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https://www.sueddeutsche.de/bildung/medizinstudium-zulassung-wartezeit-1.4241861
bildung
Medizinstudium - Kultusminister schaffen Wartezeit ab
00/12/2018
Bewerber ohne hervorragende Abiturnote haben künftig bessere Chancen, schnell einen Studienplatz in Medizin und anderen begehrten Fächern zu bekommen. Die Möglichkeit, einen Platz über Wartesemester zu bekommen, soll dagegen entfallen. Das geht aus dem Entwurf für einen Staatsvertrag über die Hochschulzulassung hervor, der auf der Kultusministerkonferenz am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Jeder zehnte Platz in den zentral verwalteten Studiengängen Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin und Pharmazie soll demnach künftig anhand von Kriterien vergeben werden, die von der schulischen Leistung unabhängig sind - etwa berufliche Vorerfahrung. Im Gegenzug wird die Bedeutung der Abschlussnote an anderer Stelle gestärkt: Künftig sollen 30 statt wie bisher 20 Prozent der Plätze an die Besten eines Abiturjahrgangs gehen. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts hatte die Neuregelung nötig gemacht. Im Dezember 2017 hatten die Karlsruher Richter das bisherige Vergabeverfahren für teilweise verfassungswidrig erklärt. Es sieht vor, dass je 20 Prozent der bundesweit etwa 11 000 Studienplätze an die Abiturbesten und über die Wartezeitquote vergeben werden sowie 60 Prozent von den Hochschulen selbst. Die Richter monierten unter anderem, eine Wartezeit von 15 Semestern sei zu lang. Zudem bemängelten sie, die Hochschulen berücksichtigten in ihrem Verfahren zu häufig nur die Abiturnote. Dafür aber seien die Leistungsanforderungen von Bundesland zu Bundesland zu unterschiedlich. Künftig sollen die Hochschulen weiterhin 60 Prozent der Studienplätze vergeben, allerdings nicht mehr allein auf Basis der Note eines Bewerbers. Stattdessen müssen sie in Zahnmedizin, Tiermedizin und Pharmazie je ein schulnotenunabhängiges Kriterium berücksichtigen, in Humanmedizin sogar zwei. Neben beruflichen Erfahrungen kann dies etwa ein Eignungstest wie der Medizinertest sein. Die Hochschulen berücksichtigen bei der Bewertung eines Bewerbers nicht, in welchem Bundesland dieser sein Abitur erworben hat. Bei der Abiturbestenquote ist das anders, diese bezieht sich jeweils auf ein Bundesland. Vom Verfassungsgericht war sie daher auch nicht bemängelt worden. Dass sie nun angehoben werden soll, begründete die Kultusministerkonferenz mit der hohen "Prognosekraft" der Abiturdurchschnittsnote für den Studienerfolg. Man trage damit "vielfachen wissenschaftlichen Erkenntnissen" Rechnung. Über die Reform müssen noch die Finanzminister- sowie die Ministerpräsidentenkonferenz beraten, anschließend muss der Staatsvertrag in den Landesparlamenten ratifiziert werden. Die Neuerungen sollen frühestens zum Sommersemester 2020 in Kraft treten. Eine Übergangsregelung soll für Bewerber gelten, die bereits seit langer Zeit auf einen Studienplatz warten. Ihre Wartesemester sollen nicht mit Inkrafttreten der Reform verfallen, vielmehr können sie ein Faktor sein in dem neuen, notenunabhängigen Bewerbungsverfahren für zehn Prozent der Studienplätze.
Bei der Vergabe von Studienplätzen sollen außerdem künftig auch andere Kriterien als die Abiturnote berücksichtigt werden.
https://www.sueddeutsche.de/bildung/schule-digitalpakt-schule-soll-zuegig-in-kraft-treten-1.4242745
bildung
"Schule: Digitalpakt Schule soll ""zügig"" in Kraft treten"
00/12/2018
Geht es nach dem Kultusministern, bekommen die Ländern so bald wie möglich Geld vom Bund, um die Digitalisierung der Schulen voranzutreiben. Die Länder beschlossen bei einer Sitzung der Kultusministerkonferenz (KMK) eine entsprechende Erklärung. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sprach sich ebenfalls dafür aus, dass der Digitalpakt Schule "schnell" auf den Weg kommt. Als Folge der Vereinbarung sollen die etwa 40 000 Schulen in Deutschland mit digitaler Technik wie WLAN ausgestattet werden. Schulen sollen mit einem Teil von vorgesehenen fünf Milliarden Euro vom Bund auch Tablets oder Laptops für ihre Schüler beschaffen können. Grundsätzlich sollen die Schüler die Geräte aber selbst mitbringen. Uneins sind sich die Länder darüber, ob der Digitalpakt wie von Bund und Bundestag vorgesehen im Zusammenhang mit einer Grundgesetzänderung beschlossen werden soll. Zu einem bereits vom Bundestag beschlossenen Gesetz für so eine Grundgesetzänderung wollen die Länder am 14. Dezember im Bundesrat den Vermittlungsausschuss beider Kammern anrufen. Der Sprecher der SPD-geführten Länder, Hamburgs Schulsenator Ties Rabe, warb dafür, den eingeschlagenen Weg über die Grundgesetzänderung zu gehen und erst im Fall eines Scheiterns neu nachzudenken. Seine baden-württembergische Kollegin Susanne Eisenmann (CDU) hielt dem für die unionsgeführten Länder entgegen, dass der Digitalpakt ohne Grundgesetzänderung kommen solle. Rabe sagte, seine Erwartung sei es, "dass wir im kommenden halben Jahr den Digitalpakt Schule auf jeden Fall haben können". Bundesministerin Karliczek meinte: "Zügig ist das Zauberwort." Eisenmann betonte, wenn der Pakt im Sommer 2019 komme, werden seit der ersten Ankündigung durch die damalige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) drei Jahre vergangen sein. Fraglich sei, "ob das wirklich zügig in der Definition von zügig ist". Karliczek hatte entgegen ursprünglichen Plänen am Mittag doch kurzfristig an einer Pressekonferenz der KMK zum Thema teilgenommen.
Das beschlossen die Länder bei einer Sitzung der Kultusminister. Wie es nun weitergeht, bleibt aber unklar.
https://www.sueddeutsche.de/bildung/digitalpakt-grundgesetzaenderung-laender-1.4240665
bildung
Digitalpakt: Länder stoppen Grundgesetzänderung vorerst
00/12/2018
Der Schritt hatte sich abgezeichnet. Noch vor dem Kultusministertreffen am Donnerstag, bei dem es um die Grundgesetzänderung für den Digitalpakt gehen sollte, haben die Ministerpräsidenten entschieden: Das Grundgesetz wird vorerst nicht geändert, obwohl sich der Bundestag mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen hatte. Die Grundgesetzänderung sollte das bisherige Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildung lockern und es so dem Bund ermöglichen, den Ländern trotz deren Zuständigkeit für den Bildungsbereich Mittel für eine bessere IT-Ausstattung von Schulen zur Verfügung zu stellen. Gleiches soll dann auch für den öffentlichen Nahverkehr und den sozialen Wohnungsbau gelten. Bei den geplanten Investitionen in die Bildung stören sich viele Länder vor allem an einem Zusatz, der erst kurz vor der Abstimmung im Bundestag aufgenommen wurde. Demnach sollen die Länder ab 2020 die Hälfte der Kosten tragen, wenn der Bund sie hinsichtlich der Schulen finanziell unterstützt. Laut Linken-Politiker Helmut Holter, zuständiger Minister Thüringens und Präsident der Kultusministerkonferenz, war dies nicht abgesprochen. "Das geht so nicht. Das ist einfach ungeschickt und frech gegenüber den Ländern", sagte Holter. Wie es aus Koalitionskreisen hieß, hatten die Haushälter von Union und SPD den Passus eingearbeitet, um zu verhindern, dass die Länder sich bei der Finanzierung bestimmter Projekte einen "schlanken Fuß" machen können und vor allem der Bund zahlt. Beim fünf Milliarden schweren und weiterhin unumstrittenen Digitalpakt dagegen soll die Kostenaufteilung 90 zu 10 sein. Baden-Würtembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Kritiker der Grundgesetzänderung, hatte bereits am Mittwochmorgen dem Bund die Zuständigkeit für Bildungsfragen erneut abgesprochen. "Der Bund hat gar keine Kompetenz. Aber er hat auch gar keine Ahnung davon", sagte Kretschmann im ZDF-Morgenmagazin. Es geht um die "Zukunft des Föderalismus" Am 14. Dezember hätte der Bundesrat der Grundgesetzänderung mit Zweidrittelmehrheit zustimmen müssen. Nach Kritik aus den Ländern zeichnete sich aber seit einigen Tagen ab, dass eine entsprechende Mehrheit nicht zustandekommen würde. Die Länder streben nun ein Vermittlungsverfahren an, alle 16 Bundesländer stimmten dafür. Ziel sei es, den Entwurf des Bundestages grundlegend zu überarbeiten. Saarlands Regierungschef Tobias Hans (CDU), Sprecher der unionsgeführten Länder, sagte, es gehe um die "Zukunft des Föderalismus". In Regierungskreisen hieß es, der Digitalpakt und andere Projekte könnten sich um einige Monate verschieben und erst bis Ostern kommen.
