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https://www.sueddeutsche.de/service/mein-deutschland-wenig-diplomatische-aeusserungen-1.10940
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Mein Deutschland - Wenig diplomatische Äußerungen
00/04/2010
Christine Lagarde ruft Deutschland zur Ordnung auf. Sie rät Frankreichs großem Nachbarland, seine Binnennachfrage zu stärken, weil sein Handelsüberschuss die Wettbewerbsfähigkeit anderer Euroländer bedrohe. "Könnte Deutschland nicht ein klein bisschen mehr tun?", fragt die französische Finanzministerin. "Jeder muss seinen Teil beitragen." Verzeihen Sie mir den etwas brüsken Vergleich, aber Christine Lagarde erinnert mich an meine elsässische Großmutter. Getragen von seinem Wirtschaftswunder blühte Deutschland in den Siebzigern auf der anderen Seite des Rheins geradezu auf. Seine Straßen waren besser gepflastert, seine Häuser herausgeputzter, seine Autos größer und sein Lebensstandard höher als unserer. Die Deutschen, beobachtete meine Großmutter, die zwei Weltkriege erlebt hatte und zweimal sah, wie die "Boches" besiegt und gedemütigt sich wieder über die Rheinbrücke zurückzogen, diese Deutschen atmeten nun auf, vor Gesundheit und materiellem Wohlstand strotzend. Und meine Großmutter ließ zielsicher diesen einen Satz los, der mir zu Denken gab: "Sie sind reicher als wir, und das, obwohl sie den Krieg verloren haben." Meine ganze Kindheit über habe ich wie viele Franzosen dieses Bild von den Deutschen im Kopf gehabt, das Bild unglaublich leistungsstarker Menschen, die in der Lage sind, ihre Ärmel hochzukrempeln, nachdem sie die größte Katastrophe des Jahrhunderts verursacht hatten, die arbeiten wie die Wahnsinnigen und sich dabei noch den Gürtel enger schnallen. Ein Bild von Menschen, die nicht sehr witzig sind, dafür aber effizient, kompetent, streng und moralisch. Und dieses Bild bestätigt sich, muss ich gestehen, jedes Mal, wenn ich eine Reportage in einem deutschen mittelständischen Unternehmen mache. Hier herrscht ein anderer Geist als in französischen Betrieben, ein größerer Arbeitseifer, mehr Ernsthaftigkeit und eine größere Harmonie zwischen Geschäftsführung und Beschäftigten. Ich würde mir nicht erlauben, meine Großmutter mit der einflussreichen Madame Lagarde zu vergleichen oder gewagte Rückschlüsse zu ziehen, geschweige denn über unterdrücktes Leid zu psychologisieren, aber dass der Groll tief sitzt, könnte ein Stück weit die etwas rüden Bemerkungen der französischen Ministerin erklären. Es liegt mir fern, solch kühne Interpretationen anzustrengen. Aber wie kommt es zu diesen wenig diplomatischen Äußerungen der Ministerin? Warum diese Einmischung in die Angelegenheiten des Nachbarlandes? Ist es nicht dreist, den Deutschen vorzuwerfen, ihre nationalen Interessen zu schützen und Europa den Rücken zuzuwenden? Haben sie nicht einfach einen guten Job gemacht und sind Klassenbeste in Europa? Seit zehn Jahren ergreifen sie drakonische und schmerzhafte Maßnahmen, um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft zu erhalten. Jetzt ernten sie die Früchte ihrer Disziplin und Askese. Ja, ich verstehe die Irritationen und sogar den Ärger in der deutschen Politik und Wirtschaft über Madame Lagarde. Was mischt sie sich ein? Und vor allem: Was hindert die Franzosen, das Gleiche zu tun? Seit Tagen geht mir ein Gedanke nicht aus dem Sinn: Man stelle sich umgekehrt vor, Wolfgang Schäuble würde sich anmaßen, den Franzosen gute Ratschläge zu erteilen? Wie würden sie dann reagieren, und allen voran Nicolas Sarkozy? An dieser Stelle schreiben Auslandskorrespondenten über Deutschland. Pascale Hugues arbeitet für das französische Nachrichtenmagazin Le Point.
Die französische Finanzministerin Christine Lagarde hat Deutschland wegen wirtschaftlicher Ungleichheit in der EU heftig kritisiert.
https://www.sueddeutsche.de/politik/union-und-fdp-roland-kochs-vize-nennt-schaeuble-quaelinstrument-1.951875
politik
"Union und FDP - Roland Kochs Vize nennt Schäuble ""Quälinstrument"""
00/05/2010
Seit Tagen präsentiert sich Wolfgang Schäuble als fitter Finanzminister. Er kündigt Sparprogramme an, vor denen nur Rentner verschont werden sollen, und schließt Steuererhöhungen nicht aus. So will er in Abstimmung mit Kanzlerin Angela Merkel das gewaltige Haushaltsdefizit senken. Detailansicht öffnen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: Scharfe Kritik aus der Hessen-FDP. (Foto: ddp) Ein großer Gegner sitzt in den eigenen Reihen. Als Störer treten, kaum verhüllt, die Hessen auf. Aus jener schwarz-gelben Regierung, deren Chef Roland Koch in der abgelaufenen Woche den Rückzug erklärte und nun verkündet: "Man darf nicht den Eindruck erwecken, man habe eine Gestaltungsmacht, die man gerade verliert." Das allein macht die Distanz zu Merkel deutlich. Kochs Freund und Stellvertreter im Kabinett, der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn, macht sogar offen Front gegen Finanzminister Schäuble. Er bezeichnet den CDU-Politiker, der eine Leitfigur der Merkel-Koalition ist, als "Belastung für die Bundesregierung". O-Ton: "Wer jetzt davon redet, dass Steuererhöhungen keine Quälinstrumente für die Bürger seien, der verkennt die Situation", sagt der Landesjustizminister der Leipziger Volkszeitung. "Es ist vielmehr so, dass Schäuble zum Quälinstrument in der bürgerlichen Koalition im Bund geworden ist."Das klingt ganz nach wildem Umherschießen in der eigenen Truppe. Nun müsse die Bundeskanzlerin eingreifen, verlangt Hahn. "Ich habe das Gefühl, dass der Bundesfinanzminister entweder jedes Gefühl für das Machbare mit der FDP verloren hat. Oder er will seinen Koalitionspartner vorführen und richtig demütigen. Beides ist nicht mehr zu tolerieren. Das muss gerade Angela Merkel sehen und endlich handeln." Schäuble , so Kochs Partner Hahn, demontiere öffentlich den Inhalt der Koalitionsvereinbarung. "Mit seinen Querschüssen von Anfang an ist er zu einer Belastung für die Bundesregierung geworden", kritisierte der stellvertretende hessische Ministerpräsident. Auch aus der hessischen CDU kommt Kritik an der Bundesregierung sowie an Kanzlerin und Parteichefin Merkel. "Eigentlich sollte man dafür Sorge tragen, dass man solche Talente wie Roland Koch in der Politik hält", sagt Franz Josef Jung, der als Arbeitsminister sowie als Verteidigungsminister lange Zeit unter Merkel diente. Der Chef der hessischen CDU-Landtagsfraktion, Christean Wagner, zeigt sich ebenfalls besorgt: "Mit dem Fortgang von Roland Koch und zuvor schon von Friedrich Merz hat die personelle Bandbreite der CDU erheblichen Schaden genommen." Das seien keine Zufallsereignisse. Es sei an der Bundesvorsitzenden, jetzt verstärkt darauf zu achten, "dass unsere Bandbreite erhalten bleibt". Die SPD erwartet nach dem Rückzug von Koch zunehmende Spannungen in der schwarz-gelben Koalition. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagt der Neuen Osnabrücker Zeitung, die Unzufriedenheit im konservativen Lager der Union werde sich erheblich vergrößern. "Und es stimmt ja, dass die CDU-Vorsitzende Angela Merkel zu diesem Teil ihrer Partei überhaupt keinen Bezug mehr hat." Das sehen Roland Koch und seine Freunde auch so.
Im schwarz-gelben Lager geht es drunter und drüber. Der hessische FDP-Politiker Hahn schimpft auf Finanzminister Schäuble.
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-china-ruft-nord-und-suedkorea-zur-besonnenheit-auf-1.951881
politik
China ruft Nord- und Südkorea zur Besonnenheit auf
00/05/2010
Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao hat in der Krise um die Versenkung eines südkoreanischen Kriegsschiffes Schritte zur Entspannung angemahnt. Er bezeichnete es am Sonntag bei einem Besuch in Südkorea als "momentan dringendste Aufgabe", "Spannungen schrittweise zu reduzieren und insbesondere Zusammenstöße zu verhindern". Doch ließ Wen Jiabao erneut die Position Pekings zu den Vorwürfen gegen seinen Verbündeten Nordkorea wegen des Schiffsuntergangs im Unklaren. Südkoreas Präsident Lee Myung Bak bekräftigte indessen in den Gesprächen mit Wen Jiabao und Japans Regierungschef Yukio Hatoyama auf der Ferieninsel Cheju, dass Nordkorea zur Rechenschaft gezogen werden müsse. "Wir haben keine Angst vor dem Krieg, aber wir wollen keinen Krieg", wurde der Staatschef von einem Sprecher zitiert. Südkorea macht das kommunistische Nachbarland für den Untergang der Korvette Cheonan verantwortlich, bei dem am 26. März 46 Matrosen getötet wurden. Detailansicht öffnen Südkorea macht das kommunistische Nachbarland für den Untergang der Korvette Cheonan verantwortlich, bei dem am 26. März 46 Matrosen getötet wurden. (Foto: rtr) Nach der Verhängung von Handelssanktionen und anderen Strafmaßnahmen will Seoul mit Rückendeckung der USA und Japans den Zwischenfall auch vor den Weltsicherheitsrat bringen, damit eventuell auch auf internationaler Ebene verschärfte Sanktionen gegen Nordkorea verhängt werden können. Lee deutete am Sonntag an, dass er die Unterstützung durch die Veto-Macht China erwarte. "China und Japan haben in der internationalen Gemeinschaft eine sehr wichtige Rolle zu spielen, und ich erwarte, dass sie in dieser Angelegenheit ihre Weisheit zeigen." China hat sich bisher nicht konkret zu den Untersuchungsergebnissen geäußert, wonach die Cheonan bei einem nordkoreanischen Torpedo- Angriff versenkt worden war. (APF) Warum die Nato glaub, dass die Taliban in Afghanistan von Iran unterstützt werden und der Oberkommandeur der kanadischen Streitkräfte in Afghanistanist gefeuert wurde. Weiter Meldung im Überblick
China hat nach dem umstrittenen Untergang eines südkoreanischen Kriegsschiffes direkte Kritik an Nordkorea vermieden und stattdessen alle Betroffenen zur Besonnenheit aufgerufen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/terror-in-indien-dutzende-menschen-sterben-bei-anschlag-auf-nachtzug-1.951011
politik
Dutzende Zugreisende getötet - Terroranschlag erschüttert Indien
00/05/2010
Ein Anschlag auf einen Zug im Osten Indiens forderte am Freitag gegen 1:30 Uhr Ortszeit viele Todesopfer: Nach Angaben von Rettungskräften wurden bisher 71 Leichen gefunden. Er sei zu befürchten, dass noch "viel mehr" Todesopfer entdeckt würden. "Ich kann überall Leichenteile sehen, sie hängen aus den Abteilen und liegen unter den Rädern", beschrieb ein Journalist die Szenerie. Weitere 120 Menschen sollen verletzt worden sein. Detailansicht öffnen Maoistischer Anschlag in Indien: Sicherheitskräfte und Rettungsmannschaften versuchen Opfer aus den Waggons zu bergen. (Foto: afp) Die angeblich für den Anschlag verantwortliche Maoistengruppe hat eine Beteiligung an der Tat zurückgewiesen. "Wir waren in keiner Weise beteiligt. Das ist nicht unsere Tat", sagte der Sprecher der Rebellengruppe Volkskomitee gegen Polizeigewalt (PCPA), Asit Mahato, laut der indischen Nachrichtenagentur PTI.Die Agentur hatte zunächst berichtet, die Gruppe habe sich in einem Anruf in ihrem Büro in Kolkata zu der Tat im Bezirk West Midnapore im Bundesstaat Westbengalen bekannt. Mehrere Stunden später habe der PCPA-Sprecher Mahato angerufen und jede Verantwortung für die Tat zurückgewiesen. Der mit schlafenden Fahrgästen vollbesetzte Express-Zug war auf dem Weg nach Mumbai, als rund 150 Kilometer südlich von Kalkutta 13 seiner 24 Waggons entgleisten. Kurz darauf fuhr laut der Zeitung Times of India ein entgegenkommender Güterzug auf fünf Waggons auf, die auf ein anderes Gleis gekippt waren. Der Anschlag ereignete sich in einer Hochburg der maoistischen Aufständischen. Vor Ort seien zudem Flugblätter der Rebellen gefunden worden, sagte der Polizeichef von Westbengalen, Bhupinder Singh. Ursache der Entgleisung weiter unklar Die indische Eisenbahnministerin Mamata Banerjee sprach davon, dass eine Explosion den Zug zum Entgleisen brachte. Ein Eisenbahnsprecher erklärte, der Fahrer des Zuges habe einen lauten Knall gehört, was auf eine Bombe hindeuten könnte. Die Polizei jedoch geht davon aus, dass die Gleise manipuliert wurden: Eisenstücke, mit denen die Schienen verbunden waren, sollen entfernt worden sein. "Das ist ein klarer Fall von Sabotage", sagte der Polizeichef Singh. Aus den verkeilten Waggons seien noch immer verzweifelte Hilferufe zu hören, sagt ein Reporter der Zeitung Telegraph India. Die Rettungsmannschaften bemühten sich noch zehn Stunden nach dem Unglück, mit Schneidbrennern eingeklemmte Überlebende aus den Trümmern zu befreien und die Toten zu bergen. "Die Schreie der Kinder und Frauen in den Abteilen sind jetzt verstummt", berichtete ein Lokalreporter Stunden nach dem Anschlag. "Dennoch sind alle bemüht, die Eingeschlossenen zu retten." Verletzte wurden mit Hubschraubern der Luftwaffe in Krankenhäuser geflogen. Maoistische Rebellen sind in letzter Zeit verstärkt aktiv, nachdem die Regierung eine Offensive gegen sie gestartet hatte. Bei einem Anschlag auf einen Bus im Bundesstaat Chhattisgarh waren Anfang des Monats 24 Zivilisten und elf Polizisten getötet worden, im März sollen die Rebellen bereits einen anderen Hochgeschwindigkeitszug zum Entgleisen gebracht haben. Ministerpräsident Manmohan Singh hat den Aufstand als die größte Bedrohung der inneren Sicherheit bezeichnet. Die "Naxaliten" genannten Aufständischen setzen sich nach eigenen Angaben für die Belange benachteiligter Bevölkerungsschichten und landloser Bauern ein, sie haben zu einem viertägigen Generalstreik ab Feitag aufgerufen. In zahlreichen Untergruppen kämpfen Schätzungen zufolge bis zu 20.000 Rebellen. Sie gingen 1967 aus einer Bauernbewegung in Westbengalen hervor und sind mittlerweile in 20 der insgesamt 29 indischen Bundesstaaten aktiv.
Bei einem Anschlag auf einen vollbesetzten Zug in Ostindien sterben mindestens 71 Menschen. Maoistische Rebellen weisen die Verantwortung zurück.
https://www.sueddeutsche.de/politik/demografischer-wandel-es-kann-gefaehrlich-werden-1.950455
politik
Demographie - Müntefering warnt vor Krieg der Generationen
00/05/2010
Ein halbes Jahr nach seinem Rückzug als SPD-Bundesvorsitzender meldet sich Franz Müntefering mit der eindringlichen Mahnung zu Wort, sich stärker als bislang mit den Konsequenzen der alternden Gesellschaft auseinanderzusetzen. "Bislang sagt niemand in aller Deutlichkeit, wie schwerwiegend und folgenreich dieser Wandel sein wird. Die Zahlen liegen zwar vor, aber die Zusammenhänge werden nicht ausreichend beschrieben", sagte Müntefering der Süddeutschen Zeitung. Detailansicht öffnen Ein halbes Jahr nach seinem Rückzug als SPD-Bundesvorsitzender meldet sich Franz Müntefering mit der eindringlichen Mahnung zur alternden Gesellschaft zu Wort. (Foto: ag.dpa) Die Bevölkerung in Deutschland schrumpft, weil mehr Menschen sterben als geboren werden. Gleichzeitig leben die Menschen immer länger. Schon heute ist jeder fünfte 65 Jahre oder älter. In fünfzig Jahren wird es jeder dritte sein. Müntefering warnte davor, die Folgen dieser Entwicklung zu ignorieren und Entscheidungen auf die lange Bank zu schieben. "Letztendlich ist es wie bei der Debatte um die Zügelung der Finanzmärkte. Wir alle wissen, dass wir dringend etwas tun müssen", sagte er, aber alle drücken sich. Der 70-Jährige, der sich seit geraumer Zeit mit Fragen des demographischen Wandels und den Konsequenzen für den Zusammenhalt der Gesellschaft beschäftigt und inzwischen Vorsitzender einer neuen Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion zu diesem Thema ist, forderte die Politiker in Bund, Ländern und den Gemeinden auf, das Thema gemeinsam anzupacken. "Wir müssen uns ein Gesamtbild machen, die Politik zusammen mit jenen gesellschaftlichen Gruppen. Wir brauchen einen konzertierte Aktion", sagte Müntefering. Bislang würden die zentralen Fragen der alternden Gesellschaft isoliert betrachtet. "Die einen beschäftigen sich mit der Rente, die anderen mit der Pflege, Dritte mit dem Arbeitsmarkt, Vierte mit der Bildung, wieder andere mit Integrationsfragen", fügte er hinzu. Diese politischen Strukturen seien unzureichend und würden den Herausforderungen nicht gerecht. In einem 33 Seiten starken Arbeitspapier verlangt Müntefering einen "Gesellschaftsentwurf" zu der Frage, wie der Wandel ohne größere soziale Verwerfungen gestaltet werden kann und stellt einige Forderungen auf. An erster Stelle verlangt er mehr Unterstützung für Familien und Kinder, Ganztagsschulen seien unverzichtbar. Er bekräftigt die SPD-Forderung aus dem Bundestagswahlkampf nach einem neuen Bundesministerium für Bildung und Integration. Das sei eine "Schlüsselaufgabe" für Bund und Länder. Deutschland müsse künftig nicht nur einzelnen Bewerbern, sondern auch ganzen Familien die Zuwanderung gestatten, Nicht-Deutschen ein kommunales Wahlrecht einräumen und auch die Möglichkeit zu doppelter Staatsbürgerschaft. Damit könne man dem in den nächsten Jahren drohenden Fachkräftemangel entgegenwirken. Zugleich setzt sich Müntefering für mehr Beschäftigungsmöglichkeiten für ältere Menschen ein. Auch Senioren könnten ein soziales Jahr absolvieren. Eine solche soziale Tätigkeiten könnte älteren Menschen auch helfen, der Isolation und Einsamkeit entgehen.
Der ehemalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering warnt eindringlich davor, die Folgen der Überalterung der deutschen Gesellschaft zu ignorieren.
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauch-und-kirche-jesuiten-quaelten-mehr-als-200-kinder-1.950636
politik
Missbrauch und Kirche - Jesuiten quälten mehr als 200 Kinder
00/05/2010
An Einrichtungen von Jesuiten in Deutschland ist es in den vergangenen Jahrzehnten in mindestens 205 Fällen zu sexuellem Missbrauch und körperlichen Misshandlungen von Kindern gekommen. Der Taten verdächtigt werden 46 Patres, weltliche Lehrer und Erzieher des Ordens, berichtete die vom Jesuitenorden mit der Aufklärung der Fälle beauftragte Berliner Rechtsanwältin Ursula Raue an diesem Donnerstag bei einer Pressekonferenz in München. Detailansicht öffnen Beklemmende Fakten: Die Missbrauchsbeauftragte des Jesuitenordens, Rechtsanwältin Ursula Raue, bei der Präsentation des Abschlussberichtes zu Missbrauchsfällen in Einrichtungen des Jesuitenordens neben Provinzial Stefan Dartmann. (Foto: ag.ddp) Raue sagte, zusätzlich zu den 205 Meldungen an Jesuiten-Einrichtungen seien ihr fünfzig weitere meist an katholischen Einrichtungen geschehene Übergriffe gemeldet worden. Ende Januar war durch Aussagen mehrerer ehemaliger Schüler bekanntgeworden, dass es am Canisius-Kolleg in Berlin - einem Gymnasium der Jesuiten - in den siebziger und achtziger Jahren einen systematischen sexuellen Missbrauch von Kindern gegeben hatte. In der Folge wurden zahlreiche weitere Fälle bekannt, weshalb die Jesuiten Raue mit der Aufklärung beauftragten. Wie die Berliner Rechtsanwältin feststellte, kam es außer am Canisius-Kolleg auch im Kolleg Sankt Blasien, dem Aloisiuskolleg in Bad Godesberg, der Sankt-Ansgar-Schule in Hamburg sowie Jugendeinrichtungen in Hannover und Göttingen und einem heute nicht mehr von den Jesuiten geleiteten Kolleg im westfälischen Büren zu Übergriffen. Hauptbeschuldigte sind laut Raue insgesamt zwölf Patres, von denen sechs inzwischen verstorben sind, sowie zwei weltliche Mitarbeiter. Den Beschuldigten werde von mehr als einem Opfer oder Zeugen Missbrauch oder grobe Gewalttätigkeit beziehungsweise beides vorgeworfen, zusätzlich auch Mitwisserschaft. 32 weitere Patres, weltliche Lehrer oder Erzieher seien bisher von nur einem Opfer genannt worden. Die Jesuiten haben die sexuelle und körperliche Gewalt gegen Kinder über Jahrzehnte hinweg an den Schulen des Ordens systematisch vertuscht. Die Täter wurden in mehreren Fällen von ihren Oberen gedeckt und an andere Orte versetzt, wie die Missbrauchs-Beauftragte der Jesuiten bei ihrem Abschlussbericht in München sagte. "Man hat dafür gesorgt, dass die verschoben wurden." Raue sagte, bei vielen Opfern hätten die Übergriffe schlimme Auswirkungen auf ihren weiteren Lebensweg gehabt. "Diese Leute, die sich da gemeldet haben, sprechen fast durchgängig von gebrochenen Lebenswegen, von Angst und Depressionen, Problemen im sexuellen Bereich und zerstörten Ehen und Eheproblemen." Die Anwältin machte auch dem Jesuiten-Orden schwere Vorwürfe. Dort seien viele Fälle bekannt gewesen, ohne dass angemessen reagiert wurde.
Sexuelle und körperliche Gewalt, systematische Vertuschung, gebrochene Biographien: Die Missbrauchsbeauftragte der Jesuiten zieht eine erschütternde Bilanz.
https://www.sueddeutsche.de/politik/koch-nachfolger-bouffier-der-eintaenzer-1.950549
politik
Koch-Nachfolger Bouffier - Der Eintänzer
00/05/2010
Es kommt nicht oft vor, dass der Nachfolger älter ist als sein Vorgänger. In der Regel ist es umgekehrt, das wird dann meist als Generationswechsel oder als Neuanfang verkauft. In der hessischen CDU braucht es aber keinen Neuanfang, den hat es dort nie gebraucht. Detailansicht öffnen Der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) soll die Nachfolge Kochs antreten. (Foto: ap) Denn der ausgeprägte Korpsgeist in der Hessen-Union hat dafür gesorgt, dass dort stets der gleiche Politikertyp den Ton angibt: klares Weltbild und auf der politischen Skala irgendwo zwischen konservativ und stramm konservativ angesiedelt. Dregger, Wallmann, Kanther, Koch - und jetzt eben Volker Bouffier. Dass Hessens künftiger Ministerpräsident einen ganz eigenen Retro-Charme versprüht, könnte auch mit seiner äußeren Erscheinung zusammenhängen. Leute, die so aussehen, als sei bei ihnen die Zeit in den achtziger Jahren stehen geblieben, trifft man ja heute eher selten. Müsste jemand, der Bouffier noch nie gesehen hat, tippen, was der Mann wohl beruflich macht, käme er vielleicht auf Eintänzer beim Ball der einsamen Herzen. Oder auf Privatdetektiv, der Bruder von Matula gewissermaßen. Jetzt, wo Bouffier in Hessen eine Stufe aufrückt, könnte die Frage, welchem Tönungsshampoo er seine heino-artige Haarfarbe verdankt, schon bald zum Gegenstand sogenannter Home Stories werden.
Er soll Hessens neuer Ministerpräsident werden: Volker Bouffier. Der CDU-Politiker versprüht einen ganz eigenen Retro-Charme. Das weckt Assoziationen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/fubawm-topnews-wm-aus-fuer-frankreichs-motor-lassana-diarra-1.948729
politik
"Topnews - WM-Aus für Frankreichs ""Motor"" Lassana Diarra"
00/05/2010
Der defensive Mittelfeldspieler sei "ausgelaugt" und habe im Trainingslager in der rund 2000 Meter hoch gelegenen Alpen- Gemeinde Tignes "sehr gelitten", erklärte Trainer Raymond Domenech in der Sendung "Telefoot" des Senders "TF1". Und der Coach ergänzte: "Er muss sich 15 Tage lang erholen." Domenech räumte ein, dass das WM-Aus des 25 Jahre alten "Motors" seiner Mannschaft ein "schwerer Schlag für alle" sei. "Aber so etwas schweißt die Gruppe zusammen." Aufgrund von Magenschmerzen hatte der Profi von Real Madrid bereits seit dem 20. Mai nicht mehr am Training des Weltmeisters von 1998 teilnehmen können. Detailansicht öffnen Domenech weiß noch nicht, ob er für Diarra einen anderen Spieler nachnominieren wird. Für das Trainingslager in Tignes, einer französischen Ski-Station etwa 150 Kilometer östlich von Lyon gelegen, hatte Domenech ohnehin 24 Akteure berufen. Er will seinem verletzten Kapitän William Gallas noch eine Chance geben. Der Abwehrspieler des FC Arsenal laboriert noch an einer Ende März erlittenen Wadenverletzung - und sorgte dann am Sonntag für eine weitere Schrecksekunde. Bei einem Buggy-Rennen rollte er mit dem Wagen auf die linke Seite und versuchte, sich mit dem Arm abzustützen. Ein Teamsprecher beruhigte aber: Gallas habe sich nur geringe Schürfwunden an der linken Hand zugezogen. Mit dem Verlauf des Trainingslagers zeigte sich der Nationalcoach unterdessen insgesamt zufrieden: "Das läuft sehr gut. Wir haben bessere Bedingungen als vor zwei Jahren (vor dem Debakel mit dem Vorrunden-Aus bei der EM 2008). Die Gruppe wächst zusammen." In Tignes bezieht die "Équipe Tricolore" ihr erstes WM-Trainingslager, ehe es nach einem Spiel gegen Costa Rica am 26. Mai in Lens weiter nach Tunesien geht. In Südafrika trifft Frankreich in der Vorrunden-Gruppe A auf den Gastgeber sowie auf Uruguay und Mexiko. Am 1. Juni müssen alle Teams dem Weltverband FIFA ihre endgültigen 23-Mann-Kader für die WM-Endrunde vom 11. Juni bis 11. Juli in Südafrika mitteilen.
Tignes (dpa) - Schwerer Schlag für Vizeweltmeister Frankreich. Die "Blauen" müssen bei der Fußball-WM in Südafrika auf Lassana Diarra verzichten.
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundespraesident-koehler-in-afghanistan-warum-hoere-ich-das-nicht-von-ihnen-1.948375
politik
"Präsident Köhler in Afghanistan - ""Warum höre ich das nicht von Ihnen?"""
00/05/2010
Seine Absicht war, mit einem Zwischenstopp in Afghanistan den Soldaten im Camp Marmal den Rücken zu stärken - und in Deutschland mehr Respekt für den Einsatz einzufordern. Seine Wirkung war: Enttäuschung. Detailansicht öffnen Bundespräsident Horst Köhler im Bundeswehrfeldlager Camp Marmal in Masar-i-Scharif im Norden von Afghanistan mit Soldaten. Der Präsident besucht zum ersten mal die Bundeswehr in Afghanistan. (Foto: dpa) Der Besuch von Bundespräsident Horst Köhler im Feldlager Masar-i-Sharif hinterließ bei den Soldaten der Bundeswehr offenbar einen eher schlechten Eindruck. Nach einem Bericht von Bild am Sonntag stellte der CDU-Mann in einem Gespräch mit Soldaten indirekt deren Siegeszuversicht in Zweifel. Er habe einige der Truppe gefragt, wie zuversichtlich sie seien. Schweigen. Daraufhin habe Köhler einen US-Presseoffizier angesprochen, der neben ihm stand: "What do you think about Afghanistan?" (Was denken Sie über Afghanistan?). Der Offizier habe geantwortet: "I think we can win this." (Ich glaube, wir können das gewinnen). Daraufhin habe Köhler sich wieder den deutschen Soldaten zugewandt und gefragt: "Warum höre ich das nicht von Ihnen?" Enttäuscht und frustriert Für die Deutschen in Masar-i-Sharif hatte Köhlers Frage offenbar wie ein Vorwurf und ein Zweifel an ihrem Willem zum Erfolg geklungen. Jedenfalls habe sich der Vorfall im Feldlager schnell herumgesprochen und viele Soldaten seien seither enttäuscht und frustriert. Dabei hatte Köhler in einem Interview des Deutschlandradios Kultur bekräftigt, dass die Bundeswehrsoldaten in Nordafghanistan "wirklich Großartiges unter schwierigsten Bedingungen" leisten. Das habe er mit seinem Besuch auch zum Ausdruck bringen wollen, sagte er. Er wies noch einmal darauf hin, dass seiner Einschätzung nach in Afghanistan "auch für unsere Sicherheit in Deutschland" gekämpft werde - und dafür solle den dort eingesetzten Bundeswehrsoldaten Respekt und Anerkennung gezollt werden. In dem Gespräch räumte er ein, dass mit weiteren Todesfällen deutscher Soldaten in dem Einsatz gerechnet werden müsse. "Wir haben Verantwortung" Köhler war am Freitag auf der Rückkehr von seiner China-Reise überraschend zu einem Besuch im Feldlager Masar-i-Sharif bei den dort stationierten Bundeswehrtruppen eingetroffen. In dem Rundfunkinterview sagte er am Samstag: "Wir brauchen einen politischen Diskurs in der Gesellschaft, wie es kommt, dass Respekt und Anerkennung zum Teil doch zu vermissen sind, obwohl die Soldaten so eine gute Arbeit machen." Zugleich wies Köhler darauf hin, dass die Bundeswehr im Bündnis mit Alliierten auf der Basis eines Mandates der Vereinten Nationen in Afghanistan sei. "Alles das heißt, wir haben Verantwortung." Dennoch sei es in Ordnung, wenn in Deutschland darüber immer wieder auch skeptisch diskutiert werde. "Meine Einschätzung ist aber, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren", sagte er weiter. Als Beispiel für diese Interessen nannte Köhler "freie Handelswege", weil davon auch Arbeitsplätze und Einkommen abhingen.
Köhlers Blitzbesuch in Afghanistan gab den Bundeswehrsoldaten offenbar ein falsches Signal. Der Bundespräsident zog deren Siegeswillen in Zweifel.
https://www.sueddeutsche.de/politik/amnesty-international-jahresbericht-pranger-des-schreckens-1.950492
politik
Menschenrechte weltweit - Pranger des Schreckens
00/05/2010
Jahr für Jahr dokumentiert Amnesty International die Lage der Menschenrechte in aller Welt - und Jahr für Jahr legen die Aktivisten ein Dokument des Schreckens vor. Der jetzt erschienene Bericht für das Jahr 2009 beschreibt Fälle von Folter und Misshandlung in 111 Ländern. In 48 Staaten sitzen Menschen aus politischen Gründen in Haft. Von unfairen Gerichtsverfahren berichtet Amnesty in mindestens 55 Staaten und in mindestens 96 Ländern erkennt die Organisation Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit. Im Zuge des andauernden Antiterrorkampfes hat sich dem Bericht zufolge die Situation religiöser Minderheiten in zahlreichen Ländern der Erde verschärft. Die Ausübung ihres Glaubens für Angehörige aller Religionen sei auch im vergangenen Jahr mit erheblichen Risiken, Folter, Haft und sogar Tod verbunden gewesen. sueddeutsche.de zeigt entlang einiger Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von Amnesty International angeprangerte Verstöße. Artikel 1: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Die Realität: Der 541 Seiten starke Bericht enthält auf praktisch jeder Seite Verstöße gegen diesen Artikel. Auf Seite 65 berichtet Amnesty über die Sitaution von Frauen und Mädchen in Afghanistan. Diskriminierung und häusliche Gewalt sind für viele Frauen schrecklicher Alltag, junge Mädchen werden zur Heirat gezwungen und als Pfand benutzt, um Streit zu schlichten oder Schulden zu begleichen.
Willkür, Misshandlung, Folter: Der Bericht von Amnesty International legt offen, dass in 159 Ländern der Erde Menschenrechte missachtet werden. sueddeutsche.de zeigt exemplarisch, wie und wo Menschen besonders leiden.
https://www.sueddeutsche.de/politik/oelkatastrophe-im-golf-die-zeit-des-zuschauens-ist-vorbei-1.949643
politik
Ölkatastrophe im Golf - Die Zeit des Zuschauens ist vorbei
00/05/2010
Noch hat das Desaster im Golf von Mexiko die Einstellung der Amerikaner zum Öl und zur riskanten Öl-Förderung vor ihren Küsten wenig verändert. Noch immer glaubt gut die Hälfte der US-Bürger, dass kein Weg daran vorbei führt. 40Prozent sind der Überzeugung, dass sich eine Ölpest eben nicht vermeiden lässt. Doch muss man die Langzeit-Perspektive im Auge haben. Vor zwanzig Jahren, als die Exxon Valdez die bisher größte Öko-Katastrophe vor Amerikas Küsten ausgelöst hatte, glaubten das noch 80Prozent. Auch im Bewusstsein der Nation, die pro Kopf noch immer mehr Energie verbraucht und verschwendet als jedes andere Land, nimmt die ökologische Vernunft durchaus zu. Offenkundig sind es stets katastrophale Ereignisse, die sich ins kollektive Gedächtnis brennen und einen Einstellungswandel vorantreiben. 1989 war es die Tankerkatastrophe in Alaska. 2005 beendete der Hurrikan Katrina jäh die Gleichgültigkeit der Amerikaner gegenüber dem Klimawandel. Nun wird die Ölpest einen Bewusstseinsschub bewirken. Doch die Frage ist, wie weit die Veränderungen gehen werden. Die Aufregung in Washington ist groß, die Konsequenzen sind gering. Die Demokraten wollen die Umlage zur Vorsorge gegen eine Ölpest aufstocken: von 0,05 Cent pro Liter Öl auf 0,2 Cent. Und noch ist nicht einmal sicher, ob sie damit durchkommen. Präsident Obama betreibt derweil Krisenmanagement, setzt den gesamten Regierungsapparat in Bewegung, um zu beweisen, dass er nicht untätig ist. Und er versucht, die Schuld abzuwälzen: auf die Vorgängerregierung, die der Ölindustrie aus ideologischer Verblendung freie Hand ließ, auf den Ölmulti BP, der nicht einmal ansatzweise Vorsorge für den schlimmsten Fall getroffen hat. Ansonsten aber erleben die Amerikaner gerade einen hilflosen Präsidenten. Obama ist zum Zuschauen verdammt. Er kann nur hoffen, dass BP das sprudelnde Bohrloch endlich stopft. Dem Eindruck der Machtlosigkeit könnte Obama indes entgehen, wenn er jetzt Führungsstärke in der Krise beweisen würde. Er muss der Nation erklären, dass diese Ölpest nicht nur ein Unfall ist, sondern eine Folge der Abhängigkeit Amerikas vom Öl. Er muss sagen, dass auch 0,2Cent pro Liter Öl als Krisenvorsorge lächerlich sind. Er muss Amerika deutlich machen, dass es herausgefordert ist wie durch den Terror und dass ein nationaler Kraftakt nötig wäre, um neue, ungefährlichere Energieressourcen zu erschließen und die Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren. Er müsste sagen, dass jetzt erst recht das neue Klimaschutzgesetz beschlossen werden müsste, dessen Entwurf in den Schubladen des Senats vergilbt. Er müsste vor die Nation treten und den Amerikanern verdeutlichen, dass nun die Zeit gekommen ist, für ihren Lebensstil zu zahlen. Und dass sie die Aufgabe meistern könnten, wie so oft, wenn die Nation herausgefordert war. Das müsste man von einem Präsidenten erwarten. Einem großen Präsidenten.
Nach der Katastrophe im Golf sollte Obama vor sein Volk treten und eine neue Klimapolitik einleiten.
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-oezdemir-plaediert-fuer-ampelkoalition-in-nrw-1.949068
politik
Özdemir plädiert für Ampelkoalition in NRW
00/05/2010
Grünen-Chef Cem Özdemir hat sich erneut für eine Ampelkoalition in Nordrhein-Westfalen ausgesprochen. "Ich warte jetzt nicht jede Minute auf den Anruf der FDP, aber es ist eine klare Ansage: An uns scheitert es nicht, eine große Koalition zu verhindern oder gar Neuwahlen", sagte Özdemir im ARD-Morgenmagazin. "Wir können die Wähler ja nicht so lange wählen lassen, bis das richtige Ergebnis für uns rauskommt." Detailansicht öffnen Grünen-Chef Cem Özdemir befürwortet eine Ampelkoalition in Nordrhein-Westfalen. (Foto: dpa) Zugleich betonte Özdemir, dass seine Partei auch in die Opposition ginge, wenn die Voraussetzungen für eine Koalition nicht stimmten. "Da muss die FDP überlegen: Will sie das mit uns machen? Wenn sie es machen will, dann kommt man ins Geschäft. Wenn sie es nicht machen will, dann klappt es halt nicht, und es gibt eine Große Koalition der Wahlverlierer", erklärte der Grünen-Chef. Die Linke regt einen Mindestlohn zur Konsolidierung der Haushalte an, der frühere israelische Ministerpräsident Olmert wird erneut wegen Korruptionsverdacht verhört und Kanzlerin Merkel ist auf Staatsbesuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten: Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Kurzmeldungen. (apn)
Grün-Gelb-Roter Regierungstraum: Grünen-Chef Özdemir betont, dass seine Partei einer Ampelkoalition in NRW nicht im Wege steht.
https://www.sueddeutsche.de/politik/krise-in-thailand-haftbefehl-wegen-terrorismus-gegen-ex-premier-thaksin-1.949043
politik
Haftbefehl wegen Terrorismus gegen Ex-Premier Thaksin
00/05/2010
Nach der Militäroffensive gegen Demonstranten in der thailändischen Hauptstadt Bangkok erließ heute ein Gericht Haftbefehl gegen den Ex-Premier Thaksin Shinawatra. Dem im Exil lebenden Thaksin wird Förderung von Terrorismus vorgeworden, das Gericht folgte einem Antrag der Regierung. Die Opposition reichte indessen ein Misstrauensvotum gegen die Regierung um Abhisit Vejjajiva ein und strengt nach Rundfunkberichten Amtsenthebungsklagen gegen den Ministerpräsidenten, seinen Stellvertreter und einige Minister an. Detailansicht öffnen Thailands Ex-Premier Thaksin: Haftbefehl wegen Terrorismus. (Foto: dpa) "Aufgrund der Beweise geht das Gericht davon aus, dass Thaksins Verhalten Terrorakte und Gewalt gefördert hat", sagte der stellvertretende Chef der nationalen Polizei (DSI), Narat Savetnant. Der geschasste Thaksin gilt als Mentor und Mitorganisator der Demonstrationen, die vergangene Woche mit einem Armee-Einsatz beendet wurden. Das Militär hatte Thaksin 2006 nach Korruptionsvorwürfen gestürzt. Thaksin selbst bestreitet, die Proteste aus seinem Exil zu steuern. Thaksin floh vor einer Verurteilung wegen Amtsmissbrauchs. Er lebt überwiegend in Dubai und reist mit ausländischen Pässen. Nach Überzeugung der Regierung wurden die friedlichen Demonstrationen von militanten Aktivisten unterwandert, die Sicherheitskräfte und möglicherweise Zivilisten gezielt angriffen, um Chaos zu erzeugen. In ihrem Lager wurden nach der Militäraktion zahlreiche Waffen gefunden, Regierungschef Abhisit Vejjajiva bezeichnete diese Aktivisten als Terroristen. Bei den Protesten der Opposition kamen mehr als 80 Menschen ums Leben.
Thailands Regierung greift durch: Ein Gericht erlässt Haftbefehl gegen Ex-Premier Thaksin, der die Opposition unterstützt haben soll. Der Vorwurf lautet Terrorismus.
https://www.sueddeutsche.de/politik/umfragetief-der-fdp-nervig-wie-ein-zu-laut-aufgedrehtes-radio-1.948956
politik
Umfragetief der FDP - Nervig wie ein zu laut aufgedrehtes Radio
00/05/2010
Manchmal steckt im Moment des größten Erfolges bereits der Keim des Niedergangs. Die Reaktion der FDP auf ihren Wahlsieg im Herbst war nicht verständliche und zunächst auch überschäumende Freude. Es war eher der aggressive Triumph einer Sekte, die sich im Besitz der alleinigen Wahrheit wähnt. Die FDP, das war wie ein zu laut aufgedrehtes Radio, in dem immer der gleiche Song gespielt wird. Jeder weiß: So etwas nervt kolossal. Nach nur acht Monaten ist von dem überbordenden Selbstbewusstsein nicht mehr viel übrig geblieben. In den Umfragen ist die FDP regelrecht abgestürzt. Die Liberalen haben binnen weniger Monate ihre gesamte Reputation verspielt, und sie sind daran selber schuld. Detailansicht öffnen Kleine FDP-Fähnchen auf dem Landesparteitag der Liberalen in Eberswalde (Barnim) am 27.03.2010. (Foto: dpa) Das liegt zum einen an ihrer Hybris. Fast 15 Prozent sind für eine kleine Partei sicher ein grandioses Ergebnis. Aber auch damit bleibt man in jeder Regierung nur der Juniorpartner. Wer da die geistig-politische Wende ausruft, überhebt sich. Der zweite Grund ist Verblendung. Der Sieg der FDP hat nur wenig mit der Attraktivität ihrer politischen Forderungen zu tun. Den Menschen ist eher wurscht, ob der Steuertarif nun in drei, fünf oder sieben Stufen verläuft. Viel eher war der Zulauf zur FDP dem Überdruss an der großen Koalition zu verdanken. Wer nicht wollte, dass die Union wieder mit der SPD zusammengehe, hatte sicherheitshalber FDP gewählt. Der dritte Grund ist die Immunität der Liberalen gegen jede Form von Kritik. Den Pius-Brüdern kann vielleicht egal sein, was die Welt von ihnen denkt. Eine Partei aber, die auf den aufgeklärten Teil der Gesellschaft setzt, kann nicht auf Dauer ignorieren, wenn sie dort auf keinerlei positive Resonanz stößt. Die FDP hat kein einziges politisches Projekt anzubieten, das diesen aufgeklärten Teil der Gesellschaft fasziniert oder auch nur interessiert. Stattdessen werden die Liberalen mit den beiden unpopulärsten Projekten identifiziert, die es derzeit gibt: Steuersenkungen, die sich das Land nicht leisten kann und einer Kopfpauschale im Gesundheitssystem. Einen strategischen Kopf, der die FDP wieder auf ein breiteres Fundament stellen könnte, hat die Partei nicht. Dabei wäre bei vier Parteien im Parlament, die in letzter Konsequenz eher auf den Staat vertrauen, Platz für eine wirklich liberale Partei, die Gemeinschaft auf der Basis individueller Freiheit organisieren will. Es müsste eine Partei sein, die im Staat keinen Feind sieht wie die FDP, weil sie weiß, dass nur ein funktionierender Staat die elementaren Freiheiten garantieren kann. Eine Partei, die nicht auf die Selbstheilungskräfte des Marktes setzt, sondern auf die Kraft einer intakten Gesellschaft. Eine Partei, die im Eigennutz eine legitime Antriebsfeder sieht, die aber weiß, dass Gemeinsinn hinzukommen muss, wenn das Ganze im Lot bleiben soll. Eine Partei, die auch in kritischen Situationen die Stimme der Vernunft ist. Eine solche Partei könnte das Land gut gebrauchen. Die FDP ist das alles nicht.
