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2023-03-28
Ernüchterung nach dem Bankenjubel
Wall Street gibt nach
An der Wall Street kehrte nach dem jüngsten Jubel über die Bankenrettungen heute wieder mehr Skepsis ein. Ist die Bankenkrise wirklich schon überwunden? Auch der DAX schwächelte im Verlauf. mehr
An der Wall Street kehrte nach dem jüngsten Jubel über die Bankenrettungen heute wieder mehr Skepsis ein. Ist die Bankenkrise wirklich schon überwunden? Auch der DAX schwächelte im Verlauf. An der New Yorker Börse herrschte heute nach den jüngsten Erleichterung über das Ende der Bankenkrise eine zurückhaltende Tendenz. Die großen Aktienindizes tendierten schwächer. Der Leitindex Dow Jones behauptete sich letztlich noch am besten und gab nur leicht 0,12 Prozent auf 32.394 Punkte nach. An der Technologiebörse Nasdaq ging es stärker um 0,45 Prozent bergab, der Auswahlindex Nasdaq 100 verlor in ähnlicher Größenordnung. Der S&P-500-Index ging 0,16 Prozent leichter aus dem Handel. Die Skepsis bleibt Marktexperten zufolge ist inzwischen erkennbar, dass sich die Notenbanken wegbewegen von ihrer "Whatever-it-takes"-Politik, um die Inflation zu bekämpfen. Zwar sei in diesem Jahr wohl noch nicht von Zinssenkungen auszugehen, aber eine Zinspause der US-Notenbank Federal Reserve dürften die Märkte zunehmend einpreisen, hieß es. Trotzdem bleibt die Lage unberechenbar, wie immer, wenn es um Banken geht. "An der Wall Street traut man dem Braten einer vermeintlichen Stabilisierung des Bankensektors noch nicht so ganz", sagte Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets. Die Sorge um den Zusammenhang zwischen steigenden Zinssätzen und einer möglichen Rezession gerade wegen der Probleme der Banken ist seiner Einschätzung nach durchaus berechtigt. Hauspreise in den Vereinigten Staaten fallen Auf dem US-Immobilienmarkt belasten steigende Zinsen weiter die Preisentwicklung. In den 20 großen Metropolregionen der Vereinigten Staaten gingen die Häuserpreise im Januar um 0,4 Prozent gegenüber dem Vormonat zurück, wie aus dem heute in New York veröffentlichten S&P/Case-Shiller-Index hervorgeht. Damit sind die Preise den siebten Monat in Folge gefallen. US-Verbraucher etwas zuversichtlicher Die Stimmung der Verbraucher in den Vereinigten Staaten hat sich im März trotz der jüngsten Finanzmarktturbulenzen aufgehellt. Das Verbrauchervertrauen stieg zum Vormonat um 0,8 Zähler auf 104,2 Punkte, wie das Marktforschungsinstitut Conference Board am Dienstag in Washington mitteilte. Analysten hatten hingegen im Schnitt mit einem Rückgang auf 101,0 Punkten gerechnet. Zudem wurde der Wert für den Februar von 102,9 Punkte auf 103,4 Zähler nach oben revidiert. Gestützt wurde der Indikator durch die merklich verbesserten Erwartungen. Aber trotz der Verbesserung liegen die Erwartungen mit 73,0 Punkten weiterhin auf einem niedrigen Niveau. Werte unter 80 Punkten signalisieren laut Conference Board eine Rezession innerhalb des nächsten Jahres. Die Bewertung der aktuellen Lage trübte sich im März etwas ein. Walgreens über Erwartungen Unter den Einzelwerten stand die Apothekenkette Walgreens Boots Alliance aus dem Leitindex Dow Jones im Fokus. Das Unternehmen hat im zweiten Geschäftsquartal (per Ende Februar) unter anderem wegen hoher Rechts- und Umbaukosten weniger verdient. Der Nettogewinn sank im Vergleich zum Vorjahr um rund ein Fünftel auf 703 Millionen Dollar. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis je Aktie erreichte 1,16 Dollar, ein Rückgang von mehr als einem Viertel. Dies lag jedoch über den Erwartungen der Analysten. Für das zweite Halbjahr geht das Unternehmen von einem robusten Ergebniswachstum aus, die rückläufige Nachfrage nach Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie dürfte durch ein starkes Wachstum im Kerngeschäft mehr als ausgeglichen werden. Die Ergebnisprognose eines bereinigten Gewinns von 4,45 bis 4,65 Dollar je Aktie bestätigte das Unternehmen. Der Ausblick gefiel den Anlegern, das Papier stieg am Ende um 2,6 Prozent. Alibaba spaltet sich auf - Aktie steigt Anleger reagierten erfreut auf eine geplante Aufspaltung beim chinesischen Technologieriesen Alibaba. Die in den USA gelisteten Aktien gewannen deutlich um 14,2 Prozent. Der Amazon-Rivale will sich laut einem Mitarbeiter-Rundschreiben von Konzern-Chef Daniel Zhang in sechs eigenständige Unternehmen aufspalten. Jedes davon solle die Möglichkeit von Börsengängen oder anderen Formen der Kapitalbeschaffung ausloten. Alibaba selbst wolle künftig als Holding agieren. Amazon prüft AMC-Kauf Amazon prüft einem Medienbericht zufolge die Übernahme der US-Kinokette AMC. Der Gründer des Internet-Händlers, Jeff Bezos, habe Investmentberater und Chefs der Entertainment-Sparte entsandt, um einen Kauf zu prüfen, berichtete die Nachrichtensite Intersect am Dienstag unter Berufung auf mit den Überlegungen vertraute Personen. Die AMC-Aktie legte daraufhin an der Wall Street im Verlauf mehr als 13 Prozent zu. Stellungnahmen der beiden Unternehmen lagen nicht vor. AMC ist außerhalb der USA insbesondere als sogenannte "meme stock" bekannt, eine Gruppe von Aktien, die im Fokus von Kleinanlegern in Internet-Foren stehen. Amazon hat sich bereits das Filmstudio MGM für 8,5 Milliarden Dollar einverleibt. Hintergrund ist der harte Wettbewerb im Streaming-Bereich, an dem der Einzelhandelsriese durch seinen Dienst Prime Video teilnimmt. Seit dem Ende der Pandemie-Beschränkungen kämpfen Kinos um Zuschauer, die angesichts der hohen Inflation ihre Ausgaben für Unterhaltung und Medien zugunsten von Lebensmittel und Miete zurückgefahren haben. DAX kann Gewinne nicht halten Der DAX hat heute anfängliche Gewinne nicht halten können und schloss am Ende wenig verändert bei 15.142 Punkten, ein leichter Tagesgewinn von 0,1 Prozent. Die wichtigsten Indizes gerieten im Verlauf zunehmend unter Druck und rutschten teils auch ins Minus. Der deutsche Leitindex stand dabei im Tageshoch bei 15.261 Punkten. Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, gab 0,54 Prozent nach auf 26.570 Zähler. Die Übernahme der kollabierten Silicon Valley Bank durch die US-Bank First Citizens Bancshares habe die Anleger erst einmal beruhigt, sagte Marktanalyst Christian Henke vom Handelshaus IG. "Das Thema Kreditklemme könnte aber an den Finanzmärkten zu einem Thema werden." Umfeld bleibt schwierig Als Belastung erweist sich insbesondere ein erneuter Kursrutsch bei den Immobilienaktien, die derzeit stark unter dem ungünstigen Mix aus steigenden Zinsen und hoher Inflation leiden. Höhere Zinsen erschweren die Refinanzierung von Immobilien und schmälern deren zukünftigen Wert aus heutiger Sicht, womit weitere Abschreibungen drohen. Auf den deutschen Kurszetteln gibt es reichlich Vertreter der Branche. DAX-Vertreter Vonovia stand als schwächster Wert am Indexende. Aber vor allem im MDAX waren die Aktien der Branche schwer unter Druck. Besonders der Gewerbeimmobilien-Spezialist Aroundtown, der seine jüngste Talfahrt fortsetzte und fast 11,0 Prozent verlor. Das Unternehmen erklärte am späten Abend, die Dividende für 2022 zu streichen. Zu den größten Verlierern gehörten auch LEG Immobilien und TAG Immobilien. Am Markt wurde auch zunehmend auf das Engagement der Deutschen Bank im Immobiliensektor verwiesen, sagte ein Händler. Das Papier der größten deutschen Privatbank gab nach, grenzte seine Verluste im Verlauf aber noch etwas ein. Der Kursverfall bei der Deutschen Bank in der vergangenen Woche treibt derweil auch die Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank um. "Dies ist in der Tat ein Grund zur Sorge", sagte EZB-Chefbankenaufseher Andrea Enria heute auf einer Veranstaltung zur Bankenaufsicht. Charttechnisch keine Entwarnung Auch die Markttechnik mahnt zur Vorsicht. Anstatt den Widerstand bei knapp 15.300 Punkten (Verlaufshoch der vergangenen Woche) zu überwinden und den Aufwärtstrend in Richtung Jahreshoch wieder aufzunehmen, ist der DAX hier nach unten abgeprallt. Damit trüben sich die Perspektiven für den Leitindex kurzfristig wieder ein. Infineon erhöht Umsatz- und Ergebnisprognose Nachbörslich gab es gute Nachrichten vom Halbleiterkonzern Infineon. Denn beim Chipkonzern ist das zu Ende gehende Quartal deutlich besser gelaufen als gedacht. Das gelte vor allem für das Kerngeschäft mit der Autobranche und der Industrie. Das Unternehmen aus dem DAX schraubte deshalb am Abend die Erwartungen auch für das gesamte Geschäftsjahr (per Ende September) nach oben. Der Konzernumsatz werde 2022/23 deutlich über den bisher erwarteten 15 bis 16 Milliarden Euro liegen, teilte Infineon mit. Voraussetzung dafür sei ein Dollar/Euro-Wechselkurs von 1,05 im Rest des Geschäftsjahres. Das werde sich auch auf die operative Umsatzrendite (Segmentergebnismarge) positiv auswirken. Im zweiten Quartal (Januar bis März) dürfte der Umsatz von Infineon bei mehr als vier Milliarden Euro liegen; in Aussicht gestellt hatte das Unternehmen bisher 3,9 Milliarden. Auch die Marge werde höher ausfallen als geplant: Statt bei 25 Prozent dürfte sie nahe an der 30-Prozent-Marke liegen. Euro über 1,08 Dollar, Gold etwas billiger Der Euro hat heute an seine Vortagsgewinne angeknüpft und ist deutlich über 1,08 Dollar gestiegen. Zuletzt wurde die Gemeinschaftswährung im US-Handel bei 1,0845 Dollar gehandelt, nachdem zuvor ein Tageshoch bei 1,0847 Dollar erreicht worden war. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,0841 (Montag: 1,0773) Dollar fest. Gestützt wurde der Euro durch eine stabile Entwicklung an den europäischen Aktienmärkten. "Die Risikowahrnehmung geht weiter etwas zurück", kommentierten Experten der Dekabank. Dies sorgte für weniger Nachfrage nach dem als sicher geltenden Dollar, während der Euro im Gegenzug Auftrieb erhielt. "Ob sich die Lage an den Märkten weiter beruhigen wird, bleibt allerdings abzuwarten", schränkte Devisenexpertin You-Na Park-Heger von der Commerzbank ein. "Die Nervosität dürfte erstmal hoch bleiben und mit plötzlichen Ausschlägen, je nach Nachrichtenlage, muss man wohl auch in dieser Woche rechnen." Die Feinunze Gold kostete mit 1973 Dollar 0,8 Prozent mehr. Ölpreise leicht höher Die Ölpreise haben an ihren jüngsten Erholungskurs angeknüpft. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im Mai kostete heute zuletzt 78,52 Dollar und damit 40 Cent mehr als am Vortag. Damit erholte sich der Kurs weiter von dem Anfang vergangener Woche erreichten Jahrestief von etwas mehr als 70 Dollar. Trotz der jüngsten Kursgewinne liegt der Brent-Kurs noch rund zwölf Prozent unter dem Jahreshoch von Mitte Januar. Der Preis für ein Barrel der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 49 Cent auf 73,28 Dollar. Nach Einschätzung von Rohstoffexperten der Commerzbank rückten fundamentale Faktoren wieder stärker in den Fokus der Anleger am Ölmarkt. Zuvor hatte Sorge vor einer neuen Bankenkrise auch die Ölpreise belastet. Als Ursache für das aktuelle Plus verwies Commerzbank-Experte Carsten Fritsch unter anderem auf Meldungen über einen möglichen kräftigen Anstieg der Ölnachfrage in China. Nach dem Ende der strikten Corona-Maßnahmen wird in diesem Jahr mit Nachholeffekten bei der Verarbeitung von Rohöl gerechnet. Teilrückzug von Kuwaits Staatsfonds bei Mercedes Der kuwaitische Staatsfonds (KIA) macht nach Jahrzehnten einen Teil seiner Beteiligung an Autobauer Mercedes-Benz zu Geld und kann dabei mit einem Milliardenerlös rechnen. Die mit der geplanten Über-Nacht-Platzierung von 20 Millionen Mercedes-Aktien beauftragten Banken nannten am Dienstagabend einen Preis von mindestens 69,27 Euro je Aktie. Damit würde sich der Erlös für die Kuwait Investment Authority auf knapp 1,4 Milliarden Euro belaufen. Mercedes-Aktien hatten im Xetra-Handel mit einem kleinen Plus bei 71,89 Euro geschlossen. Kuwait ist mit gut 6,8 Prozent bisher der drittgrößte Mercedes-Aktionär. Mit dem Verkauf würde die Beteiligung rechnerisch auf weniger als fünf Prozent sinken. Siemens Energy erhält Großauftrag in Italien Einer der größten DAX-Gewinner war die Aktie von Siemens Energy. Der Energietechnik-Konzern hat in Italien einen Großauftrag an Land gezogen. Ein Konsortium aus Siemens Energy und dem italienischen FATA-Konzern hat vom Übertragungsnetzbetreiber Terna den Zuschlag für die Lieferung von vier Konverter-Stationen bekommen. Das Auftragsvolumen für Siemens Energy beläuft sich auf knapp eine Milliarde Euro. Adidas und Beyoncé trennen sich Der Sportartikelhersteller Adidas steht offenbar vor einem Ende der Zusammenarbeit mit dem US-Popstar Beyoncé. Mehrere Medien in den USA und Deutschland hatten berichtet, die Zusammenarbeit zwischen dem fränkischen Konzern und Beyoncés Modemarke Ivy Park solle in beiderseitigem Einvernehmen nach Auslaufen des Vertrages Ende des Jahres nicht fortgesetzt werden. Eine Adidas-Sprecherin wollte dies zunächst nicht kommentieren. Die Produkte von Ivy Park sollen beim Kunden nicht in dem Maße angenommen worden sein, wie Adidas sich das vorgestellt hatte. Den Medienberichten zufolge mussten die Franken jedes Jahr Geld drauflegen. Für den DAX-Konzern ist es innerhalb kurzer Zeit bereits das zweite Mal, dass eine Kooperation mit einer Größe aus der Musikbranche gelöst werden muss. Ende vergangenen Jahres war die Zweckehe mit dem Rapper Kanye West in die Brüche gegangen. Dies hatte allerdings hatte keinen wirtschaftlichen Gründe - die Produktreihe war hoch profitabel. West hatte sich allerdings mit antisemitischen Äußerungen ins Abseits gestellt. SpaceX-Rivale Isar erhält erneut Geld von Porsche SE Der deutsche Raketenbauer Isar Aerospace hat bei einer Finanzierungsrunde eine erneute Kapitalspritze der Porsche SE bekommen. Der Volkswagen-Großaktionär hat gemeinsam mit Wagniskapitalgebern und Finanzinvestoren insgesamt 155 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Insgesamt sammelte der SpaceX-Rivale 310 Millionen Euro ein. Wirkstoffforscher Evotec im MDAX gefragt Im MDAX stand die Evotec-Aktie an der Indexspitze. Mit zahlreichen neuen Kooperationen im Rücken hofft der Hamburger Pharma-Wirkstoffforscher künftig auf einen besseren Lauf. 2023 soll das Betriebsergebnis wieder zulegen, nachdem im vergangenen Jahr hohe Kosten auf das Ergebnis gedrückt hatten. Encavis streicht die Dividende Der Solar- und Windpark-Betreiber Encavis will das Geschäft in den kommenden Jahren deutlich ausbauen und zahlt deshalb für das vergangene Jahr keine Dividende aus. Um die bis 2027 angepeilten Kapazitäts- und Umsatzziele aus eigener Kraft zu erreichen, soll der Gewinn des vergangenen Jahres in voller Höhe im Haus bleiben. Aufsichtsrat und Vorstand schlagen daher auf die Ausschüttung einer Dividende zu verzichten, wie das im MDAX notierte Unternehmen am Dienstag nachbörslich bei der Vorlage detaillierter Zahlen für das vergangene Jahr sowie der neuen mittelfristigen Prognose mitteilte. Aktienanalysten hatten damit gerechnet, dass die Ausschüttung vom Vorjahreswert in Höhe von 30 Cent je Anteil leicht steigen wird. Bei 161 Millionen ausstehenden Aktien hätte dies eine Ausschüttung von rund 50 Millionen Euro bedeutet. Rational zahlt Rekord-Dividende Der bayerische Großküchenausrüster Rational zahlt für das abgelaufene Rekordjahr so viel Dividende wie noch nie. Vorstand und Aufsichtsrat schlagen eine Ausschüttung von 13,50 Euro je Aktie vor, davon 2,50 Euro als Sonderdividende. ProSiebenSat.1 kauft TV-Rechte für U21-EM ProSiebenSat.1 ist im Wettbewerb um interessante Sportrechte ein Coup gelungen. Die Sendergruppe hat ein umfangreiches Paket für die U21-Europameisterschaften von der Europäischen Fußball-Union (UEFA) erworben. Das Unternehmen bestätigte den Vertrag der Tochtergesellschaft Seven.One Sports mit der UEFA. So will Musk Twitter-Nutzer zu zahlenden Kunden machen Twitter-Besitzer Elon Musk unternimmt die nächsten Schritte, um Nutzer zum Abschluss eines Bezahl-Abos zu bringen. So sollen vom 15. April an nur noch Tweets zahlender Abo-Kunden im "Für dich"-Bereich auftauchen, in dem die Beiträge von Software ausgesucht werden. Auch an Twitter-Umfragen sollen nach dem 15. April nur noch zahlende Abo-Kunden teilnehmen können. US-Aufsicht reicht Klage gegen Binance ein US-Finanzaufseher haben Klage gegen Binance eingereicht - den Betreiber der weltgrößten Handelsplattform für Digitalwährungen wie Bitcoin und Ether. Die Kryptobörse habe sich nicht an Regeln auf dem US-Finanzmarkt gehalten und bestimmte Geschäfte und Dienstleistungen ohne nötige Zulassung betrieben, teilte die Aufsichtsbehörde CFTC mit. Binance habe gezielt versucht, CFTC-Regulierungen zu umgehen. Die Aufsicht will Bußgelder und ein Handelsverbot erwirken.
/wirtschaft/finanzen/marktberichte/marktbericht-dax-dow-bankenkrise-kreditklemme-gold-oel-musk-postbank-101.html
2023-03-28
Immer mehr Mittelständler ohne Nachfolge
KfW-Studie
Viele Unternehmen aus dem Mittelstand leiden zunehmend unter Nachfolge-Problemen. Laut einer aktuellen Umfrage führt das in den kommenden Jahren dazu, dass Tausende Firmen schließen müssen. mehr
Viele Unternehmen aus dem Mittelstand leiden zunehmend unter Nachfolge-Problemen. Laut einer aktuellen Umfrage führt das in den kommenden Jahren dazu, dass Tausende Firmen schließen müssen. Keine Nachfolge im Betrieb: Damit stehen viele mittelständische Unternehmen in der nahen Zukunft vor dem Aus. Das hat eine Umfrage der der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ergeben. Die staatliche Förderbank hat heute ihren KfW-Mittelstandsmonitor veröffentlicht. Ausscheiden aus dem Markt mangels Nachfolge Danach suchen bis zum Ende des Jahres 2026 rund 560.000 der insgesamt etwa 3,8 Millionen mittelständischen Unternehmen eine Nachfolge. Etwa 190.000 von ihnen, so das Ergebnis, planen ohne eine Nachfolgeregelung aus dem Markt auszuscheiden. Rund 70.000 geplante Unternehmensübergänge könnten laut KfW allein bis zum Ende dieses Jahres an einem fehlenden Nachfolger oder einer Nachfolgerin scheitern. Die Analyse basiert auf Daten von 10.796 Unternehmen, die am jüngsten KfW-Mittelstandspanel teilnahmen. "Ungewollte Stilllegungen von Unternehmen werden uns häufiger begegnen. In naher Zukunft wird es voraussichtlich jeden vierten Nachfolgewunsch treffen", so Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Mangel an geeigneten Kandidaten Weiterhin ist der wichtigste Grund für das Scheitern eines Unternehmensübergangs der Mangel an geeigneten Nachfolgerinnen und Nachfolgern. Knapp 79 Prozent der befragten Unternehmen gaben dies an. Ein Jahr zuvor waren es 76 Prozent. Auch in der fehlenden Einigung auf einen Kaufpreis (34 Prozent der Befragten) und dem großen bürokratischen Aufwand (28 Prozent) sehen die Unternehmer Hürden für einen geglückten Firmenübergang. Die immer ungünstigere Demografie in Deutschland spielt bei der Verschärfung des Problems eine wichtige Rolle. So folgen auf die geburtenstarke Babyboomer-Generation deutlich geburtenschwächere Jahrgänge, es fehlt in vielen Fällen damit schlicht der Nachwuchs. Übergang innerhalb der Familie wieder beliebter Die Unternehmergeneration in Deutschland wird im Mittelstand zugleich immer Älter. Die Firmeninhaber, die eine kurzfristige Nachfolge anstreben, sind laut KfW im Schnitt 64 Jahre alt. Ein Drittel der Firmeninhaber sind danach über 60, dreimal so viele wie vor 20 Jahren. Die Corona-Krise hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass eine Nachfolge in mittelständischen Unternehmen wieder häufiger innerhalb der Familie angestrebt wird. Laut der Umfrage zufolge favorisieren 53 Prozent der Unternehmen mit einem Umsatz von bis zu 500 Millionen Euro diese Variante. Vor Corona lag der Anteil nur bei 45 Prozent. Der Verkauf an externe Interessenten oder an Mitarbeiter sind die weiteren üblichen Formen beim Firmenübergang in neue Hände.
/wirtschaft/unternehmen/unternehmen-nachfolge-kfw-101.html
2023-03-28
Die Risiken der Banken
Stabilität des Finanzmarkts
Die Rettungsaktion für Credit Suisse hat Fragen aufgeworfen. Haben Banken und staatliche Aufsicht nicht genug aus der Finanzkrise 2008 gelernt? Fachleute sehen noch Lücken im Regelwerk. Von Ingo Nathusius.
Die Rettungsaktion für Credit Suisse hat Fragen aufgeworfen. Haben Banken und staatliche Aufsicht nicht genug aus der Finanzkrise 2008 gelernt? Fachleute sehen noch Lücken im Regelwerk. Wenn es um Bankpleiten geht, ist stets von fehlendem Eigenkapital die Rede. Jedes Risiko muss fortlaufend kalkuliert werden. Je risikoreicher ein Geschäft ist, desto mehr Eigenkapital muss die Bank parat halten. Wenn das Risiko eintritt, können vorsichtige Banker es mit einem Griff in die eigene Kasse ausgleichen. "Das setzt voraus, dass ich die Risiken richtig messe", sagt Bank-Professor Martin Faust von der Frankfurt School of Finance and Management. Aus dem klassischen Bankgeschäft ergeben sich drei Risiken. Wenn sich die Marktlage dreht Erstens gibt es Marktrisiken. Ein Banker hat beispielsweise wunderbare Geschäfte mit bestens beleumundeten Geschäftspartnern abgeschlossen. Doch jählings ändert sich der Markt - und nichts ist mehr so, wie alle Beteiligten sich das einst vorgestellt hatten. Ein wesentliches Marktrisiko von Banken ist das Zinsänderungs-Risiko. Die Silicon Valley Bank in den USA hatte in der Niedrigzinszeit festverzinsliche Wertpapiere gekauft. Als das Zinsniveau stieg, wurden die alten, niedrigen Zinsen der Papiere uninteressant. Damit sank der Wert der Papiere. Für die Bank hieß das: Wesentliche Unternehmenswerte waren vernichtet, die Bank war hinüber. "Im ersten Semester Betriebswirtschaft lernt man: Es gibt Zinsänderungsrisiken", sagt Faust. Sein Kollege Thomas Heidorn ergänzt: "Amerikanische Banken gehen in regelmäßigen Abständen am Zinsänderungsrisiko pleite. In Europa ist dagegen an solchen Marktrisiken lange niemand gescheitert. Die haben das im Griff." Das Geld muss flüssig sein Das zweite Risiko des Bankgeschäfts ist die Liquidität. Banken sollen und müssen ihr Geld im Markt unterbringen und arbeiten lassen. Daher haben sie nur geringes Interesse an vollen Tresoren. Wenn aber Geschäftspartner das Vertrauen in eine Bank verlieren und massenhaft ihre Einlagen abziehen, steht die Bank schnell mit leeren Taschen da. Ökonom Faust hält das Liquiditätsrisiko von Banken für unterbewertet. Bei Regulierungsbehörden gebe es noch die Vorstellung, "dass die Kunden träge sind". Das sei heute falsch: "Anleger können online in kurzer Zeit ihr Konto leerräumen", sagt Faust. So ist es vergangene Woche der Credit Suisse ergangen. "Das muss in kurzer Zeit sehr viel gewesen sein", sagt Volker Brühl vom Center for Financial Studies der Universität Frankfurt. Auf die Bonität kommt es an Drittens geht es um die finanzielle Zuverlässigkeit derer, denen die Bank Geld gibt - ihre "Bonität", wie es im Jargon heißt. Wenn ein Kreditnehmer nicht mehr zahlen kann oder ein Unternehmen, das der Bank Wertpapiere verkauft hat, pleite geht, ist das schlecht. Im Massengeschäft kann die Bonität von Geschäftspartnern berechnet werden: Soundsoviel Prozent Privatkunden fallen beispielsweise im langjährigen Durchschnitt wegen Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Scheidung aus. Jenseits des Massengeschäfts hilft Rating: Spezielle Dienstleister schätzen aufgrund eigener Forschung die Qualität von Geschäftsteilnehmern ein und vergeben standardisierte Noten. Die Bankenkrise 2008 begann, weil amerikanische Banken jahrelang Privathäuser finanziert hatten, ohne die Bonität ihrer Kunden ernsthaft zu prüfen. Als Häuser nicht mehr dauernd im Wert stiegen, sich also ein Marktrisiko offenbarte, führte die schlechte Bonität zur weltweiten Bankenkrise. Sie wurde verstärkt, als kurz darauf Staatsanleihen aus Griechenland und anderen hochverschuldeten Ländern nicht mehr ordentlich verzinst werden konnten und massiv Wert verloren. Der Sonderfall: Staatsanleihen Banken, die Staatsanleihen kaufen, müssen sie nicht mit einem Eigenkapitalpuffer sichern. Dabei tragen auch Staatsanleihen zwei Risiken: Das Rating - also die Bonität des Staates - kann sich ändern, und bei veränderten Zinsen kann sich der Markt ändern. Doch in der Krise der Staatsfinanzen vor 15 Jahren galt es, von der Pleite bedrohte Staaten zu retten. Wenn deren Anleihen mit Sicherheitspuffern hätten abgefedert werden müssen, wären sie teurer geworden. Damit wäre die Finanzierung von Pleitestaaten noch schwerer geworden. Also blieben Staatsanleihen von der Regel verschont, mit Eigenkapital abgesichert zu werden, wenn Banken sie kaufen. "Das ist eine Baustelle", sagt Wirtschaftswissenschaftler Brühl vom Center for Financial Studies, "Das sollte man ändern." "Wir denken nicht schlimm genug" Gut geführte Banken - allemal Großbanken - kalkulieren fortlaufend ihre Risiken und steuern sie im Verhältnis zum Eigenkapital. Brühl weist darauf hin, dass Bankrisiken durch Sicherungsgeschäfte ausgeglichen werden können. Allerdings: "Bei der Silicon Valley Bank hat das offenbar nicht funktioniert." Bei Risikomanagement und der Bankenaufsicht wird mit Erfahrungswerten und Zukunftsszenarien gearbeitet. "Wir denken nicht schlimm genug", sagt Faust. "Die Realität ist immer schlimmer als die Annahme." Andererseits sind sich alle Fachleute einig, dass Kaufmannschaft ohne Ungewissheit und Risikobereitschaft nicht funktionieren kann.
/wirtschaft/finanzen/bankenrisiken-101.html
2023-03-28
Noch keine Einigung in Sicht
Koalitionsausschuss unterbrochen
SPD, Grüne und FDP wollten eigentlich anders auftreten als die Vorgängerregierung. Doch auch nach 20 Stunden Verhandlungen gab es im Koalitionsausschuss noch keine Ergebnisse. Heute soll weiter gesprochen werden. Von T. Ostermann.
SPD, Grüne und FDP wollten eigentlich anders auftreten als die Vorgängerregierung. Doch auch nach 20 Stunden Verhandlungen gab es im Koalitionsausschuss noch keine Ergebnisse. Heute soll weiter gesprochen werden. Am Nachmittag tröpfelte die Info langsam raus: Die Verhandlungen werden unterbrochen und sollen an anderer Stelle fortgesetzt werden. Das halbe Kabinett, inklusive Kanzler Olaf Scholz, wurde zu Regierungskonsultationen in Rotterdam erwartet. Per Hubschrauber ging es direkt vom Kanzleramt in Richtung Berliner Flughafen. Für den frühen Abend war ein gemeinsames Abendessen mit der niederländischen Regierung geplant. Bevor der Kanzler Regierungschef Mark Rutte aber begrüßen konnte, holte ihn die vergangene Nacht noch mal am Ankunftsort ein. Am Flughafen in Rotterdam äußerte er sich zum Streit in der Ampel. Scholz gab sich gelassen, sprach von "sehr, sehr guten Fortschritten", die gemacht worden seien. Die Koalition werde alles tun, um den "großen Schub", den Deutschland brauche, zu organisieren. CDU-Chef Merz: "Stehend k.o." Stunden vorher in Berlin: Nach etwa 20 Stunden wurde der Koalitionsausschuss unterbrochen. Ergebnisse wurden nicht präsentiert. Stattdessen veröffentlichten alle drei Parteien das gleiche knappe Statement. Darin ist von "vertrauensvollen und konstruktiven" Gesprächen die Rede, man sei weit vorangekommen. Die Gespräche sollen heute Vormittag fortgesetzt werden. Es ist durchaus bemerkenswert, dass auch nach 20 Stunden Verhandlungen keine Einigung erzielt werden konnte. Vor allem im Bereich der Klima- und Verkehrspolitik soll es nach wie vor Klärungsbedarf geben. Wenig Verständnis für die langen Verhandlungen bringt die Opposition auf. Die Linkspartei kritisierte das Treffen, bezeichnete es als Gruppentherapie. Die Union sieht ein Führungsversagen beim Bundeskanzler. CDU-Chef Friedrich Merz sagte, die Koalition sei "stehend k.o". An Schlaf war nicht zu denken Es ist nicht das erste Mal, dass ein Koalitionsausschuss ergebnislos unterbrochen werden muss. 2020 etwa vertagten sich die Koalitionspartner im Zusammenhang mit Diskussionen über die Bekämpfung der Corona-Pandemie. Damals regierten CDU und SPD bereits seit vielen Jahren. Die Ampel machte nach der Regierungsbildung deutlich, dass sie anders arbeiten will, vor allem eher tagsüber als nachts. Nachtsitzungen sollten also der Vergangenheit angehören. Schluss mit dem typischen Sitzungsmarathon der Ära Angela Merkels. Für sie waren nächtliche Sitzungen mit den Jahren zum Erfolgsrezept geworden. Die sogenannte Fortschrittskoalition, also SPD, Grüne und FDP, wollte anders auftreten. Doch an Schlaf war vergangene Nacht offenbar nicht zu denken, zu lang war offensichtlich die Liste an Themen. Besonders die Grünen sind unzufrieden "Als ich den Kanzler vorhin traf, hatte ich nicht den Eindruck, dass er besonders viel geschlafen hätte", erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Von Ideenreichtum und Schlafmangel twitterte Finanzminister Lindner zwischenzeitlich. In welchem Zusammenhang diese beiden Worte stehen, ließ er offen. Vor allem zwischen Grünen und FDP hatten sich in den Tagen vor der Sitzung koalitionsinterne Zielkonflikte besonders deutlich gezeigt: Die Grünen beklagten einen Mangel an klimapolitischem Ehrgeiz in der Koalition. Sie fühlen sich in diesem für sie wichtigen Bereich ausgebremst. Die Kanzlerpartei hält sich raus Die FDP weist auf die immer kleiner werdenden Spielräume im Bundeshaushalt hin: Sie will die Verschuldung begrenzen und neue Belastungen für Bürger und Wirtschaft vermeiden. Die Kanzlerpartei SPD hielt sich weitgehend heraus aus dem Streit, was wiederum Fragen nach der Führungsstärke von Scholz aufwarf. Die Spitzen der Koalition dürften auch in dieser nicht viel Schlaf bekommen. Bereits um neun Uhr soll es heute Morgen im Kanzleramt weitergehen. Scholz, Habeck, Lindner und Co. dürften die Zeit bis dahin nutzen, um mögliche Spielräume und Strategien auszuloten. Keiner dürfte daran interessiert sein, noch mal 20 Stunden im Kanzleramt zu verbringen.
/inland/innenpolitik/koalition-ausschuss-unterbrechung-101.html
2023-03-28
Legt die Ampel heute ihren Streit bei?
Koalitionsausschuss - zweiter Teil
Etwa 20 Stunden hatte der letzte Koalitionsausschuss der Ampel gedauert - bisher ergebnislos. Heute setzen SPD, Grüne und FDP ihre Beratungen fort. Die Opposition stellt wegen des Streits die Regierungsfähigkeit der Ampel infrage. mehr
Etwa 20 Stunden hatte der letzte Koalitionsausschuss der Ampel gedauert - bisher ergebnislos. Heute setzen SPD, Grüne und FDP ihre Beratungen fort. Die Opposition stellt wegen des Streits die Regierungsfähigkeit der Ampel infrage. Die Spitzenpolitiker von SPD, Grünen und FDP treffen sich heute Vormittag erneut, um ihr unterbrochenes Krisentreffen im Koalitionsausschuss fortzusetzen. Dabei suchen sie Kompromisse in diversen Streitfragen. Vor allem im Bereich der Klima- und Verkehrspolitik gibt es nach wie vor Klärungsbedarf. Die Gespräche hatten am Sonntagabend begonnen und zogen sich bis in den frühen Montag. Nach rund 20 Stunden mussten sie unterbrochen werden - Bundeskanzler Olaf Scholz und mehrere Minister waren zu den deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen in Rotterdam geladen. Konkrete Ergebnisse wurden nach der Marathonsitzung bisher keine präsentiert. Parteiübergreifend aber war die Rede von "vertrauensvollen und konstruktiven" Gesprächen, Kanzler Scholz spricht gar von "sehr, sehr guten Fortschritten". Die Opposition wertet die Unterbrechung hingegen als Blamage und Armutszeugnis. "Nette Zwischenzeit" in Rotterdam Eigentlich hatte sich die Ampel zu Beginn ihres Regierungsantritts auf die Fahnen geschrieben, keine nächtlichen Dauersitzungen abhalten zu wollen. Scholz begründete das lange Treffen aber mit der Komplexität der zu lösenden Aufgaben. Es gehe um die Modernisierung Deutschlands. "Wir wollen sehr klare, konkrete Festlegungen treffen, die es möglich machen, dass wir das notwendige Tempo erreichen", sagte er am Rande der Konsultationen in Rotterdam. "Die gemeinsame Überzeugung der Regierung ist, dass die gesetzlichen Regeln, die wir über die letzten Jahrzehnte so allmählich zusammengeschraubt haben, nicht zu der Geschwindigkeit passen, die wir heute benötigen", sagte der SPD-Politiker mit Verweis auf den Ausbau der erneuerbaren Energien, der Stromnetze und der Verkehrsinfrastruktur. Die Gespräche in Rotterdam nannte er "eine nette Zwischenzeit, die wir jetzt hier bei unseren Freunden in den Niederlanden haben." Ideenreichtum, #Schlafmangel - #Koalitionsausschuss. CL Kopfschütteln in der Opposition So betont gelassen sich der Kanzler gibt, so verheerend fällt das Urteil von CDU, CSU, AfD und Linkspartei aus. CDU-Generalsekretär Mario Czaja stellte im "Tagesspiegel" die Regierungsfähigkeit der Ampel infrage. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der Mediengruppe Bayern: "Aus der Streit-Ampel wird jetzt auch noch die Streik-Ampel, weil es ja an Arbeitsverweigerung grenzt, wenn es nach so vielen Stunden kein einziges Ergebnis gibt." CDU-Chef Friedrich Merz sagte, die Koalition sei "stehend k.o." Linken-Chefin Janine Wissler bezeichnete das Ampel-Bündnis als "Blockadekoalition". Wissler rief den Kanzler zu mehr Durchsetzungskraft auf. Insbesondere Finanzminister Christian Lindner und Verkehrsminister Volker Wissing aufseiten der FDP seien Bremsklötze beim Klimaschutz, bei sozialer Gerechtigkeit und bei Investitionen in die Zukunft. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert versuchte zu beschwichtigen. Es sei besser, zwei Tage lang hart um Lösungen in wichtigen Fragen zu ringen, als zwei Jahre lang ohne Lösungen in diesen Bereichen regieren zu müssen. "Die zwei Tage sind, glaube ich, mit viel Augen-Zudrücken schon zumutbar", so Kühnert. Streit bei vielen Themen Die Liste der festgefahrenen Streitpunkte der Ampel ist lang. Als größtes Konfliktthema deutete sich der Klimaschutz im Verkehr an - denn hier muss die Bundesregierung eine Trendwende schaffen. In diesem Sektor stiegen die Treibhausgasemissionen zuletzt, anstatt zu sinken. Vor allem die Grünen verlangen von Verkehrsminister Wissing mehr Anstrengung, während die FDP Vorschläge wie etwa ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen strikt ablehnt. Unmut gibt es ebenso beim geplanten Verbot von Öl- und Gasheizungen. Die Grundidee war in der Koalition eigentlich längst vereinbart: Ab 2024 sollen möglichst nur noch solche Heizungen neu eingebaut werden, die zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. De facto bedeutet das ein Aus für konventionelle Öl- und Gasheizungen. Habeck goss das in einen umstrittenen Gesetzentwurf. SPD und FDP betonen beide, Hausbesitzer und Mieter dürften nicht überfordert werden. Auf der Suche nach einem Kompromiss war die Ampel schon vor dem Spitzentreffen vorangekommen - ohne dass bisher Details durchsickerten. Auch Umfang und Finanzierung der ab 2025 geplanten Kindergrundsicherung steht zur Debatte: Die grüne Familienministerin Lisa Paus plädiert etwa für eine Aufstockung. Finanzminister Lindner hält dagegen, weil die Koalition gerade das Kindergeld angehoben habe. Der Streit um das Geld ist zum steten Begleiter der Koalition geworden. FDP-Politiker mahnten schon vor dem Koalitionsausschuss wiederholt Disziplin bei den Finanzen an - vor allem mit Blick auf den ausstehenden Bundeshaushalt für 2024. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte: "Alle Koalitionsparteien müssen die aktuellen finanzpolitischen Realitäten anerkennen." Allerdings hätten die drei Parteien kein gemeinsames Grundverständnis in dieser Frage.
/inland/innenpolitik/koalitionsausschuss-fortsetzung-105.html
2023-03-28
Verkehr rollt allmählich wieder an
Bundesweite Warnstreiks
Zwar rollt der Verkehr in Deutschland nach dem Ende des bundesweiten Warnstreiks in der Nacht langsam wieder an. Doch auch heute müssen sich Reisende noch auf Verzögerungen einstellen. mehr
Zwar rollt der Verkehr in Deutschland nach dem Ende des bundesweiten Warnstreiks in der Nacht langsam wieder an. Doch auch heute müssen sich Reisende noch auf Verzögerungen einstellen. Nach dem 24-Stunden-Warnstreik der Gewerkschaften ver.di und EVG läuft der öffentliche Verkehr auf der Schiene, zu Wasser und in der Luft in Deutschland allmählich wieder an. Allerdings müssen sich Fahrgäste insbesondere im Fernverkehr der Deutschen Bahn auch heute noch für einige Zeit auf Zugausfälle und Verspätungen einstellen, wie ein Bahnsprecher sagte. Es brauche einige Stunden, bis die ICE- und IC-Züge sowie das Personal dort sind, wo sie gebraucht würden. Zu Einschränkungen kann es demnach in geringerem Umfang auch im Regional- und S-Bahnverkehr kommen. Auch an den Flughäfen dürfte noch nicht gleich wieder alles reibungslos anlaufen. Weitere Verzögerungen auch an Flughäfen möglich Nahezu sämtliche deutsche Verkehrsflughäfen außer Berlin waren vom gemeinsamen Warnstreik der Gewerkschaft ver.di und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft am Montag betroffen. Es sei möglich, dass es am Dienstag zu längeren Wartezeiten komme, sagte der Sprecher des größten deutschen Flughafens in Frankfurt. Passagiere sollten sich auf eventuelle Verzögerungen im Betriebsablauf einstellen, frühzeitig den Status ihres Fluges checken und genug Zeit einplanen. EVG schließt Streik rund um Ostern aus Die EVG hatte gemeinsam mit ver.di in den jeweiligen Tarifkonflikten bundesweit zum Warnstreik im Verkehrssektor aufgerufen. Die beiden Gewerkschaften wollten mit der Verschränkung der verschiedenen Tarifkonflikte den Druck auf die Arbeitgeber deutlich erhöhen. Zum Auftakt der dritten Verhandlungsrunde für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Potsdam blieb angesichts der verhärteten Fronten völlig unklar, ob ein Durchbruch gelingen kann. Die gute Nachricht für viele Pendler und Reisende: Die EVG hat einen weiteren Warnstreik vor und während der Ostertage ausgeschlossen. Kein Chaos im Straßenverkehr Beim Warnstreik kam es jedoch nicht zum befürchteten Chaos im Straßenverkehr. Zahlreiche Pendler wechselten ins Home-Office, und viele Reisende verschoben ihre Fahrten. An den Flughäfen und Bahnhöfen strandeten während des Ausstands nur wenige Fahr- und Fluggäste. Die EVG bestreikte den Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr. Der Fernverkehr wurde komplett eingestellt, der Regionalverkehr größtenteils. Auch nicht bestreikte Bahnkonkurrenten waren betroffen, weil Beschäftigte in den Stellwerken der DB Netz die Arbeit niederlegten. 380.000 Flugreisende blieben am Boden Ver.di sorgte derweil für Stillstand an mehreren Flughäfen, im Nahverkehr und auch auf Wasserstraßen. Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt gab es keinen regulären Passagierbetrieb. Dort waren ursprünglich etwa 1170 Starts und Landungen mit rund 160.000 Passagieren geplant. In München fielen 785 Flüge aus. Insgesamt mussten laut der Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) 380.000 Geschäfts- und Privatreisende am Boden bleiben. An Flughäfen sind Kommunalbeschäftigte des öffentlichen Dienstes in den Warnstreik einbezogen, es geht aber auch um Verhandlungen für Bodenverkehrsdienste sowie Gespräche für die Luftsicherheit. Dbb-Chef warnt vor unbefristetem Streik Mit Blick auf die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst forderte ver.di-Chef Frank Werneke die Arbeitgeberseite auf, "einen deutlichen Schritt" auf die Beschäftigten zuzugehen. Die Arbeitgeber forderten die Gewerkschaften hingegen auf, über das vorliegende Angebot ernsthaft zu verhandeln. Ein neues Angebot brauche es nicht, so die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Karin Welge. Ver.di und der Beamtenbund dbb verhandeln seit Januar mit Bund und Kommunen über die Einkommen von Millionen Beschäftigten. Dbb-Chef Ulrich Silberbach brachte ein mögliches Scheitern der Verhandlungen ins Spiel und warnte bereits vor einem flächendeckenden, unbefristeten Streik. Bei der EVG, die parallel mit 50 Bahnunternehmen über neue Tarifverträge verhandelt, beginnt die zweite Tarifrunde am Mittwoch, verhandelt wird dann mit der Osthannoverschen Eisenbahn. Die nächsten Gespräche mit der Deutschen Bahn sind erst für Ende April angesetzt. Die Gewerkschaft verhandelt bei dem bundeseigenen Konzern für rund 180.000 Beschäftigte.
/wirtschaft/warnstreik-verkehr-betrieb-103.html
2023-03-28
Eine Klimaanlage fürs Viertel
Miniwälder in Städten
Im Sommer wird es oft heiß in dicht bebauten Großstädten. Schnell wachsende Miniwälder sollen die Luft verbessern und abkühlen. Eine Idee aus Japan - funktioniert sie auch hier? Von Niklas Schenck.
Im Sommer wird es oft heiß in dicht bebauten Großstädten. Schnell wachsende Miniwälder sollen die Luft verbessern und abkühlen. Eine Idee aus Japan - funktioniert sie auch hier? Von Niklas Schenck, NDR Es ist ein Gewusel: Auf einem kleinen Grundstück neben einem Hochhaus stemmen etwa 50 Menschen gleichzeitig ihre Spaten in die Erde. Sie pflanzen junge Bäume ein. Eichen, Buchen und heimische Sträucher. Aus ihnen soll auf 300 Quadratmetern ein neuer Miniwald entstehen. Mitten im Wohngebiet im Hamburger Bezirk Altona. Nachbarn und einige Familien helfen mit, die rund 1000 Setzlinge in den Boden zu bringen. Toll finde sie es, in kurzer Zeit viele Bäume zu pflanzen, die CO2 speichern werden, erklärt Nina Schumann, während ihr Sohn gerade eine Wurzel eingräbt. Urbane Oasen für die Artenvielfalt Die Idee des Tiny Forest, des Waldes im Miniformat, stammt vom japanischen Waldforscher Akira Miyawaki. Er studierte und lehrte auch in Deutschland. Bereits in den 1970er-Jahren dachte Miyawaki darüber nach, wie man in Großstädten das Klima durch Aufforstung verbessern kann. Seine Antwort: Kleine, grüne Naturinseln schaffen. Sie spenden Schatten, unterstützen die Artenvielfalt und reinigen die Luft von Schadstoffen. Dadurch dass die Bäume auf engstem Raum gepflanzt werden, sollen sie besonders schnell heranwachsen. Denn sie konkurrieren um Licht. Der Boden wird außerdem mit natürlichen Nährstoffen angereichert - auch dies, um das Wachstum zu beschleunigen. Die Organismen versorgen sich gegenseitig. Schon nach drei Jahren Pflege und Bewässern wird ein Tiny Forest in der Stadt sich selbst überlassen. Mehr Pflanzaktionen Solche Miniwälder, für die eine Fläche von nur 100 Quadratmetern ausreicht, gibt es inzwischen in Indien, den USA und Europa, etwa in London und Wien. In Deutschland hat Boris Kohnke mit seinem Verein "Citizens Forests" bereits 19 Miyawaki-Flächen gepflanzt, die erste in Schleswig-Holstein. "Durch sie heizt sich die Stadt nicht so sehr auf und sie bieten zusätzlich noch einen Rückzugsort für gefährdete Tiere, die sonst keinen Platz haben, an dem sie sich aufhalten können", sagt Kohnke. Er steht inmitten der frisch eingesetzten Bäume in Hamburg. Sein Verein hat eine Mission. So wie auf die Behörden in Norddeutschland wolle man bald auf Tausende weitere Städte und Gemeinden zugehen, um nicht genutzte Flächen für Tiny Forests zu finden. "Ob nun ein kleiner Wald etwas bewirken kann, das ist die Frage. Aber viele kleine Wälder können etwas bewirken und genau das ist unser Ziel." Waldexperte sieht Klimaeffekt kritisch Mit einem echten Wald ist so ein Miniwald nicht zu vergleichen. Entsprechend kritisch sieht der Biologe Ernst-Detlef Schulze den Effekt des neuen Stadtgrüns für das Klima insgesamt. "Die Ausmaße dieser Aktivitäten sind minimal und kaum messbar", so der Professor am Max-Planck-Institut in Jena. Natürlich wirke jeder Baum in einem Wohngebiet wohltuend. Er verringere die Staubbelastung und spende Schatten. Große CO2-Speicher sind die Tiny Forests aus Sicht des Forschers aber nicht, selbst wenn viele angelegt würden. Es brauche weitere Maßnahmen wie begrünte Fassaden und Dachgärten sowie eine nachhaltige Holzwirtschaft. Miniwälder brechen Versiegelung auf Für Gesche Jürgens ist das kein Argument gegen die Idee aus Japan. Die Waldexpertin von Greenpeace meint, richtige Wälder seien Verbündete beim Klimaschutz. Sie wirkten wie riesige Klimaanlagen. "Ohne den Amazonas-Regenwald und die nordischen Wälder haben wir keine Chance, den Klimawandel in den Griff zu bekommen." Aber neben dem Walderhalt sei es auch wichtig, in den Städten mehr Grün zu schaffen. "Denn hier gibt es ganz viel Beton und versiegelte Flächen. Und da sind solche Miniwälder einfach ein wichtiger Beitrag für mehr Kühlung", sagt die Umweltschützerin. Kohnke und den Ehrenamtlichen von "Cititzens Forests" geht es genau darum: Sie wollen die Lebensqualität in Quartieren verbessern. In Hamburg und anderen deutschen Städten werden zurzeit mehr Bäume gefällt als nachgepflanzt. Deshalb zähle jedes Stück Natur, jeder Baum. Insgesamt 100.000 wollen sie in den nächsten Jahren allein in Hamburg pflanzen.
/wissen/klima/miniwaelder-klimawandel-staedte-hamburg-101.html
2023-03-28
Die unterschätzte Gefahr
Tod am Bahnübergang
Bei Unfällen an Bahnübergängen sind vergangenes Jahr so viele Menschen ums Leben gekommen wie seit 2010 nicht mehr. Die Ursache liegt fast immer beim Straßenverkehr. Aufklärung, aber auch mehr Sicherheitsmaßnahmen könnten helfen. mehr
Bei Unfällen an Bahnübergängen sind vergangenes Jahr so viele Menschen ums Leben gekommen wie seit 2010 nicht mehr. Die Ursache liegt fast immer beim Straßenverkehr. Aufklärung, aber auch mehr Sicherheitsmaßnahmen könnten helfen. Von Christoph Heinzle, Brid Roesner und Isabel Lerch, NDR Seit den 1950er-Jahren ist die Zahl der Bahnübergänge vor allem durch Streckenstilllegungen und -verkauf um etwa die Hälfte zurückgegangen und die Zahl der Unfallopfer massiv gesunken. Doch seit etwa zehn Jahren stagniert die Entwicklung. Nach 2010 hat die Deutsche Bahn AG (DB) zwar fast ein Fünftel der damals knapp 20.000 beschrankten und unbeschrankten Bahnübergänge abgebaut, das Niveau der Unfallzahlen hat sich aber praktisch nicht verändert. Das ergab eine Auswertung von Daten der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU), die dem NDR vorliegen. Demnach starben auf bundeseigenen Strecken im vergangenen Jahr 42 Menschen bei 146 Unfällen, 165 wurden verletzt. Unfälle an Bahnübergängen an staatseigenen Bahnstrecken im Jahr 2022BundeslandUnfälleGetöteteVerletzteBaden-Württemberg12326Bayern341026Berlin101Brandenburg9510Bremen000Hamburg102Hessen11414Mecklenburg-Vorpommern219Niedersachsen20217Nordrhein-Westfalen27825Rheinland-Pfalz13418Saarland000Sachsen404Sachsen-Anhalt202Schleswig-Holstein537Thüringen524 Fehlverhalten von Verkehrsteilnehmern Hauptgrund Bahnübergänge sind die unfallträchtigsten Stellen im Zugverkehr. Tote und Verletzte sind häufig, wenn Straßenfahrzeuge oder Fußgänger mit Zügen kollidieren. "Jeder Unfall ist einer zu viel und jeder Unfall ist tragisch", sagte DB-Sprecher Achim Stauß dem NDR. "Aber die absolute Zahl ist ja im Vergleich zu dem, was sonst im Straßenverkehr passiert, immer noch recht gering." Auch gemessen an der Zahl der Bahnübergänge seien rund 140 Kollisionen pro Jahr "ein sehr geringer Wert". Für die Bahn scheint die Analyse klar: Ursache der Unfälle ist in mehr als 97 Prozent Fehlverhalten von Straßenverkehrsteilnehmern. So werden bei mehr als einem Drittel der Unfälle geschlossene Halbschranken umfahren. Experten sehen Verbesserungspotential Doch Verkehrswissenschaftler, Bahningenieure und nicht zuletzt Beteiligte und Betroffene in Kommunen an unfallträchtigen Strecken und Übergängen meinen, ein Mehr an Sicherheitsmaßnahmen vor allem durch die Deutsche Bahn könnte viele Unfälle vermeiden helfen. Wer durch Lichter gewarnt und durch Schranken aufgehalten wird, wird zur Einhaltung der Regeln und Vorschriften gezwungen, so die Idee. Doch technische Modernisierung, Aus- und Umbauten sind teuer, kosten rasch siebenstellige Summen. Planungs- und Genehmigungsprozesse dauern meist sehr lange, auch und besonders in der Diskussion mit dem Streckenbetreiber DB Netz, so die Erfahrung von Kommunalpolitikern. 15 Jahre vergeblich gewartet Beispiel Vechta, das sich seit mittlerweile 15 Jahren mit zunehmender Verzweiflung um zusätzliche Sicherung an Bahnübergängen bemüht. Die Stadt liegt an der besonders unfallträchtigen Regionalbahnstrecke zwischen Delmenhorst und Osnabrück. Allein an zwei Übergängen in Vechta ereigneten sich seit Beginn der Verhandlungen mit der DB neun Unfälle mit drei Toten. An einem der Übergänge gibt es eine Schranke, aber nur für Autos, nicht an dem daneben verlaufenden Radweg - immer wieder Ursache für Unfälle. Verändert wurde bislang aber nichts. "Man schreibt und schreibt und schreibt", sagt Bürgermeister Kristian Kater und beklagt ein Übermaß an Bürokratie im Dialog mit der Deutschen Bahn. "Am Ende muss die Lösung einfach da sein. Und da müssen wir in Deutschland einfach schneller sein." Bahnsprecher Stauß äußert Verständnis, "aber das Ganze muss natürlich eingebettet sein in das Regelwerk der Straßenverkehrsordnung. Da bitten wir in einigen Fällen noch um Geduld." Im Raum Vechta gebe es aber jetzt Bewegung. In diesem Jahr wird eine Schranke gebaut, für einen weiteren Übergang laufen Planungen. Massiver Modernisierungsstau Deutsche Bahn, Bundesverkehrsministerium und die für Straßen zuständigen Träger in Ländern und Kommunen investieren jährlich Millionensummen für die Beseitigung von Bahnübergängen und die technische Modernisierung. Doch der Bedarf ist riesig, ein erheblicher Teil der Anlagen ist nach Einschätzung der Deutschen Bahn modernisierungsbedürftig. Und die Hälfte der Unfälle passiert an Übergängen, die nicht technisch gesichert, also nicht mit Lichtzeichen oder Schranken ausgestattet sind. Andere Länder sind da schon weiter, beobachtet Eric Schöne, Verkehrswissenschaftler und Experte für Bahnübergangssicherheit an der TU Dresden. In Großbritannien etwa werde "jeder Unfall und auch jeder Beinaheunfall untersucht, ausführlich dokumentiert, auch öffentlich. Und zu jedem Unfall werden auch Vorschläge unterbreitet, wie man solche Ursachen bekämpfen kann." Doch dazu fehlt es in Deutschland an Daten. Reagiert werden kann dann erst, wenn es wirklich kracht. Günstige Lösungen setzen sich nicht durch Und auch schnelle, preisgünstige Lösungen gibt es in Deutschland kaum. Fahrbahnteiler etwa, die das Umfahren von Halbschranken verhindern oder erschweren würden, findet man bisher nur im Ausland, so Schöne. Das stroboskopartig blitzende PeriLight-System warnt Straßenfahrzeuge nur im Projektfilm der Entwickler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - für den Einsatz im Bahnübergangsalltag fand sich kein Hersteller. So ruhen einstweilen große Hoffnungen auf Verkehrserziehung und der Aufklärungkampagne "Sicher drüber". Rund 700 Aktionen vor allem in Schulen hat die Deutsche Bahn mit mehreren Partnern seit 2020 durchgeführt. Ein Videoclip soll besonders Jüngere vor der Todesgefahr am Bahnübergang warnen. Mit 46.000 Aufrufen in fünf Jahren ist er aber nicht gerade ein Hit auf YouTube.
/investigativ/ndr/unfaelle-bahnuebergaenge-101.html
2023-03-28
Welche Zukunft der Verbrenner noch hat
EU-Regeln ab 2035
Die EU-Energieminister haben die neue CO2-Verordnung beschlossen. Wie sehen die Regeln für den Verbrennungsmotor nun aus? Welche Rolle können E-Fuels überhaupt spielen? Und was bleibt unklar? Antworten auf einige Fragen. mehr
Die EU-Energieminister haben die neue CO2-Verordnung beschlossen. Wie sehen die Regeln für den Verbrennungsmotor nun aus? Welche Rolle können E-Fuels überhaupt spielen? Und was bleibt unklar? Antworten auf einige Fragen. Nach einer wochenlangen Hängepartie haben die Energieminister der EU das weitgehende Aus des Verbrennungsmotors ab 2035 beschlossen. Zuvor hatten das Bundesverkehrsministerium und die Europäische Union ihren Streit über die künftigen Regeln beigelegt. Wie genau sehen sie nun aus? Und was könnte sich noch ändern? Um was geht es? Das schon länger geplante EU-Gesetz sieht vor, dass ab 2035 EU-weit keine Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mehr neu zugelassen werden dürfen, wenn ihr Kraftstoff Benzin oder Diesel ist. Das haben die 27 Mitgliedsstaaten heute beschlossen. Allerdings bleibt auf Druck Deutschlands eine Hintertür für den Verbrenner offen: Auch nach 2035 sollen Autos mit Verbrennungsmotoren zugelassen werden können, sofern sie ausschließlich mit CO2-neutralen synthetischen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels, betankt werden. Bundesverkehrsminister Volker Wissing sah sich damit am Ziel: "Der Weg ist frei: Europa bleibt technologieneutral." Was sind E-Fuels? E-Fuels werden künstlich hergestellt und haben eine ähnliche chemische Zusammensetzung wie konventionelle Kraftstoffe. Bislang werden sie nur in Pilotanlagen produziert. Dabei wird Wasser unter Einsatz von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten, der Wasserstoff wird dann mit CO2 zu Kraftstoff verarbeitet. Dieses CO2 wird bei der Verbrennung wieder freigesetzt. Die synthetischen Kraftstoffe gelten als klimaneutral, wenn für die bei der Produktion benötigte Energie ausschließlich Ökostrom verwendet wird. Studien zeigen, dass Autos E-Fuels gut vertragen. Ein erhebliches Problem stellt aber die mangelnde Effizienz synthetischer Kraftstoffe dar. Ihr Einsatz in Verbrennungsmotoren von Pkw ist laut Umweltbundesamt "hochgradig ineffizient". Für dieselbe Fahrleistung muss danach die drei- bis sechsfache Menge Strom im Vergleich zu einem Elektro-Pkw eingesetzt werden. Auch der Automobilverband ADAC spricht von hohen Wirkungsverlusten. Entsprechend teuer sind E-Fuels derzeit. Der ADAC hält aber künftig einen Preis von "weniger als zwei Euro pro Liter" für machbar. Voraussetzung seien weiter fallende Produktionskosten für grünen Strom und eine "hochfahrende Massenherstellung" der neuen Kraftstoffe. Wo liegt die Zukunft der E-Fuels? Angesichts des sehr ungünstigen Wirkungsgrads ist ein künftiger Einsatz von E-Fuels im Straßenverkehr umstritten. Die EU-Kommission sieht die Zukunft der synthetischen Kraftstoffe vor allem im Schiffs- und Flugverkehr, wo ein effizienter Einsatz von Elektromotoren kaum möglich ist. "Unter bestimmten Umständen" hält das Umweltbundesamt ihren Einsatz auch "im Straßengüterfernverkehr" für denkbar. Laut einer Studie des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) reicht die für 2035 erwartete Produktionsmenge allerdings nicht aus, um allein den Bedarf im Schiffs- und Flugverkehr zu decken. Für Pkw bliebe dann nichts übrig, selbst wenn alle erhofften Produktionskapazitäten ausgeschöpft werden könnten. Die Denkfabrik Transport & Environment erklärte im Oktober, dass mit den von der Industrie selbst prognostizierten Mengen im Jahr 2035 nur etwa 1,7 Prozent von dann 287 Millionen Autos in der EU vollständig mit E-Fuels betrieben werden könnten. Was sagt die Industrie? Auch wenn viele Autohersteller E-Fuels keine großen Chancen einräumen, hat die Branche die geplanten Ausnahmeregeln begrüßt. "Wir brauchen alle klimafreundlichen Technologien, um die EU-Klimaziele zu erreichen", sagte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller. Elektromobilität bleibe die zentrale Technologie, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen, E-Fuels seien aber eine wichtige Erweiterung. Volkswagen-Chef Oliver Blume plädierte in der "Süddeutschen Zeitung" für Offenheit zugunsten von E-Fuels, sprach aber lediglich von einer Option "für Nischenanwendungen". Was sagen Umweltschützer? Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisierte die Einigung als einen Rückschlag für den Klimaschutz im Verkehr. Sie verwässere die dringend nötige Ausrichtung der Autobranche auf effiziente Elektromobilität. "Das Ergebnis ist ein Rückschritt fürs Klima und ein Bärendienst für die europäische Autoindustrie." Wie geht es jetzt weiter? "Unmittelbar" nach Annahme des Gesetzes will die EU-Kommission die Einführung einer neuen Fahrzeugkategorie für E-Fuel-Autos in die Wege leiten. Das soll ein "belastbares und umgehungssicheres" Genehmigungsverfahren für Fahrzeuge ermöglichen, die ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden. Dieser Prozess solle bis Herbst 2024 abgeschlossen sein, so Verkehrsminister Wissing. Dafür will die Behörde ein spezielles Verfahren in Gang setzen, das sich im Brüsseler Jargon "delegierter Rechtsakt" nennt. Das ist aber umstritten. Denn das EU-Parlament hatte sich mehrheitlich gegen den Einsatz von E-Fuels in neuen Autos ausgesprochen. "Ich bin der Überzeugung, dass man durch delegierte Rechtsakte keine politischen Entscheidungen treffen darf", kritisiert etwa der SPD-Europaabgeordnete Rene Repasi. So würden "Abgeordnetenrechte außer Kraft gesetzt". Ursprünglich war vorgesehen gewesen, dass es Ausnahmen beim Verbrenner-Verbot nach der Lesart vieler nur für Sonderfahrzeuge wie Feuerwehrautos oder Krankenwagen gibt. Ist sich die Ampelkoalition hier einig? Auch nach dem Brüsseler Kompromiss ist der Koalitionsstreit über das Thema weitergegangen. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat angekündigt, mit E-Fuel betriebene Autos steuerlich besserstellen zu wollen als Benziner oder Diesel. Dagegen kündigten die Grünen Widerstand an: "Anstatt über eventuelle Subventionen für Nischenprodukte in zehn Jahren nachzudenken, sollte der Finanzminister jetzt endlich in die Puschen kommen und das anpacken, was bereits auf dem Tisch liegt", sagte die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Julia Verlinden der "Augsburger Allgemeinen Zeitung". Ist sicher, dass nach 2035 noch Verbrennerautos zugelassen werden? Nein, das bleibt unklar. Autohersteller dürften nur auf die Nischentechnologie setzen, wenn E-Fuels nach 2035 für den Straßenverkehr ausreichend verfügbar und ökonomisch erschwinglich werden. Auch gibt es Fragezeichen, wie verbindlich die Zusage der Kommission ist, die Ausnahmeregelung rechtlich umzusetzen. So betont der Europaabgeordnete und Gegner eines kompletten Verbrennerverbots, Markus Ferber (CSU), dass das nun vorgesehene Verfahren kein Selbstläufer sei. Manche EU-Parlamentarier erwägen, vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen. Mit Informationen von Astrid Corall, ARD-Studio Brüssel, und Detlev Landmesser, tagesschau.de.
/wirtschaft/technologie/faq-verbrenner-kompromiss-e-fuels-101.html
2023-03-28
"Pro-europäischer Kurs ernsthaft in Gefahr"
Spannungen in Moldau
Die pro-westliche Regierung in Chisinau ist unter Druck. Es wächst die Sorge, dass Russland durch Desinformation und das Schüren innenpolitischer Spannungen Moldau von seinem Kurs gen Europa abbringen könnte. Von S. Laack.
Die pro-westliche Regierung in Chisinau ist unter Druck. Es wächst die Sorge, dass Russland durch Desinformation und das Schüren innenpolitischer Spannungen Moldau von seinem Kurs gen Europa abbringen könnte. Die kleine Ortschaft Purcari im Südosten der Republik Moldau ist nur wenige Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt. Als der Krieg im Nachbarland begann, war das Dorf für tausende ukrainische Flüchtlinge ein erster Zufluchtsort. Olga lebt hier mit ihrer Familie in einem kleinen Haus mit Gemüsegarten. Jetzt wo der Frühling da ist, ist sie damit beschäftigt, die Beete zu bepflanzen. Doch Olga sitzt auf gepackten Koffern. "Natürlich macht mir die Situation Angst", sagt sie. "Wir haben ein Auto vor der Tür und eines im Hof, das mit allem Notwendigen gepackt ist um jederzeit aufbrechen zu können. Eine Bombe auf Moldau reicht doch aus und das Land ist erledigt. Unser ganzes Leben haben wir versucht, hier etwas aufzubauen, aber jetzt ist alles kompliziert." Horrende Energiepreise lassen wenig zum Leben Die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind überall im Land zu spüren. Horrende Energiepreise fressen zwei Drittel des durchschnittlichen Monatseinkommens von 500 Euro. Viele müssen an allen Ecken und Enden sparen. Elena, die auf dem zentralen Markt in der Hauptstadt Chisinau Zwiebeln und Knoblauch verkauft, hat kaum noch Kunden. "Manche kaufen hier nur noch eine Zwiebel, wenn es hoch kommt ein halbes Kilo", beschreibt Elena die Situation. "Manche schauen einfach nur - die Leute haben kein Geld. Und das ist wirklich schwierig." Moskau will pro-westliche Regierung unter Druck setzen Im Herbst vergangenen Jahres kürzte der russische Gasmonopolist Gazprom die Gaslieferungen drastisch. Das führte zu einem rasanten Anstieg der Energiepreise. Moldau konnte zwar verhältnismäßig schnell alternative Bezugsquellen erschließen, vor allem über Rumänien, doch die Preise blieben hoch. Dies sei einer der Versuche Russlands, die pro-westliche Regierung in Chisinau unter Druck zu setzen, meint der moldauische Energieexperte Sergiu Tofilat. Putins Agenda in Moldau sei es, die Glaubwürdigkeit der Regierung zu untergraben. Die Botschaft sei, "dass man günstigere Preise haben könne, wenn man mit Putin redet. Aber das ist nicht die Art, wie wir die Dinge angehen sollten. Denn wir verstehen sehr gut, dass Putin nichts umsonst anbietet." Die Unabhängigkeit von Moldau stehe nicht zum Verkauf. Ziel: "Neuwahlen und ein Marionettenregime" Moskau verfolge das Ziel, vorgezogene Neuwahlen herbeizuführen, um dann ein Marionettenregime zu installieren, so Tofilat weiter. Fast zeitgleich mit Gazproms Kürzungen der Gaslieferungen organisierte die Partei des pro-russischen Oligarchen Ilan Shor Proteste gegen die pro-europäische Regierung der Pas-Partei. Nachweislich wurden die Demonstrierenden bezahlt. Unklar ist bislang aber, ob das Geld dafür auch aus Russland kam. Im Interview zeigte sich der moldauische Verteidigungsminister Anatolie Nosatii äußerst besorgt: "Einigen - auch Ländern wie Russland - gefällt es nicht, wenn Moldau zu einem wohlhabenden Land wird. Oligarchen und Kriminelle wollen Moldau kontrollieren und ihr Geschäft fortführen. Das ist nicht im Interesse des Volkes." Deswegen würden diese versuchen, die Situation zu destabilisieren: "Dafür zahlen sie eine Menge Geld und bringen Leute hier hin, um eine angespannte Lage zu erzeugen." Problematisch sei in dem Zusammenhang auch, dass pro-russische Oligarchen über von ihnen kontrollierte Fernseh- und Radiostationen gezielt Desinformationen verbreitet hätten. Moldauische Regierung "muss bald liefern" Dennoch weiß Nosatii auch, dass seine Regierung letztlich daran gemessen wird, ob es ihr gelingt, die wirtschaftliche Situation der Menschen nachhaltig zu verbessern: "Um den Menschen zu helfen, die Krise zu überwinden, übernimmt der Staat im Winter einen großen Teil der Kosten für Gas, Heizung und Elektrizität. Wir haben die Renten und Gehälter erhöht. Natürlich ist nicht alles so, wie es sein sollte." Aber es sei viel besser als vorher. Angesichts einer Inflation von 30 Prozent und der Verunsicherung der Bevölkerung wegen des Kriegs in der Ukraine steht die Regierung in Chisinau vor gewaltigen Aufgaben. Und sie müsse bald liefern, sonst sei der pro-europäische Kurs ernsthaft in Gefahr, meint der moldauische Politologe Ion Tabirta. Der Lebensstandard der Bürger müsse sich dringend verbessern. "Das ist wichtig, wenn wir die Zahl der Antieuropäer und Skeptiker verringern wollen", so Tabirta. "Die Regierung muss die Wirtschaftsleistung und den Lebensstandard der Bürger anheben. Denn Russland hat Unterstützer in den russischsprachigen Milieus, unter der ethnischen Minderheit und in den ärmsten Teilen der Gesellschaft." Die Kommunalwahlen in Moldau im Herbst werden da ein wichtiger Stimmungstest sein.
/ausland/europa/angespannte-lage-moldau-101.html
2023-03-28
Siliziumwerk in der Krise
Hohe Strompreise
Silizium wird zum Beispiel für die Produktion von Mikrochips und Photovoltaikanlagen gebraucht. Trotzdem ist Deutschlands einziges Werk von Rohsilizium in der Krise. Produziert wird auf Sparflamme. Von Katharina Häringer. mehr
Silizium wird zum Beispiel für die Produktion von Mikrochips und Photovoltaikanlagen gebraucht. Trotzdem ist Deutschlands einziges Werk von Rohsilizium in der Krise. Produziert wird auf Sparflamme. Mit Helm und Schutzbrille steht ein Arbeiter vor einem mehr als 2000 Grad heißen Ofen. Während die Flammen lodern, sticht er mit einer langen Stange in ein Loch im Ofen. Flüssiges Silizium läuft heraus. Es staubt, zischt und brummt. Doch für die Arbeiter ist es ungewöhnlich ruhig und auch nicht so heiß wie gewohnt. Ausschließlich Ofen "Frieder" und damit nur einer von vier Öfen ist in Betrieb. Die anderen stehen still. Wegen der hohen Stromkosten könne es sich die RW Silicium GmbH im niederbayerischen Pocking nicht leisten, alle vier Brennmaschinen laufen zu lassen, erklärt Geschäftsführer Stefan Bauer. Er steht im Kontrollzentrum des Werks und zeigt auf den Stromzähler. Dessen Rädchen dreht und dreht sich. "Genau das ist das Problem: Es ist einfach ein energieintensiver Prozess", sagt Bauer. Strom macht die Hälfte der Herstellungskosten von Silizium aus. Im Januar und Februar ruhte der Betrieb deshalb komplett. "Frankreich unterbietet alles" Die RW Silicium GmbH, auch Rottwerk genannt, ist nach eigenen Angaben Deutschlands einziger Hersteller von Rohsilizium. Die Firma verarbeitet Quarz aus dem Bayerischen Wald, Tschechien und Österreich. Unter Zuführung von Kohle und enorm hoher Hitze entsteht das Silizium, das vielfach verwendet wird: unter anderem bei der Produktion von Solarzellen, Mikrochips, Silikonen und Aluminiumlegierungen. Auch wenn die Produkte gefragt sind, in denen Silizium steckt, hat das deutsche Werk ein großes Problem: Es hat keine Chance gegen die Konkurrenz in Frankreich. Dort deckelt der Staat den Strom. "Unsere Wettbewerber unterbieten alles. Deshalb sind wir in Not", sagt Bauer und liefert ein Rechenbeispiel: Vor anderthalb Jahren lagen die Stromkosten, um eine Tonne Silizium herzustellen, in Deutschland bei 600 Euro. Anfang dieses Jahres lagen sie bei 2000 Euro, im Moment bei etwa 1500. "In Frankreich zahlen Firmen etwa die Hälfte", sagt Bauer. Auch die von der deutschen Bundesregierung eingeführte Strompreisbremse helfe da nicht. Sie macht zwar möglich, dass energieintensive Unternehmen höchstens 13 Cent pro Kilowattstunde Strom für 70 Prozent des vorherigen Verbrauchs zahlen müssen. Allerdings liegen die Marktpreise im Moment darunter. "Wer Strom aktuell am Spotmarkt kauft, zahlt zwischen elfeinhalb und zwölf Cent. Für uns ist die Strompreisbremse hinfällig", sagt Bauer.   Branche fordert Industriepreis Damit das Werk mit seinen 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überlebt, müsse ein Industriestrompreis in Deutschland eingeführt werden, findet Geschäftsführer Bauer. Mit dieser Forderung ist er nicht allein. Die Industriegewerkschaften sehen wegen der hohen Strompreise in Deutschland Hunderttausende Jobs in Gefahr. In der Stahl-, Chemie- und Baustoffindustrie drohten Standortschließungen, erklärten die Gewerkschaften IG Metall, IG BCE und IG BAU Anfang des Monats. Auch erste Bundesländer dringen auf die Einführung eines günstigeren Strompreises für die Industrie. Armin Willingmann (SPD), Energieminister in Sachsen-Anhalt und Vorsitzender der Energieministerkonferenz, sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Wir brauchen einen verlässlichen, planbaren Preis für Großabnehmer." Das Bayerische Wirtschaftsministerium sieht die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen im Freistaat gefährdet. Auf Anfrage heißt es: "Nur durch einen Industriestrompreis bekommen die noch in Deutschland ansässigen Industrieunternehmen Investitionssicherheit, es werden Arbeitsplätze und Wohlstand gesichert." Warten auf Pläne von Minister Habeck Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte bereits angekündigt, ein Konzept für einen Industriestrompreis vorzulegen. Die Bundesregierung dürfte ein Interesse daran haben, sich nicht von Importen abhängig zu machen. Schon jetzt ist China der größte Hersteller von Silizium und dominiert den Weltmarkt. Die Mitarbeiter in Pocking im Landkreis Passau bangen um ihre Jobs. Der Elektriker und Betriebsratsvorsitzende Gerhard Leitner sagt: "Es geht auch um Existenzen. Einige von uns haben ein Haus gebaut und Kredite aufgenommen. Ich arbeite hier seit 30 Jahren und möchte hier auch Rente gehen." Immerhin sei seit März wieder Arbeiten mit reduzierter Stundenzahl möglich. Das lasse die Belegschaft hoffen, dass nicht nur "Frieder", sondern auch die anderen drei Öfen namens "Sepp", "Stephan" und "Detlef" bald wieder hochgefahren werden.