Damit wird der Bund wohl auch nicht von Januar 2019 an in die Digitalisierung der Schulen investieren können. Nun soll ein Vermittlungsausschuss helfen.
https://www.sueddeutsche.de/bildung/digitalpakt-kooperationsverbot-fragen-antworten-1.4237896
bildung
Digitalpakt - Warum streiten Bund und Länder?
00/12/2018
"Heute ist ein guter Tag für Schüler, Eltern und Lehrer in Deutschland", verkündete Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) am vorvergangenen Freitag. Endlich sei der Weg frei für den Digitalpakt, ein Fünf-Milliarden-Programm für die digitale Aufrüstung der Schulen. Union, SPD, Grüne und FDP hatten sich zuvor darauf verständigt, dem Bund durch eine Grundgesetzänderung mehr Spielraum bei der Finanzierung von Bildungsprojekten zu gewähren. Mittlerweile ist klar: Dieser Kompromiss hat keineswegs den Weg frei gemacht. Er ist Anlass für massiven Widerstand auf Seiten der Länder - und der Grund, warum der Digitalpakt endgültig zum politischen Desaster zu werden droht. Die wichtigsten Fragen und Antworten. Was sieht die Verfassungsänderung vor? Das Grundgesetz setzt dem Bund bislang enge Grenzen, wenn er sich an den Kosten für Bildung beteiligen will. Artikel 104c erlaubt Finanzhilfen aus Berlin bislang nur "für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der finanzschwachen Gemeinden". Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, das Wort "finanzschwache" zu streichen und das sogenannte Kooperationsverbot so aufzuweichen. Der nun mit Grünen und FDP erzielte Kompromiss geht darüber deutlich hinaus. Er gäbe dem Bund erstens die Möglichkeit, die Länder auch "zur Sicherstellung der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens" finanziell zu unterstützen sowie Hilfe für "damit verbundene besondere unmittelbare Kosten" zu gewähren. Zweitens soll ein "Zusätzlichkeitskriterium" sicherstellen, dass die Länder die Finanzhilfen des Bundes in "mindestens gleicher Höhe" ergänzen: Für jeden Euro aus Berlin steuern auch die Länder einen Euro bei. Diese Bestimmung soll von 2020 an gelten, also noch nicht für den Digitalpakt. Am Donnerstag stimmte der Bundestag der Grundgesetzänderung zu. Wie kam es dazu? Um das Grundgesetz zu ändern, ist eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig. Im Parlament waren Grüne und FDP bereit, Union und SPD zu unterstützen, allerdings stellten sie Bedingungen: Der Bund solle nicht nur in die Bildungsinfrastruktur investieren dürfen, in Beton und Steine, sondern auch in Köpfe: in Lehrer und deren Ausbildung. Die Einigung, wenngleich schwammig formuliert, sahen beide Parteien als Erfolg. Dass die Länder Bundesmittel künftig aufwiegen sollen, geht dagegen dem Vernehmen nach auf eine Initiative der Union zurück, der sich die SPD anschloss. Diese Regelung ist es, die nun den meisten Ärger verursacht - und zwar besonders bei Ministerpräsidenten, die selbst der Union angehören.
Wer darf künftig für Bildung zahlen? Darüber streiten Bund und Länder. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Digitalpakt.
https://www.sueddeutsche.de/bildung/grundgesetz-showdown-um-digitalpakt-1.4236488
bildung
Showdown um Digitalpakt
00/12/2018
Die bereits vom Bundestag beschlossene Grundgesetzänderung für die Digitalisierung der Schulen droht im Bundesrat zu scheitern. Die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen machten in einem gemeinsamen Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ihre Ablehnung deutlich. Aus ihrer Sicht greift die Änderung zu sehr in die Länderhoheit ein. "Die Länder wollen einen Digitalpakt ermöglichen. Wir möchten allerdings einen besseren Weg zu seiner Umsetzung finden", schreiben die Länderchefs Winfried Kretschmann (Grüne), Volker Bouffier, Armin Laschet, Michael Kretschmer (alle CDU) und Markus Söder (CSU). "Eine Änderung des Grundgesetzes brauchen wir dafür eigentlich nicht." Die fünf Ministerpräsidenten plädieren für eine Lösung des Konflikts im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag. "Diese Chance sollten wir nutzen." Die Grundgesetzänderung soll die Mitfinanzierung der Schulen durch den Bund ermöglichen. Damit könnte der Bund ab 2019 fünf Milliarden Euro in die Digitaltechnik an Schulen fließen lassen. Ohne die Zustimmung der fünf Länder im Bundesrat wird der Plan jedoch an der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit scheitern. Die Länderchefs sehen in dem Beitrag "zentrale Grundsätze des deutschen Föderalismus" gefährdet. Die Gesetzänderung gehe in mehreren Punkten über das hinaus, "was zur Umsetzung eines Digitalpakts erforderlich wäre".
Fünf Bundesländer haben angekündigt, eine Änderung des Grundgesetzes zu blockieren. Artikel 104 soll dem Bund erlauben, die Schulen mitzufinanzieren.
https://www.sueddeutsche.de/reise/kreuzfahrt-aida-nova-fluessiggas-lng-1.4260547
reise
"Schadstoffarme ""Aida Nova"" - Das Kreuzfahrt-Problem"
00/12/2018
Wer würde schon viel Geld zahlen, um seinen Urlaub auf einer vielbefahrenen Straßenkreuzung mitten in der Großstadt zu verbringen? Und dann auch noch genüsslich durchatmen: So gut, die Luft! Schiffspassagiere machen dies, wenngleich sie ihren Liegestuhl an Deck und nicht am Gehweg zurechtrutschen. Dort weht nur vermeintlich eine frische Meeresbrise, vor allem wenn man seinen Platz hinter dem Schornstein gewählt hat: Messungen haben ergeben, dass die Feinstaubbelastung auf einem Kreuzfahrtschiff vier Mal so hoch ist wie an einer vielbefahrenen Straßenkreuzung. Da ist es doch eine gute Nachricht, dass nun die Aida Nova - unter anderem wegen eines Brandes etwas verspätet - ihren Dienst auf See antritt und erst einmal ihre Runden um die Kanaren und nach Madeira dreht: Als bislang einziges Kreuzfahrtschiff fährt sie mit schadstoffarmem Flüssigerdgas (LNG) und hat Marinediesel nur zum Starten der Maschinen und für den Notfall dabei. Also können sich nun Schiffstouristen mit reinem Gewissen übers Meer kutschieren lassen? Ja und nein. Der LNG-Antrieb ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Er ist erfolgt, weil sich die Einstellung der Urlauber mit der wachsenden öffentlichen Kritik an den schwimmenden Dreckschleudern geändert hat. Sauber wird von den Kunden nachgefragt, ganz sauber läuft die Sache dennoch nicht. "Wenn man schon eine Kreuzfahrt machen möchte, dann ist das aktuell mit der Aida Nova am umweltschonendsten. Allerdings: Die Aida Nova ist das graue unter den schwarzen Schafen", sagt Dietmar Oeliger, Verkehrsexperte beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Der Verband bringt jährlich ein Umweltranking für Kreuzfahrtschiffe heraus, in dem die deutschen Reeder zwar ganz oben stehen - aber nur mit ihren neuesten Schiffen. Und bis auf die Aida Nova halten alle an Schweröl als Treibstoff fest, die meisten ohne Stickoxid-Katalysatoren oder Rußfilter. Da ist es also wirklich eine gute Nachricht, dass laut Reederei der Flüssiggas-Antrieb der Aida Nova den Ausstoß von Stickoxiden um bis zu 80 Prozent, die CO₂-Emissionen um 20 Prozent verringert. Allerdings könnten die entsprechenden Motoren noch besser werden, oft entweicht bei der Verbrennung zu viel Methan - ebenso wie schon bei der Lieferkette vom Bohrloch bis aufs Schiff, was wieder der Klimabilanz schadet: Wird zu viel Methan freigesetzt, schwindet der Vorteil gegenüber Marine-Diesel drastisch. Dieser ist schadstoffärmer als Schweröl, aber teurer und wird daher weniger eingesetzt. Flüssiggas bleibt ein fossiler Brennstoff Und es gibt noch einen Haken beim Flüssiggas: Es bleibt ein fossiler Brennstoff. Wird es gar in den USA mit umstrittenen Fracking-Methoden gewonnen, fällt die Umweltbilanz weitaus negativer aus. Daher fordert der Nabu, in Zukunft auch im Schiffsverkehr auf regenerative Energien zu setzen, sei es auf Kreuzfahrten oder Frachttransporten - Flüssiggas sei zwar löblich, aber nur eine Zwischenlösung. Wie wirklich umweltverträgliche Lösungen aussehen könnten, bleibt die große Frage - vor allem wenn Reedereien nicht gezwungen sind, sie überhaupt ernsthaft zu stellen. Vielleicht wird man irgendwann doch wieder die Segel setzen.