An ihrem derzeitigen Umfragetief sind die Liberalen selbst schuld. Verblendet, aggressiv und überheblich hat die FDP ihren Ruf ruiniert.
https://www.sueddeutsche.de/politik/jamaika-ausnahmezustand-in-kington-1.948754
politik
Ausnahmezustand in Kingston
00/05/2010
Am Pfingstwochenende eskalierten die Kämpfe zwischen Polizei und Bandenmitgliedern in der Hauptstadt Jamaikas. Zwei Polizisten sind getötet und sechs weitere verletzt worden. Ministerpräsident Bruce Golding hat am Sonntag für die Stadt den Ausnahmezustand ausgerufen. Dieser soll zunächst für einen Monat gelten. Detailansicht öffnen In Jamaikas Hauptstadt Kingston sind am Wochenende die Kämpfe zwischen Banden und der Polizei eskaliert. Bislang wurden dabei ein Polizist und ein Unbeteiligter verletzt. (Foto: rtr) Hintergrund für die Auseinandersetzungen zwischen Banden und der Polizei ist die von den USA geforderte Auslieferung des Drogenbosses Christopher "Dudus" Coke. Die Anwälte des 42-Jährigen waren am Freitag mit dem Versuch gescheitert, den Auslieferungsantrag auszusetzen.Coke leitet ein Syndikat, das nach Angaben der Polizei in der Karibik, Nordamerika und Großbritannien aktiv ist. Die Polizisten seien angegriffen worden, nachdem sie auf den Notruf einer Autofahrerin reagiert hätten, teilte die Polizei des Karibikstaates mit. Der Vorfall habe sich bereits am Sonntag in Kingston ereignet. Beide seien im Krankenhaus ihren Verletzungen erlegen. Golding warf den Angreifern gezielte Attacken auf die Polizei vor. Nach Behördenangaben griffen die Bandenmitglieder vier Polizeistationen an und setzten eine Dienststelle schließlich in Brand, nachdem diese von den Beamten habe aufgegeben werden müssen, weil sie keine Munition mehr hatten. Medienberichten zufolge waren schwer bewaffnete Gangster in den Straßen und auf Hausdächern zu sehen. Die Ermittler verdächtigen die Banden, in Kingston größere Lager mit zum Teil großkalibrigen Waffen angelegt zu haben. Der Regierungschef sprach von "Mächten des Bösen", die aus Kingston eine der gefährlichsten Städte der Welt gemacht hätten.
In Jamaikas Hauptstadt Kingston liefern sich Banden und Polizei seit Tagen Straßenschlachten. Ministerpräsident Golding verhängte den Ausnahmezustand.
https://www.sueddeutsche.de/politik/koalitionsgespraeche-in-nrw-neue-politik-oder-neuwahlen-1.948003
politik
Koalitionsgespräche in NRW - Neue Politik oder Neuwahlen
00/05/2010
Auf dem Land lasten hohe Schulden, es hat ein Bildungssystem, an dem man, vorsichtig ausgedrückt, gewisse Verbesserungen vornehmen kann. Mit der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen musste man aber erst einmal über ihre Sicht auf die DDR und die Berufsverbote für DKP-Mitglieder im Westen diskutieren. Detailansicht öffnen (Foto: Foto: ddp) Der Linken ging es in den Sondierungsgesprächen mit SPD und Grünen nicht um das Land, es ging um die eigenen Biographien. Man vergisst das oft - aber es gibt auch im Westen Menschen, die mit der Wende viel verloren haben, denen der Niedergang des Sozialismus, der Untergang einer Diktatur, als Totschlagsargument entgegengehalten wird, wenn sie über ihre Ideen von einer anderen Gesellschaft reden. So haben es die Linken im Westen empfunden; und nun wollten sie Gerechtigkeit. Die SPD hat es schnell erkannt, dass diese Linken mehr eine antikapitalistische Subkultur darstellen als dass sie eine Partei sind, mit der man auch regieren kann. Die Linken wollten beides, Macht und Demonstrationen gegen die Mächtigen. Nordrhein-Westfalen ist ein zu bedeutendes Land für ein solches Experiment. Jetzt wird über eine große Koalition verhandelt, die kein Experiment ist, sondern die schiere Notwendigkeit. Ansonsten bleiben nur Neuwahlen; Hannelore Kraft ist dazu bereit, es ist aber ein gefährlicher Weg. Sie hat in den vergangenen Tagen nicht mehr öffentlich darauf beharrt, Ministerpräsidentin zu werden. Es gehe nun um Sachthemen. Um die geht es natürlich nicht oder nur in zweiter Linie. Es geht um die Macht, und Hannelore Kraft hat sich vorgenommen, sich cleverer anzustellen als Andrea Ypsilanti. Sie wird in den kommenden Tagen wenig über sich und viel über eine grundsätzlich neue Politik sprechen. Und eine neue Politik ist mit Jürgen Rüttgers nicht möglich, das ist die Botschaft an die CDU. Die beginnt nun damit, sich zu sortieren. Auf die Wahlniederlage hatte die Partei bisher mit einer Mischung aus Trotz und Verstörtheit reagiert und einfach ihren antisozialistischen Wahlkampf fortgesetzt. Das hielt die Partei geschlossen, es gab kaum jemanden, der fragte, was denn so furchtbar schiefgelaufen ist bei der Wahl. Über Jürgen Rüttgers wurde viel gegrummelt, mehr aber noch nicht. Opfert die CDU Rüttgers doch, wird es für die SPD sehr schwer, Neuwahlen zu begründen. Die CDU hat einfach mehr Stimmen, auch wenn es nur ein paar tausend sind. Kraft müsste sich wohl mit einem Posten im Kabinett abfinden - und mit der Option, die Koalition vorzeitig platzen zu lassen und zu hoffen, dass es beim nächsten Mal zu Rot-Grün reicht. Steht die CDU treu zu Rüttgers, wird Kraft in Koalitionsverhandlungen einsteigen und dann ein Politikfeld finden, von dem sich sagen lässt, dass es mit der CDU da gar nicht gehe. Die einzige Unbekannte für Hannelore Kraft ist dann der Wähler und die Frage, ob er Verständnis hätte für so einen Aufwand in Zeiten der Krise und Unsicherheit.
NRW ist zu bedeutend für ein Experiment - darum wird jetzt über eine große Koalition verhandelt. Neuwahlen wären ein riskantes Unterfangen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/us-praesident-in-der-krise-barack-und-die-anti-obamas-1.947276
politik
US-Präsident in der Krise - Barack und die Anti-Obamas
00/05/2010
Alles wird neu, schon wieder. Gerade mal eineinhalb Jahre ist es her, dass sich die Vereinigten Staaten dem Rausch des Wandels hingaben: Change lautete das Versprechen, mit dem ein junger, stets strahlender Mann seine Nation verzückte. Der Wahlsieg Barack Obamas gab vielen Amerikanern den Glauben zurück, sie könnten ihr großes Land neu begründen, ja sich selbst neu erfinden. Detailansicht öffnen Das Zauberwort Change wendet sich gegen den Magier Obama. (Foto: Foto: Reuters) Nun jedoch, nur 18 Monate später, wendet sich das Zauberwort gegen den Magier Obama. Und gegen ganz Washington: Rechte wie linke Populisten verheißen "wirklichen Wandel" und schüren die Wut auf "das Establishment" in der Hauptstadt. Also Kommando zurück, Wende nach rechts? So einfach, so klar (und so eindeutig falsch) kann die aktuelle Lage nur deuten, wer schon im November 2008 irrte und damals glaubte, Amerika habe mit der Wahl Obamas den Weg nach links eingeschlagen. Diesem Wunschdenken gaben sich viele hin - manche Demokraten in den USA, viele Beobachter aller Couleur in Europa. Doch sie alle unterschätzten, wie sehr der Triumph des neuen Mannes schlicht der Sehnsucht geschuldet war, die achtjährige Ära von George W. Bush vergessen zu machen. Amerika suchte den Anti-Bush, Amerika fand Obama. Dieser Präsident Obama genießt noch immer Respekt. Vorbei sind zwar die Zeiten, da das Volk dem ersten schwarzen Mann im Weißen Haus beinahe gottgleich huldigte. Aber die meisten Amerikaner beäugen ihren Präsidenten nach wie vor mit Sympathie. Es ist nicht die Person, sondern die Politik, die sehr vielen Bürgern Unbehagen bereitet. Und die etliche Menschen inzwischen auf die Barrikaden treibt. Der laute Protest der sogenannten Tea-Party-Bewegung ist dabei nur eine, wenn auch die schillerndste Facette. Immerhin ein Fünftel der amerikanischen Gesellschaft unterstützt diese rechtskonservative Aufwallung, die sich seit einem Jahr auf der Straße und in Bürgerversammlungen austobt: Es sind fast nur Weiße, ältere Männer zumeist mit überdurchschnittlicher Ausbildung und Gehalt. Denen war schon der späte George W. Bush zu links. Denn schließlich war es der Republikaner, der bei Ausbruch der Finanzkrise im Herbst 2008 wider alle Parteilehre den Bankern und Bonzen an der Wall Street mit Milliardenkrediten aushalf. Der Zorn am rechten Rand wuchs sich aus zur nackten Wut, als später Obama ein riesiges, schuldenfinanziertes Konjunkturprogramm draufsattelte und seine Gesundheitsreform vorantrieb. Seither sehen sie ein Gespenst herumziehen im Weißen Haus - das Gespenst des Sozialismus. Die Hirngespinste der Tea-Party-Anhänger allein muss Obama kaum fürchten. Im Gegenteil, diese Bewegung könnte - rein wahltaktisch und kurzfristig - dem Präsidenten und seinen demokratischen Parteifreunden helfen bei den im November anstehenden Kongresswahlen. Denn die konservative Rebellion führt dazu, dass die Republikaner nun ein ideologisches Fegefeuer erleben und immer konservativere, linientreue Kandidaten aufstellen. Exakt diese Radikalisierung könnte im November aber viele unabhängige Wähler davon abhalten, für die Opposition zu stimmen.
"Change" wollte Barack Obama. Doch rechte und linke Populisten verheißen mittlerweile "wirklichen Wandel" und schüren die Wut auf "das Establishment" in Washington.
https://www.sueddeutsche.de/politik/regierung-in-der-krise-seehofer-wirft-merkel-fuehrungsschwaeche-vor-1.946806
politik
Regierung in der Krise - Seehofer wirft Merkel Führungsschwäche vor
00/05/2010
Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer wirft Kanzlerin Angela Merkel Fehler in der Euro-Krise vor und fordert von Finanzminister Wolfgang Schäuble, sich an die Beschlüsse des Koalitionsausschusses zu halten und alles zu tun, um die Transaktionssteuer einzuführen. Seehofer sieht das bürgerliche Lager andernfalls weiter im Abwind. Detailansicht öffnen Muss sich manchmal sehr zurückhalten, um nicht aus der Haut zu fahren: Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer. (Foto: Foto: ddp) "Ich muss mich schon manchmal sehr zurückhalten, um nicht aus der Haut zu fahren", sagte Seehofer im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. So habe ihn vor allem irritiert, dass Finanzminister Schäuble (CDU) den Sinn einer Transaktionssteuer in Frage stelle, obwohl sich CDU, CSU und FDP im Koalitionsausschuss darauf geeinigt hatten, sie einzuführen. Schäuble hatte erklärt, diese Steuer werde nicht kommen, weil sie von anderen Ländern abgelehnt werde. "Am Dienstag ist das im Koalitionsausschuss entschieden worden. Das kann hinterher keiner in Frage stellen, auch der Finanzminister nicht", sagte Seehofer. "Jetzt muss daran gearbeitet werden, dass die Steuer kommt." Wenn der Koalitionsausschuss sage, die Steuer komme, und der Finanzminister gleichzeitig sage, sie kommt nicht, "da fühlt sich doch die Bevölkerung verhöhnt." Seehofer mahnte die Kanzlerin, sie solle nun endlich die Lehren aus der Wahlschlappe von Nordrhein-Westfalen ziehen. Das bürgerliche Lager habe nur noch 40 Prozent, das linke Lager aber 50 Prozent. Die Konsequenzen aus der Niederlage müssten nun in konkrete Politik umgesetzt werden. Die ist für Seehofer vor allem mit der Einführung einer Transaktionssteuer für Wertpapiergeschäfte verbunden. Die Bundesregierung habe zu lange der Entwicklung zugesehen. Zudem stellt er Bedingungen, damit Bayern sich am Freitag im Bundesrat nicht gegen das milliardenschwere Hilfspaket für notleidende Euroländer stellt. So soll der Haushaltsausschuss des Bundestags bei jeder Kreditvergabe an die Schuldnerländer zustimmen müssen. Außerdem müsse der Euro-Stabilitätspakt neu belebt und verschärft werden. Länder, die die Schuldengrenze verletzten, müssten automatisch ihr Stimmrecht verlieren und keine Strukturhilfen mehr bekommen. "Man hat mir in Berlin über viele Wochen immer wieder den Vorwurf gemacht, wenn es den Störenfried in München nicht gäbe, könnten wir wunderbar regieren", sagte Seehofer mit Blick auf die Kanzlerin. Deshalb habe er sich vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen zurückgehalten. Die Zurückhaltung habe aber nicht zur Verbesserung der Situation geführt. Deswegen sei nun wieder mit ihm zu rechnen. Mit mulmigem Gefühl Seehofer ist mit seiner Kritik nicht alleine. Obwohl sich am Donnerstag in der Unionsfraktion für die Abstimmung im Bundestag eine breite Zustimmung zum Euro-Rettungsschirm abzeichnete, gehen viele, auch die Unterstützer, mit einem mulmigen Gefühl in die nächsten Wochen. Viele berichteten in dieser Woche, dass sie in den Wahlkreisen auf Bedenken und Verunsicherung stoßen würden. Das sei den immer schneller aufeinanderfolgenden Krisenereignissen, aber auch dem zum Teil verunsichernden Krisenmanagement der Regierung geschuldet, hieß es bei vielen Parlamentariern. Bei einer Probeabstimmung in der Fraktion stimmten am Donnerstag sieben Unionsabgeordnete mit nein, zwei enthielten sich. Damit muss die schwarz-gelbe Koalition für den Freitag nicht mehr um die eigene Mehrheit fürchten, da es zuletzt auch aus der FDP-Fraktion hieß, die meisten Kritiker seien eingefangen.
CSU-Chef Horst Seehofer beklagt schwere Fehler der Kanzlerin in der Euro-Krise und pocht auf eine Transaktionssteuer.
https://www.sueddeutsche.de/politik/atomkraft-rascher-beschluss-ueber-akw-laufzeiten-1.947080
politik
Atomkraft - Rascher Beschluss über AKW-Laufzeiten
00/05/2010
Die Bundesregierung plant nun doch eine rasche Entscheidung über die mögliche Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken. Noch an diesem Donnerstag soll geklärt werden, ob ein entsprechendes Gutachten bis Ende Mai fertig sein kann. Detailansicht öffnen Das Atomkraftwerk Biblis: Die Regierung will schnell über die mögliche Verlängerung von Laufzeiten entscheiden. (Foto: Foto: dpa) Das Gutachten soll darlegen, welche Konsequenzen eine Verlängerung für die deutschen Energiekonzerne hätte. Bisher streiten das Bundesumweltministerium und das Wirtschaftsministerium darüber, welche Anforderungen auf die Betreiber bei einer Nachrüstung zukämen. Das Umweltministerium verlangt wesentlich härtere Auflagen als die Kollegen vom Wirtschaftsressort. Ein weiteres Gutachten soll auch darüber Aufschluss geben, inwieweit die Änderung des Atomgesetzes der Zustimmung der Länder bedarf. Daran hatte sich in den vergangenen Tagen eine hitzige Debatte entzündet. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ist das Bundesjustizministerium der Auffassung, dass die Zustimmung der Länder nötig ist. Eine schnelle Entscheidung über die Laufzeiten würde eine Abkehr vom bisherigen Kurs der schwarz-gelben Koalition bedeuten. Bisher wollte sie über die Laufzeiten im Zusammenhang mit einem energiepolitischen Konzept entscheiden, das im Herbst vorliegen soll. Einige Bundesländer, allen voran Baden-Württemberg, wollen das Thema allerdings schnell vom Tisch haben, um nicht die im kommenden Jahr bevorstehende Landtagswahl zu gefährden. Ungeachtet scharfer Kritik aus der eigenen Partei hält Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) jedoch an seinem atomkritischen Kurs fest. Anstatt über längere Laufzeiten zu debattieren, solle der Bund mehr über den Ausbau von Öko-Energien nachdenken, sagte er im Bundestag. SPD, Grüne und Linkspartei forderten die Koalition auf, ihre Pläne für Laufzeitverlängerungen zu begraben. Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU), der zuletzt für deutlich längere Laufzeiten eingetreten war, erwartet nur noch eine Verlängerung um zehn bis zwölf Jahre. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sagte, falls wirklich versucht werde, bei der Verlängerung der Laufzeiten den Bundesrat zu übergehen, "prüfen wir, ob wir zum Bundesverfassungsgericht gehen".
Die Regierung plant nach SZ-Informationen eine rasche Entscheidung über die mögliche Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken.
https://www.sueddeutsche.de/politik/bouffier-polizeichef-affaere-belastendes-gegen-kochs-rechte-hand-1.938115
politik
Bouffier: Polizeichef-Affäre - Belastendes gegen Kochs rechte Hand
00/05/2010
In der sogenannten Polizeichef-Affäre wächst der Druck auf Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU). Vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags widersprach der Vizepräsident der hessischen Bereitschaftspolizei Wolfram Ritter am Mittwoch einer Aussage des Ministers - und bekräftigte die Vorwürfe, Bouffier habe einen Parteifreund rechtswidrig zum Chef der Bereitschaftspolizei ernannt. Detailansicht öffnen Hat Hessens Innenminister Volker Bouffier einen Parteifreund rechtswidrig zum Chef der Bereitschaftspolizei gemacht? (Foto: Foto: dpa) Der unterlegene Kandidat Ritter hatte sich selbst für den Spitzenposten beworben. Schon bei einem ersten Gespräch darüber im Dezember 2007 habe der Minister gesagt, "dass ihm das nicht gefällt", berichtete Ritter dem Ausschuss. Und dass derzeit ein anderer Bewerber - ein erfahrener Polizist und CDU-Mitglied aus Bouffiers Heimatstadt Gießen - der Favorit sei. Ritter schaltete einen Anwalt ein, "weil ich von Anfang an Probleme in diesem Verfahren gesehen habe". Vor Gericht erwirkte er, dass das erste Auswahlverfahren, bei dem er als schlechtester von drei Bewerbern eingestuft wurde, wiederholt werden musste. Dass es danach ein zweites internes Verfahren gegeben habe, wie vom Ministerium behauptet, "war mir nicht im Geringsten ersichtlich", sagte Ritter. Er habe seine Bewerbung auch nie zurückgezogen. So sei er überrascht gewesen, als Bouffier ihm am 7. Juli 2009 im Ministerium eröffnete, er habe sich entschlossen, den Konkurrenten zum Chef der Bereitschaftspolizei zu ernennen. "Man kommt sich vor wie kastriert" Brisanterweise wirft Ritter dem Minister vor, ihm an diesem Morgen etwas verschwiegen zu haben: Wenige Minuten zuvor hatte Bouffier bereits förmlich die Ernennungsurkunde an Ritters Konkurrenten überreicht. "Selbstverständlich", sagte der Minister Mitte März im Innenausschuss des Landtags, habe er den unterlegenen Bewerber darüber informiert, "das war der Sinn dieses Gesprächs". Dieser Darstellung widersprach Ritter jedoch im Ausschuss. Bouffier habe die Urkunde nicht erwähnt. Erst bei seinem Versuch, die Ernennung noch gerichtlich zu stoppen, habe er erfahren, dass es dafür zu spät sei - weil die Urkunde schon übergeben war. "Man kommt sich dann vor wie kastriert", sagte Ritter. Für die SPD-Abgeordnete Nancy Faeser ist Bouffier nun "schwer belastet". Der Grünen-Parlamentarier Jürgen Frömmrich sieht seinen Verdacht bestätigt, dass der Minister "von Anfang an einen Spezi ins Amt hieven wollte". Sie erwägen nun eine Gegenüberstellung von Bouffier und Ritter. Im Innenministerium und in der CDU-Fraktion dagegen hält man es für denkbar, dass der Minister und der Bewerber schlicht aneinander vorbeigeredet haben.
Hessens Innenminister Volker Bouffier soll einen Parteifreund rechtswidrig zum Polizeichef ernannt haben. Der unterlegene Kandidat erhebt schwere Vorwürfe.
https://www.sueddeutsche.de/politik/anti-atombewegung-127-kilometer-menschen-1.937849
politik
Anti-Atombewegung - 127 Kilometer Menschen
00/05/2010
Wenn die Sache in die Hose geht, wenn nicht genügend Leute aufs platte Land kommen, dann gibt es immer noch die Banner aus Plastik. 35.000 davon sind bedruckt mit den Symbolen der Anti-Atombewegung. Jedes einzelne ist zwei Meter lang, macht zusammen 70 Kilometer Folien-Botschaften gegen die Kernkraft. Detailansicht öffnen Protest gegen die Meiler: Deutscher Atomkraftgegner zeigt Flagge (Foto: Foto: ddp) Sollte die Menschenkette zu viele Lücken haben, so das Kalkül, wirkt sie zumindest optisch geschlossen. Dabei deutet gerade nichts darauf hin, dass die größte Menschenkette in der Geschichte der Bundesrepublik scheitern wird - diesen Samstag, zwischen den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel. 127 Kilometer ist die Strecke lang, sie führt einmal quer durch Hamburg, ansonsten aber durchs schwach bevölkerte Hinterland Schleswig-Holsteins. "Die eigentliche Herausforderung ist, dass es überall gut verteilt ist", sagt Jochen Stay, einer der Initiatoren der "Kettenreaktion", wie das Anti-AKW-Happening heißt. Die ganze Aktion sei "schon etwas speziell", sagt Stay. Wohl wahr. Das letzte Mal, dass sich in der Bundesrepublik so viele Menschen aneinanderreihten, war 1983 zwischen Stuttgart und Neu-Ulm. 108 Kilometer war die Kette damals lang, sie wandte sich gegen die Aufstellung amerikanischer Atomraketen im Land. Danach wurden die Menschenketten kürzer. Kein Wunder: Logistisch ist die Sache nicht ganz trivial. Geht alles nach Plan, wird um 14.30 Uhr in Brunsbüttel der erste Teilnehmer in die Pfeife blasen, Demonstrant um Demonstrant soll sich die Schallwelle fortsetzen - um drei Uhr soll sie in Krümmel sein. "Trillerpfeifen und andere Krachmacher mitbringen!", fordern die Organisatoren. Dazu allerdings müssten sich gut 75 000 Menschen entlang der Strecke einfinden, ohne die Plastiktransparente gerechnet. "Mit 25.000 Leuten schaffen wir alle fünf Meter einen", sagt Christoph Bautz von der Kampagnenorganisation Campact. Auch das ist schon ambitioniert - doch offenbar zu machen. Frischzellenkur für Anti-AKW-Bewegung Denn die Pläne der schwarz-gelben Koalition, die Laufzeiten der Kernkraftwerke zu verlängern, scheinen eine Art Frischzellenkur zu sein für die Anti-AKW-Bewegung. "Das ist das breiteste Bündnis, das es seit Jahren gegen Atomkraft gegeben hat", schwärmt Bautz. Firmen aus der Ökostrom-Branche gehen geschlossen zur Demo, Gewerkschaften organisieren Busse, SPD, Grüne und Linkspartei auch. Bis Freitag hatten sich gut 250 Reisebusse und drei Sonderzüge voll Demonstranten angesagt. Über ein ausgeklügeltes System werden die Busse dahin gelotst, wo die Kette am dünnsten ist. Alle 13.000 Sitzplätze in Bussen und Zügen seien verkauft, sagt Organisator Stay. Schon warnen die Veranstalter, keine Regionalzüge zu benutzen: "Am 24. April werden die meisten Menschen auf dem heimatlichen Bahnsteig zurückbleiben" - die Bahnen seien überfüllt. Tausende Menschen werden auch im hessischen Biblis erwartet, wo Atomgegner das dortige Kraftwerk umzingeln, sowie am westfälischen Atommüll-Zwischenlager Ahaus. Offiziell geht es stets um den Nuklearunfall in Tschernobyl, der sich Montag zum 24. Mal jährt. De facto aber stehen die Atom-Laufzeiten im Zentrum - und die Wahl in Nordrhein-Westfalen, die in zwei Wochen stattfindet. Deshalb dürfen auch die Führungsfiguren Sigmar Gabriel (SPD), Jürgen Trittin (Grüne) und Klaus Ernst (Linkspartei) beim Massenevent im Norden sprechen, wenn auch nur auf Nebenbühnen. Gut möglich, dass sie selbst da genug Zuhörer finden. Das Wetter soll schließlich gut werden.
Frischzellenkur für Anti-AKW-Bewegung: "Kettenreaktion" heißt die längste Demo Deutschlands zwischen den norddeutschen Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel.
https://www.sueddeutsche.de/politik/nrw-juergen-ruettgers-ein-ominoeses-telefonat-1.935083
politik
NRW: Jürgen Rüttgers - Ein ominöses Telefonat
00/05/2010
Hatte oder hat der Düsseldorfer Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Jürgen Rüttgers in seiner Parteizentrale Mitarbeiter beschäftigt, die Papiere fabrizierten, um ihm zu schaden? Hat der 58-Jährige Politiker manchmal ein schlechtes Gedächtnis und kann sich dann an länger zurückliegende Vorgänge nicht erinnern? Oder schwindelt er ein bisschen? Nur eine dieser drei Varianten in einer Düsseldorfer Mauschelgeschichte kann stimmen - aber welche? Detailansicht öffnen Ominöse Vorkommnisse in Düsseldorf - und im Mittelpunkt steht mal wieder Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. (Foto: Foto: dpa) In der von CDU-Insidern ausgerechnet im Landtagswahlkampf befeuerten Affäre um klebriges Geld und Kuriosa in der NRW-CDU tauchen jetzt zwei alte Vermerke auf, die Rüttgers angeblich bis vor kurzem nicht bekannt waren, obwohl der eine an ihn adressiert war und der andere ein angebliches Telefonat mit ihm wiedergibt. Beide datieren aus dem Frühsommer 2005. Es ging damals, kurz nach der gewonnenen Landtagswahl, um eine für Rüttgers wichtige Personalie. Unbedingt wollte er den damals 32 Jahre alten Boris Berger, der für die Partei arbeitete und im Wahlkampf einer seiner engsten Vertrauten gewesen war, als Abteilungsleiter in die Staatskanzlei holen. Aber Berger lag ein Angebot mit einem Jahreseinkommen von 160.000 Euro vor und der Politikmanager wollte in die Wirtschaft wechseln. Rüttgers drängte ihn, zu bleiben. Berger willigte ein, hatte aber ein Problem: Nach zwölf Jahren Bundeswehr hatte der Hauptmann der Reserve eine Abfindung erhalten; 40.000 Euro musste er bei der Rückkehr in den Öffentlichen Dienst zurückzahlen. Unbestritten ist, dass Rüttgers damals Berger empfahl, mit der Landesgeschäftsstelle zu reden. Angeblich wollte er in der Sache den damaligen CDU-Generalsekretär Hans-Joachim Reck anrufen, aber der wusste von nichts, als sich Berger bei ihm meldete. Reck schaltete seinen für Finanzen zuständigen Abteilungsleiter ein. Der fertigte ein "memo Wechsel Dr. Berger" an, mit dem Datum 27. Juni 2005, das auch an Rüttgers adressiert war. Danach wollte die CDU einen neuen Audi A6 leasen, den Wagen kurze Zeit auf die Partei zulassen, ausbuchen und dann Berger für einen Euro verkaufen - 40.000 Gewinn waren leicht drin. Das Auto wurde bestellt, nur durch Zufall platzte am Ende der Deal, aber dieser Umstand spielt für die entscheidenden Fragen keine Rolle: Erstens: Warum wollte die überdies klamme Partei einem Staatsdiener ein Auto schenken? Zweitens: Ist es vorstellbar, das der penibel auf Sauberkeit bedachte Rüttgers bei so was Unsauberem mitmachte? Weiterer Vermerk des Abteilungsleiters: "Anruf Dr. Rüttgers am 27. Juni 2005, 10.20 Uhr". Der Ministerpräsident habe sich erkundigt, ob der Inhalt des "ihm vorgelegten" Vermerks mit Berger abgestimmt sei: "Ich gab Herrn Dr. Rüttgers den Hinweis, dass ich nicht dafür garantieren kann, dass die ganze Sache nicht anderen Personen bekannt" wird. Übersetzt heißt das: Mitwisser waren unerwünscht. Merkwürdig daran ist: Rüttgers hat nie von Geldgeschichten was wissen wollen, schon gar nicht von Details. Und er meidet normalerweise alles, was man ihm später anhängen kann. Rüttgers erklärte auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung, er habe damals weder diese Vermerke erhalten, noch mit dem Abteilungsleiter der Parteizentrale, der inzwischen in einer CDU-Kreisgeschäftsstelle arbeitet, telefoniert. Sein "alter Grundsatz" sei ohnehin: "Der Chef redet nur mit dem Chef".
Drei Varianten einer Mauschelgeschichte in Düsseldorf: Ministerpräsident Rüttgers soll einen unsauberen Deal eingefädelt haben - doch er bestreitet das.
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-gabriel-merkel-hat-die-deutschen-belogen-1.935995
politik
"Politik kompakt - Gabriel: ""Merkel hat die Deutschen belogen"""
00/05/2010
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorgeworfen, die Deutschen in der Griechenland-Krise zu täuschen. "Merkel hat das Volk hinters Licht geführt, die Deutschen belogen", sagte er dem Kölner Stadtanzeiger. Merkel inszeniere sich zwar als die eiserne Kanzlerin, die Griechenland in die Schranken weise. In Wahrheit aber verhandelten sie und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) jedoch bereits über deutsche Hilfsleistungen in Milliardenhöhe, kritisierte Gabriel. Der SPD-Chef forderte, die Kanzlerin müsse den Steuerzahlern reinen Wein einschenken und sagen, was auf sie zukomme. "Frau Merkel versucht sich vor der NRW-Wahl wegzuducken, das lassen wir ihr nicht durchgehen", sagte Gabriel dem Blatt. Detailansicht öffnen Attacke auf die Kanzlerin: der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel wirft CDU-Chefin Angela Merkel vor, nicht die Wahrheit zu sagen (Foto: Foto: ddp) Der SPD-Chef hat warf der Kanzlerin außerdem vor, bewusst auf ein Scheitern von Schwarz-Gelb bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zu setzen. In Wahrheit habe die Kanzlerin "doch ein ganz großes Interesse, dass Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen scheitert." sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. Eine schlimme CDU-Schlappe wolle die Kanzlerin am 9. Mai zwar nicht. "Aber wenn die FDP raus ist, dann hat Merkel einen Hebel, den Steuersenkungswahnsinn dieser Partei endlich zu beenden", sagte der SPD-Vorsitzende mit Blick auf einen möglichen Verlust der schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat. "Die FDP ist unter Guido Westerwelle zu einer fundamentalistischen Partei geworden, die mit ökonomisch verrückten Forderungen in die Regierung reingegangen ist", meinte Gabriel. Wie der UN-Sicherheitsrat gegen somalische Piraten vorgehen will und warum Verteidigungsminister Guttenberg womöglich noch einmal vor dem Kundus-Ausschuss erscheinen muss. Auf den folgenden Seiten finden Sie weitere Kurzmeldungen
SPD-Chef Gabriel wirft Kanzlerin Merkel vor, in der Griechenland-Krise das Volk zu täuschen - wegen der anstehenden NRW-Wahl. Kurzmeldungen im Überblick
https://www.sueddeutsche.de/politik/berlin-thierse-setzt-sich-nazis-entgegen-1.941459
politik
Berlin - Thierse setzt sich Nazis entgegen
00/05/2010
Weit mehr als zehntausend Demonstranten haben sich am Samstag in mehreren deutschen Städten Aufmärschen von Neonazis entgegengestellt. Detailansicht öffnen Wolfgang Thierse blockiert die Route eines Neonaziaufmarsches in Berlin. (Foto: Foto: dpa) Starke Polizeikräfte versuchten Zusammenstöße von Extremisten und Gegendemonstranten, darunter linke Autonome, zu verhindern. Mehrfach wurden Sitzblockaden aufgelöst. In Berlin am Kurfürstendamm wurden etwa 200 Neonazis am Samstagnachmittag festgenommen worden. Über 300 Rechtsextremisten, darunter Gesinnungsgenossen aus Spanien, Italien und Tschechien, hatten sich zuvor am Olivaer und am Adenauer Platz im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf spontan versammelt. Die Polizei hat die Rechtsextremen eingekreist und am Weiterziehen gehindert. Am Rande der Festnahmen kam es vereinzelt zu Tätlichkeiten zwischen Rechtsextremen und Polizisten. Die Festgenommenen wurden in einem Bus zur Gefangenensammelstelle in die Kruppstraße in Berlin-Moabit gefahren. Die Neonazis waren zuvor am S-Bahnhof Halensee aus der S-Bahn ausgestiegen. Mit der Aktion bestätigten sich Befürchtungen, dass sie an anderen Stellen auftauchten, sollten sie an der vorgesehen Route an der Bornholmer Straße nicht zum Zug kommen. Dort verzögerte sich der Beginn des Aufmarsches mit 500 Rechtsextremen über Stunden bis kurz vor 15.00 Uhr. Bis zum Nachmittag blieb es friedlich. Angesichts der massiven Proteste zogen die Neonazis dann an der Bornholmer Straße in Richtung des Ausgangspunkts ihrer Demonstration zurück. Die Polizei hatte sie zum Umdrehen aufgefordert, nachdem der Aufmarsch für eine halbe Stunde stockte. Inwieweit die Entscheidung der Polizei mit den Rechtsextremen abgesprochen ist, wurde zunächst nicht bekannt. Damit haben die NPD-Anhänger nur einen Bruchteil der ursprünglich geplanten, insgesamt sechs Kilometer langen Route geschafft. In Berlin waren mehrere tausend Demonstranten unterwegs. Bis zu 3000 Rechtsextreme waren erwartet worden. Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) blockierte zusammen mit anderen Politikern für kurze Zeit die Route des Neonazi-Aufmarsches. Dann wurde der 66-Jährige von der Polizei aus dem Weg geführt. Zwei Beamte sprachen den SPD-Politiker an und zogen ihn an Händen und Armen hoch. Dann führten sie Thierse an den Straßenrand. Thierse hatte mit anderen Berliner Politikern den Zug von 500 Rechtsextremen durch den Stadtteil Prenzlauer Berg eine knappe Viertelstunde aufgehalten. Vor der Demonstration hatte er über seine Teilnahme an Blockaden gesagt: "Es ist nicht meine Art, mich in ein Abenteuer zu stürzen." Er werde je nach Situation entscheiden. Der Prenzlauer Berg liegt in Thierses Wahlkreis. In Würzburg und Schweinfurt protestierten mehr als 13.000 Menschen gegen rechtsextremes Gedankengut. Nach Polizeiangaben waren die Proteste bis zum frühen Nachmittag friedlich. In Schweinfurt kamen 800 Rechtsextreme zusammen, in Würzburg keine. In Erfurt wehrten sich mehrere hundert Menschen mit Sitzblockaden und anderen Aktionen gegen einen NPD-Aufmarsch mit etwa 400 Teilnehmern. Im sächsischen Zwickau demonstrierten etwa 1500 Menschen gegen einen Aufmarsch von rund 300 Extremisten. Die Berliner Walpurgis-Feiern in der Nacht zum Samstag waren weitgehend friedlich geblieben. In Hamburg gab es bei Ausschreitungen mindestens 14 Verletzte.
Tausende Demonstranten stoppen in Berlin einen Aufmarsch von Neonazis und zwingen die Rechten zum Umkehren. Mittendrin Bundestagsvizepräsident Thierse.
https://www.sueddeutsche.de/politik/griechenland-hilfe-im-bundestag-nichts-riskiert-nichts-gewonnen-1.942370
politik
Griechenland-Hilfe im Bundestag - Nichts riskiert, nichts gewonnen
00/05/2010
Jetzt noch mal der Reihe nach: Der Bundestag hat der Hilfe für Griechenland zugestimmt. Das ist das wichtigste Ergebnis dieser aufgeregten Woche - und es stand nie in Zweifel. Auf die Opposition kam es nicht an, nur auf die Koalition. Hätte Union und FDP eine eigene Mehrheit gefehlt, wäre die Regierung am Ende gewesen. Noch der kritischste Abgeordnete fühlt sich aber an der Macht wohler als anderswo. Das ist bei Schwarz-Gelb seit sieben Monaten nicht anders als es bei Rot-Grün sieben Jahre lang war. Detailansicht öffnen Die breite Mehrheit fehlt ihr: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). (Foto: Foto: AP) Nicht ganz so wichtig, aber doch bemerkenswert ist die innenpolitische Niederlage der Kanzlerin. Angela Merkel wollte eine breite Mehrheit im Parlament - sei es als europapolitisches Signal, sei es, um andere in Mithaftung zu nehmen, sei es wegen der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Sie hat diese breite Mehrheit aber nicht bekommen. Angela Merkel ist spät gescheitert, hat das aber früh geahnt. Und sie hat es geschafft, dass das Ringen um eine breite Mehrheit nur noch als Gezerre zwischen SPD und FDP wahrgenommen wurde. Frei nach dem Struwwelpeter galt: Nur Frau Merkel blicket stumm von ihrem Kanzlerstuhl im Saal herum. Guido Westerwelle, Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier haben sich zu Bütteln dieser Merkelschen Selbstimmunisierung degradieren lassen. Je nach Interpretation steht nun entweder die SPD gelackmeiert da, weil sie es mit ihrer Enthaltung angeblich an europäischer Solidarität hat fehlen lassen - oder die FDP, weil es ihr angeblich am Willen fehlte, die böse Finanzbranche mit einer zweifelhaften Steuer an die Kette zu legen. Nur die Kanzlerin soll schuldlos sein, obwohl sie die Streitenden nicht zusammenführen konnte? Inszeniert hat Merkel die gute Absicht, kaschiert hat sie die fehlenden Taten. Nichts riskiert, nichts gewonnen, macht nichts. Eine Bilanz der Krisenkanzlerin steht noch aus: Dass Merkels Griechenland-Strategie die Hilfe teurer gemacht hat, wie es die Opposition behauptet, lässt sich nicht beweisen. Ob der verschärfte Sparkurs, den Merkel erzwang, in Griechenland womöglich kontraproduktiv wirkt, muss man abwarten. Eines aber steht fest: Merkel führt in der Krise ein Kabinett, in dem zwei Leute selten das Gleiche sagen; in dem ein politisches Schwergewicht wie Wolfgang Schäuble sich von den Banken mit lächerlichen Zusagen veräppeln lässt; in dem ein politisches Leichtgewicht wie Rainer Brüderle hier schweigt, aber in Brasilien plappert. Und was folgt daraus? Diese Woche hat wieder gezeigt, warum Merkel da ist, wo sie ist. Sie hat sich selbst in mehreren Auftritten verteidigt - und den Rest einfach laufen lassen. Diese Woche hat auch einen Eindruck von dem vermittelt, was von Montag an geschieht, wenn die Kanzlerin im Bundesrat keine schwarz-gelbe Mehrheit mehr hat. Dann ist das Muster dieser Woche der Dauerzustand - und Merkel so stark, wie jene schwach sind, die sich von ihr gegeneinander ausspielen lassen.
Die Mehrheit für das Hilfspaket steht - dennoch war die Abstimmung zu Griechenland eine bemerkenswerte Niederlage für die Kanzlerin.
https://www.sueddeutsche.de/politik/koch-sparen-bei-der-bildung-friede-den-palaesten-1.943243
politik
Koch: Sparen bei der Bildung - Friede den Palästen
00/05/2010
Der neue hessische Landbote heißt Roland Koch. 176 Jahre nach Georg Büchner hat er dessen Botschaft umgedreht. Büchner hat 1834 angesichts der furchtbaren sozialen Missstände den Palästen den Krieg und den Hütten den Frieden verkündet. Ministerpräsident Roland Koch macht es in der großen Finanzkrise umgekehrt: Er lässt die Paläste in Frieden und verkündet den Hütten den Krieg. Die Hütten von heute sind die Kindergärten, die Horte, die Tagesstätten, die Hauptschulen und Gymnasien, die Berufsschulen und die Universitäten. Detailansicht öffnen Hessens Ministerpräsident Roland Koch will bei der Bildung sparen. (Foto: Foto: dpa) Dort soll, so verlangt es der CDU-Ministerpräsiden von Hessen, drastisch gespart werden - auf dass in den Palästen weiter in Frieden viel Geld verdient werden kann. Die Paläste von heute sind die Spekulationshäuser, die Investmentfirmen, die Goldmänner und Sachse, die in den vergangenen Monaten schon wieder Irrsinns-Summen verdient haben - zwischen 25 Millionen und 199 Millionen Dollar täglich. Die Milliardenpakete, die der Staat gepackt hat, um spekulationsgeschädigte Banken zu retten und den spekulationsgeschädigten Euro zu stabilisieren, sollen mit Sparpaketen bei Bildung und Forschung aufgewogen werden. Mit brutalen Kürzungen ist in Hessen schon begonnen worden: Im Hochschulpakt, der in Wahrheit ein Anti-Hochschulpakt ist, wird das Budget schon mal um 30 Millionen Euro gekürzt: Lehrstühle können so nicht mehr besetzt werden, Forschungsinstitute trocknen aus. Auch in Bayern wird Ähnliches proklamiert: die lang versprochenen tausend neuen Lehrerstellen sollen gestrichen werden. Es müssen ja die Milliardenschulden der Landesbank finanziert werden. Der gesetzliche Anspruch auf einen Kindergartenplatz, die Integration der Migrantenkinder - soll all das nun in den Klingelbeutel der Finanzindustrie fallen? Natürlich hilft ein bloßes Lamento gar nichts; die Schulden sind da. Sie ausgerechnet bei Kindern, Schülern und Studenten eintreiben zu wollen, ist nicht nur ein soziales Verbrechen, sondern ein wirtschaftlicher Fehler, weil so die Zukunft des Landes verspielt wird. Koch & Co handeln wie die Bauern, die ihr Saatgetreide verfressen und die Pflanzkartoffeln an die Schweine verfüttern. Wenn in den Schulen der Schimmel die Wände hochklettert, während in den Geldhäusern Gewinne und Tantiemen ins Absurde steigen, dann ist nicht Zeit für eine neue Wertedebatte, sondern für eine andere Politik: Es ist Zeit, dem Finanzmarkt die Rechnung zu präsentieren - die Rechnung für staatliche Milliardenbürgschaften und Nothilfen. Politik besteht jetzt darin, Transaktionssteuern einzuführen und Auswüchse der Spekulation zu unterbinden. Solche Politik können nicht Bayern und Hessen verordnen, sie braucht den EU-Rahmen. CDU-Politiker können aber die Kanzlerin drängen, ihre Führungsaufgabe wahrzunehmen. Im Amtseid von Ministern, Ministerpräsidenten und Kanzlerin heißt es nicht: Schaden mehren, Nutzen wenden. Es ist genau umgekehrt.