/wirtschaft/silizium-werk-bayern-energiekrise-101.html
2023-03-28
Wenn die Gewalt eskaliert
Proteste in Frankreich
Bei den Protesten gegen die französische Rentenreform spitzt sich die Lage zu. Gegen die Polizei gibt es heftige Vorwürfe - diese wiederum beklagt brutale Angriffe. Heute ist der zehnte Protesttag. Von Julia Borutta.
Bei den Protesten gegen die französische Rentenreform spitzt sich die Lage zu. Gegen die Polizei gibt es heftige Vorwürfe - diese wiederum beklagt brutale Angriffe. Heute ist der zehnte Protesttag. Auch heute, am zehnten Protest- und Streiktag gegen die Rentenreform, könnte es zu gewaltsamen Ausschreitungen kommen, fürchtet das französische Innenministerium. Seit die Regierung die Reform unter Anwendung des Artikels 49.3 ohne Abstimmung in der Nationalversammlung verabschiedete, haben sich die Proteste radikalisiert. Dabei gerät auch immer wieder die französische Polizei in die Kritik. Die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatović, mahnte in einer Stellungnahme am vergangenen Freitag, dass "sporadische Gewaltakte" einiger Demonstrierender nicht die "übermäßige Anwendung von Gewalt durch Beamte" rechtfertige. Die Sorge wächst, dass es heute wieder knallt. Gewaltbereite Polizisten Seit vergangenem Donnerstag kursieren im Netz Dutzende Videos und Tonaufnahmen von Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstrierenden. Ein Polizist schlägt einen Randalierer k. o., bewaffnete Beamte drängen Journalisten ab, beleidigen einen schwarzen jungen Mann rassistisch. 17 Verfahren wurden mittlerweile bei der Aufsichtsbehörde der Polizei IGPN eröffnet. Besonders in der Kritik stehen die Mitglieder der Motorradbrigade BRAV-M. "Da tauchten bestimmt 20 Motorräder auf", erzählt Salomé Rio, Studentin der Sozialwissenschaften in Paris, dem öffentlich-rechtlichen Sender France3. "Sie haben mich zu Boden geschmissen, mir gedroht: Mein Leben, sagten sie, hänge am seidenen Faden. Sie drohten: 'Diesmal hast du Glück, aber das nächste Mal werden wir dir die Knie brechen.'" Der Chef der Pariser Polizeipräfektur, Laurent Nunez, versuchte, zu beschwichtigen: "Diese Aussagen der Polizisten sind natürlich absolut inakzeptabel. Ich bin schockiert", sagte er. Man unterstütze aber die Beamten. Das, was sie gerade leisten, sei absolut bemerkenswert. Sie seien sehr mutig, denn sie gerieten in äußerst schwierige Situationen: "Aber wir erwarten im Umkehrschluss, dass die berufsethischen Richtlinien eingehalten werden." Attacken gegen Beamte Das ist oft nicht der Fall, finden Demonstrierende, Mitglieder des Linksbündnisses NUPES oder Amnesty International. Bei einer Pressekonferenz gestern Abend verteidigte Innenminister Darmanin seine Sicherheitskräfte vehement. Die Angriffe auf die Beamten hätten ein unerträgliches Ausmaß angenommen - und zwar, seitdem die Regierung am 16. März den Sonderartikel 49.3 angewandt und damit die Rentenreform ohne Abstimmung in der Nationalversammlung durchgesetzt habe. Seitdem seien die Beamtinnen und Beamten extrem gewaltsamen Akten ausgesetzt. 891 Polizisten und Gendarme seien in klar gegen sie gerichteten Attacken verletzt worden. Außerdem verzeichne man 2179 Fälle von Brandstiftung, erklärte Darmanin. "Sie kommen, um Polizisten zu töten" Besonders heftige Zusammenstöße gab es am vergangenen Wochenende bei einer Demo, die mit den Rentenprotesten gar nichts zu tun hatte. Klimaaktivisten versammelten sich im westfranzösischen Sainte-Soline bei einer nicht genehmigten Kundgebung gegen den Bau gigantischer Wasserreservoirs. Unter ihnen waren nach Polizeiangaben 200 Gewaltbereite. Die Polizei fand Äxte, eiserne Boulekugeln und andere Waffen. Binnen kürzester Zeit eskalierte die Gewalt. Die Gendarmerie National feuerte 4000 Tränengasgranaten ab. Es gab Dutzende zum Teil schwer Verletzte auf beiden Seiten. Zwei Demonstranten schweben in Lebensgefahr. Innenminister Darmanin warnte angesichts dieser Gewalt am Wochenende: Beim heutigen Protesttag gegen die Rentenreform könnten sich rund eintausend Radikale, zum Teil aus dem Ausland, unter die Demonstrierenden in Paris, Rennes, Lyon, Nantes, Bordeaux und Dijon mischen. "Sie kommen, um zu zerstören, zu verletzten und um Polizisten zu töten", beschwor Darmanin. Gegen die Gewaltspirale Patrick Baudouin, Präsident der Menschenrechtsliga, verurteilte zwar die Zerstörung, die die Randalierer, die sogenannten Casseurs, anrichteten. Er sieht die Verantwortung für die Gewaltspirale aber auch bei der Polizei: "Wenn die Polizei unverhältnismäßig viel Gewalt anwendet, schürt sie doch auf der anderen Seite die Gewalt. Diese Eskalation beider Seiten muss aufhören. Sonst fahren wir gegen die Wand." Für heute hat Innenminister Darmanin die Zahl der Sicherheitskräfte noch einmal aufgestockt. Landesweit werden 13.000 Männer und Frauen für die Polizei und die Gendarmerie im Einsatz sein. Allein in Paris sind es 5500. Mit diesem nie dagewesenen Aufgebot hofft der Innenminister die Lage in den Griff zu kriegen.
/ausland/europa/frankreich-rentenreform-proteste-121.html
2023-03-27
Fast zehn Prozent mehr Schwangerschaftsabbrüche
Statistisches Bundesamt
2022 haben mit etwa 104.000 deutlich mehr Schwangere eine Abtreibung vornehmen lassen als im Jahr zuvor. Eine klare Ursache lasse sich nicht erkennen, so das Statistische Bundesamt. 2012 lag die Zahl bereits höher. mehr
2022 haben mit etwa 104.000 deutlich mehr Schwangere eine Abtreibung vornehmen lassen als im Jahr zuvor. Eine klare Ursache lasse sich nicht erkennen, so das Statistische Bundesamt. 2012 lag die Zahl bereits höher. In Deutschland hat es 2022 fast zehn Prozent mehr Schwangerschaftsbbrüche gegeben als im Vorjahr. Das Statistische Bundesamt berichtet von rund 104.000 gemeldeten Fällen und einem Anstieg von 9,9 Prozent. Den Angaben zufolge lag die Zahl der Abtreibungen damit über dem Niveau der Jahre 2014 bis 2020, als die Zahl der gemeldeten Fälle stets zwischen rund 99.000 und 101.000 gelegen hatte. Eine klare Ursache für die starke Zunahme im Jahr 2022 lasse sich aufgrund der Daten nicht erkennen, hieß es. Medizinische Indikationen - dazu gehört die Gefahr für Leib und Leben der Mutter - und Sexualdelikte waren in vier Prozent der Fälle die Begründung für den Abbruch. Die verbleibenden 96 Prozent der gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche wurden den Angaben zufolge nach der sogenannten Beratungsregelung vorgenommen. Höher als im Jahr 2022 war die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zuletzt im Jahr 2012 mit 106.800 Fällen. Im Jahr 2021 war mit 94.600 Fällen der niedrigste Stand seit Beginn der Statistik verzeichnet worden. Rund 70 Prozent der Frauen unter 35 Jahre alt Sieben von zehn Frauen (rund 70 Prozent), die 2022 einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen ließen, waren laut Statistischem Bundesamt zwischen 18 und 34 Jahren alt, rund 19 Prozent zwischen 35 und 39 Jahren. 40 Jahre und älter waren etwa acht, rund drei Prozent jünger als 18 Jahre. Rund 41 Prozent hatten vor dem Schwangerschaftsabbruch noch kein Kind zur Welt gebracht. Die meisten Schwangerschaftsabbrüche (51 Prozent) wurden den Angaben zufolge mit der sogenannten Absaugmethode vorgenommen, bei 35 Prozent kam das Medikament Mifegyne zur Anwendung. Die Eingriffe erfolgten überwiegend ambulant. Gesetze auf dem Prüfstand Der Beratungsregelung zufolge bleibt ein Schwangerschaftsabbruch straflos, wenn die Schwangerschaft binnen zwölf Wochen nach der Empfängnis durch eine Ärztin oder einen Arzt abgebrochen wird, die schwangere Frau den Abbruch verlangt und sie dem Arzt durch die Bescheinigung einer anerkannten Stelle eine mindestens drei Tage zurückliegende Schwangerschaftskonfliktberatung nachgewiesen hat. Immer wieder werden Forderungen nach einer Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen laut, zuletzt etwa von Familienministerin Paus. Im Koalitionsvertrag der Ampelparteien ist festgelegt, dass "Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches" geprüft werden sollen. Ob Ärztinnen und Ärzte sowie Kliniken Abtreibungen vornehmen, ist ihnen freigestellt. In einigen Regionen Deutschlands gibt es wenig oder keine Angebote. Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung des Artikels hieß es an einer Stelle, die Zahlen bezögen sich auf 2021. Korrekt ist 2022.
/inland/schwangerschaftsabbrueche-anstieg-101.html
2023-03-27
Nordkorea feuert wohl wieder Raketen ab
Südkorea
Auch nach dem Ende einer Militärübung Seouls mit Washington brechen die nordkoreanischen Waffentests offenbar nicht ab. Das beobachten Südkoreas Generalstab und Japans Küstenwache. Der Generalstab sprach von einer "ernsten Provokation". mehr
Auch nach dem Ende einer Militärübung Seouls mit Washington brechen die nordkoreanischen Waffentests offenbar nicht ab. Das beobachten Südkoreas Generalstab und Japans Küstenwache. Der Generalstab sprach von einer "ernsten Provokation". Nach Angaben des südkoreanischen Militärs setzt Nordkorea offenbar seine Raketenstarts fort. Die Regierung in Pjöngjang habe am Morgen aus der Provinz Nord-Hwanghae mindestens zwei ballistische Kurzstreckenraketen auf das offene Meer vor seiner Ostküste abgefeuert, teilte das südkoreanische Militär mit. Die Raketen seien im Süden Nordkoreas abgeschossen worden und in Richtung Japanisches Meer (koreanisch: Ostmeer) geflogen, teilte der Generalstab in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul mit. Die japanische Küstenwache teilte mit, sie glaube, dass beide Raketen außerhalb der exklusiven Wirtschaftszone Japans gelandet seien. Japanische Medien berichteten, die beiden Geschosse hätten eine unübliche Flugbahn beschrieben. "Ernste Provokation" Südkoreas Generalstab verurteilte den Raketentest als "ernste Provokation", die den regionalen Frieden gefährde und Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen verletze. Die Geheimdienste der USA und Südkoreas würden sich die Details genauer anschauen, erklärten die Generäle. Es handelte sich um den bereits siebten Raketentest des Landes in diesem Monat. Pjöngjang stellt diese unter anderem als Reaktion auf gemeinsame Militärmanöver von Seoul und Washington dar. Die Bündnispartner hatten am Donnerstag ein elftägiges Manöver beendet, setzen aber derzeit noch einige Geländeübungen fort. USA und Südkorea verstärken Zusammenarbeit Es wird erwartet, dass Nordkorea seine Waffentests auch vor dem Hintergrund der geplanten Entsendung eines US-Flugzeugträgers für weitere gemeinsame Manöver mit Südkorea fortsetzt. Nordkorea sieht die Übungen als Vorbereitung einer Invasion. Machthaber Kim Jong Un rief dazu auf, die Waffenproduktion, einschließlich taktischer Nuklearwaffe, deutlich zu erhöhen. Vor dem Hintergrund dieser Drohungen verstärkten die USA und Südkorea ihre Zusammenarbeit zuletzt. Kein Friedensabkommen in Sicht Insgesamt hat Nordkorea in diesem Jahr bei elf Gelegenheiten mehr als 20 ballistische Raketen und Marschflugkörper in Richtung des Meeres abgefeuert. Die Strategie zielt darauf ab, die USA zu zwingen, Nordkorea den Status einer Atommacht zuzubilligen und aus einer Position der Stärke die Beseitigung von Sanktionen zu erreichen. Unter anderem testete das Land in dem Zusammenhang in diesem Monat eine Interkontinentalrakete, um seine Fähigkeit zu unterstreichen, etwa die USA oder Südkorea treffen zu können. Jüngst vermeldete Pjöngjang auch den Test einer demnach atomwaffenfähigen Unterwasserdrohne. Das international abgeschottete Nordkorea baut seit Jahren sein Waffenprogramm aus und unterliegt deshalb internationalen Sanktionen. Südkorea und Nordkorea haben bis heute kein Friedensabkommen geschlossen. Alle Versuche der westlichen Diplomatie der vergangenen Jahre, den gefährlichen Konflikt beizulegen, sind bislang gescheitert.
/ausland/asien/nordkorea-raketentest-315.html
2023-03-27
Wer folgt in Schottland auf Sturgeon?
Entscheidung nach Rückzug
Heute wird bekannt gegeben, wer die Nachfolge von Schottlands Regierungschefin Sturgeon antreten wird. Die aussichtsreichsten Kandidaten könnten unterschiedlicher nicht sein - vor allem in Glaubensfragen. Von C. Prössl.
Heute wird bekanntgegeben, wer die Nachfolge von Schottlands Regierungschefin Sturgeon antreten wird. Die beiden aussichtsreichsten Kandidaten könnten unterschiedlicher nicht sein - vor allem in Glaubensfragen. Wer auch immer den Vorsitz der Schottischen Nationalpartei (SNP) übernimmt - dieser Job ist hart. Die Partei verliert an Zustimmung in den Umfragen, es gibt einen bizarren Skandal um Finanzen und Mitgliedszahlen und dann ist da schließlich die Frage der Unabhängigkeit Schottlands. Seit Jahren ist der Austritt aus dem Vereinigten Königreich der wichtigste Programmpunkt der SNP. Gleichzeitig erlebte die Bewegung deutliche Rückschläge: Das Oberste Gericht in Großbritannien verhinderte nach dem Referendum 2014 ein weiteres, das bereits für den Herbst angesetzt war. Die Umfragewerte für die Unabhängigkeit dümpeln seit Jahren um die 50 Prozent, bleiben uneindeutig. Möglicherweise hat sich die SNP-Führung einfach verrannt.    SNP leidet unter einem Richtungsstreit Es ist eine schwierige Situation, in der die Parteimitglieder einen neuen Vorsitzenden oder eine neue Vorsitzende bestimmen sollen. An der Spitze der Partei und der Regionalregierung geht eine Frau, die fast ein Jahrzehnt Vorsitzende und "First Minister" war. So heißt der Posten, der vergleichbar ist mit dem Amt einer deutschen Ministerpräsidentin. Nicola Sturgeon prägte die SNP, führte sie zum Erfolg, war eine Konstante in der Politik des Vereinigten Königreichs. Nach ihrem Rücktritt wird deutlich: Es gibt Risse in der Partei, die Frage der Unabhängigkeit muss neu definiert werden und es gibt einen Richtungsstreit, den der Nachfolger oder die Nachfolgerin überwinden muss.   Derzeitiger Gesundheitsminister als Favorit Als aussichtsreicher Kandidat gilt Humza Yousaf. Er ist derzeit Gesundheitsminister, hat langjährige Regierungserfahrungen - unter anderem als Transport- und Justizminister in Schottland. Yousaf ist praktizierender Muslim, betont in Interviews immer wieder, dass er für die gleichgeschlechtliche Ehe eintritt, also für eine liberale Sozialpolitik. Der 37-Jährige stammt wie Sturgeon aus Glasgow und gilt als Wunschkandidat der scheidenden Ministerpräsidentin. Er wäre der Parteivorsitzende der Kontinuität.   Gegen ihn tritt an - mit vielversprechenden Aussichten - Kate Forbes. Die Finanzministerin ist 32 Jahre alt und kritisierte den Gesundheitsminister Yousaf für eine eher durchwachsene Bilanz seiner Arbeit. Im Gesundheitsdienst NHS sind die Wartezeiten länger und die Defizite größer geworden. Die Konkurrentin gehört einer Freikirche an In den vergangenen Wochen wurde Forbes vor allem befragt zu familien- und sozialpolitischen Themen. Forbes gehört der Freikirche "Free Church of Scotland" an. Sie lehnt gleichgeschlechtliche Ehen ab, spricht sich gegen Abtreibungen aus und kritisiert vorehelichen Geschlechtsverkehr. Persönliche Ansichten sind das eine, Politik das andere. Der ehemalige Fraktionschef der SNP im Unterhaus in London, Ian Blackford, gehört der gleichen Kirchengemeinschaft an, stimmte aber im Unterhaus für ein Abtreibungsgesetz und die gleichgeschlechtliche Ehe - was ihm Kritik aus der Gemeinde bescherte. Streitpunkt gleichgeschlechtliche Ehe Anders bei Forbes: In einem Interview sagte die Politikerin, sie hätte nicht für die gleichgeschlechtliche Ehe gestimmt, wäre sie damals, als die Abstimmung im Regionalparlament stattfand, schon Abgeordnete gewesen. Deswegen diskutiert die Partei: Kann Forbes Parteichefin werden und "First Minister"? Forbes wehrte sich in dieser Debatte mit dem Einwand: Einem Mann jüdischen Glaubens oder einem Muslim würden diese Fragen nicht gestellt. Was so nicht stimmt. Humza Yousaf sagte in einem Interview mit dem Sender LBC, er sei für die gleichgeschlechtliche Ehe. Außerdem kündigte er an, im Ramadan zu fasten.   Frage der Unabhängigkeit Schottlands bleibt offen Die Auseinandersetzung spiegelt auch den Richtungsstreit in der Partei wider. Sturgeon führte die Partei von einer konservativen Alternative zu den Tories hin zu einer gesellschaftlich liberalen Partei mit sozialdemokratischer Handschrift.   Völlig offen ist auch, wie es weitergeht mit dem großen Ziel der Unabhängigkeit. Sturgeon wollte ein zweites Referendum durchsetzen, doch das Oberste Gericht blockierte die Pläne. Sturgeon versprach, die nächsten Unterhauswahlen als Quasi-Referendum anzusetzen, was viele kritisierten. Außerdem sind die Umfragewerte weiterhin nicht eindeutig. Die Unabhängigkeitspolitik der SNP braucht neue Argumente und neuen Schwung. Eine kniffelige Aufgabe für den neuen Parteichef oder die neue Parteichefin.
/ausland/europa/snp-vorsitz-schottland-101.html
2023-03-27
"Ja, wir sind bereit"
Patriot-Ausbildung
Auf der US-Militärbasis Fort Sill in Oklahoma sind Soldaten aus der Ukraine in einem Crashkurs am Raketenabwehrsystem "Patriot" geschult worden. Bald sind sie wieder im Krieg - zusammen mit den Hightechwaffen. Von Nina Barth.
Auf der US-Militärbasis Fort Sill in Oklahoma sind Soldaten aus der Ukraine in einem Crashkurs am Raketenabwehrsystem "Patriot" geschult worden. Bald sind sie wieder im Krieg - zusammen mit den Hightechwaffen. Lkw-große Militärfahrzeuge, auf die gewaltige mobile Raketenabschuss-Rampen montiert sind, rollen an in der Prärie in Fort Sill. 65 ukrainische Soldatinnen und Soldaten trainieren, ein Patriot-Flugabwehrsystem in Stellung zu bringen. "Die Fahrzeuge mit den Trägerraketen fahren jetzt das Gelände runter, die anderen bleiben hier - das Einsatzkontrollzentrum, das mobile Radar und der Stromgenerator", erklärt einer der Ausbilder, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben muss. Die sand- oder camouflagefarbenen Fahrzeuge stoppen. Und sofort sind die ukrainischen Soldaten dabei, die mobilen Raketenstartrampen in Position zu bringen. Seit Januar trainieren die Ukrainerinnen und Ukrainer, die meisten sind Männer, in Fort Sill. Nur zehn Wochen hat das Training gedauert. Das ist deutlich schneller, als es das US-Verteidigungsministerium erwartet hatte. Es sei ein sehr intensives Training gewesen, sechs Tage die Woche von morgens 7 Uhr bis abends um 5 Uhr oder 6 Uhr, erzählt ein leitender US-Militär. Der Ausbilder, ein junger Mann in Armeeuniform mit schwarzer Sonnenbrille, kann kaum glauben, wie schnell es tatsächlich ging. Wenn hier Amerikaner ausgebildet würden, dauere das in der Regel bis zu sechs Monate, erklärt er. Aber die Ukrainer seien so gut ausgebildet, sie hätten einen so starken Willen. "Wenn mir jemand gesagt hätte, wir schaffen das in zehn Wochen - ich hätte es nicht geglaubt." Die Besten der Besten Für das Training an dem Patriot-System, einem der modernsten Flugabwehrsysteme der Welt, hat die Ukraine Soldaten ausgewählt, die viel Erfahrung im Abfangen von Luftangriffen haben. Sie seien die Besten der Besten in dem, was sie in der Luftverteidigung für die Ukraine tun, zeigt sich auch der kommandierende General von Fort Sill, Brigadegeneral Shane Morgan, beeindruckt.  Auf dem Feld in Fort Sill beobachten die Ausbilder genau, wie die Ukrainer die Patriot-Batterie aufbauen und in Position bringen. "Sie sind jetzt an dem Punkt, an dem wir nur noch beobachten", erläutert der US-Ausbilder.  Es ist das erste Mal, dass Journalisten beim Training der Ukrainerinnen und Ukrainer in Fort Sill in Oklahoma dabei sein dürfen. Fotos und Videoaufnahmen während des Trainings sind aus Sicherheitsgründen streng verboten.  Wartung und Instandsetzung des Patriot-Systems Die eigentliche Ausbildung in Fort Sill, die auch die Wartung und Instandsetzung des Patriot-Systems umfasste, haben die Ukrainer jetzt abgeschlossen. In einigen Wochen werden sie wieder im Krieg sein, ihr Land gegen die russischen Invasoren verteidigen. Die Vorstellung lässt den Ausbilder nicht kalt. Er sagt, das gehe schon ans Herz. "Gerade heute haben sie uns diese Armbänder geschenkt. Einfach um nochmal danke zu sagen für alles." Er zieht seinen Ärmel hoch und zeigt ein geflochtenes Armband in dunkelgrün und khaki. Der US-Ausbilder erzählt, sie hätten füreinander gekocht: typische amerikanische und typische ukrainische Gerichte. Und auch der Speiseplan in Fort Sill wurde für die Ukrainer angepasst. Sie hätten festgestellt, erzählt ein US-Militär, dass die Ukrainer Suppe gerne mögen, darum sei mehr Suppe zum Speiseplan hinzugefügt worden.  Erst nach Europa, dann zurück in den Krieg Fort Sill ist fast wie eine Kleinstadt: mit eigenem Kindergarten, Grundschule, eigener Feuerwehr, Kirchen und Geschäften. Aus Sicherheitsgründen durften die Ukrainer Fort Sill zehn Wochen lang nicht verlassen.   Nun nach Abschluss der Ausbildung werden sie nach Europa fliegen - wohin ist geheim - und dann mit den Ukrainern zusammenkommen, die in Deutschland und den Niederlanden an den Patriot-Flugabwehrsystemen ausgebildet wurden. In den kommenden Wochen, heißt es, sollen sie mit den Patriot-Systemen in die Ukraine zurückkehren. Interviews mit den ukrainischen Soldaten in Fort Sill sind nicht erlaubt. Ein US-Journalist aus der Ukraine lässt es sich aber nicht nehmen, den Soldaten etwas auf Ukrainisch zuzurufen, als sie vom Aufbau der Trägerraketen Richtung Kommandozentrale zurückgejoggt kommen. Sie winken ihm und rufen zurück. "Ich habe sie gefragt, ob sie bereit sind. Sie haben gesagt - ja, wir sind bereit", übersetzt der Journalist.
/ausland/us-militaer-ausbildung-soldaten-ukraine-101.html
2023-03-27
Leibesvisitationen bei schwarzen Kindern häufiger
England und Wales
Laut der zuständigen Kinderschutzbeauftragten durchsucht die Polizei in England und Wales schwarze Kinder überproportional oft auf Drogen oder Waffen. Es gebe Beweise für eine "zutiefst besorgniserregende Praxis". mehr
Laut der zuständigen Kinderschutzbeauftragten durchsucht die Polizei in England und Wales schwarze Kinder überproportional oft auf Drogen oder Waffen. Es gebe Beweise für eine "zutiefst besorgniserregende Praxis" und Gesetzesbrüche. In England und Wales ist es - gemessen am Bevölkerungsanteil - für schwarze Kinder im Vergleich zu ihren weißen Altersgenossen sechsmal wahrscheinlicher, dass sie polizeilich durchsucht werden. Zu diesem Ergebnis kommt die zuständige Kinderschutzbeauftragte Rachel de Souza in einem Untersuchungsbericht. Demnach führten Polizistinnen und Polizisten zwischen 2018 und Mitte 2022 in England und Wales insgesamt 2847 Leibesvisitationen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 10 bis 17 Jahren durch. In mehr als der Hälfte der Fälle waren keine erwachsenen Vertrauenspersonen anwesend. In 95 Prozent wurden Jungen durchsucht. De Souza sprach von "Beweisen für eine zutiefst besorgniserregende Praxis" mit einer "weit verbreiteten Nichteinhaltung" gesetzlicher Schutzmaßnahmen. Kinder und Jugendliche würden von denen, die sie schützen müssten, im Stich gelassen, kritisierte sie und forderte einen Reformplan von der Polizei. Police strip-searching children as young as eight. The shocking findings in my report - released tomorrow - must now lead to change.https://t.co/xC2xohjOX3 Bericht: Orte oft unangemessen Bei der großen Mehrheit der Fälle (86 Prozent) werden die Durchsuchten verdächtigt, Drogen dabei zu haben. Neun Prozent drehen sich um Waffen und zwei Prozent um Diebstahl. In fast einem Viertel der Fälle wurden die vermuteten Gegenstände nicht gefunden. Dem Bericht zufolge wurden Kinder ab einem Alter von acht Jahren zudem an Orten durchsucht, die für Leibesvisitationen nicht akzeptabel seien, etwa in Vergnügungsparks, Fahrzeugen und teils vor den Augen der Öffentlichkeit. In einigen Fällen war mindestens ein Beamter oder eine Beamtin mit einem anderen Geschlecht als dem des Kindes zugegen. Die Analyse der Kinderschutzbeauftragten war in Auftrag gegeben worden, nachdem eine 15-jährige schwarze Schülerin in ihrer Londoner Schule zum Ablegen ihrer Kleidung gezwungen worden sei, obwohl sie ihre Periode gehabt habe. Die Schülerin sei auf Drogen durchsucht und ihre Eltern nicht informiert worden. Auch Lehrerinnen sollen nicht dabei gewesen - und Drogen letztlich nicht gefunden worden sein. Der Mut des Mädchens, zu diesem traumatischen Ereignis Stellung zu beziehen, habe zu der Veröffentlichung geführt, der eine weit verbreitete Nichteinhaltung von Richtlinien belege, so die Kinderschutzbeauftragte. Einschränkung der Befugnisse gefordert Im Zuge des Berichts werden gegen die britische Polizei erneut Vorwürfe wegen Diskriminierung und Demütigungen laut. Erst vor einer Woche hatte ein Untersuchungsbericht institutionellen Rassismus bei der Londoner Polizei kritisiert.  Die zuständige Hilfsorganisation der Church of England, The Children's Society, sagte, die Ergebnisse des jetzt veröffentlichten Berichts zeigten, dass schwarze Kinder "dieser traumatisierenden und aufdringlichen Praxis" überproportional ausgesetzt seien. Der Think Tank Charity Runnymede Trust forderte, die Polizeibefugnisse für Leibesvisitationen aufzuheben. "Negative, tyrannische Begegnungen mit staatlichen Institutionen erzeugen nur weiteres Misstrauen und sind der Grund dafür, warum die Polizei in unseren Gemeinden versagt", hieß es von der Organisation.
/ausland/leibesvisitationen-england-wales-rassismusvorwurf-101.html
2023-03-27
Wie Mitarbeiter ihre Karriere neu ausrichten
Nach Galeria-Schließungen
Mitarbeitende von Galeria Karstadt Kaufhof bangen um ihre Jobs, vielen Städten droht der Leerstand. Frühere Kaufhof-Angestellte aus Essen zeigen, dass es auch nach einer Schließung eine Zukunft gibt. Von Michael Heussen und Kai-Hendrik Haß.
Mitarbeitende von Galeria Karstadt Kaufhof bangen um ihre Jobs, vielen Städten droht der Leerstand. Frühere Kaufhof-Angestellte aus Essen zeigen, dass es auch nach einer Schließung eine Zukunft gibt. Dieser Montag ist mal wieder ein Schicksalstag für die Mitarbeiter von Galeria Karstadt Kaufhof. Die Gläubigerversammlung soll darüber entscheiden, ob sie den Sanierungsplan annimmt. Für die, denen der Warenhauskonzern Geld schuldet, wäre das ein harter Schnitt: Sie müssten auf den Großteil ihrer Forderungen verzichten. Wenn sie das nicht tun, müsste Konkurs angemeldet werden, alle Filialen stünden vor dem Aus - und nicht nur die 49, deren Schließung bereits im Februar verkündet wurde. Kaufhof-Mitarbeiter finden neue Perspektive Regina Brdenk und Ulrich Barthel aus Essen wissen, wie sich viele ihrer ehemaligen Kollegen jetzt fühlen. Denn die beiden waren vor zwei Jahren in der gleichen Situation. Ihre Filiale in Essen wurde geschlossen, und beide dachten, das war's, mit Ende 50 finden sie keinen neuen Job mehr. Aber sie sind inzwischen bei der Stadt Essen beschäftigt, kümmern sich im Servicecenter um Bürgeranliegen wie Kfz-Zulassungen oder Meldebescheinigungen. "Ich freue mich jeden Morgen, weil wir diese Chance bekommen haben", sagt Regina Brdenk. "Ich habe unglaublich nette Kollegen. Hatte ich vorher natürlich auch. Aber auch hier stimmt das Team, und man freut sich immer wieder, hierhin zu gehen." Von der Schließung zum Neustart Es ist ein Wandel im Berufsleben, den sie lange nicht für möglich gehalten hätten. Ulrich Barthel war mehr als 40 Jahre beim Kaufhof beschäftigt, zuletzt als Betriebsrat in Essen. Diese lange Berufserfahrung empfinden ihre neuen Kollegen bei der Stadt Essen als bereichernd. "Die haben das Arbeitsleben ganz anders kennengelernt, als es im Öffentlichen Dienst ist. Das ist ein sehr gute Mischung", sagt eine Kollegin. Und auch die Personaldezernentin der Stadt, Annabelle Brandes, freut sich über die neuen Mitarbeiter, denn sie sucht händeringend Personal: "Diese Menschen sind unglaublich kommunikativ, manchmal auch konfliktfähig und bringen ein hohes Maß an Empathie mit. Und das Allerwichtigste: Sie haben viel Spaß daran, mit Menschen zu arbeiten, für Menschen zu arbeiten und sie auch in ihren Anliegen zu beraten und ihnen weiterzuhelfen." Standortkonzepte statt Leerstand In Essen hoffen sie, dass ihr Beispiel auch in anderen Städten Schule macht und die Mitarbeiter schnellstmöglich neue Jobs finden. Doch an vielen Standorten ist man noch nicht so weit. So demonstrierten in der vergangenen Woche in Kempten im Allgäu 50 Beschäftigte auf einer von ver.di organisierten Versammlung für den Erhalt des Kaufhof, dessen Schließung allerdings schon beschlossen ist. In Nordrhein-Westfalen hat die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, Ina Scharrenbach, ein Fünf-Millionen-Euro-Programm aufgelegt, mit dem den betroffenen Kommunen Soforthilfe für Standortkonzepte zur Verfügung gestellt wird. Denn den Städten droht, wenn das Kaufhaus als Einkaufsmagnet verschwindet, auch Leerstand in den angrenzenden Geschäften - und damit noch mehr Arbeitsplätze, die wegfallen. Neues Shopping-Konzept schafft Jobs Dem haben sie in Essen bereits entgegengewirkt. Im ehemaligen Kaufhof-Gebäude entsteht eine neue Shopping-Mall mit einem Multifunktionskonzept: ein Mix aus Gastronomie und Lebensmitteleinkauf und mehreren Pop-up-Stores mit wechselnden Angeboten - und vielen neuen Jobangeboten. Regina Brdenk und Ulrich Barthel brauchen das nicht mehr, weil sie in der Stadtverwaltung untergekommen sind. Aber sie freuen sich, dass das Ende des Kaufhofs nicht unbedingt eine Katastrophe für die Innenstädte und die Mitarbeiter bedeuten muss. Denn selbst mit Ende 50 haben sie beide noch neue, erfüllende Jobs gefunden.
/wirtschaft/unternehmen/galeria-karstadt-kaufhof-mitarbeiter-jobs-101.html
2023-03-27
Herzog fordert Stopp der Justizreform
Erneut Proteste in Israel
"Um der Einheit des Volkes willen": Israels Präsident Herzog hat Ministerpräsident Netanyahu aufgefordert, die umstrittene Justizreform zu stoppen. Eine von Netanyahu geplante Rede an die Nation wurde offenbar verschoben. mehr
"Um der Einheit des Volkes willen": Israels Präsident Herzog hat Ministerpräsident Netanyahu aufgefordert, die umstrittene Justizreform zu stoppen. Eine von Netanyahu geplante Rede an die Nation wurde offenbar verschoben. Israels Präsident Izchak Herzog hat angesichts der massiven Proteste zum Stopp der umstrittenen Justizreform aufgerufen. "Um der Einheit des israelischen Volkes willen, um der Verantwortung willen, fordere ich Sie auf, die Gesetzgebung sofort einzustellen", sagte Herzog an Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sowie alle Koalitionsmitglieder gerichtet. "Die Menschen sind von tiefer Angst ergriffen." Die Sicherheit, die Wirtschaft, die Gesellschaft - alles sei bedroht. "Die Augen des ganzen Volkes von Israel sind auf Sie gerichtet". Verteidigungsminister Galant entlassen Am Abend hatte Netanyahu seinen Verteidigungsminister und Parteikollegen Joav Galant entlassen. Dieser hatte die umstrittenen Pläne öffentlich kritisiert und zum Dialog aufgerufen. Gegen die Reform, mit der der Einfluss des Höchsten Gerichts beschnitten und die Machtposition der Regierung zulasten der unabhängigen Justiz gestärkt werden soll, gibt es seit Monaten heftige Proteste. Galant hatte am Samstagabend die Regierung zum Dialog mit Kritikern aufgerufen. Er warnte, dass die nationale Sicherheit und insbesondere die Einsatzfähigkeit der Armee auf dem Spiel stehe. Seit Wochen ist von wachsendem Unmut im Militär die Rede, aus Protest gegen die Reform waren zahlreiche Reservisten nicht zum Dienst erschienen. Zehntausende protestieren Aus Protest gegen Galants Entlassung strömten am Sonntagabend Zehntausende Menschen in der Küstenmetropole Tel Aviv auf die Straße. Sie blockierten die zentrale Straße nach Jerusalem und setzten Reifen in Brand. Die Polizei ging mit Reiterstaffeln und Wasserwerfern gegen die Menge vor, aus der Steine auf die Einsatzkräfte flogen. In Jerusalem durchbrachen wütende Menschen eine Straßensperre neben Netanyahus Wohnhaus, der Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet begab sich noch in der Nacht dorthin. Universitäten verkündeten aus Protest gegen die Entlassung Galants und die Reformpläne einen vorläufigen Unterrichtsstopp. Mehrere Bürgermeister traten in den Hungerstreik und forderten eine sofortige Eindämmung der nationalen Krise. Rede an die Nation Am Morgen gingen die Proteste vor dem Parlament in Jerusalem weiter. Angesichts der brenzligen Lage hielt Netanyahu in der Nacht eine Dringlichkeitssitzung zum weiteren Vorgehen ab, wie mehrere Medien berichteten. Mit Koalitionspolitikern soll er über eine mögliche Aussetzung des Reformvorhabens beraten haben. Medienberichten zufolge plant Netanyahu eine Rede an die Nation zu einem möglichen Stopp der Reform. Unklar ist, wann er diese halten wird. Der Sender Kanal 12 berichtete, Netanyahu habe die eigentlich für den Vormittag geplante Erklärung wegen Differenzen innerhalb der Regierungskoalition verschoben. Eine offizielle Bestätigung gab es dazu zunächst nicht. Generalstreik angekündigt - Abflüge gestoppt Der Dachverband der Gewerkschaften in Israel rief vor dem Hintergrund der massiven Proteste zu einem Generalstreik auf. Betroffen ist auch der internationale Flughafen Ben-Gurion bei Tel Aviv. "Ich habe den sofortigen Startstopp am Flughafen angeordnet", sagte der Leiter der Arbeitergewerkschaft am Flughafen Ben Gurion, Pinchas Idan. Es wird erwartet, das Zehntausende von den Flugänderungen betroffen sind. Der Dachverband Histadrut rief zu einem "historischen" Arbeitsstreik auf, um "den Wahnsinn" der umstrittenen Justizreform der Regierung zu stoppen. Der Streik werde beginnen, sollte Ministerpräsident Netanyahu keinen Stopp der Reformpläne ankündigen. Kernelement der Reform nimmt weitere Hürde Ungeachtet der massiven Proteste hat unterdessen ein Kernelement der umstrittenen Justizreform eine weitere Hürde genommen. Der Justizausschuss des Parlaments billigte den Gesetzestext, der die Zusammensetzung des Richterwahlausschusses ändern soll. Der Entwurf wurde zugleich zur finalen Lesung ans Plenum überwiesen, berichteten israelische Medien übereinstimmend. Die Sitzung wurde mehrfach von Abgeordneten der Opposition mit lauten Rufen unterbrochen. Unklar war zunächst, wann das Parlament in Jerusalem über die geplanten Regelungen abstimmen soll. USA zeigen sich "zutiefst besorgt" Auch international lösten die Pläne Kritik aus. Die US-Regierung als wichtigster Verbündeter äußerte sich "zutiefst besorgt". Angesichts der geplanten "grundlegenden Änderungen an einem demokratischen System" rief das Weiße Haus die israelische Führung nachdrücklich auf, sobald wie möglich einen Kompromiss zu finden. Der israelische Generalkonsul in New York, Asaf Zamir, legte aus Protest gegen die Entlassung Galants sein Amt nieder. Dies sei "eine gefährliche Entscheidung" gewesen, erklärte Zamir auf Twitter. Der Vorgang habe ihn zu der Einsicht gebracht, dass er "diese Regierung nicht länger repräsentieren kann".
/ausland/asien/israel-943.html
2023-03-27
Gläubiger entscheiden über Galeria-Zukunft
Angeschlagener Warenhauskonzern
Bei einem Gläubigertreffen soll heute über die Zukunft der Galeria-Gruppe entschieden werden. Die Geschäftsführung verlangt den Verzicht auf Forderungen in Milliardenhöhe. Die Gewerkschaft ver.di hofft auf Rettung. mehr
Bei einem Gläubigertreffen soll heute über die Zukunft der Galeria-Gruppe entschieden werden. Die Geschäftsführung verlangt den Verzicht auf Forderungen in Milliardenhöhe. Die Gewerkschaft ver.di hofft auf Rettung. Die Gläubiger des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof wollen am Vormittag bei einem Treffen in Essen die Weichen für die Zukunft des angeschlagenen Traditionsunternehmens stellen. Wichtigster Punkt auf der Tagesordnung der Gläubigerversammlung ist die Abstimmung über den von der Unternehmensführung ausgearbeiteten Insolvenzplan. Gläubiger sollen auf Milliardenforderungen verzichten Medienberichten zufolge verlangt die Unternehmensführung in ihrem Insolvenzplan von Vermietern, Lieferanten und anderen Gläubigern, auf Forderungen in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro zu verzichten. So will man dem Konzern einen Neuanfang ermöglichen. Außerdem sollen im Zuge der Sanierung 47 der zuletzt noch 129 Warenhäuser geschlossen und Tausende Arbeitsplätze abgebaut werden. Trotz aller Härten gilt die Annahme des Insolvenzplans als wahrscheinlich. Denn so können die Gläubiger hoffen, zumindest noch einen kleinen Teil ihres Geldes zurückzuerhalten. Bei einer Ablehnung des Insolvenzplans droht dagegen nach Einschätzung von Insolvenzexperten das Aus für den Konzern und damit möglicherweise ein Totalverlust der Forderungen. Ver.di drängt auf Rettung Unmittelbar vor der Gläubigerversammlung appellierte die Gewerkschaft ver.di an alle Verantwortlichen, dem Warenhaus und den Beschäftigten eine Zukunft zu verschaffen. "Es gibt viel Potenzial. Die neue Leitung muss dies nutzen, auch und vor allem im Sinne der Beschäftigten", sagte ver.di-Bundesvorstand Stefanie Nutzenberger der Nachrichtenagentur dpa. Es gehe dabei um Menschen, Existenzen und Arbeitsplätze. "Galeria und der Eigentümer tragen für sie soziale Verantwortung." Nutzenberger betonte: "Galeria hat eine Zukunft, wenn die Beschäftigten mitgenommen werden: Ihre Erfahrungen, ihre Qualifikationen, ihre sozialen Kompetenzen im Umgang mit Kundinnen und Kunden braucht ein digital-stationäres Warenhaus der Zukunft. Wir erwarten, dass alle Verantwortlichen in diesem Sinne handeln." Sie bekräftigte, die Gewerkschaft werde um jeden Arbeitsplatz kämpfen. Bundesagentur für Arbeit mahnt zu Zukunftsfähigkeit Die Bundesagentur für Arbeit (BA) knüpft ihre Unterstützung bei der Sanierung des insolventen Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof einem "Handelsblatt"-Bericht zufolge an Bedingungen. "Wichtig ist, dass es ein Zukunftskonzept für das Geschäftsmodell gibt", sagte BA-Vorstand Daniel Terzenbach der Zeitung. Nur ein "weiter so" reiche nicht, merkte er ebenfalls vor der geplanten Gläubigerversammlung an. Die BA zählt neben dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds, Kreditinstituten und Vermietern zu den großen Gläubigern von Galeria. Dem Insolvenzplan zufolge, aus dem das "Handelsblatt" zitierte, hat die Behörde 96,8 Millionen Euro Insolvenzgeld gezahlt. Terzenbach sieht aber gute Chancen für die von der Schließung betroffenen Beschäftigten. Die Arbeitsagentur habe bereits Sprechstunden in einzelnen Filialen abgehalten und plane sogenannte digitale Begegnungsräume mit Unternehmen, die neue berufliche Perspektiven bieten könnten. Galeria müsse jedoch "auch in die Mitarbeitenden investieren, die im Unternehmen bleiben, damit wir nicht in einigen Jahren wieder vor den gleichen Problemen stehen", mahnte der BA-Vorstand. Schwere Zeiten für Galeria-Gruppe Galeria Karstadt Kaufhof hatte Ende vergangenen Jahres zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren Rettung in einem Schutzschirmverfahren gesucht. Als Gründe dafür nannte der Konzern die Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges. Ein erstes Schutzschirmverfahren, das 2020 während des ersten Corona-Lockdowns eingeleitet worden war, hatte dem Unternehmen trotz der Schließung von rund 40 Filialen, dem Abbau von etwa 4000 Stellen und der Streichung von mehr als zwei Milliarden Euro an Schulden nur vorübergehende Entlastung gebracht.
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2023-03-27
Geschäftsklima hellt sich überraschend auf
ifo-Umfrage
Die deutschen Industriemanager werden trotz der Turbulenzen im Bankensektor immer zuversichtlicher. Im März ist der ifo-Geschäftsklimaindex zum fünften Mal in Folge gestiegen. mehr
Die deutschen Top-Manager werden trotz der Turbulenzen im Bankensektor immer zuversichtlicher. Im März ist der ifo-Geschäftsklimaindex zum fünften Mal in Folge gestiegen. Die Stimmung in den Chefetagen deutscher Unternehmen hat sich im März überraschend weiter aufgehellt. Der ifo-Geschäftsklimaindex stieg auf 93,3 Punkte nach 91,1 Punkten im Februar, wie das Münchner ifo-Institut mitteilte. Das war der fünfte Anstieg des wichtigsten deutschen Frühindikators in Folge. Eigentlich hatten Ökonomen angesichts der jüngsten Unruhe in der Finanzbranche mit einem leichten Rückgang auf etwa 91 Punkte gerechnet. Doch bei den befragten rund 9000 Führungskräften verbesserten sich insbesondere die Geschäftserwartungen deutlich. "Trotz der Turbulenzen bei einigen internationalen Banken stabilisiert sich die deutsche Konjunktur", kommentierte ifo-Präsident Clemens Fuest. Das Geschäftsklima verbesserte sich in allen betrachteten Wirtschaftsbereichen. Entspannung in den Lieferketten Die steigende Zuversicht dürfte auch mit nachlassenden Lieferengpässen zusammenhängen, sagte ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe. Über Lieferkettenprobleme klagten im März nur noch etwa vier von zehn Unternehmen. "Einziger Wermutstropfen ist das Baugewerbe", so Wohlrabe. "Hier sind die Sorgenfalten weiterhin sehr tief." Steigende Zins- und Materialkosten würden insbesondere den Wohnungsbau belasten. Anders als die anderen großen Institute und auch der Sachverständigenrat rechnen die Wirtschaftsforscher des ifo für dieses Jahr bisher nicht mit einem leichten Wachstum, sondern mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,1 Prozent. Zuletzt hatten allerdings weitere Frühindikatoren wie etwa der Einkaufsmanagerindex des Finanzdienstleisters S&P signalisiert, dass die deutsche Wirtschaft mit Schwung ins neue Jahr gestartet ist. Im vierten Quartal 2022 war Europas größte Volkswirtschaft noch um 0,4 Prozent geschrumpft. Bei zwei negativen Quartalen in Folge sprechen Volkswirte von einer technischen Rezession. Prognosen bleiben uneinheitlich "Die verschiedenen Frühindikatoren entwickeln sich derzeit recht uneinheitlich", kommentierte Jens-Oliver Niklasch, Ökonom bei der LBBW. "Die heutigen Zahlen zum Geschäftsklima unterstreichen jedoch, dass die gewerbliche Wirtschaft so etwas wie eine innere Stärke zurückgewonnen hat, gespeist aus einer guten Auftragslage und den robusteren Lieferketten." Dennoch bleibt der Volkswirt unter Verweis auf die vielen aktuellen Abwärtsrisiken zurückhaltend, was die weitere konjunkturelle Entwicklung angeht.
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2023-03-27
Wege aus dem Rohstoffdilemma
Energiewende
Für die Energiewende braucht es gewaltige Mengen Rohstoffe. Deren Abbau schadet oft Umwelt und Menschen. Doch es gibt Lösungen: Dafür müssen Politik und Wirtschaft lernen, in Recyclingkreisläufen zu denken. Von Carsten Schollmann.
Für die Energiewende braucht es gewaltige Mengen Rohstoffe. Deren Abbau schadet oft Umwelt und Menschen. Doch es gibt Lösungen: Dafür müssen Politik und Wirtschaft lernen, in Recyclingkreisläufen zu denken. Die Energiewende soll Deutschland unabhängig von fossilen Brennstoffen machen. Andere Rohstoffe dagegen werden immer wichtiger. Denn um Windkraft- und Solaranlagen, Batteriespeicher und Elektroautos zu bauen, ist sehr viel Material nötig. "Bei Metallen erwarten wir die höchsten Bedarfsanstiege", sagt Jan Kosmol, Ingenieur für technischen Umweltschutz und wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Umweltbundesamt. Kupfer, Lithium oder Seltene Erden, sie alle haben spezielle Eigenschaften, die sie für die grünen Technologien wertvoll machen. Umweltauswirkungen werden verlagert Unser Energiesystem zu transformieren sei unausweichlich, sagt Kosmol. Erneuerbaren Energien und Elektroautos hätten in nahezu allen Kategorien eine bessere Ökobilanz als ihre fossilen Pendants. Doch die Energiewende sei mit einem hohen Risiko verbunden, dass Umweltauswirkungen in andere Länder verlagert würden. Beispiel Lithium: Der weltweite Bedarf dürfte in den kommenden Jahren steil ansteigen, laut einem Szenario der Internationalen Energieagentur (IEA) um das 42-Fache bis zum Jahr 2040. Ein beträchtlicher Teil des Batterierohstoffs kommt heute aus Südamerika. "Dort wird die Lithium-Salzlake an die Oberfläche gepumpt und dann in offenen Becken verdunstet", erklärt Kosmol. "Das hat den Nachteil, dass in einer sehr trockenen Region Wasser verloren geht." Massenmetall Kupfer Ein anderer zentraler Rohstoff der Energiewende ist Kupfer. Es gilt als Massenmetall. Wegen seiner hervorragenden Leitfähigkeit ist es allgegenwärtig in elektrischen Anlagen. Tausende von Tonnen sind in Stromleitungen und Kabeln verbaut und bringen die Energie an ihr Ziel. Doch Kupferabbau ist nicht selten ein schmutziges Geschäft. Laut Umweltbundesamt gehört Kupfer zu den Metallen mit dem größten "Umweltgefährdungspotenzial". Bei der Gewinnung des Erzes aus Gestein werden laut Kosmol etwa Schwermetalle freigesetzt - und es fallen große Abfallmengen an. Ein Problem für Natur und Menschen. Wachsender Bedarf an kritischen Rohstoffen Zu Kupfer und Lithium kommen noch viele weitere Rohstoffe wie Grafit, Kobalt, Seltene Erden oder Silizium. Die IEA hat berechnet: Wollen wir die Pariser Klimaziele einhalten, wird sich der Bedarf an kritischen Rohstoffen bis 2040 mindestens vervierfachen. Am meisten braucht es demnach für Elektromobilität und Batteriespeicher. Dann folgen der Ausbau der Stromnetze und schließlich die emissionsarme Energieerzeugung vor allem durch Windkraft und Solarenergie. Dabei wächst der Rohstoffbedarf teils schneller als das Angebot. So vergrößern sich auch bestehende Abhängigkeiten von produzierenden Ländern wie China oder der Demokratischen Republik Kongo. Kosmol sieht darin ein Versorgungsrisiko bei kritischen Rohstoffen. "Die Gewinnung von Bodenschätzen in Europa wäre ein wichtiger Beitrag zur Diversifizierung der Lieferketten." Rohstoffe aus Europa? Anfang 2023 wurden große Vorkommen Seltener Erden im nordschwedischen Kiruna bekannt. In Thüringen wird nach Kupfer gebohrt. Größere Lithiumvorkommen gibt es etwa im sächsischen Erzgebirge und im Thermalwasser des Oberrheingrabens. Aber die Lösung ist das noch nicht. Denn die heimischen Rohstoffen allein werden voraussichtlich nicht ausreichen. Größe und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Lagerstätten werden laut Kosmol als eher gering eingeschätzt. Europa wird also vorerst auf Rohstoffimporte angewiesen bleiben. Hohe Priorität hat für Kosmol deshalb, auf verantwortungsvollen Abbau zu setzen. Auch europäische Unternehmen könnten dazu beitragen, die Produktionsbedingungen in den Bergbaugebieten zu verbessern. In Deutschland gilt seit Anfang 2023 das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Eine EU-weite Richtlinie ist in Arbeit. Wie wirksam solche Regelungen sind, ist jedoch umstritten. Elemente der Hoffnung Es braucht also mehr Ideen. Technische Innovationen etwa, um relativ seltene Rohstoffe durch besser verfügbare Alternativen zu ersetzen. Ein Beispiel: Batterien ohne Lithium, dafür mit Natrium. "Diese häufiger in der Erdkruste vorkommenden Elemente", sagt Kosmol, "werden daher auch Elements of Hope genannt." Ein Lösungsansatz sei es, unser Energiesystem auf diesen Elementen der Hoffnung aufzubauen, zu denen auch Eisen, Mangan oder Aluminium zählen. Erste Hersteller haben inzwischen Natrium-Batterien für Elektroautos angekündigt. Rohstoffe aus Kreislaufwirtschaft Als besonders zukunftsträchtig gilt auch ein weiterer Ansatz: die Kreislaufwirtschaft. Rohstoffrecycling statt -Abbau - nutzen, was ohnehin schon in unserem Wirtschaftskreislauf vorhanden ist. Metalle, die zentralen Rohstoffe der Energiewende, sind grundsätzlich sehr gut recyclingfähig. Können wir dann nicht heute schon komplett auf Recycling setzen? Und die Baustoffe für neue Solaranlagen und Batterien aus alten Produkten gewinnen? "Nein", sagt Jan Kosmol, "das funktioniert leider nicht." Wir brauchen für die Umstellung des Energiesystems mehr Material, als heute durch Recycling gewonnen werden kann. "Anthropogenes Lager" wächst Denn das "anthropogene Lager", der Bestand an Rohstoffen, die in menschgemachten Produkten verbaut sind, ist noch nicht groß genug. Es wächst allerdings stetig. Außerdem fehlt es noch an der Infrastruktur. Während es für Kupfer bereits gut eingespielte Recyclingkreisläufe im industriellen Maßstab gibt, müssen diese für andere Metalle erst noch entwickelt werden. Schon heute an das Recycling von morgen denken Zudem mangelt es oft an genauen Informationen über die Materialien, die in Produkten verbaut sind. Digitale Materialpässe könnten in Zukunft Abhilfe schaffen. Die enthaltenen wiederverwertbaren Rohstoffe ließen sich etwa per QR-Code abrufen. Wenn Politik und Wirtschaft es klug anstellen, dürfte Recycling für die Energie der Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. "Wir müssen frühzeitig beim Aufbau dieser Infrastrukturen dafür sorgen, dass die Materialien ressourcenschonend zurückgewonnen werden können", sagt Kosmol. Dann werde sich das Energiesystem in ein paar Jahrzehnten zu einem großen Teil aus Recycling speisen können.
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2023-03-27
Was bringt das Lieferkettengesetz?
Zwangsarbeit in China
Im chinesischen Xinjiang soll es Zehntausende Zwangsarbeiter in Lagern geben. Das Lieferkettengesetz soll verhindern, dass Produkte aus diesen Lagern in Deutschland landen. Doch das zu überprüfen ist schwierig. Von T. Anthony und E. Lamby-Schmitt.
Im chinesischen Xinjiang soll es Zehntausende Zwangsarbeiter in Lagern geben. Das Lieferkettengesetz soll verhindern, dass Produkte aus diesen Lagern in Deutschland landen. Doch das zu überprüfen ist schwierig. Es dauert nicht lange, da fängt uns die Polizei ab. Wir landen in Xinyuan, einer kleineren Stadt in Xinjiang, auf der Polizeistation. Fotos und Videos sollen wir löschen. Nach etwa einer Stunde lassen sie uns gehen. Die chinesische Regierung behauptet, die sogenannten Umerziehungslager gebe es nicht mehr. Tatsächlich wurden ab 2019 nach Recherchen von Journalisten einige Lager geschlossen, andere bestehen weiter fort. Auf unserer Reise wird sichtbar, wie sensibel das Thema nach wie vor ist. Überall, ob am Flughafen, am Bahnhof oder an Checkpoints an der Straße, werden wir von Polizisten befragt. Unsere Reisepässe werden abfotografiert. Wir werden oft von mehreren Autos verfolgt. Im Norden Xinjiangs fahren wir in die Stadt Tacheng an der Grenze zu Kasachstan. Hier wurde Erbakit Ortabay vor sechs Jahren in ein Umerziehungslager gesperrt. Er sei dort zur Arbeit gezwungen worden, erzählt er. Elf Stunden am Tag habe er nähen müssen. "Zur Strafe an einen eisernen Folterstuhl gekettet" Zu einem Interview treffen wir ihn in London. "Sie haben uns Produktionsvorgaben gemacht", berichtet Ortabay. "Neben mir saß jemand, der alt war und deshalb nicht schnell genug gearbeitet hat. Zur Strafe haben sie ihn an einen eisernen Folterstuhl gekettet. Er hat nur ein kleines gedämpftes Brot am Tag bekommen. So saß er da 15 Tage." Die Angaben lassen sich nicht überprüfen, aber sie decken sich mit den Berichten vieler anderer Betroffener. In Tacheng fahren wir zu genau diesem Lager. Vor Ort stehen entlang der Straße vor dem Gelände mehrere in schwarz gekleidete Männer. Einer von ihnen läuft unserem Auto hinterher, sagt uns, dass dies ein Trainingsort sei - auf chinesisch Xunlian de difang. Filmen sei verboten. Wir zeigen Ortabay unsere Aufnahmen. Er sagt, es sei das selbe Lager. "Sie haben das Äußere verändert, aber innen ist es noch dasselbe. Wenn du fragen würdest, 'Können wir mal reingucken?', würden sie dich niemals lassen. Das sind Lügner." So wie Ortabay werden in Xinjiang zehntausende Menschen zur Arbeit gezwungen - auch für Waren, die dann in Deutschland verkauft werden. Mit dem Lieferkettengesetz, das seit Januar gilt, will der Gesetzgeber das verhindern. Unternehmen müssen ihre gesamte Lieferkette überprüfen. Fair und nachhaltig soll die Produktion sein. Doch wie soll das in China gewährleistet werden? Handelskammer: Gesetzesverstöße nicht auszuschließen Maximilian Butek vertritt die deutsche Auslandshandelskammer in Shanghai. Er sagt, vor allem viele große Unternehmen managten teilweise mehrere zehntausend Lieferanten, die wiederum einen Lieferanten haben und die ebenfalls weitere Lieferanten nutzen. "Hier zu 100 Prozent auszuschließen, dass es bei keinem einzigen dieser Lieferanten zu Gesetzesverstößen kommt, halte ich in der Praxis für kaum realisierbar." Wir können mit einem Unternehmensprüfer sprechen, der schon mehr als 100 Mal in China war, auch in Xinjiang. Das sei allerdings inzwischen zu gefährlich, sagt er. Er spricht nur anonym mit uns, um seine chinesischen Kollegen zu schützen. "Ich kenne Firmen, die dort Unternehmen geprüft haben", sagt der Unternehmensprüfer. Doch danach habe die chinesische Polizei oder der Geheimdienst die Mitarbeiter zu Hause aufgesucht. Überprüfungen seien zwar theoretisch möglich, aber mit jedem Monat schwieriger geworden. Lieferketten in China unabhängig zu prüfen scheint vor Ort in der Praxis schwierig umsetzbar zu sein.
/ausland/asien/reportage-zwangsarbeit-xinjiang-101.html
2023-03-27
Der gequälte Fluss
Verschmutzung der Oder
Die Grünen diskutieren heute bei einer Konferenz über besseren Schutz für die Oder. Doch ein Besuch in der Industrieregion im Süden Polens zeigt: Abwassereinleitungen sind dort weiter tägliche Praxis. Von T. Schneider.
Die Grünen diskutieren heute bei einer Konferenz über besseren Schutz für die Oder. Doch ein Besuch in der Industrieregion im Süden Polens zeigt: Abwassereinleitungen sind dort weiter tägliche Praxis. Eine Bootsfahrt auf der Oder, rund 350 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Einladend sieht das Wasser nicht aus, auf das der Angler Grzegorz Marcinkiewicz hinausfährt. Braun und leblos wirkt es in diesen Frühjahrstagen, kein Grün sprießt am Ufer. Ein paar Stockenten hier und da, mehr Leben scheint nicht zu herrschen. Angler Marcinkiewicz sah den Fluss bisher als seine Lebensgrundlage: Kurse für Sportangeln wollte er hier anbieten, mit einem nagelneuen Boot samt modernem Sonargerät, mit dem er Fische aufspüren kann. "Da! Da ist einer!", ruft er fast euphorisch. Denn seit dem großen Fischsterben vergangenen Sommer sind die Tiere im schlesischen Teil der Oder fast eine Rarität. "Das ist die totale Tragödie", klagt der junge Mann. "Alles ist zusammengefallen, mein Verdienst, mein Hobby, meine Leidenschaft. Denn ich kann hier ja nicht rumsitzen, während die Fische nicht mehr da sind. Früher habe ich hier Fische mit Rekordgröße gefangen." "Letztes Jahr mehrere Massensterben" Marcinkiewicz war einer der ersten, der die Folgen der Oder-Verschmutzung öffentlich gemacht hat. Mit seinen Tätowierungen, seiner sportlichen Figur und trendigen Klamotten wirkt er eher wie ein Influencer als ein Angler. Mit diversen Video-Streams und Webvideos zum Thema Angeln wirbt er auf seinen Internetseiten. Doch auf seinem Youtube-Kanal ist seit dem vergangenen Jahr auch die Dokumentation einer Umweltkatastrophe entstanden. Begonnen hat Marcinkiewicz mit seinen Aufzeichnungen lange bevor das Fischsterben die Grenze zu Deutschland erreichte.  "Es waren hier letztes Jahr mehrere Massensterben", kommentiert er die Bilder auf seinem Smartphone. "Alles fing an im Februar, März, dann wieder und wieder im Juni, Juli, August und September - und es passierte, was passierte." Blaue Müllsäcke an den Ufern zeugten von dem Fischsterben, lange bevor in Deutschland das zunächst rätselhafte Massensterben sichtbar wurde. Polnische Behörden geben sich unwissend Bis heute geben sich polnische Behörden eher unwissend, was die Entwicklung und Herkunft der Katastrophe angeht. Umweltschützer wie Agnieszka Konowaluk bringt diese Gleichgültigkeit sichtlich auf die Palme. Sie arbeitet ehrenamtlich als Flusswächterin beim World Wildlife Fund und führt uns an die Stelle, an der viele Abwässer aus der Industrieregion rund um Gleiwitz über einen Nebenfluss in der Oder landen.  "Es gibt Tage, an denen bildet sich Schaum auf dem Fluss", beschreibt Konowaluk die Situation. "Der ist manchmal gelb, manchmal weiß. Manchmal stinkt der Fluss nach Phenol und anderen chemischen Substanzen, das hängt von der Jahreszeit und der Temperatur ab." Vergangenes Jahr, erzählt sie, hätten auch hier tote Fische und andere tote Tiere wie zum Beispiel Biber geschwommen. Abwasser aus Kohlebergwerken Doch woher kam die Verschmutzung, für die bis heute niemand verantwortlich sein will? Die Umweltschutzorganisation Greenpeace glaubt an Salzeinleitungen als Ursache und präsentierte Anfang März in Warschau Ergebnisse von Abwasseruntersuchungen. Demnach sei der Salzgehalt der entnommenen Proben rund dreimal so hoch wie im durchaus salzigen Wasser der Ostsee. Diese Salzkonzentration habe das Wachstum von Algen begünstigt, die für die Fische tödlich sind. Der Ursprung dieses Problems: die Kohlebergwerke in der Region Schlesiens. Nicht zuletzt wegen der Energiekrise wird hier Steinkohle im Akkord gefördert. Tief unten in den Stollen entsteht dadurch jede Menge salzhaltiges Grubenabwasser. Das wird ständig abgepumpt und landet in den Flüssen. An einer unscheinbaren Wasserrinne nahe der Stadt Zabrze wird das sichtbar. Fördertürme von Kohleminen säumen den Horizont. Plötzlich beginnen hinter einem Absperrgitter gurgelnde Geräusche. Ein Schwall von Grubenabwasser ergießt sich in den Wasserlauf und ein paar hundert Meter weiter in einen Zufluss der Oder. Solche Stellen gibt es in der Region dutzendfach, berichten Umweltschützer. Kaum Überwachung der Einleitungen Für die Einleitungen selbst haben die Minenbetreiber Genehmigungen. Doch der Vorwurf der Umweltschützer ist: Die Aufsichtsbehörden überwachten nur lasch, was wirklich in der Oder landet. "Es gibt keine Beweise für Gefahren für Menschen", verteidigt Malgorzata Marciniewicz-Mykieta von der Behörde für Umweltaufsicht in Warschau. "Unsere Untersuchungen zeigen keine Gesundheitsgefahr." Kenner der Verhältnisse wie Angler Grzegorz Marcinkiewicz sehen das anders. Mit seinem Boot steuert er an eine Stelle, an der Abwässer aus einer Kläranlage einer Kokerei in die Oder fließen. Das Wasser schimmert dunkel, die Uferböschung zeigt Ablagerungen. Aus der Luft erschließt sich das Ausmaß der Einleitungen: In schwarzen Wolken mischen sich die Abwässer mit dem Wasser der Oder. Kein Zweifel: Der Fluss ist in Polen mehr ein Nutzgewässer als ein Biotop. Angler Marcinkiewicz hält weitere Fischsterben für wahrscheinlich. Spätestens, wenn im Sommer die Temperaturen steigen und die Wassermenge sinkt.
/ausland/europa/polen-verschmutzung-oder-101.html
2023-03-27
Millionen Menschen vom Warnstreik betroffen
Bundesweiter Arbeitskampf
Es ist einer der größten Warnstreiks der vergangenen Jahre: Bundesweit stehen Züge, Flugzeuge oder Busse still. Ein Verkehrschaos blieb bislang aber aus. Die Gewerkschaften verteidigen den Arbeitskampf und warnen vor weiteren Ausfällen. mehr
Es ist einer der größten Warnstreiks der vergangenen Jahre: Bundesweit stehen Züge, Flugzeuge oder Busse still. Ein Verkehrschaos blieb bislang aber aus. Die Gewerkschaften verteidigen den Arbeitskampf und warnen vor weiteren Ausfällen. Der Verkehr mit Zügen, Bussen und Flugzeugen in Deutschland ist weitgehend zum Erliegen gekommen. Seit Mitternacht läuft ein großer Warnstreik der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und ver.dis. In dem 24-stündigen Arbeitskampf sind Millionen Berufspendler und Reisende sowie weite Teile des Güterverkehrs betroffen. An Bahnhöfen als auch betroffenen Flughäfen blieb es weitgehend leer. An dem Großstreik im Verkehrsbereich beteiligten sich nach Angaben der EVG bis zum Vormittag bundesweit Gewerkschaftsmitglieder an mehr als 800 Standorten. Der Fernverkehr sei "vollständig zum Erliegen gekommen", teilte die EVG in Frankfurt am Main mit. Auch der Regionalverkehr auf der Schiene und der Busverkehr seien massiv beeinträchtigt. In mehreren Bundesländern wird der öffentliche Nahverkehr bestreikt. 380.000 Geschäfts- und Privatreisende müssen laut Flughafenverband ADV am Boden bleiben. Wasserstraßen und Häfen sowie die Autobahngesellschaft sind ebenfalls betroffen. Lage auf den Straßen bislang moderat Größere Staus im Straßenverkehr über die üblichen Behinderungen im Berufsverkehr hinaus wurden am Morgen nur vereinzelt von der Polizei gemeldet. Teils war von stockendem Verkehr die Rede, aber ohne größere Einschränkungen in Folge des Großstreiks. Viele Pendler seien wohl im Homeoffice geblieben, hieß es. Rund um die Ballungsräume stocke der Verkehr zwar, "einen Kollaps oder ein Riesenchaos sehen wir aber nicht", sagte auch eine Sprecherin des ADAC. Die frühe Ankündigung habe womöglich dafür gesorgt, dass viele Menschen sich auf den Warnstreik eingestellt hätten. EVG kritisiert Lohnunterschiede Im Bahnsektor beteiligten sich laut EVG mehr als 30.000 Beschäftigte an 350 Standorten. Der EVG-Vorsitzende Martin Burkert nannte die Aktionen notwendig und verhältnismäßig. "Es geht jetzt darum, dass diese Branche nicht abgehängt werden darf von der allgemeinen Lohnentwicklung", sagte er in Potsdam. In der "Augsburger Allgemeinen" wies Burkert Vorwürfe der Arbeitgeberseite zurück, der Großstreik mitten in den Tarifverhandlungen sei unverhältnismäßig. Er habe Verständnis für die Bahnfahrer, die über die ausfallenden Züge frustriert sind. Die Beschäftigten im Verkehrsbereich seien aber auf deutliche Lohnerhöhungen angewiesen. Die EVG fordere einen Sockelbetrag von mindestens 650 Euro mehr pro Monat oder zwölf Prozent. Daran sei nichts unverhältnismäßig. Weitere Warnstreiks sind laut dem EVG-Chef möglich, zu Ostern wird es laut EVG aber keine geben. Der Chef des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, schloss sich der EVG-Warnung vor einer Ausweitung der Arbeitskämpfe an. "Entweder wir hauen den Knoten durch und finden eine Einigung - oder wir stehen vor einer weiteren Eskalations- und Streikwelle", sagte er. "Es ist einfach Druck auf dem Kessel" Auch ver.di-Chef Frank Werneke verteidigte den Großstreik. Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bis hin in die mittleren Einkommensgruppen empfänden vor allem die enormen Preissteigerungen für Strom, Gas und Lebensmittel als Belastung. "Alle, wirklich alle Mitglieder, die wir heute zum Arbeitskampf aufgerufen haben, beteiligen sich an diesem Streik", so Werneke zum Start der dritten Verhandlungsrunde in Potsdam. "Es ist einfach Druck auf dem Kessel, weil die Beschäftigten es leid sind, sich jeden Tag mit warmen Worten abspeisen zu lassen, während die Arbeitsbedingungen immer schlechter werden und viele Stellen unbesetzt sind." Die Beschäftigten fänden das bisherige Angebot der Arbeitgeber inakzeptabel. Werneke sagte, ver.di wolle in der bis Mittwoch angesetzten Verhandlungsrunde ein Ergebnis erzielen. Arbeitgeber kritisieren Ausmaß der Warnstreiks Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, Karin Welge, kritisierte den Ausstand. "Wir haben uns im vergangenen Jahr schon darauf verständigt, in drei Verhandlungsrunden zueinander zu kommen", sagte sie im Radiosender Bayern 2. Deswegen erstaune diese Massivität der Streiks vor der dritten Verhandlungsrunde schon deutlich. Die Deutsche Bahn erneuerte ebenfalls ihre Kritik. "An diesem überzogenen, übertriebenen Streik leiden Millionen Fahrgäste, die auf Busse und Bahnen angewiesen sind", sagte ein Bahnsprecher. "Nicht jeder kann vom Homeoffice aus arbeiten." Nachteile hätten auch Tausende Unternehmen, die ihre Güter über die Schiene empfingen oder versendeten: "Gewinner des Tages sind die Mineralölkonzerne." Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte mit Blick auf die Verhandlungen im öffentlichen Dienst, sie habe viel Verständnis dafür, dass sich Reisende über die Einschränkungen im Bahnverkehr ärgerten. Sie wisse, "dass das Streikrecht ein Grundrecht ist" und jeder das Recht habe, "das auch jederzeit zu tun." Allerdings solle man darauf achten, dass die Aktivitäten auch passten. Ver.di und dbb verhandeln heute - EVG ab Mitte der Woche Ver.di und der Beamtenbund dbb verhandeln heute in Potsdam erneut mit Bund und Kommunen für 2,5 Millionen Beschäftigte. An Flughäfen sind Kommunalbeschäftigte des öffentlichen Dienstes einbezogen, es geht aber auch um örtliche Verhandlungen für Bodenverkehrsdienste sowie bundesweite Gespräche für die Luftsicherheit. Bei der EVG stehen weitere Gespräche mit verschiedenen Bahnunternehmen ab Mitte der Woche an. Mit der Deutschen Bahn soll erst nach Ostern weiterverhandelt werden.
/wirtschaft/warnstreik-verkehr-107.html
2023-03-27
Plattform für Ukraine-Wiederaufbau gestartet
Bundesentwicklungsministerium
Die Bundesregierung will den Wiederaufbau der Ukraine unterstützen. Dafür hat das Entwicklungsministerium eine Plattform als Anlaufstelle für Engagierte gestartet - und weitere 25 Millionen Hilfsgelder zugesagt. mehr
Die Bundesregierung will den Wiederaufbau der Ukraine unterstützen. Dafür hat das Entwicklungsministerium eine Plattform als Anlaufstelle für Engagierte gestartet - und weitere 25 Millionen Hilfsgelder zugesagt. Die Bundesregierung hat eine Online-Plattform zur Unterstützung des Wiederaufbaus der Ukraine gestartet. Darüber will man Hilfeleistungen für das von Russland angegriffene Land besser koordinieren. Zugleich sollen Menschen, die sich beim Wiederaufbau engagieren wollen, mit der Plattform eine erste Anlaufstelle finden. "Der Wiederaufbau der Ukraine beginnt bereits jetzt, auch wenn leider noch kein Ende des Kriegs in Sicht ist", erklärte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD). Die Plattform richte sich an Akteure aus der deutschen Zivilgesellschaft, aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kommunen, um langfristige Perspektiven des Wiederaufbaus zu entwickeln und Gemeinsamkeiten zu nutzen. Wiederaufbau "eine Aufgabe für Generationen" Nach Einschätzung des Entwicklungsstaatssekretärs Jochen Flasbarth (SPD) geht es beim Wiederaufbau in dem osteuropäischen Land derzeit vor allem um die Reparatur von Kraftwerken. "Man muss Dinge wieder aufbauen im Wissen, dass sie möglicherweise erneut zerstört werden", sagte er dem "Tagesspiegel". Der Wiederaufbau werde auch noch viele Jahre dauern, Flasbarth sieht darin "eine Aufgabe für Generationen". Auch die Beseitigung von Kriegsmitteln ist dabei von Belang: Die Minenräumung sei etwa für die ukrainische Landwirtschaft entscheidend, damit wieder produziert werden könne. Der Agrarsektor sei eine der Haupteinnahmequellen des Landes gewesen, so Flasbarth. Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev sagte, neben den Hilfsleistungen sei es auch wichtig, dass mehr ukrainische Waren gekauft würden, um die Wirtschaft des Landes anzutreiben. Er sei dafür im Gespräch mit Einzelhandelsketten und Kaufhäusern, ob es etwa speziell ausgewiesene Bereiche mit ukrainischen Produkten in Geschäften geben könnte. Weitere Gelder für die Ukraine Kürzlich hatte die Weltbank die Kosten für den Wiederaufbau der Ukraine auf 411 Milliarden US-Dollar geschätzt. Schulze deutete an, dass der Gesamtbedarf noch höher ausfallen könnte. Weil der Krieg noch andauere, Russland das Land immer weiter bombardiere und keine Anzeichen auf ein Einlenken zeige, könne man den Bedarf derzeit nicht wirklich abschätzen, sagte sie. Zugleich sagte die Bundesentwicklungsministerin weitere 25 Millionen Euro an Hilfsgeldern zu. Mit dem Geld sollen nach Angaben des Ministeriums Partnerschaften zwischen deutschen und ukrainischen Kommunen, Kliniken und Wasserwerken unterstützt werden. Es gebe derzeit 135 solcher kommunaler Partnerschaften, fast doppelt so viele wie Anfang 2022. Hilfsgelder vor Korruption schützen Schulz und Makeiev betonten gleichermaßen, dass der Kampf gegen Korruption in der Ukraine angesichts der erwarteten riesigen Hilfsleistungen sehr wichtig sei. "In den vergangenen Jahren haben wir eine effiziente Korruptionsbekämpfung aufgebaut", beteuerte Makeiev. Das osteuropäische Land, das seit 2022 eine EU-Beitrittsperspektive hat, galt zuvor als einer der korruptesten europäischen Staaten. Damit kein Geld veruntreut werde, baue man mit Nichtregierungsorganisationen und westlichen Partnern eine Art Aufsichtsinstrument für die Wiederaufbauhilfe auf, sagte der Botschafter.