Die "Aida Nova", weltweit erstes Kreuzfahrtschiff mit Flüssiggas-Antrieb, ist von Teneriffa zur Premierenfahrt aufgebrochen. Können Passagiere nun mit ruhigem Gewissen ihre Schiffsreise genießen? Nicht ganz.
https://www.sueddeutsche.de/reise/gatwick-flugverkehr-drohne-1.4262290
reise
Flugverkehr: Flughafen Gatwick wieder geöffnet
00/12/2018
Die Ankunftstafel am Flughafen Gatwick zeigt am Mittwoch verspätete und umgeleitete Füge an. Nach dem Drohnen-Chaos der vergangenen zwei Tage hat der Londoner Flughafen Gatwick den Flugverkehr wiederaufgenommen. Die Start- und Landebahn ist derzeit geöffnet. Eine begrenzte Zahl von Flügen sind für Abflug und Landung eingeplant, teilte der Airport am Freitagmorgen auf seiner Webseite mit. Dennoch sollten Passagiere den Status ihres Fluges prüfen, bevor sie sich auf den Weg zum Flughafen machten, hieß es dort weiter. Es werde weiterhin zu Verspätungen und Ausfällen von Flügen kommen. Am Donnerstag waren 115 000 Reisende betroffen, am Freitag werden eigentlich weitere 126 000 Menschen in Gatwick erwartet. Weil eine, zeitweilig sogar zwei Drohnen stundenlang über dem Sicherheitszaun und einer Landebahn gesichtet wurden, hatten sich die Behörden aus Sicherheitsgründen entschlossen, den Flugverkehr einzustellen. Mehr als 800 Flüge wurden bislang gestrichen. Seit Mittwochabend war in Gatwick - abgesehen von einer dreiviertelstündigen Unterbrechung - kein einziges Flugzeug mehr gelandet oder gestartet. Ankommende Maschinen mussten umgeleitet werden und teils Hunderte Kilometer entfernte Airports wie Amsterdam und Paris ansteuern. Das Unternehmen Ryanair kündigte an, soweit möglich auf dem Flughafen London-Stansted auszuweichen. Bei den mindestens zwei Drohnen handelt es sich nach Einschätzung der Polizei nicht um Hobby-Fluggeräte. Sie seien vielmehr für den professionellen Einsatz bestimmt. "Das ist eine präzise geplante Aktivität, die darauf ausgelegt wurde, den Flughafen lahmzulegen und maximale Behinderungen in der Vorweihnachtszeit zu bringen", teilte Gatwick-Geschäftsführer Stewart Wingate mit. Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund gab es laut Behörden zunächst nicht. In den ersten 24 Stunden nach Einstellung des Flugbetriebs zählte die Polizei mehr als 50 Drohnen-Sichtungen.
Der zweitgrößte Flughafen des Landes war seit Mittwochabend im Ausnahmezustand. Wegen Drohnen über dem Rollfeld war der Flugverkehr eingestellt.
https://www.sueddeutsche.de/reise/flughafen-gatwick-sperrung-drohnen-1.4261214
reise
Drohnen legen Londoner Flughafen Gatwick lahm
00/12/2018
Drohnen werden in diesem Jahr unter vielen Christbäumen liegen. In London allerdings haben die kleinen Fluggeräte vielen Weihnachtsurlaubern den Start in die Ferien gründlich verdorben. Der Flugbetrieb am Airport Gatwick, dem siebtgrößten Flughafen in Europa, wurde komplett eingestellt, weil Drohnen über das Rollfeld flogen. Mehrere Zehntausend Passagiere sind davon betroffen. Die Sperrung begann am Mittwochabend, viele Passagiere saßen stundenlang in ihren startklaren Flugzeugen fest. In in der Nacht gab es zunächst Entwarnung, wenig später wurde der Flughafen jedoch wieder geschlossen, nachdem erneut Drohnen gesichtet worden waren. "Wir entschuldigen uns bei allen betroffenen Passagieren für die Unannehmlichkeiten, aber die Sicherheit unserer Passagiere und Mitarbeiter hat oberste Priorität", hieß es auf der Webseite des Flughafens. Gemeinsame Untersuchungen mit der Polizei seien angelaufen. In den sozialen Netzwerken machten derweil Reisende ihrem Ärger Luft. Passagiere beschwerten sich, dass ihre Flüge im Londoner Flughafen Heathrow, in Manchester, Birmingham und anderen britischen Städten gelandet seien. Andere fanden sich in Frankreich oder den Niederlanden wieder. Die Polizei in der Grafschaft Sussex bezeichnete die Störungen als "absichtliche Handlung", die sie mit allen verfügbaren Mitteln unterbinden werde. Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund gebe es keine. Auf Twitter rief sie dazu auf, bei der Identifizierung der Drohnenpiloten zu helfen. #GatwickDrones | We are appealing for information to help us identify the operators of the #Gatwick #drones. If you know who's responsible or have any information please call 999 and quote ref 1350-19/12. Please RT pic.twitter.com/jkcakBohMr — Sussex Police (@sussex_police) 20. Dezember 2018 Reisenden und Abholenden wird geraten, auch im weiteren Tagesverlauf vorsichtshalber mit der jeweiligen Fluglinie den Flugstatus abzuklären. Das wiederum dürfte viele betreffen: Mit mehr als 45 Millionen beförderten Passagieren im vergangenen Jahr ist Gatwick der siebtgrößte Flughafen in der EU - und im Königreich die Nummer zwei hinter Europas größtem Airport London-Heathrow. Ende Juli waren in Großbritannien neue Regeln für Drohnenbesitzer in Kraft getreten. Sie machen sich strafbar, sobald sich ihre unbemannten Fluggeräte einem Flughafengelände auf weniger als einen Kilometer nähern. Wird ein Flugzeug durch die Drohne gefährdet, riskiert der Besitzer eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren. Behinderungen durch Drohnen gibt es immer wieder auch an deutschen Flughäfen. Der Deutschen Flugsicherung (DFS) zufolge wurden in diesem Jahr bis einschließlich November 152 Behinderungen gemeldet. Im bisherigen Rekordjahr 2017 waren es nur 88 Fälle.