Wer die Finanzindustrie schont, aber wie Hessens Ministerpräsident Koch bei Schule und Bildung sparen will, treibt verantwortungslose Politik..
https://www.sueddeutsche.de/politik/landtagswahl-in-nrw-nrw-farbenlehre-nichts-ist-unmoeglich-1.938990
politik
Landtagswahl in NRW - NRW-Farbenlehre - nichts ist unmöglich
00/05/2010
Schwarz-Rot Detailansicht öffnen Die große Koalition hat die höchste Umsetzungswahrscheinlichkeit. (Foto: Grafik: sueddeutsche.de) Umsetzungswahrscheinlichkeit: 85 Prozent Was dafür spricht: vor allem Stabilität. Es ist die einzige Konstellation, die sicher auf fünf Jahre angelegt ist, weil sich beide Seiten ein Scheitern nicht leisten können. Die große Koalition wäre auch aus Sicht der Bundesparteien von Vorteil. Die SPD regiert über den Bundesrat quasi mit. Mit der CDU als Partnerin in Nordrhein-Westfalen könnte eine reine Blockadehaltung vermieden werden, die es sicher geben würde, wenn die Linke mit am Regierungstisch säße. Die CDU dürfte ein herausragendes Interesse an so einem Bündnis haben. Nach Lage der Dinge ist dies die einzige Option, nach der sie den Ministerpräsidenten stellen würde. Was dagegen spricht: Ein große Koalition ist immer nur der Plan B. Sie wird eingegangen, wenn nichts anderes mehr geht. Demokratiepolitisch ist sie ein Super-Gau: Kleine Parteien kommen in der öffentlichen Wahrnehmung kaum noch vor. Hinzu kommt: Die SPD wäre in dieser Konstellation nur Juniorpartner. Den Unterschied machen genau 6200 Stimmen, die die CDU mehr hat. Juniorpartner zu sein, ist aber nach einem gefühlten Wahlsieg die größtmögliche Niederlage.
Rechnerisch gibt es in NRW vier Koalitions-Optionen. Realistisch aber sind nur zwei. Die Farbenspiele im Schnell-Check.
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-bessere-ausruestung-fuer-afghanistan-truppe-1.944817
politik
Bessere Ausrüstung für Afghanistan-Truppe
00/05/2010
Die deutschen Truppen in Afghanistan erhalten 15 zusätzliche Schützenpanzer vom Typ Marder. Außerdem sollten Pionierpanzer und Panzerbrücken an den Hindukusch verlegt werden, kündigte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg im Focus an. "Wir rüsten nicht generell auf, sondern wir reagieren auf die jeweilige Notwendigkeit vor Ort", erklärte der CSU-Politiker in dem Interview. Detailansicht öffnen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat angekündigt, dass die deutsche Bundeswehrtruppe in Afghanistan besser ausgerüstet werden soll. (Foto: Foto: dpa) "Manche überrascht es wohl immer noch, dass unsere Soldaten dort auch in Gefechten stehen." An anderen Orten im Land würden aber keine Schützenpanzer gebraucht, sondern mehr ziviles Engagement. Nach dem Tod mehrerer Soldaten nahe dem gefährlichsten afghanischen Bundeswehr-Standort Kundus hatte Guttenberg Mitte April unter anderem angekündigt, zwei Panzerhaubitzen 2000 dorthin zu verlegen. Sie haben eine Reichweite von bis zu 40 Kilometern. Von den Marder-Panzern verfügte die Bundeswehr im Norden Afghanistans nach Angaben aus Militärkreisen bislang über etwa zehn Stück. Guttenberg betonte, auch nach einem langfristig angestrebten Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan müsse ein militärisches Eingreifen möglich bleiben. "Es ist nicht auszuschließen, dass in fünf, acht oder zehn Jahren afghanische Stämme wieder gegeneinander kämpfen", sagte der Minister. "Grundsätzlich wird es eine Form der Nachsorge durch die internationale Gemeinschaft geben müssen - dann aber vielleicht nicht mit Zehntausenden von Soldaten, sondern neben den zivilen Anstrengungen möglicherweise gezielt und punktuell mit wenigen speziell ausgebildeten und ausgerüsteten Kräften."
Verteidigungsminister Guttenberg schickt 15 zusätzliche Schützenpanzer zu den deutschen Truppen in Afghanistan. Kurzmeldungen im Überblick.
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundesparteitag-der-piratenpartei-10-stunden-auf-hoher-see-1.938808
politik
Bundesparteitag der Piratenpartei - 10 Stunden auf hoher See
00/05/2010
Die Piratenpartei Deutschland hat auf ihrem zweitägigen Bundesparteitag im rheinland-pfälzischen Bingen den Vorstand neu bestimmt. Für die Wahl hat die Partei zehn Stunden gebraucht. Am Ende erhielt der Münsteraner Jens Seipenbusch erneut den Vorsitz. Der 41-Jährige setzte sich am Samstag gegen sieben Gegenkandidaten durch und bekam 52,6 Prozent der Stimmen. Zu dem Parteitag, der am Sonntag beendet sein wird, sind 1000 Parteimitglieder angereist, die zuvor nicht delegiert werden mussten. Zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden wurde am Samstag Andreas Popp aus Augsburg gewählt, wie ein Parteisprecher sagte. Detailansicht öffnen Piratenpartei: Bundesparteitag in Bingen. (Foto: Foto: ddp) Der neu gewählte Seipenbusch zeigte sich am Sonntag "etwas enttäuscht" davon, dass nun weniger Zeit für die Debatte über die umstrittene inhaltliche Ausrichtung der jungen Partei bleibe. Die Wahl des siebenköpfigen Bundesvorstands zog sich so lange hin, weil den insgesamt mehr als 20 Kandidaten bei ihrer Vorstellung jeweils eine Flut von Fragen gestellt wurde. Jedes der etwa 1000 anwesenden Parteimitglieder hatte generell Stimm- und Antragsrecht. Der 41-jährige Physiker Seipenbusch steht für eine "moderate Ausweitung" des Programms der erst 2006 gegründeten Piratenpartei, die sich mit einem Altersdurchschnitt von 28 Jahren bislang vor allem Themen rund ums Internet widmet. Bei der nordrhein- westfälischen Landtagswahl vor einer Woche hatte die Splitterpartei 1,5 Prozent der Stimmen erhalten. Bei der Bundestagswahl 2009 hatte die Partei zwei Prozent bekommen. Die Piraten diskutierten in Bingen über die künftige thematische Schwerpunktsetzung in ihrer Partei. Datenschutz, Bildung und Bürgerrechte in einer Informationsgesellschaft seien Kernthemen der Piraten, sagte Seipenbusch in seiner Eröffnungsrede am Samstagmorgen. Die Partei dürfe nur schrittweise neue Positionen besetzen. Andere Redner forderten in Bingen ihre Partei auf, den Öffnungsprozess zu beschleunigen. Der Antrag, das Parteiprogramm um einen Passus zu ergänzen, in dem den bisherigen Kernthemen weiter Priorität eingeräumt wird, fand nicht die nötige Zweidrittelmehrheit.
Die Piratenpartei Deutschland ist am Wochenende zum Bundesparteitag zusammengekommen. Zum Vorsitzenden wurde erneut Jens Seipenbusch gewählt.
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-bundeswehr-in-afghanistan-angegriffen-1.944127
politik
Bundeswehr in Afghanistan angegriffen
00/05/2010
Nach den tödlichen Anschlägen auf die Bundeswehr im April sind im Norden Afghanistans erneut deutsche ISAF-Soldaten unter Beschuss geraten. In der Nähe des deutschen Feldlagers Kundus griffen Aufständische am Samstag mit Handfeuerwaffen und Panzerfäusten an, wie das Einsatzführungskommando in Potsdam mitteilte. Bei dem Angriff wurden keine deutschen Soldaten verletzt. Kurze Zeit später sei im selben Raum ein Polizeihauptquartier beschossen worden. Auch dort befanden sich zu diesem Zeitpunkt deutsche Kräfte. Detailansicht öffnen Deutsche Isaf-Soldaten unter Beschuss geraten. (Foto: Foto: dpa) Im April waren innerhalb von zwei Wochen sieben deutsche Soldaten in Afghanistan getötet worden, drei von ihnen am Karfreitag. US-Spezialeinheiten in Afghanistan töteten nach Spiegel-Angaben einen Taliban-Kämpfer, der an dem tödlichen Anschlag vom Karfreitag beteiligt war. Es handele sich um den Kommandeur Mullah Gai. Er sei im Unruhedistrikt Char Darah identifiziert und getötet worden, nachdem er mit einer Panzerfaust auf einen US-Helikopter geschossen hatte, berichtete das Nachrichtenmagazin. Die Kampfkraft der Bundeswehr in Nordafghanistan wird sich nach Angaben von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in wenigen Wochen deutlich erhöhen. Guttenberg sagte Bild am Sonntag: "Bis vor kurzem verfügten wir nur über sechs bis acht Hubschrauber im Norden Afghanistans. Ab Juni werden es Dank der Hilfe der USA deutlich über 50 Hubschrauber sein, die aber unter deutschem Kommando stehen." Guttenberg plädierte dafür, für den Afghanistan-Einsatz realitätsnahe Ziele zu definieren und von den bisherigen "Lebenslügen" Abschied zu nehmen. "Die realitätsnahen Ziele sind, dass wir ein Grundmaß an Stabilität schaffen und dass von Afghanistan keine Gefährdung für die internationale Gemeinschaft mehr ausgeht, insbesondere für die unmittelbare Region", sagte er am Sonntag bei der Zeit-Matinee in Hamburg, einer gemeinsamen Veranstaltung der Wochenzeitung Die Zeit und Deutschlandradio Kultur. Südkoreas Marine feuert Warnschüsse auf nordkoreanische Schüsse ab, Oppositionsführer im Sudan festgenommen, Ex-Präsidentschaftskandidat in Mexiko entführt, Anschlag auf stellvertretenden Ministerpräsidenten im Jemen: Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Kurzmeldungen.
In der nordafghanischen Provinz Kundus sind wieder deutsche Soldaten unter Beschuss geraten. Verletzt wurde niemand.
https://www.sueddeutsche.de/politik/chavez-twittert-140-zeichen-fuer-die-ewige-revolution-1.939419
politik
Chavez twittert - 140 Zeichen für die ewige Revolution
00/05/2010
Schweigsam war Venezuelas Staatschef schon vorher nicht, wenige Politiker sprechen mehr als Hugo Chavez. Jeden Sonntag führt der frühere Offizier durch eine Fernsehshow namens "Hallo Präsident", und auch wochentags unterhält er gerne mit ausgedehnten Ansprachen und Zeitungskolumnen. Detailansicht öffnen Der Cyber-Chavez nennt sich "Chavezcandanga", was Teufel oder auch Wirbelwind bedeuten kann. (Foto: Foto: Reuters) Das weltweite Netz dagegen war dem Anführer der venezolanischen Revolution bis vor kurzem unheimlich, denn dort tummelten sich vor allem Opposition und Massenmedien. "Terrorismus", zürnte Chavez, "das Internet darf nicht frei sein." Doch nun hat der Comandante aus Caracas auch dieses Feld für sich entdeckt. Seit vergangener Woche ist der Freund der langen Reden als Mikroblogger beim Netzwerk Twitter im elektronischen Fronteinsatz. Wie üblich geht die Offensive mit einigem Brimborium einher. Der Angriff begann am vergangenen Mittwoch zur Geisterstunde, der Debütant hatte zuvor auf Staatssendern gewarnt. "Ich werde meinen Schützengraben im Internet haben", verkündete Chavez, "das wird ein Bombardement, mit einem Bombardement von Antworten, Schlacht ist Schlacht." Man möge "auf diese Seite aufpassen". Um 0:14 Ortszeit war es so weit, Venezuelas Uhr hatte er schon länger um eine halbe Stunde vorstellen lassen. "Hey, wie geht's?", schrieb der Neuling auf Twitter. "Ich bin aufgetaucht, wie ich gesagt hatte: gegen Mitternacht. Fahre jetzt nach Brasilien. Und bin sehr zufrieden, für Venezuela zu arbeiten. Venceremos (wir werden siegen)." Der Commandante hat schon 162.000 Anhänger Am Samstag dann, 1. Mai: "Glückwünsche an die Arbeiterinnen und Arbeiter zu eurem Tag. Ich lade euch ein zum Sozialismus, der das Königreich der Arbeiterklasse ist. Danke für eure Botschaften." Mehr als 140 Zeichen dürfen die Attacken in dieser Form nicht haben, so sieht es das Format von Twitter vor. Solcher Minimalismus ist eine Herausforderung für einen Mann, dessen Vorbild der Kubaner Fidel Castro mit seinen oft stundenlangen Reden war. Der Cyber-Chavez nennt sich "Chavezcandanga", das Wort Candanga bedeutet anderswo so viel wie Teufel und bei ihm irgendetwas wie Wirbelwind. Seine Kurzbiographie lautet so: "Präsident der Bolivarischen Republik Venezuela. Bolivarischer Soldat, Sozialist und Antiimperialist." In der nationalen Twitter-Rangliste preschte er mit 162.000 Anhängern gleich nach vorne. Der Kollege Barack Obama ist mit 3,8 Millionen Besuchern allerdings noch deutlich besser. Pionier Obama hatte sich mit Twitter und Facebook auf den Weg ins Weiße Haus gemacht, das fand Nachahmer. Auch der grüne Antanas Mockus mischt im Internet gerade den Wahlkampf auf und könnte Kolumbiens Präsident werden. In Iran stützten sich die unterdrückten Gegner von Mahmud Ahmadinedschad in letzter Not ebenfalls auf Twitter. Nach dem Erdbeben in Haiti gehörten die schnellen Textbotschaften zu den ersten Nachrichten aus den Trümmern. Auf Kuba fordert die Bloggerin Yoani Sanchez die kommunistische Zentrale heraus. Chavez schlug jetzt auch dem kranken Fidel Castro in Havanna und dem bolivianischen Mitstreiter Evo Morales vor, bei Twitter einzusteigen. "Evo, ich lade dich ein, Fidel, ich lade dich ein. Lasst uns die ideologische Schlacht in allen Räumen schlagen. Revolution in allen Räumen!" Fidel Castros gibt es bei Twitter jedoch gleich mehrere. Einer nennt als seinen Standort "Staatsgeheimnis", ein anderer schreibt: "Ich führe ein kleines Land namens Kuba. Vielleicht habt ihr davon gehört."
Venezuelas Staatschef Chavez entdeckt das Internet: Via Twitter verschickt er Einladungen zum Sozialismus - selbst an Kubas Altrevoluzzer Fidel Castro.
https://www.sueddeutsche.de/politik/geheimdienst-in-russland-gefaehrliche-liebschaft-1.932391
politik
Geheimdienst in Russland - Gefährliche Liebschaft
00/05/2010
Ein paar Jahre lag das Schiff träge in der Werft, während sich Indien und Russland über den Preis stritten. Vor wenigen Wochen kaufte Delhi dann doch den gebrauchten Flugzeugträger Admiral Gorschkow - für 2,3 Milliarden Dollar anstatt der ursprünglich angesetzten 800 Millionen Dollar. Jetzt berichtete der Daily Telegraph, dass eine russische Blondine auf die Zahlungsbereitschaft der Inder eingewirkt haben könnte. Detailansicht öffnen Russische Sicherheitsdienste kämpfen offenbar mit harten und mit weichen Bandagen. (Foto: Foto: dpa) Das indische Militär hat gegen den Kommandeur Sukhjunder Singh Ermittlungen eingeleitet, nachdem vor einigen Wochen eine pikante CD an das Hauptquartier der Marine geschickt wurde. Die Bettfotos werden auf die Zeit zwischen 2005 und 2007 datiert, in der Singh als Chef der Technik-Kommission in der russischen Werftstadt Sewerodwinsk die Reparatur und Umrüstung des Flugzeugträgers beobachtete. Immer wieder kommt der Verdacht auf, dass russische Sicherheitsdienste gezielt schöne Frauen einsetzten. Im vergangenen Jahr tauchten im Internet Fotos des stellvertretenden britischen Konsuls in Jekaterinburg auf, die ihn mit zwei Frauen zeigten. Angepriesen wurden sie mit der Zeile "Die Abenteuer des Mr. Hudson in Russland". Ähnlich undiplomatisch war der Umgang mit einem Angehörigen der amerikanischen Botschaft, der im vorigen Jahr mit einer Prostituierten gefilmt wurde. Russische Zeitungen kolportierten damals, er sei womöglich ein CIA-Agent gewesen. Beim indischen Marine-Experten scheint die Sache ein bisschen anders zu liegen. Eine der veröffentlichten Aufnahmen wirkt so, als sei er willentlich fotografiert worden. Die Ermittler haben laut Daily Telegraph auch noch keinen Beweis dafür, dass die Dame aus Russland den Kaufpreis des Flugzeugträgers tatsächlich beeinflusst hat. In jüngster Zeit werden aber immer häufiger öffentliche Personen mit Videos oder Fotos verunglimpft - egal, ob die Bilder echt sind oder nicht. Der regierungskritische Satiriker und Radiomoderator Viktor Schenderowitsch, gerade erst bei einem Seitensprung erwischt, beschuldigte in satirischer Form die Behörden, ihn hereingelegt zu haben. "Genossen Tschekisten", wandte er sich in seinem Blog an den russischen Geheimdienst, "das ist eine Diskriminierung des Alters. Jungen Oppositionellen bietet ihr kostenlos zwei Frauen an und auch noch eine Portion Kokain. Und uns Fünfzigjährigen nur eine, und kein Spielzeug mehr dazu."
Harte Verhandlungen und schöne Frauen, die Geschäfte angekurbelt haben könnten: Russlands Geheimdienst soll Affären inszeniert haben.
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-krawalle-bei-marsch-rechtsextremer-israelis-1.935523
politik
Krawalle bei Marsch rechtsextremer Israelis
00/05/2010
Ein Marsch rechtsextremer Israelis hat in Ostjerusalem schwere Krawalle ausgelöst. Wütende Palästinenser attackierten die israelische Polizei, die den Zug im Viertel Silwan begleitete, mit Steinen und Brandflaschen, wie Augenzeugen und der israelische Rundfunk berichteten. Die Beamten setzten Wasserwerfer ein. Zwischen Demonstranten und Polizei sei es zu Handgemengen gekommen. Unter massivem Polizeischutz marschierten Dutzende rechtsextremer Israelis durch das Silwan-Viertel im arabischen Ostteil Jerusalems. Ziel des Marschs unter Leitung des rechtsextremen Aktivisten Baruch Marsel ist es, israelische Souveränität über ganz Jerusalem zu demonstrieren. Bereits vor Beginn der umstrittenen Demonstration wurden nach palästinensischen Angaben vier Menschen bei Konfrontationen verletzt. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte sich für einen Aufschub der Marschs ausgesprochen. Die Demonstration wurde jedoch vom Höchsten Gericht in Jerusalem genehmigt. Der Leiter des arabischen Informationszentrums in Silwan, Dschawad Sijam, sagte, Ziel sei es, "die (arabische) Bevölkerung in Silwan vertreiben, damit es bis zum Jahr 2020 eine jüdische Mehrheit in diesem Stadtteil gibt". Der Marsch vertete nicht nur die Ziele der Siedler, sondern auch der israelischen Regierung. Der israelische Polizeisprecher Mickey Rosenfeld dementierte Berichte, denen zufolge in der Nacht vor dem Marsch 30 palästinensische Einwohner Silwans festgenommen wurden. Israel lehnt einen Baustopp im arabischen Ostjerusalem weiter ab. Die Palästinenser fordern dies als Bedingung für neue Gespräche. Detailansicht öffnen Aufmarsch rechtsextremer Israelis durch das Silwan-Viertel im arabischen Ostteil Jerusalems - die Rechtsextremen wollen damit Souveränität über ganz Jerusalem demonstrieren. (Foto: Foto: Getty)
Provokation für die Palästinenser: Im arabischen Teil Ostjerusalems hat ein Aufmarsch Rechtsextremer schwere Krawalle ausgelöst.
https://www.sueddeutsche.de/politik/regierungswechsel-in-grossbritannien-eine-britische-revolution-1.941286
politik
Regierungswechsel in Großbritannien - Eine britische Revolution
00/05/2010
Wenn andere Nationen Revolutionen machen, geht das meist nicht gut für die Monarchen aus: Sie werden gestürzt oder einen Kopf kürzer gemacht, um Platz zu machen für die Republik. Briten packen ihre Umstürze anders an: In der "Glorious Revolution" von 1688 ersetzten sie lediglich einen König durch einen anderen. Die Folgen waren zwar nicht weniger umwälzend als jene, die der Erstürmung der Bastille folgten. Es dauerte nur länger, bis sie sich offenbarten; und es wurde weniger Blut vergossen. Detailansicht öffnen Harmonie pur unter ehemaligen Rivalen: David Cameron und sein Koalitionspartner Nick Clegg von den Liberaldemokraten befinden sich scheinbar im Einklang. In Großbritannien ist das eine kleine Sensation. (Foto: Foto: AP) Was sich nun in London vollzieht, ist ebenfalls eine sehr britische Revolution. Der Abschied von Gordon Brown und der Amtsantritt von David Cameron ist mehr als ein Regierungswechsel, er löst ein politisches Erdbeben aus. Es mag sich in großer Tiefe ereignet haben und die Schockwellen werden einige Zeit brauchen, bevor sie an der Oberfläche messbar werden. An ihrer Kraft ändert das nichts. Da mag das Ausland den Kopf schütteln über die Aufregung, welche die Bildung einer bürgerlichen Koalitionsregierung auslöst. Was könnte alltäglicher sein im politischen Geschäft - zumal da mit den Liberalen noch nicht einmal radikale Bilderstürmer nach Art der frühen deutschen Grünen in die Regierung gelangt sind, sondern die älteste politische Kraft des Landes. Robert Walpole, der erste Mann mit dem Titel Prime Minister, war Whig, wie die Vorläufer der Liberaldemokraten hießen. Seit Walpoles Zeiten freilich war die britische Politik geprägt von der Konfrontation, vom unerbittlichen, mitunter bitter-bösen Wechselspiel zweier Parteien. Es war Politik mit der Finesse eines Wikinger-Überfalls: Winner takes it all, und der Verlierer durfte seine Wunden lecken, derweil er Rachepläne schmiedete. Einfluss oder gar Macht hatte er nicht; ohnmächtig musste er mit ansehen, wie der Sieger Politik, Wirtschaft und öffentliches Leben umkrempelte. Das widerfuhr den Konservativen, als Labour nach dem Weltkrieg den modernen Sozialstaat schuf; das durchlebten die Sozialdemokraten, als Margaret Thatcher in den achtziger Jahren diesen Sozialstaat wieder teildemontierte. Kompromiss, Kooperation, Konsens oder gar Koalition - das waren Fremdworte. Schon die Architektur des Palastes von Westminster spiegelt diesen Ansatz wider: Das Unterhaus dürfte das einzige Parlament der Welt sein, in dem die Abgeordneten nicht wohlig in ein Halbrund eingebettet auf ihren Stühlen sitzen, sondern einander über eine zwei Degenlängen breite Kluft hinweg angiften und anschreien. Neuen Abgeordneten zeigt man noch heute, an welchen Garderobenhaken sie ihr Schwert aufhängen können, bevor sie die Kammer betreten.
Kompromisse gab es in der britischen Politik bisher nicht. Doch knallharte Bedingungslosigkeit hat ausgedient. Die neuen Koalitionsregierung stürzt das alte System.
https://www.sueddeutsche.de/politik/nach-votum-in-belgien-koch-mehrin-will-burkas-aus-europa-verbannen-1.941072
politik
Nach Votum in Belgien - Koch-Mehrin will Burkas aus Europa verbannen
00/05/2010
Nach dem Votum des belgischen Parlaments für ein Burka-Verbot hat die Vizepräsidentin des europäischen Parlaments, Silvana Koch-Mehrin, ein Verbot des Ganzkörperschleiers auch in Deutschland und Europa gefordert. Die Burka sei ein massiver Angriff auf die Rechte der Frau, schrieb die FDP-Politikerin in einem Gastbeitrag für die Bild am Sonntag. Detailansicht öffnen Belgien hat die Burka als erstes europäisches Land verboten. (Foto: Foto:) "Ich wünsche mir, dass auch in Deutschland - und in ganz Europa - das Tragen aller Formen der Burka verboten wird." Wer Frauen verhüllt, nehme ihnen das Gesicht und damit ihre Persönlichkeit. Die Burka sei "ein mobiles Gefängnis", so Koch-Mehrin. "Die vollständige Verhüllung von Frauen ist ein aufdringliches Bekenntnis zu Werten, die wir in Europa nicht teilen", schrieb die Vorsitzende der FDP im EU-Parlament. Niemand solle in seiner persönlichen Freiheit und in seiner Religionsausübung eingeschränkt werden. "Die Freiheit darf aber nicht so weit gehen, dass man Menschen öffentlich das Gesicht nimmt. Jedenfalls nicht in Europa", so Koch-Mehrin. Zugleich bekannte sie, dass verschleierte Frauen auf der Straße bei ihr Befremdung auslösen: "Ich gebe offen zu: Wenn mir auf der Straße voll verschleierte Menschen begegnen, bin ich irritiert. Ich kann nicht einschätzen, wer da mit welcher Absicht auf mich zukommt. Ich habe keine Angst, aber ich bin verunsichert." Belgien hatte am Donnerstag als erstes europäisches Land ein Verbot von Ganzkörperschleiern auf den Weg gebracht. Für unrealistisch hält dagegen der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU) ein Burka-Verbot in Deutschland . "Das ist in Deutschland schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich, so lange keine öffentlichen Interessen dagegen stehen", sagte er der Mitteldeutschen Zeitung. "Ich halte ein Gesetz auch nicht für nötig. Das muss der Gesetzgeber nicht regeln." Öffentliche Interessen seien etwa dann berührt, wenn eine Schülerin vollverschleiert in die Schule gehe, eine vollverschleierte Frau als Zeugin vor Gericht auftauche oder Auto fahre. Ansonsten falle das Tragen der Burka unter "freie Entfaltung der Persönlichkeit", erklärte Bosbach, fügte aber hinzu: "Ich selbst sehe das sehr kritisch." Die Burka sei "ein Zeichen der Abgrenzung und des religiösen Fundamentalismus" - und zwar mehr eines der Männer als der betroffenen Frauen. Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, lehnt ein Burka-Verbot für Deutschland ab. "Das ist eine völlig sinnlose Debatte", sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. Sie werde die Kluft zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen noch vergrößern. "Die Burka ist unter den deutschen Muslimen verpönt. Und es gibt kein muslimisches Gebot, sie zu tragen." In Deutschland gebe es "allenfalls ein Dutzend Trägerinnen". Deutschland brauche eine Kultur der Anerkennung, keine Kultur der Verbote. "Hier werden Ängste instrumentalisiert", sagte Mazyek. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger hingegen: "Ich halte so ein Verbot auch in Deutschland für denkbar." Und er fügte hinzu: "Wenn Menschen sich verhängen, dann geht das an die Grundlagen unseres Gemeinwesens." Zwar könnten sich Gegner des Burka-Verbots auf das Gebot der freien Entfaltung der Persönlichkeit berufen. "Doch auch dieses Recht ist nicht unbegrenzt. Im Übrigen haben wir Artikel 1 des Grundgesetzes, wonach die Würde des Menschen unantastbar sei. Das rechtfertigt es, darüber nachzudenken, ob ein solches Verbot nicht auch bei uns Sinn und Zweck hat."
"Ein mobiles Gefängnis" nennt die FDP-Politikerin Koch-Mehrin den Ganzkörperschleier - und fordert ein Verbot auch für Deutschland.
https://www.sueddeutsche.de/politik/fuehrung-fall-merkel-fuer-angie-kommt-tina-1.944947
politik
"Führung: Fall Merkel - Für ""Angie"" kommt ""Tina"""
00/05/2010
Angela Merkel gilt als die mächtigste Frau der Welt; aber das stimmt nicht. Die mächtigste Frau heißt Tina, sie wird auch von der Kanzlerin gern in Anspruch genommen. Tina ist das Kürzel für there is no alternative. Detailansicht öffnen Das neue Basta: "There is no alternative" (Foto: Foto: Reuters) Die Behauptung, dass es keine Alternative zu einer Entscheidung gibt, ist eine Ausrede, die Diskussionen unterbinden soll. Sie ist neuerdings die Begründung für die rasende Eile, mit der folgenreichste Beschlüsse gefasst werden. Wenn Milliardenpakete gepackt und der Börse vor die Tür gestellt werden - dann lautet die Begründung: es gibt keine Alternative. So wird das Parlament entparlamentarisiert und vor vollendete Tatsachen gestellt. Es gibt ja, angeblich, keine Alternative. Deutschland und die EU stehen am Beginn einer Woche, in der es ständig heißen wird there ist no alternative. Tina regiert die Politik, Tina dirigiert Angela Merkel, Tina macht aber nicht nur die CDU/CSU rebellisch; es macht die Bevölkerung misstrauisch. Tina ist das neue Wort für Basta. Mit Basta hat einst Kanzler Schröder Hartz IV eingeführt. Und dieses Hartz IV war damals für die Führung der SPD so "alternativlos" wie der Kosovo-Krieg und die Verteidigung Deutschlands am Hindukusch. Aber verglichen mit den neuen finanzwirtschaftlichen Großentscheidungen waren die genannten militärischen Großentscheidungen sorgfältig gereift. Das Parlament war und ist zwar bei der Entscheidung über die Kriegseinsätze unter Druck, aber es redet und streitet immerhin. Seit dem Bankenrettungspaket nickt es Milliardenausgaben nur noch ab Es gibt, sagt die Regierung, keine Alternative. Das ist, mit Verlaub, Unfug. Es gibt sicherlich nicht Tatas, nicht also tausende von Alternativen (there are thousands of alternatives). Aber ein paar Alternativen gibt es immer: Anstelle eines gewaltigen Milliarden-Paketes für Euro, Griechenland & Co hätte man sich, zum Beispiel, einen (Teil-)Schuldenerlass für Griechenland vorstellen können. Sicherlich: Die EU-Regierungen mögen den Zeitdruck als so groß empfunden haben, dass für sie eine solche Lösung nicht in Frage kam. Aber dann müssen sie das sagen, und sich nicht hinter der angeblichen "Alternativlosigkeit" verschanzen. Das Parlament ist das Getriebe der demokratischen Politik. Wenn es ausgeschaltet wird, entsteht der Eindruck einer getriebenen Politik. Die Milliardenrettungspakete sind der Versuch der exekutivischen Politik, mit dem Tempo und der Brutalität von ökonomischen Prozessen zu konkurrieren. Das kann sinnvoll sein, aber die Politik muss dann für diese Sinnhaftigkeit werben. Das Wort "alternativlos" ist das Gegenteil von solcher Werbung. Demokratische Politik besteht darin, Entscheidungen auf der Grundlage des Abwägens der Alternativen zu treffen und zu begründen. Der Ort dafür ist das Parlament: Es ist der Ort, wo Vertrauen des Volks gesät wird. Ohne dieses Vertrauen hält auch der weltgrößte Rettungsschirm nicht. Dieses Vertrauen der Bürge - es ist wirklich alternativlos für die Demokratie.
Die mächtigste Frau der Welt heißt nicht mehr Angela Merkel - sondern "Tina". Sie regiert die Politik und dirigiert die Kanzlerin.
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-lafontaine-verteidigt-schaeuble-1.940671
politik
Lafontaine verteidigt Schäuble
00/05/2010
Der scheidende Linken-Chef Oskar Lafontaine hat den erkrankten Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gegen Kritik in Schutz genommen. "Mich empört es, wie derzeit versucht wird, ihn wegen seiner Erkrankung in Frage zu stellen", sagte Lafontaine der Tageszeitung Die Welt. "Trotz seiner Behinderung ist er vielen seiner Kritiker deutlich überlegen. Er wird selbst erkennen, wenn seine Gesundheit die Weiterführung des Amtes nicht mehr zulässt", sagte Lafontaine, der von 1998 bis 1999 selbst Finanzminister war. Detailansicht öffnen Der an Krebs erkrankte Oskar Lafontaine (Die Linke) verwahrt sich gegen Kritik an dem ebenfalls gesundheitlich angeschlagenen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). (Foto: Foto: ddp) Lafontaine selbst hatte im Januar erklärt, beim Linke-Parteitag am kommenden Wochenende wegen seiner Krebserkrankung nicht mehr für das Amt des Parteivorsitzenden kandidieren zu wollen. Der 67-jährige Schäuble musste am Sonntag in eine Brüsseler Klinik, nachdem er ein Arzneimittel nicht vertragen haben soll. Anschließend kehrte er nach Deutschland zurück. Weil er entgegen den Erwartungen am Dienstag nicht an der Sondersitzung des Kabinetts zum Euro-Rettungspaket teilnahm, war erneut über seinen Rücktritt spekuliert worden. Am Montag will er nach Angaben seines Sprechers seine Arbeit jedoch wieder im vollem Umfang aufnehmen. Eine US-Diözese zahlt mehr als 20 Millionen Dollar an Missbrauchsopfer, die FDP in Baden-Württemberg greift Kanzlerin Merkel scharf an und die neue britische Regierung kürzt sich selbst das Gehalt: Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Kurzmeldungen.
Überraschende Rückendeckung: Linken-Chef Oskar Lafontaine verwahrt sich gegen Kritik am gesundheitlich angeschlagenen CDU-Politiker Schäuble. Kurzmeldungen im Überblick.
https://www.sueddeutsche.de/politik/reaktionen-aus-dem-ausland-verhandlungen-sind-besser-als-drohungen-1.919696
politik
"Reaktionen aus dem Ausland - ""Verhandlungen sind besser als Drohungen"""
00/05/2010
Russland macht seine Drohungen wahr und setzt den Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) aus. Präsident Wladimir Putin habe ein entsprechendes Dekret am Samstag unterzeichnet, teilte das Präsidialamt mit. Der Schritt wurde mit "Fragen der nationalen Sicherheit" begründet. Im Ausland ist die Entscheidung des Kremls einhellig kritisiert worden - vor allem von den Staaten in Osteuropa. USA Wir sind enttäuscht, dass Russland seine Beteiligung fürs Erste ausgesetzt hat", erklärte US-Regierungssprecher Gordon Johndroe. Washington werde aber "in den kommenden Monaten" weiter mit Russland darüber verhandeln, "wie wir in diesem Bereich am Besten fortfahren können". Dies sei im Interesse aller Beteiligten und gewährleiste die Sicherheit in Europa, fügte der Sprecher hinzu. Deutschland Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich besorgt. "Der KSE-Vertrag ist und bleibt zentraler Bestandteil der internationalen Abrüstungsarchitektur. Deshalb betrachten wir natürlich die Ankündigung aus Moskau mit großer Sorge," sagte Steinmeier am Samstag während eines Besuchs im litauischen Nida. In den kommenden Tagen gehe es darum festzustellen, welche konkreten Schritte mit dieser Ankündigung verbunden seien. Er hoffe sehr, "dass es bei den bisherigen Absichten bleibt, den Vertrag nur zu suspendieren", weil dann Lösungsmöglichkeiten für alle offen blieben, sagte der Minister weiter. Steinmeier äußerte zudem die Erwartung, dass die internationale Staatengemeinschaft mit Russland im Gespräch darüber bleibe, die Verhandlungen wieder in Gang zu bringen. Die NATO hatte Moskaus Schritt als enttäuschend bezeichnend. Bereits im April hatte Russlands Präsident Wladimir Putin im Streit um die von den USA geplante Stationierung eines Raketenschildes in Osteuropa damit gedroht, den Vertrag aufzukündigen. Der 1992 in Kraft getretene KSE-Vertrag gilt als einer der Grundpfeiler der Abrüstung in Europa nach dem Kalten Krieg. Tschechien Auch zahlreiche osteuropäische Staaten kritisierten den Kreml. "Moskau hat offensichtlich kein Interesse an einer kooperativen Haltung bei der Lösung von Sicherheitsfragen", kritisierte eine Sprecherin des Außenministeriums in Prag am Samstag: "Wir hoffen, dass Russland an den Verhandlungstisch zurückkehrt. Verhandlungen sind besser als Drohungen." Ein Sprecher des tschechischen Verteidigungsministeriums sagte, es gebe für Moskau "keinen sachlichen Grund" für eine Aussetzung des Vertrags über konventionelle Streitkräfte in Europa. Rumänien Auch das rumänische Außenministerium reagierte "entäuscht" auf den russischen Beschluss. Der Vertrag sei Grundstein des europäischen Sicherheitssystems, hieß es in einer Erklärung des Ministeriums. Rumänien habe stets alle im KSE-Vertrag eingegangenen Verpflichtungen eingehalten. Polen Polen bedauerte die Aussetzung des europäischen Abrüstungsvertrages. Die NATO-Staaten hätten Russland konstruktive Lösungsvorschläge zu Streitfragen gemacht, hieß es in einer am Samstag vom polnischen Außenministerium herausgegebenen Stellungnahme. "Wir erwarten von Russland die Aufnahme des Dialogs in dieser Angelegenheit", betonte Ministeriumssprecher Robert Szaniawski.
Präsident Putin hat die Beteiligung Russlands an einem der wichtigsten Abrüstungsverträge für Europa ausgesetzt. Das Ausland reagierte "enttäuscht" und "besorgt".
https://www.sueddeutsche.de/politik/serie-glaubenssache-niederoesterreich-im-bann-der-steine-1.914361
politik
"Serie ""Glaubenssache"" - Niederösterreich: Im Bann der Steine"
00/05/2010
Gnadenwald, was für ein Name. Über dem Inntal liegt hier, den Patscherkofel vor Augen, St. Martin, ein entrücktes Kirchlein, und unter gewaltigem Bergahorn eine Kapelle. Wer auf der Schwelle des winzigen Heiligtums steht, den durchrieselt ein seltsamer Strom, wie schwingende Wellen. Selbst argwöhnische Skeptiker vermögen sich solchem Fühlen nicht zu entziehen. "Das ist ein Kraftort", erläutert Margit Hudowernig . Ein Kraftort? Das sind Erdpunkte, die Energie verströmen, Strahlung, Wellen, Kraft. Die temperamentvolle Frau mit dem roten Kurzhaar hat von Berufs wegen jüngst die Statik für die kühne Berg-Isel-Sprungschanze mitberechnet, hat also mit Dingen zu tun, die notwendig in fester Erde gegründet sein müssen. Die Kenntnis von den Kraftorten ist für sie normale Weltwahrnehmung, nichts Übersinnliches. Margit Hudowernig kennt viele Kraftorte Tirols, und doch ist sie schon zweimal ins Waldviertel im nördlichen Niederösterreich gepilgert. Eine Gegend, wo auf kargen Äckern der Mohn betörend blüht, wo die Granitausläufer des Böhmerwaldes in bizarren, von schwarzem Tann umsäumten Felsskulpturen aus der Erde wachsen wie Tempel. Einige dieser natürlichen Stonehenges waren Kultorte von Kelten und anderen archaischen Urahnen. Von Menschenhand bearbeitet? Ausgeburten der Urkraft der Natur? Glaubenssache. Weltzentrum Waldviertel Das mythische Waldviertel ist zu einem Weltzentrum derer geworden, die an Magie glauben oder mit ihr leben. Zauberer, Hexen, Schamanen, Magier reisen nicht nur aus dem europäischen Umkreis an, kommen von den Höhen der Anden, den Wüsten Arabiens und den Dschungeln Südostasiens wie einst die Weisen aus dem Morgenlande. In überlieferten Riten und Zeremonien, auch in Mummenschanz, der den Fantasy-Welten schlechter Computerspiele entsprungen scheint, werden Sonne, Licht, Erde, Wasser und Naturgeister beschworen, Zukunft und Vergangenheit gedeutet. Feuerriten, Runen, Steinkreise - da sind die, die in wabernden Mythen Erleuchtung und Heilung versprechen. Dabei wird gutes Geld verdient, das eine verzückte Klientel gerne gibt. Doch dann sind da jene, die nur die Einheit von Mensch und Natur wiedergewinnen wollen, die die Welt mehrdimensional sehen, einschließlich der "ganz normalen" immateriellen Dinge. Viele Pilger kommen extra ins dunkle Waldviertel, "um das Licht zu sehen". Diesen Zustand "vermag man nicht mit Worten zu beschreiben", sagt Michael Lackinger, ein nur leicht ergrauter, rüstiger Rentner. "Wer das erlebt hat, sagt Dankeschön und geht." Der katholische Begriff der Verklärung vermag nach Lackingers Dafürhalten nur dürftig dieses Gefühl der Klarheit, Eindeutigkeit und Unverfälschtheit auszudrücken. Es ist ein langer Weg dorthin, den nur wenige erfolgreich gehen. Und es bedarf zur Vollendung eines Ortes besonderer Kraft. Zwischen Himmel und Erde Margit aus Tirol, die auch von Lackinger gelernt hat, sich die immateriellen Dinge in der Natur vor Augen zu führen, geht es hingegen eher darum, die Welt besser zu begreifen: "Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die sich unser stumpfer christkatholischer Hausverstand nicht träumen lässt. Ich wollte einfach die Dinge spüren und sehen, die sind, von denen uns Jahrhunderte immer naturfernerer Lebensweisen abgeschnitten haben." Es geht ihr nicht um pompöse Erweckungsereignisse. Sie ist froh darüber, Orte der Kraft finden zu können, den Segen guter Gedanken zu erspüren - und Geister zu sehen. Ja, Geister sehen ist eine bewährte Naturtechnik, sagt sie.
Bizarre Felsgruppen ziehen Esoteriker und Scharlatane ins Waldviertel im Norden Niederösterreichs- aber auch Menschen, die den Einklang mit der Natur suchen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/pakistan-bhutto-bricht-mit-musharraf-1.889566
politik
Pakistan - Bhutto bricht mit Musharraf
00/05/2010
Musharraf müsse sowohl den Posten des Präsidenten als auch den des Armeechefs aufgeben, sagte die Ex-Premierministerin, die unter Hausarrest steht, am Dienstag in Telefoninterviews aus ihrer Residenz im ostpakistanischen Lahore heraus. "Ich fordere die internationale Gemeinschaft auf, Musharraf nicht länger zu unterstützen", sagte Bhutto. Musharrafs "Diktatur" drohe "diesen mit Atomwaffen ausgerüsteten Staat ins Chaos zu werfen". US-Präsident George W. Bush forderte eine Aufhebung des von Musharraf verhängten Ausnahmezustandes. Barrikaden mit Stacheldraht Die pakistanische Regierung stellte die Politikerin im Gegenzug zum zweiten Mal unter Hausarrest. Sicherheitskräfte behinderten zudem den "langen Marsch" in die Hauptstadt Islamabad, mit dem die Opposition gegen den Ausnahmezustand protestieren wollte. Um sie daran zu hindern, den als Autokorso geplanten Marsch anzuführen, umstellte die Polizei Bhuttos Haus in der Nacht mit 4000 Einsatzkräften. Sie errichteten Barrikaden mit Stacheldraht und sperrten die Zufahrten mit Sandsäcken ab. Den ersten Hausarrest hatte Musharraf am Freitag auf Druck der USA nach wenigen Stunden wieder aufgehoben. Die Opposition hatte sich bislang auf die Forderung nach einem Rücktritt Musharrafs als Armeechef beschränkt und zuletzt eine Zusammenarbeit vereinbart, um sein säkulares Regime gegen den wachsenden Islamismus im Land zu stützen. Bhutto warf Musharraf nun aber vor, alle Glaubwürdigkeit verloren zu haben. Der massive Einsatz von Polizeikräften gegen die Opposition mache ihre Entscheidung unausweichlich. Druck auf Musharraf erhöht "Es gibt keinen Weg zurück, weil dies auf jeden, der mit General Musharraf zu tun hat, abfärbt", sagte sie. Ohne Bhuttos Unterstützung droht Musharrafs Partei bei der für Anfang Januar geplanten Parlamentswahl eine schwere Niederlage. Die Oppositionschefin schloss einen Boykott der Abstimmung nicht mehr aus. International erhöhte Großbritannien den Druck auf Musharraf. Gemeinsam mit den Commonwealth-Staaten setzte London Pakistan eine Frist von zehn Tagen, um den Ausnahmezustand zu beenden. Zudem drohte die Gemeinschaft mit einem Ausschluss Pakistans aus dem Staatenbund. Zudem will US-Vizeaußenminister John Negroponte amerikanischen Angaben zufolge in den kommenden Tagen nach Pakistan reisen, um Musharraf zu fairen und freien Wahlen zu drängen.
