktur zieht die Bahn als Arbeitgeberin dementsprechend keinen Nutzen aus dem Tarifeinheitsgesetz. Es gibt sogar Experten, die sagen, das Gesetz habe den Machtkampf der Gewerkschaften bei der Bahn befördert. Denn Arbeitskämpfe sind für Gewerkschaften wichtig, um Mitglieder zu binden oder zu gewinnen. So wirbt EVG sogar mit Verweis auf das Tarifeinheitsgesetz um Mitglieder. Und die GDL lässt ihrerseits kaum eine Gelegenheit aus, die Konkurrenzgewerkschaft als zu "handzahm" zu kritisieren. Mit Informationen von Verena von Ondarza, NDR
/wirtschaft/verbraucher/bahn-streik-gdl-tarifeinheitsgesetz-100.html
2024-01-11
Scharfe Kritik an Chinas Expansionspolitik
Baerbock in Südostasien
Außenministerin Baerbock hat China angesichts der Aggressionen im Südchinesischen Meer aufgerufen, das Völkerrecht einzuhalten. Mit zusätzlicher Unterstützung der Philippinen beim Küstenschutz soll die Region stabilisiert werden.
Außenministerin Baerbock hat China angesichts der Aggressionen im Südchinesischen Meer aufgerufen, das Völkerrecht einzuhalten. Mit zusätzlicher Unterstützung der Philippinen beim Küstenschutz soll die Region stabilisiert werden. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ist zu einem zweitägigen Besuch in Südostasien eingetroffen. Bei einem Treffen mit ihrem philippinischen Kollegen Enrique Manalo kritisierte sie China für seine aggressive Expansionspolitik im Südchinesischen Meer. Die Volksrepublik müsse internationales Recht einhalten. "Solche Ansprüche sind nicht vom Völkerrecht gedeckt", sagte die Grünen-Politikerin in der Hauptstadt Manila. Vorfälle bereiten auch in Europa Sorge Zugleich rief Baerbock zu einer politischen Lösung der Spannungen in der Region auf. Es sei jetzt wichtig, Mechanismen aufzubauen, um die Spannungen gemeinsam auf friedliche Weise zu lösen. "Der Wind fegt buchstäblich rauer über das Südchinesische Meer, und das inmitten einer der dynamischsten Wirtschaftsregionen der Erde", sagte die Bundesaußenministerin. Peking stelle die völkerrechtlich verbriefte Freiheit der Seewege in Frage - in einem Gebiet, durch das ein Drittel des globalen Seehandels laufe. "Die Vorfälle der letzten Monate, bei denen die chinesische Küstenwache mit Lasern und Wasserwerfern gegen philippinische Versorgungsschiffe vorging und es sogar zu Kollisionen kam, bereiten uns auch Tausende Kilometer entfernt in Europa Sorge", sagte die Ministerin. Durch solche riskanten Manöver würden Rechte und wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten der Philippinen und anderer Anrainer verletzt, ergänzte sie. Manalo dankte Baerbock für die Unterstützung Deutschlands beim Eintreten für das Völkerrecht vor den Vereinten Nationen. Es sei nötig, in der internationalen Gemeinschaft ein stärkeres Bewusstsein für die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung des Völkerrechts zu schaffen, um Frieden und Stabilität in der Region und weltweit zu schaffen. Weitere Unterstützung beim Küstenschutz Baerbock wollte am Nachmittag auch ein Schiff der philippinischen Küstenwache besichtigen. Sie kündigte einen Ausbau der Kooperation beider Länder beim Küstenschutz an. Schon jetzt unterstütze Deutschland die Philippinen im Rahmen einer Ertüchtigungsinitiative im Pazifik mit Aufklärungsdrohnen. Bei der künftigen Zusammenarbeit gehe es nicht nur um weitere Drohnen, sondern auch um Training und regionale Zusammenarbeit. "Das stärkt die maritime Sicherheit und stärkt die regelbasierte internationale Ordnung", sagte Baerbock. China beansprucht Gebiet für sich In den vergangenen Jahren ist es immer wieder zu Zwischenfällen zwischen China und den Philippinen in dem 3,5 Millionen Quadratkilometer großen Südchinesischen Meer gekommen. Es geht neben geopolitischen Fragen um Fischgründe, Rohstoffe wie Erdöl und Erdgas, sowie um die Sicherheit der Seewege. China reklamiert praktisch das gesamte Südchinesische Meer für sich. Dort beanspruchen auch die Philippinen, Vietnam, Malaysia, Taiwan und Brunei Gebiete. Die patrouillierenden Küstenwachen Chinas und der Philippinen fahren dort regelmäßig gefährliche Manöver. Im Oktober machten sich beide Länder gegenseitig für Kollisionen mehrerer Schiffe verantwortlich. Im August beschoss ein Schiff der chinesischen Küstenwache philippinische Boote mit Wasserwerfern, es soll auch die Nutzung von Lasern gegeben haben. Die USA und Chinas Nachbarn werfen Peking eine zunehmende Militarisierung der Region vor. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag wies Chinas Gebietsansprüche 2016 zurück, doch Peking ignoriert das Urteil. Auch Klimaschutz und Fachkräfte auf der Agenda Im Anschluss an das Treffen mit dem Außenminister führte Baerbock ein Gespräch mit Präsident Ferdinand Marcos Jr.. Der Sohn des früheren Präsidenten und Diktators Ferdinand Marcos hatte die Präsidentschaftswahlen 2022 mit großer Mehrheit gewonnen. Die Ministerin kündigte an, beim Klimaschutz noch enger mit den Philippinen zusammenarbeiten zu wollen. Großes Potenzial berge auch die Fachkräftekooperation. Tausende philippinische Pflegekräfte leisteten in Deutschland unverzichtbare Arbeit. Die Ministerin wollte ein Ausbildungszentrum für technische Bildung besuchen, in dem unter anderem Mechatroniker geschult werden. Im Sozialbereich wurden für Deutschland seit 2013 auf Basis einer bilateralen Vereinbarung rund 2.500 Pflegefachkräfte aus den Philippinen rekrutiert.
/ausland/asien/baerbock-kritik-china-100.html
2024-01-11
Staatsschulden steigen - Zinsausgaben verdreifacht
Statistisches Bundesamt
Teure Energiehilfen, fast dreifache Zinsausgaben und die Kosten für das Deutschlandticket haben das Defizit des deutschen Staates in den ersten drei Quartalen 2023 anschwellen lassen.
Teure Energiehilfen, fast dreifache Zinsausgaben und die Kosten für das Deutschlandticket haben das Defizit des deutschen Staates in den ersten drei Quartalen 2023 anschwellen lassen. Das deutsche Staatsdefizit ist in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres gestiegen. Die Ausgaben von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung überstiegen die Einnahmen um 91,5 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Damit fiel das Minus um 25,8 Milliarden Euro höher aus als im Vorjahreszeitraum. Das Defizit geht zwar vor allem auf das Konto des Bundes (minus 75,9 Milliarden Euro). Hier schlagen etwa die Energiehilfen wie die Strom- und Gaspreisbremse für private Haushalte und Unternehmen zu Buche. Aber auch die Gemeinden und Gemeindeverbände (minus 11,4 Milliarden Euro) sowie der Sozialversicherung (minus 7,2 Milliarden Euro) schrieben rote Zahlen. Lediglich die Bundesländer kamen zusammen auf ein Plus von 3,1 Milliarden Euro. Hoher Leitzins - hohe Zinsausgaben "Beim Bund setzte sich der Trend stark gestiegener Zinsaufwände fort", erklärten die Statistiker. "39,4 Milliarden Euro bedeuten fast dreimal mehr Zinszahlungen als im Vorjahreszeitraum." Grund dafür ist, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins im Kampf gegen die hohe Inflation auf 4,5 Prozent angehoben hat. Dadurch wird auch für die öffentliche Hand die Finanzierung teurer. Die Zinslast der Länder stieg ebenfalls, und zwar um 8,3 Prozent auf 7,7 Milliarden Euro. Die Zinsausgaben der Kommunen legten um 40,6 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro zu. Auf der anderen Seite haben sich die Zinseinnahmen bei Bund (9,3 Milliarden Euro), Ländern (1,9 Milliarden Euro) und Gemeinden (1,1 Milliarden Euro) in etwa verdoppelt, bei der Sozialversicherung sogar fast verachtfacht. Deutschlandticket ändert die Berechnungen Ein weiterer Grund für das Defizit ist, dass nun die Verbindlichkeiten der Verkehrsunternehmen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in die Berechnung einfließen. "Hintergrund dafür ist, dass zur Finanzierung des zum 1. Mai 2023 eingeführten Deutschlandtickets die rund 440 öffentlichen ÖPNV-Unternehmen Zuweisungen und Zuschüsse von Bund und Ländern erhalten", so die Statistiker. "Dadurch finanzieren sie sich nicht mehr überwiegend durch ihre Umsatzerlöse und werden nach dem Konzept der Finanzstatistiken ausnahmslos als Extrahaushalte klassifiziert."
/wirtschaft/staatsdefizit-steigt-zinsausgaben-verdreifacht-100.html
2024-01-11
Bauernopfer der Sparmaßnahmen?
Meeresschutz und Fischerei
Die Bundesregierung will mehrere Millionen für Meeresschutz und Fischerei kürzen und dafür Gesetzesvorgaben rückwirkend ändern. Auch die Bauernproteste spielen dabei eine Rolle. Umweltschützer und Fischer protestieren. Von Philipp Eckstein.
Die Bundesregierung will mehrere Millionen für Meeresschutz und Fischerei kürzen und dafür Gesetzesvorgaben rückwirkend ändern. Auch die Bauernproteste spielen dabei eine Rolle. Umweltschützer und Fischer protestieren. Von Philipp Eckstein Im vergangenen Jahr hat der Bund bei der Versteigerung von Gebieten in der Ost- und Nordsee für Offshore-Windparks mehrere Milliarden Euro eingenommen. Die Verwendung der Gelder ist rechtlich geregelt. Ein Großteil der Erlöse wird zur Senkung der Stromkosten genutzt, fünf Prozent müssen jeweils für den Meeresnaturschutz und die Förderung einer umweltschonenden Fischerei eingesetzt werden. Im Zuge der geplanten Sparmaßnahmen will die Bundesregierung das jetzt aber ändern und einen Teil dieser Einnahmen für andere Zwecke nutzen. Davon profitieren unter anderem die Landwirte. Es stellen sich rechtliche und politische Fragen. Ausbau der Offshore-Windparks Im Frühjahr 2022 hat die Bundesregierung ihr sogenanntes Osterpaket zum Ausbau erneuerbarer Energien vorgelegt. Ein Teil der Maßnahmen: der Ausbau der Windkraft auf See sollte deutlich beschleunigt werden. Um die Akzeptanz dafür zu erhöhen, sollten mit dem reformierten Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) auch Belange des Naturschutzes und der Fischerei gestärkt werden. Ein Teil der Gelder, die bei den Versteigerungen von Offshore-Gebieten erzielt wird, sollte künftig dafür zweckgebunden eingesetzt werden. Zehn Prozent für die sogenannte Meeresnaturschutzkomponente, zehn Prozent für die Fischereikomponente. So sah es der Gesetzentwurf der Bundesregierung vor. Im Sommer 2022 wurde das Gesetz vom Bundestag beschlossen; allerdings wurden beide Komponenten auf jeweils fünf Prozent gekürzt. Zweckgebundene Gelder Entsprechend der gesetzlichen Regelung teilte die Bundesnetzagentur in ihrer Ausschreibung für das Jahr 2023 mit: "Die Erlöse aus den Offshore Ausschreibungen fließen zu 90 Prozent in die Stromkostensenkung und zu jeweils fünf Prozent in den Meeresnaturschutz sowie die Förderung einer umweltschonenden Fischerei." Die Beteiligung an dem Gebotsverfahren war groß, rund 13,3 Milliarden Euro wurden 2023 eingenommen. Damit stehen für die Fischerei- und den Meeresnaturschutz jeweils rund 670 Millionen Euro zur Verfügung. Zuständig für die Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen sind das Bundeslandwirtschafts- und das Bundesumweltministerium. Als nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts im November die Frage aufkam, ob nicht auch hier gespart werden könnte, verwiesen beide Ministerien auf die gesetzliche Zweckbindung der Gelder. Zudem betonten sie: das Geld werde für den Schutz der Meeresnatur, die vom Bau der Windanlagen betroffen ist und die Unterstützung etwa der Ostseefischer benötigt.   Sparmaßnahmen nach BVerfG-Urteil Doch bereits kurz darauf, im Dezember, einigten sich Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner auf ein Sparpaket. Von den rund 1,34 Milliarden Euro, die für Meeresnaturschutz und Fischerei laut Gesetz aus den Versteigerungen 2023 zustehen, sollten 500 Millionen Euro für andere Zwecke genutzt werden. Vergangene Woche, nachdem der geplante Subventionsabbau bei den Landwirten teilweise zurückgenommen wurde, waren es dann schon 780 Millionen Euro. Rückwirkende Umwidmung möglich? Doch ist das rechtlich möglich? Kann die Zweckbindung der Gelder rückwirkend geändert werden? Darauf angesprochen, reagiert die Bundesregierung schmallippig. Erst auf mehrfache Nachfrage teilt ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums (BMWK) mit: "Wie üblich hat das BMWK die geplante Änderung vorher intensiv geprüft und eine rechtlich mögliche Gesetzesänderung formuliert." Der Gesetzentwurf der Regierung dazu wird derzeit vom Bundestag beraten. Konkret sieht er vor, die Fischereikomponente auf ein Prozent abzusenken, die Meeresnaturschutzkomponente soll von derzeit fünf Prozent auf 3,1 Prozent gesenkt werden. Statt 670 Millionen Euro soll das Umweltministerium 420 Millionen Euro für den Meeresnaturschutz erhalten. Für die Fischerei soll das Landwirtschaftsministerium aus den Erlösen der Offshore-Versteigerungen statt 670 Millionen Euro, 134 Millionen bekommen. 25 Millionen Euro davon sind allerdings für Ausgaben vorgesehen, die ursprünglich über den regulären Etat finanziert werden sollten. Somit bleiben für die umweltschonende Fischerei 109 Millionen Euro. Umwelthilfe: "Ein Riesenskandal" Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, nennt die geplanten Kürzungen im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio einen "Riesenskandal". Er wirft der Bundesregierung vor, den Bundeshaushalt auf Kosten des Naturschutzes zu sanieren. Zugleich räumt er ein: die Umwelthilfe selbst wird dagegen selbst nicht klagen können. So das Ergebnis einer ersten Prüfung. Er hofft allerdings, sagt Müller-Kraenner, dass die Betreiber der Offshore-Anlagen sich das "noch einmal rechtlich anschauen." Zumal das Geld vorgesehen war, um die Eingriffe in die Natur zu kompensieren. Peter Breckling, Geschäftsführer beim Verband der Deutschen Kutter- und Küstenfischer, spricht von einem schweren Schlag für die Fischerei. Er verweist darauf, dass in Offshore-Windparks nicht gefischt werden darf und damit immer mehr Fanggebiete verloren gehen. Die Summe, die jetzt noch für die Fischerei vorgesehen ist, sei "kein angemessener Ausgleich für das, was die deutsche Fischerei in der Nord- und Ostsee verliert." Die Wahrnehmung im Fischereisektor sei, dass man bei den Sparmaßnahmen das Bauernopfer sei. Auch er hofft auf eine rechtliche Prüfung oder ein Einlenken der Politik. Widerstand aus den Ländern Widerstand könnte es auch noch aus den Ländern geben. Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) hatte im vergangenen Jahr den Fischern noch Unterstützung zugesagt und auf die 670 Millionen Euro verwiesen. Auf Anfrage teilt er dem ARD-Hauptstadtstudio mit: Er habe "große Hoffnungen" auf die Verwendung dieser Mittel gesetzt. Die jetzt vorgelegten Änderungen nennt er eine "drastische Kürzung". Er "halte das für ein fatales Signal an die vor allem in der Ostsee schwer gebeutelte, existentiell bedrohte Branche." Die Reform des Windenergie-auf-See-Gesetzes und damit auch die Zweckbindung der Gelder soll bis Ende Januar vom Bundestag beschlossen werden. Derzeit laufen dazu die Beratungen.
/inland/innenpolitik/meeresnaturschutz-fischerei-bundeshaushalt-finanzierung-100.html
2024-01-11
Klare Kante gegen den Abwärtstrend
SPD-Kritik an Ampelkoalition
Die Kritik innerhalb der SPD - auch am Kanzler - wächst. Der Abgeordnete Schäfer sieht die Existenz der Partei in Gefahr, das Umfragetief sei hausgemacht. Bei der heutigen Fraktionsklausur dürfte es auch um Gegenmaßnahmen gehen. Von M. Rödle.
Die Kritik innerhalb der SPD - auch am Kanzler - wächst. Der Abgeordnete Schäfer sieht die Existenz der Partei in Gefahr, das Umfragetief sei hausgemacht. Bei der heutigen Fraktionsklausur dürfte es auch um Gegenmaßnahmen gehen. Von Moritz Rödle Axel Schäfer ist sicher kein besonders wichtiger Abgeordneter, keiner aus der ersten Reihe. Niemand, der die Politik in verschiedenen Bereichen prägen kann. Aber er ist so etwas wie das sozialdemokratische Gewissen der Fraktion. Jemand, der Dinge ausspricht, die andere noch nicht in den Mund nehmen. Schäfer hat seinen Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion in dieser Woche einen Neujahrsbrief geschrieben, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Darin zitiert der Bochumer SPD-Abgeordnete den Bochumer Musiker Herbert Grönemeyer. Im Lied "Der Weg" habe Grönemeyer getextet: "Wir haben versucht auf der Schussfahrt zu wenden. Nichts war zu spät". Schäfer schreibt, dass genau das nun die Aufgabe in der Ampelkoalition sei. Es gehe nämlich bergab. "Eigene Fehler im Regierungshandeln" Die SPD, die Regierung und die Demokratie insgesamt stünden unter enormem Druck. Die deutsche Sozialdemokratie hole in aktuellen Umfragen rund elf Prozentpunkte weniger als bei der Wahl 2021. Das habe Gründe, und die seien vor allem hausgemacht. Schuld daran laut Schäfer: im Wesentlichen die "eigenen Fehler im Regierungshandeln", die "offenen täglichen Streitigkeiten in der Ampel", und das "Infragestellen von Kompromissen, die man gerade unter drei Partnern noch eingegangen war." Die Menschen in Deutschland seien grundsätzlich zufrieden mit dem eigenen Leben, trotzdem stehe dieser Zufriedenheit eine "kaum fassbare Unzufriedenheit" mit der Regierungspolitik gegenüber. Schäfer sieht Existenz der SPD in Gefahr Schäfer spricht aus, was immer mehr SPD-Abgeordnete denken. Die Existenz der Partei sei wieder in Gefahr. Der Frust über die schlechte Wahrnehmung der SPD-Regierungsarbeit ist bei den Bundestagsabgeordneten der Partei inzwischen oft groß. Sie berichten in internen Runden, dass die Wut der Menschen in den Wahlkreisen inzwischen deutlich zu spüren sei. Die Unzufriedenheit wächst. Intern wird in Chatgruppen über die richtige Strategie diskutiert. Auch Kritik am Kanzler ist inzwischen wieder weit verbreitet. In erster Linie sind die Genossinnen und Genossen zwar frustriert über das Verhalten der Koalitionspartner FDP und Grüne. So könne es zum Beispiel nicht sein, dass die SPD in Streitereien zwischen Grünen und FDP zerrieben werde. Man ist sauer darüber, dass gerade geschlossene Kompromisse oft schnell wieder in Frage gestellt werden. Als aktuelles Beispiel wird das Abrücken von Christian Lindner vom Haushaltskompromiss genannt. Alle müssten sich endlich mal am Riemen reißen. Wenn immer alles hinterfragt werde, könne das nichts mehr werden in den kommenden knapp zwei Jahren. Direkte Kritik an Kanzler Scholz Aber die Kritik richtet sich eben auch gegen den Kanzler. Dessen propagierter Stil immer alles erst intern zu besprechen, passe nicht zu den undisziplinierten Koalitionspartnern. Außerdem ist man in der Fraktion frustriert, dass wichtige Entscheidungen immer in der Dreierrunde aus Scholz, Habeck und Lindner getroffen würden. Gerade in der Haushaltspolitik sei das nicht länger vermittelbar. Das Budgetrecht habe der Bundestag. Den Bundeskanzler müsse man oft zum Jagen tragen. Es fehle an Empathie, guter Kommunikation und Orientierung. Man müsse die Menschen besser einbinden. Warum habe es zum Beispiel keinen Bauerngipfel gegeben? Das nütze am Ende alles nur den Populisten. Das hört man, wenn man mit Fraktionsmitgliedern spricht. Treffen zwischen Abgeordneten und Scholz Einiges davon dürfte auch der Kanzler heute zu hören bekommen. Um 16:30 Uhr ist eine interne Beratung angesetzt. Zugelassen sind dann nur Abgeordnete, keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Man will im möglichst kleinen Kreis diskutieren. Soweit das geht, bei insgesamt 207 Abgeordneten. Der Titel des Tagesordnungspunktes: "Ausblick auf die zweite Hälfte der Legislaturperiode. Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz." Zweieinhalb Stunden sind für diese Aussprache angesetzt. Danach geht es zum Fraktionsabend in eine Eventlocation im Bezirk Prenzlauer Berg. Am Ende auch Lob für die Ampel Ganz am Boden ist die Stimmung in der Fraktion aber nicht. Immer wieder wird in Gesprächen auch auf die Erfolge der Koalition verwiesen: Mindestlohn, Bürgergeld, die Reaktion auf die hohe Inflation. Eigentlich sei die Ampel richtig fürs Land. Sie verkaufe sich nur unter Wert. Deshalb stimmen viele dem Bild von Axel Schäfer auch zu. Der definiert am Ende seines Briefes auch genauer, was er mit "Auf der Schussfahrt wenden" meint. Das sei ein Bild aus dem alpinen Sport, man müsse die Skier kanten, um die Richtung zu ändern. Klare Kante sei also notwendig, um sich dem Abwärtstrend entgegenzustellen. Damit meint Schäfer neben den Abgeordneten wohl auch den SPD-Bundeskanzler.
/inland/innenpolitik/spd-fraktionsklausur-108.html
2024-01-11
Ampel lädt Bauernverbände zu Gesprächen ein
Proteste gegen Sparpläne
Die Ampel-Fraktionschefs haben die Bauernverbände am kommenden Montag zu einem Gespräch eingeladen. Während die Landwirte die Proteste heute fortsetzen, kommt aus Mecklenburg-Vorpommern ein Vorschlag zur Konfliktlösung.
Die Ampel-Fraktionschefs haben die Bauernverbände am kommenden Montag zu einem Gespräch eingeladen. Während die Landwirte die Proteste heute fortsetzen, kommt aus Mecklenburg-Vorpommern ein Vorschlag zur Konfliktlösung. Die Vorsitzenden der drei Ampel-Fraktionen im Bundestag haben die Vorstände der landwirtschaftlichen Verbände für Montag zu einem Gespräch eingeladen. Ein entsprechendes Schreiben der Fraktionschefs Rolf Mützenich (SPD), Britta Haßelmann (Grüne) und Christian Dürr (FDP) wurde am Mittwoch verschickt. In dem Gespräch soll es demnach um die wirtschaftlichen Perspektiven für die landwirtschaftlichen Betriebe gehen. Gespräch zum Höhepunkt der Aktionswoche Die Ampel-Regierung hat mit ihren Plänen für den Abbau der Steuervergünstigungen für Agrardiesel einen Proteststurm der Bauern ausgelöst. Derzeit läuft eine Aktionswoche, deren Höhepunkt am kommenden Montag (15. Januar) eine Großdemonstration in Berlin sein soll. An diesem Tag soll dann auch das Gespräch mit den Fraktionschefs stattfinden. Auch heute sind wieder Proteste gestartet. So blockierten etwa in Mecklenburg-Vorpommern Traktoren mehrere Autobahnauffahrten, auch Konvois der landwirtschaftlichen Fahrzeuge sorgten für Behinderungen. In Hamburg waren Hunderte Traktoren aus dem Umland auf dem Weg zum Hafen. Angesetzt waren Proteste auch etwa in Frankfurt am Main, Hannover, Karlsruhe und Cottbus, wo Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur Eröffnung eines neuen Bahnwerks erwartet wird. Am Rande der Veranstaltung will er mit Vertretern des Landesbauernverbandes zusammentreffen. Kompromissvorschlag aus Mecklenburg-Vorpommern Unterdessen legte Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus gemeinsam mit Vertretern der Bauern- und Fischereiverbände des Landes ein Kompromisspapier zur Beendigung der bundesweiten Bauernproteste vor. So werben beide Seiten für einen vom Bund geförderten Einstieg in alternative Kraftstoffe. Der Umstieg auf Erneuerbare Energien in der Landwirtschaft brauche Zeit und eine Perspektive, sagte Backhaus. Deshalb will der Minister die Subventionskürzungen für den Agrardiesel erst nach 2027 abschmelzen, vorher soll es nur eine zehnprozentige Kürzung geben. Gleichzeitig forderte die Runde Anreize, um auf alternative Kraftstoffe wie Biogas oder Biodiesel umzusteigen. Zudem werden alternative Einsparmöglichkeiten für den Bundeshaushalt genannt. Dazu gehören laut Backhaus unter anderem die eingeplanten Zuschüsse für tiergerechtere Schweineställe oder das Dienstwagenprivileg für Hybridfahrzeuge. Bundesregierung nimmt einige Kürzungen zurück Die Bundesregierung plant, die seit mehr als 70 Jahren bestehende Steuervergünstigung beim Agrardiesel nicht mehr auf einen Schlag abzuschaffen, sondern schrittweise über drei Jahre auslaufen zu lassen. Eine vorgesehene Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte hat die Koalition bereits ganz zurückgenommen. Der Bauernverband hat die bisherigen Korrekturen als nicht ausreichend bezeichnet. Der Bundestag muss den Plänen noch zustimmen. Bauern fordern Lösung im Parlament Der Bauernverband dringt angesichts der anhaltenden Demonstrationen auf eine Lösung im Parlament. "Jetzt ist es an der Bundesregierung und an den Fraktionen im Deutschen Bundestag, diese Proteste zu beenden", sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied. "Ein fauler Kompromiss, wie er derzeit auf dem Tisch liegt, kann keine Lösung sein - denn der wird keinen Traktor von der Straße holen." Rukwied betonte: "Wir fordern die Fraktionen auf, intensiv darüber zu beraten, wie die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft erhalten bleiben kann und wie die Proteste beendet werden können." Haseloff fordert Kanzlerdialog mit Bauern Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hat sich derweil für Gespräche im Kanzleramt zwischen der Bundesregierung und den Bauernverbänden ausgesprochen. In einem Interview mit dem MDR betonte der CDU-Politiker seine Unterstützung für die laufenden Proteste der Landwirte gegen die geplanten Einsparungen der Bundesregierung. Obwohl die Bundesregierung bereits Teile der Kürzungen bei den Landwirten zurückgenommen hat, hält Haseloff es für unabdingbar, dass Bundeskanzler Scholz persönlich mit den Bauernverbänden in den Dialog tritt. "Es muss jetzt eine Einladung ins Kanzleramt erfolgen und dort muss man miteinander sprechen, so wie das auch in anderen Zusammenhängen der Fall war, als es dort eine Konferenz zur Automobilindustrie, zur Chemie und so weiter gegeben hat. Die anderen Branchen haben das auch erlebt und dieses Angebot sollte man jetzt auch machen", sagte der Ministerpräsident. In den vergangenen Jahren und vielleicht sogar Jahrzehnten habe sich viel in der Landwirtschaft angestaut. Die Branche habe zahlreiche Veränderungen, Druck, Zertifizierungen und bürokratische Herausforderungen bewältigen müssen.