Am siebtgrößten europäischen Airport kann seit Stunden kein Flugzeug mehr starten und landen. Aktuell sind alle Flüge ausgesetzt - und Zehntausende Passagiere gestrandet.
https://www.sueddeutsche.de/reise/ende-der-reise-knipsen-ist-das-neue-essen-1.4239926
reise
Ende der Reise - Knipsen ist das neue Essen
00/12/2018
Der Mensch ist ein widersprüchliches Wesen. Einerseits isst er gern, andererseits hassen es die meisten zu kochen. Was sie aber nicht davon abhält, Kochsendungen im Fernsehen anzuschauen. Gerne reisen die Fernsehköche um die Welt und zeigen uns, wie die Japaner ihre traditionellen Shoyus herstellen oder die Marokkaner ihre Tajine. Und auch für gewöhnliche Urlauber spielt das Essen auf Reisen eine immer größere Rolle. Allerdings scheint es dabei weniger um den Geschmack oder die Zubereitung zu gehen, sondern einzig ums Aussehen. Selfie war gestern, heute ist Foodstagram: Statt in Ruhe zu essen, wird das bestellte Gericht erst einmal so lange fotografiert und auf Instagram hochgeladen, bis es kalt ist. Unter Hashtags wie #foodporn oder #yummy sind jeweils mehr als 100 Millionen Essensbilder zu finden. Die Bandbreite reicht von der schnöden Pizza bis zu perfekt angerichteten Tellern aus teuren Restaurants. Während Kellner und Wirte bis vor Kurzem noch die Nase rümpften, wenn ihre Gäste ihr Essen knipsten, haben viele von ihnen erkannt, wie gut sich diese Fotosucht zu Werbezwecken nutzen lässt. Und so stehen in manchen Restaurants bestimmte Gerichte nur deshalb auf der Speisekarte, weil sie ein besonders gutes Bild ergeben. Dazu zählen "fliegende Nudeln" bei einem Berliner Vietnamesen, der ein unsichtbares Gestell hinter die schwebenden Teigwaren montiert hat. Doch es geht noch besser. Manche Restaurants bieten ihren Gästen sogar Instagram-Sets mit LED-Leuchte und kontraststeigernden Aufstecklinsen für die Handykamera an, damit sie den Burger geschäftsfördernd ins Internet stellen. Noch weiter geht ein Lokal in Israel. Zwei Gerichte haben spezielle Halterungen fürs Handy am Teller und ein Fotograf gibt Tipps. Man sollte allerdings schon gegessen haben, bevor man in solche Lokale geht.
Mit Genuss hat das nichts zu tun: Heute wird in Restaurants mehr fotografiert als gegessen. Bei Instagram werden Millionen Fotos von Gerichten hochgeladen. Die Wirte nutzen das für ihre Zwecke.
https://www.sueddeutsche.de/auto/elektroauto-ladestationen-deutschland-1.4268353
auto
Immer mehr Ladestationen für Elektroautos
00/12/2018
Woran es liegt, dass bislang nur so wenige Elektroautos auf deutschen Straßen fahren? Die Autobranche findet eine klare Antwort: "Innovative Produkte allein genügen nicht, auch die Rahmenbedingungen müssen stimmen", sagte Autoverbandspräsident Bernhard Mattes noch Anfang Dezember in Berlin. Vor allem die Ladeinfrastruktur müsse stärker ausgebaut werden. Die Autobranche, so schwang mit, baue ja schon neue Modelle. Nur könnten die eben zu selten geladen werden. Die Strombranche will solche Schuldzuweisungen nun nicht länger stehen lassen. Neue Zahlen des Branchenverbands BDEW, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, machen klar: E-Auto-Besitzer können in vielen Teilen Deutschlands immer mehr Ladestationen ansteuern. Nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft gibt es bundesweit inzwischen mehr als 16 100 öffentliche und teilöffentliche Ladepunkte, die im Ladesäulenregister des Verbands erfasst sind. Davon sind zwölf Prozent Schnellladestationen. Rein rechnerisch kommen bei den 160 000 Elektro- und Hybridautos zehn Autos auf jede Station. Damit ist die Quote sogar besser, als es deutsche E-Auto-Experten empfehlen. Die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE), ein unabhängiges Expertengremium, empfiehlt etwa 12,5 Autos je Station, die EU-Kommission eine Quote von zehn zu eins. Dabei registriert die Strombranche ein schnelleres Wachstum. Denn Ende Juli lag die Statistik des Verbandes noch bei 13 500 Ladepunkten. Seither sind 2600 dazu gekommen - innerhalb von fünf Monaten also 20 Prozent. Erfasst werden in der Statistik Energieunternehmen, Parkhaus- und Parkplatzbetreiber, Supermärkte und Hotels. Nicht erfasst sind private Lademöglichkeiten. Angesichts solcher Zahlen wollen die Betreiber der Stationen wie Energieunternehmen oder Stadtwerke nicht länger den Kopf für die zögerliche Verbreitung hinhalten. "Die Energieunternehmen drücken beim Ausbau der Ladeinfrastruktur weiter aufs Tempo", sagt Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung. "Und das obwohl bisher kaum E-Autos auf den Straßen rollen, sich der Betrieb der Ladesäulen bisher also kaum rentiert." In Thüringen, Hamburg und Berlin komme gerade einmal eine Handvoll E-Autos auf einen Ladepunkt. Den Schwarzen Peter reicht Kapferer weiter: "Die Verbreitung von E-Autos muss schneller vorangehen - sonst wird der Verkehrssektor die Klimaschutzziele 2030 um Lichtjahre verfehlen. Es fehlen nach wie vor Modelle, die in Preis und Leistung mit Verbrennern konkurrieren können."
E-Auto-Besitzer können in vielen Teilen Deutschlands immer mehr Orte ansteuern, um die Akkus ihrer Fahrzeuge aufzuladen. Die Quote ist besser, als Experten es empfehlen.
https://www.sueddeutsche.de/auto/elektromobilitaet-jede-zweite-ladestation-nicht-empfehlenswert-1.4241259
auto
Jede zweite Ladestation nicht empfehlenswert
00/12/2018
Um ein Elektroauto daheim laden zu können, braucht man eine Ladestation fürs E-Auto. Diese "Wallboxen" werden etwa an der Garagen- oder Carportwand montiert und sind mit dem Stromnetz verbunden. Zumeist liefert der Händler, der das E-Auto verkauft, auch die Wallbox mit, erklärt der ADAC. Inzwischen gebe es aber auch andere Anbieter von solchen Ladestationen. Doch deren Wallboxen seien nicht immer empfehlenswert. Das zeigt ein ADAC-Test von zwölf Wallboxen zwischen 303 und 1903 Euro und Ladeleistungen zwischen 3,7 bis 22 Kilowatt (kW). Die Hälfte davon sei nicht empfehlenswert, so der Automobilklub: Drei sind "ausreichend" und drei fallen unter anderem wegen Sicherheitsmängeln wie Brandgefahr als "mangelhaft" durch, darunter das billigste Gerät, aber auch eines für 1378 Euro. Am besten schnitten die 11-kW-Box "ABL eMH1" für 865 Euro ab, die "Keba KeContact P30" für maximal 4,6 kW Ladeleistung für 762 Euro und die 22-kW-Box "Mennekes Amtron Xtra 22C2" - mit 1903 Euro die teuerste im Test. Alle drei sind "sehr gut". Die Installation der Boxen darf laut ADAC nur durch eine Elektrofachkraft erfolgen. Der Klub rät zu universellen 11-kW-Boxen. Diese seien ein guter Kompromiss aus Leistung und Kosten. Zudem könne eine 22-kW-Box nur mit ausdrücklicher Genehmigung des örtlichen Netzbetreibers angeschlossen werden.
Wer ein E-Auto kauft, braucht auch eine Ladestation. Doch ein Test des ADAC zeigt nun: So manches Angebot taugt nichts.
https://www.sueddeutsche.de/stil/geschmackssache-koelt-1.4266679
stil
Geschmackssache
00/12/2018
Die Abneigung, die Düsseldorfer und Kölner seit jeher auf das Innigste verbindet, dokumentiert sich am süffigsten in den gegensätzlichen Biersorten, die in den beiden rheinischen Städten ausgeschenkt werden: helles Kölsch in Köln, dunkles Alt in Düsseldorf. Wenn Getränkevorlieben weltanschauliche Dimensionen annehmen, wird es schwer, sich näherzukommen. Deshalb ist der Versuch, ein Mischbier anzubieten, das aus Kölsch und Alt besteht, erstens als revolutionärer Akt zu sehen - und zweitens als unweigerlich zum Scheitern verurteilte vergebliche Liebesmüh, auch wenn der Name knallt wie ein Karnevalsböller: Költ. Dabei verbindet die beiden so unterschiedlichen Biersorten mehr, als man annehmen möchte. Das Bier, das auch in Krefeld, Mönchengladbach und Neuss gebraut wird, heißt Alt, weil es nach alter Brauart hergestellt wird. Der Gärprozess beim obergärigen Bier, bei dem die Hefe noch oben steigt, findet bei höheren Temperaturen statt. Das modernere untergärige Bier (Pilsener) ist auf aufwendige Kühlung angewiesen. Und nun folgt die Überraschung: Auch das helle Kölsch ist ein obergäriges Bier. Der scheinbar unüberwindbare farbliche Unterschied ist dem dunklen Malz zu verdanken, das die niederrheinischen Altbier-Brauer bevorzugen. Deshalb werden Geschichten von Blindverköstigungen kolportiert, bei denen die Tester nach dem dritten Glas Kölsch und Alt nicht mehr wussten, was nun eigentlich was ist. Ein Umstand, der Költ zum großen rheinischen Friedensbier machen könnte.