/inland/wiederaufbau-ukraine-plattform-hilfe-101.html
2023-03-27
Der Warner von Sicherheitsrisiken muss gehen
Streit um Israels Justizwesen
Verteidigungsminister Galant galt innerhalb der Regierungskoalition Israels als Stimme der Vernunft. Jetzt ist er sein Amt los, weil er den umstrittenen Umbau des Justizwesens kritisiert hatte. Nach seiner Entlassung gab es erneut Massenproteste. Von Jan-Christoph Kitzler. mehr
Verteidigungsminister Galant galt innerhalb der Regierungskoalition Israels als Stimme der Vernunft. Jetzt ist er sein Amt los, weil er den umstrittenen Umbau des Justizwesens kritisiert hatte. Nach seiner Entlassung gab es erneut Massenproteste. Joaw Galant galt innerhalb der in Teilen rechtsextremen und ultrareligiösen Regierungskoalition Israels bisher als Stimme der Vernunft - sein Amt ist er nun los. Galant hatte sich am Samstag in einer öffentlichen Erklärung von der umstrittenen Justizreform distanziert: "Wir müssen den Gesetzgebungsprozess zum jetzigen Zeitpunkt stoppen. Wir müssen die Demonstrationen stoppen und die Hand für einen Dialog ausstrecken. Und jede Form der Befehlsverweigerung muss unverzüglich aufhören." Grund für die klaren Worte Galants sind Sicherheitsrisiken. Zusammen mit anderen hochrangigen Vertretern des Sicherheitsapparats hatte er immer wieder davor gewarnt, dass die Spaltung der israelischen Gesellschaft sich durch die Reformpläne vertieft und dass sie längst auch die Streitkräfte erfasst hat, die in Israel eine besonders wichtige Rolle spielen. Tausende Reservisten weigern sich den Berichten zufolge inzwischen, an Übungen und Einsätzen teilzunehmen. Darunter sind Kampfpiloten und IT-Experten. Die Verteidigungsbereitschaft Israels sei in Gefahr, sagte Galant in seiner Erklärung: "Die Spaltung der israelischen Gesellschaft dringt in die Armee und die Sicherheitskräfte ein. Das ist eine klare, unmittelbare und konkrete Gefahr für die Sicherheit des Staates. Diese Sache werde ich nicht zulassen." Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu zeigte sich von diesen Warnungen unbeeindruckt. Aus seinem Umfeld hieß es, die Erklärung Galants sei mit ihm nicht abgestimmt gewesen, es gebe keine Vertrauensbasis mehr. Galant schrieb auf Twitter: "Die Sicherheit Israels ist immer meine Lebensaufgabe gewesen und wird es auch immer bleiben." Turbulente Beratungen Ungeachtet auch der immer größer werdenden Proteste gegen die Justizreform arbeitet die Regierungskoalition daran, weitere Teile der Reform durch das Parlament zu bringen. Schon bald soll ein Gesetz in letzter Lesung beschlossen werden, dass der Regierungskoalition die Kontrolle über die Besetzung der obersten Richter sichert. Die Beratungen dazu im Justizausschuss der Knesset waren teilweise turbulent. Doch schließlich konnte der Vorsitzende Simcha Rothman, eine der treibenden Kräfte der umstrittenen Justizreform, verkünden: "Wir sind heute vorangekommen und werden weiter vorankommen, so dass das Gesetz planmäßig für die letzte Lesung fertig sein wird." Man sei auf dem Weg, die Auswahl des Richterausschusses zu korrigieren, genauso wie versprochen. "Ehrlich gesagt, wenn wir uns anschauen, wie sich die Opposition verhält, muss man wirklich Angst vor dem Tag haben, an dem sie, Gott behüte, an die Macht kommen könnte." Deswegen sei es das Ziel, verantwortungslose Menschen daran zu hindern, Macht über den Obersten Gerichtshof zu erlangen, so Rothman. Massenproteste gehen weiter Die Demonstrationen und Massenproteste gegen die Reform gingen derweil weiter. Noch spät am Abend hatten sich Zehntausende Menschen zu Straßenprotesten versammelt. In Tel Aviv blockierten die Demonstranten eine Autobahn und entzündeten Feuer. Auch an anderen Orten in Israel gab es Proteste. Am Samstag hatten sich so viele Menschen wie noch nie in Tel Aviv aber auch an vielen anderen Orten des Landes versammelt. Die frühere Außenministerin Tsippi Livni wandte sich an die Knesset-Abgeordneten mit einem Appell: "Das ist der letzte Shabbat vor der Abstimmung. Ihr habt dem Staat Israel eure Treue geschworen. Dieser Eid beinhaltet nicht Macht, Ehre und Geld, sondern Verantwortung. Deswegen: Stimmt gegen das Gesetz und für den Staat!" Berichte über Abweichler im Likud-Block Die Frage der nächsten Stunden ist es, ob es Netanyahu gelingt, die Reihen geschlossen zu halten. Immer wieder hatte es Berichte über mögliche Abweichler in seinem Likud-Block gegeben. Ein Teil der Reform, der die Immunität des Regierungschefs erweitert, ist derweil schon beschlossen. Das ist deshalb pikant, weil Netanyahu in drei Verfahren wegen Korruption und Amtsmissbrauch vor Gericht steht.
/ausland/asien/israel-941.html
2023-03-27
"Flexibles Geflecht" bis Budapest?
Linksextremismus
Die Beteiligung von Johann G. an Überfällen auf Neonazis in Ungarn könnte neue Informationen über linksextreme Strukturen liefern. Er gilt nach MDR-Informationen als Drahtzieher hinter Straftaten, die der Leipzigerin Lina E. zur Last gelegt werden. mehr
Die Beteiligung von Johann G. an Überfällen auf Neonazis in Ungarn könnte neue Informationen über linksextreme Strukturen liefern. Er gilt nach MDR-Informationen als Drahtzieher hinter Straftaten, die der Leipzigerin Lina E. zur Last gelegt werden. Der Linksextremist Johann G. soll nach MDR-Recherchen an Angriffen auf Rechtsextremisten in Budapest im Februar beteiligt gewesen sein. Dies könnte den Sicherheitsbehörden Erkenntnisse über linksextreme Strukturen und Organisationsformen bringen. Der Leipziger wird vom Bundeskriminalamt (BKA) als "linksextremistischer Gefährder" eingestuft. Er soll an zahlreichen Überfällen und Angriffen auf Rechtsextremisten beteiligt gewesen sein, unter anderem auf den rechtsextremen Wirt einer Szenekneipe in Eisenach. In Ungarn waren Anfang Februar am Rande des rechtsextremen "Tag der Ehre" mehrere Rechtsextremisten teils schwer verletzt worden. Mindestens sieben deutsche Staatsbürger sollen sich an den Taten beteiligt haben. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden ließ deswegen Mitte März mehrere Wohnungen in Jena und Leipzig durchsuchen. Verbindungen zum Dresdner Lina-E.-Prozess Johann G. ist der Verlobte von Lina E. Die Leipzigerin steht derzeit mit drei weiteren Angeklagten vor dem Dresdner Oberlandesgericht. Auch ihnen werden gewalttätige Angriffe auf Rechtsextremisten sowie die Bildung einer kriminellen Vereinigung zur Last gelegt. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen insgesamt sieben gewalttätige Überfälle auf Rechtsextremisten vor. An den Taten waren teilweise bis zu 20 Personen beteiligt. Zahlreiche Ermittlungen laufen noch. Laut Bundesanwaltschaft gilt Johann G. als Drahtzieher hinter den Straftaten. Er steht somit im Verdacht, Rädelsführer der mutmaßlichen linksextremistischen kriminellen Vereinigung zu sein. Seit mehr als zwei Jahren befindet er sich auf der Flucht. Nach MDR-Recherchen soll der Leipziger auch zu einem Kreis von mindestens elf Verdächtigen zählen, die in Budapest zugeschlagen haben sollen. Offiziell ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Dresden derzeit gegen sieben deutsche Staatsbürger, die mehrheitlich aus Sachsen und Thüringen stammen. Darunter ist Tobias E. aus Berlin, der in Budapest in Untersuchungshaft sitzt. Kronzeuge Johannes D. Auch die mutmaßliche Beteiligung von Tobias E. an den Angriffen in Budapest führt den Ermittlungsbehörden Verbindungen zwischen den gewalttätigen Geschehnissen in Ungarn und dem Strafverfahren gegen Lina E. vor Augen. Denn so wie der mutmaßliche Drahtzieher Johann G. soll sich auch der Berliner Tobias E. im Jahr 2019 in Eisenach an einem gewalttätigen Angriff auf den rechtsextremen Kneipenwirt Leon R. beteiligt haben - wie auch Johannes D.: Der 30-Jährige ist deswegen vom Landgericht Meinigen bereits wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung verurteilt worden. Dem Bundesamt für Verfassungsschutz hat er sich als Informant zur Verfügung gestellt. Derzeit befindet er sich im Zeugenschutzprogramm des sächsischen LKAs. Im Prozess gegen Lina E. hat er mehrfach als Kronzeuge ausgesagt. Die Aussagen des Kronzeugen Johannes D. in dem Dresdner Strafprozess und beim der sächsischen LKA sind für die Ermittlungsbehörden von Bedeutung, weil Polizei und Verfassungsschutz im Bereich Linksextremismus - anders als beim Rechtsextremismus - nur wenig über Strukturen und Organisationsformen wissen. Im vergangenen Herbst im Dresdner Gerichtssaal wurde Kronzeuge D. an mehreren Verhandlungstagen zu solchen mutmaßlichen Strukturen befragt. Dabei ging es auch um eine Aussage, die er beim LKA Sachsen gemacht hatte: "Meine Erfahrung im Bereich militanter Politik ist, dass eine Gruppe ein flexibles Geflecht ist", sagte er in der Vernehmung. Vor Gericht sprach er in diesem Zusammenhang von "keinen Muss-Zusammensetzungen". Dies bedeute, dass "man nicht immer mit den gleichen Leuten was unternimmt oder was macht." Als Beispiel nannte er den Überfall auf Leon R.: "In Eisenach waren Leute dabei, die ich vorher gar nicht kannte." Strukturen schwer durchschaubar Kronzeuge Johannes D. zählt aus Ermittlersicht zum inneren Kreis der mutmaßlichen linksextremistischen kriminellen Vereinigung um Lina E. und Johann G. Wie schwierig es für die Sicherheitsbehörden ist, linksextreme Strukturen und Organisationsformen aufzuklären, zeigte während des Dresdner Strafprozesses auch die Aussage des LKA-Beamten, der Johannes D. vernommen hatte. Vor Gericht sagte der Kriminalhauptkommissar: "Letztlich war das Problem für uns: Wir hatten uns nach der Vernehmung am Vortag besprochen und festgestellt, dass für uns diese Personenstruktur nicht greifbar ist." Johannes D. hatte in dieser Vernehmung zwar Namen potentieller Mittäter genannt - gegenüber dem Verfassungsschutz hatte er mindestens acht Personen mit Straftaten in Verbindung gebracht - wie diese Menschen aber zueinander standen oder miteinander agierten, blieb für die Polizisten unklar. Deswegen entwarfen die Vernehmer selbst ein dreiteiliges Schaubild. LKA vermutet innere und äußere Kreise Ihr Modell zeigte drei Kreise, in die sie Namen von Verdächtigen einsortiert hatten. Das Ziel: die "Aussagen in ein Modell zu bekommen, dass man das besser greifbar machen kann". Und so findet sich im Zentrum des polizeilichen Schaubilds die in Leipzig verortete "Kerngruppe LE, die Organisatoren waren, die Anfragen verschickt haben, Trainings organisiert haben". In den mittleren Kreis sortierten die Polizisten "Personen, die öfter schon mit der Kerngruppe zusammengearbeitet haben. Leute, die nah dran sind." Der äußere Kreis speiste sich schließlich aus "Personen im Bundesgebiet", die "man dazu hole, weil man die kennt". Vor Gericht gab der Polizeibeamte an, das Schaubild Johannes D. vorgelegt zu haben. Dieser habe daran "nur Modifizierungen vorgenommen und korrigiert", das Modell aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Angeklagte sollen kriminelle Vereinigung bilden Den Vorwurf gegen die vier Dresdner Angeklagten um die Verlobte von Johann G., Lina E., Mitglieder einer kriminellen Vereinigung zu sein, begründet die Bundesanwaltschaft in ihrer Anklageschrift ausführlich. Darin ist die Rede von einem "in und um Leipzig bestehenden Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der sich aus dem linksextremistischen militant-antifaschistischen Spektrum rekrutiert". "Vereinigungszweck" sei "die Planung und Begehung körperlicher Angriffe gegen den politischen Gegner oder jedenfalls die Beteiligung an solchen Taten". Um zu belegen, dass die Beschuldigten mehr als einen lockeren Zusammenschluss dargestellt und tatsächlich eine feste Vereinigung gebildet haben, führen die Bundesanwälte zahlreiche Argumente an. So gehen die Ankläger etwa von einem "durchgängigen Bestehen" der Gruppierung seit 2018 aus, weil in diesem Jahr der erste Überfall stattgefunden hatte. Zudem soll es eine Art "Rollenverteilung in Grundzügen" gegeben haben. Dabei sollen Lina E. und Johann G. eine "herausgehobene Stellung" innegehabt haben. Die anderen sollen für die "Aktionstelefone", "Späh- und Wachfunktionen" oder "aufgrund von Physis und Erfahrungen als Kampfsportler" für die "unmittelbaren Tatausführung" zuständig gewesen sein. Dazu kommt laut Bundesanwaltschaft ein hohes Maß an "Konspiration und Abschottung nach Außen". Laut Anklageschrift zeichneten sich die Tatorte durch das "auffällige Fehlen kriminaltechnisch verwertbarer Spuren" aus, "was auf nachhaltige, unter den Tatbeteiligten abgestimmte Vorsichts- und Schutzmaßnahmen" hindeute. Für die Ankläger sind solche mutmaßlichen Belege von zentraler Bedeutung, damit ihre Vorwürfe vor Gericht Bestand haben. Noch viele Fragen offen Das Prinzip des "flexiblen Geflechts" könnte bei den Angriffen in Budapest eine Rolle gespielt haben. Wie lange vor der Tat kannten sich die Verdächtigen untereinander? Haben sie sich teilweise erst in der ungarischen Hauptstadt kennengelernt? Wie spontan war ihr Zusammenschluss? Gab es Wortführer und Mitläufer? Auffällig ist, wie unterschiedlich die Verdächtigen sind. Tobias E. und Johann G. sind routinierte Aktivisten. Beide gelten als gewaltaffin. Immer wieder waren sie in Attacken auf extreme Rechte verwickelt - so wie Johann G. bereits im Jahr 2015 bei einem Angriff auf "Legida"-Demonstranten in Leipzig. Tobias E. ist mit 29 Jahren in etwa so alt wie Johann G. Merklich jünger sind dagegen die flüchtigen Moritz S. (21) aus Leipzig, die Hamburgerin Clara W. (22) und Emilie D. (21) aus Weimar. Gegen sie wurde bis vor der Tat in Budapest noch nicht wegen Gewaltdelikten ermittelt.
/investigativ/mdr/linksextremismus-lina-e-101.html
2023-03-27
First Citizens kauft Silicon Valley Bank
Nach dem Kollaps
Die US-Einlagensicherung hat einen Käufer für die kollabierte Silicon Valley Bank gefunden. Das US-Institut First Citizens kauft einen Großteil der Vermögenswerte. mehr
Die US-Einlagensicherung hat einen Käufer für die kollabierte Silicon Valley Bank gefunden. Das US-Institut First Citizens kauft einen Großteil der Vermögenswerte. Die US-Bank First Citizens BancShares übernimmt große Teile der zusammengebrochenen Silicon Valley Bank (SVB). Die Übernahme beinhalte den Kauf von etwa 72 Milliarden Dollar der Vermögenswerte der SVB mit einem Abschlag von 16,5 Milliarden Dollar, teilte der US-Einlagensicherungsfonds FDIC mit. Die Vermögenswerte bestünden vor allem in Einlagen und Krediten. Andere Vermögenswerte, vor allem Wertpapiere, bleiben vorerst bei der FDIC. Bereits heute sollen die 17 Filialen der SVB unter dem neuen Namen öffnen. Der Fonds rechnet für sich selbst mit einem Verlust von etwa 20 Milliarden Dollar durch die Transaktion. Die genaue Summe werde feststehen, wenn die Konkursverwaltung beendet sei. Bankenbeben hält an Die FDIC hatte das auf Start-up-Finanzierung spezialisierte Geldhaus nach einer gescheiterten Notkapitalerhöhung am 10. März übernommen und bereits einen vergeblichen Anlauf unternommen, das Institut zu verkaufen. Die Probleme bei einigen US-Regionalinstituten hatten auch in Europa ein Bankenbeben ausgelöst. Im Zuge der Eskalation kam es zu einem Notverkauf der Credit Suisse an die UBS. Am vergangenen Freitag folgte dann erneut ein Ausverkauf bei europäischen Finanzwerten. Neben vielen europäischen Spitzenpolitikern bemühte sich am Wochenende auch US-Präsident Joe Biden um eine Entspannung der Lage.
/wirtschaft/unternehmen/first-citizens-silicon-valley-bank-101.html
2023-03-27
Teile von Quellcode waren online
Twitter
Die Pannenserie von Twitter geht weiter. Teile des Quellcodes der Social-Media-Plattform sind an die Öffentlichkeit gelangt. Das geht aus Gerichtsunterlagen hervor. Der Software-Code könnte zwei Monate online gewesen sein. mehr
Die Pannenserie von Twitter geht weiter. Teile des Quellcodes der Social-Media-Plattform sind an die Öffentlichkeit gelangt. Das geht aus Gerichtsunterlagen hervor. Der Software-Code könnte zwei Monate online gewesen sein. Infolge eines ungewöhnlich schwerwiegenden Datenlecks sind Teile des Software-Codes von Twitter offen im Internet einsehbar gewesen. Der Kurznachrichten-Dienst verlangt nun Informationen zu dem oder den mutmaßlich Verantwortlichen hinter der Veröffentlichung. Das geht aus Gerichtsunterlagen vom Wochenende hervor. Ebenso forderte Twitter von der Microsoft-eigenen Programmierer-Plattform Github Daten zu allen Nutzern an, die den Computer-Code dort gesehen oder heruntergeladen haben könnten. Wie lange war der Quellcode online? Twitter leitete auch eine interne Untersuchung ein, wie die "New York Times" in der Nacht unter Berufung auf ungenannte Quellen berichtete. Eine Sorge dabei sei, dass der Programm-Code möglicherweise noch unentdeckte Schwachstellen enthalte, die Angreifer finden und für den Abgriff von Daten oder Sabotage der Plattform ausnutzen könnten. Twitter-Manager hätten erst vor kurzem von dem Leak erfahren, hieß es in der "New York Times" weiter. Das würde bedeuten, dass der Software-Code gut zwei Monate bei Github online gewesen sein könnte. Denn der Account, der Twitter zufolge die Daten veröffentlichte, hatte dort nach Daten der Plattform nur ein einziges Mal etwas hochgeladen - und zwar am 3. Januar. Das Ausmaß des Leaks ist zunächst nicht bekannt. Das Unternehmen teilte mit, dass es den Code am Freitag auf Wunsch von Twitter entfernt habe. Wer ist verantwortlich? Derart grundlegende Programm-Codes gehören zu den gut gehüteten Geheimnissen einer Online-Plattform. Twitter machte Urheberrechte geltend, um die Entfernung der Daten aus dem Netz zu erreichen. Zugleich will Twitter-Besitzer Elon Musk Ende März den Algorithmus öffentlich machen, der Tweets für einzelne Nutzer aussucht, wenn sie diese von Software sortiert und nicht in chronologischer Reihenfolge anzeigen lassen. Bei Twitter werde vermutet, dass hinter dem Leak jemand stehe, der bis zum vergangenen Jahr bei Twitter gearbeitet habe, schrieb die "New York Times". Für den Milliardär Musk bedeutet das Datenleck weitere Herausforderungen. Er hatte Twitter im Oktober gekauft und seitdem die Hälfte der etwa 7000 Beschäftigten entlassen. Musk beziffert Wert von Twitter auf 20 Milliarden US-Dollar Tech-Unternehmer Musk hat den aktuellen Wert von Twitter mit 20 Milliarden US-Dollar beziffert - weniger als die Hälfte der 44 Milliarden Dollar, die er vor einem halben Jahr bei der Übernahme des Kurzbotschaftendienstes bezahlt hat. In einer internen E-Mail, aus der US-Medien zitieren, beschreibt der Unternehmer den Wertverlust des Unternehmens und erklärt, die Kommunikationsplattform habe derart große finanzielle Schwierigkeiten gehabt, dass sie zeitweise vor dem Bankrott gestanden habe. In der E-Mail ging es um ein neues Programm zur Vergütung von Mitarbeitern über Aktien. Musk äußerte darin die Erwartung, dass das Unternehmen im zweiten Jahresquartal durch die Rückkehr von Werbekunden wieder in die Gewinnzone kommen könne. Er sehe einen "klaren, aber schwierigen Weg" vor Twitter, auf dem der Wert des Unternehmens auf 250 Milliarden Dollar steigen könne. In welchen Zeiträumen dies geschehen könne, sagte Musk nicht.
/wirtschaft/twitter-software-code-101.html
2023-03-27
Verhakte Verhandlungen
Ampelgipfel im Kanzleramt
Die Spitzen der Ampel beraten seit gestern Abend im Kanzleramt. Bislang ohne sichtbaren Erfolg. Die Liste der Konfliktthemen ist aber auch lang. Es hat sich einiges angestaut. Nun aber sei das Ende absehbar, sagte der Regierungssprecher. mehr
Die Spitzen der Ampel beraten seit gestern Abend im Kanzleramt. Bislang ohne sichtbaren Erfolg. Die Liste der Konfliktthemen ist aber auch lang. Es hat sich einiges angestaut. Nun aber sei das Ende absehbar, sagte der Regierungssprecher. Eigentlich sollte es keine Nachtsitzungen mehr geben, das hatten die Ampelkoalitionäre zu Amtsantritt angekündigt. Doch das ist auch schon gut ein Jahr her. Nun sitzen die Spitzen der Drei-Parteien-Regierung seit Stunden im Kanzleramt. Aus der Nacht ist längst Tag geworden. Die Gespräche über eine Reihe von Konfliktthemen dauern an. Die Liste ist lang, es hatte sich einiges angestaut. Inhaltlicher Art, aber auch atmosphärisch lief es zuletzt nicht rund im Bündnis. Wenig Schlaf Nun zeichnet sich ein Ende der Beratungen ab. Das Ende sei absehbar und es gebe auch "ein gutes Ergebnis", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittag. Auf eine Frage nach dem Zustand der Koalition entgegnete Hebestreit: "Die Regierung läuft und funktioniert." Auf die Frage, ob die Teilnehmer des Ausschusses in der Nacht Gelegenheit zum Schlafen gehabt hätten, sagte Regierungssprecher Hebestreit: "Mir sind keine Übernachtungsmöglichkeiten im Kanzleramt bekannt." Allerdings könne es sein, "dass sich mal jemand auf einen Sessel zurückgezogen hat". Als er den Kanzler vorhin getroffen habe, habe er nicht den Eindruck gehabt, dass er besonders viel geschlafen hätte heute Nacht. Inhaltliche Differenzen gibt es etwa im Verkehrsbereich. Die FDP will, dass nicht nur Bahnstrecken schneller gebaut werden, sondern auch Autobahnen. Das lehnten die Grünen im Vorfeld ab. Sie pochten auf Anstrengungen für mehr Klimaschutz im Verkehr, um eine Trendwende zu erreichen. Hier könnte es einen Kompromiss geben. FDP und Grüne sagen Termine ab Umstritten waren auch Pläne zum Austausch von Öl- und Gasheizungen sowie die Finanzierung der Kindergrundsicherung. Der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke sagte am Morgen im Deutschlandfunk, für ihn seien die langen Verhandlungen eher ein Zeichen, dass man sich bemühe, über Kompromisse Lösungen zu finden. Wegen der andauernden Beratungen sagte die FDP ihre Präsidiumssitzung und die anschließende Pressekonferenz ab - geplant waren sie ursprünglich für 10 Uhr beziehungsweise 11.30 Uhr. Auch die Grünen sagten die nach ihren Gremiensitzungen am Montag übliche Pressekonferenz "aufgrund der aktuellen politischen Lage" ab. Die für 14 Uhr geplante PK mit Co-Parteichefin Ricarda Lang entfalle. Am Nachmittag will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zusammen mit sieben Ministerinnen und Ministern zu Beratungen mit der niederländischen Regierung nach Rotterdam reisen. Diese Reise dürfte weniger leicht abzusagen sein. "Intensiv um Lösungen ringen" Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, sagte im ARD-Morgenmagazin: "Wir haben eine Menge Aufgaben vor uns, die wir akut bewältigen müssen, insbesondere im Bereich der Klimakrise." Es sei zwar schon viel erreicht worden beim Ausbau erneuerbarer Energien, nun müsse man aber auch auf andere Bereiche schauen. Sie nannte das Heizen im Gebäudesektor und den Verkehr. Mihalic sprach den Vorschlag zum schrittweisen Heizungstausch von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) an. "Das sind natürlich auch wichtige Punkte, über die muss intensiv diskutiert werden. Und wenn dafür der Preis eine Nachtsitzung ist, dann bitte. Aber Hauptsache ist, dass wir da wirklich intensiv um Lösungen ringen." Sie verteidigte die Pläne, die ab 2024 einen Einbau neuer Heizungen vorsehen, die je zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das sei nötig, um Planbarkeit sicherzustellen. Wachsende Gereiztheit Das Treffen im Kanzleramt findet in einem Klima wachsender Gereiztheit innerhalb der Koalition statt. Am Wochenende gab es im Regierungsbündnis erneut gegenseitige Blockadevorwürfe, aber auch Aufrufe zum Kompromiss. Vor allem zwischen Grünen und FDP hatten sich in den Tagen vor der Sitzung koalitionsinterne Zielkonflikte besonders deutlich gezeigt: Die Grünen beklagten einen Mangel an klimapolitischem Ehrgeiz in der Koalition, sie fühlen sich in diesem für sie wichtigen Bereich ausgebremst. Die FDP weist auf die immer kleiner werdenden Haushaltsspielräume hin, sie will die Verschuldung begrenzen und neue Belastungen für Bürger und Wirtschaft vermeiden. Die Kanzlerpartei SPD hielt sich weitgehend heraus aus dem Streit, was wiederum Fragen nach der Führungsstärke von Kanzler Scholz aufwarf.
/inland/innenpolitik/koalitionsausschuss-219.html
2023-03-27
Dürfen Arbeitnehmer zu Hause bleiben?
Streiks im Nahverkehr
Was passiert, wenn Arbeitnehmer es nicht pünktlich zur Arbeit schaffen? Ein Überblick von Michael-Matthias Nordhardt.
Heute dürfte der öffentliche Verkehr in weiten Teilen Deutschlands lahmgelegt sein. Was passiert, wenn Arbeitnehmer es nicht pünktlich zur Arbeit schaffen? Ein Überblick.    Dürfen Arbeitnehmer zu Hause bleiben, wenn Busse und Bahnen nicht fahren? Nein. Den Arbeitnehmer trifft das sogenannte Wegerisiko. Es liegt also in seiner Verantwortung, pünktlich am Arbeitsplatz zu sein. Einfach wegbleiben von der Arbeit - das geht auf keinen Fall. Das Wichtigste ist: mit dem Arbeitgeber sprechen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Wenn der Streik - wie jetzt - angekündigt ist, muss man das im Vorfeld machen. Aber auch wenn mal spontan gestreikt wird, sollte man so schnell wie möglich Kontakt mit seinem Arbeitgeber aufnehmen. Wer einfach so unentschuldigt zu spät kommt oder fehlt, dem droht eine Abmahnung. Welche Regeln gelten bei angekündigten Streiks? Bei angekündigten Streiks müssen Arbeitnehmer alles unternehmen, was zumutbar ist, um rechtzeitig am Arbeitsplatz zu sein. Das bedeutet jetzt für die Streiktage: früher aufstehen, mit dem Auto oder Fahrrad fahren, Fahrgemeinschaften bilden, frühzeitig Staus und Umwege einplanen. Wenn dadurch höhere Kosten entstehen als an einem "normalen" Arbeitstag - zum Beispiel für Benzin -, ist das Sache des Arbeitnehmers. Nur im Ausnahmefall kann es sein, dass etwas nicht verhältnismäßig und zumutbar ist: Wenn zum Beispiel für Menschen mit geringem Einkommen lange und teure Taxifahrten nötig würden. Dann könnte es ausnahmsweise in Ordnung sein, an Streiktagen nicht zur Arbeit zu fahren.   Welche Regeln gelten bei spontanen Streiks? Auch wenn spontan gestreikt wird, gelten erstmal diese Regeln, und Arbeitnehmer müssen sich bemühen, pünktlich bei der Arbeit zu sein. Die Anforderungen sind dann aber nicht ganz so streng. Angesichts der eingeschränkten Abhilfemöglichkeiten könnten Abmahnungen des Arbeitgebers in solchen Fällen unverhältnismäßig sein. Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Homeoffice? Seit der Corona-Pandemie ist Homeoffice viel verbreiteter als zuvor. Einen Anspruch darauf haben Arbeitnehmer allerdings nicht. Dennoch: Wenn der konkrete Job es zulässt, ist Homeoffice an den Streiktagen auch spontan eine Option - vorausgesetzt, der Chef ist einverstanden. Wer die Auswirkungen der Streiks vermeiden möchte, kann darüber hinaus ein paar Tage unbezahlt frei machen, Urlaub nehmen oder Überstunden abbauen - auch das in Absprache mit dem Arbeitgeber.  Werden Arbeitnehmer bezahlt, wenn sie wegen Streiks zu spät kommen? Nein. Für die Zeit, in der man als Arbeitnehmer nicht arbeitet, wird man nicht bezahlt. Hier gilt der Grundsatz: "Ohne Arbeit kein Geld." In einigen Situationen wird dieser Grundsatz durchbrochen: Wenn Arbeitnehmer krank sind, zum Beispiel. Dann erhalten sie "Lohnfortzahlung im Krankheitsfall". Oder wenn man bezahlten Urlaub genommen hat. Oder - das ergibt sich aus Paragraph 616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) - wenn man als Arbeitnehmer "für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden" an der Arbeit gehindert wird. Beispiele dafür sind etwa die eigene Hochzeit oder Begräbnisse im engsten Familienkreis.   Ein Streik ist aber keine "in der Person liegende" Verhinderung, weil seine Wirkungen nicht den einzelnen Arbeitnehmer, sondern auch viele andere Menschen treffen. Deshalb bleibt es beim Grundsatz "ohne Arbeit kein Geld". Müssen Kinder in die Schule, wenn Bus und Bahn streiken? Auch wenn Busse und Bahnen streiken, bleibt es bei der staatlich angeordneten Schulpflicht, sagen die Kultusministerien. Es findet auch regulärer Unterricht statt. In einigen Bundesländern gelten aber für den Streik am Montag Sonderregeln: Zum Beispiel in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern können Schülerinnen und Schüler ausnahmsweise dem Präsenzunterricht fernbleiben, wenn sie keine alternativen Fahrtmöglichkeiten haben. Die Schule muss dann aber umgehend informiert werden. In anderen Bundesländern bleibt es bei der Präsenzpflicht. In Nordrhein-Westfalen sollen die Schulleitungen aber "mit Augenmaß vorgehen", wenn Schülerinnen und Schülern der Schulweg faktisch unmöglich wird. Schülerinnen und Schüler in Brandenburg können sich vom Präsenzunterricht befreien lassen, wenn sie auf Bus und Bahn angewiesen sind. In Berlin dürfen Kinder nicht zu Hause bleiben. Niedersachsen und Bremen starten am Montag in die Osterferien.
/wirtschaft/verbraucher/streik-arbeitnehmer-rechte-pflichten-arbeitsweg-faq-101.html
2023-03-27
Züge, Busse und Flugzeuge stehen still
Nah- und Fernverkehr
Bundesweit stehen wegen Warnstreiks heute Züge und Flugzeuge still. Der umfassende Ausstand im Verkehr begann um Mitternacht und soll 24 Stunden dauern. In sieben Bundesländern soll auch der öffentliche Personennahverkehr bestreikt werden. mehr
Bundesweit stehen wegen Warnstreiks heute Züge und Flugzeuge still. Der umfassende Ausstand im Verkehr begann um Mitternacht und soll 24 Stunden dauern. In sieben Bundesländern soll auch der öffentliche Personennahverkehr bestreikt werden. In ganz Deutschland stehen heute Züge, Busse und Flugzeuge still. Von Mitternacht an hat ein umfassender Warnstreik im Verkehr begonnen. Die Ausstände dürften zu umfangreichen Ausfällen und zu Staus im gesamten Verkehrssektor führen und sollen 24 Stunden andauern. Bei der Bahn wird der Fernverkehr komplett und der Regionalverkehr größtenteils eingestellt. Bestreikt werden nahezu sämtliche deutsche Flughäfen, nicht aber der Berliner Airport. Wasserstraßen und Häfen sowie die Autobahngesellschaft sind ebenfalls betroffen. Nahverkehr in sieben Bundesländern bestreikt Volle Straßen sind auch deshalb zu erwarten, weil in sieben Bundesländern der öffentliche Personennahverkehr bestreikt werden soll und viele Menschen dann aufs Auto ausweichen dürften. Betroffen sind Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und weite Teile Bayerns. Druck auf aktuelle Tarifrunden soll erhöht werden Mit den Warnstreiks wollen die Gewerkschaft ver.di und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) den Druck in ihren gegenwärtigen Tarifrunden erhöhen. Ver.di hat bundesweit 120.000 Beschäftigte zum Streik aufgerufen, die EVG 230.000 Beschäftigte bei Bus und Bahn. Ver.di-Chef Frank Werneke verteidigte den umfassenden Warnstreik im Verkehrssektor in Deutschland zum Start einer weiteren Tarifrunde für den öffentlichen Dienst. "Mit dem Streiktag im Verkehrsbereich soll den Arbeitgebern noch einmal unmissverständlich klargemacht werden, dass die Beschäftigten eindeutig hinter unseren Forderungen stehen", sagte Werneke der Nachrichtenagentur dpa. Dies gelte insbesondere für den geforderten Mindestbetrag von 500 Euro, den die Arbeitgeber bisher ablehnen. "Bislang lehnen Bund und Kommunen einen sozial ausgewogenen Tarifabschluss kategorisch ab", sagte Werneke. Das könne ver.di nicht akzeptieren. "Deswegen legen wir jetzt nach. Lieber jetzt ein starkes Signal als wochenlange Arbeitskämpfe mit entsprechenden Folgen." Unter angespannten Vorzeichen treffen heute in Potsdam ver.di und der Beamtenbund dbb erneut auf die Kommunen und den Bund. Hier beginnt die dritte Verhandlungsrunde für 2,5 Millionen Beschäftigte. Sie ist auf drei Tage angesetzt. Beide Seiten sind noch weit voneinander entfernt, eine Einigung in den darauffolgenden Tagen ist aber nicht ausgeschlossen. Bei der EVG stehen weitere Verhandlungen mit den verschiedenen Bahnunternehmen ab Mitte der Woche an. Mit der Deutschen Bahn soll erst nach Ostern weiterverhandelt werden.
/wirtschaft/unternehmen/warnstreik-verkehr-105.html
2023-03-27
Eine neue Ära heftigerer Streiks?
Macht der Gewerkschaften
Der heutige "Super-Warnstreik" im Öffentlichen Dienst ist beispiellos. Verändert sich die Streikkultur in Deutschland gerade dauerhaft? Manche Experten sehen auch hier eine "Zeitenwende". Von Fabian Siegel.
Der heutige "Super-Warnstreik" im Öffentlichen Dienst ist beispiellos. Verändert sich die Streikkultur in Deutschland gerade dauerhaft? Manche Experten sehen auch hier eine "Zeitenwende". Der Aufschrei bei den Arbeitgebern war schon vor dem "Superstreik" groß: Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, sieht die "Akzeptanz für das Streikrecht" gefährdet, die Logistikbranche warnte vor "Versorgungschaos", die Vorsitzende der kommunalen Arbeitgeberverbände, Karin Welge, sprach sogar von einer "Radikalisierung". Tatsächlich ist dieser Streiktag heute in Deutschland beispiellos. Um Vergleichbares zu finden, muss man schon länger zurückblicken: Die letzten gemeinsamen Gemeinschaftsstreiks gab es Anfang der 1990er-Jahre im Nah- und Fernverkehr sowie an Flughäfen. Doch damals handelte es sich nicht um Warnstreiks. Steht Deutschland - im Vergleich mit anderen europäischen Ländern, allen voran Frankreich, nicht gerade als "streikfreudig" bekannt - in Sachen Streikkultur vor einem radikalen Wandel? Tarifstreit in der Ausnahmesituation "Ehrlich gesagt glaube ich das nicht", sagt Thorsten Schulten, Politikwissenschaftler und Experte für Lohn- und Tarifpolitik bei der arbeitnehmernahen Hans-Böckler-Stiftung im Gespräch mit dem rbb. Streiks wie jetzt im Öffentlichen Dienst fielen von Natur aus den Menschen eher auf als etwa in der Metallindustrie - einfach, weil fast jeder von den Folgen betroffen sei. Ungewöhnlicher sei da schon der Zeitpunkt: Dass wie heute gestreikt werde, während in Potsdam zeitgleich die dritte Runde der Tarifverhandlungen beginnt, komme nicht so häufig vor. Von einer Zeitenwende könne man aber noch nicht sprechen. Die aktuelle Situation mit Inflation, Energiekrise und Corona sei eine Ausnahmesituation, sagt Schulten. "Wenn diese sich noch jahrelang hinziehen würde, dann könnte ich mir das vorstellen. Alle Prognosen, die wir von den Wirtschaftsforschungsinstituten haben, gehen aber davon aus, dass wir es ab 2024 oder 2025 wieder mit einer gewissen Normalisierung der ökonomischen Situation zu tun haben - wenn nicht wieder etwas weltpolitisch Außergewöhnliches oder Pandemisches passiert." Gemeinsame Warnstreiks als Novum Hagen Lesch vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sieht durchaus eine neue Ebene. Zwar hätten auch in den 1980er- und 1990er-Jahren unterschiedliche Gewerkschaften gemeinsam gestreikt - allerdings immer unbefristet. "Bei Warnstreiks ist das neu", sagt Lesch im Gespräch mit tagesschau.de. Weniger der Zeitpunkt sei ungewöhnlich; vielmehr habe die Intensität der Streiks in seinen Augen spürbar zugenommen. Mit positivem Effekt für die Gewerkschaften: "Wir stehen an einer Schwelle zur Neuausrichtung des Streiks", sagt Lesch. Er habe den Verdacht, dass es manchmal nicht mehr um tarifpolitische Ziele gehe, sondern darum, möglichst viele Mitglieder zu bekommen. Tatsächlich zahlt sich der Streik für ver.di bislang aus: 50.000 neue Mitglieder sind nach Angaben der Gewerkschaft im Januar und Februar dazugekommen. "Streik-Auseiandersetzungen sind natürlich immer Zeiten, in denen Gewerkschaften mehr Mitglieder gewinnen als in ruhigen Zeiten", sagt Politikwissenschaftler Schulten. Ob der Trend allerdings auch am Jahresende noch Bestand habe, müsse man sehen. "Französische Streikkultur" als Vorbild? Eine Grenze überschreite ver.di allerdings, wenn es um Kooperationen mit politischen Organisationen wie "Fridays for Future" gehe, findet IW-Ökonom Lesch. Vor wenigen Wochen gingen beide Organisationen zusammen auf die Straße, davor auch schon einmal 2020, im Tarifkonflikt im öffentlichen Personennahverkehr. "Hier droht die Gefahr, dass die Grenze zwischen politischem und tarifpolitischem Streik verschwimmt", sagt Lesch. Rein rechtlich dürfen Streiks in Deutschland - anders als etwa in Frankreich - nur zur Durchsetzung tarifpolitischer Ziele genutzt werden; dass zwei Gewerkschaften gleichzeitig zu Streiks aufrufen, ist kein Problem. "Ich finde es bedenklich, dass wir in eine Streikkultur hereinwachsen, die sich der französischen Streikkultur nähert", sagt Lesch. Er glaube nicht, dass irgendjemand das gutheißen könne. Von einer "Zeitenwende" spricht auch Marcel Fratzscher, Präsident im Vorstand des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). "Die Zeiten eines Arbeitgebermarktes, in dem Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Löhne und Arbeitsbedingungen mehr oder weniger diktieren konnten, scheinen vorbei", sagt Fratzscher. Durch den Fachkräftemangel habe die Arbeitgeberseite deutlich weniger Macht als noch vor einiger Zeit - auch wenn viele das noch nicht wahrhaben wollten. "Der Arbeitskampf und der Mega-Streik im Verkehrssektor sind das logische Resultat dieser Zeitenwende." Für die kommenden Jahre erwarte er eine deutliche Zunahme der Arbeitskämpfe in Deutschland. Gespaltenes Stimmungsbild in der Bevölkerung Doch macht die Bevölkerung weitere "Superstreiks" wie heute im öffentlichen Dienst auf Dauer mit?  Montagmorgen, Hauptbahnhof Freiburg im Breisgau. Viel ist nicht los. Aber einige Reisende und Pendler sind hier doch gestrandet. "Ein komplettes Land lahmzulegen, finde ich zu heftig", sagt eine Frau. "Es ist ein Tag, das überlebe ich", findet eine andere. Kein ungewöhnliches Stimmungsbild. Laut aktuellem ARD-DeutschlandTrend unterstützt eine knappe Mehrheit die Lohnforderungen im Öffentlichen Dienst. Dennoch werden auch die Stimmen derer lauter, die eine Beschränkung des Streikrechts fordern - vor allem im Bereich der kritischen Infrakstruktur. Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA im Auftrag der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der Unionsparteien befürworten 60 Prozent der Deutschen schon jetzt, das Streikrecht in diesem Bereich einzuschränken. "Gewerkschaften können den Bogen auch überspannen", sagt IW-Wirtschaftsforscher Lesch. So sei es möglich, dass die Öffentlichkeit die Forderungen der Gewerkschaften mittrage. Aber: Wenn sie zu oft etwa durch Bahn- oder Kita-Streiks getroffen werde, könne das den Gewerkschaften irgendwann auch entgegenschlagen.
/wirtschaft/unternehmen/streik-zukunft-101.html
2023-03-27
Kein gutes Zeichen
Koalitionsausschuss
20 Stunden Koalitionsausschuss und kein vorzeigbares Ergebnis: Das sagt viel über das Klima in der Koalition - und über den Stellenwert für den Klimaschutz, meint Björn Dake. Hier fehlt der Ampel der Mut. mehr
20 Stunden Koalitionsausschuss und kein vorzeigbares Ergebnis: Das sagt viel über das Klima in der Koalition - und über den Stellenwert für den Klimaschutz. Hier fehlt der Ampel der Mut. Fast 20 Stunden saßen sie im Kanzleramt zusammen, doch die Ampelkoalition konnte ihren Knoten nicht durchschlagen. Das sagt viel über das Klima in dem Bündnis - und leider auch viel über den Stellenwert des Klimaschutzes. Der Weltklimarat hat erst vergangene Woche klargemacht, wie ernst die Lage ist. Die Erde wird immer wärmer, die Folgen können dramatisch sein. Schnelles Handeln ist nötig. Aber die Ampel schafft es einfach nicht, die notwendigen Schritte zu gehen. Der Planungsturbo ist dringend nötig - etwa für Schienen und Stromnetze. Stattdessen versucht sich die FDP als Anwältin der Autofahrer zu profilieren. Es fehlt der Mut, den Menschen ehrlich zu sagen, dass Klimaschutz im Keller anfängt - jedenfalls wenn dort die Heizung steht. Klimaschutz ist nicht nur Sache der Grünen Olaf Scholz hat sich im Wahlkampf als "Kanzler für Klimaschutz" plakatieren lassen. Klar, das war vor dem russischen Angriff auf die Ukraine. Aber daran muss er sich messen lassen. Klimaschutz ist nicht nur Sache der Grünen. Die sind zuletzt mehrfach über ihren Schatten gesprungen. Stichwort: Kohlekraftwerke und Atomlaufzeiten. Dass sie jetzt offenbar hart bleiben und einen ambitionierten Klimaschutz vom Kanzler einfordern, ist konsequent - und nebenbei: im Klimaschutzgesetz auch vorgeschrieben. Für das Klima in der Koalition heißt die Vertagung der Gespräche nichts Gutes. Wenn es je ein Gemeinschaftsgefühl in der selbst ernannten "Fortschrittskoalition" gegeben hat, knapp 16 Monate nach ihrem Start ist es dahin. Kabinettsklausuren und einige gemeinsame Reisen ändern daran nichts. Keine Ampelpartei gönnt der anderen einen Erfolg. Das einzig verbindende Element scheint das Minus vor den Umfragewerten zu sein. Die Ampel hat Erfolge vorzuweisen Dabei hat die Ampel einiges erreicht: Der beschworene Wutwinter ist ausgeblieben. So wie die befürchteten Blackouts. Die Gaspreise sinken. Die Industrie läuft. Die Koalition könnte das stolz als ihren Erfolg verkaufen und den Schwung mitnehmen für die nächsten Projekte. Stattdessen verknoten die drei Parteien fachfremde Themen miteinander, bis in der Regierung nichts mehr vorangeht. Und der Kanzler lässt das Durcheinander ähnlich lange laufen wie seine Vorgängerin. Jetzt gilt es diesen Knoten zu durchschlagen. Wenn das der Ampel gelingt, ist die Zeit gut investiert - selbst wenn es im Kanzleramt nochmal 20 Stunden dauern sollte.
/kommentar/koalitionsausschuss-ampel-103.html
2023-03-27
Welche Bundesländer der Warnstreik trifft
Arbeitsniederlegungen am Montag
Heute findet ein bundesweiter Warnstreik statt, von dem weite Teile des öffentlichen Nahverkehrs, Flughäfen und Schiffsverkehr betroffen sind. Wo Pendler und Reisende mit massiven Einschränkungen rechnen müssen. mehr
Heute findet ein bundesweiter Warnstreik statt, von dem weite Teile des öffentlichen Nahverkehrs, Flughäfen und Schiffsverkehr betroffen sind. Wo Pendler und Reisende mit massiven Einschränkungen rechnen müssen. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und die Gewerkschaft ver.di haben einen gemeinsamen Warnstreik angekündigt. Die Arbeitsniederlegungen sollen den Verkehr in mehreren Bundesländern fast vollständig zum Erliegen bringen. Der 24-stündige Warnstreik soll am Montag um 0 Uhr beginnen und sich über den gesamten Tag hinziehen. Er trifft auch den Schiffsverkehr und Autobahnen sowie den öffentlichen Personennahverkehr in mehreren Bundesländern. Ein Überblick. Autobahn Zu den Beteiligten des bevorstehenden Warnstreiks gehört auch die Autobahngesellschaft des Bundes. Diese ist für rund 13.000 Kilometer Autobahnnetz in Deutschland zuständig. Tunnelsperrungen sollen nach eigenen Angaben vermieden werden. "Insbesondere der Betriebsdienst auf den Bundesfernstraßen ist aufrechtzuerhalten. Hierzu werden Notdienstvereinbarungen geschlossen, um zum Beispiel Tunnelschließungen zu vermeiden", teilte ein Sprecher mit. Der Betriebsdienst kümmert sich etwa um das Beseitigen von Schäden auf den Straßen nach Unfällen oder Unwettern, um Grünstreifen, Verkehrszeichen, Fahrbahnmarkierungen und den Winterdienst. Der Elbtunnel bleibt entgegen vorheriger Meldung offen. Das Landesarbeitsgericht Hamburg habe am Sonntag entschieden, dass ver.di eine Notdienstvereinbarung vorlegen müsse, nach der ein normaler Betrieb des Tunnels möglich sei, sagte der für die Autobahn GmbH zuständige Gewerkschaftsvertreter Domenico Perron. Die vorherige Instanz, das Arbeitsgericht Hamburg, hatte die von der Autobahn GmbH des Bundes verlangte einstweilige Verfügung am Samstag noch abgelehnt. Fernverkehr Die Deutsche Bahn (DB) stellt nach eigenen Angaben den gesamten Fernverkehr ein. Auch im Regionalverkehr werde "größtenteils kein Zug fahren", teilte der Konzern mit. Ob am Montagnachmittag im Regionalverkehr einzelne Verbindungen aufgenommen werden könnten, hänge vom Streikverlauf ab. Der Güterverkehr werde weitgehend zurückgehalten, "um nach dem Streik ein rasches Anfahren des Zugbetriebs zu ermöglichen." Reisende müssten ab Sonntagabend mit Beeinträchtigungen rechnen. Der Warnstreik wird sich vermutlich auch noch am Dienstag auf den Bahnverkehr auswirken. Reisende, die für Montag oder Dienstag eine Bahnfahrt gebucht haben, könnten ihr Ticket bis einschließlich zum 4. April flexibel nutzen, teilte die Bahn mit. Sitzplatzreservierungen könnten kostenlos storniert werden. Beim privaten Anbieter Flixtrain fahren vermutlich ebenfalls nicht alle Züge. "Es besteht das Risiko, dass Fahrten mit Flixtrain am Montag teilweise ausfallen", erklärte das Unternehmen. Baden-Württemberg Bestreikt wird der öffentliche Nahverkehr in Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim, Freiburg, Ulm, Friedrichshafen, Heilbronn, Esslingen und Baden-Baden, wie die EVG und ver.di mitteilten. Der Nahverkehr in Konstanz ist laut ver.di nicht betroffen. Reisende müssen auch mit Einschränkungen im Regional- und S-Bahn-Verkehr rechnen. Auch an den Flughäfen Stuttgart und Karlsruhe/Baden-Baden wird gestreikt. Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, der Bodenverkehrsdienste und des Sicherheitspersonals sollen sich an den Arbeitsniederlegungen beteiligen. Bei den Verhandlungen für die Beschäftigten der Luftsicherheit geht es ver.di zufolge um die Erhöhung der Zeitzuschläge für Nacht-, Sonntags-, Feiertags- und Samstagarbeit sowie eine bessere tarifliche Regelung zur Entlohnung von Mehrarbeit. Den Flughafen Friedrichshafen wird der Streik nicht betreffen. Wie der Flughafen mitteilt, sei aber damit zu rechnen, dass die von der Lufthansa durchgeführten Flüge von und nach Frankfurt wegen des Streiks am Frankfurter Flughafen nicht stattfinden können. Auch aus Stuttgart wird mit umgeleiteten Flügen gerechnet. Bayern Im Nahverkehr haben die EVG und ver.di Beschäftigte in fast allen größeren bayerischen Städten zum Arbeitskampf gerufen. Bestätigt wurden Streiks in München, Nürnberg, Augsburg, Regensburg, Fürth, Würzburg, Erlangen, Ingolstadt, Bamberg, Bayreuth, Landshut, Passau und Schweinfurt. Nach Informationen des Bayerischen Rundfunks betrifft der Streikaufruf der EVG in Bayern auch die Bayerische Regiobahn, Agilis und die Länderbahn. Allerdings sei der Alex und Go Ahead nicht vom Streik betroffen. Es sei jedoch zu erwarten, dass es auch bei diesen beiden Betreibern zu Problemen kommen werde. Der Flughafen München teilte mit, von Sonntag an für zwei Tage keinen regulären Flugbetrieb gewährleisten zu können. Auch der Flughafen Nürnberg wird bestreikt. Berlin und Brandenburg Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und der Verkehrsbund Berlin-Brandenburg (VBB) haben mitgeteilt, dass der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) nicht bestreikt wird. Denn für den ÖPNV in Brandenburg gilt wie für die BVG in Berlin ein anderer Tarifvertrag.  Allerdings werden aufgrund des Warnstreiks massive Beeinträchtigungen bei den S-Bahnen und im Regionalverkehr erwartet. Von 4.00 Uhr bis 15.00 Uhr werden in der Stadt keine S-Bahnen fahren. Zudem sei noch nach Streikende mit Einschränkungen zu rechnen, erklärte die Berliner S-Bahn. Alternativ können Fahrgäste auf die U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse der BVG ausweichen. Ein Busnotverkehr sei nicht möglich. Die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg teilte mit, dass für Montag keine Warnstreiks am Flughafen BER geplant seien, denn hier gibt es bereits Einigungen in den Tarifverhandlungen. Trotzdem sollten Passagiere mit erheblichen Einschränkungen rechnen, da es aufgrund der Warnstreiks im öffentlichen Nahverkehr zu starken Behinderungen bei der An- und Abreise kommen könne. Im Flugbetrieb müsse insbesondere im innerdeutschen Flugverkehr mit Streichungen gerechnet werden. Hamburg Während der Elbtunnel in Hamburg geöffnet bleibt, müssen sich Fahrgäste auf den Ausfall aller S-Bahn-Linien einstellen. Die öffentlichen Verkehrsmittel des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) mit U-Bahnen, Bussen und HADAG-Fähren verkehren planmäßig. Auch der Hamburger Flughafen ist von den Streiks betroffen. "Die Sicherheitskontrolle für die Passagiere muss geschlossen werden. Weil die Fluggäste die bestreikte Kontrollstelle nicht passieren können, werden alle geplanten 147 Abflüge gestrichen oder finden ohne Passagiere statt", teilte der Flughafen mit. Auch bei den Ankünften seien Flugstreichungen zu erwarten. Der Containerschifffahrt im Hamburger Hafen droht ein erneuter Stillstand. "In bestimmten Bereichen wird es nicht weitergehen", sagte ver.di-Bundesvize Christine Behle. Große Schiffe können danach den Hafen erneut nicht anlaufen oder verlassen; auch beim Be- und Entladen der Schiffe sei mit Verzögerungen zu rechnen. Hessen Nach Angaben der EVG werden in Hessen voraussichtlich keine Züge fahren. Betroffen sind die S-Bahnen und Regionalzüge im Gebiet des Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV), wie der Verbund auf seiner Website mitteilte. Der Nordhessische Verkehrsverbund (NVV) rechnet ebenfalls mit Einschränkungen, jedoch sollen die Busse weiterhin fahren. Auch das Mainzer Bahn-Unternehmen vlexx ist von den Streiks betroffen. In Frankfurt müssen sich die Pendler auf ausfallende Straßenbahnen, U-Bahnen und S-Bahnen und Regionalzüge einstellen, so die Frankfurter Nahverkehrsgesellschaft traffiq und die Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main (VGF). Die städtischen Buslinien sollen verkehren. Am größten deutschen Airport in Frankfurt am Main wird der Passagierverkehr komplett eingestellt. In Wiesbaden wird laut Landesbezirksleiter Jürgen Bothner auch der Busverkehr betroffen sein. In Kassel wird voraussichtlich weder der Busverkehr noch die Straßenbahnen oder Regiotrams der Verkehrsbetriebe KVG fahren. In der Schifffahrt werden einige Schleusen am Main bestreikt. Mecklenburg-Vorpommern In Mecklenburg-Vorpommern wird der öffentliche Nahverkehr trotz des bundesweiten Warnstreiks nicht bestreikt. Straßenbahnen und Busse, wie die von der Rostocker Straßenbahn AG (RSAG), Rebus und UBB, sollen wie gewohnt fahren. Auch Fähren der Weißen Flotte und der Reederei Hiddensee werden den Betrieb aufrechterhalten. Die historische Dampflok Mollibahn, die zwischen Bad Doberan und Kühlungsborn verkehrt, wird ebenfalls fahren. Allerdings wird der Regionalverkehr betroffen sein. Die ODEG, eine private Eisenbahngesellschaft, wird aufgrund des Streiks alle Verbindungen streichen. Obwohl die ODEG selbst nicht direkt bestreikt wird, wirkt sich der Streik der Fahrdienstleiter der DB Netz AG auf den Betrieb aus. Es wird auch keinen Ersatzverkehr mit Bussen geben. Niedersachsen und Bremen In Niedersachsen wird der öffentliche Nahverkehr beeinträchtigt. Das Eisenbahnverkehrsunternehmen Nordwestbahn erwartet aufgrund der Streiks im Fern- und Nahverkehr, dass es keine Fahrten anbieten kann. Der Betrieb selbst wird jedoch nicht bestreikt. Zusätzlich wird auch bei der Bremer Straßenbahn (BSAG) der Betrieb von Bussen und Bahnen eingestellt. Betroffen sind unter anderem Transdev, die als Transdev Hannover in der Landeshauptstadt sowie im Osnabrücker Land als NordWestBahn tätig sind, das von der Eurobahn betriebene Netz, die Bahnen von erixx und Linien der Osthannoverschen Eisenbahnen. Am Flughafen in Bremen werden keine Flugzeuge starten oder landen. Darüber hinaus beginnen offiziell die Osterferien, was traditionell mit einem deutlichen Anstieg des Reiseverkehrs verbunden ist. Nordrhein-Westfalen Ver.di ruft in Nordrhein-Westfalen zum Streik im öffentlichen Nahverkehr auf. Damit sind etwa die Rheinbahn in Düsseldorf, die KVB in Köln, die Unternehmen am Niederrhein und im Ruhrgebiet blockiert. Auch in den Bereichen der kommunalen Häfen und Schleusen (Duisburg/Bezirk Duisburg, Minden/Bezirk OWL, Rheine/Bezirk Münsterland, Münster/Bezirk Münsterland) und an den Flughäfen Düsseldorf, Köln/Bonn und Dortmund wird gestreikt. Für die Flughäfen Münster/Osnabrück und Paderborn/Lippstadt sei kein Streik angekündigt. Für das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen wird erwartet, dass es aufgrund des Streiks zu starken Verzögerungen bis hin zum Erliegen der Verkehrsdienste in mehreren Bereichen kommt. Der ADAC befürchtet lange Staus, besonders im Ruhrgebiet und rund um Köln, vor allem auf der A40 zwischen Duisburg und Essen. Rheinland-Pfalz und Saarland Ver.di hat angekündigt, dass der öffentliche Nahverkehr in Kaiserslautern, Pirmasens, Mainz und Ludwigshafen stillstehen wird. Auch Busse der KRN Kommunalverkehr Rhein-Nahe sollen nicht verkehren. Im Bereich des Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV) sollen keine S-Bahnen und Regionalzüge fahren. Im Regionalverkehr sind teilweise Busse der DB Regio Mitte betroffen. Die Niederlassungen Ingelheim und Mainz, die normalerweise Strecken für die Mainzer Verkehrsgesellschaft übernehmen, sind betroffen. Im Schienenverkehr kann es bei der Mittelrheinbahn (RB26 Mainz-Köln) und dem National Express (RE5 Wesel-Koblenz) zu Beeinträchtigungen kommen, da es regionale Verknüpfungen zu anderen Bundesländern oder Streiks in Stellwerken gibt. Auch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltungen Mosel-Saar-Lahn an den Standorten Trier und Koblenz sowie die Schifffahrtsverwaltung Oberrhein werden bestreikt. Mitarbeiter der Mosel-Schleuse in Koblenz und der Main-Schleuse in Mainz-Kostheim sind ebenfalls zum Ausstand aufgerufen. Allerdings sollen die Fähren der Bingen-Rüdesheimer Schifffahrtsgesellschaft fahren. Sachsen Auch in Sachsen soll der öffentliche Nahverkehr stillstehen. Ver.di hat die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe in Leipzig, Dresden, Chemnitz, Zwickau und Plauen zum Warnstreik aufgerufen. Fahrgäste in Döbeln und Umgebung, die auf das Verkehrsunternehmen Regiobus angewiesen sind, können die Busse wie gewohnt nutzen. "Alle Linien der Regiobus Mittelsachsen GmbH sind nicht von dem Streik betroffen", sagte Henning Schmidt, Fachbereichsleiter Verkehr. Die Mitteldeutsche Regiobahn (MRB) wird nicht bestreikt. Jedoch aber die DB Netz AG, die Schienen und Infrastruktur stellt. Wie ein Sprecher der MRB sagte, könnte dies auch Fahrdienstleiter betreffen, die für die Bedienung und Überwachung der Sicherungsanlagen verantwortlich sind. Außerdem werden die Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden bestreikt. Entlang der Elbe soll es voraussichtlich im Norden Sachsen-Anhalts Einschränkungen bei der Wasser- und Schiffsverwaltung geben. Frachtschiffe könnten dann zu einem Stopp gezwungen sein. Sachsen-Anhalt und Thüringen Im öffentlichen Nahverkehr sind keine Einschränkungen zu erwarten. Im Regionalverkehr müssen Fahrgäste mit Ausfällen und Verspätungen rechnen. Ver.di hat für heute in Sachsen-Anhalt auch die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes in allen Landkreisen und Städten zum Warnstreik aufgerufen. Betroffen sind hierbei kommunale Kitas und Horte, Stadt- und Kreisverwaltungen sowie die Müllabfuhr. Im Großraum Magdeburg soll es entlang der Elbe insbesondere Einschränkungen bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung geben. Schleswig-Holstein Ver.di Nord gab bekannt, dass die geplanten Warnstreiks in Schleswig-Holstein den Busverkehr nicht beeinträchtigen werden. Allerdings wird voraussichtlich der gesamte Regionalzugverkehr beeinträchtigt sein. Die EVG hat die Beschäftigten bei der DB Regio Schleswig-Holstein, der DB Netz AG Kiel, der Norddeutschen Eisenbahn Niebüll, der DB Fahrzeuginstandhaltung Neumünster und des DB Fernverkehr SyltShuttle zum Warnstreik aufgerufen. Auch die Beschäftigten des Wasser- und Schifffahrtsamtes sind aufgerufen, die Arbeit niederzulegen. Dies wird sich insbesondere auf die Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals (NOK) auswirken.
/wirtschaft/verbraucher/warnstreik-verkehr-bundeslaender-101.html
2023-03-27
"Man sieht die Stärke der Demokratie"
Proteste in Israel
Generalstreik und anhaltende Proteste: Befindet sich Israel in einer innenpolitischen Krise? Nein, sagt Botschafter Prosor im tagesschau24-Interview. Die Demos gegen die geplante Justizreform seien Ausdruck einer gesunden Demokratie. mehr
Generalstreik und anhaltende Proteste: Befindet sich Israel in einer innenpolitischen Krise? Nein, sagt Botschafter Prosor im tagesschau24-Interview. Die Demos gegen die geplante Justizreform seien Ausdruck einer gesunden Demokratie. tagesschau24: Verstehen Sie sich eher als Erklärer oder als Verteidiger der Politik von Premierminister Benjamin Netanyahu? Ron Prosor: Was man in Israel sieht, sind die demokratischen Strukturen und die Stärke der israelischen Demokratie. Das zeigen die Demonstrationen. Natürlich haben wir eine Spaltung in der israelischen Gesellschaft. Diese Krise zeigt: Wenn man Veränderungen möchte, muss man miteinander sprechen und nicht übereinander. "Viele denken, dass es Reformen geben soll" tagesschau24: Wer könnte das Land denn jetzt wieder einen? Könnte das vielleicht Präsident Isaac Herzog sein? Prosor: Präsident Herzog versucht es wirklich. Vor zwei Wochen hat er einen Vorschlag vorgelegt. Dafür hat er quasi unter dem Radar gearbeitet, um die Leute zusammenzubringen. Letztendlich trifft aber Ministerpräsident Netanyahu die Entscheidung. Das ist wie in Deutschland. Ich glaube, dass viele Menschen denken, dass es Reformen geben soll. Aber es ist die Art und Weise, die die Leute auf die Straße bringt. "Brauchen eine Balance zwischen den 'Checks and Balances'" tagesschau24: Deutschland hat ja zum Beispiel eine zweite Parlamentskammer. Die USA haben auch eine zweite Parlamentskammer, die für die "Checks and Balances" (Anm. d. Redaktion: Überprüfung und Ausgleich) sorgen. In Israel ist es ja im Grunde nur das Oberste Gericht. Ist das vielleicht auch das Problem? Prosor: Wir haben andere Strukturen. Aus meiner Sicht müssen wir auf uns selbst blicken und uns nicht mit Modellen aus anderen Ländern vergleichen. Auch in Deutschland werden die Richter (Anm. d. Redaktion: Gemeint sind die 16 Richter des Bundesverfassungsgerichts) mit einer Zweidrittelmehrheit vom Bundestag und Bundesrat gewählt. Die Herausforderung ist, die Strukturen so zu gestalten, dass ein wirklich ausgewogenes System - quasi eine Balance zwischen den "Checks and Balances" - entsteht. Und das versuchen wir jetzt in Israel zu tun. Es ist eine heftige Diskussion. tagesschau24: Können Sie die Proteste nachvollziehen? Prosor: Ja, natürlich. Ich glaube, dass jeder darauf stolz sein kann. Sie in Deutschland und in Europa hätten besorgt sein müssen, wenn es keine Demonstrationen in Israel gegeben hätte. "Beziehung zu Deutschland ist die zweitwichtigste" tagesschau24: Wie sehen Sie Deutschland? Ist Deutschland für Israel ein guter Partner? Oder ist da noch Luft nach oben? Prosor: Erstens gibt es immer Luft nach oben - auf jeden Fall. Nach den Vereinigten Staaten ist die strategische Beziehung zwischen Deutschland und Israel die zweitwichtigste. Auf allen Ebenen. Das heißt auch Jugendaustausch, Wirtschaft, Forschung. Ich denke aber auch an die militärische und die Ebene der Verteidigung. Die Beziehung ist wirklich tief und stark. tagesschau24: Sie haben selbst deutsche Wurzeln. Ihre Vorfahren stammen aus Berlin. Wie möchten Sie die deutsch-israelische Freundschaft voranbringen? Prosor: Der Jugendaustausch ist eines meiner wichtigsten Ziele. Israel und Deutschland haben eine Vergangenheit, aber wir müssen auch die Zukunft gestalten - mit Jugendlichen. Beim Jugendaustausch kommt man miteinander ins Gespräch, man lernt sich wirklich sehr gut kennen. Das ist die Zukunft. Das müssen wir ausbauen. Mehr Jugendliche sollen nach Israel fahren und mehr Israelis nach Deutschland. Der Austausch hat eine Wirkung über Jahre hinweg. "Nur ein starkes Israel kann Frieden erzielen" tagesschau24: Das ist jetzt die perfekte Überleitung zu einem Reizthema, dem Nahostkonflikt. Warum ist dieser Grundkonflikt zwischen beiden Seiten offensichtlich nicht zu lösen? Prosor: Dafür brauche ich mindestens ein dreitägiges Seminar. Wir Israelis haben in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass wir mit ausgestreckter Hand auf jeden zugehen, der Frieden mit uns möchte. Das haben wir im Fall von Ägypten und Jordanien gezeigt. Wir müssen uns aber mit der anderen Hand auch selbst schützen. Nur ein sehr starkes Israel kann in dieser Nachbarschaft Frieden erzielen. Und das versuchen wir. Es ist nicht leicht, aber es ist klar für uns, dass das wirklich die Antwort ist. Wir arbeiten daran Tag und Nacht. Und ich hoffe, dass unsere Nachbarn - die nicht gerade Liechtenstein und Luxemburg sind - das auch verstehen. Wir müssen immer mit einem offenen Auge schlafen, denn Israels Sicherheit wird immer wieder bedroht. Das Interview führte André Schünke, tagesschau24. Für die schriftliche Fassung wurde das Interview redaktionell bearbeitet und leicht gekürzt.
/ausland/asien/israelischer-botschafter-prosor-im-interview-101.html
2023-03-27
Yousaf wird schottischer Regierungschef
Sturgeon-Nachfolge
Der schottische Gesundheitsminister Yousaf wird neuer Ministerpräsident und Vorsitzender der Regierungspartei SNP. Der Nachfolger von Regierungschefin Sturgeon muss nun versuchen, sowohl das Land als auch die Partei zu einen. mehr
Der schottische Gesundheitsminister Yousaf wird neuer Ministerpräsident und Vorsitzender der Regierungspartei SNP. Der Nachfolger von Regierungschefin Sturgeon muss nun versuchen, sowohl das Land als auch die Partei zu einen. Humza Yousaf wird neuer Regierungschef in Schottland. Die Schottische Nationalpartei (SNP) bestimmte ihn zum Nachfolger von Nicola Sturgeon, die Mitte Februar nach acht Jahren im Amt zurückgetreten war. Yousaf setzte sich nicht nur für den Posten des Ersten Ministers Schottlands, sondern auch für den Parteivorsitz durch. Seine Gegenkandidatinnen waren Finanzministerin Kate Forbes und die schottische Parlamentarierin Ash Regan. Das Parlament in Edinburgh stimmt am Dienstag über Yousafs Ernennung ab. Der 37-Jährige begrüßte seine Wahl mit den Worten, er fühle sich wie der "glücklichste Mann der Welt". Als stärkste Kraft im Regionalparlament hat die SNP das Anrecht auf den Posten des "First Minister". Der Sohn von Einwanderern aus Südasien wird damit auch der erste nicht-weiße Regierungschef von Schottland. Yousaf ist seit 2011 im schottischen Parlament und ein Verbündeter von Sturgeon. Er hatte bereits diverse Regierungsposten inne. Zuletzt war er als Gesundheitsminister in die Kritik geraten. Ihm wurde eine mangelnde Aufarbeitung der Corona-Pandemie vorgeworfen. Große Aufgaben warten auf Yousaf Yousaf obliegt es nun, nicht nur das Land, sondern auch die Partei zu einen. Den Wahlkampf beherrschten Themen wie Homo-Ehe, Transgender-Rechte und Abtreibung. Er gehöre "zu der Generation, die die Unabhängigkeit Schottlands erreichen wird", erklärte Yousaf. Das schottische Volk brauche "die Unabhängigkeit jetzt mehr denn je". Im Jahr 2014 hatten die Schotten mit knapper Mehrheit für einen Verbleib bei Großbritannien gestimmt, doch das war noch vor dem Brexit. Die SNP will deshalb ein weiteres Referendum, was aber die Regierung in London ablehnt. Der oberste britische Gerichtshof urteilte, dass Schottland ohne Zustimmung aus London auch keines abhalten dürfe.
/ausland/europa/snp-vorsitz-schottland-yousaf-101.html
2023-03-27
Ampel muss Spitzentreffen unterbrechen
Koalitionsausschuss im Kanzleramt
Seit Sonntagabend getagt, noch kein Ergebnis: Die Ampelkoalitionäre haben ihr Spitzentreffen unterbrechen müssen. Mehrere Teilnehmer wollen zu den deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen reisen. Morgen soll es weitergehen. mehr
Seit Sonntagabend getagt, noch kein Ergebnis: Die Ampelkoalitionäre haben ihr Spitzentreffen unterbrechen müssen. Mehrere Teilnehmer wollen zu den deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen reisen. Morgen soll es weitergehen. Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hat ihr Spitzengespräch vorerst unterbrochen. Der Koalitionsausschuss habe "zu wichtigen Modernisierungsthemen des Landes getagt", hieß es in einer Mitteilung. Dabei seien die Beteiligten "in vertrauensvollen und konstruktiven Gesprächen weit vorangekommen". Die Sitzung sei wegen der deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen in Rotterdam aber unterbrochen worden, an der Bundeskanzler Olaf Scholz und mehrere Minister teilnehmen wollen. Der Koalitionsausschuss soll am Dienstag fortgesetzt werden. Sie reden noch miteinander… Jetzt gehts auf nach Rotterdam https://t.co/9oluBPhAvv Während der Ausschusssitzung drangen nur wenige Informationen nach außen. Es gehe bei den Gesprächen insbesondere um die Frage von Planungsbeschleunigungen für Infrastrukturmaßnahmen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. "Und da sind viele Zielkonflikte miteinander zu klären." Es gelte etwa, den Wunsch nach schnellerem Ausbau erneuerbarer Energien, Straßen und Schienen unter einen Hut zu bringen mit Bezahlbarkeit, Planbarkeit und der Zukunft der industriellen Fertigung in Deutschland. Grüne fordern von Wissing mehr Anstrengungen Begonnen hatten die Beratungen im Kanzleramt am frühen Sonntagabend. Scholz hatte sich optimistisch gezeigt, dass es konkrete Ergebnisse geben würde. Die Spitzen der Koalition wollten eine lange Liste von Streitpunkten abarbeiten. Als größtes Konfliktthema deutete sich im Vorfeld der Klimaschutz im Verkehr an. Denn hier muss die Bundesregierung eine Trendwende schaffen. Laut Umweltbundesamt stiegen die Treibhausgasemissionen in diesem Bereich zuletzt, statt zu sinken. Vor allem die Grünen verlangen von Verkehrsminister Volker Wissing mehr Anstrengung. Dessen FDP lehnt aber zum Beispiel ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen strikt ab, ebenso wie eine Reform der Dienstwagenbesteuerung. FDP für abgespeckte Prüfungen Doch das sind nicht die einzigen Maßnahmen, die infrage kämen. Das Umweltbundesamt und Umweltverbände fordern ein Bonus-Malus-System für neuzugelassene Pkw: Der Kauf klimaschonender Pkw mit geringen CO2-Emissionen soll gefördert, der Kauf besonders hoch emittierender Pkw verteuert werden. Ob die FDP einem solchen Schritt zustimmen kann, ist fraglich - ebenso wie einer Reform der Pendlerpauschale. Ohne konkrete Maßnahmen für mehr Klimaschutz im Verkehr dürften aber die Grünen einem schnelleren Bau von Autobahnstrecken nicht zustimmen. Die FDP will, dass nicht nur Bahnstrecken und Brücken schneller gebaut werden, sondern auch bestimmte Autobahnen. Dazu könnte man etwa die Umweltverträglichkeit weniger aufwendig prüfen. Im Vorfeld des Koalitionsausschusses galt als Kompromiss eine Einigung auf ausgewählte Projekte wie Strecken, auf denen es jetzt schon ständig Stau gibt. Angeblich Kompromiss zum Aus von Ölheizungen Auch bei anderen Fragen war der Ton in der Koalition zuletzt rau geworden - etwa beim Austausch von Öl- und Gasheizungen. Die Grundidee ist in der Koalition eigentlich längst vereinbart: Ab 2024 sollen möglichst nur noch solche Heizungen neu eingebaut werden, die zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. De facto bedeutet das ein Aus für konventionelle Öl- und Gasheizungen. Habeck goss das in einen umstrittenen Gesetzentwurf. SPD und FDP betonen beide, Hausbesitzer und Mieter dürften nicht überfordert werden. Auf der Suche nach einem Kompromiss war die Ampel schon vor dem Spitzentreffen vorangekommen - ohne dass bisher Details durchsickerten. Paus meldet einen Bedarf von 12 Milliarden Euro an Weiter gibt es bei der Finanzierung der Kindergrundsicherung Klärungsbedarf. Diese soll ab 2025 soll die staatlichen Leistungen für Familien und Kinder bündeln. Umstritten ist, was alles dazugehören soll. Familienministerin Lisa Paus will eine Aufstockung, weil die bisherigen Hilfen ihrer Meinung nach Kinderarmut nicht ausreichend bekämpfen. Sie hat deshalb einen Bedarf von zwölf Milliarden Euro angemeldet. Finanzminister Christian Lindner hält ein Aufstocken nicht für zwingend, weil die Koalition gerade das Kindergeld angehoben hat. FDP verweist auf ausstehenden Bundeshaushalt Ohnehin sind die drei Regierungsparteien beim Thema Geldausgeben unterschiedlicher Meinung. FDP-Politiker mahnten vor dem Koalitionsausschuss wiederholt Disziplin bei den Finanzen an - vor allem mit Blick auf den nun ausstehenden Bundeshaushalt für 2024. "Alle Koalitionsparteien müssen die aktuellen finanzpolitischen Realitäten anerkennen", sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Doch hätten die drei Parteien kein gemeinsames Grundverständnis.