/inland/ampel-bauern-proteste-gespraeche-100.html
2024-01-11
US-Börsenaufsicht genehmigt Bitcoin-Fonds
Erste ETF
Die Börsenaufsicht SEC hat in den USA die ersten börsengehandelten Bitcoin-ETF genehmigt. Einige Produkte könnten bereits am Donnerstag in den Handel kommen.
Die Börsenaufsicht SEC hat in den USA die ersten börsengehandelten Bitcoin-ETF genehmigt. Einige Produkte könnten bereits am Donnerstag in den Handel kommen. Die US-Wertpapieraufsichtsbehörde SEC hat den Weg für börsengehandelte Bitcoin-ETF frei gemacht. Am Mittwochabend nach Börsenschluss in den USA teilte die SEC ihr Entscheidung mit. Die Behörde gab nach eigenen Angaben grünes Licht für Anträge unter anderem vom Vermögensverwalter BlackRock, Ark Investments und 21Shares, Fidelity, Invesco und VanEck. Sie können nun börsennotierte Fonds auf den Markt bringen, die direkt in Bitcoins investieren. Einige Produkte sollen bereits am Donnerstag in den Handel kommen. Nach Bekanntwerden des SEC-Votums legte der Kurs der Kryptowährung noch einmal deutlich zu: Zeitweise stieg der Preis für einen Bitcoin um bis zu 3,9 Prozent auf 47.750 Dollar und lag damit knapp unter seinem am Dienstag erreichten 21-Monats-Hoch. Die Genehmigung sei ein Meilenstein in der Geschichte von Bitcoin und Co., sagt Timo Emden von Emden Research: "Der Nervenkrimi hat ein Ende." Börsenaufsicht warnt vor Risiken Die Entscheidung der SEC war mit Spannung erwartet worden. Mehrere Vermögensverwalter hatten bereits im Jahr 2013 erste Genehmigungen zur Auflegung von Spot-Bitcoin-ETFs beantragt. Die SEC hat diese jedoch bislang immer mit der Begründung abgelehnt, die Produkte seien anfällig für Marktmanipulationen. Und auch nach der gestrigen Entscheidung betonte SEC-Chef Gary Gensler, die Zulassung bedeute keine Unterstützung der Aufsichtsbehörde für den Bitcoin. Die Börsenaufsicht warnt US-Anleger stets vor Risiken von Krypto-Anlagen wie den enormen Kursschwankungen. Die Kommission betonte, dass Investoren detailliert über die Anlageprodukte informiert werden müssten. Vorteile für Anleger Dennoch könne das Anlegen in Bitcoin-ETF für Anleger auch Vorteile haben, betont Gerhard Summerer, Geschäftsführer von DZ Financial Markets der deutschen DZ Bank in New York: "Der große Vorteil von diesen ETF ist - wenn sie bei Firmen mit hoher Reputation wie BlackRock gekauft werden - der, dass sie die Unsicherheit und die Risiken minimieren." Kleinanleger, die sich bislang nicht für Bitcoins interessierten, weil die Währung schwankungsanfällig sei, könnten nun erstmals in Krypto investieren. Summerer glaubt, dass auch die Konkurrenz der unterschiedlichen Anbieter positiv für Anleger sein könnte - BlackRock habe bereits angekündigt, die Gebühr für den Bitcoin-ETF so gering wie möglich halten zu wollen. Entscheidung nach gerichtlicher Niederlage Die SEC warnt Anleger dennoch davor, in Krypto zu investieren. Jahrelange hatte sich die Aufsichtsbehörde gegen die Genehmigung von Bitcoin-ETF gesperrt. Doch vergangenes Jahr hatte sie nach der Ablehnung eines Antrags der Firma Grayscale eine Niederlage vor Gericht einstecken müssen: Ein Berufungsgericht befand, die Entscheidung sei willkürlich gewesen, da die SEC nicht den Unterschied zu zugelassenen anderen Anlagen deutlich gemacht habe. Bereits 2021 hatte die Börsenaufsicht ETF auf Bitcoin-Zukunftskontrakte zugelassen. Mit Informationen von Antje Passenheim, ARD-Studio New York
/wirtschaft/weltwirtschaft/bitcoin-etf-sec-100.html
2024-01-11
Die fetten Jahre sind vorbei
Haushalt 2024
Die groben Linien des Haushalts 2024 sind beschlossen, doch mit einer Stimme sprechen die Ampel-Parteien nicht. Im Haushaltausschuss werden heute erneut Experten angehört. Ebnen sie einen Lösungsweg? Von Nicole Kohnert.
Die groben Linien des Haushalts 2024 sind beschlossen, doch mit einer Stimme sprechen die Ampel-Parteien nicht. Im Haushaltausschuss werden heute erneut Experten angehört. Ebnen sie einen Lösungsweg? Von Nicole Kohnert Es gibt diese guten Vorsätze fürs neue Jahr, die sich so mancher gerne vornimmt, den Bauchspeck abtrainieren, den man sich über die Feiertage angegessen hat. Maßvoll sein, es nicht übertreiben. Hört man so manchem Haushaltspolitiker gerade zu, soll das auch für den Haushalt 2024 gelten. Die fetten Jahre seien nun einfach vorbei, es muss gespart werden, denn das Bundesverfassungsgerichtsurteil hat die Ampelregierung auf Diät gesetzt. Zu den guten Vorsätzen zählt eigentlich auch, zumindest in der Ampelkoalition, dass man mit einer Stimme sprechen will und nicht ständig aufeinander zeigen möchte. Soweit die guten Vorsätze für 2024. Doch wie es mit den guten Vorsätzen nun mal so ist, lange werden sie nur selten durchgehalten. So bahnt sich in den Haushaltsberatungen wieder an, dass viele Vorsätze schnell über Bord geworfen werden. Schlingerkurs in der Agrarpolitik Auch wenn das Kabinett nun Anfang der Woche die großen Linien für den Haushalt 2024 beschlossen hat, werden die Haushaltspolitiker der Ampelparteien noch viele Details diskutieren müssen. Fraglich ist, ob man den Landwirten wirklich noch mehr Zugeständnisse machen will. Der Weg zu den derzeit geplanten Kürzungen war holprig. Nachdem die Bundesregierung geplante Streichungen bei Subventionen für Landwirten bekannt gab, nahm sie kurze Zeit später nach vielen Protesten einige Kürzungen wieder zurück. Innerhalb der Koalition gab es unterschiedliche Positionen. Mit einer Stimme wurde also in der Ampelkoalition gleich Anfang des Jahres schon nicht gesprochen - und die Landwirte bekamen Zugeständnisse in zwei Bereichen. Nach derzeitigem Plan werden Einsparungen bei Agrar-Diesel-Subvention nur stufenweise kommen, die Befreiung der Landwirte bei der Kfz-Steuer bleibt - anders als ursprünglich vorgesehen. Mehr Zugeständnisse gegenüber den Bauern könnte es nur geben bei einer geeigneten Gegenfinanzierung, heißt es aus Koalitionskreisen. Danach sieht es gerade aber nicht aus.  Unklarheit bei Ahrtal-Hilfe Ein Streitthema bleibt die finanzielle Hilfe für die Folgen der Flutkatastrophe im Ahrtal im Jahr 2021. Nach wie vor sind die Folgen sichtbar, Infrastruktur muss wieder aufgebaut werden, 2,7 Milliarden Euro werden dafür benötigt. Aber woher soll das Geld kommen? Lange hatten Kanzler Scholz, Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner um eine Haushaltseinigung gerungen und als Kompromiss vereinbart, zu prüfen, ob man für die Flutkatastrophe im Ahrtal eine Notlage im Jahr 2024 ausrufen könnte. Nun wird im Hintergrund nach wie vor darüber diskutiert, ob das für die Flutkatastrophe von 2021 tatsächlich möglich wäre. Geht es nach der FDP, ist es rechtlich schwierig und bisher nur eine theoretische Option, da das Urteil des Bundesverfassungsgerichts einfach Grenzen setze. Opposition fürchtet Tricksereien Geht es nach der SPD oder den Grünen, führt kein Weg daran vorbei. "Der Staat muss im Katastrophen-Fall handlungsfähig bleiben und wird, wie bei der Ahrtal-Katastrophe passiert, helfen", argumentiert Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler von den Grünen. "Auch wenn die Ursache der Notlage länger zurück liegt, besteht nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Möglichkeit dafür die Notfallregel der Schuldenbremse zu nutzen." Und auch bei der aktuellen Hochwasserkatastrophe müsse man als Bund finanziell helfen können. Die Opposition befürchtet schon wieder Tricksereien beim Haushalt 2024. Dass man jetzt schon über Bundeshilfen für die aktuelle Flutkatastrophe nachdenkt, sieht Christian Haase von der CDU/CSU kritisch. "Dafür sind nun erstmal die jeweiligen Bundesländer zuständig", erklärt er. Bei Hilfen für die Ahrtal-Katastrophe habe die Ampelkoalition versprochen, auf die Opposition zuzugehen. Das sei noch nicht geschehen. Generell ist der Unmut bei der Union groß, was die Ausgaben für 2024 angeht. "Aus dem 100 Milliarden-Sondervermögen für zusätzliche Militärinvestitionen, das von der Union mitgetragen wurde, soll nun im großen Stil Mittel für die Nachbeschaffung ausgegeben werden. Das war nicht die Absprache und ist rechtlich zweifelhaft", sagt Haase. Ukraine-Hilfen - aber wie teuer wird es wirklich? Einig sind sich viele Haushaltspolitiker darüber, dass man der Ukraine weiter finanziell helfen will. Statt ursprünglich geplante vier Milliarden sind nun acht Milliarden für 2024 vorgesehen. Ob das reichen wird, ist noch unklar - und das Geld bleibt knapp im Haushalt 2024. Über allem schwebt die Ungewissheit, wie die Unterstützung der USA in Zukunft sein wird und was passiert, wenn womöglich der ehemalige US-Präsident Donald Trump im Herbst wiedergewählt wird. Hat die Bundesregierung dann schon einen Plan B in der Tasche, wie sie finanziell die Ukraine unterstützen will? CDU-Politiker Haase sieht vor allem eine europäische Lösung, zu viel dürfe Deutschland nicht allein tragen im Fall der Fälle. Schuldenbremse - wie geht es weiter? Erneut werden heute Experten im Haushaltausschuss gehört, um in der Lage zu beraten. So rät die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer zu einer Reform der Schuldenbremse. "Die Schuldenbremse hat eine Konstruktionsschwäche. Dass man für eine neue Verschuldung immer nur für ein Kalenderjahr die Notlage ausrufen kann, ist für die Planbarkeit in der Wirtschaft schwierig", erklärt sie. Es sollte, nach Ausrufung der Notlage, möglich sein, dass man Verschuldung über mehrere Jahre streckt. Das würde die Planbarkeit erhöhen. Zudem sei ein klarer Kurs der Regierung wichtig. Unsicherheit sei Gift für die Wirtschaft. Auch der Ökonom Lars Feld sieht die Kommunikation der Ampelregierung mit Sorge. "Diese Streitereien in der Koalition führen dazu, dass sich Investoren zurückhalten mit Investitionen", sagt Feld. "Deutschland könnte besser dastehen, wenn die Koalition geschlossen handelte und geschlossen kommunizierte." Er sieht allerdings nicht, dass die Schuldenbremse dieses Jahr nochmal ausgesetzt werden müsste. "Es gibt keinen Grund, für die finanziellen Hilfen für die Ahrtal-Katastrophe eine Notlage im Jahr 2024 zu erklären. Der Milliarden-Betrag ist zu niedrig, macht gerade einmal 0,6 Prozent des Bundeshaushalts aus und kann darum auch aus dem regulären Haushalt finanziert werden. Da ist noch genug Spielraum." Die Debatte um die Schuldenbremse wird auch in diesem Jahr für genug Konfliktstoff in der Koalition sorgen.
/inland/innenpolitik/bundestag-haushalt-expertenanhoerung-100.html
2024-01-11
Ein Solo für Trump
Vorwahlkampf der US-Republikaner
Die republikanischen Vorwahlen nahen, doch für Donald Trump ist das kein Grund, an der TV-Debatte der verbliebenen Kandidaten teilzunehmen. Während Nikki Haley und Ron DeSantis sich zanken, präsentiert er sich bei Fox News. Von Ralf Borchard.
Die republikanischen Vorwahlen nahen, doch für Donald Trump ist das kein Grund, an der TV-Debatte der verbliebenen Kandidaten teilzunehmen. Während Nikki Haley und Ron DeSantis sich zanken, präsentiert er sich bei Fox News. Von Ralf Borchard Das Bewerberfeld der Republikaner war deutlich geschrumpft vor Beginn dieser Fernsehdebatte bei CNN. Nur noch drei Kandidaten waren qualifiziert. Und einer davon, Donald Trump, blieb erneut fern. Nach dem Motto: Er führt in den Umfragen so deutlich, dass er es nicht nötig hat, mit den anderen zu debattieren. Ein begründeter Eindruck laut den Durchschnittswerten aus den jüngsten Umfragen an der republikanischen Parteibasis auf der Website RealClearPolitics: Trump liegt bei 52 Prozent, Nikki Haley und Ron DeSantis bei je etwa 16 Prozent, mit leichten Vorteilen für Haley. Gegenseitiges Zerfleischen Doch was taten die frühere UN-Botschafterin Haley und ihr Konkurrent DeSantis, der Gouverneur von Florida, bei ihrem Aufeinandertreffen? Sie kritisierten nicht etwa in erster Linie Trump, sondern attackierten sich gegenseitig und bezichtigten sich der Lüge. "Er verbringt mehr Zeit damit, Lügen über mich zu verbreiten, als die Wahrheit über sich selbst zu erzählen", sagte Haley über DeSantis. Dieser konterte: "Nikki Haley verfolgt die Interessen ihrer Geldgeber. Ich kandidiere, um die Interessen der Wählerinnen und Wähler und ihrer Familien zu vertreten." Wenn es um Inhalte ging, wurde erneut klar: DeSantis versucht, sich noch weiter rechts außen zu positionieren als dies Trump tut. So etwa beim Thema Grenzmauer zu Mexiko: "Wir werden die Mauer fertig bauen. Das tun, was Trump nur versprochen hat: Mexiko wirklich für die Mauer bezahlen lassen. Und entschlossener Migranten deportieren als es Trump getan hat." Haley dagegen gibt sich eher moderat. Sie spricht sich beispielsweise für die Ukraine-Hilfen aus: "Es geht darum, Krieg und weitere Aggression Russlands zu verhindern." Und die Hilfen machten nur 3,5 Prozent des Verteidigungsbudgets aus, argumentierte sie. Trump präsentiert sich lieber bei Fox News Während sich seine Opponenten duellierten, absolvierte Trump einen Solo-Auftritt bei Fox News, mit meist freundlichen Fragen aus dem Publikum. Wie will er etwa künftige Kriege verhindern? "Frieden durch Stärke", so seine Antwort. "Der Ukraine-Krieg wäre mit mir als Präsident nie passiert, der jüngste Angriff auf Israel wäre nie passiert", ist er sich sicher. Jetzt habe man einen schwachen Präsidenten im Land und tue Dinge, die zuvor undenkbar waren. Am kommenden Montag stehen dann doch alle drei gemeinsam bei den republikanischen Vorwahlen in Iowa auf dem Zettel. Die spannendste Frage nach Einschätzung der meisten Beobachter wird sein, mit welchem Abstand Trump in Iowa gewinnt. Bei der nächsten Vorwahl, in New Hampshire, könnte es laut Umfragen dagegen knapper werden - hier liegt Haley nur wenige Prozentpunkte hinter Trump. Nach diesem Abend des Fernsehschlagabtauschs zwischen Haley und DeSantis kann sich Trump jedenfalls unter dem Strich erneut die Hände reiben.
/ausland/amerika/usa-republikaner-108.html
2024-01-11
"Schweigende Mehrheit muss aufwachen"
BfV-Präsident Haldenwang
Verfassungsschutzpräsident Haldenwang ruft im Kontraste-Interview die "schweigende Mehrheit" der Gesellschaft auf, für die Demokratie einzustehen. Gefahren durch Rechtsextremismus und Antisemitismus würden bislang nicht ausreichend wahrgenommen.
Verfassungsschutzpräsident Haldenwang ruft im Kontraste-Interview die "schweigende Mehrheit" der Gesellschaft auf, für die Demokratie einzustehen. Gefahren durch Rechtsextremismus und Antisemitismus würden bislang nicht ausreichend wahrgenommen. Von Georg Heil, Susett Kleine und Lisa Wandt, rbb Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, sieht die Demokratie in Deutschland als stärker bedroht an, als es von der Mitte der Gesellschaft wahrgenommen werde. Dies zeige sich an einer Gleichgültigkeit "gegenüber dem Erstarken bestimmter Parteien". Es zeige sich aber auch im Umgang mit Antisemitismus, so Haldenwang im Interview mit dem ARD-Politikmagazin Kontraste. Die Mitte der Gesellschaft in Deutschland scheine ihm sehr bequem geworden zu sein, erklärte Haldenwang. "Man hat sich sehr in seinem komfortablen Privatleben eingerichtet und man nimmt nicht hinreichend wahr, wie ernsthaft die Bedrohungen für unsere Demokratie inzwischen geworden sind." Sicherheitsbehörden könnten nur bedingt gegen die Gefahren für die Demokratie vorgehen. Er wünsche sich daher, "dass die Mitte der Gesellschaft, die schweigende Mehrheit in diesem Land, dass die wach wird und auch endlich klar Position bezieht gegen Extremismus in Deutschland". "Schande für Deutschland" Der Antisemitismus hat nach Ansicht des BfV-Präsidenten sowohl in Quantität als auch in Qualität eine neue Dimension erreicht. "Es ist eine Schande, es ist beschämend, wie in dem Land, von dem der Holocaust ausgegangen ist, wie offen inzwischen Antisemitismus gezeigt wird", so Haldenwang zu Kontraste. Im gesamten Jahr 2022 habe man in Deutschland 2.600 antisemitische Straftaten registriert, von denen 82 Prozent von Rechtsextremisten verübt worden seien. In den vergangenen drei Monaten, seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023, seien bereits deutlich mehr als 1.200 antisemitische Straftaten in Deutschland zu verzeichnen. Der 7. Oktober sei somit auch eine Zäsur für Deutschland, so Haldenwang. "Dass auf Deutschlands Straßen wieder Davidsterne an Häuser gemalt werden, dass Synagogen mit Brandsätzen attackiert werden, das ist eine völlig neue Qualität, die wir auch in der Vergangenheit so nicht wahrgenommen haben." Größte Gefahr gehe von Rechtsextremen aus Die größte Gefahr für Jüdinnen und Juden in Deutschland sei in der Vergangenheit eindeutig von Rechtsextremisten ausgegangen, so der BfV-Präsident. Die Anschläge vom 7. Oktober hätten jedoch auch den Antisemitismus linksextremer Gruppierungen, auf den der Verfassungsschutz schon länger regelmäßig aufmerksam gemacht habe, sowie die Judenfeindlichkeit islamistischer Gruppierungen deutlich sichtbarer gemacht. Aber auch von türkischen extremistischen Gruppen in Deutschland, sowohl aus dem links-, als auch aus dem rechtsextremen Spektrum, werde in Deutschland Antisemitismus propagiert, so Haldenwang. Gefahr für Juden kommt auch aus dem Ausland Eine Gefahr für Juden in Deutschland sieht Haldenwang auch aus dem Ausland. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die Anschläge auf jüdische Einrichtungen im Ruhrgebiet vom November 2022. Hier sei inzwischen eindeutig belegt, dass der iranische Staat hinter den Aktionen stehe. Der Iran habe auch aktuell ein Interesse daran, in Deutschland Emotionen zu wecken und antisemitische Haltungen zu unterstützen. "Es gibt aber eben entsprechende Äußerungen, durchaus auch aus der Türkei heraus. Und vor dem Hintergrund, dass wir natürlich hier in Deutschland eine sehr große türkische Diaspora haben und möglicherweise Teile dieser Diaspora empfänglich sind für solche Zurufe von außerhalb, muss uns das auch besorgen", so Haldenwang.   Das Interview mit dem BfV-Präsidenten Thomas Haldenwang wurde anlässlich der Kontraste-Dokumentation "Judenhass - unser Leben nach dem 7. Oktober" geführt. Die Dokumentation ist ab sofort in der ARD-Mediathek zu sehen und wird am 11. Januar um 21:45 Uhr im Ersten ausgestrahlt.
/investigativ/kontraste/verfassungsschutz-haldenwang-rechtsextremismus-100.html
2024-01-11
Israel im Verteidigungsmodus
Vorwurf des Völkermords
Ab heute muss sich Israel vor dem Internationalen Gerichtshof dem Vorwurf des Völkermordes im Gazastreifen stellen. Anders als in der Vergangenheit trifft die Klage Südafrikas Israel diesmal ins Mark. Von Jan-Christoph Kitzler.