Das Mischbier aus Kölsch und Alt hat etwas herrlich Völkerverbindendes - jedenfalls aus Kölner und Düsseldorfer Sicht. Aber schmeckt es auch?
https://www.sueddeutsche.de/stil/test-weg-ist-der-fleck-1.4266672
stil
Weg ist der Fleck
00/12/2018
Concealer ist die Rettung nach kurzen Nächten wie am Neujahrsmorgen. Er verzaubert das Spiegelbild und lässt Menschen strahlender und zumindest scheinbar wacher in den Tag starten. Allerdings nur, wenn man ihn richtig aufträgt. Wählt man den falschen Farbton, dann kann das Ergebnis eher an einen Pantomime-Spieler erinnern als an einen aufgeweckten Menschen mit frischem Teint. Der Concealer sollte eine halbe Nuance heller sein als der natürliche Hautton. Nur so können Flecken aufgehellt werden. Bei dunkleren Hauttypen sollte der Concealer Ton in Ton mit der Foundation sein. Hat man die perfekte Farbe gefunden, startet man am Augeninnenwinkel, trägt hier die Textur auf und klopft sie abwärts bis zum Nasenflügel hin mit den Fingerkuppen sanft ein. Das Einklopfen ist wichtig, denn erst die Wärme der Fingerspitzen lässt das Produkt ideal mit der Haut verschmelzen. Das sorgt für ein natürliches Ergebnis. Ebenfalls mit den Fingern oder auch alternativ mit einem Schwämmchen-Blender müssen nun die Übergänge abgesoftet werden. Danach trägt man den Concealer ab dem äußeren Drittel des Auges nach außen hin bis zur Schläfe und zu den Wangenknochen auf. Wieder erst tupfen, dann klopfen und verblenden. Flüssige Foundation wird vor dem Concealer aufgetragen. Nur bei Puder-Make-up verwendet man den Concealer zuerst. Übrigens tragen heute längst nicht mehr nur Frauen Concealer. Auch immer mehr Männer wollen von dem optischen Wachmacher profitieren. Der Münchner Visagist Luis Huber kennt sich bestens mit Concealern aus. Zusammen mit seinen beiden Mitarbeiterinnen hat er in seinem Make-up-Studio zehn verschiedene Produkte getestet.
Wie ein Zauberstab lässt Concealer Rötungen und Augenringe verschwinden. Welcher dabei den besten Job macht, hat ein Visagist getestet.
https://www.sueddeutsche.de/stil/kurz-gesichtet-herzogin-der-herzen-1.4266663
stil
Kurz gesichtet - Herzogin der Herzen
00/12/2018
Wer ist die Schönste im ganzen Land? Das hat die Vogue mal wieder verraten, obgleich 2018 auch als Jahr im Gedächtnis bleiben wird, in dem alle Frauen bei der Golden-Globes-Verleihung Schwarz trugen - als Zeichen der Frauensolidarität. Egal, gewählt wurde die bestgekleidete Frau trotzdem. Neben Schauspielerin Tracee Ellis Ross und Sängerin Rihanna hat auch Meghan Markle abgeräumt - nach keinem anderen Menschen wurde auf Google so oft gesucht wie nach der Frau von Prinz Harry. Ebenfalls prämiert: Plus-Size Model Paloma Elsesser, die in einem Interview gerade ihren Wunsch an die Mode für das neue Jahr kundgetan hat: Mehr Mut, auch mal unbequem zu sein. Wenn man selbst nicht in die Berge fahren kann, müssen die Berge eben nach Hause kommen. Okay, vielleicht nicht gleich ein ganzes Gebirge, das ist schwer unterzubringen. Ein bisschen Alpenflair würde für den Anfang schon reichen. Zur Wintersaison hat die Südtiroler Naturkosmetikmarke Team Dr. Joseph gerade ihren ersten Raumduft entwickelt. "Inspire Room Fragrance" klingt nicht alpenländisch, riecht aber so: Rosengeranie, holziges Patschuli, erdige Zirbelkiefer - mit etwas Fantasie hat man den Ortler vor Augen. Die Verschlüsse des Flakons sind aus Eschenholz. Dafür ist selbst in der kleinsten Hütte Platz (38 Euro. teamdrjoseph.com).
Die Frau von Prinz Harry war 2018 die meistgesuchte Frau auf Google. Ebenfalls heiß begehrt: Rihanna und ein Plus-Size-Model.
https://www.sueddeutsche.de/stil/ladies-gentlemen-stilikonen-2018-1.4266665
stil
Ladies & Gentlemen
00/12/2018
Bei den Frauen: Lady Gaga Instagram und Online-Shopping macht inzwischen jeder - klar, dass es bei der Wahl der Stilkönigin also nicht mehr um den Look allein gehen kann, oder? Einen Sinn für Ästhetik vortäuschen können mittlerweile selbst Bewohnerinnen der kulturellen Wüste, und so ist sogar avantgardistische Coolness à la Tilda Swinton seit Instagram nur noch eine leere Hülle (es sei denn natürlich, es steckt Tilda drin). Deswegen: Herzlichen Glückwunsch, Lady Gaga, unsere Ikone 2018! Der Hammerfilm "A Star is born", in dem sie größtenteils ungeschminkt neben Bradley Cooper sang, war dabei nur ihr zweitgrößter Stil-Triumph. Viel mehr beeindruckte sie uns vor einigen Monaten auf einer Award-Bühne, in einem voluminösen Herrenanzug. Der "Me Too"-Chor aus Hollywood ist in diesem Jahr ja um einiges leiser geworden. Es scheint, als prügelten die Damen sich hinter den Kulissen lieber wieder um die knappsten Kleider, die härtesten Fitnesstrainer und die unsichtbarsten Dermatologen. Oder, um hier mal aus der Dankesrede von Gaga zu zitieren: Kann ja wohl nicht sein, dass weibliche Stars wie Mitglieder eines gigantischen Beauty-Contests zur Belustigung des Publikums gegeneinander antreten. Was ja irgendwie auch für alle anderen weiblichen Erdenbürger zählt. Also habe sie sich für den Anzug entschieden, in dem traurigen Wissen, dass alles, was zähle, ihr Look sei. Und so machte sie uns vor, was guter Geschmack heute bedeutet: genau das auszunutzen. Mit jedem Zentimeter Stoff Haltung zu zeigen. Aber nicht alle Eitelkeit abzulegen, das wäre dann doch übertrieben. Schließlich war der Anzug ein gut durchdachtes Stück von Marc Jacobs. Julia Werner Bei den Männern: Robert Habeck Das bundesweite Auftauchen von Robert Habeck als Grünen-Vorsitzender im Januar fühlt sich ein bisschen so an, als ob unterm Schuljahr ein neuer Lehrer die Klasse übernimmt. Man konnte sich gar nicht rechtzeitig mit Spuckekugeln munitionieren, da hatte er mit seinem Charme und den aufgekrempelten Ärmeln schon alle überrumpelt. Der Schriftsteller und Philosoph Habeck gibt sich eigentlich auch seither wie ein netter Lehrer. Einer, bei dem man zwar nicht besonders viel fürs Abi lernt, aber eben fürs Leben. Zur lockeren Ausstrahlung trägt vermutlich sein nicht vorhandenes Jurastudium bei. Er wirkt neben altgedienten Politikern irgendwie immer gesünder, herzlicher und weniger frustriert. Und, nebenbei bemerkt, Habeck scheint seinen Körperschwerpunkt genau zu kennen, denn wenn er steht und winkt, ist er immer extrem gut ausgewuchtet. Er strahlt jedenfalls eine stabile Kuhwärme aus, die ihn über die Parteigrenzen vermittelbar macht. Das dürfte für seine weitere Karriere die entscheidende Eigenschaft sein, denn ein mehrheitsfähiger Grüner ist nicht jeden Tag im Schaufenster. Und Habeck weiß, welche Outfits seine guten Gene unterstreichen. Nie ist er mit Krawatte zu sehen, dafür in allen Variationen des smart casual: T-Shirt-Sakko, offener Kragen, halbteure Pullover. Damit grenzt er sich von Turnschuh-Joschka oder Alm-Anton ab, und zielt in die Normalo-Mitte. Seine Sachen passen ihm, seine Farben sind männlich-dezent, seine Körpersprache ist angenehm zurückhaltend. In einem Jahr voller starker Frauen und dilettierender Politik-Männer reicht das schon zum ersten Platz. Max Scharnigg
Ta-daaa: die Stil-Redaktion hat ihre modischen Gewinner des Jahres gekürt. Eine amerikanische Sängerin und ein deutscher Politiker dürfen sich diesmal freuen.
