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2023-04-02 | Konservative erklären Wahlsieg | Finnland | In Finnland haben sich die Konservativen zum Wahlsieger erklärt. Nach Auszählung fast aller Stimmen liegen sie vor den Rechtspopulisten und den regierenden Sozialdemokraten um Ministerpräsidentin Marin in Führung. Marin räumte die Wahlniederlage bereits ein.
mehr | In Finnland haben sich die Konservativen zum Wahlsieger erklärt. Nach Auszählung fast aller Stimmen liegen sie vor den Rechtspopulisten und den regierenden Sozialdemokraten um Ministerpräsidentin Marin in Führung. Marin räumte die Wahlniederlage bereits ein. Bei der Parlamentswahl in Finnland hat sich der Parteichef der konservativen Nationalen Sammlungspartei, Petteri Orpo, zum Wahlsieger erklärt. Seine Partei war beim Auszählungsstand von mehr als 99 Prozent stärkste Kraft mit 20,8 Prozent. "Wisst ihr was? Das war ein großer Sieg", sagte Orpo in Helsinki vor jubelnden Parteianhängern. "Mit diesem Ergebnis beginnen wir mit dem Aufbau einer neuen Regierung für Finnland." Auf Platz zwei lagen kurz vor Ende der Auszählung die Rechtspopulisten mit 20 Prozent. Die regierenden Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Sanna Marin lagen bei 19,9 Prozent - die Parteichefin erkannte die Wahlniederlage an. "Glückwünsche an den Wahlsieger", sagte sie bei einer Rede vor Anhängern. "Die Demokratie hat gesprochen." Ein vorläufiges Endergebnis wird am späten Abend oder in der Nacht zu Montag erwartet. Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten? In Finnland erhält traditionell der Chef oder die Chefin der stärksten Kraft als erstes die Gelegenheit, eine Regierung zu bilden. Wahrscheinlich dürften die Koalitionsverhandlungen länger dauern, da jede Partei noch mindestens zwei weitere Koalitionspartner braucht, um eine Mehrheit im Parlament zu bekommen. Anders als die Sozialdemokraten unter Marin haben die Konservativen unter Parteichef Petteri Orpo eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten nicht ausgeschlossen. Wie der finnische öffentlich-rechtliche Sender YLE berichtete, dürften die Koalitionsverhandlungen für Orpo schwierig werden. Von den Sozialdemokraten trennen seine Partei unterschiedliche Vorstellungen zur Haushaltspolitik und Staatsverschuldung, von den Rechtspopulisten deren Haltung zu Einwanderung und der EU. NATO-Beitritt kaum Thema im Wahlkampf Im Wahlkampf spielten vor allem die Staatsfinanzen eine Rolle - Kritiker werfen Marin vor, die Staatsschulden in die Höhe getrieben zu haben. In ihre Amtszeit fielen die Corona-Pandemie und die Energiekrise nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Der NATO-Beitritt Finnlands, der in wenigen Tagen offiziell vollzogen wird, war dagegen kaum ein Thema. | /ausland/europa/finnland-konservative-wahlsieg-101.html |
2023-04-02 | ++ Schwere Kämpfe im Osten des Landes ++ | Krieg gegen die Ukraine | Russische Angreifer und ukrainische Verteidiger liefern sich im Osten der Ukraine erneut schwere Kämpfe. Nach Einschätzung von US-Experten ist die russische Winteroffensive im Donbass gescheitert. Die Entwicklungen vom Sonntag zum Nachlesen.
mehr | Russische Angreifer und ukrainische Verteidiger liefern sich im Osten der Ukraine erneut schwere Kämpfe. Nach Einschätzung von US-Experten ist die russische Winteroffensive im Donbass gescheitert. Die Entwicklungen vom Sonntag zum Nachlesen. Russischer Militärblogger bei Explosion in St. Petersburg getötet Polen zu stärkerer nuklearer Abschreckung bereitUkrainischer Botschafter nennt Friedensappell zynischSelenskyj kritisiert UN-Sicherheitsrat für russischen Vorsitz Ende des Liveblogs Für heute beenden wir den Liveblog zum Krieg gegen die Ukraine. Herzlichen Dank für Ihr Interesse. Atomwaffen in Belarus sollen an Grenze zu Polen Russland will die zur Stationierung in Belarus angekündigten taktischen Atomwaffen an der Grenze zu Polen aufstellen. Das kündigte Moskaus Botschafter in Minsk, Boris Gryslow, an. Bis 1. Juli sollten die benötigten Bunker für die Lagerung der Waffen fertiggestellt sein. "Dies wird trotz des Lärms in Europa und den USA geschehen", sagte Gryslow, ehemaliger russischer Innenminister und Vorsitzender der Duma, nach Angaben der Agentur Belta. Er bewertete es als positiv, dass die beabsichtigte Stationierung der Atomwaffen in Belarus bereits "eine Menge Lärm" in westlichen Medien verursache. Selenskyj: Sieg ist der einzige Weg zur Sicherheit Nach einer Serie russischer Angriffe auf ukrainische Städte mit neuen zivilen Opfern sieht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einen militärischen Sieg seines Landes als "einzigen Weg" zur Sicherheit. "Es gibt nur einen Weg, den russischen Terror zu stoppen und die Sicherheit in all unseren Städten und Gemeinden wiederherzustellen - von Sumy bis zum Donbass, von Charkiw bis Cherson, von Kiew bis Jalta, und dieser Weg ist der militärische Sieg der Ukraine", sagte Selenskyj heute in seiner allabendlichen Videoansprache. Es gebe keinen anderen Weg, und es könne keinen anderen Weg geben. Russland müsse vollständig besiegt werden - militärisch, wirtschaftlich, politisch und rechtlich. "Der erste Punkt ist der militärische", sagte Selenskyj. Und der werde auch umgesetzt. Kiew: Schwere Kämpfe im Osten der Ukraine Russische Angreifer und ukrainische Verteidiger haben sich heute erneut schwere Kämpfe im Osten der Ukraine geliefert. Im Mittelpunkt der Gefechte lagen einmal mehr die Ortschaften Liman, Bachmut, Awdijiwka und Marjinka, wie der Generalstab in Kiew in seinem täglichen Lagebericht mitteilte. Insgesamt seien im Laufe des Tages rund 50 russische Angriffe abgewehrt worden. In Bachmut sei die Lage weiterhin "sehr angespannt", schrieb Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar auf Facebook. Der Gegner setze dort neben den Angehörigen der berüchtigten Söldnertruppe Wagner inzwischen auch Fallschirmjägereinheiten ein. "Der Feind lässt sich durch die exorbitanten Verluste an Personal nicht abschrecken, die Entscheidungen werden emotional getroffen." Die Reaktion der ukrainischen Verteidiger erfolge "kompetent und unter Berücksichtigung aller Umstände, Aufgaben und des Grundsatzes der militärischen Zweckmäßigkeit", betonte Maljar. "Wir vertrauen auf unser Militär." Russischer Militärblogger bei Explosion in St. Petersburg getötet Ein russischer Kriegsberichterstatter ist bei einer Explosion in einem Café in Sankt Petersburg ums Leben gekommen. Weitere 15 Menschen seien bei der Detonation des Sprengsatzes verletzt worden, wie die Staatsagentur Tass weiter berichtete. Der 40-jährige Journalist und Blogger mit dem Pseudonym Wladlen Tatarskij, der aus dem Donbass in der Ostukraine stammt, sei auf der Stelle tot gewesen. Tatarskij, dessen richtiger Name Maxim Fomin lautet, hatte nach offiziell unbestätigten Medienberichten am Sonntag zu einem "patriotischen Abend" in das Café im Zentrum von Sankt Petersburg eingeladen, das nach Medienberichten Jewgeni Prigoschin, dem Chef der Söldnertruppe Wagner gehören soll. Über die Hintergründe der Explosion gab es zunächst keine offiziellen Angaben. Offenbar Telefonat zwischen Blinken und Lawrow Die Außenminister Russlands und der USA, Sergej Lawrow und Antony Blinken, haben offenbar telefoniert. Das Gespräch habe sich laut der Nachrichtenagentur Reuters auch um die Festnahme des US-Journalisten Evan Gershkovich gedreht. Blinken habe sich laut Angaben des US-Außenministeriums sehr besorgt über die Festnahme gezeigt und die sofortige Freilassung Gershkovichs gefordert. Lawrow habe hingegen davor gewarnt, den Fall zu politisieren. Das sei "inakzeptabel". Über das Schicksal Gershkovichs werde ein Gericht entscheiden. Gegen den Reporter des "Wall Street Journal" war am Donnerstag unter dem Vorwurf der Spionage ein Haftbefehl erlassen worden. Ukraine legt Zwölf-Punkte-Plan für Krim vor Der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats der Ukraine, Olexij Danilow, hat einen Zwölf-Punkte-Plan zur "Befreiung" der von Russland 2014 annektierten Halbinsel Krim vorgelegt. So solle als Teil der "De-Okkupation" etwa die Krim-Brücke zum russischen Kernland abgerissen werden, teilte Danilow bei Facebook mit. Die Staatsdiener auf der Krim, die sich bei der Annexion mit den russischen Besatzern eingelassen hätten, würden einer "Säuberung" unterzogen nach dem Vorbild der Entnazifizierung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, meinte Danilow. Kollaborateure und Verräter des ukrainischen Staates sollten in Strafverfahren zur Rechenschaft gezogen werden, heißt es etwa in Schritt zwei des Plans. Besonders erwähnte Danilow auch Richter, Staatsanwälte, Angehörige der Sicherheitsorgane, die sich 2014 auf die Seite Russlands geschlagen hätten. Russen, die sich nach Februar 2014, auf der Krim niedergelassen haben, sollen vertrieben werden. Grundstückskäufe und andere Verträge würden annulliert. Des Weiteren sollen politische Gefangenen, darunter viele Krim-Tataren, umgehend freigelassen werden. Russland hatte immer wieder gedroht, die Krim mit allen Mitteln zu verteidigen. Zudem warnte Moskau den Westen, Kiew nicht mit Waffenlieferungen zu einer Rückeroberung der Krim zu animieren. Selenskyj würdigt Widerstandskraft der Ukrainer Zum Jahrestag der Vertreibung der russischen Truppen aus der Umgebung von Kiew hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Widerstandskraft seiner Landsleute gewürdigt. "Ihr habt die größte Gewalt gegen die Menschlichkeit unserer Zeit aufgehalten", schrieb er heute auf Telegram. Zugleich veröffentlicht er Fotos der Gegend rund um Kiew nach dem russischen Rückzug vor einem Jahr. "Wir werden unser gesamtes Gebiet befreien", zeigte sich Selenskyj überzeugt. "Wir werden die ukrainische Flagge wieder in all unseren Städten und all unseren Dörfern wehen lassen." Derweil schwor der ukrainische Armeechef seine Landsleute auf weitere Kämpfe ein. "Wir werden weiter für die Unabhängigkeit unserer Nation kämpfen", schrieb Walerij Saluschnyj auf Telegram. Derzeit hält Russland gut 18 Prozent des ukrainischen Territoriums besetzt. Russische Streitkräfte hatten sich vor einem Jahr aus der Gegend rund um Kiew zurückgezogen. US-Institut: Russische Winteroffensive im Donbass gescheitert Russland ist nach Einschätzung westlicher Militärexperten mit seiner Winteroffensive in der Ostukraine gescheitert. Die gesteckten Ziele einer vollständigen Einnahme der Gebiete Donezk und Luhansk seien nicht erreicht worden, schrieb das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) in Washington. Die Analysten erwarten demnach einen baldigen neuen Umbau der russischen Kommandostrukturen für den Krieg gegen die Ukraine. Der erst im Januar als Befehlshaber der Truppen im Kriegsgebiet eingesetzte Generalstabschef Waleri Gerassimow habe die Erwartungen von Kremlchef Wladimir Putin nicht erfüllt, hieß es. Er könne kaum Gebietsgewinne vorweisen. Putin hatte bereits mehrfach die Kommandeure ausgewechselt. Laut ISW galt für Gerassimow der 31. März als Zieldatum, den kompletten Donbass einzunehmen. Das Scheitern begründen die Experten mit fehlender Kampfkraft der russischen Truppen. Im Gebiet Donezk konzentrierten sich die seit Monaten dauernden Kämpfe weiter auf die strategische Stadt Bachmut. Aus Sicht russischer Militärblogger müssten Moskaus Streitkräfte Bachmut und Awdijiwka einnehmen, um auf die im April erwartete Frühjahrsoffensive der ukrainischen Streitkräfte vorbereitet zu sein. Bericht: Drei Tote nach russischem Angriff in Donezk Dem ukrainischen Nachrichtenportal "Kyiv Independent" zufolge sind bei einem russischen Angriff in Kostjantyniwka im Oblast Donezk drei Zivilisten getötet und sechs verletzt worden. Auf Twitter veröffentlichte das Portal Fotos von der Einschlagstelle. ⚡️ Russia attacks Kostiantynivka in Donetsk Oblast on the morning of April 2.Three civilians were killed and six injured, according to Donetsk Oblast Governor Pavlo Kyrylenko.📷 Governor Pavlo Kyrylenko https://t.co/APBO6s9Pn6 London: Alkohol ein Grund für russische Verluste Die britische Regierung hält den Konsum von Alkohol für einen der Gründe hinter der hohen Opferzahl der russischen Streitkräfte in der Ukraine. Russland habe seit Beginn des Angriffskriegs vor gut einem Jahr durch Verletzungen oder Tod bis zu 200.000 Streitkräfte verloren. Eine große Zahl davon sei aber auf andere Ursachen als die eigentlichen Kampfhandlungen zurückzuführen, erklärte das britische Verteidigungsministerium unter Berufung auf Erkenntnisse des Geheimdienstes. "Russische Kommandeure betrachten den verbreiteten Alkoholmissbrauch wohl als besonders abträglich für die Effektivität der Kampfhandlungen", hieß es weiter. Anfang der Woche habe sei auf einem Telegram-Kanal davon berichtet worden, dass es eine "extrem hohe" Anzahl an Vorfällen, Straftaten und Todesfällen im Zusammenhang mit Alkoholkonsum unter den Streitkräften gebe, schrieben die Briten. Starkes Trinken sei in der russischen Gesellschaft weit verbreitet und als ein stillschweigend akzeptierter Teil des militärischen Lebens akzeptiert worden, auch bei Kampfeinsätzen. Zu den weiteren Hauptursachen für nicht-kampfbedingte Verluste zählten vermutlich auch eine schlechte Ausbildung an den Waffen, Verkehrsunfälle und auf die klimatischen Bedingungen zurückzuführende Ursachen wie Unterkühlung. Polen zu stärkerer nuklearer Abschreckung bereit Polen kann sich vorstellen, sich stärker an der nuklearen Abschreckung der NATO zu beteiligen. "Polen wäre potenziell bereit, seine Beteiligung und Zusammenarbeit im Rahmen der nuklearen Abschreckung der NATO auszuweiten und Verantwortung zu übernehmen", sagte der Sicherheitsberater des polnischen Präsidenten Andrzej Duda, Jacek Siewiera, der Nachrichtenagentur dpa. Die Stationierung von Atomwaffen in Polen sei aber etwas anderes, fügte er hinzu. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte angekündigt, Atomwaffen in Belarus stationieren zu wollen. Die USA lagern Atomwaffen in mehreren europäischen Ländern, darunter Deutschland. Auf dem Fliegerhorst Büchel in der rheinland-pfälzischen Eifel sollen noch bis zu 20 Bomben stationiert sein. Dort stehen auch Tornado-Kampfjets, die die Waffen im Ernstfall einsetzen sollen. Mit diesem "nukleare Teilhabe" genannten Konzept können andere NATO-Staaten im Kriegsfall Nuklearwaffen unter US-amerikanischer Kontrolle einsetzen. Polen ist bislang nur an Beratungen darüber beteiligt, etwa in der Nuklearen Planungsgruppe der NATO, die streng geheim tagt. Wie genau er sich eine stärke Beteiligung vorstellt, sagte Siewiera nicht. Er verwies aber darauf, dass zur nuklearen Teilhabe auch Flugzeuge gehörten, die "spezielle Waffen" tragen könnten. Südafrikanischer ANC zu Besuch bei Putin-Partei in Moskau Hochrangige Vertreter der südafrikanischen Regierungspartei ANC wollen nach eigenen Angaben bei einem Besuch in Russland die Freundschaft mit der Partei "Einiges Russland" von Präsident Wladimir Putin festigen. Bei den Gesprächen in Moskau gehe es unter anderem um die "Neuausrichtung der globalen Ordnung", die das Ziel habe, "die Folgen des Neokolonialismus und der zuvor vorherrschenden unipolaren Welt umzukehren", erklärte der ANC. Südafrika zählt zu den Staaten im globalen Süden, die Russland am nächsten stehen. Moskau versucht seit Jahren, seine politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu afrikanischen Staaten zu stärken. Am Freitag unterzeichnete Präsident Putin eine neue außenpolitische Strategie, in der die "Beseitigung der Dominanz" des Westens als Schwerpunkt genannt wird. Südafrika hat sich seinerseits bisher stets geweigert, den Überfall Russlands auf die Ukraine zu verurteilen. Die Regierung in Pretoria erklärte, sie wolle neutral bleiben und ziehe Verhandlungen zur Beendigung des Krieges vor. Die Reise sollte am Sonntag zu Ende gehen. Ukrainischer Botschafter nennt Friedensappell zynisch Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev hat den Aufruf ehemaliger hochrangiger SPD-Politiker und Gewerkschafter zu Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine scharf kritisiert. "Dieser Friedensappell ist kein Aprilscherz. Das ist ein purer Zynismus gegenüber den zahlreichen Opfern der russischen Aggression", sagte Makeiev der Nachrichtenagentur dpa. Er habe nur eines zum Ziel: "Die Verbrechen Russlands und dementsprechend die Verantwortung des russischen Regimes zu verschleiern." Der Appell mit dem Titel "Frieden schaffen!" wurde von dem Historiker Peter Brandt, einem Sohn des ehemaligen Kanzlers Willy Brandt, zusammen mit dem früheren Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Reiner Hoffmann, und dem Ex-SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Müller initiiert. Darin wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgerufen, zusammen mit Frankreich die Länder Brasilien, China, Indien und Indonesien für eine Vermittlung zu gewinnen, um schnell einen Waffenstillstand zu erreichen. "Wall Street Journal" fordert Freilassung von Reporter Die Zeitung "Wall Street Journal" fordert die sofortige Freilassung ihres Russland-Korrespondenten Evan Gershkovich. "Evans Fall ist ein Schlag gegen die freie Presse und sollte alle freien Menschen und Regierungen auf der Welt alarmieren", schrieb die Zeitung in einem Statement. Der 31-Jährige war in Russland vom Inlandsgeheimdienst FSB unter dem Vorwurf der Spionage verhaftet worden. Gershkovich ist US-Bürger und berichtet seit 2017 über Russland. In den vergangenen Monaten deckte der 31-Jährige vor allem russische Politik und den Ukraine-Konflikt ab. Selenskyj kritisiert UN-Sicherheitsrat für russischen Vorsitz Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den UN-Sicherheitsrat dafür kritisiert, Russland turnusmäßig die Präsidentschaft des Gremiums übernehmen zu lassen. Die 15 Mitglieder des Weltsicherheitsrats haben jeweils für einen Monat den Vorsitz inne. Selenskyj sagte, in der ukrainischen Stadt Adijiwka sei am Freitag ein fünf Monate alter Junge bei russischem Artilleriebeschuss getötet worden - "einem von Hunderten Artillerieangriffen" täglich. Dass Russland nun den Vorsitz des Sicherheitsrats übernehme, "beweist den völligen Bankrott solcher Institutionen". Der Liveblog vom Samstag zum Nachlesen | /newsticker/liveblog-ukraine-sonntag-285.html |
2023-04-02 | Habeck verspricht sozialen Ausgleich | Gebäudeenergiegesetz ab 2024 | Wie die Förderoptionen für Hausbesitzer im neuen Gebäudeenergiegesetz aussehen sollen, ist weiter unklar. Wirtschaftsminister Habeck bekräftigte im Bericht aus Berlin aber, dass niemand beim Austausch seiner Heizung überfordert werde.
mehr | Wie die Förderoptionen für Hausbesitzer im neuen Gebäudeenergiegesetz aussehen sollen, ist weiter unklar. Wirtschaftsminister Habeck bekräftigte im Bericht aus Berlin aber, dass niemand beim Austausch seiner Heizung überfordert werde. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat im Bericht aus Berlin bekräftigt, dass die geplanten Regeln zur "Heizwende" niemanden überfordern werden. Soziale Härten sollen demnach über Förderungen ausgeglichen werden - die Ampelkoalition verhandelt aber noch, wie dies genau aussehen soll. "Meine Vorstellung ist, dass wir - wie es auch im Koalitionsausschuss vereinbart wurde - einen sozialen Ausgleich schaffen", sagte der Grünen-Politiker. Wer wenig Geld habe und eine neue, teurere Heizung einbauen müsse, solle dabei "angemessen gefördert" werden. "Das heißt, dass die Wärmepumpen, solange sie noch teurer sind, auf den Preis einer Gasheizung runtergebracht werden." Wie genau das aussehen soll, ist aber noch nicht klar. Während sich die Ampelkoalition in dieser Woche geeinigt hatte, welche Regeln, Ausnahmen und Fristen für den Austausch fossil-betriebener Heizungsanlagen gelten sollen, muss über die Förderungen dafür weiter verhandelt werden. Mehrere Förderansätze denkbar "Es gibt in der Tat verschiedene Möglichkeiten", sagte Habeck. "Man könnte es am Einkommen direkt ausrichten. Man könnte die Beträge, wie immer sie bemessen werden, versteuern, so dass dann die Besserverdienenden das Gleiche bekommen, aber einen Teil zurückgeben müssen." So würde die soziale Förderung des Steuersystems greifen. Zuletzt gab es aus der FDP Überlegungen, das Alter der auszutauschen Heizungsanlage heranzuziehen. Der Grundgedanke: Menschen mit wenig Geld hätten vermutlich auch eine alte Heizungsanlage. Hierbei blieb Habeck zurückhaltend: "Es gibt sicherlich einen Zusammenhang mit dem Alter der Geräte und der sozialen Frage, aber ob das eins zu eins so aufgeht, das werden wir uns jetzt sehr genau anschauen." Bis wann die Bürgerinnen und Bürger mit Klarheit über das künftige Fördersystem rechnen können, sagte Habeck nicht. Soziale Ausnahmen beim Heizungstausch Er betonte auch, dass es beim Austausch von Heizungsanlagen eine Reihe von Ausnahmen gebe, um dies sozial verträglich zu gestalten. So seien neben Menschen über 80 Jahren auch Bezieher von Sozialleistungen wie Bürger- oder Wohngeld ausgenommen. Außerdem müsse niemand eine funktionierende Öl- oder Gasheizung ausbauen. Die neuen Regeln beziehen sich nur auf neu eingebaute Heizungsanlagen. "Und das - kombiniert mit der sozialen Staffelung - führt dann dazu, dass niemand überfordert wird", sagte Habeck. Habeck bei Wasserstoff zum Heizen skeptisch Bei der sogenannten "Technologieoffenheit" des Gesetzes - dass es also keine Pflicht zur Wärmepumpe gibt, sondern auch andere klimaneutrale Technologien möglich sind - zeigte sich Habeck skeptisch, dass sich etwa Wasserstoff durchsetzen werde. "Die Produktion von Wasserstoff allein ist im Moment noch sehr teuer und das heißt, selbst wenn er verfügbar wäre, glaube ich nicht, dass das ein Modell für alle, für die breite Masse Deutschlands ist." Wenn es Regionen gebe, wo dies funktioniere, oder sich die Technik besser als erwartet entwickele, sei er "der Letzte, der was dagegen hat. Ich glaube da nicht wirklich dran, aber bitte." | /inland/foerderung-heizung-habeck-101.html |
2023-04-02 | Handschlag in Peking | Chinesisch-japanische Beziehungen | Erstmals seit drei Jahren sind die Außenminister aus Japan und China zu Gesprächen zusammengekommen. Es ging nicht um konkrete Beschlüsse. Man wolle "Schwierigkeiten überwinden", hieß es nach den Treffen in Peking.
mehr | Erstmals seit drei Jahren sind die Außenminister aus Japan und China zu Gesprächen zusammengekommen. Es ging nicht um konkrete Beschlüsse. Man wolle "Schwierigkeiten überwinden", hieß es nach den Treffen in Peking. Japan und China wollen ihre Zusammenarbeit wieder verbessern: Beim ersten Treffen der Außenminister beider Länder seit drei Jahren äußerten Yoshimasa Hayashi und sein neuer chinesischer Amtskollege Qin Gang die Hoffnung, Schwierigkeiten überwinden und stabile Beziehungen aufbauen zu können. Qin Gang forderte Japan zu einem "korrekten Verständnis von China" auf. Die Visite von Hayashi war der erste Besuch eines japanischen Außenministers in China seit Ende 2019. Es war auch das erste persönliche Gespräch zwischen den Außenministern beider Länder seit 2020. China kritisiert Japans Nähe zu den USA Das Verhältnis zwischen den ostasiatischen Ländern ist angespannt. Japan betrachtet China zunehmend als Bedrohung und ist seit Jahrzehnten eng mit den USA verbunden. Peking, das seine Beziehungen zu Russland ausbaut, kritisiert das japanisch-amerikanische Bündnis. "Angesichts von Widersprüchen und Differenzen helfen Blockbildung, Geschrei und Druck nicht, die Probleme zu lösen, sondern werden nur die Entfremdung vertiefen", sagte Qin Gang bei dem Treffen. Angesichts des bevorstehenden G7-Gipfels im japanischen Hiroshima im Mai und die gegenwärtige G7-Präsidentschaft Japans äußerte Qin Gang die Hoffnung, dass Japan "den Ton und die Richtung des Treffens richtig bestimmt". Die kommunistische Führung befürchtet, dass sich Beschlüsse des G7-Treffens auch gegen China richten könnten. Peking unterstellt den USA und seinen Verbündeten, den Aufstieg der zweitgrößten Volkswirtschaft in der Welt bremsen zu wollen. Spannungen im Ostchinesischen Meer Die Beziehungen sind auch wegen konkurrierender Territorialansprüche im Ostchinesischen Meer und des Ausbaus der japanischen Armee angespannt. In Tokio beobachtet man die chinesische Aufrüstung sowie Manöver und Raketentests argwöhnisch. Japaner wegen Spionagevorwürfen festgenommen Japans Außenminister protestierte in den Gesprächen auch gegen die Festnahme eines Mitarbeiters eines japanischen Pharmaunternehmens wegen Spionagevorwürfen in China und forderte seine umgehende Freilassung. Sein Amtskollege entgegnete, dass China mit dem Fall "gemäß dem Gesetz" umgehen werde. Hayashi forderte ein transparentes juristisches Verfahren für den Mitarbeiter und appellierte nach eigenen Angaben an seinen Gesprächspartner, für ein faires und sicheres Umfeld für Geschäfte in China zu sorgen. Vor einer Woche war der Beschäftigte von Astellas Pharma nach Angaben der Firma in Peking verhaftet worden. Nach einem Bericht der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo sind seit 2015 mindestens 16 weitere Japaner unter dem Vorwurf der Spionage in China festgenommen worden. Hayashi: China soll in Ukraine auf Frieden hinarbeiten Bei der Diskussion über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine forderte der japanische Außenminister, China solle eine "verantwortliche Rolle" spielen, um auf Frieden hinzuarbeiten, wie die Nachrichtenagentur Kyodo berichtete. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine arbeiten Russland und China enger zusammen. Während China von günstigen Energieimporten profitiert, versucht Moskau, die westlichen Sanktionen mit Einfuhren aus China auszugleichen. Die Regierung in Peking hat den russischen Einmarsch nie explizit verurteilt. | /ausland/asien/japan-china-treffen-aussenminister-101.html |
2023-04-02 | Russischer Militärblogger getötet | Bei Explosion in Sankt Petersburg | In Sankt Petersburg ist bei einer Explosion in einem zentral gelegenen Café der bekannte russische Militärblogger Tatarsky getötet worden, mindestens 25 weitere Gäste wurden verletzt. Das Café soll dem Chef der Söldnergruppe Wagner gehören.
mehr | In Sankt Petersburg ist bei einer Explosion in einem zentral gelegenen Café der bekannte russische Militärblogger Tatarsky getötet worden, mindestens 25 weitere Gäste wurden verletzt. Das Café soll dem Chef der Söldnergruppe Wagner gehören. Bei einer Explosion in einem Café der russischen Stadt Sankt Petersburg ist der prominente Militärblogger Wladlen Tatarsky getötet worden. Der Gouverneur der Stadt vermeldete im Onlinedienst Telegram zudem 25 Verletzte, von denen 19 ins Krankenhaus gebracht worden seien. Die Fassade des Gebäudes wurde bei der Explosion beschädigt. Über den Hintergrund ist noch nicht viel bekannt. Russische Medien und Militärblogger erklärten, Tatarsky habe in dem Café "Street Food Bar No. 1" im Zentrum Sankt Petersburgs an einem Treffen teilgenommen, das von einer patriotischen russischen Gruppe veranstaltet worden sein soll. Eine junge Frau habe ihm eine Statuette überreicht, diese explodierte offenbar kurze Zeit später. Nach der Frau werde gefahndet. Der 40-jährige Journalist und Blogger mit dem Pseudonym Wladlen Tatarsky, der aus dem Donbass in der Ostukraine stammt, sei nach der Explosion auf der Stelle tot gewesen. Der bekannte Militärblogger berichtete aus der Ukraine Die russische Nachrichtenagentur Tass berichtete, Tatarsky, dessen richtiger Name Maxim Fomin lautet, habe unter verschiedenen Pseudonymen Text- und Videoberichte sowohl aus der Ukraine als auch vom Kreml geliefert. Er soll mehr als 560.000 Anhänger auf Telegram gehabt haben. Tatarsky hatte ab 2014 zunächst als Aufständischer für die Unabhängigkeit des russisch kontrollierten Donbass gekämpft, ehe er sich dem Journalismus zuwandte. Er verbreitete in seinem Blog Videos vom Frontgeschehen in der Ukraine und gab zuletzt jungen russischen Soldaten Tipps, wie sie sich in den vordersten Linien verhalten sollten. Das russische Innenministerium erklärte, alle zum Zeitpunkt der Explosion in dem Café Anwesenden würden bezüglich einer möglichen Beteiligung überprüft. Das Café soll nach Medienberichten Jewgeni Prigoschin, dem Chef der berüchtigten Söldnertruppe Wagner, gehören. Selenskyjs Berater vermutet "innerrussische Opposition" Der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Mychajlo Podoljak, spekulierte, dass innerrussische Opposition gegen die Invasion des Kremls in die Ukraine für die Tat verantwortlich sei. "Spinnen fressen einander in einem Einmachglas auf", schrieb Podoljak auf Englisch auf Twitter. Die Frage, wann inländischer Terrorismus zum Instrument interner politischer Kämpfe werden würde, "war eine Frage der Zeit". It begins in RF... Spiders are eating each other in a jar. Question of when domestic terrorism would become an instrument of internal political fight was a matter of time, as breakthrough of ripe abscess. Irreversible processes and Troubles 2.0. await RF. While we will watch. Immer wieder Brände und Explosionen Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine im Februar 2022 kam es in Russland zu verschiedenen Bränden und Explosionen ohne klaren Bezug zu dem Konflikt. Bei einer Autobombenexplosion in Moskau war im August die Tochter des radikalen Ideologen Alexander Dugin gestorben. Die 29-jährige Darja Dugina war Philosophin und Publizistin. Sie war eine Unterstützerin des Angriffskriegs auf die Ukraine. | /ausland/europa/sankt-petersburg-explosion-blogger-101.html |
2023-04-01 | Wie der Staat die Haussanierung fördert | Neue Programme | Eine Immobilie energetisch zu sanieren oder modernisieren, soll sich wieder lohnen. Seit März gibt es neue Förderprogramme. Die wichtigsten Neuerungen und was sich für wen rechnet - ein Überblick. Von Hanna Heim. | Eine Immobilie energetisch zu sanieren oder modernisieren, soll sich wieder lohnen. Seit März gibt es neue Förderprogramme. Die wichtigsten Neuerungen und was sich für wen rechnet - ein Überblick. Noch sind die Stufen zu Andreas Halboths Haus ein bisschen rutschig. Der Regenguss ist gerade erst vorüber. Aber den Architekten und Energieberater aus Franken freut das, denn unter seinem Holzhaus befindet sich eine Regenwasser-Zisterne. "Das Haus ist 1996 gebaut worden", erzählt er mit einigem Stolz. "Und es übertrifft noch immer den jetzigen Energiestandard." Halboth ist jemand, der seinen Job mit Leidenschaft macht - entsprechend leidenschaftlich spricht er auch über energieeffiziente Immobilien. Und natürlich kennt er sich gut mit den neuen Fördermöglichkeiten vom Bund aus. Allerdings schickt er eines vorweg: "Wer sich von mir beraten lässt, um Fördergelder abzugreifen, und nicht, um wirklich Energie zu sparen, den lasse ich auch mal auflaufen." Komplettsanierung oder Einzelmaßnahmen Trotzdem verstehe er das Interesse all derer, die gerade vor der großen Frage stehen, wie sie ihre Immobilie auf ein neues Energieniveau bringen können. Mit dem neu aufgelegten Förderprogramm, das seit dem 1. März 2023 gilt, gibt es jetzt grob gesagt zwei Wege, wie das gelingen kann, erklärt Halboth. Da ist zum einen der Weg über die Komplettsanierung: Bei einer Investitionssumme bis zu 150.000 Euro pro Wohneinheit vergibt die KfW-Bank ein Darlehen. Darauf erhebt sie deutlich geringere Zinsen als das bei marktüblichen Finanzierungskrediten der Fall wäre. "Auf zehn Jahre Laufzeit gerechnet, macht das nach aktuellem Stand im Vergleich eine Ersparnis von 30.000 bis 40.000 Euro aus", erklärt Halboth. Günstige KfW-Zinsen nur bei energetischer Sanierung Allerdings ist die Vergabe dieses Kredits an Bedingungen geknüpft: Die Immobilie muss nach der Sanierung energetische Standards erfüllen. Um das zu erreichen, gibt es noch einen zusätzlichen Anreiz: Je energieeffizienter saniert wird, desto mehr reduziert sich nachträglich die Kreditsumme. Ein Beispiel: Wer es schafft, sein Haus mit Hilfe von Sanierungsmaßnahmen in die durchschnittliche Energieeffizienz-Klasse 70 zu bringen, der bekommt zehn Prozent der ursprünglichen Kreditsumme erlassen. Bei einem Haus, das nach der Sanierung die beste Effizienz-Klasse 40 erreicht, sind es 20 Prozent. Stand das Haus im Vorhinein energetisch besonders schlecht da, gibt die KfW nochmal zehn Prozent "Preisnachlass", und wenn dann auch noch mindestens 65 Prozent Erneuerbare Energien im Haus genutzt werden, werden nochmal fünf Prozent von der ursprünglichen Kreditsumme abgezogen. So verringert sich die vorher beantragte Kreditsumme um bis zu 35 Prozent. All das muss von einem Energieberater oder einer Energieberaterin beantragt und überprüft werden. Einzelmaßnahmen fördert das BAFA Um ein Zweifamilienhaus komplett energetisch zu sanieren, benötigen Eigentümer und Eigentümerinnen schnell mal mehrere Hunderttausend Euro, aber nicht alle haben so viel Geld auf der hohen Kante. Deshalb gibt es noch die Möglichkeit, sich bei Einzelmaßnahmen unterstützen zu lassen. Dafür ist dann aber nicht die KfW zuständig, sondern das BAFA, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Das Ziel ist dabei das gleiche: Immobilien sollen bessere Energieeffizienzklassen erreichen. Auch hier gilt: Je größer die Verbesserung ist, desto mehr Geld gibt es dazu. Die Fördermöglichkeiten aber sind etwas anders gestaltet. Wer beispielsweise eine 20 Jahre alte Gas- oder Ölheizung gegen eine Wärmepumpe mit Erdreicherschließung austauscht, kann 40 Prozent der Kosten bezuschusst bekommen. Etwas weniger Geld gibt es für andere Heiztechniken. Maßnahmen an der Fassade, am Dach oder für die Heizungsoptimierung werden mit 15 Prozent bezuschusst. Auch bei kleinem Budget kann Energieberatung helfen Allerdings dürfen sich die förderfähigen Kosten pro Jahr nicht auf mehr als 60.000 Euro belaufen. Dafür können, anders als beim KfW-Kredit, für dasselbe Gebäude mehrere Förderrunden beantragt werden, und es ist nicht zwingend notwendig, jemanden vom Fach hinzuzuziehen: Eigentümer dürfen manche Anträge auch selber stellen. Aber ein fachlich geschulter Blick vorab - beispielsweise von einem Energieberater, der von der Verbraucherzentrale bestellt wird - kann auch hier sehr hilfreich sein. Wo genau liegen die Einsparpotenziale? Und in welcher Reihenfolge werden die energetischen Sanierungsmaßnahmen am besten vorgenommen, um den größten Effekt zu haben? Zusätzlich gibt es noch die Möglichkeit, sich einen individuellen Sanierungsfahrplan (iSFP) erstellen zu lassen; auch der wird bezuschusst. Und: Man kann Förderungen sowohl von der KfW, als auch von der BAFA erhalten. Beispielsweise kann ein Kredit bei der KfW aufgenommen werden, während die spezielle Sanierungsmaßnahme aber durch das BAFA gefördert wird. Wichtig ist hierbei allerdings, dass Aufträge und Rechnungen strikt voneinander getrennt sind, damit eine Doppelförderung einzelner Maßnahmen vermieden wird - denn die wäre unzulässig. "Die soziale Komponente fehlt" Kaum noch zusätzliche Förderung gibt es allerdings beim Neubau. Hier kann sich aber trotzdem ein KfW-Kredit lohnen, weil die Zinsen im Vergleich zu anderen Krediten niedrig sind. "Das rechnet sich dann wieder, wenn möglichst viele Wohneinheiten saniert werden", erklärt Energieberater Halboth aus dem fränkischen Münnerstadt. Insgesamt findet er das neue Fördersystem ganz gut. Es verhindere besser als das alte Modell, dass eigentlich unnötige Investitionen bezuschusst werden. Aber ihm fehlt die soziale Komponente: "Die ältere Person, die ein Haus alleine bewohnt und jetzt eine alte Ölheizung austauschen will oder muss, die wird nicht gezielt unterstützt." Halboth fände es "mehr als gerecht, wenn man dann wirklich eine einkommens- oder rentenbezogene Unterscheidung machen könnte." An genau dieser sozialen Komponente wird derzeit im Bundeswirtschaftsministerium gearbeitet. Geplant ist nach Angaben des Hauses ein Förderprogramm in Milliardenhöhe. Minister Habeck (Grüne) erklärte Anfang März in einer Pressekonferenz, "die Klimaneutralität darf nicht zu einem sozialen Problem werden". Wie genau die Sozialkomponente am Ende aussehen wird, ist noch unklar. | /wirtschaft/verbraucher/foerderung-sanierung-modernisierung-kfw-bafa-101.html |
2023-04-01 | "Die Welt braucht Frieden" | Appell an Scholz | Zahlreiche Sozialdemokraten und Gewerkschafter haben Kanzler Scholz aufgerufen, sich für Friedensverhandlungen in der Ukraine einzusetzen. Initiator des Aufrufs ist der Historiker Peter Brandt, Sohn des früheren Kanzlers Willy Brandt.
mehr | Zahlreiche Sozialdemokraten und Gewerkschafter haben Kanzler Scholz aufgerufen, sich für Friedensverhandlungen in der Ukraine einzusetzen. Initiator des Aufrufs ist der Historiker Peter Brandt, Sohn des früheren Kanzlers Willy Brandt. Zahlreiche Sozialdemokraten und Gewerkschafter haben Bundeskanzler Olaf Scholz aufgerufen, sich stärker für die Vermittlung eines Waffenstillstandes im Ukraine-Krieg einzusetzen. Aus dem Krieg sei "ein blutiger Stellungskrieg geworden, bei dem es nur Verlierer gibt", heißt es in einem in der "Frankfurter Rundschau" und der "Berliner Zeitung" veröffentlichten Aufruf. Darin steht: "Mit jedem Tag wächst die Gefahr der Ausweitung der Kampfhandlungen. Der Schatten eines Atomkrieges liegt über Europa. Aber die Welt darf nicht in einen neuen großen Krieg hineinschlittern." Initiiert wurde der Aufruf den Angaben zufolge unter anderem vom Sohn des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt, dem Historiker Peter Brandt. Die Welt brauche Frieden. "Das Wichtigste ist, alles für einen schnellen Waffenstillstand zu tun, den russischen Angriffskrieg zu stoppen und den Weg zu Verhandlungen zu finden." Scholz solle sich darum bemühen, zusammen mit Frankreich insbesondere Brasilien, China, Indien und Indonesien für eine Vermittlung zu gewinnen, "um schnell einen Waffenstillstand zu erreichen". Das wäre ein notwendiger Schritt, "um das Töten zu beenden und Friedensmöglichkeiten auszuloten". Thierse, Verheugen und Käßmann unter Unterstützern Statt einer Dominanz des Militärs brauche es die "Sprache der Diplomatie und des Friedens". Der Aufruf "Frieden schaffen!" wurde den Angaben zufolge unter anderem von dem ehemaligen SPD-Vorsitzenden Norbert-Walter Borjans, dem früheren Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse sowie dem Ex-EU-Kommissar Günter Verheugen (beide SPD) unterzeichnet. Auch die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, unterstützt den Brief. Zu den Initiatoren zählen neben Peter Brandt der ehemalige DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, der Bundesvorsitzende der Naturfreunde, Michael Müller, und Reiner Braun vom Internationalen Friedensbüro. | /inland/friedensinitiative-ukraine-101.html |
2023-04-01 | Putins Atompläne sorgen für Streit | UN-Sicherheitsrat | Russlands Präsident Putin hatte kürzlich angekündigt, Atomwaffen in Belarus stationieren zu wollen. Darüber gibt es im UN-Sicherheitsrat jetzt Streit mit den USA. Selbst China sieht Moskaus Pläne offenbar kritisch.
mehr | Russlands Präsident Putin hatte kürzlich angekündigt, Atomwaffen in Belarus stationieren zu wollen. Darüber gibt es im UN-Sicherheitsrat jetzt Streit mit den USA. Selbst China sieht Moskaus Pläne offenbar kritisch. Russland und die USA sind bei den Vereinten Nationen über Moskaus Pläne aneinandergeraten, in Belarus taktische Atomwaffen zu stationieren. Selbst China machte bei der Sitzung des UN-Sicherheitsrats am Freitag seine Opposition zu den Nuklearplänen deutlich, die Russlands Präsident Wladimir Putin am 25. März verkündet hatte - allerdings ohne Russland dabei explizit zu nennen. Der ukrainische UN-Botschafter Serhij Kyslyzja hatte zu dem Treffen aufgerufen. Kyslyzja sagte, es habe nur 24 Stunden gedauert, bis Putin ein Versprechen gebrochen habe, dass er Chinas Präsident Xi Jinping in Moskau in einer gemeinsamen Erklärung bei Xis Besuch in Moskau gegeben habe. In dieser hatte es geheißen, dass alle nuklear bewaffneten Staaten von der Stationierung von Atomwaffen außerhalb ihres eigenen Territoriums absehen sollten und jene abziehen sollten, die bereits im Ausland seien. China bezeichnet Nuklearwaffen als "Damoklesschwert" Dieser Punkt wurde auch von den stellvertretenden UN-Botschaftern Chinas und der USA betont. Der Chinese Geng Shuang bezeichnete Nuklearwaffen als "das Damoklesschwert, das über unseren Köpfen hängt". Dazu unterstrich er, dass China gegen Angriffe auf Atomkraftwerke und Drohungen eines Atomwaffeneinsatzes in der Ukraine sei. Die Verbreitung von Atomwaffen müsse verhindert werden, eine Nuklearkrise abgewendet werden. Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja sagte, Moskau transferiere keine Atomwaffen, sondern "operative taktische Raketenkomplexe", die unter russischer Kontrolle sein würden. Dies stelle keinen Verstoß gegen die internationalen Verpflichtungen seines Landes dar. Den USA warf er dagegen vor, Vereinbarungen zur Waffenkontrolle zu zerschlagen. Dazu wiederholte er Putins Kritik an den US-Atomwaffen in anderen NATO-Ländern. Diese Praxis verstoße gegen den Atomwaffensperrvertrag, deutete er an. "Vier Jahrzehnte nichts von Russland gehört" Der stellvertretende amerikanische UN-Botschafter Robert Wood konterte, die Praxis der Atomwaffenstationierung innerhalb der NATO sei bei Verhandlungen zum Atomwaffensperrvertrag diskutiert worden. Fast vier Jahrzehnte lang habe Washington diesbezüglich nichts von Russland gehört - bis zur Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Moskau im Jahr 2014. Vorwürfe, die USA hielten sich nicht an den Vertrag, seien schlicht falsch, sagte Wood. Kein anderes Land füge der Waffenkontrolle derartige Schäden zu wie Russland. Und kein anderes Land habe die Aussicht auf einen möglichen Einsatz von Atomwaffen geäußert. "Kein Land bedroht Russland oder bedroht Präsident Putin." | /ausland/europa/usa-russland-atomwaffen-103.html |
2023-04-01 | "Tunesien, das ist vorbei" | Krise in Nordafrika | Tunesien galt lange als aufstrebendes Land - heute kämpft der Maghreb-Staat mit mehreren Krisen. Viele Menschen wollen deshalb nur noch weg. In der EU betrachtet man die Lage mit Sorge. Von Jean-Marie Magro. | Tunesien galt lange als aufstrebendes Land - heute kämpft der Maghreb-Staat mit mehreren Krisen. Viele Menschen wollen deshalb nur noch weg. In der EU betrachtet man die Lage mit Sorge. "Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass wir eines Tages für Mehl, Zucker oder Öl Schlange stehen müssen." Diese Einschätzung eines Mannes auf den Straßen der Stadt Sidi Bouzid steht stellvertretend für das, was viele Tunesier denken. Lebensmittel werden schon länger rationiert. Tunesien muss etwa 60 bis 70 Prozent seines Weizenbedarfs einführen. Schon Ende 2021 konnte die Regierung das bestellte Getreide nicht bezahlen, die EU half aus. Mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine stiegen die Preise noch einmal. Vor allem junge Menschen sind häufig arbeitslos und sehen keine Perspektive: "Ich habe einen Sohn, der mir jetzt sagt, er wolle mit dem Boot rüber. Hab ich das Geld, um ihm die Fahrt zu finanzieren? Wenn ich es hätte, dann würde ich es tun." Am Ende bleibt oft nur die Flucht Tunesien gilt vielen Menschen in Europa heute noch als aufstrebende Demokratie. Als sich im Dezember 2010 der Gemüsehändler Mohamed Bouazizi wegen seiner wirtschaftlichen Lage und Polizeiwillkür aus Verzweiflung selbst verbrannte, nahm von hier aus der Arabische Frühling seinen Lauf. Madjeddine Badri war damals noch ein Kind, heute ist er selbst Gemüsehändler in der Hafenstadt Sfax. Schon zwei Mal versuchte er, nach Europa zu gelangen. Heimlich, über das Mittelmeer. "Es ist alles eine Frage des Geldes", erzählt er. "Wenn ich das hätte, würde ich gerne ins Ausland gehen. Aber am liebsten auf eine reguläre, organisierte Art und Weise." Noch mal so ein Risiko eingehen, möchte er jedoch nicht. "Meine Mutter hat damals geweint und das Haus geputzt, weil sie dachte, die Leute würden vorbeikommen, um zu kondolieren. Sie dachte, ich wäre tot, denn mein Telefon war zweieinhalb Tage ausgestellt." Er wolle nicht, dass sie das noch mal erleben müsse, sagt Badri. Nach der Schule geht es nicht weiter Tunesien hat mit vielen Krisen zu kämpfen. Die Schuldenlast schränkt den Handlungsspielraum des Staates ein. Der Tourismus brach ein. Erst wegen mehrerer terroristischer Angriffe, dann aufgrund der Pandemie. Eine Mischung, die zu immer mehr Flucht führt: Mehr als 18.000 Menschen erreichten im vergangenen Jahr nach Angaben des Tunesischen Forums für ökonomische und soziale Rechte von Tunesien aus die italienische Küste - so viele wie noch nie. Kein Wunder, meint die Jura-Studentin Racha: "Tunesien, das ist vorbei. Ich liebe mein Land, wir alle tun das. Aber es tötet die Hoffnung, die Ambitionen seiner Jugend. Sobald man die Schule abgeschlossen hat, mit Anfang Zwanzig weiß man nicht mehr, was man machen soll." Von oben befeuerter Rassismus Mindestens genauso schlecht, wenn nicht gar noch schlechter, geht es den Geflüchteten und Migranten aus anderen Ländern Afrikas, die in Tunesien gestrandet sind. Sie finden keine reguläre Arbeit und erleben häufig Rassismus - befördert durch den Präsidenten höchstpersönlich. Im Februar verbreitete Kais Saied selbst rassistische Verschwörungstheorien. Er behauptete, "ein kriminelles Komplott" sei im Gange, "um die demografische Zusammensetzung Tunesiens zu verändern". "Horden von illegalen Einwanderern" seien verantwortlich für "Gewalt, Verbrechen und inakzeptable Handlungen". Menschen dunkler Hautfarbe wurden daraufhin angefeindet und tätlich angegriffen. Der malische Student Abramane Doumbia erzählt, er sei nicht mehr rausgegangen, nicht mehr zur Schule, er sei zu Hause eingesperrt gewesen. Die EU verschließt die Augen Im März organisierten deshalb Staaten wie Mali, Guinea oder die Elfenbeinküste Rückflüge für ihre Staatsbürger aus Tunis. Auch Doumbia trat den Flug in seine Heimat an. Wegen der rassistischen Äußerungen setzte die Weltbank zuletzt Verhandlungen zu finanziellen Hilfen aus. Das jedoch dürfte die ohnehin brenzlige Lage noch einmal befeuern. Und in der Europäischen Union? Dort fürchtet man sich vor vielen neuen Migranten aus Tunesien. Die politische Analystin Chaima Bouhlel beschreibt im Radiosender Diwan FM die Situation als traurig, weil die Tunesier in der Debatte nicht vorkämen. Der Grund für die Sorgen der Europäer um die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation ist, dass die Leute nicht zu ihnen kommen sollen. Dass die Tunesier Hunger leiden, dass sie kein Geld haben, dass das Wasser knapp, ihr Gesundheits- und Bildungssystem kaputt ist, all das stört niemanden. Was stört ist, dass es Europa Probleme bereitet. Aus eigener Kraft scheint Tunesien diese Probleme nicht lösen zu können. Zumindest trauen es die Tunesier ihren Politikern nicht zu. Bei den Parlamentswahlen beteiligten sich sowohl im ersten Durchgang als auch in der folgenden Stichwahl nur elf Prozent der Wahlberechtigten. | /ausland/tunesien-eu-fluechtlingspolitik-101.html |
2023-04-01 | Noch länger Lücken bei der Bundeswehr | Pistorius zur Ausrüstung | Vorlaufzeiten der Industrie und die Unterstützung der Ukraine: Verteidigungsminister Pistorius rechnet nicht damit, die Ausrüstungsmängel der Bundeswehr vor 2030 beheben zu können. Klare Vorstellungen hat er für den Wehretat.
mehr | Vorlaufzeiten der Industrie und die Unterstützung der Ukraine: Verteidigungsminister Pistorius rechnet nicht damit, die Ausrüstungsmängel der Bundeswehr vor 2030 beheben zu können. Klare Vorstellungen hat er für den Wehretat. Verteidigungsminister Boris Pistorius geht nicht von einer baldigen Schließung der Ausrüstungslücken bei der Bundeswehr aus. "Wir wissen alle, dass die vorhandenen Lücken bis 2030 nicht vollends geschlossen werden können. Deswegen müssen wir Prioritäten setzen", sagte der SPD-Politiker der "Welt am Sonntag". Eine dieser Prioritäten sei der Schutz der Ostflanke der NATO. "Für uns heißt das zunächst, bis 2025 eine vollständig ausgerüstete Division aufzubauen und zur Response Force der NATO angemessen beizutragen." "Die Bundeswehr hat drei Aufgaben zu erfüllen: Landes- und Bündnisverteidigung sowie internationale Kriseneinsätze. Dafür braucht es Fähigkeiten, unterlegt mit Material und Personal", erklärte Pistorius mit Blick auf den Bedarf der Armee. Auch Waffenlieferungen an die Ukraine zur Unterstützung im Krieg gegen Russland haben Lücken bei der Bundeswehr gerissen. Pistorius hatte Ende Januar angekündigt, dafür Gespräche mit der Rüstungsindustrie zu führen. Pistorius will Etatsteigerung schon 2025 Pistorius kündigte zudem an, bis 2025 eine Steigerung des Wehretats auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen zu wollen. Bis zum Ende der Legislaturperiode hätte er "gerne einen erhöhten Verteidigungsetat etabliert, der die Zwei-Prozent-Zielmarke der NATO sicherstellt", sagte er der Zeitung. Seine "Priorität Nummer eins" bis dahin sei, dass "wir auch in der Beschaffung von Waffen und Munition in der neuen Zeit angekommen sind". Wegen der von ihm angestrebten Erhöhung des Verteidigungshaushalts für das Jahr 2024 habe er "grundsätzlich eine zuversichtliche Haltung", sagte Pistorius. Ob es die geforderten zehn Milliarden Euro werden, "werden wir sehen". Die Verhandlungen dazu liefen. Nach NATO-Angaben lag der Anteil der deutschen Verteidigungsausgaben an der Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr unter 1,5 Prozent. Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) wird Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel voraussichtlich erst 2024 und 2025 erreichen - nämlich dann, wenn Ausgaben aus dem Sondervermögen zu Buche schlagen. Ab 2026 wäre Deutschland demnach voraussichtlich wieder unter zwei Prozent, wenn der reguläre Verteidigungshaushalt nicht "um mindestens fünf Prozent" pro Jahr steigt. Schiff soll nach Asien entsendet werden Pistorius kündigte zudem an, 2024 erneut ein Schiff in die Indopazifik-Region zu entsenden. Ende 2021 war mit der Fregatte "Bayern" erstmals seit rund zwanzig Jahren ein deutsches Kriegsschiff dort unterwegs - unter anderem wurden Häfen in Indien, Sri Lanka, Australien, Japan und Südkorea angelaufen. Es gelte nicht nur mehr europäische Verantwortung für Sicherheit und Verteidigung in Europa zu übernehmen. "Gleichzeitig sind auch wir gefordert, wenn es um die Freiheit der Seewege und die regelbasierte Ordnung im Indopazifik geht. Deswegen planen wir für das kommende Jahr eine weitere Präsenzfahrt unserer Marine in die Region und eine Vertiefung unserer Partnerschaften zu Schlüsselländern der Region, wie etwa Japan, Australien, Indien, Indonesien, Südkorea und Singapur." | /inland/pistorius-bundeswehr-105.html |
2023-04-01 | Die Fehltritte des Donald Trump | Anklage gegen Ex-US-Präsidenten | Es ist nicht der erste Kontakt Trumps mit der Justiz. Die Liste der Skandale des Ex-US-Präsidenten ist lang - doch Versuche, ihn abzusetzen, scheiterten. Viele in den USA halten ihn weiterhin für wählbar. Von K. Brand. | Es ist nicht der erste Kontakt Trumps mit der Justiz. Die Liste der Skandale des Ex-US-Präsidenten ist lang - doch Versuche, ihn abzusetzen, scheiterten. Viele in den USA halten ihn weiterhin für wählbar. Donald Trump hat das Geheimnis seines Erfolges einmal so zusammengefasst: "Ich könnte mitten auf der 5th Avenue stehen und jemanden erschießen, und ich würde keine Wähler verlieren. Unglaublich!", sagte er im Vorwahlkampf 2016. Ob das wirklich so wäre, weiß man nicht. Dass aber seine allertreusten Anhänger sich niemals abwenden werden, ist klar. Viele andere hat er im Laufe der Jahre vor den Kopf gestoßen, aber nicht vergrault. Sexismus, Lügen, Vorteilsnahme "Grab them by the pussy", "Pack sie an der Muschi", war etwas, das vor allem Wählerinnen abstieß. Auf einem Mitschnitt aus dem Jahr 2005 zieht Trump übel über Frauen her und prahlt mit sexueller Aggressivität: "Wenn du ein Star bist, lassen sie dich alles machen!" Als das heimlich aufgenommene Band vor der Wahl 2016 publik wurde, dachten viele Beobachter: Das war's für Trump. Aber nein, das war es nicht. Er sei nicht hundertprozentig sicher, dass Barack Obama tatsächlich in den USA geboren wurde, behauptete Trump jahrelang: Ein Versuch, den ersten schwarzen Präsidenten der USA zu beschädigen - auch lange, nachdem Obama seine Geburtsurkunde gezeigt hatte. Politische Gegner zu beleidigen oder Lügen über sie zu verbreiten - das finden viele Amerikanerinnen und Amerikaner unsympathisch, aber nicht unwählbar. "Wenn Ivanka nicht meine Tochter wäre, würde ich vielleicht mit ihr ausgehen", meinte Trump vor Jahren. Die schlüpfrige Bemerkung schockierte die Gastgeberinnen einer TV-Show. Auch ansonsten hielt die Familie Trump eng zusammen und nutzte die Präsidentschaft für ihre Geschäfte: Melania Trump bewarb ihren Schmuck auf der Website des Weißen Hauses, Trump selbst brachte ausländische Gäste in seinem Hotel unter und ließ den Secret Service üppig für Übernachtungen in seinem Ressort Mar-a-Lago bezahlen, berichtete die Washington Post. Amtsenthebungsverfahren scheiterten "Der Präsident muss zur Verantwortung gezogen werden. Niemand steht über dem Gesetz!", war der Schlachtruf von Nancy Pelosi, bis vor kurzem Chefin des Abgeordnetenhauses. Zweimal brachte sie ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump auf den Weg. Zum ersten Mal im Jahr 2019, weil Trump einen ausländischen Regierungschef unter Druck gesetzt hatte, um Material über die Familie Biden zu erhalten. Zum zweiten Mal im Januar 2021, weil Trump seine Anhänger zum Kapitol dirigiert hatte, um die Zertifizierung der Präsidentschaftswahl zu stoppen. Beide Male stimmte das Abgeordnetenhaus für das Impeachment, zweimal lehnte der Senat ab. "Hängt Mike Pence", riefen die Eindringlinge im Kapitol, aufgestachelt von Trump. Der Vizepräsident wollte die Wahl 2020 bestätigen, wie von der Verfassung erfordert. Das machte ihn zum Verräter. Das Kapitol wurde beschädigt, Menschen starben. Trump war verantwortlich, fand ein Untersuchungsausschuss. Aber kann er deshalb auch strafrechtlich belangt werden? Das ist noch nicht klar. Einmischung in Wahlen, FBI-Durchsuchungen Alles, was er wolle, sei 11.780 Stimmen zu finden, sagte Trump nach der Präsidentschaftswahl 2020 zum Staatsminister von Georgia, einem umkämpften Bundesstaat. Das lässt sich als Einmischung in eine Wahl interpretieren. Eine Jury in Georgia hat viele Zeugen dazu gehört und gerade ihren Bericht fertiggestellt. Gegen wen Anklage erhoben wird, ist noch nicht klar. Hinzu kommt die Durchsuchung seines Anwesens in Florida - eine Justizposse, wie Trump behauptet. Das FBI beschlagnahmte tausende Dokumente, darunter etliche aus der Kategorie "top secret", die Trump eigentlich ans Nationalarchiv hätte übergeben müssen. Das alles würde anderswo auf der Welt reichen, um einen Politiker in den Rücktritt zu treiben oder abzusetzen. Nicht in den USA, nicht im Fall von Trump. | /ausland/amerika/trump-fehltritte-101.html |
2023-04-01 | Wenn das Pflegeheim nicht Endstation ist | Reha für Senioren | Wer im betagten Alter ins Pflegeheim kommt, bleibt in der Regel auch dort. Zurück nach Hause geht es meist nicht mehr. Das Konzept der "Rehabilitativen Pflege" verfolgt einen anderen Ansatz: ein Pflegeheim mit Rückfahrticket.
mehr | Wer im betagten Alter ins Pflegeheim kommt, bleibt in der Regel auch dort. Zurück nach Hause geht es meist nicht mehr. Das Konzept der "Rehabilitativen Pflege" verfolgt einen anderen Ansatz: ein Pflegeheim mit Rückfahrticket. Doris Fisch war gestürzt, sie hatte sich die Wirbel gebrochen, musste zweimal operiert werden. Da sie ans Bett gefesselt war, kam sie in ein Pflegeheim. Sie wollte aber so schnell wie möglich wieder weg. "Weil es mir in der Einrichtung, in der ich zuerst war, überhaupt nicht gefallen hat. Und weil ich da nur in der Ecke herumlag", beschreibt die heute 79-Jährige ihre damalige Situation. Eineinhalb Jahre ist das nun her. Als sie vom Haus Ruhrgarten in Mülheim an der Ruhr hörte, kümmerte sie sich selbst um einen Platz. Heute kann Doris Fisch wieder laufen. Und sie hat große Ziele: Sie möchte gerne nach Hause, in ihre neue Wohnung ziehen. Möglichst selbstständig sein. Konzept der "Rehabilitativen Pflege" Im betagten Alter nach langer Zeit im Heim wieder zurück nach Hause - das ist ein ganz spezieller Ansatz, der im Haus Ruhrgarten verfolgt wird. Er heißt "Rehabilitative Pflege". Oskar Dierbach hat das Konzept der Verknüpfung von Pflege und Reha entwickelt. Er war Altenpfleger und hat viele Jahre die Pflegeeinrichtung in Mülheim geleitet, bis er vergangenes Jahr in Rente ging. "Wir haben entdeckt, welcher Reichtum das ist, wenn man Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht über ein Verwahren nachdenkt, sondern über das Wiederhineinhelfen ins Leben", so Dierbach. Die Kernfragen dabei seien, wie es dem Menschen heute gehe und was er brauche, damit er sich morgen besser fühle. Dahinter steckt ein komplexes System. Wer im Haus Ruhrgarten behandelt wird, hat ein großes Team um sich herum: Pflegekräfte, Ärzte und Ärztinnen, Therapeuten und Therapeutinnen, Apotheker und Apothekerinnen arbeiten Hand in Hand und tauschen sich aus. Gemeinsam erstellen sie dann ein Handlungskonzept. Jeder Fall wird von allen Seiten beleuchtet: Können Medikamente abgesetzt werden, kann sich die Person bewegen, muss sie vielleicht erst einmal seelisch betreut werden? Viele Heimbewohner können wieder nach Hause 15 bis 20 Prozent der Heimbewohner schafften es wieder zurück nach Hause, so Dierbach. Allein in den Jahren zwischen 2017 und 2019 konnten 170 Bewohnerinnen und Bewohner aus der stationären Pflege in ihr eigenes Zuhause entlassen werden. Eine gute Quote, die für das rehabilitative Konzept spreche. Die AOK beobachtet das Konzept der therapeutisch-rehabilitativen Pflege ganz genau. "Damit wird das aktuell in der Pflege geltende Prinzip, das die Vergütung an der Höhe des Pflegegrades ausrichtet und keine finanziellen Anreize setzt, Menschen aus ihrer Pflegebedürftigkeit herauszuhelfen, umgekehrt", sagt Matthias Mohrmann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg. Zudem würden weniger Arzneimittel benötigt, die Zahl der Krankenhausaufenthalte werde reduziert und damit auch die Behandlungskosten und mehr Patientinnen und Patienten könnten nach Hause zurückkehren. Fehlende gesetzliche Grundlage Doch in der Praxis besteht das Problem, dass bislang neben der ambulanten und der stationären Rehabilitation keine rechtliche Grundlage besteht, um Rehamaßnahmen vor Ort, also im Pflegeheim oder zu Hause anzubieten. Diese Gesetzeslücke zu schließen ist das Ziel eines Projekts der AOK Rheinland/Hamburg, das im April beginnen soll. Über einen Zeitraum von vier Jahren werde das Konzept der Therapeutischen Pflege in zwölf weiteren Heimen der stationären Altenhilfe im Einzugsgebiet der AOK Rheinland/Hamburg umgesetzt und wissenschaftlich begleitet. "Das Ziel muss es sein, die disziplinären Grenzen zwischen Kranken- und Pflegeversicherung abzubauen und eine ganzheitliche Betrachtung des betroffenen Menschen in den pflegerischen Alltag zu übertragen", so Mohrmann. Der Gesetzgeber müsse hierfür aber die rechtlichen Grundlagen schaffen. Doris Fisch kämpft jedenfalls dafür, endlich wieder alleine leben zu können - und sie kommt diesem Ziel Stück für Stück näher. Momentan tue sie sich noch schwer, ohne Hilfe aufzustehen und durchs Zimmer zu gehen. "Wenn ich das aber kann, möchte ich auch nach Hause", sagt sie. Diese Perspektive motiviere sie, Tag für Tag weiter zu trainieren. | /inland/gesellschaft/altenheim-109.html |
2023-04-01 | Linke und AfD fehlen am häufigsten | Abstimmungen im Bundestag | Laut einer Auswertung des "Spiegel" kommen Bundestagsabgeordnete ihrer Präsenzpflicht bei namentlichen Abstimmungen oft nicht nach. Besonders häufig fehlen die Abgeordneten der Linkspartei und der AfD.