/inland/innenpolitik/koalitionsausschuss-unterbrochen-101.html
2023-03-27
Stoppt Netanyahu die Justizreform?
Massive Proteste in Israel
Massenproteste, ein Generalstreik und die Armee in Alarmbereitschaft: Die Proteste gegen die geplante Justizreform in Israel erreichen einen neuen Höhepunkt. Der Druck auf Ministerpräsident Netanyahu ist immens: Wird er die Reform stoppen? mehr
Massenproteste, ein Generalstreik und die Armee in Alarmbereitschaft: Die Proteste gegen die geplante Justizreform in Israel erreichen einen neuen Höhepunkt. Der Druck auf Ministerpräsident Netanyahu ist immens: Wird er die Reform stoppen? In Israel hat sich die politische Krise nach der Entlassung des Verteidigungsministers Joav Galant wegen dessen Kritik an einer umstrittenen Justizreform dramatisch zugespitzt. Zehntausende Menschen strömten in der Nacht auf die Straße, um gegen die von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu angeordnete Entlassung und die Reformpläne seiner rechts-religiösen Regierung zu protestieren. Auch heute gingen die Proteste weiter, Tausende Menschen gingen erneut auf die Straße. Netanyahu ruft zu Gewaltlosigkeit auf Netanyahu rief die Protestierenden auf Twitter zur Einheit und gegen Gewalt auf. "Ich rufe alle Demonstranten in Jerusalem, von rechts und von links, dazu auf, verantwortlich zu handeln und keine Gewalt anzuwenden", schrieb er. "Wir sind Brüder." Der Dachverband der Gewerkschaften in Israel kündigte indes einen "historischen" Generalstreik an. Betroffen ist auch der internationale Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv. Es wird erwartet, dass Zehntausende Passagiere warten oder umbuchen müssen. Präsident appelliert an Regierung Präsident Isaac Herzog rief die Regierung zum Einlenken auf. "Um der Einheit des israelischen Volkes willen, um der Verantwortung willen, fordere ich Sie auf, die Gesetzgebung sofort einzustellen", sagte er am frühen Morgen. Die Menschen seien in tiefer Angst. Angesichts der brenzligen Lage hielt Netanyahu in der Nacht Medienberichten zufolge eine Dringlichkeitssitzung zum weiteren Vorgehen ab. Mit Koalitionspolitikern soll er über eine mögliche Aussetzung des Reformvorhabens beraten haben. Rede an die Nation geplant Demnach plant Netanyahu noch heute eine Rede an die Nation. Die nach Medienberichten ursprünglich für 9.00 Uhr (MESZ) geplante Ansprache wurde allerdings verschoben. Hintergrund soll ein Streit innerhalb der Koalition sein. Demnach kündigten mehrere Minister an, zurücktreten zu wollen, sollte Netanyahu einen Stopp der Reform ankündigen. Kernelement der Reform nimmt weitere Hürde Ungeachtet der massiven Proteste hatte am Morgen ein Kernelement der umstrittenen Reform eine weitere Hürde genommen. Der Justizausschuss des Parlaments billigte den Gesetzestext, der die Zusammensetzung des Richterwahlausschusses ändern soll. Der Entwurf wurde zugleich zur finalen Lesung ans Plenum überwiesen. Die Gesetzesänderung würde der Regierung eine Mehrheit in dem Gremium und damit einen erheblichen Einfluss auf die Ernennung von Richtern verschaffen. Verteidigungsminister entlassen Netanyahu hatte Galant am Vorabend wegen dessen Aufrufs zum Stopp der Justizreform entlassen. Gegen die Reform, mit der der Einfluss des Höchsten Gerichts beschnitten und die Machtposition der Regierung zulasten der unabhängigen Justiz gestärkt werden soll, gibt es seit Monaten heftige Proteste. Der bisherige Verteidigungsminister hatte am Samstagabend die Regierung zum Dialog mit Kritikern aufgerufen. Er warnte, dass die nationale Sicherheit und insbesondere die Einsatzfähigkeit der Armee auf dem Spiel stünden. Seit Wochen ist von wachsendem Unmut im Militär die Rede, aus Protest gegen die Reform waren zahlreiche Reservisten nicht zum Dienst erschienen. Zehntausende protestieren Auf den Straßen bricht sich der Zorn vieler Menschen Bahn, die um die Demokratie in Israel fürchten. In Tel Aviv blockierten Demonstranten am Sonntagabend mit Israel-Fahnen die zentrale Straße nach Jerusalem und setzten Reifen in Brand. Die Polizei ging mit Reiterstaffeln und Wasserwerfern gegen die Menge vor, aus der Steine auf die Einsatzkräfte flogen. In Jerusalem durchbrachen wütende Menschen eine Straßensperre neben Netanyahus Wohnhaus. Universitäten verkündeten aus Protest gegen die Entlassung Galants und die Reformpläne einen vorläufigen Unterrichtsstopp. Mehrere Bürgermeister traten in den Hungerstreik und forderten eine sofortige Eindämmung der nationalen Krise. Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich rief unterdessen zu Gegenprotesten auf. "Kommt nach Jerusalem. (...) Wir sind die Mehrheit, lasst uns unsere Stimme erheben. Wir lassen uns unsere Stimme und den Staat nicht stehlen", sagte er in einem Video, das auf Twitter verbreitetet wurde. Die Pläne zum Umbau der Justiz dürften nicht gestoppt werden. Opposition: "Rote Linie überschritten" Die Oppositionspolitiker Jair Lapid und Benny Gantz forderten Netanyahus Parteikollegen in einer gemeinsamen Mitteilung auf, "sich nicht an der Zerstörung der nationalen Sicherheit zu beteiligen". Der Regierungschef habe "eine rote Linie überschritten". USA rufen zu Kompromiss auf Auch international lösen die Pläne Kritik aus. Die US-Regierung als wichtigster Verbündeter äußerte sich "zutiefst besorgt". Angesichts der geplanten "grundlegenden Änderungen an einem demokratischen System" rief das Weiße Haus die israelische Führung nachdrücklich auf, sobald wie möglich einen Kompromiss zu finden. Der ehemalige Ministerpräsident Naftali Bennett warnte, Israel befinde sich in der größten Gefahr seit dem Jom-Kippur-Krieg 1973. Arabische Staaten hatten Israel damals überraschend am höchsten jüdischen Feiertag angegriffen. Bennett rief Netanyahu dazu auf, die Entlassung Galants zurückzunehmen, die Reform auszusetzen und einen Dialog mit den Gegnern aufzunehmen. Sicherheitsexperten warnen Sicherheitsexperten warnen, Feinde Israels - allen voran der Iran, die libanesische Hisbollah-Miliz sowie militante Palästinenserorganisationen im Gazastreifen - könnten die Gunst der Stunde für Angriffe auf das durch die Krise geschwächte Land nutzen.
/ausland/asien/israel-945.html
2023-03-27
Was Gewerkschaften fordern und erreichen
Tarifverhandlungen 2023
Angesichts der hohen Inflation setzen sich die Gewerkschaften vehement für teils prozentual zweistellige Lohnerhöhungen ein. Wie genau sind die Forderungen? Und in welchen Branchen gibt es schon Tarifeinigungen? Ein Überblick. mehr
Angesichts der hohen Inflation setzen sich die Gewerkschaften vehement für teils prozentual zweistellige Lohnerhöhungen ein. Wie genau sind die Forderungen? Und in welchen Branchen gibt es schon Tarifeinigungen? Ein Überblick. Der massive Anstieg der Verbraucherpreise hat die Debatte über die Lohnforderungen der Gewerkschaften weiter angeheizt. Deutlich abgesunkene Reallöhne haben dazu geführt, dass die Tarifauseinandersetzungen gerade besonders heftig geführt werden. Während viele Arbeitgeber vermehrt auf Einmalzahlungen setzen, verlangen die Gewerkschaften einen dauerhaften Ausgleich für die gestiegenen Lebenshaltungskosten. Ein Überblick über den aktuellen Stand großer Tarifrunden. Öffentlicher Dienst und Bahn Gestern ging die dritte Runde der Tarifverhandlungen für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen los. Die Gewerkschaft ver.di hat in den vergangenen Wochen Streiks organisiert, an denen rund 400.000 Beschäftigte teilgenommen haben. Um den Druck auf die Arbeitgeber zu erhöhen, hat ver.di einen bundesweiten Streik in Verkehr und Infrastruktur anberaumt, der heute Millionen Berufspendler und Reisende betrifft. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat ebenfalls zum Streik aufgerufen, da die erste Runde der Tarifverhandlungen ohne nennenswerte Ergebnisse geblieben ist. Was fordert ver.di? Ver.di fordert eine Gehaltserhöhung von 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Dabei soll das Tarifergebnis zeit- und wirkungsgleich auf Beamte, Richter, Soldaten sowie auf Versorgungsempfänger übertragen werden. Die Verhandlungen werden in der dritten Runde vom 27. bis 29. März 2023 in Potsdam fortgesetzt. Was fordert die EVG? Die EVG verlangt eine Lohnerhöhung von 650 Euro für alle oder 12 Prozent mehr für zwölf Monate. Zudem soll der Stundenlohn in den untersten Lohngruppen auf den Mindestlohn von 12 Euro ohne Verrechnung oder Zuschüsse erhöht werden. Es sollen auch Ungerechtigkeiten in der Bezahlung beseitigt werden, insbesondere bei gleichen Tätigkeiten mit regional unterschiedlichen Vergütungen. Deutsche Post Die Deutsche Post und die Gewerkschaft ver.di haben in der vierten Verhandlungsrunde im März eine Einigung erzielt. Die 160.000 Beschäftigten des Brief- und Paketzustellers erhalten eine steuerfreie Sonderzahlung von insgesamt 3000 Euro über mehrere Monate als Inflationsausgleich. Zudem werden die monatlichen Grundentgelte der Tarifbeschäftigten ab dem 1. April 2024 um 340 Euro erhöht. Die monatliche Einstiegsgehälter in den unteren Einkommensgruppen steigen in der Spitze um mehr als 20 Prozent für Paketsortierer und 18 Prozent für Zusteller. Auch die sogenannte Postzulage für Beamte wird bis zum 31. Dezember 2024 fortgeschrieben. Durch die Einigung konnte ein unbefristeter Streik abgewendet werden, für den sich die Gewerkschaftsmitglieder bereits ausgesprochen hatten. "Das ist ein gutes Ergebnis, das ohne den Druck und die hohe Streikbereitschaft unserer Mitglieder nicht hätte erreicht werden können", sagte dazu die stellvertretende ver.di-Vorsitzende und Verhandlungsführerin Andrea Kocsis. Zeitarbeit Beschäftigte in der Leiharbeit erhalten künftig ebenfalls mehr Geld durch eine Erhöhung der Entgelte in zwei Schritten. Das war das Ergebnis der dritten Tarifverhandlung im Januar. Die Tariferhöhung beträgt bis zu 13,1 Prozent pro Stunde je nach Entgeltgruppe und gilt ab 1. April beziehungsweise 1. Januar 2024. Die Verhandlungen zwischen der Tarifgemeinschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und den Arbeitgeberverbänden BAP und iGZ sind nach Angabe von DGB-Vorstandsmitglied und Verhandlungsführer Stefan Körzell hart gewesen. Aber beide Seiten bewerteten das Ergebnis positiv. Die Tarifverträge betreffen rund 98 Prozent der etwa 800.000 Leiharbeiter bundesweit. Die untersten Tarifgruppen 1 und 2 haben bereits im Juni 2022 mehrstufige Anhebungen von bis zu 24 Prozent erhalten, um die Entlohnung über den neuen gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro zu heben. Textil- und Bekleidungsindustrie Die Tarifverhandlungen für die rund 100.000 Beschäftigten in der westdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie wurden Mitte März ohne Einigung vertagt. Die zuständige Industriegewerkschaft Metall (IGM) fordert eine Lohnerhöhung um acht Prozent oder mindestens 200 Euro mehr im Monat. Die Arbeitgeber haben eine Inflationsausgleichsprämie von 1500 Euro sowie Lohnerhöhungen um 3,25 Prozent ab November und weitere 2,25 Prozent ab Oktober 2024 angeboten. Der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Markus Simon verwies auf die "äußerst angespannte Lage" in der Branche aufgrund der Schließung von zahlreichen Filialen des Kaufhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof, der Insolvenz von Peek & Cloppenburg und einem "nie dagewesenen Kostendruck bei Energie und Rohstoffen". Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 31. März geplant. Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Industrie Die Tarifverhandlungen für die 100.000 Beschäftigten in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie (PPKV) sind am vergangenen Donnerstag ergebnislos zu Ende gegangen. "In Richtung der Arbeitgeber muss deutlich gesagt werden: Kleine Schritte reichen jetzt absolut nicht mehr aus, um ans Ziel zu kommen", erklärte ver.di-Verhandlungsführer Frank Schreckenberg. Obwohl es leichte Bewegung gegeben habe, seien die Schritte der Arbeitgeber zu klein. Dagegen zeigte sich Jürgen Peschel, Verhandlungsführer des Hauptverbands Papier- und Kunststoffverarbeitung, "sehr zuversichtlich, dass wir die Basis für einen Verhandlungserfolg in der nächsten Runde gelegt haben". Ver.di fordert 10,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt für die Beschäftigten in der Papierverarbeitung sowie einen Festbetrag von 150 Euro für Auszubildende bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Der fünfte Verhandlungstermin findet am 12. April 2023 statt. Kfz-Gewerbe Die Tarifrunde für das Kfz-Handwerk in Niedersachsen-Bremen ist ohne Ergebnis gestartet. In der ersten Verhandlungsrunde am 14. März legten die Arbeitgeber kein Angebot zu den Forderungen der Tarifkommission der IG Metall vor. Die Gewerkschaft fordert 8,5 Prozent mehr Lohn für die bundesweit gut 435.000 Beschäftigten im Kfz-Handwerk sowie eine Inflationsausgleichsprämie. Auch sollen die Ausbildungsvergütungen auf mindestens 1000 Euro im ersten Ausbildungsjahr steigen. Am 16. März wurde in Leipzig für die Tarifgebiete Ost, am 22. März in Schleswig-Holstein, Hessen und Nordrhein-Westfalen sowie am 27. März in Baden-Württemberg verhandelt. Weitere Verhandlungstermine sind der 30. März in Bayern und am 31. März in Hamburg. Der aktuelle Tarifvertrag läuft Ende des Monats aus. Ab 1. April sind Aktionen und Warnstreiks möglich. Einzelhandel Die Lohn- und Gehaltsrunde im Einzel- und Versandhandel hat begonnen, und die Tarifbezirke Bayern, Hessen und Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen haben am 15. März ihre Forderungen bekanntgegeben. Die Arbeitnehmervertreter fordern eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 2,50 Euro pro Stunde bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Zudem sollen die Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden. Die Ausbildungsvergütung soll um 250 Euro steigen. In Bayern wird zusätzlich eine Erhöhung der unteren Beschäftigtengruppen und Löhne "auf ein rentenfestes Mindesteinkommen von 13,50 Euro in der Stunde" gefordert. Der Handelsverband Bayern spricht für seinen Bezirk von einer Lohnsteigerung von 25 Prozent für die unteren Lohngruppen. Der HDE Hessen kritisierte die Forderung nach einer Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) für unverhältnismäßig und empfiehlt seinen Mitgliedern freiwillige Lohnerhöhungen. Die erste Verhandlungsrunde in Bayern findet am 8. Mai statt. Beide Seiten rechnen mit einer langen Tarifrunde. Groß- und Außenhandel Die Gewerkschaft ver.di fordert für die Beschäftigten im Groß- und Außenhandel Nordrhein-Westfalens und Sachsen-Anhalts eine Erhöhung der Vergütungen um 13 Prozent, jedoch mindestens 400 Euro bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Außerdem wird die Allgemeinverbindlicherklärung der Branchentarifverträge gefordert. Die Lohn- und Gehaltstarifverträge laufen zum 30. April 2023 aus. Für Nordrhein-Westfalen ist der 26. April als erster Verhandlungstermin angesetzt.
/wirtschaft/konjunktur/tarifforderungen-verhandlungen-101.html
2023-03-27
Wird die Justizreform verschoben?
Proteste in Israel
Nach immer heftigeren Protesten hat Israels Polizeiminister Ben-Gvir eine Verschiebung der umstrittenen Justizreform angekündigt. Die Menschen im Land warten unterdessen auf eine Erklärung von Premierminister Netanyahu. Von J.-C. Kitzler.
Nach immer heftigeren Protesten hat Israels Polizeiminister Ben-Gvir eine Verschiebung der umstrittenen Justizreform angekündigt. Die Menschen im Land warten unterdessen auf eine Erklärung von Premierminister Netanyahu. Israel wartet. Wartet auf eine Erklärung von Premierminister Benjamin Netanyahu zur umstrittenen Justizreform. Polizeiminister Itamar Ben-Gvir kündigte inzwischen eine Verschiebung des umstrittenen Vorhabens bis nach der Parlamentspause Ende Juli an. darauf habe er sich mit Netanyahu verständigt, teilte ein Sprecher mit. Im Gegenzug werde eine "Nationalgarde" unter der Führung Ben-Gvirs eingerichtet. Was das konkret bedeuten soll, blieb unklar. Wegen Protesten gegen die Reform war das Land heute in weiten Teilen lahmgelegt. Der Gewerkschaftsbund Histradrut hatte seine etwa 800.000 Mitglieder zum Streik aufgerufen. Vom Flughafen Ben Gurion hoben zeitweise keine Flugzeuge ab, Einkaufszentren und Kindergärten blieben geschlossen. "Was sie aufhalten wird, ist eure Liebe zum Land" Demonstrationen fanden in Tel Aviv und andernorts statt. Bei einer Großkundgebung vor der Knesset, dem israelischen Parlament, sagte Oppositionsführer Yair Lapid: "Wir haben kein Problem mit Menschen, die anders denken als wir. Aber wenn sie wollen, dass wir hier zusammenleben, müssen sie unsere Werte respektieren." Anstatt Probleme anzupacken habe die Regierung Probleme geschaffen, sagte Lapid. Diese Gesetzgebung gefährde die Sicherheit des Staates, zerstöre die Wirtschaft, zerschmettere die Auslandsbeziehungen und zerreiße das Volk Israel in Stücke. "Radikale hören nie aus eigenen Kräften auf. Was sie aufhalten wird, ist eure Liebe zum Land", sagte er an die Demonstranten gerichtet. Netanyahus Partner wollen die Reform durchdrücken Dass sie sich nicht aufhalten lassen wollen, zeigen vor allem die nationalreligiösen Koalitionspartner von Netanyahu. Der rechtsextreme Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, hatte offenbar mit seinem Rücktritt gedroht, sollte die Reform gestoppt werden. Auch Bezalel Smotrich, Israels Finanzminister, der sich vor kurzem für ethnische Säuberungen in den besetzen palästinensischen Gebieten ausgesprochen hatte, ist dagegen, dass die Reform zu den Akten gelegt wird. Die Reform "zur Korrektur des Gerichtswesens und zur Stärkung der Demokratie" dürfe auf keinen Fall gestoppt werden, sagte er. "Wir sind die Mehrheit. Wir dürfen der Gewalt, der Anarchie, der Befehlsverweigerung und den wilden Protesten nicht nachgeben", sagte Smotrich. "Also lasst unsere Stimmen gehört werden. Wir treffen uns alle heute um 18 vor der Knesset." Möglicherweise ist eine Eskalation geplant Smotrich und andere Politiker haben den Tag über versucht, Demonstranten für die Justizreform zu mobilisieren. Es gibt Berichte über Busse, die Siedler nach Jerusalem und Tel Aviv bringen sollen. Auch eine in Teilen gewaltbereite, rechte Fangruppe des Fußball-Vereins Beitar Jerusalem kündigte an, zu den Demonstrationen zu kommen. Möglicherweise ist eine Eskalation bei den bisher überwiegend friedlichen Protesten Teil des Plans, die Stimmung im Land in Sachen Justizreform zu beeinflussen. Unterdessen bereitete die Regierungskoalition in der Knesset weitere Teile der Reform für die finale Abstimmung im Plenum vor. Darunter ist ein Gesetz, dass den Regierungsparteien die Kontrolle über die Auswahl der Richter sichert. Netanyahu hatte am Sonntag Verteidigungsminister Joav Galant entlassen, der einen Stopp der Reform gefordert hatte. Weil sich die Spaltung in Israels Gesellschaft durch das Reformvorhaben vertieft und das auch ein Problem für die Sicherheit Israels ist, wenden sich inzwischen auch Unterstützer von Netanjahu ab. "Das ist nicht der kluge Netanyahu" Zu ihnen gehört Stella Weinstein, eine enge Mitarbeiterin des früheren Ministerpräsidenten Naftali Bennett. Sie sei sich sicher gewesen, dass der Netanyahu, den sie kenne und unterstütze, Galant sagen werde, er solle im Amt bleiben, sagte Weinstein. Doch die Reform werde weiter vorangebracht. "Als er ihn entließ, hat er selbst Anhänger wie mich verloren", sagt Weinstein. Sie verstehe nicht, wie man zu Beginn des Ramadan, zu einem für die Sicherheit sensiblen Zeitpunkt, den Verteidigungsminister entlassen könne. Dies sei nicht der kluge Netanyahu, sagt Weinstein. "Dieser Benjamin Netanyahu versucht nur zu beweisen, wer der Mann ist." Was weiter passiert, wird vor allem von Netanyahus Erklärung abhängen und davon, ob der die Justizrefom ganz oder in Teilen stoppt oder nur verschiebt.
/ausland/asien/israel-proteste-warten-auf-netanyahu-101.html
2023-03-27
"Leopard 2"-Kampfpanzer an Ukraine geliefert
Kanzler Scholz bestätigt
Die ukrainischen Streitkräfte haben aus Deutschland 18 moderne Kampfpanzer "Leopard 2" für die Abwehr des russischen Angriffs auf ihr Land erhalten. Kanzler Scholz bestätigte einen vorangegangenen Medienbericht zur Lieferung der deutschen Kampfsysteme. mehr
Die ukrainischen Streitkräfte haben aus Deutschland 18 moderne Kampfpanzer "Leopard 2" für die Abwehr des russischen Angriffs auf ihr Land erhalten. Kanzler Scholz bestätigte einen vorangegangenen Medienbericht zur Lieferung der deutschen Kampfsysteme. Mit modernen Kampfpanzern vom Typ "Leopard 2A6" will die Bundesregierung einen wesentlichen Beitrag zur Militärhilfe für die Ukraine. Nun sind aus Deutschland 18 "Leopard 2A6" in der Ukraine angekommen, die dem Land zur Abwehr des russischen Angriffs dienen sollen, wie Bundeskanzler Olaf Scholz bei einer Pressekonferenz mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte bestätigte. "Wir haben geliefert wie angekündigt", sagte Scholz. Zuerst hatte das Nachrichtenmagazin "Spiegel" über die Ankunft der Panzer berichtet. Pistorius: "Panzer können an der Front Entscheidendes leisten" Laut Verteidigungsministerium sind die 18 "Leopard 2"-Kampfpanzer inklusive Munitions- und Ersatzteilpaketen sowie zwei Bergepanzer "Büffel" mit ihren in Deutschland ausgebildeten Besatzungen in der Ukraine angekommen. "Zusammen mit den 40 'Mardern', die bereits in der Ukraine sind, erfüllt Deutschland das gegebene Versprechen der Ausrüstung und Ausbildung gepanzerter Verbände für die Ukraine", wie das Verteidigungsministerium in einer Mitteilung schreibt. Kiew hatte seit langem die Lieferung moderner westlicher Kampfpanzer erbeten, Ende Januar wurde dem entsprochen. Die Panzer könnten bei einer ukrainischen Frühjahrsoffensive zum Einsatz kommen. "Unsere Panzer sind wie versprochen pünktlich in den Händen unserer ukrainischen Freunde angekommen. Ich bin mir sicher, dass sie an der Front Entscheidendes leisten können", erklärte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Abend. Innenpolitisches Ringen um Panzerlieferungen Mitte März hatten die Besatzungen der Panzer ihre Ausbildung auf dem "Leopard" mit einem Gefechtsschießen abgeschlossen. Über den Transport der Panzer hatten Regierungsstellen wie bei anderen Waffensystemen aus Gründen der Geheimhaltung und Sicherheit nichts öffentlich mitgeteilt. Die Bundesregierung hatte am 25. Januar nach längerem innenpolitischen Ringen das Ziel ausgegeben, "rasch zwei Panzer-Bataillone mit 'Leopard 2'-Panzern für die Ukraine zusammenzustellen". Diese sind in der Ukraine üblicherweise mit jeweils 31 Panzern ausgestattet. Experten sprechen von überlegenem Waffensystem Beteiligt an der Initiative zur Unterstützung der Ukraine sind vor allem Polen sowie Norwegen, Kanada und Spanien. Polen hat der Ukraine im Februar die ersten vier westlichen Kampfpanzer des älteren Typs "Leopard 2A4" geliefert. Deutschland stellt der Ukraine die 18 "Leopard 2A6", Portugal weitere drei der Waffensysteme. Experten gehen fest davon aus, dass der "Leopard 2" im Gefecht gegen russische Panzertruppen deutlich überlegen ist. Ein Grund ist, dass er eine stabilisierte Waffenanlage hat und damit auch aus laufender Fahrt heraus schießen kann, der von den russischen Streitkräften vielfach eingesetzte "T-72" für den Schuss aber stehen muss. Kiew bestätigt Eingang deutscher "Marder" Das ukrainische Verteidigungsministerium bestätigte unterdessen die Ankunft westlicher Panzertechnik im eigenen Land. Verteidigungsminister Olexij Resnikow berichtete, er habe mit dem Chef der ukrainischen Luftlandetruppen, Generalmajor Maxim Myrhorodskyj, und den ukrainischen Fallschirmjägern die Neuzugänge in die bewaffneten Einheiten getestet: "Den 'Challenger' aus Großbritannien, 'Stryker' und 'Cougar' aus den USA und den 'Marder' aus Deutschland", so Resnikow auf der Facebookseite seiner Behörde. Die neue Technik werde den vorausgegangenen westlichen Waffenlieferungen "gute Gesellschaft auf dem Schlachtfeld leisten", zeigte er sich überzeugt. Resnikow bedankte sich zudem für die westliche Waffenhilfe. Die Lieferung von 40 "Mardern" hatte die Bundesregierung der Ukraine zu Jahresbeginn zugesagt noch vor dem Versprechen über schwere Kampfpanzer.
/ausland/scholz-kampfpanzer-leopard-ukraine-101.html
2023-03-27
Ungarn ratifiziert Finnlands NATO-Beitritt
Verteidigungsbündnis
Finnland ist einem NATO-Beitritt erneut ein Stück nähergekommen. Als vorletztes Mitgliedsland stimmte Ungarn für die Ratifizierung des finnischen Beitrittsprotokolls. Über das Beitrittsgesuch Schwedens fand keine Abstimmung statt. mehr
Finnland ist einem NATO-Beitritt erneut ein Stück nähergekommen. Als vorletztes Mitgliedsland stimmte Ungarn für die Ratifizierung des finnischen Beitrittsprotokolls. Über das Beitrittsgesuch Schwedens fand keine Abstimmung statt. Ungarns Parlament hat mit überwältigender Mehrheit das NATO-Beitrittsprotokoll für Finnland ratifiziert. 182 Abgeordnete stimmten für die Annahme, sechs dagegen. Enthaltungen gab es keine. Ungarn ist das vorletzte NATO-Land, das den Beitritt Finnlands ratifiziert hat. Das analoge Beitrittsprotokoll für Schweden wurde im Parlament zwar debattiert, die Abstimmung darüber aber noch nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Orban scheint sich mit Erdogan abzusprechen Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban scheint sich eng mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu koordinieren, der bislang nur dem NATO-Beitritt Finnlands zugestimmt hat, nicht aber dem Schwedens. Orban, der alle wesentlichen Entscheidungen im Lande selbst trifft, hatte sich zwar mehrfach für die Aufnahme der beiden nordeuropäischen Länder in die NATO ausgesprochen. Er ließ er aber die Debatte und die Abstimmung über die Ratifizierung unter verschiedenen Vorwänden immer wieder verschieben. Unter anderen beklagte er, dass schwedische und finnische Politiker und Medien Ungarn wegen Rechtsstaatsmängel und Korruption zu Unrecht kritisierten. Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine hatten sich Schweden und Finnland im vergangenen Jahr entschlossen, nach langer Zeit der militärischen Bündnisfreiheit die Aufnahme in die NATO zu beantragen. Die Türkei, die als eines von derzeit 30 Mitgliedern zustimmen muss, meldete von vornherein Bedenken an. Sie wirft Schweden mangelnden Einsatz gegen "Terrororganisationen" vor. Dabei geht es Ankara vor allem um die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK.
/ausland/ungarn-ratifiziert-finnland-nato-beitritt-101.html
2023-03-27
Bahnverkehr läuft wieder an
Bundesweite Warnstreiks
Während die Warnstreiks noch laufen, hat der Regional- und S-Bahnverkehr teils den Betrieb wieder aufgenommen. Für morgen rechnet die Bahn mit einem "weitgehend normalen Betrieb". Trotzdem kann es zu Verzögerungen kommen. mehr
Während die Warnstreiks noch laufen, hat der Regional- und S-Bahnverkehr teils den Betrieb wieder aufgenommen. Für morgen rechnet die Bahn mit einem "weitgehend normalen Betrieb". Trotzdem kann es zu Verzögerungen kommen. Der Regional- und S-Bahnverkehr läuft in vielen Regionen allmählich wieder an, wie die Deutsche Bahn mitteilte. Es müsse aber auch am Abend noch mit weitreichenden Einschränkungen gerechnet werden. Für Dienstagmorgen rechnet der Konzern nach dem Streik der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) mit einem "weitgehend normalen Betrieb". "Sowohl die Züge des Fernverkehrs als auch die Züge des Regional- und S-Bahnverkehrs werden größtenteils planmäßig verkehren", hieß es. Allerdings müssten sich Fahrgäste morgen insbesondere im Fernverkehr noch für einige Zeit auf Zugausfälle und Verspätungen einstellen, sagte ein Bahnsprecher. Es brauche einige Stunden, bis die ICE- und IC-Züge dort seien, wo sie gebraucht würden. Zu Einschränkungen kann es demnach auch im Regional- und S-Bahnverkehr kommen. EVG schließt Streik rund um Ostern aus Die EVG hatte gemeinsam mit ver.di in den jeweiligen Tarifkonflikten bundesweit zum Warnstreik im Verkehrssektor aufgerufen. Die beiden Gewerkschaften wollten mit der Verschränkung der verschiedenen Tarifkonflikte den Druck auf die Arbeitgeber deutlich erhöhen. Zum Auftakt der dritten Verhandlungsrunde für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Potsdam blieb angesichts der verhärteten Fronten völlig unklar, ob ein Durchbruch gelingen kann. Die gute Nachricht für viele Pendler und Reisende: Die EVG hat einen weiteren Warnstreik vor und während der Ostertage ausgeschlossen. Kein Chaos im Straßenverkehr Beim Warnstreik kam es jedoch nicht zum befürchteten Chaos im Straßenverkehr. Zahlreiche Pendler wechselten ins Home-Office, und viele Reisende verschoben ihre Fahrten. An den Flughäfen und Bahnhöfen strandeten während des Ausstands nur wenige Fahr- und Fluggäste. Die EVG bestreikte den Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr. Der Fernverkehr wurde komplett eingestellt, der Regionalverkehr größtenteils. Auch nicht bestreikte Bahnkonkurrenten waren betroffen, weil Beschäftigte in den Stellwerken der DB Netz die Arbeit niederlegten. 380.000 Flugreisende bleiben am Boden Ver.di sorgte derweil für Stillstand an mehreren Flughäfen, im Nahverkehr und auch auf Wasserstraßen. Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt gab es keinen regulären Passagierbetrieb. Heute waren ursprünglich etwa 1170 Starts und Landungen mit rund 160.000 Passagieren geplant. In München fielen 785 Flüge aus. Insgesamt mussten laut der Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) 380.000 Geschäfts- und Privatreisende am Boden bleiben. An Flughäfen sind Kommunalbeschäftigte des öffentlichen Dienstes in den Warnstreik einbezogen, es geht aber auch um Verhandlungen für Bodenverkehrsdienste sowie Gespräche für die Luftsicherheit. Die ADV erwartet, dass auch an den Flughäfen der Verkehr schnell planmäßig anlaufen dürfte. Es sei aber möglich, dass es zu längeren Wartezeiten komme, sagte der Sprecher des Flughafens Frankfurt. Passagiere sollten sich auf eventuelle Verzögerungen im Betriebsablauf einstellen, frühzeitig den Status ihres Fluges überprüfen und genug Zeit einplanen. Dbb-Chef warnt vor unbefristetem Streik Mit Blick auf die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst forderte ver.di-Chef Frank Werneke die Arbeitgeberseite auf, noch heute "einen deutlichen Schritt" auf die Beschäftigten zuzugehen. Die Arbeitgeber forderten die Gewerkschaften hingegen auf, über das vorliegende Angebot ernsthaft zu verhandeln. Ein neues Angebot brauche es nicht, so die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Karin Welge. Ver.di und der Beamtenbund dbb verhandeln seit Januar mit Bund und Kommunen über die Einkommen von Millionen Beschäftigten. Dbb-Chef Ulrich Silberbach brachte ein mögliches Scheitern der Verhandlungen ins Spiel und warnte bereits vor einem flächendeckenden, unbefristeten Streik. Bei der EVG, die parallel mit 50 Bahnunternehmen über neue Tarifverträge verhandelt, beginnt die zweite Tarifrunde am Mittwoch, verhandelt wird dann mit der Osthannoverschen Eisenbahn. Die nächsten Gespräche mit der Deutschen Bahn sind erst für Ende April angesetzt. Die Gewerkschaft verhandelt bei dem bundeseigenen Konzern für rund 180.000 Beschäftigte.
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2023-03-27
Experten kritisieren Filialabbau
Sparkassen in Deutschland
Bundesweit schließen Sparkassen Filialen, bauen Geldautomaten ab, ziehen sich aus der Fläche zurück. Experten stellen im Interview mit Report Mainz in Frage, ob die Geldhäuser ihrem gesetzlichen Auftrag noch gerecht werden. mehr
Bundesweit schließen Sparkassen Filialen, bauen Geldautomaten ab, ziehen sich aus der Fläche zurück. Experten stellen im Interview mit Report Mainz in Frage, ob die Geldhäuser ihrem gesetzlichen Auftrag noch gerecht werden. Sparkassen wurden gegründet, um allen Menschen die Versorgung mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen zu ermöglichen, regionale Unternehmen zu unterstützen und den Sparsinn der Bevölkerung zu fördern. Im Vordergrund steht dabei - im Gegensatz zu anderen Banken - nicht die Maximierung des Gewinns, sondern vielmehr die Stärkung der Region, in deren kommunaler Trägerschaft die meisten Sparkassen stehen. Im Interview mit Report Mainz stellen Finanzexperten nun in Frage, ob alle Sparkassen ihrem unter anderem in Landessparkassengesetzen verankerten öffentlichen Auftrag noch gerecht werden. Astheim in Hessen und Bliesmengen-Bolchen im Saarland - nur zwei Orte in Deutschland, in denen sich Anwohner aktuell mit Sparmaßnahmen der Sparkassen konfrontiert sehen. Boten ihnen dort immerhin noch Automaten die Möglichkeit, Geld abzuheben, Überweisungen zu tätigen oder Kontoauszüge auszudrucken, müssen sie nun deutlich weitere Wege in Kauf nehmen, um zur nächsten Sparkasse zu kommen. Teils kilometerweite Strecken über Land - für Menschen ohne Auto oft nicht mehr zu bewerkstelligen. Abbau in ländlichen Regionen Besonders drastisch sind die Pläne der Sparkasse im Landkreis Göttingen. Dort sollen im Sommer fünf Filialen und 16 Automaten-Standorte verschwinden, einer davon in Klein Lengden in der Gemeinde Gleichen. Ortsbürgermeister Klaus-Werner Hanelt zeigt sich im Interview mit Report Mainz erschüttert: In der Gemeinde Gleichen gäbe es nach dem im Sommer geplanten Abbau für zehn Ortschaften nur noch einen Geldautomaten der Sparkasse - verteilt über eine Fläche größer als die Stadt Göttingen. In Astheim in Hessen ist der letzte Geldautomat schon seit Anfang des Jahres weg. Einen Supermarkt, bei dem man beim Einkauf auch Geld abheben kann, gibt es in dem knapp 3000 Einwohner zählenden Örtchen ebenfalls nicht. Aus diesem Grund bot der Bürgermeister nach eigenen Angaben der örtlichen Kreissparkasse Groß-Gerau an, einen Geldautomaten am Bürgerhaus aufzustellen - mietfrei, wenn nötig sogar mit einem Zuschuss. Sparkasse schlug Angebot aus Doch die Sparkasse lehnte ab und schlug in einem Antwortschreiben, das Report Mainz vorliegt, vor, das angebotene Geld könne doch für Taxi-Gutscheine zur nächsten Filiale verwendet werden. Bürgermeister Jochen Engel sagt dazu im Interview mit dem ARD-Politikmagazin, er habe das Schreiben als "blanken Hohn" empfunden. Die Sparkasse Groß-Gerau ließ eine Anfrage von Report Mainz unbeantwortet. Der Chef des Verwaltungsrats, der Groß-Gerauer Landrat Thomas Will (SPD) erklärte, die Bank biete den Bürgern einen kostenfreien Bürgerservice an, um Geld vorbei zu bringen. Auch die Sparkasse Göttingen bietet das nach eigenen Angaben an.   Dachverband: "Öffnen jeden Tag Online-Filialen" Was die betroffenen Anwohner zusätzlich ärgert: Während die örtliche Kreissparkasse den Abbau ihres Geldautomaten in einem Schreiben mit "wirtschaftlichen Gesichtspunkten" begründete, verkündete sie gleichzeitig jährlich weiter steigende Gewinne. Auf fast 40 Millionen Euro für 2021, im vergangenen Jahr waren es laut den vorläufigen Zahlen rund 43 Millionen Euro. Bundesweit haben die Sparkassen zwischen 2000 und 2021 rund 9100 Zweigstellen geschlossen, heute gibt es laut den Zahlen der Bundesbank noch 7732. Aktuellere Zahlen liegen nicht vor. Auf Nachfrage beim bundesweiten Sparkassen- und Giroverband, warum viele Sparkassen Filialen schließen, weicht der Leiter der Kommunikationsabteilung, Christian Achilles, aus. Im Interview mit Report Mainz betont er mehrfach, die Sparkassen seien von allen Kreditinstituten mit den meisten Filialen vertreten, "mehr als Aldi und Lidl zusammen". Weiter sagt er: "Wir schließen nicht, sondern wir eröffnen jeden Tag Online-Filialen", 24 Millionen seien es aktuell insgesamt. Insgesamt hat die Sparkassen-Finanzgruppe nach eigenen Angaben 50 Millionen Kunden. Wertpapiere statt Krediten Gerhard Schick vom Verein Bürgerbewegung Finanzwende kritisiert den Rückzug der Sparkassen im Interview mit dem ARD-Politikmagazin: Die Sparkassen hätten ihre Existenzberechtigung nur, wenn sie ihren öffentlichen Auftrag erfüllten. "Und der heißt halt, gerade in der Region, in der Fläche wirklich präsent zu sein." Zwar könne man nicht "an jedem Baum einen Geldautomaten aufstellen". Aber "mit den politischen Verantwortlichen vor Ort eine gute Lösung zu finden, das halte ich für einen Auftrag der Sparkasse." Auch Ralf Jasny, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Finanzdienstleistungen an der Frankfurt University of Applied Sciences, blickt hinsichtlich des öffentlichen Auftrags kritisch auf aktuelle Entwicklungen bei vielen Sparkassen. "Es ist der bequemste Weg, den ich gehen kann als Bankmanager, wenn ich einfach alles zumache, was irgendwie nicht profitabel ist."   Lieber Wertpapiergeschäfte statt Kredite Vergangenes Jahr untersuchte Jasny zudem die Geschäftsberichte aller Sparkassen aus dem Jahr 2020. Der Finanz- und Wirtschaftsprofessor kam zu dem Schluss: Jede fünfte Sparkasse investierte mehr als 30 Prozent ihres Geldes in festverzinsliche Wertpapiere und Aktien, einige sogar mehr als  50 Prozent - aus seiner Sicht ein Alarmsignal. "Die Sparkasse funktioniert so: Der Sparer bringt Geld zur Sparkasse, die Sparkasse nimmt das Geld und reicht es an Krediten wieder aus." Weil das Kreditgeschäft jedoch "mühsam und anstrengend" sei, wichen seiner Ansicht nach einige Sparkassen auf die Anlage des Geldes in Anleihen und Aktien aus. Während die einen Sparkassen ihren Auftrag aus seiner Sicht vollumfänglich erfüllten, hätten sich etwa 15 Prozent aller Sparkassen sehr stark dem Wertpapiergeschäft verschrieben. Wenn dieser Anlagenbestand "fünf oder sieben Prozent der Bilanzsumme" übersteige, halte er das für "sehr kritikwürdig." Dies entspreche nicht dem öffentlichen Auftrag. Sparkassen bei Guthabenzinsen oft geizig Und ein weiterer Aspekt lässt Experten wie Schick vom Verein Bürgerbewegung Finanzwende und Kunden der Sparkassen aktuell Fragezeichen hinter die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags setzen. Hob die Europäische Zentralbank den Leitzins aufgrund der Inflation seit Juli bereits mehrfach an, können Sparkassenkunden in vielen Fällen noch nicht davon profitieren. Einer aktuellen Auswertung des Vergleichsportals Verivox zufolge zahlten noch immer knapp ein Drittel der Sparkassen am 21. März 2023 auf Tagesgeldkonten keine Zinsen - anders als viele Privatbanken. Auf Nachfrage antwortet Achilles vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband im Interview mit Report Mainz, Tagesgeldkonten seien ohnehin "keine sinnvolle Anlagestrategie". Initiative: Gemeinwohlauftrag stärker durchsetzen Experte Schick zweifelt im Interview mit Report Mainz, ob das Gemeinwohl und damit auch der öffentliche Auftrag vollumfänglich erfüllt ist. "Ich erwarte von den Landesgesetzgebern, dass sie den Gemeinwohlauftrag bei den Sparkassen stärker durchsetzen im Sinne von: Das steht nicht nur oben drauf, sondern die Sparkasse muss auch Rechenschaft ablegen dafür, sodass die Öffentlichkeit den Unterschied wirklich wahrnehmen kann." Dieses und weitere Themen sehen Sie am Dienstag, den 28. März bei Report Mainz im Ersten.
/investigativ/report-mainz/sparkassen-113.html
2023-03-27
Gläubiger stimmen Galeria-Sanierungsplan zu
Angeschlagene Warenhauskette
Galeria Karstadt Kaufhof wird nicht zerschlagen. Die Gläubiger stimmten dem Sanierungsplan für die schwer angeschlagene Warenhauskette zu. Dennoch werden Tausende Mitarbeiter ihre Jobs verlieren. mehr
Galeria Karstadt Kaufhof wird nicht zerschlagen. Die Gläubiger stimmten dem Sanierungsplan für die schwer angeschlagene Warenhauskette zu. Dennoch werden Tausende Mitarbeiter ihre Jobs verlieren. Deutschlands letzte große Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof bekommt noch eine Chance. Die Gläubigerversammlung des Konzerns stimmte dem Plan des Sanierungsexperten Arndt Geiwitz und der Unternehmensführung zur Rettung des Hauses zu, wie Galeria mitteilte. Für die Gläubiger bedeutet die Zustimmung zwar den Verzicht auf einen Großteil des Geldes, das ihnen der Warenhauskonzern noch schuldet. Insgesamt müssen die Lieferanten, Vermieter und sonstigen Gläubiger Medienberichten zufolge auf mehr als eine Milliarde Euro verzichten. Doch gab es für sie trotz der hohen finanziellen Einbußen kaum eine andere Wahl, als dem Plan zuzustimmen. Bei einer Ablehnung des Insolvenzplans hätten sie wohl überhaupt nichts von ihrem Geld wiedergesehen. Bei einer Weiterführung können sie - auch dank eines Millionen-Zuschusses von Eigentümer René Benko - zumindest damit rechnen, einen kleinen Teil ihrer Forderungen bezahlt zu bekommen. "Beste Chancen für eine Rückkehr in die Erfolgsspur" Geiwitz sagte, der Sanierungsplan und das Konzept vom Warenhaus der Zukunft gäben Galeria Karstadt Kaufhof "beste Chancen für eine Rückkehr in die Erfolgsspur". Entscheidend sei, dass das Konzept vom Management und den Eigentümern zügig und konsequent umgesetzt werde. Sachwalter Frank Kebekus sagte, dass eine Ablehnung des Insolvenzplans katastrophale Folgen für den Konzern gehabt hätte. Dann wäre nach seinen Worten die Schließung aller Filialen und die Kündigung aller Mitarbeitenden unvermeidlich gewesen. Stellenabbau trifft auch verbleibende Häuser Doch auch mit dem angenommenen Sanierungsplan sollen 47 Filialen schließen, für mehr als 4000 der zuletzt etwa 17.000 Mitarbeiter bedeutet das den Verlust ihres Arbeitsplatzes. Und: der Stellenabbau trifft nicht nur die Schließungsfilialen, sondern auch die Konzernzentrale in Essen und die verbleibenden Warenhäuser. Denn viele von ihnen sollen verkleinert werden. Galeria Karstadt Kaufhof hatte Ende vergangenen Jahres zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren Rettung in einem Schutzschirmverfahren gesucht. Als Gründe nannte der Konzern die Folgen der Corona-Pandemie und des Krieges gegen die Ukraine. Ein erstes Schutzschirmverfahren, das 2020 während des ersten Corona-Lockdowns eingeleitet worden war, hatte dem Unternehmen trotz der Schließung von rund 40 Filialen, dem Abbau von etwa 4000 Stellen und der Streichung von mehr als zwei Milliarden Euro an Schulden nur vorübergehende Entlastung gebracht.
/wirtschaft/unternehmen/galeria-glaeubiger-fuer-rettungsplan-101.html
2023-03-27
Was bringt das Lieferkettengesetz?
Zwangsarbeit in China
Im chinesischen Xinjiang soll es Zehntausende Zwangsarbeiter in Lagern geben. Das Lieferkettengesetz soll verhindern, dass Produkte aus diesen Lagern in Deutschland landen. Doch das zu überprüfen ist schwierig. Von T. Anthony und E. Lamby-Schmitt.
Im chinesischen Xinjiang soll es Zehntausende Zwangsarbeiter in Lagern geben. Das Lieferkettengesetz soll verhindern, dass Produkte aus diesen Lagern in Deutschland landen. Doch das zu überprüfen ist schwierig. Es dauert nicht lange, da fängt uns die Polizei ab. Wir landen in Xinyuan, einer kleineren Stadt in Xinjiang, auf der Polizeistation. Fotos und Videos sollen wir löschen. Nach etwa einer Stunde lassen sie uns gehen. Die chinesische Regierung behauptet, die sogenannten Umerziehungslager gebe es nicht mehr. Tatsächlich wurden ab 2019 nach Recherchen von Journalisten einige Lager geschlossen, andere bestehen weiter fort. Auf unserer Reise wird sichtbar, wie sensibel das Thema nach wie vor ist. Überall, ob am Flughafen, am Bahnhof oder an Checkpoints an der Straße, werden wir von Polizisten befragt. Unsere Reisepässe werden abfotografiert. Wir werden oft von mehreren Autos verfolgt. Im Norden Xinjiangs fahren wir in die Stadt Tacheng an der Grenze zu Kasachstan. Hier wurde Erbakit Ortabay vor sechs Jahren in ein Umerziehungslager gesperrt. Er sei dort zur Arbeit gezwungen worden, erzählt er. Elf Stunden am Tag habe er nähen müssen. "Zur Strafe an einen eisernen Folterstuhl gekettet" Zu einem Interview treffen wir ihn in London. "Sie haben uns Produktionsvorgaben gemacht", berichtet Ortabay. "Neben mir saß jemand, der alt war und deshalb nicht schnell genug gearbeitet hat. Zur Strafe haben sie ihn an einen eisernen Folterstuhl gekettet. Er hat nur ein kleines gedämpftes Brot am Tag bekommen. So saß er da 15 Tage." Die Angaben lassen sich nicht überprüfen, aber sie decken sich mit den Berichten vieler anderer Betroffener. In Tacheng fahren wir zu genau diesem Lager. Vor Ort stehen entlang der Straße vor dem Gelände mehrere in schwarz gekleidete Männer. Einer von ihnen läuft unserem Auto hinterher, sagt uns, dass dies ein Trainingsort sei - auf chinesisch Xunlian de difang. Filmen sei verboten. Wir zeigen Ortabay unsere Aufnahmen. Er sagt, es sei das selbe Lager. "Sie haben das Äußere verändert, aber innen ist es noch dasselbe. Wenn du fragen würdest, 'Können wir mal reingucken?', würden sie dich niemals lassen. Das sind Lügner." So wie Ortabay werden in Xinjiang Zehntausende Menschen zur Arbeit gezwungen - auch für Waren, die dann in Deutschland verkauft werden. Mit dem Lieferkettengesetz, das seit Januar gilt, will der Gesetzgeber das verhindern. Unternehmen müssen ihre gesamte Lieferkette überprüfen. Fair und nachhaltig soll die Produktion sein. Doch wie soll das in China gewährleistet werden? Handelskammer: Gesetzesverstöße nicht auszuschließen Maximilian Butek vertritt die deutsche Auslandshandelskammer in Shanghai. Er sagt, vor allem viele große Unternehmen managten teilweise mehrere zehntausend Lieferanten, die wiederum einen Lieferanten haben und die ebenfalls weitere Lieferanten nutzen. "Hier zu 100 Prozent auszuschließen, dass es bei keinem einzigen dieser Lieferanten zu Gesetzesverstößen kommt, halte ich in der Praxis für kaum realisierbar." Wir können mit einem Unternehmensprüfer sprechen, der schon mehr als 100 Mal in China war, auch in Xinjiang. Das sei allerdings inzwischen zu gefährlich, sagt er. Er spricht nur anonym mit uns, um seine chinesischen Kollegen zu schützen. "Ich kenne Firmen, die dort Unternehmen geprüft haben", sagt der Unternehmensprüfer. Doch danach habe die chinesische Polizei oder der Geheimdienst die Mitarbeiter zu Hause aufgesucht. Überprüfungen seien zwar theoretisch möglich, aber mit jedem Monat schwieriger geworden. Lieferketten in China unabhängig zu prüfen scheint vor Ort in der Praxis schwierig umsetzbar zu sein.
/wirtschaft/weltwirtschaft/reportage-zwangsarbeit-xinjiang-103.html
2023-03-27
Tumult und Trillerpfeifen
Geschichte der Streiks
Immer wieder ist es im Nachkriegsdeutschland zu teils nervenaufreibenden Arbeitskämpfen gekommen. Der längste Branchenstreik dauerte fast vier Monate. Für Gewerkschaften haben die Konflikte auch eine interne Bedeutung. Von Ingo Nathusius.
Immer wieder ist es im Nachkriegsdeutschland zu teils nervenaufreibenden Arbeitskämpfen gekommen. Der längste Branchenstreik dauerte fast vier Monate. Für Gewerkschaften haben die Konflikte auch eine interne Bedeutung. Der Streik des Öffentlichen Dienstes 1974 war kurz, wirkungsvoll und folgenreich. Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, die Postgewerkschaft und die Deutsche Angestelltengewerkschaft - heute sämtlich in ver.di vereint - hatten 15 Prozent mehr Lohn verlangt. Dabei stand Westdeutschland gerade in einem Wirtschaftsschock durch steigende Ölpreise. Drei Tage Streik genügten, um die staatlichen Arbeitgeber in einer hochpolitisierten Zeit zu bezwingen. Elf Prozent Gehaltssteigerung wurden vereinbart, was der Beginn einer jahrelangen Lohn-Preis-Spirale war. Reine Verkehrsstreiks sind mit Umbau ehemals behördlicher Verkehrsbetriebe in öffentliche Wirtschaftsunternehmen verbunden. Damit gehörte das Personal nicht mehr zum allgemeinen Öffentlichen Dienst. Spezielle Branchenforderungen können mit eigenen Gewerkschaften durchgesetzt werden, auch indem ohne Rücksicht auf Kolleginnen und Kollegen anderer Branchen hoher Druck aufgebaut wird. 2001 und 2014/2015 streikten die Piloten der Lufthansa, 2007 zwei teils konkurrierende Bahngewerkschaften. 2014/15 legte die Lokführergewerkschaft GDL tagelang den Bahnverkehr lahm. Längster Arbeitskampf: Werftenstreik ab 1956 Der längste Branchenstreik ist lange her. Wenn in den 1950er-Jahren in Westdeutschland Angestellte krank wurden, bekamen sie weiter Lohn; Arbeiter dagegen nicht. Nachdem die Bundesrepublik wirtschaftlich auf die Beine gekommen war, beschloss die Industriegewerkschaft Metall 1956, für Lohnfortzahlung bei Krankheit zu kämpfen. Die seinerzeit bedeutende Werftindustrie mit Zehntausenden Arbeitern bot sich an. Gerade Werftarbeiter waren an zugigen, kalten Arbeitsplätzen anstrengenden Tätigkeiten ausgesetzt - teilweise über Kopf und in verwinkelten Schiffsrümpfen bei Staub, Splittern, Spänen und Funkenflug. Krankheit war ein hohes Risiko. Im Herbst 1956 traten die Stahl- und Werftarbeiter in Schleswig-Holstein in Streik. Er sollte über den Winter inklusive der Weihnachtszeit gehen und ist bis heute der längste Branchenstreik Deutschlands seit mehr als einhundert Jahren. Nach fast vier Monaten waren Lohnausgleich bei Krankheit, mehr Urlaub und Urlaubsgeld erkämpft. Streikziele jenseits der Bezahlung: Beispiel Arbeitszeit Versuche der IG Metall, ab Ende der 1970er-Jahre erst in Westdeutschland, dann in der vereinigten Bundesrepublik Ziele jenseits von mehr Geld zu erkämpfen, waren mühselig. 1978 trat die Gewerkschaft mit der Forderung nach 35 Stunden Wochenarbeitszeit an, die genauso bezahlt werden sollten wie die bisherigen 40 Stunden. Ein langer Streik scheiterte an der Kernforderung. 1984 versuchte es die IG Metall erneut: 70.000 Metaller streikten sieben Wochen lang. 130.000 wurden von den Arbeitgebern ausgesperrt. Die 38,5-Stunden-Woche war das Ergebnis. Erst 1995 wurde die 35-Stunden-Woche in der westdeutschen Metallindustrie erkämpft. Der Versuch der Gewerkschaft, die kurze Arbeitswoche 2003 mit einem harten Streik auch in der ostdeutschen Metallindustrie durchzusetzen, scheiterte. Die Arbeitgeber blieben eisern - auch angesichts der nach der Vereinigung Deutschlands vereinbarten Löhne, die lange über der Produktivität langen.  Streiks werden regelmäßig, aber nicht immer von Gewerkschaften getragen. 1969 war die Bundesrepublik tief zwischen links und rechts gespalten. Die erste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit war durchlebt. Im "Heißen Herbst von 1969" brach Unwillen über langlaufende Tarifverträge mit geringen Lohnsteigerungen vielerorts in wilden Streiks hervor, die teils von der Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes gestützt wurden. Ergebnis waren Zulagen und längerer bezahlter Urlaub. In der Bundesrepublik die Ausnahme: politische Streiks 1948 waren in der US-amerikanischen und der britischen Besatzungszone viele Preise freigegeben, damit sich eine Marktwirtschaft entwickeln konnte. Als die neue Deutsche Mark schwächelte, warnten die Gewerkschaften mit einem eintägigen Generalstreik vor Preistreiberei zu Lasten der verarmten Bevölkerung. Dieser einzige politische Streik Westdeutschlands war harmlos im Vergleich mit den politischen Streiks der Weimarer Republik und den politischen Arbeitsniederlegungen im Ostblock. Im Juni und Juli 1953 streikten Arbeiter in der DDR, vor allem in Berlin, Magdeburg und Halle - erst gegen höhere Arbeitslast, dann für politische Freiheit. Das führte zu großer Repression mit Toten, Verletzten und Verhaftungen. Der 17. Juni 1953 blieb der DDR-Führung aber stets Mahnung. "In der Zukunft sollten Konflikte unterhalb der Schwelle eines solchen Aufstands gehalten werden", schreibt der Wirtschaftshistoriker André Steiner. "Die Versorgung und der private Verbrauch durften um den Preis der Machtsicherung nicht zu stark beeinträchtigt werden". In den 1950er-Jahren klärte die Rechtsprechung in der Bundesrepublik, dass Streiks nur bei Tarifverhandlungen statthaft sind. Politische Streiks sind in Deutschland verboten. Angesichts des westdeutschen Nachkriegsmodells der "Einheitsgewerkschaft" haben die ohnehin kein Interesse an Politisierung. Denn anders als in der instabilen Weimarer Republik und in vielen westeuropäischen Ländern gilt es als Vorteil, große, schlagkräftige, aber auch abwägende Gewerkschaften zu haben, die christlich-konservative, liberale und linke Mitglieder vereinen. Nicht immer einig: Gewerkschaftsspitze und Basis Tarifauseinandersetzungen und damit auch Streiks sind für Gewerkschaften auch intern wichtig. Während Tarifforderungen diskutiert und später Tarifverhandlungen mit oft großen regionalen Kommissionen geführt werden, haben Gewerkschaftsfunktionäre engen Kontakt zu großen Teilen ihrer Mitgliedschaft. Sie erfahren direkt und bei Warnstreiks konkret, wie viele Leute sich für welche Ziele begeistern lassen. Umgekehrt ist das Streikgeld, das Gewerkschaften ihren Mitgliedern zahlen, wesentliches Argument für die hohen Gewerkschaftsbeiträge - oft werden ein Prozent des Bruttoverdienstes berechnet. Schwierig ist die Lage, wenn die Mitgliedschaft hochmotiviert ist, die Funktionäre aber wissen oder eingesehen haben, dass zu hohe Löhne üble Folgen haben werden. Das zeigte sich schon im Werftenstreik 1957: Vereinbarte Abschlüsse wurden von der Mitgliedschaft erst mit 76 Prozent abgelehnt und bekamen bei einer zweiten Abstimmung auch nur 39 Prozent Zustimmung. Das genügte allerdings: Um übermotivierte Streikende in den Griff zu bekommen, reichen meist 25 Prozent Zustimmung zum Verhandlungsergebnis.
/wirtschaft/streik-geschichte-historie-rueckblick-101.html
2023-03-27
Ist Michelangelos Statue pornografisch?
Streit an Schule in Florida
Ist der Anblick der "David"-Statue von Michelangelo Schulkindern zuzumuten? Ja, entschied die Leiterin einer Privatschule im US-Bundesstaat Florida. Nun ist sie nach Beschwerden von Eltern ihren Job los. Von Katrin Brand.
Ist der Anblick der "David"-Statue von Michelangelo Schulkindern zuzumuten? Ja, entschied die Leiterin einer Privatschule im US-Bundestaat Florida. Nun ist sie nach Beschwerden von Eltern ihren Job los. "Seit dem 16. Jahrhundert wird das öffentlich ausgestellt", fragt eine TV-Moderatorin, "warum ist das plötzlich ein Problem?" Tatsächlich sieht Michelangelos "David" aus wie immer: Über fünf Meter groß ist die Statue, sehr schön und sehr nackt. Aber ist dieser Anblick elf- und zwölfjährigen Schulkindern zuzumuten? Die Leiterin einer christlichen Privatschule in Florida hatte ein Bild des "David" im Unterricht gezeigt. Eltern beschwerten sich, der Begriff "pornografisch" fiel, und nun ist sie ihren Job los. Das ist ihre Version der Geschichte. Schulrat stellte Leiterin vor die Wahl Der Vorsitzende des Schulrates, Barney Bishop, stellt es anders dar. Wann immer etwas Kontroverses unterrichtet werde, müssten die Eltern vorher informiert werden, sagte Bishop beim Sender CNN. Das sei aber nicht passiert. Und tatsächlich hätten sich drei Eltern beschwert, dass das Bild nicht altersgerecht sei. Die Tallahassee Classical School ist eine christlich ausgerichtete Privatschule in Florida. Leiterin Hope Carrasquilla war offenbar noch kein Jahr im Amt. Vorige Woche wurde sie dann vom Schulrat vor die Wahl gestellt, freiwillig zu gehen oder gefeuert zu werden. Sie habe sich für die Kündigung entschieden, berichten US-Medien. Florida als Aushängeschild der Rechtskonservativen Der Bundesstaat Florida macht immer wieder Schlagzeilen wegen seiner besonders konservativen Schulpolitik. Bücher, die sich mit sexueller Ausrichtung beschäftigen, sind aus Büchereien verbannt worden. Auch die Frage, wie über Rassismus unterrichtet wird, ist ein kontroverses Thema. Ron DeSantis, der republikanische Gouverneur, will Florida zum rechtskonservativen Aushängeschild der USA machen - und 2024 womöglich gerne selbst Präsident der Vereinigten Staaten werden.
/ausland/amerika/david-statue-streit-entlassung-lehrer-101.html
2023-03-27
Ermüdet im Scheinwerferlicht
Treffen in Rotterdam
Abgekämpft vom nächtlichen Koalitionsausschuss musste sich Kanzler Scholz am Montag in die Niederlande begeben. Auf dem Flug durfte er abermals den Zwischenstand der Gespräche erklären. Gastgeber Rutte erlaubte sich einen Seitenhieb. Von Martin Schmidt.
Abgekämpft vom nächtlichen Koalitionsausschuss musste sich Kanzler Scholz am Montag in die Niederlande begeben. Auf dem Flug durfte er abermals den Zwischenstand der Gespräche erklären. Gastgeber Rutte erlaubte sich einen Seitenhieb. Zum Regierungsflugzeug kommen sie gemeinsam per Helikopter direkt aus dem Kanzleramt. Die deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen in Rotterdam stehen schon lange im Terminkalender von Kanzler Olaf Scholz und vielen seiner Ministerinnen und Minister. Gute Laune vor den Kameras Absagen ist keine Option, das würde schon nach einer größeren Ampelkrise aussehen. So marschiert der Kanzler auf dem Rollfeld vorneweg mit seiner Aktentasche in Richtung Flugzeugtreppe. Die FDP-Minister Volker Wissing und Marco Buschmann folgen flankiert von ihren grünen Kollegen Robert Habeck und Annalena Baerbock. Sie feixen miteinander, vor den Kameras sieht das nach guter Laune aus. Auch von Ermüdungserscheinungen ist nach der durchverhandelten Nacht keine Spur. Alle hätten noch einmal geduscht, heißt es. Eine Fortsetzung der Verhandlungen sei im Helikopter wegen des Ohrenschutzes ohnehin nicht möglich gewesen. Im Gegenteil: Noch zehn Minuten länger und einige Augen wären zugefallen, wird kolportiert.   Pistorius ist gut gelaunt Verteidigungsminister Boris Pistorius sitzt da schon lange im Flieger. Er war in der Nacht nicht beim Koalitionsausschuss dabei, hat mit seinem Verteidigungsressort selbst ohnehin genug zu tun. "Sie sind der einzige Ausgeschlafene", begrüßt ihn ein Journalist. "Der Witz ist auch nicht mehr neu, den höre ich schon zum dritten Mal", lächelt Pistorius. Seine gute Laune hat wohl auch weitere Gründe: Im Laufe des Tages verkündet das Verteidigungsministerium, dass 18 moderne "Leopard 2"-Panzer die Ukraine erreicht haben. Kaum hat dann die Hubschrauber-Besatzung ihre Plätze eingenommen, setzt auf dem Rollfeld ein frostiger Graupelschauer ein, als hätten sie vom Kanzleramt eine Eiszeit mitgebracht. Doch das ist nicht der Grund, warum der Flieger nicht gleich pünktlich starten kann. Erst kommt Finanzminister Christian Lindner 20 Minuten zu spät, dann will plötzlich die vordere Treppe nicht weichen. Alles hakt irgendwie an diesem Tag. Ein kurzes Statement im straffen Zeitplan Scholz weiß, wie groß das Interesse der Öffentlichkeit ist, zu hören, wie die gemeinsame Regierungsnacht nun war. Lange warten und noch mehr Spekulationen zum Zustand seiner Ampel wachsen lassen will er nicht. Spontan wird ein kurzes Statement im straffen Zeitplan untergebracht. Gleich nach der Landung hält der Konvoi kurz an einem kleinen Ankunftsterminal. Es muss schnell improvisiert werden. Das Problem: Im Raum passt der Hintergrund der vorgesehenen Kanzler-Ecke fürs Filmen nicht - eine Toilettentür, ein prunkvolles Plastikmodell einer Luxus-Yacht oder ein gerahmtes Plakat eines Segelfliegers stören. Da die Zeit drängt, legt der Regierungssprecher schnell Hand an und der Segelflieger ist abgehängt. Was der Kanzler dann zu sagen hat, bietet inhaltlich ähnlich viel wie die freigelegte weiße Wand. Nicht genug für Übereinstimmungen Scholz spricht von "sehr, sehr vielen Fortschritten" und "vielen, vielen Verständigungen" für Deutschlands Modernisierung. Doch, dass es offenbar nicht genug der Übereinstimmungen sind, räumt er gleich anschließend ein: Sie seien nur eine gute Grundlage, um die Koalitionsgespräche am nächsten Morgen fortzusetzen. Schon wenig später versuchen es die mitgereisten Journalisten erneut. Die große Reisegruppe ist derweil im neuen Rotterdamer Kunstspeicher angekommen, auf ihrer "ganz netten Unterbrechung", wie Scholz die deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen am Flughafen nannte. Ein Hund mit einem mitleidigem Blick schaut von einem Gemälde auf die gemeinsame Pressekonferenz mit Scholz' niederländischem Amtskollegen Mark Rutte herab.   Rutte gibt Tipps zum Weingenuss Während der niederländische Regierungschef Rutte gestenreich beginnt, die Freundschaft zwischen den Nachbarn zu beschreiben, wirkt Scholz im Scheinwerferlicht zum ersten Mal etwas ermüdet. Seine vorgeschriebenen Witze (die deutsch-niederländische Freundschaft sei immer groß, solange kein Fußball gespielt werde) liest er ab. Im Gegensatz zu Rutte bewegen sich Scholz Hände nur zum Umblättern. Erst bei den Nachfragen wirkt der Bundeskanzler wieder wacher. "Nein, ich habe nicht schlafen können und es geht mir, wie man sieht, ganz gut", antwortet Scholz auf die erneute Frage nach den Koalitionsgesprächen. Er freue sich auf den "netten Abend" in Rotterdam. "Aber nicht so viel Wein", gibt Rutte von der Seite spontan auf Deutsch Tipps, doch Scholz geht darauf nicht ein. Er versucht, noch einmal zu erklären, dass der Koalitionsausschuss "sehr klare, konkrete Festlegungen" treffen wolle, um die von ihm ausgerufene "Deutschlandgeschwindigkeit" nicht nur beim Bau der LNG-Terminals zu erreichen, sondern auch in anderen Bereichen. Der Flieger lässt noch auf sich warten Außerdem sei so eine lange Nachtsitzung auch eine gemeinsame Erfahrung, wenn man eng miteinander zusammen sei. "Davon erzählt man sich dann auch lange", meint Scholz. Rutte setzt darauf noch einmal schmunzelnd an: "In den Niederlanden haben wir eine Arbeitsschutzbehörde."  Die hätte spätestens beim Abendessen eingreifen müssen: Die deutsche Delegation sitzt da gegen halb acht sichtlich angeschlagen am langen Tisch, ihren niederländischen Ministerkollegen gegenüber. Im obersten Stock des Kunstdepots bietet sich ein tolles Panorama der Rotterdamer Skyline. Die Tische sind mit großen bunten Blumen geschmückt, die Weißweingläser gut gefüllt. Doch irgendwie wirken die Ampelkoalitionäre so, als wäre ihnen ein Bett gerade lieber. Der Flieger zurück nach Berlin startet aber erst mehr als zwei Stunden später.
/inland/innenpolitik/scholz-besuch-niederlande-101.html
2023-03-27
EVG plant keine Warnstreiks über Ostern
Tarifstreit bei der Bahn
Keine Warnstreiks bei der Deutschen Bahn rund um Ostern: Das hat die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft bestätigt. Nicht Reisende, sondern die Arbeitgeber sollten bestreikt werden. An den Verhandlungstisch will die EVG erst nach Ostern zurückkehren. mehr
Keine Warnstreiks bei der Deutschen Bahn rund um Ostern: Das hat die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft bestätigt. Nicht Reisende, sondern die Arbeitgeber sollten bestreikt werden. An den Verhandlungstisch will die EVG erst nach Ostern zurückkehren. Im laufenden Tarifkonflikt plant die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) nach eigenen Angaben keine Warnstreiks über die Osterfeiertage. "Da wir nicht die Reisenden bestreiken wollen, sondern die Arbeitgeber, können wir mitteilen, dass wir über Ostern nicht verhandeln werden und damit auch nicht streiken", teilte EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch in Frankfurt am Main mit. "Wann immer wir verhandeln, müssen wir auch die Möglichkeit haben, zu streiken, um auf schlechte Angebote reagieren zu können." Was dann nach den Osterfeiertagen passiere, sei auch von der Reaktion der Arbeitgeber abhängig. Vor der nächsten geplanten Verhandlungsrunde mit der Deutschen Bahn am 24. und 25. April müsse ein "verhandlungsfähiges Angebot" auf den Tisch, forderte Loroch. Er schloss nicht generell aus, dass es im Vorfeld dieser Verhandlungsrunde zu weiteren Warnstreiks kommen könnte. Grundsätzlich wolle die EVG aber an den Verhandlungstisch zurück. Forderungen der Deutschen Bahn nach einer deutlich früheren Fortsetzung der Gespräche wies Loroch zurück. Angebot der Bahn abgelehnt Die EVG fordert einen Sockelbetrag von mindestens 650 Euro mehr pro Monat für alle Beschäftigten oder zwölf Prozent mehr Geld bei höheren Entgelten. Daran sei nichts unverhältnismäßig, so die Gewerkschaft. Die Deutsche Bahn hatte im laufenden Tarifkonflikt mit bisher zwei Runden unter anderem angeboten, die Löhne der rund 180.000 betroffenen Beschäftigten in zwei Schritten um insgesamt fünf Prozent anzuheben sowie Einmalzahlungen in Höhe von 2500 Euro in Aussicht gestellt. Die EVG lehnte dies ab. Bundesweiter Warnstreik mit ver.di Die EVG vertritt neben Eisenbahnern auch Busfahrer, Servicekräfte in der Verkehrsbranche und Binnenschiffer. Mit der Gewerkschaft ver.di hatte sie für heute zu einem großangelegten Warnstreik im Verkehrssektor aufgerufen. Neben dem Bahnverkehr sind auch Flughäfen, Wasserstraßen und der öffentliche Nahverkehr in mehreren Bundesländern betroffen. Ver.di will im Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst Druck machen.