Ab heute muss sich Israel vor dem Internationalen Gerichtshof dem Vorwurf des Völkermordes im Gazastreifen stellen. Anders als in der Vergangenheit trifft die Klage Südafrikas Israel diesmal ins Mark. Von Jan-Christoph Kitzler Wenn Israel heute vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag mit dem Vorwurf des Völkermordes konfrontiert ist, dann ist etwas anders als sonst. Denn normalerweise ist die Bereitschaft Israels, mit internationalen Organisationen und Institutionen zu kooperieren, eher gering. Mit den Vereinten Nationen und ihren Unterorganisationen steht Israel seit vielen Jahren auf Kriegsfuß. Und auch beispielsweise den Internationalen Strafgerichtshof erkennt Israel nicht an. Doch wenn es um die "Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords" geht, die Rechtsgrundlage in diesem Verfahren, dann geht es auch um Israels Identität. Denn die Völkermord-Konvention wurde kurz nach dem Zweiten Weltkrieg beschlossen - unter dem Eindruck der Verbrechen des Holocaust. Israel hat diese Konvention unterzeichnet - und sie könnte Israel jetzt in Schwierigkeiten bringen, sagt die Anwältin Yael Vias Gvirsman. "Das muss man sehr ernst nehmen, und deswegen bin ich auch nicht überrascht, dass der Staat Israel diese Anschuldigungen ernstnimmt", sagt sie. "Sie könnten Auswirkungen auf die weiteren Kampfhandlungen und den Fortlauf des Krieges haben. Südafrika muss seine Behauptung nur theoretisch beweisen." Südafrika fordere eine Eilanordnung des Gerichts, da müssten nicht alle Behauptungen geklärt werden, es müsse lediglich bewiesen werden, dass es theoretisch eine wirkliche Gefahr eines Völkermords an der Bevölkerung im Gazastreifen gebe. Südafrika brachte Klage ein Südafrika steht hinter dieser Klage. Das Land wirft Israel Handlungen im Gazakrieg vor, die die Kriterien des Völkermordes erfüllten. Dazu sollen wahllose Gewalt gehören, die Vertreibung von Bevölkerung, der Entzug von Nahrung, Wasser und humanitärer Hilfe. Vorwürfe dieser Art haben auch schon Vertreter der Vereinten Nationen geäußert. Angesichts von rund 23.000 Toten und 59.000 Verletzten. Und auch angesichts von Aussagen wie dieser von Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant aus diesen Kriegswochen: "Wir werden eine absolute Blockade um die Stadt Gaza legen. Kein Strom, keine Nahrung, kein Wasser, kein Treibstoff. Alles wird abgeriegelt sein. Wir kämpfen gegen 'menschliche Tiere' und handeln entsprechend." Aussagen mehrerer Minister im Fokus Der Internationale Gerichtshof muss einerseits die Taten in diesem Krieg prüfen - aber auch die Absichten. Da werden dann auch Aussagen vorgetragen, wie von Avi Dichter, dem Landwirtschaftsminister der israelischen Regierung. Er sagte vor einigen Wochen in einem Interview, Israel veranstalte nun die "Nakba von Gaza". Die Nakba, das ist die massenhafte Flucht und Vertreibung von Palästinensern nach der Staatsgründung Israels. Dazu passt auch der Vorschlag von Israels Finanzminister Bezalel Smotrich, Israel solle die, so wörtlich, "freiwillige Ausreise" von Palästinensern aus dem Gazastreifen unterstützen. Anwältin Yael Vias Gvirsman sieht das sehr kritisch: "Das ist ein echtes Eigentor", sagt sie. "Lasst uns für sie eine Lebenssituation schaffen, in der sie leben wollen. Ein Teil der Anschuldigungen gegen Israel besteht darin, dass der Staat Israel aktiv eine Situation schafft, in der den Palästinensern nicht mehr ermöglicht wird, im Gazastreifen zu leben." Israel weist Anschuldigungen zurück Israel wird sich gegen die Vorwürfe verteidigen. Aus dem Außenministerium hieß es bereits, es fehle die faktische und rechtliche Grundlage, man sei im Krieg mit der Hamas, die Terrororganisation allein trage die Verantwortung für die Opfer im Gazastreifen. Auch Israels Staatspräsident Itzhak Herzog zeigte sich gestern aufgebracht. "Es gibt nichts Abscheulicheres und Absurderes als diese Behauptung", so Herzog. "Tatsächlich fordern unsere Feinde, die Hamas, in ihrer Charta die Zerstörung und Vernichtung des Staates Israel, des einzigen Nationalstaates des jüdischen Volkes. Die Konvention gegen Völkermord wurde von der internationalen Gemeinschaft nach den schlimmsten Gräueltaten der Menschheit, der Shoah, dem Holocaust, erlassen, die sich speziell gegen die Juden, das jüdische Volk, richtete, um das jüdische Volk auszulöschen." Israels Verteidigung wird sich erst am Freitag äußern. Eine Eilentscheidung des IGH, die Kampfhandlungen im Gazastreifen einzustellen, könnte schon in Kürze fallen - das gesamte Verfahren aber könnte sich über Jahre hinziehen.
/ausland/asien/israel-gerichtshof-voelkermord-vorwurf-100.html
2024-01-11
Warum Ecuador in Gewalt versinkt
Lateinamerika
Aus dem friedlichen und aufstrebenden Ecuador ist eines der gefährlichsten Länder Lateinamerikas geworden. Drogenbanden unterwandern staatliche Institutionen und terrorisieren die Bevölkerung. Jetzt schlägt der Staat zurück. Von P. Sonnenberg.
Aus dem friedlichen und aufstrebenden Ecuador ist eines der gefährlichsten Länder Lateinamerikas geworden. Drogenbanden unterwandern staatliche Institutionen und terrorisieren die Bevölkerung. Jetzt schlägt der Staat zurück. Von Peter Sonnenberg Alina Manrique musste sich mit ihren Kollegen auf den Boden des Nachrichtenstudios setzen, als die 13 maskierten und schwer bewaffneten Männer den Sender stürmten. Die Redaktionsleiterin der Nachrichten bereitete gerade die Nachmittagsausgabe von Canal TC vor, als ihr eine Pistole an den Kopf gehalten wurde. Die nächsten 30 Minuten stand sie, zusammengekauert mit Moderatoren, Kameraleuten und weiteren Redakteuren, Todesängste aus. Immer wieder musste sie in Gewehrläufe schauen, hörte wie Kollegen, von den Gangstern dazu gezwungen, Botschaften an Präsident Daniel Noboa über den Sender schickten, er solle den Kampf gegen die Drogenbanden beenden. Unfassbarerweise lief die Liveübertragung minutenlang weiter. Das ganze Land konnte am Fernseher mit ansehen, wie Maskierte den Journalisten offensichtlich Dynamitstangen in Taschen steckten, sie mit Macheten schlugen und immer wieder zwangen, ihre Botschaften zu verbreiten. "Ich stehe immer noch unter Schock", sagte Manrique anschließend der Nachrichtenagentur AP. "Alles hier im Land ist am Zusammenbrechen. Für mich ist es Zeit, dieses Land zu verlassen und möglichst weit weg zu gehen." Drogenbanden erpressen den Staat mit Terror Die Entwicklung Ecuadors sieht auch der politische Analyst und Experte für Organisierte Kriminalität, Renato Rivera Rhon, kritisch. Für ihn steht das Land am Beginn einer Spirale der Gewalt und neuerdings auch des Terrors, der aus den Konflikten rivalisierender Drogenbanden hervorgeht. "Teil des Problems ist, dass sich das Organisierte Verbrechen zwar an den Staat richtet, aber die Bevölkerung einbezieht. Sie schicken ihre Botschaften des Schreckens an die Bürger." Mit einem großen Schrecken, aber mit dem Leben, kamen Alina Manrique und ihre Kollegen von Canal TC davon. Nach einer halben Stunde stürmte eine Spezialeinheit das Studio und befreite die Geiseln. Die Geiselnehmer ließen sich widerstandslos abführen. Doch am gleichen Nachmittag gab es allein in der Küstenstadt Guayaquil 20 Gewaltschauplätze, an denen die Banden Schrecken verbreiteten. Auch in der Hauptstadt Quito und in Esmeraldas im Nordwesten fielen Schüsse und es gab Geiselnahmen und Entführungen. Im Internet kursieren Videos über grausame Exekutionen von Polizisten. Mancherorts schickten die Täter Präsident Daniel Noboa gleichzeitig die Botschaft, "mit Kartellen spielt man nicht." Ob die Videos echt sind und wirkliche Hinrichtungen zeigen, lässt sich im Moment nicht überprüfen. Auch ist der Hintergrund der Geiselnahmen nicht eindeutig erklärbar. Sicher ist es eine Machtdemonstration, doch könnte es auch sein, dass die Drogenkartelle die Polizei damit beschäftigen und anderswo ein großes Geschäft abwickeln wollten.   Der Ursprung der Gewalt liegt Jahre zurück Bis 2009 gab es in der Küstenstadt Manta einen Luftwaffenstützpunkt der Vereinigten Staaten. Deren Anwesenheit half, die Ausbreitung der Drogenkartelle in Ecuador zu bremsen. Ecuadors ehemaliger Präsident Raphael Correa (2007 bis 2017) kündigte den Vertrag über den Stützpunkt. In der Folge unterschätzten Noboas Vorgängerregierungen unter Lenín Moreno und Guillermo Lasso möglicherweise die Aktivitäten der Drogenkartelle. Noboa kritisierte seine Vorgänger nach der Eskalation der Gewalt am Mittwoch mit den Worten: "Wir haben jetzt Maßnahmen ergriffen, die schon längst hätten ergriffen werden sollen, zu denen sich die vorigen Regierungen aber nicht haben entschließen wollen. Wir werden mit Waffengewalt angegriffen, deshalb ist es Zeit, sich ihnen mit Waffen entgegenzustellen." Vielleicht die letzte Chance für Ecuador Noboa hatte nach dem Gefängnisausbruch eines Drogenbosses am Sonntag zunächst den Ausnahmezustand mit Ausgangssperren und der Einschränkung des Versammlungsrechts über das Land verhängt. Als Reaktion darauf eskalierte am Dienstag die Lage. Während das Geschehen im Land noch völlig unübersichtlich war, erklärte der Präsident per Dekret das Kriegsrecht. Er sprach von einem bewaffneten Konflikt im Inneren, erklärte 22 Drogenbanden als Kriegsparteien und ermächtigte das Militär, diese im Rahmen des humanitären Völkerrechts der UN zu vernichten. Damit geht Noboa, der erst seit November im Amt ist, "All In". Er setzt der Organisierten Kriminalität alles entgegen, was sein Land an Feuerkraft zu bieten hat. Das könnte auch gleichzeitig seine einzige Chance sein, Ecuadors Drogenkrieg zu gewinnen. Die Voraussetzungen sind nicht gut. Ein Ex-Unternehmer ohne die volle Unterstützung seiner Institutionen Daniel Noboa war vor seiner politischen Karriere Bananen-Unternehmer. Er ist erst 36 Jahre alt, hat wenig politische Erfahrung - aber vor allem hat er kaum Zeit. Da er eine vorgezogene Wahl gewonnen hat, beträgt seine Amtszeit nur 18 Monate bis zu den nächsten Wahlen. Gewinnt er seinen Krieg, dürfte seine Wiederwahl gesichert sein, stürzt er sein Land in ein Chaos aus Gewalt und Kriminalität, wird in eineinhalb Jahren höchstwahrscheinlich ein Anderer den Kampf weiterführen - und der könnte dann möglicherweise wieder Raphael Correa heißen. Hätte Noboa alle Staatsgewalt hinter sich, könnte der Sieg gegen die Banden leichter gelingen. Doch das Organisierte Verbrechen hat alle staatlichen Organisationen infiltriert. Polizei, Militär, Richter und Staatsanwaltschaft sind unterwandert. Korrupte Staatsdiener öffnen Drogenbaronen alle Türen, sagt der Analyst Renato Rivera Rhon und folgert daraus: "Angesichts dieser Schwäche der Institutionen ist es zumindest kurzfristig sehr unwahrscheinlich, dass der Staat Erfolg haben wird."
/ausland/amerika/ecuador-ausnahmezustand-108.html
2024-01-10
++ Neue Gespräche zu Geisel-Freilassungen geplant ++
Nahost-Krieg
Eine israelische Delegation ist zu Verhandlungen über eine Freilassung weiterer Hamas-Geiseln in Kairo eingetroffen. Bundesaußenministerin Baerbock sieht keine Völkermord-Absichten beim israelischen Vorgehen im Gazastreifen. Die Entwicklungen vom Mittwoch zum Nachlesen.
Eine israelische Delegation ist zu Verhandlungen über eine Freilassung weiterer Hamas-Geiseln in Kairo eingetroffen. Bundesaußenministerin Baerbock sieht keine Völkermord-Absichten beim israelischen Vorgehen im Gazastreifen. Die Entwicklungen vom Mittwoch zum Nachlesen. US-Außenminister Blinken im RamallahGericht verwehrt Journalisten freien Gaza-ZugangBritischer Verteidigungsminister Shapps droht HuthiAngriffe auf Chan Yunis und Zentrum des Gazastreifens Ende des Liveblogs Damit schließen wir den Liveblog für heute. Vielen Dank für Ihr Interesse. Netanyahu weist Völkermord-Vorwurf zurück Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat bekräftigt, Israel habe keine Absicht, den Gazastreifen dauerhaft zu besetzen oder die Zivilbevölkerung zu vertreiben. "Israel kämpft gegen Hamas-Terroristen, nicht die palästinensische Bevölkerung, und wir tun dies in voller Übereinstimmung mit dem internationalen Recht", sagte er am Abend. Am Donnerstag beginnt am höchsten Gericht der Vereinten Nationen, dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, ein Verfahren zum Gaza-Krieg. Südafrika hatte Israel Ende 2023 verklagt, weil es in der militärischen Gewalt gegen die Zivilbevölkerung im Gazastreifen einen Verstoß gegen die UN-Völkermordkonvention sieht. Netanyahu sagte dazu: "Die israelische Armee unternimmt alles in ihrer Macht Stehende, um Schaden an Zivilisten zu minimieren, während die Hamas alles in ihrer Macht Stehende tut, um ihn zu maximieren, indem sie palästinensische Zivilisten als menschliche Schutzschilde benutzt." Abdullah II., al-Sisi und Abbas drängen auf Waffenstillstand Jordaniens König Abdullah II., Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas haben gefordert, weiter auf einen Waffenstillstand im Krieg zwischen Israel und der Hamas zu drängen. Sie hätten "die Notwendigkeit bekräftigt, den Druck aufrechtzuerhalten", erklärten die drei Männer nach einem Treffen in der jordanischen Küstenstadt Akaba. Sie betonten zudem die "Notwendigkeit, die nachhaltige Bereitstellung ausreichender Hilfsgüter" für die Menschen im Gazastreifen sicherzustellen. In der Erklärung warnten Abdullah, al-Sisi und Abbas vor "Versuchen, Teile Gazas wiederzubesetzen". Sie bekräftigten außerdem ihre "Ablehnung aller israelischen Pläne zur Vertreibung von Palästinensern im Westjordanland und im Gazastreifen". Roter Halbmond: Vier Sanitäter bei Angriff in Gaza getötet Vier Sanitäter in einem Rettungswagen sind nach Angaben des palästinensischen Roten Halbmonds bei einem israelischen Angriff im Gazastreifen getötet worden. Sie seien getroffen worden, während sie in Dair al-Balah im zentralen Abschnitt des Küstenstreifens Verletzte transportierten, schrieb die Organisation auf der Plattform X, vormals Twitter. Ein israelischer Armeesprecher sagte, man prüfe den Bericht. Das UN-Menschenrechtsbüro teilte mit, bei einem Angriff auf ein Wohngebäude neben dem Al-Aksa-Krankenhaus in Dair al-Balah seien insgesamt 13 Menschen getötet worden, darunter die vier Sanitäter. Der Krankenwagen sei ebenfalls getroffen worden. Das Menschenrechtsbüro warf Israel vor, Zivilisten zu gefährden, weil es Einwohner anderer Teile des Gazastreifens dazu aufgefordert habe, nach Dair al-Balah zu flüchten - während es weiterhin Luftangriffe auf die Stadt gebe. Israels Kriegskabinett berät über Geisel-Frage Israels Kriegskabinett berät am Abend über die Bemühungen zur Freilassung weiterer Geiseln im Gazastreifen. Nach unbestätigten israelischen Medienberichten soll Katar einen neuen Vorschlag für einen Deal vorgelegt haben. Wie der Nachrichtensender Channel 13 berichtete, sehe der Vorschlag vor, alle Geiseln im Gegenzug für einen vollständigen Abzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen freizulassen. Die Führung der Hamas solle demnach im Rahmen der Vereinbarung ins Exil gehen. Israel hatte bisher einen Rückzug der Armee vor einer Zerstörung der Hamas und Freilassung der 136 verbliebenen Geiseln abgelehnt. Auch die Hamas-Führung ist nicht bereit, den Gazastreifen zu verlassen und die Kontrolle des Gebiets aufzugeben. Deshalb gelten die Chancen auf eine Einigung zwischen Israel und der Hamas als gering. Tausende beten an Klagemauer für Geiseln und Soldaten An der Klagemauer in der Jerusalemer Altstadt haben Tausende für die Rückkehr der Geiseln im Gazastreifen gebetet. Die Betenden folgten einem Aufruf der beiden israelischen Oberrabbiner David Lau und Jitzchak Josef, die zu einem "kleinen Versöhnungstag" (Jom Kippur Katan) eingeladen hatten, "um zu weinen, zu flehen und die himmlische Barmherzigkeit für ganz Israel zu erflehen". Neben Psalmenlesungen und Vergebungsgebeten (Slichot) wurde für die Sicherheit der Geiseln und der israelischen Soldaten gebetet. Angehörige der von der Hamas Entführten hatten an dem voll besetzten Platz Bilder der Geiseln und Transparente mit der Forderung "Bring them home now", zu Deutsch: "Bringt sie jetzt nach Hause". Belgische Ministerin greift Bundesregierung an Die belgische Entwicklungsministerin Caroline Gennez hat scharfe Kritik an der Nahost-Politik der deutschen Bundesregierung geübt. "Es ist schwer zu begreifen, dass sich Deutschland von dieser israelischen Regierung, die eine schamlose Kolonisierungspolitik betreibt, so vor den Karren spannen lässt", sagte Gennez dem Magazin "Knack" und setzte hinzu, es stelle sich die Frage, ob Deutschland zwei Mal "auf der falschen Seite der Geschichte" stehen werde. Der deutsche Botschafter in Belgien, Martin Kotthaus, äußerte Unverständnis für die Äußerungen von Gennez und vor allem über den offensichtlichen Vergleich des israelischen Vorgehens im Gazastreifen mit der systematischen Vernichtung von Bevölkerungsgruppen während des Nationalsozialismus. Vergleiche der Shoah mit dem, was derzeit passiere, verböten sich von selbst. Zur Position der Bundesregierung zum Gaza-Krieg schrieb er auf X: Israel habe das Recht, sich gegen den anhaltenden Terror der Hamas zu verteidigen. Zugleich müsse es dabei alles tun, die Zivilbevölkerung zu schützen und dafür sein militärisches Vorgehen anpassen. Social-Media-Beitrag auf X von Botschafter Martin Kotthaus: "Germany of course has a special responsibility for Israel’s security because of the Shoah. It goes without saying that comparing the Shoah with what is currently happening is a no-go. (1/5)@carogennez @Knack@BelgiumMFA@hadjalahbib@alexanderdecroo@AuswaertigesAmt@ABaerbock" Vaturi: Palästinenser im Norden Gazas sind Kampfteilnehmer Der israelische Parlamentsvizepräsident Nissim Vaturi sagte im Radio, Palästinenser, die noch im Norden des Gazastreifens seien, sollten als Teilnehmer der Kämpfe betrachtet und eliminiert werden. Dort beherbergen die Vereinten Nationen (UN) nach eigenen Angaben noch etwa 160.000 Menschen, die sich auch nach der mehrfachen Aufforderung Israels nicht in den Süden des Gazastreifens zurückgezogen haben. Zulgeich bekräftigte Vaturi, der zur Likud-Partei Netanyahus gehört und für seine scharfen Worte bekannt ist, seine Forderung nach einer Zerstörung großer Teile der Gegend: "Ich habe gesagt, die Terroristen sollten verbrannt werden. Ich denke nicht, dass dies unangemessen ist." Er stehe zu seinen Worten. Vaturis Einlassung wird von einigen als Grundlage für die Behauptung angeführt, Israel plane im Gazastreifen einen Völkermord an den Palästinensern zu verüben oder ein solcher sei bereits im Gange. Der Staat Südafrika etwa wirft Israel vor dem Internationalen Gerichtshof vor, sein Vorgehen habe "völkermörderischen Charakter" und Vertreter des Landes hätten völkermörderische Absichten geäußert. Die entsprechende Verhandlung in Den Haag soll am Donnerstag beginnen. Neue Gespräche über Geisel-Freilassung in Kairo Ägyptens Hauptstadt bereitet weitere Verhandlungen über die Freilassung weiterer Geiseln in der Gewalt der Hamas vor: Eine israelische Delegation traf nach Angaben der Nachrichtenagentur AP heute in Kairo ein, um entsprechende Gespräche zu führen. Auch US-Außenminister Antony Blinken wird am Donnerstag in Kairo erwartet. Ägypten, Katar und die USA sind bei früheren Verhandlungen als Vermittler zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas aufgetreten. Bei ihrem Überfall auf Israel hatte die Hamas 1.200 Menschen ermordet und etwa 200 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Etwa die Hälfte der Geiseln wurde während einer einwöchigen Feuerpause im November im Austausch gegen palästinensische Gefangene freigelassen. Seither haben Vermittler versucht, eine weitere Übereinkunft zu erreichen. Libanon wirbt bei Baerbock-Besuch für Waffenruhe in Gaza Libanons Übergangspremier Nadschib Mikati hat zu einem Waffenstillstand im Gazastreifen sowie zu einer Zwei-Staaten-Lösung aufgerufen. "Die Zeit ist reif für eine dauerhafte und gerechte Lösung der palästinensischen Frage", sagte er laut libanesischen Medienberichten bei einem Treffen mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in Beirut. Er betonte, der Libanon respektiere alle einschlägigen internationalen Resolutionen, um eine dauerhafte Stabilität im Süden des Landes zu erzielen. Deutschland genehmigt Waffenlieferungen an Saudi-Arabien Die Bundesregierung hat Waffenlieferungen an Saudi-Arabien genehmigt. Regierungssprecher Steffen Hebestreit bestätigte in Berlin einen Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", nach dem es um den Export von 150 Luft-Luft-Lenkflugkörpern des Typs "Iris-T" geht. Laut "Spiegel" geht dies aus einer Mitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums an den Wirtschaftsausschuss des Bundestags hervor. Nach dem Bericht hat der Bundessicherheitsrat Ende vergangenen Jahres den Export der Lenkflugkörper genehmigt. Dem Bundessicherheitsrat gehören Kanzler Olaf Scholz (SPD) sowie weitere Minister an. Die Nachricht kommt kurz nach Aussagen aus der Bundesregierung, nach denen Saudi-Arabien wegen seiner Annäherung an Israel auf grünes Licht der Bundesregierung für die Lieferung von Eurofighter-Kampfjets hoffen darf. Entsprechende Äußerungen von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) haben die Rückendeckung von Olaf Scholz (SPD). In Teilen ihrer eigenen Partei kamen Baerbocks Äußerungen dagegen weniger gut an. Verwiesen wurde auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien. Abbas: Palästinenser dürfen nicht vertrieben werden Der Gazastreifen ist nach den Worten von Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas ein integraler Bestandteil der Hoffnungen auf einen eigenen Palästinenser-Staat. Er dürfe nicht durch den Krieg zwischen Israel und der radikal-islamistischen Hamas abgetrennt werden, sagt Abbas anlässlich des Besuchs von US-Außenminister Antony Blinken in Ramallah im Westjordanland. Die palästinensische Bevölkerung dürfe weder aus dem Gazastreifen noch aus dem von Israel besetzten Westjordanland vertrieben werden, erklärt Abbas der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa zufolge. Er fordert zudem die "Einberufung einer internationalen Friedenskonferenz, um die israelische Besetzung des Landes Palästina mit Ostjerusalem als Hauptstadt zu beenden". So würden Frieden und Sicherheit für alle geschaffen. Baerbock sieht keine Absicht zum Völkermord in Gaza Außenministerin Annalena Baerbock sieht in Israels Vorgehen im Nahostkrieg keine Absicht zum Völkermord. Einen Tag vor Beginn einer Anhörung zur südafrikanischen Völkermord-Klage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag sagte die Grünen-Politikerin: Fakt sei, dass Völkermord per Definition die Absicht voraussetze, Angehörige einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe wegen ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten. "Diese Absicht kann ich bei Israels Selbstverteidigung gegen eine bewaffnete Terrororganisation der Hamas nicht erkennen", sagte Baerbock in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Israel muss sich erstmals wegen des Vorwurfs von Völkermord vor dem Internationalen Gerichtshof verantworten. Südafrika hat das Land vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen verklagt. Baerbock: Weitere 15 Millionen Euro für libanesische Armee Deutschland stellt dem Libanon weitere 15 Millionen Euro zur Verfügung, damit die libanesische Armee besser für die Sicherheit im Süden des Landes sorgen kann. Je stärker die UN-Beobachtermission Unifil "in diesen Zeiten unterstützt wird, je stärker wir die libanesische Armee unterstützen können, desto stärker kann