mehr | Laut einer Auswertung des "Spiegel" kommen Bundestagsabgeordnete ihrer Präsenzpflicht bei namentlichen Abstimmungen oft nicht nach. Besonders häufig fehlen die Abgeordneten der Linkspartei und der AfD. Bei namentlichen Abstimmungen im Bundestag fehlen Abgeordnete der Linkspartei und der AfD besonders häufig. Der "Spiegel" wertete die Abstimmungslisten der im Jahr 2021 begonnenen Legislaturperiode aus - das Resultat: Bei den Mitgliedern der Linksfraktion lag die Fehlquote bei 19,3 Prozent. Statistisch verpasste also jeder oder jede Linkspartei-Abgeordnete knapp jede fünfte namentliche Abstimmung. Linken-Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte sagte, wenn Abgeordnete aus einem nachvollziehbaren Grund fehlten, dann sei das "okay" - sonst aber nicht. "Und darüber reden wir dann natürlich." Am häufigsten abwesend war Sevim Dagdelen, sie versäumte 45 der 76 Termine. "Wenn Frau Dagdelen an Sitzungen und namentlichen Abstimmungen im Deutschen Bundestag nicht teilgenommen hat, war dies wohlbegründet", heißt es aus ihrem Büro gegenüber dem "Spiegel". SPD, FDP und Grünen fehlen seltener Die Abgeordneten der AfD-Fraktion fehlten durchschnittlich bei jeder siebten Abstimmung (14 Prozent). Die AfD führte laut "Spiegel" eine "überdurchschnittliche Zahl" ihrer Fehltage auf Erkrankungen zurück. Gewissenhafter sind laut der "Spiegel"-Auswertung Abgeordnete der Koalitionsfraktionen SPD, FDP und Grünen. Deren Vertreter fehlten im Schnitt bei jeder elften Abstimmung. Unionsabgeordnete fehlten statistisch bei jeder zehnten. 76 Abstimmungen ausgewertet Grundsätzlich gilt an Sitzungstagen Präsenzpflicht, an namentlichen Abstimmungen müssen Abgeordnete teilnehmen. Für die Analyse ist der "Spiegel" die Sitzungsprotokolle des Bundestags durchgegangen und hat die Listen von 76 namentlichen Abstimmungen ausgewertet. Dabei wurden Fraktionsaustritte sowie ausscheidende und nachrückende Abgeordnete berücksichtigt. | /inland/innenpolitik/bundestag-linken-afd-abstimmungen-101.html |
2023-04-01 | "Wie eine türkische Kolonie" | Nordzypern | Immer mehr Menschen verlassen Nordzypern. Das liegt auch an der Islamisierung des eigentlich säkularen Landesteils und an der aggressiven Siedlungspolitik des türkischen Präsidenten Erdogan. Von O. Mayer-Rüth. | Immer mehr Menschen verlassen Nordzypern. Das liegt auch an der Islamisierung des eigentlich säkularen Landesteils und an der aggressiven Siedlungspolitik des türkischen Präsidenten Erdogan. Der Blick wirkt leer, als Dogus Derya auf den Stacheldraht vor ihr schaut. Keine 100 Meter entfernt kontrollieren Soldaten der Vereinten Nationen den Grenzbereich. Seit fast 50 Jahren ist Zypern geteilt. Die Grenze verläuft auch mitten durch die Hauptstadt Nikosia. Derya hat ihre Heimat nie anders gesehen. Aber gewöhnen will sie sich an die Grenze nicht. "Das ist einfach traurig", sagt sie. Mangel an Perspektiven für junge Nordzyprer Derya ist Oppositionsabgeordnete in Nordzypern. Eine der größten politischen Herausforderungen, erklärt sie, sei der Weggang der jungen türkischen Zyprer. Sie verließen den Nordteil der Insel aus Mangel an Perspektiven. Auch sie sind trotz des türkischen Einflusses im Norden EU-Bürger. Denn völkerrechtlich und damit auch aus Sicht der EU gehört die ganze Insel zum Staatenverbund. Viele der Jugendlichen gingen aus beruflichen Gründen - aber auch wegen des Drucks aus Ankara. Als wir uns auf der Straße umhören, bestätigen das viele Passanten. "Ein Hoffnungsschimmer wäre nötig", sagt etwa Nesrin Canbaz, und Tülay Sonmez berichtet, sie habe es aufgegeben, traurig zu sein. "Im Jahr 2000 ist meine Tochter in die USA gegangen. Dann nach England." Jetzt schreibe sie ihre Doktorarbeit in Schweden. Und dann gebe es da noch ein großes Problem mit Glücksspiel und Prostitution, sagt Derya. Tatsächlich sind vor Nord-Nikosia Nachtclubs wie Pilze aus dem Boden geschossen. "In den letzten fünf bis sechs Jahren wurden Frauen, die als Sexsklavinnen arbeiten sollen, als Studentinnen in eine der Universitäten eingeschrieben", so Derya. Doch da Nordzypern kein anerkannter Staat ist, kann beispielsweise Interpol hier nicht gegen Menschenhändler ermitteln. Nordzypern seit 1974 von Türkei besetzt Oppositionspolitikerin Derya wirbt dafür, dass die jungen Menschen bleiben und stemmt sich gegen die Zypernpolitik des türkischen Präsidenten Erdogan. Früher hätten türkische Regierungen Nordzypern wenigstens wie einen unabhängigen Staat behandelt. Doch "jetzt behandeln sie uns wie eine türkische Kolonie". Einige Kilometer entfernt kann man ein Gefühl dafür bekommen. Wir sind Gast bei einer türkischen Militärparade. Hierhin will Derya auf keinen Fall kommen. Seit 1974 hält die Türkei Nordzypern besetzt. Anfangs, um türkische Zyprer vor griechisch-zyprischen Nationalisten zu schützen. Inzwischen aber aus Sicht vieler Einheimischer auch, damit alle verstünden, dass der Norden ein für alle Mal zur Türkei gehöre. Politik im Sinne Ankaras Heute schauen beim Militäraufmarsch vor allem nationalistische Türken zu, die in den vergangenen Jahrzehnten aus der Türkei nach Nordzypern gezogen sind. Sie machen inzwischen fast die Hälfte der Bevölkerung aus. Ein Großteil von ihnen wählt konservativ, also den Erdogan-Verbündeten und derzeitigen "Präsidenten" der nur von der Türkei anerkannten sogenannten "Türkischen Republik Nordzypern" Ersin Tatar. Er mache nichts, was den Amtskollegen in Ankara verärgern würde, sagen seine Kritiker. Auch Dogus Derya warnt, Tatar treibe im Sinne Erdogans die Turkisierung und Islamisierung Nordzyperns voran. Er lasse zu, dass beispielsweise Erdogan einen Präsidentenpalast auf Zypern baue, ohne die Menschen in Nordzypern vorher dazu befragt zu haben. "Versuch einer kulturellen Transformation" "Man mischt sich in unsere Demokratie ein", beklagt Derya. "Es gibt einen türkischen Machthaber, der entscheidet, wer hier die führenden Positionen im Staat übernimmt." Gleichzeitig lasse Erdogan mit türkischem Geld eine überdimensionale Moschee bauen, obwohl die meisten Nordzyprer eher säkular seien und kaum jemand zum Freitagsgebet gehe. Hinter dem Grenzübergang, der den Norden vom Süden trennt, liegt der griechische Teil der Hauptstadt, die auf der türkisch besetzten Nordseite Lefkosa und im griechischsprachigen Süden Lefkosia heißt. Von dort aus beobachtet Professor Hubert Faustmann, ein deutscher Wissenschaftler, der vor Ort arbeitet, seit vielen Jahren Ankaras zunehmenden Einfluss. "Es wird massiver Druck ausgeübt, Religion in den Schulen zu verankern, Moscheen zu bauen", bestätigt er. Und geht noch weiter: "Der Versuch einer kulturellen Transformation, der wird ganz aggressiv vorangetrieben." Die türkischen Zyprer würden das im Moment aber noch stark ablehnen. Kampf gegen Erdogans Einfluss Auch Derya kritisiert auf der anderen Seite der Grenze bei ihren Reden im nordzyprischen Parlament Erdogans Einmischung scharf. Für ihre klaren Worte wurde sie allerdings vom politischen Gegner mehrfach übel angegangen, bekam auch immer wieder Morddrohungen von türkischen Nationalisten, wie sie sagt. "Im Jahr 2018 musste ich mit meinen Eltern vorübergehend den Wohnort wechseln. Einen Monat lang. Ich habe Polizeischutz beantragt, und die Polizei hat die ganze Zeit patroulliert und kontrolliert, ob ich in einer bedrohlichen Situation lebe", erzählt sie. Still zu sein, das komme für sie dennoch nicht in Frage. Sie wolle weiterkämpfen gegen Erdogans zunehmenden Einfluss. Und dafür, dass junge Nordzyprer auf der Insel blieben. Es ist kein einfacher Kampf, denn der türkische Präsident sieht den Norden Zyperns offenbar schon lange als Teil der Türkei. Diese und weitere Reportagen sehen Sie im Europamagazin - am Sonntag um 12.45 Uhr im Ersten. | /ausland/europa/nordzypern-islamisierung-101.html |
2023-04-01 | Tornado verwüstet mehrere US-Staaten | Unwetter | Im US-Südstaat Arkansas hat ein Tornado erhebliche Verwüstung angerichtet. Mehrere Menschen kamen ums Leben, Zehntausende waren ohne Strom. In Illinois stürzte ein Theaterdach ein.
mehr | Im US-Südstaat Arkansas hat ein Tornado erhebliche Verwüstung angerichtet. Mehrere Menschen kamen ums Leben, Zehntausende waren ohne Strom. In Illinois stürzte ein Theaterdach ein. Ein gigantisches Sturmsystem im Süden und Mittleren Westen der USA hat zu Tornados geführt. Häuser und Einkaufszentren wurden zerstört, Fahrzeuge umgestürzt und Bäume entwurzelt. Menschen versuchten, sich in Sicherheit zu bringen. Im Raum der Hauptstadt des US-Staats Arkansas, Little Rock, kam nach Behördenangaben mindestens eine Person ums Leben. Etwa zwei Dutzend weitere Menschen wurden verletzt, einige davon schwer. Auch die Stadt Wynne im Osten von Arkansas wurde verwüstet. Aus dem Gebiet wurden mindestens zwei Tote gemeldet. Die Behörden meldeten zerstörte Häuser und zwischen Trümmern eingeschlossene Menschen, während Tornados gegen Abend weiter ostwärts durch das Land zogen. Die Polizei in Covington, Tennessee, meldete umgestürzte Stromleitungen und Bäume. Theaterdach in Illinois stürzt ein Zwei weitere Wirbelstürme wurden in Iowa gemeldet. In Illinois hagelte es, während in Oklahoma vom Wind angepeitschte Grasfeuer brannten. Insgesamt bedrohte das Sturmsystem eine weite Fläche des Landes, in der 85 Millionen Menschen leben - etwas mehr als in der gesamten Bundesrepublik. In der Stadt Belvidere im US-Staat Illinois ist während eines Tornados das Dach eines Theaters eingestürzt. Der Feuerwehrchef der Stadt sagte, mindestens ein Mensch sei getötet worden, mindestens 28 seien verletzt worden. In dem Veranstaltungsort habe gerade ein Konzert stattgefunden. Medien berichteten, es habe sich um ein Heavy-Metal-Konzert im Apollo Theatre gehandelt. Die Polizei in Belvidere teilte mit, zu dem Einsturz sei es gekommen, als ein heftiger Sturm durch das Gebiet zog. Ab 19.48 Uhr (Ortszeit) seien Notrufe aus dem Theater eingegangen. Die erste Einschätzung sei, dass ein Tornado zu dem Einsturz geführt habe. Belvidere liegt etwa 110 Kilometer nordwestlich von Chicago. 70.000 Menschen ohne Strom Im Zentrum von Arkansas sei "bedeutender Schaden" entstanden, schrieb Gouverneurin Sarah Huckabee Sanders im Kurzbotschaftendienst Twitter. Sie sprach von mindestens zwei Todesopfern und Dutzenden Verletzten. Die Lokalzeitung "Democrat-Gazette" berichtete unter Berufung auf ein Krankenhaus, es würden bereits "mehrere" Verletzte in kritischem Zustand behandelt. Wie die "New York Times" berichtete, ging der Tornado in der Nähe von Little Rock, der Hauptstadt von Arkansas, nieder, ließ Bäume umknicken und beschädigte Häuser. Mehr als 70.000 Menschen waren der Website Poweroutage.us zufolge im gesamten Bundesstaat ohne Strom. Polizei und Rettungskräfte seien im Einsatz, um Verletzten zu helfen, schrieb Gouverneurin Sanders. Die Republikanerin forderte die Bewohner angesichts weiterer Sturmwarnungen durch den nationalen Wetterdienst NWS auf, sich weiterhin in Sicherheit aufzuhalten. Der Bürgermeister von Little Rock, Frank Scott, schrieb auf Twitter von einem "verheerenden" Sturm. Gouverneurin Sanders schrieb, sie habe die Nationalgarde zur Unterstützung der örtlichen Einsatzkräfte entsandt. Sie rief zudem den Notstand aus. Bidens besuchen zerstörten Ort in Mississippi Erst vor einer Woche waren bei einem Tornado mindestens 26 Menschen in den Bundesstaaten Mississippi und Alabama ums Leben gekommen. Am Freitag besuchten US-Präsident Joe Biden und seine Frau Jill den kleinen Ort Rolling Fork in Mississippi, der besonders hart von dem Tornado getroffen worden war. Die Bidens machten sich bei dem Besuch ein Bild von der Zerstörung in der 2000-Einwohner-Gemeinde und trafen unter anderem den Bürgermeister der Stadt und betroffene Anwohner. "Sie sind nicht alleine", sagte Biden inmitten von Trümmern zerstörter Häuser und entwurzelter Bäume. "Das amerikanische Volk wird Ihnen beistehen. Es wird Ihnen helfen hier durchzukommen - und ich auch", versprach Biden. Der Präsident kündigte für Montag die Eröffnung eines lokalen Katastrophenzentrums an, wo sich betroffene Anwohner Hilfe suchen könnten. | /ausland/amerika/usa-arkansas-tornado-101.html |
2023-04-01 | Sozialwahl - wer wird gewählt und warum? | Fragen und Antworten | Bei der Sozialwahl können mehr als 52 Millionen Menschen die Versichertenvertretungen der gesetzlichen Krankenkassen und Rentenversicherung wählen. Doch was bedeutet die Wahl konkret? Von Marcel Fehr. | Bei der Sozialwahl können mehr als 52 Millionen Menschen die Versichertenvertretungen der gesetzlichen Krankenkassen und Rentenversicherung wählen. Doch was bedeutet die Wahl konkret? Millionen Menschen haben bereits die Infoschreiben zur Sozialwahl 2023 erhalten. Alle sechs Jahre findet die Wahl statt, die Unterlagen kommen per Post. Doch viele wissen nicht, was sie da eigentlich wählen, und werfen die Wahlscheine in den Papierkorb. Bei der letzten Sozialwahl hat nur jeder Dritte seine Stimme abgegeben. Hier die wichtigsten Infos. Worum geht es bei der Sozialwahl? Bei der Sozialwahl werden die sogenannten Sozialparlamente der Rentenversicherung und Krankenkasse gewählt - und das schon seit 70 Jahren. Es gilt - wie bei Kirchen oder Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten - das Prinzip der Selbstverwaltung. Das heißt, der Staat macht zwar die Gesetze, aber die Versicherungen organisieren sich selbst. Das bedeutet auch: Wer Beiträge zahlt, der darf mitbestimmen. Gewählt werden bei den Krankenkassen die Verwaltungsräte und bei der Deutschen Rentenversicherung die Vertreterversammlung. Die Mitglieder dieser Gremien arbeiten ehrenamtlich und setzen sich für die Interessen der Versicherten ein. Wer darf wählen? Wählen darf, wer mindestens 16 Jahre alt ist und bei der Deutschen Rentenversicherung Bund oder bei den Ersatzkassen Barmer, DAK, TK, Kaufmännische Krankenkasse oder Handelskrankenkasse versichert ist. Wen wählt man? Man wählt keine Einzelpersonen, sondern Listen. Dahinter stehen meist mehrere Kandidatinnen und Kandidaten einer Organisation. Aufgestellt werden die Listen von Institutionen, Gewerkschaften und Verbänden, aber auch von Versicherten und Arbeitgebern selbst. Neu ist seit diesem Jahr eine Quote von 40 Prozent Frauenanteil in den Gremien. Bei den meisten Krankenkassen wie der IKK oder AOK wird eine sogenannte "Friedenswahl" durchgeführt. Arbeitgeber und Versicherte einigen sich schon im Vorfeld, wer in die Gremien einzieht. Liegt am Ende nur eine Liste vor und die Bewerbungen übersteigen nicht die Anzahl der verfügbaren Plätze, wird nicht mehr abgestimmt. Alle Informationen zu den Mitgliedern und Programmen der Listen findet man auf den Internetauftritten der Sozialversicherungen oder unter www.sozialwahl.de. Was bewirken die Versichertenvertretungen? Bei der Rentenversicherung beschließt die Vertreterversammlung über den zweitgrößten öffentlichen Haushalt - es geht um 174 Milliarden Euro. Sie sorgt dafür, dass die Beiträge im Sinne der Versicherten verwendet werden. Dabei wird etwa über Vorsorgeuntersuchungen oder Reha-Maßnahmen entschieden. Zum Beispiel hat die Selbstverwaltung die Post-Covid-Reha und die ambulante Kinder-Reha eingeführt. Bei den Krankenkassen entscheidet der Verwaltungsrat beispielsweise darüber, wer im Vorstand sitzt und wer die Versicherten bei Beschwerden und Widersprüchen berät. Warum wird die Wahl kritisiert? Die letzte Sozialwahl hat rund 50 Millionen Euro gekostet - zu viel Geld für zu wenige, die ihre Stimme abgeben, bemängeln Kritiker. Außerdem werde viel von der Politik bestimmt, der Einfluss der Vertretergremien sei überschaubar. Ein weiterer Kritikpunkt ist die "Friedenswahl". Es habe wenig mit Demokratie zu tun, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer Listen vorverhandeln, die ohne freie Wahl in die Gremien einziehen, so der CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Whittaker. Wie läuft die Wahl ab? Ab April landen die Wahlunterlagen per Post im Briefkasten, man muss sich vorher um nichts kümmern. Bis Ende Mai kann man seine Stimme abgeben. Erstmals ist es möglich, bei einigen Krankenkassen auch online zu wählen. | /wirtschaft/verbraucher/sozialwahl-2023-faq-101.html |
2023-04-01 | "Klimaschutz mit der Brechstange" | Opposition kritisiert Heizungskompromiss | Die Ampel-Regierung will Hausbesitzer beim Umrüsten auf klimafreundliche Heizungen unterstützen. Doch die Opposition sieht die Pläne skeptisch. Unklar sei, wie der Umbau bezahlt werden soll - von einem "Verarmungsprogramm" ist gar die Rede.
mehr | Die Ampel-Regierung will Hausbesitzer beim Umrüsten auf klimafreundliche Heizungen unterstützen. Doch die Opposition sieht die Pläne skeptisch. Unklar sei, wie der Umbau bezahlt werden soll - von einem "Verarmungsprogramm" ist gar die Rede. Trotz der geplanten Ausnahme- und Übergangsregelungen für das Einbauverbot neuer Gas- und Ölheizungen ab Anfang 2024 kommt von der Opposition weiter Kritik am Vorhaben der Ampel-Koalition. Der klimaschutz- und energiepolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Andreas Jung, sieht noch viele offene Fragen, über die die Bundesregierung kurzfristig umfassende Transparenz schaffen müsse. Zu klären sei beispielsweise, ob es für Neubauten tatsächlich ein Verbot für Biomasseheizungen geben solle und ob das Heizen mit Pellets weiter möglich sei. Unklar sei auch die Förderung der Investitionen durch den Staat und die Unterstützung speziell für finanzschwache Haushalte, kritisierte der CDU-Abgeordnete. "Eine große Enttäuschung" Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Ulrich Lange bemängelte, das Vorhaben werde das Bauen massiv verteuern. "Mit ihren Plänen zum Gebäudeenergiegesetz trifft die Ampel die Menschen in unserem Land, aber auch die Baubranche in Mark und Bein", sagte der CSU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Dass die von Wirtschaftsminister Robert Habeck vollmundig angekündigte Förderung weiterhin "völlig nebulös" bleibe, komme noch erschwerend hinzu. Die Einigung sei für die Bürger eine "große Enttäuschung", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, der "Rheinischen Post". Nach wie vor sei nicht klar, wie der Umbau der Heizungen bezahlt werden solle. CSU-Generalsekretär Martin Huber warf der Ampel-Koalition vor, "Klimaschutz mit der Brechstange" zu betreiben. "Die Ampel-Pläne sind sozial ungerecht und eine nicht zu verantwortende Belastung, insbesondere für ältere Hausbesitzer", sagte Huber. Die Grünen griff er scharf an: "Klimaneutralität darf nicht zu Altersarmut führen, weil grüner Sanierungszwang die Altersvorsorge auffrisst", erklärte er. "Horrende Sanierungskosten" Auch der Linken-Ostbeauftragte Sören Pellmann übte scharfe Kritik an den Plänen der Regierung. "Im Osten stehen demnächst zigtausende Heizungswechsel an, da viele Anlagen in den 90er Jahren eingebaut wurden", sagte der Bundestagsabgeordnete aus Leipzig. "Die Menschen verzweifeln angesichts der horrenden Sanierungskosten, die anfallen werden." Pellmann sprach von einem "Verarmungsprogramm". Der Staat sollte den Bürgern nicht die Heizung diktieren, sondern klimafreundliche Alternativen am billigsten machen, forderte er. Die soziale Flankierung des Heizungsprogramms sei noch immer unbestimmt. Das sei ein "weiterer Beleg für die soziale Kälte der Ampel". Beitrag zu den Klimazielen Die Bundesregierung hatte sich am Freitagabend auf einen Kompromiss beim Umgang mit fossilen Heizungen geeinigt. Der Plan soll dazu beitragen, dass Deutschland ab 2045 klimaneutral wirtschaftet, also keine zusätzlichen Treibhausgase in die Atmosphäre bläst. Nach Angaben des Bundeswirtschafts- und des Bundesbauministeriums vom Freitag liegt nun ein fertiger und von allen drei Parteien getragener Gesetzentwurf vor. Er soll zeitnah in die Länder- und Verbändeanhörung und anschließend ins Kabinett gehen. Demnach bleibt es im Kern dabei, dass ab dem 1. Januar 2024 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss. Keine Festlegung auf Wärmepumpen Es soll aber Ausnahmen, Übergangsfristen und eine umfassende Förderung geben. Verzichtet wird den Angaben zufolge auf die ursprünglich vorgesehene Austauschpflicht für funktionierende Öl- und Gasheizungen. Gehen alte Heizungen nach 2024 irreparabel kaputt, kann kurzfristig wieder ein Öl- oder Gaskessel eingebaut werden, um beispielsweise bei einem Ausfall im Winter nicht wochenlang frieren zu müssen. Dieser muss dann aber binnen drei Jahren um moderne Technik ergänzt werden, um die 65-Prozent-Vorgabe zu erfüllen. Klassische Gas- und Ölheizungen können das nur erreichen, wenn sie etwa in Kombination mit einer Wärmepumpe betrieben werden. Festgelegt ist deren Einsatz aber nicht, stattdessen gilt Technologieoffenheit. So soll der Einbau von Gasheizungen, die auch mit Wasserstoff betrieben werden können, möglich bleiben. Die 65-Prozent-Vorgabe gilt beim Einbau neuer Heizungen auch nicht für Hausbesitzer, die über 80 Jahre alt sind. Erst wenn deren Haus vererbt oder verkauft wird, greift das neue Recht - mit einer Übergangsfrist von zwei Jahren. Eine Härtefallausnahme soll die Wirtschaftlichkeit sein, wenn Gebäudewert und Investitionssummen in keinem angemessenen Verhältnis stehen. Finanzministerium: Anreize statt Zwang Das FDP-geführte Bundesfinanzministerium lobte die koalitionsinterne Einigung. Die Beratungen in der Koalition hätten eine Reihe von Verbesserungen gegenüber den ursprünglichen Plänen des Grünen-geführten Wirtschaftsministeriums ergeben, verlautete das Finanzressort: "Statt Zwang setzt die Koalition auf Anreize". Es gebe nun "keinen zusätzlichen rechtlichen Zwang, eine funktionierende Heizungsanlage vorzeitig zu ersetzen". Zudem werde nun darauf verzichtet, eine "heute sehr teure Technologie wie die Wärmepumpe rechtlich vorzuschreiben". Das Ministerium hob hervor, dass die nun erzielte Einigung Anreize für freiwillige Heizungsmodernisierungen durch Abwrackprämien für alte Anlagen setzt. "Gestaffelt nach Alter der Anlagen können die Besitzer bei Neuanschaffung einen Zuschuss in Form einer Abwrackprämie erhalten", hieß es aus dem Ministerium. Lang: Soziale Härten abfedern Die Grünen Co-Vorsitzende Ricarda Lang sprach von einem "Durchbruch bei der Wärmewende". "Nach dem Turbo bei den Erneuerbaren und dem Aus für den fossilen Verbrenner bahnt die Ampel in einem weiteren Sektor den Weg in die Klimaneutralität." Es sei gut, dass das Gesetz nun schnell auf den Weg komme, damit Hersteller und Verbraucher sicher planen könnten. "Wichtig ist, dass wir soziale Härten abfedern und so die Menschen auf dem Weg wirklich unterstützen. Gemeinsam schaffen wir eine sichere, bezahlbare und zukunftsfähige Wärmeversorgung", sagte Lang. | /inland/heizung-einigung-opposition-kritik-101.html |
2023-04-01 | "Lasst ihn doch in Ruhe" | Reaktionen auf Trump-Anklage | Als erster Präsident der US-Geschichte wird Donald Trump wegen eines Verbrechens angeklagt. Geht damit für das liberale Amerika ein Wunsch in Erfüllung? Doch nicht alle New Yorker jubeln heute. Von Antje Passenheim. | Als erster Präsident der US-Geschichte wird Donald Trump wegen eines Verbrechens angeklagt. Geht damit für das liberale Amerika ein Wunsch in Erfüllung? Doch nicht alle New Yorker jubeln heute. Aktivistin Marni Halasa ist überrascht. Keine ihrer Kolleginnen ist vor das Gerichtsgebäude in Manhattan gekommen, um die Anklage gegen Donald Trump zusammen mit ihr zu bejubeln. In einem Leopardenkostüm schwingt Marni ihren Schwanz aus "Hush Money", aus Schweigegeld, durch die Luft. Es ist eine Anspielung auf den mutmaßlichen Hauptvorwurf gegen Trump: Dass er Schweigegeld an eine Pornostar gezahlt und das verschwiegen haben soll. Gut, wenn sonst keine da sei, dann sei sie eben hier, um all die Leute zu vertreten, die jetzt arbeiten müssten. "Ich bin hier runtergekommen, um diesen Moment zu feiern", sagt sie. "Als Trump Präsident war, habe ich viel gegen ihn protestiert. Ich war bei den Frauendemos dabei, hab dagegen protestiert, dass er seine Steuerunterlagen nicht rausgeben wollte." Keine Gelegenheit habe sie ausgelassen, um gegen ihn zu protestieren, sagt Marnie und wedelt mit ihren aufgezogenen Papiergeldbüscheln. "Denn er hat unsere Welt auf den Kopf gestellt. Ich meine, dass er gefährlich für unsere Gesellschaft ist." Trump drohen bis zu vier Jahre Haft Spätestens am Dienstag wird die Aktivistin voraussichtlich mehr Gesellschaft vor dem klotzigen Gebäude im Finanzdistrikt von Manhattan bekommen. Dann soll der frühere US-Präsident offiziell hinter den grauen Mauern angeklagt werden, wie das Gericht bekannt gab. Es sei an der Zeit, dass die Gerechtigkeit siege, erklärt eine Passantin. Sie hoffe, Trump werde mit der vollen Kraft des Gesetzes bestraft. Vier Jahre Gefängnis könnten ihm die geschätzt 30 Anklagepunkte zusammen einbringen, sollte er im anstehenden Prozess für schuldig erklärt werden. So sagen es Rechtsexperten. Doch ein Mann vor dem Gericht sieht das als Unfug an. Ich wünschte, unser Bezirksstaatsanwalt würde sich mit Dingen beschäftigen, die die meisten New Yorker betreffen: Kriminalität auf der Straße, in der U-Bahn. Anstatt seine Zeit mit seinem persönlichen Feldzug gegen Donald Trump zu verschwenden. Das kostet nur Zeit und viel Steuergeld. Anklage Rückenwind für Trumps Wahlkampf? Zumal die Anklage nichts daran ändere, dass der Ex-Präsident versuchen werde, wieder der nächste Präsident zu werden. Nicht nur könne er als Angeklagter weiter kandidieren. Er könne nach US-Recht notfalls auch seinen Wahlkampf aus dem Gefängnis betreiben. Die Anklage könnte ihm für so etwas viel Rückenwind geben, meint eine Passantin. "Allerdings glaube ich, dass diese Anklage nichts bringt. Sie macht ihn nur zum Märtyrer." Für einen Arbeiter in Sicherheitsweste vor dem Trump Tower ist der Ex-Präsident das schon: Ich weiß nicht, warum sie ihn verfolgen. Der Mann ist reich. Warum lasst ihr ihn nicht einfach in Ruhe. Trump war der erste Geschäftsmann, der Präsident wurde. Er hat einen guten Job gemacht. Sorge vor Ausschreitungen bei Anklageverlesung Vor dem schwarzglänzenden Trump Tower an der Fifth Avenue hält eine kleine Gruppe Demonstranten ein Banner hoch: Inhaftiert Trump! steht darauf. Ab und zu stoßen ein paar Touristen auf eine Handvoll Trumpgegner oder Befürworter. Alles bleibt vorerst ruhig. Die Polizei fürchtet: Das könnte sich ändern bis zu dem noch nie da gewesenen Tag, an dem ein ehemaliger Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte festgenommen und eine Anklage gegen ihn verlesen wird. Nach US-Recht müssen Angeklagte persönlich für Fotos und Fingerabdrücke erscheinen. Das Gericht und Trumps Anwälte verhandeln derzeit darüber, wie das Prozedere mit einem Ex-Präsidenten aussehen wird - auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit für die Stadt. Die New Yorker Polizei versetzte alle Einsatzkräfte in Alarmbereitschaft: 36.000 Polizisten in Uniform und 19.000 Zivilangestellte sollen bereitstehen, sollte es zu Ausschreitungen kommen. Doch ein Trump-Fan vor dem Tower ist zuversichtlich: Wir haben hier mit die beste Polizei der USA. Wir hatten hier schon so viele Proteste. Wir werden auch über diese kommen. Ein anderer Mann widerspricht ihm. Schließlich habe die jüngste Geschichte des Landes gezeigt, was passieren könne, wenn Donald Trump seine Anhänger mobilisiert. | /ausland/amerika/trump-anklage-reaktionen-101.html |
2023-04-01 | Vier Tote durch Lawinenabgänge | Im Norden Norwegens | Innerhalb weniger Stunden sind im Norden Norwegens mehrere Lawinen abgegangen. Vier Menschen kamen dabei ums Leben, mehrere wurden verletzt. Die Behörden warnen vor weiteren Lawinen und ließen Orte evakuieren.
mehr | Innerhalb weniger Stunden sind im Norden Norwegens mehrere Lawinen abgegangen. Vier Menschen kamen dabei ums Leben, mehrere wurden verletzt. Die Behörden warnen vor weiteren Lawinen und ließen Orte evakuieren. Eine Reihe von Lawinenabgängen in Norwegen haben vier Menschen in den Tod gerissen, darunter mindestens einen ausländischen Touristen. Die Unglücke ereigneten sich am Freitag in der Provinz Tromsö im Norden des Landes. Touristengruppe aus Italien betroffen Nach Angaben der Polizei wurden am Nachmittag fünf Touristen von einer Lawine in der Nähe des Gipfels Kavringtinden nahe der Gemeinde Lyngen erfasst. Die ausländischen Touristen hätten in der Gegend einen Ausflug gemacht. Einer von ihnen wurde nach Angaben der Polizei durch die Lawine getötet. Zwei Menschen seien verletzt worden, einer von ihnen schwer. Nach Angaben der Verwaltung stammte die Touristengruppe aus Italien. Es sei aber nicht bestätigt, dass der Verstorbene Italiener sei. Zwei weitere Lawinen in der Nähe Kurz darauf wurde die Polizei nach eigenen Angaben über eine weitere Lawine auf der nahegelegenen Insel Reinöya informiert. Dort seien zwei Menschen gestorben, als eine Lawine ein Haus und eine Scheune ins Meer riss. Laut der Polizei befanden sich zum Zeitpunkt des Unglücks rund 140 Ziegen in der Scheune. Später am Freitag meldete die Polizei, dass ein vierter Mensch bei einer erneuten Schneelawine getötet worden sei. Das Unglück ereignete sich demnach an einem Fluss in der Gegend von Nordreisa. "Die Person war Teil einer größeren Gruppe ausländischer Reisender", sagte die Polizei. Ein anderes Mitglied der Gruppe habe das Opfer gefunden und die Rettungskräfte alarmiert. Angaben zur Nationalität machten die Behörden zunächst nicht. Wetterdienst warnt vor weiterer Lawinengefahr Am Freitag hatten der Nachrichtenagentur EBU zufolge Schneestürme im Norden des Landes zu Verkehrsbehinderungen geführt. Die Behörden warnten demnach vor schwierigen Fahrbedingungen aufgrund von Schnee und starkem Wind. Mehrere Kleinstädte in Tromsö seien wegen der großen Lawinengefahr evakuiert worden. Auch heute haben die Behörden wegen möglicher Lawinenabgänge die Evakuierung angeordnet. Die Polizei teilte auf Twitter mit, die Entscheidung sei auf Empfehlung des Norwegischen Geotechnischen Instituts gefallen und betreffe mehrere Orte der Region Tromsö. | /ausland/lawinen-norwegen-101.html |
2023-04-01 | Was wollen die Saudis in Newcastle? | Kauf des Fußballclubs | Der Kauf des englischen Clubs Newcastle United durch Saudi-Arabien spaltet die Fans. Hofft die Mehrheit auf große Erfolge, fragen sich andere, was dahintersteckt. Denn die Saudis scheinen weitere Ziele zu haben. Von S. Lohmann. | Der Kauf des englischen Clubs Newcastle United durch Saudi-Arabien spaltet die Fans. Hofft die Mehrheit auf große Erfolge, fragen sich andere, was dahintersteckt. Denn die Saudis scheinen weitere Ziele zu haben. Über den Club spricht in Newcastle fast jeder - die meisten voller Stolz. Das war bis vor anderthalb Jahren, bevor die Saudis 80 Prozent übernommen haben, völlig anders. Die Mannschaft aus der Premier League war nichts, womit man in Newcastle angeben konnte. Zu trostlos die Auftritte, zu gering die Punkteausbeute. Dabei ist Newcastle United ein Fixpunkt. Das Stadion liegt im Herzen der Stadt. Von vielen Orten in Newcastle aus ist das Stadiondach zu sehen. Die Leute sind fußballverrückt. Mehr als 300 Millionen Euro haben die neuen Besitzer in Spieler investiert, die zu den Besten ihrer Zunft gehören. Und Newcastle gehört mit ihnen plötzlich auch zu den Besten in der Liga. Nun träumen sie in der Stadt von Trophäen, die bald gewonnen werden könnten. Genau das haben die neuen Besitzer gewollt. Die Herzen der Menschen zu erobern. Allerdings nicht aus romantischen Gründen - ihre Motive sind andere. Käufer ist der saudische Staatsfonds Newcastles Fußballclub gehört faktisch dem saudischen Staat. Offiziell hat der Public Investment Fund des Landes, kurz PIF, die Anteile gekauft. Es ist der Staatsfonds Saudi-Arabiens, kontrolliert vom Herrscher und Kronprinzen Mohammed bin Salman, der ihm persönlich vorsteht. Minister bekleiden wichtige Ämter. Staatseinnahmen fließen in den Fonds. Denn PIF hat einen Spezialauftrag. Er soll den Wohlstand des Wüstenstaates sichern. Noch sprudelt das Öl, das Saudi-Arabien zu immensem Reichtum verholfen hat. Aber das Ende der Vorkommen ist am fernen Horizont sichtbar. PIF investiert daher kräftig in der Heimat und weltweit. Uber ist im Portfolio, Starbucks oder Disney. Laut eigenen Angaben stecken knapp 600 Milliarden Euro im Staatsfonds. Bis zum Ende des Jahrzehnts ist das Doppelte das Ziel. Yasir Al-Rumayyan ist der Kopf von PIF. Auf den Wirtschaftsgipfeln in Riad, die jährlich veranstaltet werden, spricht er gerne über die Strategie: Er wolle in die echte Wirtschaft investieren, in Immobilien, Transport, erneuerbare Energien, weniger in den Finanzsektor. Saudische Monarchie will ihr Image verbessern Saudi-Arabien aber hat ein Problem, das ihm gewisse Grenzen setzt - und das ist der eigene Ruf. Amnesty International weist regelmäßig auf die schlechte Menschenrechtssituation im Wüstenstaat hin. Kronprinz bin Salman steht im Verdacht, den Auftrag zum Mord an Regimekritiker Jamal Khashoggi gegeben zu haben. Er bestreitet das, aber mutmaßlicher Staatsterrorismus ist nicht gut, wenn man international nach Geschäftspartnern sucht. Im Staatsfernsehen hat bin Salman jüngst Einblicke gegeben, wie er das ändern will. Man brauche Einfluss, um seine Ziele zu erreichen, sagt er dort: "Nehmen wir unseren Public Investment Fund als Beispiel. Wenn man Einfluss hat in der Welt, ein gutes Ansehen, dann wird die Welt offener sein für unsere Investitionen." Und daraus würden sich wieder neue Möglichkeiten ergeben. Newcastle passt in die Softpower-Strategie Die englische Stadt Newcastle spielt bei alldem offenbar eine wichtige Rolle. Hier wird die Strategie von Kronprinz bin Salman deutlich. Seine Worte wirken wie auf Newcastle zugeschnitten. Al-Rumayyan, der PIF-Stratege, ist persönlich der Chef von Newcastle United. Das sagt schon vieles. Er hat nicht nur in die Mannschaft investiert, sondern auch ein Grundstück vor dem Stadion gekauft. "Dort soll eine Fanzone entstehen", erzählt Aaron Stokes, der für die Lokalzeitung "The Chronicle" schreibt. Zudem haben die Besitzer die zentrale Fankneipe in "Shearer" umbenannt, nach dem Fußballstar und Idol der Fans. Und umgerechnet 170.000 Euro an die Tafel gespendet. Beides habe "ein unglaublich positives Echo" hervorgerufen. In Newcastle protestiert eine Fangruppe mit Verweis auf die Menschenrechtsverletzungen regelmäßig gegen die saudischen Eigner. Angesichts der guten Taten in Newcastle dringen sie aber immer weniger durch. Damit ist geschafft, was sich Kronprinz bin Salman wünscht. Der Ruf ist aufpoliert. Nächstes Ziel: Immobilien- und Technologie-Investitionen Das ist aber wohl nur Phase eins. Denn Newcastle sei nicht zufällig ausgesucht worden, glaubt der Sport- und Wirtschaftswissenschaftler Simon Chadwick. Tatsächlich benötigt die Stadt dringend Investitionen in Wohnraum. Mitarbeiter mögen nicht zitiert werden, aber sie verweisen auf eine ganze Reihe an Bauland in bester Lage, Filetstücke. Hier den Zuschlag zu bekommen, ist schwieriger, als Anteile von Uber oder Disney zu erwerben. "Natürlich braucht man zum Kauf keinen Fußballverein", sagt Chadwick. Das ginge auch durch normale Kanäle, doch die seien bürokratisch. "Es ist viel einfacher zu sagen: Kommt Samstag zum Spiel." Dort würden dann Beziehungen aufgebaut und man könne eine Menge beeinflussen. Zudem will Newcastle sich als Standort für Zukunftstechnologien im Bereich erneuerbare Energien etablieren. Auch das ist Teil der saudischen Strategie. Er erwarte demnächst Investitionen in die Branche aus dem Land, sagt Chadwick. VAE kauften sich in Manchester ein Wie hilfreich es ist, einen Fußballclub zu besitzen, wenn man auch an der Stadt und dem Umland interessiert ist, lässt sich in Manchester beobachten. Dort haben die Vereinigten Arabischen Emirate Manchester City gekauft - und zuletzt 1600 moderne Wohnungen in bester Lage gebaut. Hohe Mieteinnahmen in den nächsten Jahren gelten als garantiert. Eine Gruppe Wissenschaftler der Universität Sheffield hat sich den Deal mit der Stadt angesehen und wundert sich, wie billig sie das Land an die Eigner von Manchester City abgegeben hat. "Da ist Tafelsilber verscherbelt worden", sagt Richard Goulding, einer der Wissenschaftler. Er wundert sich auch, wie intransparent der ganze Deal abgelaufen sei. Die Stadt weist die Vorwürfe mit dem Hinweis auf die gute Partnerschaft von sich. Neue Projekte sind schon angestoßen. In Newcastle ist Ähnliches zu erwarten, womöglich sogar in noch größerem Stil. Auch, weil Fußballclubs eine große Strahlkraft haben wenn sie erfolgreich sind, nicht nur in der Stadt, auch landesweit, manchmal sogar weltweit. Und so beschränkt sich die Strategie von Saudi-Arabien auch nicht nur auf Newcastle. Oder, wie es Kronprinz bin Salman formuliert hat: "Durch einen guten Ruf, das Ansehen als Impulsgeber, ergeben sich neue Möglichkeiten." Newcastle könnte somit Katalysator für die großangelegte, weitere Expansionsstrategie sein. | /ausland/asien/saudi-arabien-newcastle-united-101.html |
2023-04-01 | ++ Russland will mehr Munition liefern ++ | Krieg gegen die Ukraine | Nach Kritik wegen fehlender Munition hat der russische Verteidigungsminister eine Aufstockung der Munitionslieferungen angekündigt. Großbritannien bezeichnet die russische Offensive als gescheitert. Die Entwicklungen vom Samstag zum Nachlesen.
mehr | Nach Kritik wegen fehlender Munition hat der russische Verteidigungsminister eine Aufstockung der Munitionslieferungen angekündigt. Großbritannien bezeichnet die russische Offensive als gescheitert. Die Entwicklungen vom Samstag zum Nachlesen. Ukraine erlässt neue SanktionenSchoigu will Munitionslieferungen aufstockenBriten: Russland scheitert mit WinteroffensiveIOC kritisiert Boykottaufruf KiewsSPD-Politiker rufen Scholz zu Ukraine-Friedensinitiative auf Ende des Liveblogs Für heute beenden wir unseren Liveblog zum Krieg gegen die Ukraine. Herzlichen Dank für Ihr Interesse. Vorsteher des Kiewer Höhlenklosters muss zwei Monate in Hausarrest Ein ukrainisches Gericht hat den Vorsteher des weltberühmten Kiewer Höhlenklosters, Pawlo, für zwei Monate unter Hausarrest gestellt. Der Geistliche der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche stehe unter Verdacht, die religiösen Streitigkeiten befeuert und den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gerechtfertigt zu haben, berichteten ukrainische Medien aus dem Gerichtssaal. Pawlo muss elektronische Fußfesseln tragen. Der Kontakt mit Gläubigen ist ihm untersagt. Der 61-Jährige bestreitet die Vorwürfe und spricht von einem politischen Verfahren. Hintergrund sind Streitigkeiten um die Nutzung des Höhlenklosters und die Stellung der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche im Land allgemein. Selenskyj fordert Reform des UN-Sicherheitsrates Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat eine Reform des UN-Sicherheitsrats gefordert, nachdem Russland den Vorsitz des Gremiums übernommen hat. Erst am Vortag habe die russische Artillerie ein fünf Monate altes Kind getötet und nun übernehme es den Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. "Es ist kaum etwas vorstellbar, was den vollständigen Bankrott solcher Institutionen besser demonstriert", sagte er. Proteste in Kiew nach Razzia bei ukrainisch-orthodoxem Kirchenoberhaupt Nach einer Razzia beim Abt des orthodoxen Höhlenklosters in Kiew, Metropolit Pawlo, h,aben Dutzende Gläubige dagegen protestiert. Die Versammelten, darunter auch Geistliche, schwenkten religiöse Symbole und beteten vor dem Kloster Lawra Petschersk. Das geistliche Oberhaupt der ukrainisch-orthodoxen Kirche war zuvor wegen Vorwürfen der Aufstachelung zum religiösen Hass zu einer Vernehmung vorgeladen worden. Der ukrainische Inlandsgeheimdienst (SBU) erklärte, Pawlo werde verdächtigt, die "Aggression der russischen Armee gegen die Ukraine zu rechtfertigen und abzustreiten und ihre Mitglieder zu verherrlichen". Zudem werde ihm vorgeworfen, gegen die "Gleichstellung der Bürger" zu verstoßen. "Das Gesetz und die Verantwortung für seine Verletzung ist für alle gleich und ein Priestergewand ist keine Garantie für reine Absichten", erklärte SBU-Chef Wasyl Malju. Abt des Höhlenklosters steht in Kiew vor Gericht Wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung und Rechtfertigung des russischen Angriffskriegs muss sich der Abt des orthodoxen Höhlenklosters der ukrainischen Hauptstadt vor Gericht verantworten. Abt Metropolit Pawlo wies die Anschuldigungen laut örtlichen Medienberichten am ersten Tag des Verfahrens zurück. Das Kiewer Bezirksgericht will die Verhandlung demnach am Montag fortsetzen. Die Staatsanwaltschaft fordert, dass Pawlo unter Hausarrest gestellt wird. Der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) beschuldigt Pawlo, bei öffentlichen Auftritten wiederholt religiöse Gefühle von Landsleuten verletzt zu haben und eine feindselige Stimmung gegenüber Gläubigen anderer Konfessionen erzeugen zu wollen. Er habe zudem Russlands militärische Aggression gegen die Ukraine gerechtfertigt oder bestritten. Kritik am Sicherheitsrat auch von Außenminister Kuleba Vonseiten der Ukraine gab es angesichts des turnusgemäßen Vorsitzes Russlands im UN-Sicherheitsrat heftige Kritik. Nach den Worten des ukrainischen Außenministers Dmitri Kuleba ist es "ein Schlag ins Gesicht der internationalen Gemeinschaft". Auf Twitter drängte Kuleba die Mitglieder des Sicherheitsrats, "jeden russischen Versuch zu vereiteln, seinen Vorsitz zu missbrauchen". Russland sei im UN-Sicherheitsrat "ein Geächteter". Russian UNSC presidency is a slap in the face to the international community. I urge the current UNSC members to thwart any Russian attempts to abuse its presidency. I also remind that Russia is an outlaw on the UNSC: https://t.co/rZVC1pV0MY#BadRussianJoke #InsecurityCouncil Moskau hatte in den vergangenen Tagen angekündigt, dass Außenminister Sergej Lawrow im April einer Sicherheitsratssitzung zum Thema "effektiver Multilateralismus" vorsitzen wolle. Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa erklärte zudem, Lawrow werde am 25. April eine Debatte über den Nahen Osten leiten. Auch die USA haben Russlands Rolle und seinen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat kritisiert. "Ein Land, das schamlos die UN-Charta verletzt und seinen Nachbarn überfällt, hat keinen Platz im UN-Sicherheitsrat", erklärte kürzlich die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre. "Leider" sei Russland ein ständiges Mitglied des Gremiums und es gebe "keinen praktikablen internationalen Rechtsweg", um dies zu ändern. Ukraine erlässt neue Sanktionen Die Ukraine hat weitere Sanktionen gegen Personen und Unternehmen aus Russland, aber auch gegen eine Firma auf von Russen besetztem ukrainischem Gebiet erlassen. Präsident Wolodymyr Selenskyj veröffentlichte per Dekret gleich mehrere schwarze Listen mit Hunderten Firmen, Organisationen und Einzelpersonen, die den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützt haben sollen. Die Sanktionen gelten in den meisten Fällen für den Zeitraum von zehn Jahren. Betroffen sind vor allem Direktoren von Rüstungsbetrieben und militärischen Forschungseinrichtungen. Auch bei den Firmen trifft es vor allem diesen Sektor. Sanktionen werden aber auch gegen das russische Finanzministerium und den Föderationsrat, das Oberhaus des russischen Parlaments, verhängt. Darüber hinaus trifft es auch die iranischen Revolutionsgarden. Der Iran wird verdächtigt, Russland so genannte Kamikaze-Drohnen für dessen Luftangriffe gegen die Ukraine zu liefern. Die Strafmaßnahmen gelten vor allem als symbolische Maßnahme, da die Betroffenen zumeist keinen Besitz in der Ukraine haben. EU-Kommission dementiert Berichte zu Wechsel von der Leyens zur NATO EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Berichte über ihren angeblich geplanten Wechsel an die Spitze des westlichen Verteidigungsbündnisses NATO zurückweisen lassen. Ein Sprecher der Kommission dementierte die Medienberichte ausdrücklich und bezeichnete diese als "unbegründete Spekulationen". Die britische Zeitung "The Sun" hatte berichtet, die frühere deutsche Verteidigungsministerin sei eine Kandidatin für die Nachfolge von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Seine Amtszeit war wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zuletzt verlängert worden, läuft aber Ende September aus. Stoltenberg hatte im Februar Berichte über eine mögliche weitere Verlängerung seiner Amtszeit zurückgewiesen. Nordkorea wirft Ukraine Streben nach Atomwaffen vor Nordkorea wirft der Ukraine vor, nach Atomwaffen zu streben. Die einflussreiche Schwester von Machthaber Kim Jong Un begründet ihren Vorwurf mit einer Online-Petition, deren Initiatoren damit auf die Ankündigung Russlands regieren, Atomwaffen nach Belarus zu verlegen. Sie wollen, dass auch in der Ukraine Nuklear-Waffen stationiert werden. Bis zum Samstag hatten 611 Menschen die Petition unterzeichnet. Das Quorum liegt bei 25.000 Unterstützern, damit Präsident Wolodymyr Selenskyj auf die Petition reagieren muss. Kim Yo Jong erklärte nach Bericht der Nachrichtenagentur KCNA, die Petition könnte ein Komplott vom Präsidentenbüro sein. Selenskyj solle nicht glauben, dass der US-Nuklearschirm die Ukraine vor Russland schützen könne. Moskau empört über Einstufung des "Holodomor" als Völkermord Russland hat empört auf die Einstufung der Hungersnot in der Ukraine in den 1930er Jahren mit Millionen Toten als Völkermord durch die französische Nationalversammlung reagiert. Die Pariser Entscheidung sei ein erneutes Zeichen "widerlichen antirussischen Eifers", erklärte in Moskau die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa. Die Resolution der französischen Nationalversammlung zeige einmal mehr die "Russenfeindlichkeit unserer europäischen Gegner", erklärte Sacharowa. Sie sei "um so widerlicher, da Frankreich selbst das Kapitel seiner Verbrechen aus der Kolonialzeit noch nicht geschlossen hat". Vor der französischen Nationalversammlung hatten auch schon der Bundestag und das Europaparlament den "Holodomor" (deutsch: Mord durch Hunger) als Völkermord eingestuft. Kiew bestellt 100 gepanzerte Militärfahrzeuge von Polen Die Ukraine hat nach polnischen Angaben 100 gepanzerte Mehrzweckmilitärfahrzeuge des in Polen hergestellten Typs Rosomak bestellt. Das teilte Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki bei einem Besuch der Rosomak-Fabrik in der südpolnischen Stadt Siemianowice Slaskie mit. Demnach sollen die Fahrzeuge dort produziert werden. Die Bestellung werde durch Mittel finanziert, die Polen von der Europäischen Union erhalten habe sowie mit US-Geldern für die Ukraine, sagte Morawiecki, ohne weitere Details des Vertrags zu nennen oder Angaben zu den Kosten zu machen. Armia Ukrainy kupi od nas 100 sztuk Rosomaków, które są produkowane w Siemianowicach Śląskich. Rosomaki to transportery bojowe z najwyższej półki. Zapłata za ten zakup będzie z pieniędzy UE i USA. 🇪🇺🇺🇦🇺🇸 https://t.co/FZs7DcWffn Kritik an Übernahme von UN-Sicherheitsrats-Vorsitz durch Russland Inmitten anhaltender Kritik an seinem Angriffskrieg in der Ukraine hat Russland turnusgemäß den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat übernommen. "Das Land, das seinen Nachbarn Ukraine vor mehr als einem Jahr angriff, bekommt den Vorsitz im obersten Gremium zur Wahrung des Weltfriedens", konstatierte der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin. "So wird der Bock zum Gärtner gemacht." Leider bestehe keine Hoffnung, dass Russland dem Votum von 141 Mitgliedstaaten Folge leisten werde, sich aus der Ukraine zurückzuziehen, erklärte Trittin weiter. "Es wird auch für die Zeit der UN-Sicherheitsratspräsidentschaft von Russland nicht einmal die Bereitschaft geben, die Waffen ruhen zu lassen." Stattdessen würden die russische Armee und für Moskau kämpfende Söldnergruppen "weiter ihre völkerrechtswidrige und kriegsverbrecherische Offensive fortsetzen", fügte Trittin hinzu. Es sei ein weiterer Schlag gegen geregelte internationale Beziehungen, twittert der Chef des Stabes des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Andrij Jermak. Er kritisiert auch den Iran wegen Waffenlieferungen an Russland. "Es ist sehr bezeichnend, dass am Feiertag eines Terrorstaates - Iran - ein anderer Terrorstaat - Russland - den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat übernimmt", schreibt Jermak und bezieht sich dabei auf den Feiertag anlässlich der Gründung der Islamischen Republik Iran. It is very telling that on the holiday of one terror state – Iran, another terror state – Russia – begins to preside over the UN Security Council. It's not just a shame. It is another symbolic blow to the rules-based system of international relations. Russische Angriffe bei Bachmut ausgebremst Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben weitere Angriffe auf die seit Monaten umkämpfte Stadt Bachmut abgewehrt. "In den vergangenen 24 Stunden haben unsere Verteidiger gegnerische Attacken im Bereich der Ortschaften Bohdaniwka und Iwaniwske zurückgeschlagen", teilte der ukrainische Generalstab mit. Beide Ortschaften liegen an wichtigen Zufahrtsstraßen nach Bachmut. Schon zuvor hatten russische Quellen von massiven Schneefällen berichtet, die das Vorankommen der angreifenden Truppen beeinträchtigten. "Die Verschlechterung des Wetters erschwert die Führung aktiver Handlungen", klagte der russische Militärexperte Boris Roschin. Auf Bildern und Videos aus der Gegend ist massiver Schneefall und eine dicke Schneedecke zu sehen. Das Wetter ist ein wichtiger Faktor im Kriegsgeschehen. So wird in den kommenden Wochen auch eine ukrainische Gegenoffensive erwartet. Dazu müssen Experten zufolge aber zunächst einmal die Böden trocknen, weil die schweren Militärfahrzeuge sonst teils im Schlamm steckenbleiben könnten. Schoigu will Munitionslieferungen aufstocken Russland will die Munitionslieferungen an die Truppen in der Ukraine deutlich aufstocken. Das kündigt Verteidigungsminister Sergej Schoigu bei einer über Video verbreiteten Sitzung mit hochrangigen Militärs an. "Der Umfang der Lieferungen der am meisten nachgefragten Munition ist festgelegt worden. Es werden die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um sie zu erhöhen", erklärt der Minister. Schoigu war in den vergangenen Monaten unter anderem vom Chef der Söldner-Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, wegen fehlender Munition kritisiert worden. Briten: Russland scheitert mit Winteroffensive Russlands Bemühungen um eine stärkere militärische Kontrolle über die ostukrainische Donbass-Region sind nach britischen Angaben gescheitert. Seit der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow Mitte Januar das Kommando über die "militärische Spezialoperation" gegen die Ukraine übernommen habe, sei dessen Amtszeit von dem Versuch einer allgemeinen Offensive geprägt gewesen, schrieb das britische Verteidigungsministerium in seinem regelmäßigen Geheimdienst-Update. Ziel dieser Offensive sei gewesen, die russische Kontrolle über die gesamte Donbass-Region auszudehnen. "Nach 80 Tagen ist zunehmend erkennbar, dass dieses Projekt gescheitert ist", erklärten die Briten. Die russischen Streitkräfte an der Front in der Region hätten bei hohen Verlusten nur minimale Gewinne verzeichnen können. Damit hätten sie den vorübergehenden personellen Vorteil durch die russische "Teilmobilisierung" des vergangenen Herbsts weitgehend verspielt. Latest Defence Intelligence update on the situation in Ukraine - 01 April 2023.Find out more about Defence Intelligence's use of language: https://t.co/un6OZVrOda🇺🇦 #StandWithUkraine 🇺🇦 https://t.co/pFl8kpIqs6 Russland startet Einberufungskampagne Vor dem Hintergrund des seit mehr als einem Jahr anhaltenden Angriffskriegs gegen die Ukraine hat in Russland die Einberufungskampagne zum Grundwehrdienst begonnen. Die erste der beiden Kampagnen in diesem Jahr dauert bis zum 15. Juli, berichtete das Portal RBK unter Berufung auf ein Dekret von Kremlchef Wladimir Putin. Laut Konteradmiral Wladimir Zimljanski vom Generalstab wurden insgesamt 700.000 potenziell Wehrpflichtige im Vorfeld erfasst. Die Einberufenen, dieses Mal 147.000, sollen aber nicht für den Krieg in der Ukraine eingesetzt werden, versicherte er. IOC kritisiert Boykottaufruf Kiews Das Internationale Olympische Komitee hat den Boykott-Aufruf der ukrainischen Regierung kritisiert. Die Sportler der Ukraine waren am Donnerstag offiziell angewiesen worden, Wettbewerbe zu boykottieren, an denen Athleten aus Russland oder Belarus teilnehmen. Das IOC habe diese Entscheidung zur Kenntnis genommen. "Sollte eine solche Entscheidung umgesetzt werden, würde sie nur die ukrainischen Athleten verletzen und sich in keiner Weise auf den Krieg auswirken, den die Welt beenden will und den das IOC so vehement verurteilt hat", teilte das IOC mit. Das IOC habe stets betont, "dass es nicht Sache der Regierungen ist, zu entscheiden, welche Athleten an welchen internationalen Wettkämpfen teilnehmen können". Sollte die Anweisung umgesetzt werden, "würde sie auch gegen die Position einiger ukrainischer Sportler und anderer Mitglieder der ukrainischen olympischen Gemeinschaft verstoßen", hieß es vom IOC. Das IOC argumentierte zudem, dass es weltweit 70 bewaffnete Konflikte, Kriege oder Krisen gebe und sich davon betroffene Nationale Olympischen Komitees an die Grundsätze der Olympischen Charta halten und zu keinen Boykotten aufrufen würden. Pistorius: Lücken in Bundeswehr bis 2030 nicht vollends geschlossen Verteidigungsminister Boris Pistorius geht nicht von einer baldigen Schließung der Ausrüstungslücken bei der Bundeswehr aus. "Wir wissen alle, dass die vorhandenen Lücken bis 2030 nicht vollends geschlossen werden können. Deswegen müssen wir Prioritäten setzen", sagte der SPD-Politiker der "Welt am Sonntag". Eine dieser Prioritäten sei der Schutz der Ostflanke der NATO. "Für uns heißt das zunächst, bis 2025 eine vollständig ausgerüstete Division aufzubauen und zur Response Force der NATO angemessen beizutragen." "Die Bundeswehr hat drei Aufgaben zu erfüllen: Landes- und Bündnisverteidigung sowie internationale Kriseneinsätze. Dafür braucht es Fähigkeiten, unterlegt mit Material und Personal", erklärte Pistorius mit Blick auf den hohen Bedarf der Bundeswehr. Auch Waffenlieferungen an die Ukraine zur Unterstützung im Krieg gegen Russland haben Lücken bei der Bundeswehr gerissen. Pistorius hatte Ende Januar angekündigt, dafür Gespräche mit der Rüstungsindustrie zu führen. SPD-Politiker rufen Scholz zu Ukraine-Friedensinitiative auf Der frühere Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Reiner Hoffmann und weitere SPD-Politiker haben in einem von der "Frankfurter Rundschau" veröffentlichten Aufruf zu einer Friedensinitiative für die Ukraine aufgerufen. Sie ermutigen Bundeskanzler Olaf Scholz, "zusammen mit Frankreich insbesondere Brasilien, China, Indien und Indonesien für eine Vermittlung zu gewinnen, um schnell einen Waffenstillstand zu erreichen", hieß es in dem Aufruf, den der Historiker Peter Brandt, Sohn des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt, initiierte. Verfasser des Aufrufs waren zudem neben Ex-DGB-Chef und SPD-Mitglied Hoffmann der ehemalige SPD-Abgeordnete Michael Müller sowie Reiner Braun vom Internationalen Friedensbüro. Unterzeichner waren unter anderem der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Ex-EU-Kommissar Günter Verheugen (beide SPD). Der Liveblog vom Freitag zum Nachlesen | /newsticker/liveblog-ukraine-samstag-261.html |
2023-04-01 | 60 Tage Hausarrest für Abt des Höhlenklosters | Ukrainisch-Orthodoxe Kirche | Seit Jahren wirft die ukrainische Regierung der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche Verbindungen zu Russland vor. Einer Räumung des Kiewer Höhlenklosters widersetzen sich die Mönche bisher. Nun wird gegen den Abt ermittelt. Er muss 60 Tage in Hausarrest.
mehr | Seit Jahren wirft die ukrainische Regierung der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche Verbindungen zu Russland vor. Einer Räumung des Kiewer Höhlenklosters widersetzen sich die Mönche bisher. Nun wird gegen den Abt ermittelt. Er muss 60 Tage in Hausarrest. Die ukrainischen Behörden ermitteln gegen den Abt des Kiewer Höhlenklosters, Metropolit Pawlo, und werfen ihm Anstiftung zu religiösem Hass und Rechtfertigung des russischen Angriffskriegs vor. Am Samstag wurde zunächst das Haus Pawlos sowie das Kloster mit den markanten goldenen Kuppeln durchsucht. Ein Kiewer Gericht gab später einem Antrag der Staatsanwaltschaft statt und entschied, dass der Klostervorsteher 60 Tage unter Hausarrest gestellt wird. Wie das Nachrichtenportal "Ukrajinska Prawda" berichtete, darf Pawlo bis zum 30. Mai sein Anwesen nahe dem Kiewer Flughafen nicht verlassen. "Mir haben sie in zwei Worten gesagt, dass ich verdächtigt werde, für Russland zu arbeiten", hatte Pawlo zuvor in einem Video der russischen Staatsagentur Ria Nowosti gesagt. Er bestreitet die Anschuldigungen und bezeichnet sie als politisch motiviert. In ukrainischen Medien sagte Pawlo: "Ich verurteile alle Angriffe auf unseren Staat, und was Russland und Putin getan haben, ist nicht zu rechtfertigen." Inlandsgeheimdienst erhebt schwere Vorwürfe Der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU wirft Pawlo zudem vor, bei öffentlichen Auftritten wiederholt religiöse Gefühle von Landsleuten verletzt zu haben und eine feindselige Stimmung gegenüber Gläubigen anderer Konfessionen erzeugen zu wollen. Der SBU veröffentlichte Audiomitschnitte, auf denen Aussagen Pawlos zu hören sein sollen. Der Abt sorgt seit Jahren mit pro-russischen Positionen für Aufsehen. Vor wenigen Tagen sprach er in einem Video auch gegen den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und drohte ihm die Verdammnis an. Gott werde dem Staatsoberhaupt den Rauswurf der Mönche aus dem Höhlenkloster "nicht verzeihen", so Pawlo. Mönche ließen Räumungstermin verstreichen Der Streit um die Verbindungen der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UOK) nach Moskau schwelt bereits jahrelang und entwickelte sich parallel zum Krieg gegen die Ukraine. Jüngst hatte die ukrainische Regierung den Nutzungsvertrag für das Kiewer Höhlenkloster nicht verlängert, das auch Sitz der UOK ist. Der Vertrag lief am 29. März aus, Pawlo und weitere Mönche des Klosters weigern sich jedoch, es zu verlassen. Sie bestehen auf ein Gerichtsurteil zur Räumung und haben Klage eingereicht. Der Staat, dem das Kloster gehört, wirft der Kirche vor, dort ungenehmigt mehrere Gebäude errichtet zu haben. Nach der Durchsuchung bei Pawlo und im Kloster protestierten einige Gläubige vor dem Kloster gegen die Maßnahmen. Die Versammelten, darunter auch Geistliche, schwenkten religiöse Symbole und beteten. Eine Gruppe Gegendemonstranten stellte sich ihnen entgegen und schwenkte ukrainische Fahnen. Sie trampelten auf einem Foto herum, das Pawlo zusammen mit Putin zeigt. Kirche mit Draht nach Moskau Die UOK unterstand bis vor knapp einem Jahr dem Moskauer Patriarchen Kyrill I., der zu den Unterstützern des Angriffskriegs gegen die Ukraine und des russischen Präsidenten Wladimir Putin gehört. Erst im Mai 2022 sagte sich die UOK von Moskau los - die ukrainische Regierung bezweifelt allerdings die Ernsthaftigkeit dieses Schritts. Dem Inlandsgeheimdienst SBU zufolge wurden seit 2022 sieben Geistliche der UOK wegen Kollaboration mit Russland verurteilt, etwa weil sie Informationen weitergegeben oder Positionen ukrainischer Streitkräfte verraten hätten. Zwei der Verurteilten seien mittlerweile bei Gefangenenaustauschen nach Russland überstellt worden und frei gekommen. Alternative Kirche 2018 gegründet Seit 2018 gibt es eine orthodoxe "Gegenkirche", die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU). Sie war mit Unterstützung der Kiewer Regierung und des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel und orthodoxen Ehrenoberhaupts Bartholomaios I. gegründet worden. Der russische Patriarch Kyrill I. und die meisten anderen orthodoxen Patriarchen haben dies jedoch nicht anerkannt. Einige vormals ukrainisch-orthodoxen Gemeinden haben sich von der UOK abgewendet und sind zur OKU übergetreten. | /ausland/europa/ukraine-hoehlenkloster-abt-gericht-101.html |
2023-04-01 | Kritik an russischem Vorsitz im Sicherheitsrat | Höchstes UN-Gremium | Russland hat den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat, dem wichtigsten UN-Gremium, übernommen. Aus der Ukraine kommt heftige Kritik. Die USA riefen Russland auf, sich in der Rolle professionell zu verhalten.
mehr | Russland hat den Vorsitz des UN-Sicherheitsrates, dem wichtigsten UN-Gremium, übernommen. Aus der Ukraine kommt heftige Kritik. Die USA riefen Russland auf, sich in der Rolle professionell zu verhalten. Begleitet von deutlicher Kritik aus der Ukraine hat Russland den turnusgemäßen Vorsitz im UN-Sicherheitsrat übernommen. Der Chef des ukrainischen Präsidialstabs, Andrij Jermak, bezeichnete dies als Schande. Es sei ein weiterer Schlag für das regelbasierte System der internationalen Beziehungen, schrieb Jermak auf Twitter. Außenminister Dmytro Kuleba sagte laut dem US-Sender CNN, die russische Übernahme des Vorsitzes am 1. April sei der schlechteste Aprilscherz, den es jemals gegeben habe, und ein weiterer Beleg dafür, dass in der internationalen Sicherheitsarchitektur etwas falsch laufe. Auf Twitter erinnerte Kuleba außerdem daran, dass der russische Staatschef Wladimir Putin per Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht werde. Mit Russland im Sicherheitsrat könne die Welt kein sicherer Ort sein, schrieb Kuleba. It is very telling that on the holiday of one terror state – Iran, another terror state – Russia – begins to preside over the UN Security Council.