https://www.sueddeutsche.de/stil/online-shopping-retoure-1.4267643
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Online-Shopping: Will ich, will ich nicht
00/12/2018
Einkaufen und die Ware kostenlos zurückschicken - mit diesem Service versuchen Onlinehändler, ihre Kunden zum Bestellen zu motivieren. Mit zweischneidigem Erfolg: Der Onlinehandel boomt, noch stärker aber boomt die Lust am Umtausch. Gerade nach Weihnachten befinden sich wieder jede Menge Elektrogeräte, Pullover oder Bücher auf dem Weg zum Anbieter. Laut einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom ist die Retourenquote in den vergangenen zwei Jahren um 20 Prozent gestiegen. Demnach schicken die Deutschen etwa jede achte Bestellung zurück, junge Shopper unter 30 sogar fast jede fünfte. "Frauen tauschen öfter um, nämlich jeden siebten Einkauf, während Männer nur jeden zehnten Einkauf zurückgeben", sagt Julia Miosga, Leiterin des Bereichs Handel und Logistik bei Bitkom. Besonders häufig betrifft dieses Verhalten Modehändler: "Die Retourenquoten von Kleidung sind enorm hoch und steigen von Jahr zu Jahr", sagt Miosga. Jeder Zweite gibt an, Waren hin und wieder mit der Absicht zu bestellen, sie zurückzuschicken. Großhändler wie Zalando bestätigen, dass die Umtauschquote bis zu 50 Prozent beträgt und quasi zum Geschäftsmodell gehört. Zum einen, weil Kunden gleich mehrere Modelle in unterschiedlichen Größen ordern, um sich zuhause eine entsprechende Auswahl zu sichern. Zum anderen, weil Abendkleider oder Anzüge zu festlichen Anlässen häufig nur einen Abend getragen und anschließend zurückgeschickt werden. Bundesweit kommen so mehrere Hundert Millionen Pakete jährlich zusammen. Die Kosten trägt der Anbieter, für den sich das Geschäft dennoch lohnt. Und die Umwelt. Doch warum handeln Konsumenten so, obwohl sie damit Verschwendung zelebrieren, Billiglöhne unterstützen und dem Klima schaden? "Weil es kostenlos ist", sagt Wirtschaftspsychologe Felix Brodbeck, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Durch diesen suggerierten Vorteil entwickle der Kunde die Präferenz, lieber daheim zu shoppen. "Wer sich nicht für eine Farbe entscheiden kann - und auch nicht muss -, denkt in dem Moment nicht an den unterbezahlten Paketboten oder die Klimabilanz." Manchmal kommt es billiger, die Ware zu spenden Die verschmähte Kleidung wird größtenteils so aufbereitet, dass sie erneut zum Verkauf angeboten werden kann. Doch solche Maßnahmen kosten Zeit und Geld, mindestens zehn, mitunter bis zu 50 Euro pro Artikel. Manchmal kommt es billiger, die Ware zu spenden, etwa an Online-Händler wie Momox oder Rebuy, die daraus ein eigenes Geschäftsmodell gemacht haben. Oft sehen sich Händler gar gezwungen, Ware zu entsorgen - erst im Juni wurde bekannt, dass Amazon massenhaft retournierte Massenware vernichtet. Immer mehr Onlinehändler bemühen sich daher, zu gewährleisten, dass der Kunde von vornherein die passende Ware erhält: durch detailliertere Produktinformationen oder neue Vermessungstechnologien, die die individuellen Maße der Kunden ermitteln. Auch Virtual Reality soll künftig zum Einsatz kommen: "Etwa um auszuprobieren, wie ein Möbelstück im eigenen Wohnzimmer wirkt", sagt Miosga von Bitkom. Wirtschaftspsychologe Brodbeck kann sich gut vorstellen, dass sich das Problem in ein paar Jahren von selbst löst: "Dann stellt der Kunde plötzlich fest, dass ihm das Einkaufserlebnis fehlt. Und verlangt, wieder mit einem echten Menschen zu interagieren." Bis dahin wird Umtauschen wohl weiter zum Geschäftsmodell gehören.
Jede achte Internet-Bestellung wird zurückgeschickt. Weil es kostenlos ist. Oft wird die Ware dann vernichtet. Weil es billiger ist.
https://www.sueddeutsche.de/stil/ladies-gentleman-macht-und-mode-1.4249001
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Ladies & Gentleman - Macht und Mode
00/12/2018
Die Jacke für die entscheidenden Momente Wenn die richtige Frau auf die richtige Jacke trifft, laufen die Dinge definitiv besser als sonst. Diese Jacke wurde vor ein paar Monaten noch von einer Influencerin mit Hoodie drunter und Gürtel drüber getragen - und letzte Woche beim Parteitag der CDU, von Annegret Kramp-Karrenbauer. Jede Frau, die schon mal auf einer Bühne gestanden hat, egal ob vor großem Publikum (Bundestag, Rock am Ring) oder kleinem (Ehemann), weiß: In alles entscheidenden Situationen sind traurig hängende Viskose-Fetzen und Polyesterjacken mit Sparfuchs-Schnitt die Killer ihrer Botschaft. Denn was man nach jeder leidenschaftlichen Geste wieder in Form zupfen muss, das bremst. Schlauerweise legte AKK also für ihren großen Auftritt den politikerinnentypischen Hang zu Apricotfarbenem und Elastischem ab und die Chefinnenjacke an: einen perfekt sitzenden Doppelreiher der deutschen Designerin Dorothee Schumacher. Mit definierten Schultern und betontem Rückgrat kann Frau eben gute Reden halten - denn wer sich um die Oberfläche keine Gedanken machen muss, kann sich ganz auf die Inhalte konzentrieren. Die Rock-Schuh-Kombination zum Blazer hätte virtuoser ausfallen können, was aber unser Lob nicht schmälern soll: Wir wollen in Zukunft vor allem keine abfälligen Kommentare über Brioni-Kanzler oder Dorothee-Schumacher-Kanzlerinnen mehr hören, denn, auch wenn Deutschland sich mit diesem Fakt immer noch schwertut: Gute Mode macht viel mehr als nur Spaß. Sie macht was her. Und den Kopf frei. Julia Werner Die Krawatte, über die niemand mehr lacht Ein wichtiger Postenwechsel war lange vor dem letzten CDU-Parteitag vollzogen, er betraf die lustige Krawatte. Die wurde nämlich schon vor einigen Jahren und recht erfolgreich vom lustigen Herrenstrumpf abgelöst. Die Funktion ist dabei nahezu die gleiche geblieben, nämlich biederen Herrschaften aus dem mittleren Management die Chance zu geben, so was wie einen lockeren Auftritt hinzulegen - bei gleichzeitiger Wahrung des ordentlichen Anzugs. Friedrich Merz wurde diese Neuausrichtung der Schlips/Strumpf-Verhältnisse in seiner Auszeit aber offenbar nicht mitgeteilt, oder er war zu beschäftigt, sich in die obere Mittelschicht vorzuarbeiten. Jedenfalls trug er am entscheidenden Parteitag letzte Woche eine lustige Krawatte, die ihren Teil zum abgekämpften Gesamteindruck des Kandidaten beitrug. Es handelte es sich um ein Modell von Salvatore Ferragamo mit vielen Pinguinen und Eisschollen, das derzeit preisreduziert zu haben ist (kein Kausalzusammenhang). Die zur Schau gestellte Pinguin-Eisschollen-Thematik lässt einige Assoziationen zu: kaltes Wasser und wacklige Grundlagen zum Beispiel oder auch eine etwas weiter gefasste Referenz an den Klimawandel und Vorahnung des Untergangs. Viel wahrscheinlicher als irgendeine Botschaft ist aber, dass Merz einfach nur eine von vielen lustigen Krawatten aus seinem Schrank genommen und pfeifend umgebunden hat. Im sicheren Glauben, dass mit seiner Wahl die 90er-Jahre und damit die kindischen Krawatten ein Revival feiern werden. Danke fürs Abwenden, AKK. Max Scharnigg
Während AKK beim CDU-Parteitag auf die Designerin Dorothee Schumacher setzte, band sich Friedrich Merz eine Pinguin-Krawatte um.