Klare Worte: Die pakistanische Oppositionsführerin Benazir Bhutto hat erstmals den Rücktritt des Militärmachthabers Pervez Musharraf gefordert.
https://www.sueddeutsche.de/politik/kommentar-freispruch-mit-fragezeichen-1.928749
politik
Kommentar - Freispruch mit Fragezeichen
00/05/2010
"Die Bedrohung ist ernst und sie ist aktuell." Jeder Brite erinnert sich noch an die Worte, mit denen Premierminister Tony Blair im Frühjahr 2003 zum Feldzug gegen Saddam Hussein geblasen hatte. Inzwischen weiß man, dass Saddam mit seinem Folterregime zwar die eigene Bevölkerung drangsaliert hatte. Für Großbritannien und den Westen dagegen war der Irak keineswegs eine direkte Bedrohung. Die Massenvernichtungswaffen, die laut Blair innerhalb von 45 Minuten abschussbereit gewesen seien, wurden nie gefunden. Und der nun von Lord Robin Butler und seiner Kommission vorgelegte Untersuchungsbericht kommt - wenig überraschend - zu dem Ergebnis, dass es sie in Wirklichkeit wohl gar nicht gegeben hat. Kein schärferes Urteil zu erwarten Dennoch spricht der Butler-Report Blair von dem Vorwurf frei, das Volk absichtlich getäuscht zu haben. Zur falschen Darstellung der Sicherheitslage sei es unter anderem auf Grund von Schwächen des Auslands-Geheimdienstes und wegen kollektiver Fehleinschätzungen gekommen, heißt es. Angesichts der Stützen des Establishments, aus denen sich die Butler-Kommission zusammensetzt, und angesichts des weichen Untersuchungsauftrages war kein schärferes Urteil zu erwarten. Aber nicht nur deshalb wird der Freispruch die Briten nicht überzeugen. Stück für Stück verfällt Blairs Ansehen Was ist beispielsweise an dem Vorwurf dran, dass die Regierung kurz vor Kriegsbeginn angefallene Geheimdienst-Informationen zurückgehalten hat, die Saddam entlastet hätten? Der Butler-Report nimmt dazu keine Stellung. Ehrliche und offene Informationen wie nie zuvor hatte Blair den Briten versprochen, als die Töne gegenüber dem Irak im Jahr 2002 schärfer wurden. Doch diesem Maßstab genügte die Regierung selbst bei freundlichster Betrachtung nicht. Es ist freilich nicht das erste Mal, dass bei Blair Versprechen und Wirklichkeit weit auseinander klaffen. Stück für Stück verfällt damit sein Ansehen. Spagat des Premiers Es ist in der Geschichte schon häufig vorgekommen, dass Politiker am Schluss auf ihre eigene Rhetorik hereinfielen. Vielleicht war es auch bei Blair so, dass seine Worte über die irakische Gefahr bei ihm selbst am stärksten wirkten. Dann jedoch stellt sich die Frage nach seiner Kompetenz - auch wenn der Butler-Bericht diesen Punkt weitgehend ausklammert. Wer ein Land regiert, muss die Eigeninteressen von Geheimdiensten kennen und ihre Informationen abwägen können. Blair konnte - oder wollte - dies nicht. Wer die Redlichkeit des Premiers nicht in Frage stellen will, wird also zumindest über seine Fähigkeit zur Führung eines Landes nachdenken müssen. Doch auch hinter der Redlichkeit steht manches Fragezeichen. So behauptet Blair noch heute, der Irak-Krieg habe die Welt sicherer gemacht. Gleichzeitig allerdings hält er es für notwendig, die Ausgaben für die nationale Sicherheit zu erhöhen. Bei einem solchen Spagat braucht er sich über den Vertrauensverlust nicht zu wundern.
Der Butler-Bericht zum Irak entlastet Premier Tony Blair, doch er stoppt den Verfall seines Ansehens nicht.
https://www.sueddeutsche.de/politik/kommentar-es-fuehrt-kein-weg-zurueck-1.918396
politik
Kommentar - Es führt kein Weg zurück
00/05/2010
(SZ vom 9. September 2003) George Bush hat schon viele Reden gehalten, aber keine dürfte ihm so schwer gefallen sein wie seine jüngste Ansprache an die Nation. Ausgerechnet er, der im unerschütterlichen Vertrauen in seine und Amerikas Stärke den Irak und den Nahen Osten neu ordnen wollte, musste zu Kreuze kriechen und seine politischen Gegner und Kritiker daheim in Washington und draußen in der Welt um Hilfe bitten. Eigentlich lässt sich die Rede auf zwei Worte eindampfen: Schwamm drüber. Dumm nur, dass es nicht der Präsident ist, der diesen Schwamm in der Hand hält. "Optimismus mit einem Schuss Naivität" Nein, leicht kann es Bush nicht gefallen sein, aber immerhin mag ihm die Überlegung geholfen haben, dass er keine andere Wahl mehr hat, als sich nach Beistand umzusehen. Von Gaza über Bagdad bis nach Afghanistan versinken seine hochfliegenden Pläne von einem sicheren und demokratischen Nahen und Mittleren Osten in den Rauchwolken von Autobomben und Minendetonationen. Egal ob es - wie die New York Times schrieb - "Optimismus mit einem Schuss Naivität" war, der Bush trieb, ob Hochmut, Überzeugung oder eine Verkettung widriger Umstände, sicher ist eines: Zähneknirschend müssen sich die Neo-Radikalen in Washington eingestehen, dass auch der Weltmacht USA Grenzen gesetzt sind, und dass diese enger sind, als sie gemeinhin vermutet hätten. Rollback statt Eindämmung Doch was für Bush gilt, das trifft inzwischen ebenso auf die Vereinigten Staaten insgesamt, auf ihre europäischen Verbündeten und auf die muslimisch-arabischen Länder zu: Ihnen allen bleibt keine Wahl, als den mittlerweile eingeschlagenen Weg fortzusetzen, und sei er auch noch so gefährlich und mit Rückschlägen gepflastert. Es gibt keine Alternative dazu, die Ideologie des Terrors an ihren Brutstätten zu bekämpfen. Die größte Bedrohung der freien Welt geht heute vom Todeskult islamistischer Terrorsekten aus, und es ist kein Zufall, dass Bush davon sprach, diese Gefahr "zurückzurollen". Rollback statt Eindämmung - das war schon das Rezept Ronald Reagans, das letztlich zum Zusammenbruch des Kommunismus führte. Truppen-Abzug wird zur Frage nationaler Sicherheit "Wir stecken im Irak fest", gestand sogar Howard Dean, Bushs unnachsichtigster Kriegsgegner im eigenen Land und nicht zuletzt deshalb der aussichtsreichste Bewerber der Demokraten für die Nominierung als Präsidentschaftskandidat. "Aber wir haben keine Wahl, es ist eine Frage der nationalen Sicherheit. Wenn wir abziehen, ohne eine Demokratie aufgebaut zu haben, wird das in sehr bedeutsamen Gefahren für die Vereinigten Staaten resultieren", sagte Dean. Das sehen auch andere demokratische Spitzenpolitiker so, und deshalb wird das Parlament Bush die geforderten zusätzlichen Mittel letzten Endes wohl genehmigen. Und vielleicht teilen diese Einschätzung auch die Wähler, deren Realitätssinn viel schärfer ausgeprägt ist, als Berufspolitiker ihnen zugestehen mögen. Hoffnung kann Bush daraus freilich nicht beziehen. Die Wähler mögen bereit sein, eine widerwärtige Suppe auszulöffeln. Doch das heißt nicht, dass sie den Koch behalten wollen.
Trotz aller Probleme muss Amerika den Kampf gegen Terror und Anarchie in Nahost zu Ende führen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/cdu-schwarzgeld-prozess-koch-und-der-zusammenbruch-des-vertrauens-1.884780
politik
"CDU-Schwarzgeld-Prozess - Koch und der ""Zusammenbruch des Vertrauens"""
00/05/2010
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagte am Dienstag als Zeuge vor dem Landgericht, der finanzielle und politische Schaden durch die Affäre sei dramatisch. Die Partei sei dadurch an die Grenze ihrer Handlungsfähigkeit gelangt. Koch war in seiner Eigenschaft als Landesvorsitzender der CDU Hessen geladen; er wurde in dieser Position vor sechs Jahren Nachfolger von Manfred Kanther, der sich in dem Verfahren zusammen mit dem früheren Partei-Schatzmeister Casimir Prinz Wittgenstein wegen Untreue verantworten muss. Ihr langjähriger Finanzberater Horst Weyrauch ist der Beihilfe zur Untreue angeklagt. Die drei Männer transferierten Ende 1983 rund 21 Millionen Mark aus dem Parteivermögen auf ein geheimes Konto in der Schweiz; nach Gutdünken stellten sie Teilbeträge der Partei in späteren Jahren wieder zur Verfügung. Koch: "Friedlicher und kontinuierlicher Übergang" Koch wiederholte am Dienstag seine frühere Angabe, von Kanther erst am 12. Januar 2000 über die geheimen Kassen informiert worden zu sein. Bei der Übergabe des Landesvorsitzes zwei Jahre zuvor habe es zwischen ihnen keine Gespräche über die wirtschaftlichen Verhältnisse gegeben. "Es war ein friedlicher und kontinuierlicher Übergang", sagte Koch. Dass die CDU Hessen über ein Geheimvermögen verfüge, sei für ihn auch im Dezember 1999, nach Bekanntwerden von Unregelmäßigkeiten, noch "außerhalb jeder Fantasie" gewesen. Auf der Grundlage von Wittgensteins Erklärung, dem Landesverband sei über die Jahre immer wieder Geld aus "jüdischen Vermächtnissen" zugeflossen, habe ihn, Koch, die Frage interessiert, wer die Vermächtnisgeber gewesen seien. Grundsätzlich habe man Vermächtnisse für "selten und seltsam" gehalten, aber keinen Anlass gesehen, Wittgenstein zu misstrauen. Koch sprach mit Blick auf die drei Angeklagten vom "Zusammenbruch des Vertrauens". Der falsche Rechenschaftsbericht, den er damals unterschrieb, führte dazu, dass die CDU 41 Millionen Mark aus der Parteienfinanzierung zurückzahlen muss. Erst am 12. Januar 2000 sei der Punkt gekommen, "an dem Herr Kanther glaubte, mich damit (dem Geheimvermögen, d. Red.) konfrontieren zu müssen". Kanther erweckte nach Kochs Erinnerung nicht den Eindruck, eine Aufklärung für dringlich zu halten. Was müsse man jetzt alte Sachen hochkochen, soll er gesagt haben. Von Hypothesen, Spenden und Wahlkampfkostenerstattung Zur Herkunft der 21 Millionen, die die Angeklagten transferiert hatten, lieferte Koch eine Erklärung, die er selbst als "Hypothese" bezeichnete. Zehn bis elf Millionen Mark seien im Laufe der Zeit als Spenden gesammelt worden. Acht Millionen habe die Partei 1983 als Wahlkampfkostenerstattung erhalten, nachdem es sowohl 1982 als auch 1983 in Hessen zu Landtagswahlen kam. 1,5 Millionen Mark habe die Partei 1982 an Zinsen eingenommen, ohne dass bekannt sei, wofür. Addiert ergebe das einen Betrag von gut 20 Millionen Mark, weshalb er es für unwahrscheinlich halte, dass es sich bei den 21 Millionen großenteils um den Schatz der Staatsbürgerlichen Vereinigung handele, einer als Verein getarnten Spendenwaschanlage. Koch sagte, die CDU sei existenziell auf Spenden angewiesen, im Unterschied zur SPD, die sich aus eigenem Vermögen finanziere. Dass die Partei nun 41 Millionen Euro zurückzahlen muss, "entblößt uns jeder Risiko-Abfederung", sagte Koch.
Der hessische Ministerpräsident hat als Zeuge vor Gericht ausgesagt und schwere Vorwürfe gegen den früheren Bundesinnenminister Kanther erhoben.
https://www.sueddeutsche.de/politik/gewerkschaften-mit-dem-mindestlohn-ein-geschaeft-machen-1.886399
politik
Gewerkschaften - Mit dem Mindestlohn ein Geschäft machen
00/05/2010
Der Wachmann in Erfurt verdient 4,32 Euro pro Stunde. Und der Hilfsarbeiter auf dem Bauernhof im Moselland auch nur 4,68 Euro, ganz ordnungsgemäß nach Tarif. Zahlen wie diese haben die Debatte um einen staatlichen Mindestlohn lange am Schwelen gehalten. Vertreter der Grünen und der Gewerkschaften haben die Diskussion nun neu aufflammen lassen. Zuletzt plädierte sogar Grünen-Umweltminister Jürgen Trittin für eine staatlich verordnete Untergrenze bei Entgelten. Auslöser sind die Hartz-Reformen der Bundesregierung. Sie verschärfen die Zumutbarkeit von Jobs für Arbeitslose: Auch Bezahlung unter Tarif oder ortsüblichem Niveau muss künftig akzeptiert werden. Vor Willkür schützen die Gerichte: Abweichungen von mehr als 30 Prozent nach unten gelten als sittenwidrig. Beraten über Geringverdiener Die Gewerkschaften reagieren zwiespältig. Offiziell fordern sie weiter eine Abschaffung der verschärften Zumutbarkeit. Das aber ist wirklichkeitsfern - und so sehen sie in der Einführung eines Mindestlohns die Möglichkeit, die Verschärfung wenigstens zu begrenzen. Vielleicht bietet sich ein Geschäft an: Verzicht auf allzu viel Protest gegen die Zumutbarkeit im Tausch gegen einen Mindestlohn. In einer Arbeitsgruppe gemeinsam mit Spitzenleuten der regierenden SPD beraten die Arbeitnehmervertreter schon über allerlei Modelle für Geringverdiener. Keineswegs alle Gewerkschaften aber finden Mindestlöhne gut. Die Chemiegewerkschaft sieht hierin einen Eingriff in die Tarifautonomie: Löhne sollten zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten ausgehandelt und nicht von der Regierung diktiert werden. Ähnlich äußern sich die Arbeitgeber - wenn auch aus anderen Gründen, nämlich aus Sorge vor einem zu hohen Mindestlohn. IG Metall: Differenziertes System Die Gewerkschaft Verdi gehört zu den heftigsten Befürwortern, schließlich sind in ihrem Organisationsbereich niedrige Löhne schon stark verbreitet. In Gewerben wie dem Wachschutz ist die gewerkschaftliche Durchsetzungsfähigkeit wegen Mitgliedermangel eher gering. Ein Mindestlohn von 1400 Euro im Monat soll verhindern, dass Tarifentgelte von Arbeitgebern, die Arbeitslose einstellen, unterboten werden und so unter Druck kommen - was klassische Marktwirtschaftler gutheißen würden. Entscheidend ist der Positionswandel der IG Metall. Früher sah sie durch Mindestlöhne ihr hohes Lohnniveau bedroht. Heute plädiert sie für staatliche Grenzen - allerdings nur im Rahmen eines nach Branchen und Regionen differenzierten Systems. Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarktforschung dagegen kommt zu dem Schluss, dass Mindestlöhne in anderen Ländern zwar meist nicht geschadet haben. In Deutschland würden sie aber auch nichts nutzen.
Verdi und die IG Metall erwägen einen Verzicht auf Proteste gegen Hartz IV - für eine staatlich verordnete Entgeld-Untergrenze.
https://www.sueddeutsche.de/politik/80-geburtstag-happy-birthday-koenigstiger-1.930927
politik
80.Geburtstag - Happy Birthday, Königstiger
00/05/2010
Man wird nie erfahren, ob es Ihre Majestät Überwindung gekostet hat, den kurzen Weg vom Buckingham-Palast hinüber zu fahren ins Mandarin Oriental Hotel in Knightsbridge, um einer anderen alten Dame ihre Aufwartung zu machen. Königin Elisabeth trägt Gefühle nicht zur Schau und dazu gehört, dass sie Sympathien und Antipathien wohlweislich in ihrer Brust verschließt. Detailansicht öffnen Geliebt wurde sie nie, außer natürlich von ihrem treuen Ehemann Denis: "Iron Lady" Margaret Thatcher (Foto: Foto: Reuters) Dennoch war es in London ein offenes Geheimnis, dass die Monarchin mit Margaret Thatcher nie so richtig warm wurde, ja dass sie sich im Kreise von Familienangehörigen und engen Freunden mitunter lustig machte über die Krämertochter mit der einschüchternd überdimensionierten Handtasche. Daher muss es wohl als besondere Ehre gelten, dass die Queen sich doch bereit erklärt hat, zur Geburtstagsparty der Baroness Thatcher of Kesteven zu kommen - zusammen mit Tony Blair, Sir Andrew Lloyd-Webber, Shirley Bassey und 600 weiteren sorgfältig ausgesuchten Freunden. Achtzig wird Maggie, ein Alter, in dem sich manches verklärt, in dem die scharfen Kanten früherer Konflikte abgeschliffen sind. Keinen Sinn für Sentimentalitäten und ähnliche Sperenzchen Aber eine Retrospektive durch den Filter eines Weichzeichners ist freilich nicht Margaret Thatchers Sache. Für Sentimentalitäten und ähnliche frivole Sperenzchen hatte sie nie Verständnis, und daran hat sich auch im Alter nichts geändert. Es hat ihr herzlich wenig ausgemacht, dass eigentlich niemand je richtig warm mit ihr wurde - nicht die Königin, nicht ihre Wähler, obschon die sie dreimal zurückschickten in die Downing Street, nicht ihre Minister und noch nicht einmal ihre Bewunderer. Noch heute wird sie allgemein respektiert, zuweilen gefürchtet, und von einigen gehasst. Doch geliebt wurde sie nie, außer natürlich von ihrem treuen Ehemann Denis, der damals so unnachahmlich souverän und selbstironisch in die völlig neue Rolle eines First Gentleman schlüpfte. Seine erste Bemerkung nach dem Wahlsieg 1979 gab den Ton an für die kommenden elf Jahre. Auf die Frage, wer in ihrer Ehe die Hosen anhabe, erwiderte Denis Thatcher trocken: "Das bin ich. Und ich wasche und bügle sie auch." Denis wird ihr fehlen beim Geburtstag, so wie er ihr jeden Tag seit seinem Tod vor zwei Jahren gefehlt hat. Und ob sich Margaret Thatcher freuen wird, dass die Königin vorbeischaut bei der Party, ob sie gar Genugtuung empfinden wird - auch das wird man wohl nie erfahren. Genugtuung kann sie sich ohnehin anderswo holen, sie muss sich nur umsehen in ihrem Land. Denn die Folgen des politischen Erdbebens, das sie auslöste, sind unübersehbar - im Guten wie im Bösen.
Als Raubkatze unter lauter Hamstern hat sie sich gefühlt - eisern unsentimental feiert Margaret Thatcher nun ihren 80. Geburtstag
https://www.sueddeutsche.de/politik/nach-den-wahlen-sieger-sehen-anders-aus-1.886254
politik
Nach den Wahlen - Sieger sehen anders aus
00/05/2010
Wenn so der Erfolg aussieht, dann scheint politischer Erfolg in diesem Herbst eine ziemlich bittere Angelegenheit zu sein. Als müsste sie einen eisig kalten Regen abtropfen lassen, stellt sich die Kanzlerin zur Mittagszeit mit reglosem Gesicht hinter ihr Mikrofon im Konrad-Adenauer-Haus. Sofort spricht sie von einem "großen Erfolg" in Mecklenburg-Vorpommern und bekundet eine gewisse Zufriedenheit auch über das Berliner Wahlergebnis. Dort stehe für die CDU mit Friedbert Pflüger ein "hoffnungsvoller Weg in Aussicht". Detailansicht öffnen Muss schlechte Ergebnisse verkraften: Angela Merkel (Foto: Foto: Reuters) Für einen Moment möchte man ihr zurufen, dass dies - Hallo, Frau Bundeskanzlerin! - in beiden Ländern die schlechtesten Ergebnisse der Partei in ihrer Geschichte sind. Aber das ist gar nicht nötig, weil leicht zu erkennen ist, dass Angela Merkel das selbst am allerbesten weiß, während sie mit ausdruckslosem Gesicht fast das Gegenteil behauptet. Ihr ganzer Auftritt an diesem Tag ist, immerhin noch nicht einmal ein Jahr nach der Übernahme des Kanzleramts, verblüffend illusionslos. In dieser Hinsicht zeigt die große Koalition an diesem Montag nach der Wahl sogar eine bemerkenswerte Eintracht. Auch der SPD-Vorsitzende Kurt Beck hat seine Tagesration an Euphorie offensichtlich schon morgens mit den Blumensträußen weggegeben, die er den Ministerpräsidenten Klaus Wowereit und Harald Ringstorff überreichte. Als er später noch einmal alleine vor die Presse tritt, klingt seine Stimme auffallend belegt. Die wahrscheinlichste Erklärung für das tiefe Timbre dürfte Becks Talkshow-Auftritt vom Vorabend sein, bei dem er sich so dermaßen über den alt-grünen Renitenzler Werner Schulz aufgeregt hatte, dass man kurzzeitig befürchten musste, es könne vor den Augen von Sabine Christiansen zu Handgreiflichkeiten kommen. Merkels irritierende Abstinenz Ansonsten hatte Beck am Wahlabend selbst eigentlich recht heiter gewirkt, die Kanzlerin dagegen war schlicht vermisst worden. Nirgends war sie aufgetaucht, obwohl es doch um die Bundeshauptstadt und ihr politisches Heimatland Mecklenburg-Vorpommern ging, wo sie sich im Wahlkampf besonders eingesetzt hatte. Aus ihrer Partei wurde dazu erklärt, dass Kanzler eben nicht bei jeder Landtagswahl noch am Abend ihren Kommentar abgeben, und doch irritierte Merkels Abstinenz nicht nur Reporter. Nun also, am Montagmittag, ist sie endlich da. Und sie versucht, aus diesem Ergebnis das Beste zu machen. Damit Friedbert Pflüger in Berlin von der Landespartei nicht in Frage gestellt wird, lobt sie sein mieses Ergebnis. Für Schwerin soll die Option auf eine Regierungsbeteiligung der CDU bekräftigt werden. Und für alle Fragen nach dem Bund bleibt sie bei ihrem Gestus der ausdruckslosen Unerschütterlichkeit. "Ich ziehe den Schuss, dass wir weiter arbeiten müssen", antwortet sie da. Und es fällt auf, dass Merkel an diesem Montag fast ein halbes Dutzend Mal Zuflucht in einem Begriff sucht, den ihr Vorgänger Gerhard Schröder, wenn auch viel später in seiner Amtszeit, wählte, als die eigene Partei ihn immer mehr bedrängte und die Wahlergebnisse immer hoffnungsloser wurden: Es ist das Wort von der Alternativlosigkeit.
Weil CDU und SPD jetzt alles andere brauchen als Grundsatzdiskussionen, reden sich Angela Merkel und Kurt Beck die Wahlergebnisse schön.
https://www.sueddeutsche.de/politik/kommentar-schill-partei-ohne-schill-1.885332
politik
Kommentar - Schill-Partei ohne Schill
00/05/2010
(SZ vom 22.08.2003) - Ronald Schills politische Höllenfahrt führt exemplarisch zwei Wahrheiten des politischen Geschäfts vor Augen. Einerseits korrumpiert nichts so sehr wie die Macht. Die Hamburger Rathauskoalition wird einzig vom gemeinsamen Willen zur Macht zusammengehalten. Denn zur Zeit fürchten die drei Regierungsparteien nichts mehr als Neuwahlen. Schills Partei würde mit einem politischen Kastraten als Spitzenmann in die Nähe der parlamentarischen Bedeutungslosigkeit schrumpfen. Die FDP hätte ebenfalls Mühe, erneut die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen. Die Union würde zwar gewinnen, aber nicht so viel, wie die Bündnispartner verlören. Auf der anderen Seite aber macht pures Machtstreben unglaubwürdig. Die Hamburger Koalition wird kaum die Wahlperiode überleben. Der Anführer ist weg, die Schmuddelkinder bleiben Man darf sich nicht täuschen. Ole von Beust hat nur den Anführer der politischen Schmuddelkinder rausgeworfen, nicht die ganze Bande. Mit deren nach zwei Jahren im politischen Geschäft ganz reputierlich gewordenen Mitgliedern will er weiter spielen. Sicher ist die Entfernung Schills ein Akt moralischer Aufrichtigkeit. Beust kann sich nicht erpressen lassen. Es ist aber auch der entschlossen gehandhabte Versuch, ein Projekt zu retten, das mit dem regelmäßig ausrastenden Polit-Narren Schill nicht länger tragbar war. Ole von Beust hat die erste Gelegenheit zum Rauswurf entschlossen genutzt. Und weil Macht so viel Spaß macht, kann es nicht verwundern, mit welcher Zielstrebigkeit die Führungsriege der Schill-Partei nach dieser Vorgabe den politischen Vatermord betreibt. Nicht nur die Nachfolgefragen im Senat wurden quasi über Nacht gelöst. Der Patron soll auch aus der Fraktion gedrängt werden, so wie es Beust implizit empfohlen hat. Selbst aus dem Parteikürzel soll der Name dessen, der bis dato alles zusammenhielt, getilgt werden. Das wird nicht gutgehen. Schill wird sich zurück melden Schill, monomanischer Einzelgänger, der er ist, verfolgt noch schmollend den Versuch seiner politischen Entsorgung. Der Mann, der aus öffentlicher Aufmerksamkeit das Gefühl persönlicher Bedeutsamkeit saugt, wird sich zurückmelden und seine bisherige Gefolgschaft vor die Wahl stellen: die Neuen oder ich. Die Rückkehr des Unbehausten aber würde Fraktion und Partei spalten, die Koalition ihre Mehrheit einbüßen. Doch selbst wenn dieses Szenario nicht einträte und Schill sich tatsächlich zurückzöge: Das Bild, das sich bietet, ist kaum verlockender. Beust müsste immer wieder rechtfertigen, warum er es mit einer Partei treibt, die ausschließlich von den Ideen und Parolen des Mannes lebt, den er zur politischen Unperson erklärt hat. Den moralischen Bonus, den ihm der Befreiungsschlag vom Dienstag verschafft hat, würde er nach und nach einbüßen. Und die eigene Partei müsste sich, je näher der Wahltermin rückt, fragen, welche Perspektive die Zusammenarbeit mit einer solchen Hilfstruppe überhaupt bietet. Auch deshalb werden sich bald die Stimmen in der Union mehren, das Experiment lieber heute als morgen abzubrechen.
Der Versuch von Bürgermeister Ole von Beust, dauerhaft die Hamburger Koalition zu retten, ist zum Scheitern verurteilt.
https://www.sueddeutsche.de/politik/aussenansicht-zar-wladimir-unfehlbar-und-messianisch-1.918550
politik
Außenansicht - Zar Wladimir - unfehlbar und messianisch
00/05/2010
Unter Boris Jelzin war Russland auf halbem Wege zu einer Demokratie, heute ist unsere Staatsordnung durch und durch autoritär-oligarchisch. Präsident Wladmir Putin hat Jelzins Wirtschaftsfreunde durch eigene ersetzt und seinen Getreuen aus Geheimdienstzeiten nicht nur die lukrativsten Stücke aus dem Besitz der vormaligen Jelzin-Protegés zugeschanzt, sondern ihnen auch zu höchsten Staatsämtern verholfen. Detailansicht öffnen Anna Politkowskaja (Foto: Foto: ddp) Mit dem Ergebnis, dass die Grenze zwischen Großunternehmertum und staatlichem Wirtschaftssystem, zwischen Business und Staatsdienst zusehends verschwimmt. Dabei entstand ein korruptes System, das alle Verwaltungsinstanzen, sämtliche Strukturen zum Schutz der Rechtsordnung und das gesamte Justizsystem befallen hat. Begannen die Gerichte unter Jelzin, sich als Institution zum Schutz der Rechte der Bürger und der Gesellschaft vor dem Staat zu entwickeln, sind sie heute wieder eine Abteilung des Kreml. Genauso wie die Generalstaatsanwaltschaft. Und auch die Medien, die vierte Säule in einer funktionierenden Demokratie, sind mundtot. All dies wird überschattet von dem Krieg in Tschetschenien, der die Gesellschaft Russlands insgesamt verändert. Er ist längst nicht mehr nur ein lokaler Konflikt, sondern ein Instrument zur Militarisierung des Landes. Der Grund dafür, dass dieser zweite Tschetschenien-Krieg, offiziell ,,Anti-Terror-Operation'' genannt, nun seit mehr als fünf Jahren anhält, ist einfach: Putin und Tschetschenien sind untrennbar miteinander verbunden. Der Präsident verdankt sein Amt vor allem der Tatsache, dass im September 1999, weniger als ein halbes Jahr vor seiner Wahl, im Nordkaukasus - Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien - ein Krieg entfacht wurde. Kein Programm und keine Vision Denn nur ein Krieg konnte aus dem völlig unbekannten Funktionär Putin, der kein Programm und keine Vision hatte, einen ernst zu nehmenden Präsidentschaftskandidaten machen. So wie der Krieg Putin zum Präsidenten machte, machte Präsident Putin den Krieg. Es ist Putins Politik, sein ganz persönlicher, stecken gebliebener Blitzkrieg mit deutlich rassistischem Einschlag und der verheerenden Strategie einer "Tschetschenisierung" des Konflikts: Die Regierung hat in Grosny ein Moskau-treues Marionettenregime installiert und hofiert die skrupellosesten, finstersten Gestalten Tschetscheniens.
Russlands Präsident hat den Weg des Landes zur Demokratie, den sein Vorgänger Jelzin eingeschlagen hatte, längst verlassen.
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politik
Von Bagdad nach Berlin - Das Echo einer wüsten Knallerei
00/05/2010
Es ist ein lausiger Film mit miserabler Bildführung. Der Kameramann muss ziemlich nervös oder unkonzentriert gewesen sein. Doch wenigstens wird scharf geschossen. Zu sehen sind einige Männer in der Wüste, sie sind im Konvoi unterwegs, haben ihre Jeeps verlassen und zielen mit Revolvern auf Kanister oder Ölfässer. Die Schützen sind nur vage zu erkennen. Beim Schwenk auf die Umstehenden fällt ein Mann auf, der sich die Ohren zuhält. Dann zeigt der kurze Streifen, der in diesen Tagen in der deutschen Geheimdienst-Szene kursiert, wie die Auto-Kolonne nächtens in Bagdad ankommt. Alles war nur ein Riesen-Spaß Kurz darauf schießt ein auffällig kurzhaariger Mann auf einen gepanzerten weißen Jeep. Er visiert die Karosserie an und müht sich erfolgreich, die ebenfalls schusssicheren Scheiben nicht zu treffen. Zwei Männer inspizieren die Einschussstellen. Sie juxen und grinsen. Es war alles nur ein Riesen-Spaß. Die von einem der Süddeutschen Zeitung nicht bekannten Filmer aufgenommenen Sequenzen stammen aus den Mai-Tagen 2003 - sie zeigen zwei ausgekochte Spezialisten des Bundesnachrichtendienstes (BND) nach ihrer Mission im Irak-Krieg: Der Kurzhaarige in dem Filmchen ist der BND-Agent Volker H., der nicht nur bei der Ballerei in der Wüste mittendrin war. Der andere, der sich die Ohren zuhielt, weil er das Geknalle in der Ödnis nicht hören wollte oder so vornehm tat, ist sein Kollege Reiner M. Die Frage, was sie zwischen Februar und April 2003 in der irakischen Hauptstadt gemacht haben oder nicht, ist in Deutschland ein Politikum und kann über politische Karrieren entscheiden. Seit ein paar Tagen halten sich die beiden im kalten Berlin auf, um sich auf den Einsatz auf einem gefährlichen Parkett vorzubereiten: Am Mittwoch traten sie vor den Mitgliedern des geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) auf und berichteten über ihre Zeit in Bagdad. Was sie den Parlamentariern sagten, welchen Eindruck sie bei den Abgeordneten hinterließen, ist geheime Kommandosache. Über die Feinheiten des PKG darf nicht öffentlich berichtet werden, die staatlichen Instanzen schotten sich ab. "Ein Geheimdienst ist geheim, weil er geheim arbeitet," sagt ein hochrangiger Nachrichtendienstler, der natürlich seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Nur Non-Targets genannt? Fest steht: Die Rohmeldungen über den Krieg, die Reiner M. und Volker H. aus Bagdad absetzten, landeten auch beim Pentagon-Geheimdienst Defense Intelligence Agency (DIA) in Stuttgart, und der gab das an die US-Luftwaffe weiter. Nach Darstellung des BND haben die beiden nur Non-Targets genannt. Sie hätten Aufstellungen ziviler Ziele geliefert, die nicht angegriffen werden dürften - Krankenhäuser oder Schulen zum Beispiel. Amerikanische Quellen hingegen wollen auch zielrelevante Informationen vom deutschen Nachrichtendienst bekommen haben - Hinweise auf Panzer oder andere Fahrzeuge. Es war ein Geheimkommando, und deshalb lief vieles wie hinter Milchglas ab. Theorien über ihren Einsatz wuchern auch in Pullach. Ohnehin neigen Nachrichtendienstler zu Verschwörungstheorien. Der Spruch: "Wenn ein Geheimdienstler Blumen riecht, schaut er sich nach einem Sarg um", skizziert das umlaufende Gerede in Pullach. Jeder traut fast jedem alles zu. Vor allem das Schlechteste. Da sind Geheimdienstler noch schlimmer als Politiker.
Warum zwei BND-Agenten zu ihrem Irak-Einsatz nun ganz geheim Bundestagsabgeordneten Rede und Antwort stehen müssen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/serie-glaubenssache-indien-im-supermarkt-der-seelen-1.931347
politik
"Serie ""Glaubenssache"": Indien - Im Supermarkt der Seelen"
00/05/2010
Sie pilgern zu heiligen Stätten, meditieren in der Wüste, verehren Gott in der Natur, in Tempeln, Moscheen und Kathedralen: Überall suchen Menschen nach einem höheren Sinn ihres Daseins - und gehen dabei sehr unterschiedliche Wege. In einer Serie beschreiben SZ-Korrespondenten das spirituelle Leben in verschiedenen Kulturen der Erde. Die Gurus der neuen Zeit: Sie sind die Konditionstrainer der Seele. Sie arbeiten praktisch, einfach, schnell. Sie pflegen den Appeal von Instantcoffee, denn sie wissen, dass im Hamsterrad der Globalisierung nichts so knapp ist wie Zeit. Sie haben eine allumfassende Vorstellung von Religion und Spiritualität, konfessionelles Denken ist ihnen fremd. Sie sind Experten darin, sich zu vermarkten, sie beherrschen die modernen Mittel der Kommunikation. Ihr Mantra ist, anders als bei ihren Vorgängern, nicht die Lossagung von allem Materiellen. Sie sind ganz im Gegenteil dem Irdischen verhaftet und wollen es für ihre Kunden beherrschbar machen, und zwar unter Vermeidung von Stress, Frustrationen und Komplikationen. Denn darum geht es ja: mit dem Druck der zusehends materialistischen indischen Gesellschaft fertig zu werden. Neue Zeiten, neue Gurus. "New-age-gurus" nennt sie die Hindustan Times, von "Pop-Gurus" schreibt India Today. Ein Berufsprofil der anderen Art und entsprechend die Karrieren: Einer, der gestern Jeans verkauft hat, mag heute schon mit spirituellem Fastfood handeln. Bei Vikas Malkani war es tatsächlich so. Der war mal Manager einer großen Textilfirma, er weiß, wie man ein Produkt vermarktet und dass es dazu vor allem griffiger Slogans bedarf, so genannter "buzz words". Die Fähigkeit, sich solche Schlagworte nutzbar zu machen, hat er nach seiner Erweckung im Alter von 29 Jahren nicht verloren, vielleicht ist sie dadurch sogar erst zur vollen Blüte gekommen. Seelenkrieger Was anderswo Praxis hieße, nennt Malkani "Soul Centre", also Zentrum für die Seele, und weil es natürlich auch einer Philosophie bedarf, hat er sich die des "Seelenkriegers" zugelegt. Trifft man sich mit ihm zum Gespräch, dann kann es sein, dass er plötzlich ein Kärtchen hervorzieht, auf dem nicht nur die Website, sondern auch das Motto des Vikas Malkani gedruckt steht: "Live Life Godsize!" Schwer zu übersetzen und vermutlich der Tabakwerbung entliehen. Man soll sich, heißt es wohl, an der Größe Gottes orientieren. Dabei ist Malkani gar nicht religiös. Er zitiert zwar Jesus und Buddha (Worte des Letzteren hat er ebenfalls auf Kärtchen parat), findet aber, Gott sei zu groß, um in eine einzige Religion zu passen. Da denkt man dann unwillkürlich an das Anprobieren einer Jeans, aber vielleicht liegt das auch daran, dass wir noch keine Seelenkrieger im Malkanischen Sinne sind.
Indische Neuzeit-Gurus bieten gestressten Kunden den schnellen Weg zum Glück - und werden so zu Gewinnern der Globalisierung.
https://www.sueddeutsche.de/politik/europas-presse-ueber-eu-gipfel-notfalls-ohne-die-kaczynskis-1.930522
politik
"Europas Presse über EU-Gipfel - ""Notfalls ohne die Kaczynskis"""
00/05/2010
Zum Verlauf und zu den Ergebnissen des europäischen Gipfels in Brüssel schreiben die Zeitungen: NZZ AM SONNTAG (Zürich): "Die Briten haben ihren Kopf durchgesetzt, und das ist gut so. Sie lehnen die Anmaßungen einer gesamteuropäischen staatlichen Souveränität ab, die der Union im Zuge der Vertragsreform übergestülpt werden sollten, bis diese ins Stocken geriet. Bei den nun fallengelassenen Begriffen wie "Verfassung" und "Außenminister" bis zur europäischen Hymne handelte es sich um Symbole, gewiss. Aber es waren Symbole, die auf die Tendenz verwiesen, Brüsseler Befugnisse auf Kosten der Nationalstaaten auszubauen (...) Nach dem EU-Gipfel vom Wochenende bewegt sich die EU in eine Richtung, auf der auch die Schweiz einmal zu ihr stoßen könnte." TAGESSPIEGEL AM SONNTAG (Berlin): "Nun ist Warschau wieder an Bord. Trotzdem ist der Reformvertrag damit noch nicht gerettet. Die nächsten Hürden bis zum Europawahljahr 2009 stehen schon. Da ist zunächst die Regierungskonferenz bis Ende des Jahres, und dann kommt der eigentliche Test: der erneute Durchlauf des Ratifizierungsverfahrens. Geht das ohne neue Unfälle über die Bühne, wäre die EU einen großen Schritt vorangekommen und Merkel hätte dazu einen wesentlichen Beitrag geleistet. Wenn. Dann." THE TIMES (London): "EU-Gipfel lassen den typischen marokkanischen Basar schon lange aussehen wie ein Modell der Anständigkeit. Prinzipien werden verschachert während nach Worten gesucht wird, die in verschiedenen Sprachen jeweils etwas leicht Unterschiedliches für verschiedene Politiker bedeuten könnten, die nur in der gemeinsamen Angst vor ihren Wählern vereint sind. Das Treffen in Brüssel hat diesen bedrückenden Standard sogar noch übertroffen. Dabei wurde es zur Norm, dass wichtige Zugeständnisse im allerletzten Moment auf Grund völliger Erschöpfung angeboten werden." LIDOVE NOVINY (Prag): "Der ursprüngliche Vorschlag sah in der Tat vor, dass Deutschland stimmenmäßig stärker wird. Das war ein Vertrauensbeweis der EU an ein Deutschland, das sich dies in 50 Jahren Arbeit für Europa redlich verdient hatte. Aber in den Augen des merkwürdigen Polens der Kaczynskis verdient Deutschland überhaupt nichts, schon gar nicht das Vertrauen Warschaus. (...) Europa will aufbauen, nicht niederreißen. Notfalls wird dies ohne die Kaczynskis geschehen müssen. Hoffentlich nicht ganz ohne Polen." LE MONDE (Paris) "Der EU-Vertrag gibt der Europäischen Union wieder Luft zum Atmen". ZYCIE WARSZAWY (Warschau) "Thriller auf dem Gipfel der Union" RZECZPOSPOLITA (Warschau) "Horror, Kompromiss, Horror"
"Basar", "Thriller" und "völlige Erschöpfung": Wie die europäische Presse den Brüsseler EU-Gipfel kommentiert. Eine Übersicht.
https://www.sueddeutsche.de/politik/hintergrund-ein-barfuessler-an-der-schwelle-zur-macht-1.918719
politik
Hintergrund - Ein Barfüßler an der Schwelle zur Macht
00/05/2010
Normalerweise nimmt der Bürgermeister von Teheran an Kabinettssitzungen teil. Als Mahmud Ahmadinedschad vor zwei Jahren Stadtoberhaupt wurde, setzte Reformpräsident Mohammed Chatami dieses Gewohnheitsrecht aus. Der unbekannte und weitgehend unerfahrene Erzkonservative, der seinen Platz noch dazu der Wahlenthaltung enttäuschter Bürger zu verdanken hatte, passte nicht in die Runde. Jetzt haben die Wähler Ahmadinedschad vor die Schwelle der nationalen und internationalen Politik gesetzt. Niemand hatte mit diesem Ergebnis gerechnet, nicht in Iran, nicht im Ausland. Immer noch dürfte im zweiten Wahlgang Expräsident Haschemi Rafsandschani gewinnen. Sicher ist es freilich nicht. Es setzt voraus, dass sich die Reformwähler der Mitte und der Linken für ihn entscheiden. Auch ein Teil der Konservativen wird für ihn stimmen. Sie alle sind indessen nicht organisiert wie die Radikalen, deren Kandidat sich auf Moscheen und Massenorganisationen stützen kann. Den Fehler, aus Überdruss an der politischen Misere den Urnen fernzubleiben, darf sich die regimekritische Mehrheit nicht noch einmal leisten. Kein Wunschkandidat Es entbehrt nicht der Ironie, dass diese Mehrheit nach dem Schock der Freitagswahl ihre Hoffnungen ausgerechnet auf Rafsandschani setzen muss. Er war einmal so unbeliebt, dass er bei Parlamentswahlen vor fünf Jahren das 30. und letzte Mandat für Teheran nur mit Hilfe von Nachzählungen erlangte. Unter den gegebenen Umständen ist er der Wunschkandidat von fast niemandem, aber vielleicht der zweitschlechteste für viele. Ahmadinedschad hat seine Wurzeln in der Klasse der "Barfüßler", die Revolutionsführer Chomeini vor einem Vierteljahrhundert an die Macht brachte. "Wir haben diese Revolution nicht um der Demokratie willen gemacht", sagte der Überraschungsgewinner noch im Mai. Belastung für Beziehungen zum Ausland Würde er Präsident, wäre er vor allem ein absolut getreuer Gehilfe des geistlichen Führers Ali Chamenei. Nicht mehr Intellektuelle, Träumer und Technokraten wie unter Chatami säßen in den Büros der Staatsspitze, vor allem keine Reformer mehr. Von Ahmadinedschads Wahl wäre ein Rückfall in frührevolutionäre Schlichtheit des Denkens und der Argumente zu befürchten. Die Beziehungen zum Ausland könnten darunter nur leiden. Nie war die Islamische Republik ein Monolith der Macht. Stets gab es zwischen den Herrschenden Meinungsverschiedenheiten und Platz zum Manövrieren. Wenn nach geistlicher Führung, Justiz, Streitkräften, Polizei und Geheimdiensten jetzt mit dem Präsidenten auch noch die Exekutive in konservative Hände fiele, wäre das System fast perfekt einfarbig. Vielleicht wäre das Erstaunen über das Stimmergebnis gleichwohl etwas geringer, wenn nicht Journalisten, Diplomaten und verwestlichte Iraner vorzugsweise mit Leuten redeten, deren Sprache und Mentalität sie verstehen. Wähler Ahmadinedschads sind selten darunter. Aber sie gibt es auch.