unser gemeinsamer Beitrag zu einer Deeskalation sein", sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) beim Besuch der Unifil in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Eine gut ausgestattete und ausgebildete libanesische Armee, deren Soldaten wie in jeder anderen Armee bezahlt würden, "ist genauso wichtig wie eine handlungsfähige libanesische Regierung", sagte Baerbock. Eine solche Armee sei ein unverzichtbarer Bestandteil, um wirksame Kontrolle über libanesisches Territorium auszuüben und bewaffnete Milizen und Terrororganisationen einzudämmen. Dabei sei die Zusammenarbeit der Unifil mit der libanesischen Armee zentral. Likud-Abgeordneter will Gaza "niederbrennen" Einen Tag vor einer Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zum Nahostkrieg und zu Völkermord-Vorwürfen gegen Israel hat ein israelischer Politiker erneut gefordert, Gaza niederzubrennen. Der rechte Knesset-Abgeordnete von der Regierungspartei Likud, Nissim Vaturi, verteidigte im Gespräch mit dem Radiosender Kol Barama seinen inzwischen gelöschten Beitrag auf der Online-Plattform X (vormals Twitter). Vor knapp anderthalb Monaten schrieb Vaturi: "Gaza jetzt niederbrennen und nicht weniger!" In dem Radiointerview sagte Vaturi, dass er seinen X-Post, den er im November geschrieben hatte, nicht bereue und zu seinen Worten stehe. "Ich sagte 'Gaza niederbrennen'. Niederbrennen, was heißt das? Hineingehen und sie zerreißen." Blinken sichert Abbas Unterstützung zu Auf seiner Nahostreise hat US-Außenminister Antony Blinken bei einem Gespräch mit Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas die Unterstützung der USA für "konkrete Schritte" hin zu einem palästinensischen Staat zugesichert. Wie US-Außenamtssprecher Matthew Miller erklärte, habe Blinken noch einmal Washingtons Haltung bekräftigt, dass es einen palästinensischen Staat an der Seite Israels geben müsse - "wobei beide in Sicherheit und Frieden" leben sollten. Blinkens Autokonvoi war in Ramallah im besetzten Westjordanland angekommen, wo Dutzende Demonstranten Schilder mit Aufschriften wie "Stoppt den Genozid" und "Blinken, du bist nicht willkommen" hochhielten. Es ist Blinkens vierte Reise in den Nahen Osten seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas. Die Reise umfasste bereits Etappen in der Türkei, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Israel. Laut US-Außenministerium ist heute noch eine Weiterreise nach Bahrain geplant, um mit dem dortigen König Hamad über die Vermeidung einer regionalen Eskalation des Gazakriegs zu sprechen. Bahrain ist ein Partner der USA und Mitglied der internationalen Koalition zur Sicherung des Seehandels im Roten Meer gegen Raketen- und Drohnenangriffe der pro-iranischen Huthi-Miliz im Jemen. Israelische Angriffe auf Chan Yunis und Zentralgaza Die israelische Armee hat ihre Angiffe auf die Stadt Chan Yunis im Süden und das Viertel Al-Maghasi im Zentrum des Gazastreifens fortgesetzt. Im Laufe des vergangenen Tages hätten Truppen rund 150 Hamas-Ziele angegriffen, teilte das Militär mit. In Chan Yunis wurden demnach Dutzende Hamas-Terroristen getötet. Im dichtbesiedelten Flüchtlingsviertel Al-Maghasi seien zudem 15 unterirdische Tunnel freigelegt worden; bei weiteren Einsätzen habe das Militär Raketenwerfer, Drohnen und Sprengsätze entdeckt. Britischer Verteidigungsminister droht Huthi-Rebellen Großbritanniens Verteidigungsminister Grant Shapps hat den Huthi-Rebellen angesichts des neuen Angriffs auf den Schiffsverkehr im Roten Meer mit Konsequenzen gedroht. Das Marineschiff "HMS Diamond" habe gemeinsam mit US-Kriegsschiffen über Nacht den "bisher größten Angriff" abgewehrt, teilte Shapps auf der Plattform X (früher Twitter) mit. Es seien mehrere Angriffsdrohnen zerstört worden, die auf die "Diamond" und auf Handelsschiffe zugesteuert seien. Die Crew sei nicht verletzt worden, auch das Schiff der Navy sei nicht beschädigt worden. Social-Media-Beitrag auf X von Rt Hon Grant Shapps MP: "HMS DIAMOND, along with US warships, has repelled the largest attack by the Iranian-backed Houthis in the Red Sea to date. Destroying multiple attack drones with her guns and sea viper missiles. pic.twitter.com/kFjFKj6TM6" "Großbritannien hat gemeinsam mit seinen Verbündeten bereits klar gemacht, dass diese illegalen Angriffe absolut inakzeptabel sind", schrieb Shapps, "und wenn sie fortgesetzt werden, werden die Huthis die Konsequenzen tragen. Wir werden die nötigen Maßnahmen ergreifen, um unschuldige Leben und die weltweite Wirtschaft zu schützen." Baerbock trifft libanesischen Premier Mikati Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist vor dem Hintergrund der aktuellen Spannungen zwischen Israel und der Schiitenmiliz Hisbollah mit dem geschäftsführenden libanesischen Premierminister Nadschib Mikati zusammengekommen. Bei dem Gespräch in der Hauptstadt Beirut dürfte es unter anderem um die Frage gehen, wie angesichts der sich verschärfenden Auseinandersetzungen zwischen Israel und der vom Iran unterstützten Miliz ein Flächenbrand in der Region verhindert werden kann. Anschließend wollte sich die Bundesaußenministerin bei einem Besuch der UN-Beobachtermission UNIFIL über die Lage an der nördlichen Grenze Israels zum Libanon informieren. Seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Terrormiliz Hamas im Gazastreifen am 7. Oktober haben die Auseinandersetzungen zwischen Israel und der mit der Hamas verbündeten Hisbollah deutlich zugenommen. Weitere Angriffe in Chan Yunis und im Zentrum von Gaza Israels Armee setzt ihre Angriffe in der Stadt Chan Yunis und im Gebiet des Flüchtlingsviertels Al-Magasi im Zentrum des Gazastreifens fort. Die israelischen Truppen hätten im Laufe des vergangenen Tages rund 150 Ziele der islamistischen Terrororganisation Hamas angegriffen, teilte das Militär mit. Insbesondere in Chan Yunis ist die Armee nach eigenen Angaben gegen Hamas-Terroristen vorgegangen und hat mehrere getötet. In Al-Magasi seien zudem 15 unterirdische Tunnelschächte freigelegt worden. Bei weiteren Einsätzen in dem Gebiet im Zentrum des Gazastreifens entdeckten die Truppen außerdem Raketenwerfer, Drohnen und Sprengsätze, wie das Militär weiter mitteilte. Infolge der israelischen Militäreinsätze sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde seit Kriegsbeginn 23.210 Menschen getötet worden. Zudem wurden demnach fast 59.200 weitere Menschen verletzt. Diese Angaben lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen. Jordaniens König empfängt Al-Sisi und Abbas Der jordanische König Abdullah II. empfängt heute den ägyptischen Staatschef Abdel Fattah al-Sisi und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zu Gesprächen über den Krieg zwischen Israel und der radikal-islamistischen Hamas. Das Treffen im Badeort Akaba am Roten Meer sei Teil der jordanischen Bemühungen, "die arabischen Positionen zu koordinieren, um einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen zu erreichen und die ununterbrochene Lieferung humanitärer Hilfe zu gewährleisten", teilte der Königspalast in Amman mit.  Bei einem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken hatte der jordanische König Washington am Sonntag aufgerufen, Israel zu einem "sofortigen Waffenstillstand" zu drängen und die durch den Gaza-Krieg verursachte humanitäre Krise zu beenden. Abdullah II. warnte vor "den katastrophalen Auswirkungen" einer Fortsetzung des israelischen Militäreinsatzes. US-Armee: 21 Drohnen und Raketen abgeschossen Die Streitkräfte der USA und Großbritanniens haben nach US-Angaben 18 Drohnen und drei Raketen über dem Roten Meer abgeschossen. Die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz im Jemen habe mit den Drohnen und Raketen internationale Schifffahrtswege attackiert, teilte das US-Zentralkommando Centcom mit. Berichte über Verletzte oder Schäden liegen demnach nicht vor. Seit dem Beginn des Krieges zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas im Gazastreifen Anfang Oktober hat die Huthi-Miliz wiederholt Schiffe vor der Küste des Jemen attackiert. Ehemalige Geisel: Verschleppte Frauen sexuell missbraucht Eine ehemalige Geisel der Hamas hat im israelischen Parlament von sexuellen Übergriffen auf andere festgehaltene Frauen berichtet. Auch Folter hätten Frauen erleiden müssen, sagte Aviva S. in einer Sondersitzung in der Knesset, die das Schicksal der noch 136 im Gazastreifen verbliebenen Geiseln zum Thema hatte. S. war nach dem beispiellosen Großangriff und Massaker der Hamas und anderer Extremistengruppen im Süden Israels am 7. Oktober mit rund 240 anderen Menschen in den Gazastreifen verschleppt worden. 51 Tage war sie in Geiselhaft, ehe sie und mehr als 100 weitere Ende November im Rahmen einer Feuerpause aus der Gewalt der Hamas freikamen. Israel entließ im Gegenzug 240 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen. Baerbock trifft zu Besuch im Libanon ein Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist am Abend zu einem Besuch im Libanon eingetroffen - der letzten Station ihrer mehrtägigen Nahost-Reise. Im Mittelpunkt ihrer Gespräche sollen die regionalen Erschütterungen stehen, die durch den Krieg zwischen Israel und der militant-islamistischen Palästinenserorganisation Hamas ausgelöst worden waren. Am Mittwoch will Baerbock in Beirut mit dem libanesischen Ministerpräsidenten Nadschib Mikati sowie Armeechef Joseph Aoun zusammenkommen. Gericht verwehrt Journalisten freien Gaza-Zugang Israels Oberster Gerichtshof hat einen Antrag internationaler Medien auf ungehinderten Zugang zum Gazastreifen abgelehnt. Das Gericht begründete sein Urteil mit Sicherheitsbedenken. Unabhängig in das Palästinensergebiet einreisende Journalisten könnten demnach die Sicherheit der israelischen Soldaten gefährden, indem sie deren Standort oder andere Details zum Militäreinsatz preisgeben. Das Gericht erklärte, es sei bestrebt, zwischen der Sicherheit von Journalisten und Soldaten und der "Pressefreiheit" abzuwägen. Auch wenn das Verbot "nicht die volle Ausübung (...) der Pressefreiheit ermöglicht", sei es "ausgewogen und angemessen" angesichts der "derzeitigen extremen Sicherheitslage" im Gazastreifen. Zudem werde ausländischen und israelischen Journalisten in Begleitung von Armee-Vertretern ein begrenzter Zugang zu dem von der islamistischen Hamas kontrollierten Gebiet ermöglicht. Der Liveblog vom Dienstag zum Nachlesen Israels Armee behauptet, einen Luftwaffen-Kommandeur der Schiitenmiliz Hisbollah im Süden des Libanon getötet zu haben. Hamas-Chef Hanija ruft muslimische Länder zu Waffenlieferungen auf. Alle Entwicklungen im Liveblog zum Nachlesen.
/newsticker/liveblog-israel-mittwoch-126.html
2024-01-10
++ NATO stellt weitere Militärhilfe in Aussicht ++
Krieg gegen die Ukraine
Nach dem Treffen des NATO-Ukraine-Rats stellt das Bündnis weitere Militärhilfen in Aussicht. Laut Vereinten Nationen sind in den vergangenen knapp zwei Kriegsjahren mehr als 10.200 Zivilisten getötet worden. Alle Entwicklungen von Mittwoch zum Nachlesen.
Nach dem Treffen des NATO-Ukraine-Rats stellt das Bündnis weitere Militärhilfen in Aussicht. Laut Vereinten Nationen sind in den vergangenen knapp zwei Kriegsjahren mehr als 10.200 Zivilisten getötet worden. Alle Entwicklungen von Mittwoch zum Nachlesen. EU treibt Ukraine-Hilfen voran - ohne UngarnUN: 10.200 getötete Zivilisten in knapp zwei JahrenNATO stellt weitere Militärhilfe in Aussicht Ende des Liveblogs Damit schließen wir den Liveblog für heute. Vielen Dank für Ihr Interesse. NATO stellt weitere Hilfe in Aussicht Die NATO hat der Ukraine weitere Militärhilfen in Aussicht gestellt. "Während Moskau seine Angriffe auf ukrainische Städte und Zivilisten intensiviert, verstärken die NATO-Verbündeten die Luftabwehr der Ukraine", erklärte Bündnis-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach dem ersten NATO-Ukraine-Rat in diesem Jahr in Brüssel. Die Bündnispartner hätten deutlich gemacht, dass sie der Ukraine weiterhin Fähigkeiten "in Milliardenhöhe" zur Verfügung stellen wollten, hieß es in der NATO-Erklärung weiter. Details nannte das Bündnis nicht. Die NATO verwies unter anderem auf die jüngsten deutschen Lieferungen an die Ukraine. Sie umfassen laut einer Aufstellung der Bundesregierung aus der vergangenen Woche unter anderem das Luftverteidigungssystem Skynex mit Munition sowie neue Flugkörper für das Flugabwehrsystem IRIS-T SLM. Zuvor hatte Deutschland zudem Patriot-Systeme an Kiew geliefert. UN erfassten bislang 10.200 tote Zivilisten Seit Beginn der russischen landesweiten Invasion in die Ukraine 2022 haben die Vereinten Nationen (UN) mehr als 10.200 getötete Zivilisten registriert. Allein während der Verschärfung der russischen Luftangriffe in der gesamten Ukraine seit Ende Dezember seien 125 Tötungen und mehr als 550 Verletzungen von Zivilisten dokumentiert worden, sagte Edem Wosornu, Direktorin beim UN-Büro zur Koordinierung humanitärer Hilfe in New York. Vor dem UN-Sicherheitsrat führte sie in einer Sitzung zum Krieg in der Ukraine aus, dass zudem seit Beginn des Einmarschs im Februar 2022 mehr als 19.300 Zivilisten Verletzungen erlitten hätten. Die jüngsten russischen Luftschläge hätten weitreichende Schäden und Zerstörungen an Häusern, Schulen, Krankenhäusern, der Energieversorgung und anderen wichtigen zivilen Infrastruktureinrichtungen verursacht. Die UN betonen regelmäßig, dass die tatsächlichen Opferzahlen weit höher sind als die dokumentierten Daten. EU treibt Ukraine-Hilfen ohne Ungarn voran Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban stellt sich seit Monaten weiteren EU-Finanzhilfen für die Ukraine entgegen. Dessen ungeachtet haben Vertreter der 26 übrigen EU-Mitgliedsstaaten per Mehrheitsentscheidung beschlossen, zu den Unterstützungsplänen Verhandlungen mit dem Europaparlament aufzunehmen. Das meldet die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf mehrere Diplomaten. Ziel der Entschließung ist es, die Hilfe schnellstmöglich auf den Weg bringen zu können, sobald Ungarn seinen Widerstand aufgibt. In der Sitzung der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten an diesem Mittwoch warb der ungarische Vertreter nach Angaben von Diplomaten für einen Kompromiss, der vorsehen würde, dass die Finanzhilfen jedes Jahr von den EU-Mitgliedstaaten bestätigt werden müssen. Viele andere lehnen dies aber ab - unter anderem, weil es Ungarn die Möglichkeit zu weiteren Blockaden geben würde. Orban hatte beim jüngsten EU-Gipfel im Dezember den Beschluss von weiteren 50 Milliarden Euro per Veto verhindert. Sollte in den kommenden Wochen keine Lösung mit Ungarn gefunden werden, wollen die anderen EU-Staaten im 26er-Kreis - also ohne Ungarn - handeln. Für den 1. Februar ist ein EU-Sondergipfel zum weiteren Vorgehen angekündigt. In Brüssel wird gehofft, dass Ungarn spätestens dann seinen Widerstand aufgeben wird. Selenskyj drängt auf weitere Hilfe bei der Flugabwehr Der ukrainische Präsident Selenskyj hat mehr Waffenhilfe zur Abwehr russischer Luftangriffe gefordert. "Flugabwehrsysteme stehen an erster Stelle unter den Dingen, die uns fehlen", sagte er in Litauen nach einem Treffen mit seinem litauischen Amtskollegen Gitanas Nauseda in Vilnius. "Sie fehlen uns sehr." Selenskyj: Partner drängen uns nicht zu Beendigung des Krieges Die Verbündeten der Ukraine üben nach den Worten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj keinen Druck auf sein Land aus, den Kampf gegen die russischen Streitkräfte einzustellen und den Konflikt einzufrieren. Dieses Jahr werde entscheidend sein für sein Land, sagte er bei einem Besuch in der litauischen Hauptstadt Vilnius zudem. Mit Blick auf den für Juli geplanten NATO-Gipfel in Washington sagte Selenskyj, sein Land wünsche sich dort mindestens einen konkreten Schritt auf seinem Weg in das westliche Verteidigungsbündnis. Russland evakuiert Kinder aus Belgorod Nach mehreren Angriffen durch die ukrainische Armee sind aus der russischen Stadt Belgorod in der Nähe der Grenze laut dem örtlichen Gouverneur 93 Kinder evakuiert worden. Die Schulkinder seien in die Region Woronesch gebracht worden, teilte Wjatscheslaw Gladkow im Onlinedienst Telegram mit. Ihm zufolge nehmen sie dort in den kommenden drei Wochen an verschiedenen Bildungs- und Freizeitaktivitäten teil. Bereits zuvor waren angesichts verstärkter ukrainischer Angriffe 300 Menschen aus der Stadt gebracht worden. Zudem sollte der Beginn des Schuljahres auf den 19. Januar verschoben werden.  Belgorod liegt rund 30 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. Bei ukrainischen Angriffen auf Belgorod Ende Dezember waren 25 Menschen getötet worden. Der Angriff folgte auf die massive russische Bombardierung ukrainischer Städte, die auch in der ersten Januarwoche fortgesetzt wurde. In den vergangenen Tagen sind nach russischen Angaben auch weitere Grenzregionen wie Kursk und Oriol von ukrainischem Beschuss getroffen worden. Putin hält sich noch für voll leistungsfähig Russlands Präsident Wladimir Putin hält sich noch für voll leistungsfähig. Das sagte der 71-jährige Staatschef gut zwei Monate vor der russischen Präsidentenwahl bei einem Besuch in Anadyr, der Hauptstadt der fernöstlichen Region Tschukotka. "Ich spüre in mir die Kraft, die Energie zu arbeiten, um die vor dem Land stehenden Aufgaben zu erfüllen", sagte Putin der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Der Besuch auf der abgelegenen Tschuktschen-Halbinsel gehört zu seinen Wahlkampfauftritten. Die staatliche Kontrolle über die Präsidentenwahl am 17. März lässt kein anderes Ergebnis als einen Sieg Putins zu, trotzdem will er vorher wohl öffentliche Zustimmung für seine Herrschaft mobilisieren. Erste unterirdische Schule in Charkiw In der ostukrainischen Großstadt Charkiw soll im März wegen der anhaltenden russischen Angriffe die erste unterirdische Schule in Betrieb gehen. Der Bau im Industrieviertel der Stadt verlaufe nach Plan, ungeachtet des feindlichen Beschusses und des Frosts, erklärte Bürgermeister Ihor Terechow bei Telegram. Nach der Eröffnung im März solle auch in einem zentralen Stadtbezirk eine unterirdische Schule gebaut werden. Zuvor waren bereits mehrere Klassenzimmer in der U-Bahn der Großstadt eingerichtet worden. Abwechselnd lernen derzeit über 1.000 jüngere Schulkinder in rund 65 Klassen unter der Erde. Nur etwa 40 Prozent der mehr als 110.000 Schüler sollen sich Behördenangaben nach in Charkiw selbst befinden. Von den übrigen ist ein großer Teil ins Ausland geflüchtet und lernt online an den alten Schulen. Italiens Verteidigungsminister: Zeit für Verhandlungen Der italienische Verteidigungsminister Guido Crosetto hat im Parlament in Rom davon gesprochen, dass es an der Zeit sei, mit Diplomatie den Weg für einen Frieden zwischen Russland und der Ukraine zu ebnen. Die feste Unterstützung des Westens für Kiew sei dabei entscheidend, um ernsthafte Verhandlungen zu gewährleisten. Die letztjährige ukrainische Gegenoffensive habe nicht das gewünschte Ergebnis gebracht, und die militärische Situation müsse mit "Realismus" betrachtet werden, sagte er zur Begründung. "Aus dieser Perspektive (...) scheint die Zeit für eine einschneidende Diplomatie gekommen zu sein, neben der militärischen Unterstützung. Denn es gibt eine Reihe wichtiger Signale von beiden Seiten", fügte Crosetto hinzu. Medienbericht: Iran entwickelt neue Drohne für Russland Der Iran soll einem Bericht des Fernsehsenders Sky News zufolge eine neue Drohne für Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine entwickelt haben. Der Drohnen-Typ mit dem Namen "Shahed 107" werde als unbemanntes Fluggerät mit Explosions- und Aufklärungsfunktion beschrieben, berichtete der britische Fernsehsender unter Berufung auf eine nicht näher genannte "informierte Quelle". Die Drohne sei möglicherweise mit Technologie ausgestattet, mit der wichtige Ziele auf dem Schlachtfeld aufgespürt werden könnten, zum Beispiel britische und US-Mehrfachraketensysteme, die von ukrainischen Streitkräften eingesetzt würden. Die Drohne könnte demnach eine Reichweite von bis zu 1.500 Kilometern haben. Selenskyj zu Gesprächen in Litauen Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist überraschend zu Gesprächen nach Litauen gereist. Er werde mit Präsident Gitanas Nauseda über den russischen Krieg gegen die Ukraine sprechen, wie das litauische Präsidialamt mitteilte. "Die Präsidenten werden den Krieg in der Ukraine, die Unterstützung für die Ukraine und ihre Integration in die Europäische Union und die NATO erörtern", hieß es. Auch eine öffentliche Rede Selenskyjs sei geplant. Selenskyj kündigte auf der Online-Plattform X an, in den kommenden Tagen auch die beiden anderen baltischen Staaten Lettland und Estland zu besuchen. Die baltischen Staaten gehören zu den stärksten Unterstützern der Ukraine in ihrem Kampf gegen die russische Invasion. Social-Media-Beitrag auf X von Volodymyr Zelenskyy / Володимир Зеленський: "Estonia, Latvia, and Lithuania are our reliable friends and principled partners. Today, I arrived in Vilnius before going to Tallinn and Riga. I will hold talks with the President, Prime Minister, Speaker of the Seimas, as well as meet with politicians, the media, and the…" Erneuter Drohnenangriff auf Gebiet in Südrussland Im südrussischen Gebiet Saratow hat die Flugabwehr nach Behördenangaben eine Drohne abgeschossen. Die ukrainische Drohne sei von der Luftverteidigung zerstört worden, teilte das russische Verteidigungsministerium am frühen Morgen auf Telegram mit. Damit sei der Versuch Kiews, "einen Terroranschlag auf Einrichtungen im Hoheitsgebiet der Russischen Föderation zu verüben", vereitelt worden. Russland hatte schon mehrfach im Gebiet Saratow, wo sich auch der Militärflugplatz Engels-2 befindet, Drohnen abgeschossen. Hier hat Russland strategische Bomber für Raketenangriffe auf die Ukraine stationiert. Erst im Dezember hatte Moskau Raketen von mehreren Bombern bei Engels abgefeuert. Engels ist mehr als 500 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. Staaten verurteilen Waffenlieferung Nordkoreas Eine Gruppe von knapp 50 Staaten hat die Lieferung nordkoreanischer Raketen an Russland und deren Einsatz gegen die Ukraine verurteilt. Das US-Außenministerium veröffentlichte eine entsprechende Erklärung. Ihr haben sich auch Deutschland und fast alle europäischen Staaten, dazu Kanada, Israel, Australien, Japan und Südkorea angeschlossen. "Der Transfer dieser Waffen vergrößert das Leid des ukrainischen Volkes, unterstützt Russlands Angriffskrieg und untergräbt das internationale Nichtverbreitungsregime", hieß es. Der Einsatz der nordkoreanischen Waffen durch Russland wirke sich auf die Sicherheitslage in Europa, auf der koreanischen Halbinsel, im Pazifischen Raum und in der ganzen Welt aus. Der Waffenkauf stehe im Widerspruch zu mehreren UN-Resolutionen, die Russland selbst mitgetragen habe, kritisierten die Staaten in der Erklärung. Sie riefen alle Mitgliedsländer der Vereinten Nationen auf, die Verstöße durch Moskau und Pjöngjang zu verurteilen. Der Liveblog vom Dienstag zum Nachlesen Die ukrainischen Bodentruppen sehen sich trotz heftigem Frost weiter vielen russischen Attacken ausgesetzt. Um Energie in der Ukraine zu sparen, ist in 1.025 Kommunen der Strom abgeschaltet worden. Der Liveblog zum Nachlesen.
/newsticker/liveblog-ukraine-mittwoch-322.html
2024-01-10
Börsen warten auf wichtige Daten
Wall Street legt leicht zu
Vor wichtigen Inflationsdaten aus den USA scheuen die Märkte das Risiko. Während der DAX auf der Stelle trat, kam die Wall Street etwas besser voran.