It's not just a shame. It is another symbolic blow to the rules-based system of international relations. Vorsitz wechselt monatlich Der Vorsitz im Sicherheitsrat rotiert monatlich in der alphabetischen Reihenfolge der Mitgliedsstaaten. Der Kreml hatte am Freitag erklärt, alle seine Rechte als Vorsitzstaat wahrnehmen zu wollen. Dazu gehört unter anderem, eigene Sitzungen des Gremiums einzuberufen. Dem britischen "Guardian" zufolge plant Russland drei davon. Zuletzt hatte Russland den Vorsitz im Februar 2022 inne - als es die Ukraine überfiel. USA rufen zu "professionellem Verhalten" auf Die USA hatten Russland kurz vor der Übernahme des Vorsitzes aufgefordert, sich in der Rolle "professionell zu verhalten" - gehen allerdings offenbar vom Gegenteil aus: "Wir erwarten, dass Russland seinen Sitz im Rat weiter dafür nutzt, Desinformation zu verbreiten" und seine Handlungen in der Ukraine zu rechtfertigen, hatte eine Sprecherin des Weißen Hauses erklärt. "Unglücklicherweise ist Russland ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrats und es gibt keinen gangbaren internationalen Rechtsweg, etwas daran zu ändern." Eine Möglichkeit, Russland an der Übernahme zu hindern, gebe es nicht. Westliche Mitglieder des Gremiums könnten für die Zeit des russischen Vorsitzes ihre Repräsentanz im Rat zurückfahren. Einen Boykott wird es aber nicht geben. Am Freitag hatte es bei der Sitzung des Rates Streit um Putins Ankündigung gegeben, Atomwaffen in Belarus zu stationieren. Selbst Russlands Partner China ist davon nicht angetan - vermied aber offene Kritik an Moskau. | /ausland/amerika/un-sicherheitsrat-russland-vorsitz-101.html |
2023-04-01 | Unfallursache Alkohol | E-Roller | E-Scooter sind ein beliebtes, weil schnell verfügbares Transportmittel in Großstädten. Doch die Unfallzahlen steigen. Auch, weil oft Alkohol im Spiel ist. Von Markus Pfalzgraf. | E-Scooter sind ein beliebtes, weil schnell verfügbares Transportmittel in Großstädten. Doch die Unfallzahlen steigen. Auch, weil oft Alkohol im Spiel ist. Am Wochenende nach der Party in der Innenstadt: Der letzte Bus ist schon weg, die Straßen- oder S-Bahn fährt nicht mehr. Da bieten sich E-Roller an, die an jeder Ecke stehen. Schnell ist die App geöffnet, der Scooter freigeschaltet - und los gehts. Ganz oft trotz Alkohol im Blut. Die Verkehrsunfallzahlen mit E-Roller-Beteiligung haben sich seit 2020 fast verfünffacht. Wurden 2020 noch 92 Verkehrsunfälle gezählt, so waren es 2022 insgesamt 442 Verkehrsunfälle (2021: 282). In 69,7 Prozent der Fälle wurden die Fahrerinnen und Fahrer als Unfallverursachende festgestellt. Die falsche Straßenbenutzung und der Einfluss von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln waren die Hauptunfallursachen. Wer betrunken rollert, riskiert den Führerschein Spontane Trunkenheitsfahrten mit einem scheinbar harmlosen Gefährt können gravierende Folgen haben. Das zeigen nicht nur die aktuellen Zahlen, sondern beispielhaft auch die Geschichte eines jungen Mannes, über den kürzlich der SWR berichtet hatte. Bei einer Polizeikontrolle waren bei ihm 1,9 Promille Alkohol festgestellt wurden. Die Folgen: Fahrverbot, Führerscheinentzug, Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU), regelmäßige Alkohol- und Drogentests sowie Gesamtkosten in Höhe von etwa 8000 Euro. Bei solchen Konsequenzen wird manchem erst klar, dass bei E-Rollern dieselben Grenzwerte gelten wie beim Autofahren. E-Scooter gelten als Kraftfahrzeuge und werden wie Autos behandelt. Das bedeutet: Bei einer Fahrt mit 0,5 Promille oder mehr begeht der Fahrer eine Ordnungswidrigkeit. Die Autobahn ist tabu, der Gehweg auch "Das ist ein Kraftfahrzeug", erinnerte auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) bei der Vorstellung der Statistik für Baden-Württemberg. Und tatsächlich haben die Roller eine amtliche Zulassung. Auch wenn sie schnell verfügbar überall in den Städten herumstehen, sind sie kein Spielzeug. Das Tempo liegt schnell bei bis zu 20 km/h, was für Ungeübte schon eine Herausforderung sein kann. Für die Fahrt auf der Autobahn reicht es allerdings aufgrund der dort geltenden Mindestgeschwindigkeit nicht. Hier gelten für E-Scooter dieselben Regeln wie für Fahrräder. Das mussten zwei Männer in Rheinland-Pfalz lernen, die kürzlich auf der Autobahn unterwegs waren, dazu noch zu zweit auf einem Roller. Nach ihrer gefährlichen Fahrt auf der A62 bei Kaiserslautern und einer Polizeikontrolle droht ihnen eine Anzeige. Das Fahren auf Schnellstraßen ist mit E-Rollern ebenso verboten wie die Nutzung von Gehwegen. Ältere verunglücken mit E-Bikes Die Daten zeigen: Vor allem elektrisch betriebene oder unterstützte Zweiräder unterschiedlicher Art verunglücken überdurchschnittlich oft. Das betrifft neben den beliebten Leih-Scootern vor allem auch E-Bikes. Die Unfallopfer bei E-Rollern sind überdurchschnittlich jung. Bei Pedelecs dagegen sind es eher Ältere. Beide Fahrzeugarten sollen einen Beitrag zur Verkehrswende leisten, doch beim Statistischen Bundesamt steht "auch das Unfallrisiko im Fokus, da selbst bei hohen Geschwindigkeiten kein Helm oder andere Schutzkleidung getragen werden muss". Zwar ist der Anteil der schweren Unfälle mit Pedelecs und E-Scootern den Zahlen von 2021 zufolge insgesamt gering, doch der Anstieg der Zahl ist sprunghaft - und gerade Unfälle mit Pedelecs endeten häufiger tödlich als bei Fahrrädern ohne Motor, weil wohl oft die Geschwindigkeit oder das Gewicht des Rades unterschätzt wird. Meistens sind sie auch unfallverursachend. Die Zahl der tödlich verunglückten Personen bei Unfällen mit Pedelecs war demnach doppelt so hoch wie bei herkömmlichen Fahrrädern, und das, obwohl es zehnmal mehr Fahrräder ohne als mit Motor in Deutschland gibt. Ende 2021 gab es bundesweit 8,5 Millionen Pedelecs. Allein in Baden-Württemberg gab es im vergangenen Jahr 3867 Unfälle mit Pedelecs, mit rund 800 Schwerverletzten und 50 Toten. Fahrtrainings, Kontrollen und Aufklärung Die baden-württembergische Landesregierung sieht sich zum Handeln gezwungen. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hält deshalb Fahrtrainings gerade für Ältere nötig - und fördert sie finanziell. Für E-Scooter soll es Informationskampagnen und mehr Aufklärung geben. Die Gewerkschaft der Polizei fordert darüber hinaus mehr Kontrollen. Ob die elektrischen Gefährte zumindest das Versprechen der Umweltfreundlichkeit einlösen, wird weiterhin diskutiert. In Städten wie Dresden oder Berlin werden nur wenige Autofahrten durch E-Scooter ersetzt. Und selbst wenn sie Fahrten ersetzen, bleibt die Frage nach den Produktionsbedingungen - und die nach der Sicherheit im öffentlichen Raum. In Düsseldorf, Stuttgart und anderen Städten gibt es immer wieder Ärger über wild herumstehende E-Roller, die auch eine Gefahr für andere sind, etwa für sehbehinderte Menschen. | /inland/gesellschaft/e-scooter-unfaelle-103.html |
2023-04-01 | "Ich lebe noch" | Papst verlässt Krankenhaus | Papst Franziskus hat die Gemelli-Klinik in Rom wieder verlassen. Er war dort wegen einer Atemwegserkrankung behandelt worden. An der Karwoche und den Ostertagen soll der Papst nun wie geplant teilnehmen.
mehr | Papst Franziskus hat die Gemelli-Klinik in Rom wieder verlassen. Er war dort wegen einer Atemwegserkrankung behandelt worden. An der Karwoche und den Ostertagen soll der Papst nun wie geplant teilnehmen. Erleichterung im Vatikan: Papst Franziskus ist aus dem Krankenhaus entlassen worden. Der Aufenthalt sei gut verlaufen, sagte Vatikansprecher Matteo Bruni. Vor der Klinik sprach Franziskus mit Journalisten und Passanten. "Ich lebe noch", flachste er und kündigte an, am Palmsonntag bei der Messe auf dem Petersplatz dabei zu sein. Ein junges Paar segnete er und verabschiedete sich mit einem Kuss von ihnen. Anschließend setzte er sich auf den Beifahrersitz eines weißen Fiat 500. Sicherheitskräfte hatten zunächst Mühe, dem Fahrzeug einen Weg durch die zahlreichen anwesenden Menschen zu bahnen. Gründonnerstag im Gefängnis Die Gottesdienste der Karwoche und der Ostertage werde der Papst wie geplant feiern, teilte der Vatikan mit. Am Gründonnerstag werde er eine Messe feiern, zu der in der Regel auch der Ritus der Fußwaschung gehört. Franziskus werde sich für diesen Anlass in das Jugendstrafgefängnis Casal del Marmo im Nordwesten Roms begeben. Der Papst besucht seit Jahren an Gründonnerstag Haftanstalten und feiert dort mit Strafgefangenen den Gottesdienst in Erinnerung an das letzte Abendmahl Jesu, bei dem dieser seinen Jüngern die Füße wusch. Der Vatikan-Sprecher ließ noch offen, ob der Papst am traditionellen abendlichen Karfreitags-Kreuzweg am Kolosseum teilnehmen wird. Bei den Gottesdiensten am Palmsonntag und am Ostersonntag wird der Papst laut Angaben wie geplant den Vorsitz einnehmen, während ein Kardinal am Altar zelebriert. Diese Aufteilung wird im Vatikan bereits seit etwa einem Jahr praktiziert, weil die Beweglichkeit des Papstes stark eingeschränkt ist. Papst erhält Antibiotika Das katholische Kirchenoberhaupt hatte sich seit Mittwochnachmittag im Papsttrakt der römischen Uniklinik aufgehalten. Laut Vatikan wurde Franziskus wegen einer infektiösen Bronchitis mit Antibiotika behandelt, was zu einer deutlichen Verbesserung geführt habe. Zunächst war von einem Aufenthalt zu geplanten Untersuchungen die Rede gewesen. Am Freitagnachmittag hatte der Papst ein wenige Wochen altes Baby in dem Krankenhaus getauft. Er besuchte die neurochirurgische und onkologische Kinderstation der Klinik, wo er dem medizinischen Personal für dessen aufopferungsvollen Dienst dankte. Schon seit längerem gesundheitliche Probleme Der Gesundheitszustand des 86-Jährigen ist seit längerer Zeit wechselhaft. Vor etwa einem Jahr hatte sich Franziskus einen Knochenbruch im Knie zugezogen. Seit Mai absolviert er darum die meisten Termine im Rollstuhl. Zudem teilte er im Januar mit, dass seine Darmerkrankung, eine Divertikulitis, wieder zurückgekehrt sei. 2021 war Franziskus wegen einer Darmentzündung in der Gemelli-Klinik operiert worden. | /ausland/papst-franziskus-305.html |
2023-04-01 | Mehrere Menschen sterben bei Tornados | USA | Zerstörte Häuser, umgekippte Autos, ausgerissene Bäume: Eine Serie von Tornados hat große Schäden in mehreren US-Bundesstaaten verursacht. Es gibt Tote und viele Verletzte - und das nächste Sturmzentrum braut sich bereits zusammen.
mehr | Zerstörte Häuser, umgekippte Autos, ausgerissene Bäume: Eine Serie von Tornados hat große Schäden in mehreren US-Bundesstaaten verursacht. Es gibt Tote und viele Verletzte - und das nächste Sturmzentrum braut sich bereits zusammen. Ein gigantisches Sturmsystem im Süden und Mittleren Westen der USA hat am Freitag tödliche Tornados entfaltet, durch die mindestens 17 Menschen ums Leben kamen. Zudem habe es Dutzende Verletzte gegeben, berichteten US-Medien unter Berufung auf Polizei und Rettungsdienste. Betroffen waren laut Wetterdienst vor allem die Bundesstaaten Arkansas, Illinois, Indiana, Iowa, Wisconsin, Mississippi und Tennessee. Rund eine halbe Million Haushalte war zumindest vorübergehend ohne Strom, wie aus Daten der Seite poweroutage.us hervorging. Häuser und Einkaufszentren wurden zerstört, Fahrzeuge umgestürzt und Bäume entwurzelt. In Illinois stürzte ein Theaterdach ein In der Kleinstadt Belvidere im Bundesstaat Illinois stürzte während eines Konzerts das Dach eines Theaters teilweise ein. Ein Mensch kam ums Leben. Nach Angaben der Feuerwehr wurden fünf Personen mit schweren, 18 mit mittelschweren und fünf mit leichten Verletzungen ins Krankenhaus gebracht 260 Menschen seien in dem Theater gewesen, teilte die Polizei mit. Polizeichef Shane Woody beschrieb die Lage als "absolutes Chaos". Zum Zeitpunkt des Einsturzes habe laut den Behörden ein Sturm mit Böen von bis zu 145 Stundenkilometern gewütet. Arkansas mobilisiert Nationalgarde In Sullivan County in Indiana kamen im Sturm drei Menschen ums Leben, wie der örtliche Katastrophenschutzdirektor Jim Pirtle der Nachrichtenagentur AP mitteilte. Häuser seien beschädigt worden und mehrere Personen würden vermisst. "Es hat uns schwer getroffen", berichtete Notdienste-Koordinator Jim Pirtle. In Madison County in Alabama wurde nach Angaben des Rettungsdienstes eine Frau getötet, drei weitere Menschen wurden schwer verletzt. Arkansas mobilisiert Nationalgarde Stunden zuvor hatte ein Tornado die Stadt Little Rock und Umgebung in Arkansas getroffen. Es habe einen Toten gegeben, berichteten Medien unter Berufung auf die Behörden. Mindestens 50 Menschen seien in Krankenhäuser gebracht worden, sagte eine Sprecherin des Bezirks Pulaski dem Sender CNN. Auf Bildern lokaler Fernsehsender waren entwurzelte Bäume, umgekippte Fahrzeuge und abgedeckte Dächer zu sehen. Vier weitere Todesopfer wurden aus der rund 150 Kilometer entfernten Ortschaft Wynne gemeldet. Häuser wurden zerstört und Menschen in Trümmern eingeschlossen. Stadtratsmitglied Lisa Powell sagte: "Wynne ist zertrümmert." Fast 90.000 Haushalte in Arkansas wurden von der Stromversorgung abgeschnitten, berichtete die Beobachtungsstelle poweroutage.us weiter. Gouverneurin Sarah Huckabee Sanders erklärte den Notstand und mobilisierte 100 Angehörige der Nationalgarde, um bei Rettungs- und Aufräumarbeiten zu helfen. Nächste Warnung des Nationalen Wetterdienstes Bestätigte Tornados wurden auch aus Iowa gemeldet, in Oklahoma fachte der Wind Grasbrände an. Das Sturmsystem bedroht ein Gebiet im Süden und Mittleren Westen der USA, in dem 85 Millionen Menschen wohnen. Das Sturmzentrum des Nationale Wetterdienstes teilte mit, derart "intensive Superzellen-Gewitter" dürften insbesondere im Süden der USA häufiger werden, "während die Temperaturen in der Welt steigen". Schon für kommenden Dienstag wurde für dasselbe Gebiet das nächste große Sturmzentrum vorhergesagt. | /ausland/amerika/usa-tornado-tote-105.html |
2023-04-01 | Tote nach Massenpanik in Pakistan | Bei Spendenverteilung | Bei einer Massenpanik im pakistanischen Karatschi sind mindestens elf Menschen ums Leben gekommen. Die Polizei nahm acht Verdächtige fest. Im Rahmen des Ramadan waren Spenden an Bedürftige verteilt worden. Von U. Schmidt. | Bei einer Massenpanik im pakistanischen Karatschi sind mindestens elf Menschen ums Leben gekommen. Die Polizei nahm acht Verdächtige fest. Im Rahmen des Ramadan waren Spenden an Bedürftige verteilt worden. Am Morgen nach der Katastrophe liegen hunderte Flipflops und Sandalen auf dem Gelände der Firma, die die Spenden verteilt hatte. Es sind stumme Zeugen der Panik, die am Abend zuvor hier ausgebrochen war. "Hier im Gewerbegebiet wurde Geld verteilt, seit mehreren Tagen schon", sagt Faisal Edhi, Gründer einer Hilfsorganisation. Diesmal seien zu viele Menschen gekommen, in der Masse sei Panik ausgebrochen. "Versuche, diese Panik zu kontrollieren, machten es nur noch schlimmer. Einige sind im nahegelegenen Abfluss ertrunken, andere zu Tode getrampelt worden." Edhi ist erschüttert. Die Spendenaktion war nicht angemeldet, die Organisatoren überfordert. Drei Kinder und mindestens acht Frauen unter den Opfern Unter den Toten sind drei Kinder und mindestens acht Frauen. In der Nacht suchten Menschen nach ihren Angehörigen. Die Opfer lagen aufgebahrt, nur mit einfachen Planen zugedeckt. Die, die überlebt haben, tun sich schwer, ihre Erlebnisse zu erzählen. Bibi Khursid ist in ein rotes Tuch gehüllt, sie wiegt ihren Kopf beim Sprechen hin und her. Ihre Schwester sei ganz in der Nähe gestorben, sagt sie der Nachrichtenagentur AP: Die hinter uns haben immer weiter gedrängt. Sie haben nicht angehalten. Ich bin fast zerdrückt worden. Dann ist meine Schwester auf mich gefallen. Als ich wieder zu mir kam, war sie weg. Als sich die Menge aufgelöst hat, habe ich sie dann gefunden – tot. Kritik an der Regierung Neben Trauer macht sich aber auch große Wut auf die Regierung in Islamabad bemerkbar. Mehrunnisa hat sich ein farbiges Tuch als Burka um den Kopf geschlungen, sie ist außer sich. "Millionen Frauen wurden aufgefordert, ihr Zuhause zu verlassen, um kostenlos Lebensmittel zu erhalten. Der Premier gibt seinem Vorgänger Imran Khan für alles die Schuld, dabei ist er doch selbst verantwortlich. Wir haben kein Gas, keinen Strom, kein Wasser", sagt Mehrunnisa. Alles sei teuer geworden, auch der Reis. Die Verteilung von Spenden ist während des Ramadan üblich, Premierminister Sharif hatte ausdrücklich dazu aufgefordert. Die Inflationsrate in Pakistan liegt bei 30 Prozent. Die Preise für Grundnahrungsmittel haben sich verdoppelt, die Flutkatastrophe vom vergangenen Sommer hat alles noch verschlimmert. | /ausland/pakistan-unglueck-spendenverteilung-101.html |
2023-04-01 | Massenproteste in Israel gehen weiter | Gegen Justizreform | Die Proteste gegen den Umbau der Justiz in Israel halten an, Hunderttausende Menschen gingen wieder auf die Straße. Sie trauen dem von Premier Netanyahu verkündeten vorläufigen Stopp des Gesetzesvorhabens nicht.
mehr | Die Proteste gegen den Umbau der Justiz in Israel halten an, Hunderttausende Menschen gingen wieder auf die Straße. Sie trauen dem von Premier Netanyahu verkündeten vorläufigen Stopp des Gesetzesvorhabens nicht. In Israel halten die Massenproteste gegen die Regierung und deren Pläne zur Schwächung der Justiz an. Trotz des vorläufigen Stopps der Reform gingen auch in der 13. Woche in Folge Hunderttausende Menschen auf die Straße. Allein bei der Hauptkundgebung in Tel Aviv sollen israelischen Medien zufolge mehr als 170.000 Menschen gewesen sein. Hier setzte die Polizei Wasserwerfer ein. "Die Regierung will keine Einigung, sondern nur Zeit gewinnen, um den Justizputsch zu verabschieden", hieß es von den Organisatoren. "Dies ist die kritischste Zeit seit der Staatsgründung." Sie werfen Premier Benjamin Netanyahu, genannt Bibi, vor, nur auf Zeit zu spielen. Landesweit sprachen die Organisatoren von mehr als 450.000 Menschen, die in rund 150 Orten demonstrierten. "Netanyahus Versuch, die Demonstranten zum Schweigen zu bringen, ist gescheitert." "Wir glauben kein Wort aus Bibis Mund" In Jerusalem demonstrierten Gegner der Justizreform vor dem Sitz des Präsidenten Isaac Herzog, wo Vertreter von Regierungskoalition und Opposition über einen Kompromiss verhandeln. "Wir glauben kein Wort, das aus Bibis Mund kommt", sagte ein Demonstrant. "Wir glauben, dass es nur ein politisches Manöver ist, um die Proteste zu beenden." Nach massiven Protesten und der Ankündigung eines Generalstreiks hatte Netanyahu das Gesetzesvorhaben am Montag für einige Wochen verschoben. Es könnte aber schon im April wieder auf der Tagesordnung stehen. Seit Dienstag fanden mehrere Gespräche zwischen Koalition und der Opposition statt. Politiker der Oppositionsparteien zweifelten aber mehrfach an der Ernsthaftigkeit Netanyahus, einen Kompromiss erreichen zu wollen. Netanyahus Koalition hatte bereits angekündigt, in der nächsten Parlamentssitzung mit dem Gesetzgebungsprozess fortzufahren, sollten die Gespräche scheitern. Kritiker sehen Gewaltenteilung in Gefahr Mit der Reform soll der Einfluss des Höchsten Gerichts beschnitten werden. Unter anderem soll das Parlament mehr Einfluss auf die Ernennung der Richter bekommen und Entscheidungen des Gerichts überstimmen dürfen. Die Kritiker sehen dies als Angriff auf die Gewaltenteilung und warnen vor einer Staatskrise, sollte die Reform umgesetzt werden. Netanyahu profitiert persönlich Die Schwächung des Höchsten Gerichts ist nicht das einzige Vorhaben der Justizreform. Ein anderes Teilgesetz verabschiedete das Parlament bereits - es macht die Amtsenthebung eines Premierministers deutlich schwieriger. Die Änderung gilt als persönlich auf Netanyahu zugeschnitten, der wegen Betrugs, Untreue und Bestechlichkeit angeklagt ist. Er hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen und betont, die Pläne der Regierung hätten nichts mit seinem Prozess zu tun. Das Gesetz könnte noch von der Justiz gestoppt werden. | /ausland/asien/israel-proteste-justizreform-109.html |
2023-03-31 | Der Osten schlägt Alarm | Geplante Krankenhausreform | Es ist eine komplizierte Operation: Das Krankenhaussystem soll reformiert werden. Der Bundesgesundheitsminister will damit ein Krankenhaussterben verhindern. Doch mehrere Bundesländer protestieren - vor allem im Osten. Von Jan Zimmermann. | Es ist eine komplizierte Operation: Das Krankenhaussystem soll reformiert werden. Der Bundesgesundheitsminister will damit ein Krankenhaussterben verhindern. Doch mehrere Bundesländer protestieren - vor allem im Osten. Eines scheint den Länderchefs klar zu sein: "Wir sind uns einig, dass es eine Reform braucht", sagt Michael Kretschmer, Ministerpräsident von Sachsen. Doch das war's dann mit der Einigkeit. Denn die Regierungschefs sorgen sich, um die Kliniken auf dem Land und um die wohnortnahe Grundversorgung. Der Grund ist die geplante Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Nach ersten Vorschlägen soll es künftig nur noch drei Kategorien von Krankenhäusern geben: solche, die zur wohnortnahen Grundversorgung zählen, Häuser mit Regel- und Schwerpunktversorgung sowie Maximalversorger wie Unikliniken. Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, fragt sich dabei, wie weit es Patienten künftig haben werden. Denn "wenn es künftig zu mehr Spezialisierung kommt, wie weit ist dann die Spezialisierung entfernt", so die SPD-Politikerin. Ihr sächsischer Kollege Michael Kretschmer ergänzt: "Wenn sie im ländlichen Raum 50 oder 60 Kilometer fahren müssten zu einem Krankenhaus, dann wird die Akzeptanz weg sein." Der CDU-Politiker warnt, Regionen abzuhängen. Wer schon mal erlebt habe, was vor Ort los sei, wenn beispielsweise eine Geburtsklinik geschlossen werde, weil die Anzahl der Geburten zu niedrig ist, der bekomme ein Gefühl dafür, was so etwas für die Menschen vor Ort bedeutet, erläutert Kretschmer. Gesundheitsminister Lauterbach will Ängste nehmen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach versucht, die Ministerpräsidenten zu beruhigen. Die Krankenhausreform führe nicht dazu, dass Standorte, die jetzt da sind und gebraucht werden, in ihrer Existenz bedroht werden. Laut dem SPD-Minister soll die Reform ein Krankenhaussterben gerade verhindern: "Die Kliniken sind derzeit in einer Schieflage. Viele sehr gute Kliniken machen Defizite und können diese Defizite im bestehenden System nicht beheben." Lauterbach will deshalb weg von der bisherigen Finanzierung über Fallpauschalen. Krankenhäuser sollen nicht mehr hauptsächlich nach der Zahl der Operationen und Behandlungen bezahlt werden. Motto: Je mehr operiert wird, desto mehr Geld gibt es. Dieses System würde Kliniken auf dem Land früher oder später das Genick brechen, weil sie immer mehr Probleme haben, Pflegekräfte und Ärzte zu finden und in der Folge weniger Patienten behandeln können. Neues Finanzierungssystem Stattdessen soll sich die Finanzierung der Kliniken danach richten, was die Häuser an Personal, Expertise und Technik vorhalten. Zugleich soll die Qualität der Patientenversorgung erhöht werden - eben durch mehr Spezialisierung. Zwar finden die Länderchefs die Grundzüge der Reformpläne gut, fordern aber eine Stärkung der Krankenhäuser auf dem Land. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow wirbt dafür, künftig mehr ambulante Behandlungen in Kliniken auf dem Land durchzuführen. "Die Trennung von ambulant und stationär kannte man in Ostdeutschland gar nicht und wundert sich, was das soll", sagt der Linken-Politiker. Krankenhäuser auf dem Land könnten beispielsweise radiologische Untersuchungen vornehmen. "Warum ist dazu eine Facharzt-Niederlassung notwendig?", fragt sich Ramelow. Sachsens Regierungschef Kretschmer verweist darauf, dass die Krankenhauslandschaft im Osten bereits in den 1990er-Jahren "schmerzvoll" reformiert worden sei. Für ihn ist klar: In dem jetzigen Stadium könne man der Krankenhausreform nicht zustimmen. Lauterbach: "Es liegen lange Wege vor uns" Gesundheitsminister Lauterbach verspricht, die Sorgen und Forderungen der Länder bei den Schritten stärker zu berücksichtigen. "Es liegen noch lange Wege vor uns. Das ist eine große Reform", betont der Minister. Bis Anfang Mai will er einen Basisvorschlag in die Gespräche einbringen, der die Konsequenzen für die Kliniken aufzeigen soll. Ziel sei es, bis zum Sommer konkrete Eckpunkte für die Krankenhausreform vorzulegen. Lauterbach und die Länderchefs sind dennoch optimistisch: Am Ende werde es eine Reform geben, weil es eine Reform geben müsse - die Einigkeit darin bleibt. | /inland/krankenhausreform-lauterbach-103.html |
2023-03-31 | Der Westen als Feind, Russland als Opfer | Russland neue Außenpolitik-Doktrin | Russland hat eine neue außenpolitische Doktrin verabschiedet, die den Westen zur "existenziellen" Bedrohung erklärt. Es gelte, die Dominanz der USA und anderer Staaten abzubauen - offenbar auch durch präventive Maßnahmen. Von Frank Aischmann. | Russland hat eine neue außenpolitische Doktrin verabschiedet, die den Westen zur "existenziellen" Bedrohung erklärt. Es gelte, die Dominanz der USA und anderer Staaten abzubauen - offenbar auch durch präventive Maßnahmen. Wenn sich einmal die Woche in Moskau der russische Sicherheitsrat trifft - ein gutes Dutzend Spitzenpolitiker sowie Geheimdienstchefs, dann bekommt der Zuschauer des russischen Staatsfernsehens im Anschluss üblicherweise nur rund 30 Sekunden Einführungsworte von Präsident Wladimir Putin, der Rest bleibt geheim. Heute die große Ausnahme: Es wurden zehn Minuten von diesem Gremium übertragen, das den Präsidenten in sicherheits-, verteidigungs- und außenpolitischen Fragen berät. Bei letzterem gab es wichtige Neuigkeiten: Liebe Kollegen, guten Tag. Erster Punkt unserer Tagesordnung wird heute das neue außenpolitische Konzept der Russischen Föderation. Russland sieht sich als Opfer Was Präsident Putin als Aktualisierung und Anpassung an die heutigen geopolitischen Gegebenheiten bezeichnete, unterscheidet sich deutlich von der bisherigen außenpolitischen Doktrin aus dem Jahr 2016. Das sei nötig, ergänzte Außenminister Sergej Lawrow, weil sich umwälzende Veränderungen auf der außenpolitische Bühne seit Beginn der "militärischen Spezialoperation" sichtbar beschleunigt hätten. Gemeint sind deutlich veränderte internationale Beziehungen zu Russland, seit der Angriffskrieg gegen die Ukraine geführt wird. Nur sieht sich Russland nicht als Täter, sondern als Opfer. "Wir sehen, dass durch die Handlungen unfreundlicher Staaten unsere Sicherheit und Entwicklung existenziell bedroht ist." Die Vereinigten Staaten von Amerika seien direkt als Hauptinitiator und Förderer der antirussischen Linie genannt. "Wir beschreiben die auf die totale Schwächung Russlands ausgerichtete Politik des Westens allgemein als eine neue Art der hybriden Kriegsführung." Moskau beklagt angebliche Russophobie Zu den erwähnten "unfreundlichen Staaten" gehören Dutzende Länder und neben den USA auch Polen, Großbritannien - und Deutschland. Erneut sehr undiplomatisch für einen Außenminister warnte Lawrow: Antirussische Bestrebungen von unfreundlichen Staaten würden konsequent und, wenn nötig, mit aller Härte bekämpft. "Das Konzept sieht die Möglichkeit vor, als Reaktion auf feindliche Handlungen gegen Russland symmetrische und asymmetrische Maßnahmen zu ergreifen." Die russischen Streitkräfte können eingesetzt werden, um einen bewaffneten Angriff auf Russland und seine Verbündeten abzuwehren oder zu verhindern, so Lawrow. Dieses harmlos klingende "verhindern" eines bewaffneten Angriffs dürfte jenseits der russischen Grenzen große Besorgnis erzeugen, klingt es doch nach der Drohung präventiven Vorgehens. Als Drehbuch könnte das Agieren in der Ukraine 2014 gelten. Auch die Bekämpfung einer angeblichen Russophobie steht in der neuen Doktrin: die Stärkung der russischen Sprache in der Welt und die Entpolitisierung des Sports. Mit letzterem versucht Russland, die Sanktionen und Einschränkungen bei internationalen Sportveranstaltungen aufzuweichen, die nach dem Kriegsbeginn verhängt wurden. Moskau sieht USA als Anstifter Eine Dominanz der USA und des Westens lehnt Russland ab, zumal die USA Anstifter, Organisator und Vollstrecker der aggressiven antirussischen Politik des kollektiven Westens seien. So steht es in der Doktrin. Und auch, dass die USA damit "Quelle der größten Risiken für die Sicherheit Russlands, des Friedens auf der Welt und einer gerechten und nachhaltigen Entwicklung der Menschheit" seien. Russland strebt alternativ eine multipolare Weltordnung an und nennt als strategische Partner China, Indien, die ASEAN-Staaten, die Länder der islamischen Welt, des afrikanischen Kontinents, Lateinamerikas und der Karibik. Putin unterzeichnet Erlass für Doktrin "Wir isolieren uns nicht von den anglosächsischen Ländern und Kontinentaleuropa, wir haben keine feindlichen Absichten", so Außenminister Lawrow. "Sie sollten sich jedoch darüber im Klaren sein, dass ein pragmatisches Engagement gegenüber Russland nur möglich ist, wenn sie die Sinnlosigkeit ihrer Konfrontationspolitik erkennen und diese Politik auch praktisch ablehnen." Die neue Außenpolitische Strategie Russlands wurde heute nicht nur im russischen Sicherheitsrat vorgestellt und der vollständige Text auf der Website des Kreml veröffentlicht, sondern - so Präsident Putin: "Ich habe heute einen Erlass unterzeichnet, mit dem das aktualisierte außenpolitische Konzept der Russischen Föderation angenommen wird." | /ausland/russland-ukraine-krieg-sicherheitspolitik-putin-usa-101.html |
2023-03-31 | Das Wichtigste zur Trump-Anklage | Prozess in New York | Erstmals wird mit Donald Trump ein ehemaliger US-Präsident angeklagt - voraussichtlich am Dienstag wird er sich in New York einfinden. Was über die Anklage schon bekannt ist, welche Probleme es geben könnte und wie das Verfahren abläuft.
mehr | Erstmals wird mit Donald Trump ein ehemaliger US-Präsident angeklagt - voraussichtlich am Dienstag wird er sich in New York einfinden. Was über die Anklage schon bekannt ist, welche Probleme es geben könnte und wie das Verfahren abläuft. Worum geht es bei der Anklage? Zum ersten Mal überhaupt klagt eine Staatsanwaltschaft mit Donald Trump einen Ex-Präsidenten der Vereinigten Staaten an. Die Anklage aus New York dreht sich um Schweigegeldzahlungen an den Pornostar Stormy Daniels. Wer ist Stormy Daniels und was hat sie mit Trump zu tun? Die Vorwürfe begleiten Trump schon lange. Daniels, die mit bürgerlichem Namen Stephanie Clifford heißt, hatte 2006 nach eigener Aussage Sex mit Trump, was er bestreitet. Nach Angaben der heute 44-Jährigen lernten sich beide im Sommer 2006 bei einem Golfturnier-Wochenende am Lake Tahoe kennen und schliefen dort miteinander - nur wenige Monate, nachdem Trumps Ehefrau Melania den gemeinsamen Sohn Barron auf die Welt gebracht hatte. Daniels sagt, die beiden hätten auch danach über Monate Kontakt gehabt. Trump weist all das als "falsche und erpresserische Anschuldigungen" zurück. Daniels ist in den USA ein bekannter Erotikfilmstar und hat sich in der Branche auch als Regisseurin einen Namen gemacht. Worum geht es bei der Anklage genau? Offiziell sollen die Details der Anklage von Staatsanwalt Alvin Bragg der Öffentlichkeit erst in der kommenden Woche mitgeteilt werden. Es dürfte jedoch um Schweigegeldzahlungen an Daniels und womöglich auch an das Model Karen McDougal in Höhe von 130.000 und 150.000 Dollar gehen. Dieses Geld hatte Trumps Anwalt Michael Cohen kurz vor der US-Präsidentschaftswahl 2016 überwiesen und später von Trumps Familienholding, der Trump Organization, zurückerstattet bekommen. Schweigegeld zu zahlen, ist in den USA nicht illegal. Die Frage dürfte aber sein, ob die Art und Weise der Erstattung an Cohen rechtmäßig war und ob es sich womöglich um illegale Wahlkampffinanzierung handelte. Nachdem Trump die Wahl 2016 gewonnen hatte und ins Weiße Haus eingezogen war, beschuldigte die New Yorker Staatsanwaltschaft Anwalt Cohen, die Zahlungen seien unzulässige Wahlkampfspenden gewesen. Ihr Zweck sei es gewesen, vor der Wahl Schaden von Trump abzuwenden. Cohen bekannte sich damals schuldig und musste in Haft. Nun geht es wahrscheinlich auch um die Frage, ob auch Trump gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen hat. Cohen erklärte, er habe auf Trumps Anweisung gehandelt. Solange Trump Präsident war, genoss er Immunität, gegen ihn konnte nicht ermittelt werden. Er hat die Zahlungen an Cohen öffentlich eingeräumt und argumentiert, die falschen Anschuldigungen von Daniels hätten damit gestoppt werden sollen. Ist eine Verurteilung wahrscheinlich? Das ist schwer vorherzusagen. Es ist eigentlich davon auszugehen, dass Staatsanwalt Bragg in dem aufsehenerregenden und beispiellosen Fall nur Anklage erhebt, wenn er von den Erfolgschancen überzeugt ist. Aber das Vorgehen birgt Risiken: An Hauptzeuge Cohen hängt der Fall maßgeblich, weil er das direkte Bindeglied zwischen Trump und den Zahlungen ist. Mehr als ein Jahrzehnt lang arbeitete der Anwalt für Trump und war eine zentrale Figur in mehreren Affären um den Republikaner. Er wurde oft als Trumps "Ausputzer" beschrieben - bis es zum Bruch zwischen beiden kam. Vor Gericht und dem Kongress erhob er schwere Vorwürfe gegen Trump. Der Staatsanwaltschaft könnte aber ein Glaubwürdigkeitsproblem des Schlüsselzeugen zum Verhängnis werden: Cohen ist selbst verurteilter Straftäter, unter anderem wegen einer Falschaussage vor dem Kongress. Zudem könnten Trumps Verteidiger versuchen, ihn als rachsüchtig darzustellen. Was droht Trump, falls er verurteilt wird? Es ist offen, ob Trump im Falle einer Verurteilung eine Haftstrafe erhalten würde. Falls ja, so spekulieren US-Beobachter, könnten es bis zu vier Jahre Haft sein. Wie geht es jetzt weiter? Nachdem das Geschworenengremium der Grand Jury zu dem Schluss gekommen ist, dass es ausreichende Hinweise für eine Straftat gibt und für eine Anklage gestimmt hat, sind Trump und seine Anwälte von der Staatsanwaltschaft informiert worden. Trumps Verteidiger Joseph Tacopina erklärte gegenüber US-Medien, Trump werde freiwillig nach New York kommen - wahrscheinlich am Dienstag. Spätestens dann wird auch die Öffentlichkeit offiziell Details der Vorwürfe erfahren. In New York würde Trump kurzzeitig in Gewahrsam genommen, damit Fingerabdrücke und Polizeifotos von ihm gemacht werden können. Laut Tacopina habe die Staatsanwaltschaft aber versichert, dass Trump nicht in Handschellen vorgeführt werde. Es gilt als sicher, dass Trump nach diesem Prozedere wieder nach Hause kann. Danach kommt es wahrscheinlich zum Prozess. Sofern sich Trump "nicht schuldig" bekennen sollte - was als sicher gilt - müsste ein Richter als nächstes ein Datum für einen Prozessbeginn festlegen. Vorher gibt es Anhörungen, in der Trumps Verteidiger versuchen könnten, eine Verzögerung zu erreichen oder den Prozess zum Platzen zu bringen. Dürfte Trump im Fall einer Verurteilung für die Wahl 2024 antreten? Trump hatte vorab schon klar gemacht, dass er seine Präsidentschaftsbewerbung auch im Falle einer Anklage nicht zurückziehen wolle. Bis zu einem Urteil könnten viele Monate oder sogar Jahre vergehen. Und selbst ein Schuldspruch müsste Trump rein rechtlich nicht davon abhalten, für die Wahl 2024 anzutreten. Es gab in der US-Geschichte sogar schon einen Präsidentschaftskandidaten, der nicht nur angeklagt, sondern auch verurteilt wurde, und aus dem Gefängnis heraus die Wahl bestritt: Eugene Debs 1920. Bei Trump stellt sich eher die politische Frage, ob die republikanische Basis und Partei bereit sind, sich hinter einem Kandidaten zu versammeln, der im Zusammenhang mit dubiosen Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar angeklagt ist. Vorerst scharen sich Unterstützer und selbst parteiinterne Konkurrenten um ihn - und werten die Anklage als politischen Angriff von links. Hartgesottene Anhänger dürften sich in ihrem Eifer sogar noch bestärkt fühlen. Schon in der Vergangenheit zeigte Trump, dass selbst schwere Vorwürfe und Fehltritte nicht zum Ende seiner politischen Karriere führen und er diese sogar für sich ausnutzen kann. Und rechtlich bergen andere Vorwürfe mehr Gefahr. Welche anderen rechtlichen Probleme hat Trump noch? Gegen den Republikaner laufen noch mehrere andere Ermittlungen. Zwei stechen heraus: Das US-Justizministerium hat einen Sonderermittler eingesetzt, um Trumps Umgang mit geheimen Regierungsunterlagen zu untersuchen. Trump bewahrte nach seinem Auszug aus dem Weißen Haus im großen Stil Regierungsdokumente in seinem privaten Anwesen Mar-a-Lago in Florida auf, darunter etliche Dokumente mit höchster Geheimhaltungsstufe. Trump könnte sich damit strafbar gemacht haben. Manche Rechtsexperten meinen, mit einer Anklage dazu könnte sich Trump für das Präsidentenamt disqualifizieren. Der Sonderermittler forscht auch nach, welche Rolle Trump bei den Bemühungen spielte, den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 zu beeinflussen, etwa im Bundesstaat Georgia. Auch Trumps Rolle bei dem Angriff auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 wird untersucht. Manche Juristen sehen auch hier Risiken für Trump mit Blick auf seine Wiederwahl-Ambitionen: Es sind laut Verfassung nämlich all jene von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, die sich an einem Aufstand gegen die Regierung beteiligt haben. | /ausland/faq-trump-anklage-101.html |
2023-03-31 | Oscar Pistorius bleibt im Gefängnis | Südafrika | Der wegen Tötung seiner Freundin verurteilte Ex-Sportstar Oscar Pistorius wird nicht früher aus der Haft entlassen. Einen entsprechenden Antrag lehnte die südafrikanische Justizbehörde ab. Grund dafür sei ein bürokratischer Fehler.
mehr | Der wegen Tötung seiner Freundin verurteilte Ex-Sportstar Pistorius wird nicht früher aus der Haft entlassen. Einen entsprechenden Antrag lehnte die südafrikanische Justizbehörde ab. Grund dafür sei ein bürokratischer Fehler. Mit Spannung hatten viele Südafrikaner die Bewährungsanhörung des wegen Mordes verurteilten früheren Spitzensportlers Oscar Pistorius verfolgt. Nun ist klar: Der 36-Jährige kommt nicht frei. Die südafrikanische Justizvollzugsbehörde hat eine Freilassung auf Bewährung abgelehnt. Ein neuer Bewährungsantrag könne im August 2024 gestellt werden, so die Justizvollzugsbehörde in einer Mitteilung. Grund für die Ablehnung sei ein bürokratischer Fehler gewesen, sagte ein Sprecher der Behörde. Pistorius habe noch nicht, wie ursprünglich angenommen, die Hälfte seiner Haftstrafe von 13 Jahren und fünf Monaten abgesessen, die ihm laut südafrikanischem Gesetz automatisch Anspruch auf eine Bewährungsanhörung gewährleistet hätte. Wie es im Vorfeld zu dem Fehler kommen konnte, blieb unklar. Pistorius erschoss damalige Freundin Pistorius hatte in der Nacht des Valentinstags 2013 seine damalige Freundin Reeva Steenkamp mit vier Schüssen durch die Toilettentür seiner Villa in der Hauptstadt Pretoria getötet. Vor Gericht sagte Pistorius aus, er habe mehrfach gefeuert, weil er hinter der Tür einen Einbrecher befürchtet habe. Doch die Beweislage sprach gegen ihn. Das Verfahren gegen den unterhalb beider Knie amputierten Pistorius zog sich über Jahre und ging durch mehrere Instanzen. Der ehemalige Athlet hatte 2014 zunächst eine Haftstrafe von fünf Jahren erhalten. Diese wurde 2016 auf sechs Jahre erhöht. Nach nochmaliger Widerrufung durch die Staatsanwaltschaft wurde Pistorius Ende 2017 schließlich zu 13 Jahren und fünf Monaten verurteilt. "Wir haben ihm nie geglaubt" Pistorius sowie die Mutter der getöteten Reeva Steenkamp waren vor dem Bewährungsausschuss erschienen. Es sei ein sehr stressiger Tag, sagte Mutter June Steenkamp bei ihrer Ankunft vor dem Gefängnis. Es sei "sehr schwierig" für sie, mit Pistorius im gleichen Raum zu sitzen. Ihr Mann habe krankheitsbedingt nicht kommen können. "Bevor er stirbt, hat er einen Wunsch und das ist, dass Oscar uns einfach sagt, was genau in jener Nacht geschehen ist", hieß es in einer Erklärung der Eltern, die vor dem Bewährungsausschuss verlesen wurde. Die Steenkamp-Familie hatte gegen eine Freilassung auf Bewährung plädiert. Pistorius habe keine Reue gezeigt und es gäbe weiterhin offene Fragen, die er damals im Gericht nicht beantwortet habe. "Wir haben ihm nie geglaubt", sagte June Steenkamp. Zehn Jahre nach der Tat trauerten die Steenkamps noch immer täglich um ihre Tochter, sagte die Rechtsvertreterin der Eltern, Tania Koen, vor laufenden Kameras: "Die Zeit hat ihre Wunden nicht geheilt." Einst ein gefeierter Sportler Pistorius waren als Kind wegen eines Gen-Defekts beide Beine unterhalb der Knie amputiert worden. Mit eigens für ihn angefertigten Karbon-Prothesen gewann er bei Paralympischen Spielen sechs Goldmedaillen. 2012 erreichte er dann sein ehrgeiziges Ziel: Als erster beidseitig beinamputierter Sportler nahm Pistorius an den Olympischen Spielen teil. Über 400 Meter erreichte er sogar das Halbfinale. In Südafrika feierte man ihn damals als Helden. Nach seiner Verurteilung verschwand Pistorius nahezu komplett aus dem Rampenlicht. | /ausland/oscar-pistorius-totschlag-suedafrika-101.html |
2023-03-31 | Wer wird der Neue bei der Weltbank? | Ajay Banga einziger Kandidat | Ajay Banga, ehemals Vorstandschef von Mastercard, ist der einzige Kandidat für den Chefposten der Weltbank - einer der weltweit wichtigsten Organisationen für Entwicklungshilfe. Welchen Weg schlägt die Weltbank ein? Von L. Hiltscher. | Ajay Banga, ehemals Vorstandschef von Mastercard, ist der einzige Kandidat für den Chefposten der Weltbank - einer der weltweit wichtigsten Organisationen für Entwicklungshilfe. Welchen Weg schlägt die Weltbank ein? Bereits am 23. Februar dieses Jahres wurde Ajay Banga von US-Präsident Joe Biden für den Chefposten der Weltbank nominiert. Seit Mittwochabend ist klar: Er ist der einzige Kandidat für den Chefposten, weitere Nominierungen gab es nicht. Es gilt darum als sicher, dass der indisch-US-amerikanische Manager auf den Chefposten rückt, seine Berufung dürfte nur noch Formsache sein. Ziel: Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung Es ist Tradition, dass die USA den Präsidenten dieser internationalen Institution stellen, auch weil die Weltbank ihren Hauptsitz in Washington D.C. hat. Außerdem sind die USA mit mehr als 16 Prozent der größte Anteilseigener der Weltbank und haben damit auch die meisten Stimmrechte. Der Präsident wird für fünf Jahren gewählt und ist für die Gesamtleitung der Weltbank verantwortlich. Das wichtigste Entscheidungsgremium der Institution ist aber der Gouverneursrat, der sich in der Regel aus den Finanzministern oder den Entwicklungsministern der 189 Mitgliedstaaten zusammensetzt. Sie treffen sich einmal jährlich zur Jahrestagung. Gegründet wurde die Weltbank bereits 27. Dezember 1945, damals vor allem mit Blick auf den für die Nachkriegszeit erwarteten großen Bedarf an langfristigem Kapital für den Wiederaufbau und die wirtschaftliche Entwicklung. Seit Ende der 1940er Jahre konzentriert sich die Arbeit der Weltbank vor allem auf die Entwicklungsländer; ihre wichtigste Aufgabe dabei ist die Bekämpfung der weltweiten Armut durch die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung. Deutschland hat 4,6 Prozent Kapitalanteil Dabei steht vor allem die finanzielle Unterstützung im Mittelpunkt: "Die Weltbank bietet eine Reihe von Finanzprodukten sowie technische Beratung und Analysen, um Entwicklungsherausforderungen anzugehen und Ländern dabei zu helfen, Lösungen für eine nachhaltige und integrative Entwicklung zu finden", heißt es auf der Webseite der Weltbank. Dafür vergibt sie langfristige Darlehen mit einer Laufzeit von 15 bis 20 Jahren. Die Refinanzierung erfolgt zum einen durch die Mitgliedsländer, zum anderen durch Anleihen am Kapitalmarkt. Die fünf größten Anteilseigner sind die G7-Staaten USA, Japan, Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich. Deutschland, das viertgrößte Mitgliedsland der Weltbank, trat am 28. Juli 1952 bei und hat einen Kapitalanteil von 4,6 Prozent. Deutschlands Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze, die auch an der Jahrestagung im vergangenen Oktober teilnahm, hatte die Nominierung von Ajay Banga als neuen Präsidenten der Weltbank unterstützt. Klimawandel im Fokus Ajay Banga, 63 Jahre alt, in Indien geboren, folgt auf David Malpass, der überraschend seinen Rücktritt angekündigt hatte. Er will sein Amt Ende Juni niederlegen und geht damit rund ein Jahr vor dem regulären Ende seiner Amtszeit. Bereits Anfang März reiste Banga, der seit 2007 US-amerikanischer Staatsbürger ist, nach Europa, um für Unterstützung für seine Kandidatur zu werben. Deine Botschaft kommt vor allem in Europa gut an, denn er will den Klimawandel in den Mittelpunkt seiner Arbeit rücken und distanziert sich damit von der Haltung seiner Vorgängers. Malpass war wegen Äußerungen auf einer Podiumsdiskussion im vergangenen Jahr im Weißen Haus in Ungnade gefallen. Dort hatte er gesagt, er wisse nicht, ob die Verbrennung von fossilen Brennstoffen den Klimawandel beschleunige. Ehemaliger Chef von Mastercard Ajay Banga soll nun also den Wandel bei der Weltbank einleiten. US-Präsident Biden traut ihm das allemal zu, der ehemalige Vorsitzende von Mastercard habe schon mehrfach Firmen durch "Zeiten fundamentaler Veränderungen geleitet", hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme zur Nominierung Bangas. Denn statt wie bisher einzelne Länder finanziell zu unterstützen, soll die Weltbank künftig auch globale Krisen wie den Klimawandel bekämpfen - eine inhaltliche Neuorientierung. Kritik am Verfahren Doch nicht überall kam Bangas Nominierung durch Biden gut an: Große Schwellenländer wie Brasilien, Argentinien, China, Indien und Südafrika fordern seit Jahren mehr Mitspracherecht bei der Weltbank. Allerdings leiden sie darunter, dass sich der Anteil der Stimmrechte nach dem Anteil des Kapitals richtet, wodurch besonders ärmere Länder benachteiligt werden. Darum zweifeln Kritiker auch daran, dass die Weltbank immer im Sinne der Entwicklungsländer handelt. Stattdessen könnten einfach Projekte durchgesetzt werden, an deren Umsetzung vor allem die Industrieländer ein Interesse hätten und die nicht im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen stünden. Weltbank fördert fossile Energieträger Gestützt wird das unter anderem durch Recherchen der Nicht-Regierungsorganisation urgewald: Danach flossen von den für 2021 verplanten Darlehensgeldern der Weltbank für Energieprojekte 21 Milliarden US-Dollar in fossile Energieträger. Lediglich sieben Milliarden US-Dollar wurden laut urgewald in den Ausbau klimaschonender Energieträger wie Wind- oder Solarkraft investiert. Zudem gibt es Kritik an den Statistiken der Weltbank. So sprach der Nobelpreisträger Paul Romer in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" 2021 über Manipulationen: "Die offiziellen Statistiken und Veröffentlichungen der Weltbank weisen viele grundlegende Schwächen auf. Offensichtliche Unehrlichkeit wird toleriert." | /wirtschaft/weltwirtschaft/weltbank-143.html |
2023-03-31 | Viel Rückenwind für die Wall Street | Nach Inflationsdaten | Nachlassende Inflationssorgen haben zum Wochenschluss die Wall Street angeschoben. Wie auch zuvor in Europa schwanden zudem die Sorgen um den Bankensektor. Alle großen Aktienindizes legten zu.
mehr | Nachlassende Inflationssorgen haben zum Wochenschluss die Wall Street angeschoben. Wie auch zuvor in Europa schwanden zudem die Sorgen um den Bankensektor. Alle großen Aktienindizes legten zu. Nachlassende Inflationssorgen haben zum Wochenschluss den großen Aktienindizes der Wall Street unisono Gewinne beschert. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte lag am Ende bei 33.274 Punkten, ein Tagesgewinn von 1,26 Prozent. Der breiter gefasste S&P 500 gewann 1,44 Prozent bei 4109 Punkten. Der Index der Technologiebörse Nasdaq stieg um 1,74 Prozent auf 12.221 Punkte, der Auswahlindex Nasdaq 100 legte 1,68 Prozent zu und erreichte damit bei 13.181 Zählern ein neues Jahreshoch. Auf Wochensicht verzeichnete der Leitindex Dow ein Plus von gut drei Prozent. "Wenn wir die Woche im grünen Bereich beenden, ist das eine große Sache, wenn man bedenkt, wie katastrophal der Rest des Monats war", schrieb Craig Erlam, leitender Marktanalyst beim Handelshaus Oanda, mit Blick auf die jüngsten Probleme im Bankensektor. Diese hatten zu einem Ausverkauf in der Branche geführt, der negativ auf den Gesamtmarkt ausstrahlte. Inflationsdaten stützen - ist der Zinsgipfel erreicht? Thema des Tages an der Wall Street waren heute aber nicht die Banken, sondern neue Inflationsdaten. Diese fielen moderat aus und schürten die Hoffnung der Anleger, dass der Zinsgipfel der Notenbank Federal Reserve (Fed) bald erreicht sein wird. Am Markt rechnen die Marktteilnehmer mehrheitlich nur noch mit einer Zinserhöhung von 25 Basispunkten im Mai. Ein Inflationsmaß, das die Währungshüter besonders im Auge halten, bilden die persönlichen Ausgaben der Konsumenten. Dabei bleiben die schwankungsanfälligen Nahrungsmittel- und Energiekosten außen vor. Dieser sogenannte PCE-Kernindex fiel im Februar im Jahresvergleich überraschend auf eine Jahresteuerungsrate von 4,6 Prozent - nach 4,7 Prozent im Januar. Im Monatsvergleich lag die Rate bei plus 0,3 Prozent. Erwartet worden war eine Jahresrate von 4,7 und eine monatliche Entwicklung von 0,4 Prozent. Der private Konsum ist ein Eckpfeiler der US-Wirtschaft, die auch dank der Kauflaune der Verbraucher vor der Jahreswende auf Wachstumskurs blieb. Als gutes Omen für den Konjunkturverlauf gilt, dass die Konsumlaune im März überraschend gestiegen ist. Der noch immer recht hohe Preisdruck wirkt allerdings als Stimmungsbremse, da er die Kaufkraft der Verbraucher mindert. "Es war kein dramatischer Bericht, aber er zeigt, dass sich die Inflation abkühlt", sagte David Waddell, Investmentexperte bei Waddell & Associates. "Die Fed muss nicht weiter gehen. Es ist das Risiko einer weiteren Destabilisierung des Bankensystems nicht wert." Die Präsidentin der Boston Fed, Susan Collins, bemerkte, dass es für die Zentralbank noch früh sei, zu beurteilen, ob ihre Zinserhöhungen weit genug gegangen seien, um die Inflation wieder auf Kurs für das Ziel der Fed von zwei Prozent zu bringen. Zuletzt hatte die Fed den Leitzins um einen viertel Prozentpunkt auf die neue Spanne von 4,75 bis 5,0 Prozent angehoben. Arbeitsmarktdaten voraus Auf dem Weg zum höchsten Punkt ihres Zinspfads blickt die Fed nicht nur auf die Inflationsdaten, sondern vor allem auch auf den Arbeitsmarkt. Die Notenbanker wollen erreichen, dass sich der heiß gelaufene Jobmarkt abkühlt und damit auch der starke Preisauftrieb nachhaltig nachlassen kann. Bei den am Freitag erwarteten Daten für März wird mit einem verlangsamten, aber weiterhin robusten Stellenaufbau gerechnet. Befragte Ökonomen erwarten ein Plus von 240.000 Stellen - nach 311.000 im Februar. Heimische Anleger können erst am Dienstag nach den Zahlen (11.4.) reagieren, da die heimische Börse auch am Ostermontag geschlossen bliebt. Auch in New York ist die Börse am Karfreitag geschlossen, die Zahlen werden aber trotzdem veröffentlicht. Am Montag wird dann an der Wall Street gehandelt. Virgin Orbit entlässt fast alle Mitarbeiter Unter den Einzelwerten sorgten Virgin Orbit, eher ein Leichtgewicht auf dem Kurszettel, für viel Aufsehen. Denn nach einem gescheiterten Satellitenstart in diesem Jahr entlässt das Raumfahrtunternehmen Virgin Orbit 675 Mitarbeiter und somit etwa 85 Prozent der Beschäftigten. Das geht aus einer Mitteilung des Unternehmens des britischen Milliardärs Richard Branson an die US-Börsenaufsicht SEC hervor. Die Aktie brach um 41 Prozent ein. Sie war allerdings schon Mitte März unter einen US-Dollar gesunken und ist somit ein Pennystock. Das Unternehmen ist an der Börse nurmehr gut 70 Millionen Dollar wert. Anfang 2022 belief sich der Börsenwert noch auf 3,8 Milliarden Dollar. DAX beendet eine starke Woche Mit einem Tagesgewinn von 0,69 Prozent auf 15.628 Punkte hat der deutsche Leitindex DAX eine sehr erfolgreiche Börsenwoche abgeschlossen. Getragen vor allem von nachlassenden Ängsten um den Bankensektor wagten sich die Anleger wieder stärker vor und bescherten dem Index einen Wochengewinn von 4,5 Prozent. Moderat ausgefallene Inflationsdaten aus den Vereinigten Staaten gaben zusätzlichen Rückenwind. Zudem gab es keine schlechten Nachrichten aus dem Bankensektor. Zuletzt kehrte insbesondere das durch den Kollaps der Silicon Valley Bank und die Notübernahme der Credit Suisse erschütterte Vertrauen der Anleger wieder langsam zurück. Der DAX knüpfte damit an seine Gewinne der Vortage an und erreichte im Tageshoch 15.659 Punkte. Sogar das Allzeithoch bei 16.290 Punkten rückt damit immer näher. Auch die Quartalsbilanz im DAX fällt außerordentlich gut aus: In den ersten drei Monaten des laufenden Börsenjahres hat das deutsche Börsenbarometer ein Kursplus von rund zwölf Prozent eingefahren. Die Erholung sei angesichts der noch vor einigen Tagen herrschenden Panik im Bankensektor beeindruckend, sagte Marktexperte Jochen Stanzl von CMC Markets. Viele Anleger wollten noch einsteigen und offenbar weitere Gewinne in Richtung Jahreshoch, von dem der DAX noch rund 80 Punkte entfernt ist, nicht verpassen. Telekom steigt immer weiter Unter den Einzelwerten fiel im DAX erneut die T-Aktie positiv auf, die ihren steilen Aufschwung fortsetzte. Im ersten Quartal legte das Papier rund 20 Prozent zu und steht damit besser da als der DAX. Am Ende schloss die Aktie knapp ein Prozent im Plus und blieb nur knapp unter ihrem Tageshoch bei 22,40 Euro. Dieses Niveau erreichte die dividendenstarke Aktie zuletzt Anfang des Jahrtausends. Vor allem das wachstumsstarke US-Geschäft ihrer Tochter T-Mobile US wird von Analysten schon länger gelobt, die ihre Kursziele zuletzt stetig angehoben haben. Am Mittwoch kommender Woche bittet das Bonner Unternehmen zur Hauptversammlung, auf der eine erhöhte Dividende von 0,70 Euro beschlossen werden soll. Kerninflation in der Eurozone auf Rekordhoch Zum Wochenschluss rücken nach der Bankenkrise die Themen Inflation und Zinsen wieder verstärkt in den Fokus der Anleger. In der Eurozone hat sich die Inflation im März zwar deutlich abgeschwächt, die Verbraucherpreise erhöhten sich gegenüber dem Vorjahresmonat um 6,9 Prozent. Doch die Kerninflationsrate, bei der schwankungsanfällige Preise für Energie und Lebensmittel herausgerechnet werden, stieg auf ein Rekordniveau von 5,7 Prozent. Das dürfte die Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) alarmieren. "Die EZB hat zuletzt wiederholt betont, dass sie aktuell vor allem auf die Kernteuerungsrate schaut. Insofern steht die Notenbank weiter unter Druck, die Leitzinsen anzuheben", erklärt Commerzbank-Ökonom Christoph Weil. EZB bleibt auf restriktvem Kurs Das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), Francois Villeroy de Galhau, hat derweil weiter steigende Zinsen im Kampf gegen die hohe Inflation signalisiert. Zwar habe die Notenbank bei den Zinserhöhungen bereits "den größten Teil des Weges der Zinserhöhungen" absolviert, sagte der französische Notenbankchef in einem heute veröffentlichten Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ). "Aber wir haben möglicherweise noch ein Stück vor uns", betonte Villeroy de Galhau. Seiner Einschätzung nach geht es nun darum, "die erforderliche Dauer durchzuhalten". Nach Einschätzung von Villeroy de Galhau besteht die Gefahr, dass die Inflation "hartnäckiger ist". Der Notenbanker wies in dem Interview auf die Bedeutung der Kerninflation hin. "Wir werden den Kampf gegen die Inflation erst dann gewonnen haben, wenn wir auch diese Kerninflation angegangen sind." Die EZB strebt mittelfristig eine Inflationsrate von zwei Prozent an, bei der sie die Stabilität der Preise als gewährleistet ansieht. Angesichts der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor hatte EZB-Chefin Christine Lagarde zuletzt angekündigt, dass die Währungshüter vorerst auf Sicht fahren wollen. Einen konkreten Zinsausblick für die nächsten Sitzungen legten sie nicht vor. Mehrere Notenbanker, darunter Chefvolkswirt Philip Lane, hatten aber zuletzt weitere Zinserhöhungen für wahrscheinlich gehalten. Ölpreise etwas höher Die Ölpreise legen weiter zu. Am späten Nachmittag kostet ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im Mai ein halbes Prozent mehr, die US-Leichtölsorte WTI steigt sogar um 1,3 Prozent. Für tendenziellen Preisauftrieb sorgt, dass sich die Bankturbulenzen in den USA und Europa beruhigt haben. Gestützt werden die Erdölpreise auch durch den andauernden Streit zwischen dem Irak, der Türkei und kurdischen Behörden. Der Disput verhindert seit einigen Tagen die Ausfuhr von etwa 400.000 Barrel Öl je Tag aus der Türkei. Euro wieder unter 1,09 Dollar Der Euro ist wieder unter die Marke von 1,09 Dollar gerutscht. Zuletzt wurden im US-Handel für einen Euro 1,0842 Dollar gezahlt. Der Euro profitierte zuletzt von den nachlassenden US-Zinserwartungen und der gesunkenen Risikoaversion der Anleger. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0875 (Donnerstag: 1,0886) Dollar fest. US-Verbraucherstimmung sinkt Die Stimmung der US-Verbraucher hat sich im März derweil spürbar und stärker als bisher bekannt eingetrübt. Das von der Universität Michigan erhobene Konsumklima fiel von 67,0 Punkten im Vormonat auf 62,0 Punkte, wie die Universität am Freitag nach einer zweiten Schätzung mitteilte. In einer ersten Erhebung war nur ein Rückgang auf 63,4 Punkte gemeldet worden und Analysten hatten einen Indexwert von 63,3 Punkten erwartet. Der Stimmungsdämpfer im März ist der erste seit vergangenen November. Laut Joanne Hsu, die für die Umfrage verantwortlich ist, steht die Stimmungseintrübung nur begrenzt im Zusammenhang mit den jüngsten Bankenturbulenzen. Vielmehr gebe es mittlerweile zahlreiche Hinweise, dass die Verbraucher zunehmend eine Rezession in den USA befürchteten. Siemens wertet Siemens-Energy-Beteiligung wieder auf Siemens macht die milliardenschwere Abschreibung auf die Beteiligung an seiner ehemaligen Energietechnik-Tochter Siemens Energy zum Teil wieder rückgängig. Die Aktien von Siemens Energy seien zuletzt so stark gestiegen, dass der Technologiekonzern den Wert seiner Anteile zum Quartalsende wieder um 1,59 Milliarden Euro erhöhen müsse, teilte die Siemens AG am Freitag mit. Erst vor neun Monaten hatte Finanzvorstand Ralf Thomas das Aktienpaket um 2,7 Milliarden abgeschrieben, nachdem die Papiere bis auf 13,99 Euro gefallen waren. Mit der Komplettübernahme der Windkraft-Tochter Siemens Gamesa hatten die Aktionäre aber neues Vertrauen in den Energietechnik-Konzern gefasst. Trotz einer milliardenschweren Kapitalerhöhung lagen die Aktien am Freitag zum Handelsschluss bei 20,24 Euro. Die Siemens AG hält noch 32 Prozent an Siemens Energy. Anleger nehmen bei Sartorius nach Übernahme Reißaus Der 2,4 Milliarden Euro teure Kauf des französischen Biotechunternehmens Polyplus kam bei Sartorius-Anlegern nicht gut an. Die Aktien des Laborausrüster verloren über fünf Prozent und waren damit größter Verlierer im DAX. Das Papier hat höhere Verluste aber im Verlauf etwas eingegrenzt. Ein Händler bezeichnete den Deal als "zu teuer". Jungheinrich-Aktien rutschen nach Zahlen ab Trotz einer kräftigen Steigerung von Umsatz und Gewinn im vergangenen Jahr gingen Jungheinrich-Aktien auf Talfahrt. Die Papiere des Gabelstapler-Herstellers fielen um fast acht Prozent und bildeten damit das Schlusslicht im MDAX. Der Margenausblick für 2023 sei den Anlegern nicht gut genug, sagt ein Börsianer. Der Konzern rechnet mit einer Ebit-Rendite von 7,3 Prozent bis 8,1 Prozent nach 8,1 Prozent im Jahr 2022. Nordex: operativer Verluste auch 2023 denkbar Der Windkraftanlagen-Hersteller Nordex kann auch in diesem Jahr einen operativen Verlust nicht ausschließen. Die Marge vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) soll sich 2023 zwischen minus zwei und plus drei Prozent bewegen, erklärte das Unternehmen bei der Vorlage endgültiger Geschäftszahlen für 2022. Die Aktie verlor nur leicht und konnte höhere Verluste im Verlauf eingrenzen. | /wirtschaft/finanzen/marktberichte/marktbericht-dax-dow-gold-oel-ki-aktien-101.html |
2023-03-31 | ++ IWF billigt Milliardenpaket ++ | Krieg gegen die Ukraine | Der Internationale Währungsfonds stellt der Ukraine ein Finanzpaket in Milliardenhöhe zur Verfügung. Die UN haben wegen der geplanten Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus vor einer atomaren Eskalation gewarnt. Die Entwicklungen vom Freitag zum Nachlesen.