/wirtschaft/warnstreik-eisenbahn-gewerkschaft-101.html
2023-03-27
Erleichterung an der Wall Street
Bankaktien legen zu
Die Wall Street kehrte heute ein Stück zum Alltag zurück. In der Hoffnung, dass es zu keiner flächendeckenden Bankenkrise kommen dürfte, griffen die Anleger bei den Aktien der Geldhäuser wieder zu. mehr
Die Wall Street kehrte heute ein Stück zum Alltag zurück. In der Hoffnung, dass es zu keiner flächendeckenden Bankenkrise kommen dürfte, griffen die Anleger bei den Aktien der Geldhäuser wieder zu. Die Sorgen der Anleger wegen der jüngsten Turbulenzen im US-Bankensektor ließen an der Wall Street heute weiter nach. Es wurden zunächst flächendeckend Gewinne verzeichnet, die allerdings im Handelsverlauf etwas abbröckelten. Die technologielastige Nasdaq-Börse drehte nach einem freundlichen Auftakt am Ende noch in die Verlustzone, der Leitindex Dow Jones blieb aber stabil 0,6 Prozent im Plus bei 32.432 Punkten. Tech-Aktien hatten sich zuletzt besser gehalten. Sie profitierten von der Aussicht, dass die Notenbank Federal Reserve (Fed) wegen der Schwierigkeiten im Bankensektor womöglich eine langsamere Gangart im Zinszyklus anschlagen würde. Anleger schichteten heute wieder um, am Ende schloss die Nasdaq 0,47 Prozent leichter, der Auswahlindex Nasdaq 100 gab 0,74 Prozent nach. Der S&P-500-Index ging bei 3977 Punkten aus dem Handel, ein leichter Zuwachs von 0,16 Prozent. Die Anleger schienen insgesamt erleichtert zu sein, dass das Wochenende keine neuen Unruhen im Bankensektor brachte. "Das war eindeutig die Befürchtung gewesen, die am Freitag vorgeherrscht hatte", sagte Craig Erlam, Marktanalyst beim Broker Oanda UK & EMEA. Nach der Zeitumstellung am Wochenende in Europa wurde in New York wieder zu den üblichen Zeiten (15.30 bis 22.00 Uhr MEZ) gehandelt. Analyst Pierre Veyret vom Broker ActivTrades geht davon aus, dass sich die Marktstimmung in dieser Woche wieder bessern wird. "Die Bemühungen der Zentralbanken, die Marktstabilität durch monetäre Unterstützung zu gewährleisten, dürfte kurz- bis mittelfristig die Risikobereitschaft wieder steigen lassen", betonte der Experte. Auch US-Regionalbank im Plus Vor allem bei Bankwerten griffen US-Anleger zum Wochenanfang zu. "Es herrscht Erleichterung darüber, dass die First Citizen Bank, eine der größten familienkontrollierten Banken Amerikas, als Retter gekommen ist", sagte Finanzexpertin Susannah Streeter vom Vermögensverwalter Hargreaves Lansdown. "Im Bankensektor ist eine gewisse Ruhe eingekehrt, aber die Hoffnung, dass dieser Schritt zu einer deutlichen Stabilisierung führen wird, könnte nur von kurzer Dauer sein." "Die SVB war das Opfer eines zu schnellen Wachstums und einer unklugen Investition eines zu großen Teils ihrer Einlagen in längerfristige Staatsanleihen", sagte Stuart Cole, Chefvolkswirt bei Equiti Capital. "Die Übernahme hat die Gewissheit gebracht, dass die SVB trotz dieses großen Fehlers grundsätzlich gesund war." Bereits am Montag sollten die 17 Filialen des auf die Finanzierung von jungen Technologiefirmen spezialisierten Geldhauses aus Kalifornien als First-Citizens eröffnen. Die SVB-Pleite hatte weltweit Ängste vor weiteren Zusammenbrüchen in der Bankenbranche geschürt. Deutlich bergauf ging es auch mit den Aktien der zuletzt geretteten US-Regionalbank First Republic. Die Aktie stieg um XX Prozent. Dass die Silicon Valley Bank (SVB) in wesentlichen Teilen von First Citizens Bank übernommen wird, ließ die Aktien der Muttergesellschaft, der First Citizens BancShares, um 53 Prozent nach oben schnellen. Auch andere Regionalbanken legten zu. Im Leitindex Dow Jones stiegen die Aktien der Großbanken JPMorgan und Goldman Sachs sowie des Kreditkartenriesen American Express ebenfalls und gehörten zu den größten Gewinnern. Auch Bank of America und Citigroup waren stark nachgefragt. Politik stützt den Bankensektor Rückenwind erhielt die Finanzbranche heute auch aus der Politik. So erwägt die US-Regierung laut einer Meldung der Nachrichtenagentur "Bloomberg", ihre Unterstützung für angeschlagene Banken auszuweiten. Darüber hinaus verteidigte Michael Barr, der stellvertretende Vorsitzende der Fed für die Bankenaufsicht, die Maßnahmen der Aufsichtsbehörden und sagte, dass das Bankensystem "solide und widerstandsfähig" sei. Laut einem Redetext für eine Anhörung am Dienstag sagte Barr: "Wir werden die Bedingungen im Bankensystem weiterhin genau beobachten und sind bereit, bei Bedarf alle unsere Instrumente für Institute jeder Größe einzusetzen, damit das System sicher und solide bleibt." Den Zusammenbruch der SVB nannte er einen "Lehrbuchfall von Missmanagement". Bankerholung treibt den DAX Getrieben von einer Erholung der Finanzaktien hat der DAX zum Wochenstart zugelegt. Der deutsche Leitindex schloss bei 15.127 Punkten um 1,1 Prozent höher und überwand damit wieder die Marke von 15.000 Punkten. Das Tageshoch lag heute bei 15.185 Punkten, nachdem der Index am Freitag noch um 1,7 Prozent abgesackt war. Markttechnisch orientierte Experten warnen nun jedoch vor überzogenem Optimismus. "Der Sprung zurück über die 15.000er-Marke könnte sich als kurze Bärenmarktrally auf dem weiteren Weg nach unten erweisen", gibt Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst CMC Markets, zu bedenken. "Wenn allerdings neue Tiefs vermieden werden und der Index den Sprung über 15.300 Punkte schafft, könnte wieder Hoffnung in den Markt zurückkehren." Finanzaktien treiben die Erholung - 15.300 Punkte im Fokus Vor allem die Erholung der Finanzwerte ließ die Anleger an die Märkte zurückkehren. Die zuletzt arg gebeutelte Branche profitierte insbesondere von der Nachricht, dass die zusammengebrochene Silicon Valley Bank (SVB) durch die US-Bank First Citizens BancShares übernommen wird. Dabei werden alle Einlagen und Kredite übernommen. Aktien des angeschlagenen US-Regionalbanksektors hatten sich bereits am Freitag zum Teil deutlich erholt und setzten heute ihre Erholung an der Wall Street fort. Mit Blick auf die jüngsten Bankenzusammenbrüche in den USA und die Notübernahme der Credit Suisse durch den Erzrivalen UBS in Europa bleiben Investoren aber in Habachtstellung. "Die Banken stehen unter einem immensen Druck", sagte Victor Balfour, Investmentstratege bei Rothschild & Co. in London. Durch die SVB und die Credit Suisse seien die Auswirkungen höherer Zinsen auf bestimmte Kredite bei Banken in den Fokus gerückt. EBA mit Europas Banken zufrieden Die EU-Bankenaufsicht (EBA) rechnet nach der Pleite der Silicon Valley Bank in den USA und der Notfusion von Credit Suisse und UBS weiter mit unruhigen Zeiten. "Die Risiken im Finanzsystem sind nach wie vor sehr groß", sagte EBA-Chef José Manuel Campa dem "Handelsblatt" und verwies auch auf die steigenden Zinsen. "Eine so drastische Zinswende erhöht nicht nur die Ertragschancen für Banken, sondern auch die Risiken." Aber mit dem Zustand der europäischen Banken sei er grundsätzlich zufrieden: "Die durchschnittlichen Eigenkapital- und Liquiditätsquoten sind hoch." Deutsche Bank an der DAX-Spitze Die Anleger hat das alles heute nicht angefochten. An der DAX-Spitze notierten Deutsche Bank über sechs Prozent fester, nachdem sie am Freitag noch über acht Prozent verloren hatten. Auch Papiere der Commerzbank gehörten zu den größten Gewinnern. BASF schwächelt Gegen den Trend lange im Minus und einer der größten Verlierer war im DAX das BASF-Papier nach einem negativen Analystenkommentar. In Erwartung eines vermutlich schwachen ersten Quartals sieht UBS-Analyst Andrew Stott sein bisheriges Verkaufsvotum gestärkt. Der Experte reduzierte sein Kursziel auf 42 Euro, was auf dem aktuellen Kursniveau einem weiteren Rückgang um 8,4 Prozent entspricht - und dem niedrigsten Niveau seit Oktober 2022. Eine Erholung sei bei BASF wohl erst im zweiten Halbjahr zu erwarten. ifo-Experte: "Winter-Rezession unwahrscheinlicher" Derweil haben sich die Perspektiven für die deutsche Konjunktur überraschend aufgehellt. Der ifo-Geschäftsklimaindex stieg auf 93,3 Zähler von 91,1 Punkten im Vormonat. Ökonomen hatten angesichts der Banken-Turbulenzen mit einem leichten Rückgang gerechnet. "Die deutsche Wirtschaft starte "mit einem guten Gefühl in den Frühling", erklärte ifo-Experte Klaus Wohlrabe. "Eine Winter-Rezession ist unwahrscheinlicher geworden." "Trotz der Turbulenzen bei einigen internationalen Banken stabilisiert sich die deutsche Konjunktur", kommentierte ifo-Präsident Clemens Fuest. Bankvolkswirte warnten aber vor überhöhtem Optimismus. "Es gibt derzeit zu viele Abwärtsrisiken", erklärte Analyst Jens-Oliver Niklasch von der Landesbank Baden-Württemberg. Auffällig war die unterschiedliche Bewertung der Konjunkturaussichten für das zweite Halbjahr. Während sich einige Fachleute wie Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer pessimistisch äußerten, gab es auch einige zuversichtliche Stimmen. Als eine wichtige Frage gilt, wie stark die kräftigen Zinsanhebungen der EZB die konjunkturelle Entwicklung bremsen. Neue Geld- und Kreditdaten der EZB ließen heute erheblichen Gegenwind vermuten. Euro etwas höher Der Kurs des Euro hat heute etwas von der gewachsenen Zuversicht an den Finanzmärkten profitiert. Im US-Handel kostete die Gemeinschaftswährung zuletzt 1,0795 Dollar. Am Morgen hatte sie noch etwas niedriger notiert. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0773 (Freitag: 1,0745) Dollar fest. Nennenswerte US-Konjunkturdaten werden heute nicht mehr erwartete. Morgen stehen dann Daten zum US-Verbrauchervertrauen im März auf der Agenda. Ölpreise deutlich höher Die Ölpreise haben heute in einem freundlichen Marktumfeld deutlich zugelegt. Zuletzt kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im Mai 4,5 Prozent mehr als am Freitag. Der Preis für ein Barrel der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 5,2 Prozent. Die Rohölpreise waren zuletzt ein Spielball der Börsen. Starken Einfluss hatten die Turbulenzen im Bankensektor. Es war zuletzt befürchtet worden, dass sich im Falle anhaltender Probleme negative konjunkturelle Auswirkungen ergeben, die auch die Energienachfrage in Mitleidenschaft ziehen würden. Das dämpfte die Stimmung an den Rohstoffmärkten zuletzt erheblich. Anfang vergangener Woche waren sie noch auf den tiefsten Stand seit Ende 2021 gefallen. Gold fällt in Anlegergunst deutlich - Euro steigt Der Goldpreis gab 0,9 Prozent nach auf 1957 Dollar je Feinunze. In der vergangenen Woche war der Preis für das als "sicherer Hafen" geltende Edelmetall zeitweise über die runde Marke von 2000 Dollar gestiegen. Heidelberg Materials nach Kaufempfehlung gefragt Aktien von Heidelberg Materials legten im DAX über drei Prozent zu. Das Analysehaus Jefferies hatte den Baustoffkonzern von "Hold" auf "Buy" hochgestuft und das Kursziel von 61,30 auf 96,90 Euro angehoben. Analystin Glynis Johnson betonte, trotz der guten Kursentwicklung der vergangenen Monate bringe die Aktie noch bedeutende Chancen mit sich. Sie argumentierte dabei vor allem mit einem Vorsprung, den der Baustoffkonzern in puncto Dekarbonisierung habe. BioNTech erholen sich Die Aktien von BioNTech gaben nach Aussagen zu erwarteten Covid-19-Impfstoffumsätzen für 2023 zunächst deutlich nach, haben sich aber mittlerweile wieder erholt und stehen nur noch leicht im Minus. Wie BioNTech zur Vorlage der Quartalszahlen mitteilte, dürften die Umsätze für Covid-19-Impfstoffe im laufenden Jahr etwa fünf Milliarden Euro betragen. Die Konsensschätzung allerdings liegt bei knapp neun Milliarden Euro. Die Aktien des Impfstoff-Partners und Pharmariesen Pfizer geben im freundlichen Gesamtmarkt um 0,2 Prozent auf 40,31 Dollar nach. Das Unternehmen arbeitet aber mit dem Rückenwind eines weiteren Milliardengewinns dank des Corona-Vakzins an der Entwicklung neuer Produkte und betrachtet das laufende Jahr als ein Übergangsjahr. Ein Fokus der Mainzer wird auf der Entwicklung von Therapien gegen Krebs liegen, dafür baut das Unternehmen in diesem und im kommenden Jahr auch gezielt Vertriebsstrukturen für künftige Onkologie-Produkte aus, wie BioNTech heute mitteilte. Im vergangenen Jahr fuhr BioNTech insgesamt einen Umsatz von 17,3 Milliarden Euro ein, nach knapp 19 Milliarden im Jahr davor. Unter dem Strich verbuchten die Mainzer einen Nettogewinn von 9,4 Milliarden Euro und damit ebenfalls etwas weniger als 2021 mit 10,3 Milliarden. 2021 hatten BioNTech und der US-Partner Pfizer mehr als 2,6 Milliarden Corona-Impfstoffdosen ausgeliefert, im vergangenen Jahr wurden noch rund 2 Milliarden Dosen in Rechnung gestellt. Erfolg bei Krebstherapievermarktung für Merck KGaA Die Darmstädter Merck KGaA vermarktet die Krebstherapie Bavencio künftig alleine. Nach Beendigung der Allianzvereinbarung mit dem US-Pharmakonzern Pfizer lägen die weltweiten Rechte für Entwicklung, Herstellung und Vermarktung des Antikörpers Avelumab (Markenname Bavencio) nun bei der Merck KGaA, teilte der DAX-Konzern am Nachmittag mit. Merck übernimmt demnach mit Wirkung zum 30. Juni 2023 die Kontrolle über die weltweite Vermarktung. An die Stelle der derzeitigen Gewinnbeteiligung trete eine Lizenzgebühr an Pfizer in Höhe von 15 Prozent auf die Nettoumsätze. An der Börse kam das alles gut an. Die Merck-KGaA-Aktien legten rund 2,6 Prozent zu. Gleichzeitig wurde heute bekannt, dass das Unternehmen in der Forschung und Entwicklung der Pharmasparte 250 Stellen streicht, davon rund 200 am Hauptsitz in in Darmstadt. Der Konzern will die Kosten in den Zentralfunktionen senken. Die Streichungen sollen sozial vertraglich erfolgen, hieß es. Muss Volkswagens Softwareeinheit Cariad sparen? Nach den Problemen bei der Softwareentwicklung muss die Volkswagen-Tochter Cariad einem Zeitungsbericht zufolge einen dreistelligen Millionenbetrag einsparen. Demnach soll das Kostenprogramm auf einer Liste von internen Zielen stehen und Teil eines größeren Performance-Programms innerhalb des VW-Konzerns sein, berichtete das "Handelsblatt" unter Berufung auf Konzernkreise. Salzgitter erfreut mit Ausblick und überraschend hoher Dividende Im SDAX war die Salzgitter-Aktie nach einer ermutigenden Jahresprognose und einer überraschend hohen Dividende enorm gefragt. Der Stahlkonzern geht 2023 wegen des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds von einem deutlichen Rückgang des operativen Ergebnisses (Ebitda) auf 750 Millionen bis 850 Millionen Euro aus. Analysten hatten allerdings mit noch weniger gerechnet. Auch der Dividendenvorschlag von 1,00 Euro je Aktie kam am Markt gut an. Übernahmeangebot für Klöckner & Co. SE Friedhelm Loh, Großaktionär des Stahlhändlers Klöckner & Co, hat wie angekündigt ein freiwilliges Übernahmeangebot für das Unternehmen vorgelegt. Aktionäre könnten nun bis zum 25. April ihre Aktien andienen, teilte die Loh zugehörige Investmentgesellschaft Swoctem heute mit. Der Preis soll wie bekannt bei 9,75 Euro je Aktie in bar liegen, was den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Eine Mindestannahmeschwelle gibt es nicht. Loh hält rund 30 Prozent an Klöckner. Früheren Angaben zufolge hat der Großaktionär aber nicht die Übernahme der Mehrheit im Auge. Varta einigt sich mit Banken auf Umbaukonzept Der zuletzt schwächelnde Batteriekonzern Varta hat sich mit den Banken und seinem Mehrheitseigner auf einen weitreichenden Umbau geeinigt. Dabei gehe es um eine Anpassung von Produktions- und Strukturkosten sowie um Investitionen in Wachstumsfelder wie Energiewende und E-Mobilität, wie der SDAX-Konzern am Freitagabend mitteilte. Varta-Papiere legten deutlich zu und standen an der SDAX-Spitze. Tesla produziert in Grünheide 5000 Autos wöchentlich Der US-Elektroautobauer Tesla hat in Deutschland die Hälfte seines ersten Produktionsziels erreicht. Im Werk in Grünheide bei Berlin würden nun 5000 Autos pro Woche hergestellt, teilte Tesla am Samstagabend bei Twitter mit. Das entspricht hochgerechnet etwa 250.000 Fahrzeugen pro Jahr. In der ersten Ausbaustufe will das Unternehmen 500.000 Autos im Jahr vom Band rollen lassen, also etwa 10.000 pro Woche. Musk beziffert Wert von Twitter auf 20 Milliarden Dollar Der Tech-Unternehmer Elon Musk hat den aktuellen Wert von Twitter mit 20 Milliarden Dollar beziffert - weniger als die Hälfte der 44 Milliarden Dollar, die er vor einem halben Jahr bei der Übernahme des Kurzbotschaftendienstes bezahlt hat. Laut einer internen E-Mail soll Twitter zeitweise vor dem Bankrott gestanden haben. Unterdessen sind Teile des Software-Codes von Twitter infolge eines ungewöhnlich schwerwiegenden Datenlecks offen im Internet einsehbar gewesen. Studienerfolg mit Brustkrebsarznei gibt Novartis Schub Der Schweizer Pharmariese Novartis hat nach einem Studienerfolg seines Brustkrebsmedikaments Kisqali bei Anlegern Hoffnungen auf einen Umsatzschub ausgelöst. Das Mittel senkte in der NATALEE genannten Testreihe das Rückfallrisiko bei Frauen mit Brustkrebs im Frühstadium deutlich, wie der Konzern am Morgen mitteilte. Novartis-Aktien schnellen über sechs Prozent nach oben.
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2023-03-27
EU soll Beihilfe zu Straftaten geleistet haben
UN-Bericht zu Libyen
Morde, Folter, Versklavung: UN-Experten sehen Beweise dafür, dass Libyens Küstenwache wiederholt schwere Verbrechen gegen Migranten begangen hat. Sie wird seit Jahren von der EU mit Logistik und Finanzen unterstützt. mehr
Morde, Folter, Versklavung: UN-Experten sehen Beweise dafür, dass Libyens Küstenwache wiederholt schwere Verbrechen gegen Migranten begangen hat. Sie wird seit Jahren von der EU mit Logistik und Finanzen unterstützt. Die Europäische Union hat mit ihrer Unterstützung für die libysche Küstenwache Beihilfe zu Straftaten geleistet. Zu diesem Ergebnis kommt ein UN-Bericht. Die EU müsse ihre Unterstützung für die Küstenwache überdenken, forderte Chaloka Bayani, der mit anderen unabhängigen Experten im Auftrag des UN-Menschenrechtsrats die Lage in Libyen seit 2016 untersucht hat. Weitreichende Verletzung von Menschenrechten Die Experten legten in Genf ihren Bericht vor. Sie waren mehrmals im Land und haben mehr als 400 Interviews geführt und Dokumente ausgewertet. In ihrem Bericht dokumentieren die Experten weitreichende Menschenrechtsverletzungen gegen die Zivilbevölkerung und vor allem gegen Migrantinnen und Migranten. Das ölreiche Land in Nordafrika liegt auf einer der Hauptrouten von jenen Menschen, die nach Europa flüchten wollen. Die Europäische Union arbeitet mit der libyschen Küstenwache zusammen und stellt ihr Schiffe und Ausrüstung zur Verfügung. Nach Angaben der EU geht es bei dieser Vereinbarung um die Rettung von Menschenleben im Mittelmeer. Folter und Erpressung Die EU müsse sich im Klaren sein, dass in diesem Zusammenhang Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen würden, sagte Bayani. Er betonte: "Wir sagen nicht, dass die EU diese Straftaten begangen hat, aber ihre Unterstützung ist eine Beihilfe zur Ausführung dieser Straftaten." In den Haftanstalten unter der Kontrolle der Küstenwache und anderer staatlicher Einrichtungen würden Menschen gefoltert, erpresst, vergewaltigt und ermordet, andere würden wie Sklaven verkauft und teils sexuell ausgebeutet - ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Experten: Pushbacks sind illegal "Diese Einrichtungen erhielten technische, logistische und finanzielle Unterstützung von der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, unter anderem für das Abfangen und die Rückführung von Migranten", heißt es im Bericht. Auch die Pushbacks - wenn Boote mit Flüchtlingen in Küstennähe abgefangen und zurück nach Libyen beordert werden - seien illegal, weil die Gewässer vor Libyen nicht sicher seien, sagte Bayani. Die Experten hätten Grund zu der Annahme, dass die EU die Küstenwache, technisch, finanziell und mit Ausrüstungsgegenständen wie Booten unterstützt habe, "die im Zusammenhang mit dem Abfangen und Festhalten von Migranten verwendet wurden", heißt es in dem Bericht. EU besteht auf Aufklärung In einem konkreten Fall fordert nun die EU-Kommission selbst Aufklärung von Libyens Küstenwache. Nach Angaben der Hilfsorganisation SOS Méditerranée bedrohte ein Patrouillenboot die Besatzung ihres Rettungsschiffes "Ocean Viking" mit Schusswaffen und fing anschließend 80 Menschen in Seenot in internationalen Gewässern "brutal" ab. Wie der EU-Kommissionssprecher weiter sagte, fordert die Brüsseler Behörde auch "Klarstellungen" darüber, ob das mutmaßlich an dem Vorfall beteiligte Schiff der libyschen Küstenwache mit Hilfe von EU-Geldern finanziert wurde.
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2023-03-27
Netanyahu verschiebt Justizreform
Nach Massenprotesten in Israel
Angesichts der massiven Proteste in seinem Land will Israels Premier Netanyahu die umstrittene Justizreform verschieben. Es gelte, zunächst einen gesellschaftlichen Konsens herzustellen, sagte er in einer Ansprache. mehr
Angesichts der massiven Proteste in seinem Land will Israels Premier Netanyahu die umstrittene Justizreform verschieben. Es gelte, zunächst einen gesellschaftlichen Konsens herzustellen, sagte er in einer Ansprache. In einer Rede an die Nation hat Israels Premierminister Benjamin Netanyahu angekündigt, das Tempo bei der umstrittenen Justizreform zu verringern. Demnach sollen weitere Teile des Gesetzespaketes erst nach den Parlamentsferien beraten und beschlossen werden. Die Ferien beginnen in der kommenden Woche und dauern bis Ende April. Netanyahu kündigte außerdem an, das Gespräch mit der Opposition suchen zu wollen. Um eine Spaltung des Volkes zu verhindern, habe er entschieden, die Gesetzgebung zu verschieben. "Wenn es eine Chance gibt, einen Bürgerkrieg durch Dialog zu vermeiden, nehme ich, als Ministerpräsident, eine Auszeit für Dialog." Er sei zu einer Justizreform entschlossen, rufe nun aber zu einem Versuch auf, "breiten Konsens zu erreichen". Zehntausende hatten den Tag über vor dem Parlament demonstriert, Zehntausende die Arbeit niedergelegt. Die größte Gewerkschaft sagte nach der Fernsehansprache Netanyahus einen Generalstreik ab. Opposition: "Besser spät als nie" Israels Opposition zeigte sich nach der Ankündigung grundsätzlich gesprächsbereit. "Wenn die Gesetzgebung wirklich und vollständig gestoppt wird, sind wir bereit, einen echten Dialog in der Residenz des Präsidenten zu beginnen", teilte Oppositionsführer Jair Lapid mit. Gleichwohl ließ er aber auch Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Aussagen Netanyahus durchblicken. Der frühere Verteidigungsminister Benny Gantz teilte mit, er werde die Verhandlungen mit einem "offenen Herzen" aufnehmen. "Besser spät als nie." Zugleich dankte er den Demonstrantinnen und Demonstranten für ihren Kampf, der noch nicht vorbei sei. Israels Präsident Izchak Herzog begrüßte die Ankündigung des Regierungschefs. "Es ist richtig, die Gesetzgebung zu stoppen. Jetzt ist es an der Zeit, einen aufrichtigen, ernsthaften und verantwortungsvollen Dialog zu beginnen, der die Wogen dringend glätten und die Temperatur senken wird", teilte Herzog mit. Er rief alle Seiten zu einem "verantwortungsvollem Handeln" auf. "Wenn eine Seite gewinnt, wird der Staat verlieren." Eine Privatarmee für den Polizeiminister? Die Ansprache Netanyahus hatte sich lange verzögert, weil es Widerstand innerhalb der Koalition gab. Vor allem der rechtsextreme Minister für Nationale Sicherheit, Ben Gvir, hatte mit einem Ausstieg aus der Koalition gedroht. Unter seiner Führung soll nun eine Nationalgarde eingerichtet werden, die Kritiker als steuerfinanzierte Privatarmee bezeichnen. Ben Gvir hat sich für ein härteres Vorgehen gegen Demonstranten, aber auch gegen Palästinenser im besetzen Westjordanland ausgesprochen. Ob Netanyahu wirklich bereit ist, auch inhaltliche Zugeständnisse bei der Justizreform zu machen, ist noch unklar - ebenso, wie sich die zuletzt immer größer gewordenen Proteste gegen den Umbau im Justizwesen entwickeln werden. Weniger Einfluss für das Oberste Gericht Netanyahus Koalition will mit der Justizreform den Einfluss des Höchsten Gerichts beschneiden und die Machtposition der Regierung ausbauen. Die rechtsreligiöse Koalition wirft dem Höchsten Gericht übermäßige Einmischung in politische Entscheidungen vor. Dem Parlament soll es den Plänen nach künftig etwa möglich sein, mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Gerichts aufzuheben. Zudem soll die Zusammensetzung des Gremiums zur Ernennung von Richtern geändert werden. Netanyahu, gegen den ein Prozess wegen Korruption läuft, stellt die Reform als notwendig dar, um das Gleichgewicht in der Gewaltenteilung wiederherzustellen. Kritiker befürchten hingegen eine Aufhebung der Gewaltenteilung und eine Aushöhlung der Demokratie in Israel. Kundgebungen in Tel Aviv Die Pläne der Regierung zum Umbau der Justiz sorgen seit Wochen für Massenproteste. Demonstrationen legten auch heute weite Teile Israels lahm. Der Gewerkschaftsbund Histradrut hatte seine etwa 800.000 Mitglieder zum Streik aufgerufen. Vom Flughafen Ben Gurion hoben zeitweise keine Flugzeuge ab, Einkaufszentren und Kindergärten blieben geschlossen. Erstmals hatten die nationalreligiösen Regierungsparteien auch Befürworter der Reform zu den Veranstaltungen gebracht, vor allem aus dem Umfeld der Siedler. Regierungschef Netanyahu hatte den massiven Protest mit der Entlassung von Verteidigungsminister Joav Galant am Sonntagabend angefeuert. Galant hatte zuvor zu Gesprächen mit Kritikern und einem Stopp der umstrittenen Pläne für eine Justizreform aufgerufen und vor einer Gefahr für Israels Sicherheit gewarnt. Mit Informationen von Jan-Christoph Kitzler, ARD-Studio Tel Aviv
/ausland/israel-justizreform-verschoben-101.html
2023-03-27
++ Moskau wirft Westen Doppelmoral vor ++
Krieg gegen die Ukraine
Das Außenministerium in Moskau hat dem Westen nach dessen Kritik an den Plänen zur Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus Doppelmoral vorgeworfen. Kiew bestätigt Eingang deutscher "Marder"-Schützenpanzer. Die Entwicklungen zum Nachlesen. mehr
Das Außenministerium in Moskau hat dem Westen nach dessen Kritik an den Plänen zur Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus Doppelmoral vorgeworfen. Kiew bestätigt Eingang deutscher "Marder"-Schützenpanzer. Die Entwicklungen zum Nachlesen. Moskau wirft Westen Doppelmoral vorUkraine hat "Leopard"-Panzer aus Deutschland erhalten Bundesregierung weist Putins Atomwaffenpläne zurückMutmaßlicher Spion in Polen festgenommenRussland plant weiter mit Atomwaffen für BelarusBundesregierung sieht Wiederaufbau der Ukraine als GenerationenaufgabeIAEA-Chef offenbar bald zu Gesprächen in MoskauMenschen sollen Awdijiwka verlassenSelenskyj fordert mehr Unterstützung für Soldaten Ende des Liveblogs Für heute beenden wir unseren Liveblog zum Krieg gegen die Ukraine. Herzlichen Dank für Ihr Interesse! Moskau wirft Westen in Atomwaffendebatte Doppelmoral vor Das Außenministerium in Moskau hat dem Westen nach dessen Kritik an den Plänen zur Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus Doppelmoral vorgeworfen. "Die inadäquate Reaktion einer Reihe westlicher Hauptstädte auf unsere Kooperation mit Belarus bei der militärischen Atomnutzung kann nur Befremden hervorrufen", sagte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa einer Erklärung zufolge. Schließlich habe die NATO das Konzept gemeinsamer Atom-Missionen eingeführt und die USA hätten Atombomben in Belgien, Deutschland, Italien, den Niederlanden und der Türkei stationiert. Kremlchef Wladimir Putin hatte am Samstag vor dem Hintergrund starker Spannungen mit dem Westen infolge des Ukraine-Kriegs angekündigt, taktische Atomwaffen in der benachbarten Ex-Sowjetrepublik Belarus zu stationieren. Auch Putin begründete die Stationierung damit, dass die USA seit Jahren Ähnliches in Europa täten. USA veranstalten zweiten Demokratie-Gipfel Die USA und mehrere Partnerländer veranstalten von morgen an einen dreitägigen Demokratie-Gipfel. Am ersten Tag des in großen Teilen virtuell ausgetragenen Treffens gibt es unter anderem eine Diskussionsrunde zum Ukraine-Krieg mit US-Außenminister Antony Blinken und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Der "Gipfel für Demokratie 2023" befasst sich mit Herausforderungen für Demokratien weltweit und will eine Front gegen autokratisch regierte Länder wie Russland und China bilden. Zu dem mit Costa Rica, den Niederlanden, Südkorea und Sambia ausgetragenen Gipfel sind die Staats- und Regierungschefs von rund 120 Ländern eingeladen, unter ihnen Bundeskanzler Olaf Scholz. Einen ersten solchen Demokratie-Gipfel hatte US-Präsident Joe Biden im Dezember 2021 ausgerichtet. Kiew bestätigt Eingang deutscher "Marder"-Schützenpanzer Das ukrainische Verteidigungsministerium hat die Ankunft westlicher Panzertechnik im eigenen Land bestätigt. "Heute hatte ich die Ehre, zusammen mit dem Chef der ukrainischen Luftlandetruppen, Generalmajor Maxim 'Mike' Myrhorodskyj, und unseren Fallschirmjägern die Neuzugänge in unseren bewaffneten Einheiten zu testen: Den 'Challenger' aus Großbritannien, 'Stryker' und 'Cougar' aus den USA und den 'Marder' aus Deutschland", teilte Verteidigungsminister Olexij Resnikow auf der Facebookseite seiner Behörde mit. Die neue Technik werde den vorausgegangenen westlichen Waffenlieferungen "gute Gesellschaft auf dem Schlachtfeld leisten", zeigte er sich überzeugt. Resnikow bedankte sich für die westliche Waffenhilfe. Vor einem Jahr seien solche Anstrengungen der Partner noch undenkbar gewesen. Die gesamte "zivilisierte Welt" leiste nun dem russischen Aggressor Widerstand und somit werde die Ukraine siegen, schrieb Resnikow. Neben dem Schützenpanzer "Marder" hat Deutschland auch schon die Kampfpanzer "Leopard 2" an Kiew geliefert, wie Bundeskanzler Olaf Scholz heute bestätigte. Finnland dankt Ungarn für Zustimmung zum NATO-Beitritt Finnlands Regierungschefin Sanna Marin hat sich bei Ungarn für die Ratifizierung des finnischen NATO-Beitritts bedankt. Zugleich machte sie sich für eine rasche Aufnahme Schwedens stark. "Danke für die klare Entscheidung", schrieb die Ministerpräsidentin kurz nach der Abstimmung im ungarischen Parlament auf Twitter. "Finnlands und Schwedens NATO-Mitgliedschaft stärken die Sicherheit der ganzen Allianz. Es ist im Interesse aller, dass Schweden vor dem Gipfel in Vilnius auch NATO-Mitglied ist." Zuvor hatten am Montag 182 ungarische Abgeordnete für die Aufnahme Finnlands in die NATO gestimmt, sechs dagegen. Damit steht nur noch die Zustimmung der Türkei aus. Ankara hatte nach langem Zögern jüngst angekündigt, Finnland grünes Licht geben zu wollen. Unkari on ratifioinut Suomen Nato-jäsenyyden. Kiitos selvin luvuin tehdystä päätöksestä! Suomen ja Ruotsin Nato-jäsenyydet vahvistavat koko liittokunnan turvallisuutta. On kaikkien etu, että myös Ruotsi on Naton jäsen ennen Vilnan huippukokousta. Ukraine erhält deutsche "Leopard"-Panzer Die ukrainischen Streitkräfte haben aus Deutschland 18 moderne Kampfpanzer "Leopard 2A6" erhalten. Das bestätigte Bundeskanzler Olaf Scholz. "Wir haben geliefert wie angekündigt", sagte Scholz. Ungarn billigt NATO-Beitritt Finnlands Das ungarische Parlament stimmt dem NATO-Beitritt von Finnland zu. Damit muss nur noch die Türkei grünes Licht geben, damit Finnland in das Militärbündnis aufgenommen wird. Ein "Ja" von Ungarn und der Türkei zum NATO-Beitritt Schwedens steht allerdings noch aus. Zwei Jahre Haft wegen "Diskreditierung der Armee" gefordert In Russland hat ein Staatsanwalt zwei Jahre Haft für einen Mann wegen "wiederholter Diskreditierung der Armee" gefordert. Er soll in sozialen Netzwerken mehrfach gegen den Krieg protestiert haben. Wie das unabhängige Internetportal Mediazone berichtete, soll er nach einer möglichen Freiheitsstrafe zudem drei Jahre Internetverbot erhalten. Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe. Seinen Angaben nach wurde sein Account gehackt. Der Fall des Mannes hatte in Russland für Aufsehen gesorgt, weil seine minderjährige Tochter in ein Kinderheim gebracht wurde, nachdem sie in der Schule ein Antikriegsbild gemalt haben soll. Litauens Präsident verurteilt geplante Stationierung von Atomwaffen Litauens Präsident Gitanas Nauseda hat die vom Kreml angekündigte Verlegung russischer Atomwaffen in das benachbarte Belarus verurteilt. "Die russische nukleare Erpressung geht weiter", schrieb der Staatschef des baltischen EU- und NATO-Landes auf Twitter. Russlands Pläne seien einmal mehr eine "völlige Missachtung" internationaler Vereinbarungen. "Der Angreifer muss daran gehindert werden, eine nukleare Katastrophe zu verursachen", so Nauseda. Russian nuclear blackmail continues as Putin announces plans to deploy tactical nuclear weapons in Belarus. Once again - complete disregard of international agreements. The aggressor must be stopped from causing a nuclear disaster. Das litauische Außenministerium in Vilnius sprach in einer Mitteilung von einem "weiteren Versuch zweier unberechenbarer diktatorischer Regime, ihre Nachbarn und den gesamten europäischen Kontinent zu bedrohen. Dies sind verzweifelte Schritte von Putin und Lukaschenko, um eine weitere Welle der Spannung und Destabilisierung in Europa zu erzeugen." Litauen werde mit seinen euro-atlantischen Partnern eine Antwort auf diese "militaristischen Pläne" erörtern und werde dabei die Verabschiedung neuer Sanktionen fordern, hieß es weiter. Litauen grenzt an die russische Exklave Kaliningrad sowie an Russlands Verbündeten Belarus. Selenskyj und Grossi besuchen Saporischschja Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der Chef der Internationalen Atombehörde (IAEA), Rafael Grossi, haben ein Wasserkraftwerk in Saporischschja besichtigt. "Das Wasserkraftwerk ist ein wesentlicher Bestandteil des Systems, das die nukleare Sicherheit des Kernkraftwerks Saporischschja aufrechterhält", schrieb Grossi auf Twitter. Selenskyj habe ihm Schäden am Damm gezeigt. Die Männer diskutierten darüber hinaus Maßnahmen zum Schutz des unter russischer Kontrolle stehenden etwa 50 Kilometer entfernten Atomkraftwerks. Grossi plant in den nächsten Tagen zum zweiten Mal seit dem Herbst in das von Russen besetzte Gebiet um das heruntergefahrene Kernkraftwerk im Südosten der Ukraine zu reisen. Selenskyj besichtigte zudem Positionen der ukrainischen Truppen im Gebiet Saporischschja und verlieh dabei Soldaten Orden. "Lebt, kämpft und wir werden alle dank solchen wie Euch besiegen", sagte der Präsident. Darüber hinaus ließ der Staatschef sich über die aktuelle militärische, die soziale und wirtschaftliche Situation in dem Gebiet informieren. The #Dnieper hydroelectric station is an essential part of the system that sustains the nuclear safety of the #Zaporizhzhya nuclear power plant. 🇺🇦@ZelenskyyUa showed me the recent damage suffered by the dam https://t.co/sOwEngvrx2 Medienbericht: Deutsche "Leopard 2" in der Ukraine angekommen Die 18 von der Bundesregierung zugesagten "Leopard 2"-Panzer sind einem Medienbericht zufolge in der Ukraine angekommen. Die letzten "Leopard 2"-Panzer hätten Ende vergangener Woche Deutschland verlassen und seien an der ukrainischen Grenze übergeben worden, berichte "Der Spiegel". Auch die rund 40 Schützenpanzer des Typs "Marder" seien mittlerweile im Kriegsgebiet eingetroffen. Widerstand gegen Rückkehr russischer Athleten Die Ukraine, Estland, Lettland, Litauen und Polen haben sich gegen die Rückkehr von Athleten aus Russland und Belarus zu internationalen Wettkämpfen ausgesprochen. Man sei besorgt darüber, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) seinen gut begründeten Standpunkt revidieren wolle, Sportler aus diesen Ländern nicht zu internationalen Wettkämpfen einzuladen oder zuzulassen, gaben die fünf Länder in einer gemeinsamen Erklärung bekannt.  Russland und Belarus hätten einen Weg, ihre Athleten in die Sportgemeinschaft zurückkehren zu lassen, heißt es weiter: "Nämlich die Beendigung des von Russland unter Mitwirkung von Belarus begonnenen Angriffskrieges und die Wiederherstellung der Achtung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine." Das IOC-Exekutivkomitee wird morgen auf seiner Sitzung über Eckpunkte entscheiden, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Bedingungen für Starts von russischen und belarussischen Sportlerinnen und Sportlern eingehalten werden. Bundesregierung weist Putins Atomwaffenpläne zurück Die Bundesregierung hat die Ankündigung von Kremlchef Wladimir Putin, in Belarus taktische Atomwaffen zu stationieren, als "weiteren Versuch der nuklearen Einschüchterung" zurückgewiesen. Man halte diese Rhetorik für unverantwortlich, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in der Bundespressekonferenz. "Wir werden uns selbstverständlich in unserem Kurs, die Ukraine in ihrer Selbstverteidigung zu unterstützen, dadurch nicht beirren lassen." Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums ergänzte, dass Putins Ankündigung die Lagebewertung nicht verändere. Selenskyj wirft Russland erneut Terrorismus vor Nach einem russischen Raketenangriff auf die ostukrainische Großstadt Slowjansk hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dem russischen Militär erneut Terrorismus vorgeworfen. "Die Ukraine wird Misshandlungen unserer Leute, diese Toten und Verletzten nicht verzeihen", schrieb Selenskyj in sozialen Netzwerken. Alle "russischen Terroristen" würden besiegt werden. Dazu veröffentlichte der Staatschef ein Video mit brennenden Autos und Trümmern aus der Großstadt. Zuvor waren mehrere Raketen in Slowjansk und im südlicher gelegenen Druschkiwka im Gebiet Donezk eingeschlagen. Mehrere Verwaltungs- und Bürogebäude und Wohnhäuser wurden zerstört. Behördenangaben zufolge wurden mindestens zwei Menschen getötet, weitere 29 wurden verletzt. Die Frontlinie liegt knapp 25 Kilometer von Slowjansk entfernt. Mutmaßlicher Spion in Polen festgenommen Polen hat nach Angaben der Staatsanwaltschaft einen Ausländer wegen des Verdachts der Spionage für Russland festgenommen. Die Festnahme sei bereits am 21. März in Danzig erfolgt, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Der Verdächtige habe Informationen über kritische Infrastruktur in Regionen Pommern und Kujawien-Pommern gesammelt und diese dem russischen Geheimdienst zur Verfügung gestellt. Bei einer Verurteilung drohen bis zu zehn Jahre Haft. Russland plant weiter mit Atomwaffen für Belarus Russland hält trotz der Sanktionsdrohungen des Westens an der geplanten Stationierung von taktischen Atomwaffen in Belarus fest. "Auf die Pläne Russlands kann solch eine Reaktion natürlich keinen Einfluss nehmen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow zu möglichen Strafmaßnahmen. Zuvor hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell Belarus zum Verzicht auf die nuklearen Waffen aufgefordert und andernfalls mit Sanktionen als Antwort gedroht. Er kritisierte die russischen Pläne als "unverantwortliche Eskalation" und eine Bedrohung für die europäische Sicherheit. Kremlchef Wladimir Putin hatte die Stationierung am Samstag angekündigt. Demnach hat Belarus bereits zehn umgebaute Flugzeuge, die diese Waffen tragen können. Zudem erhält das Land Iskander-Raketen, die mit Atomsprengköpfen bestückt werden können. Der russische Präsident hatte auch betont, dass sich Moskau an seine Verpflichtungen zur Nichtweiterverbreitung der Atomwaffen halte. Sie würden nur in Belarus vorgehalten, Russland gebe die Kontrolle nicht ab - und tue damit nichts anderes als die USA in EU-Staaten. Deutschland startet Wiederaufbau-Plattform für Ukraine Entwicklungsministerin Svenja Schulze will den Wiederaufbau und die Beseitigung von Kriegsschäden in der Ukraine schon jetzt verstärken. Dazu stellte die SPD-Politikerin in Berlin eine Plattform im Internet vor, die Hilfsorganisationen, Unternehmen und Initiativen bei einem Engagement vernetzen soll. "Wer an eine bessere Zukunft glaubt, wer daran arbeitet, der hält auch diese schwierigen Zeiten besser durch", sagte Schulze bei einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev. Sie sagte: "Wir wissen auch aus der weltweiten Erfahrung mit Wiederaufbau: Eine frühe Vorbereitung ist enorm wichtig, damit die kurzfristigen Soforthilfen möglichst gut und auch effizient zum langfristigen Wiederaufbau passen." Die Plattform, zu der eine zentrale Internetseite gehört, soll Anlaufstelle für alle sein, die sich beim Wiederaufbau einbringen wollen. Botschafter Makeiev erklärte, die Schäden des russischen Angriffskrieges seien enorm, und beliefen sich heute schon auf 135 Milliarden Dollar. Um alles wieder aufzubauen, brauche die Ukraine über 400 Milliarden US-Dollar (mehr als 370 Milliarden Euro), 14 Milliarden US-Dollar noch in diesem Jahr. Ministerin Schulze deutete an, dass sie den Gesamtbedarf auf mehr als die von der Weltbank angegebenen 411 Milliarden US-Dollar (rund 381 Milliarden Euro) schätzt. Weil der Krieg noch andauere, Russland das Land immer weiter bombardiere und keine Anzeichen auf ein Einlenken zeige, könne man den Bedarf derzeit nicht wirklich abschätzen, sagte sie. Belarus wirft Polen Blockade des Lkw-Verkehrs an EU-Grenze vor Belarus wirft Polen vor, den Lkw- und Pkw-Verkehr in die Europäische Union absichtlich zu verlangsamen. Polen setze bilaterale Vereinbarungen nicht um, teilte der belarusische Grenzschutz mit. "Seit Freitag hat sich die Warteschlange vor dem einzigen zugänglichen Grenzübergang an der belarusisch-polnischen Grenze, Kukuriki (Kozlowiczy), verdoppelt und umfasst nun 1000 Fahrzeuge", heißt es. Eine Reaktion aus Polen lag zunächst nicht vor. 135 kommunale Partnerschaften mit der Ukraine Die Zahl der deutsch-ukrainischen Partnerschaften zwischen Gemeinden und Städten ist während des russischen Angriffskriegs nach Angaben von Entwicklungsministerin Svenja Schulze auf 135 gestiegen. Die Zahl sei fast doppelt so hoch wie Anfang 2022. Zudem gebe es 13 Partnerschaften zwischen deutschen und ukrainischen Kliniken und acht Betreiber-Partnerschaften zwischen Wasserwerken beider Länder, sagte Schulze bei der Vorstellung der neuen Plattform "Wiederaufbau". Selenskyj trifft Orlando Bloom: Millionen Kinder ohne Schule Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der britische Schauspieler und UNICEF-Botschafter Orlando Bloom haben auf die schweren Kriegsfolgen für Millionen Kinder in dem Land hingewiesen. "Der Krieg zerstört die Kindheit von ukrainischen Kindern", teilte Selenskyj mit. Tausende Schulen seien beschädigt oder zerstört, Millionen Kinder könnten nicht richtig unterrichtet werden. Mädchen und Jungen liefen Gefahr, Depressionen, Ängste oder andere psychische Probleme zu entwickeln. Bloom, der sich seit 2009 als Botschafter des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) für humanitäre Projekte einsetzt, sagte bei dem Treffen, dass UNICEF Pflegeeltern von Kriegswaisen unterstütze, "damit jedes ukrainische Kind Teil einer warmen, pflegenden und hingebungsvollen Familie" sein könne. Der 46-Jährige bezeichnete den russischen Präsidenten Wladimir Putin, ohne dessen Namen zu nennen, als einen "Kriegsverbrecher". Bundesregierung sieht Wiederaufbau der Ukraine als Generationenaufgabe Vor dem Start der neuen deutschen Plattform "Wiederaufbau Ukraine" hat Entwicklungs-Staatssekretär Jochen Flasbarth den Wiederaufbau des durch den russischen Angriffskrieg stark zerstörten Landes als "Aufgabe für Generationen" bezeichnet. Man solle sich von der Größe des Unterfangens aber nicht bange machen lassen. "Wenn wir das richtig angehen, wird die Ukraine wieder Einnahmen generieren und selbst einen Teil dieser riesigen Aufgabe schultern." Ein offenes, europäisches Land sei auch attraktiv für Investoren, sagte Flasbarth weiter. Die Weltbank hatte kürzlich die Kosten des Wiederaufbaus der Ukraine mit 411 Milliarden Dollar (gut 381 Milliarden Euro) beziffert. Im Kreis der G7-Staaten "besprechen wir derzeit die Sequenzierung des Wiederaufbaus", sagte Flasbarth. Kurzfristig habe neben der Reparatur von Kraftwerken und Stromleitungen die Minenräumung sehr hohe Priorität. Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) und der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, stellen am Vormittag die Plattform "Wiederaufbau Ukraine" vor. Mit ihr sollen deutsche Initiativen zum Wiederaufbau des Landes gebündelt werden.  Russischer Sicherheitsrat: NATO ist Teil des Ukraine-Konflikts NATO-Länder sind nach russischer Ansicht Teil des Ukraine-Konflikts. Das sagte der Sekretär des russischen Sicherheitsrats, Nikolaj Patruschew, einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Die NATO hatte am Sonntag die Entscheidung Russlands, in Belarus taktische Atomwaffen zu stationieren, kritisiert. Sie sprach von einer gefährlichen und unverantwortlichen Rhetorik. Patrushew, ein ehemaliger Chef des internen Sicherheitsdienstes FSB, gilt weithin als eines der kämpferischsten Mitglieder des inneren Zirkels des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Russland kommt bei Atomtorpedo-Projekt "Poseidon" voran Russland kommt der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge beim angekündigten Projekt seines strategischen Atom-Supertorpedos "Poseidon" voran. Anfang 2024 solle der Bau der notwendigen Infrastruktur an den Küsten im Pazifischen Ozean für die Stationierung von Atom-U-Booten abgeschlossen sein, die mit dem Torpedo ausgerüstet werden könnten, berichtete die Agentur unter Berufung auf Vertreter des russischen Verteidigungsministeriums. Die Infrastruktur solle der Stationierung von zwei Spezial-U-Booten in Kamtschatka dienen, hieß es. Auf der zu Russland gehörenden Halbinsel in Nordostasien befindet sich der Stützpunkt der russischen Pazifikflotte für U-Boote mit ballistischen Atomraketen. Soldaten nach Panzerausbildung zurück in Ukraine Nach ihrer Ausbildung an Kampfpanzern vom Typ "Challenger 2" in Großbritannien sind ukrainische Soldaten auf dem Weg zurück an die Front. "Es ist wirklich inspirierend, die Entschlossenheit ukrainischer Soldaten mitzuerleben, die ihre Ausbildung auf britischen 'Challenger 2'-Panzern auf britischem Boden abgeschlossen haben", sagte der britische Verteidigungsminister Ben Wallace. "Sie kehren besser ausgerüstet, aber nicht weniger gefährdet in ihre Heimat zurück. Wir werden ihnen weiterhin zur Seite stehen und alles tun, um die Ukraine so lange wie nötig zu unterstützen." Das Training sei abgeschlossen, hieß es vom Verteidigungsministerium. Dabei ging es unter anderem darum, wie die "Challenger"-Besatzungen zusammenarbeiten und kommandiert werden. Großbritannien hatte im Januar als erstes Land die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine angekündigt und damit Verbündete wie Deutschland unter Druck gesetzt, selbst Panzer zu schicken. Insgesamt stellt London 14 "Challenger 2" zur Verfügung. Ungarisches Parlament will Finnlands NATO-Beitritt ratifizieren Das ungarische Parlament will heute Finnlands NATO-Beitritt ratifizieren. Über die Aufnahme Schwedens in das Militärbündnis will die regierende rechtskonservative Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban später entscheiden lassen. Die Regierung von Orban unterstützt nach eigenen Angaben den NATO-Beitritt beider Länder, die parlamentarische Mehrheit für die Aufnahme Schwedens sei aber zu unsicher. In der Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatten Schweden und das Nachbarland Finnland gemeinsam den Beitritt zur NATO beantragt. Alle 30 NATO-Mitgliedstaaten müssen grünes Licht für die Aufnahme geben, die Zustimmung Ungarns und der Türkei steht noch aus. IAEA-Chef offenbar bald zu Gesprächen in Moskau Ein Besuch des Chefs der UN-Atomaufsicht IAEA, Rafael Grossi, in Moskau ist einem russischen Medienbericht zufolge in naher Zukunft möglich. Auf die Frage, ob Russland plane, Grossi nach Moskau einzuladen, sagte der russische Botschafter bei internationalen Organisationen in Wien, Michail Uljanow, dies sei "durchaus realistisch". Dies berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA. "Nicht kommende Woche, aber etwas später könnte der Besuch von Rafael Grossi in Russland stattfinden." Grossi drängt auf die Einrichtung einer Sicherheitszone um Saporischschja. Er hatte am Samstag angekündigt, dass er im Laufe der Woche das von russischen Truppen besetzte Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine besuchen werde, um sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Menschen sollen Awdijiwka verlassen Der Chef der ukrainischen Militärverwaltung in Awdijiwka hat die Bewohner zum Verlassen der Stadt aufgefordert. "Ihr müsst gehen, ihr müsst eure Sachen packen, vor allem mit euren Kindern", schrieb der Leiter der Militärverwaltung der Stadt, Witali Barabasch, auf Telegram. Die Evakuierung der Stadt habe begonnen und der Mobilfunkempfang werde bald abgeschaltet, "weil es in der Stadt Spitzel der russischen Besatzer gibt." Am Sonntag hatte Russland laut ukrainischen Angaben zwei Hochhäuser in Awdijiwka beschossen. Offiziellen Angaben zufolge leben noch etwa 2000 Zivilisten in Awdijiwka in der Region Donezk, etwa 90 Kilometer südwestlich des umkämpften Bachmuts. Politologe: Putin will Westen einschüchtern Mit der Stationierung taktischer Atomwaffen im Nachbarland Belarus will Russlands Präsident Wladimir Putin nach Ansicht eines Experten den Westen abschrecken und von Fehlern ablenken. "Sie sollen den Westen einschüchtern, seine Waffenlieferungen für die ukrainischen Offensiven 2023 weiterzuführen", sagte der Politologe Maximilian Terhalle der Nachrichtenagentur dpa. In erster Linie aber solle die Ankündigung davon ablenken, dass Putin zum Beispiel in Bachmut nicht den Fortschritt mache, den er zwingend brauche. Der Geopolitik-Experte warnte den Westen davor, aus Angst vor einem Atomschlag die Unterstützung für die Ukraine zu kürzen. "Das Muster einer taktischen Nukleardrohung bei konventionellem Nicht-Erfolg ist bereits bekannt vom letzten Oktober", sagte Terhalle. Der Politologe betonte: "Wie 2022 wird Putin auch 2023 keine Nuklearwaffen einsetzen, weil er dadurch seine wichtigste Waffe, die Einschüchterung, die im Falle Deutschlands und der Panzerfrage erheblich die NATO beeinflusst hat, aus der Hand verlieren würde." Gleichzeitig befördere der Kremlchef mit der Stationierung in Belarus unbeabsichtigt eine Debatte um die Notwendigkeit stärkerer nuklearer Fähigkeiten in Europa. Selenskyj fordert mehr Unterstützung für Soldaten Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Bevölkerung zu mehr Unterstützung der Soldaten im Krieg gegen Russland aufgerufen. "Die Situation an der Front steht immer im Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit", sagte Selenskyj am Sonntagabend in einer Videoansprache. "Es ist falsch und ungerecht, wenn unsere Soldaten, die von der Front zurückkommen, das Gefühl haben, dass für viele im Hinterland der Krieg schon vorbei ist." Dann appellierte er an seine Landsleute: "Liebe Ukrainerinnen und Ukrainer, bitte unterstützen Sie unsere Soldaten, wann immer Sie können." Die zurückkehrenden Soldaten brauchten jede nur mögliche Hilfe der Bevölkerung. Der Liveblog vom Sonntag zum Nachlesen Das ukrainische Militär hat eigenen Angaben zufolge etwa 50 Angriffe russischer Einheiten im Osten des Landes abgewehrt. Bei einer Drohnenexplosion in der russischen Region Tula soll es Ermittlern zufolge mehrere Verletzte gegeben haben.
/newsticker/liveblog-ukraine-montag-245.html
2023-03-26
Bäckerei-Job ganz ohne Bewerbung
"Open Hiring" in den USA
Um in der Greyston Bakery zu arbeiten, muss man keine Ausbildung vorweisen und kein Vorstellungsgespräch führen. "Open Hiring" nennt sich das Konzept der US-Bäckerei. Macht es bald Schule? Von Peter Mücke.
Um in der Greyston Bakery zu arbeiten, muss man keine Ausbildung vorweisen und kein Vorstellungsgespräch führen. "Open Hiring" nennt sich das Konzept der US-Bäckerei. Macht es bald Schule? Eine Bewerbung bei der Greyston Bakery ist schnell gemacht. Man schreibt seinen Namen und eine Telefonnummer auf eine Liste und wartet - im Schnitt ein halbes Jahr - auf den Rückruf. "Sie beurteilen Dich nicht. Es gibt keine Hintergrundprüfungen, was Du vorher gemacht hast oder ob Du eine Ausbildung hast", erzählt der 32 Jahre alte Davone. "Sie rufen an, und dann kommt man hierher und fängt an zu arbeiten. Erst wirst Du angelernt, und dann kannst Du nach einer Zeit aufsteigen - so wie ich. Ich habe 2015 angefangen und habe dann meine Möglichkeiten genutzt. Und jetzt bin ich hier." Vom Rand der Gesellschaft zurück in den Job Davone ist inzwischen Supervisor in der Produktion. In jedem anderen Unternehmen wäre er wohl nicht mal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden, denn er ist vorbestraft: ein Ausschlusskriterium für so ziemlich jede US-Firma. Aber nicht für die Greyston Bakery, sagt Geschäftsführer Joseph Kenner. "Wir konzentrieren uns auf Menschen mit Beschäftigungshindernissen: ehemalig Inhaftierte, Alleinerziehende, Obdachlose, Menschen mit psychischen Problemen oder die kein Englisch können. 43 Prozent unserer Arbeiter sprechen Spanisch. Unser Leitbild ist: Entfesselt die Kraft des menschlichen Potenzials durch integrative Beschäftigung - Person für Person." Vom Café zur Großbäckerei Ganz im Sinne des Gründers der Greyston Bakery, Bernie Glassmann, einem Zen-Buddhisten aus Brooklyn. 1982 kam er nach Yonkers, der Stadt mit der damals höchsten Obdachlosenrate in den USA, und eröffnete hier - wenige Kilometer hinter der Stadtgrenze von New York City - ein kleines Café mit Bäckerei. 40 Jahre später ist daraus ein industrieller Großbetrieb mit 120 Mitarbeitern geworden. "Das ist Teil unserer großen Bäckerei, wie wir es nennen. Hier werden die Brownies gebacken, die dann in 'Ben & Jerry's'-Eiscreme kommen", so Geschäftsführer Kenner. "Die Zutaten werden gemischt und der Teig dann auf Tabletts gepumpt, die dann in einen langen Tunnelofen gehen. Anschließend kommen sie in einen Kühlturm - und dann werden die Brownies in kleine Stücke zerhackt." Die Kekskrümel aus Yonkers werden verpackt und nach ganz Nordamerika und Europa geliefert, wo sie dann in der Eiscreme landen. "Dieselben Probleme wie andere Firmen auch" Außerdem produziert die Greyston Bakery Brownies unterschiedlicher Geschmacksrichtungen für US-Supermarktketten. Und verdient damit Geld - trotz der "Open Hiring" genannten Art der Mitarbeiter-Rekrutierung. "Viele Leute denken, wenn wir 'Open Hiring' machen und keine Fragen stellen, dann muss doch Chaos in der Firma ausbrechen", sagt Kenner. "Aber wir haben dieselben Probleme wie andere Unternehmen auch: Leute kommen nicht zur Arbeit, es gibt Probleme mit der Disziplin. Aber Firmen, die nach einen herkömmlichen Konzept einstellen, haben auch Probleme mit Drogenmissbrauch und mangelnder Leistung in der Belegschaft. Wir stehen vor den gleichen Herausforderungen wie andere Firmen." Mit dem Unterschied, dass bei Greyston versucht wird, solche Probleme zu lösen, ohne die Mitarbeiter gleich auf die Straße zu setzen. Hilfe für Mitarbeitende in Not Dazu arbeitet das Unternehmen seit einiger Zeit mit dem größten gemeinnützigen Träger für soziale Dienstleistungen im Westchester County zusammen: "Das hat so vor sechs, sieben Jahren angefangen, als plötzlich viele Mitarbeiter nicht mehr zur Arbeit gekommen sind", erinnert sich Kenner. "Wir haben gefragt warum. Manchmal hatten sie Probleme mit ihren Kindern oder selbst Suchtprobleme. Oder sie hatten ihre Wohnung verloren und mussten im Auto schlafen. Wir versuchen dann, zu unterstützen und zu helfen. Es ist eine Win-Win-Situation: Den Menschen geht es besser, und wir haben gute Mitarbeiter." Stiftung wirbt für neue Herangehensweise So wie den 50-jährigen John, der seit fünf Jahren in der Greyston Bakery arbeitet: "In der Zeit davor hatte ich keine eigene Wohnung. Ich habe bei meiner Mutter auf der Couch geschlafen. Ich hatte lange Zeit keine Arbeit, schlimme Depressionen, habe den ganzen Tag nichts gemacht. Jetzt habe ich eine Wohnung und seit kurzer Zeit auch ein Auto. Ich habe jetzt meine eigene Unabhängigkeit." Undenkbar ohne das "Open-Hiring"-System, das die inzwischen gegründete Greyston-Stiftung auch anderen Unternehmen schmackhaft zu machen versucht.
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2023-03-26
Warum die Zeit weiter umgestellt wird
Beginn der Sommerzeit
Der Wechsel zwischen Sommer- und Normalzeit nervt viele Deutsche - zumal die EU die Zeitumstellung schon längst hatte abschaffen wollen. Woran hakt es? mehr
Der Wechsel zwischen Sommer- und Normalzeit nervt viele Deutsche - zumal die EU die Zeitumstellung schon längst hatte abschaffen wollen. Woran hakt es? Die Uhren wurden in der Nacht von Samstag auf Sonntag um 2 Uhr auf 3 Uhr vorgestellt. Der Sonntag ist somit 60 Minuten kürzer und man kann weniger schlafen, wenn man zu gewohnten Zeit aufsteht. Zugleich bleibt es ab Sonntag aber infolge der Zeitumstellung auch abends eine Stunde länger hell. Wie funktioniert die zentrale Zeitumstellung? Rein technisch ist die Zeitumstellung unproblematisch. Taktgeber für die Zeit sind in Deutschland die Atomuhren der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig. Über Sender werden die Signale übertragen, durch die sich die Funkuhren automatisch an die Zeitumstellung anpassen. Auch für die Deutsche Bahn ist die Zeitumstellung längst Routine. Uhren vor- oder zurückstellen - wie merkt man sich das? Es gibt dafür eine Reihe von Eselsbrücken. Eine der bekanntesten ist der Vergleich mit Gartenmöbeln: Im Sommer werden die Gartenmöbel vor das Haus in den Garten gestellt - so wie auch die Uhr vorgestellt wird. Im Winter stellt man die Gartenmöbel zurück ins Haus. Genauso stellt man auch die Uhr zurück. Wie lange gibt es die Zeitumstellung schon? Im Deutschen Reich gibt es erst seit 1893 überhaupt eine einheitliche Uhrzeit. Damals wurde die sogenannte Mitteleuropäische Zeit festgelegt. Im Zusammenhang mit den beiden Weltkriegen wurde von 1916 bis 1919 und von 1940 bis 1949 allerdings eine eigene Sommerzeit eingeführt - vor allem, um das Tageslicht in Landwirtschaft und Rüstungsindustrie besser nutzen zu können. Zwischen 1950 und 1979 drehte Deutschland nicht an den Uhren. Erst im Zuge der Ölkrise führten beide deutschen Staaten wieder eine Sommerzeit ein, um Energie zu sparen. Bis 1996 wurden die unterschiedlichen Sommerzeitregelungen in der Europäischen Union vereinheitlicht. Seitdem stellt Deutschland die Uhren Ende März und Ende Oktober um, also jedes Jahr einmal auf die Sommerzeit und einmal zurück auf die Normalzeit. Warum wird über die Abschaffung diskutiert? Seit Jahren zeigen Umfragen, dass die Zeitumstellung in vielen europäischen Ländern sehr unbeliebt ist. Deshalb hat die EU-Kommission - um vor den Europawahlen 2019 Handlungsfähigkeit und Bürgernähe zu demonstrieren - 2018 eine Umfrage in der EU gestartet: Es war die bislang mit Abstand erfolgreichste Online-Umfrage in der Geschichte der EU-Kommission. Das klare Ergebnis: 84 Prozent der rund 4,6 Millionen Teilnehmer, darunter drei Millionen Deutsche, sprachen sich für eine Abschaffung der Zeitumstellung aus. Die meisten Menschen votierten für eine dauerhafte Sommerzeit. Was folgte politisch daraus? Als Konsequenz schlug die Kommission vor, die Zeitumstellung in Europa zu beenden und den Mitgliedstaaten die Entscheidung zu überlassen, ob sie dauerhaft die bisherige Normalzeit der Wintermonate oder die Sommerzeit haben möchten. Das Europaparlament sprach sich dafür aus, die Umstellung 2021 abzuschaffen - was aber bislang ohne Konsequenzen blieb. Und warum passiert nichts? Was weiterhin fehlt, ist die Zustimmung der 27 EU-Länder. Aber diesbezüglich herrscht seit Jahren Stillstand. Die zuständigen Verkehrsminister im Rat der EU haben sich zuletzt 2019 mit dem Thema befasst. Zudem gibt es im Kreis der EU-Staaten keine einheitliche Position, welche Zeit künftig gelten soll. Es besteht die Sorge, dass die Auswirkungen einer Änderung nicht ausreichend erforscht und analysiert seien. Außerdem befürchten Beobachter, dass Europa wieder zu einem Flickenteppich unterschiedlicher Zeitzonen zwischen Griechenland im Osten und Portugal im Westen zurückkehren könnte, - was etwa neue Hindernisse für Wirtschaft, Verkehr und grenzüberschreitenden Alltag bedeuten würde. Warum ist die Zeitumstellung so umstritten? Kritiker argumentieren, dass die zweimalige Umstellung pro Jahr den Biorhythmus von Menschen und auch von Nutztieren durcheinander bringt, vergleichbar mit einem Mini-Jetlag. Das führe bei vielen Menschen zu gesundheitlichen Problemen, darunter vor allem Schlafstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten. Laut einer Umfrage der Krankenkasse DAK aus dem vergangenen Jahr gaben 27 Prozent der Befragten an, aufgrund der Zeitumstellung schon einmal gesundheitliche Probleme gehabt zu haben. Auch die grüne EU-Abgeordnete Anna Derparnay-Grunenberg findet es falsch, den Menschen ohne Not zweimal im Jahr einen Mini-Jetlag zu verpassen: "Auf EU-Ebene ist es tatsächlich ein leidiges Thema, weil die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass gehandelt wird, aber die Sache zugleich doch sehr kompliziert ist." Und was ist mit dem Thema Energieverbrauch? Wissenschaftler unterstreichen, dass die Zeitumstellung, anders als zunächst vermutet, nicht zur Energieeinsparung beiträgt: Zwar werde im Sommer tatsächlich weniger Strom für Licht verbraucht. Im Frühjahr und Herbst werde jedoch in den Morgenstunden auch mehr geheizt. Welche Modelle gibt es? Denkbar ist es, die bisherige Zeit der Wintermonate, die über Jahrzehnte bereits die Normalzeit in Deutschland war, zum Standard für das gesamte Jahr zu machen. Die deutliche Mehrheit der Deutschen ist allerdings laut Umfragen für eine ständige Sommerzeit. Welche Argumente gibt es für eine ständige Sommerzeit? Sie würde im Winter abends für längeres Tageslicht sorgen. Viele Befürworter sehen darin einen Gewinn für Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Was spricht dagegen? Eine ständige Sommerzeit würde bedeuten, dass es im Winter teilweise erst gegen 9 Uhr morgens hell würde. So würden etwa Schüler die ersten Unterrichtsstunden noch im Dunkeln absolvieren. Das erhöht nach Einschätzung mancher Mediziner die Gefahr von Depressionen. Wie geht es weiter? Gibt es weiterhin eine große Zeitzone mit 16 Ländern? Oder müssen Grenzpendler jeden Tag zweimal an der Uhr drehen? Was ist mit der Bahn, den Flughäfen, den Logistik-Unternehmen? Und: Wird es im Winter in Spanien erst am späten Vormittag hell, in Polen dafür schon um halb drei dunkel? Fragen über Fragen, für die es nach wie vor und in absehbarer Zeit keine Antworten gibt. Denn auch die amtierende schwedische Ratspräsidentschaft will sich nicht um das Thema kümmern, da heißt es, erst müssten sich mal ein paar Staaten dafür interessieren, was ganz offensichtlich seit geraumer Zeit nicht mehr der Fall ist. Und die EU-Kommission hat schon mal bis 2026 die Termine für die Zeitumstellung festgelegt. Es deutet also vieles darauf hin, dass der Sprecher der EU-Kommission, Eric Mamer, im Herbst auf die inzwischen ritualisierte Frage von Journalisten nach Neuigkeiten bei der Abschaffung der Zeitumstellung wieder sagen wird: "We have no News for you. No."
/inland/gesellschaft/sommerzeit-zeitumstellung-101.html
2023-03-26
Warum bereitet die Zeitumstellung oft Probleme?
Chronobiologie
Die einen merken es kaum, für andere sind Müdigkeit und Erschöpfung programmiert, wenn die Uhren umgestellt werden. Warum bereitet das vielen Menschen Probleme und was können wir dagegen tun? Von A. Braun und L. Schmierer. mehr
Die einen merken es kaum, für andere sind Müdigkeit und Erschöpfung programmiert, wenn die Uhren umgestellt werden. Warum bereitet das vielen Menschen Probleme und was können wir dagegen tun? An diesem Sonntag sind die Uhren wieder von Winter- auf Sommerzeit umgestellt worden. Nach einer aktuellen Umfrage im Auftrag der Krankenkasse DAK hatte ein Viertel der Deutschen schon einmal gesundheitliche Probleme nach der Zeitumstellung. Bei fast der Hälfte von ihnen halten diese Probleme bis zu eine Woche an. Die Betroffenen klagten laut Umfrage am häufigsten über Müdigkeit und Abgeschlagenheit, gefolgt von Schlafstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten. Eine Untersuchung der DAK stellte fest, dass in den ersten drei Tagen nach der Zeitumstellung ein Viertel mehr Menschen mit Herzinfarkt im Krankenhaus landen als im Jahresdurchschnitt. Und der Auto Club Europa wies mit statistischen Daten nach, dass es nach der Zeitumstellung deutlich mehr Verkehrsunfälle gibt. Einer der Gründe dafür ist der Schlafmangel und die daraus folgende schlechte Konzentration. Reduzierte Leistungsfähigkeit Kinder sind von der Uhrumstellung ganz besonders betroffen. Sie können sich schlechter konzentrieren. Studien zeigen, dass bereits eine Stunde weniger Schlaf die Leistung in der Schule um 30 bis 40 Prozent reduziert. Die Schlafforschung erklärt daher: Die Umstellung bringt die innere Uhr des Menschen aus dem Takt. Die Folge: Wir bekommen die Augen morgens kaum auf und schleppen uns müde und schlapp durch den Tag. Viele sind allerdings nach ein, zwei Tagen wieder fit und haben die neue Zeit verinnerlicht. Aber es gibt auch viele Menschen, die noch Tage nach der Umstellung unter einer Art Mini-Jetlag leiden. Sie brauchen einfach mehr Zeit, um sich anzupassen. Innere Uhr lässt sich nicht einfach umstellen Jeder Mensch hat einen Schlaf-Wach-Rhythmus. Dieser wird umgangssprachlich auch als "Innere Uhr" bezeichnet. Das bedeutet: Unser Körper wird zu bestimmten Uhrzeiten automatisch müde oder wieder wach und aktiv. Dieser Rhythmus lässt sich aber nicht auf Knopfdruck umstellen, sondern braucht Zeit, um sich an die Verschiebung anzupassen. Das dauert bei manchen Menschen länger als bei anderen. Das Ergebnis: Sie sind auch Tage nach der Umstellung noch schlapp oder schlafen am Abend schlecht ein. Frühling oder Herbst: Welche Umstellung ist schlimmer? Natürlich kann es einzelne Ausnahmen geben. Prinzipiell gilt aber: Die Umstellung im Frühjahr fällt uns schwerer. Schließlich bekommen wir keine Stunde Schlaf geschenkt, sondern die Uhrumstellung raubt uns eine Stunde wertvoller Erholung. Hinzu kommt, dass einige Menschen vor der Zeitumstellung im Frühjahr aufstehen, wenn es bereits hell ist oder gerade die Sonne aufgeht. Bei Tageslicht fällt es unserem Körper einfacher, wach zu werden. Nach der Uhrumstellung ist es dann aber plötzlich wieder dunkel. Das macht es noch einmal zusätzlich schwerer. Tipps für die Uhrumstellung Wer ganz große Probleme damit hat, kann "früher" mit der Uhrumstellung beginnen und die 60 Minuten in kleinere Einheiten aufteilen. Wenn wie jetzt im Frühjahr die Uhren vorgestellt werden, kann es (dann vielleicht beim nächsten Mal) helfen, schon zwölf Tage vor der eigentlichen Uhrumstellung anzufangen, pro Tag fünf Minuten früher aufzustehen und entsprechend ein wenig früher ins Bett zu gehen. Diese fünf Minuten pro Tag bemerkt unser Körper nicht und passend zur Uhrumstellung ist der Biorhythmus auf die Stunde Zeitverschiebung angepasst. Auch eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung können dazu beitragen, dass der Körper besser mit der Umstellung zurechtkommt. Generell sollte man darauf achten, seinen Körper nicht zu überfordern und ihm ausreichend Zeit geben, sich an die neue Zeit zu gewöhnen. Denn nur so kann man auch langfristig von den Vorteilen der Sommerzeit profitieren - und sich auf die längeren Tage und wärmeren Temperaturen freuen.
/wissen/chronobiologie-uhrumstellung-probleme-101.html
2023-03-26
"Streikrecht wird inflationär ausgereizt"
Kommunalpräsidentin zu Warnstreiks
Keine Züge, keine Flüge, keine Busse - mit ihrem Großstreik am Montag wollen ver.di und EVG Druck aufbauen. Kommunalpräsidentin Welge hält das für "völlig überzogen" - und wirft den Gewerkschaften einen schlechten Verhandlungston vor. mehr
Keine Züge, keine Flüge, keine Busse - mit ihrem Großstreik am Montag wollen ver.di und EVG Druck aufbauen. Kommunalpräsidentin Welge hält das für "völlig überzogen" - und wirft den Gewerkschaften einen schlechten Verhandlungston vor. Deutschland steht am Montag weitgehend still: Durch angekündigten Warnstreiks wird es Einschränkungen auf der Straße, der Schiene, dem Wasser und im Luftverkehr geben. Angesichts der massiven Auswirkungen werfen die Kommunen den beiden Gewerkschaften ver.di und der Bahngewerkschaft EVG maßlose Übertreibung vor. "Das Streikrecht wird inflationär ausgereizt", sagte die Verhandlungsführerin der Kommunen, Karin Welge. Die VKA-Präsidentin verwies darauf, dass in der dritten Runde schließlich ein Ergebnis erzielt werden solle. Die Eskalation der Gewerkschaften mache sie daher "ein bisschen sauer", sagte Welge, die zugleich Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen ist. "Das ist nicht der Verhandlungston, den wir pflegen." Welge: Bürger können "das nicht mehr als Warnstreiks erkennen" Welge kritisierte, dass die Gewerkschaften die Ausstände unterschiedlicher Tarifrunden zeitgleich organisieren - allen voran bei der Bahn und im öffentlichen Dienst. "Die Bürgerinnen und Bürger sind nicht mehr in der Lage, das als Warnstreiks wahrzunehmen", so die VKA-Präsidentin. "Am Ende kann keiner mehr nachvollziehen, wegen welcher Tarifrunde wo genau gestreikt wird." Den Gewerkschaften warf Welge zudem vor, so zu tun, als könnte es am Verhandlungstisch keinen Kompromiss geben. Dabei müsse nun der Korridor ausgelotet werden, wo man noch auseinander liege. "Ich glaube an unsere Verantwortungsgemeinschaft und fordere die Gewerkschaften auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen", sagte sie. Warnstreik am Flughafen München gestartet Während der groß angelegte Warnstreik sich vor allem am Montag bemerkbar machen wird, steht der Flughafen München bereits seit dem Morgen still. Bis einschließlich Montag ist der reguläre Betrieb eingestellt. Betroffen sind laut Flughafengesellschaft insgesamt rund 1500 Flugverbindungen. Starts und Landungen sind demnach nur für humanitäre Flüge im Notbetrieb möglich. Passagiere, die für heute oder morgen eine Flugreise von oder nach München geplant haben, sollen sich mit ihrer Fluggesellschaft in Verbindung setzen. Der Flughafen rät ausdrücklich davon ab, trotz des Warnstreiks zum Airport zu fahren. Auch Flughafen-Chef Jost Lammers kritisierte die von ver.di angekündigte Arbeitsniederlegung. Sie stelle eine "beispiellose Eskalation dar und ist überzogen und völlig unverhältnismäßig", so Lammers. Das Drehkreuz München mit internationalen und interkontinentalen Verbindungen werde praktisch stillgelegt. Damit entsteht ein immenser wirtschaftlicher Schaden. Insgesamt werden an den beiden Streiktagen am Münchner Flughafen 200.000 Passagiere betroffen sein. Am Montag wird dann auch der Nürnberger Flughafen bestreikt. Keine Bahn-Streiks über Ostern Entwarnung gibt es derweil mit Blick auf Zugverbindungen an Ostern. "Da wir mit Streiks die Arbeitgeber und nicht die Reisenden treffen wollen, werden wir rund um die Osterfeiertage nicht verhandeln", teilte die EVG der "Bild am Sonntag" mit. Streiks um die Feiertage könnten für alle Reisenden ausgeschlossen werden. Ver.di-Chef Frank Werneke riet den Bürgern dazu, am Montag mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren oder zu Fuß zu gehen. Streik wirke nur dann, wenn er ein unmissverständliches Signal aussende. "Trotz all des Trommelfeuers gegen uns verzeichnen wir seit Anfang des Jahres 70.000 neue Mitglieder. Das ist der stärkste Mitgliederanstieg seit unserer Gründung vor mehr als 20 Jahren", so Werneke. Streiks dienten zwar nicht der Gewinnung von Neumitgliedern, viele, die sich erstmals an einem Arbeitskampf beteiligten, würden dann aber eintreten. Verhandlungen für mehr als zwei Millionen Beschäftigte Der 24-stündige Warnstreik soll am Montag um 00.00 Uhr beginnen und sich über den gesamten Tag hinziehen. Sowohl der Bahn- und Busverkehr als auch Flughäfen sollen bundesweit zu großen Teilen lahmgelegt werden. Außerdem trifft der Streik auch den Schiffsverkehr und Autobahnen sowie den öffentlichen Personennahverkehr in mehreren Bundesländern. Beide Gewerkschaften erhöhen so den Druck bei den bislang erfolglosen Tarifverhandlungen. Ver.di verhandelt für die etwa 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen, unter anderem auch für die Beschäftigten des Nahverkehrs und an Flughäfen. Die Gewerkschaft fordert 10,5 Prozent mehr, mindestens aber 500 Euro monatlich. Die EVG verhandelt für rund 230.000 Beschäftigte bei 50 Bahn- und Busunternehmen, für die sie zwölf Prozent mehr Lohn, mindestens aber 650 Euro im Monat mehr will.