Völlig unerwartet kommt mit Mahmud Ahmadinedschad ein erzkonservativer Kandidat in die Stichwahl fürs Präsidentenamt in Iran.
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundesnachrichtendienst-fragwuerdige-freunde-1.917515
politik
Bundesnachrichtendienst - Fragwürdige Freunde
00/05/2010
Von August 2002 bis Oktober 2004 war Craig Murray, 47, Botschafter Londons in Usbekistan. In all der Zeit hat er - undiplomatisch, aber voller Überzeugung - die Menschrechtsverletzungen kritisiert, die in dem größten Staat Mittelasiens an der Tagesordnung seien. Detailansicht öffnen Hat der BND die spezielle Beziehung Deutschlands zu Usbekistan genutzt? (Foto: Foto: AP) Dissidenten würden gefoltert, der britische Auslandsnachrichtendienst MI6 und auch die CIA nutzten solche Geständnisse. 2004 wurde Murray entlassen. Seitdem hat er das Unrecht beharrlich angeprangert. Erstmals hat Murray, der über seine Erlebnisse ein Buch mit dem Titel "Mord in Samarkand" publizieren will, auf die angebliche Komplizenschaft der Deutschen hingewiesen und Aufregung in Berlin ausgelöst. Ungenau im Detail, aber zielgerichtet, erklärte er am Donnerstag vor dem CIA-Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments in Brüssel, Deutschland habe "sicherlich auch Erkenntnisse von den Usbeken bekommen, auch unter Folter gewonnene". In seiner Zeit als Botschafter habe er von engen Verbindungen der deutschen zu den usbekischen Geheimdiensten erfahren. "Was will der über Beziehungen des BND wissen?" Der FDP-Innenpolitiker Max Stadler und Grünen-Abgeordneter Hans-Christian Ströbele verlangen von der Bundesregierung Aufklärung, und es ist möglich, dass Murray irgendwann auch als Zeuge vor den BND-Ausschuss geladen wird. Aber was weiß er wirklich über die deutsche Rolle? "Es handelt sich auch dann um gehobenen Flurfunk, wenn ein Ex-Botschafter über etwas redet, das er nicht kennt", sagt ein hochrangiger Sicherheitsbeamter. "Was will der über Beziehungen des BND wissen?" Auffallend ist, dass es sehr spezielle deutsch-usbekische Beziehungen gibt. Die deutsche Botschaft in Taschkent rühmt das von Diktator Islam Karimow regierte Land, in dem nach Aussage von Menschenrechtlern die Folterer immer Konjunktur haben, als Hort der Gastfreundschaft. In Berlin ist viel von "termischen Beziehungen" die Rede und von der "Gesamtlage", die man im Blick behalten müsse. "Termische Beziehungen" ist eine andere Bezeichnung für die unmittelbar an der Grenze zu Afghanistan gelegene Großstadt Termes, die nicht nur über einen berühmten Flusshafen, sondern vor allem über einen Flughafen verfügt. Seit 2002 hat die Bundeswehr dort einen Luftwaffenstützpunkt, der monatlich 240000 Euro Miete kostet. Die Deutschen waren weiterhin willkommen Termes sei für die Deutschen, die nach Afghanistan wollen, ein "sicherer Hafen", verkündete Ende 2005 Friedbert Pflüger, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, und die Bundeswehr wolle dort bleiben. Koste es, was es wolle? Nachdem das Regime Karimow im Frühjahr 2005 in der usbekischen Stadt Andischan Hunderte Demonstranten getötet hatte, verhängte die EU Sanktionen. Die Amerikaner mussten, auch auf Drängen der Russen und Chinesen, ihren Luftwaffenstützpunkt räumen, nur die Deutschen waren weiterhin willkommen. Sie blieben, und Zakir Almatow, der Kommandeur jener Einheiten, die das Massaker angerichtet hatten, flog trotz eines Einreiseverbots für die Europäische Union nach Deutschland, um sich in einem Krankenhaus behandeln zu lassen. Eine Anzeige gegen Almatow hatte keine Konsequenzen. "Den Amerikanern fällt es leichter als uns, einen Luftwaffenstützpunkt zu verlegen", sagt ein Kenner der Berliner Verhältnisse. Murray würde vermutlich das Problem anders lösen.
Ein ehemaliger englischer Botschafter erhebt schwere Vorwürfe: Der BND soll Foltergeständnisse aus Usbekistan genutzt haben.
https://www.sueddeutsche.de/politik/gerhard-schroeders-abschied-definitiv-geloest-1.883644
politik
Gerhard Schröders Abschied - Definitiv gelöst
00/05/2010
Stumm steht er da, mit vorgerecktem Kinn, und umklammert mit beiden Händen das Rednerpult. Die Gewerkschafter lassen Gerhard Schröder nicht sprechen - nicht weil sie ihn auspfeifen, sondern weil sie ihm stürmisch applaudieren, noch bevor er ein einziges Wort sagen kann. Als die 390 Delegierten der IG Bergbau, Chemie, Energie dann zu rhythmischem Klatschen übergehen, wischt sich Schröder unter einem Auge entlang. Detailansicht öffnen Gerhard Schröder wischt sich unter dem rechten Auge entlang (Foto: Foto: AP) Auf der Großbildleinwand sehen alle, wie es in den Augen glitzert, und dieses Mal ist es nicht die Angriffslust. Der so oft Geschmähte wird gefeiert. Minute um Minute schallt der Beifall durch die graue Messehalle in Hannover. Der Kanzler setzt seine Brille auf, "damit man im Fernsehen nicht alles sieht", wie er erklärt. "Das ist nicht einfach für mich", sagt er mit rauer Stimme. Und in der plötzlichen Stille nach dem großen Applaus klingt das sehr laut. Der nächsten Regierung werde er "definitiv" nicht angehören, sagt er dann als Erstes. Vielleicht tut er es, weil die Gewerkschafter zu ihm empor starren, als würden sie gerade des Messias ansichtig, eines Mannes, der auferstanden ist von den politisch Toten als Retter aus aller großkoalitionären Not. "Aber ich möchte unter euch bleiben", setzt er hinzu. Wäre der Kanzler bibelfest, könnte man meinen, er habe den Satz aus dem Evangelium des Lukas entlehnt. "Ich weiß, wo ich herkomme, und deshalb weiß ich, wo ich hingehöre", fährt er dann fort. Und auch wenn er den Satz schon tausendmal anderswo gesagt hat - die Gewerkschafter springen erneut auf, sie klatschen, klatschen und klatschen. Die vernagelte Katzenklappe Nun also hat er sich festgelegt, diesmal auch öffentlich. Wie das bei Gerhard Schröder manchmal so ist, hat er zunächst eine immer noch kryptische Andeutung gemacht. Das war am Dienstagabend auf dem Maschinenbau-Gipfel - was es nicht für seltsame Veranstaltungen gibt - in Berlin. Dort hielt er eine Rede und streute in sie en passant zwei Sätze ein: "Ich werde jedenfalls daran mitarbeiten, dass es gut wird. So verstehe ich die Aufgaben, die man dann, und auch dann noch hat, wenn man der nächsten Regierung nicht mehr angehört." Aha, dachten etliche, er deutet wieder einmal an, dass er geht, aber er lässt dennoch ein Türchen offen, vielleicht auch nur eine Katzenklappe, weil er ja gesagt hat: "wenn man..." Am Mittwochmittag hat er auch noch die Katzenklappe vernagelt. Auf dem Gewerkschaftstag seiner Lieblingsgewerkschaft, der sein absoluter Lieblingsgewerkschafter Hubertus Schmoldt vorsteht, hat er den entscheidenden Satz nachgeschoben: "Ich werde der nächsten Bundesregierung nicht angehören. Definitiv nicht." Dieses "definitiv" heißt selbst für Schröders Verhältnisse nun wirklich definitiv. Allerdings muss man auch einräumen, dass Schröder selbst das Gefühl hat, er habe sich eigentlich schon längst nahezu definitiv geäußert. Er sah sich zwar seit gut zwei Wochen von vielen Parteifreunden bedrängt, noch den Vizekanzler zu machen, aber innerlich hatte er sich, mit Zuspruch seiner Frau, eben doch für den Rückzug entschieden.
Schlussendlich mit ruhiger Hand zieht sich der Kanzler aus der großen Politik zurück. Beim Gewerkschafskongress in Hannover wirkt er geradezu versöhnlich.
https://www.sueddeutsche.de/politik/der-fall-pfahls-das-elend-auf-zehn-quadratmetern-1.883308
politik
Der Fall Pfahls - Das Elend auf zehn Quadratmetern
00/05/2010
Niemand ist fürs Gefängnis geboren, aber die im 14. Pariser Stadtbezirk gelegene Haftanstalt La Santé ist ein besonders übler Knast. Über die "beinahe mittelalterlichen" Zustände in dem baufälligen Gefängnis hat vor ein paar Jahren die französische Medizinerin Veronique Vasseur einen alarmierenden Report verfasst: Von Rattenplagen, verdorbenem Essen, Schikanen und mit Drogen dealenden Aufsehern berichtete die Chefärztin des Gefängnisses. Und es heißt, dass sich die Bedingungen nach Erscheinen des Berichts im Jahr 2000 noch weiter verschlechtert haben. Seit dem 13.Juli 2004 ist im GebäudeA der Anstalt der Untersuchungshäftling Ludwig-Holger Pfahls untergebracht. Der ehemalige deutsche Rüstungsstaatssekretär und frühere Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der fünf Jahre auf der Flucht vor Zielfahndern des Bundeskriminalamts war, lebt derzeit in einem zehn Quadratmeter großen Raum. In seiner Zelle steht ein geliehenes Fernsehgerät. Vergleichsweise ist Pfahls Situation damit noch komfortabel. Schmuddelige Zelle Das Gefängnis, das eigentlich nur 1237 Haftplätze hat, ist chronisch überbelegt. 80 Häftlinge teilen sich vier Duschen - La Santé heißt übersetzt Gesundheit, aber das ist der reine Hohn. Hygiene ist für die Häftlinge ein Wort aus einer anderen Welt. "So eine Haftanstalt habe ich noch nie gesehen", sagt Pfahls Verteidiger Volker H. Hoffmann. Und er hat wirklich schon viel erlebt. Der 56-jährige Mainzer Anwalt war früher Staatsanwalt in Koblenz, und er hat in manchem deutschen Knast nach Kassibern der Häftlinge geforscht. "Kein Knast war so schlimm wie der in Paris", sagt Volker Hoffmann. Schon der Ton der Wärter in dem einzigen Gefängnis, das innerhalb von Paris liegt, sei "ungewöhnlich". "Hier kümmert sich niemand um nichts" Wenn die Aufseher Pfahls in die enge, schmuddelige Besucherzelle begleiteten, riefen sie auf dem Flur "Stopp". Der Gefangene müsse parieren - und er leide unter der Situation. "In der Besucherzelle, die kleiner ist als ein Abteil in einem Zug, liegen alte Zigarettenkippen herum. Hier kümmert sich niemand um nichts", sagt Hoffmann. Wann Pfahls, der einer raschen Auslieferung nach Deutschland zugestimmt hat, in eine deutsche Haftanstalt kommt, ist noch ungewiss. Es droht ein langwieriges Auslieferungsverfahren. Frankreich hat die EU-Übereinkunft zum vereinfachten Auslieferungsverfahren bislang nicht ratifiziert, und die Bundesrepublik hat den europäischen Haftbefehl noch nicht in seine Gesetzgebung aufgenommen. Der Fall Pfahls wird wohl zunächst vor einer Pariser Untersuchungskammer behandelt werden. Das aber kann dauern. Der 61-jährige Pfahls, dem vorgeworfen wird, sich als Staatssekretär in den Jahren 1990 und 1991 gegen die Zahlung von umgerechnet zwei Millionen Euro Schmiergeld für den Export von 36 Spürpanzern "Fuchs" nach Saudi Arabien eingesetzt zu haben, beschäftigt sich derzeit in der Haft mit der Analyse der rund 45 Seiten dicken Anklageschrift, die am 19.November 2001 von einem Staatsanwalt und einer Staatsanwältin der Augsburger Staatsanwaltschaft unterzeichnet wurde und von der 10. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Augsburg akzeptiert worden ist. Unzählige Gerüchte und Verschwörungstheorien Ein ziemlich unwirklicher Vorgang: Als sich Pfahls jahrelang vor den Zielfahndern des Bundeskriminalamtes in Paris versteckte, bastelte er in seiner Wohnung im 7. Pariser Stadtbezirk an einer Erwiderung auf die Anklage, die nur in Ausrissen in den deutschen Medien veröffentlicht worden war. Er versuchte auf seine Weise, die Vorwürfe zu widerlegen.
Unhygienische Zustände und viele Demütigungen - warum Ludwig-Holger Pfahls auf eine rasche Auslieferung nach Deutschland hofft.
https://www.sueddeutsche.de/politik/berlin-nach-den-wahlen-das-muede-laecheln-der-sphinx-1.885592
politik
Berlin nach den Wahlen - Das müde Lächeln der Sphinx
00/05/2010
Wenn es eine heimliche Leidenschaft der Kanzlerin Angela Merkel gibt, die sie letztlich doch nie verbergen kann, dann ist es ihre stille Lust, beharrlich allen Erwartungen zu trotzen. Genau das nicht zu tun, worauf die anderen aus ihrer Partei, die Journalisten und erst recht ihre Konkurrenten dringen. Und dazu still zu lächeln. An diesem Montag warten alle auf das große Signal zum Aufbruch. Endlich soll es in der deutschen Politik richtig losgehen, da nun die sperrigen Landtagswahlen vorüber sind. Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende weiß das nur zu genau, als sie in der Parteizentrale auftritt. Und wirkt deshalb erst recht entschlossen, nur ihre ausdruckslose Sphinx-Maske zu zeigen. Detailansicht öffnen Angela Merkel am Tag nach den Landtagswahlen (Foto: Foto: Reuters) Ihr fester Wille, nichts preiszugeben, lässt sich schon an den ersten Sätzen ablesen. Die Sprache der Kanzlerin ist zwar selten mitreißend. Aber gelegentlich gönnt sie sich doch eine kleine, erfrischende Keckheit. Jetzt aber baut Merkel mit sperrigen Wörtern, wie sie sonst brave Vorsitzender kleiner Heimatvereine prägen, einen undurchdringlichen Wall. "In der Gesamtsummation" könne man sage, dass dieser Wahltag ein guter Tag für die CDU gewesen sei. Im Vorstand habe man sich mit den Ergebnissen befasst, sie seien eine Ermutigung für weitere Schritte. Solche Sätze eben. Und dann kommt gerade das Gegenteil einer großen Ankündigung. Ruhe als Kanzlerpflicht Statt von großen Schritten spricht Merkel von "Themen, die jetzt engagiert auf die Tagesordnung gesetzt" werden sollen und rattert - einer alltäglichen Mehl-Eier-Zucker-Milch-Einkaufsliste gleich - unbetont ihre Agenda herunter. Die Gesundheitsreform, der Bürokratieabbau, die Energiepolitik, die Familienpolitik und so weiter - da klingt eins nicht wichtiger als das andere. Wenn sie etwas hervorhebt, dann ist es die Tatsache, dass sich nichts ändern wird. Die ersten Monate der großen Koalition seien die erste Etappe gewesen, "ich nenne das die zweite Etappe", kündigt sie an. In solchen Momenten fällt auf, wie nachhaltig die schmerzhaften Erfahrungen sind, die Merkel als kühne Reformerin gemacht hat, die dem Land offen die Notwendigkeit ganz großer Schritte erklärte. Eine solch verhängnisvolle Offenheit soll ihr nicht wieder unterlaufen. Bewusst spielt Merkel die Brisanz runter, als es um die Gesundheitsreform geht. Als ob nur ein paar nur Reparaturen anstehen. Anders als beim Rentensystem könne man gar nicht auf so eine lange Zeit projizieren, sagt sie, das "System muss über die Jahre beständig weiter entwickelt werden". Jetzt wäre bis zum Sommer eine Einigung wünschenswert. Die Kanzlerin ist an diesem Montag so entschlossen, nichts dramatisch zu finden, dass sie sogar Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer damit aus der Ruhe bringt. Und dazu braucht es schon einiges. Böhmer mag sich gar nicht richtig über seinen Wahlsieg freuen, weil sich so erschreckend wenig Bürger an der Wahl beteiligt haben. Und so ergreift der bevorzugt schweigsame Mann das Wort, als Merkel erklärt, dass man "die Dinge nicht dramatisieren sollte" und das Fernbleiben der Wähler mit der Tatsache erklärt, dass da eine Bundesregierung ruhig ihre Arbeit gemacht habe. Aber selbst auf Böhmers Bekenntnis zu seinem Kummer reagiert die Kanzlerin mit eigentümlicher Gleichmut. "Man muss den Bürger auch zugestehen", sagt sie, "dass er pro Wahl entscheidet: Gehe ich hin oder nicht?"
Feierstimmung? Angriffslust? Angela Merkel bleibt auch nach den Landtagswahlen betont vorsichtig, und selbst die SPD zeigt neue Nüchternheit.
https://www.sueddeutsche.de/politik/rom-die-magie-der-schlichten-worte-1.930339
politik
Rom - Die Magie der schlichten Worte
00/05/2010
Kardinal Joseph Ratzinger ist ein kontrollierter Mensch, doch als er an diesem Freitag um 20 vor elf in Rom ans Mikrofon trat, da konnte man sehen, wie der derzeit mächtigste Mann der katholischen Kirche mit der Rührung kämpfte. Detailansicht öffnen Kardinal Joseph Ratzinger leitet die Trauerfeier. (Foto: Foto: dpa) Er hielt sich an den Blättern seiner Trauerpredigt fest, an denen der Wind zerrte, und manchmal schien er froh über den Applaus zu sein, der insgesamt dreizehnmal aufbrandete - Zeit zum Sammeln, zum Luftholen, die brüchige Stimme zu glätten. Papst war bis ins letzte ein Priester Der Kardinaldekan und bisherige Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation hätte Gelegenheit gehabt, der Stadt und dem Erdkreis Gewaltiges mitzuteilen: Was das Vermächtnis des toten Papstes sei, wohin es die katholische Kirche führe und führen müsse, was dies für die Mächtigen der Erde bedeute, von denen eine beeindruckende Zahl gerade mit gesenkten Häuptern auf Ratzingers Worte wartete. Doch Kardinal Ratzinger, oft als "Chefideologe des Papstes" verschrien, hat dieser Versuchung widerstanden und überraschend schlicht über den toten Johannes Paul II. geredet: über seine Kindheit, den Verlust der Mutter, der ihn zur Marienliebe gebracht habe, die Zeit der Zwangsarbeit unter den Deutschen, in der er sich entschlossen habe, Priester zu werden. Der Papst habe "uns aus einem müden Glauben geweckt, aus dem Schlaf der Jünger von gestern und heute". Er sei "bis ins Letzte Priester gewesen", habe "sein Leben Gott geopfert für seine Schafe und die ganze Menschheitsfamilie"; die Begegnung mit allen Menschen gesucht. Das österliche Geheimnis habe er "ausgelegt als Geheimnis der göttlichen Barmherzigkeit", die dem Bösen eine Grenze setze. Unerwartete Bescheidenheit Schließlich bleibe "unvergesslich, wie der Heilige Vater, vom Leiden gezeichnet, am letzten Ostersonntag seines Lebens sich noch einmal am Fenster des Apostolischen Palastes gezeigt und ein letztes Mal den Segen ,Urbi et orbi' gegeben hat". Er sei sicher, "dass unser geliebter Papst jetzt am Fenster des Hauses des Vaters steht, uns sieht und uns segnet". Johannes Paul II., der rastlose Jünger Jesu, Gottsucher, Priester - das ist die Botschaft Ratzingers, der in 20 Minuten nichts vom politischen Wirken des Papstes sagte, nichts von den 14 Enzykliken, viel aber vom Menschen Karol Wojtyla. Der Applaus zeigte, dass er richtig lag. Die Spekulationen, ob der Mann aus Deutschland nun mehr denn je ein aussichtsreicher Papstkandidat ist, dürften nach dieser Predigt zunehmen. Sehr geschickt, werden die einen sagen, wie Ratzinger beeindruckt hat, ohne seine Ambitionen offen zu zeigen. Die anderen werden entgegenhalten, dass der Ehrgeiz des bisherigen Glaubenswächters, selber Papst zu werden, tatsächlich gering sei. Solange die Kardinäle nicht den aus seiner Sicht Falschen zu wählen drohen.
Ergriffen und ergreifend hat Kardinal Joseph Ratzinger über den Menschen und Priester Karol Wojtyla gepredigt. Von eigenen Ambitionen keine Spur.
https://www.sueddeutsche.de/politik/500-jahre-schweizergarde-stramm-an-der-seite-des-papstes-1.913797
politik
500 Jahre Schweizergarde - Stramm an der Seite des Papstes
00/05/2010
Wenn Elmar Mäder an seinem Schreibtisch sitzt, blicken 500 Jahre Geschichte auf ihn herab. An den Wänden des Büros hängen die Porträts aller früheren Kommandanten der Schweizergarde - der Elitetruppe des Papstes. "Sie beobachten mich, wie ich hier arbeite", sagt Mäder und blinzelt zu den 32 Männern empor, als seien es seine Kameraden. Grimmige Kämpfernaturen sind darunter, in Helm und Harnisch, altväterliche Herren mit gefältelten Halskrausen und höfisch wirkende Adelige mit gepuderten Perücken. Oberst Mäder fällt ein bisschen aus der Reihe, wie er so dasitzt mit seinen kurzen schwarzen Haaren, dem gedeckten Anzug und der Krawatte. Ein Mann der Moderne. Doch sein Auftrag ist derselbe wie vor einem halben Jahrtausend: "Wenn der Papst heil bleibt, haben wir unsere Pflicht erfüllt." Legionäre aus der Schweiz galten als unbesiegbar An diesem Sonntag ist es auf den Tag 500 Jahre her, dass die ersten Schweizer in den Kirchenstaat einrückten. Das wird mit einer Messe in der Sixtinischen Kapelle und später in diesem Jahr mit allerlei Festen und Ausstellungen gefeiert. Papst Julius II. hatte die ersten Schweizer 1506 gerufen, um sich in gewalttätigen Zeiten schützen zu lassen. Legionäre aus der Schweiz wurden damals von vielen Kriegsherren bevorzugt. Sie galten als mutig, treu und nahezu unbesiegbar. Die "Svizzeri" sollten ihrem Ruf rasch gerecht werden und beweisen: Die Garde ergibt sich nicht. Der "Sacco di Roma" - die Plünderung Roms 1527 - wurde zu ihrer Bluttaufe. Am 6. Mai jenes Jahres stürmten Landsknechte von Kaiser KarlV. die Stadt. Die Garde stellte sich der Übermacht. Klemens VII. musste erleben, wie seine Gardisten vor dem Hochaltar von Sankt Peter niedergemetzelt wurden. Dank des Einsatzes der Schweizer gelang dem Papst die Flucht in die Engelsburg. 147 Gardisten starben. Seither ist der 6. Mai der Feiertag der Garde, an dem die Rekruten vereidigt werden. Auch dieses Jahr werden die Burschen schwören, sich mit aller Kraft für die Päpste einzusetzen, "bereit, wenn es erheischt sein sollte, selbst mein Leben für sie hinzugeben". Die 110 Mann starke Truppe wird sich dann wieder von ihrer pittoresken Seite zeigen. Die Männer tragen silberne Helme mit Straußenfedern, Brustpanzer und die berühmten Gala-Uniformen in Blau-Rot-Gelb, den Farben der Medici. Aus 154 Teilen werden diese Prachtstücke genäht. Die Legende sagt, Michelangelo habe sie entworfen. Doch das lässt sich nicht belegen. "Michelangelo hatte viele Qualitäten, aber er war kein Schneider", meint der Gardist Christian Roland Marcel Richard, der ein Buch über die Garde verfasst hat. Relikt der Renaissance Von ihrer Gala-Seite her kennt die ganze Welt die Gardisten. Als Ehrenwachen stehen sie stramm und regungslos vor den Eingängen zum Vatikan, bei Audienzen auf dem Petersplatz oder bei Messen im Dom. Beliebte Fotomotive der Touristen, bunte Relikte der Renaissance, Staffage eines Operettenstaates? Oberst Mäder winkt ab. Nur acht Prozent ihrer Zeit verbrächten seine Männer mit diesem Ehrendienst, 80 Prozent dagegen mit Sicherheitsaufgaben. Die Vatikan-Zugänge, den Apostolischen Palast und den Papst müssen sie schützen; und das tun sie nicht mit ihren Hellebarden, Lanzen und Schwertern, sondern mit modernstem Gerät - und Feuerwaffen.
Die behelmten Gardisten sind mehr als bunte Folklore - sie schützen den Pontifex mit modernsten Mitteln
https://www.sueddeutsche.de/politik/kommentar-mangel-an-fuehrung-1.929969
politik
Kommentar - Mangel an Führung
00/05/2010
(SZ vom 18./19.06.2003) - Die Europäische Kommission gerät in der Affäre um das EU-Statistikamt immer heftiger in die Kritik. Parlamentarier sind unzufrieden damit, wie windelweich die Brüsseler Machtelite auf ständig neue Vorwürfe gegen ihren Apparat reagiert. Hartnäckig setzt sich das Gefühl fest, die politische Spitze nehme die Bekämpfung von Misswirtschaft nicht ernst genug. Das ist erstaunlich, bedenkt man, dass die Vorgänger des Prodi-Ensembles vor vier Jahren genau deshalb zurücktreten mussten: Der Brüsseler Apparat war zur Lachnummer verkommen, weil unter anderem eine Kommissarin ihrem Zahnarzt einen lukrativen Posten verschafft hatte. Das Menetekel sollte also noch wirken. Der aktuelle Skandal reißt die alten Wunden wieder auf. Europas Bürger sehen es seit längerem mit Skepsis, wenn Kompetenzen aus ihren Ländern zum supranationalen EU-Apparat wandern. Auch wenn diese Bedenken häufig unberechtigt sind - Brüssel kann sich keines übermäßig guten Images erfreuen. Die Eurokraten wären gut beraten, diese Skepsis ernst zu nehmen - und zum Beispiel das Vorurteil zu entkräften, sie gingen leichtfertig mit Steuergeldern um und entzögen ihre Macht der Kontrolle. An zentralen Institutionen des Apparats darf kein Makel haften bleiben. Dies gilt auch für das Statistikamt Eurostat, mit dessen Daten immerhin über die Verteilung von Milliardensubventionen entschieden wird. Das verdrängte Versprechen Anspruch und Wirklichkeit der Brüsseler Führungsspitze klaffen im Skandal um Eurostat bedenklich auseinander. Nach dem Rücktritt der Santer-Kommission 1999 versprach der neue Präsident Romano Prodi "null Toleranz" bei Betrug. Etwa zur gleichen Zeit schöpften interne Prüfer erstmals Verdacht auf illegale Machenschaften bei Eurostat - in einer ganzen Reihe von Fällen. Im Laufe der Zeit erfuhren unterschiedlich hochrangige Mitglieder der Kommission davon. Doch erst nach Zeitungsberichten hat Brüssel die Spitze des Statistikamtes jetzt vorläufig abgesetzt - volle vier Jahre, nachdem die ersten Verdachtsmomente aufgeschrieben worden waren. Für dieses Verhalten gibt es zwei Erklärungen. Entweder Kommissare wie Pedro Solbes oder Michaele Schreyer wussten frühzeitig von den Vorgängen und ignorierten sie einfach. Oder ihre Verteidigung stimmt und sie waren ahnungslos - dann aber hat die Spitze den EU-Apparat nicht im Griff. In jedem Fall handelt es sich um einen eindeutigen Mangel an politischer Führung. Hin- und herschieben von Verantwortung Keiner wirft heute einem der Kommissare vor, seinen Zahnarzt zu protegieren oder sich persönlich zu bereichern. Es geht um etwas anderes: Um die EU-Maschine kontrollieren zu können, muss dessen Führung bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Die Spitzen der Kommission sind indes zu sehr damit beschäftigt, sich die Zuständigkeit gegenseitig zuzuschieben. Die EU wächst nächstes Jahr um zehn Staaten, die teils unselige Traditionen von Betrug und Korruption mitbringen. Es wird also höchste Zeit, dass die Kommission eine wirksame Struktur der Verantwortung schafft.
Die EU-Kommission verliert im Eurostat-Skandal massiv an Glaubwürdigkeit, weil niemand bereit ist, Verantwortung zu übernehmen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/matthias-platzeck-ein-mann-ein-schlusswort-1.883778
politik
Matthias Platzeck - Ein Mann, ein Schlusswort
00/05/2010
Na klar, es wird gescherzt unter den Journalisten im Willy-Brandt-Haus. Immerhin ist es der achte Rücktritt eines SPD-Vorsitzenden in 19 Jahren, hat ein Reporter bereits ausgerechnet. Und die Halbwertszeit wird immer kürzer. Franz Müntefering anderthalb Jahre, Matthias Platzeck keine fünf Monate, wenn das so weiter geht, hat die SPD bald keine Kandidaten mehr für das Amt des Parteichefs. Zynismus, Berlin, Hauptstadtbetrieb. Doch dann legt Matthias Platzeck diesen Auftritt hin, einen Auftritt, der es wirklich in sich hat. Detailansicht öffnen Traurig und niedergeschlagen: Matthias Platzeck (Foto: Foto: ap) Er kommt ein paar Minuten zu spät zur offiziellen Verkündung dessen, was sich in den zweieinhalb Stunden seit der ersten Agentur-Eilmeldung um Punkt neun Uhr längst herumgesprochen hat. Die ohnehin schmalen Lippen unter seinem Vier-Tage-Bart hat Platzeck fest zusammen gekniffen. Er steht jetzt links von der bronzenen Willy-Brandt-Statue und blickt genau auf jene gegenüberliegende Seite in der Parteizentrale, wo er Anfang November von Franz Müntefering als dessen Nachfolger vorgestellt wurde. Damals hat er ernst geschaut, aber jetzt, an diesem Morgen, sieht er mit seinem traurigen Gesicht, mit seinen leicht geröteten Augen, einfach nur niedergeschlagen aus. "Ausgesprochen schöne Erfahrungen" Er habe in den vergangenen Tagen "die schwerste Entscheidung meines bisherigen Lebens" treffen müssen, sagt Platzeck. Auf "dringenden ärztlichen Rat" hin lege er den Parteivorsitz nieder. Dann zieht er eine Art Bilanz seiner Arbeit, zählt all die Diskussionen auf, die er mit angestoßen habe, Familienpolitik, Energie, Grundsatzprogramm, spricht von den "ausgesprochen schönen Erfahrungen", die er in diesen fünf Monaten habe machen dürfen. Aber dies, sagt Platzeck, sei eben nur die eine Seite, "die Seite der Aktivitäten". Was nun folgt, ist vielleicht die eigentliche Überraschung an diesem Tag. Es ist die Verlesung der Krankenakte Matthias Platzeck durch ihn selbst, ein medizinisches Bulletin, das weitaus dicker und erschütternder ist, als selbst enge Vertraute bisher geahnt haben. Ende des vergangenen Jahres habe ihn bereits ein erster Hörsturz getroffen. "Den habe ich nicht ernst genommen", erzählt Platzeck. Am 11. Februar habe er dann einen Kreislauf- und Nervenzusammenbruch erlitten. Danach habe es "sieben oder acht Tage gebraucht, bis wieder alles richtig tickte". Es waren jene Tage, in denen Platzeck laut offiziellen Verlautbarungen mit einer Grippe im Bett lag. Am 29. März dann traf ihn ein zweiter Hörsturz, genau an jenem Tag, an dem die Spitzen der Koalition abends das erste Mal zu einem Gespräch über die Gesundheitsreform verabredet waren. Spätestens von diesem Tag an muss Platzeck mit sich gerungen haben. Ganz offensichtlich fiel die Entscheidung zuerst zugunsten des Weitermachens. Der SPD-Chef bereitete ein Thesenpapier zur Diskussion über das SPD-Grundsatzprogramm vor, das er dem Spiegel überließ. Am Montag, dem Tag seines Rücktritts, erschien der Text. In einer Einführung titelte das Magazin: "Platzeck meldet sich zurück."
Verschleppte Krankheit, Überforderung - oder beides? Matthias Platzeck hat die "schwerste Entscheidung" seines Lebens getroffen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/wm-abschlussbericht-schaeuble-enorme-oekonomische-impulse-1.895439
politik
"WM-Abschlussbericht - Schäuble: ""Enorme ökonomische Impulse"""
00/05/2010
150 Tage nach Ende der Fußball-WM im eigenen Lande legte die Bundesregierung einen äußerst positiven Abschlussbericht vor. Detailansicht öffnen Zwanziger und Schäuble (Foto: Foto: AP) "Italien hat sportlich die WM gewonnen, aber Deutschland ist auf vielfältige Weise der Gewinner", sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble nach der Verabschiedung des Berichtes durch das Bundeskabinett. Im Beisein von Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), zog Schäuble mit zeitlichem Abstand ein positives Fazit: "Wir haben in den vergangenen Monaten die Effekte und Wirkungen der WM analysiert und sind zu positiven Ergebnissen gelangt." Der CDU-Politiker wies darauf hin, dass Deutschland in der Außendarstellung enorm gewonnen habe. "Früher war von Service-Wüste die Rede, plötzlich hat man gesehen, wie freundlich Deutschland sein kann." "Enorme Investitionen machten sich bezahlt" Das Großereignis habe, so der Minister, enorme ökonomische Impulse im Lande ausgelöst. Durch die WM seien 50.000 neue Arbeitsplätze entstanden. Der Fußball-Weltverband FIFA habe den deutschen Finanzbehörden aus zu versteuernden Spielerprämien 7,2 Mio Euro überwiesen. Das WM-OK habe zwischen 55 und 60 Mio Euro an den Fiskus abgeführt. Dazu kämen rund 40 Mio Euro aus den Mehrwertsteuererträgen des Ticketverkaufs. In der Infrastruktur haben sich die enormen Investitionen bezahlt gemacht. Das Ziel, die Hälfte aller WM-Besucher mit der Bahn zu transportieren, sei übertroffen worden. Die Bahn habe 15 Millionen Reisende zur WM verzeichnet. Bundesweit seien 31 Prozent mehr Hotel-Besucher gezählt als im Vorjahr. "Und 90 Prozent der Gäste", so der Minister, "haben gesagt, dass sie uns wieder besuchen wollen." "Die WM war sportlich und wirtschaftlich sowie auch sicherheitspolitisch ein Erfolg", sagte Schäuble. Das Kulturprogramm habe mit seinen 48 Projekten zu einem freundlichen Klima beigetragen und konnte fünf Millionen Euro zurückzahlen. Politisch habe die Bundesregierung nach Meinung von Schäuble die WM nicht besonders für sich nutzen können. "Die Fußball-WM wäre auch mit der alten Regierung gutgegangen", meinte Schäuble schmunzelnd. Ziel: Frauen-WM 2011 Auch DFB-Präsident Theo Zwanziger sprach von einer Erfolgsstory: "Das, was wir 1992 durch die Begründung der Bewerbung angestoßen haben, ist zu einem Erfolg geworden, weil Sport, Politik, Wirtschaft und Kultur gemeinsam für ein Ziel gekämpft haben." Nur einen Ausrutscher habe es gegeben: "Das war die Studie der Stiftung Warentest, die sich mit ihrer besserwisserischen Darstellung profilieren wollte", so Zwanziger. Bei der Steuergesetzgebung für Großereignisse wurden indes unterschiedliche Positionen deutlich. Zwnaziger betonte, dass er sich wünsche, dass der Bund mit der Quellensteuer "flexibler sein sollte". Schäuble wies darauf hin, dass er für einen "europäischen Konsens eintreten werde". Im Rahmen der Pressekonferenz untermauerte Zwanziger die Absicht des DFB, die Frauen-WM 2011 ausrichten zu wollen. Eine Bewerbung für die WM 2010 im Falle eines Scheiterns von Südafrika komme für den DFB nicht in Frage: "Wir haben die Pflicht, Südafrika mit aller Kraft bei der Vorbereitung zu unterstützen", äußerte Zwanziger. Außerdem, so der DFB-Präsident, könne man die Erfolgsstory von 2006 nicht übertreffen. "Wir würden mit der Ausrichtung der WM 2010 nur scheitern", sagte der DFB-Boss.
Wirtschaft angekurbelt, sportlich geglänzt, Ansehen aufpoliert: Für den Innenminister ist Deutschland "der WM-Gewinner". DFB-Chef Zwanziger denkt schon an die nächste Weltmeisterschaft.
https://www.sueddeutsche.de/politik/kommentar-pfahls-und-der-abgrund-1.887427
politik
Kommentar - Pfahls und der Abgrund
00/05/2010
Vor vier Jahren standen die deutsche Öffentlichkeit und der Untersuchungsausschuss des Bundestages vor einem Abgrund von Patronage, verbotener Parteifinanzierung, Bestechung und Korruption. Niemand wusste genau, wie tief dieser Abgrund ist, niemand wusste genau, wie breit die Bäche sind, in denen da unten das Schmiergeld fließt. Weiße Flecken auf Landkarte der Korruption Man hörte es nur rauschen, und dieses Rauschen wurde von der sonor-empörten Stimme des Altbundeskanzlers Kohl nicht übertönt, der wiederholt versicherte, dass "die Regierung Kohl" niemals käuflich gewesen sei. Es schwindelte einem jedenfalls, wenn man nach unten blickte. Dem Untersuchungsausschuss gelang es leider nur partiell, den Abgrund zu kartografieren. Es rauschte weiter, aber die Öffentlichkeit interessierte sich immer weniger dafür. Die weißen Flecken auf der Landkarte der politischen Korruption blieben ziemlich groß. Schlüsselfigur Pfahls Das könnte sich nun, nach der Verhaftung von Holger Pfahls, ändern. Der ehemalige Rüstungsstaatssekretär und Geheimdienstchef weiß einiges. Er gilt als eine Schlüsselfigur in den zahlreichen Affären, die nach dem Regierungswechsel von 1998 ruchbar geworden sind. Pfahls wird reden, weil er einen Deal mit Staatsanwaltschaft und Gericht einfädeln will, um so eine niedrige Strafe zu erreichen.
Patronage, verbotener Parteifinanzierung, Bestechung: Der ehemalige Rüstungsstaatssekretär und Geheimdienstchef weiß einiges über politische Korruption in Deutschland.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/neuer-bieter-aufgetaucht-russen-an-karstadt-interessiert-1.951668
wirtschaft
Neuer Bieter aufgetaucht - Russen an Karstadt interessiert
00/05/2010
Im Ringen um die insolvente Warenhauskette Karstadt ist hat sich ein weiterer Interessent gemeldet. "Es ist ein Schreiben eingegangen. Es wurde an die Investmentbank zur Prüfung weitergeleitet", sagte ein Sprecher des Insolvenzverwalters Klaus Hubert Görg am Samstag. Wer zu den bisherigen Bietern Triton, Nicolas Berggruen und Highstreet hinzugekommen ist, wollte der Sprecher nicht sagen. Detailansicht öffnen Karstadt-Flaggen wehen vor der Karstadt-Hauptverwaltung in Essen: Im Ringen um die insolvente Warenhauskette ist nun überraschend ein neuer Bieter aufgetaucht - der Interessent soll aus Russland sein. (Foto: dpa) Nach einem Bericht des Spiegels handelt es sich dabei um ein russisches Konsortium unter Führung des St. Petersburger Unternehmers Artur Pachomow. Dieses wolle für einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag 100 Prozent der Geschäftsanteile erwerben. Wie die Nachrichtenagentur Reuters aus Kreisen erfahren hat, umfasst das Schreiben des Interessenten lediglich fünf bis sechs Seiten. Zudem habe er keine Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgenommen, hieß es in den Kreisen. Noch kein Favorit unter den Bietern In der Zitterpartie um Karstadt hatte Insolvenzverwalter Görg am Freitag die eigentlich an diesem Tag auslaufende Frist für einen Bieter bis auf den 9. Juni verlängert. An diesem Termin sollen nun die Gläubiger des 25.000 Beschäftigte zählenden Warenhauskonzerns einen Kaufvertrag mit einem neuen Eigner unterzeichnen. Bis dahin müssen sie sich aber noch einig werden, welchem Bieter sie den Zuschlag geben. Die deutsch-schwedische Fondsgesellschaft Triton, der Investor Nicolas Berggruen und das Vermieterkonsortium Highstreet um die US-Investmentbank Goldman Sachs hatten am Freitag erst kurzfristig vor der Sitzung des elfköpfigen Gläubigerausschusses detaillierte Gebote vorgelegt. Für den Vorsitzenden des Karstadt-Gesamtbetriebsrats, Hellmut Patzelt, gibt es noch keinen Favoriten unter den drei Bietern. Die Angebote müssten erst genau geprüft werden, sagte Patzelt, der als Vertreter der Belegschaft auch im Gläubigerausschuss sitzt, im Deutschlandradio Kultur: '"Der Investor, der Karstadt mittel- bis langfristig nachhaltig eine Zukunft bietet, und insbesondere natürlich den Arbeitsplätzen - ich glaube, das wird dann derjenige sein, der auch Karstadt haben soll."
Im Ringen um die insolvente Warenhauskette Karstadt ist überraschend ein vierter Interessent aufgetaucht. Der neue Bieter stammt offenbar aus Russland.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schlecker-und-verdi-vor-einigung-im-tarifstreit-ein-bisschen-frieden-1.950327
wirtschaft
Schlecker und Verdi vor Einigung im Tarifstreit - Ein bisschen Frieden
00/05/2010
Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer ist normalerweise niemand, der aus internen Gesprächen plaudert. Vor ein paar Wochen jedoch, bei einem Empfang der Stadt Oberhausen, erzählte er, wie neulich Guido Westerwelle zu Besuch gewesen sei und sie auf die Firma Schlecker zu sprechen kamen. Den DGB- und den FDP-Chef eint sonst wenig. Aber über die Drogeriekette sagte Westerwelle, laut Sommer: "Was da passiert, ist unanständig." Wenn der Eindruck nicht täuscht, legt Schlecker nun Wert darauf, als halbwegs anständig zu gelten. An diesem Donnerstag gehen die Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi weiter. Das Überraschende: Verdi ist optimistisch - und auch das Unternehmen teilt auf Anfrage knapp mit: "Wir erwarten eine Einigung." Detailansicht öffnen Was Arbeitnehmerrechte angeht, hat der Drogerie-Discounter Schlecker einen denkbar schlechten Ruf. Das Inhaber-Ehepaar Anton und Christa Schlecker wurde daher schon einmal zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. (Foto: ag.getty) Schlecker hat als Arbeitgeber seit Jahren einen überaus schlechten Ruf. Vor zwölf Jahren wurde das Inhaber-Ehepaar Anton und Christa Schlecker zu zehn Monaten auf Bewährung und einer Million Euro Geldstrafe verurteilt, weil sie ihren Beschäftigten den Tariflohn vorenthalten hatten. Zahllos sind die Geschichten, wie die Firma versucht, Betriebsräte zu verhindern, und wenn man den Berichten vieler Verkäuferinnen glaubt, ist Einschüchterung die vorherrschende Management-Methode. Dass auch Verdi nun Anlass zum Optimismus sieht, liegt vielleicht daran, dass Schlecker es im vergangenen Jahr doch zu weit getrieben hat. Die stellvertretende Verdi-Chefin Margret Mönig-Raane vermutet: "Sie wollen jetzt Ruhe haben." Im Winter war bekannt geworden, auf welche Weise der Unternehmer seine Firma umbaute: Er fing an, seine herkömmlichen "AS"-Läden zu schließen und durch wenige, aber größere "XL"-Läden zu ersetzen. Die Mitarbeiterinnen schickte er nicht einfach von einer Immobilie in die nächste. Er kündigte ihnen - um sie dann über eine eng mit ihm verbundene Zeitarbeitsfirma wieder einzustellen. Dort bekamen sie nach Gewerkschaftsangaben nur noch Zeitverträge sowie 1700 statt 2100 Euro; außerdem keine Zuschläge mehr für Spätdienste, kein Urlaubs- und kein Weihnachtsgeld und nur den Mindesturlaub von 24 Tagen. Schlecker machte sich damit Möglichkeiten des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zunutze; wie übrigens andere Firmen auch. Aber nach diesem Fall sah die Politik nicht mehr über die Praxis hinweg. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) spricht jetzt von "Auswüchsen in der Zeitarbeit" und kündigt an, das systematische Ersetzen von Stammarbeit durch Leiharbeit zu verbieten. Eigentlich sind bei Schlecker die Bedingungen ideal, Beschäftigte zu kujonieren: In den Filialen arbeiten fast nur Frauen, mal alleine, mal zu zweit, allenfalls zu dritt, und meistens in Teilzeit - solche Beschäftigte wehren sich in der Regel nicht. Doch bei Schlecker hat Verdi-Vize Mönig-Raane Frauen erlebt, die ihr Los einfach "selbst in die Hand genommen haben". Inzwischen gibt es in 120 der 300 Verkaufsbezirke einen Betriebsrat. Verkäuferinnen haben sich in den vergangenen Monaten vor "XL"-Läden postiert und Passanten aufgefordert, nicht dort einzukaufen. Mönig-Raane sagt, dies alles habe beim Unternehmen "Spuren hinterlassen". Nun hofft die Gewerkschaft, dass Schlecker bereit ist, für die "XL"-Läden Tariflöhne sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu vereinbaren, und dass Jobs dort wieder unbefristet vergeben werden. Um wirklich voranzukommen, hat sie sich auf zwei Tage dauernde Verhandlungen mit Schleckers Emissären eingelassen.