mehr | Der Internationale Währungsfonds stellt der Ukraine ein Finanzpaket in Milliardenhöhe zur Verfügung. Die UN haben wegen der geplanten Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus vor einer atomaren Eskalation gewarnt. Die Entwicklungen vom Freitag zum Nachlesen. IWF genehmigt Kreditprogramm für Ukraine in MilliardenhöheUN: Sorge über Atomwaffen-Stationierung in BelarusSelenskyj erinnert an Butscha-MassakerOSZE will Untersuchungen zu ukrainischen KindernUN zählen mehr als 8400 tote Zivilisten Lawrow kündigt neue Außenpolitik anFinnland wird NATO bald beitreten Ende des Liveblogs Für heute beenden wir den Liveblog zum Krieg gegen die Ukraine. Herzlichen Dank für Ihr Interesse. IWF genehmigt Kreditprogramm in Milliardenhöhe Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat endgültig ein Kreditpaket in Milliardenhöhe für die Ukraine gebilligt. Das vom Exekutivgremium genehmigte Kreditprogramm soll dem Land Zugang zu 15,6 Milliarden US-Dollar (rund 14,4 Milliarden Euro) gewähren, wie der Internationale Währungsfonds mit Sitz in Washington mitteilte. Das Programm sei Teil eines internationalen Hilfspakets in Höhe von insgesamt 115 Milliarden US-Dollar (rund 106 Milliarden Euro). Das Kreditprogramm hat eine Laufzeit von vier Jahren. Die Entscheidung des Exekutivdirektoriums ermögliche die sofortige Auszahlung von rund 2,7 Milliarden US-Dollar (rund 2,5 Milliarden Euro), hieß es. In einem ersten Schritt liege nun der Schwerpunkt auf einem soliden Haushalt und der Mobilisierung von Einnahmen. Anschließend sollen dem IWF zufolge "ehrgeizige Strukturreformen" in der Ukraine angegangen werden. Atomwaffen: Selenskyj wirft Russland Realitätsverlust vor Die beabsichtigte Stationierung taktischer Atomwaffen Russlands in Belarus ist für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ein Zeichen, dass das Treffen von Kremlchef Wladimir Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping nicht von Erfolg gekrönt war. "Man hätte Russland einen Sinn für Realität aufzeigen müssen, den das Land unter Präsident Putin völlig verloren hat", zitierte die "Ukrajinska Prawda" Selenskyj am Rande seines Besuchs im Kiewer Vorort Butscha. Putin hatte Xi in der Vorwoche in Moskau empfangen. Putin habe es nicht geschafft, auf dem Schlachtfeld Erfolge zu erzielen, sagte Selenskyj zu den vermutlichen Hintergründen der Stationierung von Atomwaffen im benachbarten Belarus. "Es geht auch darum, dass er sich nicht um unsere Menschen kümmert und sie tötet, aber er verschont auch die eigenen Leute nicht." Zudem habe Belarus' Machthaber Alexander Lukaschenko jede Eigenständigkeit verloren, meinte Selenskyj. Er entscheide offenbar nicht mehr, welche Waffen sich auf seinem Territorium befänden. Nach Journalisten-Festnahme: Russland warnt die USA Russland hat die USA im Fall des festgenommenen amerikanischen Journalisten Evan Gershkovich vor Drohungen gewarnt. Die USA hätten gar nicht versucht, den Vorgang zu verstehen, erklärte eine Sprecherin des Außenministeriums im russischen Fernsehen. "Sie gehen sofort zu Drohungen, zu Repressalien gegen russische Journalisten über", sagte sie dem Sender Rossija 1. Wenn dieser Ansatz sich "im öffentlichen Raum" fortsetze, würden die USA "einen Sturm ernten". US-Präsident Joe Biden rief seinerseits Russland auf, Gershkovich freizulassen. Auf die Frage, ob die USA russische Diplomaten ausweisen würden, sagte Biden, dies sei gegenwärtig nicht vorgesehen. Strack-Zimmermann: Waffenstillstand nicht ausreichend Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hält einen Waffenstillstand nicht für die ultimative Lösung im Ukraine-Krieg. So ein Szenario alleine sei mit Sicherheit nicht genug. "Putin würde seine Armee wieder aufbauen, um erneut anzugreifen", sagte die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses der "Westdeutschen Zeitung" mit Blick auf den russischen Präsidenten. "Er war 2014 militärisch noch nicht dazu in der Lage. Er hat die Zeit seitdem genutzt, weil er registrierte, dass der Westen wenig bis gar nicht auf seinen Angriff auf den Donbass reagiert hat", sagte sie mit Blick auf die Konflikte in der Ostukraine nach der Annexion der Krim. Es müsse ihrer Ansicht nach einen Friedensvertrag geben, betonte Strack-Zimmermann. "Nach diesen Zerstörungen, diesem unglaublichen Blutzoll geht das gar nicht anders. Wie wollten Sie etwas anderes den Nachkommen der Opfer erklären?" Unter keinen Umständen dürfe es aber einen Diktatfrieden geben. Denn die Geschichte lehre, dass ein Diktatfrieden nur erneute Kriege zur Folge gehabt hätte. "Es muss darauf hinauslaufen, dass Putin seine Armee zurückzieht und die Grenzen der Ukraine wieder hergestellt werden, dazu gehört völkerrechtlich die Krim", betonte die FDP-Politikerin. UN: Sorge über Atomwaffen-Stationierung in Belarus Nach der russischen Ankündigung zur Stationierung von taktischen Atomwaffen in Belarus haben die Vereinten Nationen vor einer Eskalation gewarnt. "Alle Staaten müssen Maßnahmen vermeiden, die zu Eskalationen, Fehlern oder Fehleinschätzungen führen könnten", sagte die UN-Beauftragte für Abrüstungsfragen, Izumi Nakamitsu, vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. Auch müsse der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen eingehalten werden. "Das Risiko des Einsatzes von Atomwaffen ist derzeit so hoch wie seit den Tiefpunkten des Kalten Krieges nicht mehr." Kremlchef Wladimir Putin hatte zuletzt vor dem Hintergrund starker Spannungen mit dem Westen infolge des Ukraine-Kriegs angekündigt, taktische Atomwaffen in der benachbarten Ex-Sowjetrepublik Belarus zu stationieren. Aufruf zur Freilassung von US-Journalist Gershkovich Vertreter von Medien und Presserechtsorganisationen verschiedener Länder haben Russland zur Freilassung des inhaftierten US-Journalisten Evan Gershkovich aufgefordert. "Gershkovich ist ein Journalist, kein Spion, und er sollte sofort und ohne Bedingungen freigelassen werden", hieß es in einem offenen Brief, der von der Nichtregierungsorganisation Committee to Protect Journalists veröffentlichten wurde und der an den russischen Botschafter in Washington gerichtet war. Der Brief war von 38 Vertretern renommierter internationaler Medien unterschrieben worden. Zu den Unterzeichnern gehörten auch Organisationen wie PEN America und das International Press Institute, die sich für Pressefreiheit einsetzen. Auch US-Präsident Biden rief Russland auf, den Journalisten freizulassen. "Lasst ihn frei", sagte er in Washington an die Adresse Russlands. Der Demokrat reagierte damit auf die Frage eines Reporters, was seine Botschaft an Moskau in Bezug auf den Fall sei. Ein Gericht in Moskau hatte gegen den für das "Wall Street Journal" tätigen Gershkovich wegen angeblicher Spionage für die USA Haftbefehl erlassen. Der Journalist hatte auch zu Russlands Krieg gegen die Ukraine recherchiert. Kiew: Russisches Militär greift erneut zivile Ziele an Die ukrainische Militärführung hat den russischen Streitkräften vorgeworfen, sich erneut auf zivile Ziele zu konzentrieren. "Nachdem der Feind auf dem Schlachtfeld nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt hat, fährt er fort, die Zivilbevölkerung unseres Landes zynisch zu terrorisieren", hieß es im allabendlichen Lagebericht des ukrainischen Generalstabs am Freitag. Unter anderem seien die Stadt Saporischschja sowie andere Orte mit ballistischen Raketen angegriffen worden. Mindestens sechs sogenannte Kamikaze-Drohnen seien von der ukrainischen Flugabwehr abgeschossen worden. Die russischen Bodentruppen setzten nach Angaben der Generalität in Kiew ihre Angriffe bei Awdijiwka, Marjinka und Bachmut im Osten des Landes fort. Länder der NATO-Ostflanke für mehr US-Militärpräsenz in der Region Die Länder der NATO-Ostflanke fordern eine verstärkte US-Militärpräsenz in ihrer Region. "Wir müssen daran arbeiten, die US-Präsenz in unserer Region an der Ostflanke in Bezug auf Truppen und Ausrüstung zu steigern", sagte der rumänische Außenminister Bogdan Aurescu nach Gesprächen mit seinen Amtskollegen von den sogenannten Bukarest Neun (B9) im polnischen Lodz. Die Minister der Nato-Staaten Bulgarien, Tschechien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und Slowakei bekräftigten ihre Forderung, die Verteidigungsfähigkeit in der an die Ukraine grenzenden Region zu fördern. "Wenn wir eine starke Verteidigung haben, dann sind wir in der Lage, eine starke Abschreckung zu vermitteln in Bezug auf Russlands destabilisierendes und forsches Verhalten", sagte Aurescu weiter. "Das ist die einzige Sprache, die Russland versteht." Der rumänische Politiker forderte unter anderem "mehr Luftabwehr, mehr Anti-Raketen-Kapazitäten auf unseren Gebieten". Zudem müsse es mehr Überwachungs-, Aufklärungs- und Geheimdienstmittel geben. Die Ostflanken-Länder versprachen auch, die Ukraine weiter in ihrem Kampf gegen die russische Invasion zu unterstützen. Selenskyj erinnert in Butscha an Massaker vor einem Jahr Zum Jahrestag des Massakers von Butscha ist in der Ukraine an die Opfer erinnert worden. "Das russische Übel wird erliegen", sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einem Besuch mit anderen europäischen Regierungschefs in der Stadt nördlich von Kiew. "Wir werden siegen, das ist sicher", fügte er hinzu. "Der Kampf für die Begründung der freien Welt findet in der Ukraine statt", sagte Selenskyj im Beisein der Regierungschefs aus Kroatien, Slowenien und der Slowakei sowie der Präsidentin der Republik Moldau. Zuvor hatte der ukrainische Präsident Butscha als ein "Symbol für die Gräueltaten" der russischen Armee bezeichnet. "Wir werden niemals vergeben. Wir werden jeden Täter bestrafen", erklärte er zuvor. IWF genehmigt Milliardenhilfen für die Ukraine Der Exekutivrat des Internationalen Währungsfonds (IWF) genehmigt Kredithilfen für die Ukraine im Volumen von 15,6 Milliarden Dollar über einen Zeitraum von vier Jahren. Es ist der größte Kredit für die Ukraine seit der russischen Invasion am 24. Februar 2022. Zudem genehmigt der IWF damit erstmals ein größeres Paket für ein Land, das sich im Krieg befindet. Östliche EU-Länder fordern Lösung für ukrainische Agrarexporte Fünf EU-Mitgliedsländer aus Mittelosteuropa haben die EU-Kommission aufgefordert, den Bauern zu helfen, die durch günstige ukrainische Agrarprodukte unter Druck geraten sind. Brüssel müsse zusätzliche Gelder zur Unterstützung der Landwirte in der Region bereitstellen, heißt es in einem veröffentlichten Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Unterzeichnet haben es die Regierungschefs von Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der Slowakei. Auch solle die EU in Zusammenarbeit mit dem UN-Welternährungsprogramm überschüssiges Getreide aus der Ukraine aufkaufen. Russischer Generalstab: Genug Kräfte für Krieg ohne neue Mobilmachung Russland will den Krieg gegen die Ukraine nach Angaben des Generalstabs in Moskau mit Freiwilligen und ohne eine neue Teilmobilmachung gewinnen. "Gegenwärtig hat die Zahl der Bürger deutlich zugenommen, die sich entschieden haben, freiwillig am Kriegsdienst per Vertrag teilzunehmen", sagte Konteradmiral Wladimir Zimljanski vom Generalstab in Moskau. "Ich möchte versichern, dass der Generalstab keine zweite Welle der Mobilmachung plant." Jene, die schon einberufen seien, und die Freiwilligen seien "völlig ausreichend für die Erfüllung der gestellten Aufgaben". Wimbledon lässt russische und belarusische Spieler unter Bedingungen zu Beim traditionellen Wimbledon-Turnier dürfen in diesem Jahr wieder russische und belarusische Tennisspieler unter bestimmten Voraussetzungen starten. Das teilten die Veranstalter mit. Im Vorjahr waren die Athleten aus Russland und Belarus wegen des Angriffskrieges in der Ukraine noch ausgeschlossen gewesen. "Unsere derzeitige Absicht ist es, Anmeldungen von russischen und belarussischen Spielern zu akzeptieren, sofern sie als 'neutrale' Athleten antreten und die entsprechenden Bedingungen erfüllen", teilten die Veranstalter in einer Stellungnahme mit. Neben dem Verzicht auf ihre Landesflagge dürfen die Spieler und Spielerinnen auch keine Unterstützungsbekundungen für die Invasion Russlands in der Ukraine von sich geben und im Zusammenhang mit der Turnier-Teilnahme keine finanziellen Mittel vom Staat erhalten. UN-Menschenrechtschef: "Dieser Wahnsinn muss ein Ende haben" Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hat den russischen Überfall auf die Ukraine erneut scharf verurteilt. "Der Einmarsch der Russischen Föderation in der Ukraine hat uns in eine archaische Ära zurückgeworfen", sagte er im UN-Menschenrechtsrat in Genf. "Eine Ära, in der das Territorium eines Nachbarlandes angegriffen und nach Belieben als das eigene betrachtet werden konnte. Als die Identität und Geschichte von Gemeinschaften geleugnet und die Realität umgeschrieben werden konnte." Türk erinnerte an den Bericht der Untersuchungskommission, die Verbrechen im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine dokumentiert hat. Darunter sind vorsätzliche Tötungen, Angriffe auf Zivilisten, rechtswidrige Gefangenschaft, Vergewaltigung und die Verschleppung von Kindern, wie die Kommission Mitte März berichtete. "In einer Zeit, in der die Menschheit vor überwältigenden existenziellen Herausforderungen steht, lenkt uns dieser zerstörerische Krieg von der Arbeit ab, Lösungen zu entwickeln - der Arbeit, unser Überleben zu sichern", sagte Türk. "Dieser Krieg entzieht sich jeder Vernunft. Dieser Wahnsinn muss ein Ende haben, und es muss im Einklang mit den Vereinten Nationen und dem Völkerrecht Frieden geschaffen werden." Russland übernimmt Toyota-Werk in St. Petersburg Nach einer Reihe anderer ausländischer Autobauer überträgt auch Toyota sein Werk in St. Petersburg an das russische Institut für Automobil- und Motorenforschung (Nami). Das Eigentum an den Werksgebäuden und dem Grundstück sei mit Wirkung zum 31. März 2023 vollständig an das staatliche Institut übertragen worden, teilte der japanische Autobauer am Freitag mit. Das russische Ministerium für Industrie und Handel erklärte, es arbeite daran, die Produktion in dem Werk so bald wie möglich wieder aufzunehmen. Die Bänder in St. Petersburg stehen wegen fehlender Teile schon seit einem Jahr still. Zu finanziellen Details äußerte sich weder Toyota noch die russische Seite. Nami hat bereits Werke von Renault und Nissan übernommen. Der französische Renault-Konzern verkaufte seine Mehrheitsbeteiligung am russischen Fahrzeughersteller AwtoWAS. Insidern zufolge lag der Kaufpreis bei nur einem Rubel, allerdings sicherten sich die Franzosen eine sechsjährige Rückkaufoption. Für die Vermögenswerte von Nissan zahlte Nami einen Euro. Ukraine: Überreste von Wehrmachts-Soldaten gefunden Ukrainische Soldaten haben beim Ausheben von Schützengräben dort Überreste deutscher Wehrmachtssoldaten entdeckt. Das sagte der Präsident des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Wolfgang Schneiderhan, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. In zwei Fällen sei es gelungen, die Gefallenen zu identifizieren und Angehörige beziehungsweise Nachfahren zu verständigen. Insgesamt wurden demnach in der Ukraine im vergangenen Jahr Überreste von 1700 ehemaligen deutschen Soldaten gesichert. In Russland seien Überreste von mehr als 5000 Deutschen gefunden worden. Wegen des Ruhens der offiziellen Kontakte nach Moskau seien diese allerdings nicht mehr so feierlich wie früher bestattet worden, sondern eher im Stillen. Lawrow kündigt neue Außenpolitik an Russland ändert seine Sicherheits- und Außenpolitik. Russland sei durch "unfreundliche Staaten" Gefahren ausgesetzt, die die Sicherheit und die Entwicklung des Landes gefährdeten, sagt Außenminister Sergej Lawrow bei einer im Fernsehen übertragenen Sitzung des Sicherheitsrats der russischen Regierung. Das neue Konzept lege dar, wie Russland darauf reagieren könnte, sagt Lawrow bei der Übergabe an Präsident Wladimir Putin. Von der Leyen: Anblick in Butscha ewig eingebrannt Zum Jahrestag der Befreiung der ukrainischen Stadt Butscha hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an dort begangene Kriegsverbrechen erinnert. "Der Anblick von Massengräbern und Leichensäcken, die auf dem Boden aufgereiht waren, hat sich für immer in mein Gedächtnis eingebrannt", sagte sie in einer Videobotschaft. Sie war nach der Befreiung der Stadt selbst im Frühjahr 2022 an den Ort des Geschehens gereist. "Russische Soldaten hatten Häuser geplündert und niedergebrannt, unschuldige Zivilisten gefoltert, vergewaltigt und ermordet", so die deutsche Spitzenpolitikerin. Sie erinnerte unter anderem an junge Männer mit auf den Rücken gefesselten Händen, denen in den Kopf geschossen worden sei. "Nicht einmal Frauen und Kinder wurden verschont", sagte von der Leyen. Die kaltblütigen Hinrichtungen seien Teil eines größeren Plans. Der Kreml wolle die Ukraine, ihre Unabhängigkeit und ihre Demokratie beseitigen. Spaniens Regierungschef fordert Xi zu Gesprächen auf Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez hat bei seinem Besuch in Peking den chinesischen Präsidenten Xi Jinping zu Gesprächen mit der ukrainischen Regierung aufgefordert. Er habe Xi bei dem Treffen am Donnerstag Spaniens Besorgnis wegen des unrechtmäßigen Einmarschs Russlands in der Ukraine mitgeteilt, sagte Sanchez auf einer Pressekonferenz in der chinesischen Hauptstadt. Dabei habe er Xi ermutigt, mit Präsident Wolodymyr Selenskyj zu sprechen, um aus erster Hand etwas über den ukrainischen Friedensplan zu erfahren. Dieser Plan könne die Grundlage für einen dauerhaften Frieden in der Ukraine sein und stimme perfekt mit der Charta der Vereinten Nationen überein, die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin mit der Invasion verletzt worden sei. Was Xi geantwortet hat, sagt Sanchez nicht. UN zählen mehr als 8400 tote Zivilisten Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sind laut den UN mehr als 8400 Zivilisten getötet worden. Mehr als 14.000 Zivilisten hätten Verletzungen erlitten, sagte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk. Diese Zahlen, die sein Hochkommissariat erfasst habe, seien jedoch nur die Spitze des Eisbergs, erklärte Türk. Die tatsächliche Opferzahl sei also wesentlich höher. Die meisten Opfer seien auf den russischen Beschuss von Wohngebieten mit Explosivwaffen zurückzuführen, sagte Türk vor dem UN-Menschenrechtsrat. Zudem habe seine Behörde etliche willkürliche Erschießungen von Zivilisten in russisch besetzten Gebieten der Ukraine dokumentiert. Russisches Militär und bewaffnete Gruppen wie die Wagner-Gruppe seien für die Hinrichtungen verantwortlich. Türk prangerte auch Entführungen, Vertreibungen und Zerstörungen durch die russischen Truppen an. Die Kriegsführung der Russen sei "archaisch". Der russische Präsident Wladimir Putin hatte im Februar 2022 seine Truppen in die Ukraine einmarschieren lassen. Moskau zurückhaltend bei Lukaschenko-Vorstoß Russland hat zurückhaltend auf die Forderung des belarusischen Präsidenten Alexander Lukaschenko nach einer sofortigen Waffenruhe in der Ukraine reagiert. Der Aufruf sei zur Kenntnis genommen worden und werde mit Lukaschenko in der kommenden Woche besprochen, erklärte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Im Moment könne Russland auf diesem Weg aber nicht die Ziele seiner "militärischen Spezialoperation" erreichen. So bezeichnet Russland seinen Angriffskrieg in der Ukraine. Lukaschenko, enger Verbündeter von Russlands Präsident Wladimir Putin, hatte kurz zuvor auch Friedensverhandlungen gefordert. Slowakei verstärkt Munitionsproduktion für Ukraine Nach der Lieferung von Kampfflugzeugen, Raketensystemen und Panzerhaubitzen will die Slowakei nun die Munitionsproduktion für die Ukraine ankurbeln. Das sagte Verteidigungsminister Jaroslav Nad während einer gemeinsamen Zugfahrt mit Ministerpräsident Eduard Heger nach Kiew zu mitreisenden Journalisten. Nad gab bekannt, dass die Slowakei der Ukraine neben den ersten vier von 13 Kampfflugzeugen des sowjetischen Typs MiG-29 auch das ebenfalls versprochene Luftabwehr-System Kub bereits übergeben habe. Nun sei die Slowakei dabei, "eine Schlüsselrolle bei der Produktion von Munition für die Ukraine" zu übernehmen. "Wir treffen konkrete Maßnahmen, um die Produktion von 155-Millimeter-Munition in unseren Betrieben auf das bis zu Fünffache zu steigern", sagte Nad. Scholz fordert Ahndung von Butscha-Verbrechen Ein Jahr nach der Befreiung der ukrainischen Stadt Butscha von den russischen Besatzern hat Bundeskanzler Olaf Scholz eine Ahndung der dort begangenen Kriegsverbrechen gefordert. "Die Gräueltaten von Butscha vor einem Jahr führten der Welt vor Augen, was Putins Krieg bedeutet. Auch mir haben sich die Bilder eingebrannt", schrieb der Kanzler auf Twitter. "Diese Verbrechen dürfen nicht straflos bleiben. Dafür stehen wir geeint hinter der Ukraine. Russland wird nicht siegen!" Die Gräueltaten von #Butscha vor einem Jahr führten der Welt vor Augen, was Putins Krieg bedeutet. Auch mir haben sich die Bilder eingebrannt. Diese Verbrechen dürfen nicht straflos bleiben. Dafür stehen wir geeint hinter der #Ukraine. Russland wird nicht siegen! Regierung drängt bei Schwedens NATO-Beitritt Nach der türkischen Zustimmung zum NATO-Beitritt Finnlands dringt die Bundesregierung darauf, dass die Türkei und Ungarn auch schnell dem Beitritt Schwedens zustimmen werden. Regierungssprecher Steffen Hebestreit erinnerte daran, dass alle NATO-Regierungen auf dem Gipfel bereits ihre Zustimmung gegeben hätten. Für den schwedischen Beitritt fehlen nach wie vor die Ratifizierungen aus Ungarn und der Türkei. Scholz spricht auf Butscha-Konferenz Bundeskanzler Olaf Scholz wird auf der ukrainischen Konferenz zum Jahrestag der Befreiung der Stadt Butscha von russischen Invasionstruppen reden. Er werde am Nachmittag eine Videobotschaft abgeben, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Gedenken an Opfer von Butscha Am ersten Jahrestag der Befreiung der Kleinstadt Butscha nahe Kiew hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an das Massaker an der dortigen Zivilbevölkerung erinnert. Butscha sei ein "Symbol für die Gräueltaten" der russischen Armee, erklärte Selenskyj in einer Videobotschaft. "Wir werden niemals vergeben. Wir werden jeden Täter bestrafen", sagte er. Am 31. März 2022 hatte die russische Armee sich aus der Stadt nördlich der ukrainischen Hauptstadt zurückgezogen. Zwei Tage später war das Massaker bekannt geworden. Hunderte Zivilisten wurden getötet oder misshandelt. Die Staatsanwaltschaft hat nach eigenen Angaben über 9000 Kriegsverbrechen in und um Butscha registriert. Moskau streitet ab, für die Gräueltaten verantwortlich zu sein. Finnland wird in kommenden Tagen NATO beitreten Finnland wird der NATO innerhalb weniger Tage beitreten. "Alle 30 NATO-Verbündeten haben das Beitrittsprotokoll inzwischen ratifiziert", sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg. "Finnland wird unserer Allianz in den kommenden Tagen offiziell beitreten." Im Onlinedienst Twitter erklärte Stoltenberg: "Ich freue mich, in den kommenden Tagen die finnische Flagge im NATO-Hauptquartier zu hissen", I congratulated President @niinisto on the completion of the historic ratification of #Finland’s accession. I look forward to raising #Finland’s flag at #NATO HQ in the coming days. Together we are stronger & safer. Als letzte NATO-Mitglieder haben die Türkei und Ungarn dem Beitritt Finnlands zum westlichen Militärbündnis zugestimmt und das Protokoll ratifiziert. Schweden, das im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine ebenfalls ein Beitrittgesuch gestellt hat und gemeinsam mit Finnland NATO-Mitglied werden wollte, hat das Plazet aus Ungarn und der Türkei noch nicht erhalten. Lukaschenko fordert Friedensverhandlungen Mit Blick auf den Krieg gegen die Ukraine hat der belarusische Machthaber Alexander Lukaschenko sofortige Friedensverhandlungen gefordert. Gleichzeitig sagte er, eine mögliche Gegenoffensive der Ukraine zur Rückeroberung der von Russland besetzten Gebiete würde Gespräche unmöglich machen. Weiter behauptete Lukaschenko, der fest an der Seite von Russlands Präsident Wladimir Putin steht, der Westen plane Belarus zu erobern und zu zerstören. Die Stationierung russischer Atomwaffen in seinem Land sei deshalb eine Sicherheitsstrategie. OSZE-Staaten stoßen Untersuchung zu ukrainischen Kindern an Die Verschleppung ukrainischer Kinder im russischen Angriffskrieg soll im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) untersucht werden. Eine Gruppe von 45 OSZE-Staaten setzte am Donnerstag in Absprache mit Kiew einen Prozess in Gang, um den Vorwürfen vor Ort nachzugehen. Die ukrainische Regierung wirft Moskau vor, Tausende Kinder illegal aus besetzten Gebieten der Ukraine nach Russland deportiert zu haben. Das Menschenrechtsbüro der OSZE hatte entsprechende Berichte im Dezember als glaubwürdig eingestuft. Moskau bestreitet Kriegsverbrechen und betont, die Kinder seien vor dem Krieg in Sicherheit gebracht worden. Im Namen der 45 Staaten forderte Deutschlands OSZE-Botschafterin Gesa Bräutigam eine Expertenmission, die Fakten sammeln soll, um diese "nationalen, regionalen oder internationalen Gerichten oder Tribunalen" zur Verfügung zu stellen. Die Staaten lösten damit den sogenannten Moskau-Mechanismus der OSZE zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen aus. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag erließ Mitte März wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Laut dem Gericht ist er mutmaßlich für die Kinder-Deportationen verantwortlich. Polnische Jets für Kiew stammen nicht aus Ex-DDR Polen will zunächst keine Kampfjets aus früheren DDR-Beständen in die Ukraine liefern. Die vier Mig-29 sowjetischer Bauart, deren Lieferung die polnische Regierung bereits vor zwei Wochen angekündigt hat, stammten nicht aus Deutschland, stellte der Sicherheitsberater des polnischen Präsidenten Andrzej Duda, Jacek Siewiera, in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa klar. "Das sind keine deutschen Flugzeuge." Damit steht fest, dass die Bundesregierung der Lieferung auch nicht zustimmen muss. Im Jahr 2002 hatte Deutschland 23 Kampfjets vom Typ Mig-29 an Polen verkauft. Die Luftwaffe habe heute noch etwa ein Dutzend davon, sagte Siewiera. "Und die werden zunächst im Dienste der polnischen Streitkräfte bleiben." Präsident Duda hatte Mitte März angekündigt, dass vier MiG-29 an die Ukraine für den Abwehrkampf gegen die russischen Angreifer übergeben werden sollen. Weitere dieser Kampfjets würden derzeit gewartet und für einen späteren Transfer vorbereitet. Hätte die Regierung in Warschau Mig-29 aus DDR-Beständen liefern wollen, hätte sie sich dafür die Genehmigung der Bundesregierung einholen müssen. Das ist in den Verkaufsverträgen für Rüstungsgüter aus Deutschland in der Regel so festgeschrieben. Japan verbietet Stahl- und Flugzeugexporte nach Russland Wie das japanische Handelsministerium mitteilt, verbietet Japan im Rahmen seiner jüngsten Sanktionen den Export von Stahl, Aluminium und Flugzeugen einschließlich Drohnen nach Russland. Dem Ministerium zufolge soll die Maßnahme am 7. April in Kraft treten. Demnach dürfen japanische Unternehmen auch eine Vielzahl von Industriegütern wie Baumaschinen, Schiffsmotoren oder Prüfgeräte nicht mehr an Russland liefern. Selenskyj optimistisch nach 400 Tagen Krieg Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat am 400. Tag des Kriegs gegen Russland eine nüchterne, aber dennoch positive Bilanz gezogen. "400 Tage der Verteidigung gegen eine umfassende Aggression, dies ist ein kolossaler Weg, den wir zurückgelegt haben", sagte er am Donnerstag in seiner abendlichen Videoansprache. Er verwies darauf, dass die Erfolge der Ukraine auch mit Hilfe der westlichen Partner möglich geworden seien. "Heute möchte ich allen in der Welt danken, die an der Seite der Ukraine stehen", sagte er. Die Ukraine habe "die schlimmsten Tage" des russischen Angriffs im Februar des Vorjahres überstanden. "Wir haben auch diesen Winter überlebt", erinnerte Selenskyj an die massiven russischen Luft- und Raketenangriffe gegen die Infrastruktur der Ukraine. Die Ukraine habe in den vergangenen Monaten mit der Rückeroberung großer Gebiete ihren Heldentum bewiesen, sagte Selenskyj. "Wir bereiten unsere nächsten Schritte, unsere neuen Aktionen vor, wir bereiten uns auf unseren baldigen Sieg vor." Der Liveblog vom Donnerstag zum Nachlesen | /newsticker/liveblog-ukraine-freitag-245.html |
2023-03-31 | Wie tief reicht die Krise im Einzelhandel? | Erneuter Umsatzschwund im Februar | Die Kunden können sich für einen Euro immer weniger leisten, auch mit Folgen für den Einzelhandel. Dieser rechnet 2023 mit dem größten Umsatzrückgang seit der Finanzkrise. Die ersten Geschäfte mussten ihre Tore bereits schließen.
mehr | Die Kunden können sich für einen Euro immer weniger leisten, auch mit Folgen für den Einzelhandel. Dieser rechnet 2023 mit dem größten Umsatzrückgang seit der Finanzkrise. Die ersten Geschäfte mussten ihre Tore bereits schließen. Die Geschäfte der deutschen Einzelhändler kommen wegen der Kaufkraftverluste ihrer Kunden nicht in Schwung. Sie setzten im Februar 0,5 Prozent weniger um als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt heute mitteilte. Grund sind vor allem die hohen Lebensmittelpreise. Inflationsbereinigt, also real, sank der Umsatz sogar um 1,3 Prozent. Der Rückgang kommt überraschend: Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten hier mit einem Wachstum von 0,5 Prozent gerechnet. Im Vergleich zum Vorjahresmonat verzeichnete der Einzelhandel sogar ein reales Umsatzminus von 7,1 Prozent. Die anhaltend hohe Inflation mindert die Kaufkraft der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland. Die Menschen können sich für einen Euro weniger leisten. Das dämpft den Privatkonsum. "Inflationsbedingte Kaufkraftverluste machen vielen Haushalten zu schaffen", erläuterte das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung unlängst. Preise dürften schneller als Löhne steigen Den Beschäftigten droht das vierte Jahr in Folge mit Reallohneinbußen, da die Preise nach Prognose von Ökonomen erneut schneller als die Löhne steigen dürften. "Ein Konsum-Comeback verhindern vor allem steigende Nahrungsmittelpreise", sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. "In der aktuellen Magerzeit ist schwer erkennbar, wo eine Konsumwende herkommen soll. Hohe Lohnabschlüsse werden nur kurzzeitig für Erleichterung sorgen, da sie die Preiserhöhungen von morgen sind." Gegen den Trend nahm der reale Umsatz im Einzelhandel mit Lebensmitteln im Februar zu, wenn auch nur um 0,2 Prozent zum Vormonat. "Damit erholte sich der Umsatz im Lebensmitteleinzelhandel in den ersten beiden Monaten des Jahres leicht vom Umsatztief im Dezember", betonten die Statistiker. Ende des vergangenen Jahres war er so niedrig ausgefallen wie seit über acht Jahren nicht mehr, was mit den um mehr als ein Fünftel gestiegenen Lebensmittelpreisen erklärt wird. Im Internet- und Versandhandel zog der Umsatz um 4,0 Prozent zum Vormonat an. Größter Umsatzrückgang seit Finanzkrise Der deutsche Einzelhandel rechnet in diesem Jahr wegen der hohen Inflation mit dem größten Umsatzschwund seit der globalen Finanzkrise 2009. Inflationsbereinigt dürfte er um drei Prozent sinken, sagte der Handelsverband Deutschland (HDE) kürzlich voraus. In den vergangenen Tagen und Wochen bekamen viele Einzelhändler die gesunkene Kauflust der Kundinnen und Kunden zu spüren. So meldete diese Woche etwa die Osnabrücker Schuhhandelskette Reno mit rund 180 Filialen und etwa 1000 Mitarbeitern nur ein halbes Jahr nach einem Eigentümerwechsel Insolvenz an. Dabei habe mehr als jedes zehnte Schuhgeschäft im vergangenen Jahr seine Türen für immer geschlossen, berichtete kürzlich der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Textil Schuhe Lederwaren (BTE), Rolf Pangels. Insgesamt verringerte sich die Zahl der Schuhgeschäfte nach Berechnungen des Verbands binnen Jahresfrist um 1500 oder 13 Prozent auf rund 10.000. Auch der bekannte Schuhhändler Görtz musste im vergangenen September ein Schutzschirmverfahren beantragen. Schutzschirmverfahren und Umsatzeinbrüche Peek & Cloppenburg KG Düsseldorf ging diesen Schritt Anfang diesen Monats - das verstärkte Online-Engagement war hier mehr Be- als Entlastung. Doch auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie wie auch steigende Zinsen und höhere Kosten spielten eine Rolle für die finanzielle Schieflage. Eine Schließung der 67 Häuser sei nach aktuellen Planungen zumindest nicht beabsichtigt. Die Handelskette Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) steckt derzeit mitten in einem Sanierungsplan, der das Überleben der Kaufhauskette sichern soll. Dennoch sollen 47 Filialen geschlossen werden, wovon rund ein Viertel der insgesamt knapp 16.000 Mitarbeiter betroffen sein dürften. Auch der Online-Modehändler Zalando leidet unter der abnehmenden Kauffreude vieler Kunden. Der Nettogewinn des Unternehmens brach im vergangenen Jahr deutlich ein. Unter dem Strich verdiente Zalando 16,8 Millionen Euro - nach 234,5 Millionen Euro ein Jahr davor. Man erkenne Veränderungen im Kundenverhalten, bestimmte Preisschwellen bei Kaufentscheidungen hätten sich verschoben, sagte dazu Co-Geschäftsführer David Schneider. "Auf der einen Seite gibt es einen Trend zu geringeren Preislagen, auf der anderen Seite bleibt das Designer- und Luxus-Segment stabil." Zalando selbst hatte im Februar mitgeteilt, dass Hunderte Stellen gestrichen werden sollen, Details dazu ließ das Unternehmen aber bis zuletzt offen. Und auch der Hamburger Versandhändler Otto meldete kürzlich einen Umsatzeinbruch von fast zwölf Prozent im vergangenen Jahr. Die Verbraucher hätten wegen der hohen Inflation weniger Geld im Portemonnaie, erklärte Bereichsvorstand Marc Opelt den Einbruch des abgelaufenen Jahres. "Entsprechend meiden sie Spontankäufe, verzichten häufiger auf Markenprodukte und stellen größere Kaufentscheidungen zurück", so Opelt. Händler, die der Flaute trotzen Doch es gibt auch Händler, denen die durch die Inflation ausgelöste Zurückhaltung vieler Menschen beim Bekleidungskauf nichts ausmacht. Dazu gehört Deutschlands größter Schuhhändler Deichmannn. Das Familienunternehmen erzielte 2022 erstmals einen Bruttoumsatz von mehr als acht Milliarden Euro und übertraf damit sogar das Niveau des letzten Vor-Corona-Jahres 2019 um 23 Prozent. "Wir stehen für ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Deshalb kommen die Menschen in Krisenzeiten zu uns", sagte Firmenchef Heinrich Deichmann. "Schuhe für 120 Euro sehe ich erst einmal nicht bei uns", sagte der Unternehmer. Hoffen aufs Ostergeschäft Impulse erhoffen sich die Einzelhändler nun vom anstehenden Ostergeschäft. Erwartet werden Einnahmen von 2,2 Milliarden Euro, wie der Handelsverband Deutschland schätzt. "Die Handelsunternehmen hoffen angesichts des schwierigen Umfelds mit hoher Inflation und der vielen Ungewissheiten infolge des russischen Krieges in der Ukraine auf ein gutes Ostergeschäft und einen positiven Impuls für die Konsumstimmung", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Ostern ist nach Weihnachten der zweitgrößte feiertagsbezogene Anlass für den Konsum. | /wirtschaft/einzelhandel-probleme-schuhhaendler-101.html |
2023-03-31 | "Die Welt wird nicht vergessen" | Gedenken an die Opfer von Butscha | Gefoltert, erschlagen, vergewaltigt, erschossen - vor einem Jahr verübten russische Soldaten in dem Kiewer Vorort Butscha schreckliche Gräueltaten. Heute wurde in der Ukraine der Opfer gedacht. Von Andrea Beer. | Gefoltert, erschlagen, vergewaltigt, erschossen - vor einem Jahr verübten russische Soldaten in dem Kiewer Vorort Butscha schreckliche Gräueltaten. Heute wurde in der Ukraine der Opfer gedacht. "Das Wort hat der Präsident", heißt es an diesem grau verhangenen 31. März in Butscha, wo an das Ende der russischen Besatzung vor einem Jahr erinnert wird. "Butscha war unbekannt und ist nun eine Stadt, die die Welt nie vergessen wird", so Wolodymyr Selenskyj. In der Ukraine finde ein Kampf um "die Gründung der freien Welt statt", so das Staatsoberhaupt weiter. "Wir gewinnen diesen Kampf und das russische Böse wird genau hier in der Ukraine besiegt". Die Menschheit gewinne, aber sie müsse sich an jede ukrainische Stadt erinnern, deren "Heldentum und Widerstandsfähigkeit allen eine Zukunft gibt. Allen, die das Wichtigste schätzen: das Leben". Ein unvergesslich grausames Bild "03. - 31.03.2022 - 28 Tage" - das steht auf dem schlichten, braunen Gedenkstein in Butscha, der an die Russland vorgeworfenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erinnert. Leichen von Zivilisten auf den Straßen, Massengräber, Zerstörung, Berichte von Exekutionen, Vergewaltigungen und Plünderungen durch Angehörige der russischen Armee. Nach dem Ende deren Besatzung vor einem Jahr bot sich der Welt ein unvergesslich grausames Bild dessen, was russische Okkupation für die Menschen in der Ukraine bedeutet. "Es war schrecklich" Auch Switlana Adamina denkt heute besonders intensiv daran zurück: "Es war schrecklich. Es gab kein Wasser, keinen Strom und kein Gas. Es war kalt, als die Russen hier waren. Wir richteten uns Feuerholz in der Nähe jedes Eingangs, um zumindest etwas kochen zu können. Wenigstens einen Tee." Drei Tage später sei sie Wasser holen gegangen, und auf dem Gehweg sei ein toter Mensch gelegen. "Ich konnte nicht erkennen, ob es eine Frau oder ein Mann war. Die Leute haben die Leiche bedeckt, mit etwas Schwarzem, und legten Steine und Ziegel darauf." "Eine besondere Narbe im Herzen" Irpin, Borodjanka, Hostomel oder Butscha. Im gesamten Gebiet Kiew wurden laut Generalstaatsanwaltschaft mehr als 1400 Zivilisten getötet. In 9000 Fällen ermittelt die Justiz wegen Kriegsverbrechen. Alleine in Butscha kamen weit mehr als 400 Menschen ums Leben, daran erinnert Bürgermeister Anatolj Fedoruk. 419 Bürgerinnen und Bürger seien gefoltert und erschlagen oder erschossen worden, so Fedoruk. Die Bilder gingen um die Welt. Genau wie die von der völlig zerstörten Voksalna Straße. Dort dankt der Bürgermeister heute allen die am Wiederaufbau der Stadt beteiligt sind und er erinnert an den Tag an dem die russische Armee Butscha besetzte. Der 27. Februar sei im Leben jeder Familie, jedes Einzelnen, der Stadt und des Staates ein besonderes Kapitel, eine besondere Narbe im Herzen, so Fedoruk weiter. Wir können den Besatzern weder vergeben noch etwas vergessen. Aber wir sind zugleich verpflichtet, alles Erdenkliche zu tun, damit das Leben weitergeht. Und dazu gehört auch die Renovierung der Voksalna Straße. Der Bewohner Wladimir hat an diesem Gedenktag gemischte Gefühle: "Einerseits war es ein Sieg, andererseits geht das alles weiter, also kann ich das nicht kommentieren, weil die Aussichten sehr schwierig sind. Niemand kann etwas sagen. Also lasst uns hoffen und abwarten, dass es eines Tages vorbei ist." Staats- und Regierungschefs in Butscha Zu dem Gedenken in Butscha sind auch die Staats- und Regierungschefs aus der Slowakei, Slowenien, Kroatien und Moldau in die Ukraine gereist. Die moldauische Präsidentin Maja Sandu erhält als erste nach Selenskyj das Wort. Das kleine Nachbarland der Ukraine hat viele Geflüchtete aufgenommen und ein Teil Moldaus ist seit mehr als 30 Jahren von russischen Truppen besetzt. "Wir bewundern den Mut und die Entschlossenheit mit der die Verteidiger der Stadt die russischen Invasoren zurückgeschlagen haben. Wir trauern um die unschuldigen Opfer", so Sandu in ihrer Rede. "Viele wurden getötet, andere gefoltert, vergewaltigt, traumatisiert. Die demokratischen Länder müssen zusammen daran arbeiten, dass die Verbrechen bestraft werden. Wir müssen das Signal senden, dass Gewalt niemals toleriert werden darf, weder in der Ukraine noch anderswo." Den ganzen Tag gibt es in Butscha mehrere kleinere Veranstaltungen. Auf der "Allee der Helden" auf dem Friedhof von Butscha wurden Blumen niedergelegt. Dort gibt es auch zahlreiche Gräber mit nicht identifizierten Toten. Am Abend versammeln sich Bürgerinnen und Bürger und entzünden Kerzen - zum Gedenken an die Befreiung vor einem Jahr. | /ausland/ukraine-gedenken-butscha-101.html |
2023-03-31 | Regierung einigt sich auf Details im Heizungsstreit | "Wärmewende" ab 2024 | Ab 2024 sollen neue Regeln für Bau und Reparatur von Heizungen gelten. Nun hat die Bundesregierung Details festgelegt - es soll demnach Ausnahmen, Übergangsfristen und Förderungen geben. Eine Austauschpflicht ist aber vom Tisch.
mehr | Ab 2024 sollen neue Regeln für Bau und Reparatur von Heizungen gelten. Nun hat die Bundesregierung Details festgelegt - es soll demnach Ausnahmen, Übergangsfristen und Förderungen geben. Eine Austauschpflicht ist aber vom Tisch. Die Bundesregierung hat sich auf einen Kompromiss beim Umgang mit fossilen Heizungen geeinigt. Eine Austauschpflicht für bestehende Öl- und Gasheizungen wird es demnach nicht geben, erfuhr das ARD-Hauptstadtstudio aus Kreisen des Bundeswirtschaftsministeriums. Für ab 2024 neu eingebaute Heizungen gelte, dass sie zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Es soll aber Ausnahmen, Übergangsfristen und eine umfassende Förderung geben. Außerdem sind Härtefallregelungen vorgesehen, auch für einkommensschwache Haushalte. Mit dem Gebäudeenergiegesetz komme der verbindliche Umstieg auf "Erneuerbares Heizen", hieß es dazu aus dem Bundeswirtschafts- und dem Bundesbauministerium. Das Gesetz schaffe Planungssicherheit für Haus- und Wohnungseigentümer, Hersteller und Handwerker. Der vorliegende Entwurf werde innerhalb der Koalition von allen Parteien mitgetragen. Nun soll er schnell in die Anhörungen von Ländern und Verbänden gehen. Umrüstung auch bei Havarie nicht sofort Fossil betriebene Heizungen sollen den Vorschlägen zufolge repariert werden dürfen. Geht eine Anlage irreparabel kaputt, sollen übergangsweise auch erneut Gas- oder Ölkessel eingebaut werden dürfen. Diese müssten dann aber binnen drei Jahren um moderne Technik ergänzt werden, um die Vorgaben für 65 Prozent erneuerbare Brennstoffe zu erfüllen. Betagte Hausbesitzer von mehr als 80 Jahren sollen von der Pflicht zur Umrüstung ausgenommen werden - diese soll erst greifen, wenn das Haus vererbt oder verkauft wird, dann wiederum mit einer Übergangsfrist. Außerdem soll es eine Ausnahme geben, wenn Gebäudewert und die nötige Investitionssumme für den Heizungsumstieg nicht in einem angemessenen Verhältnis stünden. Keine Festlegung auf Wärmepumpen Es soll auch keine Festlegung auf Wärmepumpen geben. So sollen Gasheizungen weiter möglich bleiben, wenn sie mit 65 Prozent grünen Gasen oder in Kombination mit einer Wärmepumpe betrieben werden. Auch sogenannte H2-Ready-Gasheizungen, die mit Wasserstoff betrieben werden können, sollen eingebaut werden dürfen. Für diesen Heizungstyp wird es aber bestimmte Voraussetzungen und weitere Regeln geben, so dass dies nicht überall eine Option sein dürfte. Ermöglicht werden soll laut den Informationen des ARD-Hauptstadtstudios auch Solarthermie, wenn diese allein oder in Kombination mit anderen Methoden, den Wärmebedarf eines Hauses deckt. Zu Fördermöglichkeiten noch wenig bekannt Zu den angedachten Förderungen ist noch wenig bekannt, offenbar wird hieran noch gearbeitet. Sie sollen soziale Härten abfedern. Bestehende Steuerermäßigungen soll es den Informationen des ARD-Hauptstadtstudios zufolge weiterhin geben. Noch langer Weg bis zum klimaneutralen Heizen Deutschland hat sich gesetzlich verpflichtet, bis spätestens 2045 klimaneutral zu werden. Dafür soll bis spätestens 2045 der Bereich Gebäudewärme vollständig ohne fossile Energieträger auskommen - noch machen diese mehr als 80 Prozent aus. Von den rund 41 Millionen Haushalten in Deutschland heizt fast jeder zweite mit Erdgas und fast jeder vierte mit Heizöl. Wärmepumpen machen laut Bundeswirtschaftsministerium weniger als drei Prozent aus. Die Bundesregierung betont aber, dass man beim Umstieg jetzt anfangen müsse: Da Heizungsanlagen im Schnitt 20 bis 30 Jahre betrieben würden, laufe jede heute neu eingebaute Heizung potentiell noch bis ins Jahr 2045. Es müsse deshalb schnell umgesteuert werden, sonst könne Deutschland seine Klimaziele nicht erreichen. | /inland/heizung-einigung-koalition-101.html |
2023-03-31 | Trinkwasser soll besser geschützt werden | Grenzwerte für PFAS-Chemikalien | Bestimmte PFAS-Chemikalien sollen krebserregend sein. Das Problem: Mancherorts sind sie ins Trinkwasser gelangt. Der Bundesrat hat nun Grenzwerte auf den Weg gebracht. Einigen Experten geht das nicht weit genug. Von Johannes Hofmann. | Bestimmte PFAS-Chemikalien sollen krebserregend sein. Das Problem: Mancherorts sind sie ins Trinkwasser gelangt. Der Bundesrat hat nun Grenzwerte auf den Weg gebracht. Einigen Experten geht das nicht weit genug. In der Pfanne, in der Outdoor-Jacke, im Feuerlöschschaum und selbst im Pizzakarton: In unzähligen Produkten stecken sogenannte "PFAS-Chemikalien". PFAS sind wasser-, fett- und schmutzabweisend und gelten als Wunderwaffe in der Industrie. Doch es gibt auch eine Kehrseite. Schon länger stehen manche PFAS im Verdacht, krebserregend zu sein. Hinzu kommt: Die Stoffe bauen sich nicht natürlich ab, und an vielen Orten in Deutschland sind diese "Ewigkeitschemikalien" bereits im Boden und im Trinkwasser. Neue Grenzwerte ab 2026 Der Bundesrat hat nun eine neue Verordnung auf den Weg gebracht, um Trinkwasser besser zu schützen, die im Mai in Kraft treten soll. Ab 2026 müssen Versorger dann sicherstellen, dass 20 PFAS-Stoffe in der Summe den Grenzwert von 100 Nanogramm pro Liter nicht überschreiten. Für die vier bedenklichsten PFAS sind ab 2028 ein Höchstwert von 20 Nanogramm pro Liter vorgesehen. Viele Umweltschützer, Politiker und Experten begrüßen die Grenzwerte und sprechen von einem wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Endlich bekäme man durch verpflichtende Messungen einen Überblick über die Belastungen in Deutschland. Dennoch gibt es Kritik. Chemiker kritisieren Höhe der PFAS-Grenzwerte Gerhard Merches, Chemieingenieur und Kreisvorsitzender beim Bund Naturschutz Altötting, bemängelt, dass die als besonders gefährlich eingestuften PFAS-4 Grenzwerte erst in fünf Jahren verbindlich werden. Das sei in Anbetracht der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Gefährlichkeit der Stoffe eindeutig zu spät. Das sieht auch der Umweltchemiker Roland Weber so. Der unabhängige Berater für UN-Organisationen empfindet vor allem den Grenzwert von 20 Nanogramm als zu hoch angesetzt. Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA habe eine tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge von 4,4 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht bestimmt. Da der Mensch auch durch belastete Lebensmittel PFAS aufnimmt, hätte der Grenzwert seinen Berechnungen zufolge bei PFAS-4-Stoffen im Trinkwasser bei zwei Nanogramm pro Liter liegen müssen, nicht bei 20. Damit wäre man auf der sicheren Seite gewesen und hätte der Gesamtexposition gegenüber den Chemikalien Rechnung getragen. Einige Länder wie Dänemark haben diesen strengeren Grenzwert eingeführt. Wasseraufbereitung kann teuer werden Martin Weyand vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft hingegen empfindet die geplanten deutschen Grenzwerte als ausreichend. Dass sie erst ab 2026 beziehungsweise 2028 gelten, findet er für gerechtfertigt. Schließlich bräuchten Wasserversorger einen Planungsvorlauf, vor allem, wenn erhebliche Investitionen anstehen. Er sorgt sich vielmehr um die Finanzierung, schließlich werden wohl einige Versorger in Zukunft teure Aktivkohle-Filter benötigen. Er fordert deshalb nach dem Verursacher-Prinzip, die Industrie in die Pflicht zu nehmen: "Es kann nicht sein, dass die Bürger für diese Aufbereitungsanlagen zahlen müssen." In manchen Gegenden sei nicht auszuschließen, dass es zu erheblichen Preissteigerungen beim Trinkwasser komme. Martin Weyand fordert deshalb einen von der Industrie finanzierten Fonds, mit dem Reinigungs- und Sanierungsmaßnahmen finanziert werden. Die Grünen fordern Verbot Diesen Ansatz unterstützen auch die Grünen. Der umweltpolitische Sprecher Jan-Niclas Gesenhues sieht die neue Trinkwasserverordnung zwar als guten Kompromiss, am Ende müsse aber ein Verbot von hochgiftigen PFAS-Stoffen auf europäischer Ebene kommen. Ein komplettes Verbot der etwa 10.000 PFAS-Stoffe wird EU-weit zwar bereits diskutiert. Für die Industrie sowie für die Verbraucher besteht aber weiterhin das Problem, dass es für einige PFAS-Chemikalien noch keine Alternativen gibt. Zudem befürchten manche, dass die Produktion dann in Länder abwandert, in denen es keinerlei Umweltstandards gibt. | /wissen/technologie/pfas-bundesrat-grenzwerte-trinkwasser-101.html |
2023-03-31 | Anzeigenblätter in der Krise | Kostendruck | Wochenangebote und Anzeigen umrahmt von lokalen Nachrichten - mit dieser Mischung haben Anzeigenblätter lange gute Umsätze gemacht. Doch die Kosten sind gestiegen - und verdienen lässt sich immer weniger. Von Jens Eberl. | Wochenangebote und Anzeigen umrahmt von lokalen Nachrichten - mit dieser Mischung haben Anzeigenblätter lange gute Umsätze gemacht. Doch die Kosten sind gestiegen - und verdienen lässt sich immer weniger. "Wir in Steinfurt", "Stadtanzeiger Coesfeld" und "Grenzland Wochenpost" wird es bald nicht mehr geben. Der Verlag, die Westfälische Medien Holding, will die Anzeigenblätter laut Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter (BVDA) ab 29. April einstellen. Rohstoffe wie Papier werden teurer Die Anzeigenblätter sind in einer Krise. Nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Anzeigenblätter (BVDA) ist die Auflage im Vergleich zu Vor-Corona um 32 Prozent zurück gegangen. BVDA-Hauptgeschäftsführer Jörg Eggers sagt, zwar entwickle sich der Gesamtumsatz der Branche sehr positiv; der Verband geht laut aktueller Umsatzerhebung für das Jahr 2022 von einem Plus im einstelligen Prozentbereich aus. "Die zentralen Herausforderungen bestehen jedoch in den überproportional gestiegenen Kosten für Papier, Energie und Zustellung. Personalknappheit und Lohnsteigerungen erschweren zusätzlich die flächendeckende Verteilung", so Eggers. Durch die Einstellung der Blätter in Ostwestfalen und Münster gebe es in manchen Regionen gar keine Anzeigenblätter mehr. "Dabei wissen wir, dass diese Entwicklung nicht dem Willen der Leserschaft entspricht", so Eggers und verweist dabei auch auf eine Erhebung des Instituts für Demoskopie Allensbach: "Kostenlose Wochenzeitungen werden von 70 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung gelesen. Die gleiche Anzahl an Leserinnen und Leser wünscht sich ihr Anzeigenblatt dabei ausdrücklich in gedruckter Form", berichtet Eggers. Werbebudgets gesunken Laut NRW-Medienminister Nathanael Liminski sind auch die Werbebudgets für gedruckte Medien gesunken. Wenn weitere Blätter eingestellt würden, wäre das problematisch. "Anzeigenblätter enthalten vielfach relevante lokale Informationen zum Geschehen in der Stadt oder Kommune. Jede Einstellung reduziert damit die lokale Medienvielfalt, die in diesen Zeiten wichtiger denn je ist", so Liminski. Und davon ist nicht nur NRW betroffen: In Thüringen wurde die Zustellung des kostenlosen "Allgemeinen Anzeigers" bereits in Teilen eingestellt. Das Anzeigenblatt, das Werbung mit Informationen aus der Region verknüpft, erscheint in Thüringen bereits seit 34 Jahren in zwölf unterschiedlichen Regionalausgaben. Gegenüber der Landeswelle Thüringen begründet der Geschäftsführer der Funke Medien Thüringen, Michael Tallai, die Maßnahme: "Die Zustellung des Anzeigenblattes ist sehr aufwändig. Im Unterschied zur Tageszeitung wird ein Anzeigenblatt ja in so gut wie jeden Briefkasten zugestellt." Die kostenlosen Blätter wurden also etwa an Hunderttausende Haushalten verteilt, "für die es auch einen entsprechenden Zustell-Apparat benötigt. Das sind erhebliche Kosten, die gerade durch Inflation und Energiekosten nochmal gestiegen sind." Spielraum zum Sparen fast ausgereizt Man habe sich deswegen in den letzten Wochen und Monaten genau angeschaut, in welchen Regionen sich die Zustellung des Anzeigers noch rentiert, erklärt Tallai weiter. Dort, wo die Zustellung nicht mehr lohnend gewesen sei, sei sie tatsächlich eingestellt worden. Betroffen sind davon eher abgelegene Gebiete. Die Entscheidung sei nötig gewesen, um generell die Zukunft des Anzeigenblattes und dessen Zustellung zu sichern, so der Geschäftsführer. Der Trend zum Sparen ist laut BVDA bundesweit. Eine aktuelle Umfrage unter Verbandsmitgliedern habe ergeben, dass die Mehrheit der Verlage bereits Seitenumfänge reduzieren, Verbreitungsgebiete verkleinern oder auch Personal abbauen mussten, um Kosten einzusparen, berichtet BVDA-Hauptgeschäftsführer Eggers: "Damit ist der Spielraum der Verlage jedoch bereits nahezu ausgereizt. Über 90 Prozent der befragten Verlagsmanagerinnen und -manager gaben an, dass weitere Einsparungen zu Lasten der journalistischen Qualität gehen würden." Bundesregierung soll Blätter fördern Der Verband fordert nun dringend die Politik zum Handeln auf: "Um die Versorgung der Bevölkerung mit lokaljournalistischen Informationen weiterhin sicherstellen zu können, ist es jetzt höchste Zeit, dass die Bundesregierung ins Handeln kommt und ihr Vorhaben einer Zustellförderung endlich in die Tat umsetzt." Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung vereinbart, sich dafür einzusetzen, die flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen zu gewährleisten. Seither sei von der Bundesregierung aber wenig in der Angelegenheit unternommen worden, sagt Medienminister Liminski. Eine Ende 2021 vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie zur "Erforderlichkeit und Möglichkeit einer Bundesförderung der Pressewirtschaft" sei bislang nicht veröffentlicht worden, innerhalb der Bundesregierung sei die Zuständigkeit nicht geklärt und im Bundeshaushalt seien bislang keine Mittel eingestellt worden, heißt es in einer Pressemitteilung des Ministeriums. | /wirtschaft/unternehmen/kosten-anzeigeblaetter-101.html |
2023-03-31 | Neue Ideen für geplantes Cannabis-Gesetz | Gesundheitsministerium | Das Gesundheitsministerium will das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung überarbeiten. Einem Medienbericht zufolge plant Gesundheitsminister Lauterbach Modellregionen. "In Kürze" sollen die neuen Vorschläge präsentiert werden.
mehr | Das Gesundheitsministerium will das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung überarbeiten. Einem Medienbericht zufolge plant Gesundheitsminister Lauterbach Modellregionen. "In Kürze" sollen die neuen Vorschläge präsentiert werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat neue Vorschläge für die geplante Cannabis-Legalisierung angekündigt. Man sei bei dem Gesetz auf einem guten Weg und werde überarbeitete Vorschläge "in Kürze" vorstellen, sagte der SPD-Politiker in Berlin. Einzelheiten nannte er nicht. Vor einigen Wochen hatte der Gesundheitsminister bereits gesagt, dass das ursprüngliche Eckpunktepapier, das er im Herbst vorgelegt hatte, "mittlerweile etwas verändert" worden sei. Die Vorlage eines Gesetzentwurfs hatte er eigentlich bis Ende März angepeilt. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagte, es handele sich um ein hochkomplexes Verfahren. Ein Termin könne nicht genannt werden. Bericht: Legalisierung erst in Modellregionen Offenbar will Lauterbach die Legalisierung aber zunächst nur in Modellregionen umsetzen. Das geht nach Informationen von "Zeit Online" aus den aktualisierten Eckpunkten hervor, über die der Minister mit den Fraktionsspitzen der Ampelparteien beraten wolle. Modellregionen könnten demnach ausgewählte Metropolregionen sein, aber auch im ländlichen Raum liegen. Den Plänen zufolge werden dort die Auswirkungen des legalen Verkaufs unter verschiedenen Bedingungen geprüft und anschließend ausgewertet. Die Modellprojekte sollen dem Bericht zufolge wissenschaftlich begleitet und zunächst auf vier Jahre befristet sein. Der Plan, Modellregionen einzuführen, ist laut dem Bericht auch eine Reaktion auf Bedenken seitens der EU-Kommission, wo Konflikte mit europäischem Recht befürchtet werden. Deshalb wolle Lauterbach diesen Teil der Legalisierung mit Brüssel abstimmen. Den nichtkommerziellen privaten Anbau und Besitz von Cannabis wolle der Minister dagegen ohne Einbeziehung der Europäischen Union entkriminalisieren. Vorgesehen ist demnach auch, dass sich in Deutschland sogenannte Cannabis-Clubs gründen dürfen - nichtkommerzielle Vereinigungen, in denen sich Cannabis-Konsumenten organisieren, um für den Eigenbedarf Gras anzubauen und an Mitglieder auszugeben. Lauterbach will Kriminalität bekämpfen Lauterbach wiederholte nun, das Ziel der Reform sei nicht, den Cannabis-Konsum in Deutschland auszudehnen, sondern den Konsum, der schon da sei, zu kontrollieren und den Schwarzmarkt und die Kriminalität zu bekämpfen. Es gehe um besseren Kinder- und Jugendschutz. "Daran arbeiten wir, und dafür werden wir einen umfassenden Vorschlag vorlegen." Die im Oktober von Lauterbach vorgestellten Eckpunkte zur Legalisierung sehen unter anderem vor, dass Erwerb und Besitz von maximal 20 bis 30 Gramm straffrei sein sollen. Lieferung und Vertrieb sollen nur innerhalb eines lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmens zugelassen werden. Der private Eigenanbau soll in begrenztem Umfang erlaubt werden - vorgesehen sind drei Pflanzen pro Person. | /inland/innenpolitik/cannabis-legalisierung-modellregionen-101.html |
2023-03-31 | Heinz Schimmelbusch ist zurück | Ex-Chef der Metallgesellschaft | Die Metallgesellschaft war einer der größten deutschen Konzerne, bis sie vor drei Jahrzehnten in die Krise rutschte und zerschlagen wurde. An der Spitze damals: Heinz Schimmelbusch, zuvor noch "Manager des Jahres". Was macht er heute? Von I. Nathusius.
mehr | Die Metallgesellschaft war einer der größten deutschen Konzerne, bis er vor drei Jahrzehnten in die Krise rutschte und zerschlagen wurde. An der Spitze damals: Heinz Schimmelbusch, zuvor noch "Manager des Jahres". Was macht er heute? Sogar zwei Herren von der Deutschen Bank sind zum "Capital Markets Day" der Firma AMG nach Frankfurt am Main gekommen. AMG-Vorstandsvorsitzender Heinz Schimmelbusch hat geladen; fünfzig Leute aus der Investorenwelt sind erschienen. Hals über Kopf geflohen Vor dreißig Jahren war Schimmelbusch Hals über Kopf aus Frankfurt geflohen, verfolgt von Schadenersatzforderungen und Untreuevorwürfen der Deutschen Bank, die Großaktionärin und Hausbank der Metallgesellschaft war und den Aufsichtsratsvorsitzenden stellte. Bis dahin war "Schibu", wie er auch genannt wurde, als Chef der Metallgesellschaft einer der Häupter der deutschen Industrie gewesen. Als die wegen ungesicherter Termingeschäfte kurz vor der Pleite stand, wurde die Verantwortung Schimmelbusch und seinem Finanzchef angelastet. Beide bestritten stets eine Schuld. Unterschlupf bei der Mutter Zunächst setzte sich Schimmelbusch nach New York ab. Die "Bild"-Zeitung fotografierte ihn auf der Straße und titelte: "Er ruinierte Frankfurts Metallgesellschaft: Der Hass-Mann". Wochen später war Schimmelbusch in seiner Heimatstadt Wien, wo er bei der Mutter wohnte. Seinerzeit berichtete er, er habe zunächst ohne Kontozugang und Kreditkarte dagestanden, sei von Freunden unterstützt worden. Am Rande des "Capital Markets Day" seines Privatunternehmens AMG sagt er nun, seinen Wohnsitz in Frankfurt nie aufgegeben zu haben. Doch ließ er sich Jahre und Jahrzehnte nicht blicken. "Wir wollen nicht von Flucht reden" Ab 1994 wurde das Milliarden-Fiasko der Metallgesellschaft unter dem Sanierer Kajo Neukirchen aufgearbeitet. Am Ende stand die Zerschlagung eines der bedeutendsten Industriekonzerne des Landes. Vom traditionsreichen Gebäude aus der Gründerzeit ist nur noch die denkmalgeschützte Fassade geblieben. Drei Jahre nach Schimmelbuschs Abgang ("Wir wollen nicht von Flucht reden. Es war eine rationale Überlegung") wurde ein Vergleich geschlossen. Beide Seiten zogen ihre zahlreichen Klagen und Widerklagen zurück. Der erst Tage vor der Pleite verlängerte Vorstandsvertrag endete vorzeitig, und Schimmelbusch bekam noch anderthalb Millionen Mark. Ein weiteres Jahr später zahlten er und sein Finanzvorstand 900.000 Mark, damit ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen geringer Schuld eingestellt werden konnte. Schimmelbusch siedelte sich mit Familie im US-amerikanischen Bundesstaat Pennsylvania an. Über seinen Fonds "Safeguard" sammelte er Geld und begann, kleine und mittlere Unternehmen zu kaufen. Die wurden in der Holding AMG zusammengefasst, die in Amsterdam an die Börse kam. Heute gehören vierzehn Unternehmen zum Konzern, der vergangenes Jahr 1,6 Milliarden Dollar umsetzte und vor Steuern 275 Millionen verdiente. Pläne für das Rohstoff-Geschäft Zum "Capital Markets Day" lädt Schimmelbusch unter den strengen Blick eines bronzenen Arbeiterstandbilds in den prunkvollen Peter-Behrens- Bau. Dort saß einst die Verwaltung der Hoechst AG, eine andere Perle der deutschen Industrie, die fünf Jahre nach der Metallgesellschaft verschwinden sollte. Heinz Schimmelbusch zeigt sich "grün". Mit einer Lithium-Mine in Brasilien und einer Lithium-Raffinerie in Sachsen-Anhalt will die AMG in großem Stil dringend benötigte Rohstoffe für die europäische Batterieproduktion bereitstellen. Andere Tochtergesellschaften bieten Industrieunternehmen ausgefuchste Anlagen zur Stromspeicherung an, mit denen wechselhafter Solarstrom endlich in industriellem Maßstab nutzbar werde. Die Krawatte ist abgeschafft Schimmelbusch spricht Deutsch mit leicht und Englisch mit stark österreichischer Färbung. Seine Ausführungen sind noch weitführender als zu alten Zeiten und bieten nicht immer Überraschendes. Nach wie vor ist Schimmelbusch gerne Chef, was seine Leute zu spüren bekommen, wenn sie unaufmerksam werden, während er spricht. Zwar trägt das AMG-Management keine Krawatten mehr. Das andernorts längst gängige "Du" unter Vorstandskollegen aber gibt es nicht; man spricht sich mit Titeln an, allen voran "Dr. Schimmelbusch". Der "Chairman" und "Chief Executive Officer" von AMG Schimmelbusch arbeitet mit seinen Kenntnissen der Rohstoffbranche aus Metallgesellschaftszeiten. Eine Raffinerie für Lithium, die in Bitterfeld gebaut wird, soll so vielseitig werden wie früher die Norddeutsche Affinerie (heute Aurubis), die zum Metallgesellschaftskonzern gehörte. Von der "Chemetall", einer anderen früheren Konzerngesellschaft, wurde ein zwanzigköpfiges Spezialistenteam abgeworben. Besonders stolz ist Schimmelbusch auf eine Tochtergesellschaft mit 400 Ingenieuren. Zur Metallgesellschaft gehörte einst das Ingenieurinternehmen Lurgi. Heinz Schimmelbusch wird bald 79. Gefragt, wie seine AMG mit dem Altersrisiko von Vorstandsvorsitzendem, Großaktionär und Know-How-Träger Schimmelbusch umgeht, sagt er flapsig: "Ich bin Frühstücksdirektor." Schnell fügt er hinzu, an einer neuen Managementstruktur zu arbeiten. Die AMG - Schimmelbuschs kleiner Konzern, den nur ein Buchstabe von der Abkürzung der alten MG unterscheidet - soll ihn überleben. | /wirtschaft/schimmelbusch-amg-metallgesellschaft-101.html |
2023-03-31 | Rohstoffe für die Klimawende | Seltene Erden | Der Bedarf an seltenen Erden wächst durch die Klimawende. Sie sorgen für die nötige Effizienz in Windrädern, Elektromotoren und LED-Lampen. Ihr Abbau ist bislang jedoch alles andere als nachhaltig. Von Barbara Berner und Nadine Gode. | Der Bedarf an seltenen Erden wächst durch die Klimawende. Sie sorgen für die nötige Effizienz in Windrädern, Elektromotoren und LED-Lampen. Ihr Abbau ist bislang jedoch alles andere als nachhaltig. "Vor allem für die Energiewende sind seltene Erden entscheidend", sagt Martin Erdmann. Als Rohstoffexperte arbeitet er an der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. Sie berät die Bundesregierung in Sachen Klimaschutz. Die seltenen Erden, so der Wissenschaftler, würden zum Beispiel in Elektromotoren oder in den Turbinen von Windkraftanlagen dringend benötigt, um hier eine hohe Effizienz zu erzielen. Bis zu drei Kilogramm der Metalle stecken in einem Elektroauto, in einem Offshore Windrad sogar bis zu 300 Kilogramm. Um die gesteckten Klimaziele 2045 zu erreichen, seien die Steine alternativlos. Doch der Abbau ist bislang alles andere als nachhaltig. Europa ist zu abhängig Obwohl der Name anderes vermuten lässt, sind seltene Erden nicht wirklich selten. Vielmehr treten sie häufig in sehr geringen Konzentrationen auf, was den Abbau der Metalle erschwert. Dieser lohnt sich daher nur an wenigen Lagerstätten. Fast die Hälfte der Welt-Produktion stammt aus China. Und auch Russland und Brasilien gehört zu den Ländern mit den größten Reserven, was Europa in eine wachsende Abhängigkeit treibt. 17 Metalle müssen separiert werden. Das ist aufwendig und mit einem hohen Risiko für die Umwelt verbunden. Das größte Umweltproblem: Radioaktive Abwässer kontaminierten die Böden. Große Umweltproblematik beim Abbau Der problematische Umweltstandard wurde lange ignoriert: "Gerade aufgrund der Umweltproblematik war es auch nicht attraktiv für andere Länder, in die Produktion einzusteigen. Und man hat sich einfach stark darauf verlassen, dass die Rohstoffe aus China kommen. Mit der aktuellen politischen Entwicklung hat man gesehen, dass gerade solche Abhängigkeiten sehr kritisch sein können", ordnet Erdmann ein. Julian Kamasa forscht im euro-atlantischen Sicherheitsteam an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Im Interview mit der KlimaZeit verdeutlicht er: "Letztendlich geht es ja auch darum, dass wir Verantwortung für unsere Klimaziele übernehmen und diese Verantwortung nicht an Staaten delegieren, die wesentlich tiefere Umwelt- und Sozialstandards haben". Seltene Erden aus Europa? Anfang dieses Jahres wurden Jubelrufe wegen eines seltenen Erden Fundes in Schweden laut: über eine Million Tonnen - vermutlich das bislang größte Vorkommen in Europa. Doch, dass dieser Fund für die Energiewende und Europas Unabhängigkeit reiche, sei unwahrscheinlich: "Das hängt stark von der mineralischen Konzentration von den einzelnen dieser 17 seltenen Erdmetallen ab. Also ob wir dann den Bedarf, der ja wahrscheinlich sehr, sehr stark steigen wird, wirklich selber decken können - das wage ich zum heutigen Zeitpunkt noch zu bezweifeln", wägt Kamasa ab. Um dennoch einen positiven Einfluss auf die Umweltproblematik beim Abbau und der Weiterverarbeitung zu haben, schlägt der Wissenschaftler eine Art Eintrittsticket für den EU-Binnenmarkt vor. Dieses bestehe darin, dass bestimmte Umweltstandards eingehalten werden müssen, um die seltenen Erden auf den europäischen Binnenmarkt einzuführen: "Man muss keine 'Rohstoffe-Supermacht' sein, um regulatorisch mit wirtschaftlichem Nachdruck etwas erreichen zu können. Und wenn man sich das wirtschaftliche Gewicht des EU-Binnenmarkts vor Augen führt, dann denke ich, könnte das durchaus klappen." Mehr Recycling, weniger Abhängigkeit Obwohl seltene Erden schwer abbaubar sind, gibt es im Bereich des Recyclings noch Nachholbedarf: "Es gibt sehr viele Forschungsprojekte, die sich gerade damit beschäftigen, wie seltene Erden zurückgewonnen werden können. Allerdings bedarf es dafür größere Rückläufe. Diese sind frühestens in zehn Jahren zu erwarten, wenn die größeren Windkraftanlagen die erste Generation zum Recycling zurückgeführt werden", erklärt Rohstoffexperte Erdmann. Vom Sondermüll zur nachhaltigen Wiederverwertung wird es noch einige Jahre dauern. Doch mit dem zunehmenden Bedarf für eine saubere Energiewende wird auch das Recycling immer wichtiger werden. | /wissen/forschung/seltene-erden-smartphone-recyceln-101.html |
2023-03-31 | Sonderurlaub nach Geburt des Kindes | Gesetzentwurf | Zwei Wochen Freistellung nach der Geburt des Kindes - das soll für den zweiten Elternteil künftig möglich sein. Familienministerin Paus hat dazu einen Gesetzentwurf eingebracht, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Von Sarah Frühauf und Viktoria Kleber. | Zwei Wochen bezahlte Freistellung nach der Geburt des Kindes - das soll für den zweiten Elternteil künftig möglich sein. Familienministerin Paus hat dazu einen Gesetzentwurf eingebracht, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Bundesfamilienministerin Lisa Paus will mit dem sogenannten Familienstartzeitgesetz eine gerechtere Verteilung der Kinderbetreuung und Hausarbeit stärken. Der Partner oder die Partnerin der Mutter soll künftig zwei Wochen nach der Geburt freigestellt werden. In dem Gesetzentwurf, der dem ARD-Hauptstadtstudio exklusiv vorliegt, heißt es: "Mit der Geburt des Kindes und dem Beginn der Elternzeit stellen Paare zentrale Weichen für ihre Aufgabenteilung bei Familien- und Erwerbsarbeit. Da diese Aufteilung bei fast allen Familien für lange Zeit beibehalten wird, hat die Entscheidung große Tragweite (…)." Demnach plant die Familienministerin mit dem Gesetz rechtliche Rahmenbedingungen an ein Familienbild anzupassen, das sich gesellschaftlich gewandelt habe. Sie will so Eltern langfristig eine partnerschaftliche Aufgabenteilung ermöglichen. Angestellte bekommen freie bezahlte Tage Zehn Arbeitstage sollen angestellte Partnerinnen oder Partner der Mutter künftig nach der Geburt freigestellt werden. Die Partnerfreistellung gilt auch für Alleinerziehende. Sie erhalten die Möglichkeit, statt des zweiten Elternteils eine andere Person aus ihrem Umfeld zu benennen. Die Kosten hierfür sollen laut dem Gesetzentwurf nicht die Arbeitgeber tragen, sondern werden durch ein Umlageverfahren finanziert. Es ist das gleiche Verfahren, das bislang für die Mutterschaftsleistungen gilt. Dabei zahlen Arbeitgeber eine Umlage und bekommen dann die zu zahlenden Mutterschaftsbezüge von der Krankenkasse erstattet. Paus will vor allem ärmere Familien stärken Besonders ärmere Familien könnten von der bezahlten Freistellung profitieren, heißt es aus dem Familienministerium. Denn Eltern mit wenig finanziellen Mitteln hätten oft körperlich anstrengende Berufe, Schichtdienst oder lange Arbeitswege. Zumindest der Start in die Familienzeit könne durch zehn freie bezahlte Tage erleichtert werden. Zeitgleich mit der Partnerfreistellung nach der Geburt soll die Änderung des Mutterschutzgesetzes auch Eltern von Frühchen stärker berücksichtigen. Eltern, deren Kinder vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden, sollen künftig einen weiteren Monat Basiselterngeld erhalten. Damit sollen Familien besser unterstützt werden, die einen höheren Bedarf für Pflege und Erziehung benötigen. Im Koalitionsvertrag hat die Regierung festgehalten, einen zweiwöchigen bezahlten Urlaub nach der Geburt zu ermöglichen. Mit dem Vorhaben setzt die Ampel eine Richtlinie der EU um. Der Gesetzesentwurf des Familienministeriums findet sich derzeit in der Ressortabstimmung. Anmerkung der Redaktion: In dem Text wurden die Formulierungen "entbindende Person" und "gebärende Personen" durch "Mutter" ersetzt, da sie zu Missverständnissen geführt haben. Zudem wurde die Formulierung "Arbeitgebende" durch "Arbeitgeber" ersetzt. | /inland/innenpolitik/familienstartzeitgesetz-paus-sonderurlaub-101.html |
2023-03-31 | Einwegplastik, Kfz-Zulassung, Blutspende | Beschlüsse im Bundesrat | In seiner letzten Sitzung vor Ostern gab der Bundesrat grünes Licht für mehrere Gesetze. Neben der Finanzierung des "Deutschlandtickets" billigte die Länderkammer auch Richtlinien für Einwegplastik und die Digitalisierung der Kfz-Zulassung.