/wirtschaft/warnstreiks-kommunen-werfen-gewerkschaften-uebertreibung-vor-101.html
2023-03-26
Duell der Etablierten
Stichwahl in Frankfurt
Heute wird in einer Stichwahl entschieden, wer neuer Frankfurter Oberbürgermeister wird. Mit Uwe Becker und Mike Josef treffen zwei gestandene Lokalpolitiker aufeinander. Von Daniel Majic.
Heute wird in einer Stichwahl entschieden, wer neuer Frankfurter Oberbürgermeister wird. Mit Uwe Becker und Mike Josef treffen zwei gestandene Lokalpolitiker aufeinander. Egal, wie die Stichwahl um das Oberbürgermeisteramt am Sonntag ausgeht, für eine Sache haben sich die Frankfurter Wählerinnen und Wähler bereits entschieden: Verlässlichkeit. Denn im Duell um das höchste politische Amt der Stadt treffen mit Uwe Becker (CDU) und Mike Josef (SPD) zwei Kontrahenten aufeinander, die in Frankfurt nicht erst bekannt sind, seit ihre Gesichter den Bürgerinnen und Bürgern von Tausenden von Wahlplakaten entgegen lächeln. Becker gehörte bis 2021 fast 15 Jahre lang ununterbrochen dem Magistrat an, verwaltete jahrelang als Kämmerer die Finanzen der fünftgrößten Kommune Deutschlands. Josef wiederum ist seit 2016 Dezernent für Planung und Wohnen. Wunsch nach Normalität Zwei etablierte Kommunalpolitiker also. Keine Experimente im Frankfurter Römer. Nachdem die Korruptionsaffäre um den im November 2022 abgewählten Oberbürgermeister Peter Feldmann die Stadt jahrelang in Aufruhr versetzte, scheint bei den Wählerinnen und Wählern der Wunsch nach Normalität und Kontinuität obsiegt zu haben. Dabei hätten sie durchaus ein andere Wahl gehabt. Nicht weniger als 20 Namen standen beim ersten Wahlgang Anfang März auf dem Stimmzettel. Neben den Kandidatinnen und Kandidaten der etablierten Parteien auch seriöse Politik-Quereinsteiger und stadtbekannte Exzentriker. Ein geschasster Ex-Bürgermeister und ein buntes Bewerberfeld - eigentlich die passenden Zutaten für einen knalligen Wahlkampf. Doch großspurige Auftritte und Schlammschlachten waren am Main nicht angesagt. Die Themen Wohnen, Sicherheit, Klima und Verkehr beherrschten den sachlich-gedämpften Wahlkampf. Wobei sich zeigte, dass zumindest die drei größten Parteien - Grüne, CDU und SPD - in ihren Zielen nicht sonderlich weit auseinanderliegen. Gleiches lässt sich von den Stichwahlkandidaten sagen. Suche nach bezahlbarem Wohnraum Bezahlbarer Wohnraum, Klimaneutralität und neue Verkehrskonzepte: Die Schwerpunktthemen sind bei Becker und Josef im Wesentlichen deckungsgleich. Gestritten wird weniger über Ziele als über den Weg dahin. So setzt SPD-Kandidat Josef etwa beim Thema Wohnungsbau auf ein großangelegtes Neubauprojekt im Nordwesten der Stadt, wo auf bislang unbebautem Gebiet ein neuer Stadtteil entstehen soll. Das von Kritikern als "Trabantenstadt" geschmähte Vorhaben soll 7000 neue Wohnungen schaffen und so den chronisch angespannten Frankfurter Mietmarkt entlasten. CDU-Kandidat Becker hingegen lehnt das Großprojekt ab. Er setzt stattdessen auf Nachverdichtung in den bereits bestehenden Stadtteilen. Thema Verkehr könnte die Wahl entscheiden Größere Reibungspunkte hingegen gibt es beim Thema Verkehr. Sowohl Becker als auch Josef sprechen sich grundsätzlich für eine "Mobilitätswende" zugunsten klimafreundlicher Verkehrsträger aus. Doch während Josef unmissverständlich deutlich macht, dass dies nur auf Kosten des Autoverkehrs umsetzbar ist, will CDU-Mann Becker das Auto "nicht aus der Stadt vertreiben". Das Verkehrsthema könnte durchaus entscheidend sein. Denn obwohl Becker in der ersten Runde mit 34,5 Prozent klar vor dem Zweitplatzierten Josef (24 Prozent) landete, geht er nicht als Favorit ins Rennen. Beide Kandidaten müssen um die Wählerschaft der Grünen werben, deren Kandidatin Manuela Rottmann mit 21,3 Prozent nur knapp den Einzug in die Stichwahl verpasste. Wen wählen die Grünen-Anhänger? Dass die Grünen-Wählerinnen und -Wähler gerade beim Thema Verkehr Josef näher stehen als Becker, gilt als ausgemacht. Zumal Becker im Falle eines Wahlsiegs angekündigt hat, den Grünen im Magistrat die Zuständigkeit für das Verkehrsdezernat zu entziehen. Die Grünen-Fraktion im Römer hat daher schon zur Wahl von Mike Josef aufgerufen. Dem Ruf an die Wahlurnen muss die Wählerschaft aber erst einmal folgen. Sollte sich ein nicht unwesentlicher Teil der Grünen-Wähler entscheiden, diesmal lieber zu Hause zu bleiben, wäre dies vermutlich ein Nachteil für Josef. Becker wiederum, der wahrscheinlich mit nur wenigen "Überläufern" von den Grünen rechnen kann, muss alles daran setzen, dass alle, die ihn theoretisch gern als Oberbürgermeister sehen wollen, auch ganz praktisch den Weg zum Wahllokal finden. Beide Kandidaten sind darauf angewiesen, dass möglichst viele Stammwähler ihrer Partei am Sonntag ihre Stimme abgeben. Luft nach oben ist jedenfalls: In der ersten Wahlrunde lag die Wahlbeteiligung bei knapp 40 Prozent.
/inland/innenpolitik/frankfurt-ob-stichwahl-101.html
2023-03-26
"Kreml nimmt Belarus als nukleare Geisel"
Stationierung russischer Atomwaffen
Russland will in Belarus taktische Atomwaffen stationieren. Droht eine weitere Eskalation? Während sich die USA betont zurückhaltend geben, warnt ein Berater des ukrainischen Präsidenten vor möglichen Folgen - vor allem für Belarus. mehr
Russland will in Belarus taktische Atomwaffen stationieren. Droht eine weitere Eskalation? Während sich die USA betont zurückhaltend geben, warnt ein Berater des ukrainischen Präsidenten vor möglichen Folgen - vor allem für Belarus. Nach der Ankündigung von Präsident Wladimir Putin, taktische Atomwaffen in Belarus stationieren zu wollen, wächst die Sorge vor einer möglichen weiteren Eskalation. Ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj warnte auf Twitter vor den Folgen der Stationierung solcher Waffen für Belarus. "Putins Statement ist ein weiterer Schritt in Richtung einer Destabilisierung des Landes", schrieb Oleksiy Danilow, der Vorsitzende des Nationalen Verteidigungs- und Sicherheitsrats. Der Kreml habe Belarus als nukleare Geisel genommen. putin’s statement about placing tactical nuclear weapons in Belarus – a step towards internal destabilization of the country – maximizes the level of negative perception and public rejection of russia and putin in Belarusian society. The kremlin took Belarus as a nuclear hostage. Danilow zufolge steigere die Ankündigung von Russlands Präsident Wladimir Putin "den Grad der negativen Wahrnehmung und der öffentlichen Ablehnung von Russland und Putin in der belarusischen Gesellschaft". "Versuch der nuklearen Einschüchterung" Putin hatte im Staatsfernsehen bekannt gegeben, dass sich Russland und Belarus auf die Stationierung von taktischen Atomwaffen verständigt haben. Es ist das erste Mal seit den 1990er-Jahren, dass Russland Atomwaffen außerhalb seines eigenen Landes stationiert. Der Kremlchef verwies darauf, dass auch die USA bei Verbündeten in Europa Atomwaffen stationiert haben. "Wir machen nur das, was sie schon seit Jahrzehnten machen", sagte Putin. Am 1. Juli werden demnach die Lager im ukrainischen Nachbarland fertiggestellt sein. Russland habe in Belarus bereits zehn Flugzeuge stationiert, die als Träger von Nuklearwaffen geeignet seien. Auch eine Anzahl taktischer Iskander-Marschflugkörper, die zum Abschuss von Atomwaffen geeignet seien, sei verlegt worden. Internationale Verträge zur Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen würden nicht verletzt, weil diese Waffen nicht an Belarus übergeben würden, sondern im Besitz Russlands verblieben, sagte Putin weiter. Bereits am 3. April beginne die Ausbildung für die Besatzungen der atomwaffenfähigen Flugzeuge. Die deutsche Regierung zeigte sich alarmiert. Das Auswärtige Amt sprach von einem "weiteren Versuch der nuklearen Einschüchterung". Deutschland werde sich davon aber nicht beirren lassen, hieß es. Der von Putin gezogene Vergleich zur nuklearen Teilhabe der NATO sei irreführend und diene nicht zur Begründung des Schritts, so das Auswärtige Amt. Zudem würde Belarus damit mehreren Erklärungen widersprechen, in denen es sich international festgelegt habe, nuklearwaffenfreies Territorium zu sein. USA: Beobachten Situation nach Putins Ankündigung Die USA hingegen reagierten zurückhaltender auf Putins Ankündigung. "Wir haben keine Gründe gesehen, unsere eigene strategische nukleare Haltung anzupassen, noch irgendwelche Hinweise darauf, dass Russland den Einsatz einer Atomwaffe vorbereitet", sagte eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats, Adrienne Watson. Man werde die Auswirkungen von Putins Bekanntgabe im Auge behalten. Außerdem blieben die USA der kollektiven Verteidigung der NATO verpflichtet. Einsatz von nuklearen Waffen laut ISW-Analyse unwahrscheinlich Auch das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) sieht keine wachsende Gefahr eines Atomkriegs. Das Risiko einer Eskalation hin zu einem Nuklearkrieg bleibe extrem niedrig, schreibt das ISW in einer Analyse. Schon bisher könne Russland mit seinen Atomwaffen jeden Punkt der Erde erreichen. Putin sei aber ein "risikoscheuer Akteur, der wiederholt mit dem Einsatz von Atomwaffen droht, ohne Absicht, das auch durchzuziehen". Putin wolle im Westen Ängste vor einer atomaren Eskalation schüren, um so die Unterstützung für die Ukraine etwa bei der Lieferung schwerer Waffen zu brechen. Nach ISW-Einschätzung ist es weiter "sehr unwahrscheinlich, dass Russland nukleare Waffen in der Ukraine oder anderswo einsetzt". Putins Schritt habe sich bereits vor dem Krieg in der Ukraine angekündigt, teilte das ISW mit. Russland zementiere mit der Stationierung nuklearer Waffen in Belarus vor allem seinen Einfluss in der Ex-Sowjetrepublik. Versuch der Einschüchterung der NATO Die auf Rüstungs- und Sicherheitsthemen spezialisierte "Federation of American Scientists" glaubt, dass Putin mit seiner Ankündigung vor allem auf die NATO abzielt. "Das ist ein Teil von Putins Versuch, die NATO einzuschüchtern", sagte der Experte Hans Kristensen. Militärischen Nutzen ziehe Russland aus diesem Schritt allerdings nicht, da es bereits ein umfassendes Atomwaffenarsenal auf dem eigenen Staatsgebiet unterhalte. Die NATO selbst sieht laut eigenen Angaben keinen Handlungsbedarf mit Blick auf die eigenen Nuklearwaffen. Man sei wachsam und beobachte die Situation genau, teilte eine Sprecherin mit. "Wir haben keine Veränderungen in Russlands nuklearer Aufstellung gesehen, die uns veranlassen würden, unsere eigene anzupassen", sagte sie. Russlands nukleare Rhetorik sei gefährlich und verantwortungslos. ICAN warnt vor einer möglichen Eskalation Besorgter äußerte sich die Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). Der Plan von Russlands Präsident Putin sei eine "extrem gefährliche Eskalation", warnte die mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Organisation in Genf. Dies erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass solche Waffen zum Einsatz kommen. "Im Kontext des Ukraine-Kriegs ist das Risiko einer Fehleinschätzung oder Fehlinterpretation extrem hoch." Die Organisation erinnerte daran, dass der Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW) Staaten verbiete, ausländische Atomwaffen auf ihrem Territorium zuzulassen. Das 2017 verabschiedete Abkommen wurde bislang von 92 Staaten unterzeichnet. Russland und Belarus sind nicht darunter. Auch Staaten mit US-Atomwaffenstützpunkten - Deutschland, Belgien, Italien, die Niederlande und die Türkei - haben nicht zugestimmt.
/ausland/europa/putin-atomwaffen-stationierung-belarus-103.html
2023-03-26
Mehr Straftaten in Deutschland
Nach Corona-Pandemie
Die Zahl der Straftaten in Deutschland nimmt wieder zu. Das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik für 2022 hervor, über die die "Welt am Sonntag" vorab berichtet. Bundesweit wurden demnach 5,62 Millionen Straftaten registriert. mehr
Die Zahl der Straftaten in Deutschland nimmt wieder zu. Das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik für 2022 hervor, über die die "Welt am Sonntag" vorab berichtet. Bundesweit wurden demnach 5,62 Millionen Straftaten registriert. Die Zahl der in Deutschland erfassten Straftaten ist nach dem Abebben der Corona-Pandemie wieder gestiegen. Unter Berufung auf die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), die Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Donnerstag offiziell in Berlin vorstellen will, berichtet die "Welt am Sonntag", dass 2022 bundesweit rund 5,6 Millionen Straftaten begangen worden seien. Die entspricht einem Anstieg um 11,5 Prozent im Vergleich zum Jahr davor. Mehr Einbruchsdiebstahl trotz Homeoffice In den Jahren davor war die Anzahl registrierter Straftaten in der Bundesrepublik zurückgegangen. Die aktuelle Fallzahl liegt nach Angaben der "Welt am Sonntag" aber auch um 3,5 Prozent über der Vergleichszahl von 2019, dem letzten Jahr ohne Corona-Einschränkungen. Die Aufklärungsquote wurde mit 57,3 Prozent angegeben. Dem Bericht zufolge stieg auch die Zahl der Tatverdächtigen gegenüber dem Jahr 2021 - um 10,7 Prozent auf rund 2,1 Millionen. Etwa ein Drittel der insgesamt 5,62 Millionen Straftaten entfalle dabei auf Diebstahlsdelikte. Dabei gebe es einen Anstieg um 20 Prozent auf 1,78 Millionen Fälle. Insgesamt liege das Niveau jedoch unter dem Jahr 2019 (1,82 Millionen).  Ein Anstieg sei auch im Wohnungseinbruchdiebstahl zu verzeichnen: Dieser habe um 21,5 Prozent auf 65.908 Fälle zugenommen, obwohl noch viele Bürger im Homeoffice arbeiten und daher weniger Tatmöglichkeiten bestünden. Auch die Fallzahlen bei Taschendiebstahl und Ladendiebstahl seien gestiegen, heißt es. Steigende Kriminalität unter Jugendlichen Eine auffällige Entwicklung zeichnet sich nach Angaben der "Welt am Sonntag" im Bereich der Jugendkriminalität ab. Mit einem Plus von 35,5 Prozent gibt es dem Bericht zufolge einen signifikanten Anstieg bei tatverdächtigen Kindern (93.095). Das sind deutlich mehr als noch 2019 (72.890). Ein neuer "Trend" sei dabei das Verbreiten kinderpornografischer Video- und Bilddateien in Chatgruppen unter Schülern. Zudem weist die PKS 189.149 tatverdächtige Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren aus - im Jahr 2019 waren es noch 177.082. Häufigste Tat bei Kindern und Jugendlichen sei dabei Diebstahl, gefolgt von Körperverletzung, Sachbeschädigung und Rauschgiftkriminalität. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul forderte dem Zeitungsbericht zufolge, dass sich die nächste Innenministerkonferenz verstärkt mit der steigenden Kinder- und Jugendgewalt beschäftigen müsse. Mangelnde Sozialkompetenz sei dafür eine Ursache: "Aber auch das Internet mit all seinen zwielichtigen Seiten, teils gewaltverherrlichenden Videos oder Spielen, die da kursieren, wird seinen Anteil daran haben", so Reul.
/inland/gesellschaft/straftaten-deutschland-einbrueche-101.html
2023-03-26
Mindestens 26 Tote bei Tornado in den USA
Mississippi und Alabama
Der heftige Tornado im Süden der USA hat mindestens 26 Menschen das Leben gekostet. Im besonders von Armut betroffenen Bundesstaat Mississippi wurden ganze Ortschaften zerstört. Metereologen warnen vor weiteren Stürmen. mehr
Der heftige Tornado im Süden der USA hat mindestens 26 Menschen das Leben gekostet. Im besonders von Armut betroffenen Bundesstaat Mississippi wurden ganze Ortschaften zerstört. Metereologen warnen vor weiteren Stürmen. Die Zahl der Todesopfer nach dem schweren Tornado im Süden der USA ist auf mindestens 26 gestiegen. Allein im US-Bundesstaat Mississippi wurden dem Katastrophenschutz zufolge 25 Menschen getötet und zahlreiche Menschen verletzt. Laut Medienberichten kam zudem mindestens ein Mensch im benachbarten Alabama ums Leben. Hunderte Menschen wurden obdachlos. Mindestens ein Tornado war am Freitagabend (Ortszeit) durch Mississippi gefegt, mehrere Stürme tobten in der Region. Der Sturm mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 320 Kilometern pro Stunde habe mehr als eine Stunde gewütet. In einem 270 Kilometer langen Gebiet sei die Landschaft zerstört, teilte der Nationale Wetterdienst mit. Vor allem in den Städten Silver City und Rolling Fork richtete der Tornado Verwüstung an. Es wurden Dächer von Häusern gefegt, Bäume aus der Erde gerissen und Stromleitungen beschädigt. "Meine Stadt ist weg" In der fast völlig zerstörten Kleinstadt Rolling Fork, Mississippi, wohnten bislang rund 2000 Menschen - viele von ihnen in ausgebauten Wohnwagen. Ein großer Teil der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. "Meine Stadt ist weg. Aber wir werden widerstandsfähig sein und wir werden zurückkommen", sagte der Bürgermeister der Stadt, Eldridge Walker, im US-Fernsehen. Als die Sturmwarnung kam, hätten er und seine Frau Schutz in der Badewanne ihres Hauses gesucht. Nun biete seine Stadt das Bild "völliger Verwüstung". Der Gouverneur des Bundesstaates Mississippi, der Republikaner Tate Reeves, rief den Notstand aus und versprach, die zerstörten Orte wieder aufzubauen. Amory first responders and volunteers ending the day by bowing their heads in prayer for their community.Incredibly inspired by how Mississippians have come together in this tragic moment. God is good, and our state is strong. https://t.co/yldjJGGSYS "Dies ist einer der selteneren Tornados, die wir in der Geschichte von Mississippi gesehen haben, wenn man die Langlebigkeit und Stärke über einen bestimmten Zeitraum betrachtet", sagte Metereologe Lance Perrilloux dem Radiosender NPR. Mindestens ein weiterer, schwächerer Tornado könnte in dem Bundesstaat gewütet haben, das sei aber noch nicht bestätigt. Der Wetterdienst warnte vor weiteren schweren Gewittern mit Hagelkörnern, die die Größe von Hühnereiern erreichen könnten. Auch erneute Tornados und Windböen mit einer Geschwindigkeit von mehr als 110 Kilometern pro Stunde seien möglich. Die Meteorologen gehen davon aus, dass sich die Stürme erst am Abend abschwächen und von vereinzelten Schauern gefolgt werden dürften. Jill and I are praying for those who have lost loved ones in the devastating tornadoes in Mississippi and those whose loved ones are missing. I spoke with @tatereeves, @SenatorWicker, @SenHydeSmith, and @BennieGThompson to express my condolences and offer full federal support. Wiederaufbau könnte Jahre dauern Die Chefin der nationalen Katastrophenschutz-Behörde Fema, Deanne Criswell, und Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas wollten die betroffene Region besuchen. "Wir werden alles tun, was wir können, um zu helfen", versprach US-Präsident Joe Biden angesichts der "herzzerreißenden" Bilder aus Mississippi. Mississippi gilt als ärmster Bundesstaat der USA, weshalb Naturkatastrophen wie der jetzige Tornados die Menschen dort besonders hart treffen. Der Wiederaufbau könnte sich über viele Jahre hinziehen.
/ausland/amerika/tornado-usa-suedstaaten-103.html
2023-03-26
"Viele kehren gar nicht mehr zurück"
Verschleppte ukrainische Kinder
Tausende ukrainische Kinder sollen nach Russland verschleppt worden sein. Um sie zurückzuholen, müssen ihre Eltern sie persönlich abholen. Doch nicht allen gelingt das. Von Tobias Dammers.
Tausende ukrainische Kinder sollen nach Russland verschleppt worden sein. Um sie zurückzuholen, müssen ihre Eltern sie persönlich abholen. Doch nicht allen gelingt das. Das Angebot, das Ihor später zum Opfer eines mutmaßlichen Kriegsverbrechens machte, war zu verlockend, um es abzulehnen: ein Ferienlager in der russischen Stadt Anapa, weit entfernt von der Kampfzone in seiner ukrainischen Heimat - angeboten durch die russischen Besatzungsbehörden. Der erste Urlaub im Leben des 16-Jährigen sollte mehrere Wochen dauern und kostenlos sein. Aber es kam anders. Denn der Urlaub wurde zur Entführung und vermutlich sogar Teil eines Kriegsverbrechens. Was der schmächtige, blasse Junge nicht ahnen konnte: Aus dem Ferienlager in Russland wird er mehr als vier Monate nicht zurückkehren. Ihor ist eines von laut ukrainischen Angaben mehr als 16.000 Kindern und Jugendlichen, die während des Krieges von Russland verschleppt worden sind. Erst seit rund zwei Wochen ist Ihor wieder zurück in der Ukraine. "Zurückzukommen ist ein großer Schritt", sagt Ihor. "Viele kehren gar nicht mehr zurück." Rückeroberung der Heimat verhindert Heimkehr Ursprünglich stammen Ihor und seine Mutter Natalja Lysevych aus dem Dorf Antoniwka in der Region Cherson im Süden der Ukraine. Direkt in den ersten Tagen der Invasion erobern die russischen Truppen ihre Heimatgegend. Es folgen acht Monate russische Besatzung und damit auch der Konsum ausschließlich russischer Medien. Von Kriegsgräueln wie in Butscha oder Irpin hätten sie nichts mitbekommen, sagt Lysevych. Die Besatzung wurde zur neuen Normalität. Sie sagen dem Angebot der russischen Besatzer zu - und Ihor reist ins Ferienlager nach Anapa. Kurz vor dem geplanten Ende seines Aufenthalts im Camp ändert sich allerdings die militärische Situation, als die ukrainische Armee im November weite Teile der Region Cherson und Ihors Heimatdorf überraschend zurückerobert. Seine Rückkehr aus dem Ferienlager wird daraufhin von den russischen Behörden immer wieder verschoben. Er wurde dort festgehalten, erzählt er. Vom Feriencamp in Adoptivfamilien Ihor schätzt, dass mehr als 1000 ukrainische Kinder mit ihm in Russland gewesen seien. Die Behandlung im Feriencamp sei "gut" gewesen, erzählt Ihor. Es habe keine Gewalt und keine Umerziehungsversuche gegeben. Aber eine Begleiterin habe angekündigt, ihn und andere an russische Adoptivfamilien oder Pflegeheime weiterzuschicken. Außerdem habe es im Ferienlager Gerüchte gegeben, dass diejenigen, die in Russland bleiben möchten, Geld erhalten würden. Tausende Kilometer, um Ihor zu retten Der Kontakt zwischen Ihor und seiner Mutter brach zwischenzeitlich ab. Sie erzählt, sie habe Angst gehabt, ihren Sohn nie wiederzusehen. Für sie sei es "ein Schock" gewesen, ihr eigenes Kind in diese Ferien geschickt zu haben, "ohne zu wissen, wie diese enden würden". Über die Hilfsorganisation SOS Kinderdorf Ukraine erfährt sie schließlich, wie sie ihren Sohn nach Hause holen kann. Dazu muss sie persönlich nach Russland reisen und ihn abholen. Die Planung und Reisekosten übernimmt die Hilfsorganisation. Lysevychs Strecke führt über Polen und Belarus bis über die russische Grenze. Von dort muss sie weiter nach Moskau und dann nach Südrussland, nach Anapa, zu Ihor. Es sind tausende Kilometer, eine zweiwöchige Reise. Unterwegs trifft sie Helfer und Fahrer der Organisation. Detailliert will Lysevych darüber aber nicht sprechen. Nach jedem Treffen mit Helfern löscht sie Fotos und Chatverläufe auf dem Handy, erzählt sie. Andere Mütter berichten, dass ihnen beigebracht worden sei, an Check-Points nur von "einem Besuch" ihrer Kinder zu sprechen, nicht von einem "Abholen". In Anapa angekommen, sei Natalja Lysevych von den Betreuern Ihors gefragt worden, ob sie in Russland bleiben wolle. Auch andere Mütter, die in Russland waren, bestätigen solche Angebote. Nachdem sie einige Dokumente unterschrieben habe, habe sie Ihor aber problemlos mitnehmen können, so Lysevych. "Rückholaktion ohne Zustimmung Russlands" Insgesamt konnten bislang 323 verschleppte Kinder in die Ukraine zurückgeholt werden, sagt die ukrainische Kommissarin für Kinderrechte Daria Herasymchuk. Diese Rückholaktionen erfolgten ohne die Zustimmung Russlands, ohne Lösegeld und ohne Gegenleistung: "Das ist kein Austausch", so Herasymchuk. Sie ist überzeugt, dass hinter den Verschleppungen von Kindern eine "klar und gut geplante" Strategie stehe. Ihre Analysen zeigten, dass ukrainische Kinder schnell eine russische Staatsbürgerschaft erhielten und dass Adoptionsprozesse verkürzt worden seien. "Patriotische Bildungsprogramme" Aber nicht immer gelingt es den ukrainischen Eltern und NGOs, Kinder zu retten. Daria Kasyanova von SOS Kinderdorf Ukraine berichtet, dass es schon "Verweigerungen" durch russische Camps oder Adoptivfamilien gegeben habe, obwohl die ukrainischen Verwandten alle notwendigen Dokumente dabei hatten. Außerdem schildert sie die Erzählungen von Kindern, die gerettet worden sind. Vor allem Teenager würden demnach von Drohungen berichten, dass sie der russischen Armee beitreten müssten. Ihren Beobachtungen nach müssten viele der verschleppten ukrainischen Kinder ein "patriotisches Bildungsprogramm" durchlaufen, in dem anti-ukrainische Propaganda verbreitet werde. Russland: "Rettung" vor Kriegswirren Im russischen Fernsehen wird die Verschleppung der Kinder anders dargestellt. Dort heißt es sinngemäß, die Kinder würden vor den Kriegswirren in der Ukraine gerettet und durch Adoptiveltern eine sichere Zukunft bekommen. "380 Kinder" seien bereits in 20 Regionen des Landes gebracht worden, sagt die russische Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belova in einem Interview mit dem kremlnahen Sender Zargrad. Auch sie selbst habe einen fünfzehnjährigen Jungen aus Donezk adoptiert, sagt sie in einem Gespräch mit dem russischen Präsidenten Putin. Gegen beide, Lwowa-Belowa und Putin, läuft wegen ihrer mutmaßlichen Verantwortung für die Verschleppung der ukrainischen Kinder inzwischen ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs. Laut dem Kreml sei der Haftbefehl "rechtlich nichtig". Russland erkennt den Strafgerichtshof nicht an.
/ausland/europa/zwangsadoption-kinder-ukraine-russland-101.html
2023-03-26
Eine Stunde ohne Licht
"Earth Hour"
Auch in diesem Jahr haben viele Länder anlässlich der Klima-Protestaktion "Earth Hour" das Licht an ihren Wahrzeichen eine Stunde abgeschaltet. Russland verweigerte explizit die Teilnahme. mehr
Auch in diesem Jahr haben viele Länder anlässlich der Klima-Protestaktion "Earth Hour" das Licht an ihren Wahrzeichen eine Stunde abgeschaltet. Russland verweigerte explizit die Teilnahme. Symbolische Dunkelheit im Namen des Umweltschutzes: Rund um den Globus haben viele Menschen während der Aktion "Earth Hour" für eine Stunde das Licht ausgeschaltet. Laut den Veranstaltern gab es am Samstag in rund 190 Ländern und Hunderten Städten entsprechende Aktionen unter dem Motto "Gemeinsam für mehr Klimaschutz". Die vom WWF in Australien ins Leben gerufene Klima- und Umweltschutzaktion setzt seit 2007 ein Zeichen dafür, dass sich die Menschheit besser um die Erde kümmern muss. "Es geht bei der 'Earth Hour' nicht darum, durch das Lichtausschalten Energie zu sparen", erläuterte der WWF. Die Aktion sei vielmehr eine symbolische und friedliche Form des Protests. "Waldbrände, Dürren und Überflutungen haben uns 2022 erneut die dramatischen Auswirkungen der Klimakrise vor Augen geführt", hieß es vom WWF. "Dieses Jahrzehnt wird darüber entscheiden, ob wir die Klimakrise noch auf ein kontrollierbares Maß beschränken können." In Deutschland geht das Licht aus Für die "Earth Hour" blieben ab 20:30 Uhr jeweils zur Ortszeit Sehenswürdigkeiten, Büros und Wohnungen 60 Minuten lang dunkel. In Deutschland bekommt die meiste Aufmerksamkeit dabei traditionell das Brandenburger Tor als Wahrzeichen der Hauptstadt Berlin. Aber auch am Hamburger Rathaus, dem Kölner Dom oder der Frauenkirche in Dresden wurde für eine Stunde das Licht ausgeknipst. Jedes Jahr sind auch Privathaushalte dazu aufgerufen, gemeinsam die Beleuchtung auszuschalten. Insgesamt nahmen bundesweit mehr als 550 Orte an der Aktion teil. Anders als in den Vorjahren musste mancherorts die Beleuchtung nicht extra ausgeschaltet werden - denn sie war ohnehin gar nicht mehr an. So verwies das Staatsministerium in Baden-Württemberg mit Blick auf den Ukraine-Krieg darauf, dass die Beleuchtung seit dem Sommer insgesamt so weit wie möglich zurückgefahren worden sei - als Beitrag zum Energiesparen. Auch in München sind viele Wahrzeichen schon seit Juli 2022 nicht mehr beleuchtet. Eine Stunde für die Welt Den Startschuss für die "Earth Hour" gaben die Staaten im Asien-Pazifik-Raum. In Neuseeland blieben etwa der Sky Tower sowie das Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Wellington im Dunkeln. In der australischen Metropole Sydney folgten wenig später die weltberühmte Harbour Bridge und das Opernhaus. In Malaysia gingen die Lichter der Petronas Towers in Kuala Lumpur aus. Und auch in Thailands Hauptstadt Bangkok verdunkelten sich fünf ikonische Bauwerke, darunter das Nationalheiligtum des Landes, der Tempel des Smaragd-Buddhas. Zuletzt wurden auch in diesem Jahr auf dem amerikanischen Kontinent die Lichter ausgeschaltet: Im kanadischen Toronto verdunkelte sich der CN Tower, beim Nachbarn USA waren neben dem New Yorker Empire State Building unter anderem die Space Needle in Seattle sowie der Willis Tower in Chicago vorübergehend unbeleuchtet. In Los Angeles blieben die Lichter des solarbetriebenen Riesenrads auf dem Pier von Santa Monica aus. Russland nimmt nicht teil Nicht mit dabei war in diesem Jahr Russland. Die Lichter an öffentlichen Gebäuden dort blieben an. Kremlsprecher Dmitri Peskow begründete das damit, dass der Initiator WWF auf der russischen Liste "ausländischer Agenten" stehe. Das umstrittene Gesetz hinter dieser Liste dient in Russland der Stigmatisierung von Personen, Medien und Nichtregierungsorganisationen, die nicht linientreu sind. An früheren "Earth Hour"-Aktionen seit 2013 hatte Russland hingegen teilgenommen und zum Beispiel die Fassadenbeleuchtung am Kreml abgeschaltet.
/inland/gesellschaft/earth-hour-umwelt-klima-101.html
2023-03-26
"Versuch der nuklearen Einschüchterung"
Russische Atomwaffen in Belarus
Das Auswärtige Amt wirft Russlands Präsident Putin "nukleare Einschüchterung" vor. Belarus habe sich verpflichtet, frei von Nuklearwaffen zu bleiben. Laut Pentagon gibt es keine Hinweise darauf, dass Russland einen Einsatz der Waffen vorbereite. mehr
Das Auswärtige Amt wirft Russlands Präsident Putin "nukleare Einschüchterung" vor. Belarus habe sich verpflichtet, frei von Nuklearwaffen zu bleiben. Laut Pentagon gibt es keine Hinweise darauf, dass Russland einen Einsatz der Waffen vorbereite. Die Ankündigung von Russlands Präsident Wladimir Putin zur Stationierung von Atomwaffen im Nachbarland Belarus ist bei der Bundesregierung auf Kritik gestoßen. Im Auswärtigen Amt in Berlin war am Samstagabend von einem "weiteren Versuch der nuklearen Einschüchterung" die Rede. Weiter hieß es: "Der von Präsident Putin gezogene Vergleich zur Nuklearen Teilhabe der NATO ist irreführend und kann nicht dazu dienen, den von Russland angekündigten Schritt zu begründen." Zudem habe sich Belarus international in mehreren Erklärungen darauf festgelegt, frei von Nuklearwaffen zu sein. Putin hatte am Abend im Staatsfernsehen bekanntgegeben, dass sich Russland und Belarus auf die Stationierung von taktischen Atomwaffen verständigt haben. Der Kremlchef verwies darauf, dass auch die USA bei Verbündeten in Europa Atomwaffen stationiert haben. "Wir machen nur das, was sie schon seit Jahrzehnten machen", sagte Putin. USA: Beobachten Situation nach Putins Ankündigung Die US-Regierung sieht erst einmal keinen Handlungsbedarf. "Wir haben keine Gründe gesehen, unsere eigene strategische nukleare Haltung anzupassen, noch irgendwelche Hinweise darauf, dass Russland den Einsatz einer Atomwaffe vorbereitet", sagte eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats, Adrienne Watson. Man werde die Auswirkungen von Putins Bekanntgabe im Auge behalten. Außerdem blieben die USA der kollektiven Verteidigung der NATO verpflichtet. Das US-Verteidigungsministerium beobachtet nach eigenen Angaben die Lage. Kampagne gegen Atomwaffen: "Extrem gefährliche Eskalation" Aus Sicht der Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) könnte die Stationierung russischer Nuklearwaffen in Belarus zur Katastrophe führen. Der Plan von Russlands Präsident Wladimir Putin sei eine "extrem gefährliche Eskalation", warnte die mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Organisation in Genf. Dies erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass solche Waffen zum Einsatz kommen. "Im Kontext des Ukraine-Kriegs ist das Risiko einer Fehleinschätzung oder Fehlinterpretation extrem hoch." Die Organisation erinnerte daran, dass der Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW) Staaten verbiete, ausländische Atomwaffen auf ihrem Territorium zuzulassen. Das 2017 verabschiedete Abkommen wurde bislang von 92 Staaten unterzeichnet. Russland und Belarus sind nicht darunter. Auch Staaten mit US-Atomwaffenstützpunkten - Deutschland, Belgien, Italien, die Niederlande und die Türkei - haben nicht zugestimmt.
/ausland/europa/reaktionen-atomwaffen-putin-belarus-101.html
2023-03-26
Volksentscheid deutlich gescheitert
"Klimaneutral 2030" in Berlin
Berlin nimmt sich zunächst keine strengeren Klimaziele vor. Bei einem Volksentscheid wurde die nötige Stimmenzahl für eine Gesetzesänderung verfehlt, wie die Landeswahhleitung kurz vor Abschluss der Auszählung mitteilte. mehr
Berlin nimmt sich zunächst keine strengeren Klimaziele vor. Bei einem Volksentscheid wurde die nötige Stimmenzahl für eine Gesetzesänderung verfehlt, wie die Landeswahhleitung kurz vor Abschluss der Auszählung mitteilte. Der Volksentscheid für ehrgeizigere Klimaziele in Berlin ist gescheitert. Die nötige Mindestzahl von "Ja"-Stimmen sei nicht mehr zu erreichen, teilte die Landeswahlleitung kurz vor Abschluss der Auszählung mit. Nach Auszählung von etwa 98 Prozent der Stimmen lagen die Befürworter demnach zwar knapp vor den Gegnern einer solchen Gesetzesänderung. Damit wurde indes nur eine Voraussetzung für einen erfolgreichen Volksentscheid erfüllt. Die zweite Voraussetzung, eine Zustimmungsquote (Quorum) von mindestens 25 Prozent aller Wahlberechtigten, wurde indes verfehlt. Kurz vor Ende der Auszählung standen rund 423.000 "Ja"-Stimmen etwa 405.000 "Nein"-Stimmen gegenüber. Das Quorum für einen erfolgreichen Volksentscheid lag bei etwa 608.000 "Ja"-Stimmen. Änderung des Landes-Energiewendegesetzes angestrebt Erzwungen hatte das Bündnis "Klimaneustart" die Abstimmung mit einer viermonatigen Unterschriftensammlung im Vorjahr. Im Falle eines Erfolgs wäre das geänderte Gesetz beschlossen gewesen und in Kraft getreten. Das Bündnis wollte mit der Abstimmung eine Änderung des Landes-Energiewendegesetzes erreichen. Konkret sollte sich Berlin verpflichten, bis 2030 und nicht wie bislang vorgesehen bis 2045 klimaneutral zu werden. Umstrittenes Ziel bis 2030 Klimaneutralität bedeutet, dass keine Treibhausgase emittiert werden, die über jene hinausgehen, die durch die Natur oder sonstige Senken aufgenommen werden. Dafür müssten die klimaschädlichen Emissionen etwa von Verbrennerautos, Flugzeugen, Heizungen, Kraftwerken oder Industriebetrieben um etwa 95 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden. Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Die EU hat sich das als Ziel bis 2050 gesetzt. Umstritten war vor der Abstimmung, ob Berlin dieses Ziel überhaupt bereits 2030 hätte schaffen können. Die Initiatoren des Volksentscheids und ihre Unterstützer etwa bei Umweltorganisationen, Mieterverein, in der Kulturszene oder auch bei Grünen und Linken bejahten das. Der nach der Wiederholungswahl im Februar noch amtierende rot-grün-rote Berliner Senat stufte das Zieljahr 2030 in einer Stellungnahme hingegen als unrealistisch ein.
/inland/berlin-volksentscheid-107.html
2023-03-26
Lindner will E-Fuel-Fahrzeuge entlasten
Kfz-Steuer
Nachdem die FDP die weitere Zulassung von mit E-Fuels betriebenen Fahrzeugen in der EU durchsetzen konnte, will Finanzminister Lindner diese nun steuerlich besserstellen. Er kündigte ein Konzept für eine Reform der KfZ-Steuer an. mehr
Nachdem die FDP die weitere Zulassung von mit E-Fuels betriebenen Fahrzeugen in der EU durchsetzen konnte, will Finanzminister Lindner diese nun steuerlich besserstellen. Er kündigte ein Konzept für eine Reform der KfZ-Steuer an. Nach der Einigung im Streit über die Zulassung von Autos mit Verbrennungsmotoren in der EU nach 2035 will Bundesfinanzminister Christian Lindner die Besteuerung von Kraftfahrzeugen reformieren. Autos, die mit klimaneutralen synthetischen Kraftstoffen - den sogenannten E-Fuels - betankt werden, sollten künftig geringer besteuert werden als die derzeit mit Benzin oder Diesel betriebenen Fahrzeuge, sagte der FDP-Vorsitzende. "Wenn der Kraftstoff klimafreundlich ist, dann muss die Besteuerung von der Kraftfahrzeugsteuer bis zur Energiesteuer angepasst werden." Das Finanzministerium werde dazu ein Konzept vorlegen. "Es wird noch dauern, bis wir solche Fahrzeuge auf der Straße sehen und E-Fuels im Tank haben", sagte Lindner. "Aber für die Menschen und die Wirtschaft wird es eine wichtige Planungsgröße sein, dass die E-Fuels günstiger besteuert werden als fossile Kraftstoffe." Einigung zwischen EU und Bundesregierung Die Ankündigung kommt nach wochenlangem Ringen um die Zukunft von Autos mit Verbrennungsmotor. Die Bundesregierung hatte sich am Freitagabend mit der EU-Kommission auf einen Kompromiss verständigt. Danach können auch nach 2035 Neuwagen mit einem solchen Antrieb in der EU zugelassen werden, wenn sie mit klimaneutralem Kraftstoff betankt werden. Das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten hatten sich eigentlich im Oktober darauf geeinigt, dass von 2035 an keine Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr neu zugelassen werden dürfen. Deutschland bremste den Beschluss auf Druck der FDP jedoch in letzter Minute aus, was bei einem Teil der EU-Partner für Empörung sorgte. Noch unklar, ob sich die Produktion von E-Fuel-Autos lohnt E-Fuels werden mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energien, Wasser und CO2 aus der Luft hergestellt. Sie setzen damit anders als herkömmliche fossile Kraftstoffe wie Benzin oder Diesel keine zusätzlichen klimaschädlichen Gase frei. Wegen des hohen Stromverbrauchs bei der Erzeugung und den hohen Herstellungskosten ist derzeit noch unklar, ob sich die Produktion von mit E-Fuels betriebenen Autos wirklich lohnt.
/wirtschaft/verbraucher/lindner-will-kfz-steuerreform-101.html
2023-03-26
Verteidigungsminister Galant muss gehen
Streit um Israels Justizwesen
Israels Premier Netanyahu hat im Konflikt um die Zukunft der Justiz des Landes Verteidigungsminister Galant entlassen. Dieser hatte zuvor als erstes Kabinettsmitglied einen zumindest vorläufigen Stopp des Umbaus gefordert. mehr
Israels Premier Netanyahu hat im Konflikt um die Zukunft der Justiz des Landes Verteidigungsminister Galant entlassen. Dieser hatte zuvor als erstes Kabinettsmitglied einen zumindest vorläufigen Stopp des Umbaus gefordert. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat Verteidigungsminister Joaw Galant entlassen. Das teilte das Büro des Regierungschefs mit. Galant, der wie Netanyahu der Likud-Partei angehört, hatte dessen Vorgehen bei dem umstrittenen Umbau des Justizwesens kritisiert. Polizeiminister Itamar Ben-Gwir, der Netanyahus rechtsextremem Koalitionspartner Otzma Jehudit angehört, hatte den Regierungschef zur Entlassung Galants aufgefordert. Am Samstag hatte Galant den erbitterten gesellschaftlichen Streit über das Vorhaben als Bedrohung der nationalen Sicherheit bezeichnet. Er verlangte einen Stopp des Gesetzgebungsverfahrens. "Die zunehmende Spaltung sickert in die Institutionen des Militärs und der Verteidigung. Das ist eine klare, unmittelbare und reale Gefahr für Israels Sicherheit", sagte Galant im Fernsehen. Er hatte sich bereits früher besorgt darüber geäußert, dass Reservisten aus Protest gegen die Justizreform eine Verweigerung des Militärdienstes angekündigt haben. Galant sagte, er unterstütze zwar eine Reform der Justiz. Doch sei dafür ein breiter Konsens notwendig. Massenproteste in mehreren Städten Die geplanten Maßnahmen haben in Israel die schwerste innenpolitische Krise seit Jahren ausgelöst. Am Wochenende demonstrierten erneut Hunderttausende in mehreren Städten gegen das Vorhaben. Im Mittelpunkt der Reform steht das Verfahren zur Auswahl von Richtern. Die Regierung will ihren Einfluss stärken und die Befugnisse des Obersten Gerichtshofs einschränken. Sie begründet dies mit dem Vorwurf, Richter hätten sich in die Politik eingemischt. Kritiker werfen Netanyahus Regierung aus Konservativen, religiösen Fundamentalisten und ultrarechten Nationalisten vor, die Unabhängigkeit der Justiz und die Demokratie einzuschränken.
/ausland/asien/israel-939.html
2023-03-26
"Mut zu 80-Prozent-Lösungen"
Beschaffungen für Bundeswehr
Die FDP-Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann fordert eine Beschleunigung des Beschaffungswesens in der Bundeswehr. Dafür seien auch Anpassungen des Grundgesetzes denkbar. Versäumnisse sieht sie bei Kanzler Scholz. mehr
Die FDP-Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann fordert eine Beschleunigung des Beschaffungswesens in der Bundeswehr. Dafür seien auch Anpassungen des Grundgesetzes denkbar. Versäumnisse sieht sie bei Kanzler Scholz. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sieht mehrere Ansatzpunkte für eine schnellere Beschaffung von Ausrüstung und Waffen für die Bundeswehr. Im Gespräch mit der Presseagentur dpa zeichnete sie einige Möglichkeiten, um entsprechende Prozesse zu beschleunigen. Auch Änderungen am Grundgesetz zieht sie dafür in Betracht. "Zeitenwende muss auch im Beschaffungswesen gelten", sagte Strack-Zimmermann mit Verweis auf die Rede des Bundeskanzlers Olaf Scholz zu Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine. Geprüft werden könnte etwa, ob sich die durch das Grundgesetz derzeit vorgegebene Trennung von Bundeswehr-Verwaltung aufgeben ließe. So könne man "aus dem Nebeneinander ein besseres Miteinander" machen. Deutschland muss Beschaffung strategisch denken Als eine Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte der Bundestag ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Ausstattung der lange vernachlässigten Bundeswehr beschlossen. Doch der Topf wurde bisher kaum angerührt: Opposition und Rüstungsindustrie kritisierten bereits den schleppenden Start der Beschaffungsmaßnahmen. Es gebe noch immer kaum Aufträge, heißt es aus Branchenkreisen. Das Beschaffungswesen der Bundeswehr sei ein "kompliziertes Konglomerat aus Institutionen, Prozessen und Regeln", bemängelte Strack-Zimmermann. Deutschland müsse also lernen, Beschaffung strategisch zu denken. Für die Verteidigungspolitikerin sind dabei drei Faktoren relevant: "Stärkung der europäischen Resilienz, Erhöhung der Kompatibilität mit unseren Partnern und Mut zu 80-Prozent-Lösungen." Der wichtigste Punkt bleibe aber der Wille aller Beteiligten, vom Minister bis zum Sachbearbeiter, der Truppe das richtige Material schneller zur Verfügung zu stellen. Dann seien auch bei der Bundeswehr Ergebnisse in "LNG-Geschwindigkeit" möglich, sagte Strack-Zimmermann mit Fingerzeig auf die außerordentliche Baubeschleunigung bei den neuen Terminals der Bundesrepublik für die Einspeisung von mit Schiffen transportiertem Flüssigerdgas in das deutsche Gasnetz. Unterstützung für Pistorius In Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht Strack-Zimmermann den richtigen Mann für die nötigen Schritte. Sie habe ihn bereits als Vertreter des Bundesrates bei der Parlamentarischen Versammlung der NATO kennengelernt. "Er ist im Thema und fängt nicht bei null an. Zehn Jahre war er als Innenminister Niedersachsens Dienstherr der Polizei. Da gibt es zu Soldaten durchaus Parallelen", sagte sie. Die Rüstungsbelange der Bundesrepublik spielten dabei auch eine Rolle im NATO-Gefüge. Neben den nötigen Aufstockungen, um der Ukraine weiterhin im Krieg beizustehen, müsse man die Bundeswehr eben auch ertüchtigen, damit sie in einem Bündnisfall leisten könne, was der NATO zugesagt sei. Um die Ziele zu erreichen, habe Strack-Zimmermann Pistorius ihre Unterstützung zugesichert: "Ich habe ihm gesagt, geht es um die Modernisierung der Bundeswehr, kann er sich auf die Freien Demokraten verlassen." Hoffnungen setzt die FDP-Politikerin ebenfalls in den neuen Generalinspekteur Carsten Breuer. "Auch er muss Wunder bewirken", sagte sie. "Bei Corona hat er gezeigt, dass er Logistik und Organisation beherrscht, und dass er Zugang zum Kanzler hat. Das ist ja auch nicht das Schlechteste. Ich hoffe, die Berater des Kanzlers hören mehr auf die militärische Expertise des Generalinspekteurs, als dieser auf die vermeintliche Expertise der Kanzlerberater." Versäumnisse im Kanzleramt Strack-Zimmermann hatte sich seit Kriegsbeginn stets für umfangreichere Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen. Dabei kritisierte sie auch oft das zögerliche Handeln des Bundeskanzlers. Viele der mittlerweile aus dem Bestand der Bundeswehr an die Ukraine abgegebenen Waffensysteme seien im Anschluss aber nicht nachbestellt worden und würden nun fehlen. Hier sieht sie Scholz ebenfalls in der Pflicht: "Warum das nicht sofort nachbestellt wurde. Das Nadelöhr dürfte im Kanzleramt gelegen haben." An der Seite der Ukraine zu bleiben, heiße nun, neben humanitärer und wirtschaftlicher Hilfe weiterhin militärisches Material zu liefern - unter anderem Flugabwehrsysteme, Panzerhaubitzen und "Gepard"-Flak-Panzer. "Allem voran aber braucht es Munition, Munition, Munition. Das, was wir den Ukrainern liefern, ist ausgesprochen wirkungsvoll und hat viele Menschenleben gerettet", bekräftigte Strack-Zimmermann.
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2023-03-26
Merz wirft Koalition Bevormundung vor
Debatte um Klimaschutz
CDU-Chef Merz hat der Ampelkoalition vorgeworfen, beim Klimaschutz zu stark auf Verbote zu setzen und die Bevölkerung zu bevormunden. Im Bericht aus Berlin der ARD erklärte er, dass mit Elektrifizierung allein das Problem nicht zu lösen sei. mehr
CDU-Chef Merz hat der Ampelkoalition vorgeworfen, beim Klimaschutz zu stark auf Verbote zu setzen und die Bevölkerung zu bevormunden. Im Bericht aus Berlin der ARD erklärte er, dass mit Elektrifizierung allein das Problem nicht zu lösen sei. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sieht den Klimawandel als "Thema jenseits von Krieg und Frieden". Klimaschutz sei die wichtigste Frage der Menschheit, sagte Merz im "Bericht aus Berlin". Er kritisierte die Ampelkoalition und erklärte, man könne Klimaschutz nicht über Reglementierungen, Bevormundungen und Verbote umsetzen. Über Elektrifizierung - wie die "Stromkoalition" es plane - sei das Problem nicht zu lösen, so Merz weiter. Man habe den Strom dafür nicht. Das strikte Verbot von Pelletheizungen sei ein großer Fehler gewesen. Er glaube, dass das für 2024 geplante Verbot von Öl- und Gasheizungen kurzfristig noch einen Boom auslöse, so dass es ewig dauern werde, bis es wirklich keine Öl- und Gasheizungen mehr gebe. Der CDU-Chef erwähnte als Alternative die Wasserstofftechnologie. Er betonte jedoch, man müsse in der Wärmewende im privaten Sektor offen bleiben für mehrere Technologien und sich nicht nur auf eine festlegen. Haushalte mit geringem Einkommen sollen nach den Plänen der Union beim Klimaschutz finanziell unterstützt werden. Der Rest solle über den CO2-Preis reguliert werden, so dass es sich nicht mehr lohne, Öl und Gas zu gebrauchen, so Merz.
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2023-03-26
Ein Sonntag mit vielen Problemen
Koalitionsausschuss
Die Liste der Ampel-Konfliktthemen ist lang. Vor allem Grüne und FDP scheinen in zentralen Punkten nicht zusammenzukommen - und der Kanzler hält sich zurück. Was bringt der Koalitionsausschuss, der gerade läuft? Von B. Sönnichsen.
Die Liste der Ampel-Konfliktthemen ist lang. Vor allem Grüne und FDP scheinen in zentralen Punkten nicht zusammenzukommen - und der Kanzler hält sich zurück. Was bringt der Koalitionsausschuss, der gerade läuft? Es brodelte wohl schon länger im Vizekanzler. Robert Habeck redet sich in dieser Woche in Rage. Er spricht davon, dass die Koalition ihrem Auftrag zurzeit nicht ausreichend nachkommt. Der Wirtschaftsminister empfindet Stillstand in der selbsternannten Fortschrittskoalition. Habeck will mehr Tempo, vor allem beim Klimaschutz - damit Deutschland das Ziel erreicht, bis 2045 klimaneutral zu werden. "Man kann ja jetzt nicht behaupten, dass im Moment die Dinge zügig abgearbeitet werden, obwohl sie meiner Ansicht nach entscheidungsreif sind." Habeck teilt gegen die Koalitionspartner aus und prangert Durchstechereien "des billigen taktischen Vorteils wegen" an. "So etwas passiert nicht aus Versehen. Deswegen bin ein bisschen alarmiert, ob überhaupt Einigungswille da ist." Es herrscht Alarmstimmung beim Wirtschaftsminister, der damit auch ein Zeichen an die eigene Partei senden will. Es grummelt bei den Grünen. Sie haben das Gefühl, zu viele Zugeständnisse an die Koalitionspartner zu machen. Gleichzeitig ist es der Versuch, vor dem Treffen der Koalitionsspitzen Druck aufzubauen. Die Liste der Streitthemen ist lang Auch wenn alle drei Parteien fordern, dass die Koalition wieder mehr an einem Strang ziehen müsse, gibt es weiter öffentlichen Streit. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai spricht sich etwa für einen behutsameren Kurs im Klimaschutz aus. Die SPD wiederum wirft beiden Koalitionspartnern vor, dass es ihnen weniger um Lösungen geht - als darum, sich zu profilieren. SPD-Parteichef Lars Klingbeil will, dass mit dem öffentlichem Streit Schluss ist. Statt sich täglich Ratschläge zu erteilen und gegenseitig Vorwürfe zu erheben, fordert Klingbeil, dass Gesetze auf den Weg gebracht werden. Alle in der Ampel müssten sich fragen, wie sie schneller und effektiver werden könnten. Dabei lastet Druck auf allen in der Koalition. Nach wochenlangen Streitereien müssen nun Lösungen gefunden werden. Auch als Zeichen nach außen, dass die Koalition nicht nur streiten kann. Die Liste der Konfliktthemen ist allerdings so lang und kompliziert, dass der Koalitionsausschuss heute Abend längst nicht alle Probleme lösen wird - auch wenn das Thema Verbrenner-Aus inzwischen abgeräumt wurde. Zumindest ein Kompromiss in Sicht Ein weiteres Streitthema aber ist zum Beispiel die Zukunft von Öl- und Gasheizungen. Ab dem kommenden Jahr soll möglichst jede neu eingebaute Heizung überwiegend mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Dies könnte in der Praxis auf das Ende für Öl- und Gasheizungen hinauslaufen. Darauf hatten sich alle drei Koalitionspartner eigentlich schon verständigt. Doch es gibt öffentlich Streit über die Details, noch ehe der Gesetzentwurf überhaupt fertig ist. Auf Wiedervorlage steht außerdem die Frage, ob Autobahnen oder die Bahn schneller ausgebaut werden sollen. Das Thema stand schon beim vergangenen Treffen auf der Tagesordnung, allerdings ohne Ergebnis. Seitdem ist zumindest öffentlich nicht zu erkennen, wie ein Kompromiss aussehen könnte. Einig ist sich die Koalition, dass die Infrastruktur schnell modernisiert werden soll. Wo aber soll der Schwerpunkt liegen? Grüne wollen der Bahn Vorrang gewähren, Verkehrsminister Volker Wissing setzt auch darauf, Straßen und Autobahnen schneller zu bauen. Dagegen wehrt sich Bundesumweltministerin Steffi Lemke: "Dass wir beim Autobahnneubau sagen, Klima- und Umweltschutz ist unwichtig, Straßenbau ist wichtiger, das kann nicht sein." Trotz unterschiedlicher Positionen könnte der heutige Sonntag zumindest in dieser Frage eine Lösung bringen. Ein Kompromiss, auch den Bau von Autobahnbrücken zu beschleunigen, liegt seit Wochen auf dem Tisch. Vielleicht wird es erst nach langen Verhandlungen zu einer Einigung kommen - so wie vor einem Jahr als der Koalitionsausschuss erst am frühen Morgen endete. Das Ergebnis: Jede Partei hat ein Projekt durchgesetzt. Vereint im Ärger über den Kanzler Allerdings ist das Geld inzwischen knapper, auch weil es so teuer war, die Folgen des russischen Angriffskrieges abzufedern. Das heißt, die Ampel wird sich nicht aus ihren Konflikten freikaufen können. Im Gegenteil: Die laufenden Haushaltsverhandlungen dürften sie weiter befeuern. Im Koalitionsausschuss soll es offiziell nicht um den Haushalt gehen, aber natürlich spielt Geld eine Rolle bei der Lösung von vielen strittigen Themen. Finanzminister Christian Lindner hat die Eckpunkte für den Haushalt schon einmal verschoben. Darin sieht sein Vorgänger, der heutige Bundeskanzler Scholz, kein Problem. Er habe das in der Vergangenheit auch schon gemacht, das sei kein Grund zu Aufregung: "Jedenfalls bei mir nicht. Alles ist eigentlich so weit wie schon oft gehabt." Alles wie gehabt - das bedeutet auch, dass Scholz seine Koalition streiten lässt. Vor allem Grüne und FDP. Die sind zumindest vereint im Ärger über das Kanzleramt. Zuletzt war immer wieder zu hören, der Bundeskanzler müsse Prozesse besser steuern und Blockaden lösen. Auf Druck von außen reagiert Scholz aber eher abwehrend. Im Koalitionsausschuss könnte er nun die Gemüter beruhigen und seine Koalition zu Lösungen bringen. Sonst redet sich vielleicht bald schon der oder die nächste in Rage.
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2023-03-26
Volksentscheid mit Hindernissen
"Klimaneutral 2030" in Berlin
In Berlin hatten die Wahllokale heute wieder geöffnet. Millionen Berlinerinnen und Berliner konnten darüber entscheiden, ob Berlin schon 2030 klimaneutral werden soll. Doch taten sie das wirklich? Von Franziska Hoppen und Leonie Schwarzer.
In Berlin hatten die Wahllokale heute wieder geöffnet. Millionen Berlinerinnen und Berliner konnten darüber entscheiden, ob Berlin schon 2030 klimaneutral werden soll. Doch taten sie das wirklich? Der Volksentscheid "Berlin 2030 klimaneutral" steht gleich vor mehreren Herausforderungen. Die erste ergibt sich aus dem Berliner Abstimmungsgesetz. Damit der Volksentscheid erfolgreich ist, müssen nicht nur mehr Menschen mit "Ja" als "Nein" stimmen - darüber hinaus ist auch erforderlich, dass mindestens ein Viertel aller Wahlberechtigten dem Anliegen des Volksentscheids zustimmen. In Zahlen ausgedrückt: Mehr als 600.000 Berlinerinnen und Berliner müssen es gut finden, dass Berlin 15 Jahre schneller als eigentlich geplant klimaneutral wird.    Gesetz tritt direkt in Kraft Ist das geschafft, wird im selben Moment ein Gesetz umgeschrieben: das sogenannte Energiewendegesetz. Aus "Klimaschutzzielen" würden "Klimaschutzverpflichtungen", bisherige Deadlines nach vorn gezogen. So müsste Berlin seine Emissionen bis 2030 um mindestens 95 Prozent im Vergleich zu 1990 verringern.   Dieses Ziel halten viele für nicht erreichbar - auch diejenigen, die es dann eigentlich umsetzen sollen. Der Berliner Senat hat in seiner Stellungnahme schon festgehalten, dass er die grundsätzliche Absicht des Volksentscheids zwar begrüße, die Zielerreichung aber für "unwahrscheinlich" halte. Unter anderem argumentiert die Berliner Regierung, dass wichtige Rahmenbedingungen nicht auf Landes-, sondern auf Bundes- und EU-Ebene festgelegt werden. Berlin könne nicht so einfach früher als alle anderen klimaneutral werden. Bei Verstoß keine Sanktionen vorgesehen Wie viel bringen also neue Klimaschutz-Deadlines auf dem Papier, wenn die Politik sie für unrealistisch hält? Kurzfristig vermutlich wenig, denn Sanktionen sind erstmal nicht vorgesehen. Die Initiative erklärt dem rbb das mit Zeitdruck: "Einen rechtlich wirksamen Sanktionsmechanismus zu formulieren ist juristisch nicht ganz trivial", sagt Stefan Zimmer von der Initiative Klimaneustart. Die Vorlaufzeiten bei einem Volksentscheid seien sehr lang, weitere Verzögerungen sollten nicht riskiert werden. Die Initiative sieht den Ball deshalb bei der Politik, der Senat soll sich selbst Sanktionen ausdenken. Diese Vorgehensweise bezeichnet der Verwaltungsrechtler Christian Pestalozza als "Verlegenheitslösung". Gleichzeitig verstehe er aber das Dilemma. Es sei beispielsweise schwierig, dem Senat in so einem Fall Bußgelder aufzudrücken. Doch auch wenn die Politik erstmal nicht direkt bestraft werden könnte: Steht im Gesetz eine Frist und es passiert klimapolitisch zu wenig, um sie einzuhalten, dann drohen der Landesregierung Klagen. Beispielhaft dafür steht das Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts: Vor rund zwei Jahren wurde das Klimaschutzgesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt, der Gesetzgeber musste nachbessern. Doch Pestalozza rechnet erst auf lange Sicht mit Klagen. Es reiche nicht, dem Senat drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes bereits Untätigkeit vorzuwerfen.   Rekord bei Spendensumme Doch fest steht auch: Der Volksentscheid hat Dynamik geschaffen. Die Kampagne ist extrem sichtbar. Plakate an 7000 Laternen, 650 Großaufsteller. In dieser Größenordnung konnten zuletzt nur die großen Berliner Parteien Wahlkampf machen. Tatsächlich steht der Initiative mit insgesamt 1,2 Millionen Euro sogar teils mehr Budget zur Verfügung. CDU und FDP hatten zur Wiederholungswahl jeweils etwa eine Million Euro für den Wahlkampf, die AfD 500.000 Euro. Und unter den Berliner Volksentscheiden ist die Spendensumme ein Rekord.   Ein großer Teil des Geldes kommt aus den USA. 475.000 Euro hat allein das deutsch-amerikanische Investorenehepaar Albert Wenger und Susan Danziger aus New York locker gemacht. Sie glauben, wie sie dem rbb sagen, dass Berlin globales Vorbild werden könne, ähnlich wie Oslo, Paris oder Rom. Finanzielle Interessen bestreitet das Ehepaar ebenso wie die deutschen Großspender, die enge Verbindungen in die Branche der erneuerbaren Energien haben. Dabei könnten einige dieser Spender durchaus profitieren, weil sie zum Beispiel in Fonds investieren, die grüne Technologien fördern. Physiker Paul Grunow etwa, der auch in der Klimabranche aktiv ist, betont, aus Überzeugung gespendet zu haben, sagt aber auch: "Ich glaube an grünes Wachstum. Ich glaube, dass der Kapitalismus diesen Umbau schnell hinkriegen wird."   Breites Bündnis hinter der Initiative Auch auf der Straße gibt es viel Unterstützung. Nach eigenen Angaben halfen der Initiative zu Hochzeiten bis zu 2000 Freiwillige - vor allem, aber nicht nur, in den Berliner Innenbezirken. Viele haben bereits Erfahrung mit Kampagnen, sind zum Beispiel als Parteimitglieder geübt im Plakatieren oder arbeiten in der Kommunikation für Start-Ups und NGOs. Außerdem steht ein breites Bündnis hinter der Initiative: Neben Fridays for Future, den Omas for Future, oder Psychologists for Future unterstützen auch Parteien wie die Piraten Berlin, die Grüne Jugend oder Volt sowie Hilfswerke wie Brot für die Welt den Volksentscheid. Im Gespräch berichtet die Initiative, in ganz Deutschland mit ähnlichen Klimaschutzprojekten vernetzt zu sein. Das zeigt: Trotz der rechtlichen und praktischen Hürden für den Volksentscheid ist schnellere Klimaneutralität bereits für Teile der Bevölkerung und Wirtschaft erstrebenswert. Selbst wenn Berlin bei einem erfolgreichem Volksentscheid die Verpflichtungen nicht bis 2030 erreichen sollte, dieser Druck scheint in der Politik angekommen: Im Rahmen ihrer Koalitionsverhandlungen verkündeten SPD und CDU jüngst, fünf Milliarden Euro in den Klimaschutz zu investieren. Er sei ein Kernthema für Berlin.