https://www.sueddeutsche.de/stil/gemuesekiste-kooperative-landwirtschaftsgenossenschaft-1.4252152
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Plan W: Verliebt in meine Gemüsekiste
00/12/2018
Bis heute erinnere ich mich an unsere erste Begegnung. Ich machte ein Selfie von uns beiden, wie wir nach Hause radelten, jung, hip und aufregend fühlte es sich an. Der erste Frühling war von der Lust auf das Unbekannte geprägt. Zunächst. Denn man kann es nicht anders sagen: Unser Verhältnis gleicht einer Langzeitbeziehung. Wir haben alle Stadien, die man miteinander erlebt, ­durchgemacht. Auf den Frühling folgte ein beschwingter Sommer. Ich war verliebt in meine Gemüsekiste, schon sonntags freute ich mich, sie mittwochs abzuholen, voller Tomaten und Kresseschälchen, Kartoffeln und Zucchini. Doch wie es manchmal ist mit Beziehungen: Lange sollte die Freude nicht währen. Mit dem Herbst zeigten sich erste Nervigkeiten (wieder Kürbis?), und der Winter enthüllte ihre Macken in vollem Ausmaß: Statt Tomaten schleppte ich einen Rucksack voll Kohl nach Hause. Abwechslung hieß: mal Spitzkohl, dann Chinakohl, Weißkohl oder Rotkohl. Nun gibt es Gemüsekisten, die sind die "Friends with benefits"-Konstrukte ihrer Art, für Bindungsängstliche. Man kann im Winter Mango dazubestellen, Pastinaken ausschließen, und jede Woche eine Milch dazu. Bei meiner Kiste vom Kartoffelkombinat - der Name lässt es erahnen, es handelt sich um den Ernteanteil in einer solidarischen Landwirtschaft - entspricht das Verhältnis mehr einer Vernunftehe, die man richtig findet und durch die die Welt besser wird. Dafür geht man Kompromisse ein. Man kauft Genossenschaftsanteile, die nicht kurzfristig abzugeben sind. Und die Macken des anderen, in diesem Fall der Kiste, muss man akzeptieren. Manche kennt man vorher: weder Mango noch Milch. Anderen Macken begegnet man später: Mal Kürbisse, so klein, dass sie nur zum Befüllen mit viel Käse taugen, mal Perlgraupen, die zu gesund sind, um zu schmecken. Bei mir kam im ersten Winter etwas hinzu, was mich ernsthaft an der Beziehung zweifeln ließ. Faustgroß, süßsauer und mit der Spezialfähigkeit, auf schwarzer Kleidung Flecken zu machen: Rote Bete. Bisher war mir die nur als eklige Begleitung der Karottenstifte in "gemischten Salaten" drittklassiger Landlokale begegnet, nun wurde sie mein wöchentliches Ärgernis. Ich muss gestehen: Ich bin manchmal fremdgegangen im Supermarkt (Mango ...) und habe gelegentlich andere für zuständig erklärt ("Mutti, holst du sie mal ab?"). In schwachen Momenten habe ich über eine Trennung nachgedacht. Aber immer nur bis Mittwoch. Denn wie in einer guten Beziehung hat sich über das Verknalltsein hinaus mehr entwickelt. Seit der Kiste weiß ich erst, dass Zucchini einen Eigengeschmack haben. Für Perlgraupen gibt es wunderbare Ottolenghi-Rezepte. Und, wer hätte es gedacht, für den heimischen Bedarf fürs Risotto reicht die Rote Bete längst nicht mehr. Und umgekehrt: Auch die Kiste gibt sich Mühe. Und in arg harten Wochen gegen März gibt es sogar Tomatensugo. Das ist bei einer großen Einkochaktion entstanden, andere, fleißigere Genossenschaftsmitglieder waren beteiligt. Nächstes Jahr werde ich mitmachen - das läuft dann wohl unter Paartherapie. Lea Hampel überlegt schon, in die nächste Genossenschaft einzusteigen, die von ihrem Biomarkt. Weil sogar ihre Finanzberaterin das für eine gute Idee hält und sie dann auch noch Rabatt auf ihre Tofuwürstchen bekommt.
Was Rote Bete und rote Herzchen miteinander zu tun haben? Nichts, dachte unsere Autorin. Bis sie einer Landwirtschaftsgenossenschaft beitrat.
https://www.sueddeutsche.de/stil/ladies-gentlemen-gemeinsam-auftreten-1.4240622
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Gemeinsam auftreten
00/12/2018
Frauen kleiden sich für Frauen: Beyoncé Letzten Sonntag sangen die Superstars Beyoncé und Ed Sheeran gemeinsam zu Ehren Nelson Mandelas ihren Song "Perfect Duet", und sofort ging im Netz eine Genderdebatte los: Was man da sehen würde, wären die Erwartungen, die ein weiblicher Star zu erfüllen hat, im Gegensatz zum männlichen, der in Loser-Manier in Jeans, T-Shirt und Klampfe auf die Bühne schlurfen darf. Jetzt sind allerdings die Erwartungen an Frauen meistens von Frauen selbstgemacht, wie man am Hang zu absurden Schönheitsidealen sehen kann: Sicher hat sich kein Mann jemals eine Frau mit regungslosem Ballongesicht gewünscht, und ganz sicher erwartet das Patriarchat nicht von den Damen, dass sie sich einem Anal-Bleaching unterziehen (ja, mit so was wird gerade Geld verdient). Um Erwartungen geht es hier aber trotzdem, und zwar an die von Frauen an den Mann. Fast immer tut sich beim Ausgehen ein Style-Gap auf: Sie putzt sich raus wie Cher, während er das Spiel zu Ende schaut, sich durch die Haare fährt und fertig ist für einen fulminanten Abend. Wie sehr wünschte man sich in diesen Momenten einen Italiener mit Grundkenntnissen über Doppelreiher-Jacketts an seiner Seite! Allerdings hat der Italiener diese ja nicht aus Männer-Stylemagazinen, sondern einfach in den Genen. Sollten Frauen also ihren Look zugunsten eines nordisch kühlen Begleiters downgraden? Auf keinen Fall: Er trägt zwar keine Lackschuhe, aber dafür einen stoischen Ausdruck angesichts des Zirkusponys an seiner Seite. Er ist also irgendwie doch ein wahrer Gentleman. Julia Werner Männer ziehen sich an wie Jungs: Ed Sheeran "Every hetereosexual couple's level of effort", so kommentierte ein Twitternutzer dieses Foto von Beyoncé und Ed Sheeran. Bedeutet so viel wie: Paradebeispiel dafür, wie modische Sorgfalt bei einem Durchschnittspaar verteilt ist. Da ist leider etwas Wahres dran. Der in einer Beziehung häuslich gewordene Mann lässt zu gerne alle Eitelkeiten fahren. Das endet bei jenen alten Ehepaaren im Theater, bei denen sie frisch erblondet glitzert, während er in Lederweste und Flanellhemd abhängt. Auch wenn optische Diskrepanz nicht inhaltliche Entfernung bedeuten muss, es zeugt schon von mangelndem Interesse, wenn man die Partnerin stilistisch allein lässt. Oft ist es gar keine Absicht - viele Männer haben nie gelernt, sich für den Anlass passend zu kleiden, oder fühlten sich immer von ihren Frauen dazu gegängelt. Besser wäre ein prägendes Vorbild, aber wer hatte schon einen eleganten Vater? Natürlich kann man sich selbst dazu erziehen, aber das bedeutet eben ein bisschen Mühe und die ein oder andere Investition (weitaus weniger als bei den Damen). Bequemer ist es, Mode als lächerlich zu verachten und sich durch die Veranstaltungen zu rüpeln, bei denen so etwas wie eine gute Garderobe gefragt wäre. Mit seinen ewigen Jeans und T-Shirts stellt Ed Sheeran das Frühstadium dieses Volksleidens dar. In dem Outfit gehen Jungs mit zehn zum Spielen, machen damit ihren Schulabschluss und präsentieren sich so auch mit Mitte 40 noch der Öffentlichkeit. Triste Botschaft: Eigentlich sollten wir erwachsen werden, aber halt kein Bock. Max Scharnigg
Während Ed Sheeran in Jeans und T-Shirt auf die Bühne schlurft, hüllt sich Beyoncé beim gemeinsamen Auftritt in ein kompliziertes Outfit.