mehr | In seiner letzten Sitzung vor Ostern gab der Bundesrat grünes Licht für mehrere Gesetze. Neben der Finanzierung des "Deutschlandtickets" billigte die Länderkammer auch Richtlinien für Einwegplastik und die Digitalisierung der Kfz-Zulassung. Plastikabgabe für Hersteller Plastikproduzenten müssen künftig eine Sonderabgabe für Produkte wie Getränkebecher, Plastiktüten oder auch Tabakfilter und Luftballons zahlen. Der Bundesrat billigte ein entsprechendes, vom Bundestag schon beschlossenes Gesetz. Demnach müssen die Hersteller bestimmter Produkte aus Einwegplastik in einen staatlichen Fonds einzahlen, um Städte und Gemeinden bei der Reinigung von Straßen und Parks finanziell zu entlasten. Jährlich sollen so 400 Millionen Euro zusammenkommen, die in die Kassen der Kommunen fließen. Hintergrund ist eine EU-Richtlinie gegen die Verschmutzung durch Einwegplastik aus dem Jahr 2019, die nun in deutsches Recht umgesetzt wird. Digitalisierung der Kfz-Zulassung Für das Anmelden eines Autos kann von September an der oft zeitaufwendige Behördengang nun bundesweit entfallen. Der Bundesrat hat einer Verordnung der Bundesregierung zur Digitalisierung der Kfz-Zulassung zugestimmt. Kfz-Halterinnen und Halter können alles Notwendige künftig online beantragen. Die Stempelplaketten für die Nummernschilder werden dann innerhalb von zehn Tagen per Post zugeschickt. In der Zwischenzeit reicht der digitale Bescheid als Zulassungsnachweis aus. Den digitalen Service können auch Autohäuser und gewerbliche Zulassungsdienste nutzen. Die Länder baten die Bundesregierung allerdings zu prüfen, wie Missbrauch verhindert oder eingedämmt werden könne. Sie wiesen darauf hin, dass Plaketten beim Postversand entwendet werden könnten. Es bestehe auch das Risiko, dass vermehrt Autos mit ungestempelten Kennzeichen unterwegs sind. 49-Euro-Ticket Der Bundesrat hat dem Gesetz für das bundesweit gültige Nahverkehrsticket zugestimmt. Der Verkauf startet am Montag. Das Gesetz regelt vor allem die Finanzierung des Tickets für die Jahre 2023 bis 2025. Die Verkehrsministerinnen und -Minister würdigten das Ticket parteiübergreifend als enormen Fortschritt in der Verkehrs- und Klimapolitik. Miriam Meßling wird Richterin des Bundesverfassungsgerichts Der Bundesrat hat Dr. Miriam Meßling einstimmig zur neuen Richterin des Bundesverfassungsgerichts gewählt. Sie tritt im Ersten Senat die Nachfolge von Prof. Dr. Gabriele Britz an. Meßling ist seit Januar 2022 Vizepräsidentin des Bundessozialgerichts und stand dort zuletzt dem für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen 4. Senat und dem für das Arbeitsförderungsrecht zuständigen 11. Senat vor. Blutspende für homosexuelle Männer Die Diskriminierung von homosexuellen Männern bei der Blutspende wird beendet. Der Bundesrat billigte das Gesetz, das die jahrzehntelange Praxis abstellt, diese Bevölkerungsgruppe von vornherein als Blutspender weitgehend auszuschließen. Die Neuregelung soll "Diskriminierungen bei der Spenderauswahl vermeiden", heißt es in dem Gesetz. Der Neuregelung zufolge darf der Ausschluss als Blutspender künftig "nur auf Grundlage des jeweiligen individuellen Sexualverhaltens der spendewilligen Person" erfolgen, nicht aber allein wegen einer Gruppenzugehörigkeit oder wegen des Geschlechts der Sexualparterinnen oder -partner. Abgeschafft wird auch die Höchstaltersgrenze für Blutspendende. Stellungnahme zur Diziplinarrechtsreform Der Bund will künftig Extremisten schneller aus seinem öffentlichen Dienst entfernen und stößt damit auf grundsätzliche Zustimmung der Länder. Das machte der Bundesrat in einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung deutlich, mit dem das Disziplinarrecht geändert werden soll. Danach können die zuständigen Behörden künftig alle Disziplinarmaßnahmen per Verfügung aussprechen und müssen dafür nicht mehr langwierige Disziplinarklagen vor Verwaltungsgerichten erheben. Die Betroffenen können sich dagegen im Anschluss vor Verwaltungsgerichten zur Wehr setzen. Die Länderkammer bat die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme, zu prüfen, ob auch die richterrechtlichen Vorschriften angepasst werden sollten. "Der öffentliche Dienst duldet keine Extremisten in den eigenen Reihen", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Bundesrat. Weitere Themen der Tagesordnung Der Bundesrat berät auch über weitere Entwürfe der Bundesregierung - unter anderem die Kindergrundsicherung und die Vergütung von Pflegestudierenden. Außerdem geht es in der Länderkammer um Industriestrompreis, Arbeitsbedingungen in der Paketbranche und eine Reform des Energiesektors. In dem Bemühen um eine weitgehende Legalisierung des sogenannten Containerns verständigten sich die Bundesländer nicht auf eine einheitliche Linie. Die notwendige Einstimmigkeit im Länder-Ausschuss zur Änderung der entsprechenden Verfassungsvorschrift sei nicht zustande gekommen, sagte die Sprecherin des rheinland-pfälzischen Justizministeriums, Corinna Zellmann. Wer weggeworfene Lebensmittel aus Abfallcontainern - beispielsweise von Supermärkten - holt, muss also weiter mit einer Strafe wegen Diebstahls und Hausfriedensbruchs rechnen. | /inland/innenpolitik/bundesrat-beschluesse-einwegplastik-pfas-kfz-101.html |
2023-03-31 | Ist der Verbrenner bald Geschichte? | Mobilität der Zukunft | In Europa ist das Aus des Verbrennungsmotors besiegelt. Aber wie sind auf dem globalen Automarkt die Aussichten für diese Technologie, die deutschen Herstellern jahrzehntelang Milliardengeschäfte sicherte? Von Thomas Spinnler. | In Europa ist das Aus des Verbrennungsmotors besiegelt. Aber wie sind auf dem globalen Automarkt die Aussichten für diese Technologie, die deutschen Herstellern jahrzehntelang Milliardengeschäfte sicherte? Nach langen Diskussionen hat die EU in dieser Woche endgültig das Verbrenner-Aus ab dem Jahr 2035 beschlossen. Für die deutschen Autohersteller könnte diese Entscheidung Planungssicherheit bedeuten, denn es scheint, dass die Verbrenner-Technologie zumindest in Europa keine Zukunft mehr hat. Gerade im Bereich dieser Technologie waren die deutschen Hersteller traditionell jahrzehntelang weltweit führend. Aber ganz konsequent war das Diktum nicht, denn sogenannte E-Fuels sollen zugelassen bleiben. Was bedeutet die EU-Entscheidung für die deutschen Autobauer und den globalen Automarkt? Bekenntnis zur E-Mobilität Einigkeit herrscht bei den deutschen Branchenvertretern dergestalt, dass sich alle gegenüber tagesschau.de zum elektrischen Antrieb bekennen. "Der Volkswagen-Konzern treibt die Elektrifizierung der Mobilität energisch und fokussiert voran", teilt ein Sprecher mit. Auch BMW setzt nach eigenen Angaben auf "konsequente Elektrifizierung des Produktportfolios". Mercedes-Benz richte das Portfolio "weltweit Schritt für Schritt auf Elektromobilität aus", so der Hersteller. Auch von Opel heißt es, die Elektrifizierung stehe im Mittelpunkt der Unternehmensstrategie. "Ab dem Jahr 2028 wird Opel in Europa komplett elektrisch sein." Der Verband der Automobilindustrie (VDA) betrachtet die E-Mobilität als zentrale Technologie, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen: "Der Fokus in der Automobilindustrie liegt daher auf der Weiterentwicklung des Elektromotors mit Batterie- und Brennstoffzellentechnologie." Aber ist der Verbrenner damit endgültig Geschichte? "Diskussion um Verbrenner wird weitergehen" Dass Neuwagen mit Verbrennungsmotoren für synthetischen Kraftstoffe in der EU auch nach 2035 zugelassen werden dürfen, kritisieren Experten wie Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Center Automotive Research. "Ein absolutes Verbrenner-Verbot wäre richtig gewesen", so Dudenhöffer gegenüber tagesschau.de. "Durch diese Entscheidung wird die europäische Autoindustrie zurückgeworfen." Der Experte befürchtet, dass die Diskussion um den Verbrenner jetzt weitergehen wird. Wenn man E-Fuels gestatte, müsse man konsequenterweise auch Biokraftstoffe erlauben, sagt Dudenhöffer. "Das könnte sogar eingeklagt werden, da kein sachlicher Grund besteht, Biokraftstoffe anders zu behandeln als E-Fuel. Die deutschen Autohersteller werden sich jetzt überlegen, wie man die Verbrenner längerfristig retten kann", ist sich der Branchenkenner sicher. Wie wichtig ist Technologieoffenheit? Der Branchenverband VDA hat sich für die sogenannte Technologieoffenheit eingesetzt. "Ob Elektromobilität, Wasserstoff, E-Fuels oder eine noch gar nicht bekannte Lösung: Technologieoffenheit ist entscheidend, um Klimaneutralität nicht nur in Europa, sondern weltweit zu ermöglichen", so der Industrieverband. Branchenexperte Dudenhöffer meint dagegen, dass Investitionen damit in viele Bereichen gestreut werden und nötige Infrastruktur kaum flächendeckend geliefert werden können. Wer nicht fokussiert vorgehe, kaufe sich das Risiko ein, im Zukunftsfeld der batterie-elektrischen Autos nur halbherzig präsent zu sein. "Chinesische Autobauer sind beispielsweise gerade im Elektrosegment mittlerweile sehr erfolgreich. Und Tesla wächst derzeit so rapide, wenn das in diesem Tempo weitergeht, wird Tesla die deutsche Konkurrenz sehr stark unter Druck setzen", erklärt der Direktor des CAR. 1,3 Milliarden Verbrenner weltweit auf den Straßen Mit Blick auf den Weltmarkt zeigt sich indes, dass das Thema Verbrenner keineswegs abgeschlossen ist. "Weltweit wird mit Sicherheit auch der Verbrennungsmotor noch eine große Rolle spielen", heißt es vom VDA. Grundsätzlich gelte, unterschiedliche Regionen bräuchten unterschiedliche Lösungen und Technologien. Auch wegen mangelnder Ladeinfrastruktur könnten viele Regionen "bis auf Weiteres E-Mobilität nicht realisieren". Ähnlich klingt es bei Volkswagen: "Wir denken im Konzern auch an die Bestandsflotte, die Fahrzeuge, die heute und in den kommenden Jahren noch mit Verbrennern fahren. Allein auf den Straßen sind heute 1,3 Milliarden Verbrenner unterwegs. Viele davon werden auch jahrzehntelang noch auf dem Markt sein." Mercedes-Benz zufolge ist das Ziel des Stuttgarter Konzerns, bis 2030 überall dort vollelektrisch zu werden, wo es die Marktbedingungen zuließen. Entscheidend sei, dass die Menschen neue Technologien annähmen, erklärt der Konzern. Mehr Akzeptanz, wenn die Preise sinken Einige Autobauer wie die japanischen Hersteller Honda oder Toyota gehen die E-Mobilität, jedenfalls bislang, zurückhaltender an und setzen weiterhin auf verschiedene Antriebsarten. Das könnte auch mit Modellen zusammenhängen, die für Kundschaft in Entwicklungs- und Schwellenländern attraktiv und erschwinglich sein sollen. Pedro Pacheco, Autoexperte beim Analyse-Unternehmen Gartner glaubt aber, dass auch Märkte außerhalb von Europa, China und den USA auf lange Sicht von der Fokussierung auf Elektromobilität betroffen sein werden. "Sobald Elektroautos den größten Teil des Automarktes in China, Europa und den USA erobert haben, bedeutet dies, dass sie einen Vorteil gegenüber dem Verbrenner in Bezug auf Skaleneffekte haben werden", so der Experte. "Sie werden also billiger als Verbrennungsmotoren." Dies werde sich auch auf die sich entwickelnden Märkte auswirken, meint Pacheco. "Der Preisvorteil wird schließlich dort ebenfalls zu einer starken Akzeptanz führen." Aber der Fachmann räumt ein: Bis es so weit sei, könnten noch zwei Jahrzehnte vergehen. | /wirtschaft/technologie/verbrenner-aus-e-fuels-autobauer-ladeinfrastruktur-europa-china-usa-tesla-opel-vw-bmw-mercedes-101.html |
2023-03-31 | Kein Zwang zum Bindestrich mehr | Mehr Möglichkeiten für Doppelnamen | Justizminister Buschmann will das Namensrecht freier gestalten. So soll etwa der Zwang zum Bindestrich bei Doppelnamen entfallen. Dass Namen wie Scholz und Merz zu Schmerz verschmolzen werden können, will Buschmann aber weiter verbieten.
mehr | Justizminister Buschmann will das Namensrecht freier gestalten. So soll etwa der Zwang zum Bindestrich bei Doppelnamen entfallen. Dass Namen wie Scholz und Merz zu Schmerz verschmolzen werden können, will Buschmann aber weiter verbieten. Wer sich bei einer Heirat für einen Doppelnamen entscheidet, soll künftig nicht mehr zum Einfügen eines Bindestrichs gezwungen werden. Diese und weitere Änderungen sieht der Entwurf für das neue Namensrecht vor, den Bundesjustizminister Marco Buschmann zur Abstimmung an die anderen Ressorts der Bundesregierung verschickt hat. Der Entwurf liegt dem ARD-Hauptstadtstudio vor. Tritt die Reform in der von seinem Ministerium vorgesehenen Fassung in Kraft, bliebe es Eheleuten von Januar 2025 an selbst überlassen, ob sie ihre Namen mit oder ohne Bindestrich hintereinandersetzen wollen. Aus Herrn Müller und Frau Hoffmann könnten dann beispielsweise Herr und Frau Müller Hoffmann werden - oder aber Hoffmann Müller, Hoffmann-Müller oder Müller-Hoffmann. Die Möglichkeit, dass beide nur Müller oder Hoffmann heißen, bleibt bestehen. Ebenso, die Variante, dass jeder Ehepartner seinen Nachnamen behält. Entscheidet sich ein Paar für einen Doppelnamen, führen den künftig auch die Kinder. Mehr als zwei Namensbestandteile dürfen es aber weiterhin nicht werden. Nachnamen behalten bei einer Adoption Erwachsenen, die sich adoptieren lassen, räumt der Entwurf die Möglichkeit ein, ihren Nachnamen zu behalten, entweder ausschließlich oder zusätzlich zum Nachnamen der Person, die sie adoptiert. Im Fall der Scheidung der Eltern soll es, wenn das Kind bei einem Elternteil lebt, der seinen Geburtsnamen wieder annimmt, diesen auch zum Familiennamen des Kindes machen. Dafür ist zwar die Einwilligung des anderen Elternteils erforderlich, wenn das Kind bisher dessen Namen führt oder wenn beiden die elterliche Sorge gemeinsam zusteht. Das Familiengericht kann die Einwilligung des anderen Elternteils jedoch ersetzen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Wenn das Kind das fünfte Lebensjahr vollendet hat, muss es außerdem selbst zustimmen. "Das Namensrecht ist hoffnungslos veraltet", so BM @MarcoBuschmann. Deshalb wollen wir es ändern - heute wurde die Ressortabstimmung eingeleitet. Wir wollen:▶️ gemeinsame Doppelnamen▶️ Situation von Scheidungskindern verbessern▶️ geschlechtsangepasste Nachnamen ermöglichen https://t.co/hSzhihW0lj Verschmelzung von Namen bleibt verboten Das deutsche Namensrecht sei hoffnungslos veraltet, so Buschmann. "Es ist so flexibel wie Beton und so modern wie ein Kohleofen. Und deshalb wird es Zeit, das Namensrecht zu ändern." Was es aber nicht geben soll, ist eine Verschmelzung von Nachnamen, wie sie in Großbritannien möglich ist. Man wolle eine pragmatische, aber keine lustige Lösung für Probleme im deutschen Namenrecht, sagte Buschmann und illustrierte die Problematik an folgendem Beispiel: Wenn Herr Scholz Herrn Merz heiratet, dann wird aus Scholz und Merz Schmerz. Entwurf nur für familienrechtliche Ereignisse Die von FDP-Mann Buschmann geplante Reform betrifft allerdings nur Fragen, die mit Geburt, Eheschließung, Scheidung und anderen familienrechtlich relevanten Lebensereignissen zusammenhängen. Sie wird womöglich nicht die einzige Änderung sein, die von den Ampelpartnern in diesem Jahr in Sachen Namensrecht auf den Weg gebracht wird. Für das Namensänderungsrecht ist Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zuständig. Es regelt die Änderung von Vor- und Nachnamen unabhängig von familienrechtlichen Ereignissen. Dabei geht es etwa darum, ob sich jemand nach der Einbürgerung für eine deutsche Schreibweise seines Namens entscheidet - also beispielsweise aus "Pawel" "Paul" machen will - oder einen Familiennamen loswerden möchte, der Anlass für Spott und Hänseleien bietet. | /inland/gesellschaft/buschmann-namensrecht-doppelnamen-101.html |
2023-03-31 | Lukaschenko für Waffenruhe - Kreml lehnt ab | Krieg gegen die Ukraine | Der belarusische Machthaber Lukaschenko hat eine Waffenruhe und sofortige Friedensverhandlungen für die Ukraine gefordert. Russland erklärte dagegen, die "militärische Spezialoperation" werde weitergehen.
mehr | Der belarusische Machthaber Lukaschenko hat eine Waffenruhe und sofortige Friedensverhandlungen für die Ukraine gefordert. Russland erklärte dagegen, die "militärische Spezialoperation" werde weitergehen. Russland hat zurückhaltend auf die Forderung des belarusischen Präsidenten Alexander Lukaschenko nach einer sofortigen Waffenruhe in der Ukraine reagiert. Der Aufruf sei zur Kenntnis genommen worden und werde mit Lukaschenko in der kommenden Woche besprochen, erklärte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Die Angriffe in der Ukraine würden aber nicht eingestellt: "Nichts hat sich geändert: Die militärische Spezialoperation geht weiter, weil es das einzige Mittel ist, die von unserem Land gesteckten Ziele zu erreichen", so Peskow. Warnungen an Ukraine Lukaschenko, ein enger Verbündeter von Russlands Präsident Wladimir Putin, hatte zuvor zu einer Waffenruhe "ohne Vorbedingungen" in der Ukraine aufgerufen. "Es muss jetzt aufhören, bevor es noch weiter eskaliert", sagte Lukaschenko in einer Rede an die Nation. "Alle territorialen Fragen, Wiederaufbau, Sicherheit und andere Themen sollten und können am Verhandlungstisch geklärt werden", sagte er. Die Ukraine warnte er vor der allgemein erwarteten Gegenoffensive zur Rückeroberung besetzter Gebiete. Diese würde Verhandlungen zwischen den Regierungen in Moskau und Kiew unmöglich machen. Die Truppen sollen auf ihren derzeitigen Positionen verharren, ohne weitere Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine. Kiews Vorbedingungen für Gespräche, darunter der Rückzug der russischen Truppen vom besetzten Territorium der Ukraine, nannte Lukaschenko "lächerlich". Gleichzeitig warnte Lukaschenko, die russische Rüstungsindustrie sei dabei, Tempo aufzunehmen. Die Ukraine werde zerstört, sobald die Industrie auf vollen Touren laufe. Lukaschenko: Westen will Belarus zerstören Weiter behauptete er, der Westen plane von Polen aus eine Invasion von Belarus und die Zerstörung des Landes. Daher sei die angekündigte Stationierung russischer Atomwaffen in seinem Land eine vorsorgliche Schutzmaßnahme. Zuletzt gab es Sorgen, Belarus könnte selbst in den Krieg eingreifen. Moskau hatte erklärt, im Nachbarland taktische Atomwaffen stationieren zu wollen. Dies hatte Kritik und Besorgnis in westlichen Staaten ausgelöst. Lukaschenko erklärte sich nun bereit zur Stationierung strategischer russischer Atomwaffen in Belarus. "Wenn nötig, werden Putin und ich entscheiden, ob wir hier strategische Waffen stationieren", sagte Lukaschenko in einer im Fernsehen übertragenen Rede an die Nation. "Wir werden vor nichts zurückschrecken, um unsere Länder, unsere Staaten und unser Volk zu verteidigen", fügte er hinzu. Strategische Atomwaffen haben eine größere Reichweite und Zerstörungskraft als taktische Atomwaffen. Die strategischen Waffen wurden entwickelt um Großstädte und Ballungsräume zu verwüsten. Sie können zum Beispiel mit Interkontinentalraketen oder Langstreckenbombern ins Zielgebiet gebracht werden. Militärisch hätte eine Stationierung in Belarus keine Vorteile gegenüber einer Stationierung in Russland. | /ausland/europa/ukraine-russland-lukaschenko-101.html |
2023-03-31 | Ver.di-Mitglieder stimmen für Tarifvertrag | Ende des Post-Streiks | Die ver.di-Mitglieder der Deutschen Post haben mit großer Mehrheit dem Mitte März ausgehandelten Tarifvertrag zugestimmt. Den Lohnerhöhungen und Sonderzahlungen für die 160.000 Beschäftigten steht somit nichts mehr im Wege.
mehr | Die ver.di-Mitglieder der Deutschen Post haben mit großer Mehrheit dem Mitte März ausgehandelten Tarifvertrag zugestimmt. Den Lohnerhöhungen und Sonderzahlungen für die 160.000 Beschäftigten steht somit nichts mehr im Wege. Der Tarifstreit bei der Deutschen Post ist endgültig vorbei. Die ver.di-Mitglieder bei dem Bonner Konzern und die Tarifkommission sprachen sich der Gewerkschaft zufolge in einer Urabstimmung für die Annahme des vor knapp drei Wochen vereinbarten Tarifpakets aus, wie ver.di mitteilte. Damit trete der Vertrag für die etwa 160.000 Tarifbeschäftigten der Post in Kraft. Ver.di und die Deutsche Post hatten sich am 11. März nach einem von massiven Warnstreiks begleiteten Tarifstreit auf eine Tariferhöhung verständigt. Der Post zufolge entspricht sie bei einer Laufzeit von 24 Monaten über alle Einkommensgruppen hinweg einer durchschnittlichen Anhebung der Gehälter von 11,5 Prozent. Langer Streik verhindert Ver.di hatte zuvor sogar mit einem unbefristeten Streik gedroht, in einer Urabstimmung hatten sich 85,9 Prozent dafür ausgesprochen. In einer letzten Verhandlungsrunde erzielten Post und ver.di dann aber doch eine Einigung. Dieser stimmten nun 61,7 Prozent der befragten ver.di-Mitglieder bei der Post zu. "Der Abschluss ist ein Kompromiss, aber am Ende auch ein gutes Ergebnis für unsere Mitglieder", sagte ve.rdi-Verhandlungsleiterin Andrea Kocsis. "Die deutliche Zustimmung zum Tarifergebnis zeigt, dass wir mit unserem Ziel, insbesondere für die unteren Entgeltgruppen einen Inflationsausgleich zu schaffen, richtig lagen", so Kocsis weiter. Die Post hatte erklärt, die sei mit der Einigung über ihre Schmerzgrenze hinausgegangen. Damit sei aber auch ein langer Streik verhindert worden. | /wirtschaft/tarifstreit-verdi-post-einigung-101.html |
2023-03-31 | Geheimer AfD-Chat zeigt Partei-Chaos | Europaparlament | Kurz vor den Aufstellungen für die Europawahl ist die Atmosphäre unter den EU-Parlamentariern in der AfD vergiftet. Ein geleakter Chat und anonyme Papiere, die der ARD vorliegen, zeigen die jüngste Eskalation eines chaotischen Machtkampfs.
mehr | Kurz vor den Aufstellungen für die Europawahl ist die Atmosphäre unter den EU-Parlamentariern in der AfD vergiftet. Ein geleakter Chat und anonyme Papiere, die der ARD vorliegen, zeigen die jüngste Eskalation eines chaotischen Machtkampfs. Von Andrea Becker, Pune Djalilevand, RBB und Martin Schmidt, ARD-Hauptstadtstudio Der Chat lässt in radikale und verfassungsfeindliche Gedankenwelten in der AfD blicken. "Gegen das Konzept der Menschenrechte muss man immer sein", schreibt ein Gruppenmitglied, das damals als Assistent beim AfD-Europaparlamentarier Maximilian Krah arbeitet. Krah vertritt die AfD im EU-Ausschuss für Menschenrechte. Auch sein Name taucht in der Chatgruppe auf. In dem Leak, das dem ARD-Hauptstadtstudio und dem ARD-Politikmagazin Kontraste vorliegt, fallen Aussagen wie "Die Scheiss-BRD war eine reine Kolonie. Und zwar von Anfang an was ja nur logisch war" und "Dieser Staat war schon immer ein minderwertiger Witz". Jedem müsse klar sein, dass "der Westen der Feind" sei. Frauen werden in sexistischer Sprache beschrieben. Der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker wird als "Ratte" bezeichnet. Die Äußerungen stammen aus einer Gruppe namens "IG Meinung". AfD-Mandatsträger aller Ebenen diskutieren hier - vom EU-Parlament bis zur Berliner Bezirksvertretung, sowie deren Mitarbeiter. Die vorliegenden Chat-Auszüge stammen überwiegend aus den Jahren 2021 und 2022. Im Mittelpunkt des Leaks stehen Äußerungen des EU-Abgeordneten Krah und seiner ehemaligen und jetzigen Mitarbeiter. Der Urheber des Leaks scheint offenbar vor allem ihm und seinem Umfeld schaden zu wollen. Denn auch das wird im Chat deutlich: Es gibt eine tiefe Feindschaft innerhalb der AfD. AfD-Abgeordnete werden als "Mandatsmaden" und "eingebildete Schwachmaten" beschimpft. Über ein Abstimmungsverhalten des ehemaligen Parteisprechers Jörg Meuthen und weiterer AfD-Parlamentarier heißt es: "Das ist linksversiffte Kackscheiße." Suche nach dem Maulwurf Neben den geleakten Chats kursiert ein anonymes Papier, das dem ARD-Hauptstadtstudio und Kontraste vorliegt. Darin wird detektivisch nach dem Urheber des Leaks gesucht. Der Verfasser kommt darin zu dem Schluss, der AfD-Europaabgeordnete Gunnar Beck stecke dahinter. Beck betonte auf Anfrage, ihm seien die Chats und Dokumente unbekannt. Gegen ein ehemaliges Parteimitglied, das die Behauptung von Becks Urheberschaft in sozialen Medien verbreitet habe, sei schon wegen älterer verleumderischer Äußerungen ein zivilgerichtliches Verfahren anhängig. Im Übrigen äußere er sich nie zu parteiinternen Vorgängen. Wer das anonyme Papier über Becks behauptete Urheberschaft des Chat-Leaks verfasst hat, ist unbekannt. Der Ersteller dieses Papiers hat allerdings Datenspuren hinterlassen. Er nutzte ein Pseudonym, das einer von Krahs Assistenten vor einigen Jahren bei einer Aktion der sogenannten "Identitären Bewegung" verwendete. Dieser Assistent wollte auf Nachfrage nicht kommentieren, ob er der Autor dieses Papiers sei. Interner Machtkampf Krah ist Mitglied im Bundesvorstand der AfD. Seit dem Austritt Meuthens überschattet die Rivalität zwischen den Abgeordneten Krah und Nicolaus Fest die Arbeit der AfD im EU-Parlament. Krah ist seit Februar von seiner Fraktion im EU-Parlament suspendiert, nachdem er anonym angezeigt worden war. Laut dieser Anzeige sollen Krah und dessen Assistent ein Vergabeverfahren zugunsten einer Berliner Agentur manipuliert haben. Es geht um ein Auftragsvolumen von mehr als 60.000 Euro. Auf Anfrage bezeichnet Krah die Anschuldigungen als "frei erfunden". Laut Medienberichten soll der Berliner AfD-Abgeordnete Fest die anschließende Suspendierung initiiert haben. Kurz darauf trat Fest vom Vorsitz der AfD-Fraktion zurück. Nach Auskunft von Krah seien die Ermittlungen zwischenzeitlich ergebnislos beendet worden. Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung gab mit Verweis auf Datenschutzgründe keine Auskunft zum Stand des Verfahrens. Krah wurde 2022 schon einmal für ein halbes Jahr aus der Fraktion ausgeschlossen. Zur Begründung hieß es, Krah habe "Treuepflichten verletzt", indem er die Bewegung des französischen Präsidentschaftskandidaten Éric Zemmour unterstützt haben soll - einem Widersacher von Marine Le Pen. Für die Rechtsaußen-Fraktion war damit eine Grenze überschritten. Innerparteiliche Differenzen Die Turbulenzen in der EU-Fraktion spiegeln die heftigen innerparteilichen Machtkämpfe um die europapolitische Ausrichtung der AfD wider. Die Diskussion um ein europapolitisches Papier führte beim Parteitag im Juni 2022 in Riesa nach heftigen verbalen Auseinandersetzungen zum ergebnislosen Abbruch der Versammlung. Der damals heiß debattierte Entwurf sah unter anderem eine "einvernehmliche Auflösung der EU" vor. Im Sommer will die AfD in Magdeburg ihre Kandidaten für die Wahl zum Europäischen Parlament im kommenden Jahr aufstellen. Für Diskussionsstoff dürfte gesorgt sein. Auf Anfrage sagt Krah über die Zitate aus dem Chat, dass diese von keinem seiner Mitarbeiter stammten. "Ich bin Mitglied zahlreicher Chatgruppen und kann nicht jede Bemerkung, die in drei Jahren fällt, korrigieren", so Krah. Sein ehemaliger Assistent, der in dem Chat unter anderem gegen Menschenrechte wetterte, wollte keinen Kommentar abgeben. Außerdem bestritt er, überhaupt bei Krah angestellt gewesen zu sein. Laut Parlamentsdatenbanken war jener Assistent 2021 und 2022 jedoch als Krahs örtlicher Assistent gelistet. Er und Krah sind offenbar freundschaftlich verbunden. Inzwischen arbeitet dessen Ehefrau für den EU-Abgeordneten. Fotos auf Instagram zeigen Krah und das Ehepaar im Dezember 2022 in New York bei einer Veranstaltung der Young Republicans - einer Nachwuchsorganisation der Republikaner. Auf die Chatbeiträge zur Ablehnung der Menschenrechte angesprochen, schrieb Krah: "Der Kernbestand der Menschenrechte" sei unbestritten. Jedoch wirft Krah der EU vor, dass sie neokolonial handle, wenn sie gegenüber anderen Ländern auf der Einhaltung von menschenrechtlichen Grundprinzipien bestehe. Krah spricht von "Menschenrechtsimperialismus". | /investigativ/afd-chats-leak-101.html |
2023-03-31 | Auf einen Schnack mit Charles III. | Letzte Station des Königsbesuchs | Volksnah geht die royale Visite zu Ende: Am dritten Tag des Staatsbesuchs sind König Charles III. und Camilla in Hamburg. Neben Hafenrundfahrt und einem Empfang mit Shanty-Chor ist auch Zeit für eine Begegnung mit Bürgern vor dem Rathaus.
mehr | Volksnah geht die royale Visite zu Ende: Am dritten Tag des Staatsbesuchs sind König Charles III. und Camilla in Hamburg. Neben Hafenrundfahrt und einem Empfang mit Shanty-Chor ist auch Zeit für eine Begegnung mit Bürgern vor dem Rathaus. Der erste Staatsbesuch als Monarch geht zu Ende. Am dritten und letzten Tag ihrer Deutschlandreise besuchen der britische König Charles III. und seine Frau Camilla Hamburg. Am Vormittag war das Königspaar zusammen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seiner Frau Elke Büdenbender mit einem regulären ICE von Berlin nach Hamburg gereist. Gedenken an die NS-Zeit Am Bahnhof Dammtor wurden sie von Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und seiner Frau Eva-Maria erwartet. Vor dem Bahnhof standen einige Hundert Royal-Fans und Neugierige. Das Königspaar nutzte die Gelegenheit, um unter dem Jubel der Menschen einigen die Hände zu schütteln. Erster Besuchspunkt am Bahnhof Dammtor: das Denkmal "Kindertransport - der letzte Abschied". Die Bronzeplastik erinnert an überwiegend jüdische Kinder, die während der NS-Zeit nach Großbritannien geschickt wurden. Im Anschluss legte der König gemeinsam mit Bundespräsident Steinmeier und Bürgermeister Tschentscher am Mahnmal St. Nikolai Kränze nieder. Die ehemalige Hamburger Hauptkirche war während britischer und amerikanischer Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs sprach im Beisein von Charles und seiner Gemahlin Camilla die "Versöhnungslitanei von Coventry". Das Versöhnungsgebet entstand 1959 in der englischen Stadt. Coventry war im November 1940 durch deutsche Luftangriffe schwer bombardiert worden. Der Hamburger Knabenchor sang als Zeichen der Versöhnung und Hoffnung auf eine friedvolle Zukunft die Hymne "If ye love me" des englischen Komponisten Thomas Tallis (1505-1585) und gedachte damit auch der Opfer der Operation "Gomorrha" vor 80 Jahren. Charles und Camilla treffen Bürgerinnen und Bürger Auch auf dem Hamburger Rathausmarkt wurden König Charles III. und Camilla mit Jubel begrüßt. Viele Menschen drängten sich vor dem Rathaus. König Charles und Camilla liefen die Absperrung entlang und begrüßten freundlich die Wartenden. Viele von ihnen nutzten die Gelegenheit für ein Foto, bevor das Königspaar sich im Rathaus ins Goldene Buch der Stadt eintrug. Am Nachmittag tauschen sich der Bundespräsident und der König während einer Hafenrundfahrt mit dem Schiff "Hamburg" mit Unternehmerinnen und Unternehmern zu den Themen grüne Energie und nachhaltige Hafenentwicklung aus. Gleichzeitig besuchen Elke Büdenbender und Camilla die Rudolf-Roß-Grundschule, die bilingual auf Deutsch und Englisch unterrichtet. Shantys im Schuppen 52 Der Staatsbesuch endet mit einem Empfang der Britischen Botschaft mit etwa 1000 geladenen Gästen im Schuppen 52 im Hafen. Hier soll sich alles um britische und deutsche Musik drehen. Unter anderem werden ein Hamburger Shanty-Chor und eine Hamburger Dudelsackband gemeinsam mit zwei britischen Bands auftreten. Stefanie Hempel und ihre Beatles-Coverband "The Silver Spoons" präsentieren Lieder der Jungs aus Liverpool, die in Hamburg berühmt wurden. Außerdem ist ein Auftritt der Hamburger Band "Lord of the Lost" geplant, die Deutschland beim Eurovision Song Contest (ESC) in Liverpool vertreten. Politisch bedeutsamer Besuch nach dem Brexit Am Mittwoch waren Charles und Camilla mit militärischen Ehren am Brandenburger Tor in Berlin begrüßt worden. Am Donnerstag hielt der Monarch eine Rede im Bundestag. Charles sprach in seiner teils auf Deutsch gehaltenen Rede die engen Verflechtungen beider Länder an - vom Handel zu Zeiten der Hanse bis zu kulturellen und anderen Aspekten. Er nannte etwa die Beatles und die deutsche Band Kraftwerk, die Komiker von Monty Python oder den Sieg Englands gegen Deutschland im Finale der Frauen-Fußball-Europameisterschaft 2022. Für Charles ist es die erste Auslandsreise in seiner neuen Rolle als König, die er nach dem Tod von Queen Elizabeth II. im September übernahm. Politisch gilt der Besuch als bedeutsam, weil drei Jahre nach dem britischen EU-Austritt ein neues Kapitel der Beziehungen Großbritanniens zu Europa und Deutschland beginnen soll. | /inland/koenig-charles-besucht-hamburg-101.html |
2023-03-31 | Früher Hinweis auf verdächtiges Segelboot | Nord-Stream-Ermittlungen | Nach Recherchen von NDR und WDR wussten deutsche Ermittler im Fall der Nord-Stream-Sabotage früher vom Segelboot "Andromeda" als bisher bekannt. Vor dem BKA hatte der Verfassungsschutz schon die Charterfirma besucht.
mehr | Nach Recherchen von NDR und WDR wussten deutsche Ermittler im Fall der Nord-Stream-Sabotage früher vom Segelboot "Andromeda" als bisher bekannt. Vor dem BKA hatte der Verfassungsschutz schon die Charterfirma besucht. Deutsche Sicherheitsbehörde haben offenbar bereits kurz nach dem Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines Hinweise auf das Segelschiff "Andromeda" erhalten - und damit wesentlich früher als bislang bekannt. Laut Generalbundesanwalt hatten Ermittler des Bundeskriminalamts (BKA) das Schiff Mitte Januar dieses Jahres durchsucht. Nach Recherchen von NDR und WDR sollen die Nachrichtendienste die Spur allerdings schon länger verfolgt haben. Danach befragte bereits im vergangenen Jahr das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Mitarbeitenden der Charterfirma, der das Schiff gehört. Auch der Bundesnachrichtendienst (BND) war danach informiert. Beide Nachrichtendienste - BfV und BND - sollen ihre Erkenntnisse jedoch erst später an den ermittelnden Generalbundesanwalt weitergegeben haben. Wie wurde die "Andromeda"-Spur gefunden? Unklar ist, wann genau und wie die Nachrichtendienste auf die Spur der "Andromeda" kamen. Eine massenhafte Abfrage bei Schiffsvermietern an der Ostsee fand nach Recherchen von WDR und NDR offensichtlich nicht statt. Zahlreiche Schiffsverleiher erklärten auf Anfrage, sie seien nicht von deutschen Ermittlern kontaktiert worden. Eine Sprecherin des Generalbundesanwalts teilte mit, man wolle sich zu den Ermittlungen nicht äußern. Der Verfassungsschutz sei allerdings nicht im Auftrag des Generalbundesanwalts unterwegs gewesen. Weder BND noch BfV äußerten sich auf Anfrage. Die Bundesregierung teilte auf Anfrage mit, dass man sich zu den Ermittlungen des Generalbundesanwalts nicht äußere. Vertraulichkeitsgebot bei ausländischen Tipps Schaut man zurück auf vergangene Fälle, könnte es für die Zurückhaltung der Nachrichtendienste einen Grund geben: Wenn Geheimdienste einen Hinweis aus dem Ausland erhalten, gilt oft die sogenannte Third-Party-Rule. Danach ist es der Behörde, die eine solchen Hinweis aus dem Ausland bekommt, grundsätzlich nicht erlaubt, diese Informationen unmittelbar mit anderen Behörden - etwa der Polizei oder Justiz - zu teilen. In solch einem Fall müssen deutsche Dienste erst einmal selbst ermitteln, um dann die eigenen Ergebnisse an den Generalbundesanwalt und an die für ihn tätigen Polizeibehörden weitergeben zu können. Anfang März hatten ARD und "Zeit" erstmals Erkenntnisse aus den polizeilichen Ermittlungen zum Nord-Stream-Anschlag veröffentlicht. Seitdem steht die Segeljacht "Andromeda" im Fokus. Mehrere Personen sollen Anfang September 2022 von Rostock aus in See gestochen sein. Über Wiek auf Rügen sei das Schiff weiter auf die kleine dänische Insel Christiansø bei Bornholm gefahren - ganz in der Nähe der Pipelines. Von Briefkastenfirma gechartert Rund zwei Wochen später kehrte das Schiff wieder zurück. Angemietet worden sei das Schiff von einer Firma aus Polen, die wiederum Ukrainern gehören soll. Deutsche Ermittler gehen nach Recherchen von NDR und WDR inzwischen davon aus, dass es sich wohl um eine Briefkastenfirma handelt, es sollen keinerlei Geschäftsaktivitäten bekannt sein. Klar ist: Das Schiff wurde unter falschen Personalien gechartert. Es wurden verfälschte rumänische Pässe vorgelegt, den Ermittlern liegen Fotos davon vor. Die angegebenen Personen sollen tatsächlich existieren, allerdings sollen sie sich zum Zeitpunkt der Schifffahrt in ihrem Heimatland aufgehalten haben. False-Flag-Operation möglich Das Schiff ist die bislang wohl heißeste Spur der deutschen Ermittler. Denn auf einem Tisch in der Kabine des Schiffes wurde Sprengstoff nachgewiesen. Nach Recherchen von NDR und WDR soll es sich laut BKA-Untersuchungen um den gleichen Stoff handeln, der auch an den Wrackteilen der zerstörten Pipelines sichergestellt worden ist. Es gibt jedoch offenbar auch Zweifel an der Stichhaltigkeit. Denn in Ermittlerkreisen wird weiterhin die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass mit der angemieteten Segeljacht absichtlich eine falsche Spur gelegt werden sollte. Der Generalbundesanwalt hat sich bislang nicht detailliert zum Ablauf der Ermittlungen geäußert. Offenbar sollen BKA und Bundespolizei schon Ende 2022 von den verfälschten Pässen und dem Schiff erfahren haben. Durchsucht wurde die "Andromeda" aber erst Mitte Januar - warum erst dann, ist unklar. In Sicherheitskreisen heißt es dazu, durch eine Durchsuchung und Spurensicherung werde eine Ermittlung "offen", also droht öffentlich bekannt zu werden. In manchen Fällen versuchen die Behörden, dies aus ermittlungstaktischen Gründen zu vermeiden oder zumindest hinauszuzögern. Dänische Polizei fragte bereits im Dezember nach Weitere Fragen werfen die Ermittlungen in Dänemark auf: Denn nach Angaben des Verwalters der Insel Christiansø hatte sich die dänische Polizei schon im Dezember 2022 nach Schiffen erkundigt, die im September im Hafen gelegen hatten. Doch erst im Januar kamen offenbar dänische Beamte vorbei - nahezu zeitgleich zum Besuch der BKAler bei der "Andromeda". Ursprünglich war die Einrichtung eines internationalen "Joint Investigation Teams" geplant gewesen. Schweden hatte dies jedoch abgelehnt - mit der Begründung, die Sicherheitseinstufung der Ermittlungsergebnisse sei zu hoch. In Deutschland soll es zudem Vorbehalte gegeben haben, weil die Trennung zwischen Polizei und Geheimdienstarbeit in Schweden nicht genau ersichtlich sei. Die Länder ermitteln daher vor allem auf eigene Faust. Generalbundesanwalt ermittelt Im September 2022 hatten Detonationen an drei von vier Nord-Stream-Röhren der Pipelines für schwere Schäden gesorgt. Im Oktober leitete schließlich der Generalbundesanwalt Ermittlungen ein. Danach besteht der Verdacht der "vorsätzlichen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion" und einer "verfassungsfeindliche Sabotage". Es handele sich um einen "schweren gewalttätigen Angriff auf die Energieversorgung". Dieser sei geeignet, die äußere und innere Sicherheit Deutschlands zu beeinträchtigen. Der Generalbundesanwalt hat Bundeskriminalamt und Bundespolizei mit den Ermittlungen beauftragt. Wer tatsächlich die Verantwortung für den Anschlag trägt, ist bislang völlig unklar. Neben der "Andromeda" gibt es weitere Schiffe, die sich vor den Explosionen in der Nähe aufgehalten haben. So bewegte sich beispielsweise ein griechischer Tanker tagelang kaum von der Stelle. Bereits im September hatte es zudem erste Berichte über russische Schiffe in der Nähe gegeben, die zuletzt von "t-online" konkretisiert wurden. Ein Aufklärungsschiff der dänischen Marine soll damals mit schwedischen Einheiten in die Gegend geeilt sein. | /investigativ/ndr-wdr/nord-stream-pipeline-anschlag-ukraine-sabotage-103.html |
2023-03-31 | Ein Viertel geht für Miete drauf | Hohe Belastung für Haushalte | Fast 20 Millionen Haushalte in Deutschland wohnen zur Miete - durchschnittlich werden dafür knapp 28 Prozent des Einkommens aufgewendet, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Dabei gibt es große Unterschiede.
mehr | Fast 20 Millionen Haushalte in Deutschland wohnen zur Miete - durchschnittlich werden dafür knapp 28 Prozent des Einkommens aufgewendet, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Dabei gibt es große Unterschiede. Wer in Deutschland zur Miete wohnt, gibt im Schnitt dafür mehr als ein Viertel seines Einkommens aus. Das teilte das Statistische Bundesamt mit. Die rund 19,9 Millionen Hauptmieterhaushalte der Bundesrepublik brachten demnach im vergangenen Jahr durchschnittlich 27,8 Prozent ihres Einkommens für die Miete auf. Für die rund 6,6 Millionen Haushalte, die ihre Wohnung 2019 oder später angemietet haben, lag die Belastung mit 29,5 Prozent besonders hoch. Zum Vergleich: Die rund 2,7 Millionen Haushalte, die ihren Vertrag bereits vor 1999 abgeschlossen haben, zahlen im Schnitt etwa 26,8 Prozent ihres Einkommens. "Die Mietbelastung insbesondere von Haushalten mit geringen Einkommen und in den Großstädten ist dramatisch", kommentierte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, die Entwicklung. "Es ist ein Alarmzeichen, dass der Anteil der Einkommen, der für Wohnkosten aufgewendet werden muss, in den vergangenen Jahren noch weiter gestiegen ist." Große Städte, hohe Kosten Laut der Statistik müssen vor allem alleinstehende Menschen in großen Städten tief in die Tasche greifen: Bei Einpersonenhaushalten liegt die durchschnittliche Mietkostenquote mit 32,7 Prozent bei knapp einem Drittel ihres Einkommens. Haushalte mit zwei Personen mussten dagegen weniger als ein Viertel (22,8 Prozent) ihres Einkommens für die Miete einplanen. In Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern wenden Mieter im Schnitt 28,9 ihres Einkommens auf, in Orten mit bis zu 20.000 Einwohnern hingegen 25,9 Prozent. Nah am Durchschnitt liegt dafür die Belastung von Haushalten in mittelgroßen Städten mit einer Einwohnerzahl zwischen 20.000 und 100.000. Dort zahlten die Haushalte im Schnitt 27,6 Prozent ihres Einkommens für die Bruttokaltmiete. Enorme Belastung für Geringverdienende Unter den steigenden Mietpreisen und der vorherrschenden Inflation leiden besonders einkommensschwache Haushalte. Hier liegt die Mietbelastung im Schnitt bei mehr als 40 Prozent. Betroffen sind mehr als drei Millionen Haushalte, was etwa 16 Prozent aller zur Miete Wohnenden entspricht. "Das Problem des Wohnungsmangels dürfte sich in den kommenden Jahren noch verschärfen", warnte IMK-Forscher Dullien. "Durch gestiegene Baupreise und gestiegene Zinsen der Europäischen Zentralbank befindet sich der Wohnungsbau derzeit im freien Fall." Durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine steige der Bedarf an Wohnraum noch weiter. Viele Schutzsuchende seien nach Deutschland gekommen - inzwischen lebten in der Bundesrepublik fast eine Million Menschen mehr, als man es vor Corona für 2023 erwartet habe, so Dullien. "Da schon vor Corona Wohnraum knapp war, verschärft dies den Wohnungsmangel." Die Bruttokaltmiete umfasst die Nettokaltmiete und verbrauchsunabhängige Betriebskosten. Die Mietbelastungsquote gibt den Anteil dieser Bruttokaltmiete am Haushaltsnettoeinkommen an. Die Auswertung der Statistikbehörde beruht auf Erstergebnissen der Mikrozensus-Zusatzerhebung zur Wohnsituation 2022. | /wirtschaft/finanzen/miete-einkommen-haushalte-101.html |
2023-03-31 | Eine historische Anklage | Ehemaliger US-Präsident Trump | Das gab es in der US-Geschichte noch nie: Als erster ehemaliger Präsident ist Trump angeklagt worden. Ihm droht nun eine Gefängnisstrafe. Trump selbst spricht von "politischer Verfolgung und Wahlbeeinflussung". Von Antje Passenheim. | Das gab es in der US-Geschichte noch nie: Als erster ehemaliger Präsident ist Trump angeklagt worden. Ihm droht nun eine Gefängnisstrafe. Trump selbst spricht von "politischer Verfolgung und Wahlbeeinflussung". "Viel zu tun hier in Manhattan", sagt eine TV-Reporterin in die Kamera vor dem Gericht in New York. Reihe an Reihe drängen sich die Medienteams um das Gebäude, in dem gerade die Grand Jury ihr historisches Votum gefällt hat: Die erste Anklage gegen einen ehemaligen US-Präsidenten. Der Mann, der sie leiten wird, kommt aus einem anderen Gebäude. Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg steigt in seine wartende Limousine und fährt wortlos ab. Vorher hatte Bragg schriftlich verkündet, das Gericht habe Donald Trumps Anwalt kontaktiert, um dessen Überstellung zur Anklageerhebung nach New York zu koordinieren. Die Anklageschrift sei noch unter Verschluss. Die genauen Anklagepunkte sind damit bislang unklar, sagt der ehemalige Staatsanwalt und Chef des Rechtsinstituts der New York University, Michael Waldman, dem Sender CNN. Aber sie drehen sich mutmaßlich um die Schweigegeldzahlungen, die verschleiert wurden, um alles unter der Decke zu halten. Und dass das gemacht wurde, um seine Kampagne zu stärken. Und das wäre eine eigene Form von Illegalität. Schweigegeldzahlungen an Pornodarstellerin Zum Schweigen wollte der damalige Präsidentschaftskandidat Trump demnach im Jahr 2016 Pornodarstellerin Stormy Daniels bringen. Sie behauptet, die beiden hätten ein Verhältnis gehabt. Daniels hatte damit gedroht, an die Öffentlichkeit zu gehen. Schweigegeldzahlungen sind in den USA nicht illegal. Ihre Verschleierung in den Bilanzen aber schon - vor allem, wenn es sich möglicherweise um illegale Wahlkampfspenden in eigener Sache handelt. Waldman ist sich sicher, dass die Anklage auf schweren Punkten fußt: "Ich wäre sehr überrascht, wenn das bloß eine technische Angelegenheit wäre, ein Ticket fürs Falschparken." Wahrscheinlicher sei, so Waldman, "dass es etwas Schwerwiegendes ist mit Dutzenden von Anklagepunkten." Trump spricht von "politischer Verfolgung" Die Staatsanwaltschaft in Trumps Heimatstadt hatte jahrelang in der Sache ermittelt und schließlich eine sogenannte Grand Jury eingesetzt. Trump sprach von "politischer Verfolgung und Wahlbeeinflussung auf dem höchsten Niveau der Geschichte". Auch andere Republikaner reagierten empört und kritisierten Bezirksstaatsanwalt Bragg. Zu Unrecht, sagt Rechtsexperte Walden: "Das war nicht Alvin Bragg gegen Donald Trump. Oder die Bezirksstaatsanwaltschaft von Manhattan. Das hier war eine Grand Jury." 23 Laien, zufällig zusammengesetzt, haben ihr Votum nach Anhörung zahlreicher Zeugen getroffen. US-Medien berichteten unter Berufung auf Anwälte Trumps, der Ex-Präsident könnte sich voraussichtlich in der kommenden Woche der Justiz in New York stellen. Die Staatsanwaltschaft in Manhattan erklärte lediglich: Weitere Details würden mitgeteilt, sobald ein Termin für die Anklageverlesung bestimmt sei. Das Gericht, der Secret Service und die New Yorker Polizei würden das sorgfältig abwägen, sagt Ex-Staatsanwältin Annemarie McAvoy dem ARD-Studio New York: "Sie überlegen, was für alle das Beste ist, auch mit Blick auf die Sicherheit der New Yorker Bevölkerung und ihre Bewegungsfreiheit im Fall von Protesten. Vielleicht sagen sie, dass es einfacher wäre, ihn in Florida zu lassen." Vorerst zumindest. Doch irgendwann werde Trump schon erscheinen müssen. Möglich sei auch, dass er verurteilt werde. "Er könnte ins Gefängnis gehen", so McAvoy. Kandidatur aus dem Gefängnis? Angesichts seines Alters von 76 Jahren und der möglichen Länge eines solchen Strafprozesses sei das zwar eher unwahrscheinlich. Ausgeschlossen sei das aber nicht, sagt Juristin McAvoy. Es ist möglich, dass er für vier Jahre ins Gefängnis muss. Aber - glauben Sie es oder nicht: Selbst von dort aus könnte er theoretisch fürs Präsidentenamt kandidieren. Doch viele halten es für fraglich, ob das auch im Sinne seiner republikanischen Partei wäre. Die Polizei in New York hielt sich in Alarmbereitschaft. Konkrete Drohungen von möglichen aufgebrachten Trump-Anhängern habe es aber bislang nicht gegeben. | /ausland/amerika/usa-trump-anklage-103.html |
2023-03-31 | Florida erlaubt verdecktes Tragen von Waffen | Gesonderte Erlaubnis entfällt | In den USA regeln die Bundesstaaten den Waffenbesitz. Im republikanisch regierten Florida wurde die Gesetzgebung gelockert. Künftig dürfen Bürger eine Schusswaffe verdeckt führen - Lizenzierung und Training entfallen.
mehr | In den USA regeln die Bundesstaaten den Waffenbesitz. Im republikanisch regierten Florida wurde die Gesetzgebung gelockert. Künftig dürfen Bürger eine Schusswaffe verdeckt führen - Lizenzierung und Training entfallen. Im US-Bundesstaat Florida dürfen Bürger künftig ohne gesonderte Lizenz verdeckt Schusswaffen tragen. Der Senat des Staats verabschiedete mit deutlicher Mehrheit ein entsprechendes, vom republikanischen Gouverneur Ron DeSantis unterstütztes Gesetz. 27 Senatoren stimmten für das Gesetz, 13 dagegen. DeSantis, der als wahrscheinlicher republikanischer Präsidentschaftskandidat für die Wahl im Jahr 2024 gilt, versprach, das Gesetz rasch zu unterzeichnen. Derzeit sei das verdeckte Waffentragen in 25 Staaten erlaubt, sagte DeSantis bei einer Buchvorstellung in einem Waffengeschäft im Bundesstaat Georgia und ergänzte: "Wir in Florida machen daraus kommende 26." Kein Extra-Training mehr nötig Wer künftig in Florida verdeckt eine geladene Waffe tragen will, benötigt nur noch ein Ausweisdokument wie einen Führerschein. Ein Waffenkauf bleibt indes nur Menschen über 21 Jahren erlaubt, erforderlich ist dafür zudem ein sogenannter "Background Check" zur Überprüfung des Käufers. Verurteilte Straftäter dürfen keine Waffen erwerben. Bisher waren für das verdeckte Tragen von Waffen ein entsprechendes Training sowie ein Antrag mit Überprüfung des Antragstellers nötig. Demokraten warnen vor mehr Waffengewalt Demokraten befürchten, dass die Lockerung zu mehr Unfällen mit Waffen führen wird. Bürgern würden Waffenkäufe ermöglicht, ohne zuvor in deren Gebrauch geschult worden zu sein. Das neue Waffengesetz wurde in Florida nur drei Tage nach einem Schusswaffenangriff mit sechs Toten an einer Privatschule im US-Bundesstaat Tennessee verabschiedet. Auch in Florida hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder Amokläufe gegeben, darunter das Schulmassaker von Parkland 2018 mit 17 Toten oder den Anschlag von Orlando 2016, bei dem der Täter 49 Menschen in einem Nachtklub tötete. | /ausland/amerika/waffenbesitz-florida-waffenrecht-101.html |
2023-03-31 | Grand Jury stimmt für Anklage gegen Trump | Ehemaliger US-Präsident | Eine Grand Jury in Manhattan hat für eine strafrechtliche Anklage des früheren US-Präsidenten Trump gestimmt. Das gab dessen Verteidigung bekannt. Nie zuvor in der US-Geschichte wurde ein früherer US-Präsident strafrechtlich angeklagt.
mehr | Eine Grand Jury in Manhattan hat für eine strafrechtliche Anklage des früheren US-Präsidenten Trump gestimmt. Das gab dessen Verteidigung bekannt. Nie zuvor in der US-Geschichte wurde ein früherer US-Präsident strafrechtlich angeklagt. Eine Grand Jury in Manhattan hat für eine strafrechtliche Anklage des früheren US-Präsidenten Donald Trump gestimmt. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft in New York. Sein Büro habe den Anwalt von Trump kontaktiert, um dessen Überstellung zur Anklageerhebung nach New York zu koordinieren, teilte der Manhattaner Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg mit. Zuvor hatte bereits die Trump-Anwältin Susan Necheles Medienberichte einer Anklage bestätigt. Die genauen Vorwürfe wurden zunächst nicht bekannt. Es wurde im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin gegen Trump ermittelt. US-Medien berichteten unter Berufung auf Anwälte Trumps, Trump werde sich voraussichtlich in der kommenden Woche der Justiz in New York stellen. Eine Bestätigung gab es dafür zunächst nicht. Trumps Anwälte hatten bereits zuvor deutlich gemacht, dass Trump sich im Fall einer Anklage wahrscheinlich stellen würde. Trump-Anwalt Joe Tacopina sagte, sein Mandat habe keine Verbrechen begangen. "Wir werden diese politische Verfolgung vor Gericht energisch bekämpfen." Die bisher von der zuständigen Staatsanwaltschaft unter Verschluss gehaltene Anklageschrift werde wahrscheinlich in den kommenden Tagen veröffentlicht, berichtete die "New York Times" unter Berufung auf mehrere mit dem Fall vertraute Personen. Trump spricht von politischer Verfolgung Trump selbst sprach in einer ersten Erklärung ebenfalls von "politischer Verfolgung und Wahlbeeinflussung". Er sei Opfer einer "Hexenjagd" durch "die linksradikalen Demokraten". "Eine vollkommen unschuldige Person anzuklagen ist ein Akt der eklatanten Wahleinmischung", erklärte Trump weiter. Auf dem von ihm mitbegründeten Netzwerk und Twitter-Ersatz Truth Social sprach er anschließend von einem "Angriff auf unser Land". Es sei auch ein Angriff auf die "einst" freien Wahlen, die USA seien jetzt ein "Dritte-Welt-Land" und eine Nation im Niedergang. In seinem Post waren etliche Wörter in Großbuchstaben, das Wort "angeklagt" war falsch geschrieben. Trump hat mehrere juristische Baustellen - er weist immer wieder alle Vorwürfe als politische Verfolgung zurück. Auch sein Sohn Eric Trump erklärte auf der Online-Plattform Truth Social, die Anklage ziele auf einen "politischen Gegner in einem Wahljahr" ab. Trumps ältester Sohn Donald Trump Jr. schrieb auf Truth Social, die Regierung gehe gegen ihre "politischen Feinde" vor. Parteikollegen springen Trump zur Seite Mehrere republikanische Kongressabgeordnete kritisierten die Anklage Trumps auf Twitter scharf. Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, warf dem zuständigen Oberstaatsanwalt von Manhattan vor, "unser Land in einem Versuch der Einmischung in unsere Präsidentschaftswahl irreparabel beschädigt" zu haben. "Empörend.", schrieb der Trump-Vertraute und Abgeordnete Jim Jordan. Der Fraktionsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, Steve Scalise, schrieb: "Dieser Betrug der New Yorker Anklage gegen Präsident Donald Trump ist eines der deutlichsten Beispiele dafür, wie extremistische Demokraten die Regierungsverantwortung als Waffe einsetzen, um ihre politischen Gegner anzugreifen." Und de republikanische Abgeordnete Elise Stefanik schrieb: "Die beispiellose Wahleinmischung des korrupten sozialistischen Bezirksstaatsanwalts Alvin Bragg ist eine politische Hexenjagd und ein dunkler Tag für Amerika." Der frühere US-Vizepräsident Mike Pence kritisierte die Anklage seines ehemaligen Chefs ebenfalls scharf. "Ich finde, das ist ein Skandal", sagte Pence dem Fernsehsender CNN. "Dies wird nur dazu dienen, dieses Land weiter zu spalten." Der Demokrat Adam Schiff bezeichnete die Anklage Trumps ebenfalls als "beispiellos". "Aber das gilt auch für das rechtswidrige Verhalten, an dem Trump beteiligt war", schrieb der US-Abgeordnete auf Twitter. Auch "die Reichen und Mächtige"» müssen zur Rechenschaft gezogen werden - auch wenn sie ein hohes Amt bekleiden würden. Alles andere sei keine Demokratie. Schiff war Leiter des Anklageteams im ersten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump. Trump beleidigt den Demokraten regelmäßig. Trump in Schweigegeld-Affäre verwickelt Ein Prozess und eine potenzielle Verurteilung, bei der dem Republikaner womöglich mehrere Jahre Haft drohen, könnten seine Pläne für eine erneute Präsidentschaftskandidatur in politischer Sicht gefährden - mit Blick auf die Unterstützung seiner Partei und der republikanischen Basis. Rein rechtlich dagegen dürfte Trump theoretisch auch als verurteilter Straftäter bei der Präsidentenwahl 2024 antreten, wie Rechtsexpertinnen und Rechtsexperten betonen. Trump hat jedes Fehlverhalten abgestritten und die Ermittlungen auch mit öffentlichen Einlassungen attackiert. Einer weiteren Gewährsperson zufolge wurde laut AP erwartet, dass er sich den Behörden in der kommenden Woche stellen will. Diese Person wollte anonym bleiben, da die Angelegenheit sich noch unter Verschluss befand. Die Grand Jury untersuchte über Monate Vorwürfe mutmaßlicher Schweigegeldzahlungen Trumps an die Porno-Darstellerin Stormy Daniels und das frühere Playmate Karen McDougal. Beide hatten nach eigenen Angaben sexuelle Begegnungen mit Trump - was dieser bestreitet. Fraglich ist etwa, ob die Geldflüsse gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen haben. Trumps Ex-Anwalt Cohen: Niemand steht über dem Gesetz Für den früheren Anwalt Donald Trumps, Michael Cohen, ist die Anklageerhebung gegen den ehemaligen US-Präsidenten "erst der Anfang". Nun müsse man die Anklageschrift für sich selbst sprechen lassen, erklärte Cohen in einem Statement, das US-Medien vorlag. "Ich finde es jedoch tröstlich, dass sich das Sprichwort bewahrheitet, dass niemand über dem Gesetz steht, nicht einmal ein ehemaliger Präsident", sagte Cohen weiter. Er stehe zu seiner Aussage in dem Fall. Cohen hat sich inzwischen von seinem früheren Klienten losgesagt. Er zahlte nach eigenen Aussagen 2016 im Auftrag Trumps Schweigegeld an die Pornodarstellerin Stormy Daniels, um im Präsidentschaftswahlkampf Schaden von seinem Boss abzuwenden. Trump und seine Anwälte räumen eine Zahlung ein, bestreiten aber, dass Trump etwas mit der Darstellerin gehabt habe. | /ausland/amerika/usa-trump-anklage-101.html |
2023-03-31 | Ein Café gegen Lebensmittelverschwendung | Foodsharing | Eine Initiative gegen Lebensmittelverschwendung war Thema im Bundesrat. Ein Café in Stuttgart macht vor, wie es klappen kann, dass Lebensmittel wieder mehr wertgeschätzt werden. Von Diana Hörger. | Eine Initiative gegen Lebensmittelverschwendung war Thema im Bundesrat. Ein Café in Stuttgart macht vor, wie es klappen kann, dass Lebensmittel wieder mehr wertgeschätzt werden. Es ist bereits der 30. Kaffee, den Barista Aileen Gedrat an diesem Nachmittag aus der Siebträgermaschine im Foodsharing-Café "Raupe Immersatt" in Stuttgart presst. Gekonnt zieht die junge Frau mit dem Espresso eine Blume auf den Schaum des Cappuccino. Der Vereinsvorstand des ersten Foodsharing-Cafés in Deutschland steht neben seiner Kollegin und testet die neue digitale Kaffeewaage. "An Sonntagen geben wir wohl so um die 400 Heißgetränke aus", schätzt Maximilian Kraft. Vor der Glasscheibe des Cafés sitzt bei der Kälte zwar kaum jemand, aber rund 20 Erwachsene und Kinder machen es sich an Tischen und auf Sofas gemütlich, genießen ihre Getränke und essen Croissants, Brötchen oder Donuts. Der Unterschied zu anderen Cafés: Für das Essen muss man hier nicht bezahlen. Alle Lebensmittel wurden gespendet - beziehungsweise gerettet, wie sie hier in der "Raupe" sagen. Heute sind vor allem Brötchen im "Fairteiler"-Schrank, aus dem sich jeder hier bedienen darf. "Im Moment bekommen wir von unseren ehrenamtlichen Lebensmittelrettenden der Initiative Foodsharing vor allem Backwaren geliefert. Obst und Gemüse gibt es gerade eher selten." Alles, was hier landet, wurde im Handel oder der Gastronomie nicht verkauft und wäre sonst entsorgt worden. Am häufigsten landen Obst und Gemüse im Müll Pro Kopf werden in deutschen Haushalten etwa 78 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weggeworfen. Das hat das Statistische Bundesamt im Jahr 2022 erhoben. Das ist deutlich mehr als in Restaurants oder in der Verarbeitung entsorgt werden. Vieles davon landet im Müll, obwohl es noch genießbar wäre. Am häufigsten betroffen sind demnach mit 35 Prozent der Abfälle Obst und Gemüse, danach folgen Brot und Backwaren mit 13 Prozent, Getränke mit zwölf Prozent und Milchprodukte mit neun Prozent. Mit der Lebensmittelverschwendung beschäftigt sich heute auch der Bundesrat. Ein Grund für die vorzeitige Entsorgung von Nahrung ist der Vorlage zufolge: das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) in seiner bestehenden Form. Während das Verbrauchsdatum ein Datum angibt, nach dem ein Lebensmittel weggeworfen werden sollte, gibt das MHD das Datum an, bis wann sich ein verpacktes Lebensmittel mindestens lagern und verzehren lässt, ohne etwa den Geruch, den Geschmack oder die Farbe zu verändern. Bei korrekter Lagerung können Lebensmittel aber auch über dieses Datum hinaus noch verzehrt werden. Der Handel haftet Die Vernichtung von Lebensmitteln, die nahezu unbegrenzt haltbar seien, solle künftig verhindert werden, heißt es jetzt in der Entschließung des Bundesrats. Darin bittet er die Regierung darum, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass weitere Nahrungsmittel wie Reis, Salz, Nudeln und Honig auf die Ausnahmeliste für das Mindesthaltbarkeitsdatum kommen. Sie wären dann von der Pflicht zur Angabe eines MHD befreit, wie bereits frisches Obst, Zucker oder etwa Wein. Auch zusätzliche, erklärende Aufschriften wie zum Beispiel "Oft länger gut" sollen den Konsumentinnen und Konsumenten künftig mehr Sicherheit beim Verzehr geben. In Deutschland ist es so geregelt, dass der Handel dafür haftet, wenn er Lebensmittel nach Erreichen des MHD in den Verkehr bringt. Das gilt auch dann, wenn er die Lebensmittel verschenkt statt verkauft. Dieses Haftungsrisiko will kaum ein Supermarkt oder Discounter eingehen. Dazu sieht die Vorlage im Bundesrat keine Änderungen vor. Nahrungsmittel für soziale Zwecke freigeben Die aktuelle Initiative zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung kommt aus Rheinland-Pfalz. Dazu sagt Ministerpräsidentin Malu Dreyer: "Bedenkenlos konsumierbare Nahrungsmittel können beispielsweise in Tafeln an bedürftige Menschen weitergegeben werden. Lebensmittelverschwendung ist insbesondere auch unter sozialen Gesichtspunkten und dem Aspekt der hohen Inflation für einkommensschwache Haushalte nicht akzeptabel." Die Freigabe von unverkauften, für den Verzehr noch geeigneten Lebensmitteln für soziale Zwecke solle von der Bundesregierung geregelt werden, um Verluste und Verschwendung von Lebensmitteln zu vermeiden, heißt es in dem Entwurf, über den heute im Bundesrat diskutiert wird. Verbraucherschutz: Riechen und Schmecken reicht nicht Ob mit Hilfe dieser Maßnahmen weniger Lebensmittel verschwendet werden, bezweifelt Vanessa Holste von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Obst und Gemüse müssten schon jetzt nicht mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen werden und würden trotzdem am häufigsten in der Tonne landen, sagt sie. Vielmehr sei das Mindesthaltbarkeitsdatum ein wichtiger Hinweisgeber. "Natürlich können viele Verbraucherinnen und Verbraucher auch durch Riechen und Schmecken entscheiden, was noch genießbar ist. Diese Mündigkeit haben sie bereits jetzt. Das MHD ist aber neben der Zusage der Genießbarkeit auch eine Qualitätszusage und damit für Verbraucherinnen und Verbraucher eine wichtige Information beim Kauf." Beispielsweise ältere Menschen, die nicht mehr vollständig auf ihre Sinne vertrauen könnten, seien auf das MHD angewiesen. Außerdem würden laut einer Studie auch viele am Vortag selbstgekochte Gerichte von den Konsumierenden weggeworfen werden. Auch darauf hätten die angedachten Maßnahmen im vorliegenden Antrag keinerlei Effekt. Vielmehr sollte die Politik auch andere Akteure der Wertschöpfungskette - wie den Handel - dazu anregen, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Orientierung an anderen EU-Ländern Wenn es nach der Eingabe des Bundesrats geht, sollen auch die Betriebsabläufe bei Kooperationen zwischen Einzelhandel und Organisationen wie den Tafeln verbessert werden. Die Wohltätigkeitsorganisationen sollen bei der Entwicklung der neuen Maßnahmen auch beteiligt werden. Orientierung könnten der deutschen Regierung auch schon bestehende Regelungen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten geben. Maximilian Kraft vom Foodsharing-Café in Stuttgart würde das begrüßen. "In unserer Welt macht man sich erst Gedanken, wenn es finanzielle Konsequenzen gibt", sagt er. In Frankreich etwa dürfen Händler per Gesetz seit 2016 keine Lebensmittel mehr entsorgen. "Die Politik macht es sich zu leicht, wenn sie dem Verbraucher allein die Verantwortung zuschiebt", sagt Kraft. Dazu wünscht er sich außerdem eine neue Studie, die der Lebensmittelverschwendung in Deutschland in der gesamten Wertschöpfungskette auf den Grund geht. Dass weitere Produkte auch ohne Mindesthaltbarkeitsdatum verkauft werden können, findet er grundsätzlich sinnvoll. Er glaubt, das würde mehr Menschen anregen, über ihren Konsum nachzudenken. "Und klar sollten die Menschen in Deutschland Lebensmitteln wieder mehr Wertschätzung entgegenbringen. Aber daran werden wohl die angedachten Änderungen beim Haltbarkeitsdatum nichts ändern." | /inland/gesellschaft/lebensmittelverschwendung-117.html |
2023-03-31 | Das Kreditgeschäft wird "grüner" | Banken und Klimaschutz | Klimaschutz wird auch in der Finanzbranche immer wichtiger. Banken überlegen sich inzwischen genau, welche Geschäftsmodelle sie mit Krediten finanzieren. "Je grüner, desto besser" lautet die Devise. Von Ingo Nathusius. | Klimaschutz wird auch in der Finanzbranche immer wichtiger. Banken überlegen sich inzwischen genau, welche Geschäftsmodelle sie mit Krediten finanzieren. "Je grüner, desto besser" lautet die Devise. Der Umbau der Wirtschaft zu Klimaneutralität ist bei den Banken angekommen. Sie versuchen nicht nur, ihren eigenen CO2-Ausstoß zu messen und zu verringern. Als Vermittler zwischen Investoren und Kreditnehmern bauen Banken ihr Geschäft komplett hin zu Finanzierung besseren Klimaschutzes um. Treibhausgasausstoß als Risikofaktor Auch regionale Banken und Sparkassen seien in ihrem Geschäft vom Klimawandel betroffen, sagte Christian Elbers von der Bundesanstalt für Finanzaufsicht BaFin bei einer Fachtagung des "Handelsblatts" in Frankfurt am Main. Mittelfristig sei vor allem in Ost- und Südwestdeutschland mit deutlichen Auswirkungen des Klimawandels zu rechnen. Das habe Konsequenzen für die Finanzierung zahlreicher Branchen, angefangen bei der Landwirtschaft. Finanzierung von Unternehmen, die viel CO2 verursachen, werden zunehmend risikoreich, berichtete der Chef der Bankenaufsicht bei der Bundesbank, Karlheinz Walch. Er stellte eine Studie vor, nach der das Risiko zwischen 1,4- und 2,4-mal höher ist als bei Krediten an andere Unternehmen. Nur sehr wenige Kunden werden aussortiert CO2-intensiven Branchen sollten keineswegs die Kredite gestrichen werden, sagte der Risikovorstand der Commerzbank, Marcus Chromik. Es gelte vielmehr, Unternehmen beim Umbau bin zu Klimaneutralität zu finanzieren. Grundsätzlich sei die Transformation der Wirtschaft bezahlbar. "Das Thema kommt in jedem Kundengespräch zur Sprache", sagte Chromik. "Wenn jemand den Schuss nicht gehört hat, bedeutet dass, dass wir da runterfahren". Gefragt nach der Zahl der Kunden, die wegen "Klimaignoranz" aussortiert worden seien, sagte der Commerzbank-Vorstand: "Da reichen noch die Finger." Torsten Jäger vom Bundesverband der privaten Banken bestätigte: "Ich kann ja nicht alle Kunden rauswerfen und nur noch die Grünen finanzieren." Klima-Forderungen der Bankenaufsicht Die Risiken aus Geschäftsmodellen, die das Klima belasten, werden breit analysiert. Banken fürchten, dass alte Industrien immer weniger Geld verdienen, um Kredite zu bezahlen. Zugleich werden Investoren kaum noch bereit sein, ihr Geld Banken zu geben, die klimaschädliche Unternehmen finanzieren. Zu diesen betriebswirtschaftlichen Gründen kommen Vorschriften der staatlichen Bankenaufsicht. Sie fordert immer mehr klimaneutrales Geschäft. Die Vertreter der Banken kritisierten zu große Detailfreude bei staatlichen Vorschriften. Das betreffe nicht nur Kontrolle der Auswirkungen aufs Klima, sondern die Bankenaufsicht insgesamt. Die Finanzvorständin der DZ-Bank, Ulrike Brouzi, nannte 14 Kennzahlen, die errechnet werden müssten. "Jede einzelne Kennzahl ist super", sagte Brouzi. Aber in der Kombination werde es völlig unübersichtlich. "Da fängt die Lust der Mathematiker an", fügte die studierte Mathematikerin ironisch an. Umgekehrt warf Aufseher Elbers von der BaFin den Banken mangelnde Klarheit vor. Bei Klimarisiken herrsche mitunter Aktionismus: "Da wird sehr kleinteilig gesteuert", sagte Elbers, "Es werden irgendwelche Aktivitäten ausgeschlossen, ohne dass eine Strategie dahintersteht." Europa besser gegen Risiken gewappnet Einig waren sich Banken, Lobbyisten und Aufsichtsbehörden, dass die Branche in Europa viel stabiler und die Aufsicht viel weitreichender sei als in den Vereinigten Staaten. Die Abwicklung der Credit Suisse habe gezeigt, dass Krisen weit besser und schneller bewältigt würden als in der Bankenkrise 2008, sagte DZ-Bankvorständin Brouzi. "Der Bankensektor ist widerstandsfähig" bestätigte auch Bundesbanker Walch. Er mahnte, verlustreiche Wertpapiere bei Zeiten abzuschreiben. Banken sollten "sich immer wieder mit der Realität auseinandersetzen", so Walch. Das deutet an, dass sich in Bilanzen einzelner deutscher Banken stille Lasten aus der Zinswende aufbauen. BaFin-Exekutivdirektor Raimund Röseler wies darauf hin, dass nicht nur Bankmanagement und Bankenaufsicht Verantwortung tragen: "Ich erwarte, dass die professionellen Anleger endlich mal die Prospekte der Produkte lesen, die sie kaufen." Der Chef der Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank, Andrea Enria, zeigte sich alarmiert vom Kurssturz deutscher Bankaktien am vergangenen Freitag. Mit ein paar Millionen Investment in Kreditausfallversicherungen könnten Börsenkurse großer Banken drastisch beeinflusst werden. Man wisse nicht, wer dort handele. Das werde sich die Aufsicht genau ansehen, kündigte Enria an. | /wirtschaft/finanzen/bankentagung-klimaschutz-fonds-101.html |
2023-03-31 | Der Mann, der Donald Trump anklagt | Alvin Bragg | Er stammt aus dem New Yorker Problemviertel Harlem und wurde dort mehrfach mit Waffen bedroht - deshalb sei er Jurist geworden, sagt Alvin Bragg. Als Oberstaatsanwalt klagt er Ex-Präsident Trump an. Was treibt ihn an? Von Peter Mücke. | Er stammt aus dem New Yorker Problemviertel Harlem und wurde dort mehrfach mit Waffen bedroht - deshalb sei er Jurist geworden, sagt Alvin Bragg. Als Oberstaatsanwalt klagt er Ex-Präsident Trump an. Was treibt ihn an? Dass es ausgerechnet Alvin Bragg ist, der Donald Trump - als ersten ehemaligen US-Präsidenten in der Geschichte - anklagt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn als Bragg Anfang 2022 sein Amt als leitender Oberstaatsanwalt von Manhattan antrat, sorgte er erstmal für Wirbel, als er klarmachte, dass er Trump im Zusammenhang mit dem Finanzgebaren seines Firmenimperiums nicht verfolgen werde. Zwei ranghohe Staatsanwälte kündigten daraufhin und warfen Bragg vor, zu zaghaft gegen den Ex-Präsidenten vorzugehen, was Bragg jedoch stets zurückwies: Seit über 20 Jahren habe ich als Staatsanwalt gegen alle ermittelt: Demokraten, Republikaner, Unabhängige, gegen Ex-Staatsanwälte, einen FBI-Agenten und Bürgermeister. Ich richte mich nur nach den Fakten, unabhängig von der Partei: Was hat wer getan - und was sagt das Gesetz dazu? Sechsmal mit Schusswaffen bedroht Der heute 49 Jahre alte Bragg wuchs im Stadtteil Harlem auf - ein besonders hartes Pflaster in einer Zeit, in der New York ohnehin als die gefährlichste Stadt der Welt galt. Noch vor seinem 21. Geburtstag sei er dort sechsmal mit Schusswaffen bedroht worden. Das sei der Grund, warum er Jura studiert habe, so Bragg. "Ich bin auf dem Höhepunkt der Crack- und Kokain-Epidemie aufgewachsen. Dreimal haben Polizisten bei gesetzeswidrigen Kontrollen die Waffe auf mich gerichtet. Dreimal haben mich Leute bedroht, die keine Polizisten waren. Mein Ziel ist es, öffentliche Sicherheit und Fairness in Einklang zur bringen - daran arbeite ich seit über 20 Jahren." Nach dem Studium an der Elite-Universität Harvard arbeitete Bragg zwei Jahrzehnte auf beiden Seiten - als Staatsanwalt und als Strafverteidiger. Im Herbst 2021 wurde er dann zum leitenden Oberstaatsanwalt von Manhattan gewählt - als erster Schwarzer überhaupt: "Das ist auf eine symbolische Art wichtig, aber auch auf eine ganz substanzielle. Ich bin der erste Schwarze in diesem Amt. Aber auch der erste, der vieles am eigenen Leib erfahren hat - und damit nachvollziehen kann, wie die Leute das Strafjustizsystem erleben." "Meine oberste Priorität sind Schusswaffen" Diese Erfahrungen bestimmten auch seine Agenda, sagt der zweifache Familienvater. Zwei Tage nach Übernahme des Amtes gab er die Anweisung, weniger Ressourcen für die Verfolgung von Drogendelikten oder Prostitution zu verwenden und stattdessen stärker schwere Gewaltverbrechen zu verfolgen: "Meine oberste Priorität sind Schusswaffen. Das sage ich seit Jahrzehnten. Ich hatte schon mal eine halbautomatische Waffe am Kopf. Und ich bin auch schon mal beschossen worden. Ihr braucht mir nichts über Schusswaffen erzählen - ich weiß darüber Bescheid." Schon da schlug ihm heftige interne Kritik entgegen, auch innerhalb der Polizei. Und natürlich aus konservativen politischen Kreisen - erst recht nach der Entscheidung, die Ermittlungen gegen Trump wegen der Schweigegeldzahlung an den Pornostar Stormy Daniels voranzutreiben. Für die Republikaner im US-Repräsentantenhaus ist diese "politisch motiviert" und ein "beispielloser Missbrauch" seiner Amtsbefugnisse. Zuletzt warf Trump Bragg vor, er sei ein "Rassist", der "Mörder, Vergewaltiger und Drogendealer frei herumlaufen" lasse. Mitglied der Demokraten Bragg selber erklärte dazu: "Ich verfolge nicht, was gesagt oder gepostet wird. Ich konzentriere mich auf die Arbeit. Wir prüfen Dokumente, wir sprechen mit Zeugen. Klar bekommt man trotzdem die Kommentare mit und was sonst gesagt wird. Aber unser Fokus liegt auf den Beweisen und dem Gesetz." Aber natürlich hat das Amt auch eine politische Dimension. Oberstaatsanwälte wie Bragg werden in den USA gewählt - und der 49-Jährige gehört der Demokratischen Partei an. Und: Staatsanwälte haben einen großen Ermessensspielraum, welche Fälle sie zur Anklage bringen und welche nicht. Straftaten auf Straßen und in Suiten Konfrontiert mit solchen Vorwürfen verweist Bragg gerne auf einen seiner Vorgänger, den legendären Robert Morgenthau, der in seiner 35-jährigen Amtszeit Mafiosi, Politiker, Wall-Street-Banker, Killer und Vergewaltiger anklagte: "Er sagte immer: 'Wir verfolgen Straftaten auf den Straßen und in den Suiten - wir können also gleichzeitig Wirtschaftskriminalität und Gewaltverbrechen bekämpfen.'" Dazu passt, was Morgenthau 2019 kurz vor seinem Tod sagte - auf die Frage, was denn seine größte Furcht sei. Seine Antwort lautete: "Trump." | /ausland/amerika/alvin-bragg-trump-anklage-101.html |
2023-03-31 | Drei gegen Erdogan | Präsidentenwahl in der Türkei | Die Kandidaten für die türkische Präsidentschaftswahl im Mai stehen fest. Drei Oppositionspolitiker fordern Präsident Erdogan heraus. Beste Chancen werden CHP-Chef Kilicdaroglu eingeräumt.