Kontroll-Exzesse und Lohndumping, das waren die Vorwürfe: Schlecker und die Gewerkschaften, so schien es, werden niemals Freunde. Doch jetzt klingen die Töne plötzlich sanfter.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/euro-krise-verbraucherstimmung-angst-vorm-geldausgeben-1.949794
wirtschaft
Euro-Krise: Verbraucherstimmung - Angst vorm Geldausgeben
00/05/2010
Während die Eurostaaten um die Existenz der Gemeinschaftswährung kämpfen, bibbern die Konsumenten. "Die Krise um die Staatsschulden in der Eurozone sowie die Diskussionen um die Stabilität des Euro haben die Verbraucher verunsichert", teilte die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) mit. Auch die Angst vor Steuererhöhungen oder einer Inflation lasse die Bürger zurückhaltender werden Detailansicht öffnen Einkaufszentrum in Hannover: Die Sorgen um die hohe Verschuldung einiger Staaten in Europa und um die Stabilität des Euro haben mittlerweile auch die deutschen Verbraucher verunsichert. (Foto: ag.ddp) . Der Konsumklima-Index der GfK sank auf 3,5 Zähler, nach revidiert 3,7 Punkten im Vormonat. Besonders spürbar gingen die Konjunktur- und Einkommenserwartungen zurück, während die Forscher unter den rund 2000 Befragten nur leichte Einbußen bei der Anschaffungsneigung verzeichneten. Die aktuellen Ereignisse überlagerten sogar die positiven Konjunkturimpulse, die vom anziehenden Export und dem robusten Arbeitsmarkt ausgingen - und auch von dem Wirtschaftsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bestätigt wurden. Dem Bericht zufolge, zeigt sich die deutsche Wirtschaft stärker als erwartet: Die OECD rechnet in diesem Jahr mit einem Wachstum von 1,9 Prozent und 2011 von 2,1 Prozent. Getrieben wird die Entwicklung in diesem Jahr laut OECD vor allem "von den Exporten und öffentlichen Investitionen aus den Konjunkturprogrammen". Nicht ganz Herr der Lage Den guten Prognosen zum Trotz rechnen viele Verbraucher offenbar damit, dass die Rettungsbemühungen der Euro-Länder auch die Verschuldung der öffentlichen Kassen weiter in die Höhe treiben wird, die auch der OECD zufolge ein "ernstes Risiko" bleibe. Die Verbraucher erwarten deshalb laut GfK größere Einsparungen oder gar Steuererhöhungen, weshalb auch die Einkommensaussichten spürbar zurückgingen. Der entsprechende Indikator hatte erst im Vormonat den höchsten Wert seit 2001 erreicht. Einen guten Teil der Verunsicherung führt GfK-Chef Klaus Wübbenhorst auch auf politische Versäumnisse zurück: "Wenn drei Politiker etwas sagen, hat man derzeit sechs Meinungen." Aufgrund dieser Stimmenvielfalt entstehe bei den Bürgern der Eindruck, dass die Politik möglicherweise nicht ganz Herr der Lage sei. "Dieses Bild lastet auf der Konsumstimmung." Zur kritischen Haltung der deutschen Bevölkerung zu den Finanzhilfen für das hochverschuldete Griechenland sagte der GfK-Chef: "Was die Bürger dabei vergessen - und was auch nicht klar von der Politik kommuniziert wird - sind die großen Vorteile des Euro für Verbraucher und Unternehmen." Es sei "zu kurz gesprungen", die gesamte Schuldenproblematik auf die Frage zu beschränken "soll man Griechenland helfen oder nicht". Kaufkrafteinbußen erwartet Bei der Anschaffungsneigung setzte sich die leicht rückläufige Tendenz fort. Die Konsumenten erwarten den Angaben zufolge, dass die Inflation steigt und die Kaufkraft entsprechend sinkt - dies hat traditionell Auswirkungen auf die Bereitschaft, Geld auszugeben. Dennoch seien die Aussichten für den Konsum im Prinzip nicht schlecht, betonte die GfK. Voraussetzung sei, dass die Diskussionen über die Stabilität des Euro demnächst verstummten.
Das Euro-Desaster verdirbt die Einkaufslust: Verbraucher fürchten Steuererhöhungen und Inflation - obwohl die Konjunktur der Krise trotzt.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/euro-krise-finanzmaerkte-regulieren-wie-geht-das-denn-1.947344
wirtschaft
Euro-Krise - Finanzmärkte regulieren - wie geht das denn?
00/05/2010
Finanzgeschäfte werden höher besteuert Detailansicht öffnen Die Finanzmärkte stehen am Pranger, die Politik muss handeln - und überbietet sich mit Vorschlägen. (Foto: Foto: dpa) Banken und Anleger an den Kosten der Krise zu beteiligen und riskante Geschäfte einzudämmen - diese Forderung wird schon lange erhoben. Die EU-Regierungen prüfen eine geringe Finanztransaktionssteuer, die auf alle Geschäfte am Kapitalmarkt erhoben würde. Wer den täglichen weltweiten Devisenhandel mit nur 0,02 Prozent besteuern würde, könnte jährlich mehr als 160 Milliarden Euro einnehmen. Vermutlich würden die Einnahmen geringer ausfallen, weil viele Geschäfte mit kleinen Gewinnen entfallen würden. Befürworter der auch Tobin-Steuer (nach dem US-Ökonomen James Tobin) genannten Steuer finden das gut: Sie erhoffen sich durch weniger Handel geringere Schwankungen von Währungen und Aktienkursen. Ihnen macht Sorge, dass das Volumen an den Finanzmärkten inzwischen weit höher ist als der Kauf und Verkauf von Waren, das Geld also von der wirklichen Wirtschaft entkoppelt zu sein scheint. Gegner einer Transaktionssteuer sagen: Je weniger an den Finanzmärkten gehandelt werde, desto weniger drückten Anleger ihre Meinung über den Wert etwa einer Währung aus - und desto größer fielen die Schwankungen aus. Die Erfahrungen sind unterschiedlich. Großbritannien erhebt eine Stempelsteuer auf bestimmte Wertpapiergeschäfte und nimmt dadurch Milliarden ein, ohne dass der Finanzplatz leidet. Schweden dagegen gab seine Steuer Anfang der neunziger Jahre wieder auf, weil zu viel des Geschäfts ins Ausland abwanderte. Das gilt als größter Nachteil einer Tobin-Steuer: Wird sie nur in bestimmten Ländern eingeführt, werden die Geschäfte in andere Länder oder außerhalb der Börsen verlagert. Die Bundesregierung favorisiert eine Finanzaktivitätssteuer. Dabei würden die Gewinne der Banken und die Gehaltszuschläge der Banker höher besteuert als bisher. Beide Posten lassen sich nicht so leicht in andere Kanäle verlagern. Der Weltwährungsfonds IWF präferiert eine solche Steuer, die ab einer bestimmten Gewinn- oder Gehaltshöhe greifen und so besonders lukrative (und daher meist riskante) Geschäfte eindämmen könnte. US-Präsident Barack Obama hat für die USA eine Bankenabgabe in einer Höhe vorgeschlagen, die in Deutschland jährlich neun Milliarden Euro bringen würde. Kritiker wenden ein, angeschlagene Banken könnten eine solche Abgabe kaum stemmen. Gesunde Banken zu belasten sei aber unfair, da sie in der Krise nicht dem Staat zur Last gefallen seien. (Alexander Hagelüken)
Deutschland untersagt ungedeckte Leerverkäufe, Europa plant eine Transaktionssteuer - werden demnächst gar Banken zerschlagen? Die Fakten.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutscher-gewerkschaftsbund-der-feind-zahlt-gut-1.946829
wirtschaft
Der Feind zahlt gut
00/05/2010
Die Delegierten riefen Pfui, und die Tagungspräsidentin sagte hinterher, als alle klatschten: "Kerstin, du hast uns die Augen geöffnet." Drei Tage diskutierten die Delegierten des DGB-Bundeskongresses bereits, über Mindestlöhne und Industriepolitik - aber kein Thema regte sie so auf wie jenes, das ihre Kollegin Kerstin Meißner von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) nun aufbrachte: dass sie, die Delegierten des DGB, in einem Hotel tagen, in dem es keinen Tarifvertrag gibt. "Der nächste Bundeskongress darf keine Gewerkschaftsgelder für Gewerkschaftsfeinde ausgeben", sagte Meißner. Detailansicht öffnen DGB-Jahrestagung im Hotel Estrel in Berlin-Neukölln - und die Delegierten sind entsetzt. (Foto: Foto: Estrel) Bei dem Hotel handelt es sich ums Estrel im Stadtteil Neukölln; es ist ein Haus, das regelmäßig von Parteien und Großorganisationen gebucht wird - weil es einen 15000-Quadratmeter-Saal und 1100 Zimmer hat, so dass alle Teilnehmer dort untergebracht werden können. Warum also geht der DGB zum Feind: weil der in Berlin alternativlos ist? Die Antwort auf diese Frage führt zu einer weiteren, grundsätzlichen Frage: Sind Tarifverträge also bereits ein Wert an sich - oder kann es für die Beschäftigten auch von Vorteil sein, wenn es im Betrieb keine gibt? Die NGG beklagt, dass das Estrel vor fünf Jahren entschieden hat, die Tarifbindung aufzugeben, dass es seinen Beschäftigten nicht mehr die 150 Euro für die Altersvorsorge zahlt, die der Tarifvertrag vorsieht, und die Arbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden erhöht hat; "das entspricht einer Lohnkürzung von 5,2 Prozent", wie die NGG-Delegierte Meißner auf dem Kongress sagte. Wo ist das Problem? Hoteldirektor Thomas Brückner bestreitet das alles gar nicht. Er fügt diesen Tatsachen aber ein paar weitere hinzu: Laut Tarif muss ein Hotelangestellter mindestens 7,50 Euro verdienen - im Estrel fängt man bei 9,36 Euro an, als Kellner im ersten Berufsjahr. Statt 150 Euro zahlt er 180 Euro Altersvorsorge, und zwar auch für die Auszubildenden, was der Tarifvertrag nicht verlangt. An Tarifverträge bindet er sich seit fünf Jahren nicht, weil es dem Hotel damals schlecht ging und er mit der 40-Stunden-Woche Kündigungen vermeiden wollte. Er gleicht das aus, indem er in Jahren mit Gewinn einen Bonus von mindestens 300 Euro zahlt, je nach Betriebszugehörigkeit. "In der Betriebsversammlung habe ich 100 Prozent Zustimmung bekommen", sagt Brückner. Der Betriebsrat bestätigt die Angaben, der DGB auf Anfrage auch. Wo ist also das Problem? Gewerkschafter sind von Natur aus misstrauische Menschen. Petra Schwalbe, Vorsitzende des NGG-Landesbezirks Ost, sagt: "Ohne Tarifvertrag ist jede Leistung eines Arbeitgebers freiwillig." Für sie sind Tarifverträge ein Wert an sich - weil sie nicht nur 9,36 Euro, sondern auch den Rechtsanspruch darauf garantieren. Sie sagt: "Wir sollten mit unserem Kongress nur dorthin gehen, wo Tarifverträge gelten."
Die Delegierten des Deutschen Gewerkschaftsbundes sind entsetzt: Sie tagen in einem Hotel, für das es keinen Tarifvertrag gibt.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/managerhaftpflicht-zwei-buchstaben-fuer-die-sicherheit-d-o-1.594564
wirtschaft
Managerhaftpflicht - Zwei Buchstaben für die Sicherheit: D&O
00/05/2010
In den wenigsten Fällen geschieht es auf eine so öffentliche und spektakuläre Art und Weise wie derzeit bei Siemens, wenn Unternehmen ihr Management verklagen. Und so gut wie nie geht es dabei um so große Schmiergeldaffären und drohende Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Unternehmen nicht gegen ihre Chefs klagen. Detailansicht öffnen D&O-Versicherungen: Der Rettungsring der Manager - eine Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden. (Foto: Foto: Photocase/codswollop) Im Regelfall sind es Versäumnisse aus mangelnder Sorgfaltspflicht, weswegen Geschäftsführer und Vorstände von ihrem Unternehmen belangt werden. Fehler, die Geld gekostet haben und für die das Unternehmen einen Schadenersatz fordert und im Falle von Aktiengesellschaften auch fordern muss, um nicht die Eigentümer, in diesem Fall die Aktionäre, zu schädigen. Mangelnde Sorgfalt kann ein Versäumnis bei einer Auftragsvergabe sein, ein fahrlässiges Verpassen von Fördermöglichkeiten bedeuten, aber auch Verstöße gegen den Datenschutz beinhalten. Der Manager muss nicht unbedingt selbst den Fehler begangen haben; es kann ausreichen, wenn bei der Kontrolle von Mitarbeitern etwas schief gegangen ist. Wie Vermögensschäden entstehen In vielen dieser Fälle ist der Satz "Wer einen Schaden anrichtet, sollte dafür auch gerade stehen" dabei etwas zu kurz gegriffen. Sicherlich nicht zu Unrecht befürchten die meisten Unternehmen, dass zu vorsichtiges Handeln mit dem Augenmerk darauf, bloß keine Fehler zu machen, auf Dauer den geschäftlichen Erfolg gefährden könnte. Aus diesem Grund versichern denn auch Aktiengesellschaften und GmbHs ihre Vorstände, Aufsichtsräte und Geschäftsführer gegen Schadenersatzansprüche, und zwar mit einer Directors-and-Officers-Versicherung. Wie die Versicherung vorgeht Dabei handelt es sich um eine Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden, die die Prüfung bestehender Haftungsansprüche und die Abwehr von nicht berechtigten Ansprüchen übernimmt. Im Klartext: Die Versicherung bemüht sich darum, dass nicht gezahlt werden muss. Für den Fall dass doch, leistet der Versicherer den Schadenersatz. Versichert sind dabei Vermögensschäden, die innerhalb der versicherten Zeit aufgrund von Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht entstehen, sofern diese nicht vorsätzlich oder wissentlich geschahen. Lesen Sie weiter, wie sich die D&O-Versicherungen bis heute entwickelt haben.
Zögerliches Handeln ist meist nicht von Erfolg gekrönt. Unternehmen versichern ihr Management oft mittels spezieller Policen: der Directors-and-Officers-Versicherung.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/gillette-uebernahme-procter-gamble-wird-zum-weltgroessten-konsumgueterkonzern-1.819235
wirtschaft
Gillette-Übernahme - Procter & Gamble wird zum weltgrößten Konsumgüterkonzern
00/05/2010
Durch den Zusammenschluss werden laut P&G 6000 der zusammengerechnet 140.000 Stellen in dem neuen Unternehmen gestrichen. Durch den Zusammenschluss würde der niederländische Unilever-Konzern von Platz eins in der Konsumgüterbranche verdrängt. Die Transaktion soll über einen Aktientausch vollzogen werden. Procter & Gamble bietet 0,975 eigene Aktien für jeden Gillette-Anteil. Dies wäre ein Aufschlag von 18 Prozent im Vergleich zum Schlusskurs am Donnerstag. Die Übernahme, die noch unter Vorbehalt der Zustimung der Gillette-Aktionäre und der Wettbewerbsbehörden steht, soll im Herbst abgeschlossen werden. Der 1901 gegründete Gillette-Konzern stellt neben Nass- (Mach3 und Venus) und Trockenrasierern (Braun) auch Zahnbürsten (OralB) und Batterien (Duracel) her. Das Unternehmen beschäftigt 30.000 Mitarbeiter in 14 Ländern. Procter & Gamble mit 110.000 Beschäftigten in mehr als 80 Ländern bietet über 180 Produkte an. Bekannte Marken sind Pampers-Windeln, Charmin-Toilettenpapier, Waschmittel wie Ariel, Lenor und Tide, Always-Damenbinden, Shampoo von Head & Shoulders und Wella sowie Snacks wie Bounty und Pringles. Beide Firmen unterhalten auch Vertretungen in Deutschland. Warren Buffett begeistert Die Übernahme von Gillette sei "eine einzigartige Gelegenheit" und verbinde die besten Anbieter von Konsumgütern in ihren Bereichen, erklärte P&G-Chef A.G. Lafley. Gilette-Chef James M. Kilts soll nach der Übernahme Vize-Chef des neuen Konzerns werden. Die Fusion bringe zwei Firmen zusammen, "die in ihren Stärken, ihren Kulturen und Visionen komplementär sind", betonte Kilts. Der größte Gillette-Eigner, der Finanzmagnat Warren Buffett, begrüßte den Zusammenschluss. "Das ist ein Traum-Deal", erklärte er. Er kündigte an, seinen Anteil an Procter & Gamble bis zum Abschluss der Fusion auf 100 Millionen Aktien aufzustocken. Buffett hält über seine Firma Berkshire Hathaway derzeit 96 Millionen Gillette-Aktien, was nach dem Umtauschverhältnis 93,6 Millionen Aktien von Procter & Gamble entspricht. Procter & Gamble kündigte gleichzeitig ein umfangreiches Aktienrückkaufprogramm an. In den nächsten zwölf bis 18 Monaten will das Unternehmen Anteile im Wert zwischen 18 und 22 Milliarden Dollar einsammeln. Die Erwartungen für die Umsatzsteigerung im laufenden Jahr erhöhte der Konzern von ursprünglich vier bis sechs Prozent auf fünf bis sieben Prozent. Im zweiten Quartal des Geschäftsjahres machte Procter & Gamble nach Angaben vom Donnerstag einen Umsatz von 14,5 Milliarden Dollar. Dies war ein Plus von neun Prozent. Der Nettogewinn stieg gleichzeitig um zwölf Prozent auf 2,04 Milliarden Dollar. Gillette konnte im dritten Quartal einen Anstieg des Gewinns um 14 Prozent auf 475 Millionen Dollar verbuchen.
Für 57 Milliarden Doller übernimmt der US-Konzern Procter & Gamble den Rasiererhersteller Gillette und verdrängt damit Unilever.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schwere-vorwuerfe-gegen-metro-85-cent-pro-tag-1.942130
wirtschaft
Schwere Vorwürfe gegen Metro - 85 Cent pro Tag
00/05/2010
Die Hilfsorganisation Oxfam erhebt schwere Vorwürfe gegen die Geschäftspraktiken des Metro-Konzerns in Indien: Der Handelskonzern verletze massiv die Arbeitsrechte, sowohl bei eigenen Angestellten als auch bei Obst- und Gemüselieferanten. Das geht aus einer unveröffentlichten Studie hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Demnach zahlt der Konzern teilweise Löhne unter der Armutsgrenze, und Gewerkschaftsmitglieder werden unter Druck gesetzt. Hinzu kommen Oxfam zufolge Verstöße gegen indisches Arbeitsrecht und vor allem gegen den Verhaltenskodex, den sich der drittgrößte Handelskonzern der Welt selbst auferlegt hat. Ein Metro-Sprecher wies die Vorwürfe in einem mehrseitigen Schreiben weitestgehend als unzutreffend zurück. Detailansicht öffnen Der Handelskonzern Metro bezahlt in Indien offenbar Löhne unter der Armutsgrenze. (Foto: Foto: AP) Franziska Humbert, Autorin der Studie und Referentin für soziale Unternehmensverantwortung bei Oxfam Deutschland, sieht das anders: "Insgesamt klafft bei der Metro in Bezug auf die soziale Verantwortung eine erhebliche Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit." Besonders problematisch seien die Arbeitsbedingungen der Landarbeiterinnen bei indischen Metro-Lieferanten. Diese erhielten nur 85 Eurocent für zehn bis zwölf Stunden Arbeit. Die Armutsgrenze liegt bei umgerechnet 94 Eurocent pro Tag. Frauen erhielten außerdem bis zu 50 Prozent weniger Geld als Männer. Der Konzern bestätigte den Tageslohn von 85 Cent. Er entspreche dem gesetzlichen Mindestlohn, so der Sprecher. Lieferanten müssten außerdem Verträge unterzeichnen, in denen sie die Einhaltung bestimmter Standards garantieren. Oxfam kritisiert auch die Arbeitsbedingungen in den Metro-Großhandelsmärkten. Unbezahlte Überstunden seien dort an der Tagesordnung, obwohl das Gesetz einen doppelten Stundenlohn vorschreibe. "Wenn es eine bestimmte Aufgabe gibt, die erledigt werden muss, bleiben wir auch eine Doppelschicht", wird ein indischer Metro-Beschäftigter zitiert. "Überstunden werden nicht bezahlt, und meist kann man sie auch nicht abfeiern." Ein Metro-Sprecher bestätigte, dass keine Überstunden vergütet werden, dafür gebe es Freizeitausgleich, was in Indien zulässig sei. Mitarbeiter würden zudem um 30 Prozent über Mindestlohn bezahlt. Nicht gern gesehen sind in den indischen Metro-Großmärkten offenbar Gewerkschaftsmitglieder. Allein 2008 entließ Metro nach Oxfam-Recherchen acht Mitarbeiter, die der Gewerkschaft angehörten, ohne Gründe zu nennen. Es habe sich dabei um einen generellen Personalabbau gehandelt, von dem auch andere Beschäftigte betroffen gewesen seien, hieß es dazu beim Konzern. Metro sorgte zuletzt im Mai 2009 für Schlagzeilen, nachdem in einem Zulieferbetrieb in Bangladesh eine 18-jährige Frau gestorben war. Ihr Tod wurde in Verbindung mit schlechten Arbeitsbedingungen gebracht. Spätere Untersuchungen zeigten laut Metro jedoch, dass die Frau schon vor ihrer Einstellung schwer krank war. Trotzdem wiegen die neuen Beschuldigungen gegen den Konzern schwer, weil das Unternehmen offiziell mit seiner sozialen Verantwortung wirbt. Der Konzern ist Mitglied der BSCI-Initiative, der europäische Handels- und Markenfirmen angehören und die das Ziel hat, für gute Arbeitsbedingungen in der Lieferkette zu sorgen. Oxfam und andere Organisationen werfen Metro auch vor, mit seinem Expansionsdrang auf den asiatischen Märkten die dortigen Handelsstrukturen zu zerstören. Straßenhändler und Kleinbauern seien in ihrer Existenz bedroht. Die Lizenzen des Konzerns beschränken sich in Indien fast ausschließlich auf den Großhandel. Oxfam kritisiert, Metro unterlaufe dies. "De facto agiert Metro jedoch auch in dem bislang streng regulierten indischen Einzelhandelsmarkt", so Humbert. Auch diesen Vorwurf wies der Metro-Sprecher zurück.
Löhne teilweise unter der Armutsgrenze: Der Handelskonzern Metro wirbt für soziale Verantwortung, doch in Indien wird schlecht bezahlt.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/hiesinger-von-siemens-zu-krupp-gerhard-cromme-sein-wille-geschehe-1.942658
wirtschaft
Hiesinger: Von Siemens zu Krupp - Gerhard Cromme - sein Wille geschehe
00/05/2010
Thyssen-Krupp bekommt auf umstrittene Weise einen neuen Chef. Im Januar 2011 soll der Siemens-Manager Heinrich Hiesinger, 49, den Vorstandsvorsitz des Stahlkonzerns übernehmen. Aufsichtsratschef Gerhard Cromme gerät wegen eines Interessenkonflikts in die Kritik. Detailansicht öffnen Gerhard Cromme. Als Aufsichtsratschef sowohl bei Thyssen-Krupp als auch bei Siemens hat er eigentlich die Interessen beider Unternehmen gleichermaßen zu wahren. (Foto: Foto: ddp) Gerhard Cromme führt seit 2001 den Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp und seit 2007 auch den von Siemens. Er gilt damit als einer der einflussreichsten Manager in Deutschland. Einen Verstoß gegen die Regeln guter Unternehmensführung sieht der selbstbewusste Manager durch die Abwerbung von Hiesinger bei Siemens nicht. Es gebe keinen Interessenkonflikt. Er werde bei Siemens kein "verbranntes Feld" hinterlassen, lässt er mitteilen. Man dürfe Hiesinger nicht dafür bestrafen, dass Cromme die beiden Aufsichtsräte führe, heißt es dazu bei Thyssen-Krupp in Düsseldorf. Ein langgedienter Siemens-Manager schüttelt aber den Kopf über die jüngste Personalentscheidung von Cromme: "Das ist unglaublich." Als Chef der Aufsichtsräte von Thyssen-Krupp wie von Siemens habe er die Interessen beider Unternehmen gleichermaßen zu wahren, schimpft der Unternehmens-Veteran. "Das ist eine grobe Illoyalität uns gegenüber." Der Vorwurf: Cromme holt mit Hiesinger einen der besten Leute von Siemens zu Thyssen-Krupp. Kritik von außen Der 67-jährige Cromme war von 2001 bis 2008 zudem Vorsitzender der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, die Regeln für gute Unternehmensführung aufstellen soll. Besonders deswegen wird er nach der Abwerbung von Hiesinger auch von außen kritisiert. Manuel Theisen, Professor für Betriebswirtschaft und Corporate-Governance-Experte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, hält Crommes Entscheidung für fragwürdig. Der Manager befinde sich in einem Interessenkonflikt, "der ohne die Verletzung der Sorgfaltspflicht nicht zu lösen ist". Entweder schädige Cromme den Siemens-Konzern oder er füge Thyssen-Krupp Schaden zu. Die Entscheidung überrascht Hiesinger kommt als Krisenmanager in den Düsseldorfer Konzern, wo er zunächst für ein paar Monate als Stellvertreter von Schulz agieren soll, bevor er am 21. Januar 2011 auf der nächsten Hauptversammlung zum Vorstandsvorsitzenden wird. Thyssen-Krupp machte 2009 einen Verlust von über zwei Milliarden Euro und muss dringend die Abhängigkeit vom Stahlgeschäft reduzieren. Ekkehard Schulz, seit 1999 im Amt und bereits 68 Jahre alt, war zuletzt unter Druck geraten. Es überrascht, dass ein Unternehmensfremder für den Chefposten von Thyssen-Krupp berufen wurde. Es gab auch interne Kandidaten für die Schulz-Nachfolge, und zwar mehrere: Edwin Eichler, Chef der Stahlsparte, Olaf Berlin, der an der Spitze des Industriebereichs steht, sowie Finanzchef Alan Hippe. Cromme hat gleich noch eine weitere Personalie beschlossen. Er will Ende Januar auch seinen engen Vertrauten und oberste Kommunikator Jürgen Claassen zum Vorstandsmitglied mit Zuständigkeit für die Konzernentwicklung machen.
Siemens-Mann Heinrich Hiesinger wird Chef von Thyssen-Krupp. Die Personalie bringt den Strippenzieher Gerhard Cromme ins Zwielicht.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/dgb-chef-michael-sommer-wie-man-das-unregierbare-regiert-1.941068
wirtschaft
DGB-Chef Michael Sommer - Wie man das Unregierbare regiert
00/05/2010
Das ist eine der Fragen, die jeden Menschen interessiert: Wie sieht eigentlich heute das Haus aus, in dem ich geboren wurde? Detailansicht öffnen "Wir waren gesellschaftlich geächtet" (Foto: Foto: ddp) Michael Sommer nimmt sein iPhone in die Hand, er hielt gestern Abend vor diesem Haus und hat es fotografiert. Altrosa Anstrich, Vorbau, Erker, ein Unternehmer wohnt jetzt darin. Die Genossen vom SPD-Ortsverein Meerbusch-Büderich, die ihn eingeladen hatten, waren schwer beeindruckt. Sommer hat noch im Ohr, wie einer sagte: "Mensch, das ist ja jetzt in der Schlossallee." Sommer lacht. Heute kann er darüber lachen. Aber Schlossallee? Als Michael Sommer am 17. Januar 1952 zur Welt kam, war die Villa von heute ein Haus für gefallene Mädchen; so nannte man das damals. Der Junge: ein uneheliches Kind, sein Erzeuger war Beamter in Düsseldorf, und nur unter der Bedingung, dass die Mutter ihr Kind auf der anderen Rheinseite austrug, im anderen Regierungsbezirk, erklärte er sich bereit, die Vaterschaft anzuerkennen. Daher Büderich. Michael Sommer startete eher in einer Badstraße ins Leben, der billigsten auf dem Monopoly-Feld. Man kann natürlich finden, dass sich das für einen späteren Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) genau so gehört. Man sollte aber nicht vergessen, dass jeder Mensch auch durch seine Anfänge geprägt ist - und dass im Fall von Michael Sommer die Mutter in einer Bar arbeitete, um ihn und zwei ältere Schwestern durchzubringen, die sie noch vom im Krieg vermissten Ehemann hatte. Dass der Junge zeitweise im Heim lebte und die Mutter im Jahr 1956 mit ihm nach Berlin zog, weil dort seine Schwester mit 14 Jahren gestorben war und sie nah am Grab sein wollte. Eine alleinerziehende Mutter, die nach Westberlin kommt, als dort noch Wohnungsnot ist - Michael Sommer sagt: "Wir waren gesellschaftlich geächtet."
Recht bekommen - statt nur Recht haben wollen: DGB-Chef Sommer kämpft darum, den Gewerkschaftsbund schlagkräftiger zu machen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutsche-bank-verdacht-auf-brandbeschleunigung-1.942703
wirtschaft
Deutsche Bank - Verdacht auf Brandbeschleunigung
00/05/2010
Wie in Deutschland und Italien gehen nun auch die Aufsichtsbehörden des US-Bundesstaats Massachusetts dem Verdacht nach, dass die Deutsche Bank Finanzprodukte für Kommunen zu ihrem eigenen Vorteil ausgenutzt hat. Die Wertpapieraufsicht des Bundesstaats forderte am Freitag neben der Deutschen Bank neun weitere Groß-Institute auf, Unterlagen zu solchen Kreditverträgen herauszugeben. Detailansicht öffnen Wertpapieraufsicht fordert Unterlagen von Kreditverträgen an. (Foto: Foto: dpa) Aus Europa sind noch die Schweizer UBS und die britische Barclays betroffen, aus den USA zudem Merrill Lynch sowie Bank of America, Goldman Sachs, Morgan Stanley, Citigroup, Wells Fargo sowie JPMorgan Chase. Ein Sprecher der Deutschen Bank erklärte, das Haus nehme keine Stellung zu den Ermittlungen und mache kein Geschäft mit Kommunalanleihen. Offen blieb zunächst, ob die Untersuchung in Massachusetts Teil der Ermittlungen ist, die am Donnerstag bekannt wurden. Gemeinsam mit der US-Börsenaufsicht SEC prüfen derzeit Strafverfolgungsbehörden bei sechs Großbanken Hypothekengeschäfte, wie eine Person mit Kenntnis der Ermittlungen sagte. Die sechs Banken sind auch in Massachusetts betroffen. Die Vorgänge zeigen, dass die Aufsichtsbehörden sich inzwischen immer mehr Geschäfte vornehmen, die vor der Finanzkrise keiner Kontrolle unterlagen, inzwischen aber als Brandbeschleuniger der weltweiten Turbulenzen gelten. Unabhängig von der SEC hat zudem in der vergangenen Woche die New Yorker Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen acht Banken eingeleitet und prüft, ob die Institute irreführende Angaben zu Hypothekenprodukten gemacht haben, die sie Ratingagenturen zur Bewertung vorgelegt haben. Zu dieser Gruppe gehören auch die Schweizer Credit Suisse und die französische Credit Agricole, die weder bei der US-Börsenaufsicht noch in Massachusetts im Visier sind. Die Deutsche Bank und die UBS wurden bei allen Verfahren genannt. Dokumente zu allen kommunalen Anleihen Die Aufsicht von Massachusetts räumte den zehn Banken zwei Wochen Zeit ein, die Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Sie machte keine Angaben, welche konkreten Geschäfte sie genauer unter die Lupe nehmen will. Sie verlangte die Dokumente zu allen kommunalen Anleihen, die die Banken gezeichnet haben, und zu allen Kreditausfallversicherungen (CDS), die sie möglicherweise aufgelegt haben. Vor der Finanzkrise haben Banken Städten und Gemeinden spezielle Anleihen und Zinsgeschäfte zur Finanzierung ihrer Schulden vermittelt. Viele Anlagen dieser Art platzten und bescherten den Kommunen drastische Verluste. Die Ermittler des Bundesstaats wollen prüfen, ob sich die Banken einerseits bei der Gestaltung der Produkte eine gute Rendite gesichert, andererseits aber mit den CDS auf einen Ausfall der Anleihen gewettet und damit doppelt verdient haben. Mit CDS sichern sich Investoren gegen Risiken von Finanzgeschäften ab. "Wir wollen wissen: Gab es dabei einen grundlegenden Interessenskonflikt?", sagte William Galvin von der Regierung des Bundesstaats. In Italien muss sich die Deutsche Bank am kommenden Mittwoch vor Gericht für Schuldengeschäfte mit Mailand verantworten. In dem Verfahren geht es um den Vorwurf der vorsätzlichen Täuschung beim Verkauf komplexer Wertpapiere, mit denen die Stadt ihre Zinslast verringern wollte. Angeklagt sind auch die HRE-Tochter Depfa, die UBS und JPMorgan. In Deutschland streitet sich die Deutsche Bank mit Dutzenden von Mittelständlern, Gemeinden und kommunalen Firmen über solche Geschäfte. Die bisherigen Urteile gehen in verschiedene Richtungen.
Im US-Bundesstaat Massachusetts wird gegen die Deutsche Bank ermittelt. Wurden Kommunalanleihen für den eigenen Vorteil genutzt?
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wirbel-um-fertighaus-ikea-und-die-boklok-falle-1.941774
wirtschaft
Wirbel um Fertighaus - Ikea und die Boklok-Falle
00/05/2010
Einige Ikea-Fertighäuser weisen nach Angaben der Stiftung Warentest erhebliche Mängel auf. So seien zum Beispiel die Außenwände einzelner Häuser so geplant, dass keine Schrauben oder Nägel in die Wände eingeschlagen werden dürfen und auch keine zusätzlichen Steckdosen installiert werden können. Die Stiftung in Berlin hat nach eigenen Angaben mit Verbraucherzentralen den Bauvertrag für das Ikea-Reihenhaus in Wiesbaden-Auringen geprüft. Ikea kündigte an seinem Deutschland-Sitz in Hofheim-Wallau (Main-Taunus-Kreis) eine Untersuchung an. Detailansicht öffnen Weisen die Ikea-Fertighäuser tatsächlich Mängel auf? Die Stiftung Warentest ist überzeugt davon. (Foto: Foto: dpa) Die Warentester kritisierten außerdem, die Bauverträge enthielten unwirksame Änderungen: "Etliche Klauseln benachteiligen den Kunden gravierend." Der Käufer werde zum Beispiel in dem Vertrag verpflichtet, Strom- und Heizwärme von einem bestimmten Anbieter zu beziehen - 15 Jahre lang. Solange dürfe der Bewohner nicht zu einem günstigeren Energieversorger wechseln. "Wohn klug" - oder doch nicht? Darüber hinaus behalte sich die Baufirma Änderungen an den Bauleistungen, den Bauplänen und der Baubeschreibung vor, ohne triftige Gründe zu nennen. Ikea verlange außerdem die vollständige Schlussrate, auch wenn noch Restarbeiten ausstehen. Zudem werde die Haftung der Firma für Baumängel unzulässigerweise eingeschränkt. Einen Fertigungstermin garantiere die Firma ebenfalls nicht. Ikea kündigte in einer ersten Stellungnahme an, zunächst das Gespräch mit der Stiftung Warentest zu suchen, um Klarheit über die Grundlagen der Untersuchung zu erhalten. "Wir können viele Punkte überhaupt nicht nachvollziehen - zum Beispiel, auf welche Verträge und welche Bauleistungen sich die Stiftung Warentest dabei bezieht", sagte eine Sprecherin von Ikea Deutschland. "Die Verträge für das Ikea-Haus unterscheiden sich in keiner Weise von den Verträgen, die in der Branche üblich sind". Erste Ikea-Fertighäuser und -wohnungen sollen außer in Wiesbaden auch in Offenbach und am Sitz der Deutschland-Zentrale in Hofheim errichtet werden. Ikea hatte sein Fertighaus Boklok Anfang März präsentiert. Der Name bedeutet "Wohn klug" und soll für alles stehen, was am Hausbau klug sein kann: Geschickt geplant, energiesparend und erschwinglich. Von den Häusern stehen 4000 in Europas Norden und in Großbritannien. Jetzt will der Möbelkonzern damit den deutschen Markt erobern. Hierzulande baut der Hersteller Bien-Zenker aus Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis) die Häuser. Laut Stiftung Warentest können Käufer ein Boklok-Reihenhaus ab 199.000 Euro erwerben.
Wechselverbote beim Stromanbieter und andere Merkwürdigkeiten: Die Stiftung Warentest kritisiert Baumängel und Vertragsklauseln bei den Ikea-Fertighäusern.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/arbeitsmarkt-anlaufstelle-fuer-alleinerziehende-1.933794
wirtschaft
Arbeitsmarkt - Anlaufstelle für Alleinerziehende
00/05/2010
Die Bundesregierung will ältere Arbeitslose, Jugendliche und Alleinerziehende künftig stärker bei der Jobsuche unterstützen. Das beschloss das Kabinett zusammen mit der Reform der Jobcenter und verlängerten Finanzhilfen bei der Kurzarbeit. Das bringt das Aktionsprogramm im Einzelnen: Detailansicht öffnen Her mit den Jobs! Das Instrument Kurzarbeit hat sich bewährt und wird bis März 2012 verlängert. (Foto: Foto: dpa) Kurzarbeit Die Sonderförderung für Arbeitgeber bei der Kurzarbeit wird über das Jahresende 2010 bis zum März 2012 ausgedehnt. Die Betriebe erhalten damit weiter die Sozialabgaben auf das Kurzarbeitergeld vom siebten Monat an voll von der Bundesagentur für Arbeit (BA) erstattet. Die Kosten belaufen sich auf voraussichtlich 800 Millionen Euro. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte mit Blick auf die Kritiker der Maßnahme, dies ziehe keine unerwünschten Mitnahmeeffekte nach sich. Auch werde der Strukturwandel der Wirtschaft nicht verhindert, weil Firmen nur Geld für Kurzarbeit ausgäben, wenn sie eine Zukunft für sich sähen. Jobcenter In den Jobcentern sollen auch künftig Arbeitsagenturen und Kommunen die Langzeitarbeitslosen aus einer Hand betreuen. Nötig war dafür eine Änderung des Grundgesetzes, auf die sich die Koalition mit der SPD zuvor verständigt hatte. Von 2011 an können aber die Kommunen ein Viertel der Jobcenter allein betreiben. Die Zahl dieser sogenannten Optionskommunen kann damit von derzeit 69 auf bis zu 110 steigen. Die Datenverarbeitung wird vereinheitlicht. Von der Leyen kündigte für die Jobcenter und Optionskommunen "strenge Erfolgskontrollen" an. Insgesamt betreuen die Jobcenter etwa 6,8 Millionen Hartz-IV-Empfänger in Deutschland. Alleinerziehende Etwa 40 Prozent der Alleinerziehenden beziehen Leistungen aus der Grundsicherung (Hartz IV). Für sie soll es künftig "zentrale Anlaufstellen" geben, heißt es in dem Konzept, das von der Leyen dem Haushaltsausschuss des Bundestages vorlegte. Außerdem müssen die Jobcenter Zielvereinbarungen abschließen, in denen sie sich verpflichten, wie viele Alleinerziehende sie in Arbeit bringen. Geplant ist außerdem, die Ausbildung von Tagesmüttern bis 2013 durch Bildungsgutscheine zu fördern, um die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder zu verbessern. Ältere Arbeitslose Mit dem Programm "Perspektive 50 plus - Beschäftigungspakte in den Regionen" werden bereits ältere Arbeitslose gefördert. Dies will die Bundesregierung ausbauen. 2010 sollen so 50000 ältere Jobsuchende eine Stelle erhalten. Junge Menschen Jeder Erwerbsfähige unter 25 Jahren soll innerhalb von sechs Wochen einen Ausbildungs-, einen Arbeitsplatz oder eine Arbeitsgelegenheit bekommen. Diese Frist wird gesetzlich festgeschrieben.