https://www.sueddeutsche.de/stil/china-hochzeiten-mitgiften-1.4238916
stil
"Hochzeiten in China: Ende der ""vulgären Praxis"""
00/12/2018
Was passiert, wenn in einem ganzen Land Eltern lieber Söhne bekommen und millionenfach weibliche Föten abtreiben? Es gibt weniger Frauen, und wovon es einen Mangel gibt, dessen Wert steigt. Das klingt unangemessen nüchtern, fast so, als gehe es hier nicht um Menschen, sondern um Waren. Aber so ist das in China, wo es nach 35 Jahren der Ein-Kind-Politik mindestens 30 Millionen mehr Männer als Frauen gibt. Um ihr Leben nicht alleine in einem Junggesellendorf zu fristen, sind die Männer bereit, hohe Mitgiften zu zahlen - längst werden Summen erreicht, die das Jahreseinkommen der Bräutigamsfamilien um ein Vielfaches übersteigen. Nicht nur Goldschmuck, sondern ein Haus, ein Auto und 150 000 Yuan (ungefähr 19 000 Euro) sind inzwischen Standardforderungen der Brautfamilien. Das trifft vor allem Männer in ländlichen Gebieten, denn viele Frauen zieht es in die Städte, und das verschärft die Angebot-und-Nachfrage-Problematik gewissermaßen zusätzlich. Um sich das leisten zu können, verschulden sich die Familien oft lebenslang. In der Provinz Shandong soll es Dörfer geben, in denen das Brautgeld im wörtlichen Sinne abgewogen wird: 100 000 Yuan in 100er-Scheinen wiegen etwa 1,6 Kilogramm. Auch gibt es dort den Brauch, "alles in Rot und Grün" zu zahlen, also mit Hundert- und mit Fünfzig-Yuan-Scheinen. Das Problem ist, wie immer, wenn die Nachfrage das Angebot bei Weitem übersteigt: Obwohl viele Bewohner diese Entwicklungen selbst nicht gutheißen, sind sie machtlos. Es gibt ja immer jemand anderen, der bereit ist, noch mehr zu zahlen. Seit 2016 gibt es die Ein-Kind-Politik nicht mehr, jetzt dürfen alle Chinesen zwei Kinder haben Um die ausufernden Mitgiften einzudämmen und die "vulgäre Praxis" zu beenden, fordert das Ministerium für zivile Angelegenheiten eine Trendwende. Auf chinesische Weise: Die Menschen sollten lieber "Xi Jinpings Gedankengut" folgen, Hochzeitsfeiern sollten sozialistische und traditionelle chinesische Werte wie Fleiß und Sparsamkeit widerspiegeln. Schluss mit Extravaganz und Verschwendung. Detailansicht öffnen Für die Hochzeit von China nach England fliegen? Warum nicht. Ein Paar auf der Westminster Bridge in London. (Foto: REUTERS) Da Vernunftappelle aber selten ausreichen, wurden mancherorts bereits Regeln beschlossen, um Brautpreise zu deckeln. Im Kreis Taiqian in der Provinz Henan ist nicht nur der Wert der Hochzeitsgeschenke auf 60 000 Yuan (7700 Euro) limitiert. Beschränkt ist auch die Zahl der Gäste: maximal zehn Tische oder 200 Leute. Die Brautfamilien dürfen keine Häuser und Autos mehr fordern und die Familien der Bräutigame dürfen keine Schulden aufnehmen, um die Hochzeit zu bezahlen. Doch solange die Angst der Männer vor dem Alleinsein groß ist, dürfte es schwierig werden, die Hochzeitsbräuche zu ändern. Funktionäre fordern daher, dass lokale Behörden für alternative Veranstaltungen wie Massenhochzeiten werben sollten. Seit 2016 gibt es die Ein-Kind-Politik nicht mehr, jetzt dürfen alle Chinesen zwei Kinder haben. Die neue Musterfamilie hat eine Tochter und einen Sohn. Bis diese im heiratsfähigen Alter sind, dauert es allerdings noch. Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir fälschlicherweise den Fünf-Yuan-Schein als grünfarbigen Schein genannt. Richtig ist jedoch, dass der 50-Yuan-Schein grün ist.
Peking schreitet gegen ausufernde Mitgiften ein. Manche Bräutigamsfamilien verschulden sich lebenslang, um die Forderungen zu erfüllen. Das Problem ist: Es gibt zu wenig Frauen.
https://www.sueddeutsche.de/stil/weihnachten-sommer-klimawandel-1.4233779
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Weihnachtsbaum: Wie grün sind deine Blätter
00/12/2018
Der Weihnachtsbaum vor dem Reichstag ist eine Fichte aus der Nähe von Altenau im Harz. 62 Jahre alt, fünf Tonnen schwer, 24 Meter hoch. Sie wurzelte ihr Leben lang geschützt im Kellwassertal und überstand auch die Krisen dieses Jahres gut. Weder der Januarsturm Friederike noch die Sommerdürre beschädigten ihre Schönheit. Als die Mitarbeiter des Forstamts Clausthal die Fichte fällten, hielt sie ein Autokran und legte sie später behutsam auf einem Tieflader ab. Und nun steht sie also im Lichterschmuck vor dem Berliner Parlament und kündet von der Kraft der Christfest-Kultur. Der Weihnachtsbaum ist eine deutsche Erfindung. Vom 16. Jahrhundert an verbreitete er sich von den Zunfthäusern aus über städtische Familien in der ganzen Welt. Heute kann man darüber streiten, ob der Weihnachtsbaum eher ein Symbol des Adventskommerzes oder der besinnlichen Weihnachtsfeiertage ist. Aber beliebt ist er, das ist klar, vor allem in Deutschland. Nirgends ist der Pro-Kopf-Weihnachtsbaum-Verbrauch so hoch wie hier. Nach Angaben des Bundesverbandes der Weihnachtsbaum- und Schnittgrünerzeuger setzt die Branche zwischen 23 und 25 Millionen Bäume pro Jahr ab. Und Geschäftsführer Martin Rometsch meldet, das Angebot an Nordmanntannen und anderen beliebten Zimmernadelhölzern sei auch dieses Jahr wieder üppig: "Es gibt keine Knappheit." Das Land protzt fast mit seinen Weihnachtsbäumen. In vielen Städten stehen geschmückte Riesenbäume wie Botschafter ihrer Herkunftswälder. Thüringens Forstministerin Birgit Keller (Linke) freute sich vergangene Woche ganz offiziell darüber, dass eine etwa 80-jährige Fichte aus Floh-Seligenthal im Kreis Schmalkalden-Meiningen den begehrten Platz vor dem Brandenburger Tor besetzen darf. Es ist, als wäre die Trockenheit dieses Sommers an der Branche folgenlos vorübergegangen. Rometsch sagt sogar, der heiße Sommer habe manchen Bäumen in den 2500 Anbaubetrieben gutgetan, weil weniger Feuchtigkeit auch weniger Pilzbefall bedeute. "Die Insekten waren auch zurückhaltend." Dürre als Erfolgsfaktor? Natürlich nicht. Die Betriebe mussten mehr wässern, vor allem die kleineren Jungpflanzen aus der Baumschule mit ihren dünnen Wurzeln. Wer das nicht tat, hatte schwere Ausfälle. "Die Setzlinge sind in einzelnen Betrieben zu bis zu 100 Prozent vertrocknet", sagt Rometsch. Detailansicht öffnen Die Fichte aus dem Kellwassertal steht jetzt vor dem Reichstag in Berlin. (Foto: dpa) In den niedersächsischen Landesforsten, der Heimat der Reichstagsfichte, gibt es hingegen keine Klagen wegen der Dürre - zumindest nicht, wenn es ums Weihnachtsgeschäft geht. "Für uns sind Weihnachtsbäume Nischenprodukte", erklärt Sprecher Mathias Aßmann. Die Förster sind vor allem mit der Holzproduktion beschäftigt. Sie lassen Nadelbäume lange Zeit dicht nebeneinander wachsen, damit diese im Schatten ihrer Kronen die unteren Äste abwerfen. So entsteht astreines Holz. Hübsche Christbäume sind im Wald meist junge Zufallsgewächse, die ohnehin wegmüssten. Oder alte Bäume, die immer viel Licht hatten und deshalb ihr volles Nadelkleid behielten. Wie die Reichstagsfichte aus dem Kellwassertal, die über Jahrzehnte still gedieh, bis das Weihnachtsgeschäft sie rief.
Die Deutschen lieben ihre Weihnachtsbäume. Aber hat der heiße Sommer den Tannen und Fichten geschadet?