mehr | Die Kandidaten für die türkische Präsidentschaftswahl im Mai stehen fest. Drei Oppositionspolitiker fordern Präsident Erdogan heraus. Beste Chancen werden CHP-Chef Kilicdaroglu eingeräumt. Die türkische Wahlbehörde hat die endgültige Kandidatenliste für die Präsidentschaftswahlen am 14. Mai bekannt gegeben. Präsident Recep Tayyip Erdogan tritt erwartungsgemäß für eine dritte Amtszeit an. Die Opposition hält eine solche Kandidatur für verfassungswidrig. Gegen Erdogan treten drei Herausforderer an: Als wichtigsten Konkurrenten handeln türkische Medien den Chef der größten Oppositionspartei CHP, Kemal Kilicdaroglu, der in einigen Umfragen vor Erdogan liegt. Mit Muharrem Ince ist auch der Erdogan-Herausforderer von 2018 gelistet - er tritt für die Heimatpartei Memleket Partisi an. Kandidat des Wahlbündnisses Ata Ittifaki und dritter Herausforderer ist Sinan Ogan. Welche Chancen hat die Opposition? CHP-Politiker Kilicdaroglu zieht als Spitzenkandidat eines Bündnisses aus sechs Parteien in den Wahlkampf. Laut Umfragen liegt Ince deutlich hinter Erdogan und Kilicdaroglu. Inces Kandidatur löste vor diesem Hintergrund eine Diskussion aus, ob er damit nicht die Opposition spalte und so seinem erklärten Ziel, Erdogan ausscheiden zu lassen, zuwider handle. Ogan, ehemals Mitglied der ultranationalistischen Partei MHP, gilt als Außenseiter. Im ersten Wahlgang muss ein Kandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Geschieht das nicht, gibt es eine Stichwahl zwischen den beiden stärksten Kandidaten zwei Wochen nach dem ersten Wahltermin. Wahlbehörde erlaubt dritte Kandidatur Erdogan darf trotz Protest der Opposition bei den Präsidentschaftswahlen antreten. Die türkische Wahlbehörde lehnte am Donnerstag einen entsprechenden Einspruch der Opposition ab. Erdogans Kandidatur sei mit dem Gesetz vereinbar, hieß es. Mehrere Oppositionsparteien hatten argumentiert, Erdogans Kandidatur sei verfassungswidrig, weil er bereits zwei Mal zum Präsidenten gewählt worden sei. Nach Auffassung der Regierung zählen Erdogans vorherige Amtszeiten nicht, weil man die Wahlen nun via Präsidialdekret anordne. Erdogan ist mit Unmut in Teilen der Bevölkerung konfrontiert. Nach der Erdbebenkatastrophe vom 6. Februar mit mehr als 50.000 Toten wurde heftige Kritik laut. Betroffene klagten über fehlende oder nur schleppende Hilfe bei der Bergung Verschütteter. Die Opposition warf Erdogan "Versagen" vor. | /ausland/asien/tuerkei-erdogan-wahlen-101.html |
2023-03-31 | Beim Geld hört die Einigkeit auf | 49-Euro-Ticket im Bundesrat | Heute berät der Bundesrat abschließend über die Finanzierung des Deutschlandtickets. Grundsätzlich finden alle das Ticket gut. Doch die Mischfinanzierung von Bund und Ländern ist - wieder mal - ein Problem. Von Hans-Joachim Vieweger. | Heute berät der Bundesrat abschließend über die Finanzierung des Deutschlandtickets. Grundsätzlich finden alle das Ticket gut. Doch die Mischfinanzierung von Bund und Ländern ist - wieder mal - ein Problem. Letzte Etappe für das 49-Euro-Ticket vor dem Start am 1. Mai: Der Bundesrat berät heute über das dazu gehörende Finanzierungsgesetz, die Zustimmung der Länderkammer gilt als sicher. Genauso sicher aber ist, dass die Vertreter der Bundesländer weitere Mittel vom Bund anmahnen werden. Ohne zusätzliche Hilfen vom Bund könnte der Preis des Deutschlandtickets - so der offizielle Name - schon bald steigen, so die Sorge. "Gewissermaßen aufgedrängt" Inhaltlich ist man sich einig: Das Deutschlandticket ist eine gute Sache, weil es dem öffentlichen Nahverkehr einen Schub geben soll. Doch beim Geld hört die Einigkeit auf. Die Länder sind weiter unzufrieden, wie bei der letzten Bundesratssitzung länder- und parteiübergreifend zu hören war. "Das muss man schon sagen: Der Beschluss kam ja vom Bund und ist uns gewissermaßen aufgedrängt worden", sagte baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann. "Wer bestellt, zahlt. Derzeit läuft es aber darauf hinaus, dass der Bund bestellt, aber nur einen Teil zu zahlen bereit ist", so Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann von der CDU. Lindner sieht finanzielle Schieflage Sachsen-Anhalts Infrastrukturministerin Lydia Hüskens von der FDP stellte fest: "Es wird erforderlich sein, sicherzustellen dass der Bund sich auch in 2024 und 2025 hälftig an allen finanziellen Nachteilen und Mehraufwendungen, die durch das Deutschlandticket entstehen werden, beteiligt." Mehr Geld vom Bund - das sei die immer gleiche Leier der Länder, heißt es dagegen häufig in Berlin. Und das Bundesfinanzministerium hat in seinem jüngsten Monatsbericht eigens vorgerechnet, dass es bei den Finanzen eine Schieflage zwischen Bund und Ländern gebe. "Früher hatte der Bund das Übergewicht", sagt Bundesfinanzminister Christian Lindner. "Jetzt ist es so, dass die Länder den größeren Anteil am Steuerkuchen haben. Und die Länder schreiben schwarze Zahlen, während der Bund stark im Defizit war." Klare Ansage an die Länder Der FDP-Politiker weist zudem auf die besonderen Belastungen des Bundes hin - insbesondere die Milliardenschulden für die Krisenbekämpfung in Corona-Zeiten, die Sicherung der Energieversorgung und die Ausrüstung der Bundeswehr. "Deshalb ist eine weitere Verlagerung von Mitteln an die Länder nicht mehr realistisch", folgert Lindner. Eine klare Ansage in Richtung der Länder und des Bundesrats, nicht nur in Sachen Deutschlandticket. Der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz, der bis vor wenigen Jahren für die Grünen im Bundestag saß, will das aber so nicht stehen lassen. Schließlich seien von den Folgen der Inflation derzeit gerade die Länder betroffen. "Zum einen sind wir verantwortlich für die Liegenschaften", sagt Bayaz. "Bei mir ganz konkret in Baden-Württemberg reden wir über 8000 Gebäude, die geheizt werden müssen, viele Bauprojekte, bei denen uns die Kosten davonlaufen, aber wir sind eben auch personalintensiv." Mehrausgaben durch Gesetze Und so dürften die erwarteten Tarifsteigerungen für Lehrer, Polizisten oder Justizbeamte die von Personalausgaben geprägten Länderhaushalte deutlich belasten. Mehrausgaben kommen auf die Länder aber auch aufgrund von Gesetzen zu, die der Bund erlassen hat. Zum Beispiel den Anspruch auf Ganztagsbetreuung in Schulen, sagt der CDU-Haushaltspolitiker Christian Haase: "Der Bund ist leider schnell dabei, neue Sozialausgaben, oder beim 49 Euro-Ticket zusätzliche Ausgaben von Kommunen und Ländern zu fordern, die aber nicht auszufinanzieren. Da fordere ich vom Bund Zurückhaltung." Zu viele Mischzuständigkeiten Wissenschaftler mahnen, dass Bund und Länder ihre Finanzen wieder stärker voneinander trennen müssten. Es gebe zu viele Mischzuständigkeiten, sagt zum Beispiel der Ökonom Lars Feld, der auch Finanzminister Lindner berät. Doch just das Deutschlandticket ist ein Beispiel für eben diese Mischfinanzierung. Und dafür, wie viel Streit zwischen Bund und Ländern damit verbunden ist. Anm. der Red.: In einer früheren Version des Artikels hieß es, das Zitat "Das muss man schon sagen: Der Beschluss kam ja vom Bund und ist uns gewissermaßen aufgedrängt worden" stamme von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Tatsächlich ist es vom baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann. | /inland/innenpolitik/deutschlandticket-bund-laender-101.html |
2023-03-31 | London meldet Beitritt zu Freihandelspakt | Pazifik-Bündnis CPTPP | CPTPP ist das größte Handelsabkommen, dem sich Großbritannien seit dem Brexit anschließen will. Noch in diesem Jahr soll der Beitritt bestätigt werden. Wie groß ist der wirtschaftliche Nutzen?
mehr | CPTPP ist das größte Handelsabkommen, dem sich Großbritannien seit dem Brexit anschließen will. Noch in diesem Jahr soll der Beitritt bestätigt werden. Wie groß ist der wirtschaftliche Nutzen? Großbritannien will dem transpazifischen Freihandelsbündnis "Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP)" beitreten und hat nach eigenen Angaben dazu bereits eine Einigung mit den elf Mitgliedsländern erzielt. "Der Beitritt zum CPTPP-Handelspakt stellt das Vereinigte Königreich in den Mittelpunkt einer dynamischen und wachsenden Gruppe pazifischer Volkswirtschaften", erklärte Premierminister Rishi Sunak in der Nacht zum Freitag. Die Aufnahme in den Handelspakt der Pazifikanrainer soll demnach noch in diesem Jahr über die Bühne gehen. Der geplante Beitritt ist das größte Handelsabkommen, dem Großbritannien seit dem Brexit beitreten will, hieß es. "Britische Unternehmen werden jetzt nie dagewesenen Zugang zu Märkten von Europa bis in den Südpazifik haben", sagte der britische Premierminister. Nach Angaben von Sunaks Büro wird die Handelsgruppe nach dem britischen Beitritt mehr als 500 Millionen Menschen und 15 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung umfassen. Handelspakt soll Wirtschaft ankurbeln Für mehr als 99 Prozent der in Großbritannien hergestellten Waren sollen demnach nun beim Export in die CPTPP-Mitgliedsländer keine Zölle mehr fällig werden - darunter Autos, Schokolade, Maschinen und Whisky. Dies könnte die britische Wirtschaft langfristig um 1,8 Milliarden Pfund pro Jahr ankurbeln. Mit dem Beitritt will die britische Regierung einen Teil des Versprechens der Befürworter des EU-Austritts des Landes erfüllen. Diese hatten in den vergangenen Jahren wiederholt erklärt, London könne außerhalb der EU einfacher Freihandelsabkommen mit schneller wachsenden Staaten beitreten. Der Deal zeige die wahren wirtschaftlichen Vorteile "unserer Post-Brexit-Freiheiten", so Sunak. Die CPTPP-Freihandelszone umfasst derzeit elf Mitgliedsstaaten, dazu gehören Australien, Kanada, Chile, Mexiko, Japan, Brunei, Malaysia, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam. Die CPTPP-Vereinbarung war aus der Taufe gehoben worden, nachdem sich die USA unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump aus dem transpazifischen Freihandelsabkommen TPP zurückgezogen hatten. Die elf verbliebenen Mitglieder verhandelten daraufhin neu über das Abkommen und unterzeichneten schließlich 2018 eine reduzierte Variante mit dem Namen CPTPP. Großbritannien hatte den Beitritt im Februar 2021 beantragt. Wie groß ist wirtschaftlicher Nutzen? Mit den meisten der teilnehmenden Staaten hat Großbritannien jedoch bereits bilaterale Freihandelsabkommen vereinbart. Aus Sicht von Kritikern können die daraus erzielten wirtschaftlichen Vorteile daher nur schwerlich die durch den Brexit entstandenen wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen. "Für Großbritannien ist das aus politischer Sicht ein wirklich großer Gewinn, aber andererseits müssen sie auch einen Preis zahlen", sagte dazu Handelsexpertin Minako Morita-Jaeger von der Universität Sussex der Nachrichtenagentur dpa. Zwar jubelte die konservative Zeitung "Telegraph" über einen "wichtigen Post-Brexit-Gewinn". Doch Morita-Jaeger mahnte, die Mitgliedschaft halte einem Vergleich mit der EU nicht stand. Der bilaterale Handel mit der EU ist eingebrochen, seitdem Großbritannien nicht mehr Mitglied des EU-Binnenmarkts und der -Zollunion ist. Grund sind neue bürokratische Vorschriften und Zölle in einigen Branchen. Freihandelsabkommen mit USA in weiter Ferne "Der wirtschaftliche Nutzen wirkt sehr klein. Es handelt sich nicht um das Niveau, das Großbritannien wegen des Austritts aus der EU verloren hat, zumal die Importe aus der EU stark gesunken sind." Vielmehr müsse London vermutlich Zugeständnisse machen wie es bereits bei den Freihandelsabkommen mit Australien und Neuseeland war, sagte die Expertin. Diese Verträge wurden von britischen Landwirten scharf kritisiert, weil etwa der Import von Lammfleisch deutlich erleichtert wurde. Nicht zu den Vertragsstaaten gehören die USA. Die Vereinigten Staaten waren einst unter Ex-Präsident Barack Obama die treibende Kraft hinter dem damals als TPP bezeichneten Handelsabkommen, das als Gegengewicht zur wirtschaftlichen Macht Chinas etabliert werden sollte. Obamas Nachfolger Trump hatte jedoch kein Interesse daran und beendete die Gespräche. Auch der aktuelle US-Präsident Joe Biden zeigte bisher kein Interesse, dem Abkommen beizutreten. Sollten die USA sich doch noch anders entscheiden, würde die Freihandelszone erheblich an Bedeutung gewinnen. | /wirtschaft/grossbritannien-cptpp-transpazifisches-handelsabkommen-101.html |
2023-03-31 | Wie die Games-Branche stärken? | "Ideenimport" | Für Länder wie Kanada oder Polen ist die Games-Branche ein starker Wirtschaftszweig. Deutschland könnte da noch einiges lernen. Der "Ideenimport"-Podcast sucht im Ausland nach Ideen und möglichen Vorbildern.
mehr | Für Länder wie Kanada oder Polen ist die Games-Branche ein starker Wirtschaftszweig. Deutschland könnte da noch einiges lernen. Der "Ideenimport"-Podcast sucht im Ausland nach Ideen und möglichen Vorbildern. Computerspiele sind aus der Sicht vieler ein zentraler Bestandteil des Alltags und die Gamer sind nicht mehr nur nerdige Kellerkinder. Ein großer Teil der Gesellschaft weltweit spielt mittlerweile an der Konsole, dem PC oder am Handy. Laut einer Erhebung aus der Branche von 2021 gibt es weltweit um die 2,7 Milliarden Spieler. Tendenz steigend. Über die Hälfte davon sollen Frauen sein. Die Gaming-Industrie dürfte mittlerweile weit über 300 Milliarden US-Dollar schwer sein. Zahl der deutschen Entwickler-Studios gewachsen Von diesem Kuchen möchte auch Deutschland etwas abhaben. Schon die große Koalition hatte 2019 ein erstes bundesweites Förderprogramm auf den Weg gebracht. Damals waren 50 Millionen Euro pro Jahr eingeplant worden. Und auch im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung steht: "Wir wollen den Games-Standort stärken und die Förderung verstetigen". Die Förderung zeigt erste Wirkung: Die Zahl der Entwicklerstudios in Deutschland wuchs innerhalb von zwei Jahren um 26 Prozent, gab der deutsche Games-Verband bekannt. Und doch dürfte es noch einige Zeit dauern, bis Deutschland auf dem Weltmarkt mithalten kann. Kultur-Vermittlung durch Games in Polen Andere Länder stärken ihre Games-Branche schon seit Jahrzehnten. In Polen begann die staatliche Förderung bereits kurz nach dem Zerfall der Sowjetunion. Mittlerweile haben sich in dem Nachbarland Entwicklerstudios etabliert, die weltweite Blockbuster-Spiele produzieren. Allen voran CD Project, das in den vergangenen Jahren große Erfolge mit Titeln wie dem Fantasy-Spiel "The Witcher" oder dem dystopischen Spiel "Cyperpunk 2077" feiern konnte. Die polnische Regierung und Gesellschaft schätzen und fördern ihre Spieleindustrie. Dabei gibt es neben der rein wirtschaftlichen Förderung auch Gelder aus dem Kulturtopf für Spiele, die die polnische Kultur und Lebensweise darstellen. So auch "The Witcher", das auf einer polnischen Buchreihe beruht. Andere polnische Computerspiele haben es sogar in den Bildungskanon geschafft. So etwa das kriegskritische Spiel "This war of mine". Breite Ausbildung gegen den Fachkräftemangel in Kanada Kanada hat die drittgrößte Gaming-Industrie weltweit. Große Konzerne aus aller Welt gründen Firmensitze in dem nordamerikanischen Land. Denn Kanada hat schon vor Jahren neben Förderprogrammen auch Steuererleichterungen für die Gaming-Industrie eingeführt. Das stärkt den Markt: Seit 2019 ist die Videospiel-Industrie um 23 Prozent gewachsen. Darüber hinaus wurde viel Geld und Energie in die Ausbildung der dringend benötigten Fachkräfte gesteckt. Allein in der Provinz Ontario machen an fast 50 Hochschulen jedes Jahr rund 3000 Studierende ihren Abschluss in dem Bereich Spieleentwicklung. Dabei umfasst die Ausbildung Fächer von Informatik, über Animation bis hin zu Geschichte. Viele Studierende werden von Firmen noch während ihres Studiums abgeworben. Trotz der zahlreichen Ausbildungsplätze und ausgebildeter Fachkräfte ist der Arbeitsmarkt bislang nicht gesättigt. Ganz im Gegenteil: Die kanadische Regierung versucht sogar, noch weitere Fachkräfte aus dem Ausland anzulocken. Ideensuche im tagesschau-Podcast Für viele Fragen, die im Alltag immer wieder aufkommen, gibt es irgendwo auf der Welt garantiert schon gute Ideen, mögliche Vorbilder und Lösungsansätze: Wie besser mit stark steigenden Energiepreisen umgehen? Was tun, um sich gesünder zu ernähren? Warum leben Menschen in anderen Ländern teils länger? Der Auslandspodcast der tagesschau sucht und findet sie - zusammen mit den Korrespondentinnen und Korrespondenten in den 30 Auslandsstudios der ARD. Ideenimport will den Blick über den sprichwörtlichen Tellerrand weiten und mit frischen Ideen für neuen Input in politischen und gesellschaftlichen Debatten sorgen. Ideenimport erscheint jeden zweiten Freitag. Sie können den Podcast jederzeit zu Hause oder unterwegs auf Ihrem Smartphone hören - jeden zweiten Freitagmorgen finden Sie eine neue Folge auf unserer Webseite, in der ARD-Audiothek und auf zahlreichen weiteren Podcast-Plattformen. | /ausland/ideenimport-gaming-101.html |
2023-03-31 | Zahl der Arbeitslosen leicht gesunken | Schwache Konjunktur | Die übliche Frühjahrsbelebung fällt schwächer aus als erwartet: Die Arbeitslosigkeit in Deutschland sinkt - aber nur sehr verhalten. Die schwache Konjunktur hinterlässt Spuren auf dem Arbeitsmarkt.
mehr | Die übliche Frühjahrsbelebung fällt schwächer aus als erwartet: Die Arbeitslosigkeit in Deutschland sinkt - aber nur sehr verhalten. Die schwache Konjunktur hinterlässt Spuren auf dem Arbeitsmarkt. Die flaue Konjunktur hat die übliche Frühjahrsbelebung auf dem deutschen Arbeitsmarkt gebremst. Entsprechend sank die Zahl der Arbeitssuchenden in Deutschland im Monat März nur leicht um 26.000 auf etwa 2,6 Millionen Menschen. Verglichen mit dem März 2022 ist die Zahl der Arbeitslosen aber aktuell um 232.000 höher, wie die Bundesagentur für Arbeit mitteilte. Die Arbeitslosenquote blieb gegenüber dem Februar stabil, liegt aber mit 5,7 Prozent um 0,6 Punkte über dem Vorjahresmonat. Für die aktuelle Monatsstatistik hat die Bundesagentur Datenmaterial bis zum 13. März ausgewertet. "Die Frühjahrsbelebung setzt nur verhalten ein", sagte die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur, Andrea Nahles. Die schwache Konjunktur hinterlasse Spuren. Selbst ohne Berücksichtigung der ukrainischen Geflüchteten in der Statistik wäre die Arbeitslosigkeit im Jahresvergleich gestiegen, so die Bundesagentur. Keine Zunahme bei der Kurzarbeit Die Kurzarbeit hat sich den Angaben zufolge jedoch nicht erhöht. Zwischen dem 1. und dem 27. März hätten Unternehmen für 50.000 Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet. Wie viel davon in Anspruch genommen wird, ist noch nicht bekannt. Die frischesten Daten zur tatsächlichen Inanspruchnahme stammen aus dem Januar. In diesem Monat wurde für 140.000 Menschen konjunkturelles Kurzarbeitergeld gezahlt. Weiterhin auf sehr hohem Niveau bewegt sich die Zahl der Beschäftigten. Im Februar seien 45,6 Millionen Erwerbstätige gezählt worden, 423.000 mehr als im Februar 2022 und 31.000 mehr als im Januar dieses Jahres. Die Nachfrage nach Arbeitskräften ging aber zuletzt etwas zurück. Im März waren bei der Bundesagentur 777.000 offene Stellen gemeldet, 62.000 weniger als vor einem Jahr. | /wirtschaft/arbeitsmarkt-maerz-101.html |
2023-03-31 | Die Ersten ihrer Art | Neue Berufsbilder | Prompt Engineer oder Elektroniker für Gebäudesystemintegration: Im Zuge der Digitalisierung verschwinden und verändern sich Berufe, aber es entstehen auch völlig neue. Von Susanna Zdrzalek. | Prompt Engineer oder Elektroniker für Gebäudesystemintegration: Im Zuge der Digitalisierung verschwinden und verändern sich Berufe, aber es entstehen auch völlig neue. Benjamin Jathe ist einer der ersten seiner Art. Der 35-Jährige hat Agrarwissenschaften studiert und dachte, er mache mal was mit Landwirtschaft. Stattdessen arbeitet er heute im IT-Bereich, als "Head of Service Process Management" beim Landmaschinen-Hersteller Claas in Harsewinkel, Nordrhein-Westfalen. Jathe sorgt mit seinem Team dafür, dass der Kundenservice für die durchtechnisierten Mähdrescher von heute digitaler und effizienter wird. Jobprofile im Wandel "2007, als ich mit dem Studium angefangen habe, war die Landwirtschaft noch sehr analog unterwegs. Es gab erste smarte Farmen, aber eher in den USA", sagt Jathe. Das ist heute anders. Jathes Arbeitgeber Claas produziert nicht nur Landmaschinen wie Mähdrescher; das Unternehmen entwickelt auch die Software für die Fahrzeuge und hat weltweit Kooperationswerkstätten mit Mechanikern, die die Maschinen warten. Viele der Betriebe seien aus alten Dorfschmieden entstanden, berichtet Jathe. Dorfschmieden, aus denen über die Jahrzehnte spezialisierte Werkstätten geworden seien, mit Mechanikern, die heute Laptops nutzen, um komplexe Diagnosen an Elektronikbauteilen durchzuführen, auch von weit weg. Statt auf Papier dokumentieren sie ihre geleistete Arbeit über eine Diktierfunktion direkt ins Smartphone. Und die Entwicklung des Berufs geht noch weiter, so Jathe: "Wir haben in der Vergangenheit bereits mit Projekten im Bereich Augmented Reality gearbeitet, wo beispielsweise über eine Brille ein virtuelles Bild erstellt wird, über das der Mechaniker oder die Mechanikerin quasi in die Maschine hineingucken kann." Neue Berufe durch neue Technologien Die Entwicklung des Jobprofils von Mähdrescher-Mechanikern ist beispielhaft dafür, wie Berufe sich verändern und neue entstehen, sagt Michael Böhm, Professor für empirische Wirtschaftsforschung an der TU Dortmund, der zur Zukunft der Arbeit forscht. Er beobachtet zwei Kräfte, die den Wandel antreiben: zum einen die Automatisierung, die menschliche Tätigkeiten ganz oder teilweise durch Maschinen ersetzt, sei es in der Produktion oder im Büro. Zum anderen die sogenannte Augmentation, die Arbeitskräfte mithilfe von Software unterstützen und Prozesse effizienter machen soll. "Nehmen wir das Beispiel smarter Gebäude, die durch IT intelligent gemacht werden, damit sie zum Beispiel selbst die Raumtemperatur regulieren: Um die kümmert sich jetzt der Elektroniker für Gebäudesystemintegration." Es ist einer der neuesten Berufe in Deutschland. Seit 2021 gibt es die Ausbildung. KI nutzbar machen Auch die neuen Möglichkeiten im Bereich künstliche Intelligenz - kurz KI - sorgen dafür, dass neue Jobprofile entstehen. Die Hamburger Designagentur und Markenberatung Mutabor zum Beispiel hat vor kurzem eine Stelle als Prompt Engineer ausgeschrieben. Den Beruf beschreibt Mutabor-Geschäftsführer Christian Breid so: "Ein Prompt Engineer ist jemand, der die KI für unser Unternehmen nutzbar macht. Er trainiert sie, um für uns effiziente Ergebnisse rauszubekommen." Mutabor hat dabei vor allem repetitive Arbeiten im Blick. Ziel sei aber auch, über gut ausgebildete Mitarbeitende Unternehmen besser beim Einsatz von KI zu beraten. Außerdem wolle das Unternehmen die KI nutzen, um selbst schneller gute Ergebnisse zu bekommen, beispielsweise bei einer Unternehmensanalyse oder um den kreativen Prozess zu unterstützen. "Das Berufsbild Prompt Engineer ist gerade im Kommen und noch nicht so richtig definiert. Am Anfang kam es eher aus der Tech-Szene, aber eigentlich können viele Menschen diesen Job machen, auch Designer", sagt Breid. Er ist überzeugt, dass der Umgang mit KI in Zukunft in vielen Berufen zum normalen Arbeitsalltag dazugehören wird, so wie E-Mails oder die Recherche in einer Internet-Suchmaschine. Nicht alle neuen Jobs sind digital Doch auch fernab der Digitalisierung entstehen neue Berufe, wenn es dafür einen Markt gibt, sagt der Arbeitsweltforscher Michael Böhm. "In New York gibt es das Jobprofil des 'Dog Walkers', also des Hundeausführers. Denn dort gibt es einen Markt dafür." Andere Berufe dagegen verschwänden zunehmen, wie die des Nähers oder der Näherin, weil der Markt dafür sich in andere Länder verlagert hat oder Maschinen den Job übernehmen. Droht dies vielen weiteren Berufen, wenn die KI immer besser wird? "Dazu gibt es viele Spekulationen, aber auch handfeste Studien, und die sagen, dass in 80 Prozent der Jobs etwa zehn Prozent der Aufgaben ersetzt werden könnten, da bleibt also noch etwas zu tun", so Böhm. Recherchen bei Juristen beispielsweise seien inzwischen häufig automatisiert; dafür bleibe mehr Zeit für den persönlichen Kontakt zu den Klienten. Bei Claas in Harsewinkel stellen sie fest, dass die Möglichkeiten, die die Digitalisierung heute bietet, auch begrenzt sein können. Bei Tests mit einer sogenannten AR-Brille hätten die Mechaniker festgestellt, dass sie ohne zwischengeschaltete digitale Ebene deutlich besser und präziser reparieren können als mit. | /wirtschaft/unternehmen/arbeitsmarkt-neue-berufe-101.html |
2023-03-31 | Italien sperrt ChatGPT | Künstliche Intelligenz | Italiens Datenschutzbehörde hat den KI-basierten Chatbot ChatGPT vorerst sperren lassen. Als Grund nannte sie Verstöße gegen den Daten- und Jugendschutz. Den Entwicklern der Software droht im Zweifel eine Millionenstrafe.
mehr | Italiens Datenschutzbehörde hat den KI-basierten Chatbot ChatGPT vorerst sperren lassen. Als Grund nannte sie Verstöße gegen den Daten- und Jugendschutz. Den Entwicklern der Software droht im Zweifel eine Millionenstrafe. Die italienische Datenschutzbehörde zieht dem Chatbot ChatGPT vorerst den Stecker. Die Software des amerikanischen Entwicklers OpenAI dürfe die Daten italienischer Internetnutzer "mit sofortiger Wirkung" nur noch eingeschränkt verarbeiten, heißt es in einer Stellungnahme. Das Textverarbeitungsprogramm habe Datenschutz- und Jugendschutzregeln nicht eingehalten. Es wurden Ermittlungen eingeleitet. Die Software ChatGPT verarbeitet Texteingaben mithilfe künstlicher Intelligenz (KI). Nutzerinnen und Nutzer können mit dem Programm wie mit einer realen Person eine Unterhaltung führen, Fragen stellen oder Befehle eingeben. Für die Bearbeitung greift ChatGPT auf riesige Datensätze aus dem Internet zurück und setzt diese eigenständig in einen passenden Kontext. Rechtliche Grundlage für Datenspeicherung fehlt OpenAI sei es mit sofortiger Wirkung verboten worden, Nutzerdaten aus Italien zu verarbeiten, so die Datenschutzbehörde. Sie kritisiert insbesondere, dass OpenAI keine Rechtsgrundlage für das massenhafte Sammeln und Speichern personenbezogener Daten habe. Die Datenschützer werfen dem Start-up vor, seinen Nutzern nicht mitzuteilen, welche Informationen von ihnen gespeichert werden. Darüber hinaus gebe es keine adäquaten Filter oder Sperren für Kinder unter 13 Jahren, die laut Geschäftsbedingungen die Software ChatGPT nicht nutzen dürften. Das US-Unternehmen solle nun "innerhalb von 20 Tagen über ergriffene Maßnahmen informieren", erklärte die Behörde weiter. Andernfalls drohe "eine Strafe von bis zu 20 Millionen Euro oder bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes“. KI besorgt Experten ChatGPT ist eines der erfolgreichsten KI-basierten Programme auf dem Markt. Nach der anfänglichen Euphorie über diese neue Technologie warnen Fachleute immer öfter auch vor möglichen Gefahren. Mehr als 1000 Experten aus Technik und Forschung - unter ihnen auch Elon Musk - forderten bereits eine Entwicklungspause für neue KI-Modelle, bis man Sicherheitsstandards etabliert habe. Die Polizeibehörde Europol erklärte ihrerseits, Kriminelle und Betrüger könnten sich die Anwendungen zunutze machen. Chatbots könnten zum Beispiel Informationen geben, "wie man in ein Haus einbricht, bis hin zu Terrorismus, Cyberkriminalität und sexuellem Missbrauch von Kindern." Eine unabhängige Kontrollinstanz oder konkrete staatliche Regelungen gibt es bisher nicht. | /ausland/europa/italien-chatgpt-ki-101.html |
2023-03-31 | Russische Cyberexperten bei europäischen Firmen | Berichte über Hackergruppe | Laut Medienberichten arbeiten mehrere russische Cyberexperten bei europäischen Firmen, darunter auch Siemens. Das Brisante: Sie sollen vorher bei einer russischen Firma gearbeitet haben, die offenbar für Geheimdienste Hackerangriffe vorbereitete.
mehr | Laut Medienberichten arbeiten mehrere russische Cyberexperten bei europäischen Firmen, darunter auch Siemens. Das Brisante: Sie sollen vorher bei einer russischen Firma gearbeitet haben, die offenbar für Geheimdienste Hackerangriffe vorbereitete. Mehrere Medien berichten über potenzielle Sicherheitslücken in großen europäischen Konzernen. Laut "Spiegel" sollen etwa bei Siemens oder Amazon Web Services Cyberexperten angestellt sein, die vorher bei der russischen IT-Firma NTC Vulkan gearbeitet haben sollen. Ex-Firma mit Verbindungen zu Geheimdiensten Das Unternehmen soll enge Verbindungen zu den drei großen russischen Geheimdiensten FSB, GRU und SWR haben. Wie die Medien in den sogenannten "Vulkan Files" berichten, stellte die Firma für die Dienste unter anderem offensive Cyberprogramme her, die Angriffe auf Einrichtungen der kritischen Infrastruktur zum Ziel haben. Konkret ist offenbar ein Ex-Chefentwickler von NTC Vulkan als "Senior Software Development Engineer" bei Amazon Web Services (AWS) in Dublin tätig. AWS ist einer der weltgrößten Anbieter von Cloud Computing, zu dessen Kunden etwa die NASA, die US-Marine und viele DAX-Unternehmen zählen. Eine Ex-Mitarbeiterin von Vulkan ist bei Siemens in München tätig. Frühere Vulkan-Leute heuerten auch bei den Reiseportalen Booking.com und Trivago an. Siemens antwortete auf eine Anfrage des "Spiegel", man nehme das Thema ernst, könne aber aus Datenschutzgründen nichts zu einzelnen Mitarbeitern sagen. Angriffe auf kritische Infrastruktur Einem internationalen Journalistenteam wurden geleakte Dokumenten des russischen Sicherheitsapparats zugespielt. Demnach entwickelt NTC Vulkan Software für alle drei großen russischen Dienste FSB, GRU und SWR, die zur Sabotage dienen soll. Aus Projektplänen, Softwarebeschreibungen, Anleitungen, internen E-Mails sowie Überweisungsunterlagen der Firma geht hervor, wie russische Geheimdienste mit Hilfe privater Firmen weltweite Hacking-Operationen planen und ausführen lassen. Mehrere westliche Nachrichtendienste hätten dem internationalen Rechercheteam bestätigt, dass die Dokumente authentisch seien. So werde etwa das offensive Cyberprogramm unter dem Codenamen "Amezit" beschrieben, das auch Angriffe auf Einrichtungen der kritischen Infrastruktur ermöglichen soll, so der "Spiegel". Zu den Zielen des Programms gehöre den Unterlagen zufolge, mit spezieller Software Züge entgleisen zu lassen oder Computer eines Flughafens lahmzulegen. Es sei aber nicht ersichtlich, ob das Programm derzeit etwa gegen die Ukraine eingesetzt werde. Wie der "Spiegel" schreibt, sollen Analysten von Google bereits vor Jahren eine Verbindung zwischen NTC Vulkan und der Hackergruppe "Cozy Bear" entdeckt haben. "Cozy Bear" drang in der Vergangenheit in Systeme des US-Verteidigungsministeriums ein. | /ausland/europa/cyberkrieg-russland-datenleak-103.html |
2023-03-31 | "Die Politik muss Haltung zeigen" | Sichtbarkeit von trans Menschen | Die Angriffe auf trans Menschen in Deutschland nehmen zu. In den Medien werden sie noch immer nicht ohne Stereotype dargestellt, sagt die Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer im Interview mit tagesschau.de. | Die Angriffe auf trans Menschen in Deutschland nehmen zu. In den Medien werden sie noch immer nicht ohne Stereotype dargestellt, sagt die Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer im Interview mit tagesschau.de. tagesschau.de: Seit 2009 findet jedes Jahr am 31. März der Internationale Tag der Sichtbarkeit von trans Menschen statt. Sie stehen als Bundestagsabgeordnete besonders in der Öffentlichkeit. Wie erleben Sie das Klima für trans Menschen in Deutschland? Tessa Ganserer: Es geht hier nicht um mich, sondern es geht darum, dass wir an den Statistiken sehen, dass wir seit einigen Jahren eine deutliche Zunahme von transfeindlicher Gewalt in Deutschland zu verzeichnen haben. Und es gibt eine ganze Reihe von Studien, die deutlich machen, dass transgeschlechtliche Menschen noch in allen Lebensbereichen massiv von Diskriminierung betroffen sind. tagesschau.de: Wie erklären Sie sich diesen Anstieg der Diskriminierung und der Anfeindungen? Ganserer: Wir erleben momentan eine Gleichzeitigkeit. In den letzten Jahren hat die Sichtbarkeit von transgeschlechtlichen Menschen deutlich zugenommen, auch eine erhöhte Sichtbarkeit in den Medien. Sehr häufig ist die Darstellung immer noch sehr stereotyp. Es wird viel zu wenig über die wirklichen Probleme und die Diskriminierung von transgeschlechtlichen Menschen berichtet. Und diese Sichtbarkeit macht uns natürlich auch angreifbar. Wir beobachten gleichzeitig in den letzten Jahren deutliche Zunahme von transfeindlichen Narrativen und von Hate Speech in den sozialen Medien. So wie es aussieht, schlägt das auch immer wieder in das reale Leben über. Und deswegen müssen wir transfeindliche Hasskommentare auch in den sozialen Medien ganz entschieden sanktionieren. "An diesem Gesetz kleben Blut und Tränen" tagesschau.de: Die Ampelkoalition plant ein Selbstbestimmungsgesetz. Nach Medienberichten geht es unter anderem darum, dass man den Vornamen und auch den Geschlechtseintrag, zum Beispiel im Pass, leichter verändern kann. Bisher sind dafür zwei psychologische Gutachten notwendig. Wie schätzen Sie dieses Gesetzesvorhaben ein? Ganserer: Vorab ist festzuhalten, dass das bisherige sogenannte Transsexuellengesetz aus den 1980er-Jahren für so viel Leid gesorgt hat. An diesem Gesetz kleben Blut und Tränen. Und es wurde mittlerweile in sechs Einzelurteilen vom Bundesverfassungsgericht für in Teilen grundgesetzwidrig erklärt. Das letzte Urteil ist aus dem Jahr 2011. Bis dahin wurden transgeschlechtliche Menschen zwangssterilisiert und mussten sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterziehen, damit sie ihren amtlichen Personenstand ändern konnten. Das ist seitdem nicht mehr anwendbar, weil es einen grundgesetzwidrigen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellt. Geblieben ist die Zwangsbegutachtung, die Psychopathologisierung. Es ist so überfällig, dass wir in Deutschland jetzt endlich nachholen, was viele EU-Mitgliedstaaten in den letzten Jahren bereits umgesetzt haben. Auch der Europarat fordert seit 2015, dass die Mitgliedstaaten diese Zwangsbegutachtungen abschaffen. tagesschau.de: Was braucht es aus Ihrer Sicht denn noch für politische Änderungen, damit es für trans Menschen in Deutschland einfacher wird? Ganserer: Wir haben auf jeden Fall auch noch eine völlig unzureichende medizinische Versorgung. Im Gesundheitsbereich haben wir strukturelle Diskriminierungen. Transgeschlechtlichen Menschen wird der Zugang zu medizinisch notwendigen Maßnahmen erschwert bis unmöglich gemacht. Deswegen wollen wir hier auch den Rechtsanspruch von transgeschlechtlichen Menschen im Gesundheitssystem verbessern und den Rechtsanspruch auf medizinische Maßnahmen im Sozialgesetzbuch verankern. "Menschen mit Anstand und Respekt begegnen" tagesschau.de: Welche gesellschaftlichen Veränderungen wünschen Sie sich für die Zukunft? Ganserer: Wir können und müssen als Politik die Diskriminierungen und die Benachteiligungen im Recht abschaffen. Wir können aber auch mit noch so schönen Debatten im Bundestag Ablehnung, Vorurteile und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nicht allein aus der Welt schaffen. Dafür ist die Gesellschaft insgesamt verantwortlich, dass wir anderen Menschen mit Anstand und Respekt begegnen. Dass wir uns alle für ein gutes gesellschaftliches und diskriminierungsfreies Miteinander einsetzen. Die Politik muss natürlich Haltung zeigen und mit gutem Vorbild vorangehen. Mit dem Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt werden wir Akzeptanz fördernde Maßnahmen in der Gesellschaft deutlich unterstützen. Und dort, wo fehlende Akzeptanz in Benachteiligungen, in Ausgrenzung oder sogar in Hassgewalt umschlägt, müssen wir uns als Rechtsstaat, als Gesellschaft schützen. tagesschau.de: Und wenn Sie noch mal etwas weiter in die Zukunft blicken, was wünschen Sie sich dann für zukünftige Generationen? Ganserer: Ich würde mir eine zukünftige Gesellschaft wünschen, in der keine transgeschlechtliche Person mehr Angst vor dem Coming Out haben muss. In der sie stolz ist und weiß, dass sie richtig so ist, wie sie ist, und auch akzeptiert wird. Dass kein Mensch wegen gruppenbezogenen Merkmalen, wegen seiner Transgeschlechtlichkeit in dieser Gesellschaft Häme, Spott, Ausgrenzung oder sogar Gewalt erleben muss. Das Interview führte Belinda Grasnick für tagesschau24. Es wurde für die schriftliche Version angepasst. | /inland/gesellschaft/tessa-ganserer-103.html |
2023-03-31 | Tausende demonstrieren für Justizreform | Israel | Nach wochenlangen Protesten gegen die umstrittene Justizreform haben in Israel nun auch Befürworter der Pläne demonstriert. Rechte Organisationen hatten dazu aufgerufen. Berichten zufolge gab es auch Aufrufe zu Gewalt gegen Journalisten.
mehr | Nach wochenlangen Protesten gegen die umstrittene Justizreform haben in Israel nun auch Befürworter der Pläne demonstriert. Rechte Organisationen hatten dazu aufgerufen. Berichten zufolge gab es auch Aufrufe zu Gewalt gegen Journalisten. In Israel haben Tausende Befürworter der umstrittenen Justizreform demonstriert. "Das Volk verlangt eine Justizreform", skandierten die Menschen, die nach Tel Aviv gekommen waren, um die Pläne des Kabinetts von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu zu unterstützen. Berichten zufolge blockierten die Befürworter wie zuvor bereits die Gegner des Vorhabens die Ajalon-Autobahn in der Stadt. Dem Sender Channel 12 zufolge zogen rund 30.000 Demonstranten durch die Innenstadt. Laut der Zeitung "Haaretz" durchbrachen einige von ihnen Absperrungen der Polizei und gerieten mit Sicherheitskräften aneinander. Einige hätten Feuerwerkskörper gezündet. Mehrere rechte Organisationen hatten zu dem Protest aufgerufen. Laut Medienberichten zirkulierten dabei vorab auch Aufrufe zu Gewalt gegen Journalisten. Diese müssten "fertig gemacht" werden, zitierte "Haaretz" aus Nachrichten, die Teilnehmer vorab in Gruppen-Chats ausgetauscht haben sollen. Am Abend wurden Journalisten vor Ort mit lauten Sprechchören, Klatschen und Tröten teilweise davon abgehalten, ihre Berichte vor der Kamera abzusetzen. Seit Wochen Massenproteste gegen Reform Netanyahus rechts-religiöse Koalition will mit der Justizreform den Einfluss des Höchsten Gerichts beschneiden und die Machtposition der Regierung ausbauen. Sie wirft dem Höchsten Gericht übermäßige Einmischung in politische Entscheidungen vor. Dem Parlament soll es künftig möglich sein, mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufzuheben. Kritiker sehen die Gewaltenteilung in Gefahr und warnen vor einer Staatskrise, sollte die Reform so umgesetzt werden. In den vergangenen Wochen hatte es immer wieder Massenproteste gegen die Reform gegeben. Dabei hatten Zehntausende in Tel Aviv und anderen Städten gegen den Kurs der Regierung protestiert. Wegen der massiven Proteste hatte Netanyahu seine Pläne für die Justizreform am Montag pausiert, um im Dialog mit den Gegnern nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen. Erste Gespräche finden seit Dienstag unter Vermittlung von Präsident Izchak Herzog statt. Mehrere politische Kommentatoren und Oppositionspolitiker äußerten sich jedoch skeptisch zu den Erfolgsaussichten von Herzogs Vermittlungsversuchen. | /ausland/israel-demo-justizreform-101.html |
2023-03-31 | KI-generierte Desinformation auf dem Vormarsch | Falsche Bilder, Videos und Texte | Russlands Präsident Putin, der vor Chinas Staatschef Xi auf die Knie geht, oder Ex-US-Präsident Trump, der verhaftet wird: KI-generierte Bilder haben viel Aufmerksamkeit erregt. Aber woran sind sie zu erkennen?
mehr | Russlands Präsident Putin, der vor Chinas Staatschef Xi auf die Knie geht, oder Ex-US-Präsident Trump, der verhaftet wird: KI-generierte Bilder haben viel Aufmerksamkeit erregt. Aber woran sind sie zu erkennen? Ein Bild sagt mehr als Tausend Worte, heißt es in einer deutschen Redewendung. Und das passte sehr gut zu einem Bild, das vergangene Woche in den Sozialen Netzwerken verbreitet wurde: Russlands Präsident Wladimir Putin, der vor Chinas Staatschef Xi Jinping auf die Knie geht, um sich für seine Unterstützung zu bedanken. Das Bild hat Symbolcharakter: Der vom Westen ausgestoßene Putin, der sich offenbar verzweifelt dem chinesischen Präsidenten anbiedert. Doch diese Szene hat es in der Realität nie gegeben. Hi, I'm a tech reporter that covers China, cybersecurity, & new media. Hundreds of people are sharing this photo of Xi Jinping & Vladimir Putin as they meet at the Kremlin. The two did meet, but it's highly likely this photo was generated by an AI program. Here's why: 🧵 https://t.co/6xqsDLxiMa Bei dem Foto handelt es sich um ein von Künstlicher Intelligenz (KI) generiertes Bild, wie unter anderem die Journalistin Amanda Florian auf Twitter schreibt. Bei genauem Hinsehen ist zu erkennen: Details wie Ohren und Hände der abgebildeten Menschen sind deformiert. Auch ein Schuh von Putin ist etwas stark gebogen und im Verhältnis auffallend groß. Obendrein passt der Raum nicht mit den Bildern der Fotoagenturen zusammen, die es von dem Treffen der beiden Staatschefs gibt. Politische Aussagen durch Fake-Fotos Der vermeintliche Kniefall Putins ist nicht das einzige KI-generierte Bild, das politische Aussagen vermittelt. Auch der stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Norbert Kleinwächter verbreitete auf Instagram ein künstlich erzeugtes Bild von aggressiv wirkenden Männern mit dunklen Augen und dunklen Haaren, um seine Botschaft "Nein zu noch mehr Flüchtlingen" zu untermauern. Auch hier sind durch die KI Bildfehler entstanden: So sehen einige Gesichter deformiert aus, zudem haben alle Menschen einen offenen Mund und eine Person ganz vorne im Bild einen Finger zu viel. Die Darstellung der Männer sei so generiert worden, um bei vorhanden Vorurteilen der Bevölkerung gegenüber Menschen mit Fluchtgeschichte anzusetzen und bewusst Angst und Hetze zu schüren, sagt Nathalie Rücker, Bildungsreferentin am Institute for Strategic Dialogue Germany (ISD). "Die AfD nutzt auf ihren Social-Media-Kanälen häufig fiktive oder aus dem Kontext gerissene Bilder, um Stimmung gegen unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen zu machen, die als Sündenböcke für Ängste dienen sollen." 2018 hatte die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative in Essen beispielsweise ein Bild aus einer Serie verwendet und es in einen falschen Kontext gesetzt, um gegen Geflüchtete zu hetzen, ohne den Kontext des Bildes kenntlich zu machen. Auch bei Kleinwächters Foto ist nicht erkenntlich, dass es keine reale Situation zeigt. Kleinwächter schreibt dem ARD-faktenfinder dazu: "Die von uns genutzten Motive sind optisch klar als künstlerische Illustrationen erkennbar. Eine Kennzeichnung erübrigt sich somit." Weiter schreibt er, die Motive würden dazu dienen, aktuelle Ereignisse für jeden wiedererkennbar zu illustrieren. Von Fake könne keine Rede sein. Er nutze KI-generierte Bilder, "um keine Bild- oder Persönlichkeitsrechte zu verletzen" und wolle für den Kauf ähnlicher Motive oder Agenturfotos keine Steuergelder ausgeben. "Keine Revolution, sondern Evolution" Nach Ansicht von Experten hat die Verwendung von KI-generierten Bildern auch zu Desinformationszwecken zugenommen. "Es ist zum Teil sehr gefährlich, wie und wo sie verwendet werden", sagt Andreas Dengel, Geschäftsführender Direktor des Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Die Fortschritte, die in diesem Bereich in den vergangenen Jahren gemacht wurden, seien "keine Revolution mehr, sondern eine Evolution". Hervorragende kostspielige Software gebe es schon länger, nun würde Gratis-Software jedoch auch immer besser, weshalb das Phänomen nun auch für die Masse an Popularität gewinne. Auch Rücker vom ISD sieht insgesamt eine Zunahme KI-generierter Bilder, vor allem seit der Covid-Pandemie und dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. "Bilder lösen Emotionen in uns aus und setzen an unseren eigenen Erfahrungen und somit auch Bias an", sagt sie. Das würden sich einige Akteure zu Nutze machen wollen, indem sie versuchten, mit ihren KI-generierten Bildern oder Videos Ängste und Sorgen zu schüren. Rücker betont jedoch auch, dass das Konzept hinter manipulierten Bildern nicht erst seit dem Einsatz von KI bestehe. KI-generierte Bilder von Trumps Verhaftung Um aufzuzeigen, was die Stärken und Schwächen KI-generierter Bilder sind, hat Eliot Higgins, Gründer des Recherchenetzwerks Bellingcat, Bilder von einer Verhaftung des Ex-US-Präsidenten Donald Trump mithilfe von KI anfertigen lassen. Trump hatte zuvor angekündigt, dass er davon ausgehe, am 20. März verhaftet zu werden. So twitterte Higgins: "Bilder von Trumps Verhaftung erstellen, während man auf Trumps Verhaftung wartet." Making pictures of Trump getting arrested while waiting for Trump's arrest. https://t.co/4D2QQfUpLZ Mit der Visualisierung durch KI-generierten Bildern erfand Higgins nicht nur die Festnahme Trumps, er veröffentlichte eine ganze Geschichte über Trump, der im Gerichtssaal verurteilt wird, ins Gefängnis kommt und schließlich an einem regnerischen Abend durch einen Abwasserkanal aus dem Gefängnis ausbricht. Die Geschichte, die Higgins im Laufe von zwei Tagen getwittert hat, endet damit, dass Trump in seinem orangefarbenen Overall in einem McDonald's weint. https://t.co/kdB6JgNvy1 Higgins hat die Bilder eigenen Angaben zufolge mit dem kostenlosen KI-Tool "Midjourney V5" erstellt. Sein Fazit zur Software: "Midjourney ist gut darin, einfache Aktionen zu verstehen, aber etwas komplexere und obskure Aktionen führen zu seltsamen Ergebnissen." Auch habe das Programm Schwierigkeiten, mit Text in Bildern umzugehen oder Orte wie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte realitätsgetreu abzubilden. Noch können KI-generierte Bilder von Midjourney also meist als solche enttarnt werden, doch Higgins schreibt: "Ein gefälschtes Bild (mit oder ohne KI-Beteiligung) kann sich viel schneller verbreiten, als es in den meisten Fällen faktengeprüft werden kann." Und genau darin sieht Politikwissenschaftler Jonas Fegert vom Forschungszentrum Informatik (FZI) die Problematik - auch bei Bildern, die auf den ersten Blick witzig scheinen, wie beispielsweise das Bild vom Papst in Designer-Daunenjacke. "Die Bilder, die so herumgeistern, sind natürlich satirisch witzig, aber die Möglichkeiten, die dahinter stehen, für Individuen, aber vor allem natürlich auch staatliche Akteure, die Desinformation betreiben wollen, sind tatsächlich gefährlich und stellen eine Herausforderung dar", sagt Fegert. Fegert leitet das Forschungsprojekt DeFaktS, welches eine KI-basierte Softwarelösung entwickelt, die Desinformation erkennen und über sie aufklären können soll. Die Forschung, die sich um die Bekämpfung von Desinformation kümmert, müsse auf die KI-generierten Bilder reagieren und entsprechende Tools entwickeln. "Und das wird eine große Aufgabe." KI-generierte Bilder nur schwer zu erkennen Gerade bei den hochwertigeren KI-Generatoren sei es für das ungeschulte Auge sehr schwierig, ein falsches Bild von einem echten zu unterscheiden, sagt Rücker. Auch Dengel hält es in der heutigen Zeit für überaus schwierig, Bilder zu verifizieren. Eine Schwäche der KI-generierten Bilder sei jedoch, dass Nahaufnahmen gewisse Texturen zu sauber wirken lassen und Schwächen in der realistischen Darstellung bei Gesichtern und Gliedmaßen zeigen. "Bei hoher Auflösung sieht man bei echten Bildern kleine Unreinheiten, Narben, oder Läsionen, bei künstlichen Gesichtern meist nicht." Ein genauer, detaillierter Blick offenbart häufig optische Ungereimtheiten. Darüber hinaus sollte der Kontext des Bildes überprüft werden. Durch Bilder-Rückwärtssuchen lässt sich schauen, ob es ähnliche Bilder mit dem Motiv im Netz gibt und aus welchen Quellen sie stammen. Zudem lässt sich überprüfen, ob die schriftlichen Angaben zu einem Bild plausibel erscheinen: Wann und wo wurde das Bild zuerst veröffentlicht? Decken sich die Angaben mit anderen Informationen? Was haben Medien an dem Tag berichtet? Auch sogenannte Deepfakes werden besser Auch bei den KI-manipulierten Videos - sogenannten Deepfakes - sehen die Experten einen Trend hin zu verbesserter Software. Deepfakes sorgten in der Vergangenheit bereits einige Male für große Aufregung. Erst vor wenigen Wochen wurde beispielsweise ein Video verbreitet, das angeblich die demokratische US-Senatorin Elizabeth Warren zeigte, die dazu aufrief, das Wahlrecht der Republikaner einzuschränken. Kurz nach Beginn des Angriffskriegs kursierte ein Video des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, in dem dieser zur Kapitulation aufrief - auch das stellte sich als Deepfake heraus. Ähnlich wie bei KI-generierten Bildern können Deepfake-Videos an Details als Fake entlarvt werden. So hat die KI häufig noch Probleme damit, die Mimik der Menschen, wie Blinzeln, Schmunzeln oder die Zornesfalte auf der Stirn, realitätsgetreu darzustellen. KI-Text-Inhalte können besser erkannt werden Von KI gestützten Chatbots generierte textliche Inhalte spielen in der Erstellung von Desinformation nach Ansicht der Experten noch keine große Rolle. Das könne sich jedoch ändern: "Die Geschwindigkeit und die Masse, mit der Inhalte erstellt werden können, gerade durch Anwendungen wie ChatGPT, die geben doch Anlass zur Sorge", sagt Fegert. Mit frei zugänglicher oder günstig zu erwerbender Software wie ChatGPT könnten großflächig sehr viel schneller falsche oder irreführende Inhalte generiert werden. "Dadurch könnte das Katz-und-Maus-Spiel zwischen der Verbreitung und dem Widerlegen von Desinformationen auf eine andere Ebene gebracht werden." Allerdings gebe es für textliche Inhalte bereits sehr gute technische Lösungen, welche Desinformationen identifizieren. In den USA habe eine Studie gezeigt, dass über 90 Prozent der Falschinformationen erkannt wurden. KI sei nicht besser oder schlauer als der Mensch, ist sich Fegert sicher. "Wenn bei Desinformationstexten, die von Menschen produziert werden, bestimmte Sachen auffällig sind, dann sind sie es auch bei den Texten, die vom Computer generiert werden." Auch für Bilder und Videos wäre es laut Fegert technisch möglich, Software zu entwickeln, die Fakes von der Realität unterscheidet. Ein sehr großer Datensatz an Bildern und Videos müsste dafür erstellt und permanent weiterentwickelt werden, sodass aktuelles Material kontinuierlich in das System eingepflegt wird. Es gibt auch jetzt schon Erkennungssoftware, wie beispielsweise der "AI image detector" von Hugging Face, der künstlich erzeugte Bilder identifizieren soll. Leider ist dies jedoch noch nicht so präzise. "Bei Bild- und Videomaterial braucht es tatsächlich noch die Expertise von professionellen Faktencheckern. Das kann Technologie so noch nicht meistern", sagt Fegert. Experten fordern Förderung von Medienkompetenz Neben technologischer Intervention sei auch der Aufbau einer gesamtgesellschaftlichen kritischen Medienkompetenz wichtig, so Fegert. "Softwarelösungen, wie wir sie bauen, können Menschen helfen, Desinformationen zu erkennen." Darüber hinaus solle man sich als Medienkonsument damit auseinandersetzen, dass man nicht jedem Bild trauen darf, was im Internet kursiert. "Und wenn wenn diese Schere zwischen dem, was man gewohnt ist und dem, was man da auf dem Bild wiederfindet, weit auseinander geht, dann sollte man überlegen, woher das kommen könnte", sagt Fegert. Rücker fordert ebenfalls ein stärkeres Bewusstsein für den Nutzen von Medienkompetenz. Nach Ansicht von Rücker "bringt es nichts, wenn wir nur die Symptome bekämpfen." Eine Auseinandersetzung mit den Ursachen für unsere Anfälligkeit für die Verbreitung von Falschinformationen sei besonders wichtig. Zum Beispiel, dass Menschen dazu neigen, Informationen so auszuwählen und zu interpretieren, dass sie ins eigene Weltbild passten. Oder auch, dass man sich selbst für unbeeinflussbarer halte als andere Menschen. Auch aus Sicht von Dengel ist es "ganz wesentlich, Aufklärung zu betreiben". Zudem plädiert er für eine Art Echtheitszertifikat von Bildern und Videos im Netz. So könnten dafür zugelassene Journalisten ihr Bildmaterial durch Prüfsysteme laufen lassen, um es verifizieren zu lassen. Fegerts Ansicht nach sind dies alles relevante Aspekte, die konkret umgesetzt werden müssen. Denn: "Wir müssen uns als Gesellschaft die Frage stellen, wie wir eine Art Resilienz gegenüber solchen Erscheinungen aufbauen. Das können wir nur durch eine Mischung erreichen - gesamtgesellschaftliches Wissen aufbauen und digitale Lösungen erforschen und entwickeln", sagt Fegert. | /faktenfinder/ki-desinformation-fakes-101.html |
2023-03-31 | Türkei stimmt NATO-Beitritt Finnlands zu | Mehrheit im Parlament | Als letztes Mitgliedsland hat die Türkei dem NATO-Beitritt Finnlands zugestimmt. Die Mehrheit der Parlamentarier stimmte für die Aufnahme des Landes in das Bündnis. Die Aufnahme Schwedens blockiert die Türkei aber weiterhin.