Der Bund will ältere Arbeitslose, Jugendliche und Alleinerziehende stärker bei der Jobsuche unterstützen. Die wichtigsten Änderungen im Überblick.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wie-cromme-den-kleinfeld-nachfolger-fand-wettlauf-gegen-die-zeit-1.916016
wirtschaft
Wie Cromme den Kleinfeld-Nachfolger fand - Wettlauf gegen die Zeit
00/05/2010
Der Mann kann offenbar alles. ,,In dieser kritischen Situation'' habe man nach einem Kandidaten gesucht, der ,,neue Ansätze und neue Ideen ins Unternehmen bringen könne und die Fähigkeit besitze, Wandel und Wachstum voranzutreiben'', sagt - nicht Gerhard Cromme, der Aufsichtsratsvorsitzende von Siemens, über den Mann, der den Elektrokonzern vom Juli an führen soll. Die Lobeshymne stammt von Richard Clark, dem Chef des amerikanischen Pharma-Konzerns Merck. Der hatte Löscher erst vor gut einem Jahr zum zweiten Mann in dem Unternehmen mit Sitz im amerikanischen Bundesstaat New Jersey gemacht. Jetzt ist der Österreicher wieder auf dem Sprung: nach München. Bei dem von einer Korruptionskrise geschüttelten Elektromulti wird er von manchen ähnlich enthusiastisch begrüßt wie damals bei Merck. Cromme, der als Chef des Aufsichtsrates vier Wochen lang einen Nachfolger für den zurückgetretenen Konzernchef Klaus Kleinfeld suchte, sagt über den 49-jährigen Löscher, dieser sei ,,eine herausragende Persönlichkeit'', habe ein ,,internationales Renommee'' und verfüge über ,,breite Erfahrung'' in strategischen Fragen. Kurzum: Siemens liege bei ihm ,,in besten Händen''. Cromme hat gute Gründe, die Vielseitigkeit des Kandidaten zu rühmen. Löscher hat in dem verschachtelten Konzern mit zehn Geschäftsbereichen und den 475000 Beschäftigten eine schwierige Aufgabe vor sich. Sechs lange Monate stand Siemens in der Öffentlichkeit, weil der Konzern sich Auslandsaufträge mit Bestechungsgeld erkauft haben soll, zwischenzeitlich saßen sogar Vorstandsmitglieder in Untersuchungshaft. Immerhin gilt der studierte Wirtschaftswissenschaftler als Mann, der zupacken kann. Einer, der Löscher kennt, sagt, der könne gut zuhören. Vor allem gehöre er nicht in die Kategorie der Wichtigtuer, ,,die überall seinen Senf dazu geben müssen''. Dass er Führungsqualität besitzt, bewies Löscher in jungen Jahren. Da war er Kapitän der österreichischen Volleyball-Nationalmannschaft. An verschwiegenem Ort Siemens ist ein komplexes Unternehmen, das in 190 Ländern vertreten ist, das von der elektronischen Maschinensteuerung über Computertomographen und Glühbirnen bis hin zum Kraftwerk oder dem Magnetzug Transrapid alles anzubieten hat, was unter der Rubrik High-Tech läuft und es ist ein verunsichertes Unternehmen. Die Bestechungsaffären haben die Belegschaft verunsichert wie nichts zuvor. ,,Die Leute haben Angst'', sagt der Gesamt-Betriebsratsvorsitzende Ralf Heckmann. Die Sorge über die Wirkung der Korruptionsaffäre gehe soweit, dass Mitarbeiter um ihre Altersversorgung fürchteten. Am 1. Juli soll die neue Zeit bei Siemens beginnen, dann tritt Peter Löscher am Wittelsbacher Platz an. Er ist ein Kandidat, den vorher nur wenige auf dem Radarschirm hatten. Aber der Mann, der seine ersten beruflichen Schritte bei der Unternehmensberatung Kienbaum machte, der dann zwölf Jahre bei der Hoechst AG oder deren Nachfolgefirmen war, dann bei der britischen Pharma-Gesellschaft Amersham, kurz bei General Electric tätig war, bevor er für ein gutes Jahr bei Merck im Vorstand saß - dieser Mann hat seit einigen Wochen ganz oben auf der Kandidatenliste gestanden, sagt jedenfalls Cromme. Schon als um den 25. April herum klar war, dass der erst zwei Jahre amtierende Klaus Kleinfeld den Chefposten verlassen würde, sei Cromme auf Löscher aufmerksam geworden, heißt es in Aufsichtsratskreisen. Er habe den Kandidaten, der in Spanien, den USA, Großbritannien und Japan tätig war, selbst nicht gekannt. ,,Der Mann ist Cromme empfohlen worden'', heißt es im Aufsichtsrat.
Der neue Vorstandsvorsitzende bei Siemens muss schnell sein eigenes Netzwerk installieren - sonst wird er scheitern.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/mitarbeiter-beteiligung-deutschland-mit-massivem-nachholbedarf-1.891704
wirtschaft
Mitarbeiter-Beteiligung - Deutschland mit massivem Nachholbedarf
00/05/2010
Nur acht Prozent der etwa 26 Millionen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer sind in irgendeiner Form an ihrem Unternehmen beteiligt. In Deutschland gibt es nur 3750 Betriebe, die ihren Mitarbeitern entsprechende Angebote machen - das ist ein Promille der drei Millionen deutschen Unternehmen, heißt es in einer Untersuchung der Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft (AGP) und der Unternehmensberatung A.T. Kearney, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. "In Großbritannien und Frankreich liegen die Anteile deutlich darüber", sagte Heinrich Beyer, Geschäftsführer der AGP. Die AGP bemüht sich seit Jahren um die Förderung der betrieblichen Partnerschaft und um die stärkere Beteiligung von Arbeitnehmern am Unternehmenserfolg. Davon unabhängig zeigt auch eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), dass gesetzliche Verpflichtungen und steuerliche Anreize für Betriebe, die ihre Mitarbeiter am Erfolg beteiligen, in vielen Ländern zu einer größeren Verbreitung der Beteiligungsmodelle geführt haben als in Deutschland. Engagement treibt Umsatz Dabei profitieren die Firmen durch steigende Umsätze und Gewinne, wenn sie ihre Mitarbeiter am Unternehmen beteiligen, lautet ein Ergebnis von AGP und A.T. Kearney, die überwiegend mittelständische Firmen befragt haben. Bei der Befragung, die von 2004 bis 2006 lief, kam heraus, dass das durchschnittliche Umsatzwachstum über den entsprechenden Vergleichswerten lag. "Während das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im Befragungszeitraum um fünf Prozent gestiegen ist, legte der Umsatz bei den befragten Firmen durchschnittlich um 27 Prozent zu", sagte Ekhard Popp, Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung bei A.T. Kearney. Auch die Zahl der Beschäftigten sei in dem Befragungszeitraum um zwei Prozent gestiegen, während der deutsche Durchschnitt einen Belegschaftsabbau von einem Prozent meldete, sagte Popp, der die Untersuchung geleitet hat. Ziel war es, Motive für die Einführung von Beteiligungsmodellen herauszufinden. Mehr Identifikation der Beschäftigten mit der Firma und eine höhere Arbeitsmotivation waren der Befragung zufolge in erster Linie ausschlaggebend dafür. Die Verringerung des Krankenstandes und die Beschaffung von Eigenkapital wurde von den Firmen außerdem genannt. Stille Beteiligung liegt vorn Als Beteiligungsform wählten die Unternehmen am häufigsten stille Beteiligungen (28 Prozent) oder Belegschaftsaktien (24 Prozent). Im ersten Fall übernehmen Mitarbeiter stille Anteile am Unternehmen und werden am Gewinn beteiligt. Auch eine Verlustbeteiligung ist möglich. Die Zinsen sind für die Arbeitnehmer Einkommen aus Kapitalvermögen, für die Unternehmen ist das Kapital je nach Ausgestaltung Eigenkapital. Bei Belegschaftsaktien übernehmen die Beschäftigten Stammaktien oder stimmrechtslose Vorzugsaktien. Sie sind direkt am Erfolg oder Misserfolg beteiligt; die Ausschüttungen sind ebenfalls Einkommen aus Kapitalvermögen. Da die Unternehmensgewinne in den vergangenen Jahren stärker gestiegen sind als die Reallöhne der Beschäftigten, wird die Mitarbeiterbeteiligung schon seit einiger Zeit wieder auf politischer Ebene diskutiert. Viele Firmen erwarten vom Gesetzgeber Regelungen zur nachgelagerten Besteuerung des im Unternehmen verbleibenden Lohns. Das bedeutet, dass Steuern und Sozialabgaben erst dann fällig sind, wenn die Kapitalbeteiligung endet, also die Anteile verkauft oder ausgezahlt werden. Dahinter steckt der Gedanke, dass Mitarbeiter ihre Anteile bis zur Rente halten, weil sie dann niedrigere Steuersätze haben. Die von AGP und A.T. Kearney befragten Unternehmen befürworten neue Gesetzesregeln zur steuerlichen Begünstigung von Mitarbeiterbeteiligungen, zu der nachgelagerten Besteuerung und zur Vermögensbildung.
Bei der Beteiligung ihrer Mitarbeiter am Erfolg der Firma hinken deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich deutlich hinterher.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/volkswagen-im-griff-des-autokraten-1.907291
wirtschaft
Volkswagen - Im Griff des Autokraten
00/05/2010
Das Jahr ist noch jung, doch beim Volkswagen-Konzern jagt bereits eine Meldung die andere: Neben dem für das vergangene Jahr gemeldeten Absatzrekord verdichten sich die Gerüchte, dass Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch nun doch nicht wie geplant bald auf das Altenteil wechselt. Ganz im Gegensatz dazu soll VW-Produktvorstand Wolfgang Bernhard dem Konzern schon bald den Rücken kehren. Detailansicht öffnen Hält die Fäden bei VW in der Hand: Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch. (Foto: Foto: AP) Jede dieser Meldungen ist ein Stein in jenem Mosaik, dessen Gesamtbild schon am kommenden Mittwoch deutlich werden dürfte. Dann schlägt Martin Winterkorn bei seinem ersten Auftritt als Vorstandschef vor dem Aufsichtsrat eine neue Konzernstruktur vor. Dabei wird er allem Anschein nach deutlich machen, dass VW künftig von zentraler Stelle aus gelenkt werden soll. Baldiger Abgang Bernhards Pikant ist daran: Die Karriere von Markenvorstand Wolfgang Bernhard, der vor zwei Jahren von DaimlerChrysler zu VW wechselte, dürfte damit abrupt zu Ende gehen: Während Spiegel und Focus melden, dass Bernhard am 31. Januar geht, verlautet aus seinem Umfeld, dass sein Ausscheiden bereits nach der Aufsichtsratssitzung in dieser Woche zu erwarten sei. Nachdem bereits seit Wochen über den Abgang Bernhards spekuliert wird, scheinen die Medienberichte über die Demission dieses Mal begründet zu sein. Denn nach den Vorstellungen Winterkorns wäre Bernhard künftig nur noch für die Werke des Autoherstellers verantwortlich, nicht aber - wie bis dato - für die Entwicklung neuer Modelle und den Vertrieb. Das kommt einer Degradierung gleich, die Bernhard offenbar nicht bereit ist hinzunehmen: Der 46-Jährige hatte bereits im Dezember intern durchblicken lassen, dass die Aufgabe eines Produktionsvorstandes für ihn nicht in Frage komme. Sinnbild für Kosteneffizienz In Fachkreisen würde der Abgang des angesehenen Automanagers als Verlust für das Unternehmen interpretiert. "Bernhard gilt als Sinnbild dafür, dass Volkswagen die Kostenprobleme in der Entwicklung und im Einkauf in den Griff bekommen hat", sagte Auto-Analyst Georg Stürzer von der HypoVereinsbank zu sueddeutsche.de. Winterkorn greife nun aber wieder die auf den Chef konzentrierte Führungsstruktur auf, die unter Piëch üblich war, meint ein namentlich nicht genannter Analyst. Im Gegensatz dazu hatte Winterkorns Vorgänger Bernd Pischetsrieder die Rolle des Moderators gepflegt. Bei VW war das neu: Piëch war in seiner Zeit als VW-Vorstandschef geradezu berüchtigt für seinen autoritären und zentralen Führungsstil. Schon unmittelbar nach der Ausrufung Winterkorns als Nachfolger Pischetsrieders im vergangenen Herbst, war darüber spekuliert worden, dass Winterkorn die von Pischetsrieder abgeschafften Positionen des Produktions- und Entwicklungsvorstands wieder aufleben lassen wolle. "Winterkorn gilt als getreuer Gefolgsmann Piëchs", sagt Stürzer dazu. Volumenvorteile Beim Großaktionär Porsche wird die Rückkehr zur zentralen Konzernlenkung begrüßt. Porsche-Chef Wendelin Wiedeking hält das Markendenken bei VW für zu stark ausgeprägt. Er hatte deswegen zuletzt mehrfach darauf gedrängt, dass VW Vorteile als Massenproduzent besser ausschöpft, indem die Marken des Konzerns besser aufeinander abgestimmt werden.
Hinter den zahlreichen neuen Personalgerüchten bei Volkswagen steckt ein einziger Masterplan: die Machtstrategie des amtierenden Aufsichtsratschefs Ferdinand Piëch.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bescheid-wissen-geld-nach-osteuropa-ueberweisungen-werden-billiger-1.899961
wirtschaft
Bescheid wissen: Geld nach Osteuropa - Überweisungen werden billiger
00/05/2010
Wer Rechnungen in den zehn EU-Beitrittsländern zu begleichen hat, sollte damit möglichst bis zum 1. Mai warten. Überweisungen dorthin werden mit dem EU-Beitritt deutlich günstiger. Seit dem 1. Juli vergangenen Jahres müssen Kreditinstitute Standardüberweisungen ins EU-Ausland und im Inland zu den gleichen Konditionen abwickeln, so eine EU-Verordnung. Hohe Gebühren entfallen Bislang war eine Überweisung in die Beitrittsländer deutlich teurer als eine Inlandsüberweisung. Ein Beispiel: Bei der Stadtsparkasse München wurden bis zu einem Überweisungsauftrag von 50 Euro sieben Euro Gebühr fällig, bei einem höheren Betrag 1,5 Promille der Überweisungssumme mindestens aber zwölf Euro. Die anderen Geldhäuser erhoben Gebühren in ähnlicher Höhe. Ab dem 1. Mai wollen die Banken die EU-Richtlinien auf die neuen Beitrittsländer ausdehnen. Online-Überweisungen dorthin sind dann zum Beispiel bei der Stadtsparkasse München, der Deutschen Bank und der HypoVereinsbank (HVB) kostenlos. Am Schalter erhebt die Stadtsparkasse München eine Gebühr von 50 Cent. Bei der HVB kostet die Überweisung am Schalter einen, bei der Deutschen Bank 1,50 Euro. Kosten für den Empfänger Privatkunden von Post- und Commerzbank sowie etwa der Kölner Stadtsparkasse können am Schalter und im Internet zum Nulltarif überweisen. Die Hamburger Sparkasse verlangt je nach Form des Girokontos zwischen null und 35 Cent pro Überweisung. Die Dresdner Bank erhebt für die ersten 30 Überweisungen keine Gebühr, danach jeweils 1,25 Euro. Diese günstigen Tarife gelten ausschließlich für EU-Standardüberweisungen, die den Banken eine günstige automatisierte Abwicklung ermöglichen. Die Kunden müssen den Betrag in Euro nennen, die höchstmögliche Überweisungssumme liegt bei 12500 Euro. Wichtig ist auch, Bankleitzahl und Kontonummer des Empfängers in den internationalen Codes IBAN und BIC anzugeben. Die Banken in den Beitrittsländern verfügen seit kurzem über diese Nummern. Share-Verfahren macht noch Probleme Zudem sehen die EU-Standardüberweisungen das so genannte Share-Verfahren vor. Sender und Empfänger tragen die jeweils in ihrem Heimatland anfallenden Gebühren. "Für unsere Kunden ist die Online- und Telefonüberweisung zwar kostenlos, aber für den Empfänger im Ausland können durchaus Kosten entstehen", erläutert ein Sprecher der HypoVereinsbank. "Sie resultieren aus den zum Teil wesentlich höheren Preisen für Inlandsüberweisungen in den anderen EU-Staaten." Bernd Krieger vom Europäischen Verbraucherzentrum in Kiel zeigt sich daher skeptisch: "Die EU-Verordnung hat noch nicht den erwünschten Erfolg gebracht, weil in der Praxis die Auslandsüberweisungen immer noch teurer als die im Inland sind." Deutsche Kunden sollten deshalb vor einer Auslandsüberweisung mit dem Empfänger die Modalitäten in dessen Heimatland klären.
Die Kreditinstitute in Deutschland vereinfachen ab dem 1. Mai Zahlungen in die zehn neuen Beitrittsländer.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/koch-und-steinbrueck-duo-ohne-dissonanzen-1.900321
wirtschaft
Koch und Steinbrück - Duo ohne Dissonanzen
00/05/2010
(SZ-Artikel vom 1.10.2003)— Es war nur ein kurzer Ausrutscher. "Wir stecken in einer politischen Notlage", sagte der hessische Ministerpräsident Roland Koch, "nicht in einer Notlage des ganzen Landes". Der Seitenhieb galt der Bundesregierung und dem Bundeskanzler, dessen Posten er gerne hätte. Kollege Peer Steinbrück aus Nordrhein-Westfalen beherrschte sich, ging über die Polemik hinweg. Und sofort scherzten Unionsmann und Sozialdemokrat wieder miteinander, als seien sie nicht nur in derselben Partei, sondern beste Freunde aus allerfrühester Jugendzeit. Oberlehrerhaft, aber anschaulich In einem langen Sitzungsraum des Bundesrats stellten die beiden am Dienstag ihr Konzept zum Subventionsabbau vor. Etwas oberlehrerhaft anhand einer Computerpräsentation, aber anschaulich und manchmal sogar unterhaltsam. George Orwell hätte an den großflächig auf die Leinwand geworfenen Leitsätzen der beiden Länderchefs seine Freude gehabt: "Allein würde jeder anders handeln", hieß es dort, und: "Gemeinsam müssen wir fähig sein zu handeln". Koch und Steinbrück waren sich im Frühjahr fachlich und persönlich näher gekommen, als sie im Auftrag des Vermittlungsausschusses einen Kompromiss zur Körperschaftssteuer aushandelten. Im Subventionsabbau entdeckten sie die nächste Profilierungschance. Selten verursachten Ministerpräsidenten ein größeres Medieninteresse in der Hauptstadt als das Duo aus Wiesbaden und Düsseldorf. Dabei beruhte ihre Arbeit nicht auf einer gesetzlichen Grundlage und hatte auch sonst keinen rechtlichen Status. Hilfsweise beriefen sie sich auf Ludwig Erhard und seinen Satz von der Täuschung darüber, dass "der Ausgabensteigerung der öffentlichen Hand überhaupt keine Grenzen mehr gesetzt seien". Mit bunten Tabellen zu niedrigem Wachstum und hohen Schulden wollten Koch und Steinbrück beweisen: Nie war die Zeit günstiger als heute, diese Täuschung zu entlarven. Subventionsabbau = wegnehmen Subventionsabbau sei immer damit verbunden, dass man "etwas wegnimmt" räumte Koch ein. Damit niemand besonders laut klagen kann, wählten die beiden, wenn dies rechnerisch möglich war, die Rasenmähermethode: Jede Subvention wird bis 2006 jedes Jahr um vier Prozent gekürzt. Dieses Vorgehen soll die Sparliste dem Parteienstreit entheben. Da viele Subventionen als "Steuerungsinstrumente" ausdrücklich gewollt waren oder sind, sei eine komplette Streichung schwer durchsetzbar. Kompromiss im Bundesrat Steinbrück und Koch verstehen ihr Papier nur als einen "ersten Schritt", als einen Vorschlag an die Bundesregierung - die darauf gleich auch einging: Finanzminister Hans Eichel will die Liste noch in diesem Jahr zum Gesetz machen - und wies darauf hin, dass seine Vorschläge zum Abbau von Pendlerpauschale und Eigenheimzulage längst weiter gehen. Immerhin ist ein Kompromiss im Bundesrat jetzt wahrscheinlicher. Eichel hat schon 1,2Milliarden Euro aus der Arbeit von Koch und Steinbrück in seinem Haushalt für 2004 verbucht. Weitere Milliarden könnte er gut gebrauchen, muss er doch das Vorziehen der Steuerreform finanzieren. Dafür wollen Koch und Steinbrück das Ergebnis ihrer Sparvorschläge zwar nicht missbraucht sehen, doch so genau lässt sich das nicht trennen. Die beiden Ministerpräsidenten sind überzeugt, ein zukunftsweisendes Modell entwickelt zu haben: Ihr Werkzeug sei auch für spätere, tiefere Einschnitte verwendbar. Als Vorbild für eine große Koalition wollten sie ihre Arbeit aber nicht verstehen. Es handle sich letztlich um einen Minimalkonsens, sagte Koch, "und ich möchte kein Land mit einem Minimalkonsens regieren".
Trotz unterschiedlicher Parteizugehörigkeit stehen sich die Ministerpräsidenten von Hessen und Nordrhein-Westfalen, Koch (CDU) und Steinbrück (SPD), fachlich und persönlich nahe.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/leasing-rechtsprechung-1.901875
wirtschaft
Leasing - Rechtsprechung
00/05/2010
Unzulässige Nutzungsentschädigung: Folgende, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Leasinggebers enthaltene Klausel wurde vom Bundesgerichtshof kassiert: "Gibt der Leasingnehmer das Leasingobjekt nicht zurück, so hat er für jeden angefangenen Monat der nicht erfolgten Rückgabe die im Leasingvertrag vereinbarte Leasingrate als Nutzungsentschädigung zu bezahlen." Diese Klausel, so das Gericht, sei wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Leasingnehmers unwirksam (Urteil vom 7. Januar 2004, VIII ZR 103/03). Diebstahl eines geleasten Fahrzeugs: Wird ein geleastes Fahrzeug gestohlen, stellt sich die Frage, wer die Leistungen aus der Kfz-Kaskoversicherung in Anspruch nehmen kann. Hier entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf: Grundsätzlich kann der Leasinggeber als Eigentümer des Fahrzeugs gegenüber der Kaskoversicherung die Hand aufhalten. Übersteigen allerdings die Leistungen den Finanzierungsaufwand des Leasinggebers, stehen sie dem Leasingnehmer zu. Voraussetzung dafür ist aber, dass dem Leasingnehmer im Vertrag das Recht eingeräumt wurde, zum Vertragsablauf das Fahrzeug erwerben zu können. Allerdings kommt es in der Praxis eher selten vor, dass ihm dieses Recht eingeräumt wird. (Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 14. Januar 2003, 24 U 13/02). Einmalzahlung des Leasingnehmers: Haben beide Seiten im Leasingvertrag vereinbart, dass mit einer Einmalzahlung des Leasingnehmers sämtliche Vereinbarungen aus dem Vertrag erfüllt sind, kann strittig sein, wer von beiden das Risiko trägt, wenn es nicht gelingt, mit der Einmalzahlung sämtliche Leasingraten und den vereinbarten Restwert zu erwirtschaften. Der Bundesgerichtshof entschied, dass es den Vertragspartnern frei steht, zu vereinbaren, wem von ihnen dieses Risiko zugewiesen werden soll (Urteil vom 26. Februar 2003, VIII ZR 270/01).
"Unzulässige Nutzungsentschädigung", "Diebstahl eines geleasten Fahrzeugs" oder "Einmalzahlung des Leasingnehmers" - wie deutsche Gerichte entschieden haben.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/edle-glaeser-das-kristall-der-koenige-1.899820
wirtschaft
Edle Gläser - Das Kristall der Könige
00/05/2010
Arbeit und Bier, das ist für Frantisek Cechura kein Gegensatz. Dort, wo der stämmige Glasbläsermeister arbeitet, kann die Kehle schon mal trocken werden: Auf bis zu 40 Grad heizt sich die Luft in der Glashütte von Moser im tschechischen Karlsbad (Karlovy Vary) an warmen Sommertagen auf. Detailansicht öffnen Schweißtreibende Arbeit: Das Glasblasen erfordert jede Menge Erfahrung. (Foto: Foto: Moser) Wenn Cechura und seine Kollegen an den insgesamt drei Öfen der Hütte also mal wieder dem kühlen Blonden zusprechen, dann eher zur Erfrischung als des Rausches wegen. Das hat sogar die Werksleitung eingesehen und den Genuss von bis zu vier Flaschen Bier pro Schicht erlaubt. Traditionelle Arbeitsteilung Einen halbwegs klaren Kopf sollten die Glasbläser des Traditionsherstellers allerdings bewahren, denn ihr Handwerk erfordert eine gehörige Portion Konzentration -- und Erfahrung. Das Glasblasen in der streng hierarchisch organisierten Hütte geht noch in der traditionellen Arbeitsteilung vonstatten: Erst nach einer dreijährigen Lehrzeit wird ein Geselle in eine der dreiköpfigen Arbeitsgruppen aufgenommen, wo er dann zunächst die Grundform des entstehenden Gefäßes anblasen darf. Der Meistergehilfe und schließlich ein Meister wie Cechura hauchen dann dem Glas die letzte Form ein. Dabei dauert es immerhin acht bis zehn Berufsjahre bis ein Geselle den Aufstieg zum Meister schafft. Die Qualität der so in Tschechien über Generationen hinweg betriebenen Glaskunst ist weltweit anerkannt, und unter den Herstellern des Landes zählt die 1857 von Ludwig Moser gegründete Firma zu den Renommiertesten. Reine Rohstoffe und aufwändige Bearbeitung Seinen Ruf begründete das Unternehmen dabei unter anderem damit, dass seine Gläser funkeln wie Bleikristall, obwohl sie kein Blei enthalten. Diese Qualität ist nur mit reinen Rohstoffen und aufwändiger Bearbeitung zu erreichen, wobei sich der Aufwand lohnt: Die auf das aufwändigste geschliffenen, gravierten und dekorierten Gläser, Karaffen, Schüsseln und Vasen des Hauses finden sich auf den Festtafeln des Buckingham Palastes ebenso wie bei Banketten im Vatikan oder Galadiners im Großen Königspalast von Bangkok. Im Gegensatz zu vielen anderen tschechischen Herstellern wie etwa Sklo Bohemia oder Crystalex, die zumindest teilweise auf vollautomatische Produktion umgestellt haben, produziert Moser das "Glas der Könige", wie es auf Grund der aristokratischen Kundschaft genannt wird, zudem noch in reiner Handarbeit. Niemals völlig identisch Trotz neuer Technologien, die die Unterscheidung zwischen hochwertigem Industrieglas und Gläsern aus Handarbeit selbst für Experten schwer machen, besteht für Michaela Kopicova aus Mosers Marketing-Abteilung ein entscheidender Unterschied: "Durch die Handarbeit wird ein Service aus sechs oder acht Gläsern viel individueller, da die Einzelstücke nicht völlig identisch ausfallen", wirbt sie für die Produkte ihres Hauses. Doch dieses gewisse Extra erfordert einen geradezu anachronistisch anmutenden Aufwand. Auf Grund der hohen Qualitätsstandards, die zu etwa fünfzig Prozent Ausschuss führen, schafft ein Team aus drei Glasbläsern nur zwanzig bis dreißig Trinkgläser oder acht Vasen pro Stunde. Da lediglich sechs bis acht solcher Teams bei Moser im Einsatz sind, fallen die Produktionszahlen im Vergleich zur industriellen Fertigung also höchst überschaubar aus.
Die tschechische Glas-Manufaktur Moser beliefert die Königshäuser der Welt. Mit reiner Handarbeit gelang es dem Traditionsunternehmen die Strukturkrise der Branche zu meistern.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ich-ag-ueberleben-in-der-nische-1.903349
wirtschaft
Ich-AG - Überleben in der Nische
00/05/2010
Er war bundesweit einer der Schnellsten. Gerade mal zwei Tage war das Förderinstrument Ich-AG in der Welt, als sich Wolfgang Hoffmann am 3. Januar 2003 selbstständig machte. Zu DDR-Zeiten hatte er in Schwerin einen Lebensmittelladen geführt, dann, nach der Wende, wurde er arbeitslos. Mit Hilfe der Ich-AG kehrte er zurück auf den Arbeitsmarkt, so etwas wie eine letzte Chance für den damals 48-Jährigen. "Kredite gab's auf der Bank für mich nicht", erinnert er sich. Dass Wolfgang Hoffmann sein neues Geschäft - Zigaretten, Zeitungen, Süßkram - topmodisch "Tabakshop" nannte, nutzte nichts: Nach zwei Jahren musste er aufgeben. Detailansicht öffnen Unwort ohne Zukunft: Die staatliche Förderung wird nun umgekrempelt (Foto: Foto: dpa) Horst Schmitt von der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Nord, redet nicht über Einzelfälle, aber eine Anmerkung hat er doch: "Das Instrument Ich-AG hat oft umso besser funktioniert, je origineller die Geschäftsidee des Antragstellers war - die Nische als Chance." Für noch entscheidender als den Geschäftsplan hält Schmitt allerdings die Persönlichkeit des Ich-AGlers. "Der sollte einen guten Schuss Gründergeist besitzen", sagt Schmitt. "Dazu gehört, dass er seine Kompetenzen ständig überprüft und verbessert." Ein Unternehmer müsse "sich immer wieder selbst motivieren und auch mal eine Durststrecke überstehen können", sagt der Arbeitsmarkt-Experte und schickt hinterher: "Das Wort selbstständig setzt sich nun mal aus selbst und ständig zusammen." An diesem Samstag wird der Begriff Ich-AG beerdigt. Als Teil der Hartz-Gesetze sollten Ein-Mann/Frau-Betriebe dazu beitragen, die Arbeitslosigkeit zu senken. Ganz nebenbei, so dachten Peter Hartz & Co., könnte so eine neue Generation von Gründern heranwachsen. Drei Viertel der Ich-AGs haben überlebt Von Beginn an umwehte Zweifel den flotten, neuen Bindestrich-Begriff; 2003 wählte man ihn sogar zum "Unwort des Jahres". Vor allem Industrieverbände und Handelskammern argwöhnten, dass Arbeitslose sich in Ich-AGs flüchten, um den Schritt hinauszuzögern, der vom Arbeitslosengeld I in das Arbeitslosengeld II - besser bekannt als Hartz IV - führt. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) haben aber seit der Einführung drei Viertel der Ich-AGs überlebt. Allein 2005 gründeten noch fast 100 000 Deutsche eine Ich-AG. Sie erhalten über drei Jahre fast 15 000 Euro, um ihr Geschäft zu etablieren. Zunächst beträgt der Zuschuss 600 Euro im Monat, später sinkt er ab. Allein im vergangenen Jahr musste die BA für die Förderung 1,35 Milliarden Euro ausgeben. Silke Mühlenstedt hat die Ich-AG tüchtig geholfen, allerdings macht sie eine Einschränkung: "Wer selber aktiv ist, dem tut die Ich-AG gut." Die Idee der 39-jährigen Hamburgerin ist nun wirklich originell: Sie tritt als Clown in Betrieben oder Krankenhäusern auf. Dröge Abteilungsleiter mischt sie als komische, gelegentlich tollpatschige Kellnerin auf, kranke Kinder bringt sie mit Spielchen zum Lachen. Silke Mühlenstedt, Künstlername "Lili", lobt das Coaching, das ihr die Arbeitsagentur zuteil werden ließ. "Darunter waren wertvolle Tipps, um sich in der Entertainment-Branche zu behaupten", sagt sie. So dürfte Mühlenstedt der einzige Clown in Deutschland sein, der sich unter eigenem Logo vermarktet. Zudem habe sie als eine Ich-AG keine Krankenkassenbeiträge zahlen müssen. "So war ein bisschen Geld übrig, um in den Gelben Seiten zu inserieren", sagt sie.
Hunderttausende haben sich als Ich-AG eine selbstständige Existenz aufgebaut, oft mit originellen Ideen - trotzdem wird die staatliche Förderung nun umgekrempelt.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/abzocken-und-absahnen-tango-korrupti-1.898256
wirtschaft
Abzocken und Absahnen - Tango Korrupti
00/05/2010
Ja, ja: Korruption ist eine Wachstumsbranche; die Moral in der Gesellschaft zählt nichts mehr; und die Absahner und Abzocker werden immer mehr. Dieses meist mit gramvollem Unterton vorgetragene Lamento ist nicht neu. Früher hieß es, hierzulande herrschten "Zustände wie im alten Rom"; neuerdings sagt man gern, es handele sich um "sizilianische Verhältnisse". Man liest schließlich Donna Leon und kennt Kommissar Guido Brunetti. Alle wissen wie schlimm es ist. Aber es fehlt an der entschlossenen Bekämpfung. Dazu braucht es erstens die Einsicht der Unternehmen. Und zweitens braucht es Staatsanwaltschaften und Steuerfahnder, die diese Einsicht befördern. Es gibt eine Serie von neuen Korruptions-Skandalen: Philips, Ikea, Infineon, Audi, Faurecia, DaimlerChrysler, BMW, Siemens und natürlich VW - viele Konzernzentralen wurden von der Staatsmacht heimgesucht. Auch sind im Biotop ein paar ganz besondere Sumpfblüten zu bestaunen. Ehrlich und dumm Dass ein mächtiger Betriebsrat bei Volkswagen heimlich, einschließlich Sonderboni, mehr als 600.000 Euro im Jahr einsackt und die Kosten für die Geliebte auch noch von der Firma bezahlt werden - das hat schon Donna Leon-Format. In Wuppertal, wo die Kinder, wie man sagt, mit einem Schirm und einem Gebetbuch zur Welt kommen, waren sogar Kirchenleute in Korruptionsskandale verwickelt. Immer mehr Bürger aller Klassen entscheiden sich angeblich für Selbstbedienung und Übervorteilung des anderen. Andererseits aber ist das vermutete Ausmaß der Korruption in Deutschland selten so beklagt worden. Der Ehrliche ist der Dumme, gewiss. Aber sind die Ehrlichen denn wirklich ehrlich in der Beurteilung der Verhältnisse und ehrlich mit sich selbst? Greifen wirklich nur "die da oben" zu? Die Maßlosigkeit der Helden Vor ein paar Jahren noch waren Wirtschaftsgrößen wie der frühere Mannesmann-Chef Klaus Esser die neuen Helden - auch weil sie viele Millionen verdienten. Heute wird ihre Maßlosigkeit beklagt und sie stehen vor Gericht. Das Paradoxe ist, dass niemand genau weiß, ob die Lage schlimmer oder ob sie besser geworden ist. In der Korruption gibt es ein Hellfeld und ein Dunkelfeld. Es liegt in der Logik, dass das Dunkelfeld (nicht entdeckte, beziehungsweise angezeigte Straftaten) größer ist als das Hellfeld; aber wie groß es wirklich ist, wird auch unter Fachleuten sehr kontrovers diskutiert. Selbst bei den üblicherweise gehandelten Milliarden-Zahlen scheint es manchmal auf eine Null mehr nicht mehr anzukommen.
Von den Unternehmen ignoriert, von den Staatsanwaltschaften nicht entschlossen bekämpft: Die Korruption in Deutschland blüht.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/sz-veranstaltung-in-berlin-steinbrueck-geisselt-managerverhalten-1.889888
wirtschaft
SZ-Veranstaltung in Berlin - Steinbrück geißelt Managerverhalten
00/05/2010
Steinbrück sagte zum Auftakt des "Führungstreffens Wirtschaft" der Süddeutschen Zeitung in Berlin, es reiche nicht aus, immer nur Forderungen an die Politik zu richten. Der Minister nutzte die Anwesenheit von 150 Top-Managern aus Großkonzernen und Familienbetrieben zu einer Grundsatzkritik am Verhalten vieler Unternehmen und ihrer Verbände. "Bislang läuft die Diskussion meist nach dem Motto: Wenn die Wirtschaft schlecht läuft, ist die Politik schuld, läuft Sie gut, ist das Ihr Verdienst, also das der Manager", sagte Steinbrück. "Damit muss ein für allemal Schluss sein." Nur dann lasse sich in Deutschland ein Mentalitätswechsel in Gang setzen, der auch von der Wirtschaft immer wieder verlangt werde. Henkel in der Kritik Harte Kritik übte der SPD-Politiker vor allem an "Maximalisten" wie dem ehemaligen Industriepräsidenten Hans-Olaf Henkel, die immer schärfere Reformen forderten und die Verlustängste vieler Menschen dabei ignorierten. Wer verlange, dass der Reformzug immer schneller fahre, sich aber nicht darum kümmere, "wenn am hinteren Ende zwei, drei Waggons aus den Schienen springen", sei mit Schuld daran, wenn sich die Bürger vom Staat abwendeten und Protestparteien wählten. "Sie stellen sich dann ja nicht mit mir auf die Apfelsinenkiste auf dem Marktplatz und verteidigen die Beschlüsse", sagte Steinbrück. Auch die Medien trügen Verantwortung. Ihnen gehe es jedoch bei politischen Debatten häufig weniger um die Inhalte als um die Frage nach Sieger und Verlierer. Als Beispiel für ein aus seiner Sicht verfehltes Engagement der Wirtschaft nannte er den dauernden Ruf nach Steuersenkungen. Auch die Unternehmen bräuchten einen vernünftig ausgestatteten, funktionieren Staat, weil dies im internationalen Wettbewerb ein Standortvorteil sei. Stattdessen aber beschäftigten sich vor allem in den großen Konzernen ganze Abteilungen damit, nach Inkrafttreten jedes neuen Gesetzes sofort nach Möglichkeiten zu suchen, wie man sich auf legalem Wege der Steuerpflicht entziehen könne. "Wenn Sie sich nicht Tage und Wochen damit beschäftigen würden, nach Umgehungsmöglichkeiten zu suchen, könnte ich die Steuern senken", sagte Steinbrück, der trotz aller Kritik viel Applaus für seine Rede erhielt. Von alten Vorstellungen verabschieden Er verwies zudem auf die Krise am US-Markt für schlecht besicherte Hypothekendarlehen, die auch Kleinanleger hierzulande zu spüren bekommen hätten, sowie auf die zunehmende Praxis auch deutscher Banken, Immobilienkredite einfach zu verkaufen. "Wenn Sie den Menschen solche komplexen Finanzmarktmechanismen nicht erklären, werden Sie noch stärkere Abwehrreflexe bei ihnen hervorrufen", sagte der Minister. Wenn die Unternehmen zudem nicht endlich offener agierten, könne schon bald die nächste Krise ins Haus stehen.
Bundesfinanzminister Steinbrück (SPD) hat der deutschen Wirtschaft vorgeworfen, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht zu werden. Vor allem "Maximalisten" erteilte der Minister eine verbale Watschen.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/innen-pfui-aussen-hui-deutschland-ein-gern-gesehener-schuldner-1.901253
wirtschaft
Innen pfui, außen hui - Deutschland — ein gern gesehener Schuldner
00/05/2010
Das Rating der Bundesrepublik wird sich durch die angespannte Haushaltslage und die drohende Rekord-Verschuldung nicht verschlechtern, berichtet der Münchner Merkur unter Berufung auf führende internationale Rating-Agenturen. Detailansicht öffnen Das Frankfurter Bankenviertel. (Foto: Foto: dpa) Stattdessen genießt Deutschland weiterhin eine erstklassige Bonität. Bonitätsnoten auch für die nächsten zwölf Monate erstklassig Deutschland behalte die Bonitätsnoten AAA und A-1+ für lang- bzw. kurzfristige Verbindlichkeiten. Das Rating hat unmittelbare Aus-wirkungen auf das Niveau der Kreditzinsen. "Das Ergebnis der Steuerschätzung erhöht den Druck auf den Haushalt, wirft jedoch nicht die Bonität über den Haufen. Innerhalb der nächsten zwölf bis 18 Monate ist für Deutschland keine Veränderung des Ratings zu erwarten", sagte Analyst Kai Stukenbrock von der Rating-Agentur Standard & Poor's. Der unmittelbare Steuerausfall sei "relativ gering", das Gros der Ausfälle erst in den Jahren 2005 bis 2007 zu erwarten. Probleme: Staatsdefizit, Schuldenquote, Wachstumsschwäche "Die beiden größten Schwächen Deutschlands sind das hohe Staatsdefizit und die Schuldenquote. Die anhaltende Wachstums-schwäche verschärft die Problematik", so Stukenbrock. Von allen Staaten mit einem AAA-Rating habe Deutschland die höchste Schuldenquote. Auch David Riley von der Londoner Rating-Agentur Fitch sieht die Kreditwürdigkeit Deutschlands nicht gefährdet: "Der Schuldenstand ist nicht das wichtigste Kriterium. Entscheidend ist die Umsetzung weiterer struktureller Reformen im Rahmen der Agenda 2010", sagte der Analyst.
Trotz enormer Steuerausfälle genießt Deutschland als Kreditnehmer international einen erstklassigen Ruf. Ratingagenturen haben Bestnoten vergeben.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/deutschland-der-biermarkt-in-aufruhr-1.903682
wirtschaft
Deutschland - Der Biermarkt in Aufruhr
00/05/2010
Auf dem deutschen Biermarkt geht es in diesem Jahr turbulent wie selten zu. Um zehn Prozent könnte 2003 der Branchenumsatz fallen, erwartet die Hamburger Holsten-Brauerei. "Die Unsicherheiten stellen für die Branche und die Holsten-Brauerei eine erhebliche Herausforderung dar", sagte Vorstandschef Andreas Rost am Donnerstag in Hamburg. Eine Prognose sei nicht möglich. Im ersten Quartal ging der Bierverkauf in Deutschland um 10,5 Prozent zurück, bei Holsten im Inland um 11,5 Prozent. Die Hauptsorge der Branche und des Marktführers gilt dem Dosenpfand und der geplanten Novellierung der Verpackungsverordnung. Warten auf Trittin "Bis zum 1. Oktober kann wohl kaum ein bundesweites Rücknahmesystem für Einwegverpackungen eingerichtet werden", sagte Rost. Der Handel werde nicht Milliardenbeträge investieren, ehe klar sei, welche Verpackungen einem Pflichtpfand unterliegen. Das wolle Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) in einer neuen Verpackungsverordnung regeln, die zunächst durch das Gesetzgebungsverfahren muss. "Ehe das nicht abgeschlossen ist, wird es keine Rücknahme-Automaten geben", sagte der Holsten-Chef. Der größte deutsche Bierkonzern (Holsten Pilsener, König Pilsener, Licher Pilsner, Lübzer Pils) ist vom Dosenpfand besonders betroffen, weil er bislang rund 45 Prozent seiner Ware in Dosen verkaufte. "Je nach Marke ist der Absatz in Einwegverpackungen um bis zu 70 Prozent zurückgegangen", sagte Rost. Mehrweg-Absatz steigt kräftig Im Gegenzug nahm der Mehrweg-Absatz um bis zu 35 Prozent zu, konnte aber die Einbußen nicht ausgleichen. Ob die Einführung eines Rücknahmesystems dem Dosenabsatz wieder auf die Beine hilft, ist nach Rosts Worten kaum vorherzusehen. Holsten reagierte auf die Marktveränderungen mit Einsparungen und Kurzarbeit. Unabhängig vom Dosenpfand hat Holsten bereits in den vergangenen Monaten des vergangenen Jahres eine deutliche Zurückhaltung der Verbraucher bemerkt, vor allem in der Gastronomie. Zeichen für eine Wende des Verbraucherverhaltens seien nicht erkennbar. "Es gibt nach wie vor keine klare Linie aus Berlin, um die privaten Haushalte zu entlasten", sagte Rost. Die Holsten-Brauerei kann sich dennoch auf der Ertragsseite annähernd stabil halten, weil sie einen Teil ihrer Umsätze im Ausland erwirtschaftet und auch alkoholfreie Getränke verkauft. So will der Vorstand auch in diesem Jahr wieder eine Dividende erreichen - "ob es gelingt, wissen wir nicht". Im vergangenen Jahr erreichte die Holsten-Gruppe ein Umsatzplus von 2,6 Prozent auf 834 Millionen Euro und setzte im In- und Ausland 14,35 Millionen Hektoliter Getränke ab, davon 10,22 Millionen Hektoliter Bier. Der Marktanteil im Inland stieg von 8,5 auf 9,4 Prozent. Der Vorsteuergewinn (EBT), der im Vorjahr noch leicht negativ war, stieg auf 18,9 Millionen Euro. Die Aktionäre sollen nach einem dividendenlosen Jahr wieder eine Ausschüttung von 45 Cent je Aktie erhalten.
Dosenpfand, die geplante Veränderung der Verpackungsordnung und sparsame Verbraucher: Deutschlands Bierbrauer raufen sich die Haare.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/steuertricks-kapital-auf-der-flucht-1.903807
wirtschaft
Steuertricks - Kapital auf der Flucht
00/05/2010
Lorenz Jarass hat sich als Steuerexperte bei Deutschlands Wirtschaftsverbänden nicht gerade beliebt gemacht. Der Hochschullehrer aus Wiesbaden rechnet seit Jahren vor, dass es zwischen dem, was Unternehmen versteuern sollen, und dem, was sie tatsächlich zahlen, eine erkennbare Kluft gibt. Und er glaubt auch zu wissen, warum dies so ist: Die Firmen würden durch das deutsche Steuerrecht geradezu ermuntert, ihre Gewinne ins Ausland zu transferieren, in Steuerparadiese wie Irland. Der Trick, sagt Jarass, sei ganz einfach: Die Konzerne lassen sich von einer Tochtergesellschaft im Ausland einen Kredit geben und zahlen darauf Zinsen. Die Zinsen mindern den Gewinn in Deutschland und mehren ihn in Dublin oder anderswo; dort aber sind die Steuern niedriger. Versteckt als Zinsen Auch ausländische Finanzinvestoren nutzen dieses Schlupfloch: Sie leihen sich viel Geld, steigen damit in Deutschland irgendwo ein und bürden dem gekauften Unternehmen die Kredite auf. Die Gewinne landen, versteckt als Zinsen, später in Luxemburg. Lange wollte niemand dies hören, lange waren Jarass' Ideen auch im Bundesfinanzministerium nicht sonderlich gut gelitten. Doch unter Peer Steinbrück hat sich dies geändert: Wenn das Kabinett an diesem Mittwoch über die Reform der Unternehmensteuern berät, deckt sich ein Teil der Eckpunkte mit den Ideen des Wiesbadener Professors. Denn auch Steinbrück beklagt, dass die Firmen ihre Gewinne ins Ausland schaffen. Der Sozialdemokrat möchte zweierlei tun, um dies zu ändern. Erstens: Er möchte den Steuersatz für Konzerne von knapp 39 auf gut 29 Prozent senken. Transfer nicht mehr lohnenswert Zweitens: Er möchte auch alle gezahlten Zinsen zur Hälfte der Steuer unterwerfen. Selbst wenn ein anderes Land von den Firmen nur 15 Prozent Steuern verlangt, würde es sich nicht mehr lohnen, die Gewinne dorthin zu verlagern.