Vor wichtigen Inflationsdaten aus den USA scheuen die Märkte das Risiko. Während der DAX auf der Stelle trat, kam die Wall Street etwas besser voran. Im Handelsverlauf kam dann doch noch ein wenig Schwung in die New Yorker Börsen. Nach müdem Start setzte sich der Leitindex Dow Jones am Abend klarer ins Plus ab und schloss 0,45 Prozent höher. Die Technologiewerte des Nasdaq 100 legten um 0,69 Prozent zu. Tags zuvor hatten die großen US-Indizes durch die Bank Verluste eingefahren. Inflationsdaten im Fokus Wie so oft warten die Märkte auf neue Hinweise auf den Zinskurs in den USA. Am Donnerstag stehen die Inflationsdaten für den Dezember auf der Agenda, die maßgeblichen Einfluss auf die Zinsentscheidungen der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) haben dürften. Der nächste Zinsentscheid steht am 31. Januar an. "Wenn die Inflation nicht höher ausfällt als erwartet, was unwahrscheinlich ist, wird man eher früher als später zu Zinssenkungen tendieren", sagte Thomas Hayes von Great Hill Capital. Die Hoffnung auf rasche Zinssenkungen hatte im Dezember die Wall Street angetrieben. DAX tritt auf der Stelle Hatte es zu Jahresbeginn noch einige turbulentere Tage gegeben, ist am deutschen Aktienmarkt zuletzt vollkommene Ruhe eingekehrt. Zur Wochenmitte schloss der DAX mit 16.689 Punkten praktisch unverändert. Seit nunmehr drei Wochen sucht der Aktienmarkt eine Richtung. Mitte Dezember hatte der DAX seinen Rekordlauf mit einem historischen Hoch bei knapp über 17.000 Punkten beendet. EZB-Aussagen stützen Euro Der Eurokurs machte seine jüngsten Verluste im Verlauf mehr als wett. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel erklärte, es sei noch zu früh, um über Zinssenkungen zu diskutieren. Zuvor hatte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos gesagt, dass die Inflationsrate in diesem Jahr langsamer sinken werde. Damit wurden Spekulationen auf baldige Zinssenkungen gedämpft. Die Gemeinschaftswährung wird am späten Abend zu 1,0964 Dollar gehandelt und damit 0,3 Prozent über dem Niveau des Vorabends. Gestern hatten noch enttäuschende Industriedaten aus Deutschland den Euro belastet. Gold fällt zurück Der Goldpreis ist nach zwischenzeitlichen Gewinnen wieder ins Minus gerutscht. Zur Stunde werden für eine Feinunze des gelben Edelmetalls 2.022 Dollar gezahlt und damit 0,4 Prozent weniger als gestern. Ölpreise brechen Erholung ab Nach Bekanntwerden der neuesten Daten zu den US-Ölreserven endete die Erholungsbewegung bei den Ölpreisen. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im März kostet am späten Abend 76,74 Dollar und damit ein Prozent weniger als am Dienstag. In der vergangenen Woche legten die Rohölbestände in den USA um 1,3 Millionen auf 432,4 Millionen Barrel zu, während Analysten eigentlich mit einem weiteren leichten Rückgang gerechnet hatten. Spannung am Kryptomarkt An die Kryptomärkte ist wieder Leben zurückgekehrt. Der Kurs des Bitcoin schwankt vor der wichtigen Entscheidung zur Zulassung börsengehandelter Fonds (ETFs) in den USA stark. Zur Stunde wird die älteste und bekannteste Digitalwährung bei 45.880 Dollar gehandelt. Gestern Abend war der Kurs noch zeitweise bis auf knapp 48.000 Dollar gestiegen, nachdem eine gefälschte Mitteilung zur Zulassung der Bitcoin-Fonds kurzzeitig für Euphorie gesorgt hatte. Bereits seit Monaten wird spekuliert, dass die US-Börsenaufsicht den Weg für die ETFs frei machen könnte. Eine Entscheidung darüber wurde eigentlich noch am Mittwoch erwartet. Allerdings gab es auch Spekulationen, dass die US-Börsenaufsicht ihre Entscheidung wegen der jüngsten Ereignisse verschieben könnte. SAP schließt Vergleiche zu US-Bestechungsvorwürfen SAP zahlt rund 222 Millionen Dollar zur Beilegung von Ermittlungen wegen Bestechung in sieben Ländern. Das US-Justizministerium teilte mit, dass der Softwarekonzern eine Vereinbarung abgeschlossen habe, um den Vorwurf der Bestechung von Regierungsbeamten in Indonesien und Südafrika zu entkräften. SAP habe außerdem einen zivilrechtlichen Vergleich mit der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC geschlossen, um ähnliche Vorwürfe in Aserbaidschan, Ghana, Kenia, Malawi und Tansania sowie in Indonesien und Südafrika zu klären. Laut den Behörden erstreckten sich die mutmaßlichen Bestechungspraktiken über den Zeitraum von 2013 bis 2022 und beinhalteten die Fälschung von SAP-Aufzeichnungen, um die Bestechungsgelder als legitime Geschäftsausgaben erscheinen zu lassen. SAP erklärte, mit den Vereinbarungen seien alle Compliance-bezogenen Ermittlungen in den USA und Südafrika beendet. Heidelberg Materials nach Hochstufung gefragt Im DAX war die Aktie von Heidelberg Materials gefragt. Eine Empfehlung der Bank of America trieb die Papiere des Baustoffkonzerns auf ein neues Hoch seit Mai 2018. Die US-Bank bewertet den DAX-Titel nun mit "Buy" und schraubte das Kursziel von 78 auf 105 Euro hoch. Redcare schwach nach Warburg-Abstufung Ungeachtet besser als erwartet ausgefallener Quartalszahlen stand die Aktie von Redcare Pharmacy unter Druck. Sie büßte als schwächster MDAX-Wert über neun Prozent ein. Eine Abstufung von Warburg Research belastete die Anteile der niederländischen Online-Apotheke. Mit Blick auf den stark gelaufenen Aktienkurs sei es Zeit für eine Atempause, so Warburg-Analyst Michael Heider. Puma-Aktie ein Schnäppchen? Dagegen gehörte die Puma-Aktie zu den gefragtesten Werten im MDAX. Hier senkte zwar Warburg-Analyst Jörg Frey das Kursziel leicht, bekräftigte aber seine Kaufempfehlung. Die zuletzt schlechten Nachrichten aus der Branche in puncto Geschäftsentwicklung träfen Puma weniger als andere Sportwarenhersteller, schrieb er und sieht die Aktie aktuell als Schnäppchen. CropEnergies verzeichnet Ergebniseinbruch Der Bioethanol-Hersteller CropEnergies hat wegen sinkender Preise für den Bio-Kraftstoff operativ deutlich weniger verdient. Das operative Ergebnis (Ebitda) der Biokraftstoff-Tochter von Europas größtem Zuckerproduzenten Südzucker brach im dritten Quartal auf 85 bis 105 (Vorjahr: 294) Millionen Euro ein. CES: Google bringt Chrome-Browser ins Auto Google lässt seinen Webbrowser Chrome künftig auch auf dem Infotainment-Bildschirm im Auto nutzen. Insassen werden damit im Internet surfen können, wenn das Auto parkt oder zum Beispiel an einer Ampel steht. Die Funktion kommt für Fahrzeuge, bei denen Googles Software direkt im Auto installiert ist. SpaceX und Lockheed: Mehr Zeit für Projekt Mondlandung Die US-Raumfahrtbehörde NASA hat die geplante Rückkehr von Astronauten zum Mond um fast ein Jahr auf September 2026 verschoben. Damit solle den Entwicklern der Artemis-Missionen mehr Zeit eingeräumt werden. Die Missionen Artemis 2 und 3 basieren auf Kapseln und Raumschiffen von Lockheed Martin und SpaceX des Tesla-Chefs Elon Musk. Boeing-Chef verspricht Aufklärung nach Beinahe-Unglück Nach dem Zwischenfall mit einer Boeing-Maschine, bei der im Flug ein Rumpfteil herausbrach, hat Konzernchef Dave Calhoun einen Fehler des Flugzeugbauers eingeräumt und Aufklärung versprochen. Auch sagte er laut einem von Boeing veröffentlichten Auszug seiner Ansprache vor Mitarbeitern 100-prozentige Transparenz zu. Hewlett Packard Enterprise übernimmt Juniper Für den Ausbau seines Geschäfts mit künstlicher Intelligenz (KI) legt Hewlett Packard Enterprise (HPE) 14 Milliarden Dollar für den Netzwerkausrüster Juniper auf den Tisch. HPE habe den Aktionären von Juniper 40 Dollar je Aktie geboten, teilten die Unternehmen gestern mit. Das entspricht einem Aufschlag von 32,4 Prozent auf den Schlusskurs der Aktie am Montag, als die Nachricht von der Übernahme bekannt wurde. Auto1 leidet unter trägem Geschäft Die Aktie von Auto1 stand stark unter Druck. Der SDAX-Titel näherte sich mit einem Verlust von mehr als sieben Prozent wieder seinem Rekordtief von 4,68 Euro von Mitte Dezember. Analyst Marcus Diebel von der US-Bank JPMorgan rechnet nach Gesprächen mit dem Management des Online-Autohändlers mit einem schwächeren Jahresende als von ihm zuvor gedacht. Insbesondere der Absatz der Plattform für Gebrauchtwagenhändler stehe weiter unter Druck. Seine gesenkte Erwartung für den bereinigten operativen Verlust im Jahr 2023 von 49 Millionen Euro liege nun am unteren Ende der Unternehmenszielspanne, schrieb der Experte in einer Studie.
/wirtschaft/finanzen/marktberichte/marktbericht-dax-kurse-chart-dow-gold-oel-tesla-boeing-geldanlage-100.html
2024-01-10
"Ich dachte: Das ist das Ende"
Russische Drohnenangriffe
Viele Regionen in der Ukraine stehen derzeit quasi unter russischem Dauerbeschuss. Menschen rennen um ihr Leben, so wie Nadja und ihre Nachbarn. Eine weitere tödliche Gefahr: russische Minen. Von Andrea Beer.
Viele Regionen in der Ukraine stehen derzeit quasi unter russischem Dauerbeschuss. Menschen rennen um ihr Leben, so wie Nadja und ihre Nachbarn. Eine weitere tödliche Gefahr: russische Minen. Von Andrea Beer Sirenen, russische Angriffe, das Geräusch der ukrainischen Flugabwehr, das Schreien, Weinen oder das Wegschaufeln von Schutt und Trümmer durch Helfer und den ukrainischen Katastrophendienst - das ist der Sound, der die Menschen in der Ukraine auch zum Jahreswechsel begleitet hat. Mehr als 18.500 Verletzte und etwa 10.000 Tote - so viele Zivilistinnen und Zivilisten sind seit dem Beginn der russischen Großinvasion vor fast zwei Jahren nach UN-Angaben verwundet oder getötet worden. Durch russische Artillerie - in Ortschaften entlang der Frontlinien im Süden und Osten, oder in Gebieten, die im Nordosten an Russland grenzen wie Tschernihiw und Sumy. Dort in Krolewez schlug diese Woche auch in der Nähe von Nadjas Haus eine russische Drohne iranischer Bauart ein. "Wir rannten los" "Wir standen gerade draußen zusammen mit der Polizei, als der Luftalarm losging. Wir rannten los, im Hof bin ich hingefallen. Ich habe gesehen wie die Drohne über mir niedriger fliegt und dachte: Das ist das Ende." Dann sei sie plötzlich abgedreht. Sie habe es knallen gehört. "Die Nachbarn sind nicht mehr, dachte ich." Schwarzer Rauch sei aufgestiegen. "Ich bin dann aufgestanden und weiter gerannt und die nächste Drohne ist mir gefolgt. Wir sind friedliche Menschen." Hier gebe es nirgendwo militärischen Einrichtungen. "Ich weiß nicht einmal, warum sie es so sehr auf uns abgesehen hatten", sagt Nadja. Es fehlt an Flugabwehrsystemen Auch andere Regionen der Ukraine stehen praktisch unter russischem Dauerbeschuss. Sei es die Region Cherson im Süden oder die Region Charkiw im Osten des Landes. Anders als in Kiew gibt es unter anderem in Charkiw keine modernen Flugabwehrsysteme. Das sei das größte Defizit, so Präsident Wolodymyr Selenskyj bei seinem Besuch in Litauen. "Wir sollten die Rhetorik des russischen Präsidenten ernst nehmen. Er wird nicht aufhören, sondern möchte die ganze Ukraine besetzen. Wenn unsere Partner bei schneller finanzieller und militärischer Hilfe Unsicherheit zeigen, dann ermutigt und stärkt das die Russische Föderation. Und deswegen darf dies auf keinen Fall hinausgezögert werden", warnte Selenskyi. Raketen trafen Kinderkrankenhaus In der Region Charkiw schlagen Raketen und Drohnen oft ein, bevor die Sirene warnen kann. Denn von dort aus an die Grenze zu Russland sind es gerade mal rund 30 Kilometer. Kurz vor Silvester schoss Moskau 20 Raketen auf die Metropole im Osten ab, und in den ersten Januartagen zerstörten Drohnen und Raketen mehr als 130 Gebäude. Auch am Dienstagabend schlugen in Charkiw S-300-Raketen ein. Es traf ein Kinderkrankenhaus. Das Gebäude ist zerstört, doch es war leer und niemand wurde verletzt oder getötet. Nach Angaben der regionalen Militärverwaltung wurde der Angriff vom russischen Gebiet Belgorod aus gestartet. Russland vermint das Gelände Unterdessen gehen die Kämpfe weiter. Der ukrainische Generalstab teilte diese Woche mit, im Süden und Osten sei es schwer. Auch rund um Bachmut oder Awdijiwka im Gebiet Donezk - ein inzwischen vollkommen zerstörter Ort, den die russischen Angreifer seit Monaten versuchen einzukesseln. Ukrainische Stellungen und Ortschaften stünden unter russischem Beschuss durch Luftangriffe oder Mehrfachraketenwerfer. Doch seien zahlreiche russische Angriffe abgewehrt worden. Russland würde weiterhin alles stark verminen, sagte ein Minensucher der ukrainischen Armee. "Für die Sicherheit der Menschen machen wir das, um sowohl Zivilisten als auch bei militärischen Einsätzen sichere Bewegung zu ermöglichen. Die Minen sind alle heimtückisch, aber am heimtückischsten sind selbstgemachte Sprengkörper. Vielleicht Glück, Gefühl, Intuition ist das Beste, man muss das alles intuitiv verstehen, sehen. Das ist wahrscheinlich das Beste." Gesetzentwurf zur Mobilmachung sorgt für Streit Viele Soldatinnen und Soldaten sind seit dem Beginn der russischen Großinvasion eingesetzt und die Armeeführung möchte in den kommenden Jahren bis zu 500.000 Männer mobilisieren Das Thema Mobilisierung sorgt für heftige Debatten und es hagelt Vorwürfe, Männer würden gegen ihren Willen eingezogen. Die Regierung hat einen Gesetzentwurf zur Mobilisierung eingebracht und der Parlamentsausschuss für Nationale Sicherheit und Verteidigung ebenso. Präsident Selenskyj sagte dazu: "Was die Menschen betrifft, so brauche ich hier konkrete Angaben, denn es stellt sich die Frage, was mit so einer ukrainischen Millionenarmee geschehen wird. Wir haben Fragen zur Rotation, wir haben Fragen des Urlaubs, und dies sollte ein umfassender Plan sein. Und in diesem Mobilisierungsgesetz müssen sie mir und vor allem der Gesellschaft Antworten geben." Das ukrainische Parlament will noch in dieser Woche über das Gesetz beraten.
/ausland/europa/ukraine-russland-angriffe-100.html
2024-01-10
Empörung, Sorge und maximale Distanz
Treffen von AfD und Rechtsextremen
"Kein AfD-Termin", eine "rein private Veranstaltung": Bei der AfD bemüht man sich um maximale Distanz zu einem Treffen mit Rechtsextremen, bei der auch AfD-Politiker dabei waren. Auch eine Restaurantkette und die NRW-CDU suchen Abstand.
"Kein AfD-Termin", eine "rein private Veranstaltung": Bei der AfD bemüht man sich um maximale Distanz zu einem Treffen mit Rechtsextremen, bei der auch AfD-Politiker dabei waren. Auch eine Restaurantkette und die NRW-CDU suchen Abstand. AfD-Politiker, Neonazis und Unternehmer haben sich im November 2023 getroffen, um die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland zu besprechen. Anwesend waren zudem zwei CDU-Mitglieder. Der Bericht des Recherchenetzwerks "Correctiv" sorgt für Diskussionen, Reaktionen und Besorgnis. Dass er bei dem Treffen über "Remigration" gesprochen habe, bestätigte der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner inzwischen. Unter dem Begriff verstehen Fachleute ein rechtes Konzept für die Rückkehr von Menschen, die geflohen oder eingewandert sind, in ihre Herkunftsländer. Sellner schrieb in einer Mail, sein Plan sei nicht geheim, sondern werde "im patriotischen Lager breit und öffentlich diskutiert". Er habe eine "Musterstadt" vorgeschlagen, "die als Sonderwirtschaftszone in Nordafrika gepachtet und organisiert werden könnte". Sellner fügte hinzu: "Das Konzept der Remigration ist ein Vorschlag meinerseits. Welche Partei diesen aufgreift oder eventuell umsetzt, ist aus meiner Sicht nicht relevant." "Kein AfD-Termin" Die AfD erklärte, dass es sich nicht um ein Parteitreffen gehandelt habe und sich nichts an den bekannten Positionen der Partei zur Einwanderungspolitik ändere. Kontakte von AfD-Politikern zu dem Österreicher Sellner und dessen "Identitärer Bewegung" sind nicht neu, auch wenn die AfD offiziell auf Distanz zu der Bewegung geht, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch gewertet wird. Von AfD-Seite war unter anderem der frühere Bundestagsabgeordnete Roland Hartwig bei dem Treffen dabei, heute Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel. Das bestätigte ein Sprecher Weidels auf Anfrage und teilte mit: Frau Weidel "hatte aber keinerlei Kenntnis von den Teilnehmern. Auch Hartwig wusste vorab nichts von Sellner." Ein Parteisprecher ergänzte: "Die AfD wird ihre Haltung zur Einwanderungspolitik, die im Parteiprogramm nachzulesen ist, nicht wegen einer Einzelmeinung eines Vortragenden auf einem Treffen, das kein AfD-Termin war, abändern." "Rein private Veranstaltung" Auch Sachsen-Anhalts AfD-Fraktionschef Ulrich Siegmund bestätigte "Correctiv" seine Teilnahme und erklärte, er sei als Privatperson und nicht in seiner Funktion als Abgeordneter für die AfD bei dem Treffen gewesen. Der stellvertretende Potsdamer AfD-Kreisvorsitzende Tim Krause bestätigte auf Anfrage ebenfalls, dass er bei dem Treffen zeitweise anwesend war. Krause, der auch Pressesprecher der AfD-Landtagsfraktion ist, betonte: "Es war eine rein private Veranstaltung." "Hans im Glück" auf Maximaldistanz Nicht nur bei der AfD bemühte man sich um maximale Distanz. Auch die Restaurantkette "Hans im Glück" reagierte. Denn auf der Einladung zu dem Treffen hat offenbar auch der Name Hans-Christian Limmer gestanden, bisher Mitgesellschafter der Burger-Kette und zuvor Mitbesitzer der Bäckereikette "Backwerk". Das Unternehmen teilte mit, Limmer habe seinen Rückzug angeboten und man habe dies angenommen. Die Trennung habe sofortige Wirkung. Das Unternehmen distanziere sich "klar von rechtsextremen Ansichten, sie stellen das genaue Gegenteil unserer Grundwerte dar". "Gegen Grundsätze der CDU" Auch die CDU in Nordrhein-Westfalen bemühte sich umgehend um Abgrenzung. Bei den beiden CDU-Mitgliedern, die laut Recherche ebenfalls vertreten waren, handelt es sich demnach um Mitglieder der rechtskonservativen Werteunion. Auf Anfrage von rbb24 teilte ein Sprecher der Partei mit, man prüfe den Sachverhalt, sollten Parteimitglieder an dem Treffen teilgenommen haben. Grundsätzlich gelte: "Wer an solchen Treffen teilnimmt, verstößt gegen die Grundsätze der CDU." Bei einer der Teilnehmerinnen aus der Werteunion soll es sich um Michaela Schneider handeln. Sie gehört neben der Werteunion auch der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) der CDU an. Bei der zweiten Teilnehmerin handelt es sich um Simone Baum - stellvertretende Bundesvorsitzende der Werteunion. Während es sich bei der Werteunion nicht um eine Parteigliederung der CDU handelt, ist die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) Teil der CDU. Faeser warnt vor Vernetzung Bundesinnenministerin Nancy Faeser warnte mit Blick auf das Treffen vor einer Vernetzung von Verfassungsfeinden mit der AfD: "Niemand sollte diese Gefahr unterschätzen." Man sehe, wie notwendig es sei, "dass der Verfassungsschutz sehr genau beobachtet, welche Kontakte es im rechtsextremistischen Spektrum gibt, wie sich Verfassungsfeinde mit AfD-Vertretern vernetzen und welche menschenverachtenden Ideologien dort propagiert werden", sagte sie dem Magazin "Stern". Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Die Partei hat dagegen geklagt. Mit einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Münster dazu wird Ende Februar gerechnet. "Im Rahmen der Verdachtsfall-Bearbeitung beobachtet das Bundesamt für Verfassungsschutz die weitere Entwicklung der AfD sehr genau", sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. "Dabei werden auch mögliche Treffen mit Akteuren aus dem rechtsextremistischen Spektrum einbezogen." Diskussion um AfD-Verbot Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz warf der AfD in der "Stuttgarter Zeitung" "totalitäre Absichten" vor. Mit diesen müssten sich nun die Sicherheitsbehörden scharf auseinandersetzen. Die Forderungen nach einer "Umvolkung" seien "ganz klar verfassungswidrig", sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Der Fall zeige, "worauf wir schon lange verweisen: Die AfD versteckt unter dem Mantel der Bürgerlichkeit tiefe braune Abgründe". Linken-Chefin Janine Wissler forderte von der CDU einen Unvereinbarkeitsbeschluss zur Werteunion. "Sonst bleibt alles Gerede von Brandmauern unglaubwürdig", sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. Die Recherchen dürften auch die Diskussion über ein AfD-Verbot befeuern. Befürworter gibt es in fast allen demokratischen Parteien, allerdings nicht durchgängig. In der SPD ist Parteichefin Saskia Esken eher dafür, der Ostbeauftragte Carsten Schneider dagegen. In der CDU plädiert der Sachse Marco Wanderwitz für ein Verbot, der Parteichef Friedrich Merz nicht.
/inland/innenpolitik/afd-neonazis-remigration-102.html
2024-01-10
Unzählige Plastikkügelchen an Spaniens Stränden
Umweltnotstand ausgerufen
An der spanischen Nordwestküste werden derzeit massenhaft kleine Plastikkügelchen angeschwemmt - nun erklärten zwei Regionen den Umweltnotstand. Die Kügelchen stammen aus Containern, die ein Schiff im Dezember verloren hatte.
An der spanischen Nordwestküste werden derzeit massenhaft kleine Plastikkügelchen angeschwemmt - nun erklärten zwei Regionen den Umweltnotstand. Die Kügelchen stammen aus Containern, die ein Schiff im Dezember verloren hatte. Die Behörden im Nordwesten Spaniens haben wegen unzähliger Plastikteilchen an den Atlantikstränden die Alarmstufe zwei ihrer Umweltnotfallpläne ausgerufen. Damit ist es den Regionen Galicien und Asturien möglich, die Zentralregierung um Hilfe bei der Säuberung der Strände zu bitten, wie die Zeitung "La Voz de Galicia" berichtete. Am Abend zuvor hatte die Staatsanwaltschaft erklärt, sie ermittle, weil die Kügelchen Giftstoffe enthalten könnten, was womöglich zu Umweltschäden führen werde. Außerdem gebe es Hinweise, dass die Teilchen bis nach Frankreich getrieben seien. Schiff hatte Container verloren Die knapp linsengroßen weißen Kügelchen - sogenannte Pellets - dienen zur Herstellung von Plastikteilen. Sie gelangten ins Meer, als im Dezember bei einem Frachtschiff im Sturm mehrere Container über Bord gingen, in denen unter anderem etwa 25 Tonnen der Kügelchen transportiert wurden. Die Pellets waren in Plastiksäcke verpackt, die im Meer aufrissen. Die Strömung schwemmte sie an die Strände Nordspaniens. Die Reederei Maersk bestätigte, dass das gecharterte Schiff "Toconao" am 8. Dezember auf dem Weg nach Rotterdam sechs Maersk-Container vor der spanischen Küste verloren habe. Der Vorfall sei sofort den spanischen und portugiesischen Küstenwachen gemeldet worden, teilte ein Maersk-Sprecher mit. Die Schiffseigentümer hätten bereits Spezialfirmen damit beauftragt, beim Entfernen der Pellets zu helfen. Zur Ursache des Containerverlusts liefen weiterhin Untersuchungen. Umweltschützer warnen Zahlreiche freiwillige Helfer bemühen sich seit Tagen, die Strände in mühsamer Handarbeit mit Hilfe von Besen, Rechen, Schaufeln und Haushaltssieben zu säubern. Der Fischfang ist für Asturien und Galicien wirtschaftlich wichtig. Greenpeace und andere Umweltschutzgruppen sprachen von mehreren Millionen Kügelchen, die eine Gefahr für Menschen und Meerestiere seien. "Diese kleinen Plastikkugeln sind ein Umweltproblem, weil Fische sie mit Fischeiern verwechseln und sie fressen, sodass sie in die Nahrungskette gelangen und auf unseren Tellern landen", sagte der Sprecher der spanischen Umweltschutzorganisation Ecologistas en Acción, Cristobal López. Die spanische Umweltministerin Teresa Ribera sagte, die Verseuchung von Ozeanen und Ökosystemen mit Mikroplastik sei eines der größten Menschheitsprobleme. "Die Freisetzung einer so großen Menge Kunststoff muss daher genau überwacht werden, um festzustellen, ob das Transportunternehmen und die Reederei die richtigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen haben", sagte sie.
/ausland/spanien-straende-plastik-100.html
2024-01-10
Ein positiverer Blick
Habeck in Saudi-Arabien
Luftabwehrraketen und Eurofighter für Riad: Eigentlich wollte Deutschland keine Waffen nach Saudi-Arabien liefern. Wie sich das Bild des Landes gewandelt hat, zeigte sich auch beim Besuch von Wirtschaftsminister Habeck. Von Martin Polansky.