mehr | Als letztes Mitgliedsland hat die Türkei dem NATO-Beitritt Finnlands zugestimmt. Die Mehrheit der Parlamentarier stimmte für die Aufnahme des Landes in das Bündnis. Die Aufnahme Schwedens blockiert die Türkei aber weiterhin. Die Türkei hat der Aufnahme Finnlands in die NATO zugestimmt. Eine breite Mehrheit im türkischen Parlament stimmte kurz vor Mitternacht für den Beitritt des nordeuropäischen Landes zu dem Verteidigungsbündnis, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Damit haben alle 30 NATO-Mitglieder die finnische Mitgliedschaft abgesegnet. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte im Kurzbotschaftendienst Twitter, der NATO-Beitritt Finnlands werde die "gesamte NATO-Familie stärker und sicherer machen". Die finnische Regierungschefin Sanna Marin schrieb auf Twitter nach dem Votum in Ankara: "Wir werden uns gegenseitig verteidigen." Staatspräsident Sauli Niinistö erklärte, er wolle allen NATO-Staaten "für ihr Vertrauen und ihre Unterstützung" danken. Finnland werde ein "starker, fähiger und der Sicherheit der Allianz verpflichteter Bündnispartner" sein. Finland’s application has now been ratified by all members and we will join NATO. Thank you to all countries for your support. As allies, we will give and receive security. We will defend each other. Finland stands with Sweden now and in the future and supports its application. Aufnahme könnte schon kommende Woche besiegelt werden Ein Ja im türkischen Parlament hatte bereits im Vorfeld als sicher gegolten, Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am vergangenen Freitag nach monatelangem Zögern grünes Licht für Helsinki gegeben. Am Montag hatte Ungarn bereits den Beitritt des Landes ratifiziert. Nun muss Finnland, das sich eine rund 1300 Kilometer lange Grenze mit Russland teilt, nur noch einige technische Schritte absolvieren, bis es der Militärallianz beitreten kann. Noch ausstehende Formalitäten sollten aber in den nächsten Tagen erledigt werden, berichtete die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf Diplomaten. Demnach könnte die Aufnahme dann bereits beim NATO-Außenministertreffen am kommenden Dienstag und Mittwoch besiegelt werden. Entscheidung über Schweden steht noch aus Dagegen blockiert die Türkei weiterhin die Aufnahme Schwedens, auch die ungarische Ratifizierung fehlt noch. Nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hatten Schweden und Finnland gemeinsam Anträge auf einen NATO-Beitritt gestellt und damit mit einer langen Tradition weitgehender militärischer Neutralität gebrochen. Die Türkei wirft Schweden vor, nicht konsequent genug gegen "Terrororganisationen" vorzugehen und kritisiert, dass Auslieferungsgesuche nicht beantwortet würden. Schweden hat kürzlich einen Entwurf für härtere Terrorgesetze vorgelegt - an der türkischen Blockade hat das bislang aber nichts geändert. | /ausland/tuerkei-nato-finnland-103.html |
2023-03-31 | Telefonische Krankschreibung fortsetzen? | Forderung von Grünen und Hausärzten | Die Regelung war während der Pandemie eingeführt worden und läuft heute aus: die telefonische Krankschreibung bei leichten Atemwegserkrankungen. Doch es gibt vermehrt Rufe, die Möglichkeit beizubehalten.
mehr | Die Regelung war während der Pandemie eingeführt worden und läuft heute aus: die telefonische Krankschreibung bei leichten Atemwegserkrankungen. Doch es gibt vermehrt Rufe, die Möglichkeit beizubehalten. Die Möglichkeit zu telefonischen Krankschreibungen bei leichten Erkältungsbeschwerden entfällt. Von morgen an müssen Patientinnen und Patienten dafür wieder persönlich einen Arzt aufsuchen. Doch es gibt mehrere Rufe und Appelle, die Regelungen beizubehalten: Hausärzte und Verbraucherschützer plädieren dafür, im Interesse der medizinischen Versorgung an der Krankschreibung auch per Telefon festzuhalten. "Ohne telefonische Krankschreibung geht es nicht mehr" "Um es klar zu sagen: Ohne die telefonische Krankschreibung geht es nicht mehr", sagte die Vizechefin des Deutschen Hausärzteverbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Dies gelte insbesondere in den akuten Infektwellen, wie es sie im vergangenen Winter gegeben habe. "Wer der telefonischen Krankschreibung jetzt den Stecker zieht, gefährdet die Versorgung und nimmt in Kauf, dass die Hausarztpraxen immer weiter unter Druck geraten", betonte Buhlinger-Göpfarth. Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) forderte eine Beibehaltung der Regelung. Politik und Fachleute seien sich einig gewesen, aus der Corona-Pandemie lernen zu müssen und Bewährtes zu bewahren, sagte der Gesundheitsexperte des Verbandes, Thomas Moormann, dem RND. "Bei der telefonischen Krankschreibung, die sehr erfolgreich praktiziert wurde und die man durchaus als Innovation bezeichnen könnte, zeigt sich das nun leider nicht", beklagte er und forderte die Ampelkoalition auf, die Beibehaltung gesetzlich zu regeln. Grüne: Regelung beibehalten und ausweiten Auch die Grünen sprechen sich für eine Beibehaltung aus. Ihr gesundheitspolitische Sprecher Janosch Dahmen sagte der Nachrichtenagentur dpa, dies sei eine wichtige Entlastung für Patienten und Ärzte, die sich bewährt habe. "Wir sollten die Regelung nicht nur fortsetzen, sondern auch jenseits von Atemwegserkrankungen auf weitere akute Beschwerden ausweiten." Eltern, die kranke Kinder zu Hause hätten, sollten die telefonische Krankschreibung standardmäßig nutzen können, so Dahmen. "Auch auf zusätzliche akute Erkrankungen wie beispielsweise einen Magen-Darm-Infekt oder Endometriose-Patientinnen sollte die Regelung ausgeweitet werden" . Die Ampel-Koalition sollte daher eine schnelle und pragmatische Fortsetzung beschließen. "Haus- und Kinderärzte kennen ihre Patienten", erläuterte der Gesundheitsexperte. Sie könnten telefonisch über eine Krankschreibung entscheiden. Regelung seit Ende März 2020 fast durchgehend möglich Bei der Möglichkeit zu telefonischen Krankschreibungen handelte sich um eine in der Corona-Krise eingeführte Sonderregelung des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen. Telefonische Krankschreibungen bei leichten Atemwegsbeschwerden waren seit Ende März 2020 fast durchgehend möglich gewesen. Dies sollte unnötige Kontakte reduzieren und Corona-Infektionen vermeiden. Der Gemeinsame Bundesauschuss hatte die Sonderregelung dazu mehrfach verlängert, zuletzt bis 31. März. Das RKI stufte die Risikobewertung für Deutschland Anfang Februar von hoch auf moderat herab. Angesichts der entspannteren Pandemie-Lage läuft die Regelung nun aber aus. Krankschreibung per Videosprechstunde Man behalte sie aber im Auge und könne sie bei Bedarf sehr schnell wieder aktivieren, machte der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen, Josef Hecken, gegen über der dpa deutlich. "Ganz unabhängig von der Pandemiesituation können Versicherte eine Krankschreibung auch bei einer Videosprechstunde erhalten - nicht nur bei leichten Atemwegserkrankungen." "Das heißt also, ganz regulär gibt es bereits die Möglichkeit, dass ein Versicherter nicht bei jeder Erkrankung in die Arztpraxis gehen muss", so Hecken. Voraussetzung sei natürlich, dass die Arbeitsunfähigkeit ohne eine unmittelbare körperliche Untersuchung abgeklärt werden könne. | /inland/telefonische-krankschreibungen-debatte-101.html |
2023-03-31 | Euro-Kerninflation auf Rekordniveau | Teuerung ohne Energie und Lebensmittel | Dank sinkender Energiepreise hat sich die Inflation in der Eurozone deutlich auf 6,9 Prozent abgeschwächt. Doch Grund für Entwarnung ist das noch nicht. Denn die sogenannte Kerninflation steigt auf Rekordniveau.
mehr | Dank sinkender Energiepreise hat sich die Inflation in der Eurozone deutlich auf 6,9 Prozent abgeschwächt. Doch Grund für Entwarnung ist das noch nicht. Denn die sogenannte Kerninflation steigt auf Rekordniveau. Die Inflation im Euroraum hat sich dank rückläufiger Energiepreise kräftig abgeschwächt. Die Verbraucherpreise stiegen im März binnen Jahresfrist nur noch um 6,9 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat heute in einer ersten Schätzung mitteilte. Volkswirte hatten einen weniger deutlichen Rückgang der Inflationsrate erwartet. Sie prognostizierten für März eine Rate von 7,1 Prozent. Die Teuerung lag erstmals seit Februar 2022 unter der Marke von sieben Prozent. Im Oktober hatte sie einen Rekordwert von 10,7 Prozent erreicht. Inflation wird durch Energiepreise gedrückt Bei den Zahlen macht sich ein sogenannter Basiseffekt bemerkbar. Denn nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine waren die Energiepreise kräftig nach oben geschossen. Das erhöhte Preisniveau bildet nun die Basis für die Berechnung der Inflation. Gedrückt wird die Inflationsrate durch die Energiepreise. Sie sind im März im Jahresvergleich sogar um 0,9 Prozent gesunken. Im Vorjahr war es in Folge des russischen Angriffskrieges zu einem deutlichen Anstieg der Energiepreise gekommen. Im Februar waren die Energiepreise noch um 13,7 Prozent gestiegen. Getrieben wird die Gesamtinflation mittlerweile durch gestiegene Preise für Lebens- und Genussmittel. Kerninflation nimmt weiter zu Daher kann von Entwarnung noch keine Rede sein: Denn die Kernrate, in der die schwankungsreichen Energie- und Lebensmittelpreise sowie Alkohol und Tabak ausgeklammert sind, nahm im März weiter zu - auf 5,7 Prozent. Das ist ein Rekordniveau. Im Februar hatte die Kerninflation noch bei 5,6 Prozent gelegen. Der Anstieg war so erwartet worden. Die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak zogen um 15,4 Prozent an nach einem Plus von 15 Prozent im Februar. Industriegüter ohne Energie verteuerten sich um 6,6 Prozent nach zuvor 6,8 Prozent. Die Preise für Dienstleistungen erhöhten sich im März um fünf Prozent. Im Februar hatte das Plus bei 4,8 Prozent gelegen. In Spanien zum Beispiel fiel die Gesamtinflationsrate im März von 6 Prozent auf 3,3 Prozent - und damit um beachtliche knappe drei Prozentpunkte. Rechnet man hingegen für die spanische Kerninflation die schwankungsreichen Energie- und Nahrungsmittelpreise heraus, fiel die Teuerung nur minimal von 7,6 Prozent auf 7,5 Prozent. Dies zeigt wie stark die mathematischen Basiseffekte im Bereich der Energiepreise sind. In Deutschland liegt die Kerninflation bei 5,9 Prozent. Inflation greift in Hotel- und Tourismusbranche um sich "So schön sich der Inflationsrückgang liest, er ist mit Haken und Ösen versehen", kommentierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Angesichts der gestiegenen Kerninflation könne von nachlassendem Teuerungsdruck keine Rede sein. "Das Inflationsgeschehen erfasst immer mehr den Dienstleistungssektor - darunter vor allem den Hotel- und Gaststättensektor und die Tourismus- und Veranstaltungsbranche." Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater bewertet die Daten positiver: "Man sollte nicht kleinreden, dass Energiepreise und Lieferkettenprobleme sich wieder deutlich beruhigt haben." Dies werde in den kommenden Monaten zu weiteren Erleichterungen bei der Inflation führen. "Schwieriger wird es mit den hartnäckigen Preissteigerungen, die etwa durch die starken Lohnsteigerungen weiter angefacht werden." EZB weiter unter Druck Das Preisziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von mittelfristig zwei Prozent wird weiterhin klar überschritten. Seit Juli 2022 haben die Notenbanker den Zins bereits sechs Mal in Folge angehoben - zuletzt Mitte März um 0,50 Prozentpunkte. Angesichts der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor hatte EZB-Chefin Christine Lagarde angekündigt, dass die Währungshüter vorerst auf Sicht fahren wollen. Einen konkreten Zinsausblick für die nächsten Sitzungen legten sie nicht vor. Mehrere Währungshüter hatten sich allerdings zuletzt für weiter steigende Zinsen ausgesprochen. Auf den nächsten beiden Sitzungen wird am ehesten mit jeweils einem Viertelprozentpunkt gerechnet. "Die EZB hat zuletzt wiederholt betont, dass sie aktuell vor allem auf die Kernteuerungsrate schaut", kommentierte Commerzbank-Ökonomen Christoph Weil. "Insofern steht die Notenbank weiter unter Druck, die Leitzinsen weiter anzuheben." Wo ist die Inflation am höchsten? Die Inflationsentwicklung in den einzelnen Mitgliedsländern bleibt sehr unterschiedlich. Die höchsten Raten gibt es im Baltikum. Aber in allen drei baltischen Ländern ist die Inflationsrate mittlerweile zumindest unter die Marke von zwanzig Prozent gefallen. Am niedrigsten ist die Rate in Luxemburg (3,0 Prozent) und in Spanien (3,1 Prozent). In Deutschland lag der nach europäischer Methode berechnete Anstieg der Verbraucherpreise mit 7,8 Prozent über dem Niveau der Eurozone. | /wirtschaft/konjunktur/eu-inflation-kerninflation-rekord-101.html |
2023-03-31 | 49-Euro-Ticket nimmt letzte Hürde | Bundesrat gibt grünes Licht | Der Bundesrat hat der Einführung und Finanzierung des bundesweit gültigen 49-Euro-Tickets zugestimmt. Die Verkehrsminister würdigten das Ticket parteiübergreifend als enormen Fortschritt in der Verkehrs- und Klimapolitik.
mehr | Der Bundesrat hat der Einführung und Finanzierung des bundesweit gültigen 49-Euro-Tickets zugestimmt. Die Verkehrsminister würdigten das Ticket parteiübergreifend als enormen Fortschritt in der Verkehrs- und Klimapolitik. Der Weg für das Deutschlandticket ist frei: Der Bundesrat hat dem Gesetz für das bundesweit gültige Nahverkehrsticket zugestimmt. Der Verkauf startet am Montag. Das Gesetz regelt vor allem die Finanzierung des Tickets für die Jahre 2023 bis 2025. In einer mit klarer Mehrheit verabschiedeten Entschließung forderte der Bundesrat, das Ticket "verlässlich und dauerhaft durch eine auskömmliche Finanzierung zu sichern". Im laufenden Jahr trägt der Bund demnach die Hälfte der tatsächlich anfallenden Kosten, in den Jahren 2024 und 2025 übernimmt er jeweils 1,5 Milliarden Euro, um Einnahmeausfälle bei den Verkehrsanbietern wegen des günstigen Ticketpreises zur Hälfte auszugleichen. Für die andere Hälfte sollen die Länder aufkommen. Monatlich kündbares Abonnement Das Deutschlandticket soll zu einem Einführungspreis von 49 Euro im Monat starten und an das beliebte 9-Euro-Ticket aus dem Sommer 2022 anknüpfen. Geplant ist ein digital buchbares, monatlich kündbares Abonnement, das in Bussen und Bahnen in der ganzen Bundesrepublik gilt. In den vergangenen Wochen haben viele Verkehrsunternehmen bereits Vorbestellungen für das neue Ticket entgegengenommen. Das Abo kann ab Montag auch über die Kanäle der Deutschen Bahn abgeschlossen werden, wie der Konzern mitteilte. Einige Länder planen günstigere Tarife, beispielsweise für Schülerinnen und Schüler oder Menschen mit besonders geringem Einkommen. Mecklenburg-Vorpommern will das neue Deutschland-Ticket etwa mit dem schon bestehenden Azubi-Ticket kombinieren. Azubis, Berufsschüler, Freiwilligendienstleistende und Beamtenanwärter aus Mecklenburg-Vorpommern können für monatlich 29 Euro durch ganz Deutschland fahren, teilte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) mit. "Neue Zeitrechnung für den ÖPNV" Die Verkehrsministerinnen und -minister der Länder würdigten parteiübergreifend das 49-Euro-Tickets als enormen Fortschritt in der Verkehrs- und Klimapolitik. "Am 1. Mai beginnt eine neue Zeitrechnung für den ÖPNV in Deutschland", sagte der brandenburgische Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU). Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte, das Ticket bringe eine spürbare Entlastung, motiviere zum klimafreundlichen Umstieg und werde den öffentlichen Personennahverkehr dauerhaft attraktiver machen. Bremens Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (Grüne) sagte im Bundesrat, das Ticket sei nichts weniger als das Ende der Kleinstaaterei im Nahverkehr und des Tarifdschungels. Außerdem soll das Angebot im Nahverkehr ausgebaut werden, um die wachsende Nachfrage zu bedienen. Die Länder fordern seit Langem eine deutliche Anhebung von Bundesmitteln für einen solchen Ausbau. Ein Ausbau des Angebots sei auch angesichts der Klimaschutzziele im Verkehr zwingend, heißt es in einer Entschließung des Bundesrats. Die deutschen Klimaziele im Verkehrssektor wurden im vergangenen Jahr verfehlt. | /inland/innenpolitik/bundesrat-49-euro-ticket-101.html |
2023-03-31 | Entlassungswelle bei Virgin Orbit | Gescheiterte Raumfahrtmission | Der Fehlversuch, den ersten Satelliten von britischem Boden aus ins All zu befördern, stürzte das Raumfahrtunternehmen Virgin Orbit in eine tiefe Krise. Nun sollen fast alle Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren.
mehr | Der Fehlversuch, den ersten Satelliten von britischem Boden aus ins All zu befördern, stürzte das Raumfahrtunternehmen Virgin Orbit in eine tiefe Krise. Nun sollen fast alle Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren. Infolge eines fehlgeschlagenen Satellitenstarts in diesem Jahr entlässt das Raumfahrtunternehmen Virgin Orbit einen großen Teil seiner Belegschaft. Das geht aus einer Mitteilung des Unternehmens an die US-Börsenaufsicht SEC hervor. Das Raumfahrtunternehmen von Richard Branson, einem britischen Milliardär, kündigte an, die Belegschaft um 675 Mitarbeiter zu reduzieren. Das entspreche etwa 85 Prozent der Beschäftigten und sei für das Unternehmen mit Kosten in Höhe von bis zu 15 Millionen Dollar verbunden. Hintergrund seien gescheiterte Bemühungen, finanzielle Mittel zu sichern. Betroffen seien Mitarbeiter aus allen Unternehmensbereichen. Unternehmen stellt Betrieb ein Virgin Orbit spielte eine entscheidende Rolle bei dem Versuch, zu Beginn dieses Jahres den ersten Satelliten von britischem Boden aus ins All zu befördern. Ein Flugzeug, eine modifizierte Boeing 747-400, brachte die Trägerrakete zunächst in große Höhe, bevor der Start erfolgte. Allerdings scheiterte die Mission, und die Rakete stürzte ab, noch bevor sie den Orbit erreichen konnte. Einem Sprecher des Raketenherstellers zufolge hatte man bereits am 15. März fast alle der 750 Mitarbeiter wegen einer "Betriebspause" beurlaubt, während das Unternehmen nach einer finanziellen Rettungsleine suchte. Nun wird laut Berichten die Geschäftstätigkeit des Unternehmens bis auf weiteres ausgesetzt. Das Unternehmen geht davon aus, dass die Entlassungen bis zum 3. April im Wesentlichen abgeschlossen sein werden. | /wirtschaft/unternehmen/raumfahrt-virgin-orbit-mitarbeiter-101.html |
2023-03-31 | Alleingelassen auf Vermisstensuche | Nach dem Erdbeben in der Türkei | Auch Wochen nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei suchen etliche Menschen weiterhin nach Angehörigen. Offizielle Angaben, wie viele Menschen vermisst werden, gibt es nicht. Die Opposition macht der Regierung schwere Vorwürfe. Von Karin Senz. | Auch Wochen nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei suchen etliche Menschen weiterhin nach Angehörigen. Offizielle Angaben, wie viele Menschen vermisst werden, gibt es nicht. Die Opposition macht der Regierung schwere Vorwürfe. Salman läuft über den Bauschutt und weint. Anfang Februar stand hier in Kahramanmaras noch das Haus, in dem seine ältere Schwester mit ihrer Familie wohnte. Zum ersten Mal seit Wochen ist der 36-Jährige wieder hier, die Bilder der Erdbebennacht kommen hoch. Er setzte sich damals sofort mit seiner Familie ins Auto, um nach seiner Schwester zu sehen. Als sie hier angekommen waren, hätten sie zuerst die Nachbarhäuser gesehen, die noch standen. "Wir waren schon erleichtert, und haben uns gesagt: 'Ich glaube, hier ist nichts'. Aber dann haben wir plötzlich gesehen, dass das Gebäude hier komplett eingestürzt war", sagt Salman. Knapp zwei Wochen später fanden sie seine Schwester, ihren Mann und die beiden Töchter tot in den Trümmern - nur Mehmet nicht, den 13-jährigen Sohn. Tage später erklärten die Rettungskräfte, sie seien hier fertig. "Wir sind zur Polizei gegangen und wollten eine Vermisstenanzeige machen", erzählt Salman. Da haben sie uns gesagt, so etwas gibt‘s nicht. Jeder würde gerade vermisst und keiner würde wissen, wann wer wo wieder auftaucht". Sie seien weinend gegangen. Blutproben für einen DNA-Abgleich Während seiner Erzählung kämpft Salman wieder mit den Tränen. Der hochgewachsene kräftige Mann mit dem dunklen Vollbart wirkt erschöpft, neben ihm liegen ein Aktenordner und ein Schuh im Schutt. Sie haben hier auch den Vorhang von Mehmets Zimmer gefunden, er hatte das Motiv eines Istanbuler Fußballklubs, von dem er Fan war. Die Familie gab Blutproben für einen DNA-Abgleich. "Als wir dafür zum Krankenhaus gefahren sind, war da eine lange Schlange mit Familien, die auch alle DNA-Proben abgeben wollten, weil sie ihre Kinder suchen", sagt Salman. Das sei nicht normal, dafür müsse es einen Verantwortlichen geben. Opposition befürchtet Wahlmanipulation Und es sind nicht nur Kinder, die vermisst werden, sagt Cem Yildiz, der Vorsitzende der oppositionellen CHP in Kahramanmaras. Seine Partei hat von sich aus eine Vermisstenliste angelegt, auch mit Blick auf die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 14. Mai. Yildiz sieht Raum für Wahlmanipulation: "Wurden diese vermissten Personen aus dem Wählerverzeichnis gestrichen? Wurden sie begraben? Wir versuchen, Tote zu identifizieren, das ist wichtig - auch weil wir der aktuellen politischen Macht absolut nicht trauen." Weil all das Spielraum lasse, dass Tote wählen könnten, müssten sie sich auch mit diesem Thema befassen. Keine offizielle Vermisstenkartei Die türkischen Behörden führen keine offizielle Vermisstenkartei. Das beschäftigt auch Salman, den Onkel des kleinen Mehmet. Er sitzt inzwischen im Schneidersitz im Zelt, in dem er mit seiner Frau und seinen Eltern seit dem Erdbeben haust. Normalerweise spricht Salman sehr besonnen. Aber plötzlich mischt sich Wut in seine Stimme: "Da verschwinden so viele Kinder, sie sind nicht in den Trümmern, nicht im Krankenhaus. Wo sind sie? Wer ist verantwortlich? Keiner". Er macht eine verächtliche Handbewegung, presst die Lippen zusammen. "Man weiß, wer dafür verantwortlich ist, ich weiß, wir alle wissen es", sagt er. Salman muss an sich halten, um nicht noch deutlicher zu werden. Bei vielen richtet sich die Wut gegen die türkische Regierung, diese habe beim Krisenmanagement versagt. Aber das bringt den kleinen Mehmet nicht zurück. Sein Onkel hält es für ausgeschlossen, dass der 13-Jährige in der Nacht des Erdbebens nicht zuhause war. "Ich vermute, dass sich alle von Anfang bis Ende geirrt haben. Er liegt auf dem Friedhof - und keiner kann ihn mehr identifizieren", so Salman. "Nur das Grab von Mehmet ist noch leer" Der Arzt Dogan Erogullari ist seit dem Erdbeben immer wieder draußen im Einsatz. Er hält es für möglich, dass der Junge anonym oder unter einem anderen Namen beerdigt wurde. Er rät Mehmets Familie: "Wenn ein Rettungsteam ein verwundetes Kind aus den Trümmern geholt hat, sollte man das Team und das Krankenhaus, in das es gebracht wurde, herauskriegen und auch, ob da ein Kind gestorben ist oder nicht. Denn es wurden von allen, die gestorben sind, Fotos gemacht bevor sie beerdigt wurden." Aber woher soll Mehmets Familie die Kraft für eine solche Recherche nehmen? Salmans Frau Fatos hört ihrem Mann zu, hilft ihm mit Worten und Sätzen, wenn diese ihm fehlen. Auch sie hat Angehörige verloren. Es seien sieben Gräber ausgehoben worden. "Wir haben sie alle begraben, nur das Grab von Mehmet ist noch leer. Jedes Mal, wenn wir dahingehen und es leer sehen, kommt alles wieder hoch", sagt Fatos. Sie holt ihr Handy raus und zeigt ein Foto. Darauf strahlt Mehmet im Trainingsanzug seines Lieblingsvereins. Sie brauchen einfach Gewissheit, erklärt Salman, um zu begreifen, dass es diesen Jungen voller Leben nicht mehr gibt. | /ausland/asien/tuerkei-erdbeben-vermisste-kartei-101.html |
2023-03-31 | Quote gegen Benachteiligung | Trans Personen in Argentinien | Seit einem Jahr gilt in Argentiniens Behörden eine Transquote von einem Prozent. Das soll verhindern, dass Trans Personen in der Arbeitswelt benachteiligt werden. Argentinien gilt als Vorreiter bei LGBTIQ-Rechten. Von L. Shewafera. | Seit einem Jahr gilt in Argentiniens Behörden eine Transquote von einem Prozent. Das soll verhindern, dass Trans Personen in der Arbeitswelt benachteiligt werden. Argentinien gilt als Vorreiter bei LGBTIQ-Rechten. Als sich der bunte Protestzug durch das Zentrum von Buenos Aires bewegt, ist Luana Lopez Reta mittendrin. Sie lebt offen als trans Frau und hält ein Plakat mit der Aufschrift "La Nelly Omar" in die Höhe. La Nelly Omar ist eine argentinische Bewegung, in der sich queere Personen engagieren - benannt nach einer berühmten Tangosängerin. "Mein Leben hat sich völlig verändert", erzählt Reta. "Ich hätte nie gedacht, dass ich als trans Frau einer geregelten Arbeit nachgehen könnte, eben weil ich diese Orientierung habe." Die 56-Jährige bezieht sich auf die Transquote in argentinischen Behörden, die seit dem Jahr 2021 gilt und ein Prozent der Arbeitsplätze für trans Menschen vorsieht. Reta ist trans. Das heißt: Bei der Geburt wurde ihr aufgrund ihrer biologischen Merkmale das männliche Geschlecht zugewiesen. Sie identifiziert sich aber als Frau und nimmt mittlerweile auch Hormone ein, die ihren Körper verändern. Hürden für trans Personen Seit einem Jahr arbeitet sie nun festangestellt im Staatsministerium. Doch lange war für sie unklar, ob sie überhaupt eine Anstellung finden könnte. Viele trans Menschen fühlen sich in Argentinien Beleidigungen und Übergriffen ausgesetzt. Für zahlreiche Mitglieder der queeren Community gehört das zum Alltag. Daher sorgte es für weltweites Aufsehen, als die argentinische Abgeordnetenkammer im August 2021 mit überwältigender Mehrheit ein Gesetz für eine gesetzliche Transquote im öffentlichen Dienst verabschiedete. Ein Prozent aller Stellen im öffentlichen Dienst sollen laut Schätzungen landesweit ungefähr 2500 Arbeitsplätzen entsprechen. Privatunternehmen, die transgender Personen beschäftigen, sollen zudem bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bevorzugt werden. "Viele von uns waren als Sexarbeiterinnen tätig" Damit ist das katholisch geprägte Argentinien eines der progressivsten Länder in Sachen Gendergerechtigkeit. Für die LGBTIQ-Community ist es ein wichtiger Etappensieg. "Durch das neue Gesetz erhalten wir die Chance auf eine geregelte Arbeit. Davor hatten wir keine Zugänge, wurden marginalisiert", erklärt Reta. "Viele von uns waren als Sexarbeiterinnen tätig". Tatsächlich prostituierten sich viele trans Personen: Laut einer Studie der argentinischen Trans-Organisation Attta seien 95 Prozent formal nicht angestellt und 80 Prozent im Sexgeschäft tätig gewesen. Das Gesetz sei daher mehr als nötig gewesen, findet Reta. Für Argentiniens Präsidenten Alberto Fernandez ist die Gleichstellung queerer Menschen wohl auch ein persönliches Anliegen. Sein Kind hat sich 2021 als nicht-binär geoutet und macht dies auch im neuen Personalausweis kenntlich. Denn mittlerweile kann jeder Argentinier dort neben "männlich" oder "weiblich" ein "x" vermerken lassen, wenn keine Zuordnung zu einem Geschlecht gewollt ist. Reaktionen auf die Quote Während die Trans-Community auch ein Jahr später stolz auf das Gesetz ist, zeigt sich die argentinische Gesellschaft gespalten. Vor allem aus dem konservativ-religiösen Lager kommt Ablehnung. Aus Sicht Retas glaubten konservative Argentinier, dass trans Menschen solch ein Gesetz nicht verdienten. Reta kennt das aus ihrer eigenen Familie. Solange ihre Mutter am Leben war, wollte sie sich nicht outen. Erst nach deren Tod tat sie das und heiratete einen Mann. Dass damit ein krasser Lebenswandel verbunden war, wusste sie. Während die Anwendung des Gesetzes in Buenos Aires gut funktioniert, läuft es in den ländlichen Regionen eher schleppend. Trotz Quote finden trans Argentinier nur selten eine feste Anstellung. "Der Staat müsste einige Provinzen im Land zwingen, das Gesetz anzuwenden, sonst wird sich nichts ändern", so Lincoln, trans Frau aus Buenos Aires, die ebenfalls bei La Nelly Omar demonstriert. "Es hat sich schon viel getan" Reta gehe es vor allem um faire Startbedingungen. Dafür sei sie das beste Beispiel: Sie ist als Systemanalystin mit der Spezialisierung für Linux-Software gut ausgebildet - und war dennoch lange arbeitslos. "Die Quote ist für unsere Community wirklich lebensverändernd. Viele von uns hatten früher nicht einmal eine Krankenversicherung." Obgleich sich in den vergangenen Monaten schon viel getan hat: Für Reta soll es erst der Anfang sein. "Für die Zukunft wünsche ich mir, dass Argentinien keine Transquote mehr benötigt", sagt sie. "Es sollte ganz selbstverständlich sein, dass trans Personen Jobs finden. Wir möchten lediglich dieselben Bedingungen." Auch nach den Gesetzesreformen demonstriert Luana Lopez Reta weiterhin gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern. Auf dem gut gefüllten Plaza de Mayo in Buenos Aires steht sie in vorderster Reihe und möchte zeigen: Frei und sicher leben zu können, dürfe keine Frage der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität sein. | /argentinien-transmenschen-101.html |
2023-03-31 | Sorge um finanzielle Absicherung im Alter | Furcht vor Rentenlücke | Finanzielle Sorgen plagen fast die Hälfte der Deutschen - besonders junge Menschen fürchten die Altersarmut, so eine Umfrage des Bundesverbandes deutscher Banken. Infolgedessen gewinne die Altersvorsorge an Bedeutung.
mehr | Finanzielle Sorgen plagen fast die Hälfte der Deutschen - besonders junge Menschen fürchten die Altersarmut, so eine Umfrage des Bundesverbandes deutscher Banken. Infolgedessen gewinne die Altersvorsorge an Bedeutung. Fast die Hälfte der Menschen in Deutschland macht sich Sorgen um ihre finanzielle Lage im Alter. Das zeigt eine Umfrage im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB). Laut der Befragung befürchten 45 Prozent der 30- bis 59-Jährigen, dass sie im Ruhestand finanziell schlecht aufgestellt sind. Vor drei Jahren lag dieser Anteil noch bei 30 Prozent. "Die Erwartungen haben sich in den letzten Jahren sehr deutlich verschlechtert. Dieses Ergebnis unserer Umfrage ist besorgend", sagte Henriette Peucker, stellvertretende BdB-Hauptgeschäftsführerin. Junge Menschen fürchten Altersarmut Besonders groß ist der Pessimismus unter den 18- bis 29-Jährigen, bei denen 49 Prozent davon ausgehen, dass es ihnen im Alter finanziell nicht gut gehen wird. Im Jahr 2020 waren es noch 20 Prozent. Auch bei den über 60-Jährigen ist die Sorge um die finanzielle Zukunft im Alter spürbar, denn 37 Prozent geben an, besorgt zu sein. Generell gehen die meisten (93 Prozent) der mehr als 1300 im Februar Befragten davon aus, dass "sehr viele Menschen" in Deutschland von einer Rentenlücke betroffen sind und im Rentenalter deutlich weniger Geld zur Verfügung haben als zuvor. Fast zwei Drittel der Befragten, die noch nicht im Ruhestand sind, glauben, dass sie sich im Alter finanziell stark einschränken müssen. Betriebliche und private Altersvorsorge immer wichtiger Die Umfrageergebnisse zeigen, dass betriebliche und private Altersvorsorge mittlerweile eine größere Rolle spielen. So verfügen von den Befragten ab 50 Jahren, die noch nicht im Ruhestand sind, 44 Prozent über eine betriebliche und 41 Prozent über eine private Zusatzversicherung. Im Vergleich dazu hatten bei den Rentnern nur 32 beziehungsweise 15 Prozent eine solche Absicherung. Mehr als die Hälfte der Befragten befürwortet zudem eine stärkere Förderung der privaten Altersvorsorge durch den Staat. 1,8 Millionen mehr Pflegebedürftige bis 2055? Laut der Pflegevorausberechnung des Statistischen Bundesamtes werde die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland bis 2055 voraussichtlich um 37 Prozent steigen. 2035 könnten es bereits 5,6 Millionen sein, was einer Zunahme von 14 Prozent im Vergleich zu Ende 2021 entspricht. "Nach 2055 sind keine starken Veränderungen mehr zu erwarten, da die geburtenstarken Jahrgänge aus den 1950er und 1960er Jahren, die sogenannten Babyboomer, dann durch geburtenschwächere Jahrgänge im höheren Alter abgelöst werden", erklärten die Statistiker. Dabei gebe es deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern, wobei Bayern und Baden-Württemberg den stärksten Anstieg erwarten. Die Zahl und der Anteil älterer Pflegebedürftiger dürfte aufgrund der Alterung voraussichtlich ebenfalls steigen, insbesondere zwischen 2035 und 2055. "Damit ist die Zunahme der Pflegebedürftigen insgesamt in diesem Zeitraum stark durch die ab 80-Jährigen bestimmt", so die Statistiker. | /wirtschaft/verbraucher/altersvorsorge-finanzen-101.html |
2023-03-31 | Republikaner sprechen von "Machtmissbrauch" | Reaktionen auf Trump-Anklage | Viele Republikaner halten die Anklage gegen den früheren US-Präsidenten Trump für politisch motiviert. Die Entscheidung der Grand Jury sei "ungeheuerlich". Demokraten betonten hingegen die Gleichheit aller Bürger vor dem Recht.
mehr | Viele Republikaner halten die Anklage gegen den früheren US-Präsidenten Trump für politisch motiviert. Die Entscheidung der Grand Jury sei "ungeheuerlich". Demokraten betonten hingegen die Gleichheit aller Bürger vor dem Recht. Zahlreiche Politiker der Republikaner sind erbost, nachdem die New Yorker Grand Jury entschieden hat, Anklage gegen den früheren US-Präsidenten Donald Trump zu erheben. Jim Jordan, der konservative Vorsitzende des Justizausschusses des US-Repräsentantenhauses, nannte den Schritt "ungeheuerlich". Der republikanische Vorsitzende der Kongresskammer, Kevin McCarthy, erklärte, das Repräsentantenhaus werde den zuständigen Bezirksstaatsanwalt in Manhattan, Alvin Bragg, für dessen "beispiellosen Machtmissbrauch" zur Verantwortung ziehen. Here we go again — an outrageous abuse of power by a radical DA who lets violent criminals walk as he pursues political vengeance against President Trump.
I’m directing relevant committees to immediately investigate if federal funds are being used to subvert our democracy by… https://t.co/elpbh7LeWn Trump Jr. spricht von "verrückter Entscheidung" Die Gouverneurin des US-Staats Arkansas, Sarah Huckabee Sanders, die einst unter Trump Pressesprecherin im Weißen Haus war, forderte den Rücktritt Braggs. Eine von Trumps loyalsten Unterstützerinnen im Kongress, Marjorie Taylor Greene, sagte ohne Beweise, Trump sei unschuldig und der einzige, der "diesen neuzeitlichen Tyrannen im Wege steht". Es handele sich um staatsanwaltliches Fehlverhalten im Stile der "Dritten Welt", erklärte Eric Trump, Sohn des Ex-Präsidenten. Die Anklage ziele darauf ab, einen politischen Gegner in einem Wahlkampfjahr für die Präsidentschaftswahlen 2024 auszuschalten. Donald Trump Jr., ein weiterer Sohn Trumps, sagte, es handele sich um einen Vorgang, der "Mao, Stalin, Pol Pot erröten ließe". Die Entscheidung sei verrückt. Die Staatsanwaltschaft hatte die strafrechtliche Anklage Trumps am Donnerstagabend bestätigt. Bragg gab eine entsprechende Erklärung ab und signalisierte, dass an der Überstellung Trumps zur Anklageerhebung nach New York gearbeitet werde. "Er hat keine Verbrechen begangen" Trump selbst sprach von "politischer Verfolgung", die die Demokraten im Präsidentschaftswahlkampf 2024 beschädigen werde. Er will im Jahr 2024 erneut zum Präsidenten gewählt werden. Seine Anwälte Susan Necheles und Joseph Tacopina teilten mit: "Er hat keine Verbrechen begangen. Wir werden diese politische Verfolgung vor Gericht energisch bekämpfen." Trump wolle sich aber voraussichtlich in der kommenden Woche der Justiz in New York stellen, berichten US-Medien unter Berufung auf seine Anwälte. Eine Bestätigung gab es dafür zunächst nicht. Es wird erwartet, dass dafür ein Termin mit der Staatsanwaltschaft in New York ausgemacht werde. Die Anklageverlesung soll nach Angaben von Trumps Anwältin Susan Necheles am Dienstag erfolgen. "Niemand steht über dem Gesetz" Auch mehrere US-Demokraten reagierten auf die Anklage gegen den früheren US-Präsidenten - sie betonten die Gleichheit aller US-Bürger vor dem Recht. "Niemand steht über dem Gesetz", schrieb die frühere Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, auf Twitter. Die Grand Jury habe gemäß der Fakten und dem Gesetz gehandelt. Sie hoffe, dass Trump das Rechtssystem respektieren werde. Chuck Schumer, der demokratische Mehrheitsführer im Senat, twitterte: Trump unterliege denselben Gesetzen wie jeder US-Amerikaner. Über den Fall richteten nun die Justiz und eine Jury, jedoch nicht die Politik. "Es sollte keine politische Einflussnahme, Einschüchterung oder Störung von außen in dem Fall geben", schrieb Schumer. Er forderte sowohl Kritiker als auch Unterstützer Trumps dazu auf, das Verfahren friedlich ablaufen zu lassen. Die Anklage gegen einen ehemaligen Präsidenten sei ein "ernster Moment" für die Nation, erklärte der Fraktionschef der Demokraten im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, auf Twitter. Rechtsstaatlichkeit sei von zentraler Bedeutung für die Demokratie. Sie müsse frei von Angst und politischen Neigungen angewandt werden. Daniels bedankt sich für Unterstützung Nie zuvor in der Geschichte wurde ein amtierender oder früherer US-Präsident wegen eines Verbrechens angeklagt. Trump hat jedes Fehlverhalten abgestritten. Eine Grand Jury untersuchte über Monate Vorwürfe mutmaßlicher Schweigegeldzahlungen Trumps an den Pornostar Stormy Daniels während des Präsidentschaftswahlkampfs 2016. Daniels hatte nach eigenen Angaben ein Verhältnis mit Trump. Der bestreitet das - nicht aber, dass Geld geflossen sei. Daniels bedankte sich nach der Anklageerhebung bei ihren Anhängern für die Unterstützung. "Ich habe so viele Nachrichten bekommen, dass ich gar nicht antworten kann... ich will auch nicht meinen Champagner verschütten", schrieb sie auf Twitter. Daniels' Anwalt Clark Brewster sagte dem Sender CNN, sie sei nicht überrascht gewesen angesichts der Anklage, sondern vielmehr erleichtert. "Es ist wirklich ein Kampf gegen seine (Trumps) Ablehnung der Wahrheit und sein Fabrizieren von Geschichten", ergänzte er. Schweigegeldzahlungen sind in den USA nicht illegal. Ihre Verschleierung in den Bilanzen aber schon. Die Staatsanwaltschaft in New York hatte jahrelang in der Sache ermittelt. Sie wirft dem ehemaligen US-Präsidenten vor, gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen zu haben. Trump bestreitet jegliches rechtswidriges Verhalten. | /ausland/amerika/republikaner-anklageerhebung-trump-101.html |
2023-03-30 | Bolsonaro will nicht Oppositionsführer werden | Brasilien | Nach drei Monaten in den USA ist der ehemalige brasilianische Präsident Bolsonaro wieder in sein Heimatland zurückgekehrt. Vor seiner Ankunft machte er deutlich, er werde nicht die politische Opposition gegen Präsident Lula anführen.
mehr | Nach drei Monaten in den USA ist der ehemalige brasilianische Präsident Bolsonaro wieder in sein Heimatland zurückgekehrt. Vor seiner Ankunft machte er deutlich, er werde nicht die politische Opposition gegen Präsident Lula anführen. Der brasilianische Ex-Präsident Jair Bolsonaro ist nach drei Monaten Aufenthalt in den USA wieder in Brasilien. Bolsonaro kam am Flughafen Brasília aus Orlando an, wie der Sender "CNN Brasil" berichtete. Entgegen den Erwartungen wurde der 68-Jährige nicht von Tausenden Anhängern, sondern nur von einer kleineren Gruppe begrüßt, wie auf Fotos und Videos zu sehen war. Nach eigenen Angaben will Bolsonaro nicht Oppositionsführer werden. Er werde aber mit seiner Partei zusammenarbeiten und sich für sie engagieren, sagte er. Noch Mitte Februar hatte er in einem Interview mit dem "Wall Street Journal" gesagt, dass er die Rolle des Oppositionsführers anstrebe. Es wurde erwartet, dass der rechte Ex-Präsident sich direkt nach seiner Ankunft zum Sitz seiner Liberalen Partei begibt. Die Sicherheitsmaßnahmen in der brasilianischen Hauptstadt waren aus Angst vor gewalttätigen Demonstrationen verschärft worden. Bolsonaro verlor Wahl im Oktober 2022 Die Präsidentenwahl im Oktober sei ein abgeschlossenes Kapitel. Wie sein politisches Vorbild, Ex-US-Präsident Donald Trump, hat er seine Wahlniederlage in der Stichwahl um das Präsidentenamt im Oktober 2022 gegen den Linkspolitiker Luiz Inácio Lula da Silvanie nie anerkannt und das Ergebnis angezweifelt. Zwei Tage vor dem Ende seiner Amtszeit an Neujahr flog Bolsonaro mit seiner Familie in die USA, wo er sich seitdem aufhielt. Medienberichten zufolge beantragte er ein sechsmonatiges Touristenvisum. Er begründete dies damit, dass er Ruhe brauche. Kritiker meinen hingegen, er wollte Ermittlungen gegen ihn aus dem Weg gehen. Dabei geht es unter anderem um seine Angriffe gegen das brasilianische Wahlsystem, aber auch seine mutmaßliche Rolle bei der Ermutigung von Anhängern, die am 8. Januar Kongress, Regierungssitz und Obersten Gerichtshof in Brasília gestürmt und erhebliche Schäden verursacht hatten. | /ausland/amerika/bolsonaro-brasilien-115.html |
2023-03-30 | "Russland wird alle Methoden nutzen" | Spionage in Deutschland | Verfassungsschutzpräsident Haldenwang warnt im Gespräch mit Kontraste vor einer Zunahme russischer Spionageaktivitäten. Laut seiner Behörde wird Russland dabei auch vermehrt auf Cyberangriffe setzen - für Spionage und Sabotage.
mehr | Verfassungsschutzpräsident Haldenwang warnt im Gespräch mit Kontraste vor einer Zunahme russischer Spionageaktivitäten in Deutschland. Laut seiner Behörde wird Russland dabei auch vermehrt auf Cyberangriffe setzen - für Spionage und Sabotage. Von David Hoffmann, Daniel Laufer und Markus Pohl, RBB Das Bundesamt für Verfassungsschutz befürchtet, russische Geheimdienste könnten in Deutschland künftig aktiver werden. Das sagte Präsident Thomas Haldenwang dem ARD-Politikmagazin Kontraste. "Russland wird alle Methoden nutzen, um seinen Einfluss zu vergrößern, um Erkenntnisse zu gewinnen und um sich Produkte zu beschaffen, die es für seine Rüstung braucht." Daher sei damit zu rechnen, dass es seine Spionageaktivitäten ausweiten werde. "Darauf müssen wir eingestellt sein", so Haldenwang. "Wir befinden uns auf einem Niveau wie zu Zeiten des Kalten Krieges." Im Fokus haben russische Geheimdienste das politische Berlin. In der russischen Botschaft inmitten des Regierungsviertels und in seinen Konsulaten waren Anfang dieses Jahres nach Kontraste-Informationen 544 Diplomaten akkreditiert. Experten gehen davon aus, dass ein Drittel von ihnen für Putins Geheimdienste arbeitet. Der Verfassungsschutz weiß nach eigenen Angaben von etlichen als Diplomaten getarnten Agenten. Getarnt als Diplomaten "Der entscheidende Vorteil dieser Abtarnung ist, dass diese Personen strafrechtliche Immunität genießen", sagt Maik Pawlowsky, der beim Verfassungsschutz die Spionageabwehr leitet. "Sie können in Deutschland spionieren, aber der Staat kann diese Personen nicht strafrechtlich verfolgen. Wenn man sie auf frischer Tat ertappt, besteht nur die Möglichkeit, sie des Landes zu verweisen." Aufgefallen war deutschen Sicherheitsbehörden Andrej Siwow, der in Deutschland zeitweise als Militärattaché akkreditiert war. Inoffiziell soll Siwow für den Militärgeheimdienst GRU gearbeitet haben. Im November 2022 verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf einen von Siwows deutschen Kontakten wegen geheimdienstlicher Tätigkeit für Russland. Der Reserveoffizier Ralph G. hatte dem GRU Informationen über die Bundeswehr geliefert. Zum Teil fanden die Übergaben direkt in der russischen Botschaft statt. Siwow soll vor einigen Jahren versucht haben, einen Kontakt zu dem CDU-Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter aufzubauen. Wie der Außen- und Sicherheitspolitiker berichtet, habe Siwow ihn eines Abends vor dem Gebäude angesprochen, in dem er sein Abgeordnetenbüro hat. Der mutmaßliche GRU-Agent sei äußert freundlich gewesen und scheinbar zufällig mit seiner Ehefrau und seinem Hund vorbeispaziert. "Nach zwei, drei Fragen hat er dann zugegeben, dass er der russische Militärattaché ist", sagt Kiesewetter. "Das fand ich dann schon erstaunlich." Kiesewetter fordert eine grundsätzliche Sensibilisierung für die Bedrohung, die von Russland ausgeht. Lange wurde die Spionage von der deutschen Politik anscheinend toleriert. Mit dem Angriff auf die Ukraine hat sich etwas grundlegend geändert. Im April 2022 erklärte die Bundesregierung 40 russische Diplomaten zu unerwünschten Personen und forderte sie auf, Deutschland zu verlassen - darunter mutmaßliche Spione. Europaweit wurden mehr als 400 Diplomaten ausgewiesen. "Das war ein harter Schlag für die russischen Nachrichtendienste", so Verfassungsschützer Pawlowsky zu Kontraste. Die durch menschliche Quellen erlangten Informationen seien für sie von besonderem Stellenwert. "Sie werden versuchen, dieses Informationsloch zu kompensieren - wie genau, lässt sich aktuell noch nicht prognostizieren." Cyberangriffe aus der Ferne Russland könnte künftig häufiger aus der Ferne angreifen. Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass die russischen Dienste ihre Cyberaktivitäten verstärken könnten. Seit Jahren ist Deutschland ein Ziel solcher Attacken. Eine Gruppe, die Sicherheitsbehörden Sorgen bereitet, ist unter dem Namen "Ghostwriter" bekannt. "Wir gehen davon aus, dass hinter 'Ghostwriter' der GRU steht", sagt Jadran Mesic, Gruppenleiter der "Cyberabwehr" des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Seit Frühjahr 2021 hat "Ghostwriter" in Deutschland Dutzende Parlamentarier angegriffen sowie Personen, die anderweitig im politischen Raum aktiv sind. Die genaue Zahl ist unbekannt. Die Angreifer betreiben unter anderem sogenanntes Phishing: Sie verschickten gefälschte E-Mails und versuchten, ihre Zielpersonen dazu zu bringen, Passwörter preiszugeben. Dem Verfassungsschutz zufolge hat "Ghostwriter" dafür ein technisch wenig anspruchsvolles Programm namens "Gophish" genutzt. In Deutschland ist der brandenburgische Landtagsabgeordnete Danny Eichelbaum von der CDU Ziel eines Cyberangriffs von "Ghostwriter" geworden. Im Frühjahr 2021 warnte ihn der Verfassungsschutz. "Man fragt sich: Warum wurde gerade ich ausgesucht?", sagt Eichelbaum. "Sind schon Daten verwendet worden? Was ist mit den Daten geschehen?" Eichelbaum bezweifelt, dass er bei der "Ghostwriter"-Fälschung damals tatsächlich sein Passwort eingegeben hat - ist sich aber nicht sicher. Eine öffentliche Reaktion der Angreifer blieb in seinem Fall offenbar aus. Zugriff auf Social-Media-Konten Haben die Angreifer erst einmal Zugang zum E-Mail-Konto ihrer Opfer, könnten sie etwa deren Adressbücher kopieren, sagt Mesic. Sie könnten "auch den Zugang zu dem E-Mail-Konto nutzen für Folgeaktivitäten, für Desinformationsoperationen und sich Zugang verschaffen zu den Social-Media-Accounts". So etwas könne gravierende Folgen haben - etwa während eines Wahlkampfs. Die Angreifer wollen den Ruf ihrer Opfer ruinieren. In Polen kaperte "Ghostwriter" den Twitter-Account eines ranghohen Politikers der regierenden PiS-Partei und veröffentlichte darauf Fotos, die eine Politikerin in intimen Posen zeigen sollte. Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang warnt, russische Cyberangriffe könnten künftig zudem der Sabotage dienen. In anderen Ländern sei es zu schwerwiegenden Fällen gekommen - etwa in der Ukraine, wo russische Dienste die Stromversorgung angegriffen hatten. "Das sind Fähigkeiten, die vorhanden sind und von denen man annehmen kann, dass sie im Bedarfsfall auch gegen Deutschland eingesetzt würden." Der Film "Im Visier des Kreml - Russische Spionage gegen Deutschland" - in der ARD-Mediathek | /investigativ/kontraste/russland-spionage-verfassungsschutz-101.html |
2023-03-30 | Charles III. würdigt deutsche Ukraine-Hilfe | Rede im Bundestag | In einer Rede vor dem Bundestag hat König Charles III. die deutsche Unterstützung für die Ukraine gewürdigt. Sie sei "mutig, wichtig und willkommen", so der Monarch. Er betonte dabei Deutschlands und Großbritanniens Führungsrolle.
mehr | In einer Rede vor dem Bundestag hat König Charles III. die deutsche Unterstützung für die Ukraine gewürdigt. Sie sei "mutig, wichtig und willkommen", so der Monarch. Er betonte dabei Deutschlands und Großbritanniens Führungsrolle. Der britische König Charles III. hat die umfangreiche deutsche Hilfe für die Ukraine im Verteidigungskampf gegen Russland gewürdigt. "Der Entschluss Deutschlands, der Ukraine so große militärische Unterstützung zukommen zu lassen, ist überaus mutig, wichtig und willkommen", sagte der Monarch in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag. "Deutschland und das Vereinigte Königreich haben eine wichtige Führungsrolle übernommen." Als größte europäische Geber hätten beide Länder entschlossen reagiert und Entscheidungen getroffen, die früher vielleicht unvorstellbar gewesen wären, sagte Charles weiter. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine habe unvorstellbares Leid über viele unschuldige Menschen gebracht. "Zahllose Leben wurden zerstört, Freiheit und Menschen wurden brutal mit den Füßen getreten. Die Sicherheit Europas ist ebenso bedroht wie unsere demokratischen Werte." In seiner teils auf Deutsch gehaltenen Rede sprach der Monarch die engen Verflechtungen beider Länder an - vom Handel zu Zeiten der Hanse bis zu kulturellen und anderen Aspekten. Er nannte etwa die Beatles und die deutsche Band Kraftwerk, die Komiker von Monty Python oder den Sieg Englands gegen Deutschland im Finale der Fußball-Europameisterschaft 2022 der Frauen. Der Auftritt im Bundestag war der zentrale Programmpunkt am zweiten Tag des Staatsbesuchs von König Charles und Königsgemahlin Camilla, die mit ihrem Mann in das Reichstagsgebäude gekommen war. Bas hebt deutsch-britische Verbundenheit hervor Zur Begrüßung des Königs hielt auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eine Rede im Parlament. Sie betonte die starke deutsch-britische Verbundenheit und Zusammenarbeit. "Großbritannien und Deutschland sind und bleiben enge Verbündete und vertrauensvolle Partner", sagte sie. Dies gelte auch nach der Entscheidung Großbritanniens, die Europäische Union zu verlassen. Bas dankte für den "unverzichtbaren und großen Beitrag" des Vereinigten Königreichs zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus und die Freundschaft mit Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Parlamentspräsidentin erinnerte auch an die im vergangenen Jahr gestorbene Mutter des Königs. Zeit ihres Lebens habe sich Queen Elizabeth II. für die Aussöhnung beider Länder eingesetzt. Charles und Camilla kamen begleitet von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz in den Plenarsaal. Auf der Ehrentribüne nahmen unter anderem die ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck und Christian Wulff an der Veranstaltung teil. Königspaar reist weiter nach Hamburg Steinmeier hatte das Königspaar am Mittwoch nach dessen Landung auf dem Flughafen Berlin-Brandenburg mit militärischen Ehren empfangen - zum ersten Mal vor dem Brandenburger Tor. Bereits auf dem Flughafen waren die Royals mit 21 Salutschüssen, den Überflügen zweier Eurofighter und einem militärischen Ehrenspalier empfangen worden. Am dritten und letzten Tag des Staatsbesuchs fährt das Königspaar am Freitag nach Hamburg. Für Charles ist es die erste Auslandsreise in seiner neuen Rolle als König, die er nach dem Tod seiner Mutter im September übernommen hatte. | /inland/charles-bundestag-rede-101.html |
2023-03-30 | Union und FDP wollen Asylrecht verschärfen | Flüchtlingspolitik | Die Union fordert eine Verschärfung des Asylrechts. Die "Grenzen der Belastbarkeit" seien mancherorts überschritten, sagte CDU-Chef Merz vor einem Treffen mit Kommunalpolitikern. Auch in der FDP gibt es Stimmen für Veränderungen.
mehr | Die Union fordert eine Verschärfung des Asylrechts. Die "Grenzen der Belastbarkeit" seien mancherorts überschritten, sagte CDU-Chef Merz vor einem Treffen mit Kommunalpolitikern. Auch in der FDP gibt es Stimmen für Veränderungen. In Union und FDP werden Forderungen lauter, das Asylrecht zu verschärfen und illegale Zuwanderung zu begrenzen. Vor dem für heute angesetzten Kommunalgipfel der Union zur Flüchtlingskrise warf der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Flüchtlingspolitik Fahrlässigkeit vor. Heute Nachmittag lädt Merz Kommunalpolitiker zum "Flüchtlingsgipfel" nach Berlin ein. Erwartet werden etwa 700 Landräte und Bürgermeister. Die CDU/CSU-Opposition will dabei die Probleme bei der Unterbringung von Flüchtlingen diskutieren. "Die Kommunen flehen den Kanzler an" Der "Bild" sagte Merz: "Die Kommunen flehen den Kanzler an, endlich zu handeln." Das Verhalten des Kanzlers erschüttere das Vertrauen der europäischen Partner in Deutschland. "Europa braucht jetzt endlich einen gemeinsamen Weg in der Asylpolitik." Der CDU-Chef sagte, es gebe auch in Deutschland "Grenzen der Belastbarkeit". Die seien "vielerorts erreicht, wenn nicht sogar in einigen Städten und Gemeinden überschritten. Wir müssen daher irreguläre Zuwanderung auf ein handhabbares Maß begrenzen". Mit 30.000 Asylanträgen pro Monat liege Deutschland "aktuell weit über dem Richtwert" der früheren Bundesregierung von 200.000 pro Jahr, so Merz. Konkret forderte er mehr Schutz der EU-Außengrenzen und Asylzentren an den Grenzen. "Asylverfahren sollten möglichst an der Grenze der Europäischen Union durchgeführt werden, zum Beispiel durch grenznahe Aufnahme- und Entscheidungszentren." Bayern stellt Höhe der Sozialleistungen infrage Unterdessen stellte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Höhe der Sozialleistungen für Asylbewerber infrage. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte er, Deutschland zahle im europäischen Vergleich die höchsten Sozialleistungen an Asylbewerber. Gleichzeitig sei die Neuverschuldung wegen der Energiekrise und des Krieges gegen die Ukraine höher. "Wir müssen mal ernsthaft darüber nachdenken, ob wir uns das auf Dauer leisten können. Das ist ein Anziehungseffekt, über den man reden muss." Herrmann forderte zudem von der Bundesregierung, den Zuzug zu begrenzen und die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern zu beschleunigen. Dafür müsse die Bundesregierung Druck auf die Herkunftsländer machen, ihre Staatsangehörigen wieder zurückzunehmen. Positionspapier der FDP Wie die Mediengruppe Bayern berichtet, haben zwei FDP-Politiker ein Positionspapier verfasst, das mehr Ordnung und Konsequenz in der gesamten Migrationspolitik fordert. Fraktions-Vize Konstantin Kuhle und der Parlamentarische Geschäftsführer Stephan Thomae fordern demnach, dass Asylanträge künftig auch in Drittstaaten geprüft werden können. Auch sollten die Kompetenzen der Bundespolizei bei Rückführungen von ausreisepflichtigen Personen erweitert werden. Darüber hinaus fordern die Autoren eine "Rückführungsoffensive der Bundesländer". Kühnert warnt vor Vergiftung der Debatte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warnte vor einer Vergiftung der Debatte. "Wenn die Union sich in der Migrationspolitik einbringen will, dann wäre es gut, wenn sie diesmal der Versuchung widerstehen würde, mit Sozialtourismus-Parolen und vergleichbarem Getöse die Debatte zu vergiften", sagte Kühnert dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Herausforderungen, wie etwa der Wohnraummangel, seien allen klar, so Kühnert. "Innenministerin Nancy Faeser hat deshalb längst ein geordnetes Verfahren eingeleitet. Dabei geht es unter anderem um die Mobilisierung von Bundesliegenschaften, aber auch um die Digitalisierung der Prozesse in den Kommunen." Auch der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Bernhard Daldrup, betonte, die Bundesregierung sei "längst mit den Kommunen im Gespräch über die aktuellen Herausforderungen". "Wochen nach unserer Migrationskonferenz kommt das Thema bei der Union an", so Daldrup weiter. Der Bund zahle bereits Milliarden für die Kommunen bei der Unterbringung von Geflüchteten, bei der Schaffung von Kitaplätzen oder bei der Organisation von Integrationskursen. Daldrup sieht dabei vorrangig die Bundesländer in der Pflicht, welche die finanziellen Mittel an die Kommunen weiterleiten müssten. | /inland/innenpolitik/union-asylrecht-101.html |
2023-03-30 | Russe auf der Flucht festgenommen | Tochter malte Antikriegsbild | Nachdem seine damals zwölfjährige Tochter ein Antikriegsbild gemalt hatte, wurde Alexej Moskaljow kürzlich in Russland zu zwei Jahren Haft verurteilt. Bisher befand sich der Vater auf der Flucht - nun wurde er in Minsk festgenommen.
mehr | Nachdem seine damals zwölfjährige Tochter ein Antikriegsbild gemalt hatte, wurde Alexej Moskaljow kürzlich in Russland zu zwei Jahren Haft verurteilt. Bisher befand sich der Vater auf der Flucht - nun wurde er in Minsk festgenommen. Der zu zwei Jahren Haft verurteilte russische Vater eines Mädchens, das ein Antikriegsbild gemalt hatte, ist nach Angaben seines Anwalts auf der Flucht festgenommen worden. "Ja, er wurde in Gewahrsam genommen", sagte Anwalt Dmitri Sachwatow der Nachrichtenagentur Reuters. Details nannte er nicht. Alexej Moskaljow war in der Nacht zu Dienstag vor Verkündung des Strafmaßes aus dem Hausarrest geflohen. Das russischsprachige Nachrichtenportal Sota meldete, der 54-Jährige sei in Minsk festgenommen worden, der Hauptstadt des Russland-Verbündeten Belarus. Antikriegsbild mit Schriftzug "Ruhm der Ukraine" Moskaljow war für schuldig befunden worden, die russische Armee in den Online-Netzwerken "diskreditiert" zu haben. Nach Angaben des Anwalts und von Aktivisten erregten im vergangenen Frühjahr zunächst Zeichnungen der Tochter die Aufmerksamkeit der Behörden. Die damals Zwölfjährige hatte in der Schule ein Antikriegsbild mit dem Schriftzug "Ruhm der Ukraine" gezeichnet. Darauf zu sehen sind laut den Nachrichtenagenturen AFP und Reuters auch russische Raketen, die auf eine ukrainische Mutter und ein Kind gerichtet sind. Die Schulleitung schaltete umgehend die Polizei ein. Vater stand seit März unter Hausarrest Daraufhin wurde der Vater einen Tag später erstmals auf die Polizeistation gebracht und eine Geldstrafe gegen ihn verhängt. Als dann im Winter kriegskritische Kommentare seiner Tochter im Internet auftauchten, durchsuchten die Behörden Moskaljows Wohnung und leiteten das Strafverfahren ein, weil er Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine kritisiert habe - so der Vorwurf. Seit März stand Moskaljow unter Hausarrest, ihm wurde das Sorgerecht für seine Tochter zunächst vorläufig entzogen. Laut Moskaljows Anwalt könnte sein Mandant in einem weiteren Verfahren Anfang April das Sorgerecht endgültig verlieren. Nach seinen Angaben wurde das Mädchen inzwischen unter Vormundschaft gestellt und könnte nun "binnen eines Monats in ein Waisenhaus" gebracht werden. | /ausland/europa/antikriegsbild-vater-russland-101.html |
2023-03-30 | Wer sind die größten Kapitalvernichter? | "Faule Äpfel" im Depot | Jedes Jahr stellen die DSW-Anlegerschützer die 50 größten Flops am Kapitalmarkt vor. Dieses Mal waren Immobilienunternehmen vorn dabei. Welche Unternehmen haben Anlegern die größte Verluste beschert? Von A. Mannweiler. | Jedes Jahr stellen die DSW-Anlegerschützer die 50 größten Flops am Kapitalmarkt vor. Dieses Mal waren Immobilienunternehmen vorn dabei. Welche Unternehmen haben Anlegern die größte Verluste beschert? Von Antonia Mannweiler, tagesschau.de Für die Unternehmen ist es eine unrühmliche Ehre, auf der Watchlist der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) zu landen - für Anleger ist es ein hilfreiches Werkzeug für die Sichtung ihres Depots. Denn darin veröffentlicht die Aktionärsvereinigung jährlich die 50 größten Kapitalvernichter der vergangenen Jahre, die im Prime Standard der Deutschen Börse notiert sind. In der heute veröffentlichten Liste haben es dabei zwei Immobilienunternehmen ganz nach oben - oder besser - ganz nach unten geschafft. Die rote Laterne für die schlechteste Entwicklung der vergangenen Jahre hielt die Corestate Capital Holding mit der am niedrigsten zu erreichenden Punktzahl: minus 1000. Diese Punktzahl erreichte der Immobilienfinanzierer dabei sowohl für DSW-Watchlist für die reine Kursentwicklung ohne Dividendenzahlungen, wie auch für die sogenannte Performance-Watchlist, in der Dividenden mit einfließen. Immobilienunternehmen und Uniper führen Liste an Dabei mussten Anleger des in Schieflage geratenen Immobilieninvestors in den vergangenen fünf Jahren nahezu einen Totalverlust von 99 Prozent (ohne Dividende) verschmerzen. In dem Zeitraum hat sich der Wert der Aktie von 50 Euro auf 40 Cent nahezu pulverisiert. In der Kurs- und Performance-Liste der DSW wird die Kursentwicklung der vergangenen Jahre verglichen. Dabei fließt also nicht nur das letzte Jahr in die Bewertung mit ein, sondern auch die letzten drei und fünf Jahre, wobei der fünfjährige Zeitraum das höchste Gewicht erhält. Auch der schmucklose zweite Platz wird von keinem unbekannten Namen in der Immobilienbranche besetzt: Mit einem Wertverlust von 96 Prozent in den vergangenen fünf Jahren positioniert sich die Adler Group direkt hinter der Corestate Capital Holding. Den dritten Platz der größten Kapitalvernichter der vergangenen Jahre belegt ohne große Überraschung der mittlerweile verstaatlichte Gaskonzern Uniper, der in finanzielle Schieflage geraten war, nachdem Russland die Gaszufuhr nahezu stoppte. Liste ein "Warnsignal" "Insgesamt ist es jedoch ein Warnsignal, das man als Aktionär ernst nehmen sollte, wenn eine der Gesellschaften, die man im Depot hat, auf einer DSW-Watchlist auftaucht", sagt DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler bei der Vorstellung. Die Watchlist sei ein "Wake-Up Call" für alle Anleger. Gerade Unternehmen, die schon vor der Pandemie angeschlagen gewesen seien, fänden sich in einer besonders prekären Situation wieder. Wer bisher Probleme mit seinem Geschäftsmodell gehabt habe, werde sie 2023 erst recht haben. "Die wahre Nagelprobe kommt erst noch." Unter den größten zehn Flops der Kurs-Watchlist waren in dem diesjährigen Ranking nur vier Unternehmen gelistet, die dort dort auch vergangenes Jahr standen. Das galt für die Adler Group, die Biotech-Unternehmen 4SC und Epigenomics - dem letztjährigen Spitzenreiter -, sowie dem Online-Sportwetten-Portal bet-at-home.com. Alle anderen sechs Werte zählten zu den Neuzugängen. Auf Unternehmen mit hoher Verschuldung achten Weiter unten auf der Liste tauchen aber auch bekanntere und größere Unternehmen auf, etwa aus der ersten deutschen Börsenliga. So reiht sich der DAX-Automobilzulieferer Continental auf dem 35. Platz hinter dem Gesundheitsriesen Fresenius Medical Care ein. Andere große Namen tummelten sich ebenfalls in der Kurs-Watchlist der DSW - dank einer miserablen Wertentwicklung in den vergangenen fünf Jahren: Ceconomy (-84 Prozent), 1&1 AG ( -83 Prozent), Thyssenkrupp (-76 Prozent), Fraport (-57 Prozent). Auch der Immobilienriese Vonovia, dessen Kurs im vergangenen Jahr erheblich gelitten hat, hat es noch auf den letzten Platz in der DSW-Kurs-Watchlist (Platz 50) geschafft. Anfang des Jahres hat Deutschlands größter Immobilienkonzern angekündigt, alle für dieses Jahr vorgesehenen Neubauprojekte auf Eis zu legen. Steigende Zinsen und hohe Baukosten machen der Immobilienbranche derzeit besonders zu schaffen. Tüngler weist aufgrund des mittlerweile deutlich angezogenen Zinsniveaus auch darauf hin, als Anleger besonders auf Unternehmen zu achten, die unter einer hohen Verschuldung litten und bei denen in den nächsten Monaten und Jahren eine Refinanzierung anstehe. Besonders hohe Dividenden hinterfragen Auch merkt er an, dass noch lange nicht alles gut sei, wenn Unternehmen eine Dividende zahlten - das zeige die Performance-Watchlist, in der Dividenden mit in die Bewertung einfließen. In der Regel sei die Dividende ein Hinweis auf ein funktionierendes, weil Gewinn abwerfendes Geschäftsmodell. Das müsse aber eben nicht so sein. So könne die Dividende aus der Substanz kommen oder auf Sondereffekten beruhen. Bei besonders hohen Dividendenrenditen sollten Anleger vorsichtig sein, oder die hohe Dividenden zumindest hinterfragen. Dass die Kurs- der Performance-Watchlist nahezu gleicht, erklärt die Aktionärsvereinigung damit, dass die Unternehmen, die es in die Liste schaffen, in der Regel keine Dividenden zahlen aufgrund eines Geschäftsmodells, das nicht mehr gut - oder zumindest vorübergehend schlecht - funktioniert. | /wirtschaft/dsw-kapitalvernichter-aktionaere-dividenden-dax-101.html |
2023-03-30 | Bahn erwartet neuen Milliardenverlust | Prognose für 2023 | Die Deutsche Bahn konnte im vergangenen Jahr ihre Verluste verringern. Dennoch schreibt der Konzern unter dem Strich rote Zahlen. Im laufenden Jahr dürfte das Minus laut Bahn-Spitze wieder ansteigen.