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2023-03-26
++ Ukraine: Russische Angriffe abgewehrt ++
Krieg gegen die Ukraine
Das ukrainische Militär hat eigenen Angaben zufolge etwa 50 Angriffe russischer Einheiten im Osten des Landes abgewehrt. Bei einer Drohnenexplosion in der russischen Region Tula soll es Ermittlern zufolge mehrere Verletzte gegeben haben. Die Entwicklungen zum Nachlesen. mehr
Das ukrainische Militär hat eigenen Angaben zufolge etwa 50 Angriffe russischer Einheiten im Osten des Landes abgewehrt. Bei einer Drohnenexplosion in der russischen Region Tula soll es Ermittlern zufolge mehrere Verletzte gegeben haben. Die Entwicklungen zum Nachlesen. Kiew: Ukrainische Truppen wehren russische Angriffsserie abMehrere Verletzte offenbar bei Drohnenangriff in RusslandMakeiev bezeichnet Grenzen der Diplomatie als erreichtLondon: Russland hat neue iranische Drohnen erhaltenBorrell warnt vor zu starker Abhängigkeit von ChinaKirchenasyl für russische Kriegsverweigerer denkbar Ende des Liveblogs Für heute beenden wir unseren Liveblog zum Krieg gegen die Ukraine. Herzlichen Dank für Ihr Interesse! Litauen fordert neue Sanktionen gegen Russland und Belarus Angesichts von Russlands Plänen zur Stationierung von Atomwaffen in Belarus verlangt Litauen eine Verschärfung der Sanktionen gegen beide Länder. Ein neues Sanktionspaket, über das bereits in Brüssel verhandelt werde, solle erweitert werden, erklärt das litauische Außenministerium. Belarus verliere zunehmend seine Souveränität und werde immer stärker in Russlands Militärpläne eingebunden, was ein zusätzliches Risiko für die Ostseeregion darstelle. Litauen grenzt sowohl an Belarus als auch an die russische Exklave Kaliningrad, in der nach Angaben westlicher Staaten bereits Atomwaffen stationiert sind. Kommunale Dienste verlassen zerstörten Ort Awdijiwka Auf Anweisung der ukrainischen Armee müssen die Mitarbeiter aller kommunalen Dienste die bei russischen Angriffen schwer zerstörte Kleinstadt Awdijiwka im Osten des Landes verlassen. "Leider verwandelt sich Awdijiwka immer mehr in eine Stätte aus postapokalyptischen Filmen", sagte Militärchef Vitali Barabasch nach Angaben der ukrainischen Agentur Unian. Durch die ständigen Angriffe sei die Stadt zur Mondlandschaft geworden. Deshalb sei beschlossen worden, die Mitarbeiter der kommunalen Dienste, die bisher die Lebensfähigkeit der Stadt aufrechterhalten hatten, zu evakuieren. "Ich empfehlen nachdrücklich, die Stadt zu verlassen, denn die russischen Raketen und Granaten verschonen nichts und niemanden", sagte Barabasch. Awdijiwka hatte vor dem Krieg rund 32.000 Einwohner. Die Kleinstadt liegt nur wenige Kilometer nördlich der von Russen kontrollierten Großstadt Donezk. Seit einigen Tagen ist es im Mittelpunkt schwerer russischer Angriffe. Nach den erfolglosen Angriffen bei Bachmut haben dir russischen Militärs nach ukrainischer Darstellung nunmehr ihren Angriffsschwerpunkt nach Awdijiwka verlegt. Kiew: Truppen wehren Angriffsserie Russlands im Osten ab Ukrainischen Angaben zufolge haben die Truppen des Landes heute rund 50 Angriffe russischer Einheiten an verschiedenen Frontabschnitten im Osten des Landes abgewehrt. Die Schwerpunkte der Angriffe lagen nach Angaben des Generalstabs in Kiew rund um die Orte Limansk, Bachmut, Awdijiwka und Marijinsk. Die Vorstöße seien "mit professionellen und koordinierten Aktionen" zurückgeschlagen worden. Dabei hätten die russischen Einheiten erneut schwere Verluste erlitten. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. Das russische Militär versucht bereits seit Wochen, die weitgehend starren Frontlinien im Osten der Ukraine zu durchbrechen. Ungarisches Parlament will Finnlands NATO-Beitritt ratifizieren Das ungarische Parlament will morgen Finnlands NATO-Beitritt ratifizieren. Über die Aufnahme Schwedens in das Militärbündnis will die regierende rechtskonservative Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban später entscheiden lassen. Die Regierung von Orban unterstützt nach eigenen Angaben den NATO-Beitritt beider Länder, die parlamentarische Mehrheit für die Aufnahme Schwedens sei aber zu unsicher. In der Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatten Schweden und das Nachbarland Finnland gemeinsam den Beitritt zur NATO beantragt. Alle 30 NATO-Mitgliedstaaten müssen grünes Licht für die Aufnahme geben, die Zustimmung Ungarns und der Türkei steht noch aus. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan fordert von Stockholm eine härtere Gangart gegen kurdische Aktivisten, die von Ankara als "Terroristen" betrachtet werden. Borrell: Russlands Atomwaffen-Plan bedroht Sicherheit Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat die von Russland angekündigte Stationierung von Atomwaffen in Belarus als "unverantwortliche Eskalation und Bedrohung der europäischen Sicherheit" bezeichnet. Er rief Belarus auf, das Vorhaben zu stoppen. "Die EU steht bereit, mit weiteren Sanktionen zu antworten", fügte er auf Twitter hinzu. #Belarus hosting Russian nuclear weapons would mean an irresponsible escalation & threat to European security. Belarus can still stop it, it is their choice.The EU stands ready to respond with further sanctions. Bericht: Drohnenangriff in Russland - Mehrere Verletzte In Kirejewsk in der russischen Region Tula hat nach Angaben von Ermittlern eine Drohne eine Explosion verursacht. Drei Menschen seien verletzt worden, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf Rettungsdienste. Im Zentrum der Stadt sei durch die Detonation ein Krater entstanden. Drei Wohngebäude seien beschädigt worden. Kirejewsk liegt rund 220 Kilometer südlich der Hauptstadt Moskau. Bei der Drohne handelt es sich nach Angaben russischer Ermittler um eine Tu-141 "Strisch" ("Uferschwalbe"). Die Angaben ließen sich von unabhängiger Seite zunächst nicht überprüfen. Von ukrainischer Seite lag zunächst keine Stellungnahme vor. In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Drohnenangriffe auf russischem Gebiet gegeben, für die Moskau die Ukraine verantwortlich macht. Ukraine fordert Sitzung des UN-Sicherheitsrats wegen Atomwaffen Die Ukraine hat wegen der Verlegung taktischer Atomwaffen Russlands ins benachbarte Belarus eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats gefordert. Die Regierung in Kiew erwarte effektives Handeln von Großbritannien, China, den USA und Frankreich gegen die "nukleare Erpressung des Kremls", auch in ihrer Funktion als ständige Mitglieder des Sicherheitsrates, teilte das ukrainische Außenministerium mit. Tags zuvor hatte der russische Präsident Wladimir Putin angekündigt, taktische Atomwaffen in Belarus zu stationieren. Er argumentierte, Russland verletze damit nicht seine internationalen Verpflichtungen zur Nichtweitergabe von Atomwaffen. Auch die USA würden schließlich schon lange ihre Atomwaffen auf dem Territorium ihrer NATO-Verbündeten stationieren. "Wir tun, was sie seit Jahrzehnten tun", sagte der russische Präsident. Die US-Regierung erklärte nach der Ankündigung, sie sehe derzeit noch keinen Handlungsbedarf, beobachte die Situation aber genau. Russische Atomwaffen für Belarus: Litauen reagiert gelassen Litauens Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas hat gelassen auf die vom Kreml angekündigte Verlegung russischer Atomwaffen in das benachbarte Belarus reagiert. Damit ziele Russlands Präsident Wladimir Putin darauf ab, die Länder einzuschüchtern, die die Ukraine unterstützen, schrieb Anusauskas auf Facebook. Nach Ansicht des Ministers des baltischen EU- und NATO-Landes sollte es keine besondere Reaktion auf die russischen Pläne geben. "Die Verteidigung eines NATO-Landes gegen die Bedrohung durch Atomwaffen ist gewährleistet, unabhängig davon, ob diese Waffen westlich unserer Grenzen (Gebiet Kaliningrad), östlich (Belarus) oder nördlich (Gebiet Leningrad) stationiert sind", schrieb Anusauskas. Litauen grenzt an die russische Exklave Kaliningrad sowie an Russlands Verbündeten Belarus.  Der russische Präsident Wladimir Putin hatte gestern Abend bekanntgegeben, dass sich Russland und Belarus auf die Stationierung taktischer Atomwaffen verständigt haben. Dies zeige nur Putins Befürchtungen vor einer Verstärkung der NATO-Streitkräfte an deren Ostflanke angesichts seines im Februar 2022 begonnenen Angriffskrieg gegen die Ukraine, schrieb Anusauskas. Polen sieht Bedrohung des Friedens in Europa Polen hat die Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, taktische Atomwaffen im gemeinsamen Nachbarland Belarus zu stationieren, scharf kritisiert. "Wir verurteilen diese Verstärkung der Bedrohung des Friedens in Europa und der Welt", sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Warschau nach Angaben der Agentur PAP. Putin hatte am Samstagabend im Staatsfernsehen erklärt, die Führungen in Moskau und Minsk hätten sich auf einen solchen Schritt geeinigt. Russland verstoße damit nicht gegen den internationalen Atomwaffensperrvertrag. Belarus ist sowohl Nachbarland Russlands als auch Polens und der Ukraine, die seit mehr als einem Jahr gegen eine Invasion russischer Truppen kämpft. NATO kritisiert russische Rhetorik zu Atomwaffen Die NATO kritisiert die russische Rhetorik bezüglich Atomwaffen als "gefährlich und unverantwortlich". Ein Sprecher des Militärbündnisses sagte, die NATO sei wachsam und beobachte die Situation genau. Die NATO reagierte damit auf die Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, taktische Atomwaffen in Belarus stationieren zu wollen. "Wir haben keine Veränderungen in Russlands Nuklearhaltung gesehen, die uns dazu veranlassen würden, unsere eigene anzupassen", sagte der NATO-Sprecher. Atomwaffen für Belarus: Ukraine sieht Putin von Angst getrieben Nach Auffassung der Ukraine ist die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin angekündigte Stationierung taktischer Atomwaffen in Belarus ein Zeichen der Angst vor einer möglichen Niederlage im Krieg. "Putin ist so berechenbar", schrieb der Berater des Präsidentenbüros in Kiew, Mychajlo Podoljak. Der Kremlchef gebe mit der Ankündigung zu, dass er Angst habe, den Krieg gegen die Ukraine zu verlieren. Zudem bestätige er einmal mehr, dass er in Verbrechen verwickelt sei, weil er nun den Vertrag zur Nichtweiterverbreitung atomarer Waffen verletze. Bulgarien ruft erneut zu Friedensverhandlungen auf Bulgariens Vizepräsidentin Ilijana Jotowa hat angesichts der vom Kreml angekündigten Verlegung russischer Atomwaffen nach Belarus erneut Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine gefordert. Die Lage werde "immer gefährlicher und furchterregender", sagte die Vizepräsidentin des südosteuropäischen Landes in Sofia. Deshalb riefen sie und der bulgarische Staatspräsident Rumen Radew immer wieder zu Verhandlungen auf. Dies sei der Wunsch Bulgariens, weil mehr Rüstung in allen Ländern zu unvorhersehbaren Entscheidungen führe und nun in der Praxis ein ernsthafter Krieg drohe, so Jotowa. Sie hoffe, "dass die Vernunft doch siegen wird" und dass es in diesem Fall "vielmehr um Drohungen" gehe als um "wirkliche Handlungen". Union und Grüne: Von Putins Atomplänen nicht einschüchtern lassen Die Union im Bundestag rät zu Gelassenheit im Umgang mit der russischen Ankündigung, Atomwaffen in Belarus zu stationieren. Die NATO sei darauf "längst eingestellt", sagte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Eine kurzfristige Reaktion halte er deshalb für unnötig. "Durch eine modernisierte, glaubwürdige nukleare Teilhabe in Europa benötigen wir keine zusätzliche Stationierung von Nuklearwaffen in weiteren NATO-Staaten", sagte Kiesewetter. Langfristig solle die westliche Militärallianz dies aber nicht ausschließen. Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter von den Grünen, bezeichnete es im Gespräch mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe als "unsere Aufgabe", weitere Sanktionen auf europäischer Ebene zu erlassen und die Ukraine zu unterstützen. "Nukleare Drohungen gehören seit Beginn des russischen Angriffskriegs zum Repertoire des Kreml", so Hofreiter. Es gebe allerdings weiterhin keine Hinweise darauf, dass Russland seine Atomwaffen tatsächlich einzusetzen plane. Ziel dieser Drohungen sei es, die westliche Unterstützung der Ukraine zu untergraben. Makeiev bezeichnet Grenzen der Diplomatie als erreicht Der ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev, sieht beim russischen Präsidenten Wladimir Putin die Grenzen der Diplomatie erreicht. "Es ist keinem Präsidenten oder Bundeskanzler gelungen, mit Putin erfolgreich zu verhandeln", sagte Makeiew der "Rheinischen Post". Niemand habe es geschafft, Putin davon abzuhalten, "einen Riesenangriffskrieg in Europa zu starten."   Makeiev kritisierte in Teilen auch die öffentliche Diskussion über den Krieg. "Ich verstehe, dass sehr viele Deutsche einfach für Frieden sind. Aber Frieden muss jetzt erkämpft werden, das ist die Realität im Jahr 2023." Zur Perspektive eines EU-Beitritts der Ukraine sagte Makeiev, die Ukraine stünde "schon mit einem Bein in der EU". Putin: Kein Militärbündnis mit China Russland und China bilden nach Angaben des russischen Präsidenten Wladimir Putin kein Militärbündnis. Die Kooperation der beiden Länder sei transparent, sagte der russische Präsident laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax in einem TV-Interview. Es gebe zwischen ihnen lediglich eine "militärisch-technische Kooperation". Westlichen Staaten warf Putin vor, eine "neue Achse" schaffen zu wollen. Dabei zog er im Interview eine Parallele zu der in den 1930er-Jahren gebildeten Allianz Deutschlands mit Italien und Japan.  Tausende ukrainische Kinder durch Russland verschleppt Tausende ukrainische Kinder sollen nach Russland verschleppt worden sein. Einer von ihnen ist Ihor. Über die Hilfsorganisation SOS Kinderdorf Ukraine erfährt seine Mutter, wie sie ihren Sohn nach Hause holen kann.  Die ganze Geschichte lesen Sie hier: ISW: Gefahr von Atomkrieg wächst nicht Die von Kremlchef Wladimir Putin angekündigte Stationierung taktischer Nuklearwaffen in Belarus bedeutet aus Sicht von US-Experten keine wachsende Gefahr eines Atomkriegs. Die Ankündigung Putins sei unbedeutend für das "Risiko einer Eskalation hin zu einem Nuklearkrieg, das extrem niedrig bleibt", hieß es in einer Analyse des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW). Schon bisher könne Russland mit seinen Atomwaffen jeden Punkt der Erde erreichen. Putin sei aber ein "risikoscheuer Akteur, der wiederholt mit dem Einsatz von Atomwaffen droht, ohne Absicht, das auch durchzuziehen". London: Russland hat neue iranische Drohnen erhalten Russland hat nach Einschätzung britischer Geheimdienste neue Drohnen aus dem Iran für den Einsatz gegen die Ukraine erhalten. Nach zweiwöchiger Pause habe Russland seit März mindestens 71 iranische "Kamikaze-Drohnen" vom Typ "Shahed" gegen ukrainische Ziele eingesetzt, teilte das Verteidigungsministerium in London mit. Das deute darauf hin, dass Russland aus dem Iran nun regelmäßige Lieferungen "einer kleinen Anzahl" von "Shahed"-Drohnen erhalte. Latest Defence Intelligence update on the situation in Ukraine - 26 March 2023.Find out more about Defence Intelligence's use of language: https://t.co/Bq9Jwdco1f🇺🇦 #StandWithUkraine 🇺🇦 https://t.co/ZqZOb4b4Dg Für die unbemannten Flugkörper gebe es vermutlich zwei Startplätze: aus dem russischen Gebiet Brjansk im Nordosten der Ukraine sowie aus der Region Krasnodar im Osten. "Dies ermöglicht Russland, weite Bereiche der Ukraine anzugreifen und verkürzt die Flugzeit zu Zielen im Norden der Ukraine", erklärte das britische Ministerium. Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Updates zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor. Borrell warnt vor zu starker Abhängigkeit von China Die Europäische Union möchte eine wirtschaftliche Abhängigkeit von China wie zuvor von Russland vermeiden und den Handel mit Lateinamerika ausbauen. "Wir haben gemerkt, dass Abhängigkeiten, die Bausteine des Friedens waren, auch Waffen sind, die sich gegen uns richten können", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit Blick auf die Abhängigkeit Europas von russischem Gas in einer Rede auf dem Iberoamerikanischen Gipfel in Santo Domingo in der Dominikanischen Republik. Diese Abhängigkeit habe "Putin glauben lassen, er könne ungestraft in die Ukraine einmarschieren", weil Europa "in den zu 40 Prozent aus Russland stammenden Gaslieferungen" gefangen gewesen sei, fügte Borrell hinzu. Eine derartige Abhängigkeit von China müsse vermieden werden, betonte er.  Russland nach Atomwaffen-Ankündigung in der Kritik Die vom Kreml angekündigte Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus stößt bei der Bundesregierung auf deutliche Kritik. Im Auswärtigen Amt in Berlin war von einem "weiteren Versuch der nuklearen Einschüchterung" die Rede. Die ukrainische Staatsführung reagierte demonstrativ unbeeindruckt auf die Ankündigung aus Moskau. Dort hatte Präsident Wladimir Putin kurz zuvor ein Aufrüstungsprogramm verkündet, das den westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine angeblich überlegen sei. Strack-Zimmermann: "Zeitenwende" auch fürs Beschaffungswesen Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Strack-Zimmermann, will die Trennung von Bundeswehrverwaltung und Truppe prüfen. Diese Trennung wird im Grundgesetz vorgegeben. Strack-Zimmermann sagte der Nachrichtenagentur dpa, die "Zeitenwende" müsse auch im Beschaffungswesen gelten. Sie beschrieb das Beschaffungswesen der Bundeswehr als ein "kompliziertes Konglomerat aus Institutionen, Prozessen und Regeln". In einer Trennung von der Truppe sieht sie eine Möglichkeit, Ausrüstung und Waffen für die Bundeswehr schneller zu beschaffen. Der Bundestag hatte als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine einen Sondertopf in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Ausstattung der lange vernachlässigten Bundeswehr beschlossen. Dass die Handlungsmöglichkeiten nicht schon im vergangenen Jahr genutzt wurden, ist aus dem Bundestag und der Rüstungsindustrie deutlich kritisiert worden. Der schleppende Start gilt auch als Beleg dafür, dass es mit Geld allein nicht getan ist. Kirchenasyl für russische Kriegsverweigerer denkbar Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus, steht einem möglichen Kirchenasyl für Russen, die den Einsatz in der Ukraine verweigern, nicht ablehnend gegenüber. "Sollte sich eine Gemeinde dazu entschließen, einem russischen Menschen, der nicht in den Krieg ziehen will, Schutzraum zu bieten, könnte ich das nachvollziehen", sagte Kurschus den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Der russische Präsident Wladimir Putin "verheizt die eigenen Leute. Er schafft Elend in vielen russischen Familien", so die westfälische Präses. Die Entscheidung, Kirchenasyl zu gewähren, läge bei der einzelnen Kirchengemeinde und sie sei immer ein Einzel- und Ausnahmefall, in dem die Gemeinde sich sehr sorgfältig mit der individuellen Situation dieses einen konkreten Menschen befasse. Der Liveblog vom Samstag zum Nachlesen Nach Angaben ukrainischer Kräfte stabilisiert sich die Lage in der heftig umkämpften Stadt Bachmut. US-Präsident Biden hat bislang keine Hinweise darauf, dass China Waffen an Moskau liefert.
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2023-03-26
2000 Widdermumien in Ägypten freigelegt
Historischer Tempel
Im ägyptischen Abydos haben Forscher zahlreiche Tiermumien ausgegraben. Es wird vermutet, dass es sich um Opfergaben für Ramses II. handelt. Bei ähnlichen Funden wurde zuletzt aber der Vorwurf der Effekthascherei laut. mehr
Im ägyptischen Abydos haben Forscher zahlreiche Tiermumien ausgegraben. Es wird vermutet, dass es sich um Opfergaben für Ramses II. handelt. Bei ähnlichen Funden wurde zuletzt aber der Vorwurf der Effekthascherei laut. Ein Forschungsteam der New York University hat in der altägyptischen Stadt Abydos mehr als 2000 mumifizierte Widderköpfe aus der Ptolemäerzeit freigelegt. Auch Mumien von Schafen, Hunden, Ziegen, Kühen, Gazellen und Mangusten - zu dieser Tierart zählen etwa Erdmännchen - wurden von den Archäologinnen und Archäologen exhumiert, wie das Ministerium für Altertümer und Tourismus in Kairo mitteilte. Ausgrabungsort ist ein Tempel des Pharaos Ramses II. Dem Leiter der US-Gruppe, Sameh Iskander, zufolge sind die Widderköpfe Opfergaben. Diese deuteten auf einen Verehrungskult für Ramses II. auch 1000 Jahre nach dessen Tod hin. Hoffnung, mehr über den Tempel zu erfahren Der Direktor des Obersten Rates für Altertümer, Mostafa Waziri, äußerte die Hoffnung, dass die Funde dazu beitragen, mehr über den Tempel und das Leben dort zu erfahren. Errichtet worden sein soll der Kultbau zwischen 2374 und 2140 vor Christus und der ptolemäischen Zeit (323 bis 30 vor Christus).  Neben den Tiermumien entdeckte das Team den Angaben zufolge auch Überreste eines Palastes mit etwa fünf Meter dicken Mauern aus der sechsten Dynastie sowie mehrere Statuen, Papyrus, Überreste von Bäumen, Lederkleidung und Schuhen. Die Stätte liegt rund 500 Kilometer südlich der Hauptstadt Kairo am Nilufer und war in der Antike berühmt für das Grab des Totengottes Osiris.  Vorwurf der Effekthascherei Die ägyptischen Behörden hatten in der jüngeren Vergangenheit wiederholt archäologische Funde gemeldet. Da die Entdeckungen nach Einschätzung von Forschern oftmals von geringer wissenschaftlicher Bedeutung gewesen sein sollen, wurde der Vorwurf der Effekthascherei laut. Ägypten befindet sich in einer schweren Wirtschaftskrise und ist auf den Tourismus angewiesen. Bis 2028 strebt die Regierung 30 Millionen Besucherinnen und Besucher pro Jahr an.
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2023-03-26
Trump beschimpft Ermittler heftig
Wahlkampfveranstaltung in Texas
Ex-Präsident Trump will wieder ins Weiße Haus. Bei einem Wahlkampfauftritt stellte er sich im Zusammenhang mit Schweigegeldvorwürfen als Justizopfer dar - und beschimpfte seine Gegner. Allerdings kamen weniger Fans als erwartet. mehr
Ex-Präsident Trump will wieder ins Weiße Haus. Bei einer Wahlkampfveranstaltung stellte er sich im Zusammenhang mit Schweigegeldvorwürfen als Justizopfer dar - und beschimpfte seine Gegner. Allerdings kamen weniger Fans als erwartet. Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Texas hat sich der frühere US-Präsident Donald Trump als Opfer der Justiz dargestellt. Er habe sich "kein Verbrechen, kein Fehlverhalten" zuschulden kommen lassen, sagte er in Waco, einem bei Rechtsradikalen beliebten Ort. Dem Republikaner, der 2024 in das Weiße Haus zurückkehren will, droht eine Anklage wegen einer Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels im Jahr 2016. Der Bezirksstaatsanwalt von New York habe "unter der Federführung des 'Unrechtsministeriums' in Washington wegen etwas gegen mich ermittelt, das kein Verbrechen, kein Fehlverhalten, keine Affäre ist", sagte Trump in seiner Rede vor mehreren Tausend Anhängern - weit weniger als den erwarteten 15.000.  Er sei Opfer "einer Hexenjagd und erfundenen Ermittlung nach der anderen", so Trump. Dahinter steckten "linksradikale Wahnsinnige". Die Kläger bezeichnete Trump als "menschlichen Abschaum". Bis heute weder Anklage noch Festnahme Vor einer Woche hatte Trump erklärt, dass er in dem Fall festgenommen werden solle, und seine Anhänger zu Protesten aufgerufen. Als Tag der angeblichen Festnahme nannte er den vergangenen Dienstag. Allerdings ist bis heute weder eine Anklage noch eine Festnahme erfolgt. In den vergangenen Wochen hatten sich aber die Anzeichen einer Anklage verdichtet. Der Rechtspopulist hatte seine Attacken auf den zuständigen Oberstaatsanwalt von Manhattan, Alvin Bragg, zuletzt verschärft, und ihn als "verdorbenen Psychopathen" beschimpft, "der wirklich die USA hasst". Eine Anklage könne zu "Tod und Zerstörung" führen, warnte Trump. Offenbar mit Blick auf seinen mutmaßlichen Seitensprung mit Daniels sagte Trump: "Das wäre nicht diejenige. Es gibt keine. Wir haben eine großartige First Lady." Sonderermittler untersucht Rolle bei Kapitol-Erstürmung Trump geriet auch durch andere Vorfälle ins Visier von Ermittlungen. So ernannte US-Justizminister Merrick Garland im November einen Sonderermittler, der Trumps Rolle bei der Erstürmung des Kapitols im Januar 2021 untersuchen soll. Wegen der Ausschreitungen seiner Anhänger war gegen den Ex-Präsidenten ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet worden, das aber im Senat scheiterte. Trumps Anhänger halten die gegen ihn gerichteten Vorwürfe entweder für erfunden oder für unbedeutend. Zugeständnis an rechtsextreme Anhänger? Seinen Auftritt in Waco hatte Trump vorab als seine erste große Wahlkampfveranstaltung im Präsidentschaftsrennen 2024 bezeichnet. Vor 30 Jahren hatten sich dort auf einer Ranch bewaffnete Anhänger der Davidianer-Sekte über Wochen verschanzt. Bei der Erstürmung durch das FBI kamen am Ende 86 Menschen ums Leben, darunter vier Polizisten. Kritiker sehen in der Wahl des Ortes und des Zeitpunkts der Kundgebung ein Zugeständnis an Trumps rechtsextreme Gefolgschaft. Die meisten Umfragen sehen Trump als Sieger der Vorwahlen bei den Republikanern, die Begeisterung bei den Anhängern seiner Partei ist aber nicht so groß wie von Trump erhofft. Außerdem hat sich ein Teil der Rechten, darunter auch einige reiche Wahlkampfspender, Trumps innerparteilichem Gegner, Floridas Gouverneur Ron DeSantis, zugewandt. Der 44-Jährige hat seinen Hut für die Präsidentschaftskandidatur noch nicht offiziell in den Ring geworfen.
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2023-03-26
Ökomillionär gegen chinesische Fangflotten
Aktivist in Argentinien
Der Millionär Enrique Piñeyro nutzt sein Vermögen, um auf Umweltvergehen aufmerksam zu machen. In seiner Boeing fliegt er tief über illegale Fangflotten, die in Argentiniens Wirtschaftszone fischen. Von L. Schwarzkopf und J. Held.
Der Millionär Enrique Piñeyro nutzt sein Vermögen, um auf Umweltvergehen aufmerksam zu machen. In seiner Boeing fliegt er tief über illegale Fangflotten, die in Argentiniens Wirtschaftszone fischen. Es ist 18.30 Uhr in Buenos Aires, als eine private Langstreckenmaschine vom Flughafen Ezeiza Richtung Abenddämmerung durchstartet. Kurz darauf dreht sie ab und fliegt aufs offene Meer hinaus. Das Ziel: die 200-Meilen-Grenze vor der Küste. Dort endet die ausschließliche Wirtschaftszone Argentiniens. Im Cockpit sitzt Enrique Piñeyro mit grauem Dreitagebart und steuert seine Boeing routiniert durch die dunkle Nacht. Der 66-jährige Piñeyro ist Pilot, Schauspieler, Arzt - und vor allem steinreich. Sein Großvater hatte ein Firmenimperium gegründet. Mit dem Verkauf seiner Anteile machte sich Piñeyro unabhängig und tritt seitdem immer wieder als Umweltaktivist in Erscheinung. Lichtermeer aus Fischerbooten Während er den mitgereisten Journalisten und Diplomaten an Bord Snacks und Wein aus seinem eigenen Spitzenrestaurant servieren lässt, wird es draußen immer heller. Piñeyro senkt seine Boeing auf eine Flughöhe von 1.700 Metern. Plötzlich erscheint unter dem Flugzeug ein Lichtermeer - fast wie ein Sternenhimmel. Der Flieger ist am Ziel von Piñeyros heutiger Mission: Er will der Öffentlichkeit die illegale Fischerei vor der argentinischen Küste zeigen. Es seien vor allem chinesische Fangflotten, die die ausschließliche Wirtschaftszone Argentiniens mit ihren Netzen im großen Stil durchsieben. In der Dunkelheit sind die Reflektoren unzähliger Schiffe gut zu erkennen. Das Meer scheint beim Überflug hell erleuchtet wie eine Großstadt. "Wir fliegen 30 Minuten lang über dieser Flotte und sie hört einfach nicht auf, weil sie derart groß ist", erklärt Piñeyro entrüstet. 26 Millionen Tonnen illegaler Beute jährlich Im April 2021 hätten sie 517 Boote gezählt, so Piñeyro über das Bordmikrofon. Wie viele es dieses Mal genau sind, könne man erst im Nachhinein bei der Auswertung der Aufnahmen feststellen. Oft stammten die Schiffe aus China, sagt Piñeyro - aber es seien zudem schon illegale japanische und koreanische Flotten gesichtet worden. Auch im Pazifik, vor den fischreichen Küsten Perus und Ecuadors, sei das Meer nachts hell erleuchtet, weil ausländische Flotten den Ozean ausbeuten. Auch dort war Piñeyro bereits mit seiner Boeing unterwegs. Diese Fangflotten fischen meist ohne Erlaubnis in fremden Wirtschaftszonen. Als Pilot beobachte Piñeyro dies bereits seit Jahrzehnten. Fachleute gehen weltweit jährlich von bis zu 26 Millionen Tonnen illegaler Beute aus. Meist haben es die Flotten auf Langusten, Seehecht und Tintenfisch abgesehen. Eine schillernde Figur Enrique Piñeyro ist in Argentinien eine schillernde Figur. Bekannt wurde er ausgerechnet im Zusammenhang mit einem Flugzeugabsturz. Als Pilot der Airline LAPA hatte er in den 1990er-Jahren mehrfach auf schlechte Sicherheitsstandards hingewiesen und deswegen sogar gekündigt. Kurze Zeit später erfüllten sich seine Warnungen auf tragische Weise: 1999 verunglückte ein LAPA-Flugzeug beim Start in Buenos Aires. 63 Menschen starben. Aus der Geschichte seiner unglückseligen Prophezeiung machte Piñeyro einen Spielfilm - "Whisky, Romeo, Zulu" - mit sich selbst in der Hauptrolle. Er produzierte weitere Filme, trat als Stand-Up-Comedian auf und eröffnete ein Restaurant in Buenos Aires, das mittlerweile auf Monate ausgebucht ist. Humanitäre Aktionen mit Medienwirksamkeit Über sein Millionenvermögen spricht Piñeyro nicht gerne und veröffentlicht auch keine Zahlen. Klar ist: Er gehört zu einer der reichsten Familien Argentiniens, den Rocca, denen der multinationale Industriekonzern Techint gehört. Nachdem Enrique Piñeyro seine Firmenanteile verkauft hatte, gründete er die Hilfsorganisation Solidaire. Seitdem macht er regelmäßig mit medienwirksamen humanitären Aktionen auf sich aufmerksam, bei denen er bevorzugt selbst im Cockpit seines Flugzeuges sitzt. Zuletzt hat er ukrainische Flüchtlinge in verschiedene Aufnahmeländer geflogen. Außerdem arbeitet er mit der spanischen NGO Open Arms zusammen, die unter anderem Flüchtlinge aus dem Mittelmeer rettet. "Enormer Schaden für die Zukunft" Während des Flugs über dem Atlantik ist die Schlange zum Cockpit lang. Zahlreiche Journalisten wollen dem Öko-Millionär bei der Arbeit über die Schulter blicken. An Bord sind auch die Botschafter der EU, der USA und Japans in Argentinien. Sie wollen sich ein Bild vom Ausmaß der Fangflotten machen. Bei der anschließenden Pressekonferenz in der Flughafenhalle macht Piñeyro nochmal klar, was seine Beweggründe sind: "Mithilfe internationaler Verträge müsste man diese Art der Meeresverwüstung verhindern, denn die Folgen dieser Fischerei sind weltweit zu spüren." Wenn es nach ihm ginge, müssten die betroffenen Länder mit täglichen Flügen ihre Grenzen überwachen. Die wenigen staatlichen Kontrollboote seien dieser großen Aufgabe nicht gewachsen. Die illegale Fischerei sei "ein enormer Schaden für die Zukunft" und hätte weitreichende Folgen für das komplette Ökosystem. "Es ist nicht nur ein argentinisches Problem, sondern ein Problem der gesamten Menschheit." Jetset für die gute Sache Nach dem Flug hat er nicht viel Zeit. Am nächsten Tag geht es in den Libanon. Dort will er Hilfsgüter für Syrien abgeben. Danach fliegt er weiter nach Madrid und Warschau, um ukrainische Flüchtlinge nach Kanada zu transportieren. Warum er das all macht? "Warum sollte ich es nicht machen?", fragt Piñeyro zurück. Es sei reines Mitgefühl. "Die Menschlichkeit ist etwas, das uns alle angeht, und wer in Not ist, ist in Not." Ob als Hauptdarsteller in Filmen oder am Steuer seines Privatflugzeugs: Enrique Piñeyro investiert nicht nur viel Geld in die Projekte, für die er sich einsetzt, sondern stellt auch seine Person in den Mittelpunkt des Geschehens. Als Schauspieler, Pilot, Gastronom, Arzt und als Umweltaktivist. Mit seinem Atlantikflug hat er in jedem Fall ein großes Medienecho ausgelöst, weil er den Mitreisenden ein Problem vor Augen geführt hat, das sie sonst nicht zu sehen bekommen hätten.
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2023-03-26
Kleines Land mit neuerdings zwei Uhrzeiten
Chaos im Libanon
Wie spät ist es gerade im Libanon? Darauf gibt es seit der Nacht zwei Antworten. Eine von der Regierung angeordnete Verschiebung des Sommerzeitstarts löste Chaos aus. Medien, Schulen, Unternehmen boykottieren den Beschluss. mehr
Wie spät ist es gerade im Libanon? Darauf gibt es seit der Nacht zwei Antworten. Eine von der Regierung angeordnete Verschiebung des Sommerzeitstarts löste Chaos aus. Medien, Schulen, Unternehmen boykottieren den Beschluss. Wegen einer politischen Auseinandersetzung über die Umstellung auf die Sommerzeit gelten im Libanon ab sofort zwei Uhrzeiten parallel. Hintergrund ist ein umstrittener Beschluss des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Nadschib Mikati, die Uhren in dem Mittelmeerland erst in vier Wochen umstellen zu lassen. Die maronitische Kirche kündigte daraufhin am Samstagabend an, sich der Entscheidung zu widersetzen. Sie rief dazu auf, die Uhren in der Nacht zum Sonntag trotzdem eine Stunde vorzustellen, wie in den meisten Ländern Europas. Die TV-Sender MTV und LBCI, andere Medien und katholische Schulen stellten die Uhren ebenfalls um. Öffentliche Institutionen sind offiziell an die Entscheidung der Regierung gebunden. Am Morgen wachten die Libanesen dann unter viel Verwirrung mit zwei geltenden Uhrzeiten auf. Vermutet wird, dass Mikati mit dem Schritt bei Muslimen punkten wollte, für die der Fastenmonat Ramadan begonnen hat. Diese können ihr Fasten bis zur Zeitumstellung bereits gegen 18 Uhr brechen - anstatt gegen 19 Uhr. Im Internet tauchte ein Video Mikatis auf, wie er den Schritt mit Parlamentspräsident Nabih Berri diskutiert. Der Libanon ist konfessionell stark gespalten. Chaos auf Flughafen Verwirrung dürfte vor allem bei Flugreisenden entstehen. Die staatliche Fluggesellschaft Middle East Airlines (MEA) folgte dem Schritt Mikatis und veröffentlichte eine Tabelle mit jeweils um eine Stunde vorgezogenen Abflugzeiten. Damit will die Airline offenbar im internationalen Flugplan bleiben und Anschlussflüge ermöglichen, ohne dass Reisende in einer anderen Zeitzone ihre Flüge antreten müssen als der offiziell geltenden. Auf Twitter kursierte ein Video, wie am Flughafen von Beirut zwei Uhren nebeneinander zwei Uhrzeiten anzeigen. "Das Chaos ist in vollem Gange, während wir versuchen herauszufinden, wann unsere Termine am Montag stattfinden", twitterte die Leiterin des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Beirut, Anna Fleischer. Die Fluggesellschaft Middle East Airlines behalf sich damit, alle Abflugzeiten von Beirut um eine Stunde vorzuverlegen. Die beiden großen Mobiltelefongesellschaften des Landes forderten ihre Kunden auf, die Uhrzeit je nach Wunsch selbst umzustellen. Auf vielen Handys stellte sich die Zeit jedoch automatisch eine Stunde vor. In sozialen Medien machte der Witz die Runde, dass man sich im Libanon jetzt mit dem Zusatz "muslimischer Zeit" oder "christlicher Zeit" verabreden müsse. Die Autorin Kim Ghattas schrieb, das Chaos wäre komisch, wenn es nicht ein weiteres Zeichen des "totalen Versagens auf allen Ebenen der politischen Anführer" wäre. Wirtschaftskrise im Land Der Libanon steckt derzeit in einer der schwersten Wirtschaftskrisen seiner Geschichte. Das Land ist seit Monaten ohne Präsident und die geschäftsführende Regierung Mikatis nur eingeschränkt handlungsfähig. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erklärte zuletzt, das Land befinde sich an einem "sehr gefährlichen Scheideweg".
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2023-03-26
Was sind taktische Atomwaffen?
Nukleare Sprengköpfe
Russland hat die Stationierung taktischer Atomwaffen in Belarus angekündigt. Um welche Art von Sprengköpfen geht es dabei? Wie gefährlich sind sie und was unterscheidet sie von strategischen Atomwaffen? mehr
Russland hat die Stationierung taktischer Atomwaffen in Belarus angekündigt. Um welche Art von Sprengköpfen geht es dabei? Wie gefährlich sind sie und was unterscheidet sie von strategischen Atomwaffen? Taktische Atomwaffen unterscheiden sich von strategischen Atomwaffen vor allem in ihrer Zerstörungskraft und Reichweite. Strategische Atomwaffen dienen der nuklearen Abschreckung. Sie können mit Hilfe von Interkontinentalraketen Ziele in mehreren Tausend Kilometer Entfernung treffen und haben ein Vielfaches der Zerstörungskraft der 1945 über Hiroshima abgeworfenen Atombombe. Dagegen sind taktische Atomwaffen für den Einsatz in einem Kampfgebiet konzipiert und werden daher oft auch als "Gefechtsfeldwaffen" bezeichnet. Sie könnten - je nach gewählter Variante - in relativer Nähe zu Stellungen eigener Truppen und daher ähnlich wie konventionelle Waffen in einer Schlacht eingesetzt werden. Die zerstörerische Wirkung wäre aber deutlich größer als bei gewöhnlichen Artilleriegeschossen. Ziele beim Einsatz taktischer Atomwaffen könnten feindliche Soldaten oder Infrastruktur in der Nähe der Front sein, um zum Beispiel eine Offensive zu stoppen. Variable Sprengkraft, vielfältige Einsatzmöglichkeiten Die Sprengkraft taktischer Atomwaffen variiert in der Regel zwischen 0,3 und mehr als 50 Kilotonnen TNT. Zum Vergleich: Die über Hiroshima abgeworfene Atombombe hatte eine Sprengkraft von 16 Kilotonnen TNT. Taktische Nuklearsprengköpfe lassen sich vergleichsweise flexibel einsetzen und können auf verschiedene Weise ihr Ziel erreichen. Sie können auf Raketen angebracht werden, die sonst für den Transport konventioneller Sprengstoffe eingesetzt werden. Möglich ist aber ebenso ein Abschuss von Schiffen aus oder ein Abwurf durch Militärflugzeuge. Meist sind taktische Atomwaffen auf Trägersystemen mit einer Reichweite von bis zu 100 Kilometern angebracht. Möglich sind aber auch größere Entfernungen von einigen Hundert Kilometern. Die Zahl taktischer Atomwaffen in den Beständen der USA und Russlands ist nach dem Ende des Kalten Krieges stark gesunken. Experten schätzen, dass Russland noch über 1800 bis 2000 solcher Atomwaffen verfügt. Die US-Bestände liegen noch deutlich darunter. Ein Teil dieser Atomwaffen der USA soll in europäischen NATO-Staaten gelagert werden, darunter auch in Deutschland. Darauf wies der russische Präsident Wladmir Putin ausdrücklich hin, als er am 25. März 2023 die Stationierung taktischer Atomwaffen seines Landes in Belarus ankündigte. Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte allerdings in seiner Reaktion, der "von Putin gezogene Vergleich zur Nuklearen Teilhabe der Nato" sei "irreführend" und könne nicht als Begründung dienen.
/ausland/taktische-atomwaffen-101.html
2023-03-26
"Würde der Betroffenen berücksichtigen"
Einigung bei Selbstbestimmungsgesetz
Der Entwurf für das neue Selbstbestimmungsgesetz ist auf den Weg gebracht. Es soll es nonbinären Menschen erleichtern, ihren Geschlechtseintrag im Personenregister zu ändern. Die Ampelkoalition zeigt sich zufrieden. mehr
Der Entwurf für das neue Selbstbestimmungsgesetz ist auf den Weg gebracht. Es soll es nonbinären Menschen erleichtern, ihren Geschlechtseintrag im Personenregister zu ändern. Die Ampelkoalition zeigt sich zufrieden. Nach der Einigung auf einen Referentenentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz zeigen sich die beiden verantwortlichen Regierungsmitglieder, Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), zufrieden mit dem Ergebnis. Paus sagte der Nachrichtenagentur AFP, das neue Gesetz solle "endlich die Würde der Betroffenen" berücksichtigen. Buschmann kündigte an, dass der Öffentlichkeit aller Voraussicht nach schon "sehr bald" ein fertiger Gesetzentwurf vorgestellt werden könne. Am Samstag war bekannt geworden, dass sich die Regierung über noch offene Fragen für die geplante vereinfachte Änderung von amtlichem Geschlechtseintrag und Vornamen verständigt hatte. Geschlechtseintrag einfacher ändern Künftig sollen trans, intergeschlechtliche und nicht binäre Menschen nur noch eine einfache Selbstauskunft beim Standesamt abgeben müssen, wenn sie ihren Vornamen oder den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister ändern wollen. Bisher sind für eine solche Änderung der Einträge zwei psychologische Gutachten erforderlich, im Anschluss daran muss das zuständige Amtsgericht über den Einzelfall entscheiden.  Besondere Sorgfalt gilt im Gesetzesentwurf jungen Menschen: Einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge ist es vorgesehen, dass eine Geschlechtsänderung im Personenstandsregister bei Minderjährigen unter 14 Jahren nur von den Sorgeberechtigten beantragt werden kann. Bei Jugendlichen ab 14 Jahren und einem Konflikt mit den Eltern soll im Streitfall ein Gericht entscheiden, wenn das Kindeswohl gefährdet ist. Eingeplant ist laut der "Süddeutschen" auch eine Bedenkzeit. Erst drei Monate nach dem Antrag auf Geschlechtsänderung beim Standesamt soll die Entscheidung tatsächlich wirksam werden. Eine erneute Änderung des Geschlechtseintrags soll laut dem Bericht frühestens nach einem Jahr möglich sein. Sonderklausel für geschützte Räume Kritiker der vereinfachten Regelung fürchten, dass sie das Eindringen von Sexualstraftätern in geschützte Räume erleichtere, insbesondere die für Frauen. Deshalb sei es wichtig, dass das Gesetz "die legitimen Interessen der gesamten Gesellschaft" in den Blick nehme, erklärte Buschmann. "Hausrecht und Vertragsfreiheit müssen deshalb gewahrt bleiben; Möglichkeiten des Missbrauchs - und seien sie noch so fernliegend - müssen ausgeschlossen sein." Aus diesem Grund wurde der Gesetzesentwurf um einen Passus zur Präsenz von transgeschlechtlichen Personen in geschützten Frauenräumen erweitert. Dort soll unabhängig vom Geschlechtseintrag im Pass wie bisher das Hausrecht gelten. Dies erlaubt es etwa, bestimmte Personen eines Ortes zu verweisen. Abstimmung noch vor Ostern Paus kündigte an, dass die Ressortabstimmung des Gesetzesentwurfs noch vor Ostern starten solle. Danach wolle man zügig in die Verbändeanhörung gehen. "Dann liegt es am Bundestag, das Selbstbestimmungsgesetz zu beraten und zu beschließen", erklärte sie. Die herabwürdigenden, teuren und langwierigen Zwangsbegutachtungen des bisherigen und gut 40 Jahre alten Transsexuellengesetzes würden damit wegfallen, fasste Paus zusammen.  "Vom Selbstbestimmungsgesetz profitieren werden alle, deren Geschlechtsidentität abweicht von dem Geschlechtseintrag, der im Personenstandsregister für sie eingetragen ist", fügte Buschmann an. Auch der queerpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jan Plobner, zeigte sich erfreut: "Wir begrüßen als SPD-Fraktion ausdrücklich, dass es mit dem Selbstbestimmungsgesetz jetzt endlich vorangeht."
/inland/innenpolitik/selbstbestimmungsgesetz-gesetzesentwurf-101.html
2023-03-25
Besuch bei einem komplizierten Partner
Baerbock in Georgien
Russlands Einfluss begrenzen und EU-Ambitionen stärken - diese Herausforderung dominierte die Reise von Außenministerin Baerbock nach Nordmazedonien und Georgien. Insbesondere die Lage beim russischen Nachbarn ist kompliziert. Von Kai Küstner.
Russlands Einfluss begrenzen und EU-Ambitionen stärken - diese Herausforderung dominierte die Reise von Außenministerin Baerbock nach Nordmazedonien und Georgien. Insbesondere die Lage beim russischen Nachbarn ist kompliziert. Das Fernglas, das sich die deutsche Außenministerin an die Augen hält, hat durchaus seine Berechtigung: Annalena Baerbock steht im Norden Georgiens auf einem Hügel. Sie lässt sich von einem Experten der hier aktiven EU-Beobachter-Mission (EUMM) erklären, wo genau da unten im Tal jene Linie verläuft, die auch hier in dem Kaukasus-Staat einen russischen Landraub markiert. Eine Linie, die mit bloßem Auge so nicht zu erkennen ist, die aber die Region Südossetien vom Rest des Landes abtrennt. Eine Region, die seit dem Krieg im Jahr 2008 russisch besetzt ist. Insofern ist der Blick durch das Fernglas für Baerbock auch ein Blick in die Vergangenheit. In eine Zeit, von der nicht wenige im Rückblick sagen: Schon damals hätte man die imperialistischen Ambitionen Putins - auch ohne Vergrößerungsglas - ahnen können.  In jedem Fall ist die Fahrt der deutschen Außenministerin an diesen Ort, 50 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, ein hochsymbolischer Akt: Die Welt sieht, so das Signal, dass auch hier Moskau seinem Nachbarn keinen Frieden lässt.  Moskau will Einfluss auf Georgien ausbauen Für Georgien bedeutet die russische Kontrolle von Teilen seines Staatsgebiets und die Anwesenheit russischer Truppen: Eine NATO-Mitgliedschaft ist auf absehbare Zeit ausgeschlossen. Und auch sonst sucht Moskau seinen Einfluss auf den Kaukasus-Nachbarn aufrecht zu erhalten, wenn nicht gar auszubauen. Die wirtschaftlichen Verflechtungen sind ohnehin stark: "Dass Ihr Euch vor diesem Hintergrund an die Seite der Ukraine stellt, zeigt klar und deutlich, welche Werte Ihr teilt. Auch damit unterstreicht Ihr, dass Euer Platz in der Europäischen Union ist." Dieses Lob spricht Baerbock an die Adresse ihres georgischen Amtskollegen Ilia Dartschiaschwili auf der gemeinsamen Pressekonferenz aus. Ein EU-Beitritt ist das erklärte Ziel der Regierung in Tiflis. Gemeinsam mit der Ukraine und Moldau bewarb sich das Land 2022 für den offiziellen Beitrittskandidaten-Status. Anders als den anderen beiden Länder hat Brüssel Georgien diese Weihen jedoch noch nicht erteilt. Eben weil hier noch eine Reihe von Reformen aussteht.  Medien, Justiz und Menschenrechte unter Druck Dass die Regierung allerdings willens ist, diese auch wirklich umzusetzen, daran bekommt Zweifel, wer sich mit der georgischen Zivilgesellschaft unterhält. Ein ebenso charmanter wie renovierungsbedürftig wirkender Altbau im Zentrum der Hauptstadt. An der Außenwand Graffiti. "Fuck Putin" steht auf einem von ihnen. Hier trifft sich Baerbock mit vier Vertreterinnen, die für die Demokratisierung des Landes kämpfen. Sie schildern der Ministerin eindringlich, wie die Regierung sie unter Druck setze, im Interesse des eigenen Machterhalts den Spielraum für Medien, Justiz und Menschenrechtler zu beschneiden versuche. Bestes Beispiel: Ein Gesetz, mit dem die Regierung ausländische Medien und Organisationen als "Agenten" einstufen wollte. Da habe man sich einfach Moskau zum Vorbild genommen und "Copy&Paste" mit einem ähnlich gebauten russischen Gesetz gemacht, so beschreiben es die Frauen. Überhaupt: Dass sie die Regierung in Tiflis für Russland-freundlich halten, daran lässt niemand hier einen Zweifel.  Zwar zog die Regierungspartei den Gesetzentwurf nach heftigen Protesten Tausender, vor allem junger Menschen schließlich zurück. Doch es wird bezweifelt, dass dies der letzte Demokratie-Beschneidungs-Versuch dieser Art gewesen sein soll.  Womit klar wäre: Die Dinge im russischen Nachbarland Georgien sind kompliziert. Eine mit überwältigender Mehrheit vom europäischen Kurs überzeugte Bevölkerung hat es mit einer Regierungspartei namens "Georgischer Traum" zu tun, die den Beweis erst noch erbringen muss, dass sie sich wirklich stramm auf EU-Kurs befindet.  Für Europa steht einiges auf dem Spiel "Es gibt Momente im Leben und in der Politik, wo man an Wegscheiden steht und wo es darauf ankommt, mutig in die richtige Richtung zu gehen." Diesen Satz sagte Baerbock an Tag Eins ihrer Reise - in Nordmazedonien. Sie formulierte das aber in Tiflis noch einmal ähnlich: Gemeint war er als Wink an beide Länder, über den eigenen innenpolitischen Schatten zu springen - und die Bedingungen der EU zu erfüllen. Was den Weg Nordmazedoniens angeht, so hat der Balkanstaat seit fast zwei Jahrzehnten, - nämlich seit 2005 - das, was Georgien erst noch schaffen muss: Den Status des Beitrittskandidaten. Bedingung dafür, dass es weiter mutig vorangeht, ist in Nordmazedonien eine Verfassungsänderung zum Schutz der bulgarischen Minderheit im Land. Gerät der EU-Prozess in beiden Fällen - im Kaukasus wie auf dem Balkan - wieder aus den Fugen, steht auch für Europa einiges auf dem Spiel: Das würde nämlich bedeuten, dass Russland in diesen Regionen seinen Einfluss dann umso ungehinderter ausbauen kann. In Zeiten des Systemkonflikts zwischen demokratischen und autoritären Staaten wäre das für den Westen und insbesondere die EU eine verheerende Nachricht.
/ausland/baerbock-nordmazedonien-georgien-russland-eu-101.html
2023-03-25
"Ein Wendepunkt fürs Wasser"
UN-Konferenz endet mit Aktionsplan
Der erste UN-Wassergipfel seit knapp 50 Jahren endet mit einem dicken Aktionsplan. Darin enthalten sind 689 freiwillige Verpflichtungen von allen Ländern der Welt, um die Wasserkrise zu bekämpfen. Von Antje Passenheim.
Der erste UN-Wassergipfel seit knapp 50 Jahren endet mit einem dicken Aktionsplan. Darin enthalten sind 689 freiwillige Verpflichtungen von allen Ländern der Welt, um die Wasserkrise zu bekämpfen. Einen wasserblauen Startknopf hält der Präsident der UN-Generalversammlung Czaba Körösi in der Hand. Auf die Frage: "Habe ich eure Unterstützung?" erntet er lauten Applaus aus den Mitgliedsstaaten. Körösi beschwört: "Ein bahnbrechender New York Moment" sei dieser Wassergipfel. UN-Generalsekretär Guterres unterstreicht: "Diese Konferenz hat eine zentrale Wahrheit demonstriert: Als das wertvollste globale gemeinsame Gut verbindet uns das Wasser alle." Projekte im Gesamtvolumen von rund 750 Milliarden Dollar Der Hausherr hat allen Grund zu strahlen. Auf dem Tisch liegt ein dicker Aktionsplan: 689 freiwillige Verpflichtungen aus allen Ländern der Welt, um die Wasserkrise zu bekämpfen - von regionalen Renaturierungs-Maßnahmen bis hin zu grenzübergreifenden Großprojekten. Der geschätzte Gesamtwert belaufe sich auf rund 750 Milliarden Dollar, sagt Johannes Cullmann, Vize-Vorsitzender für Wasser und Wissenschaftspräsident der Generalversammlung. Wir haben hier innerhalb von ein paar Tagen mehr Selbstverpflichtung im Volumen des Wertes bekommen als wir die Diskussion haben um die Klimafinanzierung, die wir schon seit Jahren nicht hinbekommen. Die Lösungsvorschläge des Aktionsplans seien tatsächlich von Tausenden Menschen zusammen erarbeitet worden. Er sei positiv überrascht über das große Echo, gerade auch von privaten Organisationen, von Wirtschaft und Wissenschaft. "Ich hab in meiner Karriere in den UN noch selten soviel positive Stimmung, soviel gute Diskussion erlebt in New York zu einem Thema, das natürlich sehr fachlich ist." Lemke unterstreicht Forderung nach Sondergesandtem Unter anderem haben sich mehrere Länder aus Afrika und Lateinamerika auf die bislang größte gemeinsame Initiative zur Rettung geschädigter Flüsse, Seen und Feuchtgebiete geeinigt. Zu den deutschen Selbstverpflichtungen gehört die Unterstützung mehrerer afrikanischer Länder bei der Verbesserung ihres Trinkwasser-Managements. Deutschland bringt auch seine nationale Wasserstrategie in den Aktionsplan des Wassergipfels ein und verpflichtet sich dafür zu sorgen, dass das Wasser im eigenen Land nachhaltig bewirtschaftet wird. Die Bundesregierung setzt sich auch dafür ein, dass es künftig einen UN-Sonderbeauftragten für Wasser gibt. Umweltministerin Lemke äußerte sich während ihres Aufenthalts in New York optimistisch: Bereits 150 Länder unterstützen die Forderung nach einem Sondergesandten, um die Politik der Vereinten Nationen im Bereich Wasser in Zukunft zu stärken und besser zu koordinieren, und es sind sehr viele starke Staaten, engagierte Staaten mit unterwegs. Folgekonferenz in zwei Jahren soll Fortschritt prüfen Auch Lemke spricht von einer Trendwende beim Umgang mit dem Thema Wasser. Möglicherweise sei es zielführender gewesen, diesen Gipfel mit einem Aktionsplan zu beschließen, der auf Freiwilligkeit der einzelnen Länder basiere, meint die Bundesumweltministerin: "Vielleicht ist das sogar mehr, als eine verpflichtende Erklärung, die über viele Tage ausverhandelt wurde, weil es um ganz konkretes Handeln geht. Ich hoffe das zumindest sehr." Ob die angekündigten Vorhaben auch tatsächlich umgesetzt werden, das soll unter anderem in zwei Jahren auf einer Folgekonferenz überprüft werden. Der Wendepunkt fürs Wasser sei da, sagt auch UN-Wasserexperte Cullmann - fast 50 Jahre nach der ersten UN-Wasserkonferenz. Allen sei klar: Wir bekommen keine Nahrungssicherheit ohne Wasser, wir können keine Energie produzieren ohne Wasser, wir haben keine Gesundheit ohne Wasser. Das ist jetzt angekommen, und das ist das Schöne an der Konferenz.
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2023-03-25
Wenn das Schmelzwasser fehlt
Klimawandel in den Alpen
Im Alpenraum liegt auf den Bergen viel weniger Schnee als üblich. Damit erreicht im Frühling auch weniger Schmelzwasser das Tal. Erste Folgen für Wasserversorgung, und die Tier- und Pflanzenwelt sind spürbar. Von M. Neukirch, S. Armbruster.
Im Alpenraum liegt auf den Bergen viel weniger Schnee als üblich. Damit erreicht im Frühling auch weniger Schmelzwasser das Tal. Erste Folgen für Wasserversorgung, und die Tier- und Pflanzenwelt sind spürbar. Auf dem Tegelberg, auf rund 1730 Metern Höhe, stößt Frank Seyfried langsam die Sonde in den Schnee. Der Stab taucht keine 50 Zentimeter tief ein. Der Geschäftsführer der Tegelbergbahn schüttelt den Kopf. "Im langjährigen Mittel liegt um diese Jahreszeit hier oben rund ein Meter Schnee. Jetzt haben wir gerade einmal die Hälfte. Natürlich gibt es Schwankungen, aber die Tendenz zeigt eindeutig, dass es immer weniger wird." Weniger Schnee heißt weniger Schmelzwasser Die Auswirkungen reichen bis ins Tal. Denn wenn oben am Berg der Schnee fehlt, erreicht auch deutlich weniger Schmelzwasser die Flüsse und Seen. Das führt dazu, dass der Grundwasserspiegel weiter sinkt. Das ist betrifft den gesamten Alpenraum von Österreich über Liechtenstein und die Schweiz bis zurück nach Deutschland. Auch am Bodensee macht sich das bemerkbar. Schmilzt der Schnee ab dem Frühjahr im Allgäu und in den Alpen, fließt das Wasser über den Rhein, die Bregenzer Ach, über die Leiblach, die Argen und die Schussen als Schmelzwasser in den See. Seine Pegel steigen dann konstant bis zum Sommer an. Eigentlich. Seit Jahrzehnten fällt aber immer weniger Schnee. Ergo: Auch immer weniger Schmelzwasser fließt in den Bodensee, dafür mehr Regenwasser übers ganze Jahr verteilt. Pegel verteilen sich aufs ganze Jahr Von Januar bis Dezember zeichneten die Pegel bisher grob eine Normalverteilungskurve: Links und rechts ist sie flach, in der Mitte ist der höchste Punkt, also: wenig Wasser im Januar, Höchststände Ende Juni/Anfang Juli, und wieder wenig Wasser im Dezember. Diese Kurve wird nun immer flacher. Wissenschaftler Martin Wessels vom Institut für Seenforschung in Langenargen sagt: "Es wird zu einem Angleichen der Wasserstände kommen." Die hängen zwar auch von anderen Faktoren ab, wie zum Beispiel von der Wasserkraftnutzung in den Bergen und vom Wachstum bestimmter Pflanzen, die Wasser aufstauen können. Nichtsdestotrotz verändert diese Entwicklung die Ufer am Bodensee. Im vergangenen Jahr zum Beispiel waren die Pegel so niedrig, dass das Bodensee-Vergissmeinnicht erstmals im Sommer am Ufer frei lag. Die zarte Blume begann lila-weiß zu blühen, obwohl sie um diese Zeit normalerweise komplett mit Wasser bedeckt ist und nur einmal im Jahr im Frühling blüht. Schmelzwasser als Hochwassergefahr Wenn am Tegelberg im Ostallgäu der Schnee schmilzt, fließt das Wasser auch in den weniger als fünf Kilometer entfernten Forggensee. Der flächenmäßig größte Stausee in Deutschland wurde 1954 fertiggestellt und wird alljährlich über die Wintermonate um einige Meter abgelassen. Er soll Schmelzwasser aufnehmen, um Überflutungen entlang des Lechs bis hin zur Donau zu verhindern. Die Mengen sind enorm. Fließen im Durchschnitt rund 60 Kubikmeter Wasser pro Sekunde in den Forggensee, kann diese Menge während der Schneeschmelze um das Zwanzigfache steigen - pro Sekunde fließen dann bis zu 1200 Kubikmeter Wasser in den See. Das entspricht etwa 10.000 vollgelaufenen Badewannen pro Sekunde. Kraftwerke spüren den Rückgang Weil die Schneedecke immer dünner wird, werde über die Jahre auch weniger Platz zum Auffangen benötigt, erklärt Theodorus Reumschüssel, Sprecher für Wasserkraft Deutschland bei Uniper. Das Unternehmen reguliert den Wasserspiegel am Forggensee und betreibt 22 Kraftwerke am Lech. Statt der erlaubten 15 Meter wurde der See in diesem Jahr um gerade einmal vier Meter abgesenkt. Wie sehr der Wasserspiegel im Forggensee ab- beziehungsweise aufgestaut wird, hängt von vielen Aspekten ab, etwa auch von der Stromerzeugung. Laut Reumschüssel kann das Speicherkraftwerk Roßhaupten die Strommenge für 48.000 Haushalte liefern. Starke Regenfälle können weniger Schmelzwasser über das gesamte Jahr hinweg zwar teils ausgleichen, aber: Weniger Wasser heißt auch weniger Stromerzeugung. "Wir arbeiten mit dem Wasser, das uns zur Verfügung steht", so Reumschüssel. Der Lebensraum im und am Wasser wird kleiner Weniger Schmelzwasser heißt aber auch weniger Lebensräume für die Pflanzen- und Tierwelt. Nicht weit vom Forggensee entfernt steht Thomas Frey, Regionalreferent für den Bund Naturschutz in Schwaben, barfuß im eiskalten Lech. Auch er macht sich Sorgen um das Leben am und im Fluss. Durch Wassermangel würden die Stellen, die das ganze Jahr unter Wasser liegen, immer weniger - und der Lebensraum für Kleinstlebewesen wie Stein- oder Köcherfliegenlarven immer kleiner, so Frey. Die wiederum sind Nahrung für Wasservögel, Fledermäuse und Fische. Auch der Lebensraum am Lech-Ufer, wo Libellen und Amphibien zuhause sind, ändert sich laut Frey. Diese Zonen seien auf regelmäßige Überflutungen angewiesen. Und die gibt es meist nur, wenn im Frühjahr genügend Schmelzwasser aus den Bergen über die Flüsse in die Täler rauscht.
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2023-03-25
Papst erweitert Maßnahmen gegen Missbrauch
Katholische Kirche
Knapp vier Jahre nach dem Erlass schärferer Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche erweitert der Vatikan die Regeln: Diese gelten künftig auch für Laien, die "internationale Vereinigungen von Gläubigen" leiten. mehr
Knapp vier Jahre nach dem Erlass schärferer Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche erweitert der Vatikan die Regeln: Diese gelten künftig auch für Laien, die "internationale Vereinigungen von Gläubigen" leiten. Der Vatikan hat die Meldepflicht für sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche auf Laien ausgeweitet, die für vom Vatikan anerkannte Organisationen arbeiten. Wie aus einem verkündeten Apostolischen Schreiben in Form eines "Motu proprio" von Papst Franziskus hervorgeht, sind für sexuellen Missbrauch in der Kirche künftig auch "Laien, die Vorsitzende von internationalen Vereinigungen von Gläubigen sind oder waren, die vom Apostolischen Stuhl anerkannt oder errichtet wurden" kirchenrechtlich verantwortlich. Auch sie machen sich demnach nun strafbar, wenn sie durch "ihre Handlungen oder Unterlassungen die kanonischen und zivilrechtlichen Ermittlungen" gegen mutmaßliche Straftäter behindern oder umgehen. Mit dieser Erweiterung reagiert der Papst auf Verdachtsfälle in sogenannten geistlichen Bewegungen, die nicht von Klerikern, sondern von Laien geführt werden. Regeln sollen am 30. April in Kraft treten Zudem betrifft die Meldepflicht nun auch Missbrauch, der gegen "schutzbedürftige" Erwachsene begangen wird. Laut der katholischen Nachrichtenagentur KNA definiert das Dokument "schutzbedürftiger Erwachsener" als "jegliche Person, die sich in einem Zustand der Gebrechlichkeit, der körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung oder des Entzugs der persönlichen Freiheit befindet, die ihre Einsichts- oder Willensfähigkeit oder ihre Fähigkeit, sich der Straftat zu widersetzen, dauerhaft oder vorübergehend faktisch einschränkt". Konkretisiert wurden demnach auch die Regelungen zu Anlaufstellen für Betroffene und Meldende möglicher Missbrauchsfälle. Bistümer müssen nun leicht zugängliche "Einrichtungen oder Ämter" zur Verfügung stellen. Die Vorgängerversion hatte nur die Einrichtung von dauerhaften "Systemen" gefordert. Zeugen von mutmaßlichem Missbrauch dürfen gemäß dem neuen "Motu proprio" nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet werden. Diese Regel galt bislang nur für mögliche Betroffene. Die Untersuchungen der gemeldeten Vorfälle müssen von dem Bischof oder jeweiligen Inhaber der kirchlichen Leitungsgewalt an dem Ort durchgeführt werden, an dem die mutmaßlichen Taten stattgefunden haben. Der aktualisierte Papst-Erlass tritt am 30. April in Kraft. Schreiben aus 2019 aktualisiert Der neue Text ist eine Aktualisierung eines Apostolischen Schreibens aus dem Jahr 2019 mit dem Titel "Vos estis lux mundi" (Ihr seid das Licht der Welt), mit dem Franziskus bereits sämtliche kirchlichen Amtsträger - Bischöfe, Priester und sonstige Kleriker - unter anderem dazu verpflichtet, Verdachtsfälle von sexuellem Missbrauch innerhalb der Kirche zu melden. Zudem müssen seither innerkirchliche Versuche gemeldet werden, sexuelle Übergriffe durch Priester oder andere Amtsträger zu vertuschen. Das Schreiben von 2019 hatte einen besonderen Schwerpunkt auf "Minderjährige" und "schutzbedürftige Personen" sowie Herstellung, Darbietung, Besitz oder Verbreitung "kinderpornografischen Materials" gelegt.
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2023-03-25
++ Kiew: Lage um Bachmut stabilisiert sich ++
Krieg gegen die Ukraine
Nach Angaben ukrainischer Kräfte stabilisiert sich die Lage in der heftig umkämpften Stadt Bachmut. US-Präsident Biden hat bislang keine Hinweise darauf, dass China Waffen an Moskau liefert. Die Entwicklungen zum Nachlesen. mehr
Nach Angaben ukrainischer Kräfte stabilisiert sich die Lage in der heftig umkämpften Stadt Bachmut. US-Präsident Biden hat bislang keine Hinweise darauf, dass China Waffen an Moskau liefert. Die Entwicklungen zum Nachlesen. Ukraine meldet "Stabilisierung" im Kampf um BachmutBiden: China hat bislang keine Waffen an Russland geliefertUkraine wehrt sich gegen UN-Vorwürfe willkürlicher HinrichtungenSelenskyj setzt auf Weltbank für Wiederaufbau der Ukraine Ende des Liveblogs Für heute beenden wir unseren Liveblog zum Krieg gegen die Ukraine. Herzlichen Dank für Ihr Interesse! Selenskyj nennt russische Niederlage Garantie gegen neue Aggressionen Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich zuversichtlich über einen Erfolg gegen Russland geäußert. Eine russische Niederlage sei die beste Versicherung gegen neue Kriege, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. "Es ist die vollständige Niederlage Russlands, die eine zuverlässige Garantie gegen neue Aggressionen und Krisen sein wird." Selenskyj verwies darauf, dass sein Land in den vergangenen Tagen weitere Hilfen aus dem Ausland bekommen. Er bedankte sich bei den USA, Deutschland, Litauen, Finnland, Schweden und Japan. Weiter kündigte der ukrainische Präsident an, bis zum Jahresende für die Anschaffung von Drohnen für das Militär mindestens 500 Millionen Euro auszugeben. USA: Bleiben der NATO-Kollektivverteidigung verpflichtet Das US-Präsidialamt reagiert ebenfalls zurückhaltend auf Russlands Ankündigung einer Stationierung taktischer Atomwaffen in Belarus. Es sei weder ein Grund zur Änderung der US-Nuklearwaffenpolitik zu erkennen noch gebe es Anzeichen für Vorbereitungen Russlands zum Einsatz einer Nuklearwaffe. Die USA blieben der kollektiven Verteidigung der NATO verpflichtet. Kampagne gegen Atomwaffen warnt vor "extrem gefährlicher Eskalation" Die Stationierung russischer Nuklearwaffen in Belarus könnte aus Sicht der Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) zur Katastrophe führen. Der Plan von Russlands Präsident Wladimir Putin sei eine "extrem gefährliche Eskalation", warnte die mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Organisation am Samstag in Genf. Dies erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass solche Waffen zum Einsatz kommen. "Im Kontext des Ukraine-Kriegs ist das Risiko einer Fehleinschätzung oder Fehlinterpretation extrem hoch." Die Organisation erinnerte daran, dass der Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW) Staaten verbiete, ausländische Atomwaffen auf ihrem Territorium zuzulassen. Das 2017 verabschiedete Abkommen wurde bislang von 92 Staaten unterzeichnet. Russland und Belarus sind nicht darunter. Auch Staaten mit US-Atomwaffenstützpunkten - Deutschland, Belgien, Italien, die Niederlande und die Türkei - haben nicht zugestimmt. Berlin: Putin betreibt "nukleare Einschüchterung" Die Ankündigung von Russlands Präsident Wladimir Putin zur Stationierung von Atomwaffen im Nachbarland Belarus ist bei der Bundesregierung auf Kritik gestoßen. Im Auswärtigen Amt in Berlin war am Abend von einem "weiteren Versuch der nuklearen Einschüchterung" die Rede. Weiter hieß es: "Der von Präsident Putin gezogene Vergleich zur Nuklearen Teilhabe der NATO ist irreführend und kann nicht dazu dienen, den von Russland angekündigten Schritt zu begründen." Zudem habe sich Belarus international in mehreren Erklärungen darauf festgelegt, frei von Nuklearwaffen zu sein. Pentagon: Beobachten Lage nach Putins Ankündigung Nach Russlands Ankündigung einer Stationierung taktischer Atomwaffen in Belarus beobachtet das US-Verteidigungsministerium nach eigenen Angaben die Lage. Es sei weder ein Grund zur Änderung der eigenen Nuklearwaffenpolitik zu erkennen noch gebe es Anzeichen für Vorbereitungen Russlands zum Einsatz einer Nuklearwaffe, erklärt das Pentagon. IAEA-Chef kündigt Besuch im AKW Saporischschja an Der Chef der Internationalen Atombehörde (IAEA), Rafael Grossi, will nächste Woche das von russischen Truppen besetzte Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine besichtigen. Er habe entschieden, das AKW erneut zu besuchen, "um selbst zu sehen, wie sich die Lage seit September entwickelt hat", sagte Grossi in Wien. Dabei wolle er auch "mit denen sprechen, die die Anlage unter beispiellosen und sehr schweren Bedingungen betreiben". Die Lage sei trotz Anwesenheit von IAEA-Experten in dem AKW "heikel". Nach September vergangenen Jahres wird dies Grossis zweite Reise nach Saporischschja sein. Begleitet wird der Argentinier von Experten. In der Vergangenheit hatte es mehrfach Schwierigkeiten für die Teams vor Ort gegeben. Das AKW wurde im März 2022 kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs von moskautreuen Truppen besetzt. Putin kündigt 1600 Panzer an Angesichts der westlichen Panzerlieferungen für die Ukraine wird Russland nach den Worten von Präsident Wladimir Putin die eigene Panzerproduktion erhöhen. "Die Gesamtzahl der Panzer der russischen Armee wird die der ukrainischen um das Dreifache übertreffen, sogar um mehr als das Dreifache», sagte Putin im Staatsfernsehen. Während die Ukraine aus dem Westen 420 bis 440 Panzer bekomme, werde Russland 1600 neue Panzer bauen oder vorhandene Panzer modernisieren. Putin sagte zudem, Russland könne das Dreifache der Munitionsmenge produzieren, die der Westen der Ukraine liefern wolle. Die nationale Rüstungsindustrie entwickle sich in hohem Tempo. Ukrainisches Militär: Noch kein Strategiewechsel Russlands in Bachmut Nach Einschätzung des ukrainischen Militärs ist im erbitterten Kampf um die Stadt Bachmut im Osten des Landes noch kein klarer Strategiewechsel Russlands zu sehen. Nach wie vor sei Bachmut das vorrangige Ziel für die Russen, sagte der Kommandeur der ukrainischen Ost-Truppen, Serhij Tscherewaty, im Fernsehen. Er widersprach damit einer Einschätzung des britischen Verteidigungsministeriums, wonach sich die Russen nach den monatelangen erfolglosen Angriffen auf Bachmut nun wohl zwei anderen Sektoren zuwenden würden. Putin verkündet Abkommen mit Belarus über Stationierung taktischer Atomwaffen Russland hat nach Angaben von Präsident Wladimir Putin mit seinem Nachbarland Belarus eine Stationierung taktischer Nuklearwaffen auf dessen Territorium vereinbart. Abkommen zur Nichtverbreitung von Atomwaffen würden dadurch nicht verletzt, zitiert die Nachrichtenagentur Tass Putin. Er verwies auf die Stationierung von Atomwaffen der USA auf dem Gebiet von deren Verbündeten in Europa. Ukraine berichte von erfolgreichen Abwehrkämpfen um Bachmut Die Ukraine wehrt die monatelangen russischen Angriffe auf die Stadt Bachmut nach ukrainischer und britischer Darstellung mit zunehmendem Erfolg ab. Die Lage stabilisiere sich, erklärt der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj. Nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums kommen die russischen Angriffe vor allem wegen großer Verluste ins Stocken. Das Online-Medium "Nowoje Wremja" berichtete unter Berufung auf einen ukrainischen Militärsprecher, die Zahl der täglichen russischen Angriffe auf Bachmut sei von 30 und mehr auf weniger als 20 gesunken. Laut Wagner-Chef über 5000 Häftlinge nach Kriegseinsatz begnadigt In Russland sind mehr als 5000 frühere Sträflinge nach ihrem Kriegseinsatz als Wagner-Söldner in der Ukraine begnadigt worden. Sie hätten ihre Verträge für die Söldnertruppe erfüllt, teilte deren Gründer und Chef, Jewgeni Prigoschin mit. "Wir haben die Kriminalität in Russland auf ein Zehntel gesenkt und die ehemaligen Häftlinge besser erzogen als die Pioniere zu Sowjetzeiten", behauptete der 61-Jährige. Prigoschin hatte in Gefängnissen Tausende verurteilte Straftäter rekrutiert, um sie in der Ukraine einzusetzen. Die Wagner-Einheiten, die weitgehend autonom vom russischen Militärkommando agieren, spielen eine wichtige Rolle in dem seit über einem Jahr dauernden Krieg Russlands gegen sein Nachbarland. Sie wurden zu einer maßgeblichen Stütze, nachdem die reguläre russische Armee im vergangenen Jahr eine Reihe Niederlagen erlitten hatte. Scholz geht von langer Unterstützung für die Ukraine aus Bundeskanzler Olaf Scholz rechnet mit einer längeren Dauer des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. "Wir müssen uns darauf einrichten, dass wir lange die Unterstützung gewährleisten müssen", sagte Scholz. "Die eine Grundlage für alles ist, dass Russland einsieht, dass es nicht einfach sich große Teile des ukrainischen Territoriums einverleiben kann, wie es das jetzt versucht." Wenn diese Einsicht da sei, werde es erst möglich, zu einer Auflösung der Kriegssituation zu kommen. "Aber dieser Schritt ist noch nicht im Kopf des russischen Präsidenten", sagte Scholz mit Blick auf Wladimir Putin. "Der Blutzoll, den Putin für seinen imperialistischen Traum seinem Land, seinen eigenen jungen Männern zumutet, der ist wirklich ungeheuerlich." Erdogan dankt Putin für "positive Haltung" zu Getreideabkommen Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin in einem Telefonat für dessen "positive Haltung" bei der Verlängerung des Getreideabkommens mit der Ukraine gedankt. Beide hätten zudem Schritte zur Verbesserung der Beziehungen ihrer beiden Länder erörtert, teilt das türkische Präsidialamt mit. Thema seien auch die Entwicklungen hinsichtlich des Krieges in der Ukraine gewesen. Erdogan habe unterstrichen, wie wichtig es sei, den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine so rasch wie möglich durch Verhandlungen zu beenden. Der Sprecher des Präsidialamtes in Moskau, Dmitri Peskow, bestätigt der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA zufolge das Telefonat der beiden Präsidenten. Polen will Munitionsproduktion erhöhen Der polnische Munitionshersteller Dezamet wird nach Regierungsangaben seine Produktion erheblich steigern, um der Ukraine dringend benötigte und von der EU finanzierte Munition liefern zu können. Das kündigte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki im Hörfunksender RMF kurz vor dem für Montag erwarteten Besuch des EU-Binnenmarktkommissars Thierry Breton an. "Wir wollen den Output so schnell wie möglich vervielfachen." Dazu sollten neue Fertigungslinien in Betrieb genommen werden, sagt Morawiecki. Dezamet ist eine Tochter des staatlichen Rüstungskonzerns Polska Grupa Zbrojeniowa (PGZ) und stellt Munition für Artillerie, Mörser und Granatenwerfer her. Ukraine meldet "Stabilisierung" im Kampf um Bachmut Die Verteidiger der schwer umkämpften Stadt Bachmut im Osten der Ukraine haben nach Angaben des Oberbefehlshabers der ukrainischen Armee, Walerij Saluschnyj, ihre Positionen gefestigt. "Dank der titanischen Anstrengungen der Defensivkräfte gelingt es, die Lage zu stabilisieren", teilte Saluschnyj im Anschluss an ein Telefonat mit seinem britischen Amtskollegen Tony Radakin auf seinem Facebook-Account mit. Das Teilstück um Bachmut zähle aber nach wie vor zu den schwierigsten Frontabschnitten. Laut einer am Samstag veröffentlichten Bilanz des britischen Geheimdienstes ist "die russische Offensive auf die Stadt Bachmut in der Region Donbass weitgehend zum Stillstand gekommen". Dies sei höchstwahrscheinlich vor allem das Ergebnis der extremen Zermürbung der russischen Streitkräfte, hieß es. Selenskyj zu Gegenoffensive: "Wir können noch nicht beginnen" Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die militärische Lage im umkämpften Osten seines Landes als "nicht gut" bezeichnet. Grund sei der "Mangel an Munition", sagte Selenskyj in einem am Samstag erschienenen Interview der japanischen Tageszeitung "Yomiuri Shimbun". Über den Beginn einer möglichen Gegenoffensive sagte er: "Wir können noch nicht beginnen." Ohne Panzer und Artillerie könne man "keine tapferen Soldaten" an die Front schicken. "Wir warten darauf, dass Munition von unseren Partnern eintrifft", sagte Selenskyj unter Verweis darauf, dass das russische Militär jeden Tag dreimal mehr Munition ab als die ukrainischen Streitkräfte abfeuere. Medwedew will "Auslandsagenten" Einnahmen in Russland verbieten Wer in Russland als "Auslandsagent" eingestuft ist, soll nach Ansicht von Ex-Präsident Dmitri Medwedew in dem Land selbst kein Geld mehr verdienen dürfen. Dies müsse künftig in der Gesetzgebung direkt festgehalten werden, sagte der 57-Jährige russischen Medien. Das umstrittene Gesetz über "Auslandsagenten" dient in Russland der Stigmatisierung von Personen, Medien und Nichtregierungsorganisationen, die nicht linientreu sind. Die Forderung Medwedews, der als Vize-Chef des russischen Sicherheitsrats immer noch großen Einfluss besitzt, würde unter anderem ein Berufs- und ein Veröffentlichungsverbot für Kremlkritiker in Russland bedeuten. Medwedew bezog sich bei seiner Forderung auf den russischen Schriftsteller Boris Akunin, "der ausgereist ist, das Land, die militärische Spezialoperation und die Streitkräfte verflucht", dessen Bücher aber nach wie vor in Russland erhältlich seien. Um eine Person als "Auslandsagenten" einzustufen, müssen die Behörden nicht nachweisen, dass der Betreffende Geld aus dem Ausland erhalten hat. Es reicht der Vorwurf, der Beschuldigte stehe unter "ausländischem Einfluss". Auf der Schwarzen Liste des russischen Justizministeriums sind derzeit mehr als 160 Organisationen und mehr als 250 Einzelpersonen aufgelistet. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, der in Moskau nur "militärische Spezialoperation" genannt wird, haben die Behörden die Schwarze Liste deutlich vergrößert. Putin-Vertrauter schlägt Verbot von Internationalem Strafgerichtshof in Russland vor Ein Vertrauter von Russlands Präsident Wladimir Putin hat vorgeschlagen, den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Russland zu verbieten. Der Vorsitzende des russischen Unterhauses, Wjacheslaw Wolodin, plädierte dafür, jegliche Aktivitäten des Strafgerichtshofs in Russland zu untersagen und jeden, der mit dem IStGH zusammenarbeite und ihn unterstütze, zu bestrafen. Es sei nötig, die Gesetzgebung dahingehend zu ändern, schrieb er auf Telegram. Der IStGH hatte Mitte März wegen des Vorwurfs von Kriegsverbrechen in Zusammenhang mit dem Einmarsch in der Ukraine Haftbefehl gegen Putin erlassen. Russland bezeichnet den Haftbefehl als ungeheuerlich, inakzeptabel und feindselig. Biden: China hat bislang keine Waffen an Russland geliefert China hat nach den Worten von US-Präsident Joe Biden bislang keine Waffen an Russland geliefert. "Das heißt nicht, dass sie es nicht noch tun werden, aber sie haben es noch nicht getan", sagte Biden mit Blick auf entsprechende Befürchtungen westlicher Staaten vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Er habe "nun seit drei Monaten gehört", dass China Russland wichtige Waffen liefern werde, sagte Biden auf einer Pressekonferenz in der kanadischen Hauptstadt Ottawa. "Sie haben das noch nicht getan", sagte der US-Präsident. US-Außenminister Antony Blinken hatte am Mittwoch gesagt, Washington habe derzeit keine Hinweise darauf, dass China Russland bei seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine nennenswert militärisch unterstützt. Washington habe "bis heute nicht gesehen, dass sie diese rote Linie überschritten haben", sagte Blinken bei einer Anhörung vor einem Ausschuss des US-Senats. Ukraine wehrt sich gegen UN-Vorwürfe willkürlicher Hinrichtungen Die Ukraine hat sich gegen Vorwürfe der UN verwahrt, sie habe ebenso wie Russland Kriegsgefangene ohne Gerichtsverfahren willkürlich hingerichtet. Das Außenministerium in Kiew dankte der UN-Mission zur Überwachung der Menschenrechte in der Ukraine für ihre Nachforschungen, warnte aber zugleich vor jedem Versuch, "der als Gleichsetzung des Opfers mit dem Aggressor interpretiert werden könnte". Es sei "inakzeptabel", das "Opfer der Aggression" verantwortlich zu machen. Die Leiterin der UN-Mission zur Überwachung der Menschenrechte in der Ukraine, Matilda Bogner, hatte bei einer Pressekonferenz in Kiew gesagt, im Krieg gegen die Ukraine hätten beide Seiten Gefangene ohne Prozess und Anklage hingerichtet. Außerdem seien ukrainische und russische Kriegsgefangene misshandelt worden. Der ukrainische Menschenrechtsgesandte Dmitro Lubinez erklärte im Messengerdienst Telegram, er sei "überrascht" über die Anschuldigungen der Vereinten Nationen gegen sein Land. Er sei nicht vorab über die Befunde informiert worden. Lubinez wies die Vorwürfe nicht direkt zurück. Er betonte aber, er wolle nun "die Fakten erfahren und die unbestreitbaren Argumente", auf der die Schlussfolgerungen der UN-Mission fußten. Selenskyj setzt auf Weltbank für Wiederaufbau der Ukraine Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj setzt beim Wiederaufbau des durch Russlands Krieg zerstörten Landes auch auf die Unterstützung der Weltbank. Bei einem Treffen mit Vertretern der Weltbank seien neue vielversprechende Programme besprochen worden, sagte Selenskyj in einer Videobotschaft. Wohnhäuser, soziale Infrastruktur, die wirtschaftliche Basis des Lebens - all das müsse wieder aufgebaut werden, sagte er. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat allein innerhalb seines ersten Jahres einen Schaden von mindestens rund 125 Milliarden Euro verursacht, geht aus einem Bericht hervor. Ukraine-Krieg lässt Düngerverbrauch in Deutschland sinken Hohe Gaspreise und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine haben zu einem sinkenden Düngerabsatz in Deutschland geführt. Laut dem Statistischen Bundesamt sank im Wirtschaftsjahr 2021/22 der Absatz um 13 Prozent auf 1,1 Millionen Tonnen. Auch in diesem Jahr kauften die Bauern bislang nur zurückhaltend Dünger ein, wie die Münchner BayWa berichtete, Deutschlands größter Agrarhändler. Eine mögliche Folge sind schlechtere Ernten. Aber damit einhergehend sind mutmaßlich auch die Stickstoffeinträge im Grundwasser niedriger. Der Liveblog vom Freitag zum Nachlesen
/newsticker/liveblog-ukraine-samstag-259.html
2023-03-25
Russland stationiert Atomwaffen in Belarus
Ankündigung Putins
Weitere Eskalationsstufe im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: Russlands Präsident Putin kündigte an, taktische Atomwaffen im Nachbarland Belarus zu stationieren. Daran sei "nichts Ungewöhnliches". mehr
Weitere Eskalationsstufe im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: Russlands Präsident Putin kündigte an, taktische Atomwaffen im Nachbarland Belarus zu stationieren. Daran sei "nichts Ungewöhnliches". Russlands rückt mit seinen Atombombenbasen näher an den Westen: Am 1. Juli werden laut Präsident Wladimir Putin Lager im Nachbarland Belarus fertiggestellt sein, danach stationiert Russland dort taktische Atomwaffen. Darauf hätten sich die Regierungen in Moskau und Minsk geeinigt, sagte er im Staatsfernsehen. Internationale Verträge zur Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen würden nicht verletzt, weil diese Waffen nicht an Belarus übergeben würden, sondern im Besitz Russlands verblieben, sagte Putin weiter. Bereits am 3. April beginne die Ausbildung für die Besatzungen der atomwaffenfähigen Flugzeuge. Waffen können die USA nicht erreichen Putin begründete den Schritt damit, dass die USA ebenfalls Atombomben bei ihren Verbündeten stationiert hätten. So hatte er die Vereinigten Staaten in der Vergangenheit immer wieder aufgefordert, Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen, weil Moskau sich dadurch in seiner Sicherheit bedroht sehe. Die USA haben im Zuge der atomaren NATO-Abschreckung Atombomben in mehreren europäischen Ländern stationiert. Offizielle Angaben gibt es dazu zwar nicht, es sollen aber weiterhin in den Niederlanden, Belgien, Italien und Deutschland Atomwaffen lagern - außerdem im asiatischen Teil der Türkei. Die NATO-Staaten Großbritannien und Frankreich besitzen eigene Atomwaffen. Auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel sollen noch bis zu 20 US-Atombomben stationiert sein, die im Ernstfall mit Tornado-Kampfjets der Bundeswehr eingesetzt werden sollen. Russland stationiert keine strategischen Atomwaffen in Belarus, die etwa auch die USA erreichen könnten. Die Reichweite taktischer Atomwaffen wird mit mehreren Hundert Kilometer angegeben. Die Sprengwirkung liegt demnach zwischen 1 und 50 Kilotonnen TNT. Putin: Berlarus hat um Stationierung gebeten Mit dem 1. Juli nannte Putin erstmals ein konkretes Datum. Gespräche mit dem belarusischen Machthaber Alexander Lukaschenko gab es bereits in der Vergangenheit. Lukaschenko habe schon lange darum gebeten, atomare Waffen auf seinem Staatsgebiet zu stationieren, sagte Putin im Fernsehen. Aus Minsk gab es zunächst keine Angaben. Belarus gehört zu Moskaus engsten Verbündeten und grenzt an die NATO-Staaten Polen und Litauen. Dem Nachbarland seien auch schon "Iskander"-Raketenkomplexe übergeben worden, sagte Putin. Russland will Panzerproduktion hochfahren In dem Interview ging Putin auch auf die Ankündigung Großbritanniens ein, der Ukraine panzerbrechende Munition mit abgereichertem Uran zu liefern. Er drohte damit, auch die russischen Streitkräfte mit dieser Art von Geschossen auszurüsten, falls Kiew diese erhalten sollte. Russland verfüge "natürlich" über Mittel, um darauf zu reagieren, sagte Putin. "Wir haben, ohne zu übertreiben, Hunderttausende solcher Geschosse. Wir setzen sie nur derzeit nicht ein."  Westliche Waffenlieferungen an die Ukraine seien zwar eine "Bedrohung" für Russland, sagte Putin. Die russische Rüstungsindustrie mache jedoch Fortschritte, in den kommenden drei Jahren werde sie 1600 Panzer herstellen können. Damit werde die russische Armee "mehr als dreimal so viele" Panzer haben wie ihr Gegner. Westliche Waffenlieferungen würden diesen Krieg nur verlängern, sagte der Kremlchef im Interview. Putin gab sich einmal mehr sicher, dass Russland ausreichend große Mengen an Waffen und  Munition produzieren werde. Von einem baldigen Kriegsende oder einem Truppenrückzug sprach Putin nicht.  Immer wieder Drohungen aus Putins Umfeld Mit Bezug auf einen möglichen Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine hatte Russland in den vergangenen Monaten unterschiedliche Signale gesendet. Beim Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Moskau bekannten sich Putin und Xi in einer gemeinsamen Erklärung dazu, dass ein Atomkrieg "niemals entfesselt" werden dürfe. In einer nuklearen Auseinandersetzung könne es "keine Sieger" geben, hieß es weiter.  Andererseits drohten in den vergangenen Monaten mehrere hochrangige russische Vertreter, darunter der ehemalige Präsident und heutige Vizechef des Sicherheitsrats Dmitri Medwedjew, immer wieder offen mit Atomwaffen. Zudem setzte Russland im Februar den letzten verbliebenen nuklearen Abrüstungsvertrag mit den USA, New Start, aus - kündigte dann aber an, die Verpflichtungen daraus bis zum Auslaufen des Abkommens am 5. Februar 2026 einzuhalten.  Mit Informationen von Frank Aischmann, WDR
/ausland/europa/putin-atomwaffen-stationierung-belarus-101.html
2023-03-25
Erster Minister fordert Stopp des Justizumbaus
Massenproteste in Israel
Im Eiltempo will Israels Premier Netanyahu die Justiz umbauen - Protesten zum Trotz. Als erstes Kabinettsmitglied hat nun Verteidigungsminister Galant einen Stopp gefordert. Er sieht die Sicherheit des Landes in Gefahr. mehr
Im Eiltempo will Israels Premier Netanyahu die Justiz umbauen - Massenprotesten zum Trotz. Als erstes Kabinettsmitglied hat nun Verteidigungsminister Galant einen Stopp gefordert. Er sieht die Sicherheit des Landes in Gefahr. Israels Verteidigungsminister Joaw Galant hat Ministerpräsident Benjamin Netanyahu dazu aufgerufen, den heftig umstrittenen Umbau der Justiz auszusetzen. "Wir müssen den Prozess stoppen, um einen Dialog aufzunehmen", sagte Galant in einer überraschend angesetzten Ansprache. Er sprach von einem Zeitrahmen bis zum israelischen Unabhängigkeitstag am 26. April. Widerstand in den Streitkräften Galant kritisierte, das Vorhaben der Regierung habe auch zu Unruhe innerhalb des israelischen Militärs geführt und stelle eine klare und unmittelbare Bedrohung für die Sicherheit der Nation dar. Er habe in den vergangenen Wochen beunruhigende Äußerungen von Kommandeuren der Armee gehört. Er sprach von "Zorn, Schmerz und Enttäuschung in einer Intensität, wie ich sie noch nie erlebt habe". Der Verteidigungsminister bezog sich in seiner Rede auf zahlreiche Fälle von Reservisten, die aus Protest gegen die Justizreform nicht zum Dienst erschienen. "Wir müssen jede Form von Befehlsverweigerung stoppen", forderte er. Galant pocht auf Dialog Die Massendemonstrationen müssten aufhören. Der Minister forderte einen Dialog mit der Opposition und sagte, die Regierung sollte ihre Pläne erst wieder vorantreiben, wenn das Parlament nach einer Sitzungspause im April wieder zusammentritt. "Die Bedrohungen um uns herum sind groß", mahnte Galant. Damit bezog er sich auf den Dauerkonflikt mit den Palästinensern und das iranische Atomprogramm. Galant gehört wie Netanyahu der Likud-Partei an. Am Donnerstag hatte der Regierungschef den Minister zu einem Gespräch einbestellt. Danach hatte Galant erklärt, er habe den Regierungschef über die Auswirkungen der Gesetzesänderung auf die nationale Sicherheit informiert. Medien hatten bereits berichtet, Galant habe Netanyahu aufgefordert, das Vorhaben abzubrechen. Netanyahu hatte nach dem Gespräch erklärt, er sei entschlossen, mit der Reform fortzufahren. 200.000 Menschen protestieren in Tel Aviv Im Mittelpunkt der Reform steht das Verfahren zur Auswahl von Richtern. Die Regierung will ihren eigenen Einfluss stärken und die Befugnisse des Obersten Gerichtshofs einschränken. Sie begründet dies mit dem Vorwurf, Richter hätten sich in die Politik eingemischt. Kritiker werfen Netanjahus Regierung aus Konservativen, religiösen Fundamentalisten und ultrarechten Nationalisten vor, die Unabhängigkeit der Justiz einschränken zu wollen. Netanjahu will Kernelemente der Reform in den nächsten Tagen umsetzen. Kritiker sehen die Gewaltenteilung in Gefahr und warnen vor einer Staatskrise. Seit drei Monaten gibt es immer wieder Massenproteste. Auch heute versammelten sich nach Medienberichten in der Küstenmetropole Tel Aviv wieder annähernd 200.000 Demonstranten. In Jerusalem zogen Tausende Demonstranten an der Residenz von Präsident Isaac Herzog vorbei. Gewalt im Westjordanland steigt In Israel, wo der Sicherheitsgedanke eine sehr große Rolle spielt, ist die Sorge groß, dass die Proteste zu einer Destabilisierung des Landes beitragen könnten. Auch im besetzten Westjordanland nimmt die Gewalt stetig zu. Am Samstag wurden zwei israelische Soldaten in der Stadt Hawara von einem Palästinenser angeschossen und verletzt, wie das Militär mitteilte. In dem Ort hatten israelische Siedler nach einem tödlichen Anschlag auf zwei andere Siedler im Februar Häuser und Autos von Palästinensern in Brand gesteckt.