Luftabwehrraketen und Eurofighter für Riad: Eigentlich wollte Deutschland keine Waffen nach Saudi-Arabien liefern. Wie sich das Bild des Landes gewandelt hat, zeigte sich auch beim Besuch von Wirtschaftsminister Habeck. Von Martin Polansky, z. Zt. Riad Qiddiya City soll mal so werden, wie es in Saudi-Arabien bis vor kurzem undenkbar gewesen wäre. Eine Vergnügungsstadt in einer Canyon-Landschaft außerhalb von Riad. Themenparks, Pop-Konzerte, und eine Riesen-Achterbahn der Welt. Projektmanager Turki Alrasheed versucht schon mal in die Zukunft zu schauen: "Mit Falcon Flight wollen wir den Weltrekord brechen. Eine Achterbahn in Abu Dhabi kommt auf 240 Kilometer pro Stunde. Wir wollen 260 KMH erreichen." Es wird bereits gebaut an Qiddiya City. "Joy and Transformation" - Spaß und Veränderung ist das Label. Und Qiddiya City soll beispielhaft für Veränderungen in dem Land stehen, das bisher für eine besonders konservative Auslegung des Islam stand, was die ganze Gesellschaft prägte. Anzeichen für echten Wandel Wirtschaftsminister Robert Habeck ist auch deshalb nach Saudi-Arabien gekommen, sieht Anzeichen für einen echten Wandel. "Das Land befindet sich in einer Transformation, in einer Modernisierungsphase." Das lasse sich etwa daran ablesen, dass Frauen nun deutlich mehr beteiligt werden in Gesellschaft und Arbeitswelt, so Habeck. "Und auch im außenpolitischen Engagement spielt das Land eine andere Rolle als vor ein paar Jahren." Habeck betont auf seiner Reise auf die Arabische Halbinsel immer wieder: Saudi-Arabien ist der zentrale Akteur in der Region, ohne den bei einigen Themen Fortschritte kaum möglich sind. Sei es bei Klimaschutz und Energiewende, sei es im Nahost-Konflikt und der Haltung der arabischen Länder gegenüber Israel. Saudi-Arabien versuche in Nahost zu deeskalieren, so Habeck, schirme zudem Israel gegen Raketenangriffe der Huthi-Rebellen aus dem Jemen heraus ab. Für die Sicherheitszusammenarbeit heißt das: Die Bundesregierung ist nun dazu bereit, der Lieferung von neuen Eurofighter-Kampfjets nach Saudi-Arabien zustimmen – was Deutschland jahrelang abgelehnt hatte. Und: Die Bundesregierung hat auch die Lieferung von 150 Raketen des Typs Iris-T an Saudi-Arabien genehmigt, was Habeck in Riad nicht direkt kommentieren will. Aber man schaue bei allen Entscheidungen, so der Vize-Kanzler, ob die Ukraine nicht einen dringenderen Bedarf habe. Und zudem sei entscheidend, ob die Waffen "in einer komplizierter gewordenen Welt so eingesetzt werden, dass sie zum Schutz, zur Deeskalation und zur Stabilität beitragen". In den vergangenen Jahren hatte Deutschland den Rüstungsexport nach Saudi-Arabien restriktiv gehandhabt. Auch mit Blick auf den Konflikt im Jemen, wo Saudi-Arabien die Zentralregierung gegen die Huthi-Rebellen unterstützt. Habeck bescheinigt Saudi-Arabien, dort verstärkt an einer Friedenslösung zu arbeiten. Chance für Energiewende und Wirtschaft Auch beim Thema Energiewende schreibt Habeck Saudi-Arabien eine wichtige Rolle zu. Das Land investiere in einige Großprojekte, um riesige Solarparks aufzubauen. Und damit auch die Möglichkeit zu eröffnen, langfristig grünen Wasserstoff herzustellen und zu exportieren. Habeck sieht darin eine große Chance für deutsche Unternehmen und auch das Gelingen der Energiewende in Deutschland. Andererseits war Saudi-Arabien zusammen mit den anderen OPEC-Staaten auf der Weltklimakonferenz in Dubai vor einem Monat der große Bremser, was den Ausstieg aus fossilen Energieträgern angeht, der am Ende auf der COP28 mit einer unverbindlichen Kompromissformel verabredet wurde. Energieexperte Markus Exenberger von der H2Global-Stiftung verweist darauf, dass noch Öl und Gas für Jahrzehnte am Golf im Boden liegen. "Entsprechend groß ist der Wunsch, den Schatz auch zu heben." Ambivalent sind auch die Entwicklungen im Bereich der Menschenrechte. Einerseits haben Frauen nun spürbar mehr Rechte, brauchen beispielsweise nicht mehr die Erlaubnis ihrer Männer, wenn sie arbeiten oder reisen wollen. Gleichzeitig gab es im vergangenen Jahr 171 Hinrichtungen, Pressefreiheit, Demokratie und Gewaltenteilung sind in dem Königreich nicht vorgesehen. Laut Habeck werden die "Werte-Unterschiede deutlich angesprochen in dem vertrauensvollen Rahmen, den wir haben". Gratwanderung für Habeck So ist Habecks erster Besuch als Wirtschaftsminister in Riad durchaus auch eine Gratwanderung. Deutlich wird aber: Der Blick der deutschen Regierung auf Saudi-Arabien ist deutlich positiver als noch vor einigen Jahren. Der Wille zum Wandel sei echt. Auch wenn die Widersprüche und Menschenrechtsdefizite durchaus gesehen werden. In der "Joy and Transition"-Stadt Qiddiya City soll die erste Bauphase bald abgeschlossen sein. Dann könne es losgehen mit den neuen Freiheiten und dem Vergnügen. Wann genau - da wollen sich die Projektmacher allerdings nicht konkret festlegen.
/inland/innenpolitik/habeck-saudi-arabien-energiewende-ruestungsexport-100.html
2024-01-10
Kretschmers Gratwanderung
Bauernprotest in Dresden
Sachsens CDU-Regierungschef Kretschmer kommen die Bauernproteste gerade recht. Bei einer Demonstration in Dresden eint ihn und mehrere Tausend Teilnehmer der Unmut auf die Ampel. Die extreme Rechte bleibt außen vor. Von Thomas Vorreyer.
Sachsens CDU-Regierungschef Kretschmer kommen die Bauernproteste gerade recht. Bei einer Demonstration in Dresden eint ihn und mehrere Tausend Teilnehmer der Unmut auf die Ampel. Die extreme Rechte bleibt außen vor. Von Thomas Vorreyer Es sollte eine Kraftprobe mit Berlin werden. Aber dann ging es Michael Kretschmer selbst an den Kragen. "Ziehen Sie Ihre grüne Jacke aus", rief ihm ein Bauernvertreter auf der Bühne zu. Kretschmer, bei Null Grad ohne Mütze unterwegs, behielt den dünnen Stoff an. Die Farben Grün und Weiß stünden für den Freistaat Sachsen, wehrte sich der CDU-Politiker. Für Sachsens Ministerpräsident war der Auftritt bei der Demo von Landwirten am Mittwoch in Dresden eine Gratwanderung. Einerseits koaliert er selbst mit SPD und Grünen. Andererseits gibt ihm die von Berufsverbänden getragene Bewegung die Chance, seine Fundamentalkritik an der Ampel endlich auch auf die Straße zu tragen. Außer Bayerns Freie Wähler-Chef und Vizeministerpräsident Hubert Aiwanger hat sich seit Dezember kaum ein Entscheidungsträger so vehement hinter die Proteste gestellt. Kretschmer nennt Bundesregierung "Falschfahrer" In der Folge durfte Kretschmer als einziger Politiker zu den mehreren Tausend Menschen und Dutzenden Traktoren vor der Semperoper reden. Die wollen nicht nur die vollständige Rücknahme aller Kürzungen, sondern mehr. Landesbauernpräsident Torsten Krawczyk hatte im Vorfeld gesagt, es gehe darum, dem Ministerpräsidenten ein "starkes Mandat" zu geben, damit dieser in Berlin für eine "andere Wirtschaftspolitik" streiten könne. In seiner Rede forderte Kretschmer einen Politikwechsel von der Ampel. Die Bundesregierung müsse erkennen, dass sie die "eigentlichen Falschfahrer" seien. Es brauche "mehr Freiheit" und weniger Auflagen für die Landwirte, aber auch Änderungen in der Sozial-, Migrations- und Energiepolitik. "Die Regierung in Berlin muss das Land wieder zusammenführen", so Kretschmer. Er und andere Ministerpräsidenten stünden als Vermittler bereit. Auch Kritik an Landesregierung Die Reaktionen auf seine Rede waren allerdings verhalten. Denn Kretschmer steht selbst unter Druck. Unter der Ägide seines grünen Landwirtschaftsminister Wolfram Günther kam es kürzlich zu einem Unding. Aufgrund eines Softwarefehlers konnten wichtige EU-Prämien nicht fristgerecht zum Jahresende an Sachsens Landwirte ausgezahlt werden. Der sächsische Bauernverband will solange nicht mit Günther reden, bis das Geld da ist. Das soll erst Ende Februar der Fall sein. Marc Bernhardt vom Verein "Land schafft Verbindung" ging noch weiter und forderte Günthers Rücktritt von Kretschmer. Der ließ das unkommentiert, entschuldigte sich aber nicht zum ersten Mal für den Fehler. Bis zur Landtagswahl im September dürfte Kretschmer hart um den Rückhalt der Landwirte, sonst ein CDU-Kernklientel, ringen müssen. Wolfram Günther selbst gab Journalisten am Rande der Demo Interviews. Er war ein Gegner der ursprünglichen Kürzungspläne der Ampel und sagt jetzt, dass diese "keine klimapolitische Entscheidung" gewesen seien. Er wolle sich dafür einsetzen, dass Bauern ein besseres Einkommen hätten. Das Gespräch mit den Bauern suchte der grüne Minister am Theaterplatz nur vereinzelt. Versuchte Instrumentalisierung der Proteste Die Demonstration stand im Vorfeld unter besonderer Beobachtung, da in Dresden erst am Montag die rechtsextremen "Freien Sachsen" die Bauernproteste für ihre Zwecke instrumentalisiert hatten. Die vom sächsischen Verfassungsschutz beobachtete Gruppe hatte eine Demo mit mehreren Tausend Menschen und anderen Rechtsextremen, aber kaum Landwirten abgehalten. Beim "Tag des Widerstands" durchbrachen Teilnehmer Polizeiketten. Auf der Demo am Mittwoch wurden die "Freien Sachsen" ausgeschlossen, sie mussten auf den Rand des Platzes ausweichen. Zwischenfälle blieben aus. Die Bauern hatten sich zudem Auflagen erteilt. Galgen und rechtsextreme Symbole waren untersagt. Landwirte mit solchen Zeichen kamen zwar dennoch, durften mit ihren Traktoren aber nicht auf den Theaterplatz. Breite politische Forderungen Michael Kretschmer lobte die Anwesenden als "anständige Menschen". Mehrere Redner distanzierten sich in ihren Reden von Rechtsextremismus. Politisch einte sie allerdings nur die Kritik an der Bundesregierung. Ein Vertreter des Baugewerbes forderte die Rücknahme des Heizungsgesetzes und Neuwahlen. Eine Landwirtin aus der ökosozialen Landwirtschaft sprach wiederum von den Folgen des Klimawandels und rief danach, die Vorschläge der Borchert-Kommission für die Nutztierhaltung endlich umzusetzen. Eine Ausnahme stellte eine Rednerin dar, die der Bundesregierung "Insolvenzverschleppung" vorwarf und sie in der Nähe von Straftätern und Verfassungsfeinden rückte. Die Unternehmerin, die nach eigenen Angaben erstmals auf einer Demo sprach, erhielt viel Zuspruch und durfte ausreden.
/inland/innenpolitik/bauernprotest-dresden-100.html
2024-01-10
AfD-Politiker diskutieren offenbar Vertreibungsplan
Bericht über Geheimtreffen
AfD-Politiker und ein bekannter Rechtsextremer sollen sich laut "Correctiv" zu einem Geheimtreffen zusammengefunden haben. Ein Thema war offenbar die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland - auch solcher mit deutschem Pass.
AfD-Politiker und ein bekannter Rechtsextremer sollen sich laut "Correctiv" zu einem Geheimtreffen zusammengefunden haben. Ein Thema war offenbar die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland - auch solcher mit deutschem Pass. Bei einem bislang öffentlich nicht bekannten Treffen sollen AfD-Politiker mit dem österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner und privaten Unterstützern über einen Masterplan beraten haben, der die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland vorsieht. Das berichtet das Medienhaus "Correctiv". Auch zwei CDU-Mitglieder seien demnach zugegen gewesen, Mitglieder der Werteunion. Eingeladen zu der Zusammenkunft hatte demnach unter anderen der ehemalige Mitbesitzer der Bäckerei-Selbstbedienungskette "Backwerk", Hans Christian Limmer, bislang einer der Eigner der Restaurant-Franchisemarke "Hans im Glück". Das Unternehmen trennte sich inzwischen von Limmer. Das Rechercheteam von "Correctiv" hat das Treffen vor Ort dokumentiert, das im November in einem Hotel bei Potsdam stattfand. Einige Dokumente wurden "Correctiv" auch von Greenpeace zur Verfügung gestellt. 5.000 Euro für einen "Masterplan" In einem Einladungsbrief für die Zusammenkunft, der "Correctiv" vorliegt, heißt es: Bei der Veranstaltung werde ein "Strategiekonzept im Sinne eines Masterplans" vorgestellt. Und: Die "Chancen, unser Land wieder auf einen normalen und gesunden Kurs zu bringen", seien "so groß wie nie zuvor". Für die Teilnahme werde eine "Mindestspende von 5.000 Euro" erhoben. Diese Spende solle deutlich machen, dass "die Sammlung von Unterstützungsmitteln eine Kernaufgabe unserer Runde ist", heißt es in dem von Unternehmer Limmer und dem bekannten Rechtsextremen Gernot Mörig unterschriebenen Brief. In einem weiteren Einladungsschreiben von Mörig heißt es: "Das Gesamtkonzept im Sinne eines Masterplans wird kein Geringerer als Martin Sellner einleitend vorstellen." Vertreibung von Deutschen? Mehrere Quellen gaben gegenüber "Correctiv"-Reportern die Aussagen aus der Konferenz wieder. Im Zentrum der Zusammenkunft stand demnach ein von Sellner - dem langjährigen Kopf der "Identitären Bewegung" - vorgetragenes rechtsextremes Konzept, das die AfD offiziell von sich weist: die "Remigration" auch von deutschen Staatsbürgern mit Zuwanderungsgeschichte. Das beträfe Millionen von Menschen, die aus Deutschland vertrieben werden sollen. Teilnehmer am Treffen erklärten, wie genau sie diese Strategie gemeinsam in die Tat umsetzen wollen, sollte die AfD in Regierungsverantwortung gelangen. Offenbar Zustimmung von AfD-Politikern Während des Treffens zeigten sich die anwesenden AfD-Politikerinnen und -Politiker laut "Correctiv" mit dem vorgestellten Konzept einverstanden. So ergänzte der anwesende AfD-Fraktionsvorsitzende Sachsen-Anhalts, Ulrich Siegmund: Man müsse in seinem Bundesland dafür sorgen, dass es "für dieses Klientel möglichst unattraktiv zu leben" werde. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy sagte, sie verfolge das skizzierte Ziel schon länger und habe bei ihrem Parteieintritt selbst schon ein "Remigrationskonzept mitgebracht". Einer der Besucher des Treffens war der persönliche Referent von Parteichefin Alice Weidel, Roland Hartwig. Vor allem seine Teilnahme zeigt, dass rechtsextremes Gedankengut bis in die Spitze des Bundesverbandes der Partei hineinragt. Hartwig sagte der "Correctiv"-Recherche zufolge bei dem Treffen zu, die inhaltlichen Pläne des Treffens in die Partei zu tragen. "Correctiv" konfrontierte viele der Teilnehmer zu ihren beim Treffen getroffenen Aussagen. Gernot Mörig, der sich auf die Fragen hin als "alleiniger Veranstalter" bezeichnete, wies darauf hin, es habe keine Teilnahmebedingung, schon gar nicht in Form einer Spende, gegeben - obwohl es in seiner Einladung anders stand. Teilnehmer widersprechen Zu dem besprochenen "Remigrationskonzept" sagte Mörig, er erinnere sich an die Aussagen des Neonazis Sellner anders - denn hätte er sie "bewusst wahrgenommen", so hätte er sicherlich widersprochen. Ähnlich äußert sich der Unternehmer Limmer. Er weist darauf hin, anders als Mörig nicht Organisator und Planer der Veranstaltung gewesen zu sein. Auch würde er "immer widersprechen", wenn jemand "deutsche Staatsangehörige als Staatsbürger zweiter Klasse behandeln wollte".  Sachsen-Anhalts AfD-Fraktionsvorsitzender Siegmund betonte in seiner Antwort auf die Fragen, er sei als "Privatperson" und nicht in seiner Funktion als Abgeordneter für die AfD bei dem Treffen gewesen. In seiner Antwort über die Anwaltskanzlei Höcker lässt Siegmund offen, wie er dem Konzept der "Remigration" gegenübersteht. Er schreibt lediglich, dass er Menschen "nicht gesetzeswidrig ausweisen" wolle. Sellner sowie der AfD-Politiker Hartwig und die AfD-Abgeordnete Huy antworteten "Correctiv" ebenso wie der AfD-Bundesvorstand bis Redaktionsschluss nicht auf die Fragen.
/inland/innenpolitik/afd-neonazis-geheimtreffen-100.html
2024-01-10
"Hans im Glück" trennt sich von Mitgesellschafter
Bericht zu Treffen von Rechtsextremen
Die Burger-Kette "Hans im Glück" hat sich von Mitgesellschafter Limmer getrennt. Er soll eine Veranstaltung mitorganisiert haben, bei der es um die Massenausweisung von Menschen mit Migrationsgeschichte gegangen sein soll. Limmer bestreitet das.
Die Burger-Kette "Hans im Glück" hat sich von Mitgesellschafter Limmer getrennt. Er soll eine Veranstaltung mitorganisiert haben, bei der es um die Massenausweisung von Menschen mit Migrationsgeschichte gegangen sein soll. Limmer bestreitet das. Die Restaurantkette "Hans im Glück" trennt sich mit sofortiger Wirkung von ihrem Mitgesellschafter Hans-Christian Limmer. Das gab das Unternehmen heute bekannt, nachdem in einem Medienbeitrag Vorwürfe gegen Limmer erhoben wurden, er habe zu einer Veranstaltung mit eingeladen, bei der über die Vertreibung von Menschen mit Migrationsgeschichte aus Deutschland diskutiert worden sein soll. "Wir sind überrascht und bestürzt über die öffentlichen Vorwürfe, einer unserer Mitinhaber habe zu einer Veranstaltung mit eingeladen, bei der Rechtsradikale die Remigration von Millionen Menschen, darunter auch von deutschen Staatsangehörigen, gefordert haben sollen", heißt es in einer Stellungnahme von "Hans im Glück". Limmer nahm an Treffen nicht teil Das Medienhaus "Correctiv" hatte über die Veranstaltung berichtet, bei der Teilnehmer im vergangenen November Pläne für eine massenhafte Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland besprochen haben sollen. An diesem Treffen hatten neben AfD-Politikern auch der Taktgeber der rechtsextremen Identitären Bewegung, Martin Sellner, teilgenommen und seine Ideen zur "Remigration" vorgetragen. Unter der Einladung zum Treffen, in die auch die dpa Einblick hatte, steht auch Limmers Name. Laut "Correctiv" hat er selbst an dem Treffen aber nicht teilgenommen. Gegenüber dem Medienhaus hat sich Limmer zu seiner konkreten Rolle und der Frage, warum sich sein Name unter den Einladungen befand, nicht geäußert.  Limmer bot seinen Rücktritt an "Als Unternehmen Hans im Glück Franchise GmbH distanzieren wir uns klar von rechtsextremen Ansichten, sie stellen das genaue Gegenteil unserer Grundwerte dar", heißt es in der Stellungnahme von "Hans im Glück". Limmer habe das Unternehmen im Vorfeld über die Medienberichterstattung informiert und betont, er habe sich gegenüber dem anfragenden Medium unmissverständlich von den genannten Remigrationsforderungen distanziert. In der Stellungnahme des Unternehmens heißt es weiter, Limmer sei "bestürzt über die dort erhobenen Forderungen". Um Schaden von "Hans im Glück" abzuwenden, habe Limmer angeboten, seine Gesellschafterstellung sofort aufzugeben. "Dieses Angebot hat der Gesellschafterkreis angenommen." Hans-Christian Limmer war seit 2020 Gesellschafter bei "Hans im Glück".
/wirtschaft/unternehmen/burgerkette-hans-im-glueck-miteigner-afd-100.html
2024-01-10
Selenskyj wirbt um mehr Hilfe für Flugabwehr
Besuch im Baltikum
Zum Jahreswechsel hat Russland die Ukraine massiv angegriffen. Gerade Flugabwehrsysteme fehlten, sagte der ukrainische Präsident Selenskyj bei einem Besuch in Litauen. Die Regierung in Vilnius plant eine millionenschwere Militärhilfe für Kiew.
Zum Jahreswechsel hat Russland die Ukraine massiv angegriffen. Gerade Flugabwehrsysteme fehlten, sagte der ukrainische Präsident Selenskyj bei einem Besuch in Litauen. Die Regierung in Vilnius plant eine millionenschwere Militärhilfe für Kiew. Wegen der andauernden schweren russischen Luftangriffe hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei seinem ersten Auslandsbesuch in diesem Jahr mehr Waffenhilfe zur Abwehr gefordert. "Flugabwehrsysteme stehen an erster Stelle unter den Dingen, die uns fehlen", sagte er in Litauen nach einem Treffen mit seinem Amtskollegen Gitanas Nauseda in Vilnius. Nach Angaben Selenskyjs feuerte Russland über den Jahreswechsel mindestens 500 Raketen, Marschflugkörper und Drohnen auf die Ukraine ab. 70 Prozent davon seien abgefangen worden, sagte er. Trotzdem gab es nach ukrainischen Angaben Dutzende Tote und Verletzte sowie große Schäden im Land. Selenskyj: "Putin wird nicht aufhören" In vielen Ländern gibt es derzeit Diskussionen über Ausmaß und Ziel der Ukraine-Hilfen. In den USA, dem wichtigsten Unterstützer, stecken neue Hilfen derzeit im Kongress im politischen Streit fest. Selenskyj sagte dazu in Vilnius, dass er keinen Druck der Verbündeten spüre, den Krieg an der jetzt bestehenden Front einzufrieren. Man müsse die Rhetorik des russischen Präsidenten Wladimir Putin ernst nehmen; dieser wolle die Ukraine ganz besetzen. Und wenn sein Land nicht standhalte, seien als nächstes Litauen, Lettland, Estland oder Moldau gefährdet. Selenskyj rief zu gemeinsamer Gegenwehr gegen Putin auf: "Er wird nicht aufhören, solange wir ihn nicht erledigen." Litauen kündigt 200 Millionen Euro für Militärhilfe an Nauseda sagte zu Journalisten: "Wir wissen, wie ermüdend dieser lang anhaltende Krieg ist, und wir sind an einem vollständigen Sieg der Ukraine so bald wie möglich interessiert." Nach Angaben des litauischen Präsidenten genehmigte das Land einen langfristigen Plan für Militärhilfe im Wert von rund 200 Millionen Euro. In seinem und Selenskyjs Beisein wurden dazu mehrere Abkommen von Vertretern der Rüstungsindustrie beider Länder geschlossen. Nach dem unangekündigten Besuch in Litauen will Selenskyj in den kommenden Tagen auch in die baltischen Nachbarländer Lettland und Estland reisen. Damit will er den drei EU- und NATO-Staaten nach eigenen Angaben für ihre "kompromisslose Unterstützung der Ukraine" danken.
/ausland/europa/selenskyj-baltikum-100.html
2024-01-10
Bundesverdienstkreuz für früheren RKI-Chef Wieler
Auszeichnung
Der ehemalige Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, erhält das Bundesverdienstkreuz. Neben Wieler wird kommende Woche auch der frühere Leiter des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, geehrt.
Der ehemalige Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, erhält das Bundesverdienstkreuz. Neben Wieler wird kommende Woche auch der frühere Leiter des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, geehrt. Der in der Corona-Pandemie häufig öffentlich aufgetretene ehemalige Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, erhält das Verdienstkreuz erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Wieler wird am Donnerstag kommender Woche von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue ausgezeichnet, wie das Bundespräsidialamt in Berlin mitteilte. In der Hochphase der Corona-Pandemie beschrieb Wieler für das RKI in zahlreichen Pressekonferenzen die Entwicklung der Infektionslage und gab der Bevölkerung Verhaltenshinweise. Mit ihm geehrt wird der zum Jahreswechsel in den Ruhestand verabschiedete ehemalige Leiter des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Klaus Cichutek. Lothar Wieler arbeitet inzwischen beim Hasso-Plattner-Institut Wieler gab zum 1. April vergangenen Jahres sein Amt auf und wechselte zum Hasso-Plattner-Institut in Potsdam. Cichutek war als PEI-Leiter ebenfalls im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie regelmäßig in die Öffentlichkeit getreten. Das Institut ist die zentrale Behörde für Impfstoffe in Deutschland.
/inland/gesellschaft/bundesverdienstkreuz-wieler-rki-100.html
2024-01-10
Bundesgeschäftsführer der Linken tritt zurück
Kritik an neuem Kurs
Rücktritt in Parteiführung der Linken: Tobias Bank verabschiedet sich vom Posten als Geschäftsführer. Die neue Ausrichtung der Partei behagt ihm offenbar nicht. Von Kerstin Palzer.