mehr | Die Deutsche Bahn konnte im vergangenen Jahr ihre Verluste verringern. Dennoch schreibt der Konzern unter dem Strich rote Zahlen. Im laufenden Jahr dürfte das Minus laut Bahn-Spitze wieder ansteigen. Die Deutsche Bahn ist trotz wieder rasant gestiegener Passagierzahlen und eines Rekordergebnisses der Logistik-Tochter Schenker 2022 nicht aus den roten Zahlen gekommen. Bei einem Umsatz von 56,3 Milliarden Euro stand unter dem Strich ein Minus von rund 227 Millionen Euro, wie die Konzernspitze heute mitteilte. Im operativen Geschäft schwarze Zahlen Vor Steuern und Zinsen stieg der Gewinn auf 1,3 Milliarden Euro. Operativ schreibe der Konzern "wieder schwarze Zahlen", sagte Konzernchef Richard Lutz. Allerdings geht das Management davon aus, dass sich dies im Lauf des Jahres ändert. Vor allem wegen der hohen Energiekosten rechnet die Bahn mit einem Minus vor Steuern und Zinsen von einer Milliarde Euro. Die Bahn äußerte sich optimistisch zur Entwicklung der Passagierzahlen nach der Corona-Pandemie. 2022 stiegen 132 Millionen Reisende in IC- und ICE-Züge - das sind 61 Prozent mehr als im Jahr davor. Für dieses Jahr erwartet der Konzern 155 Millionen Reisende - was ein neuer Rekord wäre. Nur 65 Prozent der Züge pünktlich "Klimafreundliche Mobilität boomt", sagte Bahnchef Richard Lutz. "Die Nachfrage stimmt und wächst aktuell weiter stark". 2023 könnte es im Fernverkehr 150 Millionen Reisende geben; auch das wäre eine neue Rekordzahl. Dabei waren die Fernzüge so unpünktlich wie noch nie: Nur 65,2 Prozent kamen 2022 pünktlich ans Ziel, wie die DB erklärte. Dass die Bahn im vergangenen Jahr nicht tiefer in die roten Zahlen fuhr, verhinderte vor allem die internationale Logistik-Tochter Schenker, die einen Rekordgewinn einfuhr. Die Bahn prüft derzeit den Verkauf von Schenker, der Finanzkreisen zufolge um die 15 Milliarden Euro bringen könnte. | /wirtschaft/unternehmen/deutsche-bahn-213.html |
2023-03-30 | Volle Speicher vor nächstem Winter erwartet | Gasversorgung in Deutschland | Die Heizperiode ist bald zu Ende - und die Gasspeicher können sich wieder füllen. Netzagentur-Chef Müller ist optimistisch, dass auch vor Beginn der nächsten kalten Jahreszeit der Füllstand hoch sein wird.
mehr | Die Heizperiode ist bald zu Ende - und die Gasspeicher können sich wieder füllen. Netzagentur-Chef Müller ist optimistisch, dass auch vor Beginn der nächsten kalten Jahreszeit der Füllstand hoch sein wird. Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller erwartet gut gefüllte Erdgasspeicher auch vor Beginn der nächsten Heizperiode. "Wir kommen jetzt mit relativ vollen Speichern aus dem Winter. Das wird helfen, die Speicher über den Sommer ohne russisches Pipeline-Gas zu befüllen", sagte Müller der Nachrichtenagentur dpa. Russland hatte seine Erdgaslieferungen nach Deutschland Ende August 2022 eingestellt. Die aktuelle Heizperiode nähert sich langsam ihrem Ende. Für die Gas-Speicherbetreiber endet das sogenannte Speicherjahr Ende März. Im vergangenen Winter waren die Speicher randvoll in die Heizperiode gegangen: Am Morgen des 14. November 2022 war ein Gesamtfüllstand von 100 Prozent verzeichnet worden. Füllstand bei gut 64 Prozent Die Speicher gleichen Schwankungen beim Gasverbrauch aus und bilden damit ein Puffersystem für den Markt. Im Winter nehmen die Füllstände üblicherweise ab. Heute früh lag der Gesamtfüllstand bei 64,2 Prozent. Das waren 0,2 Prozentpunkte weniger als am Vortag, wie aus vorläufigen Daten des europäischen Gasspeicherverbandes GIE hervorging. Der bislang geringste Füllstand des laufenden Jahres war am 17. März mit 63,67 Prozent verzeichnet worden. Zum Vergleich: Ein Jahr zuvor am 17. März 2022 waren die deutschen Speicher nur zu 24,56 Prozent gefüllt gewesen. Für die Betreiber der deutschen Gasspeicher ist der Winter beendet. "Vor dem Hintergrund ansteigender Temperaturen können wir den Winter mittlerweile als abgeschlossen ansehen", sagte der Geschäftsführer des Gasspeicherverbandes Ines, Sebastian Bleschke, vergangene Woche. In den kommenden Tagen und Wochen könne es bei kälteren Temperaturen auch wieder zu Ausspeicherungen kommen. "Wir werden aber sicher zunehmend in die Einspeicherphase übergehen." Neben der Entnahme aus den Speichern fließt weiter dauerhaft Gas durch Pipeline-Importe und auch Lieferungen von Flüssigerdgas (LNG) nach Deutschland. Laut Bundesnetzagentur erhält Deutschland Erdgas aus Norwegen, den Niederlanden, Belgien und über neue LNG-Terminals an den deutschen Küsten. Dort sind mittlerweile drei Spezialschiffe im Einsatz, die tiefgekühltes, verflüssigtes Erdgas wieder in einen gasförmigen Zustand bringen und es dann in das Fernleitungsnetz einspeisen. "Weiterhin sparsam Gas verbrauchen" Bundesnetzagentur-Chef Müller warnte dennoch: "Wir werden auch für den nächsten Winter volle Speicher brauchen. Wenn der nächste Winter deutlich kälter wird, werden wir auch deutlich mehr Gas brauchen." Er bezeichnet die Speicherbefüllung im vergangenen Jahr als "großen Erfolg". "Volle Speicher, milde Temperaturen und Einsparungen haben maßgeblich dazu beigetragen, dass wir gut durch den vergangenen Winter gekommen sind." Müller mahnte weiterhin Sparsamkeit an. "Wir müssen auch den nächsten Winter gut vorbereiten. Dazu gehört, dass wir weiterhin sparsam Gas verbrauchen." Wenn darüber hinaus die Gaslieferungen anhielten, die geplanten weiteren LNG-Terminals in Betrieb gingen und es nicht zu kalt werde, "können wir auch gut durch den nächsten Winter kommen". | /wirtschaft/speicher-bundesnetzagentur-gas-russland-101.html |
2023-03-30 | Aufstand der Wissenschaftler | Neues Gesetz geplant | Mit einem neuen Gesetz will das Bildungsministerium Wissenschaftskarrieren reformieren. Junge Wissenschaftler sollen sich dann in nur drei Jahren für eine Professur qualifizieren. Unsinnig, sagen Kritiker. Von Svea Eckert. | Mit einem neuen Gesetz will das Bildungsministerium Wissenschaftskarrieren reformieren. Junge Wissenschaftler sollen sich dann in nur drei Jahren für eine Professur qualifizieren. Unsinnig, sagen Kritiker. Man könnte meinen, das, was Meereswissenschaftler Julian Lilkendey erforscht, sei von hohem Interesse. Schließlich analysiert er die Auswirkungen des Klimawandels auf Fische und marine Ökosysteme. Er hat am Leibniz Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen promoviert, mehrere Auslandsaufenthalte hinter sich und Erfahrung als Projektmanager von Forschungsvorhaben. Doch statt an einer Universität seine Forschung weiter voranzutreiben, durchforstet er Jobportale nach offenen Stellen und schreibt am häuslichen Küchentisch an Forschungsanträgen und wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Die Familie lebt vom Gehalt seiner Frau. Der 36-Jährige ist nur ein Beispiel, wie es vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland derzeit geht, die für ihr Fach brennen, aber nach bestandener Doktorarbeit immer wieder auf befristeten Verträgen angestellt werden und dazwischen oftmals arbeitslos sind. "Für mich als Wissenschaftler ist es eine sehr bedrückende Situation. Ich bin kontinuierlich auf der Suche nach einer neuen Anstellung und habe die ständige Angst, meinen Job zu verlieren", beschreibt Lilkendey seine Situation. Dem Bundesbericht für wissenschaftlichen Nachwuchs zufolge arbeiten 92 Prozent aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter 45 Jahren in befristeten Anstellungen. In Folge gebe es ein verstecktes "Wissenschaftsprekariat" ohne Perspektive, sagt Kristin Eichhorn von der Initiative #ichbinhanna, einem Verbund aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich für bessere Arbeitsbedingungen in Forschung und Lehre einsetzen. Die Doktorarbeit auf Hartz IV Genau das wollte man im Bundesministerium für Forschung und Bildung eigentlich ändern. Mit dem neuen Wissenschaftszeitvertragsgesetz wollte man frühzeitige Perspektiven schaffen, mehr unbefristete Beschäftigung und familienfreundliches Forschen - so steht es in den Eckpunkten des Gesetzentwurfs. Doch nach der Veröffentlichung durch das Bundesministerium Mitte März, kam es zu einem Aufschrei über Fachrichtungen und Fakultäten hinweg. Binnen weniger Tage unterschrieben mehr als 2500 Professorinnen und Professoren in einer öffentlichen Unterschriftenliste, um das Gesetz zu verhindern. Wissenschaftstwitter kochte. In der Kritik steht vor allem die - nach Meinung zahlreicher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler - unrealistische Zahl von höchstens drei Jahren Befristung für die Zeit nach der Doktorarbeit, zur Qualifizierung für die Professur. Es sei völlig unrealistisch, in dieser kurzen Zeit die für eine Professur nötigen wissenschaftlichen Leistungen zu erbringen, sagt Amrei Bahr, ebenfalls von der Initiative #ichbinhanna. Andere unbefristete Stellen neben der Professur gebe es kaum. Auf die meisten Hochqualifizierten warte nach jahrelangen Kettenbefristungen das Karriereende in der Wissenschaft: Sie müssten sich im Alter von Ende 30, Anfang 40 beruflich umorientieren und gingen dem Wissenschaftsstandort verloren. Forschungsqualität in Gefahr Eine Vielzahl von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hangele sich bis zur Professur von Projekt zu Projekt, von Befristung zu Befristung. "Ich arbeite inzwischen auf meinem zwölften Kettenvertrag", berichtet Jennifer Henke, die eine Vertretungsprofessur in Anglistik an der Universität Greifswald innehat. Die 43-Jährige weiß nicht, wie es im September weiter geht. Seit 2020 hat sie die zwölf Jahre erreicht, die eine Befristung maximal laufen kann. "Irgendwann ist es normal, dass man in ständiger Existenzangst lebt", berichtet sie. Dass diese Befristungspolitik der Universitäten auf die Forschungsqualität schlägt, zeigt ein Aufsatz, der kürzlich in der renommierten wissenschaftlichen Fachzeitschrift "Nature" erschienen ist. Aufgrund zu kurzer Laufzeiten von Verträgen würden Forschungsprojekte nicht zu Ende geführt - oder Kompetenz gehe verloren, weil Mitglieder von Forschungsgruppen diese vorzeitig verlassen, heißt es dort. "Da kann es schonmal sein, dass man im Labor teure Maschinen angeschafft hat, aber sie niemand mehr bedienen kann", erzählt Eichhorn. Abwanderung junger Wissenschaftler "Im Ausland schüttelt man da nur den Kopf", sagt Milena Schönke dazu. Die Nachwuchswissenschaftlerin, die an Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes forscht, arbeitet inzwischen an einer Universität in den Niederlanden. Eigentlich hatte sie geplant, für die Zeit nach dem Doktor bis zur Professur wieder zurück nach Deutschland zu kommen. Schließlich hat sie an der Universität Göttingen studiert. Doch die Bedingungen seien einfach deutlich schlechter. In den Niederlanden gebe es unbefristete Verträge auch für den akademischen Mittelbau, also für alle, die nicht unbedingt Professor werden wollen, aber für Lehre und Forschung brennen. Das Ganze sei mittel- und langfristig ein Problem für den Forschungsstandort Deutschland. Denn der sei mit den Befristungen und Zeitbegrenzungen deutlich unattraktiver als das Ausland. "Am Ende ist es auch ein Problem für die Steuerzahler, wenn hier die Leute gut ausgebildet werden und dann abwandern", sagt Schönke. Aus ihrem Studiengang der Molekularmedizin sei von etwa 25 Absolventinnen und Absolventen nur eine an eine deutsche Universität gegangen. Alle anderen seien in die Wirtschaft oder ins Ausland abgewandert, auch weil die Gehälter deutlich besser seien. Gesetz "zurück in die Montagehalle" Das Ministerium hat inzwischen das Gesetz wieder "zurück in die Montagehalle" gerufen, heißt es von der Staatssekretärin. Man will also nachbessern. Dazu trifft sich die Ministerin Bettina Stark-Watzinger mit verschiedenen Vertretern aus der Wissenschaft, darunter Mitgliedern der Hochschulrektorenkonferenz, der Wissenschaftlerinitiative #ichbinhanna und dem Deutschen Hochschulverband. In einer zweistündigen Anhörung und nachfolgenden Debatten will man vor allem Zuhören, um dann an einzelnen Punkten nachzujustieren. "Das allein kann nur ein Startpunkt sein", sagt Amrei Bahr von der Initiative #ichbinhanna. Es brauche weitere Umgestaltungsmaßnahmen in anderen Bereichen in der Finanzierung der deutschen Wissenschaft. Weg vom kurzfristigen, projektbasierten Denken. Wichtig seien vor allem Perspektiven und unbefristete Arbeitsverträge, um Qualität zu schaffen und kluge Köpfe zu halten. | /inland/gesellschaft/wissenschaft-zeitvertragsgesetz-protest-101.html |
2023-03-30 | VW lehnt Einigung in Brasilien ab | Vorwurf der Sklavenarbeit | Volkswagen hat eine Einigung wegen mutmaßlicher Sklavenarbeit auf einer werkseigenen Rinderfarm in Brasilien abgelehnt. Eine Tochterfirma soll dort hunderte Arbeiter ausgebeutet haben. Nun will die Staatsanwaltschaft klagen. Von Anne Herrberg. | Volkswagen hat eine Einigung wegen mutmaßlicher Sklavenarbeit auf einer werkseigenen Rinderfarm in Brasilien abgelehnt. Eine Tochterfirma soll dort hunderte Arbeiter ausgebeutet haben. Nun will die Staatsanwaltschaft klagen. Die Vorwürfe gegen Volkswagen wiegen schwer: Auf einer werkseigenen Rinderfarm am Amazonas soll eine brasilianische Tochterfirma des deutschen Autobauers Volkswagen während der Militärdiktatur hunderte Menschen unter sklavenartigen Zuständen eingesperrt haben. Es habe ein System der Gewalt gegeben, sagt der ehemalige Arbeiter José Perreira: "Wenn jemand versuchte zu fliehen, sind die Aufpasser hinter ihnen her und haben sie verprügelt oder angeschossen." Menschenhandel, Folter und Mord sind die Vorwürfe Die brasilianische Justiz spricht von Menschenrechtsverletzungen in hunderten Fällen, es geht um Menschenhandel, Sklavenarbeit, Folter und Mord, die sich auf der Farm in den 1970er- und 1980er-Jahren ereignet haben sollen. Die Verbrechen sollen von Arbeitsvermittlern verübt worden sein, bei denen Volkswagen die Rodungsarbeiten in Auftrag gegeben hatte, und ihren bewaffneten Aufpassern. Der Autokonzern hatte die Farm gegründet, weil er damals ins Fleischgeschäft einsteigen wollte. Staatsanswalt sieht erdrückende Beweislast Die Staatsanwaltschaft forderte den Autobauer bereits vor einem Jahr zu Entschädigungszahlungen auf. Doch nach mehreren Anhörungen gab es gestern nun die definitive Absage: Volkswagen do Brasil lehnt eine Einigung ab, wie das Unternehmen auf Anfrage der ARD schriftlich mitteilte: Volkswagen do Brasil weist alle in den Akten der vorliegenden Untersuchung erhobenen Behauptungen über die Fazenda Vale do Rio Cristalino zurück und stimmt den einseitigen Tatsachenbehauptungen Dritter nicht zu. Und das, obwohl die Staatsanwaltschaft von einer erdrückenden Beweislast spricht. Rafael Garcia, zuständiger Jurist der Behörde in Rio de Janeiro, zeigte sich enttäuscht: "Wir gingen davon aus, dass Volkswagen in Übereinstimmung mit den Werten handelt, die es behauptet zu haben. Dazu gehört auch die historische Wiedergutmachung der Menschenrechtsverletzungen, die unter ihrer Verantwortung begangenen wurden." Mutterkonzern schweigt Der Mutterkonzern in Wolfsburg hat sich bislang noch nicht inhaltlich zu den Vorwürfen geäußert. Volkswagen erklärte aber, die Vorwürfe ernst zu nehmen. Indes hatte schon vor fünf Jahren der Historiker Christopher Kopper im Auftrag von VW die Vorwürfe aufgearbeitet und umfänglich bestätigt: "Vielleicht ist es eine gewisse Scham und Ratlosigkeit, wie man damit umgeht", so Kopper. Schon 2017 habe er den Komplex der Farm in seinen Studien behandelt. "Und Volkswagen darauf hingewiesen, dass damals auch VW Fremdarbeitskräfte eingesetzt hatte, die von Sklavenantreibern an VW vermittelt wurden." Eine Reaktion auf die eigens beantragte Studie blieb aus. Das ließ Platz für Ermittlungen - weswegen die Staatsanwaltschaft nun vor Gericht ziehen will. In Brasilien und wenn notwendig auch in Deutschland. | /wirtschaft/weltwirtschaft/vw-brasilien-121.html |
2023-03-30 | Zahl der Straftaten in Deutschland gestiegen | Kriminalstatistik für 2022 | 2022 ist erstmals seit fünf Jahren die Zahl der Straftaten wieder gestiegen - um 11,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik war der Anstieg bei Raubdelikten, Wirtschaftskriminalität und Diebstahl besonders stark.
mehr | 2022 ist erstmals seit fünf Jahren die Zahl der Straftaten wieder gestiegen - um 11,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik war der Anstieg bei Raubdelikten, Wirtschaftskriminalität und Diebstahl besonders stark. Die Kurve in der Kriminalstatistik ging jahrelang herunter - jetzt steigt sie zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik wurden im vergangenen Jahr bundesweit mehr als 5,6 Millionen Straftaten registriert. Das sind 11,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Aufklärungsquote sank im gleichen Zeitraum um 1,4 Prozentpunkte auf 57,3 Prozent. Besonders stark war der Anstieg 2022 unter anderem bei den Delikten Taschendiebstahl, Ladendiebstahl, Wohnungseinbrüchen, Wirtschaftskriminalität und bei Raubdelikten. Dass die Zahl der strafrechtlich relevanten Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht, das Asyl- und das EU-Freizügigkeitsgesetz zunahm, dürfte mit dem deutlichen Anstieg der Zahl der unerlaubten Einreisen zusammenhängen. Hier sowie bei den Eigentumsdelikten spielt auch die Aufhebung von Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie eine Rolle. Diese Maßnahmen hatten irreguläre Grenzübertritte erschwert. Zudem hatten die Menschen in Deutschland in den Jahren 2020 und 2021 mehr Zeit als sonst in der heimischen Wohnung verbracht. Dadurch gab es weniger Tatgelegenheiten für Taschendiebe und Einbrecher. Zunahme der Gewaltkriminalität Bei der Gewaltkriminalität stellte die Polizei sowohl im Vergleich zum Vorjahr als auch im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 eine Zunahme fest. Mit rund 197.000 Fällen gab es den Angaben zufolge 2022 fast 20 Prozent mehr Fälle als im Vorjahr und knapp neun Prozent mehr als 2019. Auffällig ist, dass der Anteil der minderjährigen Tatverdächtigen bei der "Verbreitung pornografischer Schriften" mit rund 41 Prozent sehr hoch ist. Hier spielt nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes der Trend eine Rolle, dass Kinder und Jugendliche oft ohne zu wissen, dass dies strafbar ist, in Gruppenchats bei WhatsApp, Instagram, Snapchat oder auf anderen Kanälen unangemessene Bilder teilen. Insgesamt erfassten die Beamten rund 93.000 Verdächtige, die jünger als 14 Jahre alt waren. Das ist ein Anstieg von mehr als 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch die Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen steigt laut Statistik. Die häufigsten Taten bei Kindern und Jugendlichen sind Diebstahl, Körperverletzung und Sachbeschädigung. Kriminalstatistik zeigt nur das Hellfeld der Straftaten Das Bundeskriminalamt stellt die Daten für die Kriminalstatistik auf der Grundlage der von den 16 Landeskriminalämtern gelieferten Landesdaten zusammen. Das BKA weist zudem jedes Jahr darauf hin, dass die registrierten Fälle immer nur das sogenannte Hellfeld abbilden, also die Zahl der Straftaten, die der Polizei bekannt geworden sind. Ändert sich das Anzeigeverhalten - etwa weil sich aufgrund der Berichterstattung über eine bestimmte neue Betrugsmasche mehr Geschädigte melden - wird dieses Hellfeld größer. | /inland/straftaten-deutschland-kriminalstistik-101.html |
2023-03-30 | Ermittlungen gegen Aufseher nach tödlichem Brand | Migrationszentrum in Mexiko | Acht Sicherheitsbeamte haben laut der Staatsanwaltschaft den Migranten nicht geholfen, die bei einem Brand in einer Sammelstelle vom Feuer eingeschlossen waren. 39 Menschen starben. Die Aufseher hätten nur eine Tür öffnen müssen.
mehr | Acht Sicherheitsbeamte haben laut der Staatsanwaltschaft den Migranten nicht geholfen, die bei einem Brand in einer Sammelstelle vom Feuer eingeschlossen waren. 39 Menschen starben. Die Aufseher hätten nur eine Tür öffnen müssen. Nach dem Tod von 39 Migranten bei einem Brand in einer Unterkunft für Migranten in Nordmexiko ermitteln die Behörden wegen eines Tötungsdelikts gegen die Aufseher. Acht Angestellte stehen im Verdacht, für den Tod der eingesperrten Migranten verantwortlich zu sein, wie die mexikanischen Behörden mitteilten. "Keiner der Beamten und keiner der privaten Sicherheitsleute haben etwas unternommen, um die Tür für die Migranten zu öffnen, die sich im Inneren befanden, während es schon brannte", erkärte die auf Menschenrechtsfragen spezialisierte Staatsanwältin Sara Irene Herrerías Guerra bei einer Pressekonferenz. Ermittelt werde wegen eines "Tötungsdelikts", Körperverletzung und Sachbeschädigungen. Video zeigt weglaufende Sicherheitskräfte "Anstatt Leben zu retten, waren sie nicht in der Lage, eine Tür zu öffnen", sagte die Sicherheitsministerin Rosa Icela Rodríguez. Ein Migrant soll Matratzen in Brand gesteckt und damit das verheerende Feuer entfacht haben. Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigen, dass Sicherheitskräfte beim Ausbruch des Feuers in der Einrichtung der Nationalen Migrationsbehörde (INM) in der Stadt Ciudad Juárez wegliefen, anstatt die Migranten aus einem verschlossenen Raum herauszulassen. Bei den Wächtern, gegen die ermittelt wird, handele es sich um drei Beamte des Nationalen Instituts für Migration (INM) und fünf Mitglieder einer privaten Sicherheitsfirma. Es sollten mindestens vier Haftbefehle ausgestellt werden, sagte Herrerías. 39 Tote und 27 Verletzte Bei den 39 Todesopfern und den 27 Verletzten handelte es sich laut der Einwanderungsbehörde um Migranten aus Mittel- und Südamerika, die zuvor von den Behörden auf den Straßen von Ciudad Juárez aufgegriffen und in der Sammelstelle festgehalten worden waren. 16 Verletzte befänden sich in einem ernsten Zustand, teilte die Sicherheitsministerin mit. | /ausland/brand-mexiko-ermittlungen-101.html |
2023-03-30 | Rom will Ausnahmen für Biokraftstoffe | EU-weites Verbrenner-Aus | Nach langem Ringen schien das EU-weite Aus des Verbrennungsmotors besiegelt - doch nun kommt Widerstand aus Italien. Die Regierung will das Paket aufschnüren. Wie viel Druck macht die Wirtschaft? Von Jörg Seisselberg. | Nach langem Ringen schien das EU-weite Aus des Verbrennungsmotors besiegelt - doch nun kommt Widerstand aus Italien. Die Regierung will das Paket aufschnüren. Wie viel Druck macht die Wirtschaft? Jeden Morgen wird den Italienerinnen und Italienern politisch der Puls gemessen. Dann schaltet das erste Hörfunkprogramm der RAI in der Sendung "Radio anch'io" (zu Deutsch: "Radio, ich auch") seine Leitungen frei, damit die Hörerinnen und Hörer ihre Meinung zum Thema des Tages loswerden können. Emotionen sind dabei garantiert. Selten aber schwappte so viel Empörung aus dem Radio wie nach dem von der Europäischen Union beschlossenen Aus für Autos mit Verbrenner-Motor, trotz der am Ende eingearbeiteten Kompromisse - Stichwort: E-Fuels. In Sachen E-Mobilität ein Entwicklungsland "Also, hört mal her", sagt ein Mann, der sich als "Maurizio aus der Provinz Ancona" vorstellt. Alle würden "von diesen Elektroautos" reden, aber "ich fahre jetzt einen Panda, ein Elektroauto würde mich in der Anschaffung dreimal so viel kosten". Davide aus Mailand dagegen beklagt, wie "Europa darauf kommen" könne, "Benzinautos zu verbieten, wenn China, Indien, die USA so viel verschmutzen wie sie wollen". Und eine Frau schimpft über die wenigen Ladestationen im Land, die Elektromobilität in Italien bislang unmöglich machten. In Italien trifft der Brüsseler Beschluss für neue Autos ab 2035 auf eine Nation, die in Sachen E-Mobilität noch Entwicklungsland ist. Mit einem Anteil an Elektroautos von nur 0,3 Prozent erreicht Italien derzeit nicht einmal die Hälfte des europäischen Durchschnitts. Beim Netz an Ladestationen sieht es ähnlich schlecht aus. Rom setzt auf "Nachspielzeit" Angesichts des jetzigen Aufschreis hat die Regierung in Rom den Landsleuten eilig versprochen, den gerade getroffenen Beschluss noch einmal nachzubessern. Stoßrichtung laut Umweltminister Gilberto Pichetto Fratin: Nachdem die Deutschen ein Zugeständnis bekommen haben in Sachen E-Fuels, will Italien auch eine Ausnahme für Biokraftstoffe. Von Seiten der Europäischen Kommission und des Rats habe es, so die Interpretation Pichetto Fratins, bereits eine Öffnung "in Sachen technologischer Neutralität" gegeben. Speziell beim Thema Biokraftstoffe möchte Italien dies nun "in den nächsten Monaten vertiefen". Klarer ausgedrückt: Italiens Regierung will in der Debatte über das Verbrenner-Aus eine "Nachspielzeit", um grünes Licht auch für Biosprit zu bekommen. Umweltschützer haben kein Verständnis Die Umweltschützer im Land schütteln darüber den Kopf. Federico Spadini von Greenpeace Italien kritisiert: "Die Regierungen, und besonders unsere in Italien, versuchen alles, um auf Zeit zu spielen und Schlupflöcher zu schaffen und so einen wirklichen Wandel der Automobilindustrie zu bremsen." Auch in der Sache stellt sich der italienische Umweltaktivist Spadini gegen das Drängen der Regierung in Rom auf eine weitere Ausnahme beim angestrebten Verbrenner-Aus. Biokraftstoffe, meint Spadini, würden Feinstaub freisetzen, der gesundheitsschädlich sei. Zudem gebe es "ganz wenig Biokraftstoffe, die wirklich nachhaltig sind". Sie würden in der Regel produziert durch Pflanzenanbau, was Auswirkungen auf den Boden und das Klima habe. Vor allem aber würden sie, sagt Spadini, "der Lebensmittelproduktion Konkurrenz machen und damit Menschen Möglichkeiten nehmen, sich zu ernähren". Machen ENI, Fiat & Co. Druck? Ein Grund, warum Italiens Regierung beim Verbrenner-Verbot jetzt auch eine Ausnahme für Biokraftstoffe will, sieht Spadini im Staatskonzern ENI. Italiens größtes Energieunternehmen hat in den vergangenen Jahren viel Geld in die Entwicklung von Biokraftstoffen gesteckt. Und Italien ist nicht nur Standort von Fiat, sondern auch Heimat wichtiger Zulieferer für die Verbrennerauto-Industrie weltweit. Umweltschützer Spadini aber sagt, Italien sollte, statt auf neue Schlupflöcher zu hoffen, endlich mehr tun, um den Umstieg zur E-Mobilität zu unterstützen. Dass es im Land einen so niedrigen Anteil an E-Autos gebe, meint der Greenpeace-Aktivist, "liegt auch daran, dass Italien als eines der wenigen Länder alle möglichen Autos fördert, auch schadstoffreiche". Die Politik aber, sagt Spadini, müsse beim Umstieg auf Elektroautos die Richtung vorgeben, damit neue Mobilitätsmodelle Fuß fassen können. | /wirtschaft/technologie/verbrenneraus-italien-biokraftstoffe-101.html |
2023-03-30 | Bidens Kehrtwende | Ölbohrungen in Alaska erlaubt | Zur Empörung von Umweltschützern hat die US-Regierung das "Willow"-Ölbohrprojekt genehmigt. Wie verträgt sich das mit den ehrgeizigen Klimaschutzzielen des Präsidenten? Von Claudia Sarre. | Zur Empörung von Umweltschützern hat die US-Regierung das "Willow"-Ölbohrprojekt genehmigt. Wie verträgt sich das mit den ehrgeizigen Klimaschutzzielen des Präsidenten? Kein Bohren nach Öl mehr auf Land, das dem Bund gehört - das hatte Joe Biden im Präsidentschaftswahlkampf versprochen. Neue Bohrplätze für Erdöl und -gas müssten kategorisch verboten werden. Schließlich will Präsident Biden die Treibhausgasemissionen bis 2030 um die Hälfte reduzieren. Dann erfolgte die 180-Grad-Wende: Am 13. März genehmigte der US-Präsident das umstrittene "Willow"-Projekt, ein Ölbohrvorhaben im Nordwesten Alaskas. Zwar eingeschränkt mit nur drei statt fünf Bohrplattformen, aber es bleibt dabei: Mitten in unberührter Natur plant der ConocoPhillips-Konzern in den nächsten 30 Jahren 600 Millionen Barrel Öl zu fördern und dafür Straßen, Pipelines und Brücken zu bauen. Klimaschützer laufen Sturm Umweltschützer sind entsetzt, auch Athan Manuel von der Umweltschutzorganisation Sierra Club ist enttäuscht vom "Klimaschutzpräsidenten" Biden. "Wir sind nach wie vor der Meinung, dass diese Regierung die Klimakrise im Blick hat. Kein Präsident zuvor hat mehr für den Kampf gegen den Klimawandel getan - etwa mit dem 'Inflation Reduction Act'", sagt er. Aber die Genehmigung des "Willow"-Projekts untergrabe einen Großteil der guten Arbeit, die der Präsident geleistet habe. Vor allem junge Klimaschützer laufen nun auf TikTok und anderen sozialen Netzwerken Sturm. Sie fühlen sich betrogen. Schließlich haben sie Biden wegen seiner Klimaversprechen gewählt. Warum nun also dieser Bruch, der dem Präsidenten einen enormen Glaubwürdigkeitsverlust beschert? Samantha Gross, Expertin für Energiesicherheit beim Brookings Institut, erklärt, die Biden-Regierung hätte das "Willow"-Projekt wegen der langfristigen Pachtverträge ohnehin nicht blockieren können. ConocoPhillips verfüge über diesen Pachtvertrag seit mehr als 20 Jahren. "Die Möglichkeiten für die Biden-Regierung, das Projekt zu stoppen, waren daher begrenzt. Die Administration hatte Sorge, dass ConocoPhillips klagen und gewinnen würde", erklärt sie. Biden sitzt in der Klemme Zudem war der Druck aus Alaska groß. Der Bundesstaat im Nordwesten der USA ist von der Ölindustrie abhängig. Vor allem auch indigene Einwohner sollen "Willow"-Projekt profitieren - zum Beispiel durch Arbeitsplätze. Außerdem geht es für Biden darum, die Energieunabhängigkeit der USA zu sichern und die Energiepreise relativ niedrig zu halten. Schließlich werden mit Benzinpreisen in den USA Wahlen gewonnen. Die Expertin Gross sagt, der Bedarf an Öl in den USA sei derzeit noch hoch. Wenn das Erdöl nicht in Alaska gefördert würde, dann käme es eben woanders her. Der klimaschädigende Kohlendioxidausstoß bliebe der gleiche. "Viele Argumente gegen das Ölbohrprojekt beziehen sich auf die hohen Treibhausgasemissionen - und die sind natürlich da. Aber die Kritiker gehen von der Annahme aus, dass, wenn es das Projekt nicht gibt, diese Emissionen ausbleiben. Aber das ist nicht der Fall", sagt sie. Um den Bedarf zu decken, werde das Öl woanders produziert. So oder so: Präsident Biden sitzt in der Klemme. Nachdem er die beiden ersten Amtsjahre überwiegend links-progressive Entscheidungen getroffen hat, rückt er nun immer weiter in die Mitte. Einerseits versucht er, Wirtschaft und Jobs eine hohe Priorität zu geben, andererseits will er jungen Umweltschützern nicht vor den Kopf stoßen. Eine Gratwanderung, die auch angesichts einer erneuten Präsidentschaftskandidatur riskant werden könnte. | /ausland/amerika/biden-klimapolitik-oelbohren-alaska-101.html |
2023-03-30 | Klarere Kante gegenüber China | Pläne der EU-Kommission | Kurz vor ihrer Peking-Reise hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine deutlich härtere Haltung der EU gegenüber China angekündigt. Das Investitionsabkommen müsse "neu bewertet werden".
mehr | Kurz vor ihrer Peking-Reise hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine deutlich härtere Haltung der EU gegenüber China angekündigt. Das Investitionsabkommen müsse "neu bewertet werden". Die EU soll nach dem Willen der Kommission in Brüssel ihr Verhältnis zu China neu ausrichten. Nach Ansicht von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen müsse Europa auf die immer aggressivere Wirtschaftspolitik der Volksrepublik reagieren. Das sagte von der Leyen bei einer Grundsatzrede in Brüssel, kurz bevor sie in der kommenden Woche mit Emanuel Macron nach Peking reisen wird. "Unsere Beziehungen sind unausgewogen und werden zunehmend von Verzerrungen beeinflusst, die durch Chinas staatskapitalistisches System verursacht werden", sagte von der Leyen. Und: "Es könnte passieren, dass wir aufgrund des Politikwandels in China neue Abwehrinstrumente für einige kritische Sektoren entwickeln müssen", fügte sie hinzu. Die EU müsse unabhängiger werden und vor allem wirtschaftliche Risiken im Verhältnis zu dem bevölkerungsreichsten Land der Erde minimieren. "Wir sehen seit einiger Zeit eine sehr bewusste Verschärfung der allgemeinen strategischen Haltung Chinas", sagte von der Leyen. Dies gehe mit einem zunehmend selbstbewussten Auftreten des Landes einher. Risikominderung statt Entkopplung Allerdings machte von der Leyen auch klar: "Ich glaube, es ist weder umsetzbar noch im Interesse Europas, sich von China abzukoppeln." Stattdessen warb sie für einen offenen Austausch, Risikominderung statt Entkopplung. Entscheidend sei, diplomatische Stabilität und offene Kommunikationsverbindungen sicherzustellen. Immerhin gehen neun Prozent der EU-Exporte nach China, mehr als 20 Prozent der Importe kämen aus dem asiatischen Land. Dieses Ungleichgewicht nehme zwar zu, der Großteil des Handels berge zwar keine Risiken. Es müsse jedoch sichergestellt werden, dass die wirtschaftlichen Beziehungen den Wohlstand beider Seiten förderten. Neubewertung des Investitionsabkommens Dazu muss aus Sicht von von der Leyen das bereits verhandelte, aber noch nicht gültige Investitionsabkommen mit China neu bewertet werden. Sie warnte, dass Handel und Investitionen in "Zusammenhang mit Chinas deutlicher Verschmelzung seines militärischen mit seinem kommerziellen Sektor" Risiken für Europas Wirtschaft oder Sicherheit bergen könnten. "Wir müssen sicherstellen, dass das Kapital, der Sachverstand und das Wissen unserer Unternehmen nicht dazu genutzt werden, die militärischen und nachrichtendienstlichen Fähigkeiten derjenigen zu stärken, die für uns auch systemische Rivalen sind", sagte von der Leyen. Bestehende Instrumente müssten konsequenter angewendet werden, um Sicherheitsbedenken und wirtschaftlichen Verzerrungen anzugehen. Zugleich kündigte sie an, dass ihre Behörde noch in diesem Jahr erste Ideen für ein gezieltes Instrument für Investitionen ins Ausland vorlegen wird. Dies würde nur "eine kleine Anzahl sensibler Technologien betreffen, bei denen Investitionen zur Entwicklung militärischer Fähigkeiten führen können, die eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen". | /wirtschaft/unternehmen/eu-china-119.html |
2023-03-30 | Kritik an "stiller Diplomatie" der Regierung | Todesurteil gegen Deutsch-Iraner | Nach dem Todesurteil gegen den Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd fordert seine Tochter öffentlichen Druck der Bundesregierung. Sie stellt sich damit gegen die Strategie der "Stillen Diplomatie". Von Johanna Sagmeister. | Nach dem Todesurteil gegen den Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd fordert seine Tochter öffentlichen Druck vonseiten der Bundesregierung. Sie stellt sich damit gegen die Strategie der "Stillen Diplomatie". Die Entführung ihres Vaters in den Iran vor zweieinhalb Jahren hat Gazelle Sharmahd zur Aktivistin gemacht. "Mein Vater braucht Öffentlichkeit, um zu überleben. Deshalb bin ich zu seiner Stimme geworden", sagt sie kurz nach ihrer Landung in Deutschland. Vor einem Monat wurde Jamshid Sharmahd im Iran in einem Schauprozess zum Tode verurteilt. Die Sharmahds sind deutsche Staatsbürger. Sie haben lange in Hannover gelebt, bevor sie in die USA gezogen sind. "Deshalb bin ich nach Berlin gekommen, um Druck zu machen und mit den Entscheidungsträgern persönlich zu sprechen", sagt die 41-Jährige. Ihr Vater sei eine politische Geisel des iranischen Regimes. Jeden Tag befürchtet Gazelle Sharmahd seine Hinrichtung. Drei Tage hatte sie Zeit, um die Bundesregierung davon zu überzeugen, sich öffentlich für ihren Vater einzusetzen. "Stille Diplomatie" statt Öffentlichkeit Bis zu seiner Verurteilung äußerte sich die Bundesregierung nicht öffentlich zu dem Fall. Das Auswärtige Amt gibt an, sich von Anfang an und "auf allen Ebenen" für Sharmahd eingesetzt zu haben - nur eben hinter den Kulissen. "Stille Diplomatie" wird das genannt. Die Regierung wähle diese Strategie, "wenn ihre Verhandlungsposition schwach ist", erklärt Nahost-Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Die Bundesregierung wollte verbergen, dass sie unter Umständen erpressbar ist." Offiziell macht das iranische Regime Sharmahd für einen Terroranschlag auf eine Moschee mit mehreren Toten verantwortlich. Die Vorwürfe lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Amnesty International spricht von einem Schauprozess. Sharmahd ist ein bekannter Regimegegner. In den USA engagierte er sich für die Exil-Oppositionsgruppe "Tondar", die einen Sturz der Islamischen Republik herbeiführen will. "Jamshid Sharmahd ist schwer krank, er bekommt keine Medikamente und keinen Rechtsbeistand", sagt die Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal, die Gazelle Sharmahd nach Deutschland eingeladen hat. "Das Regime möchte an ihm ein Exempel statuieren. Er wird als Faustpfand eingesetzt." "Strategie ist gescheitert" Seine Todesstrafe wurde kurz nach der Verabschiedung des fünften EU-Sanktionspaket verkündet. Wegen "Korruption auf Erden" - ein Urteil, das häufig gegen Regimekritiker ausgesprochen wird. Danach äußerte sich die Bundesregierung erstmals öffentlich: Außenministerin Annalena Baerbock kritisierte die fehlende Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens und wies zwei iranische Diplomaten aus. Doch Gazelle Sharmahd reicht das nicht. Sie möchte, dass sich die Bundesregierung öffentlich für die Freilassung ihres Vaters ausspricht. "Die Bundesregierung muss einsehen, dass ihre Strategie gescheitert ist", sagt sie. Auch der Iran-Experte Ali Fathollah-Nejad sieht das so: "Diese Zurückhaltung wird in Teheran als ein Zeichen der Schwäche wahrgenommen und ermutigt die Islamische Republik, diese Praxis weiterzuführen." Merz übernahm "Patenschaft" Deshalb tourt Gazelle Sharmad weiter durch Berlin. Ein Termin reiht sich an den nächsten. Sie trifft Bundespolitiker, spricht mit politischen Stiftungen, gibt TV-Interviews. Was Druck aus der Politik bewirken kann, zeigt ihr das Treffen mit Friedrich Merz. Der CDU-Chef ist "politischer Pate" für Jamshid Sharmad. Auf diesem Weg setzen sich mehrere Bundestagsabgeordnete für politische Gefangene im Iran ein. "Als Herr Merz die Patenschaft übernommen hat, hat sich alles geändert", erzählt sie. Es gebe mehr Presse, Kontakte, Aufmerksamkeit - und auch die Strategie des Regimes habe sich verändert. "Sobald Herr Merz gesagt hat, dass er sich diesen Prozess genau anschauen wird, haben sie ihn hinter geschlossenen Türen weitergeführt", erzählt sie. Auch das Kanzleramt lädt Gazelle Sharmahd zu einem Gespräch ein. Dass das Treffen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, scheint aber ein weiterer Hinweis darauf zu sein, dass die Bundesregierung an ihrer Strategie der "Stillen Diplomatie" festhält. Nach dem Termin ist Gazelle Sharmahd erleichtert, dass sich das Kanzleramt Zeit für sie genommen hat. Doch an ihrem Kampf um Aufmerksamkeit hält sie fest: "Mir wird seit zwei Jahren gesagt, dass man sich hochrangig für meinen Vater einsetzt. Und was ist das Resultat? Das Todesurteil." Nahost-Experte warnt vor öffentlichem Druck Nahost-Experte Steinberg, der bis 2005 selbst im Kanzleramt gearbeitet hat, sagt: "Öffentlicher Druck kann den Preis bei solchen Verhandlungen in die Höhe treiben." Wenn Teheran bemerke, dass die Bundesregierung unter großem öffentlichem Druck stehe, stärke das die iranische Verhandlungsposition. Gazelle Sharmahd und ihre Unterstützer sehen das anders. Mehr als 320.000 Menschen haben eine Petition unterschrieben, in der sie und ihre Unterstützer Außenministerin Baerbock auffordern, sich stärker für ihren Vater einzusetzen. Am letzten Tag ihrer Reise ist Gazelle Sharmahd erschöpft, aber auch zufrieden. "Ich kann mir nicht vorwerfen, dass ich nicht alles versucht habe und mit jedem gesprochen habe", sagt sie. Niemand könne ihr jetzt noch sagen, dass er vom Schicksal ihres Vaters nichts wisse. "Jetzt kommt es darauf an, dass den Worten auch Taten folgen", sagt sie und steigt ins Auto. Weiter zum nächsten Termin. | /inland/innenpolitik/diplomatie-iran-101.html |
2023-03-30 | Ein Monarch im Bundestag | Staatsbesuch von König Charles III. | Am zweiten Tag seines Staatsbesuches spricht König Charles III. vor dem Bundestag - was bei der Linkspartei schon vorab Kritik hervorrief. Bereits zuvor hatte der Monarch die engen Beziehungen zwischen Deutschland und seinem Land hervorgehoben.
mehr | Am zweiten Tag seines Staatsbesuches spricht König Charles III. vor dem Bundestag - was bei der Linkspartei schon vorab Kritik hervorrief. Bereits zuvor hatte der Monarch die engen Beziehungen zwischen Deutschland und seinem Land hervorgehoben. Der britische König Charles III. und seine Königsgemahlin Camilla setzen ihren Staatsbesuch in Deutschland fort. Kernpunkt ist heute die geplante Rede des Monarchen im Bundestag - was bereits im Vorfeld bei einigen Abgeordneten auf Kritik stieß. Bevor Charles III. ans Rednerpult tritt, wurde das Königspaar von Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey empfangen, um sich anschließend in das Goldene Buch der Hauptstadt einzutragen. Die Eintragung fand im Hotel Adlon statt. Vor dem Gebäude warteten zahlreiche Menschen, um den König zu sehen. Im Anschluss traf sich Charles III. mit Bundeskanzler Olaf Scholz im nahe gelegenen Kanzleramt. Nach einem Besuch auf dem Wochenmarkt am Berliner Wittenbergplatz soll es dann in den Bundestag gehen: Am Mittag will König Charles III. vor dem Gremium sprechen - als erster Monarch überhaupt. Linkspartei kritisiert Rede vor Bundestag Und genau daran nimmt die Linkspartei Anstoß. "Es ist nicht angemessen, dass sich das höchste demokratische Gremium vor einem Monarchen verneigt", sagte Parteichef Martin Schirdewan mit Blick auf die geplante Rede des britischen Königs. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa fügte er hinzu: Ich finde es auch seltsam, dass sich der Bundestag in Zeiten von Inflation und rasant steigender Armut von jemandem ins Stammbuch schreiben lässt, der buchstäblich mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurde. Auch der stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Ates Gürpinar, sieht in der Rede ein falsches Signal: "Einen König im Bundestag sprechen zu lassen, halte ich für absurd. Erinnern wir uns: Monarchien sind im Grunde Diktaturen mit mehr historischem Lametta", sagte er der "Augsburger Allgemeinen" und kündigte an, der Rede im Plenarsaal fernbleiben zu wollen. Weiterreise nach Brandenburg Für Charles III. steht am Nachmittag noch ein Besuch des Ukraine-Ankunftszentrums im ehemaligen Berliner Flughafen Tegel auf dem Programm, während Camilla ein Projekt der Berliner Stadtmission besichtigen und später die Komische Oper besuchen will. Dann reist das Königspaar weiter nach Brandenburg, erneut begleitet von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Hier ist unter anderem eine Besichtigung des Biobetriebs Ökodorf Brodowin geplant. "Unsere Beziehungen werden noch stärker werden" Steinmeier hatte das Königspaar am Mittwoch nach dessen Landung auf dem Flughafen Berlin-Brandenburg mit militärischen Ehren empfangen - zum ersten Mal vor dem Brandenburger Tor. Bereits auf dem Flughafen waren die Royals mit 21 Salutschüssen, den Überflügen zweier Eurofighter und einem militärischen Ehrenspalier empfangen worden. Beim folgenden Staatsbankett im Schloss Bellevue betonte Charles III. in einer teils auf Deutsch gehaltenen Rede, die Beziehungen beider Länder ausbauen zu wollen. Deutschland und das Vereinigte Königreich hätten ein großes Interesse an der Zukunft des jeweils anderen Landes. "Unsere Beziehungen werden noch stärker werden, davon bin ich fest überzeugt, wenn wir gemeinsam auf eine nachhaltigere Zukunft in Wohlstand und Sicherheit hinarbeiten", betonte Charles III. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern seien ihm überaus wichtig. "Ich bin mehr denn je von ihrem bleibenden Wert für uns alle überzeugt", so der König. "Ich kann Ihnen nur versichern, dass ich in der Zeit, die mir als König vergönnt sein wird, alles tun werde, um unsere Beziehungen weiter zu stärken." Anerkennung für Aufnahme von Kriegsflüchtlingen Er und seine Frau seien "tief gerührt" vom herzlichen Empfang in Deutschland, sagte Charles - und wies darauf hin, dass er schon mehr als 40 Mal im Land gewesen sei. "Darin zeigt sich natürlich, wie wichtig mir unsere Beziehungen sind, aber auch, so fürchte ich, wie lange es mich schon gibt." Charles dankte den Deutschen zudem für die "überaus bewegenden Worte der Unterstützung und Zuneigung" nach dem Tod seiner Mutter, Königin Elizabeth II., im vergangenen September. "Ihre Liebenswürdigkeit hat meiner Familie und mir mehr bedeutet, als ich in Worte fassen kann." Der König sprach Deutschland zudem seine Anerkennung für die Aufnahme von mehr als einer Million Geflüchteten aus der Ukraine aus. Dies sei "ein überzeugender Beweis, wie mir scheint, für die Großmut der Menschen in Deutschland". Steinmeier: Stehen "enger zusammen denn je" Auch Bundespräsident Steinmeier betonte in seiner Rede die historisch gewachsene enge Partnerschaft zwischen Großbritannien und Deutschland nach zwei Weltkriegen. "Was auch immer vor uns liegt, ich weiß: Unsere deutsch-britische Freundschaft bleibt wichtig, und sie bleibt stark", sagte er. "Wie tief unsere Verbindung ist, spüren wir gerade in diesen Zeiten." Er verwies dabei auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Seither stünden die Demokratien innerhalb der NATO sowie die EU und Großbritannien "enger zusammen denn je" und unterstützten die Ukraine. Das gemeinsame Engagement Großbritanniens und Deutschlands sei "gerade nach dem furchtbaren Unheil", das Deutsche in den beiden Weltkriegen über den Kontinent gebracht hätten, "keine Selbstverständlichkeit", so der Bundespräsident. "Schlagen ein neues Kapitel auf" Steinmeier erinnerte zugleich an den offiziellen Beginn des EU-Austritts Großbritanniens nach der Brexit-Entscheidung vor genau sechs Jahren. Am 29. März 2017 habe der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union begonnen, sagte Steinmeier. "Heute, genau sechs Jahre später, schlagen wir ein neues Kapitel auf. Wir schauen unter veränderten Bedingungen - und doch gemeinsam - nach vorn." Dass Charles III. noch vor seiner Krönung am 6. Mai nach Deutschland reise, sei eine "große persönliche" und auch eine "starke europäische Geste", so der Bundespräsident. "Sie bedeutet mir, sie bedeutet uns Deutschen sehr viel." | /inland/charles-camilla-deutschland-107.html |
2023-03-30 | Ärzte an kommunalen Kliniken im Warnstreik | Sechs Bundesländer betroffen | Im Tarifstreit um mehr Geld will der Marburger Bund den Druck erhöhen. Für heute hat die Gewerkschaft Ärzte kommunaler Kliniken in sechs Bundesländern zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen. Eine Notversorgung sei sichergestellt.
mehr | Im Tarifstreit um mehr Geld will der Marburger Bund den Druck erhöhen. Für heute hat die Gewerkschaft Ärzte kommunaler Kliniken in sechs Bundesländern zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen. Eine Notversorgung sei sichergestellt. Ärztinnen und Ärzte an Kliniken in sechs Bundesländern sind in einen ganztägigen Warnstreik getreten. Der Berufsverband Marburger Bund hat zu den Arbeitsniederlegungen aufgerufen und erwartet zu einer zentralen Kundgebung in München mehrere Tausend Teilnehmer, wie eine Sprecherin mitteilte. Gestreikt werden soll in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. "Unsere Mitglieder fühlen sich von den Arbeitgebern bisher nicht ernst genommen", sagte Andreas Botzlar vom Vorsitz des Bundesverbands Marburger Bund. "Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Arbeitgeberseite die Tarifverhandlungen verschleppen will." Notdienstvereinbarungen für Kliniken In den betroffenen Kliniken ist nach Angaben des Berufsverbandes eine Notfallbehandlung der Patientinnen und Patienten sichergestellt. Den Kliniken wurden demnach Notdienstvereinbarungen angeboten. Planbare Termine und Untersuchungen müssten allerdings zum Teil verschoben werden, sagte ein Sprecher des Landesverbands Nordrhein-Westfalen. Rund 50 Kliniken sind in dem Bundesland zum Warnstreik aufgerufen. In Bayern sind von dem Warnstreik die kommunalen Krankenhäuser und einzelne Münchner Kliniken des Helios-Konzerns betroffen. Der Marburger Bund fordert von den Arbeitgebern für die rund 55.000 Ärztinnen und Ärzte an den kommunalen Kliniken eine Erhöhung der Gehälter um 2,5 Prozent. Zudem soll es mit Wirkung ab 1. Januar 2023 einen Ausgleich der seit der letzten Entgelterhöhung im Oktober 2021 aufgelaufenen Preissteigerungen geben. | /wirtschaft/verbraucher/warnstreik-marburger-bund-aerzte-101.html |
2023-03-30 | Telefonische Krankschreibung läuft aus | Nach Corona-Krise | Die Sonderregelung endet morgen: keine Krankmeldungen mehr per Telefon. Die Möglichkeit war während der Pandemie eingeführt worden. Wer volle Wartezimmer vermeiden möchte, hat weiter eine Alternative.
mehr | Die Sonderregelung endet morgen: keine Krankmeldungen mehr per Telefon. Die Möglichkeit war während der Pandemie eingeführt worden. Wer volle Wartezimmer vermeiden möchte, hat weiter eine Alternative. Die Möglichkeit, sich bei bei leichten Erkältungsbeschwerden auch ohne Besuch in der Arztpraxis krankschreiben zu lassen, geht zu Ende. Die in der Corona-Krise eingeführte Sonderregelung des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen gilt nur noch bis Freitag. Der Vorsitzende des Bundesausschusses, Josef Hecken, sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Krankschreibung per Telefon habe ihre Funktion während der Pandemie erfüllt - als "einfach umsetzbare Möglichkeit, leichte und schwere Krankheitsfälle voneinander abzugrenzen und volle Wartezimmer zu vermeiden". Angesichts der aktuellen Risikobewertung des Robert Koch-Instituts (RKI) laufe sie nun aus. Man behalte sie aber im Auge und könne sie bei Bedarf sehr schnell wieder aktivieren, sagte Hecken. Krankschreibung per Videosprechstunde "Ganz unabhängig von der Pandemiesituation können Versicherte eine Krankschreibung auch bei einer Videosprechstunde erhalten - nicht nur bei leichten Atemwegserkrankungen", erläuterte Hecken. Es gebe damit ganz regulär bereits die Möglichkeit, dass ein Versicherter nicht bei jeder Erkrankung in die Arztpraxis gehen müsse. Voraussetzung sei natürlich, dass die Arbeitsunfähigkeit ohne eine unmittelbare körperliche Untersuchung abgeklärt werden könne. Telefonische Krankschreibungen bei leichten Atemwegsbeschwerden sind seit Ende März 2020 fast durchgehend möglich gewesen. Dies sollte unnötige Kontakte reduzieren und Corona-Infektionen vermeiden. Der Gemeinsame Bundesausschuss hatte die Sonderregelung dazu mehrfach verlängert, zuletzt bis 31. März 2023. Das RKI hatte die Risikobewertung für Deutschland Anfang Februar von hoch auf moderat herabgestuft. | /inland/telefonische-krankschreibung-105.html |
2023-03-30 | Kammerflimmern in Nordrhein-Westfalen | SPD um Kutschaty | Der überraschende Rücktritt von Landeschef Kutschaty hat die SPD in Nordrhein-Westfalen ins Chaos gestürzt. Streit, Intrigen und eine Wahlniederlage hatten den größten Landesverband zuvor regelrecht zermürbt. Von J. Trum und C. Ullrich. | Der überraschende Rücktritt von Landeschef Kutschaty hat die SPD in Nordrhein-Westfalen ins Chaos gestürzt. Streit, Intrigen und eine Wahlniederlage hatten den größten Landesverband zuvor regelrecht zermürbt. Erbe und Misere liegen bei der SPD in Nordrhein-Westfalen nahe beieinander. Erst im vergangenen Jahr hat sie in bester Düsseldorfer Lage ihre neue Zentrale eröffnet. Das Johannes-Rau-Haus verströmt den Charme einer modernen Büroimmobilie und erinnert die SPD schon wegen seiner Opulenz daran, dass es in NRW einmal bessere Zeiten für sie gab. Ausgerechnet einer der ersten größeren Auftritte des Landesvorsitzenden Thomas Kutschaty vor Journalisten in dem neuen Bau war nun sein Rücktritt. Das hatte die Partei sich vermutlich anders vorgestellt. Und es zeigt: Von der Form, die sie einst unter ihrem Langzeit-Ministerpräsidenten Johannes Rau hatte, ist die SPD im bevölkerungsreichsten Bundesland weit entfernt. Nach dem überraschenden Rückzug des 54 Jahre alten Anwalts Kutschaty, nach nur zwei Jahren im Amt, steht die Partei mit leeren Händen da. Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander. Nichts war vorbereitet, alles muss jetzt in Windeseile improvisiert werden. Drei Niederlagen und die Folgen Nach der Niederlage 2017 gegen die CDU warf Ministerpräsidentin Hannelore Kraft der Partei noch am Wahlabend die Brocken vor die Füße. Aus den Machtkämpfen um ihre und die Nachfolge von Fraktionschef Norbert Römer ging am Ende, nach quälenden Jahren der Selbstbeschäftigung, Kutschaty als Sieger hervor. Erst schnappte sich der ehemalige NRW-Justizminister in einer Kampfabstimmung 2018 den Fraktionsvorsitz gegen den favorisierten Marc Herter. Drei Jahre später boxte der Essener sich auch den Weg an die Parteispitze frei, nachdem er mit Hilfe von Getreuen den glücklosen Bundestagsabgeordneten Sebastian Hartmann an der Spitze des Landesverbandes regelrecht sturmreif geschossen hatte. Debakel bei Landtagswahl Doch der Landtagswahlkampf 2022 gegen den kurz zuvor frisch ins Amt gewählten CDU-Vorsitzenden Hendrik Wüst geriet für die SPD und ihren Spitzenmann Kutschaty zum Debakel. Mit nur 26,7 Prozent erzielte sie ihr historisch schlechtestes Ergebnis im Land. Was fast noch schwerer wiegt: Zum insgesamt dritten Mal nach 2005 und 2017 verlor die Partei gegen die CDU, nachdem sie zuvor 39 Jahre am Stück in Düsseldorf regiert hatte. Die Erzählung vom sozialdemokratischen Stammland an Rhein und Ruhr, wie sie Genossen zwischen Aachen und Porta Westfalica gern bemühen, ist nur noch eine blasse Erinnerung. Die SPD weiß, dass sie allein mit Herzkammer-Rhetorik die Wähler nicht mehr begeistern kann. Zumal im Moment Kammerflimmern die passendere Metapher wäre. Zwar war das Ergebnis bei der Bundestagswahl im Herbst 2021 mit 29,1 Prozent besser als bei der Landtagswahl. Gleichwohl zeigt der Langfristtrend nach unten. Vor allem die geringe Wahlbeteiligung in den einstigen Hochburgen im Ruhrgebiet ist für die SPD ein Problem. "Das Imperium schlägt zurück" Seit der Wahl rumort es in der Partei. Viele werfen Kutschaty vor, der Hauptverantwortliche der Niederlage zu sein. Mit seiner Wahlanalyse habe er sich zu viel Zeit gelassen, es fehle ihm an Strahlkraft und einer klaren Idee. Bei dem Versuch, eine junge und unbekannte Ratsfrau aus Bonn als Generalsekretärin durchzusetzen, ist es nun zum Showdown gekommen - mit dem schlechteren Ende für Kutschaty. Der Landesvorstand ist ihm nicht gefolgt. Am nächsten Tag erklärte der gedemütigte Chef seinen Rückzug von der Parteispitze. Mittlerweile heißt es an vielen Stellen, dass "der Thomas nicht mehr gut kommuniziert" hat. Als Fraktionschef und Oppositionsführer im NRW-Landtag macht er vorerst weiter, seine Autorität aber dürfte gelitten haben. In den nächsten Wochen will die Fraktion neu wählen, die Interessenten für das Amt ringen gerade um die Pole-Position. Kutschaty hat womöglich seine parteiinternen Gegner unterschätzt. Sein Weg an die Spitze hat Wunden hinterlassen bei denen, die andere Pläne hatten. So gesehen sind jetzt alte Rechnungen beglichen worden. Ein Insider bringt es auf die Formel: "Das Imperium schlägt zurück." Das Problem mit dem Proporz Beobachtern ist klar, dass die SPD in NRW ein Dauerproblem hat. Es ist der parteiinterne Proporzanspruch der Regionen. Von denen gibt es vier im Landesverband und sie achten stets darauf, dass sie bei der Vergabe von Spitzenposten bedacht werden. Das kann lähmen. Schon hört man Einzelne, denen das nicht mehr zeitgemäß erscheint. Nicht wo jemand herkommt sei entscheidend, sondern was er oder sie kann. Eine zweite Baustelle ist das Personal. In der Landtagsfraktion gibt es kaum noch Abgeordnete, die einmal ein Regierungsamt hatten. Zwar freuen sich etliche Genossen über einige anerkannte Oberbürgermeister und Landräte, doch von denen hat bisher niemand öffentlich Interesse erkennen lassen, den darbenden Landesverband führen zu wollen. Zu groß scheint das Risiko, am Ende ein schlechtes Geschäft gemacht zu haben. Es ist in gewisser Hinsicht eine Geschichte, wie sie nur die Politik schreibt, dass nun ausgerechnet Herter, der gegen Kutschaty Sieglose, die Partei übergangsweise führen und den Neubeginn organisieren soll. Er, der inzwischen Oberbürgermeister im westfälischen Hamm ist, beginnt mit einem leeren Blatt. Gefühl für den "Abendbrottisch" Vermutlich wird er in den nächsten Wochen viel telefonieren, Scherben zusammenkehren. "Alle mitnehmen", wie es heißt: Fraktion und Regionen, Kommunale, die Landesgruppe im Bundestag und die notorisch aufmüpfigen Jusos. Die SPD ist tief verunsichert, der für Mai geplante Parteitag auf August verschoben. Sie will stattdessen auf einem Konvent beraten. Wieder ein Gefühl für die Themen bekommen, so Herter, über "die Menschen am Abendbrottisch sprechen". Für eine selbsternannte Volkspartei eine bemerkenswerte Aussage. Auch für die Berliner Parteiführung dürften die Vorgänge in NRW nicht folgenlos bleiben. Ein ehemaliger Spitzengenosse sagt, die Bundes-SPD nehme bei Wahlen die Stimmen aus NRW gerne mit, aber nicht die Köpfe. Für viele in Berlin sei der rheinisch-kapitalistische Politikstil im Westen eher befremdlich. Aber ohne Erfolg in NRW kein Erfolg im Bund, das ist die einfache Formel. Dafür müsse man in NRW in der Regel sechs bis acht Prozentpunkte über dem Bundesschnitt liegen. Diese Ambivalenz, fürchtet der SPD-Mann, schmälert auf Dauer den Einfluss des größten Landesverbandes in Berlin - und die Chancen auf erfolgreiche Bundestagswahlen. Übergangschef Herter scheint das erkannt zu haben. Auf die Frage des "Kölner Stadt-Anzeigers", ob die Landes-SPD nicht jetzt einen prominenten Bundespolitiker an der Spitze brauche, antwortet der: "Ich würde eher sagen, wir hätten eine falsche Personalauswahl getroffen, wenn die neue Spitze der NRW-SPD nicht sehr schnell über bundesweite Prominenz verfügen würde." An das Erbe Johannes Raus anzuknüpfen, wird nicht einfach. Nahe der Staatskanzlei steht er in Bronze und blickt auf den Rhein. Und an der Universität seiner Heimatstadt Wuppertal gibt es seit vergangenem Sommer das "Johannes-Rau-Zentrum", das seine Privatbibliothek beherbergt. Eröffnet hat es übrigens Hendrik Wüst. | /inland/innenpolitik/nordrhein-westfalen-spd-101.html |
2023-03-30 | Moskau erlässt Haftbefehl gegen US-Journalisten | Spionagevorwurf in Russland | Ein Gericht in Moskau hat gegen den US-Reporter Evan Gershkovich Haftbefehl wegen angeblicher Spionage erlassen. Das "Wall Street Journal", für das Gershkovich arbeitet, weist den Vorwurf zurück. "Reporter ohne Grenzen" zeigt sich "beunruhigt".
mehr | Ein Gericht in Moskau hat gegen den US-Reporter Evan Gershkovich Haftbefehl wegen angeblicher Spionage erlassen. Das "Wall Street Journal", für das Gershkovich arbeitet, weist den Vorwurf zurück. "Reporter ohne Grenzen" zeigt sich "beunruhigt". Gegen den festgenommenen Korrespondenten der US-Zeitung "Wall Street Journal", Evan Gershkovich, ist Haftbefehl wegen angeblicher Spionage erlassen worden. Das meldete die russische Staatsagentur Tass. Dem Journalisten drohen bis zu 20 Jahre Haft bei einer Verurteilung. Gershkovich wird Spionage vorgeworfen. Der US-Reporter bleibe vorerst bis zum 29. Mai in Untersuchungshaft, diese könne anschließend verlängert werden, erklärte das Lefortowski-Gericht. Wie Tass unter Berufung auf Polizeikreise meldete, wurde der Fall als "streng geheim" eingestuft. Der Journalist wies demnach die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. Vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB hieß es, Gershkovich sei in Jekaterinburg im Ural in Gewahrsam genommen worden, weil er versucht habe, an geheime Informationen zu gelangen. Der Journalist habe Informationen "über die Aktivitäten eines der Unternehmen des russischen militärisch-industriellen Komplexes" sammeln wollen, zitierte die Nachrichtenagentur AP den Geheimdienst. Solche Informationen fielen unter das russische Staatsgeheimnis. Aus Sicht des FSB soll Gershkovich auf Anweisung aus den USA gehandelt haben. Daher werde ihm "Spionage im Interesse der amerikanischen Regierung" zur Last gelegt. Gershkovich sei der erste Journalist eines amerikanischen Mediums, der seit dem Kalten Krieg wegen Spionagevorwürfen in Russland festgenommen worden sei. "Wall Street Journal" widerspricht Spionagevorwurf Das "Wall Street Journal" wies die Anschuldigungen gegen den 31-Jährigen "vehement" zurück und zeigte sich in einer Stellungnahme äußerst besorgt um dessen Sicherheit. "Wir sind solidarisch mit Evan Gershkovich und seiner Familie", hieß es von der Zeitung. Reporter ohne Grenzen zeigte sich "beunruhigt über das, was nach einer Vergeltungsmaßnahme aussieht". Der Organisation zufolge recherchierte Gershkovich "zum Militärunternehmen Wagner", eine Söldnergruppe, die eine wichtige Rolle bei Russlands Offensive in der Ukraine spielt. "Journalisten dürfen nicht zur Zielscheibe werden", forderte die Organisation. Der Reporter ist gebürtiger Russe Gershkovich war im vergangenen Jahr zum "Wall Street Journal" gewechselt. Zuvor hatte er unter anderem für die französische Nachrichtenagentur AFP und die "New York Times" geschrieben. Der Reporter spricht fließend Russisch und gehört dem Moskauer Büro des "Wall Street Journal" an. Sein jüngster Bericht erschien in dieser Woche und handelte vom russischen Wirtschaftsabschwung wegen der vom Westen verhängten Sanktionen nach dem Einmarsch in die Ukraine. Geboren wurde Gershkovich in Russland, seine Familie wanderte in die USA aus, als er noch ein Kind war. Gershkovich ist der erste Reporter eines US-Medienunternehmens seit dem Kalten Krieg, der in Russland unter Spionagevorwürfen festgenommen wurde. Zwar werden immer wieder US-Amerikaner der Spionage verdächtigt. Es handelt sich jedoch um den ersten Fall eines Journalisten, der offiziell beim russischen Außenministerium akkreditiert ist. Kreml hält Spionagevorwürfe für bewiesen Die Festnahme wurde sowohl von der Sprecherin des russischen Außenamts, Maria Sacharowa, als auch von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bestätigt. Letzterer betonte im staatlichen Rundfunk, dass es nicht "um einen Verdacht gehe", sondern dass Gershkovich "auf frischer Tat ertappt" worden sei. Er hoffe, dass es in den USA infolge der Festnahme keine Repressionen gegen russische Journalisten geben werde. Sacharowa warf in Zusammenhang mit der Festnahme sämtlichen westlichen Korrespondenten vor, unter dem Deckmantel des Journalismus gegen Russland zu spionieren. | /ausland/asien/russland-gerschkowitsch-spionagevorwurf-101.html |