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2023-03-25
Nach dem Zugunglück ist vor der Wahl
Wut in Griechenland
Nach dem Zugunglück versucht Ministerpräsident Mitsotakis, sich tatkräftig zu zeigen - und sucht die Schuld bei anderen. Doch die Menschen in Griechenland sind zwei Monate vor den Wahlen weiter wütend. Von R. Kronthaler.
Nach dem Zugunglück versucht Ministerpräsident Mitsotakis, sich tatkräftig zu zeigen - und sucht die Schuld bei Anderen. Doch die Menschen in Griechenland sind zwei Monate vor den Wahlen weiter wütend. Ilias Papangelis bekommt eine Alarmnachricht auf sein Handy: ein Zugunglück zwischen Athen und Thessaloniki. Der Arzt versucht sofort, seine Tochter anzurufen. Sie hatte die Eltern über die Feiertage besucht und war auf dem Weg zurück nach Thessaloniki. Als er sie nicht erreicht, ist ihm klar: Anastasia ist tot. Verkettung von Fehlern Der schwerste Zugunfall des Landes war eine Katastrophe mit Ansage. Immer deutlicher tritt zutage, wie viele Fehler und Nachlässigkeiten zu dem Unglück führten. Im Fokus steht der diensthabende Fahrdienstleiter vom Bahnhof der Stadt Larisa. Er soll die Weiche für den Personenzug falsch gestellt haben. Der 59-Jährige war erst wenige Monate zuvor aus einer anderen Abteilung kommend umgeschult worden, obwohl die Stelle des Fahrdienstleiters für Unter-50-Jährige ausgeschrieben war. An jenem Abend war er allein vor Ort; der zweite diensthabende Kollege hatte seinen Posten vorzeitig verlassen. Zuvor soll er jedoch den entgegenkommenden Güterzug fälschlicherweise als "durchgefahren" ins Protokoll geschrieben haben. Voreilige Festlegung auf individuellen Fehler Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis eilte zur Unfallstelle und zeigte sich tatkräftig: Der Verkehrsminister trat sofort zurück, Mitsotakis gelobte eine Verbesserung der Bahnsicherheit und sagte, dass tragisches menschliches Versagen verantwortlich für das Unglück sei. Diese voreilige Festlegung auf einen individuellen Fehler befeuerte die Wut der Griechen. Denn das Unglück macht deutlich, wie stark das griechische Zugnetz heruntergewirtschaftet wurde. Systemische Sicherheitsmängel bekannt Die Gewerkschaften hatten immer wieder deutlich vor Ausfällen der Sicherheitstechnologie und vor Personalmangel gewarnt - und auf die damit verbundenen Gefahren hingewiesen. Doch die Regierung hatte dies stets abgetan. Nun stellte sich heraus, dass die meistbefahrene Strecke Griechenlands über kein automatisches Warnsystem verfügt. Signale funktionieren nicht. Eine zentrale Leitstelle in Larisa wurde 2019 nach einem Kabelbrand zerstört und seitdem nicht repariert, weshalb die Weichen per Hand gestellt werden müssen. Es fehlt eine unabhängige Prüfstelle für kleine und für verhinderte Unfälle, obwohl sich das Land gegenüber der EU zu diesem Standard verpflichtet hat.  Die Jugendlichen und der Wahlkampf Die Bahn streikte wochenlang, Zzehntausende Menschen demonstrierten seit dem Unglück gegen die Missstände. Die meisten der 57 Toten waren Studierende - gerade junge Menschen sind jetzt aufgebracht. Sie fühlen sich von der älteren Generation verraten. Das ist nun von besonderer Relevanz, denn in Griechenland ist Wahlkampfzeit - und das Wahlalter liegt seit diesem Jahr bei 17 Jahren. Ministerpräsident Mitsotakis, der nach Umfragen vor einer stabilen Wiederwahl stand, hat den Wahltermin vom April auf Ende Mai verschoben. Schuldzuweisung auch an Opposition Unglücke haben bei vielen Griechen in der Vergangenheit bereits die Wahlentscheidung beeinflusst. Mitsotakis erkannte seine unglückliche Äußerung und entschuldigte sich - zielgruppengerecht in den sozialen Medien - für seine eigenen Fehler und die seiner Regierung. Gleichzeitig vergaß er nicht, seinen politischen Gegner mit in die Verantwortung zu nehmen: Unter der linken Vorgängerregierung war die Bahn unter Druck der EU teilprivatisiert worden. Geschickt versucht Mitsotakis die Kritik an den Missständen umzudeuten: Die Umstände, die zu dem Zugunglück führten, erinnerten an das "alte, schlechte Griechenland", so Mitsotakis. Sie seien daher ein Beleg dafür, wie sehr das Land eine weitere Amtszeit seiner Regierung brauche. Zweifelhafte Soforthilfen Den Familien der Opfer hat die Regierung schnelle Hilfen zugesagt: Unter anderem erhalten alle engsten Angehörigen eine Sofortrente in der vierfachen Höhe des üblichen Rentensatzes. Außerdem sollen sie auf Wunsch eine Anstellung im öffentlichen Dienst bekommen. Steuerschulden werden erlassen, und überlebende Studierende aus dem Zug bekommen für den Rest des Studiums kostenloses Mensaessen, einen Platz im Wohnheim und Zusatzpunkte bei Prüfungen.   Europäische Staatsanwaltschaft ermittelt Eigentlich sollte Griechenland mit EU-Subventionen die Sicherheit im Bahnverkehr ausbauen. Das Projekt sollte 2014 beginnen, doch bis heute ist es nicht angelaufen. Gegenüber der ARD bestätigte die Europäische Staatsanwaltschaft, dass sie deshalb bereits im vergangenen Jahr Ermittlungen aufgenommen hat.   Trotz der vielen Fehler auf unterschiedlichen Ebenen spüre er keine Wut, sagt der Vater Ilias Papangelis, nur Kummer. Er könne seit dem Tod seiner Tochter nicht mehr richtig schlafen, esse nur wenig. Seine Praxis öffnete er drei Wochen nach dem Unglück wieder, um auf andere Gedanken zu kommen. Abends hole ihn die Trauer dann wieder ein. Anastasia sei nun ein "freier Engel", sagt ihr Vater: Sie sei immer bei ihm. Diese und weitere Reportagen sehen Sie im Europamagazin - am Sonntag um 12.45 Uhr im Ersten.
/ausland/europa/griechenland-zugunglueck-111.html
2023-03-25
Wie wichtig ist die Front bei Bachmut?
Halten oder abziehen?
Bachmut sei den Kampf nicht wert, hört die Ukraine aus dem Ausland immer wieder. Doch Selenskyj und sein Militär verstärken die Stellungen. Tatsächlich ist die Stadt mehr als ein Symbol. Ein Bericht aus dem Frontgebiet. Von M. Durm.
Bachmut sei den Kampf nicht wert, hört die Ukraine aus dem Ausland immer wieder. Doch Selenskyj und sein Militär verstärken die Stellungen. Tatsächlich ist die Stadt mehr als ein Symbol. Ein Bericht aus dem Frontgebiet. Schwer zu sagen, ob man sich irgendwann daran gewöhnt: An den schockartigen Knall der Haubitzen, die Einschläge der Granaten und an das hässliche Fauchen der Grad. Fliegen die russischen Raketen über einen hinweg, ist alles gut. Schlagen sie ein, trifft es meist alte Leute. So wie gerade erst in Tschassiw Jar, als eine Grad in der Schule, eine zweite in einem Vorgarten detonierte. Zwei Tote, ein Verletzter. Nachts werden Kämpfer nach Bachmut transportiert Die Siedlung, nur vier Kilometer vom umkämpften Bachmut entfernt, ist zur strategischen Frontstadt geworden. Es leben nur noch wenige Menschen in Tschassiw Jar: Frauen, die ihre kranken oder gebrochenen Männer versorgen, Bauern, die nicht wissen, wohin mit sich und ihren paar Habseligkeiten. Fast jedes Haus hat Granattreffer abbekommen, die Wellblechdächer zerfetzt, die dünnen Backsteinmauern geborsten. Jetzt, Ende März, haben Panzerketten die Äcker gepflügt. Im Umland hat das ukrainische Militär unter Tarnnetzen schwere Haubitzen in Stellung gebracht. Tagsüber deckt es die russischen Angreifer im Osten der Stadt mit Artilleriefeuer ein. Nachts, im Schutz der Dunkelheit, werden über Tschassiw Jar kleine Gruppen von Kämpfern nach Bachmut transportiert. Ihr Auftrag: Im Westen der Stadt die ukrainischen Schützengräben und Stellungen halten. Alles, was Waffen tragen kann, kommt an die Front Die Industriestadt Bachmut ist zwar verwüstet aber nicht dem Erdboden gleich gemacht. Sie hat sich in weiten Teilen in eine zerklüftete Ruinenlandschaft verwandelt. Wenn die Artillerie von Tschassiw Jar aus "arbeitet", wie es im Militärjargon heißt, steigen im Osten Bachmuts fahle Rauchwolken auf und verflüchtigen sich über dem, was noch übrig ist von der Stadt. "Es gibt Fabrikgebäude, Lagerhallen mit Betonwänden, Untergeschosse, das ist gut zu verteidigen", sagt Oberstleutnant Sergij Osatschuk. Drei bis vier Monate seien seine Leute ununterbrochen vor Ort, drei bis vier Tage in den vorderen Linien, dann gehen sie zurück in etwas stabilere Positionen, um zur Ruhe zu kommen. Alles, was Waffen tragen und schießen kann, wird dieser Tage mit dem Auftrag nach vorne geworfen, die Armee in den Stellungen zu verstärken: Neben dem Grenzschutz sind das auch Angehörige der Polizei, der Nationalgarde, der Territorialverteidigung, des Sicherheitsdienstes. Zwei Monate militärische Ausbildung müssen reichen, um der russischen Armee und den Wagner-Söldnern zu widerstehen. Die Stadt ist inzwischen nahezu eingekreist, auch die letzte Zufahrtsstraße gerät immer wieder unter Beschuss. Kriegsführung vom Westen nicht diktieren lassen Bachmut müsse aufgegeben werden, haben amerikanische, auch deutsche Militärexperten in den zurückliegenden Wochen immer wieder erklärt: zu hoch der Blutzoll, zu gering der strategische Nutzen der Stadt. "Bachmut wird nicht aufgegeben", erwidert der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ein ums andere Mal und zeigt, dass sich das ukrainische Militär vom Westen die Kriegsführung nicht diktieren lässt. Er hat der Stadt diese Woche einen Besuch abgestattet. Die Bilder vom Präsidenten, umringt von verdreckten, abgekämpften Soldaten, sind sorgfältig inszeniert. Sie sagen: "Ich bin einer von euch." Und es kommt an. Es stärkt den Durchhaltewillen der ukrainischen Kämpfer und bildet einen scharfen Kontrast zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, der zur gleichen Zeit, abgeschirmt und in aufgeplusterter Steppjacke die von seiner Armee verheerte Hafenstadt Mariupol besuchte.   "Der Feind hat aus seinen Fehlern gelernt" "Bachmut wird gehalten" - das sagt nicht nur Selenskyj, das sagen auch die ukrainischen Offiziere in Tschassiw Jar, die sich mehrmals am Tag tief unter der Erde in ihrem Kommandostand treffen. Ihr Feind, sagt Kommandant Igor (Name geändert), habe aus seinen Fehlern gelernt. Die von der Wagner-Gruppe angeworbenen Ex-Häftlinge seien vor den ukrainischen Schützengräben gestorben, damit sich die russische Armee in den Wintermonaten für die erwartete Frühjahrsoffensive rüsten könne. "Im Frühjahr", sagt Oberstleutnant Osatschuk, "werden uns gut ausgebildete russische Soldaten angreifen." Dem will die Ukraine zuvorkommen. Der Befehlshaber des ukrainischen Heeres, Generaloberst Oleksandr Syrskyj, hat seinerseits eine Gegenoffensive bei Bachmut angekündigt. Bachmut ist nicht nur ein Symbol So erschöpft sie auch sein mögen, die ukrainischen Bodentruppen verkämpfen sich nicht für ein bloßes Symbol. Bachmut ist einer der schwächsten Punkte an der 1200 Kilometer langen Front, die von Charkiw im Norden bis nach Cherson im Süden reicht. Brächen die russischen Angreifer durch, wäre als nächstes das 20 Kilometer entfernte Kramatorsk an der Reihe, eine Stadt mit etwa 50.000 Einwohnern, die dem ukrainischen Militär als Aufmarschgebiet für die Verteidigungslinien und Rückzugsort für ausgelaugte Einheiten dient. Die Luftabwehrstellungen im Raum Kramatorsk sorgen dafür, dass über Bachmut kaum russische Kampfjets angreifen können. Es gäbe belastbare militärische Argumente, die Stadt zu verteidigen, sagen führende Militärs. Für die Soldaten in den Schützengräben gibt es noch einen anderen Grund: Niemand im ukrainisch gehaltenen Teil des Donbass hat vergessen, was die russische Armee hinterließ, als sie im Frühjahr 2022 Städte und Dörfer im Donbass überrannte und fünf Monate später bei Isjum und Balaklija wieder zurück gedrängt wurde: Verbrannte Erde und Massengräber. Leben zwischen Minen und Ruinen Im Hinterland von Isjum führt die einzig befahrbare Straße an kilometerweit verminten Sonnenblumenfeldern vorbei, an ausgebombten Bauerndörfern und verwüsteten Kirchen. Was vom Rückzug übrigblieb, beschmierte Putins fliehende Soldateska mit dem russischen Siegzeichen Z. Um die Mittagszeit ist Tschassiw Jar in hellgraue Rauchschwaden gehüllt. Ein  beißender Explosionsgestank verpestet die Luft. Mitten im Gefechtslärm sitzt Jewgena auf einem Holzbänkchen und schaut in die Sonne. Sie ist 85 Jahre alt und sie sagt, ihr sei zu warm mit dem Schal, dem Kopftuch, den dicken Röcken. Der Winter sei endlich vorbei und das Wetter heute so schön. Hinter ihrem zertrümmerten Haus hängt frisch gewaschene Wäsche im Garten. Ein Mann radelt grüßend an ihr vorbei, ein anderer sammelt Brennholz. Und zur gleichen Zeit kommt das Unheil in immer neuen Schüben über den Ort: Ein paar Minuten Ruhe, dann wieder infernalischer Kriegslärm, dann wieder das Frühlingsgezwitscher von Amseln und Meisen. Wie sollte man sich an diesen Irrsinn gewöhnen?
/ausland/europa/front-bachmut-101.html
2023-03-25
Mini-Kraftwerk für jedermann
Balkon-Solaranlagen
Balkonkraftwerke sind für viele Privathaushalte der Einstieg in die Solarstrom-Produktion. In Zeiten hoher Strompreise werden die Mini-Anlagen immer beliebter - trotz bürokratischer Hürden. Von Anke Heinhaus.
Balkonkraftwerke sind für viele Privathaushalte der Einstieg in die Solarstrom-Produktion. In Zeiten hoher Strompreise werden die Mini-Anlagen immer beliebter - trotz bürokratischer Hürden. Für eine große Solaranlage ist das Dach von Udo Meyer nicht geeignet, Kosten und Aufwand seien zu hoch. Aber es geht auch kleiner: Seit einem halben Jahr hat der Darmstädter zwei Mini-Solarzellen auf seinem Gartenhaus. "Von morgens bis abends scheint hier die Sonne", sagt er. Die Anlage ist direkt ans Stromnetz angeschlossen. 180 Kilowattstunden hat er nach eigenen Angaben schon gesammelt. Erstmal klein anfangen Solarpanels auf Hausdächern sind ein gewohnter Anblick, doch auch an Balkonen oder auf Garagen lassen sich Photovoltaik-Module montieren. Jede zehnte neue Anlage ist eine sogenannte Mini-PV-Anlage mit einer Leistung von maximal 600 Watt. Damit können auch Bewohner ohne große Flächen Strom erzeugen. Auch Joschka Claar aus Marburg ist zufrieden mit seinem Balkonkraftwerk. Zwar würde sich sein Dach für eine große Anlage eignen; die Investition war ihm aber bisher zu hoch. Da er mit der kleinen Anlage allerdings nur etwa zehn Prozent seines gesamten Stromverbrauchs produziere, denke er mehr und mehr über eine große Anlage nach. Ein Schnäppchen dank Förderung Und genau das möchten viele Städte und Gemeinden in Deutschland erreichen: "Das Balkonkraftwerk soll als 'Einstiegsdroge' dienen, um irgendwann dann doch auf eine große Anlage umzusteigen", sagt Patrick Voos vom Amt für Klimaschutz in Darmstadt. Damit die Kosten keine Hürde sind, zahlen immer mehr Städte und Gemeinden in Deutschland teilweise sehr hohe Zuschüsse zur Balkon-Solaranlage. Außerdem gibt es von einzelnen Bundesländern Förderprogramme. Die Anlagen bestehen aus ein oder zwei Solarpanelen, einem sogenannten Wechselrichter, der den produzierten Gleichstrom in Wechselstrom umwandelt, und einem Stecksystem für den Anschluss ans häusliche Stromnetz. Maximal werden 600 Watt erzeugt. Auch wenn keine offizielle Genehmigung erteilt werden muss: Kleine Solaranlagen müssen bei der Bundesnetzagentur angemeldet werden, und auch das örtliche Versorgungsunternehmen sollte Bescheid wissen. In Darmstadt haben sie das Ziel ausgerufen, möglichst jedem Bewohner die Teilhabe an der Energiewende zu ermöglichen. Hürden für Mieter und Mehrfamilienhäuser Die Nachfrage nach der Förderung ist hoch, doch gerade mal zehn Prozent aller Anmeldungen sind bisher von Mietern eingegangen. Das habe einen einfachen Grund, sagt Behördenvertreter Voos, denn Mieter brauchen das Einverständnis der Vermieter und darüber hinaus eine Einverständniserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft. Es muss also nicht nur das Einverständnis des Vermieters gegeben sein, sondern auch eine Mehrheit der Wohnungseigentümer in einem Gebäude insgesamt muss einverstanden sein, denn die Fassade gehört zum Gemeinschaftseigentum. Bernd Kreuzberger, Vorsitzender einer Wohnungseigentümergemeinschaft mit 284 Wohneinheiten in Offenbach, erklärt, dass bei ihm mindestens 142 Eigentümer zustimmen müssen - ein schier unerreichbares Unterfangen. Er wünscht sich, dass diese Hürden vom Gesetzgeber aufgehoben werden, indem das Wohnungseigentümergesetz dahingehend geändert wird, dass jeder Eigentümer selbst über seinen Balkon entscheiden dürfe. Kreuzberger rechnet vor: Wenn nur 100 Einheiten mitmachten, könnte das große Haus durchschnittlich 200 Kilowattstunden Strom pro Tag erzeugen. Doch unter den Eigentümern gibt es viele Bedenken; manche stören sich an der Optik, andere befürchten, dass die Anlagen nicht sicher genug angebracht werden. Ein Flickenteppich in Deutschland Und genau dieses Beispiel spiegelt das Bild in Deutschland wider: Was die Genehmigungen für die Mini-PV-Anlagen betrifft, gleicht Deutschland einem Flickenteppich. Zum Beispiel müssen Mieter in Berlin, die in einem Hochhaus wohnen, einen kostenpflichtigen Bauantrag stellen. In Brandenburg dürfen solche Anlagen bisher nur von Elektrofachbetrieben angeschlossen werden. Und in einer Gemeinde in Bayern sind Solar- und PV-Anlagen nur auf Dächern zulässig. Balkonkraftwerke verschandelten das Ortsbild und brächten auch nicht viel, argumentieren die Gemeinderäte. Ein paar bürokratische Hürden müssen also noch abgebaut werden, bis jeder seinen Teil zur Energiewende beitragen kann.
/wirtschaft/technologie/mini-solar-balkon-pv-101.html
2023-03-25
Regierungskritiker aus "Hotel Ruanda" ist frei
Paul Rusesabagina
Der wegen "Terrorismus" zu 25 Jahren Haft verurteilte ruandische Regierungskritiker Rusesabagina ist aus dem Gefängnis entlassen worden. Weltweit bekannt wurde er durch den Film "Hotel Ruanda". mehr
Der wegen "Terrorismus" zu 25 Jahren Haft verurteilte ruandische Regierungskritiker Rusesabagina ist aus dem Gefängnis entlassen worden. Weltweit bekannt wurde er durch den Film "Hotel Ruanda". Der wegen Terrorvorwürfen verurteilte ruandische Regierungskritiker Paul Rusesabagina, dessen Leben als Inspiration für das Drama "Hotel Ruanda" diente, ist aus der Haft freigekommen. Regierungssprecherin Yolande Makolo sagte, die Haftstrafe werde auf Anordnung von Präsident Paul Kagame nach einem Gnadengesuch ausgesetzt. Dies bedeute nach ruandischem Recht jedoch keine Aufhebung seiner Verurteilung. Rusesabagina soll nach Katar ausreisen Die Geschichte des Hotelmanagers Rusesabagina wird in dem Film "Hotel Ruanda" erzählt: Er handelt davon, wie er während des Völkermords 1994 ethnische Tutsi beherbergte und ihnen so das Leben rettete. Der 68-jährige Rusesabagina, der die belgische Staatsbürgerschaft besitzt, sei schon am Abend in der Residenz des katarischen Botschafters in Ruandas Hauptsadt Kigali eingetroffen, berichteten ranghohe US-Vertreter. Es werde erwartet, dass er das Land in den kommenden Tagen verlassen könne. Der Sprecher des katarischen Außenministeriums, Madschid Al-Ansari, teilte zuvor mit, das Verfahren für die Überstellung Rusesabaginas laufe. Von Katar aus werde er dann in die Vereinigten Staaten reisen. Diese Frage sei zwischen katarischen und ruandischen Vertretern auf höchster Ebene erörtert worden. Festnahme unter dubiosen Bedingungen Die Strafen gegen 19 weitere Menschen wurden ebenfalls umgewandelt, wie Sprecherin Makolo sagte. "Ruanda nimmt die konstruktive Rolle der US-Regierung bei der Schaffung von Bedingungen für einen Dialog über dieses Thema sowie die Unterstützung durch Katar zur Kenntnis". Präsident Paul Kagame erklärte Anfang des Monats, es liefen Gespräche zur Lösung des Problems. Die Verurteilung Rusesabaginas wurde international als ungerecht bezeichnet. Rusesabagina verschwand 2020 während eines Besuchs in den Vereinigten Arabischen Emiraten und tauchte Tage später in Ruanda in Handschellen wieder auf. Seine Familie sagte, er sei entführt und gegen seinen Willen für einen Gerichtsprozess nach Ruanda gebracht worden. Er wurde in acht Anklagepunkten verurteilt, darunter Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Mord und Entführung. Doch die Umstände seiner Verhaftung, sein eingeschränkter Zugang zu einem unabhängigen Anwaltsteam und sein sich verschlechternder Gesundheitszustand lösten international Besorgnis aus. Nach Angaben seiner Familie wurde er in der Haft gefoltert. Rusesabagina wurde während des Völkermords zum Helden Rusesabagina erklärte, seine Verhaftung sei eine Reaktion auf seine Kritik an Kagame wegen Menschenrechtsverletzungen. Kagames Regierung hat wiederholt bestritten, abweichende Meinungen durch Verhaftungen und außergerichtliche Tötungen zu verfolgen. In einem Brief an Kagame schrieb Rusesabagina im Oktober, er werde im Fall seiner Freilassung den Rest seiner Tage in den USA verbringen. Er hege keine persönlichen oder politischen Ambitionen und werde die ruandische Politik hinter sich lassen. Rusesabagina wird zugeschrieben, während des Völkermords in Ruanda 1994 mehr als 1000 Tutsi in dem von ihm geführten Hotel beherbergt zu haben. Damals wurden mehr als 800.000 Tutsi und Hutus, die sie zu schützen versuchten, getötet. Für seine Leistung wurde ihm die Freiheitsmedaille des US-Präsidenten verliehen. Er wurde zu einem öffentlichen Kritiker von Kagame und verließ Ruanda 1996, lebte zunächst in Belgien und dann in den USA. Kagame-Sprecherin: "Wunsch eines Neuanfangs" US-Präsident Joe Biden sprach von einem "glücklichen Ausgang". Er teile mit Rusesabaginas Familie "die Freude über die heutigen guten Nachrichten". US-Außenminister Antony Blinken dankte Ruanda für die Freilassung. "Es ist eine Erleichterung zu wissen, dass Paul wieder mit seiner Familie vereint wird", erklärte Blinken. Er dankte Katar für die "wertvolle Unterstützung". "Die USA glauben an ein Ruanda, das friedlich und erfolgreich ist", erklärte Blinken.  Kagames Sprecherin Stephanie Nyombayire schrieb auf Twitter, die Freilassung sei "das Ergebnis des gemeinsamen Wunsches, bei den US-ruandischen Beziehungen neu anzufangen". Die USA hatten im vergangenen Jahr erklärt, dass "Rusesabagina zu Unrecht inhaftiert ist".  • A commutation does not negate the conviction and can be revoked should crimes be repeated •The close relationship between Rwanda & Qatar was key •This is the result of a shared desire to reset US-Rwanda relationship Statement by @Rwanda_Justice: https://t.co/AN2pVrFdVP https://t.co/ZtHHEuLedg Auch Belgien, dessen Staatsbürgerschaft Rusesabagina besitzt, hatte den Prozess gegen ihn kritisiert. Die belgische Außenministerin Hadja Lahbib begrüßte nun "die Entscheidung der ruandischen Regierung".
/ausland/afrika/ruanda-171.html
2023-03-25
Biden warnt vor weiteren Angriffen
US-Bürger in Syrien getötet
Eine Drohne "iranischen Ursprungs" attackiert eine amerikanische Militärbasis in Syrien, das US-Militär schlägt umgehend zurück - und wird daraufhin wieder selbst beschossen. Aus Washington heißt es: Wir wollen keinen Krieg - aber wir werden uns nichts gefallen lassen. mehr
Eine Drohne "iranischen Ursprungs" attackiert eine amerikanische Militärbasis in Syrien, das US-Militär schlägt umgehend zurück - und wird daraufhin wieder selbst beschossen. Aus Washington heißt es: Wir wollen keinen Krieg - aber wir werden uns nichts gefallen lassen. US-Präsident Joe Biden hat nach der Tötung eines US-Bürgers durch einen Drohnenangriff in Syrien vor weiteren Angriffen gewarnt. Man suche keinen Konflikt mit dem Iran, sagte Biden, nachdem die US-Geheimdienste von einer Drohne "iranischen Ursprungs" gesprochen hatten. "Aber seien Sie darauf vorbereitet, dass wir zum Schutz unseres Volkes kraftvoll handeln werden." US-Medien berichteten später von weiteren Angriffen auf Einrichtungen des US-Militärs im Nordosten Syriens. Dabei sei ein Soldat verletzt worden, meldete der Sender ABC unter Berufung auf eine nicht namentlich genannte Quelle. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür zunächst nicht. Noch 900 US-Soldaten in Syrien Bei dem ersten Drohnenangriff auf einen Militärstützpunkt war nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums ein Auftragnehmer der Armee getötet worden. Das US-Militär griff daraufhin Ziele von Verbündeten der iranischen Revolutionsgarden aus der Luft an, woraufhin laut Pentagon wiederum die Militärbasis "Green Village" im Nordosten Syriens mit zehn Raketen beschossen wurde. Soldaten seien dabei jedoch nicht verletzt worden. Die US-Regierung geht nach eigenen Angaben davon aus, dass hinter den Angriffen ebenfalls Gruppen stehen, die von den Revolutionsgarden unterstützt werden. Die Revolutionsgarden sind die Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte und weitaus wichtiger als die klassische Armee des Landes. Der Iran ist im Bürgerkrieg neben Russland der wichtigste Verbündete des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Dessen Regierung beherrscht etwa zwei Drittel des zersplitterten Landes, darunter die meisten größeren Städte samt der Hauptstadt Damaskus. US-Soldaten wurden 2015 zur Unterstützung des Kampfs gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nach Syrien geschickt, 900 sind heute noch dort stationiert - vor allem im Osten des Landes.
/ausland/amerika/usa-syrien-155.html
2023-03-25
Das Ende der Roxham Road
Asylabkommen zwischen USA und Kanada
Die USA und Kanada haben sich auf eine Anpassung ihres Asylabkommens geeinigt, um illegale Migration zu stoppen. Kanada will nun vermehrt Kapazitäten für legale Einwanderung schaffen. Von Peter Mücke.
Die USA und Kanada haben sich auf eine Anpassung ihres Asylabkommens geeinigt, um illegale Migration zu stoppen. Kanada will nun vermehrt Kapazitäten für legale Einwanderung schaffen. Auch sonst geben sich die Staaten brüderlich. Eigentlich sind Treffen zwischen dem US-Präsidenten und dem kanadischen Premierminister Routine. Die Nachbarländer arbeiten eng zusammen, Konflikte gibt es selten. Doch diesmal war die Visite von Joe Biden in Ottawa mit einer gewissen Spannung erwartet worden. Zum einen, weil der US-Präsident nicht - wie sonst üblich - direkt nach seiner Wahl das nördliche Nachbarland besucht hatte, sondern erst jetzt. Und zum anderen wegen zuletzt wachsender Differenzen in der Einwanderungspolitik. Trotzdem wurde Biden im kanadischen Parlament begeistert empfangen. Illegale Einwanderung Richtung Kanada Da hatte sich bereits herumgesprochen, dass sich die beiden Regierungen nach monatelangen Verhandlungen auf Veränderungen im sogenannten "Safe-Third-Country-Agreement" geeinigt hatten. Kanada hatte auf eine Modifizierung gedrängt, nachdem zuletzt immer mehr Migranten auf illegalem Weg über die USA eingereist waren. Das soll jetzt ein Ende haben, so der kanadische Premierminister Justin Trudeau: "Unsere beiden Länder glauben an sichere, faire und geordnete Migration, den Schutz von Flüchtlingen und Grenzsicherheit." Deshalb werde das Abkommen jetzt auch bei Asylsuchenden angewendet, die die Grenze auf nicht offiziellen Wegen überschreiten. Ab Mitternacht soll die kanadische Polizei das Abkommen umsetzen und irreguläre Migranten am nächsten Grenzübergang an die US-Behörden übergeben. Kein Weg über die Roxham Road Das bedeutet das Aus für die Roxham Road, eine Grenzstraße zwischen dem US-Bundesstaat New York und der kanadischen Provinz Quebec, die zuletzt immer mehr Migranten genutzt hatten. Allein im vergangenen Jahr kamen so 40.000 Menschen vor allem aus Süd- und Mittelamerika, aber auch aus Asien über die USA nach Kanada, um dort Asyl zu beantragen. Grund dafür war ein Schlupfloch im 2004 abgeschlossenen Abkommen, dass zwar vorsieht, dass sie an legalen Grenzübergängen abgewiesen werden müssen - nicht jedoch, wenn sie auf illegalem Weg in Kanada einreisen. Damit soll nun Schluss sein. Mehr legale Einwanderung Im Gegenzug will die kanadische Regierung mehr Migranten auf legalem Weg aufnehmen, so US-Präsident Biden: "Damit erfüllen wir auch unsere gemeinsame Verpflichtung, das historische Ausmaß der Migration anzugehen. Seit wir in den USA spezielle Möglichkeiten für die Einwanderung geschaffen haben, sind die Zahlen stark zurückgegangen." Deshalb sei es gut, dass Kanada mit einem ähnlichen Programm die Möglichkeit für bis zu 15.000 zusätzliche Migranten geschaffen habe, um aus Ländern der westlichen Hemisphäre nach Kanada zu kommen, erklärte der US-Präsident. Schulterschluss von USA und Kanada Auch sonst lobten Biden und Trudeau die tiefe Verbindung der beiden Länder angesichts zahlreicher Herausforderungen wie der Klimakrise, den Nachwirkungen der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg. Und selbst beim Umgang mit der Smartphone-App TikTok betonte Trudeau die Einigkeit zwischen Kanada und den USA: "Wir haben die ähnliche Entscheidung getroffen, wie die USA. Es gibt Bedenken wegen Datenschutz und Sicherheit. Deshalb haben wir TikTok auf Regierungstelefonen verboten." Als Vater von Teenagern mache sich Trudeau auch Sorgen um die Privatsphäre und Sicherheit seiner Kinder. Deshalb sei er froh, dass sie auf ihren Telefonen - die ebenfalls von der Regierung eingerichtet wurden - auch nicht mehr auf TikTok zugreifen könnten. Das sei ganz schön frustrierend für sie gewesen. "Das gilt auch für uns?", hätten sie gefragt. "Ja, das war ich", musste sich Trudeau rechtfertigen.
/ausland/amerika/usa-kanada-migration-asylabkommen-101.html
2023-03-25
Wo Schwule in Deutschland Schutz finden
Geflüchteten-WG
In Schwäbisch Gmünd wohnen sechs schwule Flüchtlinge in einer Wohngemeinschaft. Die bietet Schutz und schafft Selbstvertrauen. Traumatische Erlebnisse in ihren Heimatländern verbinden sie. Von J. Rieger und P. Köpple.
In Schwäbisch Gmünd wohnen sechs schwule Flüchtlinge in einer Wohngemeinschaft. Die bietet Schutz und schafft Selbstvertrauen. Traumatische Erlebnisse in ihren Heimatländern verbinden sie. Ali sitzt in seinem Zimmer in Schwäbisch Gmünd. Blumen auf der Fensterbank, ein Sofa, ein Tisch. Ali, der aus Tunesien stammt, ist in Sicherheit, nach Jahren der Verfolgung und der Angst. Doch noch immer ist ihm die Anspannung deutlich anzumerken, wenn er von seinen Erfahrungen als Schwuler in seinem Heimatland spricht. Seine Füße wippen nervös, die Stimme fast ein Flüstern, als er berichtet, wie er vergewaltigt und dabei sogar gefilmt wurde, um ihn zu demütigen. "Das war für mich der Moment, als ich wusste, ich kann nicht in Tunesien bleiben", erzählt er. "Ich war auch vorher schon ein paar Mal in Europa gewesen, immer nur für ein paar Wochen, aber nach dieser Erfahrung war mir klar, das reicht, ich kann so nicht mehr leben." Ermordet vom Mob Ali ist 27 Jahre alt. Ein junger Mann, adretter Haarschnitt. Auf seiner Handyhülle prangt die Regenbogenfahne, das Symbol der LGBTIQ-Community. Hier kann er es offen zeigen, denn hier, in einer Wohngemeinschaft in Schwäbisch Gmünd, lebt Ali mit anderen schwulen Geflüchteten zusammen. Sechs Männer haben hier Zuflucht gefunden, aus Nigeria, Kurdistan oder Kamerun, also aus Ländern, in denen sie als Schwule gedemütigt oder verfolgt wurden - oder sogar um ihr Leben fürchten mussten. So wie Elvis. Seit zwölf Tagen lebt er in der Schwulen-WG, seine Flucht begann jedoch bereits 2018, erzählt der studierte Politikwissenschaftler: "Ich befand mich zu Studienzwecken gerade im Ausland, als mein damaliger Freund in Kamerun von einem Mob aufgespürt und bei lebendigem Leib verbrannt wurde, weil er offen als Schwuler lebte. Der Richter hat damals einen Haftbefehl gegen mich ausgestellt. Seitdem bin ich nicht mehr nach Kamerun zurückgekehrt." Täte er es dennoch, sagt Elvis, würde er sofort verhaftet, denn in Kamerun werde Homosexualität mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. Die Mörder seines Freundes hingegen müssten keinerlei Strafe befürchten, da ist Elvis sicher: "Die Verfassung missbilligt Homosexualität. Deshalb wird bei Selbstjustiz weggeschaut. Die Polizei wird niemanden verhaften, der einen Schwulen umbringt." Schwule Solidarität Dass viele hier in der schwulen Flüchtlings-WG ähnliche Erfahrungen gemacht haben, sie sich darüber austauschen und gemeinsam über ihre Traumata hinweghelfen können, lässt die Männer oft zum ersten Mal eine Art schwule Solidarität erfahren. Das ist Joschi Moser, einem der Initiatoren der "Rainbow Refugees", besonders wichtig. Seit Jahrzehnten engagiert er sich in der AIDS-Hilfe. Die Flüchtlings-WG nennt er sein "spätes Lebenswerk". "In den Ländern, aus denen unsere Geflüchteten kommen, musste jeder schauen, dass er schlicht und einfach überlebt. Und hier haben wir die Gelegenheit, Zusammenhalt zu üben. Das heißt, hier lernen sie vor allem eines, dass sie nämlich selbstbewusste schwule Männer werden, dass sie ein selbstbewusstes, eigenständiges Leben führen können." Ein Zurück gibt es nicht Damit das gelingt, gibt es in der Wohngemeinschaft strenge Regeln. Deutsch lernen ist Pflicht. Schon das kleinste Vergehen, und sei es nur ein winziger Ladendiebstahl, führt zum Rauswurf. Und: Täglich wird gemeinsam die Tagesschau angesehen. "Da hören die Männer das reinste Hochdeutsch, das es gibt", sagt Joschi Moser lächelnd. Moser weiß, dass sein Konzept erfolgreich ist und die Männer motiviert, sich hier ein Leben aufzubauen. Auch, weil es ein Zurück für sie nicht gibt. "Unsere Geflüchteten haben nicht die geringste Rückkehrperspektive in ihre Herkunftsländer, weil sich da politisch wie auch gesellschaftlich lange Jahre nichts ändern wird, da müssen wir uns nichts vormachen. Und das heißt, die brauchen eine feste Bleibeperspektive." Die sei allerdings von der Politik nicht immer garantiert. Ali verfolgt täglich in den Nachrichten, was sich in seinem Heimatland Tunesien tut. Der Machtwechsel, die neue, vielleicht liberalere Regierung. Hoffnungen, dass er irgendwann dorthin zurückkehren kann, macht er sich jedoch nicht. "Die Homophobie ist zu tief in der Mentalität der gesamten Gesellschaft verwurzelt", so der Tunesier. "Um das zu ändern braucht es viel Zeit, vielleicht zehn, 20 Jahre." Angst vor Homophobie Auch Elvis aus Kamerun richtet sich langfristig auf ein Leben in Deutschland ein. Hier fühlt er sich sicher - aber eine Sache bereitet ihm auch Sorgen: "Deutschland wird gerade zu einer sehr diversen Gesellschaft, einer Gesellschaft mit Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen, aus dem Kaukasus, aus Afrika, dem Mittleren Osten. Und mit diesen Menschen ziehen auch wieder homophobe Tendenzen in die deutsche Gesellschaft ein. Das macht mir Sorge, auch wenn ich weiß, dass ich hier als Schwuler von der Polizei und der Regierung beschützt werde." Geflüchtete, die sich vor anderen Flüchtlingen fürchten? Ja, sagt Joschi Moser, das sei durchaus ein Thema. "Wir haben viele Berichte gehört von sexuellen Übergriffen in Landeserstaufnahmestellen und die Verantwortlichen dort sind oftmals recht machtlos. Andererseits sind unsere Geflüchteten auch durch Erfahrungen mit der Polizei in ihren Herkunftsländern so traumatisiert, dass sie auch da keine Hilfe suchen." Deshalb besucht er mit den Bewohnern der Schwulen-WG regelmäßig Polizeistationen, um Vertrauen aufzubauen, um zu zeigen, dass es hier in Deutschland durchaus Hilfe für sie gibt. Und vielleicht sogar ein neues Leben, ohne Angst.
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2023-03-25
Verbrenner-Streit beigelegt
Deutschland und EU-Kommission
Die Bundesregierung hat sich im Streit um ein Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 mit der EU geeinigt. Laut Verkehrsminister Wissing können Fahrzeuge auch nach 2035 neu zugelassen werden, wenn sie nur CO2-neutrale Kraftstoffe tanken. mehr
Die Bundesregierung hat sich im Streit um ein Aus für Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 mit der EU geeinigt. Laut Verkehrsminister Wissing können Fahrzeuge auch nach 2035 neu zugelassen werden, wenn sie nur CO2-neutrale Kraftstoffe tanken. Deutschland und die EU haben sich im Streit über das Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor geeinigt. Das teilten Verkehrsminister Wissing und EU-Kommissionsvize Timmermans auf Twitter mit. "Wir haben eine Einigung mit Deutschland über den künftigen Einsatz von E-Fuels in Autos gefunden", twitterte der Vize-Präsident der EU-Kommission, Frans Timmermans. "Der Weg ist frei: Europa bleibt technologieneutral", teilte Bundesverkehrsminister Volker Wissing ebenfalls über Twitter mit. Die Einigung sei gestern am späten Abend erfolgt, hieß es von Wissing. Man habe den Weg dafür freigemacht, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die ausschließlich klimaneutralen Kraftstoffe tanken, auch nach 2035 neu zugelassen werden können. Der Weg ist frei: Europa bleibt technologieneutral. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor können auch nach 2035 neu zugelassen werden, wenn sie ausschließlich CO2-neutrale Kraftstoffe tanken. 1|2 Prozess soll bis Herbst abgeschlossen sein Laut Wissing wurden konkrete Verfahrensschritte und ein konkreter Zeitplan verbindlich fixiert. Man wolle, dass der Prozess bis Herbst 2024 abgeschlossen sei. "In sehr detaillierten und konstruktiven Verhandlungen ist es uns gelungen, im Rahmen der Regulierung zu den Flottengrenzwerten das Element der Technologieneutralität sicherzustellen", so Wissing weiter. Timmermans schrieb auf Twitter, man werde jetzt daran arbeiten, dass die Verordnung über CO2-Standards für Autos so schnell wie möglich verabschiedet werde. Scholz hatte sich optimistisch geäußert Zuletzt sah die Bundesregierung eine Lösung in greifbarer Nähe. Kanzler Olaf Scholz hatte am Freitag nach dem EU-Gipfel in Brüssel über eine Einigung mit der EU-Kommission gesagt: "Das wird schon passieren, und zwar ziemlich zügig." Das Verkehrsministerium hatte am Donnerstagabend eine Antwort zu Vorschlägen der EU-Kommission nach Brüssel geschickt, am Freitag ging dann eine Reaktion der Behörde dazu ein. Hintergrund waren Bemühungen, eine Blockade beim Verbot herkömmlicher Verbrenner in der EU aufzulösen. Irritationen bei EU-Partnern Viele EU-Partner hatten irritiert auf das deutsche Verhalten in dem Streit reagiert. Am Donnerstag sprach etwa der lettische Ministerpräsident Krisjanis Karins am Rande des EU-Gipfels vor laufenden Kameras von einem "sehr, sehr schwierigen Zeichen für die Zukunft". Es sei verwunderlich, dass eine Regierung sich plötzlich anders entscheide, nachdem eine Vereinbarung bereits getroffen worden sei. Bei der Verbrenner-Grundsatzeinigung im Herbst hatte Deutschland einen Zusatz in das Abkommen verhandelt, wonach die EU-Kommission einen Vorschlag vorlegen soll, wie nach 2035 Fahrzeuge zugelassen werden können, die nur mit E-Fuels fahren. In der EU-Kommission las man den entsprechenden Absatz stets so, dass davon Sonderfahrzeuge wie Kranken- oder Feuerwehrwagen betroffen sein sollen. Nach Berliner Lesart soll die E-Fuel-Ausnahme dagegen für alle Fahrzeuge gelten. Eine für Anfang März vorgesehene Bestätigung der Einigung durch die EU-Staaten wurde daher von Deutschland zunächst verhindert.
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2023-03-25
Mehrere Tote durch Tornado
US-Bundesstaat Mississippi
Infolge eines Tornados sind im US-Bundesstaat Mississippi mindestens 23 Menschen ums Leben gekommen. Der Sturm richtete schwere Schäden in den ländlichen Regionen an, kleinere Ortschaften wurden verwüstet. mehr
Infolge eines Tornados sind im US-Bundesstaat Mississippi mindestens 23 Menschen ums Leben gekommen. Der Sturm richtete schwere Schäden in den ländlichen Regionen an, kleinere Ortschaften wurden verwüstet. In den US-Bundesstaaten Mississippi und Alabama hat ein Tornado am Freitagabend (Ortszeit) für Verwüstungen gesorgt. In Mississippi kamen nach Angaben des staatlichen Katastrophenschutzes 23 Menschen ums Leben. Dem Wetterdienst zufolge erreichte der Tornado Spitzengeschwindigkeiten von 113 Kilometern pro Stunde und ließ Hagelkörner in der Größe von Golfbällen niedergehen. Rettungs- und Bergungskräfte seien im Einsatz, teilte der Katastrophenschutz mit. Der Tornado zerstörte nach Angaben der Behörden Gebäude und Stromleitungen. Der Wetterdienst rief die Menschen auf, Schutz zu suchen, und warnte vor der lebensbedrohlichen Situation wegen herumfliegender Trümmerteile. Auch Autos und Wohnwagen wurden durch den Sturm schwer beschädigt. Der Gouverneur des Bundesstaates Mississippi, Tate Reeves, sicherte den Betroffenen über den Kurznachrichtendienst Twitter medizinische Unterstützung zu. Many in the MS Delta need your prayer and God’s protection tonight. We have activated medical support—surging more ambulances and other emergency assets for those affected. Search and rescue is active. Watch weather reports and stay cautious through the night, Mississippi! Tornado verwüstet Kleinstädte Die Ortschaft Rolling Fork sei besonders stark getroffen worden, teilte ihr Bürgermeister Eldridge Walker gegenüber dem Sender WLBT-TV mit. Demnach gab es Verletzte, die von Einsatzkräften in umliegende Krankenhäuser gebracht wurden. Walker selbst sitze aufgrund zerstörter Strommasten in seinem Haus fest. Ein Sheriffbüro in Rolling Fork sprach von Gaslecks infolge des Sturms. Menschen seien von Trümmerbergen eingeschlossen. Die Notfallbehörde von Mississippi öffnete mehr als sechs Notunterkünfte. Neben Rolling Fork meldete auch der benachbarte Ort Silver City schwere Zerstörungen durch den Tornado.
/ausland/amerika/tornado-usa-tote-103.html
2023-03-25
Putenzüchter vor dem Aus?
Neue Verordnung für Mastbetriebe
Dem Tierwohl zuliebe will die Bundesregierung vorschreiben, dass Puten in deutschen Mastbetrieben mehr Platz im Stall erhalten. Die Züchter laufen Sturm: Sie befürchten, dass heimisches Putenfleisch zu teuer wird. Von Fabian Siegel. mehr
Dem Tierwohl zuliebe will die Bundesregierung vorschreiben, dass Puten in deutschen Mastbetrieben mehr Platz im Stall erhalten. Die Züchter laufen Sturm: Sie befürchten, dass heimisches Putenfleisch zu teuer wird. Von Fabian Siegel, SWR Marcus Könninger, Landwirt aus dem baden-württembergischen Rot am See in der Nähe von Würzburg, bangt um seine Existenz. "Viele Höfe stehen vor dem Aus", klagt er. "Funktionierende Familienbetriebe würden von heute auf Morgen unrentabel." Sein Kollege Thomas Palm aus dem wenige Kilometer entfernten Schrozberg stimmt ihm zu. "Eine ganze Branche ist in Gefahr", sagt er. Könninger und Palm sind Putenzüchter. Der Grund ihres Ärgers: ein neues Eckpunktepapier aus dem Hause des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir. Der Grünen-Politiker will damit Mindestanforderungen für die Putenmast in Deutschland einführen. Ministerium will weniger Puten in den Ställen Die wichtigsten Punkte: Putenzüchter sollen ihre Sachkunde nachweisen müssen, die Versorgung der Tiere mit Futter und Wasser oder das Stallklima soll geregelt, Standards für Mindestkontrollen festgelegt werden. So weit gehen die Landwirte noch mit. Viel kritischer sehen sie, dass so genannte Besatzdichte in den Ställen drastisch herabgesetzt werden soll. Die Besatzdichte regelt - vereinfacht gesagt -, wie viele Putenhennen oder -hähne in einem Stall gehalten werden dürfen. Gemessen wird in Kilogramm Pute pro Quadratmeter Stall - und zwar zum Zeitpunkt, wenn die Tiere ausgewachsen sind. Je weniger Puten in einem Stall, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass die Tiere sich gegenseitig durch Federpicken verletzen oder kannibalisieren, so die Argumentation des Ministeriums. Kurzum: Es geht um mehr Tierwohl. Das Eckpunktepapier sieht deshalb vor, dass in Zukunft Grenzwerte von 35 Kilogramm pro Quadratmeter Stall bei Hennen und 40 Kilogramm bei Hähnen gelten. Geflügelverband spricht von "Traumtänzerei" Wolfgang Schleicher, Geschäftsführer des Zentralverbandes der Geflügelwirtschaft (ZDG), bezeichnet die Pläne als "realitätsverweigernde Traumtänzerei". Es gebe schon längst gut funktionierende freiwillige Verpflichtungen der Landwirte selbst, das betont der Verband beinahe mantraartig, seit das Eckpunktepapier Ende Dezember erschienen ist. Die freiwilligen Verpflichtungen sähen schon jetzt vor, dass die Besatzdichte in einem deutschen Stall bei Hennen nicht über 52 Kilogramm pro Quadratmeter liegen darf, bei Hähnen bei 58 Kilogramm. Darüber hinaus gibt es Richtwerte der Initiative Tierwohl (ITW), die noch weiter gehen: 48 Kilogramm bei Hennen und 53 Kilogramm bei Hähnen. Laut der Initiative produziert ein Großteil der Putenzüchter in Deutschland mittlerweile sogar nach diesen noch strengeren Standards. In anderen EU-Ländern gibt es deutlich laxere oder gar keine Regeln. In Frankreich oder Italien würden teilweise bis zu 70 Kilogramm Pute pro Quadratmeter produziert, erklärt der Branchenverband ZDG. Kommt das Billigfleisch von EU-Nachbarn? "Wir produzieren schon jetzt nach sehr hohen Standards", sagt Landwirt Palm aus Schrozberg im Gespräch mit tagesschau.de. Der Verbraucher akzeptiere das, weil er dafür eine bessere Fleischqualität bekomme. Noch produzierten die deutschen Putenzüchter 76 Prozent des Putenfleischs, das in Deutschland auf die Teller kommt, selbst. "Wenn das Ministerium die Produktionskriterien nochmals verschärft, wird dieser Wert drastisch fallen", warnt Palm. Doch nun sollen die Grenzwerte gegenüber den bisher geltenden freiwilligen Standards noch einmal um rund ein Viertel gesenkt werden. "Dann sind wir irgendwann an dem Punkt, an dem wir nicht mehr zu Preise produzieren können, die der Handel oder der Verbraucher akzeptiert, trotz hoher Qualität des Fleisches", sagt Palm. Seine Befürchtung: Der Markt werde von billigem Fleisch aus EU-Ländern, die keine Begrenzungen haben, überflutet. Sein Kollege Könninger in Rot am See sieht das ähnlich: "Wir wären dann nicht mehr konkurrenzfähig", sagt er. Landwirte fordern europaweite Regelung Beide sagen, sie seien für mehr Tierwohl und hätten sich ja auch den freiwilligen Eckwerten verpflichtet. Doch warum, fragen sie, müsse Deutschland bei der Festlegung verbindlicher Richtwerte einen europäischen Alleingang starten? "Wenn die neuen Regeln nur hier gelten, aber nirgendwo sonst in der EU, führt das nur dazu, dass das Fleisch in anderen EU-Ländern billiger produziert wird, während die deutschen Produzenten auf ihrem Fleisch sitzen bleiben", kritisiert Palm. Auch gebe es keine Anhaltspunkte, warum man das Tierwohl so stark an der Besatzdichte der Ställe festmachen müsse. Unterstützung bekommt er von Philipp Hofmann von der  Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Er hält die Sorgen der deutschen Landwirte für berechtigt: In Österreich etwa seien die Standards vor einiger Zeit verschärft worden, mit der Folge, dass mehr billiges Fleisch aus dem Ausland importiert worden sei. Das könne nur durch eine europäische Verordnung verhindert werden können. Doch die ist nicht in Sicht. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft teilt mit, man habe sich schon mehrfach auf EU-Ebene für harmonisierte Regelungen bei der Haltung von Mastputen eingesetzt - ohne Erfolg.  Ziel müsse jetzt dennoch sein, die Haltungsbedingungen zu verbessern und Gesundheits- oder Verhaltensstörungen wie Federpicken und Kannibalismus unter den Tieren dauerhaft zu vermeiden. Übergangsfristen für Betriebe geplant Das vorliegende Eckpunktepapier sei außerdem nur als Diskussionsgrundlage formuliert. Alle relevanten Verbände und Experten seien um eine Stellungnahme gebeten worden. Änderungen sollen nach tagesschau-Informationen bis Ostern eingearbeitet werden. Auch soll es entsprechende Übergangsfristen für Landwirte geben, teilt das Ministerium mit. Landwirt Palm in Schrozberg glaubt nicht, dass sich trotz der Stellungnahmen der Verbände und Experten an dem Verordnungsentwurf noch viel ändern wird. "Die einzige Hoffnung, die mir bleibt, ist, dass einige Landesregierungen, für die Landwirtschaft eine große Rolle spielt, diesen Vorschlag nicht einfach durchwinken werden", sagt er.
/wirtschaft/puten-zucht-mast-fleisch-101.html
2023-03-25
Verbrenner-Einigung inklusive Plan B
Lösung im Streit um E-Fuels
EU-Kommission und Verkehrsministerium haben sich geeinigt, wie Verbrenner-Pkw dank E-Fuels eine Zukunft haben können. Wie das funktionieren soll, zeigt die Erklärung, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Von Chr. Feld und M. Schmidt.
EU-Kommission und Verkehrsministerium haben sich geeinigt, wie Verbrenner-Pkw dank E-Fuels eine Zukunft haben können. Wie das funktionieren soll, zeigt die Erklärung, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Bis zuletzt wurden die Formulierungen unter die Lupe genommen. Verkehrsminister Volker Wissing hatte zwar gestern Nachmittag bereits zu einem Statement eingeladen, den finalen Durchbruch konnte er dabei jedoch noch nicht vermelden. Bis zum späten Abend dauerte die juristische Prüfung. Am Morgen danach steigt bei Twitter weißer Rauch auf. Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission spricht von einer Einigung mit Deutschland. We have found an agreement with Germany on the future use of efuels in cars. We will work now on getting the CO2-standards for cars regulation adopted as soon as possible, and the Commission will follow-up swiftly with the necessary legal steps to implement recital 11. Der FDP-Verkehrsminister schreibt: "Damit ist der Weg frei, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die ausschließlich CO2-neutrale Kraftstoffe tanken, auch nach 2035 neu zugelassen werden können." Der Weg ist frei: Europa bleibt technologieneutral. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor können auch nach 2035 neu zugelassen werden, wenn sie ausschließlich CO2-neutrale Kraftstoffe tanken. 1|2 Beide Seiten haben sich auf eine Erklärung der EU-Kommission geeinigt, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt.  Wissing hatte kürzlich einer längst ausverhandelten Neuregelung der Pkw-Grenzwerte die finale Zustimmung verweigert, weil die EU-Kommission auch nach Monaten noch keinen konkreten Vorschlag für eine E-Fuels-Ausnahme gemacht habe. Das hatte die EU-Kommission auf Drängen der FDP angekündigt. Verbindliche Zukunft von E-Fuels-Verbrennern nach 2035 In Berlin und bei der EU-Kommission gingen allerdings die Sichtweisen auseinander, wie verbindlich dieser Prüfauftrag eigentlich war. Der Bundesregierung folgten im vorläufigen Nein weitere Mitgliedsstaaten unter anderem Italien, Polen, Tschechien oder Österreich.  Eine verbindliche Zukunft von E-Fuels-Verbrennern nach 2035 - mit der jetzt ausgehandelten Erklärung der EU-Kommission scheint Verkehrsminister Wissing dieses Ziel für sich erreicht zu sehen. So soll das weitere Vorgehen aussehen: "Unmittelbar" nach Annahme des Gesetzes, das aktuell blockiert ist, will die EU-Kommission die Einführung einer neuen Fahrzeugkategorie in die Wege leiten. Dadurch soll ein "belastbares und umgehungssicheres" Genehmigungsverfahren für Fahrzeuge, die ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden, eingerichtet werden. Hier war zuvor bereits die Rede davon, dass die Hersteller technisch sicherstellen müssen: Ein solches Fahrzeug kann nicht gestartet werden, wenn doch Benzin oder Diesel getankt wurde.    Kommt der Europäische Gerichtshof ins Spiel? Außerdem soll die EU-Kommission "ohne Verzögerung" im Herbst 2023 einen Vorschlag machen, wie reine E-Fuels Fahrzeuge zu den CO2-Reduktionszielen beitragen würden. Wie genau? Hier geht es in die Feinheiten der EU-Gesetzgebung. Die EU-Kommission soll einen sogenannten Delegierten Rechtsakt vorschlagen. Das ist ein juristischer Text, der eine Regelung ändert oder ergänzt. Der eigentliche Text zum Verbrenner-Verbot müsste dann nicht neu aufgeschnürt werden. Allerdings haben EU-Parlament und Mitgliedsstaaten die Chance, dem Rechtsakt am Ende zu widersprechen. Im Parlament müsste sich eine Mehrheit der Abgeordneten dagegen aussprechen.   Schon jetzt gibt es im Europäischen Parlament Bedenken, ob die Kommission zu diesem Zweck überhaupt einen Delegierten Rechtsakt erlassen darf, ob sie hier ihre Kompetenzen überschreitet. Möglich ist also, dass das Ganze vor dem Europäischen Gerichtshof überprüft wird. Keine hundertprozentige Rechtsverbindlichkeit Für den Fall, dass das EU-Parlament oder der Rat der Mitgliedsstaaten den Vorschlag zurückweisen, ist in der verabredeten Erklärung der Kommission auch schon der nächste Schritt skizziert: Die Brüsseler Behörde wird dann einen "anderen Rechtsweg" einschlagen. Genannt wird als Option eine Überarbeitung der CO2-Flottengrenzwerte. Das steht der Kommission zu, würde aber ein neues Gesetzgebungsverfahren nach sich ziehen.  Unter dem Strich: Eine Rechtsverbindlichkeit von 100 Prozent kann es nicht geben. Dem Verkehrsminister scheint die jetzt gefundene Einigung jedoch zu reichen. Alle Beteiligten dürften hoffen, dass zumindest für den Moment Ruhe einkehrt in den Streit um das Verbrenner-Aus. Am Dienstag könnten die EU-Energieminister das endgültige grüne Licht für das Gesetz geben, das ein wichtiger Teil des EU-Klimapakets "Fit for 55" ist.  Beim EU-Gipfel hatte sich gezeigt: Die Bundesregierung hat Mitstreiter für die "Technologie-Offenheit". Es war jedoch auch offene Kritik zu hören: Das deutsche Vorgehen könne die Spielregeln der Kompromissfindung in der EU beschädigen. Der lettische Ministerpräsident Krisjanis Karins sprach von einem "sehr, sehr schwierigen Zeichen für die Zukunft".
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2023-03-25
Gemeinsam gegen das "Störgefühl"
Vor Koalitionsausschuss
Ob Verbrenner-Aus, Kindergrundsicherung oder Heizungstausch - die Auseinandersetzungen innerhalb der Ampelkoalition scheinen festgefahren. Vor dem Koalitionsausschuss ermahnen sich die Politiker gegenseitig und fordern mehr Einigkeit. mehr
Ob Verbrenner-Aus, Kindergrundsicherung oder Heizungstausch - die Auseinandersetzungen innerhalb der Ampelkoalition scheinen festgefahren. Vor dem Koalitionsausschuss ermahnen sich die Politiker gegenseitig und fordern mehr Einigkeit. Einen Tag vor dem Koalitionsausschuss ermahnen sich die drei Parteien der Ampelkoalition gegenseitig zu mehr Geschlossenheit. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte aber an, trotz mehrerer Streitpunkte optimistisch in die Diskussionen am Sonntagabend zu gehen. "Ich bin sehr zuversichtlich, was die weitere Modernisierung des Landes betrifft. Die Koalition hat sich Großes vorgenommen", sagte Scholz der Nachrichtenagentur dpa. Viele weitreichende Entscheidungen seien bereits getroffen worden. "Deshalb bin auch zuversichtlich, dass wir jetzt einen kleinen Sprung nach vorne machen mit verschiedenen Aufgaben, die wir uns vorgenommen haben, aber immer mit dem inneren Verständnis: Wir hören da nicht auf, sondern wir machen weiter", erklärte Scholz. Konkreten Optimismus äußerte der Kanzler etwa beim Streitthema Heizungstausch: "Nach alldem, wie ich das sehe, kriegt meine gesprächsfreudige Regierung das hin." Man habe für die umstrittenen Gesetzespläne bereits "die Grundlage eines Konsenses" gefunden. Details zu den genauen Plänen nannte er aber nicht. Wissing: Gemeinsam gegen Blockadehaltungen Nicht jeder gibt sich so zuversichtlich wie der Kanzler: FDP-Verkehrsminister Volker Wissing sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", wenn eine Regierungsfraktion so offen und deutlich Kritik an einem der eigenen Minister übe, frage sich der Bürger, warum machen die das Bündnis überhaupt. Mit dieser Art der Kommunikation trage die Ampel ein "Störgefühl" in die Bevölkerung. Die Koalitionspartner sollten sich daher "darauf zurückbesinnen, gemeinsam Lösungen zu finden, denn wir haben ja eine sehr ehrgeizige gemeinsame Agenda", sagte Wissing. Mit Blick auf den Autobahn-Ausbau hoffe er, dass die Genehmigungsverfahren für Infrastrukturvorhaben beschleunigt würden. "Das sollte eigentlich Konsens sein", so der Verkehrsminister. "Ich hoffe, die Grünen geben ihre Blockadehaltung auf." Lang: Wohlstand und Klimaschutz nicht gegeneinander ausspielen Grünen-Chefin Ricarda Lang wiederum sagte, man müsse beim Klimaschutz von dem Modus wegkommen, dass nur eine Partei Vorschläge mache und viele andere nur sagten, wie es nicht gehe. Das sei kein Problem für die Grünen, sondern ein Problem für das ganze Land. Die Politikerin warnte davor, Wohlstand und Klimaschutz gegeneinander auszuspielen: "Wohlstand wird es in Zukunft nur mit Klimaschutz geben." Wer Klimaschutz blockiere, sorge für eine Deindustrialisierung und gefährde den Wirtschaftsstandort Deutschland. In Bezug auf die Konflikte in der Ampel sagte die Grünen-Chefin: "In einer Regierung ruckelt es auch mal." In Zukunft dürfe es gerne wieder weniger ruckeln. Mast: "Wichtig, das Gemeinsame zu betonen" Andere demonstrierten vor dem Koalitionstreffen stärker Zuversicht. Die Parlamentsgeschäftsführerin der SPD, Katja Mast, riet zu mehr Selbstvertrauen in die eigene Kompromissfähigkeit. "Es ist wichtig, das Gemeinsame und nicht das Trennende zu betonen", sagte sie. "Und da lohnt sich der Blick auf das, was wir bereits gemeinsam gestemmt haben." Der Co-Chef der Grünen, Omid Nouripour, befand, dass die Koalition bisher stets gemeinsame Lösungen zum Wohle des Landes gefunden habe. "Und ich bin zuversichtlich, dass wir uns auch in den aktuellen Fragen einig werden. Die Menschen erwarten zu Recht, dass wir die Knoten bald durchschlagen", sagte er der "Rheinischen Post". Scharfe Diskussionen über Haushaltsetat und Heizungstausch Seit Wochen gibt es in der Koalition teils scharfe Diskussionen etwa über den Autobahnausbau, den Klimaschutz im Verkehrsbereich, den Heizungstausch und den anstehenden Etat für 2024. Ob Spitzenvertreter der Ampelparteien am Sonntag im Koalitionsausschuss Einigungen finden, gilt als ungewiss. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte zuletzt nach dem EU-Gipfel in Brüssel versucht, die Konflikte zu entschärfen. Er sagte, wenn man sich nichts vornehme, habe man auch nichts zu diskutieren. Die Koalition sei bei der Arbeit. Mit Informationen von Georg Schwarte, ARD-Hauptstadtstudio
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