Rücktritt in Parteiführung der Linken: Tobias Bank verabschiedet sich vom Posten als Geschäftsführer. Die neue Ausrichtung der Partei behagt ihm offenbar nicht. Von Kerstin Palzer Offenbar ist das neue Profil der Linken nicht das, was sich der Bundesgeschäftsführer der Partei, Tobias Bank, gewünscht hat. Der 38-jährige zieht die Konsequenz und will nicht länger Bundesgeschäftsführer seiner Partei sein. In einem Schreiben an die Mitglieder der Linken, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, nennt er deutliche Gründe für seinen Rücktritt: "Der aktuelle Kurs, fast alles auf Bewegungen außerhalb von Parlamenten sowie auf städtische Milieus zu konzentrieren und Wahlergebnisse scheinbar nicht mehr als Maßstab für politischen Erfolg zu sehen, ist nicht mein Verständnis von Politik. Unter diesen Bedingungen möchte ich nicht weiter Feigenblatt eines vermeintlichen innerparteilichen Meinungspluralismus sein. Daher kann ich auch nicht weiter Verantwortung für die bevorstehenden Herausforderungen für Die Linke übernehmen." Ausgleich zwischen Parteiflügeln gescheitert? Bank ist auf dem Erfurter Parteitag 2022 zum Bundesgeschäftsführer der Linken gewählt worden. Seine Wahl damals war eine Überraschung, denn er war eher nicht der Wunsch-Kandidat der Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan. Schon damals war klar: Bank ist keinem politischen Lager zuzurechnen. Die Auseinandersetzungen innerhalb der Partei zwischen verschiedenen Flügeln wollte Bank ausgleichen, wollte einen pragmatischen Kurs einschlagen. Damit ist er wohl gescheitert. Im vergangenen Jahr hatte Bank bei einer Veranstaltung mit dem Titel "Ist die Linke noch zu retten?" die Moderation übernommen. Dabei war Partei-Prominenz wie Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und Gesine Lötzsch. Im Publikum außerdem viele Parteimitglieder, die sich vom aktuellen Kurs der Parteiführung nicht mehr vertreten fühlen, die ihrer Partei vorwarfen, sich zu wenig um die normale Bevölkerung, insbesondere im Osten, zu kümmern. Bank versuchte, die inhaltlichen Gräben, die sich auftaten, zu überbrücken. Gelungen ist es ihm nicht. Linksruck mit Parteichefin Wissler Seit dem Austritt Sahra Wagenknechts und eines überraschend einmütigen Parteitages der Linken im November in Augsburg hat Parteichefin Wissler die Partei auf ihren Kurs eingestimmt. Die Linke ist weiter nach links gerückt, versteht sich nicht mehr nur als Partei der sozialen Gerechtigkeit, sondern betont auch die Rechte queerer Menschen, den Klimaschutz und offene Grenzen für Geflüchtete. Rücktritt, aber kein Austritt Eigentlich wäre Tobias Bank jetzt zuständig für die Wahlkampfstrategie der Linken für die Europawahl und die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Das wird er nicht mehr machen. Er schreibt, dass er hofft, dass "Die Linke nicht verloren ist und der nächste Bundesparteitag eine Kurskorrektur vornehmen kann." Aus der Partei austreten will Bank nicht, aber keine Funktion mehr in der Linken übernehmen. Ein Duo soll folgen Für seine Nachfolge in der Bundesgeschäftsführung der Partei soll es zunächst eine kommissarische Lösung geben. Die Linken-Führung um Wissler und Schirdewan schlug dem Parteivorstand die stellvertretenden Parteivorsitzenden Katina Schubert und Ates Gürpinar vor. "Wir sind dankbar, dass Katina Schubert und Ates Gürpinar bereit sind, die Bundesgeschäftsführung in dieser Situation kommissarisch zu übernehmen", heißt es in einer Mitteilung der Parteiführung. "Beide waren bereits Landesgeschäftsführer und Landesvorsitzende, Katina Schubert in Berlin, Ates Gürpinar in Bayern, beide kennen die Partei gut, haben viel organisationspolitische Erfahrung, haben erfolgreiche Wahlkämpfe organisiert und geleitet."
/inland/innenpolitik/linkspartei-geschaeftsfuehrer-ruecktritt-100.html
2024-01-10
Sunak will Post-Angestellte entschädigen
Skandal um fehlerhafte Software
Es ist einer der größten Justizirrtümer Großbritanniens: Hunderte Post-Angestellte waren bis 2015 zu Unrecht des Diebstahls beschuldigt worden. Nun sollen sie entschädigt werden. Die Fehlbeträge waren durch fehlerhafte Software zustande gekommen.
Es ist einer der größten Justizirrtümer Großbritanniens: Hunderte Post-Angestellte waren bis 2015 zu Unrecht des Diebstahls beschuldigt worden. Nun sollen sie entschädigt werden. Die Fehlbeträge waren durch fehlerhafte Software zustande gekommen. Computerpannen durch fehlerhafte Software sind ärgerlich, aber selten zerstören sie Existenzen. In Großbritannien aber ist genau das passiert, und zwar bei der Post. Zwischen 1999 und 2015 wurden etwa 700 Mitarbeiter der staatlichen Postämter strafrechtlich verfolgt, weil sie angeblich Gelder der Post veruntreut hatten. In Wirklichkeit kamen die Fehlbeträge aber durch ein fehlerhaftes Computerprogramm zustande. Schuld war die Software Horizon des japanischen Technologieriesen Fujitsu, die die britische Post seit Ende der 1990er-Jahre installierte.  "Mr Bates vs The Post Office" Das Ganze entwickelte sich zu einem der größten Justizirrtümer des Landes - mit Auswirkungen bis heute. Nachdem ein Fernsehsender das Thema unter dem Titel "Mr Bates vs The Post Office" als mehrteiliges TV-Drama ausstrahlte, machte der längst bekannte Skandal Vereinigten Königreich derzeit Schlagzeilen, dass die konservative britische Regierung von Premierminister Rishi Sunak unter Handlungsdruck geriet. Nun sagte sie zu, die zu Unrecht beschuldigten mehr als 700 Post-Angestellten rasch zu rehabilitieren. Sie sollen möglichst schnell entschädigt werden. "Dies ist einer der größten Justizirrtümer in der Geschichte unseres Landes", sagte Premierminister Sunak im Parlament in London. "Die Leben und der Ruf von Menschen, die hart gearbeitet haben, um ihren Gemeinden zu dienen, wurden ohne eigenes Verschulden zerstört. Die Opfer müssen Gerechtigkeit und Entschädigung erhalten." Gefängnis, Ruin, Tod Den betroffenen Post-Filialleitern war wegen eines mangelhaften Computersystems Diebstahl oder Betrug zur Last gelegt worden. Computer der britischen Post gaben fälschlicherweise an, dass aus Filialen Geld entwendet worden war. Bislang sind nur die Verurteilungen in 93 Fällen gekippt worden. Einige Beschuldigte mussten ins Gefängnis, viele erlebten neben sozialer Ächtung auch den finanziellen Ruin, weil sie der staatlichen Post viel Geld zahlen mussten. Mehrere begingen Suizid. Der einstige Filialleiter Alan Bates hatte zusammen mit Mitstreitern nach zweijährigem Prozess im Dezember 2019 erreicht, dass das High Court grundsätzlich feststellte, dass Computerfehler und nicht Straftaten die Ursache für die Fehlbeträge waren. Der Richter hielt der Post "institutionelle Halsstarrigkeit" vor, da sie die wahren Ursachen der Abrechnungsprobleme nicht ordentlich untersucht habe. Skandal ist noch immer nicht aufgearbeitet Tatsächlich gingen die Anwälte der Post auch dann noch gegen unschuldige Mitarbeiter vor, als es glaubwürdige Hinweise auf Horizon als Fehlerquelle gab. Der Skandal ist noch lange nicht aufgearbeitet. Auch die im Februar 2022 eingeleitete Untersuchung, wer im Post-Management wann von den ungerechtfertigten Vorwürfen wusste, ist noch nicht abgeschlossen. Nur 93 Verurteilungen wurden bislang aufgehoben. An einen Teil der Betroffenen flossen bislang 21 Millionen Pfund an Entschädigungsgeldern. Im September hatte die Regierung angekündigt, jeder Betroffene erhalte 600.000 Pfund wegen des erlittenen Unrechts. Stattdessen könnten sie aber auch den Klageweg beschreiten, um höhere Entschädigungen zu erstreiten. Ex-Postchefin ist kein "Commander of the Order of the British Empire" mehr Nach der TV-Serie über den Skandal schwappte eine neue Welle der Empörung durch das Land. Mehr als eine Million Menschen unterzeichneten eine Petition, die sich gegen die damalige Postchefin Paula Vennells richtete. Sie gab am Dienstag eine königliche Auszeichnung zurück. Sie werde auf den Titel "Commander of the Order of the British Empire" verzichten, der ihr 2018 verliehen worden war. "Es tut mir aufrichtig leid für die Zerstörung, die den Unterpostmeistern und ihren Familien zugefügt wurde, deren Leben zerrissen wurde, weil sie zu Unrecht beschuldigt und aufgrund des Horizon-Systems zu Unrecht verfolgt wurden", sagte Vennells.
/ausland/europa/post-skandal-grossbritannien-100.html
2024-01-10
Warum Gigantopithecus blacki ausstarb
Größter Menschenaffe aller Zeiten
Er war der Riese unter den Menschenaffen. Genau das wurde ihm aber offenbar zum Verhängnis: Eine neue Studie klärt, wann der größte Menschenaffe aller Zeiten ausstarb - und wie es dazu kam.
Er war der Riese unter den Menschenaffen. Genau das wurde ihm aber offenbar zum Verhängnis: Eine neue Studie klärt, wann der größte Menschenaffe aller Zeiten ausstarb - und wie es dazu kam. Schätzungsweise drei Meter hoch und bis zu 300 Kilogramm schwer: Gigantopithecus blacki war wohl der größte Menschenaffe, der jemals über die Erde stampfte. Aus einer umfassenden Analyse bisheriger Funde hat ein internationales Forschungsteam nun ermittelt, wann der kolossale Primat in Südasien ausstarb - und warum. Schon die Entdeckungsgeschichte des Riesenaffen klingt abenteuerlich: Auf seine Spur stieß der deutsche Paläontologe Gustav Heinrich Ralph von Koenigswald 1935 in Hongkong in einer Apotheke, die einen auffällig großen Backenzahn als Drachenzahn zum Verkauf anbot. Trotz jahrzehntelanger ausgiebiger Suche zeugen bisher lediglich vier Kieferknochen und knapp 2.000 einzelne Zähne von der einstigen Existenz dieses Primaten, wie die Gruppe um Kira Westaway von der Macquarie University in Sydney im Fachblatt "Nature" schreibt. Primat verschwand vor etwa 255.000 Jahren Allein daraus folgerten Forschende so einiges: Neben Größe und Gewicht etwa, dass der Menschenaffe vor mindestens 2,2 Millionen Jahren in Wäldern vor allem im Süden des heutigen China lebte, sich rein pflanzlich ernährte und vor 330.000 Jahren verschwunden war. Allerdings waren solche Datierungen bislang umstritten. Für mehr Klarheit datierte das Team zunächst Fundschichten aus 22 Höhlen mit sechs verschiedenen Methoden: Danach lebte G. blacki schon vor 2,3 Millionen Jahren, verschwand jedoch erst vor grob 255.000 Jahren. Starker Wandel der Umwelt Pollenanalysen weisen darauf hin, dass sich die Umwelt der großen Menschenaffen innerhalb der zwei Millionen Jahre stark wandelte: Der anfängliche Dschungel mit dichten Baumkronen wich in der Zeit immer mehr einer baumärmeren, aber farnreichen Graslandschaft. Zudem entwickelten sich offenbar ausgeprägtere Jahreszeiten. Kohlereste zeugen davon, dass es häufiger brannte, es also auch trockener wurde. Dieser Wandel wirkte sich negativ auf das vor allem auf viel Obst basierende Nahrungsspektrum der Riesenaffen und den Zugang zu Wasser aus. Zahnschmelz-Analysen deuten darauf hin, dass G. blacki sich an die Veränderungen nicht auf Dauer anpassen konnte - im Gegensatz zu seinem Vetter, dem chinesischen Orang-Utan (Pongo weidenreichi), der erst wesentlich später ausstarb. Während die großen Menschenaffen bis vor etwa 700.000 Jahren florierten und sogar an Körpergröße zulegten, setzte danach also wohl ein Niedergang ein. Riesig, aber unflexibel "G. blacki war der ultimative Spezialist, verglichen mit sich agil Anpassenden wie Orang-Utans, und das führte schließlich zu seinem Untergang", sagte Mitautor Yingqi Zhang von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Dass der Lebensraum wie auch die Population deutlich schrumpfte, belegen nach Ansicht des Forschungsteams die in der Spätphase abnehmende Zahl von Fundorten wie auch von Fossilien. Zum Untergang beigetragen haben könnten auch die vermutlich lange Reproduktionszeit des Riesenaffen und seine enorme Größe, die die Mobilität behindert habe, mutmaßt die Gruppe. Für eine Beteiligung der damals in Ostasien lebenden Menschenarten - etwa des Denisova-Menschen - gebe es dagegen keinerlei Hinweise, auch wenn sich solche Gruppen anscheinend zu jener Zeit in Südasien verbreiteten. Ohnehin hatte die letztlich erfolgreichste Homo-Art damals Afrika noch längst nicht verlassen: Der Homo sapiens war vor 255.000 Jahren gerade erst entstanden.
/wissen/erkenntnisse-menschenaffe-100.html
2024-01-10
USA für Palästinenserstaat an Seite Israels
Blinken im Westjordanland
Bei Gesprächen in Ramallah hat US-Außenminister Blinken betont: Die USA unterstützten die Schaffung eines Palästinenserstaates - aber nur an der Seite Israels. Nicht in allen Punkten waren er und Palästinenserpräsident Abbas sich einig.
Bei Gesprächen in Ramallah hat US-Außenminister Blinken betont: Die USA unterstützten die Schaffung eines Palästinenserstaates - aber nur an der Seite Israels. Nicht in allen Punkten waren er und Palästinenserpräsident Abbas sich einig. Im Westjordanland hat US-Außenminister Antony Blinken mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, über die Zukunft des umkämpften Gazastreifens gesprochen. Er bekräftigte, dass die USA "greifbare Schritte zur Schaffung eines palästinensischen Staates" unterstützten. Die US-Regierung beharre darauf, dass ein palästinensischer Staat an der Seite Israels existieren müsse, um für Frieden und Sicherheit zu sorgen, erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller. Mit Blick auf die Kämpfe im Gazastreifen rief Blinken erneut dazu auf, den Schaden für die Zivilbevölkerung in dem abgeriegelten Küstenstreifen zu minimieren und die Bereitstellung humanitärer Hilfe zu beschleunigen und zu verstärken. Diskussion über palästinensische Steuergelder Bei dem Gespräch zwischen Blinken und Abbas ging es zudem um die Auszahlung der von Israel im Westjordanland eingesammelten Steuereinnahmen. Israel sammelt im Auftrag der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) Steuern und Zölle ein. Blinken unterstrich nun, dass alle von Israel eingezogenen palästinensischen Steuereinnahmen in Übereinstimmung mit früheren Vereinbarungen konsequent an die PA weitergeleitet werden sollen. Israels rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich hatte erst kürzlich erneut betont, dass Israel diese Gelder nicht freigeben werde. "Ich frage unsere Freunde in den USA: Können sie sich vorstellen, dass Washington jeden Monat Hunderte Millionen Dollar an die Planer und Ausführer des Terroranschlags vom 11. September überweist?", sagte Smotrich laut israelischen Medienangaben. Blinken fordert Verwaltungsreform der Behörde Übereinstimmenden Medienberichten zufolge soll das Gespräch in Ramallah vor allem bei diesem Thema angespannt gewesen sein. Demnach soll Abbas Blinken aufgefordert haben, Druck auf Israel auszuüben, damit die eingefrorenen Gelder freigegeben werden. Blinken hingegen pochte darauf, bei der PA müsse es Verwaltungsreformen geben. Diese würden dem palästinensischen Volk zugute kommen. Für Blinken ist es die vierte Reise in den Nahen Osten seit Beginn des Krieges. Seine Route umfasste bereits Etappen in der Türkei, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Israel. Nach Angaben eines Vertreters des US-Außenministeriums besucht Blinken noch heute das Golfemirat Bahrain, um mit dem dortigen König Hamad über die Vermeidung einer regionalen Eskalation zu sprechen.
/ausland/blinken-abbas-palaestinenserstaat-100.html
2024-01-10
Huthi-Großangriff im Roten Meer
Drohnen und Raketen abgefangen
Es soll der bislang größte Angriff der Huthi im Roten Meer gewesen sein: 18 Drohnen und drei Raketen seien abgefangen worden, melden die USA. Der Miliz zufolge galt die Attacke einem US-Schiff.
Es soll der bislang größte Angriff der Huthi im Roten Meer gewesen sein: 18 Drohnen und drei Raketen seien abgefangen worden, melden die USA. Den Rebellen zufolge galt die Attacke einem US-Schiff. Die vom Iran unterstützten Huthi-Milizen haben offenbar einen Großangriff im Roten Meer verübt. Eine "große Anzahl" von Raketen und Drohnen habe ein US-Schiff ins Visier genommen, das Israel in seinem Krieg gegen die Terrororganisation Hamas "unterstützt" habe, erklärte ein Militärsprecher im Onlinedienst X. Die Attacke sei auch eine Vergeltungsaktion für die Tötung mehrerer Mitglieder der Gruppe durch das US-Militär Ende Dezember. Das US-Regionalkommando hatte bereits am Dienstagabend über den Angriff berichtet und von einer "komplexen Attacke" der Huthi gesprochen. 18 Drohnen und drei Raketen seien von Einheiten der USA und Großbritanniens abgefangen worden, hieß es. Die Geschosse seien aus den von den Rebellen kontrollierten jemenitischen Gebieten in das südliche Rote Meer in Richtung internationaler Schifffahrtswege mit Dutzenden Handelsschiffen abgefeuert worden. Verletzte habe es nicht gegeben. Ins Visier gerieten nach Angaben der privaten Sicherheitsfirma Ambrey Handelsschiffe vor den jemenitischen Hafenstädten Hudaida und Mokka. Über Funk hätten sie Raketen und Drohnen gemeldet. Mit den USA verbündete Kriegsschiffe in der Gegend hätten die Schiffe aufgefordert, mit höchster Geschwindigkeit zu fahren. "Bislang größter Angriff" Der britische Verteidigungsminister Grant Shapps sagte, es sei "der bislang größte Angriff der vom Iran unterstützten Huthi im Roten Meer". Die Angriffe seien illegal und "absolut inakzeptabel" und müssten gestoppt werden. "Genug ist genug", sagte Shapps dem Sender Sky News. "Wir müssen den Huthi klarmachen, dass dies aufhören muss, und meine einfache Botschaft an sie heute ist: Macht euch auf was gefasst." Er betonte zudem, es gebe "keinen Zweifel" daran, dass der Iran die Angriffe unterstütze, indem er Waffen und Geheimdienstinformationen zur Verfügung stelle. Auch die Bundesregierung verurteilte den Angriff. "Die Attacke stellte nach jetziger Kenntnis den umfangreichsten Angriff der Huthi auf den internationalen Schiffsverkehr seit Mitte Oktober dar", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. "Dieser Angriff und die anderen Angriffe, die anhaltenden Angriffe, zeigen, dass die Huthis klar auf Eskalation gegenüber der internationalen Handelsschifffahrt sowie gegenüber den Schiffen unserer Partner und Verbündeten in der Region setzen." Der Sprecher verwies weiter auf eine gemeinsam mit anderen Staaten am 3. Januar abgegebene Erklärung, in der die Angriffe der Huthi als illegal, inakzeptabel und zutiefst destabilisierend bezeichnet worden seien. Er bekräftigte: "Die Angriffe müssen sofort aufhören." Die Bundesregierung sei zu einer Beteiligung an einer europäischen Marinemission im Roten Meer bereit. Geplant sei in der kommenden Woche eine "eine erste Befassung der Mitgliedstaaten für einen solchen neuen europäischen Einsatz". Immer wieder Attacken im Roten Meer Seit Ausbruch des Krieges zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas greifen die Huthi immer wieder Schiffe mit angeblich israelischer Verbindung im Roten Meer an. Große Reedereien meiden zunehmend die Route. Die Huthi greifen auch Israel direkt mit Drohnen und Raketen an. Etwa zehn Prozent des gesamten Welthandels laufen über das Rote Meer. Der Suezkanal verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer und bietet damit die kürzeste Verbindung auf dem Seeweg zwischen Asien und Europa. Die Alternativstrecke um das südafrikanische Kap der Guten Hoffnung verlängert die Transporte um einige Tage. Die schiitischen Huthi-Rebellen haben im Jemen in ihrem seit 2014 laufenden Aufstand weite Teile im Landesnorden eingenommen und kontrollieren auch die Hauptstadt Sanaa. Die Rebellen werden vom mehrheitlich schiitischen Iran unterstützt. Der Jemen leidet, vor allem bedingt durch die Folgen des Bürgerkriegs, unter einer der schwersten humanitären Katastrophen weltweit.
/ausland/asien/huthis-angriff-100.html
2024-01-10
Hightech-Sandalen und sprechende Autos
Innovationen auf der CES
In Las Vegas läuft die CES, die weltweit größte Messe für Unterhaltungselektronik. Das beherrschende Thema in diesem Jahr: Künstliche Intelligenz. Doch einige Beobachter sprechen vom "KI-Washing".
In Las Vegas läuft die CES, die weltweit größte Messe für Unterhaltungselektronik. Das beherrschende Thema in diesem Jahr: Künstliche Intelligenz. Doch einige Beobachter sprechen vom "KI-Washing". Von Nils Dampz Bisher spricht der Volkswagen nur Englisch. Und das Modell des E-Auto-Modells ID7 kann nicht nur sprechen, sondern auch menschenähnliche Texte schreiben. Es ist eines der ersten überhaupt, indem der KI-Chatbot ChatGPT eingebaut ist - soll aber keineswegs das einzige bleiben. In den nächsten Monaten sollen immer mehr VW-Modelle mit der KI von OpenAI ausgestattet werden, die dann auch mehr als nur die englische Sprache beherrschen. Ausgestellt wird der ID7 mit KI auf der CES in Las Vegas, der weltweit größten Messe für Unterhaltungselektronik. Beherrschendes Thema in diesem Jahr: Künstliche Intelligenz. Etwa bei den Autos: Neben VW testet auch der deutsche Autobauer Mercedes virtuelle KI-Assistenten im Auto und setzt auf ChatGPT - allerdings bisher nur in den USA.  Bei VW funktioniert die Sprachsteuerung schon ziemlich gut: Mit dem Befehl "Hallo IDA" lassen sich beim ID7 etwa normale Autofunktionen per Sprache steuern. Und das intelligente Auto hat noch mehr drauf: Wenn ein Fahrer oder Mitfahrer "Mir ist kalt" sagt, springt die Heizung an. Das System erkennt dabei sogar, von welcher Seite gesprochen wurde und erhöht die Temperatur entsprechen auf der Fahrer- oder Beifahrerseite. Und beim Befehl "Ich habe Hunger auf Pizza" werden Pizza-Restaurants in der Nähe vorgeschlagen.  Rasche Umsetzung der KI-Assistenz "Zwischen der ersten Idee und der ersten Livedemo vergingen nur drei Monate", sagt Stefan Voswinkel von VW. Navigation oder Heizung konnten auch schon mit bisherigen  Sprachsystemen mehr oder weniger gut gesteuert werden. ChatGPT dagegen erkennt auch komplexere Fragen und antwortet darauf. Im Schnelltest erklärt die KI beispielsweise, was ein Sprachmodell ist oder gibt Tipps, wie man sich für eine Verspätung rechtfertigen könnte.   Das habe zahlreiche Vorteile: "Für den Fahrer oder die Fahrerin verändert sich, dass mich mein Fahrzeug versteht und ich in einer völlig natürlichen Sprache mit dem Fahrzeug interagieren kann. Die Verständigung wird viel besser", so Voswinkel. Für die erweiterten Funktionen mit ChatGPT seien die Autos aber immer auf eine Datenverbindung angewiesen. Schneller gehen dank Hightech-Sandalen Doch die KI findet sich auf der CES nicht nur in den Autos. Artificial intelligence for ALL - Künstliche Intelligenz für Alle - steht auf einem riesigen Plakat über den Messehallen. Und in den Hallen findet sich genau das: Es gibt KI-gestützte Roboter, die Haustiere mit Futter versorgen. Eine Firma aus den USA entwickelt Brillen, die Untertitel in die Gläser einblenden. Gedacht für Gehörlose, die damit in Echtzeit lesen können, was ein Gesprächspartner sagt. Und ein Start-up aus Texas hat sogar eine eine Art Hightech-Sandale mit eingebauten Motoren entwickelt. Sie ermöglicht es, die normale Gehgeschwindigkeit deutlich zu erhöhen. Laut den Gründern sei auch hier KI im Spiel.  "Das ist KI-Washing" Tech-Experte Jay Goldberg von der Beratungsfirma D2D Advisory sieht das allerdings krititsch und spricht von "KI-Washing": "Plötzlich haben alle was mit KI. Die machen das, was sie vor einem Jahr gemacht haben, nennen es jetzt aber KI, obwohl es keinen Unterschied in der Funktionalität gibt." Der Grund sei die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und von Investoren: Wolle man aktuell Investoren überzeugen, in die eignen Produkte zu investieren, müsse KI draufstehen. Auch deutsche Firmen sind zahlreich vertreten - Stefan Holzhauer ist für Siemens auf der CES. Sein Job ist es, mögliche Kooperationen des Konzerns mit innovativen Startups anzubahnen: "Ich glaube, viele Start-ups behaupten jetzt einfach, dass KI drin steckt." Immerhin sehe man überall Plakate und Folien, auf denen das groß angekündigt wird. "Aber man muss schon anfangen auch mit diesen Themen zu spielen oder zwei, drei kritische Rückfragen zu stellen. Denn nicht alles ist KI", so Holzhauer.