Finanzminister Peer Steinbrück will hart durchgreifen, damit die Unternehmen ihre Gewinne wieder in Deutschland versteuern.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/staranwalt-ackermanns-geheimwaffe-1.900860
wirtschaft
Staranwalt - Ackermanns Geheimwaffe
00/05/2010
Wenn Klaus Volk eine komplizierte Sache erklären muss, greift er gern zu einem Bild. Für den Fall Mannesmann hat er dieses gewählt: Jemand kauft für 178000 Taler einen Wald mit 178000 Bäumen. Vor der Übergabe möchte der Verkäufer noch 60 Bäume fällen und die belohnen, die den Wald gepflanzt und kultiviert haben. Der Käufer ist einverstanden und mindert nicht einmal den Kaufpreis - aus dem einfachen Grund, weil 60 Bäume mehr oder weniger bei dem riesigen Wald für ihn keine Rolle spielen. Detailansicht öffnen Gute Laune trotz Anklage: Deutsche-Bank-Chef Ackermann (links) mit seinem Anwalt Klaus Volk. (Foto: Foto: dpa) Das Bild ist anschaulich. Als Strafrechtsprofessor ist Volk geübt darin, einen Sachverhalt verständlich darzustellen. Neutral ist das Bild allerdings nicht. Es soll zeigen: Was, bitte schön, ist daran verwerflich, wenn bei der 178 Milliarden Euro teuren Übernahme von Mannesmann durch Vodafone Prämien in Höhe von 60 Millionen Euro an Führungskräfte gezahlt werden? Vodafone hat doch zugestimmt. Wo ist der Schaden? Wo der Geschädigte? Und was soll an dem Ganzen strafbar sein? Nicht neutral Das Bild ist nicht neutral, weil Volk nicht neutral ist. Der 61-Jährige verteidigt Josef Ackermann, den Chef der Deutschen Bank. Und als Verteidiger ist er selbstverständlich bemüht, das Verhalten seines Mandanten, der damals im Präsidium von Mannesmann die Prämien mitbeschlossen hatte, möglichst harmlos aussehen zu lassen. Es ist ihm gelungen. Gemeinsam mit seinem Frankfurter Kollegen Eberhard Kempf hat er im vergangenen Jahr vor dem Düsseldorfer Landgericht für Ackermann einen Freispruch erwirkt. Und am Donnerstag in der Revisionsverhandlung vor dem Bundesgerichtshof werden die beiden darum kämpfen, dass der Freispruch Bestand hat. Volk gelte Wettbewerbern "als Geheimwaffe im Team", heißt es im Juve-Handbuch "Wirtschaftskanzleien" über den Strafverteidiger, "insbesondere auch für den Umgang mit der Öffentlichkeit". "Vorlesung geht vor" Mit 33 Jahren bereits habilitiert, nahm Volk nach kurzen Aufenthalten in Erlangen und Konstanz 1980 den Ruf an die Ludwig-Maximilians-Universität in München an. Wenig später begann er nebenher mit der Strafverteidigung. "Das ist bei mir strikt getrennt", sagt der Jurist, der in München den Lehrstuhl für Strafrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Strafprozessrecht innehat. Noch nie habe er eine Vorlesung wegen eines Mandats ausfallen lassen. "Im Zweifelsfall geht die Vorlesung vor." Über seine Mandanten spricht Volk nicht. Doch dass er auch schon Boris Becker verteidigt hat, war in der Zeitung zu lesen. Volk vertrat den Ex-Tennisprofi 2002 in dessen Steuerstrafverfahren. Akquiriert habe er nie. "Ich wurde immer dazugerufen von einem Kollegen."
Klaus Volk kämpft darum, dass der Chef der Deutschen Bank nicht wieder vor Gericht muss.
https://www.sueddeutsche.de/geld/stadtteile-sendling-1.549089
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Stadtteile - Sendling
00/05/2010
Der Bauch von Bayern In Sendling steht die höchste Kirche Münchens. Das behaupten zumindest die Sendlinger. Sie verweisen darauf, dass Höhenangaben hierzulande immer noch in der Höhe über dem Meeresspiegel und nicht in der Höhe über dem Grund genannt werden. Da haben sie fast recht. Die Sendlinger Kirche ist also so gesehen zehn Meter höher als der Dom im Zentrum der Landeshauptstadt. Detailansicht öffnen (Foto: Grafik: SZ) Zum Symbol des Sendlinger Eigensinns wurde der Schmied von Kochel. Er droht trutzig und trotzig gegegnüber der Kirche. Sein Denkmal erinnert an die Mordweihnacht im Jahre 1705. Bauern aus dem Oberland lehnten sich auf gegen die österreichische Besatzung. 1100 tapfere Kämpfer fanden in jener Nacht den Tod, einige direkt an der Kirchenmauer. Die Sendlinger sind seitdem gegen Übergriffe recht empfindlich geworden. So mussten sie es zähneknirschend hinnehmen, dass auch noch ein Obersendling und gar ein Mittersendling entstand. Die politischen Vertreter des Stadtbezirkes, sowie der Lokalpatriot und Schriftsteller Wolfgang Peschel trösten sich damit, indem sie das Oktoberfest mitsamt der erzenen Bavaria für ihr Territorium reklamieren. Als dann aber vor wenigen Jahren der Stadtteil Waldfriedhofviertel in Sendling-Westpark umgetauft wurde, da riss den selbstbewussten Vorstädtern wegen des Namenraubs der Geduldsfaden. Doch alle Anträge, Vorschläge und Einwendungen blieben vergeblich. Die Nachbarn verwiesen kühl auf die Tatsache, dass der Sendlinger Wald auf ihrem Gebiet liege und am Ende der Garmischer Autobahn, also ebenfalls auf ihrem Gebiet, groß und unmissverständlich eine Ortstafel mit dem Namen "Sendling" zu lesen ist. Immerhin blieb den Erben des Schmieds von Kochel genug, worauf sie stolz sein können. Autor Peschel: "In Sendling stand schon die erste Hochhaussiedlung, als die Münchner noch ahnungslos in die Luft guckten." So richtig bewusst wird den Münchnern jener Stadtbezirk 6 zwischen Isar und Theresienwiese immer dann, wenn sie es mit Obst und Gemüse zu tun bekommen. Es geht um den Bauch Bayerns, die Großmarkthalle. Allein Italien beliefert den Umschlagplatz pro Jahr mit rund acht Millionen Kilo Blumenkohl und 26 Millionen Kilo Trauben. Einkaufen, Handeln und Verkaufen zwischen 5.30 und 12.00 Uhr auf einer Fläche von über 300.000 Quadratmetern. Hier gruppieren sich, für Geschickte durchaus zugänglich, zahlreiche Schuppen, Lager- und Verwaltungsgebäude. Und mitten drin befindet sich ein richtiges Münchner Wirtshaus, die Gaststätte "Großmarkthalle" - ganz traditionell und dennoch international. Marktleute und Arbeiter treffen sich mit Fernfahrern und Lieferanten aus Süd- und Südosteuropa. Touristen gibt es hier nicht, aber die besten Weißwürste Münchens. Ein gewisses Naserümpfen gegenüber Sendling, existiert gelegentlich in Nobelstadtvierteln wie Bogenhausen, Harlaching oder Prinz-Ludwigshöhe. Es stammt aus der Zeit der Industrialisierung am Ende des 19. Jahrhunderts. Namen wie der Werkzeughersteller Deckel oder der Maschinenfabrikant Krauss sind noch heute ein Begriff. Dass unter dem Namen Krauss, nahe der Lindwurmstraße Kleinbahnen und Schmalspurlokomtiven für ganz Europa gebaut wurden, gibt jedoch keinen Anlass zum Spott. Im Gegenteil. Wolfgang Peschel nennt in seinem Sendling-Buch immerhin "111 Gründe, warum ein Münchner Stadtteil der Nabel Bayerns ist." Immobilien in Sendling mieten Immobilien in Sendling kaufen Neubauprojekte in München und Umgebung
Das Heizkraftwerk mitten in Sendling hält die Millionenstadt München warm. Die Bildergalerie beweist, dass es trotz Schlot auch Grund zum Wohnen gibt.
https://www.sueddeutsche.de/geld/stadtteile-schwabing-west-1.563242
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Stadtteile - Schwabing - West
00/05/2010
Künstlicher Zusatz Der Stadtteil Schwabing-West ist ein Kunstprodukt der Stadtviertelreform zu Beginn der Neunziger Jahre und alles andere als ein homogenes, gewachsenes Quartier - was man schon daran feststellt, dass sich die Westschwabinger selbst nie und nimmer als solche bezeichnen würden. Sie unterscheiden vielmehr zwischen "Nordschwabingern" und "Schwabingern". Das liegt einerseits an der vielschichtigen Topographie des Stadtbezirks und andererseits an dessen Geschichte. Detailansicht öffnen (Foto: Grafik: SZ) Als 1992 die Zahl der Münchner Stadtteile von 36 auf 24 reduziert wurde, wuchs der Bezirk auf das vierfache seiner ursprünglichen Größe. Die Verwaltungsleute hatten einfach zwei anderen Vierteln - Neuhausen und Milbertshofen - ein paar Straßenzüge genommen und sie Schwabing zugefügt. "Nordschwabing", das vorher zu Milbertshofen gehörte, ist ein ruhiges und ein bisschen verschlafenes Viertel mit kleinen Villen und Mietshäusern aus der Nachkriegszeit, das vom Bonner Platz bis zum Petuelring im Norden und zum Scheidplatz im Westen reicht. Sein Herz ist der ans Schwabinger Krankenhaus grenzende Luitpoldpark, der neben dem Olympiapark jenseits der Schleißheimer Straße eines der größeren Naherholungsgebiete im Münchner Norden bildet. Das eigentliche West-Schwabing kam erst 1992 mit der Reform zum Stadtbezirk vier. Es umfasst die Neubaugebiete am Ackermannbogen und erstreckt sich bis zu den Instituten der Fachhochschule München an der Dachauer Straße. Voller Leben, mit herrlichen Altbauten gesegnet und damit ganz anders im Aussehen als die jüngeren Quartiere des Stadtteils stellt sich dagegen der südliche Teil von Schwabing-West dar. Das Viertel um den Elisabethplatz, den Hohenzollernplatz und den Kurfürstenplatz ist es auch, das Ortsfremden mit dem Begriff Schwabing verbinden. Hier stand in den Sechziger Jahren die berühmte Diskothek "Blow Up". Gelegentlich trifft man dort im Supermarkt den Ex-Kommunarden Rainer Langhans beim Einkaufen. Und auch der kunstsinnige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude lebt in dem um 1900 entstandenen Viertel. Es heißt, sein Lieblingslokal sei eine griechische Taverne. Der Wirt - wie es sich für Schwabing gehört - stellt im Gastraum fast jeden Monat Kunst aus. Immobilien in Schwabing West mieten Immobilien in Schwabing West kaufen Neubauprojekte in München und Umgebung
Den Westschwabinger gibt es nicht, denn der Stadtteil ist ein künstliches Gebilde mit ganz unterschiedlichen Facetten.
https://www.sueddeutsche.de/geld/stadtteile-hadern-1.554602
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Stadtteile - Hadern
00/05/2010
Ein Stadtteil ohne Stadt Ganz im Südwesten der Stadt steht ein kleines Dorf. Dort wohnen keine Münchner, sondern Haderner. Das alte Bauerndorf wurde zwar 1938 eingegliedert, doch das Lebensgefühl und der Stolz auf die Tradition blieb. Der 20. Stadtbezirk hat einen eigenen Maibaum, einen eigenen Christkindlmarkt und einen eigenen Bundesligisten. Zwar nicht im Fußball, aber im Judo, immerhin. Die Vereine sorgen - wie auf dem Land - dafür, dass im Viertel immer etwas los ist. Die Sportler, die Trachtler, die Siedler, die Nachbarschaftshilfe und die Kulturfreunde, alle sind sie organisiert. Detailansicht öffnen (Foto: Grafik: SZ) Der dörfliche Charakter macht sich neben dem Lebensgefühl auch beim Wohnen bemerkbar. Viele Ein- und Zweifamilienhäuser gibt es, die meisten erbaut in der Zwischenkriegszeit mit großzügigen Gärten. Ein schönes Beispiel dafür ist die Villenkolonie zwischen dem alten Dorfkern und dem Waldfriedhof. An den Randlagen wie in der Blumenau und Kleinhadern baute die Stadt bis in die 80-er Jahre viele große Wohnanlagen. Dort sind die Mieten für München auf einem noch erträglichen Niveau. Und mit dem Fahrrad ist man in einer Viertelstunde im Grünen. In Großhadern gibt sich das alte Bauerndorf modern. Neben dem Klinikum haben sich in den letzten Jahren das Genzentrum und die Universität angesiedelt. Die vielen Familien finden eine intakte Infrastruktur im Viertel vor. Einkaufen, Schule, Sport, alles um die Ecke. Für die Anbindung an die Innenstadt ist jedoch die U6 nahezu allein verantwortlich. Die Blumenau und Kleinhadern sind eher mäßig angeschlossen. Doch so schlimm ist das auch wieder nicht. Wer will denn nach München, wenn er in Hadern wohnt? Immobilien in Hadern mieten Immobilien in Hadern kaufen Neubauprojekte in München und Umgebung
Hadern ist weniger ein Stadtteil als ein eingemeindetes Bauerndorf, das sich sein Traditionsbewusstsein erhalten hat.
https://www.sueddeutsche.de/geld/stadtteile-feldmoching-hasenbergl-1.547620
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Stadtteile - Feldmoching - Hasenbergl
00/05/2010
Ausblick nach Norden Es trennen sie nur wenige Meter, dennoch könnte man sich den Gegensatz zwischen dem historischen Bauerndorf Feldmoching und der in den 60er Jahren gebauten Trabantenstadt Hasenbergl nicht größer vorstellen. Westlich der S-Bahn nach Freising die selbstbewussten Großbauern mit einer Geschichte, die bis ins 6. Jahrhundert zurückreicht. Östlich die einkommensschwachen Großfamilien. Westlich der aufgelockerte Landhausstil, östlich große Wohnblocks aus Beton. Hier der Feldmochinger Rosstag mit Pferdesegnung und bis zu 10.000 Neugierigen, dort das Bürgerfest im Bierzelt. Detailansicht öffnen (Foto: Grafik: SZ) Nicht zu vergessen sind die zahlreichen Kleinsiedlungen am Rand wie die Siedlung Ludwigsfeld mit ihrem Nationen-Mix, das feine Wohnviertel Fasanerie-Nord mit seinen großen Villen, die Lerchenau mit Gewerbe und vielen Eigenheimen sowie die eher für Einkommensschwache errichtete Siedlung am Lerchenauer See. Gewerbe gibt es kaum in diesem Teil des äußersten Münchner Nordens, vielmehr gilt der Stadtbezirk als reines Wohnviertel. Beliebt sind die zahlreichen Erholungsmöglichkeiten: Heidelandschaften und drei Badeseen befinden sich im Stadtbezirk, zum Schleißheimer Schloss fährt man am besten mit dem Fahrrad. Nirgendwo in München ändert sich das Gesicht der Siedlung stärker. Die mehrfache Verlängerung der U-Bahn hat einen großen Schub bewirkt, selbst Feldmoching steht die Wandlung durch eine neue Groß-Siedlung am Südrand bevor. Zwar hat die Zahl der Angestellten die der Arbeiter längst überflügelt, doch herrscht weiter unteres bis mittleres Bildungsniveau vor. Im nördlichen Hasenbergl mit seinen Unterkunftsanlagen für Obdachlose treten die Probleme naturgemäß am deutlichsten zu Tage, doch haben sich die Bürger auch über Jahre hinweg ein fein gesponnenes soziales Netz geschaffen. Als Wohnort ist Feldmoching durchaus gesucht, das Hasenbergl dagegen wird vom Negativimage des einstigen Glasscherbenviertels beherrscht. Niemand zieht gern hierher, selbst preisgünstige Eigentumswohnungen sind kaum zu vermarkten. Die Verkehrserschließung im zentralen Hasenbergl und in Feldmoching ist gut, in den Randbereichen problematisch - bis hin zur Siedlung Ludwigsfeld, die am Abend mitunter nicht einmal im Stundentakt vom Bus bedient wird. Immobilien in Feldmoching mieten Immobilien in Feldmoching kaufen Immobilien in Hasenbergl mieten Immobilien in Hasenbergl kaufen Neubauprojekte in München und Umgebung
Es ist der Stadtteil mit den wohl größten Unterschieden: Landhausstil mit Tradition in Feldmoching und triste Trabantensiedlungen im Hasenbergl.
https://www.sueddeutsche.de/geld/steuerprogramm-elster-ein-cabrio-vom-finanzamt-1.949651
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Steuerprogramm Elster - Ein Cabrio vom Finanzamt
00/05/2010
Auf zum Endspurt: Wer eine Steuererklärung für 2009 abgeben muss, sollte das bis Montag, den 31.Mai, erledigt haben. Wer allerdings einen Steuerberater oder einen Lohnsteuerhilfeverein damit beauftragt hat, dem bleibt Zeit bis Ende Dezember. Bei der raschen Bearbeitung der Formulare hilft das "Elster"-Programm der Steuerverwaltung. Elster ist die Abkürzung für "Elektronische Steuererklärung". Das lohne sich, sagt Marlies Spargen vom Neuen Verband der Lohnsteuerhilfevereine (NVL) in Berlin. Wer online abgibt, kommt schneller an seine Rückerstattung als auf dem Papierweg. Detailansicht öffnen Das offizielle Elster-Programm kann entweder gratis als CD-Rom beim Finanzamt abgeholt oder im Internet unter www.elster.de in der aktuellen Version heruntergeladen werden. (Foto: dpa) Denn die Finanzämter sind angewiesen, Internet-Erklärungen vorrangig zu bearbeiten. Im Normalfall können dann schon nach vier Wochen Bescheid plus Geld da sein. Wer vorher schon fit darin war, seine Formulare auf dem Papier selbst auszufüllen, für den sei die Online-Erklärung optimal, meint Alexander Ulbricht vom Bayerischen Landesamt für Steuern. Die Finanzverwaltungen vieler Bundesländer rühren zudem massiv die Werbetrommel für das Online-Verfahren, weil es auch ihre Arbeit erleichtert. Bayern verlost als Anreiz in diesem Jahr einen Cabrio-Kleinwagen und andere Preise. Brandenburg konnte mit einer ähnlichen Aktion 2008 die Teilnehmerzahl verdreifachen. Das offizielle Elster-Programm kann entweder gratis als CD-Rom beim Finanzamt abgeholt oder im Internet unter www.elster.de in der aktuellen Version heruntergeladen werden. Genutzt werden kann es von Arbeitnehmern, Rentnern oder Arbeitgebern für die unterschiedlichen Steuererklärungen. Praktisch: Wer schon im Vorjahr Elster benutzt hat, kann unveränderte Daten beim Ausfüllen übernehmen. Dann geht es mit der Steuererklärung noch ein wenig schneller, Tippfehler fallen weg. Zusatzvorteil: Die Finanzbeamten verzichten bei der Internet-Übertragung auf viele Belege. Steuerzahler, die ganz spät dran sind, können ihre Online-Erklärung mit Elster notfalls noch kurz vor Mitternacht am PC ausfüllen und per Mausklick ans Finanzamt abschicken. Allerdings ist nur dann Verlass auf Gültigkeit, wenn sie sich bereits gut zwei Wochen vorher als Nutzer angemeldet hatten. Dann wurden sie vom Finanzamt überprüft und bekamen ein Zertifikat ausgestellt, das gleichbedeutend mit ihrer Unterschrift ist. Teilnehmer der Erklärung mit Signatur könnten sich tatsächlich bis auf die letzte Sekunde Zeit lassen, erklärt Ulbricht. Sie müssen anschließend weder etwas ausdrucken noch unterzeichnen. Wer sich nicht rechtzeitig um das Zertifikat gekümmert hat, kann seine Erklärung zwar auch online noch kurz vor Schluss abschicken. Er muss das Online-Formular aber zusätzlich noch ausdrucken und die Papiererklärung bis zum nächsten Morgen, also dem 1.Juni, sechs Uhr in der Früh, in den Briefkasten seines Finanzamts werfen. Nur dann wird sie auch akzeptiert. Wem jetzt schon klar ist, dass er den Abgabetermin 31.Mai gar nicht schafft, sollte gleich beim Finanzamt Fristverlängerung beantragen, damit kein Verspätungszuschlag fällig wird, rät der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine (BDL). Dann gewährt das Finanzamt meist ein, zwei Monate mehr Zeit. Steuerlaien, die umfassende Beratung vom Profi benötigen, können sich gegen Gebühr unter die Arme greifen lassen. In diesem Fall ist auch noch lange kein Endspurt angesagt. Steuererklärungen über Steuerberater oder Lohnsteuervereine können noch bis zum 31.Dezember 2010 abgegeben werden.
Wer seine Steuererklärung mit dem elektronischen Formular beantragt, kann ein Auto gewinnen. Aber auch sonst hat das Programm Vorteile für die Bürger.
https://www.sueddeutsche.de/geld/versicherungen-erst-absichern-dann-vermoegen-aufbauen-1.891611
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Versicherungen - Erst absichern, dann Vermögen aufbauen
00/05/2010
Kinder machen viel Freude, kosten aber auch viel Geld - genauer gesagt durchschnittlich 549 Euro im Monat, wenn man dem Statistischen Bundesamt glauben darf. Diese Summe mussten Eltern nach den letzten Berechnungen für ein Einzelkind aufbringen. Klar, dass kühle Rechner schnell dabei sind, mit Finanzprodukten für die spätere Ausbildung der Kinder zu sparen. Doch Verbraucherschützer raten zu einer anderen Vorgehensweise: Eine junge Familie sollte sich als erstes Gedanken über ihre Risikoabsicherung machen. Das hat Vorrang vor dem Vermögensaufbau, der Altersvorsorge oder dem Sparen für die Ausbildung. Der Blick sollte sich dabei zunächst auf existenzbedrohende Risiken richten, die den finanziellen Ruin der Familie bedeuten könnten. "Versicherungsschutz sollte man nach dem GAU-Prinzip aufbauen", rät Elke Weidenbach, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Zu diesem "größten anzunehmenden Unfall" zählen die Risiken Krankheit, Haftpflicht, Tod und Invalidität. Der Verlust des Reisegepäcks gehört beispielsweise nicht dazu. Privathaftpflicht ist die wichtigste Police Ein absolutes Muss sind also die Krankenversicherung und die Privathaftpflicht. Erstere ist in Deutschland zum Glück mittlerweile selbstverständlich. Letztere dagegen wird immer noch viel zu selten abgeschlossen. Tatsächlich besitzen mehr deutsche Haushalte eine Hausrat- als eine Privathaftpflichtpolice. Dabei ist die Privathaftpflicht die wohl wichtigste Police; eine Familie benötigt sie unbedingt. Denn grundsätzlich haftet jeder mit seinem Gesamtvermögen für Schäden, die er angerichtet hat. Die umgestoßene Lautsprecherbox beim Nachbarn ist zwar ärgerlich, lässt sich aber zumeist finanziell verschmerzen. Anders sieht es aus, wenn ein Familienmitglied durch unachtsames Verhalten einen anderen Menschen schwer verletzt. Dann muss diesem eventuell ein Leben lang eine Rente gezahlt werden. Steht man in solchen Situationen ohne Versicherungsschutz da, bedeutet dies oft den Ruin. Unterschätztes Risiko Auch eine Risikolebensversicherung ist gerade für Alleinerziehende und Familien mit Kindern sehr wichtig: Stirbt der Hauptverdiener, stehen die Hinterbliebenen oft nicht nur vor einer menschlichen, sondern auch einer finanziellen Katastrophe. Besonders schlimm, wenn noch das Haus abzuzahlen ist. Die Risikolebensversicherung mildert zumindest die finanziellen Folgen. Da sie nur das Sterberisiko abdeckt, sind die Beiträge erschwinglich; es wird kein Kapitalstock aufgebaut, der nach Auslaufen des Vertrags ausbezahlt würde. Manche Kunden ärgert diese Vorstellung.
Junge Familien werden von Banken und Finanzvermittlern mit Angeboten überhäuft. Doch welche Versicherungen brauchen junge Familien wirklich?
https://www.sueddeutsche.de/geld/kursrutsch-an-den-boersen-angst-vor-weltweiter-finanzkrise-1.774138
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Kursrutsch an den Börsen - Angst vor weltweiter Finanzkrise
00/05/2010
Die führenden Notenbanken der Welt haben zum zweiten Mal binnen zwei Tagen in die Krise an den Finanzmärkten eingegriffen. Sie stellten Banken erneut Milliarden zur Verfügung, um zu verhindern, dass das Geld knapp wird. An den Aktienmärkten sackten die Kurse dennoch weiter ab. Am Abend erholten sich die US-Börsen allerdings leicht. An den globalen Finanzmärkten kursiert die Angst vor einer Kreditkrise, die das Wirtschaftswachstum bremsen könnte. Die Europäische Zentralbank (EZB), die amerikanische Notenbank Federal Reserve sowie andere wichtige Zentralbanken pumpten deshalb am Freitag erneut große Summen in das Bankensystem, um das Vertrauen der Investoren wiederherzustellen. Allein die EZB stellt über das Wochenende gut 61 Milliarden Euro bereit, die die Geschäftsbanken kurzfristig ausleihen können. Am Donnerstag hatte die europäische Notenbank den Banken bereits kurz entschlossen 95Milliarden Euro geliehen, damit diese über genug Geld verfügen. Auch die amerikanische Notenbank gab am Freitag erneut 38 Milliarden Dollar in das Bankensystem. Gemeinsame Aktion Zuvor hatten sich auch die Zentralbanken Japans, Australiens, Kanadas und der Schweiz an der Aktion beteiligt. Zu einem solch drastischen Eingriff hatten sich die Währungshüter zuletzt nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 entschlossen. Damals wie heute zogen Investoren aus Furcht vor Verlusten rund um den Globus kurzfristig enorme Summen aus den Finanzmärkten ab. Als Ausgangspunkt für die aktuelle Krise gilt der amerikanische Immobilienmarkt. Nach einem jahrelangen Boom fielen dort in den vergangenen Monaten die Preise in sich zusammen. Zehntausende amerikanische Hausbesitzer konnten ihre Hypothekenkredite nicht mehr abbezahlen, mehrere Banken sowie Fonds gerieten in Not. Deshalb steht den Finanzmärkten eine Kettenreaktion bevor. Investoren zogen zuletzt Geld aus allen riskanten Anlagen ab, zahlreiche Fonds gerieten in Schieflagen. In Deutschland konnte die Mittelstandsbank IKB nur durch eine Rettungsaktion privater und öffentlicher Banken sowie der Bundesregierung vor dem Zusammenbruch bewahrt werden. Das Düsseldorfer Institut hatte sich am US-Hypothekenmarkt verspekuliert. Leichtes Minus des Dow-Jones-Index Die Finanzspritzen der Notenbanken sorgten im späten Handel für eine leichte Beruhigung. Der Dow-Jones-Index lag zum Börsenschluss nur 0,23 Prozent im Minus. Tags zuvor hatte das wichtigste Börsenbarometer in den USA, fast drei Prozent an Wert verloren. Der Deutsche Aktienindex Dax schloss mit einem Verlust von 1,48 Prozent. Der TecDax, der vor allem Aktien von Hightech-Unternehmen enthält, verlor 3,7 Prozent. Ähnlich hoch waren die Verluste an den übrigen Börsen in Asien und Europa. "Überall wird Kasse gemacht, alle bauen ihr Risiko ab", sagte Händler Dirk Müller vom Brokerhaus ICF Kursmakler. "Wenn sich Notenbanken rund um den Globus zu so etwas veranlasst sehen, dann ist Feuer unter dem Dach", sagte Müller der Nachrichtenagentur Reuters. Am Abend teilte allerdings der Internationale Währungsfonds mit: "Die Neubewertung des Kreditrisikos, die gerade stattfindet, wird beherrschbar sein." Die größte amerikanische Hypothekenkreditfirma Countrywide Financial teilte mit, sie leide unter den ,,beispiellosen Störungen'' der Kapitalmärkte. Die Aktien des Unternehmens brachen um etwa ein Fünftel ein. Das Wall Street Journal berichtete zudem, dass die amerikanische Börsenaufsicht die Bücher mehrerer großer Banken prüfe. Im Mittelpunkt der Ermittlungen stehe die Frage, ob die Banken das Risiko bei hochspekulativen Kreditgeschäften korrekt verbucht hätten.
Investoren warnen vor "beispiellosen Störungen" an den Kapitalmärkten - die Notenbanken helfen deswegen mit Milliarden.
https://www.sueddeutsche.de/geld/lotto-ein-jackpot-auch-fuer-uns-1.796574
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"Lotto - ""Ein Jackpot - auch für uns"""
00/05/2010
Manchmal braucht selbst der Finanzvorstand eines Lottoanbieters ein wenig Glück. Noch vor wenigen Wochen plante Stefan Hänel, seinem Vorstandsvorsitzenden ein Minus für das Geschäftsjahr 2007 zu melden. Immerhin hatten sich bei dem privaten Lottoanbieter Fluxx die Verluste bis Oktober auf vier Millionen Euro summiert. Plötzlich und ganz unverhofft sieht die Lage für Finanzvorstand Hänel wieder rosiger aus. Weil derzeit so viele Deutsche nach den Lottomillionen gieren, prasselt ein warmer Geldregen in die Unternehmenskasse. Ein Fluxx-Sprecher sagte, dies könne bedeuten, dass die Firma in diesem Jahr doch keine negativen Zahlen schreibt. Die Aktien von Fluxx stiegen am Dienstag zeitweise um mehr als vier Prozent. Seit Mitte Oktober haben sich die Papiere bereits um etwa 25 Prozent verteuert. Warteschlangen vor den Annahmestellen Wer in diesen Tagen seinen Tippschein abgeben will, braucht Geduld. Vor vielen Annahmestellen bilden sich nicht selten lange Menschenschlangen. Der deutsche Lottoblock, der die Ziehungen koordiniert, hatte für seine Veranstaltung am 10. Oktober noch 25 Millionen Euro eingesammelt, diesen Mittwoch rechnet man dagegen mit einem bundesweiten Gesamteinsatz von 100 Millionen Euro. Von diesem Kuchen wollen auch die privaten Anbieter ein Stück abhaben. Ihr Geschäftsmodell ist simpel: Sie stellen im Internet die Tipp-Plattform zur Verfügung, vermitteln so die Teilnahme an der staatlichen Ziehung und kassieren dafür Provisionen - wie jede Toto-Lotto-Annahmestelle auch. Anbieter wie Fluxx, Tipp24 und Faber werben damit, dass der Tipp per Klick schneller und unkomplizierter sei, als der Gang in den Kiosk. Das überzeugt die Lottogemeinde scheinbar. Tipp24 hat auf seiner Internetseite bereits "einige Funktionen heruntergefahren", um den zusätzlichen Kunden Herr zu werden. Zeitgleich bis zu 50.000 Zugriffe habe man registriert, sagt eine Tipp24-Sprecherin. Der Ansturm sei so groß, dass selbst Mitarbeiter aus Marketing und Buchhaltung in der Kundenbetreuung aushelfen müssten. Der Lottoboom wird sich bei dem Hamburger Unternehmen, genauso wie bei Fluxx, positiv auswirken. "Das ist ein Jackpot - auch für uns", so die Sprecherin. In den vergangenen Wochen hat sich die Zahl der registrierten Kunden bei Tipp24 um mehr als 100.000 auf mehr als zwei Millionen erhöht. Mit einem Gewinnanstieg von 20 Prozent rechnete der Konzern noch vor kurzem.
43 Millionen im Jackpot: Private Glücksspielvermittler profitieren vom derzeitigen Lottoboom - den Anbieter Fluxx rettet er sogar vor negativen Zahlen.
https://www.sueddeutsche.de/geld/bertelsmann-jagd-nach-punkten-1.796087
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Bertelsmann - Jagd nach Punkten
00/05/2010
Der Wettstreit der Anbieter von Kundenkarten um einen Platz in den Portemonnaies der Verbraucher geht in eine neue Runde. Denn die beiden führenden Bonusprogramme in Deutschland, Payback und Happy Digits, erhalten in Kürze starke Konkurrenz. Die Bertelsmann-Tochter Arvato will ein drittes branchenübergreifendes Kartensystem aufbauen. "Wir starten im ersten Halbjahr 2008", bestätigte ein Unternehmenssprecher der Süddeutschen Zeitung. Detailansicht öffnen Noch ein Plastikkärtchen mehr im Geldbeutel - das wünscht sich Bertelsmann von den Verbrauchern. (Foto: Foto: dpa) Die Betreiber von Payback und Happy Digits wetteifern seit Jahren um Kunden und Partnerunternehmen, bei denen die Karteninhaber Punkte sammeln und diese später gegen Prämien eintauschen können. Nach einer Studie des Marktforschungsunternehmens GfK ist Payback mit Partnern wie Aral, der Drogeriekette dm, Kaufhof und Real das am meisten verbreitete Bonusprogramm in Deutschland. Etwa 61 Prozent aller Haushalte besitzen eine Payback-Karte, gefolgt von Happy Digits mit einer Verbreitung von 42 Prozent. Der Branchenzweite, dessen Gesellschafter die Deutsche Telekom und der inzwischen als Arcandor firmierende Karstadt-Quelle-Konzern sind, hat den Abstand zum Marktführer zuletzt deutlich verkleinert. "Mit monatlich 150 000 neuen Kunden wachsen wir sehr viel schneller als Payback", sagte Thorsten Franz, Geschäftsführer von Costumer Advantage Programm (CAP), dem Betreiber von Happy Digits, der SZ. An der Grenze Beide Konkurrenten sind sich einig, dass der deutsche Markt für Kundenkarten die Sättigungsgrenze erreicht hat: "Die Geldbörsen vieler Verbraucher quellen über mit Plastikrechtecken. Marktanteile lassen sich nur noch auf Kosten von Mitbewerbern gewinnen", heißt es. Mit Arvato betritt aber nun ein neuer Mitspieler das Feld. Die Bertelsmann-Tochter ist bisher unter anderem bekannt als Anbieter verschiedener Dienstleistungen rund um die Kundenbeziehung - vom Adresshandel über Bonitätsprüfungen, Direktmailings bis zu Inkassodiensten. Unter anderem wickelt das Unternehmen das Miles & More-Programm der Lufthansa ab. Für das Projekt mit dem Namen "DeutschlandCard" hat Arvato nach eigenen Angaben bisher die Edeka-Gruppe, die Deutsche Bank, den Pharmagroßhandel Gehe, die Reisebürokette L'Tour sowie die Porta-Einrichtungshäuser gewonnen. "Markt mit Potential" Mit weiteren möglichen Partnern sei man im Gespräch, verlautet aus der Firmenzentrale in Gütersloh. Die Konkurrenz gibt sich gelassen. "Wenn ein Unternehmen wie Bertelsmann künftig auch Bonusprogramme betreiben will, so zeigt dies, dass der Markt noch gehöriges Potential besitzt", sagte CAP-Geschäftsführer Franz. Auch bei Loyality Partner, dem Betreiber des Payback-Programms, heißt es selbstbewusst: "Als Marktführer fürchten wir keinen neuen Mitbewerber."
Bertelsmann will im Geschäft mit Kundenkarten mitmischen - obwohl die Geldbörsen vieler Verbraucher schon mit Plastikrechtecken überquellen.
https://www.sueddeutsche.de/geld/steuer-mehreinnahmen-merkel-unterstuetzt-sparkurs-des-finanzministers-1.908587
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Steuer-Mehreinnahmen - Merkel unterstützt Sparkurs des Finanzministers
00/05/2010
Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat für seinen Sparkurs grundsätzlich Rückendeckung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erhalten. Das Ministerium erklärte nach einem Treffen Steinbrücks mit Merkel, Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) und Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) in Berlin, alle Teilnehmer seien sich einig gewesen, dass die Regierung trotz guter Konjunkturaussichten und Steuermehreinnahmen nicht vom Konsolidierungskurs abrücken dürfe. Entscheidend für eine erfolgreiche Finanzpolitik sei, dass es gelinge, vorrangige Projekte von nachrangigen zu unterscheiden. Konkrete Entscheidungen fielen bei dem Gespräch noch nicht. Steinbrück hatte im Vorfeld der Unterredung kritisiert, dass die Fachministerien für den Haushalt 2008 ,,ritualhaft'' zusätzliche Ausgabenwünsche angemeldet hätten. Es gehe aber darum, auf der einen Seite mehr Geld für Zukunftsinvestitionen in die Hand zu nehmen, dafür aber an anderer Stelle Mittel einzusparen. Statt einfach die Ausgaben immer weiter zu erhöhen, müsse die ,,Qualität'' des Haushalts verbessert werden. Milliardenschwere Wunschliste Die Wunschliste der Ministerien summiert sich auf etwa fünf Milliarden Euro. Unter anderem wollen sie das Bafög anheben, die Entwicklungshilfe aufstocken und den Wehrsold erhöhen. Befeuert wurde der Appetit auf Mehrausgaben ganz offensichtlich durch die unerwartet hohen Steuermehreinnahmen zu Jahresbeginn. Steinbrück hatte dagegen von einer Momentaufnahme gesprochen und vor Euphorie gewarnt. ,,Lassen Sie die Tassen im Schrank'', sagte er. IWF stützt Steinbrück Rückendeckung erhielt der Minister auch vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Zwar beurteilt der IWF die Konjunkturaussichten in Deutschland im neuen World Economic Outlook optimistischer als noch vor einem halben Jahr. Mit 1,8 Prozent sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr fällt die Prognose aber deutlich niedriger aus als etwa die des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, das für 2007 ein Wachstum von 2,8 Prozent erwartet. Als Grund für seine Zurückhaltung nennt der IWF unter anderem die Erhöhung der Mehrwertsteuer zum Jahresbeginn 2007, die das Wachstum vorübergehend belasten könnte. Insgesamt blieben die Aussichten aber gut: Der Konsum könne anziehen, die Arbeitslosigkeit weiter sinken. Das gelte vor allem dann, wenn die Löhne etwas kräftiger steigen würden als zuletzt und sich die Mehrwertsteuererhöhung als weniger dämpfend erweisen sollte als gedacht. Die Arbeitslosigkeit nach IWF-Statistik sinkt laut Prognose von 8,1 Prozent 2006 auf 7,7 Prozent im Jahr 2007 und 7,6 Prozent 2008. Die Inflationsrate spielt mit 2,0 und 1,5 Prozent weiter keine große Rolle. Der Bericht, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, wird zur Frühjahrstagung von IWF und Weltbank Mitte April in Washington offiziell vorgestellt.
Kanzlerin Merkel hat ihrem Finanzminister grundsätzlich den Rücken gestärkt. Trotz sprudelnder Steuereinnahmen wies sie Begehrlichkeiten aus den Ressorts zurück.
https://www.sueddeutsche.de/geld/entscheidung-zur-erbschaftssteuer-unser-oma-ihr-klein-haeuschen-1.773374
geld
Entscheidung zur Erbschaftssteuer - Unser Oma ihr klein Häuschen
00/05/2010
Am Mittwoch gibt das Bundesverfassungsgericht seine seit 2002 erwartete Entscheidung zu mutmaßlichen Gerechtigkeitslücken in der Erbschaftssteuer bekannt. Detailansicht öffnen Der Freibetrag von derzeit 205.000 Euro wird niicht mehr ausreichen, um ein Haus im Wert von 250.000 Euro steuerfrei überschrieben zu bekommen. (Foto: Foto: dpa) Bislang profitieren Immobilien-Erben davon, dass der Staat etwa Häuser nur mit der Hälfte ihres eigentlichen Verkehrswertes festsetzt. Wer dagegen Aktien erbt, muss sie zum vollen Kurswert versteuern. Experten erwarten nun, das die Karlsruher Richter die Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) in München weitgehend teilen und eine Gleichbehandlung beim Vererben von Immobilien und anderem Vermögen einfordern. Das könnte Folgen haben vor allem für die Erben von Familienbetrieben sowie von land- und fortswirtschaftlichem Vermögen. Das oberste deutsche Steuergericht in München hatte im Dezember 2001 gerügt, dass Erben von Betriebsvermögen sowie von Grundbesitz bis hin zur Land- und Forstwirtschaft durch Freibeträge gegenüber anderen Vermögensarten wie Bargeld oder Aktien erheblich begünstigt werden. Auch geringwertigere Immobilien betroffen So würden etwa Häuser mit 50 Prozent ihres Verkehrswertes angesetzt, unbebaute Grundstücke mit 80 Prozent und land- und forstwirtschaftliches Vermögen gar nur mit zehn Prozent. Zudem bekämen Erben in der Landwirtschaft einen Freibetrag von rund 250.000 Euro sowie einen weiteren so genannten Bewertungsabschlag von 40 Prozent und müssten deshalb in der Regel keine Steuern zahlen. Die Ungerechtigkeit zeigte sich auch beim Vererben von Betriebsvermögen. Dort führen laut BFH Vergünstigungen dazu, dass Betriebsvermögen bis zu einem Wert von 1,5 Millionen Euro völlig steuerfrei sein können. Nicht genug: Selbst nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften würden um 35 Prozent niedriger bewertet als etwa börsennotierte Anteile. Für einige dieser Privilegien hat der Gesetzgeber allerdings gute Gründe. Unternehmen müssten womöglich zerschlagen und Bauernhöfe aufgegeben werden, wenn Erben Teile davon veräußern müssten, um horrende Steuern zu bezahlen. Die Bundesregierung denkt deshalb auch schon seit längerem darüber nach, die Erbschaftssteuer für Betriebe zu stunden oder gar ganz zu erlassen, wenn sie von den Erben weiter geführt werden. Gleichwohl spekulieren Steuerexperten bereits heftig über den Umfang möglicher Erhöhungen und gehen etwa davon aus, das die Bewertung bebauter Grundstücke auf bis zu 85 Prozent ihres Verkehrswertes steigen könnte. Das hätte Folgen auch für die Erben von "unser Oma ihr klein Häuschen": Der Freibetrag von derzeit 205.000 Euro für einen erbenden Enkel würde dann nicht mehr ausreichen, um ein Haus im Wert von 250.000 Euro steuerfrei überschrieben zu bekommen. Allerdings ist die Erbschaftssteuer für Staat nicht mehr als eine Bagatelle. Sie liegt seit Jahren deutlich unter einem Prozent der gesamten Steuereinnahmen. Höhere Freigrenzen festzusetzen, wäre deshalb für die Bundesregierung kein Verlust. Profiteure der sich angeblich schließenden Gerechtigkeitslücke sind zunächst allein deren Propheten: Steuerberater und Notare weisen Immobilienbesitzer mit wachsendem Erfolg darauf hin, höhere Erbschaftssteuern durch Schenkungsverträge zu umgehen. Doch solch ein Rat ist nur sinnvoll, wenn die Eltern zugleich an ihre Altersvorsorge denken und mit den beschenkten Kindern etwa den weiteren Nießbrauch des Besitzes festlegen oder mit den Beschenkten im Gegenzug eine Rente vereinbaren.
Erben von Immobilien drohen schwerere Zeiten: Womöglich müssen sie schon bald erheblich mehr Steuern bezahlen.