/wirtschaft/technologie/ces-las-vegas-ki-100.html
2024-01-10
Deutliche Worte, aber keine Ergebnisse
Nahostreise von Außenministerin Baerbock
Außenministerin Baerbock informiert sich an vorderer Front über die Konflikte im Nahen Osten. Mit teils scharfen Formulierungen kritisiert die Ministerin die humanitäre Lage in Gaza. Doch ihre Appelle bringen keine Ergebnisse. Von Demian von Osten.
Annalena Baerbock informiert sich an vorderer Front über die Konflikte im Nahen Osten. Mit teils scharfen Formulierungen kritisiert die Ministerin die humanitäre Lage in Gaza. Doch ihre Appelle bringen keine Ergebnisse.  Von Demian von Osten, ARD Berlin Dass sie Angst habe, sich in vorderster Front über die Konflikte der Welt zu informieren, das kann man Bundesaußenministerin Annalena Baerbock wahrlich nicht vorwerfen. Schusssichere Westen und Gefechtshelme waren am Dienstag an Bord des Bundeswehr-Transportflugzeugs A400M, als sich Baerbock Richtung Rafah begab, den Grenzübergang von Ägypten zum Gazastreifen. Oder im Westjordanland, wo sie unter dem bedrohlichen Surren von Drohnen israelischer Siedler ein palästinensisches Dorf besucht, in dem die Bewohner von Gewalt durch eben jene Siedler bedroht sind.  Baerbocks viertägige Reise in den Nahen Osten ist alles andere als einseitig. Sie trifft sich mit Angehörigen verschleppter israelischer Geiseln genauso wie mit leidenden Palästinensern, mit evakuierten Israelis aus dem Grenzgebiet zum Libanon genauso wie mit Ärzten und Notfallhelfern im ägyptischen Grenzgebiet. Die Tage sind lang, die Wege weit - sie will ein umfassendes Bild der Lage und das dürfte sie auch bekommen haben.  Baerbock nimmt Perspektive von betroffenen Frauen und Kindern ein Baerbock ist interessiert, zugewandt, gut informiert und neugierig. In ihren Formulierungen nimmt sie immer die Perspektive der Menschen der Region ein, vor allem die Perspektive von betroffenen Frauen und Kindern im Krieg. Sie berichtet von ihren Gesprächen mit den normalen Menschen, die sie getroffen hat. Und hebt diese Schicksale dann auf eine politische Ebene. Für die drängendsten Probleme scheut Baerbock auch keine deutlichen Formulierungen: Ein "medizinisches Desaster" geschehe derzeit in Gaza. Oder: Das Leben in Gaza ist die Hölle. Unerschrocken spricht sie aus, dass sich die humanitäre Situation im Gazastreifen verbessern müsse.  Und sie bringt das mit, was Deutschland gerne beiträgt in den Krisen dieser Welt: Geld. Die friedenssichernde UNIFIL-Mission im Südlibanon und die libanesische Armee will sie finanziell stärker ausstatten, die Mittel für Hilfsgüter für Gaza habe die Bundesregierung fast verdreifacht.  Viele Journalisten und Journalistinnen begleiten Baerbock Für Politikerinnen und Politiker geht es immer auch um mediale Präsenz. Dass sie bei ihren Terminen mehr als 20 Journalisten und Journalistinnen und Kameras dabei hat, ist sicherlich kein Zufall. Besonders sorgsam für die Medien vorbereitet ist der Termin am Flughafen von Al-Arish, auf dem das Bundeswehr-Transportflugzeug mit Baerbocks Delegation und deutschen Hilfsgütern für den Gazastreifen gelandet ist. Erst steigt die Delegation aus, dann schlendert Baerbock mit einem Bundeswehroffizier über die Laderampe, sodass die Kameras deutscher und lokaler Medien es in Ruhe filmen können. Bilder, die eine Politikerin im Medienzeitalter dringend braucht.  Doch noch immer sind etwa 100 israelische Geiseln verschleppt, noch immer sterben bei israelischen Bombardements im Gazastreifen Zivilisten, noch immer fehlen massenweise Hilfsgüter für die Bevölkerung in Gaza. Was hat Baerbocks Reise hier verbessert?  Die Bilanz ist dünn. Denn von den Gesprächen Baerbocks mit Ministern der Region dringt kaum etwas an die Öffentlichkeit. Eine öffentliche Pressekonferenz mit Baerbock gibt am Ende nur der ägyptische Außenminister Samih Schukri. Dessen Aussagen bleiben sehr allgemein. Die deutsche Außenministerin betont die Gemeinsamkeiten zwischen Ägypten und Deutschland so stark, dass der Eindruck entsteht, es habe hinter den Kulissen keinerlei Fortschritte gegeben. In Israel traf Baerbock die Minister für Außen und Verteidigung - ohne anschließende Pressekonferenzen. Viele offizielle Gespräche dauerten auch maximal eine Stunde - wie will man in so begrenzter Zeit substanzielle Fortschritte erzielen?  Viele Gespräche, Ergebnisse lassen auf sich warten Zugegeben, es ist eine äußerst schwierige Gratwanderung: Den israelischen Ministern muss sie deutlich machen, dass Israel seine Kriegsführung in Gaza ändern müsse, ohne Israels Regierung damit vor den Kopf zu stoßen. In Ägypten muss sie ihrem Amtskollegen erklären, warum Deutschland so unumstößlich an der Seite Israels stehe. Und im Libanon stehen zwar Regierungsgespräche auf dem Programm - die Entscheidung über Krieg und Frieden an der Grenze zu Israel treffen aber die radikalislamische Hisbollah und deren Unterstützer im Iran.  Außer Worten hat die deutsche Chefdiplomatin kaum Druckmittel. Baerbock verfolgt dennoch das Konzept: Viel hilft viel. Es reicht ihrer Ansicht nach nicht, wenn sich nur die USA, Israels engster Verbündeter, deeskalierend engagieren. Deutschland, das in Israel nach wie vor einen guten Ruf hat, ist hier eine wichtige Größe. Das spricht für Baerbocks Ansatz, trotz auswegloser Lage nichts unversucht zu lassen, eine Eskalation der Konflikte zu verhindern - und vielleicht in kleinen Schritten zu einer neuen humanitären Feuerpause in Gaza zu kommen.  Ergebnisse lassen allerdings bislang auf sich warten.
/ausland/asien/libanon-baerbock-nahost-reise-100.html
2024-01-10
Bald rollen nur noch E-Autos vom Band
BMW-Stammwerk in München
BMW will in sein Münchner Stammwerk bald nur noch E-Autos produzieren. Damit das Werk bei laufendem Betrieb umgebaut werden kann, investiert der Konzern mehrere Hundert Millionen Euro.
BMW will in sein Münchner Stammwerk bald nur noch E-Autos produzieren. Damit das Werk bei laufendem Betrieb umgebaut werden kann, investiert der Konzern mehrere Hundert Millionen Euro. BMW will sein Münchner Stammwerk komplett für die Produktion von E-Autos umbauen. "Wir investieren hier 650 Millionen Euro und werden damit bereits ab Ende 2027 ausschließlich vollelektrische Fahrzeuge in unserem Stammwerk produzieren", sagte Produktionsvorstand Milan Nedeljkovic heute. Damit gehe 75 Jahre nach der Einführung des BMW 501 die Ära von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren zu Ende. Derzeit laufen in München täglich fast 1.000 Autos vom Band, darunter der BMW 3er und der vollelektrische i4 - alle auf der gleichen Produktionslinie. 2026 soll im Stammwerk die Produktion von Autos auf der neuen Elektro-Plattform Neue Klasse anlaufen. Ein Jahr später soll das Werk dann als erster BMW-Standort vom Verbrenner vollständig auf Batterieautos (BEV) umsteigen. Umbau bei laufenden Betrieb Mit der Investition von 650 Millionen Euro soll eine neue Fahrzeugmontage samt Logistikflächen und ein neuer Karosseriebau gebaut werden. Um den Platz dafür im Werk mitten in München zu schaffen, wurde die Motorenfertigung nach Hams-Hall in England und Steyr in Österreich verlagert. 1.200 Mitarbeiter wurden umgeschult oder versetzt. Der Umbau erfolgt nach Angaben des Konzerns bei laufendem Betrieb. Allein im vergangenen Jahr brachte BMW laut Nedeljkovic sechs neue vollelektrische Modelle auf den Markt. So wolle der Konzern die "Zukunft gestalten", sagte der Produktionsvorstand. Erst gestern vermeldete der Konzern einen deutlichen Zuwachs bei der Nachfrage nach Elektroautos: 2023 konnte BMW 330.596 E-Autos an Kunden übergeben - ein Plus von 92,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Allein im vierten Quartal waren es 113.458. 500.000 E-Autos sollen 2024 ausgeliefert werden Der Anteil der Elektroautos bei BMW am Gesamtabsatz lag 2023 bei 15 Prozent und soll im laufenden Jahr auf ein Fünftel steigen. "Wir sehen eine weiterhin hohe Nachfrage nach unseren vollelektrischen Produkten", erklärte BMW-Vorstandsmitglied Jochen Goller. Für 2024 strebe der Konzern einen Absatz von mehr als einer halben Million vollelektrischer Fahrzeuge an. An der Börse reagierten die Anleger verhalten, die Aktie gab kurz nach der Ankündigung leicht nach. Am Nachmittag notierte sie mit 0,3 Prozent minimal im Minus bei 100,48 Euro.
/wirtschaft/unternehmen/bmw-e-autos-100.html
2024-01-10
"Kristallklar ehrliche Menschen"
Machtkampf in Polen
Polen steht vor einer Staatskrise: Nach der Verhaftung zweier verurteilter PiS-Politiker hat Präsident Duda die Behörden scharf kritisiert. Er werde für ihre Freilassung kämpfen. Der Machtkampf mit Regierungschef Tusk eskaliert.
Polen steht vor einer Staatskrise: Nach der Verhaftung zweier verurteilter PiS-Politiker hat Präsident Duda die Behörden scharf kritisiert. Er werde für ihre Freilassung kämpfen. Der Machtkampf mit Regierungschef Tusk eskaliert. Der Konflikt in Polen zwischen der abgewählten nationalkonservativen PiS-Regierung und der neuen Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk könnte sich zu einer ernsthaften Staatskrise ausweiten. Nach der Verhaftung zweier rechtskräftig verurteilter PiS-Politiker im Präsidentenpalast meldete sich nun Präsident Andrzej Duda zu Wort. Er sei zutiefst schockiert über "den Eifer und die Brutalität, sowohl in juristischer, physischer und medialer Hinsicht", sagte Duda in Warschau. Er werde nicht eher ruhen, bis Ex-Innenminister Mariusz Kaminski und sein früherer Staatssekretär Maciej Wasik wieder freigelassen würden. Beide seien "kristallklar ehrliche Menschen". Duda, der aus der PiS stammt, hatte Kaminski und Wasik am Dienstag im Präsidentenpalast empfangen, als die Polizei sie ins Gefängnis bringen sollte. Nach mehreren Stunden in dem Amtssitz wurden die PiS-Politiker dort gefasst und sind seitdem im Gefängnis. Zwei Jahre Haft wegen Amtsmissbrauchs Kaminski und Wasik waren im Dezember in einem Berufungsverfahren von einem Warschauer Bezirksgericht wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt worden und sollten ihre Strafe antreten. Duda hatte die beiden nach einem ersten Verfahren 2015 begnadigt. Das Oberste Gericht hatte diese Begnadigung aber für nicht rechtmäßig erklärt, da seinerzeit das Berufungsverfahren noch lief. Duda betonte nun erneut, nach seiner Auffassung sei die Begnadigung weiter gültig. Machtkampf eskaliert Der Fall veranschaulicht die Schwierigkeiten, auf die der neue Regierungschef Tusk mit seinen Bemühungen stößt, umstrittene Reformen der nationalistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) rückgängig zu machen. Die Europäische Union warf der damaligen Regierung unter anderem vor, die Unabhängigkeit der Justiz und damit die demokratische Gewaltenteilung auszuhebeln. Die Regierung Tusk amtiert seit Mitte Dezember - und seitdem liefern sich die abgewählte nationalkonservative PiS und die proeuropäische neue Regierung einen Machtkampf, der zusehends eskaliert. Eine eigentlich für heute geplante Parlamentssitzung wurde wegen der chaotischen Lage auf kommende Woche verschoben. "Sabotage der Verfassung" Tusk drohte Duda und dem PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, sie würden wegen "Sabotage der Verfassung" zur Verantwortung gezogen. Zuvor hatte der sichtlich aufgewühlte Ministerpräsident klare Worte an Duda gerichtet: "Herr Präsident, mein inständiger Appell zum Wohle des polnischen Staates: Sie müssen dieses Spektakel beenden. Es wird uns in eine sehr gefährliche Situation führen." Die Handlungen zielten auf die Fundamente des Staates. Tusk zitierte mit Blick auf das Verhalten des Präsidenten auch aus dem polnischen Strafgesetzbuch: "Wer ein Strafverfahren dadurch behindert oder vereitelt, dass er einem Straftäter hilft, sich der strafrechtlichen Verantwortung zu entziehen, (...) wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft." Bislang deutet allerdings wenig daraufhin, dass sich die politische Situation in dem EU- und NATO-Land beruhigt. Aus dem Gefängnis meldete sich einer der beiden Verurteilten PiS-Politiker zu Wort. Kaminski, einst Innenminister Polens, nannte sich selbst einen "politischen Gefangenen". Als solcher werde er in den Hungerstreik treten. Die stellvertretende Justizministerin der neuen Regierung, Maria Ejchart, reagierte umgehend und sagte, Kaminski sei kein politischer Gefangener. Duda kündigte an, er werde für die Freilassung Kaminskis kämpfen.
/ausland/europa/polen-duda-pis-100.html
2024-01-10
Deutschland genehmigt Waffenlieferungen an Saudi-Arabien
Bundesregierung
Die Bundesregierung hat Waffenlieferungen an Saudi-Arabien genehmigt. Regierungssprecher Hebestreit bestätigte einen "Spiegel"-Bericht, nach dem es um den Export von 150 Iris-T-Lenkflugkörpern geht. Damit kann der Kampfjet Eurofighter bewaffnet werden.
Die Bundesregierung hat Waffenlieferungen an Saudi-Arabien genehmigt. Regierungssprecher Hebestreit bestätigte einen "Spiegel"-Bericht, nach dem es um den Export von 150 Iris-T-Lenkflugkörper geht. Damit kann der Kampfjet Eurofighter bewaffnet werden. Die Bundesregierung liefert wieder Waffen an Saudi-Arabien. Wie der "Spiegel" zuerst berichtete, genehmigte der Bundessicherheitsrat Ende vergangenen Jahres den Export von 150 Luft-Luft-Lenkflugkörpern des Typs Iris-T. Regierungssprecher Steffen Hebestreit bestätigte dies in Berlin. Laut "Spiegel" geht dies aus einer Mitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums an den Wirtschaftsausschuss des Bundestags hervor. Nach dem Bericht hat der Bundessicherheitsrat Ende vergangenen Jahres den Export der Lenkflugkörper genehmigt. Dem Gremium gehören Kanzler Olaf Scholz (SPD) sowie weitere Minister an. Die Nachricht kommt kurz nach Aussagen aus der Bundesregierung, nach denen Saudi-Arabien wegen seiner Annäherung an Israel auf grünes Licht der Bundesregierung für die Lieferung von Eurofighter-Kampfjets hoffen darf. Entsprechende Äußerungen von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) haben die Rückendeckung des Bundeskanzlers. In Teilen ihrer eigenen Partei kamen Baerbocks Äußerungen dagegen weniger gut an. Verwiesen wurde auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien. Zum ersten Mal Waffenlieferung nach Riad seit 2018 Die Bundesregierung hat damit erstmals seit 2018 eine Waffenlieferung nach Riad genehmigt. Die damalige große Koalition hatte wegen der Beteiligung Saudi-Arabiens am Jemen-Krieg sowie am Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi einen Exportstopp für Rüstungsgüter verhängt. Allerdings gab es Ausnahmen: Ausgenommen waren Rüstungskomponenten aus Projekten mit Bündnispartnern, zu denen der vom britischen Unternehmen BAE Systems nach Saudi-Arabien exportierte Kampfjet Eurofighter zählt. Davon betreibt Saudi-Arabien 72 - und sie können mit den jetzt genehmigten Iris-T-Raketen bewaffnet werden. In seiner jüngsten Sitzung genehmigte der Bundessicherheitsrat vor Weihnachten nicht nur Raketen für Riad. Er gab laut "Spiegel" auch grünes Licht für ein U-Boot, das Israel bestellt hatte. Zudem erhält Pakistan drei Minenjagdboote aus Bundeswehrbeständen und Georgien 300 schultergestützte Panzerabwehrwaffen.
/inland/bundesregierung-waffenlieferung-saudi-arabien-100.html
2024-01-10
Streit um die Schwachstelle
Staatliches Hacking
Die Bundesregierung will regeln, welche Software-Lücken für Überwachung genutzt werden dürfen. Doch das sogenannte Schwachstellenmanagement lässt weiter auf sich warten. Aber wie wird der Staat eigentlich zum Hacker? Von F. Flade.
Die Bundesregierung will regeln, welche Software-Lücken für Überwachung genutzt werden dürfen. Doch das sogenannte Schwachstellenmanagement lässt weiter auf sich warten. Aber wie wird der Staat eigentlich zum Hacker? Von Florian Flade Vor einigen Wochen war es mal wieder so weit. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) warnte öffentlich vor einer Schwachstelle in einer Software eines australisch-amerikanischen Herstellers. "Die Schwachstelle CVE-2023-22518 (…) wird aktiv ausgenutzt", so die Cybersicherheitsbehörde. Angreifer von außen könnten so unbemerkt in das Programm eindringen, Nutzer sollten das Einfallstor daher schnellstmöglich mit einem Softwareupdate schließen. Es ist gesetzliche Aufgabe des BSI, staatliche Einrichtungen, Unternehmen und Bürger vor Schadprogrammen und Sicherheitslücken in Software zu warnen und somit die Netze in Deutschland sicherer zu machen. Doch innerhalb der hiesigen Behördenlandschaft sind längst nicht alle dafür, solche Schwachstellen zu melden, sobald sie entdeckt werden. Denn der Staat ist inzwischen selbst Hacker. Geheimdienste und Polizei nutzen Programmierfehler in IT-Systemen aus, um heimlich Überwachungssoftware, sogenannte "Staatstrojaner", auf Computer und Smartphones von Zielpersonen aufzuspielen. Um damit wiederum beispielsweise verschlüsselte Kommunikation über Chatprogramme wie WhatsApp oder Telegram überwachen zu können. Melden oder ausnutzen? Wie also soll der Staat mit den Schwachstellen, "Exploits" genannt, umgehen: Melden und damit schließen - oder offenhalten und selbst für Hackingoperationen ausnutzen? Die Diskussion darüber ist bereits einige Jahre alt. Die aktuelle Bundesregierung allerdings hat im Koalitionsvertrag versprochen, sich das Thema konkret vorzunehmen. Es solle, so die Ankündigung vor zwei Jahren, ein sogenanntes "Schwachstellenmanagement" eingeführt werden. "Die Ausnutzung von Schwachstellen von IT-Systemen steht in einem hochproblematischen Spannungsverhältnis zur IT-Sicherheit und den Bürgerrechten", heißt es im Koalitionsvertrag. "Der Staat wird daher keine Sicherheitslücken ankaufen oder offenhalten, sondern sich in einem Schwachstellenmanagement unter Federführung eines unabhängigeren Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik immer um die schnellstmögliche Schließung bemühen." Nach WDR-Informationen ist diesbezüglich allerdings bislang fast nichts passiert. Es gibt weiterhin kein Schwachstellenmanagement. Unter den Koalitionsparteien soll es unterschiedliche Vorstellungen dazu geben, wie ein solcher Prozess aussehen soll - und wie streng er tatsächlich sein muss. Abstimmung dauert an Mit den Grünen und der FDP gehören immerhin zwei Parteien der Regierung an, die weitreichende Überwachungsbefugnisse der Behörden eher skeptisch sehen. Den "Staatstrojaner" insbesondere für Nachrichtendienste haben sie lange Zeit abgelehnt. "Die Umsetzung des Vorhabens Einführung 'eines wirksamen Schwachstellenmanagements' aus dem Koalitionsvertrag (…) ist noch nicht abgeschlossen", teilte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums auf Anfrage mit. "Die Abstimmung zwischen den betroffenen Behörden bzw. den Ressorts zur konkreten Ausgestaltung und zur Umsetzung dauert an." Ein paar Mal hat sich die Arbeitsgruppe "AG BSI" der Koalitionäre im vergangenen Jahr getroffen. Auf der Agenda stand dabei die zukünftige Rolle der Cybersicherheitsbehörde BSI und auch die Frage, wie ein Schwachstellenmanagement aussehen kann. Doch ein formales Verfahren, welche Exploits geschlossen und welche von den Behörden ausgenutzt werden dürfen, wurde bis heute nicht etabliert. In der kommenden Woche tagt die AG erneut. Dann wird es wohl auch wieder um den Interessenskonflikt zwischen Sicherheitsbehörden wie dem Bundeskriminalamt (BKA) oder dem Bundesnachrichtendienst (BND) einerseits, und der Cybersicherheitsbehörde BSI andererseits gehen. Die Polizeibehörden und die Nachrichtendienste sollen Terroranschläge verhindern, Straftaten aufklären, und Informationen aus Kriegs- und Krisengebieten beschaffen. Dazu, so heißt es aus den Behörden, sind zunehmend die sogenannten "Staatstrojaner" notwendig. Bislang verhältnismäßig selten durchgeführt Nach einer Änderung der Strafprozessordnung im Jahr 2017 darf die deutsche Polizei solche Programme mittlerweile nicht nur bei der Gefahrenabwehr einsetzen, sondern nach gerichtlicher Anordnung auch bei Ermittlungen zu bestimmten Straftaten. Solche Maßnahmen wurden allerdings bislang verhältnismäßig selten durchgeführt, es werden jedoch mehr. Aktuelle Zahlen gibt es dazu zwar nicht, das Bundesamt für Justiz hat jedoch Statistiken die früheren Jahre veröffentlicht: So bekamen Ermittler bundesweit im Jahr 2020 48 Mal die Erlaubnis zum Einsatz solcher Spähprogramme. 2021 gab es 55 Anordnungen, wobei 35 Überwachungsmaßnahmen dann auch tatsächlich stattgefunden haben sollen. Zum Vergleich: 2021 gab es 17.225 Anordnungen zur regulären Telefonüberwachung. Einsatz bei Ermittlungen gegen Reichsbürger-Netzwerk Nach WDR-Recherchen setzten die BKA-Ermittler gleich mehrfach sogenannte Staatstrojaner im Verfahren gegen das Reichsbürger-Netzwerk um den Frankfurter Geschäftsmann Heinrich XIII. Prinz Reuß und die frühere Berliner AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann ein. Die Ermittler installierten die Überwachungssoftware beispielsweise am 31. Oktober 2022, um 10:07 Uhr, heimlich auf dem Mobiltelefon von Reuß. Danach leiteten sie rund einen Monat lang Daten von dem Gerät aus, darunter Telegram-Chats. Bei der dabei eingesetzten Software soll es sich nach WDR-Recherchen um das Überwachungsprogramm eines israelischen Herstellers gehandelt haben, das vor einigen Jahren vom BKA erworben wurde. Das BKA wollte sich auf Anfrage dazu "aus einsatztaktischen Gründen" nicht äußern. Der Praxisfall verdeutlicht, warum die Debatte um ein Schwachstellenmanagement stellenweise einer Phantomdiskussion gleicht: Das BKA hat zwar in jahrelanger Entwicklungsarbeit auch selbst "Staatstrojaner" programmiert, diese genügen allerdings oft nicht den Ansprüchen der Ermittler. Dass deutsche Behörden nützliche Schwachstellen selbst entdecken, ist eher die Ausnahme. Vor allem kommerzielle Werkzeuge eingesetzt Um Schwachstellen von darauf spezialisierten Händlern einzukaufen, fehlt den Behörden wiederum oft das nötige Geld. Denn das Wissen um die wirklich brauchbaren Lücken ist sehr teuer. Daher werden vor allem kommerzielle Werkzeuge eingesetzt. Welche Schwachstellen diese eingekauften Trojaner genau ausnutzen, das weiß in aller Regel nur der Hersteller selbst. Es sind oft gut gehütete Geschäftsgeheimnisse. Die Firmen dürften wenig Interesse daran haben, diese Funktionsweisen ihrer Produkte offenzulegen - insbesondere, wenn dies bedeuten könnte, dass künftig im Zuge eines Schwachstellenmanagements in Deutschland entschieden wird, vor genau diesen Schwachstellen öffentlich zu warnen.
/investigativ/wdr/ueberwachung-software-bundesregierung-100.html